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Full text of "Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg 66.1910"

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JAHRESHEFTE 


des 


Vereins für vaterländische Naturkunde 


Württemberg. 


Im Auftrag der Redaktionskommission: 


Prof. Dr. E. Fraas, Prof. Dr. C. v. Hell, Prof. Dr. O. v. Kirchner, 
0.-Studienrat Dr. K. Lampert, Geh. Hofrat Dr. A. v. Schmidt 


herausgegeben von 


Prof. J. Eichler. 


SECHSUNDSECHZIGSTER JAHRGANG. 
Mit 14 Tafeln und 1 Beilage. 


Stuttgart. 
Druck der K. Hofbuchdruckerei Zu Gutönberg (Klett & Hartmann). 
1910. 


Inhalt. 


— 


I. Bericht über die geschäftlichen Angelegenheiten und 
die Sammlungen des Vereins. 


Bericht über die 64. Hauptversammlung am 27. Juni 1909 zu Mergentheim. S. VII. 
Wahl des Vorstands und des Ausschusses. S. IX. 
Verzeichnis der Zugänge zu der Württembergischen Landessammlung: 
A. Zoologische Sammlung. S. XI. 
B. Botanische Sammlung. S. XVII. 
C. Mineralogisch-paläontologische Sammlung. S. XVIII. 
D. Bibliothek. S. XX. 
Rechnungsabschluß für das Jahr 1909. S. XXXII. 
Veränderungen im Mitgliederbestand. S. XXXIII. 


Zur Erinnerung an Wilh.Camerer. (Mit Bild.) Von P. v.Grützner. S. XXXVI. 


II. Sitzungsberichte. 
64. Hauptversammlung zu Mergentheim am 27. Juni 1909. S. XLII. 
Wissenschaftliche Abende in Stuttgart. S. LXXI. 
Besichtigung des neuen Stuttgarter Vieh- und Schlachthofes,. S. LXXVI. 
Zusammenkunft in Hohenheim. S. LXXI. 
Oberschwäbischer Zweigverein für vaterländische Naturkunde. S. XCI. 
Ausflug nach Friedrichshafen. S. XCI. 
Schwarzwälder Zweigverein für vaterländische Naturkunde. S. XCIV. 


Basler: Über Scheinbewegungen. S. XCIV. 

— — Über die Wahrnehmung kleinster Bewegungen mittels des Auges. S. XCV. 

Broß, H.: Geologische Streifzüge in Paraná (Südbrasilien), mit Berücksichtigung 
des zoologischen und botanischen Gebiets. S. LXXXII. 

Eichler, J.: Vorlage von Vegetationsbildern. S. LXXVIII. 

Fraas, E.: Alte und neue Dinosaurierfunde. S. XCIII. 

— — Die geologischen Verhältnisse vom Taubertal und Bad Mergentheim. S. LIV. 

— — Über die Stuttgarter Wasserversorgungsfrage. (Titel) S. LXXIII. 

— — Vorlage einer Pentacrinusplatte. S. LXXVIII. 

v. Grützner, P.: Über den Flug der Tiere nach kinematographischen Auf- 
nahmen. S. XCVIII. | 

Jordan: Über die Mechanik der Bewegungsregulation bei krebsartigen Tieren. 


S. CH. 
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IV Inhalt. 


Kleinschmidt: Über den Betrieb der Drachenstation in Friedrichshafen. 
S. XCI. 

Klunzinger, C. B.: Eine Nilfahrt im Jahre 1867. (Titel.) S. XCIV. 

Lampert, K.: Fischparasiten und Fischkrankheiten. S. LXXIV. 

— — Ozeanographische Forschung und das Museum in Monaco. S. LXXXIX. 

— — Springende Bohnen. S. LXXIII. 

Lang, R.: Landschaftsbild und Klima zur Buntsandstein- und Keuperzeit in 
Schwaben. S. XCVI. 

-- — Über die Abnahme der Schichtenmächtigkeit des mittleren Keupers gegen 
Süden. S. CI. 

Meyer, L.: Über einige pflanzenphänologische Beobachtungen in Württemberg. 
S. X. 

Regelmann, C.: Über den Abbruch der Juratafel am Donautalrand. S. X. 

Reihlen, Max: Ein Besuch bei den Deutschen in den russischen Ostsee- 
provinzen. S. LXXII. 

Sauer, A.: Bau und Entstehung der Alpen. S. XCII. 

— — Über das Mikroskop in der Gesteinskunde. S. LXXX. 

— — Über Lava vom Kamerunberg. S. LXXVI. 

Schlenker, K.: Über die Flora des Oberamts Mergentheim. S. LVI. 

Schmidt, August: Mittel zur Bestimmung der Herdentfernung von Erd- 
beben. S. LXXVI. 

Schmidt, Axel: Über Fossilhorizonte im Buntsandstein des östlichen Schwarz- 
waldes (Titel). S. CII. 

Schmidt, Martin: Über die Altersbestimmung der Braunschweiger altpalä- 
olithischen Feuersteinfunde (Titel). S. CII. 

Schwarz, Richard: Über die Mergentheimer Heilquellen (Wortlaut). S. XLII. 

Walz, K.: Über Stilltätigkeit und ihre Beziehungen zur Säuglingssterblichkeit, 
sowie über die Säuglingsfürsorge in Württemberg. S. LXXIX. 

Wundt, W.: Niederschlag und Abfluß. speziell im oberen Neckargebiet (Titel). 
S. LXXIII. 

Ziegler, H. E.: Die Instinkte und die Gehirne der Bienen und Ameisen. 
S. LXXXVIII. 


III. Originalabhandlungen und Mitteilungen. 


Blanck, E.: Über die petrugraphischen und Bodenverhältnisse der Buntsand- 
steinformation Deutschlands. S. 408. 

Broß, Hermann: Der Dossenheimer Quarzporphyr. Ein Beitrag zur Kenntnis 
der Umwandlungserscheinungen saurer Gesteinsgläser. Mit Taf. IV—VII. 


5. 64. 

Buchner, Otto: Beiträge zur Kenntnis unserer Unionenfauna. Mit Taf. XI. 
S. 218. 

Dietrich, W. 0O.: Neue fossile Cervidenreste aus Schwaben. Mit Taf. XII. 
S. 318. 


Finckh, A.: Die Horizonte von Pstloceras subangulare OppEL und Ps. Hagenowi 
DuskER im unteren Lias von Stuttgart. S. 164. 

Fraas, E.: Chimäridenreste aus dem oberen Lias von Holzmaden. Mit Taf. III. 
S. 55. | 

` Geyer, D.: Zur Molluskenfauna der Kalktuffe S. 310. 


Inhalt. Y 


Hüeber, Theodor: Synopsis der deutschen Blindwanzen (Hemiptera heteroptera, 
Fam. Capsidae). XIII. Teil. S. 239. 

Klunzinger, C.B.: Geschichte der Stuttgarter Tiergärten. Mit Taf. X. S. 166. 

Lang, Richard: Der mittlere Keuper im südlichen Württemberg. III u. IV. 
(Schluß.) Mit Taf. I u. II. S. 1. 

Mayer, Adolf: Orchidaceen-Standorte in Württemberg und Hohenzollern. S. 401. 

Sautermeister, F. L.: Delitschia elegans n. sp. S. 399. 

Schmidt, Martin: Zur Altersfrage der Braunschweiger eolithischen und alt- 
paläolithischen Funde. S. 229. 

Verhoeff, Karl W.: Über Diplopoden. 19. (89.) Aufsatz: Iuliden und Asco- 
spermophora, Mit Taf. XIII—XIV. S. 337, 

— — Über Isopoden, 16. Aufsatz, Armadillidium und Porcellio an der Riviera. 
S. 115. 

Wundt, Walter: Niederschlag und Abfluß, speziell im oberen Neckargebiet. 
Mit Taf. VIII u. IX. S. 144. 


Beilage. 
Mitteilungen der Geologischen Abteilung des K. Württembergischen Statistischen 
Landesamts. No. 7: 
Schmidt, Axel: Über Fossilhorizonte im Buntsandstein des östlichen 
Schwarzwaldes. S. 1. 
Bräuhäuser, M.: Beiträge zur Kenntnis des Rotliegenden an der oberen 
Kinzig. S. 11. 


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1. Bericht über die geschäftlichen Angelegenheiten und 
die Sammlungen des Vereins. 


Bericht über die vierundsechzigste Hauptversammlung 
am 27. Juni 1909 in Mergentheim. 


Wohl nur wenige von unseren im Neckarlande, im Schwarz- 
wald und im Lande ob der Steige wohnenden Vereinsmitglieder 
haben sich bisher, wenn sie nicht gerade durch bedauerliche Leiden 
gezwungen waren an der heilkräftigen Karlsquelle Genesung zu 
suchen, veranlaßt gesehen, ihre Exkursionen in das nördlichste Ober- 
amt unseres Landes zu richten, obwohl Flora wie Fauna dort 
mancherlei eigenartige und interessante Züge aufweisen und auch 
die ausschließlich vorhandene Muschelkalklandschaft der intimeren 
Reize nicht entbehrt. Um so freudiger benützten daher viele von 
ihnen die Gelegenheit, bei der auf Sonntag den 27. Juni nach 
Mergentheim einberufenen Hauptversammlung ihre Landeskenntnis 
zu erweitern und der alten Deutschordenshauptstadt im reben- 
umsäumten Taubertal einen Besuch abzustatten, um sich dabei zu 
überzeugen, daß sie während ihrer gerade 100jährigen Zugehörigkeit 
zum Württemberger Land von ihrer Schmuckheit noch nichts ein- 
gebüßt habe und als frisch aufblühender vornehmer Badeort wohl 
würdig sei, im Herbst des Jahres das Haupt des Deutschen Reiches 
und dessen Fürsten während des Kaisermanövers in seinen Mauern 
zu beherbergen. 

Nachdem man sich im „Rosengärtle“ herzlich begrüßt und mit 
einem Trunk lieblichen Tauberweins nach der langen Eisenbahnfahrt 
erfrischt hatte, machte man unter Führung der ortsansässigen Vereins- 
mitglieder zunächst einen kurzen Gang durch die zu Ehren der 
Gäste reich beflaggte Stadt, deren altertümliche, mit Wappen und 


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Bildern geschmückte Giebelhäuser den einzelnen reichen Stoff zu 
kulturhistorischen Betrachtungen lieferten. So kam man in die 
richtige Stimmung, um der im Rathaus aufgestellten, von Freih. 
v. Adelsheim angelegten reichhaltigen städtischen Altertümersamm- 
lung und alsdann der ehemaligen Dominikanerkirche, jetzigen Marien- 
kirche, mit ihrem prächtigen Hochaltar und dem herrlichen, aus 
Peter Vischers Erzgießerei hervorgegangenen Denkmal Walthers 
von Cronberg einen Besuch abzustatten. Aber nur kurz war die 
Zeit für diesen Gang zugemessen, denn schon um 10'/s Uhr ver-s 
sammelten sich die Teilnehmer — etwa 100 an der Zahl — im 
Zeichensaal der K. Realschule, der in sinniger Weise durch frisches 
Pflanzengrün geschmückt war und in dem eine Sammlung von 
zoologischen und mineralogischen Präparaten, namentlich auch von 
Vertretern der in pflanzengeographischer Hinsicht wichtigen Pflanzen- 
arten des Gebiets (darunter der gelbe Enzian und der wahrschein- 
lich von fräheren Anpflanzungen zurückgebliebene Diptam) Auf- 
stellung gefunden hatte. 

Nachdem der Vorsitzende des Vereins, O.St.R. Dr. Lampert, 
die Sitzung eröffnet hatte, folgten zunächst Begrüßungsansprachen, 
in denen Ratsschreiber Köberle als Vertreter der städt. Behörden 
und Dr. Bofinger namens der ortsansässigen Vereinsmitglieder und 
der Mitglieder des Ärztevereins die Versammlung bewillkommneten. 
Nach kurzem Dank des Vorsitzenden erstattete Prof. Dr. Fraas 
Bericht über das abgelaufene Vereinsjahr, wobei er namentlich die 
Tätigkeit in den Zweigvereinen und an den wissenschaftlichen Abenden 
der Stuttgarter Ortsgruppe hervorhob. Er gedachte des Verlustes, 
den der Verein durch den Tod mehrerer Mitglieder, darunter nament- 
lich des Hofrats Dr. Wacker-Ulm und des erst auf der letzten 
Hauptversammlung ergannten Ehrenmitglieds H. Mohr- Stuttgart, 
erlitten hat, zu deren pietätvoller Ehrung sich die Versammlung von 
den Sitzen erhob. Weiter unterbreitete er im Auftrag des Aus- 
schusses der Versammlung den Vorschlag, das bisherige korrespon- 
dierende Mitglied Prof. Dr. Gustav Jäger zum Ehrenmitglied zu 
ernennen, was von der Versammlung mit freudigem Beifall begrüßt 
wurde. Schließlich dankte der Redner noch allen Spendern, die im 
verflossenen Jahr die Sammlungen des Vereins durch Beiträge von 
Naturalien oder Büchern bereichert haben. Nachdem sodann der 
Kassenwart des Vereins Dr. C. Beck die Rechnung für das Jahr 
1908 vorgetragen hatte, die leider mit einem Abmangel von rund 


308 Mk. abschloß (s. vor. Jahrg. S. XXIX), und die Versammlung 


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die von Geh. Hofrat C. Cleßler geprüfte Rechnung anerkannt und 
der Vorsitzende dem Rechner für seine Mühewaltung den Dank des 
Vereins ausgesprochen hatte, erfolgte die satzungsmäßige 


Wahl des Vorstands und des Ausschusses. 
Es wurde wieder gewählt 
als erster Vorstand: 
Öberstudienrat Dr. K. Lampert (Stuttgart), 
als zweiter Vorstand: 
Prof. Dr. E. Fraas (Stuttgart). 


Im Ausschuß verbleiben die für die Vereinsjahre 1908/1910 
gewählten Herren: 
Dr. C. Beck (Stuttgart), 
Forstdirektor Dr. F. v. Graner (Stuttgart), 
Prof. a. D. Dr. C. B. Klunzinger (Stuttgart), 
Prof. Dr. A. Sauer (Stuttgart), 
Direktor Prof. Dr. M. v. Sußdorf (Stuttgart), 
Geh. Hofrat Prof. Dr. A. v. Schmidt (Stuttgart). 
Für die Vereinsjahre 1909/1911 wurden wiedergewählt die 
Herren: 
Prof. Dr. W. Gmelin (Stuttgart), 
Prof. Dr. P. v. Grützner (Tübingen), 
Prof. Dr. K. v. Hell (Stuttgart), 
Prof. Dr. O. v. Kirchner (Hohenheim), 
Prof. Dr. E. Müller (Stuttgart). 


Außerdem gehören dem Ausschuß an 


als Kustos der botanischen Vereinssammlung: 
Prof. J. Eichler (Stuttgart), 

als Vorstand des Schwarzwälder Zweigvereins: 
Prof. Dr. F. Blochmann (Tübingen), 

als Vorstand des Oberschwäbischen Zweigvereins: 


Direktor Dr. Groß (Schussenried). 


Als Ort der nächstjährigen Hauptversammlung (1910) wurde 
Eßlingen bestimmt, wozu Seminaroberlehrer Kohler eine freund- 
liche Einladung der dortigen Vereinsmitglieder überbraclıte. 

In dem nunmehr beginnenden wissenschaftlichen Teil wurden fol- 
gende Vorträge gehalten: von Dr. med. Richard Schwarz (Stuttgart) 
über die Mergentheimer Heilquellen (s. den Wortlaut unten S. XLI), 


Er 


wozu die von H. Feesenıus-Wiesbaden bezw. HunDESHAGEN und Pamir- 
Stuttgart ausgeführten Analysen der in Betracht kommenden Quell- 
wasser, sowie ein geologisches Profil des Taubertals bei Mergentheim 
den Zuhörern gedruckt zur Verfügung gestellt wurde; von Prof. 
Dr. E. Fraas (Stuttgart) über die geologischen Verhältnisse vom 
Taubertal und Bad Mergentheim (Referat s. unten S. LIV) und von 
Pfarrer K. Schlenker (Leonbronn) über die Flora des Oberamts 
Mergentheim (s. unten S. LVI). Daran schlossen sich noch einige 
kürzere Mitteilungen von Professor Dr. L. Meyer-Stuttgart über die 
auch kartographisch zur Anschauung gebrachten Ergebnisse vieljähriger 
Beobachtungen über die mittlere Aufblühzeit von Kirschen, Früh- 
äpfeln, Dinkel und Winterroggen und über die mittlere Reifezeiten 
der beiden letzteren in Württemberg. Es ergab sich, daß nicht for- 
cierte, d. h. nicht durch Düngung oder besondere Bodenpflege beein- 
flußte Pflanzen der gen. Gattung in der Blüte mit 100 m Erhöhung 
eine Verzögerung von 3 Tagen, mit der Verschiebung um 1° nach 
Norden eine Verzögerung um 4 Tage erleiden; ferner von Rech- 
nungsrat C. Regelmann über weitere Beobachtungen, die dafür 
sprechen, daß es einen „Donauabbruch“ der Juratafel nicht gebe, daß 
die letztere vielmehr entgegen der herrschenden auf GÜMBEL zurück- 
zuführenden Ansicht unter die Tertiärdecke Oberschwabens hinab- 
tauche (Die bei der Versammlung der vorgerückten Zeit wegen nur 
kurz zum Ausdruck gebrachten Anschauungen des Redners sind aus- 
führlich niedergelegt in dem Bericht über die 42. Versammlung des 
Öberrheinischen Geologischen Vereins S. 43—63 (Karlsruhe 1909) und 
in den Blättern des Schwäbischen Albvereins, XXI. Jahrg. 1909. 
S. 179—183 und 373—380. Red.); und schließlich von O.St.R. Dr. 
Lampert, der auf einige, schon von Leypig und OA.-Arzt Dr. Lun- 
wis festgestellte bemerkenswerte Vorkommnisse in der Mergentheimer 
Fauna hinwies. 

Nachdem sodann der Vorsitzende den Rednern des Tages und 
allen, die sich um den befriedigenden Verlauf der Versammlung be- 
müht hatten, den Dank des Vereins ausgesprochen hatte, vereinigte 
man sich zu einem gemeinsamen Mittagsmahl im Kurhaus des Karls- 
bades, nachdem es einer größeren Anzahl der Beteiligten durch die 
Liebenswürdigkeit der Badverwaltung noch vergünnt gewesen war, 
die durchaus modernen inneren Einrichtungen der Anstalt in Augen- 
schein zu nehmen. Ernste und heitere Reden würzten das treffliche 
Mahl, dem sich ein Spazierrang eines Teils der Gesellschaft zum 
Kaffeehaus auf der Höhe des Arkauberges anschloß, während andere 


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die Besichtigung der Stadt und ihrer altertümlichen Bauwerke fort- 
setzten. Während die Mehrzahl der Gäste mit den Abendzügen wieder 
der Heimat zusilte, fand sich am andern Morgen ein kleiner Teil 
derselben wieder zusammen, um bei günstigster Witterung einen 
Ausflug in das untere Taubertal auszuführen, der einen trefflichen 
Einblick in die Natur des Gebiets gewährte und auf den ehrwürdigen 
Ruinen des Schlosses Wertheim einen schönen Abschluß fand. E. 


Verzeichnis der Zugänge zu der Württembergischen 
Landessammilung des K. Naturalienkabinetts. 


In dieses Verzeichnis sind alle aus Württemberg stam- 
menden, im letzten Jahr am K. Naturalienkabinett wie bei der Ver- 
einssammlung eingegangenen Naturalien aufgeführt. Die Aufführung 
auch der dem Naturalienkabinett gehörigen Stücke erfolgt, um den 
Lesern der Jahreshefte ein etwas umfassenderes Bild von den im letzten 
Jahr im Lande gefundenen Naturalien zu geben, als es auf Grund 
der Zugänge zur Vereinssammlung allein möglich ist. Die Würt- 
temberger Naturalien sind bekanntlich zu einer geschlossenen Samm- 
lung vereinigt, und zwar befindet sich die geologisch-paläontologische 
Sammlung Württembergs im Erdgeschoß, die zoologische und botanische 
im II. Stock des Naturalienkabinetts. 


A. Zoologische Sammlung. 
(Kustos: Oberstudienrat Dr. Lampert.) 
Säugetiere. 


Mauswiesel (Putorius vulgaris Erxı.), Kursaal Cannstatt, 
von Herrn Lehrer Henne, Cannstatt; 
Gartenschläfer (Eliomys quercinus L.), Calmbach, 
von Herrn Lehrer Kühefuß, daselbst; 
Hausratte (Mus rattus L.), Lichtenstern, 
von Herrn Seminaroberlehrer Schwenk, daselbst. 

Dieser neue Eingang einer Hausratte beweist, daß diese doch 
noch häufiger vorhanden ist, als gewöhnlich vermutet wird. (Vergl. 
Jahresh. 1907. S. XV.) 

Wanderratte (Mus norwegicus Erxı..), partieller Albino, Börstingen, 
von Herrn Lehrer J. Mohr, daselbst; 
Schädel eines Edelhirsches (Cervus elaphus L.), Wildpark Solitude bei 
Stuttgart, 
vom Kgl. Hofjagdamt. 


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Vögel. 


Dompfaff (Pyrrhula europaea VıEıuı.), Dornstetten, 
von Herrn Oberförster Freih. v. Süßkind, daselbst; 

Singdrossel (Turdus musicus L.), Aalen, 

von Herrn Apotheker Dr. Gaupp, daselbst; 
Ringamsel (Merula torquata L.), bei Wangen gefunden, 

von Herrn Präparator Merkle, Stuttgart; 
Rohrhuhn (Porzana parzana L.) im Steinhauser Ried tot gefunden, 

von Herrn Walter Käfer, Schussenried; 

Wasserhuhn (Fulica atra L. 9), Wagenhausen, 

von Herrn Fischzüchter D. Störk, daselbst; 
Tafelente (Nyroca ferina L.), Olzreuter See, 

von Herrn Oberförster Käfer, Schussenried. 


Reptilien. 


Kreuzotter (Pelias berus), 1 aus dem Ried bei Sattenbeuren, 
von Herrn Forstamtmann Dr. Rau, Schussenried; 
l abgestreifte Haut einer solchen von Fronstetten (Hohenzollern), 
von Herrn Oberförster Dr. König, Güglingen; 
Ringelnatter (Tropidonotus natrix Kunu.), 1 juv. von Stuttgart, 
von Herrn Geisel, Stuttgart; 
s (Tropidonotus natrix KvunL.), 1 ad. von Kaltental, 
von Herrn F. Bertz, Stuttgart; 
Glatte Natter (Coronella austriaca Laur.), von Weilderstadt, 
von Herrn Stadtschultheiß Beyerle, daselbst; 
Gewöhnliche Eidechse (Lacerta agilis WoLrr) mit Doppelschwanz, von 
Winnenden, 
von Herrn P. Vöhringer; 
Lebendiggebärende Eidechse (Lacerta vivipara Jacq.), von Baiersbronn, 
von Herrn Präparator Merkle, Stuttgart. 


Amphibien. 


Alpensalamander (Salamandra atra Laur.), von Isny, 
von Herrn Bezirksbaumeister Herre, Stuttgart. 


Fische. 


Regenbogenforelle (Salmo irideus SıER.), 1 9, sehr großer Laichfisch 
von 53 cm Länge, Oberndorf a. N., Kopfskelett einer Regenbogen- 
forelle von Oberndorf a. N., 
von Herrn Fischzüchter Kgl. Hofl. J. Hofer, Oberndorf; 

Peipussee-Maräne (Coregonus maraena Bu. var.), 4 Exemplare aus dem 
Holzweiher bei Füramoos OA. Biberach, 

von Herrn Prof. Dr. Sieglin, Stuttgart; 
desgl., 8 Exemplare aus dem Feuersee in Stuttgart, 
von dem Württ. Anglerverein, Stuttgart. 


Die Peipussee-Maräne, eine besonders den Peipussee bewohnende 
Coregonenart, ist eine Varietät der Edelmaräne Coregonus maraena, 


— X — 


am nächsten der bekannten Madü-Maräne stehend und nach An- 
sicht mancher Forscher von dieser nicht einmal als Subspezies 
zu unterscheiden. Da ihr große Schnellwüchsigkeit nachgerühmt 
wird, ist die Peipussee-Maräne seit etwa 6 Jahren besonders durch 
die Bemühung von Prof. Dr. Horer in München vielfach in Süd- 
deutschland eingeführt worden. So wurden allein in den Bodensee 
in den letzten 6 Jahren je rund 10000 Jährlinge durch den 
Deutschen Fischereiverein eingesetzt. Auch sonst wurden in Würt- 
temberg durch Private und Vereine in einzelnen Seen mit dem 
Aussatz von Peipussee-Maränen Versuche angestellt. Die oben 
angeführten Fische stammen aus Eiern, die auf Veranlassung von 
Prof Dr. Secun Ende Februar 1908 von Dorpat nach Hohenheim 
gesandt und daselbst ausgebrütet wurden, um. sodann in die oben 
genannten Seen eingesetzt zu werden. Der Einsatz erfolgte in der 
Größe von etwa 9 cm. Im Holzweiher bei Füramoos hatten die 
laichreifen Tiere bis zu ihrem Fang Anfang November 1909 eine 
Länge von 30 cm und ein Gewicht von 200—220 g erreicht, 
während sie im Stuttgarter Feuersee, welcher freilich bedeutend 
nahrungsärmer ist, fast in der gleichen Zeit (bis 11. September 
1909) nur auf 20 cm herangewachsen waren. 


Kopfskelett einer Trüsche (Lota vulgaris Cuv.), aus dem Zwiefaltener 


Bach, 


Kopfskelett eines Aales (Anguilla vulgaris FLrm.), ebendaher, 


Bitterling (Rhodeus amarus Ac.), 
Rotauge (Leuciscus rutilus L.), 
Sonnenfisch (Eupromotis aureus WAL». JORDAN), J 


von Herrn Schultheiß Willauer, Zwiefaltendorf; 


| aus dem oberen Anlagen- 
see in Stuttgart, 


von der K. Gartenbaudirektion Stuttgart. 


Mollusken. 


Anodonta cygnea L. var. cellensis Scurör., Weiher bei Saulgau, 


von Herrn Fischzüchter D. Störk, Wagenhausen ; 


Anodonta cygnea L., typische Form von Waldsee (Schloßteich) 5 Stck. 
Unio batavus LK. re a j 1 Stck. 


Sphaerium corneum L. 


3 FA 5 zahlreich, 
von Herrn Lehrer Sommer; 


Anodonta cygnea L. var. cellensis SCHRÖT., 3 Stück aus dem Steinbachsee 


am Schatten, 
von Herrn Oberstudienrat Dr. Lampert; 


Anodonta cygnea L., mehrere merkwürdig deformierte Stücke aus dem 


oberen Anlagensee in Stuttgart, 
von der Kgl. Gartenbaudirektion Stuttgart; 


Helix pomatia L., interessante Krüppelform, 


von Herrn Briefträger Wiedmann, Stuttgart; 
» L., linksgewunden von Neckarweihingen, 
von Herrn Landjäger Bolch, Marbach a. N. (gekauft); 


— XV — 


25 verschiedene Arten von Land- und Süßwassermollusken in zahlreichen 
Stücken von verschiedenen Fundorten, darunter mehrere Clausilia- 
Arten von der Ruine Allerheiligen, 

von Herrn Mittelschullehrer Geyer, Stuttgart. 


Molluscoideen. 


Plumatella spec., Müllersee bei Lichtenstern, 
von Herrn Seminaroberlehrer Schwenk, Lichtenstern. 


Insekten. 
Coleopteren. 


Hydrophilus piceus L., Larve und Puppengehäuse, Botnanger See, 
von Herrn Stadtgeometer Döttling, Stuttgart; 
Hydrophilus spec., Eigehäuse, Altwasser des Neckars, 
von Herrn Lehrer Thudium, Cannstatt; 
Speckkäfer (Dermestes lardarius L.), Larven und Häute aus Zwischen- 
böden eines Hauses in Stuttgart, 
von Herrn Fabrikant Auberlen-Ostertag, Stuttgart; 
Pyrochroa serraticornis Scor., Larven und Puppen unter der Rinde von 
gefällten Erlen, Geislinger Alb, 
von den Herren Assistent H. Fischer und Präparator K. Gerstner, 
Stuttgart; 
Cerambyx scopolii FurssL., Käfer, Larve und Fraaßstück, Lorch, 
von Herrn Oberförster Reuß, daselbst ; 
Cerambyciden-Larven unter der Rinde von Eichen, Stuttgart, 
von Herrn A. Leyrer, Stuttgart; 
Timarcha spec., Larve, Gaisburg, 
von Herrn A. van der Trappen, Stuttgart. 


Lepidopteren. 


Goldafter (Euproctis chrysorrhoea L.), Raupennest, Stuttgart, 
von Herrn A. Hangleiter daselbst; 

Kastanienbohrer (Zeuzera aesculi L.), Raupe mit Fraasstück, 
von Herrn Gärtner Geisel, Stuttgart. 


Hymenopteren. 


Riesenholzwespe (Sirex gigas L.), Larven aus Tannenholz, Stuttgart, 
von Herrn A. Binder, daselbst; 
Pezomachus spec., Kaltental, 
von Frl. Else Stier, Stuttgart; 
Holzameise (Lasius fuliginosus Larr.), Nest in einem Baumstamm, 
Cannstatt, 
von Herrn Lehrer Thudium, daselbst; 
Pheidole anastasii Em. var. cellarum For., in Massen in Warmhäusern 
der Pfitzer’schen Gärtnerei, Stuttgart, 
von Herrn Gärtner Ostermayer, daselbst. 
Diese Ameise ist in der Stammform in Nicaragua und anderen 
Teilen Mittelamerikas heimisch. Die Varietät cellarum ist bisher 


see NAV ge: 


aus Gewächshäusern in London, Brüssel, Dresden und Zürich 
bekannt geworden. Die Bestimmung der Tiere verdanke ich Herrn 
Pater Wasmann S. J.-Luxemburg und Herrn Prof. Dr. EmERY- 
Bologna. Wenn diese Ameise sich auch nie in Württemberg 
einbürgern wird, so verdient sie doch gleich der Heuschrecke 
Diestrammena (s. u.) Erwähnung als ein nach Württemberg ein- 
geschlepptes Insekt. 
Gemeine Wespe (Vespa vulgaris L.), Nest, Wildpark, 
vom Kgl. Hofjagdamt. 


Dipteren. 


Syrphus tobiarius Weıc., Fliegen und Larven in gefallenem Laub, Stutt- 

gart (Garten Archivstr. 3), 

von Herrn Assistent H. Fischer, Stuttgart; 

Cephenomyia stimulator CL., Larven aus der Nasenhöhle eines Hirsches, 

Wildpark bei Stuttgart, 

vom Kgl. Hofjagdamt; 

Fliegenlarven aus den Ohren und den Geschlechtsorganen eines Eich- 

hörnchens, Stuttgart, 

von Herrn Präparator Merkle, daselbst; 
Schmeißfliege (Calliphara spec.), Eigelege, Stuttgart, 
von Herrn Oberstudienrat Dr. Lampert, daselbst. 


Hemipteren. 
Eigelege einer Capside, Mergentheim, 
von Herrn Dr. Lang, Hohenheim; 
Blindwanzen (Familie Capsidae) aus Württemberg in 54 Gattungen, 
89 Arten, 370 Stück, 
von Herrn Generaloberarzt a. D. Dr. Th. Hüeber in Ulm. 
Diese trefflich präparierte, in einem Schaukasten zusammen- 
gestellte Sammlung württembergischer Wanzen stellt eine um so 
erwünschtere Bereicherung der Sammlung dar, als die Hemipteren 
meist wenig Berücksichtigung finden. Hierzu kommt, daß die 
Sammlung sich auf die in mehreren Jahrgängen der Jahreshefte 
erschienene umfangreiche, für die Hemipterenliteratur bedeutungs- 
volle Arbeit von Generaloberarzt a. D. Dr. Tu. HUEBER „Synopsis 
der deutschen Blindwanzen (Hemiptera heteroptera Fam. Capsidae)“ 
bezieht und in der Bestimmung durch diesen hervorragenden 
Spezialisten ein authentisches Material darstellt. 


Neuropteren. 


Boreus hiemalis L., auf Schnee, Heidenheim, 
von Herrn Oberlehrer Löffler, daselbst. 


Orthopteren. 
Diestrammena unicolor BRuNN. = D. marmorata n. Has., in Warmhäusern 
der Pfitzer'schen Gärtnerei in Stuttgart, 
von Herrn Gärtner Ortenmayer, Stuttgart. 


— XVI — 


Diese interessante, in ihrem ganzen Habitus an die in Höhlen 
Istriens gefundenen Höhlenschrecken erinnernde Art ist in Japan 
heimisch und zählt zu der großen Zahl der durch den Verkehr 
verschleppten Insekten. Sie ist bereits in einigen deutschen Ge- 
wächshäusern nachgewiesen, u. a. nach einer von Dr. DickEL 
angegebenen Notiz seit 1892 in Warmhäusern von Tümmler in 
Hamburg eingebürgert. Außerhalb der Warmhäuser ist das gegen 
niedere Temperatur sehr empfindliche Tier in Deutschland bisher 
nicht gefunden worden, für Württemberg ist die Art neu. Noch 
unentschieden ist die Frage, ob Diestrammena, wie dies von 
Gärtnern behauptet wird, durch Abbeißen von Pflanzen Schaden 
tut oder sich von verwesenden Stoffen nährt oder von tierischer 
Nahrung lebt. 


Hausgrille (Gryllus domesticus L.), Larven und erwachsene Tiere, Stuttgart, 
von Herrn A. Binder, Stuttgart; 

Stenopsocus spec., Eigelege an einem Obstbaum, Hohenheim, 
von Herrn Dr. Lang, daselbst. 


Acariden. 


Pseudoscorpioniden aus Geniste vom Neckar bei Cannstatt, 

von Herrn A. van der Trappen, Stuttgart; 

Acariden auf Feldmäusen, Heidenheim, 

von Herrn Oberlehrer Löffler, daselbst. 

Coleopteren und Coleopterenlarven, Formiciden, Dipteren, Hemipteren, 
Poduren, Araneen, Pseudoscorpionen, Acariden auf Schnee, Heiden- 
heim, 

Poduren sp., zu vielen Tausenden in Fußtapfen im Schnee, Heidenheim, 

von Herrn Oberlehrer Löffler, daselbst. 


Crustaceen. 
Brunnenkrebs (Niphargus puteanus C. L. Kocu.), Brunnenstube am Burg- 
holzhof bei Cannstatt, 
von Herrn Lehrer Thudium, Cannstatt; 
Flohkrebs (Gammarus spec.) und ein von ihnen zerstörtes Stück Fisch- 
netz, Ulm, 
von Herrn Gemeinderat Fischmeister Math. Käsbohrer, daselbst. 


Wurmer. 


Stronyylus paradoxus MEHLIS, aus den Bronchien von Frischlingen, Wild- 
park bei Stuttgart, 
vom Kgl. Hofjagdamt; 
Trichocephalus dispar OwEN, aus dem Menschen, 
von Herrn Medizinalrat Dr. Walz, Stuttgart; 
Echinorhynchus proteus WESTR., aus dem Darm vom Alet (Squalius 
cephalus L.), Neckar, 
von Herrn Assistent H. Fischer, Stuttgart; 


— XIV — 


Echinorhynchus spec., aus dem Darm der Regenbogenforelle (Salmo irideus), 
Oberndorf a. N., 
von Herrn Fischzüchter Kgl. Hoflieferant J. Hofer, daselbst; 
Echinorhynchus spec., aus dem Darm des Aals (Anguilla vulgaris FLEn.), 
Zwiefalten, 
von Herrn Schultheiß Willauer, daselbst; 
Marcostoma platurus Duc., aus dem Aquarium, 
von Herrn Assistent H. Fischer, Stuttgart; 
Triaenophorus nodidosus Run., aus der Leber des Aals (Anguilla vulgaris 
Frex.), Zwiefalten, 
von Herrn Schultheiß Willauer, daselbst; 
Taenia mediocanellata KücHEnm., vom Menschen, 
von Herrn Medizinalrat Dr. Walz, Stuttgart. 


Protozoen. 


Greyarina munieri Scuw., aus dem Darm von Timarcha tenebricosa, Feuer- 
bacher Heide bei Stuttgart, 
von Herrn Assistent H. Fischer, Stuttgart. 


B. Botanische Sammlung. 
(Kustos: Prof. J. Eichler.) 


Kryptogamen. 
Choiromyces maecandriformis VırTanısı, Stuttgart (W. Obermeyer, 
Gablenberg). 
Cordyceps militaris L. auf einer Schmetterlingspuppe, Stuttgart. (Ders.) 
Phanerogamen. 
Calamagrostis varia var. intermedia HAcKEL, Urach (Apoth. Liedtke- 
Nürtingen). 
Calamagrostis varia f. lasiocolla Hacker, Urach. (Ders.) : 


Juncus supinus MoeEncH, Dürbheimer Ried (J. Scheuerle-Frittlingen). 

Epipactis violacea Dur. Dug., Tübingen (Dr. H. A. Krauß- Tübingen, 
Apoth. Ad. Mayer- Tübingen). 

Illecebrum verticillatum L. (Neu für Württemberg!), im Rammert 

bei Rottenburg (Apoth. Ad. Mayer-Tübingen). 

Bifora radians M. Bıs., Zimmern (Ders.). 

Vaccinium Oxycoccos L., Schopfloch OA. Kirchheim, 1909. (Ders.) 

Androsace lactea L., im Ramspel bei Fridingen, 1909 (P. Mich. Bertsch- 


Beuron). 
Asperugo procumbens L., Tübingen (Apoth. Ad. Mayer- Tübingen). 
Solanum alatum MOENCH, ` b 


Bildungsabweichungen. 


Dianthus superbus mit Zwangsdrehung des Stengels, Buchau (Apoth. 
Bauer- Buchan). 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. b 


=s Kl -= 


C. Mineralogisch-paläontologische Sammlung, 
(Kustos: Prof. Dr. Eb. Fraas.) 


Mineralien: 


Mangandendriten im Buntsandstein von Neckarelz, 
von Herrn Prof. A. Rettich, Stuttgart; 


Kupferschaum von Neubulach, 
Aragonit von Psilonotenkalk, Ulrichshöhle bei Hardt, 
Bleiglanz im Rhätsandstein von Nürtingen, 

von Herrn stud. chem. A. Finckh, Stuttgart. 


Trias. 


Placodus gigas Ac. (Palatinum mit den Zähnen), oberer Muschelkalk, 
Münster b. Cannstatt, 
von Herrn O. Linckh, Stuttgart; 
Placodus gigas Ac. (Zahn), oberer Muschelkalk, Münster, 
von Herrn Lehrer Thudium, Stuttgart; 
Placodus sp. (Zahn), Lehrbergschicht, Rote Wand, Stuttgart, 
Labyrinthodon sp. (Clavicula), Lehrbergschicht, Rote Wand, 
Plagiosternum sp. (Brustplatten), Lehrbergschicht, Rote Wand, Stuttgart. 
Phytosaurus (Occipitale und Zahn), Lehrbergschicht, Rote Wand bei 
Stuttgart, 
Ceratodus concinnus PLiex. (Zahn), Lehrbergschicht, Rote Wand, Stuttgart, 
Ceratodus n. sp. (Zähne), Lehrbergschicht, Rote Wand, Stuttgart, 
von Herrn O. Ludwig, Stuttgart; 
Ceratodus n. sp. (Zahn), Lehrbergschicht, Rote Wand bei Stuttgart, 
von Herrn O. Linckh, Stuttgart; 
Phytosaurier-Zahn, Fleins, Lorch, 
von Herrn Öberförster Gottschick, Steinheim i. Albuch; 
Clathropteris meniscioides Broxgn., Rhät, Nürtingen, 
von Herrn Lehrer BEIN, Nürtingen; 
Corbula sp. z Rhät, Hohenheim, 
von Herrn stud. chem. A. Piroth: Skuktgark: 
Phytosaurier- und Dinosaurierreste, meistens von neuen noch unbe- 
schriebenen Arten aus dem Stubensandstein und Knollenmergel, 
Pfaffenhofen, 
von Herrn Hofwerkmeister Burrer, Maulbronn. 


Jura. 
Ramphorhynchus Gemmingi H. v. M., Weißer Jura Z, Nusplingen, 
von Herrn Prof. K. Vogel, Stuttgart; 
Pachycormus esocinus AG., Lias €, Holzmaden, 
Trissops micropodius AG., Myriacanthus bollensis E. Fr., Acanthorhina 
Jackeli E. Fr., Loliginites sp., 


(Kauf.) 
Psiloceras Hagenowi Dunk., Ps. subangulare Pomer. und Ps. calliph AOUS 


Pone., Lias 0, Vaihingen a. F. und Nellingen, 
von Herrn stud. chem. A. Finckh, Stuttgart; 


d h 


=> .AIX = 


Psiloceras n. sp., Lias «œ, Zizizhausen, 
von Herrn Lehrer Herrmann, Nürtingen; 

Asterias lanceolata GF., auf einer Wellenfurchenplatte, Lias œ, Welzheim, 

von Herrn Lehrer W. Krauß, Welzheim; 

Cotylederma lineati Qu., Lias y/d, Echterdingen, 

Nautilus striatus ScuL., Lias y/ð, Echterdingen, 

Lutoceras n. sp., Lias d, Echterdingen, 

von Herrn stud. A. Finckh, Stuttgart. 

Ammonites (Teloceras) coronatus ScuL. Brauner Jura d, Geislingen, 

von der Württ. Metallwarenfabrik ; 

Amm. coronatus ScuL., flache Varietät, Coronatenschichten, Geislingen, 

von Herrn Prof. Dr. Eb. Fraas, Stuttgart; 

Amm. (Olcostephanus) bipedalis Qu., Weißer Jura 8, Neuffen, 

von Herrn Direktor Dr. Schott, Nürtingen; 

Ostrea Roemeri Qu., Inoceramus laevigatus GF., Perisphinctes huypselo- 
cyclus FonT., Perisphinctes virgulatus Qu., Ammonites Reineckianus Qu., 
Weißer Jura y, Beuron, 

von Fräulein Gerda Fraas, Stuttgart; 
Melonella radiata Qu., Weißer Jura £, Winterlingen, 
von Herrn Lehrer Münz, Berg; 

Gervillia (Lnsigervilleia) silicea Qu., Weißer Jura €, Nattheim, 

von Herrn Apotheker W. Huß, Gmünd. 


Tertiär. 
Grewia arneggensis MILL. von Arnegg, 
von Herrn Carlo Joos, Stuttgart; 
Lymnaeus ellipticus Kurz, Planorbis cornu BRoNGN., Obermiocän, Rand- 
ecker Maar, 
Rana Hauffiana Eg. FR., Obermiocän, Randecker Maar, 
von Herrn stud. chem. A. Finckh, Stuttgart; 
Ei von Anas sp. (Ente), Obermiocän, Goldberg i. Ries, 
von Herrn Prof. Dr. P. Gößler, Stuttgart; 
Micromeryx Flourensianus Lort., Oberkiefer, Miocän, Steinheim a. Albuch, 
(Kauf.) 


Carcharodon megalodon AG., Meeresmolasse, Ottmarsingen b. Lenzburg, 
Kt. Aargau, 


von Herrn Prof. Dr. Bretschneider, Stuttgart. 


Diluvium. 
Unterkiefer von Elephas primigenius BLUMENB., Lößlehm, Cannstatt, 
von Herrn Ziegeleiverwalter A. Höschle, Cannstatt; 
Unterkieferast von Felis lynx L. (Luchs), Charlottenhöhle, 
von Herrn Dr. med. Piesbergen, Stuttgart; 


Zusammenstellung der Konchylien aus dem altdiluvialen See in den 
kgl. Anlagen, Stuttgart, 
von Herrn Mittelschullehrer D. Geyer, Stuttgart; 
h* 


Schädel und Hornzapfen von Bison priscus und Bos primigenius, Stein- 
heim a. Murr, 
(Kauf.) 


Alluvium. 


Zusammenstellung der Konchylienfauna der alluvialen Kalktuffe von 
Gültlingen bei Wildberg, Enzweihingen, Glems, Unterhausen, See- 
burg, Lauterach und Zwiefaltendorf, 

von Herrn Mittelschullehrer D. Geyer, Stuttgart; 

Skelett vom Elch (Alce machlis) aus dem Torf bei Schussenried, 

von Herrn Forstamtmann Dr. K. Rau, Schussenried. 


D. Bibliothek. 
(Bibliothekar: Prof. J. Eichler.) 
Zuwachs vom 1. April 1909 bis 31. März 1910. 
a. Durch Geschenk und Kauf. 


Durch Schenkung von Büchern etc. haben sich folgende Mitglieder 
und Gönner des Vereins um denselben verdient gemacht: Blanck, Dr. E., 
in Breslau; Brösamlen, Dr. R. in Tübingen; Hammer, Prof. Dr. E., 
in Stuttgart; Heim, Dr. W., in München; Janet, Charles, in Paris; 
Kranz, W., Hauptmann in Swinemünde; Kreh, cand. rer. nat. in 
Tübingen; Lampert, Oberstudienrat Dr. K., in Stuttgart; Link, 
Dr. E., in Tübingen; Niedenzu, Prof. Dr. F., in Braunsberg; Regel- 
mann, Ch., Rechnungsrat a. D., in Stuttgart; Schmidt, Dr. Axel, 
K. Geologe, in Stuttgart; Schmidt, Dr. R., in Tübingen; Wundt, G., 
Öberbaurat in Stuttgart. 


I. Zeitschriften, Gesellschaftsschriften etc. 


Aus der Heimat. Organ des Deutschen Lehrervereins für Natur- 
kunde. 21. Jahrg. 1908. (Lehrerverein für Naturkunde.) 
Berichte des Oberrheinischen Geologischen Vereins No. 41, 42, 43 I. 

Eclogae geologicae Helvetiae Bd. X, 5—6. 

Krefeld, Verein für Naturkunde: Mitteilungen (1909). 

Kyoto, College of Science and Engineering: Memoirs I, 4, 1908. 

Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte aus Ungarn, hrsg. 
von der kgl. Ungarischen Akademie der Wissenschaften Bd. 24, 
1906; Bd. 25, 1907. 

Vegesack, Verein für Naturkunde: Mitteilungen No. 5, 1906/1908. 

Zoologischer Beobachter (Zool. Garten) Jahrg. 50, 1909. 

Verschiedene ältere Jahrgänge dieser Jahreshefte (Happel). 


ll. Schriften allgemein-naturwissenschaftlichen Inhalts. 


Lampert, K., Das Leben der Binnengewässer. 2. Aufl. Leipzig 
1910.  (Lampert.) 
— Die Welt der Organismen. Leipzig. 3”. (Lampert.) 


— XMI — 


III. Zoologie, Anatomie. 


Bernecker, Adolf, Zur Histologie der Respirationsorgane bei Crustaceen. 
(Tübinger Diss. 1909. 8°.) 

Hein, W., Gitterkiesbett und Drehstromapparat. München 1909. (Hein.) 

Janet, Charles, Anatomie du corselet et histolyse des muscles vibra- 
teurs, après le vol nuptial, chez la reine de la fourmi. Limoges 
1907. Text und Atlas. (Janet.) 

— Histolyse, sans phagocytose, des muscles vibrateurs du vol, chez 
les reines des fourmis. Paris 1907. 4°. (Janet.) 

Link, Eugen, Über die Stirnaugen der Neuropteren und Lepidopteren. 
Jena 1909. 8°. (Link.) 

Nitsche, Heinrich, Die Süßwasserfische Deutschlande.. 4. Aufl. Neu 
bearb. von Dr. Walter Hein. Berlin 1909. 8° (Hein.) 
Seydel, Emil, Untersuchungen über den Byssusapparat der Lamelli- 
branchiaten. Naumburg a. S. 1909. 8°. (Tübinger Diss.) 
Zimmermann, Anton, Zur Kenntnis des elastischen Gewebes bei den 

niederen Wirbeltieren. Würzburg 1909. &°. (Tübinger Diss.) 


Ila. Insekten und Arachniden. 


Reitter, Edm., Die Käfer des Deutschen Reiches. Bd. H. Stuttgart 
1909. 8°. (Deutscher Lehrerverein für Naturk.) 


IV. Botanik. 


Kreh, Wilhelm, Über die Regeneration der Lebermoose. Halle a. S. 
1909. (Kreh.) 

Müller, Otto, Die Ortsbewegung der Bacillariaceen V (1908) und VI 
(1909). (Wundt.) 

— Bacillariaceen aus Süd-Patagonien. Leipzig 1909. 8°. (Wundt.) 

Niedenzu, F., De genere Tefrapteryge. Braunsberg 1909. (Niedenzu.) 


V. Mineralogie, Geologie, Paläontologie. 


Auer, Erwin, Über einige Krokodile der Juraformation. Stuttgart 1909. 
4°. (Tübinger Diss.) 

Blanck, Erwin, Ein Beitrag zur Kenntnis der Wirkung künstlicher 
Dünger auf die Durchlässigkeit des Bodens für Wasser. 1909. 8°. 

— Der Einfluß des Kalkes auf die Wasserbewegung im Boden. 1909. 
8°. (Blanck.) 
Brösamlen, Richard, Beitrag zur Kenntnis der Gastropoden des 
schwäbischen Jura. Mit 6 Tafeln. 4°. 1909. (Brösamlen.) 
John, Robert, Über die Lebensweise und Organisation der Ammoniten. 
Stuttgart 1909. 8° (Tübinger Diss.) 

Knapp, Alfons, Über die Entwicklung von nalen orynolum QU. 
Jena 1909. 4°. (Tübinger Diss.) 

Kranz, W., Anleitung zur geologischen Untersuchung von Lehm in 
Baugruben. (Kranz.) 

— Berg- und Talfahrten in Hellas. (Kranz.) 

— Fünf Tage im Bologneser Hochappenin. 1899. (Kranz.) 


— XXI — 


Kranz, W., Geologischer Fübrer für Nagold und weitere Umgebung. 
Nagold1903, 8°. (Kranz.) 

— Bemerkung zur 7. Aufl. der geologischen Übersichtskarte von Wärt- 
temberg, Baden, Elsaß usw. nebst Erläuterung von C. REGEL- 
MANN. Stuttgart 1908. (Kranz.) 

— Karten zu W. Kranz: Strangenberg bei Rufach. 1908. (Kranz.) 

— Die Köhlerschen Hypothesen über die Entstehung der Kontinente, 
Vulkane und Gebirge. 1909. (Kranz.) 

Regelmann, C., Gibt es einen Abbruch der Juratafel am Donautal- 
rand bei Ulm? 1909. (Regelmann.) 

— Überschiebungen und Aufpressungen im Jura bei Donauwörth. 1909. 
8°. (Regelmann.) 

Schmidt, Axel, Der Neu-Bulacher und Freudenstädter Graben. 1910. 
4°, '(Schmidt.) 

Schreiber, Hans, Die Moore Vorarlbergs und des Fürstentums Liechten- 
stein. Stäb. 1910. 4°. (Deutschösterr. Moorverein in Staab.) 

v. Wittenburg, Paul, Geologische Studien an der ostasiatischen Küste 
im Golfe Peters des Großen. Stuttgart 1909. 8°, (Tübinger 
Diss.) 


VII. Chemie, Physik, Astronomie etc. 


Hammer, E., Zweites Astronomisches Nivellement durch Württemberg 
im Meridian 8° 33° östlich von Greenwich. Stuttgart 1909. 4°. 
(Hammer.) 


IX. Schriften verschiedenen Inhalts. 


Lampert, Charles, Darwin. 1909. (Lampert.) 

Lutz, K. G., Der Naturgeschichtsunterricht nach dem neuen Lehrplan 
für die württ. Volksschulen. Stuttgart 1909. (Lehrerv. f. Natk.) 

Schmidt, Rob. Rud., Das Aurignacien in Deutschland. 1909. (Schmidt.) 

Die Neugestaltung der Wasserversorgung der Stadt Stuttgart. I. A. d. 
Bürgerl. Kollegien verfaßt vom Bauamt der städt. Wasserwerke 
Stuttgart, 1. April 1909. (Fraas.) 


b. Durch Austausch unserer Jahreshefte!: 


Amani, s. Deutsch-Ostafrika. 

American Academy of arts and sciences (Boston): Proc. Vol. XLIV, 
8—26; Vol. XLV, 1—3. 

American geographical society (New York): Bulletins Vol. 41, 1909. 

Amiens. Société Linnéenne du nord de la France. 

Amsterdam. K. Akademie van wetenschappen: Jaarboek voor 1908. — 

Verhandelingen (Naturrkunde) 1. sectie, deel X, 1; 2. sectie, 

deel XIV, 2—4 und XV, 1. — Verslagen van de gewone Ver- 

gaderingen deel XVII (1907—1909). 

! In dem Verzeichnis sind sämtliche Gesellschaften nsw. angeführt, mit 

denen der Verein Schriftenaustausch unterhält. Von den Gesellschatten, hinter 

deren Namen sich keine Angaben tinden, sind dem Verein während der Bericht- 

zeit keine Tauschschritten zugegangen. 


— XXI — 


Asiatic society of Bengal (Calcutta). 

Augsburg. Naturwiss. Verein für Schwaben und Neuburg. 

Australasian association for the advancement of science, s. Sydney. 

Badischer Landesverein für Naturkunde (Freiburg): Mitteilungen 
No. 237—245; Beilage. 

Baltimore. Johns Hopkins University. 

—- s. Maryland. 

Bamberg. Naturforschender Verein. 

Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verhandlungen Bd. 20 Heft 1 u. 2. 

Batavia s. Nederlandsch-Indie. 

Bayerische bot. Ges. zur Erforschung der heimischen Flora (München): 
Berichte Bd. XII, 1, 1909. — Mitteilungen Bd. II No. 11—14. 

Bayerisches K. Oberbergamt in München, geognostische Abteilung: 
Geognostische Jahreshefte Bd. 20, 1907 und Bd. 21, 1908. 

Bayern. Ornithologische Gesellschaft in B., s. München, 

Belgique. Académie R. des sciences, des lettres et des beaux-arts 
de Belgique (Brüssel): Annuaires 1910. — Bull. de la classe des 
sciences 1909, No. 2—12. 

— Observatoire Royal (Brüssel). 

— Société entomologique (Brüssel): Annales Tome LII (1908). — Mé- 
moires XVII (1909). 

— Société géologique (Liège): Annales Tomes XXXIV, 4; XXXV, 4; 
XXXVI, 1—3. 

— Société R. de Botanique (Brüssel): Bull. Tome XLV, 1908, fasc. 1—3 ; 
Beilage zu Bull. Tome XLIV. 

— Société R. zoologique et malacologique (Brüssel): Annales Tome 
43, 1908. 

Bergen’s Museum: Aarbog for 1909, Heft 1 u. 2. — Skrifter N. R. 
Bd. I, 1. — Sars, G. O., An account of the Crustacea of Nor- 
way, Vol. V, 25—28. 

Berlin. K. Akademie der Wissenschaften: Abhandlungen Jahrg. 1908, 
Phys.-math. Classe. — Sitzungsber. 1909. 

— Entomologischer Verein: Berliner entomolog. Zeitschr. Bd. 53, 1908, 
Heft 3—4; Bd. 54, 1909. 

— K. geologische Landesanstalt und Bergakademie: Jahrbuch für 1908, 
Bd. XXIX; für 1909, Bd. XXX Teil 1. — Verzeichnis der i. J. 1906 
über das Aufnahmegebiet der K. Preuß. Geol. L.-A. erschienenen 
Literatur. — Geol. Literatur Deutschlands A. Jährl. Literatur- 
bericht 1907. 

-— Gesellschaft naturforschender Freunde. 

— s. auch Brandenburg und Deutsche geologische Gesellschaft. 

Bern. Naturforschende Gesellschaft: Mitteilungen aus dem Jahre 1903. 

— s. auch Schweiz. 


Bodensee. Verein für Geschichte des Bodensees u. seiner Umgebung 
(Lindau): Schriften Heft 38 (1909). 

Bologna. R. Accad. d. scienze dell’ Istituto di Bologna: Memorie 
ser. 6a Vol. V (1908). — Rendiconti, nuova serie Vol. XII (1907/08). 


— AXV —- 


Bonn. Naturhistorischer Verein d. preuß. Rheinlande etc.: Verhand- 
lungen Jahrg. 65, 1908, Heft 2; Jahrg. 66, 1909, Heft 1. — 
Sitzungsberichte Jahrg. 1908, II. Hälfte und Jahrg. 1909, I. Hälfte. 

Bordeaux. Soc. des sciences physiques et naturelles: Bulletins de la 
commission météorologique du Dep. de la Gironde, année 1907, 
II. — Mémoires 6. ser. Tome IV (1908). — Procès verbaux des 
séances 1907/1908. 

Boston, s. American Academy of arts and sciences. 

— Society of natural history: Proc. Vol. 34, 1—4. — Occasional 
papers Vol. VII, 8—10 (1908). 

Brandenburg. Botanischer Verein für die Provinz B. (Berlin): Ver- 
handlungen Jahrg. 50, 1908. 

Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft. 

Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Abh. Bd. XIX, 3 (1909) u. 
Beilage. 

Breslau, s. Schlesische Ges. f. vaterl. Kultur. 

Brooklyn Institute of Arts and Sciences: Cold Spring Harbor Monographs 
VII (1909). — Science Bull. Vol. I, 15—16. 

Brünn. Naturforschender Verein: Verhandlungen Bd. XLVII, 1908. 

— Klub für Naturkunde (Sektion des Brünner Lehrervereins). 

Brüssel, s. Belgique. 

Budapest, s. Ungarische geol. Ges. 

Buenos Aires. Deutscher wissenschaftlicher Verein. 

— Museo nacional: Anales ser. 3. Tome X (1909). 

Buffalo society of natural sciences. 

Caen, s. Normandie. 

Calcutta, s. Asiatic Soc. of Bengal, und India. 

California Academy of sciences (San Francisco): Proc. 4. ser. Vol. III 
pag. 49—56. 

Cambridge. Museum of comparative zoology at Harvard College: 
Annual Report for 1908/09. — Bull. Vol. LII, 7—14; LII, 3—4. 
— Memoirs Vol. XXVII, 3; XXXIV, 3; XXXVII; XXXVIII, 1. 

Canada. The Canadian Institute (Toronto): Transactions No. 18 
(= Vol. VIII, 3), 1909. 

— Geological survey (Ottawa): Contributions to Canadian Palaeontology 
Vol. III, p. 4. — Div. geol. Karten und Publications Summary 
report for 1908. 

— Royal Society (Ottawa): Proc. and Trans. for 1908 (3. ser. Vol. II). 

Cape of Good Hope. Geological commission of the colony (Cape 
Town): 13. Ann. Rep., 1908. — Annals of the S. African Museum 
Vol. VII, 3. — Maps 53, 41. 

Catania. Accademia Gioenia di sc. nat.: Atti ser. 4a, Vol. 20, 1907; 
ser. 5a, Vol. 2, 1909. — Bulletino, 2a. ser. fasc. 5—10. 

Chemnitz. Naturwissenschaftliche Gesellschaft. 

Cherbourg. Société nationale des sciences nat. et math. 

Chicago. Field Columbian Museum: Publications No. 130, 131, 136 
bis 138. 

— John Crerars Library: Annual report 1908. 


ea‘ 


Christiania. K. Universität. 

Chur s. Graubünden. 

Cincinnati. Lloyd library: Bull. No. 11, 1909. 

— Soc. of natural history: Journal Vol. XXI, 1. 

Colmar. Naturhistorische Gesellschaft. 

Cordoba. Academia nacional de ciencias: Boletins Tomo XVIII, 3 (1906). 

Danzig. Naturforschende Gesellschaft. 

— Technische Hochschule: Plato, W., Erstarrungserscheinungen an an- 
organischen Salzen und Salzgemischen (1908). 

Darmstadt. Großh. Hessische Geol. Landesanstalt. 

— Verein für Erdkunde etc.: Notizblatt 4. Folg. Heft 29 (19083). 

Davenport (Iowa). Academy of natural sciences: Proc. Vol. X, 
p. 95/222, 

Deutsche geologische Gesellschaft (Berlin): Zeitschrift Bd. 61, 1909; 
Monatsberichte 1909. 

Deutsch-Ostafrika. Biolog.-Landwirtschaftl. Institut in Amani. 

Dijon. Acad. des sciences, arts et belles lettres. 

Donaueschingen. Verein für Gesch. und Naturgesch. der Baar: 
Schriften Heft XII, 1909. 

Dorpat (Jurjew). Naturforscher-Gesellschaft b. d. Universität: Schriften 
No. XIX (1908). — Sitzungsber. Bd. XVII, 1908, Heft 3—4; 
Bd. XVIII, 1909, Heft 1. 


Dresden. Genossenschaft ‚„Flora‘‘, Gesellschaft für Botanik und Garten- 
bau: Sitzungsber. und Abhandl. N. F. 10—13, Jahrg. 1905/1909. 

— Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis. 

Dublin. Royal Dublin Society : Scientific Proceedings, Vol. XI, 29—32 ; 
Vol. XII, 1—23. — Economic Proceedings Vol. I, 13—16. — 
Scientific Transactions ser. 2, Vol. IX, 7—9. 

Dürkheim a. d. H. Pollichia, ein naturwiss. Verein der Rheinpfalz: 
Mitteilungen No. 24 (65. Jahrg. 1908). 


Edinburgh. Botanical society: Transactions and Proceedings 
Vol. XXIII, 4 (1908); Vol. XXIV, 1 (1909). 

—- Geological society. 

— R. physical society: Proceedings Vol. XVII, 1 u. 6; Vol. XVII, 1. 

— Royal Society: Transactions Vol. XLVI, 2—3; Vol. XLVII, 1. — Pro- 
ceedings Vol. XXIX, 3—8; Vol. XXX, 1—3. 

Elberfeld. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresber. Heft 11 u. Beil. 

Erlangen. Physikalisch-medizinische Societät: Sitzungsber. H. 40, 1908. 

Firenze s. Italia. 

France. Société géologique (Paris): Bull. ser. 4. Vol. VIII, 1908, 
No. 2—6. 

— Société zoologique (Paris): Bull. Vol. XXXIII (1908). 

Frankfurt a.M. Senckenbergische naturforschende Gesellschaft: 40. Be- 
richt, 1909. 

Frauenfeld, s. Thurgau. 

Freiburg i. Br. Naturforschende Gesellschaft. 

— s. auch Badischer Landesverein für Naturkunde. 


— XXW — 


Genève. Conservatoire et Jardin Botaniques (Herbier Delessert). 

— Soc. de physique et d’hist. naturelle: Memoires Vol. 36, 1 (1909). 

Genova. Museo civico di storia naturale. 

Gießen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. 

Glasgow. Natural history society: The Glasgow Naturalist Vol. I (1909). 

Görlitz. Naturforschende Gesellschaft: Abhandl. Bd. 26 (1909). 

Graubünden. Naturforschende Gesellschaft (Chur): Jber. N. F. Bd. LI. 

Greifswald. Naturw. Verein für Nen-Vorpommern und Rügen: Mit- 
teilungen 40. Jahrg. 1908. 

Halifax. Nova Scotian Institute of Science. 

Halle. Verein für Erdkunde: Mitteilungen 33. Jahrg., 1909. 

— Kais. Leopoldinisch-Carolinische Akademie d. Naturforscher: Leopol- 
dina Bd. XLV, 1909. 

— Naturw. Verein für Sachsen und Thüringen: Zeitschrift für Natur- 
wissenschaften Bd. 80, 1908, No. 5—6; Bd. 81, 1909, No. 1--4. 

Hamburg. Naturw. Verein: Verhandlungen 3. Folge, Bd. XVI, 1908. 

— Verein für naturw. Unterhaltung. 

— Wissenschaft. Anstalten: Jahrbuch Jahrg. XXVI, 1908, mit Bei- 
heften 1—5. 

Hanau. Wetterauische Gesellschaft für die gesamte Naturkunde. 

Hannover. Naturhistorische Gesellschaft. 

Harlem. Fondation de P. Teyler van der Hulst: Catalogue du Cabinet 
numismatique de la Fondation Teyler 2:”® éd. (1909). 

— Société hollandaise des sciences: Archives néerlandaises des sciences 
exactes et naturelles, Ser. 2 Tome XIV. 

Havre s. Normandie. 

Heidelberg. Naturhist.-med. Verein: Verh. N. F. Bd. X, 1-—2. 

Helgoland. Biologische Anstalt (s. Kiel-Helgoland). 

Helsingfors. Societas pro fauna et flora Fennica: Acta Voll. 24 (1909), 
29 (1906/8), 30 (1904/6), 31 (1908/9), 32 (1909). — Medde- 
landen Häfter 33—35, 1906—1909. — Festschrift für Prof. J. 
A. Palmen, I u. II (1905/7). 

Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für Naturwissenschaften: 
Verhandlungen u. Mitteilungen 58. Bd., 1908. 

Hohenheim. Kgl. Württ. landwirtschaftliche Akademie: Jber. 1908/09. 

-— Kgl. Württ. Anstalt für Pflanzenschutz: Bericht über die Tätigkeit 
der K. W. A. f. P. im Jahre 1908. — Aufsätze von O. Kirchner 
und W. Lang. 

Iglö s. Ungarn. 

India. Geological survey (Calcutta). 

Innsbruck. Naturwissensch.-med. Verein. 

Italia. R. comitato geologico (Roma): Bollettino, anno XXXIX, 1908, 
Heft 4. — Memorie Vol. V, 1 (1909). 

— Società entomologica (Firenze): Bollett., anno XL, 1908, No. 3—4. 

Jurjew s. Dorpat. 

Kansas. The Kansas University (Lawrence). 

Karlsruhe. Naturwissenschaftl. Verein: Verhandl. Bd. 21, 1907/08 
und Bd. 22. 1908/09, 


— XXVII — 


Kassel. Verein für Naturkunde: Abh. u. Berichte LII, 1907—1909. 

Kiel s. Schleswig-Holstein. 

Kiel-Helgoland. Kommission zur wissenschaftl. Untersuchung der 
deutschen Meere und Biologische Anstalt auf Helgoland: Wiss. 
Meeresuntersuchungen, N. F. Bd. IX, Abt. Helgoland Heft 1 (1909); 
Bd. X, Ergänzungsheft, Abt. Kiel (1909). 

Königsberg. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft: Schriften Jahr- 
gang 49, 1908. 

Krefeld. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresbericht 1908/1909. 

Landshut. Botanischer Verein. 

Lausanne. Société Vaudoise des sciences naturelles: Bulletins. 5. ser. 
Vol. XLV No. 166 u. 167; Vol. XLVI No. 168. 

Lawrence s. Kansas. 

Leiden. Nederlandsche Dierkundige Vereeniging: Tijdschrift ser. 2, 
Deel XI, 2 (1909). — Register of het Tijdschr. 1875—1908. 

Leipzig. Naturforschende Gesellschaft: Sitzungsber. 35. Jahrg. 1908. 

Liege. Société Royale des Sciences: Mémoires 3. ser. Tome VII (1907) 
und Tome VIII (1909). 

— Societe géologique de Belgique, s. Belgique. 

Lima s. Peru. 

Lindau s. Bodensee. 

Linz. Museum Franecisco-Carolinum: Jahresber. 67 u. 68 nebst Bei- 
trägen zur Landeskunde Lfg. 61 u. 62 (1909 u. 1910). 

— Verein für Naturkunde in Österreich ob Enns: Jber. XXXVIII (1909). 

Lisboa s. Portugal. 

London. Geological Society: Quarterly Journal Vol. LXV, 1909. — 
Geological Literature added to the G. S. library during 1908. 

— Linnean Society: Journal, a) Botany Vol. XXXIX, 270 u. 271; 
b) Zoology Vol. XXX, 199—200, Vol. XXXI, 206. — Proceedings 
Jahrg. 1908/09. — Darwin-Wallace celebration on 1% Juli 1908. 

— Zoological Society: Proceedings for 1908 pag. 783—983; Proc. for 
1909 part I—III. — Transactions Vol. XIX, 1—3. 

Lübeck. Geographische Gesellschaft und Naturhistorisches Museum. 

Lund. Universitas Lundensis: Lunds Universitets Arsskrift, Nova Series 
Abt. 2. Bd. IV, 1908. 

Luxemburg. Institut grand-ducal. 

— Société de Botanique du Grand-duche de L. 

— Gesellschaft Luxemburger Naturfreunde: Monatsberichte Jahrg. 1, 
1907 und 2, 1908. | | 

Lyon. Academie des sciences, belles lettres et arts. 

— Museum d’bistoire naturelle. 

— Société d’Agriculture, Sciences et Industrie. 

Magdeburg. Naturwissenschaftl. Verein. 

Mannheim. Verein für Naturkunde: 73—75. Jber., 1906—1908. 

Marburg. Gesellschaft zur Beförderung der gesamten Naturwissen- 
schaften: Sitzungsberichte Jahrg. 1908 u. Jalırg. 1909. 

Marseille. Faculté des Sciences: Annales Tome XVII (1909). 

Maryland. Geological survey (Baltimore). 


— AXVN — 


Mecklenburg. Verein der Freunde der Naturgeschichte (Rostock): Archiv 
Jahrg. 61, 1907, No. 2; Jahrg. 62, 1908; Jahrg. 63, 1909, No. 1. 

Melbourne s. Victoria. 

Metz. Société d’histoire naturelle: Bull. 26 (1909). 

Mexico. Instituto geologico de M.: Boletins 26 (1908). — nal lDneE 
Tomo II, 8—10; Tomo III, 1—2 

— Sociedad Mexicana de historia natural. 

Milano. R. Istituto Lombardo di scienze e lettere: Rendiconti. 
ser. 2a Vol. 41 No. 17—20 (1908); Vol. 42 No. 1—15 (1909). 

Missouri Botanical garden (St. Louis): 20. Annual Rep., 1909. 

Montbéliard. Société d'Emulation: Mémoires Vol. XXXV (1908). 

Montevideo. Museo nacional: Anales Vol. VII. 

Moskau. Société impériale des naturalistes: Bulletins 1908, No. 1—2. 

München s. Bayerische botan. Ges. und Bayerisches K. Oberbergamt. 

— Geographische Gesellschaft: Mitteilungen Bd. IV, 1—2. 

— Ornithologische Gesellsch. in Bayern. 

Napoli. R. Accad. delle scienze fisiche e mat.: Rendiconti serie 3. 
Vol. XIV, 1908, fase. 8—12; Vol. XV, 1909. 

— Zoologische Station: Mitteilungen Bd. 19 Heft 2—4. 

Nassauischer Verein f. Naturkunde (Wiesbaden). 

Nederlandsch Indië. Natuurkundige Vereeniging i. N. I. (Batavia): 
Natuurkundige Tijdschrift deel LXVIII (1909). 

Neuchâtel. Société neuchâteloise des sciences naturelles: Bulletins 
Tome XXXV, 1907/08 und Tome XXXVI, 1908/09. 

New Haven. Connecticut academy of arts and sciences: Transactions 
Vol. XIV, pag. 237—290; Vol. XV, 1909. 

New South Wales. Linnean Society of N. S. W. (Sydney): Proceedings 
Vol. XXXIV, 1909, parts 1—3. 

— R. Society (Sydney). 

New York Academy of sciences: Annals Vol. XVIII, 3. 

— s. American geographica! Society. 

New Zealand Institute (Wellington): Trans. Vol. XLI, 1908. — Proc. 
1908 part I; 1908/09 part II. 

Normandie. Société Linneenne de N. (Can): Bull. 6. ser. Vol. 1, 1907. 

— Société géologique de N. (Havre): Bulletins tome XXVIII, 1908. 

Nürnberg. KNaturhistorische Gesellschaft. 

Offenbach. Verein für Naturkunde: Berichte 43—50 für 1901/09. 

Ottawa s. Canada. 

Padova. Accademia scientifica Veneto-Trentino-Istriana, Cl. di Sc. nat., 
fis. e mat.: Atti 3a. Ser. Anno II (1909). 

Paris s. France. 

— Société de speleologie: Spelunca t. VII, 54 u. 56. 

Passau. Naturhistorischer Verein. 

Peru. Cuerpo de Ingenieros de Minas del P. (Lima): Bol. 68—74. 

Philadelphia. Academy of natural sciences: Proceedings Vol. LX, 
1908, part 3; Vol. LXI, 1909, parts 1 u. 2. 

— American philosophical society for promoting useful knowledge: 
Proc. No. 190—1092., 


— XXIX — 


Pisa. Società Toscana di scienze naturali residente in P.: Memorie 
Vol. XXIV (1908). — Processi verbali Vol. XVIII, 3—6. 

Pollichia s. Dürkheim a. d. H. 

Portugal. Direction des travaux géologiques du Portugal (Lisboa): 
Communicaçôes Vol. VII, 2 (1908/09). 

Posen. Naturwissenschaftlicher Verein der Provinz Posen: Zeitschr. der 
Sektion für Botanik 16. Jahrg., 1909. 

Pozsony s. Presburg. | 

Prag. Deutscher naturwiss.-medizin. Verein für Böhmen „Lotos“: 
„Lotos“ naturwiss. Zeitschrift Bd. 57 (1909). 

— Lese- u. Redehalle der Deutschen Studenten in Prag: 60. Bericht, 1908. 

Presburg (Pozsony). Verein für Natur- und Heilkunde: Verhandlungen 
N. F. Hefte 18—20, 1906—1908. — Festschr. 1856 — 1906 (1907). 

Regensburg. Kgl. botanische Gesellschaft: Denkschriften Bd. X (1908). 

— Naturwissenschaftlicher Verein. 

Rennes. Université. 

Riga. Naturforscher-Verein: Korrespondenzblatt Jahrg. LII (1909). 

Rio de Janeiro. Museu nacional. 

Roma. Accademia Pontificia dei nuovi Lincei: Atti anno LXU, 1908/09. 

— R. Accademia dei Lincei: Rendiconti Vol. XXVIII, 1909. 

— s. auch Italia. 

Rostock s. Mecklenburg. 

Rovereto. Museo civico: Publicazioni No. 44 (1909) und 46 (1909). 

Saint Louis. Academy of science. 

San Francisco s. California. 

Santiago de Chile. Deutscher wissenschaftlicher Verein. 

Sankt Gallische naturwissenschaftl. Gesellschaft. 

Sankt Petersburg. Comité géologique: Bulletins 1908, 4—10. — 
Mémoires nouv. série Lfgn. 36, 43—50. l 

— Russisch-kaiserl. mineralogische Gesellschaft: Verhandlungen 2. ser. 
Bd. 46, Lfg. 1 (1908). — Materialien zur Geologie Rußlands 
Bd. 24 (1909). 

— Kais. Akademie der Wissenschaften: Bulletins Serie 6. Jahrg. 1910, 
1—5. — Mémoires Serie 8. Vol. XXIII, 6; Vol. XXIV, 5. 

— Physikalisches Central-Observatorium: Annalen Jg. 1905, Suppl.; 
Jg. 1906. Teil I u. II, 1—2. — Observations météorologiques 
en Mandchourie I (1909). 

Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur: 86. Jber., 19083. 

Schleswig-Holstein. Naturwiss. Verein für Schleswig-Holstein (Kiel) : 
Schriften Bd. XIV, 2 (1909). 

Schweiz. Geologische Kommission der Schweiz. naturf. Gesellschaft: 
Beiträge zur geolog. Karte der Schweiz, N. F. Lfgn. XXIX, 2. 

— Schweizerische botanische Gesellschaft (Zürich): Ber. Heft 18 (1909). 

— Schweizerische entomologische Gesellschaft (Bern): Mitteilungen 
Bd. XI, 9 u. 10 (1909). 

— Schweizerische naturforschende Gesellschaft (Bern): Neue Denk- 
schriften Bd. 44 (1909). — Verhandlungen der 91. Jahresver- 
sammlung 1903 zu Glarus. 


— XXX — 


Sion. La Murithienne. 
Stanford University. Leland Stanford junior University: Publications, 
University Series No. 2. 


Steiermark. Naturw. Verein (Graz): Mitteilungen Bd. 43, 1906 und 
Bd. 45, 1908. 

Stettin. Entomologischer Verein: Entomologische Zeitung Jg. 7O 
Heft 2 und Jg. 71 Heft 1. 


Stockholm. K. Svenska Vetenskaps Akademien: Handlingar Bd. 43, 
No. 7—12; Bd. 44, No. 1—5; Bd. 45, No. 1—4. — Arkiv for 
matematik, astronomi och fysik V, 1—4; VI, 1; Arkiv for kemi, 
mineralogi och geologi III, 3; Arkiv for botanik VIII, 1—4; 
IX, 1—2; Arkiv for zoologi V, 1—-4; VI, 1. — Aarsbok for 
1909. — Meteorol. Jakttagelser Bd. 50, 1908. — Nobelinstituts 
meddelanden Bd. I, 12—15. — Lefnadsteckninger Bd. IV, 4 
(1909). — Les prix Nobel en 1906; desgl. en 1907. 


Straßburg. Kais. Universitäts- und Landesbibliothek: Monatsberichte 
der Ges. zur Förderung der Wiss. etc. im Unter-Elsaß Bd. 42, 1908. 

Stuttgart. Ärztlicher Verein: Medizinisch-statistischer Jahresbericht 
über die Stadt Stuttgart, 36. Jahrg. 1908, 

— 3. auch Württemberg. 

Sydney s. Australasian association for the advancement of sciences: 
Report of the 11'% meeting at Adelaide 1907. 

— s. New South Wales. 


Thurgauische Naturforschende Gesellschaft (Frauenfeld). 

Tokio. College of science, Imperial University, Japan: Journal Vol. XXIII, 
15; Vol. XXVI, 1—2; Vol. XXVII, 1—6. 

Torino. R. Accademia delle scienze: Atti Vol. XLIV, 1908/09. 

— Osservatorio della Regia Università. 

Toronto s. Canada. 

Tromsö Museum: Aarshefter Vol. 29, 1906. 

Tübingen. K. Universitätsbibliothek: 28 Dissertationen der natw. Fak. 

Tufts College (Mass. U. S. A.): Tufts College studies Vol. II, 3 (1909). 

Ulm. Verein für Mathematik u. Naturwissenschaften: Jahresh. 14 (1909). 

Ungarische geologische Gesellschaft und k. ungarische geologische An- 
stalt (Budapest): Földtani Közlöny Bd. XXXIX, 1909, Heft 1—9. 
— Jahresbericht der k. ung. geol. Anstalt für 1907. — Mit- 
teilungen a. d. Jahrbuch Bd. XVII, 1. 

Ungarische naturwissenschaftliche Gesellschaft, botanische Sektion: 
Növénitani Közlemények Bd. VIII, 1909. 

Ungarischer Karpathen-Verein (Igló). 

United States of N. Am. Department of Agriculture (Washington). 

— Department of Commerce and labor. 

— Department of the Interior (Geological survey) (Washington): Annual 
report Vol. XXIX, 1907—1908. — Bulletins. — Professional 
papers. — Water supply and irrigation papers. — Mineral re- 
sources 1907. 

Upsala. The Geological Institution of the university. 


— XXXI — 


Upsala. K. Universitetsbibliotek: Bref och Skrifvelser af och till 
Carl von Linné. I, 3 (1909). 

— Regia Societas scientiarum Upsaliensis: Nova Acta ser. 4 Vol. II, 
1 (1907/09). 

Victoria. Public library, Museums and National Gallery (Melbourne). 

Waadtland s. Lausanne. 

Washington. Carnegie Institution of Washington. 

— Smithsonian Institution: Rep. of the National Museum 1908. — 
Bull. of the U. S. National Myseum No. 62—69 (1909). — Con- 
tributions from the U. S. Nat. Herbarium Vol. XII, 5—10; 
Vol. XII, 1. — Proceedings of the U. S. Nat.Mus. Vol. 34—36 
(1908—1909). — Smithsonian miscellaneous collections Vol. 52 
No. 1813, 1860. 

— s. auch United States. 

Wellington s. New Zealand Institute. 

Westfälischer Provinzialverein für Wissenschaft u. Kunst: 37. Jahres- 
bericht für 1908/09. 

Wien. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften, math.-naturw. Klasse: 
Sitzungsberichte Bd. CXVII, 1908. — Mitteilungen der Erdbeben- 
Kommission No. XXXIII. 

— K. K. geologische Reichsanstalt: Jahrbuch 59, 1909. — Verhand- 
lungen 1909 No. 2—14. 

— K. K. naturhistorisches Hofmuseum: Annalen Bd. XXI, 2—4; 
XXIII, 1—2. 

— K. K. zoologisch-botanische Gesellschaft: Verhandl. Bd. 59, 1909. 

— Verein zur Verbreitung naturw. Kenntnisse: Schriften Bd. 49, 1908/09. 

Wiesbaden s. Nassauischer Verein für Naturkunde. 

Winterthur. Naturwiss. Gesellschaft. 

Wisconsin: Academy of sciences, arts and Letters: Transactions 
Voll. HI—XV; XVI, 1. 

Württemberg. K. Statistisches Landesamt (Stuttgart): Württ. Jahr- 
bücher für Statistik und Landeskunde Jahrg. 1908 Heft 2; Jahrg. 
1909 Heft 1. — Deutsches meteorologisches Jahrbuch: Württem- 
berg, Jahrg. 1908. — Geognostische Spezialkarte von Württemberg 
1:25000, Atlasblätter Baiersbronn, Nagold, Stammheim, Schram- 
berg und Erläuterungen (1908—1909). — Beschreibung des Ober- 
amts Urach (2. Aufl. 1909). 

— Württembergischer Schwarzwaldverein (Stuttgart): „Aus dem Schwarz- 
wald“ Jahrg. XVII (1909). 

— Württembergischer Verein für Handelsgeographie etc. 

Würzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft: Sitzungsber. 1908. 

Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahresschrift Jahrg. 53, 
1908; Jahrg. 54, 1909, No. 1—2. 

— s, auch Schweiz. 

Zwickau. Verein für Naturkunde. 


— XXXII — 


Der 
Rechnungs-Abschluß 


für das Jahr 1909 stellt sich folgendermaßen: 


Einnahmen: 


Kassenstand am 1. Januar 1909 . . .... . . 231 M. 27 Pf. 
Zins aus den Kapitalien. . .. . 748 „ Ol, 
Mitgliedschaftsbeiträge von 841 Mitgliedern . > m $205 „o — ,ẹ 
Ortszuschlag für die Stuttgarter Mitglieder . . . . 157 „50 „ 

Beiträge der nn en inkl. Orts- 
zuschlag . . . . ne, I en 
Für 138 Originaleinbände von  Jahresheften Be 138, — ,ẹ 
„ im Buchhandel verkaufte Jahreshefte . . . . . 247 „ 50 „ 
„ gelieferte und verkaufte Separatabzüge . . . . 194 „ 7L, 
» Buchhändlerbeilage zu Jahreshefte 1909 . .. 20 „o — , 
6133 M. 99 Pf. 

Ausgaben: 

Für Bibliothek und Buchbinderarbeiten. . . 148 M. 49 Pf. 

Herstellung der Jahreshefte inkl. planzengeographische 
Beilage IV und Separatabzüge . . . . . . 4262 „ 17 ,„ 
Expedition der Jahreshefte . . . . 2 2 2 22.2..449 „ — „ 
Sonstige Porti und Schreibgebühren . . . : 84 „ 30 „ 
Honorare, Saalmieten, Inserate, Einladungskarten . . 500 „ 90 „ 
Unkosten der Zweigvereine. . . . 2» 2 22 .2..0.4181 „ 48 „ 
Steuer und Bankierkosten . . . Re 31 ,. 5l., 
Feuerversicherung der Bibliothek auf 5 ‘Jahre bawn . 119 50 „ 


5771 v 35 Pf. 


Einnahmen 33 M. 99 Pf. 
71 


Ausgaben BOT 
Kassenstand am 1. Januar 1910 . 362 M. 64 Pf. 


Vermögensberechnung. 


Kapitalien nach Nennwert . . 2220200 o 20. 600 M. — Pf. 
Kassenstand am 1. Januar 1910 De Er A 362 „ 64 „ 
Vermögen am 1. Januar 1910 . . . . . 20962 M. 64 Pf. 
Vermögen am 1. Januar 1909. . . . . 20831 M. 27 Pf. 
es ergibt sich somit eine Vermögenszunahme von 131 M. 37 Pf. 


Der Rechner: (gez.) Dr. C. Beck. 


Die Rechnung wurde mit den Belegen eingehend verglichen, nach- 
gerechnet und durchaus richtig befunden 


Stuttgart, 18. Febr. 1910. 
(gez.) Geh. Hofrat CleBler. 


— XXXII — 


Veränderungen im Mitgliederbestand. 


Vom 1. Mai 1909 bis 30. April 1910 traten dem Verein folgende 
46 Mitglieder bei: 


Autenrieth, Dr. med. Oskar, Stadtarzt, Calw. 

Bacmeister, Walter, Staatsanwalt, Heilbronn. 

Bausenhardt, Karl, Oberpräzeptor, Stuttgart. 

Bickel, Dr. med., prakt. Arzt, Schussenried. 

Bormann, Karl, Kartenzeichner, Stuttgart. 

Braun, Dr. Hermann, prakt. Arzt, Winnenden. 

Burger, Hermann, Forstamtmann, Stuttgart. 

Burger, Dr. Otto, (Kirchheim u. T.) Tübingen. 

Cloß, Friedrich, Privatier, Stuttgart. 

Ebingen, Realschule. 

Fischer, E., stud. rer. nat., Tübingen. 

Fopp, C., Direktor, Wangen i. Allgäu. 

Gößler, Prof. Dr. Peter, Konservator, Stuttgart-Degerloch. 

Götz, H., Verwaltungsaktuar, Schussenried. 

Haug, Professor, Waldsee. 

Hohenstein, Viktor, cand. rer. nat., (Weilderstadt) Tübingen. 

Krämer, Dr. Hermann, Prof. a. d. Landw. Hochsch., Hohenheim. 

Krezdorn, A., Katastergeometer, Schussenried. 

Kurz, Pfarrer, Unteressendorf. 

Lehrs, Dr. Philipp, Privatgelehrter, Stuttgart. 

Liedtke, A., Apotheker, Stuttgart. 

Luz, Stadtpfarrer, Waldsee. 

Martini, Dr. E., Assistent am Zoolog. Institut, Tübingen. 

Mayer, Aktuar a. D., Waldsee. 

Mayer, Martin, Baurat, Stuttgart-Degerloch. 

Meßner, Dr. med. vet. Emil, Assistent a. d. tierärztl. Hochsch., 
Stuttgart. 

Mögling, Oberamtmann, Mergentheim. 

Müller, Forstamtmann, Klosterreichenbach. 

Oberdörfer, C., Universitätspräparator, Tübingen. 

Otto, Hermann, Apotheker, Stuttgart. 

Pietzcker, Dr. Franz, (Tübingen) Berlin. 

Poeverlein, Dr. jur. Hermann, K. Bezirksamtsassessor, Lud- 
wigshafen. 

v. Quadt-Isny, Graf Alexander, Justizreferendar, Isny. 

Riedlinger, Dr., Stadttierarzt, Mergentheim. 

Rösch, Max, Oberreallehrer, Stuttgart. 

Schwarz, Albert jun., Bankier, Norweg. Konsul, Stuttgart. 

Sprösser, Dr. Theodor, Verlagsbuchhändler, Stuttgart. 

Stirzel, Hütteninspektor, Schussenried. 

Stockmayer, Dr. Wolfgang, Assistenzarzt, Tübingen. 

v. d. Trappen, Artur, Photograph, Stuttgart. 

Uhl, A., Musiklehrer, Schussenried. 

Verhoeff, Dr. K. W., Privatgelehrter, Stuttgart-Cannstatt. 

Jahreshefte å. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ, 1910. G 


— XXXIV — 


Wagner, Eduard, stud. rer, nat., Ravensburg. 

Walter, Pfarrer, Weigheim. 

Wolfarth, Kanzleirat, Schussenried. 

Zeller, Dr. Friedrich, Oberreallehrer, Isny. 

Ziegler, Dr. H. E., Professor a. d. K. Techn. Hochsch., Stuttgart. 


Durch Tod und Austrittserklärung schieden während derselben 
Zeit aus dem Verein 2 korrespondierende Mitglieder: 


Agassiz, Dr. Alexander, Direktor in Cambridge, Mass. f 
Koch, Dr. Ludwig, prakt. Arzt in Nürnberg. f 


sowie 54 ordentliche Mitglieder: 


Autenrieth, Traugott, Privatier in Stuttgart. 

Beckh, Richard, Kaufmann in Bucheneck. 

Bilfinger, Ludwig, Forstmeister in Stuttgart. f 
Braun, Dr. C., Sanitätsrat in Winnenden. f 
Camerer, Dr. W., Medizinalrat in Urach. f 

Dopfer, Frau Fabrikant in Wasseralfingen. 
Duttenhofer, Dr. Max, in Rottweil. 

Epstein, Leopold, Geologe in Genf. 

Fischer, F. J., Oberförster a. D., Stuttgart. 

v. Fischer-Weikerstal, Oberstleutnant z. D., Stuttgart. 
Göpel, Dr., Professor in Berlin. 

Groß, Julius, Apotheker in Tuttlingen. 

Grözinger, Eugen, Rektor in Schorndorf. 7 

Häcker, Dr. Valentin, Professor in Halle. 

Hahn, Dr. med. Wilh., prakt. Arzt in Crailsheim. f 
Hähnle, Hans, Kommerzienrat in Stuttgart. f 
Happel, Theodor, Privatier in Stuttgart. f 
Hartmann, Dr. med., Oberamtsarzt in Herrenberg. 
Haug, Stadtbaumeister in Rottweil. 

Hedinger, Dr. Aug., Medizinalrat in Stuttgart. f 
Hiller, Forstmeister in Herrenalb. 

Honeker, A., Oberamtstierarzt in Maulbronn. 
Japha, Dr. Arnold, Assistenzarzt in Tübingen. 
Kiesel, Dr. Karl, Oberamtstierarzt in Gaildorf. 

Kirn, Adolf, Apotheker in Nürtingen. 

Krauß, B., Apotheker in Eßlingen. 

Kurtz, Paul, Kommerzienrat in Stuttgart. t 

Kurz, Oberförster in Zwiefalten. f 

Laible, Michael, Apotheker in Stuttgart-Degerloch. f 
Lazarus, Martha, Amtsgerichtsratswitwe in Stuttgart. 
Lichtenberger, Theodor, Kommerzienrat in Heilbronn. 7 
Lutz, Hermann, Apotheker in Öhringen. 

Majer, Professor in Eßlingen. 

Majer, Medizinalrat Dr., Oberamtsarzt in Heilbronn. f 
Mast, Heinrich, stud. rer. nat. in Untertükheim. 
Mayer, Dr. med. Paul, prakt. Arzt in Heilbronn. t 


-- XXXV — 


v. Mayer, Paul, Oberregierungsrat in Stuttgart. 
Müller, Dr. med., Oberamtsarzt in Oberndorf. f 
Munk, Dr. Reinh., prakt. Arzt in Göppingen. 
Philippi, Dr. E., Professor in Jena. f 

Renner, Karl, Oberstleutnant z. D. in Stuttgart. 
Ruß, Dr. Andolin, Oberamtsarzt in Rottweil. 
Schickhardt, Karl, Fabrikant in Betzingen. 
Schlenker, Georg, Oberlehrer in Cannstatt. 
Schmid, Julias, Hofrat, Apotheker in Tübingen. 
Schneyder, Eberhard, Zahnarzt in Tübingen. 
Schöll, Reallehrer in Reutlingen. 

Sieberer, Dr. Karl, Reallehrer in Stettin. 
Sigel, Karl, Oberbergrat a. D. in Stuttgart. f 
Sprandl, Eduard, Hauptmann z. D. in Saulgau. 
Springer, M., Bautechniker in Stuttgart-Berg. 
Sprösser, Th., Kommerzienrat in Stuttgart. f 
Sulzmann, Stadtschultheiß in Oberndorf a. N. 
Zeller, Prof. Dr. med. Albert, prakt. Arzt in Stuttgart. 


Der Verein zählte somit am 1. Mai 1910 863 Mitglieder. 


C x 


Zur Erinnerung an Wilhelm Camerer. 
Von P. v. Grützner (Tübingen). 


Am Morgen des 25. März dieses Jahres schloß ein bedeutender 
Mann für immer die Augen, der nicht wenigen Mitgliedern unseres 
Vereins gar wohl bekannt war. Denn wenn er auch erst seit dem 


Jahre 1896 als Mitglied unserem Verein angehörte und an seinen 
Versammlungen ziemlich selten teilnahm, so ist doch nicht zu ver- 
gessen, daß wesentlich sein Gesundheitszustand ihn verhinderte, bald 
da, bald dorthin zu reisen. War es ihm irgend möglich, so fehlte 
er nicht und stand dann in den Versammlungen seinen Mann. Aber 


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— XXXVI — 


wenn er auch — wie in den letzten Jahren — aus obigen Gründen 
den Versammlungen fern bleiben mußte, wie beispielsweise den 
Winterversrammlungen in Tübingen, so war er doch im Geiste bei 
uns und dachte unserer, wie wir seiner, in schriftlichem Verkehr. 

Dieser seltene Mann war Dr. med. WILHELM CAnMERER, Medizinal- 
rat in Urach. Er war geboren den 17. Oktober 1842 in Stuttgart 
als Sohn eines bekannten Arztes, der dem Katharinenspital vorstand. 
Seine Mutter, des Vaters zweite Frau, war eine geborene HırzEL aus 
Spaichingen. Nachdem er sich durch Gymnasialunterricht in Stuttgart 
und Blaubeuren auf das Universitätsstudium vorbereitet hatte, bezog 
er — was für seine ganze spätere Laufbahn sicher von großer Be- 
deutung war — das Polytechnikum in Stuttgart und legte hier den Grund 
für eine mathematisch-naturwissenschaftliche Vorbildung, in welche: 
er sicher die meisten seiner gleichalterigen medizinischen Kollegen be 
deutend übertraf. Erst nach diesem Studium bezog er die Universität 
Tübingen und ließ sich als Mediziner einschreiben. Zu gleicher Zeit 
trat er in die Burschenschaft ein, deren Geschichte er noch wenige 
Jahre vor seinem Tode in liebevoller und eingehender Weise verfaßte 

Schon als junger Mediziner hatte er offenbar eine besondere 
Zuneigung zur Physiologie, wie denn auch seine aus dem Jahre 1866 
stammende Doktordissertation ein physiologisches Thema behandelt 
und unter C. VıerorpT's Anregung und Leitung ausgeführt worden 
ist. Sie trägt den Titel „Versuche über den zeitlichen Ver- 
lauf der Willensbewegung“. Es sollte — wenn ich von 
Einzelheiten absehe — die Geschwindigkeit untersucht werden, mit 
welcher sich ein Glied, z. B. unser Arm, bezw. unsere Hand über eine 
ebene Fläche horizontal bewegt, wenn wir die Absicht haben, sie 
mit einer bestimmten Geschwindigkeit fortzuführen, etwa mit einem 
Bleistift eine gerade Linie längs eines Lineals zu ziehen. ÜAMERER 
fand, daß die ungezwungenste Form einer derartigen Bewegung 
eine zunehmende Beschleunigung der Geschwindigkeit zeigt, etwa 
wie ein frei fallender Körper, und schließt daraus, daß auch der 
Wille auf unsere Nerven und Muskeln wohl in gleicher einfacher 
Art wirkt, wie die Schwerkraft auf einen fallenden Körper. Sorg- 
same Beobachtung und originelle Deutung der Versuchsergebnisse 
charakterisieren diese seine erste wissenschaftliche Arbeit. 

Des weiteren beschäftigte er sich als praktischer Arzt in Ger- 
stetten mit Untersuchungen auf dem Gebiete der Sinnesphysiologie, 
zunächst mit solchen, welche den Geschmacksinn betrafen und die 
Grenzen der Verdünnungen zu bestimmen suchten, die noch charakte- 


— XXXVIII — 


ristisch geschmeckt werden, so daß wir z. B. Salz als Salz erkennen. 
Auch die Stellen, mit denen die Zunge wesentlich schmeckt, wurden 
festgestellt und dabei gefunden, daß die von pilzförmigen und 
umwallten Papillen freie Zungenmitte, wie andere ähnlich gebaute 
Schleimhautstellen so gut wie gar nicht schmecken, während die Ab- 
schnitte der Zunge, welche pilzförmige oder umwallte Papillen tragen, 
wie ihre Spitze, ihre Ränder und ihr Grund gut schmecken. Der Ge- 
schmack ist an die genannten flachen, weichen Papillen gebunden. 
Mit den spitzen, harten Papillen hat der Geschmack nichts zu tun. 

Es kam das Jahr 1870 und mit ihm der Krieg gegen Frank- 
reich, an welchem sich CamERER als Stabsarzt beteiligte und als 
Leiter eines Feldspitals vorzügliche Dienste leistete, für die er mit 
Verleihung des Ritterkreuzes 1. Klasse des Friedrichsordens aus- 
gezeichnet wurde. Nach Beendigung des Krieges siedelte er 1873 
nach Langenau über, wurde 1876 Oberamtsarzt in Riedlingen und 
ließ sich 1883 auf das Physikat in Urach versetzen, woselbst er 
fortan in einfacher, aber glücklicher Häuslichkeit in einem hübschen 
Häuschen (er hatte sich 1867 mit einer Tochter des Rektors am 
Stuttgarter Polytechnikum GucLEr verheiratet) sein weiteres Leben 
zubrachte, so daß er für uns alle „CAMERER aus Urach“ ist. 

Abgesehen von verschiedenen Arbeiten aus dem Gebiete der 
praktischen Medizin wie über die Behandlung des Typhus, speziell 
in der Kaserne in Meaux (1870/71), über die Gicht und den Gelenk- 
rheumatismus beginnen jetzt seine Arbeiten, durch die er weltbekannt 
geworden ist, weil er der Wissenschaft ganz neue Gebiete erschloß: 
seine Arbeiten über den Stoffwechsel, insonderheit den Stoff- 
wechsel des Kindes. Es ist hier nicht der Ort, näher auf die über- 
aus zahlreichen und gediegenen Arbeiten einzugehen, welche er über 
diesen Gegenstand veröffentlichte. Aber eines muß auch hier hervor- 
gehoben werden. Alle diese Arbeiten waren unendlich mühevoll, weil 
es sich um genaue Stoffwechselversuche und um Stoffwechselversuche 
an Kindern, z. T. an Säuglingen handelte. Da die Art und Menge 
des Grenossenen und Ausgeschiedenen genau zu bestimmen war, wie 
jeder auch Nichtmediziner einsieht, eine Arbeit, welche eben so viel 
peinliche Sorgfalt, wie ausdauernde Geduld und Saclıkenntnis er- 
forderte. Hierzu kam, daß er alle diese schwierigen Analysen in 
seiner kleinen „Hexenküche“ in Urach ausführte, die zwar Wasser- 
leitung, aber kein Gas hatte. Wacker standen ihm die weiblichen 
Mitglieder seiner Familie bei diesen Untersuchungen bei. In ihrer 
Jugend waren einige von ihnen selbst die Versuchsobjekte. 


— XXXIX — 


Mit und neben dem Stoffwechsel des Kindes (in einem be- 
sonderen Buch 1894 zusammengefaßt) wurde selbstverständlich auch 
derjenige des Erwachsenen untersucht; denn die Kenntnis des Einen 
verlangt die Kenntnis des Anderen und umgekehrt. Die Zahl dieser 
seiner durchweg sorgfältigen und genauen Arbeiten ist außerordentlich 
groß. Namentlich wurde die Methodik der Harnuntersuchungen be- 
deutend gefördert und unsere Kenntnis über die chemische Zusammen- 
setzung des menschlichen Harnes in vielen Punkten erweitert. Von 
allen seinen Untersuchungen über den Stoffwechsel dürften wohl aber 
diejenigen über den Stoffwechsel des Kindes die bedeutendsten sein; 
denn hier schaffte er in der Tat Neues und wirkte bahnbrechend. Er 
wirkte aber auch, wie wir noch besonders hervorheben wollen, auch 
heilsam; denn von welch unendlich großer Wichtigkeit ist die Ernährung 
des Säuglings, bezw. des Kindes für den Einzelnen und die ganze Nation! 
Wie viel Unheil hat hier gerade in Württemberg seit Jahrzehnten der 
„Schlozer“ und der Mehlbrei angerichtet und wie viel Unheil richtet 
er noch an, wenn er und nicht die Mutterbrust den Säugling ernährt 
oder ernähren soll. Die Gesellschaft für Kinderheilkunde ernannte 
CAMERER auf Grund dieser seiner Arbeiten zu ihrem Ehrenmitglied, die 
Tübinger naturwissenschaftliche Fakultät zu ihrem Ehrendoktor. 

Neben diesen grundlegenden, wesentlich chemischen Arbeiten, 
welche ihn 25 Jahre seines Lebens beschäftigten, ging einher eine 
Reihe von Untersuchungen sinnesphysiologischen Inhalts, 
welche (und deshalb hat sie ihm auch sein von ihm mit Recht so 
hochgeschätzter Lehrer VıErornT angeraten) zwar sehr schwierig und 
mühselig waren, aber doch so gut wie gar keines Instrumentariums 
bedurften. Vermittelst einer neuen, von VIERORDT ausgebildeten 
Methode, nämlich der Methode der richtigen und falschen Fälle 
prüfte er die Feinheit des Raumsinnes unserer Haut, sowie unseres 
Geschmacksorgans. Diese Arbeiten brachten ihn in nahe Beziehung 
mit dem ebenso berühmten und originellen, wie liebenswürdigen 
Forscher THEovor Fechner, der von Haus aus Physiker, auch in dem 
Gebiete der Physiologie, wie der Philosophie Hervorragendes leistete. 
CAMERER erzählt selbst, wie „die Briefe und Manuskripte FECHNER’S 
Lichtpunkte in dem Leben des ländlichen Physikus und Praktikus 
waren, die ihn, sowie der schriftliche Verkehr mit andern Gelehrten, 
weit über die Enge der heimischen Verhältnisse hinaushob“. Ja der 
jugendliche Landarzt CAvERER wurde von dem bejahrten, berühmten 
Gelehrten Fecuxer noch dadurch geehrt, daß FECHNER gemeinschaft- 
lich mit ihm arbeitete und die Arbeiten veröffentlichte, in denen 


=, I, 


CAMERER die experimentelle Seite des Themas und Fechner die rech- 
nerische auf sich nahm. Selbstverständlich hätte Fechxer sich dieser 
Mühe nicht unterzogen, wenn er die experimentellen Angaben, welche 
— ich betone es noch einmal — nur auf Grund außerordentlich 
zahlreicher und überaus mühevoller Versuche gewonnen werden 
konnten, nicht für durchaus zuverlässig gehalten hätte. Mit be- 
sonderer Freude erinnerte sich CAmERER stets jenes liebenswürdigen, 
seltenen Mannes, der noch ım 84. Lebensjahr glänzende und schwierige 
Arbeiten über ein Thema veröffentlichte, welches den Namen FECHNER’S 
wenigstens unter Physiologen am meisten bekannt gemacht hat, über 
psychophysische Fragen, d. h. über die Beziehungen, welche bestehen 
zwischen der Größe eines Sinnesreizes und der Größe der von ihm 
ausgelösten Empfindung. 

Schließlich sei, um die medizinische Tätigkeit CAMERER’s in 
allen ihren Richtungen zu skizzieren, noch einmal darauf hingewiesen, 
daß CANERER ein beschäftigter und gesuchter Arzt war und daß er 
auch beachtenswerte Arbeiten praktisch medizinischen Inhalts ver- 
öffentlichte, wie über die Gicht, die Zuckerkrankkeit, den Gelenk- 
rheumatismus, die Ursache der Kindersterblichkeit in Württemberg, 
die Technik des Impfens und manches andere. Durch diese seine 
ärztliche Erfahrung auf der einen Seite, sowie seine hervorragenden 
wissenschaftlichen Arbeiten auf der andern Seite war er wie kein 
Anderer befähigt, ein Buch neu herauszugeben und auf Grund der 
neueren wissenschaftlichen Erfahrungen umzugestalten, welches die 
sanze theoretische und praktische Medizin für den Laien darstellen 
sollte, das bekannte Bach vom gesunden und kranken Menschen 
von Bock. Er gab es von neuem heraus und schuf dadurch etwas 
durchaus Brauchbares und Tüchtiges. 

CAMERER gehörte nicht zu den Leuten, die sich mit der ein- 
fachen Kenntnis der Erscheinungen begnügten; er ging vielmehr den 
Dingen auf den Grund und suchte nach Möglichkeit ihre letzten 
Ursachen zu erforschen. So führte ihn die Behandlung des kranken 
Körpers zu der Erforschung des gesunden, zur Physiologie und diese, 
ganz so wie seinen von ihm so hochverehrten, großen Landsmann 
JuLius RoßERT MAYER zur Physik, besser gesagt zu physikalischen und 
chemischen Problemen und schließlich zur Philosophie. Dasjenige 
aber, was er da in angestrengter Geistesarbeit für sich erworben 
hatte, wollte er auch andern zugänglich machen und so erschienen 
seine vortrefflichen, klar geschriebenen Aufsätze meistens in politischen 
Zeitungen, weil sie für einen größeren Leserkreis bestimmt waren. Teils 


— XL — 


behandelten sie neuere naturwissenschaftliche Theorien (wie diejenige 
des osmotischen Druckes, gewisser Eigenschaften der Gase, der Salz- 
lösungen u. dergl.) in einfach lehrhaftem Ton und in durchsichtiger 
Klarheit, teils schwierigere allgemeine Probleme wie diejenige der An- 
ziehungskraft, der Energiebegriffe, ja schließlich rein philosophische 
wie die Beziehung zwischen Seele und Leib und in einem besonderen 
Buch die Beziehungen zwischen Philosophie und Naturwissenschaft. 

Wir sehen, welche Vielseitigkeit, welch durchdringender Ver- 
stand und welch gewaltiger Fleiß! lauter Eigenschaften, die er alle 
noch glänzend bis zu seinem Lebensende betätigte, als er vor etwa 
6 Jahren — er war mehrfach an Gelenkrheumatismus erkrankt — 
durch eine schwere Herzkrankheit auf das Krankenlager geworfen 
wurde, von dem er nur wenig aufstand. Jedenfalls schrieb er eine 
Reihe der obengenannten Aufsätze auf seinem Krankenlager und er- 
hielt sich wohl nur durch diese äußerste Schonung seines Körpers 
und seines Herzens, sowie, was für den, der sein trauliches und 
glückliches Familienleben kannte, ganz selbsverständlich ist, auch 
durch die verständige und hingebende Pflege von seiten seiner Gattin 
und der Seinigen am Leben. 

Ende März erkrankte er an einem geringfügigen Katarrh. Am 
24. legte er sich wohlgemut zu Bett, eines seiner Enkelkinder auf 
den morgigen Tag vertröstend, an welchem er wieder munter sein 
werde. Aber das Geschick hatte anders über ihn beschlossen. Ohne 
nennenswerten Todeskampf verschied er am Morgen des 25. März. 
Am 28. März, dem zweiten Österfeiertage, an welchem eine goldene 
Östersonne auf die große Trauerversammlung und einen mit Kränzen 
angefüllten Wagen herniederleuchtete, wurde er in Stuttgart auf dem 
Fangelsbachfriedhof beerdigt, in einer Familiengruft des sonst nicht 
mehr benutzten Kirchhofs. Er wurde zu den Seinen gebettet, wie 
er auch im Leben mit den Seinen, die da lebten und mit den Seinen, 
die verstorben waren in nahem Verkehr stand; denn ein überaus 
reger Familiensinn war ihm eigen. 

Und so wie er wahrhaftig in der Wissenschaft war, so war 
er es auch als Mensch. Ich kann mir gar nicht denken, daß CAMERER 
etwas Unlauteres hätte begehen können, mit einem Worte, er war 
auch ein vortrefflicher Mensch. Wir nehmen trauernd von ihm Ab- 
schied und im gewissen Sinn doch auch gehobenen und stolzen 
Herzens; denn gar vieles, was er geschaffen, begleitet uns weiter. 
Er lebt in unseren Herzen, er lebt in unserer Wissenschaft weiter. 


Il. Sitzungsberichte. 


1. Hauptversammlung zu Mergentheim am 27. Juni 1909. 
(Den allgemeinen Bericht s. oben S. V.) 


Dr. med. Richard Schwarz (Stuttgart): Über die Mergent- 
heimer Heilquellen. Die zuverlässigsten Angaben über die Mineral- 
quellen unserer schwäbischen Heimat finden wir im Deutschen Bäderbuch, 
welches im Jahre 1907 unter Mitwirkung des Kaiserlichen Gesundheits- 
amts von einer größeren Zahl von Naturforschern und Ärzten erstmals 
herausgegeben worden ist. In dem genannten Werke sind 17 württem- 
bergische Mineralquellen aufgeführt, welche zu Trink- und Badekuren 
systematisch verwendet werden. Die Mehrzahl dieser württembergischen 
Mineralquellen sind sogen. Säuerlinge oder Sauerbrunnen und zwar ist 
das hervorstechendste Merkmal dieser Wässer das Vorhandensein von 
mehr als 1 g Kohlensäure in 1 1 Wasser. Von einem „einfachen“ Säuer- 
ling spricht man, wenn die Summe der gelösten festen Bestandteile in 
1 1 Wasser weniger als 1 g beträgt, wie dies beispielsweise bei dem 
Ditzenbacher Mineralwasser der Fall ist. Als „erdige“ Säuerlinge be- 
zeichnet man solche Mineralquellen, welche in 1 ] Wasser mehr als 
l g gelöste feste Bestandteile und zwar besonders Calcium- und Mag- 
nesiumbicarbonat sowie Gips enthalten daneben natürlich die ent- 
sprechende Menge Kohlensäure. Zu dieser Quellenkategorie gehören die 
altberühmten Brunnen von Teinach, Göppingen und Überkingen. Als 
ihnen nahestehend, jedoch außerdem durch einen beträchtlichen Eisen- 
gehalt ausgezeichnet, sind die Quellen von Niedernau und Imnau zu 
erwähnen, welchen die Bezeichnung erdige Eisensäuerlinge zukommt. 

Dieser groben Gruppe von Sauerbrunnen, welche wie gesagt durch 
ihren hohen Kohlensäuregehalt und das relativ geringe Vorhandensein 
fester Bestandteile charakterisiert sind und auf Grund dieser Eigen- 
schaften vorwiegend als Erfrischungs- und Tafelwässer Verwendung 
finden, steht eine Gattung von Quellen gegenüber, bei welchen die Ver- 
hältnisse gerade umgekehrt liegen. Ich meine die Solen und nenne von 
württembergischen Solquellen besonders Jagstfeld, Wimpfen und Schwäb. 
Hall. Diese \Wüsser, denen die Kohlensäure ganz oder fast völlig fehlt, 
haben teilweise einen geradezu enormen Kochsalzgehalt, welcher wie 
z. B. in Jagstfeld bis zu 259 g in 1 1 Flüssigkeit beträgt. 

Zwischen diesen beiden Extremen, den Säuerlingen einerseits und 
den Solen andererseits besitzen wir in Württemberg eine kleine Zahl 


eg 


— XLII -- 


von Heilquellen, welche sowohl eine beträchtliche Quantität von Mineral- 
salzen, besonders Kochsalz, Glauber- und Bittersalz, als auch Kohlen- 
säure und kohlensaure Erden enthalten. Die Meıgentheimer Karlsquelle 
darf als die wichtigste württembergische Repräsentantin dieser Quellen- 
gattung angesehen werden und man bezeichnet sie am besten als koch- 
salzhaltige Bitterquelle..e Außerdem erwähne ich noch die der Mergent- 
heimer Karlsquelle ziemlich nahe verwandte Hohenecker Quelle bei Lud- 
wigsburg. Auch die Berg-Cannstatter Quellen müssen auf Grund der 
chemischen Analysen in diesem Zusammenhange genannt werden, wenn 
auch ihr Mineralsalzgehalt verhältnismäßig gering ist. 

Bevor ich auf spezielle chemische und balneologische Fragen ein- 
gehe, wird es Sie gewiß interessieren, über die Entdeckung der Mergent- 
heimer Heilquellen einige geschichtliche Angaben zu erfahren. Es ist 
sehr wahrscheinlich, daB schon seit langer Zeit im Taubertal Mineral- 
wasser vorhanden war, aber wegen ungenügenden natürlichen Auftriebs 
verlor es sich im Grundwasser der Tauber, so daß es älteren Gene- 
rationen verborgen blieb. Erst im Jahre 1826 wurde eine Salzquelle 
dicht am rechten Ufer der Tauber fast im Niveau des Flußspiegels 
durch einen Zufall aufgefunden. Der damalige Mergentheimer Ober- 
amtsarzt Dr. Baver, dem wir die erste Veröffentlichung über die 
Mergentheimer Heilquellen verdanken, erzählt uns hierüber, daß im 
Oktober 1826 ein Schafknecht bemerkte, wie seine Schafe sich begierig 
an eine kleine stark bittersalzig schmeckende Quelle herandrängten, 
welche auf rotbraunem Geröll hervorrieselte und auf ihrem kurzen Lauf 
in die Tauber ihr Bett gleichfalls braun fürbte. Der Mergentheimer 
Stadtrat, welcher von dieser Entdeckung sofort benachrichtigt wurde, 
nahm noch am gleichen Tage einen Augenschein vor und traf alsbald 
die Anordnung, dab 10 Schritte landeinwärts, von dieser Stelle ein 
3 Quadratfuß weites Loch bis auf das besagte braune Geröll ausge- 
graben wurde, worauf sich dieser Quellschacht sogleich mit Mineral- 
wasser füllte. Aus diesem Schachte wurde sodann das Wasser zum 
Privatgebrauch sowie zu den chemischen Versuchen geschöpft. Die 
ersten allerdings nicht ganz vollständigen Analysen wurden von dem 
Mergentheimer Apotheker Scuťtrz und dem Tübinger Professor Sıc- 
WART vorgenommen. Im Verlaufe des Winters 1826/27 überschwemmten 
jedoch, die Fluten der wiederholt aus ihrem Bett getretenen Tauber die 
Mineralquelle und füllten den Quellschacht mit Lehm und Geröll an. 
Trotzdem versuchte man im Monat Juli 1827 der Quelle an derselben 
Stelle nochmals auf die Spur zu kommen, was auch bald gelang. Man 
verfolgte die Quelle durch den Schutt bis auf den Wellenkalk. In dem 
Felsen besserte sich fast mit jedem Fuß Tiefe das Mineralwasser an 
Menge und Güte. In einer Tiefe von 15 Fuß wurde der hellgraue 
dünnblättrige \Vellenkalk ganz unvermutet durchbrochen und dagegen 
leberfarbener und grünlich-grauer Schieferton, abwechselnd mit schmalen 
Schnüren und Knollen von leberfarbenem und weibem, zum Teil sehr 
schön kristallisiertem Gips aufgeschlossen. Auf diesem Flöze nun, das 
nach der Ansicht BAuUrErR s zur bunten Sandstein-Formation zu gehören 
schien, sah man das Mineralwasser an drei verschiedenen, 3— +4 Fub 


— XLIV — 


voneinander entfernten Klüften sehr reichlich und mit großer Stärke 
hervorquellen. Der Grund des Schachtes wurde nun geebnet und säm t- 
liche drei Quellen wurden in einem Kasten von Eichenholz von 5 Fuß 
Weite und 28 Fuß Höhe gefaßt und von außen her abgedichtet. Aber 
auch diese Fassung der Quelle erschien mit Rücksicht auf die Nähe 
des Flusses doch bald als gar zu primitiv und ungenügend. Man be- 
schloß daher, durch Bohrversuche die Mineralquelle ganz außerhalb des 
Überschwemmungsgebiets aufzusuchen und ein besonders günstiger Zu- 
fall wollte es, daß gleich der erste Versuch im Herbst 1828 glückte. 
Man fing etwa 300 Schritte in östlicher Richtung von der ursprüng- 
lichen Mineralquelle entfernt unmittelbar am Fuß des Löffelstelzer Berges 
an zu graben. In einer Tiefe von 10—12 Fuß kamen die Arbeiter 
auf eine merkwürdige gegen 2!/2 Fuß mächtige Erdschichte, die mit 
vielen Holzkohlen, Tonscherben, Knochen und Zähnen verschiedener 
Säugetiere, Geweihen von Rothirschen und Rehen gemengt war. In 
einer Broschüre des früheren Badebesitzers Dr. Hörıxa findet sich die 
Vermutung ausgesprochen, daß diese Tongefüsse von vorchristlichen 
deutschen Völkern, etwa Hermunduren und Chatten herstammen könnten, 
da nach historischen Untersuchungen es vorzugsweise die Taubergegend 
gewesen sein soll. um deren Salzlachen sich die genannten Völkerschaften 
in uralter Zeit gestritten haben. Nach einer anderen Anschauung soll 
es sich um römische Gefäße von Terra sigillata gehandelt haben. Leider 
scheinen diese Funde nicht aufbewahrt worden zu sein, wenigstens ist 
hierüber gar nichts zu erfahren. Bei der weiteren Bohrung kam in 
einer Tiefe von 16 Fub das schon erwähnte rotbraune Geröll und noch 
9 Fuß tiefer der \Vellenkalkfelsen. In diesem Felsen zeigten sich in 
einer Tiefe von 42 Fuß die ersten Spuren von Mineralwasser. Erst 
nachdem der untere Muschelkalk durchbrochen war, drängte sich in 
einer Gesamtiefe von 65 Fuß unter Tag plötzlich das Mineralwasser 
in Menge und mit so großer Gewalt aus dem Bohrloche hervor, daß in 
ganz kurzer Zeit der Schacht, welcher mittlerweile mit Eichenholz aus- 
gezimmert worden war, bis auf 9!/2 Fuß sich anfüllte. In das eigent- 
liche Bohrloch wurde nun ein eichener Teichel eingelassen, in welchem 
das Mineralwasser eine Höhe von 12 Fuß erreichte. Durch ein in 
dieser Höhe angebrachtes eisernes Rohr wurde sodann ein Abfluß für 
das Mineralwasser geschaffen. Der natürliche Druck, unter welchem 
die Quelle steht, ist nur gering und es befindet sich das Niveau der 
Quelle von jeher in einer Tiefe von etwa 4 m unter der Erdoberfläche. 
Man muß deshalb auf Stufen zur Quelle lhimabsteigen und es bietet sich 
dem Besucher leider nicht der stolze Anblick eines Sprudels. 

Über die neuerbohrte Quelle, welcher zu Ehren des damaligen 
Kronprinzen der Name „Karlsquelle“* beigelegt wurde, errichtete man 
im Jahre 1829 ein Brunnenhaus und daneben ein Badehaus. Das kleine 
Bad erlebte die Genugtuung, dab schon in ersten Jahr seines Bestehens 
die unerwartet große Zahl von über 3000 Bädern abgegeben werden 
konnte Auch die Vorzüge der Trinkkur, welcher hier bekanntlich 
eine grüßere Bedeutung zukommt als der Badekur, wurden damals schon 
erkannt und geschätzt, wenn auch die speziellen Indikationen für den 


=. XIV 


inneren Gebrauch dieser Heilquelle erst später präzisiert wurden. Auf 
die wechselvollen Geschicke des Bades seit seiner Begründung will ich 
nicht weiter eingehen, sondern ich wende mich nunmehr den chemisch- 
physikalischen Eigenschaften der Karlsquelle zu. 

Chemische Analysen wurden im Laufe der Jahrzehnte sehr viele 
vorgenommen und zwar zuerst in den 30er Jahren des vorigen Jahr- 
hunderts von GMELIN und von Sıswar'r, den beiden bekannten Tübinger 
Chemikern. Im Jahre 1853 untersuchte der berühmteste Chemiker seiner 
Zeit, Justus vox LieEBig, die Karlsquelle und stellte ihr das Zeugnis 
aus, daß sie zu den vorzüglichsten kalten Mineralquellen Deutschlands 
zu rechnen sei. Weitere Analysen stammen von den Würzburger Chemikern 
SCHERER 1869 und Rörrcer 1897. Die neuesten chemischen Unter- 
suchungen wurden im Jahre 1906 von Fresenius in Wiesbaden und 
von dem Laboratorium HuxpesHuAacEen und Piitır in Stuttgart vor- 
genommen und weisen fast völlig übereinstimmende Resultate auf. Die 
betreffenden Untersuchungen ergaben, daß die Temperatur der Quelle 
9,8% C beträgt. Als spezifisches Gewicht fand sich 1017. Die chemischen 
Bestandteile des Mineralwassers hat Frrsrenıus sowohl auf Grund der 
althergebrachten Salzberechnung als auch auf Grund der Ionen-Theorie 
zusammengestellt. Aus praktischen Gründen erscheint die Zugrunde- 
legung der Ionen-Theorie für den Mediziner weniger angezeigt und ich 
werde mich im folgenden vorwiegend an die Salzanalysen halten. Der 
Mineralsalzgehalt der Karlsquelle ist ein recht hoher und zwar beträgt 
er in 1 1 19,825 g. In besonders üppiger Fülle, nämlich in einer 
Menge von 11,644 g im Liter ist das Kochsalz vorhanden, dann folgt 
das schwefelsaure Natron oder Glaubersalz mit 3,345 und die schwefel- 
braune Magnesia, das Bittersalz, mit 2,262 g. Diese drei Salze prägen 
in der Hauptsache der Quelle ihren bestimmten Charakter auf und so 
wird die Quelle in der Balneologie entweder als Kochsalz- oder als 
Bitterquelle oder was wohl das richtigste sein dürfte, als kochsalzhaltige 
Bitterquelle bezeichnet. Im Deutschen Bäderbuch wird besonders dar- 
auf hingewiesen, daß bei einem Mineralwasser die Chlor-Ionen-Konzen- 
tration diejenige der Sulfat-Ionen wesentlich übertreffen kann, ohne dem 
Wasser die Zugehörigkeit zu den Bitterquellen zu nehmen, weil eben 
das reichliche Vorhandensein der Sulfat-Ionen dem Wasser eine be- 
sonders charakteristische Zusammensetzung verleiht. Wie in den meisten 
Mineralquellen findet sich auch in der Karlsquelle kohlensaurer Kalk 
und zwar in einer Menge von 1,142 g, ferner schwefelsaurer Kalk oder 
Gips 0,907 g in 1 l. Außerdem ist etwas Chlorkalium, Chlorlithium 
und Chlorammonium vorhanden, kleine Mengen von Brom und Jod und 
ferner etwas Eisen in der Form des kohlensauren Eisenoxyduls. Dazu 
kommen noch eine ganze Anzahl von mineralischen Bestandteilen in 
kleinsten Mengen, welche ich nicht einzeln aufzählen will, da Sie die- 
selben aus der in Ihren Händen befindlichen Analyse ersehen können. 
Welche Rolle diesen sog. minimalen Quellenbestandteilen zuzuweisen 
ist, muß vorläufig noch mehr oder weniger dahingestellt bleiben. Die 
Gesamtmenge der Kohlensäure beträgt 1,553 g und zwar etwas mehr 
als 1 g freie Kohlensäure. Die Frage, ob dies Vorhandensein von 


-- XAL\I — 


Kohlensäure aer Kommunikation des Quellbezirks mit tieferen Erd- 
schichten zu verdanken ist und somit diese Kohlensäuremengen als 
vulkanisch zu betrachten sind, dürfte wohl schwer zu beantworten sein. 
Die neuere Geologie neigt, wie aus der Einleitung, welche KEILHACK 
fürs Deutsche Bäderbuch geschrieben hat, hervorgeht, sehr zu dieser 
Auffassung. Jedoch wird man auch mit der Möglichkeit rechnen müssen, 
daß der Kohlensäurebildungsprozeß nicht sehr tief unter der Erdober- 
fläche, nämlich in den Muschelkalkschichten, vor sich geht und zwar in- 
folge der Zersetzung des Kalksteins durch Schwefelsäure. 

Zur vollständigen Untersuchung eines Mineralwassers gehört heut- 
zutage auch die Bestimmung seiner Gefrierpunktserniedrigung. Salz- 
haltige Mineralwässer gefrieren bekanntlich noch nicht, wenn man sie 
einer Temperatur von 0° C aussetzt. Herr Professor Hıco Kavrr- 
MANN fand für die Karlsquelle eine Gefrierpunktserniedrigung von 
0,885° C. Die Feststellung dieser Tatsache ist selır wichtig, weil sich 
hieraus ergibt, daß dieses Mineralwasser eine sehr hohe molekulare 
Konzentration besitzt. Man bezeichnet solche Wässer als hypertonische 
Lösungen und es ist durch die Erfahrung und durch das Experiment 
bewiesen, daß diese hypertonischen Mineralwässer verhältnismäßig lange 
im Magen verweilen. Man kann daher den Kurgebrauchenden gar nicht 
oft genug anempfehlen, daß sie das Mineralwasser außerordentlich lang- 
sam trinken sollen, die Wirkung ist dann eine angenehmere und eine 
vollständigere. 

Ich möchte nun diese allgemeine Erörterung der chemischen Eigen- 
tümlichkeiten der Karlsquelle verlassen und noch auf eine sehr wichtige 
physikalische Eigenschaft dieses Mineralwassers zu sprechen kommen, 
nämlich aur seine Radivaktivität. Die betreffenden Untersuchungen ver- 
danken wir ebenfalls der Güte des Herrn Professor Huvso KAUFFMANN, 
welcher Ihnen in einer Vereinssitzung im Mai vorigen Jahres hierüber 
berichtet hat. Nach diesen Untersuchungen ist die Quelle erheblich 
stärker radioaktiv als es die Wasser in Württemberg sonst sind. Der 
Durchschnittswert der zu verschiedenen Jahreszeiten ausgeführten Unter- 
suchungen beträgt für die Mergentheimer Karlsquelle 7,1 Macheein- 
heiten. Der Emanationsgehalt war im Dezember am höchsten, im April 
am geringsten, im Sommer und Herbst zeigte sich ein allmähliches stetiges 
Ansteigen. Die Ergebnisse einiger an anderen Quelen vorgenommenen 
Untersuchungen habe ich Ihnen zusammengestellt. Was württembergische 
Quellen betrifft, so zeigen beispielsweise die Wildbader Thermen 3,3 
und der Göppinger Sauerbrunnen 3,1 Macheeinheiten. Das zu Ver- 
sandzwecken abgefüllte \Vasser verliert seine Radioaktivität ziemlich 
rasch, schon nach 14 Tagen läßt sich mit den gebräuchlichen Appa- 
raten keine Emanation mehr nachweisen. Dieses allmähliche Ver- 
schwinden der Radioaktivität wurde bei allen Mineralwässern, welche 
nach dieser Richtung hin untersucht worden sind, festgestellt. Eine 
Zeitlang glaubte man sogar damit die Erklärung für die bekannte 
Tatsache gefunden zu haben, dab die an Ort und Stelle getrunkenen 
emanationshaltigen Mineralwässer von besserer Wirksamkeit sind. als 
die nach auswärts verschickten oder gar als die auf künstlichem Wege 


XLVII 


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— XLVII -- 


hergestellten Mineralwässer. Aber es liegt wohl auf der Hand, daß 
die besseren Erfolge, welche in den Kurorten selbst erzielt werden, 
nicht nur der besseren Qualität des an Ort und Stelle getrunkenen 
Mineralwassers, sondern auch den sonstigen Imponderabilien des einzelnen 
Badeortes zu verdanken sind. Die Frage, welche Rolle die Radium- 
emanation bei der therapeutischen Wirksamkeit der Mineralquellen spielt, 
ist bis heute noch keineswegs spruchreif. Man weiß, daß die Ferment- 
vorgänge im Organismus durch die Rediumemanation beeinflußt werden, 
auch hat man gefunden, daß die von den radioaktiven Substanzen aus- 
gehenden Strahlen hemmend auf das Wachstum der Bakterien einwirken. 
Ganz besonders wichtig ist die Tatsache, daß die Radiumemanation eine 
ionisierende Wirkung ausübt und dazu beiträgt, daß die Salze sich in 
ihre einzelnen Ionen spalten. Die Zahl und Art der dissoziierten Ionen 
ist von integrierender Wichtigkeit für die Wirksamkeit eines Mineral- 
wassers. 

Ich möchte nunmehr auf die medizinische Bedeutung der von Jahr 
zu Jahr einer größeren Würdigung sich erfreuenden Karlsquelle ein- 
gehen. Die Hauptkrankheitsformen, welche hier zur Behandlung kommen, 
sind die Erkrankungen des Magens und des Darmkanals, die Krank- 
heiten der Gallenblase und der Leber und ferner die sog. Stoffwechsel- 
krankheiten, worunter man besonders die Fettsucht, die Zuckerkrankheit 
und die Gicht versteht. Mit den ebengenannten Krankheitsgruppen sind 
allerdings die Indikationen unserer Quellen und unseres Kurortes nicht 
völlig erschöpft, jedoch möchte ich, um mich nicht zu sehr in Einzel- 
heiten zu verlieren, nur das Wichtigste in den Kreis unserer Erörterung 
ziehen. Ich habe, um im weiteren Verlaufe meines Vortrags einige 
Vergleiche mit andern Heilquellen ziehen zu können, die Hauptbestand- 
teile einiger muriatischen und alkalisch-sulfatischen Mineralwässer zu- 
sammengestellt. 

Die drei wichtigsten Eigenschaften, welche den Kochsalzquellen 
oder echten ınuriatischen Quellen, als deren vornehmste Repräsentanten 
Homburg und Kissingen betrachtet werden, eigen sind, besitzt auch die 
Mergentheimer Karlsquelle. Es sind dies: der hohe Kochsalzgehalt, 
die reichliche Kohlensäuremenge und die kalte Temperatur. Jedes 
Mineralwasser, welches diese drei Eigenschaften aufzuweisen hat, be- 
einflußt die Magentätigkeit in ganz bestimmter Weise. Es wird näm- 
lich durch die Chlor-Ionen eine Einwirkung auf die Bildung der für die 
Verdauung so notwendigen Salzsäure ausgeübt. Die Menge der aus den 
Magendrüsen ausgeschiedenen Salzsäure wird vermehrt und dadurch wird 
die verdauende Kraft des abgeschiedenen Magensaftes gesteigert. Dieser 
chemische Vorgang erhält durch das Vorhandensein der Kohlensäure 
und die Einwirkung der kalten Temperatur eine wirksame Unterstützung 
in dem Sinne, daß hierdurch ebenfalls ein erhöhter Sekretionsreiz aus- 
geübt wird und daß ferner auch die motorische Kraft der Magenwand 
eine Anregung und Kräftigung erfährt. Es ist auffallend, welch starke 
appetitanregende Wirkung aus diesen Gründen die Karlsquelle ausübt. 
Das Kochsalz wird im Körper resorbiert und geht in den Kreislauf 
und in die Gewebe über. Im Verein mit der Kohlensäure übt es eine 


— XLIX — 


deutlich harntreibende Wirkung aus. An dieser Erscheinung ist auch 
der kohlensaure Kalk beteiligt, welcher im übrigen die Eigenschaft 
besitzt, bei übermäßiger Säurebildung im Magen eine säuretilgende 
Wirkung auszuüben. An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen, daß 
durch die exakten Experimentaluntersuchungen von BERGELL und BICKEL 
nachgewiesen worden ist, daß durch die in den Mineralwässern ent- 
haltene Radiumemanation eine charakteristische steigernde Einwirkung 
auf die verdauende Kraft des Magensafts ausgeübt wird und dab auch 
die Fermente der Bauchspeicheldrüse in demselben Sinne nachweisbar 
beeinflußt werden. Diese an Tierexperimenten gewonnene Erfahrung 
bringt uns eine gewisse Erklärung dafür, weshalb an manchen Kur- 
orten Mineralbrunnen, welche fast völlig den gleichen Gehalt an festen 
Bestandteilen haben, von den Kurgebrauchenden seit langer Zeit als 
verschieden in ihrer Wirkungsweise betrachtet wurden. Ich erinnere 
nur au den Elisabethenrrunnen und Landgrafenbrunnen in Homburg. 
Beide haben fast vollkommen den gleichen Kochsalz- und Kohlensäure- 
gehalt, dabei hat aber der Landgrafenbrunnen nach Macur nur 1,0, der 
Elisabethenbrunnen dagegen 8,0 Einheiten. Der letztere hat sich rein 
empirisch, bevor man von Radium etwas wußte, als der heilkräftigere 
erwiesen und wird daher fast ausschließlich benützt. 

Über die verschiedenen Formen von Magenerkrankungen, welche 
hier behandelt werden, möchte ich nun nicht im einzelnen sprechen. Ich 
wende mich gleich den Darmstörungen zu und erwähne als ganz besonders 
wichtige Indikation der Karlsquelle die habituelle Obstipation 
oder gewohnheitsmäßige Darmträgheit. Die Wirksamkeit der Quelle 
bei dieser Anomalie ist insbesondere ihrem beträchtlichen Gehalt an 
Glauber- und Bittersalz zuzuschreiben. Ein Blick auf die Tabelle zeigt 
Ihnen die Verwandtschaft der Mergentheimer Karlsquelle mit den glauber- 
salzhaltigen böhmischen Quellen, besonders mit dem Marienbader Kreuz- 
brunnen und mit der Tarasper Luciusquelle. Zwar übertrifft der Marien- 
bader Kreuzbrunnen die hiesige Quelle an Glaubersalzgehalt, es fehlt 
ihm jedoch ebenso wie den Karlsbader und Tarasper Quellen das dem 
Glaubersalz in der Wirkung fast identische Bittersalz. Wenn wir 
diese beiden Salze auf ihrem Wege durch den menschlichen Körper 
verfolgen, so ist zu konstatieren, daß ihre Hauptwirkung sich im Darm 
abspielt. Aus physiologischen Gründen wird bei Anwesenheit dieser 
Salze die Darmwand veranlaßt, Gewebsflüssigkeit in den Darm hinein 
abzuscheiden. Der Darminhalt erhält hierdurch eine weichere Konsistenz 
und infolge der Vermehrung des Volumens wird der ganze Darmkanal 
zu lebhafteren peristaltischen Bewegungen angeregt. Bei diesen Vor- 
gängen spielen auch die Kohlensäure und der kalte Temperaturgrad der 
Quelle eine unterstützende Rolle. Man kann ohne Übertreibung sagen, 
daß die Mergentheimer Karlsquelle ein sicher und milde wirkendes 
Laxativum, ein Purgiermittel ersten Ranges ist. Außer der gewühn- 
lichen chronischen Obstipation werden durch die hiesige Kur auch die 
nach Blinddarmentzündung zurückbleibenden Darmstörungen sehr günstig 
beeinflußt, ferner die Hämorrhoidalbeschwerden usw. Aber nicht nur 
auf die Funktion des ganzen Magendarmkanals erstreckt sich die Wirkung 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. d 


s h a 


dieses Mineralwassers. Es ist vielmehr durch tausendfache Erfahrung 
nachgewiesen, daß auch die übrigen innerhalb der Bauchhöhle gelegenen 
Organe in entsprechender Weise mitbeeinflußt werden. Insbesondere 
gilt diese Behauptung für das große Organ, welchem u. a. die Aufgabe 
der Gallenproduktion zufällt, nämlich für die Leber, sowie für das ihr 
angegliederte Reservoir: die Gallenblase. In ganz exquisiter Weise 
bildet die Gallensteinkrankheit eine Indikation für den hiesigen Kurort 
und es sind bei der Behandlung dieses Leidens in der Tat hier höchst 
erfreuliche Resultate aufzuweisen. Die statistischen Arbeiten von Herrn 
Dr. BorinGer und mir, welche sich über mehrere hundert Fälle er- 
strecken, geben hierüber genauere Auskunft. Mehr als der dritte Teil 
der hiesigen Kurgebrauchenden leidet an dieser schmerzhaften und höchst 
unberechenbaren Krankheit und es ist charakteristisch, daß gerade die 
Gallensteinkranken die treuesten Stammgäste des Kurorts sind. Der 
oft gehörte Vergleich, welcher zwischen der Mergentheimer Karlsquelle 
und den Karlsbader Quellen gezogen wird, verdankt seine Berechtigung 
der Erfahrungstatsache, daß hier wie dort bei der Behandlung der 
Gallensteinkrankheit gute Erfolge zu verzeichnen sind. Die Vor- 
bedingung für die Entstehung dieser Krankheit — wenn ich darauf mit 
ein paar Worten eingehen darf — sind teils Entzündungs- teils 
Stauungsvorgänge innerhalb der Gallenblase. Von der Innenfläche der 
infolge von Bakterieneinwanderung entzündeten Gallenblase stoßen sich 
kleine Gewebspartikelchen ab und bilden die sogenannten Kristallisations- 
kerne, um welche sich sodann die aus der gestauten und entzündeten 
Galle ausfallenden festen Bestandteile, insbesondere das Cholestearin 
und der Kalk sowie die Farbstoffe der Galle anlagern. Auf diese 
Weise werden die sog. Gallensteine gebildet, welche ihren Namen jedoch 
weniger ihrer meist ziemlich weichen Konsistenz, als vielmehr ihrer 
Form verdanken. 

Die Wirkungsweise der in so hohem Ansehen stehenden Mineral- 
wasserkuren bei Gallensteinleiden ist im einzelnen noch keineswegs ge- 
klärt. Die Karlsquelle wirkt insbesondere auf ein bei dieser Krank- 
heit ungemein häufig vorkommendes Symptom, nämlich auf die chronische 
Stuhlverstopfung, ein. Infolge der lebhafteren Darmtätigkeit werden 
auch die Blutzirkulationsverhältnisse innerhalb der Bauclhhöhle wesent- 
lich bessere. Die aus der Leber und aus der Gallenblase in den Darm 
führenden Abflußwege, welche sich in einem entzündeten und aufge- 
schwollenen Zustand befinden, werden wieder durchgängiger und geben 
der von der Leber reichlicher als zuvor gebildeten Galle, sowie auch 
kleineren in der Gallenblase vorhandenen Konkrementen die Passage 
frei. Die Entzündungserscheinungen an der Gallenblase und an den 
(rallenwegen werden im Verlauf der hiesigen Kur in einer sehr be- 
trächtlichen Zahl von Fällen zur Ausheilung gebracht und es scheint 
auch der übermäßigen Vermehrung von Bakterien namentlich in den 
oberen Darmabschnitten durch den Mineralwassergebrauch entgegen- 
gewirkt zu werden. Diese Erklärungen sind freilich keineswegs er- 
schöpfend, aber sie geben wenigstens die Grundlagen der heutigen An- 
schauungen wieder. Die frühere Ansicht, als ob das genossene Mineral- 


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wasser vom Darm aus den Weg in die Gallenblase finde und dort die 
Steine auflöse, ist vollkommen verlassen, diese Möglichkeit muß schon 
aus anatomischen Gründen verneint werden. 

Ich zeige Ihnen hier eine Anzahl Gallensteine von verschiedenen 
Patienten; diese Konkremente sind sämtlich während des hiesigen Kur- 
gebrauchs abgegangen. Die gelblichen Steine bestehen vorwiegend aus 
Cholestearin, die braunen und grünlichen aus Gallenfarbstoff und Kalk. 
An einigen zerfallenen oder mit dem Messer zerschnittenen Gallensteinen 
sieht man deutlich die kristallinische oder konzentrische Struktur. Der 
Liebenswürdigkeit des Herrn Professor Hormekiıster in Stuttgart ver- 
danke ich zwei steinehaltigen Gallenblasen, welche ich demonstrieren 
möchte. Beide Patienten verdanken dem Messer des Operateurs ihre 
Gesundheit und ihr Leben. Beim Anblick dieser Präparate werden Sie 
die Frage an mich richten, wie weit Mineralwasserkuren imstande sind, 
eine Besserung oder eine Heilung des Gallensteinleidens herbeizuführen 
und bei welchen Fällen wir chirurgische Hilfe in Anspruch nehmen 
müssen. Darüber ist zu sagen, daß zwar der größere Prozentsatz der 
Gallensteinkranken durcb Mineralwasserkuren Besserung und Heilung 
tindet, daß es aber Fälle gibt, bei welchen wegen der Heftigkeit der 
Entzündangserscheinungen und wegen des gehäuften Auftretens von 
Gallensteinkolikanfällen oder wegen der Menge und Größe der Steine 
oder wegen des gefährlichen Sitzes der Steine sowie aus noch manchen 
andern Gründen die Mineralwasserkuren sowie sonstige Heilprozeduren 
versagen. Die immer wiederkehrenden Schmerzen und die zunehmende 
Störung des Allgemeinbefindens treiben schließlich den Kranken zum 
Chirurgen und es ist eine hocherfreuliche Tatsache, daß die Operations- 
behandlung der gewöhnlichen nicht komplizierten Gallensteinkrankheit 
nur 2— 30/0 Todesfälle aufweist, wie aus großen chirurgischen Sta- 
tistiken hervorgeht. 

Ich möchte nun noch kurz auf die Stoffwechselkrankheiten ein- 
gehen. Die Zahl der Zuckerkranken und der Fettleibigen ist hier in 
stindigem Wachsen begriffen. Bei der Zuckerkrankheit handelt es sich 
bekanntlich darum, daß der menschliche Organismus aus Gründen, die 
ich hier nicht erörtern kann, nicht mehr befähigt ist, die eingeführten 
Kohlehydrate vollkommen zu verbrennen und auszunützen. Es werden 
vielmehr die im Körper in Zucker umgesetzten Kohlehydrate als Zucker 
mit dem Urin ausgeschieden und dem Körper wird auf diese Weise 
beständig wertvolles Nährmaterial entzogen. Die Folge dieses krank- 
haften Vorganges ist zunehmende Abmagerung und Entkräftung. Auber- 
dem führt die Zuckerkrankheit in ihrem weiteren Verlaufe zu gefürchteten 
Komplikationen besonders von seiten der Blutgefäße und des Nerven- 
systems. 

Die gute Wirkung der Mineralwasserkuren bei Diabetes beruht 
zu einem groben Teil auf der unverkennbar günstigen Einwirkung auf 
die Verdauungsorgane. Diese Behauptung gilt sowohl für die alkalische 
Therme von Neuenahr, als auch für die Kochsalzquellen von Kissingen 
und für die kochsalzhaltige Bitterquelle von Mergentheim. Durch die 
lebhafte Anregung, welche das hiesige Mineralwasser auf die Drüsen 

d * 


— LI — 


des Magendarmkanals ausübt, werden die eingeführten Nahrungsmittel 
besser verdaut und ausgenützt als zuvor. Aber außerdem ist zu be- 
rücksichtigen, daß der Zuckerkranke sich im Kurort strenger an die 
vorgeschriebene Diät hält, als zu Hause und daß er ein ruhigeres und 
beschaulicheres Leben führt, als er es sonst bei den Mühen seines Be- 
rufes gewohnt ist. In keinem einzigen Diabetikerkurort — das darf 
man ruhig aussprechen — ist die Quelle allein das heilsame Agens. 
Überall müssen die sonstigen Hilfsmittel der Diabetesbehandlung in 
mehr oder weniger energischer Weise mitherangezogen werden, aber es 
gelingt dann in der Tat, Zuckerkranke, welche den Kurort in schlechtem 
Allgemeinzustand und mit hoher Zuckerausscheidung aufgesucht haben, 
ganz oder beinahe zuckerfrei bei wesentlich gebessertem Befinden nach 
Hause zu entlassen. 

Wie alle kalten Glaubersalz- und Kochsalzquellen, um nur Marien- 
bad und Kissingen zu nennen, wird auch die Mergentheimer Karlsquelle 
zu Entfettungskuren benutzt. Natürlich ist der erwünschte Erfolg nicht 
allein der fetteinschmelzenden Eigenschaft des Mineralwassers und der 
drastischen Wirkung auf den Darm zu verdanken. Der Fettleibige 
muß vielmehr die Energie besitzen, strenge Vorschriften betreffs der 
Ernährung und der Körperbewegung einzuhalten. Ohne bestimmte Aus- 
wahl der Nahrungsmittel, sowie ohne Einschränkung der meist zu reich- 
lichen Nahrungs- und Getränkezufuhr ist eine erfolgreiche Entfettungs- 
kur schlechterdings nicht durchführbar und zwar auch in den renom- 
miertesten Badeorten nicht. Bei richtig durchgeführten Kuren gehören 
Gewichtsabnahmen von 20 und mehr Pfund binnen 4 Wochen hier nicht 
zu den Seltenheiten. 

Nachdem ich nun die Indikationen der Karlsquelle Ihnen zu 
schildern versucht habe, möchte ich noch wenige Worte über die 
König-Wilhelm-Quelle anfügen. Die König \Wilhelm-Quelle ist die 
erste schon im Jahre 1826 am Tauberufer entdeckte kleine Salzquelle, 
welche jedoch nach der im Jahre 1829 erfolgten Erbohrung der Karls- 
quelle völlig unbeachtet gelassen wurde. Auf Grund der im Jahr 1906 
von dem Laboratorium HuxpssHuagen und Pie vorgenommenen 
Analyse erschien es doch erwünscht, auch dieses Mineralwasser der 
regelmäßigen Benützung zugänglich zu machen und so wurde diese 
Quelle, nachdem sie in zweckmäßiger Weise gegen die Tauber abge- 
dichtet worden war, in Anwesenheit unseres Königspaars vor 2 Jahren 
feierlich eingeweiht. Der Gehalt dieser Quelle an Kochsalz, Glauber- 
und Bittersalz beträgt nur etwa den dritten Teil des Salzgehalts der 
Karlsquelle. Sie übt eine anregende Wirkung auf den Magen und keine 
so drastische Wirkung auf den Darm aus. Einen ausgesprochenen Ein- 
flu hat dieses Mineralwasser auf die Harnausscheidung. Die Harn- 
menge wird deutlich vermehrt und wir verordnen dieses Wasser, welches 
auch in größeren Quantitäten gut ertragen wird, bei Katarrhen des 
Nierenbeckens und der Blase, bei Steinbildungen in der Blase, kurzum 
bei allen Erkrankungen des Harnapparats, bei welchen eine reichliche 
Durchspülung der Harnwege angezeigt erscheint. 

Abgesehen von der Mineralwassertrinkkur spielt hier auch die 


— LU — 


Balekur eine gewisse Rolle. Aus dem neben der Karlsquelle befind- 
lichen Sammelreservoir wird das Mineralwasser in das Badehaus hinüber- 
gepumpt und in kaltem Zustand in die Wanne geleitet. Es wird dann 
erst in den Wannen selbst durch Zuleitung von heißem Dampf auf die 
gewünschte Temperatur gebracht. Es geht auf diese Weise verhältnis- 
mäßig wenig Kohlensäure verloren. Die Wirkungsweise der hiesigen 
Mineralbäder ist schwachen Solbädern vergleichbar entsprechend dem 
etwa 2°/ igen Salzgehalt des Mineralwassers. Sowohl die Kohlensäure 
als die Mineralsalze üben im Bade einen kräftigen Hautreiz aus und 
es wird die Blutzirkulation in der Körperperipherie wesentlich ge- 
steigert. Auch kann man charakteristische Einwirkungen auf die Herz- 
tätigkeit konstatieren. Die Arbeitsgröße des einzelnen Herzschlags 
wird gesteigert und die Pulsfrequenz ist nach einem Mineralbad lang- 
samer, als nach einem gleichtemperierten Süßwasserbade. Im übrigen 
stimmen jedoch die Forschungsresultate über die physiologische Wirkung 
der verschiedenen Mineralbäder noch nicht so vollständig überein, daß 
man hieraus endgültige Schlußfolgerungen ziehen könnte. Die Zahl, 
die Dauer, die Temperatur der Bäder etc. darf sich nicht nach einem 
Schema richten, sondern es muß bei allen hydrotherapeutischen Pro- 
zeduren stets individualisiert werden. Leider wird von dem kur- 
gebrauchenden Publikum in diesen und andern Dingen oft viel gesündigt 
und mancher, der die Kur nach seinem eigenen Gutdünken gebraucht, 
klagt nachträglich über einen ungenügenden Erfolg. 

Mit wenigen Worten möchte ich zum Schluß auch noch die Diät- 
frage berühren. Man war früher der Meinung, daß bei Gebrauch einer 
bestimmten Trinkquelle auch eine ganz bestimmte Diät eingehalten 
werden müßte. Besonders in Karlsbad und in Kissingen herrschte in 
dieser Beziehung ein oft ganz gedankenloser Schematismus. Der jetzt 
in Wien tätige Professor von NOORDEN ist seit vielen Jahren in Wort 
und Schrift gegen diesen Diätschematismus aufgetreten und hat die 
Forderung aufgestellt, daß nicht mehr die Trinkquelle, sondern die zu 
bellandelnde Krankheit das leitende Motiv für die Gestaltung der Diät 
sein müsse. Eine spezielle balneologische Diätetik gibt es bei wissen- 
schaftlich denkenden Badeärzten nicht mehr. Auch in Mergentheim 
wird mit ganz besonderer Berücksichtigung des Krankheitszustandes 
eine individuelle Ernährung verordnet. Es wird in einem Fall viel, im 
andern wenig Fleisch, es wird fettreiche oder fettarme Kost empfohlen. 
Ebenso verhält es sich mit den Mehlspeisen, mit den Gemüsen, mit dem 
Obst und mit allen andern Nahrungs- und Genußmitteln. Ausschließlich 
die Krankheit und der Gesamtzustand des Patienten und nicht etwa die 
Mineralquelle darf eine maßgebende Rolle dabei spielen, wenn wir einem 
kurgebrauchenden dieses erlauben und jenes verbieten. Ich wollte es 
nicht versäumen, in diesem Kreise wenigstens unsere grundlegenden An- 
schauungen über diese Fragen festzulegen. 

Ich bin nun am Ende meiner Ausführungen angelangt und be- 
daure lebhaft, daß ich viele wichtige und interessante Fragen nur so 
kursorisch behandeln konnte. Ich würde mich freuen, wenn es mir 
trotzdem gelungen wäre, Ihnen ein ungefähres Bild von den Eigen- 


-— LIV — 


schaften und Indikationen der AMergentheimer Heilquellen gegeben 
zu haben. 

Prof. Dr. E. Fraas: Die geologischen Verhältnisse vom 
Taubertale und Bad Mergentheim. 

Die Einförmigkeit des geologischen Aufbaues in der weit aus- 
gedehnten fränkischen Hochebene zwischen Spessart und Odenwald einer- 
seits und dem Steigerwald und der Frankenhöhe anderseits spiegelt sich 
natürlich ‚auch in dem Bilde der Umgegend von Mergentheim wieder. 
Wir haben diese weite Hochfläche als Denudationsrest aufzufassen, d. h. 
als ein Gebiet, in welchem alle jüngeren Formationsglieder bis auf den 
Muschelkalk abgewaschen sind, während die zahlreichen Talfurchen be- 
reits tief in die Muschelkalkformation bis hinunter zum Buntsandstein 
einschneiden. Die Schichten selbst sind annähernd horizontal gelagert 
bis auf eine kleine sattelförmige Aufwölbung, welche sich von Nord nach 
Süden zieht und auf der Sohle der Talfurchen inmitten des Muschel- 
kalkgebietes kleine Stellen von Buntsandstein erscheinen läßt, welche 
gewissermaßen aus der Tiefe auftauchen. Derartigen Buntsandstein 
tinden wir im Umpfertale bei Schweigern in einer Höhenlage von 245 m, 
im Jagsttale bei Krautheim (229,3 m) und schlieblich im Taubertale bei 
Ingelfingen bei 215,8 m. Wir sehen daraus, daß diese Aufwölbung 
zugleich auch eine Neigung von Nord nach Süden hat und sich allmäh- 
lich in der Tiefe verliert. 

Wenn wir den Schichtenaufbau selbst betrachten, so gehen wir 
am besten von den Verhältnissen aus, welche bei der Tiefbohrung von 
Ingeltingen! im Jahre 1857—1864 gefunden wurden, denn es läßt sich 
das dortige Schichtenprofil wohl mit annähernd gleichen Verhältnissen 
auch auf die Mergentlieimer Gegend übertragen. Dem dortigen Profile 
entsprechend hätten wir das Grundgebirge in einer Tiefe von 750 m zu 
erwarten. Dieses selbst bestand bei Ingeltingen aus rötlichen Tonschiefern 
und dunklem Kalkstein, leider ohne bezeichnende Versteinerungen; die 
Schichten gleichen am meisten denjenigen der Culm- oder Devon- 
formation und waren unter 45° geneigt. Leider fehlte über dem Grund- 
sebirge die daselbst zu erwartende Steinkolhlenformation, und es folgen 
sofort die Schichten des Rotliegenden mit einer Mächtigkeit von 291,85 m. 
Diese wurden nach oben abgeschlossen durch eine 28,3 m mächtige 
Schichtenserie von grauschwarzen Tonschiefern, grauen und weien 
Kalken und Dolomiten mit Gips, welche entweder als oberstes Rot- 
liegendes oder aber auch als Vertreter derZechsteinformation aufgefabßt 
werden können. Bekanntlich finden sich in dieser Formation in Nord- 
deutschland neben Steinsalz auch die für unsere Industrie und Land- 
wirtschaft so wichtigen Kali- und sonstigen Edelsalze, und man könnte 
wohl daran denken, daß derartige Salze in geringer Ausdehnung, auch 
in dieser Formationsschichte enthalten waren und hier nur dem Auf- 
lösungsprozeß anheimgefallen wären. Über diesen Schichten folgt nun 
der bBuntsandstein mit einer Miächtigkeit von 412,2 m und mit 
seiner oberen Grenze haben wir uns der Talsohle beim Karlsbad Mergent- 


1 Vergl. diese Jahreshefte, Bi. 15. 1859. S, 320. 


=, IV es 


heim bis auf 13 m genähert und bei Königshofen sehen wir auch schon 
die obersten Schichten des Buntsandsteines zutage treten. Bei der 
Bohrung gelegentlich der Fassung der Quelle wurde die oberste Grenze 
dieser Formation in 18 m Tiefe erreicht. 

An den Gehängen des Taubertales anstehend haben wir sodann die 
Schichten der Muschelkalkformation und zwar zunächst das Wellen- 
gebirge mit 81,29 m Mächtigkeit. In diesem unterscheiden wir eine 
dolomitische Unterregion und eine kalkige Oberregion, in welcher die 
für die Formation bezeichnenden gewellten Kalkschichten, sowie ein 
typischer Schaumkalk auftreten. Der mittlere Muschelkalk oder das 
Anhydritgebirge zeigt eine Mächtigkeit von 54,14 m und weist neben 
den üblichen dolomitischen Bänken und Zellendolomiten auch Gipse und 
Salztone auf. Wir können den am Kötterberg bei Mergentheim auf- 
tretenden Gipsstock als letzten Überrest eines ausgelaugten Salzgebirges 
auffassen, das aber im Inneren der Berge noch einen Bestand an lös- 
lichen Salzen haben mag. Den Abschluß nach oben bildet sodann der 
Hauptmuschelkalk, der in dieser Gegend ungefähr bis zu 75 m Mächtig- 
keit erreicht, aber meistens nicht mehr voll entwickelt ist. 

Wollen wir uns ein Bild über die Herkunft des Mineralwassers 
von Mergentheim machen, so haben wir als Anhaltspunkt zunächt die 
chemische Beschaffenheit und sodann die Temperatur ins Auge zu fassen. 
Die relativ große Menge von Chlorkalinm, Glaubersalz und Bittersalz 
ist für unser Salzgebirge, in dem wir für gewöhnlich nur Chlornatrium 
vorfinden, etwas Eigenartiges, und wir können uns nur denken, daß die 
Anreicherung des Wassers mit diesen Salzen aus einer Formation stammt, 
in welcher auber dem Chlornatium auch noch Kali- und Magnesium- 
salze enthalten sind. Dabei wird man unwillkürlich an die Edelsalze 
der Zechsteinformation denken, und wir haben ja auch gesehen, daß in 
der Tat eine Andeutung dieser Art in dem Schichtenprofil von Ingel- 
fingen zu finden ist. Man könnte sich also wohl vorstellen, daß unter 
Mergentheim noch ein Teil der Edelsalze der Zechsteinformation erhalten 
ist und daB von dort die Wasser ihren Salzgehalt beziehen. Dem wider- 
spricht aber die Temperatur der Quelle, denn wenn dieselbe aus einer 
so großen Tiefe, die wir ja mit etwa 450 m zu berechnen haben, 
herauskommen würde, so müßte auch die Temperatur eine entsprechende 
Erhöhung um ungefähr 10—1+4° C aufweisen. Dies ist aber nicht der 
Fall, denn die Temperatur von 9,8°, welche die Quelle aufweist, ent- 
spricht ungefähr genau der mittleren Jahrestemperatur dieser Gegend | 
und den an der Oberfläche herrschenden Temperaturen des Gesteins. Aus 
diesem Grunde können wir die Mineralquelle nur als eine sog. Berg- 
quelle im Gegensatz zu Tiefenwasser auffassen und müssen annehmen, 
dab im mittleren Muschelkalk im Inneren des Gebirges außer Chlor- 
natrinm auch noch andere Salze sich befinden, welche durch das durch- 
sickernde Wasser aufgelöst werden und diesem den Gehalt an K und Mg 
geben. Wir müssen weiterhin annelımen, daß die durch den Muschel- 
kalk durchsickernden Wasser bis auf den llauptquellhorizont an der 
Grenze zwischen Muschelkalk und Buntsandstein hindurchsickern und 
dementsprechend erst dort gefabt werden können. In dem Taubertale 


— IV — 


selbst als dem tiefsten Punkt ist das Wasser in früherer Zeit zum 
Ausfluß gekommen, hat sich aber natürlich dabei auch mit dem Grund- 
wasserstrome der Tauber vermengt. Dies ist auch der Grund, warum 
die König-Wilhelms-Quelle einen so viel geringeren Gehalt an Salzen hat 
als die Karlsquelle, denn hier ist bereits die Verdünnung durch Tauber- 
grundwasser erfolgt. E. Fraas. 

. Pfarrer K. Schlenker (Leonbronn, früher in Waldmannshofen): 
Über die Flora des Oberamts Mergentheim. (Gekürzter 
Wortlaut.) 

Frühere Beschreibungen. In der Oberamtsbeschreibung von 
1880 findet sich eine sehr interessante, nur die Standortsangaben ver- 
missen lassende Aufzählung der charakteristischen Pflanzen des Oberamts 
von Präzeptor Dürr in Mergentheim. Aber schon viel früher war das 
Interesse für botanische Durchforschung des betreffenden Gebiets rege. 
Denn im Monat April d. J. 1816 erließen Oberamtsarzt D. Baver, Ober- 
amtsaktuar Fuchs, Ökonom HörrsEr, Oberforstmeister v. ÖTINGER, jur. 
pract. Evsracu RHonıts, Stadtapotheker Franz Ruopıvs und JOSEFSCHRODT, 
Obereinnehmer zu Balbach, einen „patriotischen Aufruf an alle diejenigen, 
welche sich mit Beiträgen an einer vaterländischen Flora befassen wollen“, 
in dem nun leider vergriffenen Buch: „Etwas über Standorte und Blüte- 
zeit der in den Fürstentümern Hohenlohe und Mergentheim bis jetzt 
entdeckten wildwachsenden Pflanzen“, gedruckt Mergentheim bei 
J. G. Thomm 1816. Diesen „Aufruf“ zu fleißiger Durchforschung des 
botanisch interessanten Gebiets möchten wieder neu ergehen lassen nach- 
folgende Zeilen eines 11 Jahre im Bezirk wohnhaft gewesenen Pflanzen- 
freundes. 

Geognostischer Untergrund des Gebiets. Das Mergent- 
heimer Oberamt ist eine ausgesprochene Muschelkalklandschaft. 
Denn der im Westen anstehende Buntsandstein erreicht noch im 
Badischen bei der Station Unterbalbach sein Ende und die fränkischen 
Keupergebiete im Osten grüßen bloß von ferne als die sogen. „blauen 
Berge“ herüber. — Von West nach Ost finden wir in schöner, regel- 
rechter Aufeinanderlageruıng Wellendolomit und Wellenkalk, 
Anhydritgruppe, Hauptmuschelkalk und endlich Letten- 
kohle. Das größte Gebiet nimmt der Hauptmuschelkalk ein, ihm 
liest im Norden, Osten und Süden die z. T. äuberst mächtige Letten- 
kohle auf, welcher besonders im Nordosten, im sogen. „Gäu“, tiefe 
Lehmschichten (Diluvium) aufgelagert sind, welche die Fruchtbarkeit 
dieser Landschaft verursachen. 

Von dem benachbarten Maingebiet unterscheidet sich unser 
Gebiet dadurch, daß der dem Mainland charakteristische \Wellenkalk ver- 
hältnismäßig nur sehr schwach vertreten ist. \Vo im folgenden das 
Nachbar-Maingebiet zum Vergleich herangezogen wird, ist nur an die 
den Main umgebenden Muschelkalklandschaften gedacht, die Keuper- und 
Buntsandsteingebiete längs des Mains sind nach dem Vorgang von PRANTL 
(Flora von Bayern) nicht mit einbegriffen. 

Umgrenzung des Gebiets. Zwischen Weikersheim und Creg- 
lingen treibt Bayern einen tiefen, noch über die Tauber herüber- 


— LYH — 


greifenden Keil in das Oberamt. Dieser bayrische Keil samt dem zum 
gröten Teil bayrischen Gollachgebiet ist dem zu besprechenden Ge- 
biete miteinverleibt, weil die Kinder der Flora keinerlei Grenzpfähle 
respektieren !, 
I. Tei. Wildwachsende Pflanzen. 
A. Wasserpflanzen (Hygrophyten). 


In der von Ost nach West das Gebiet durchziehenden Tauber 
wächst von Röttingen* an bis Edelfingen die gelbe Nixenblume 
(Nuphar luteum Smıtu, nordische Gruppe)”, die von Mergentheim’? an- 
gegebene weiße Seerose (Aymphaca alba L., nordisch) wäre wieder 
aufzusuchen (ob noch da?). Bei Mergentheim und Creglingen findet 
sich in der Tauber das spiegelnde Laichkraut (Potamogeton lucens 
L., mitteleuropäische Gruppe). In Altwassern blüht der doldige Wasser- 
liesch (Butomus umbellatus L., mitteleuropäisch : Mergentheim, Weikers- 
heim, Creglingen; Waldmannshofen in der Gollach). 

In stehenden Gewässern finden sıch: Der schmalblättrige 
Rohrkolben (Typha angustifolia L.. nordisch: Weikersheim, Auern- 
hofen*), die vielwurzelige Wasserlinse (Lemna polyrrhiza L.: 
Mergentheim, Weikersheim, Auernhofen*). 

Von selteneren Uferpflanzen seien erwähnt: Der straffe Rauken- 
senf (Sysimbrium strictissimum L., südeuropäisch: von Biberehren* bis 
Edelfingen am Tauberufer), der knolligeKälberkropf (Chaerophyllum 
bulbosum L., kontinentale Gruppe: an der Tauber bei Mergentheim, 
Weikersheim, Creglingen; am Hergottsbach bei Lichtel; an der Steinach 
bei Niedersteinach und wohl auch sonst), das gemeine Flohkraut 
(Pulicaria vulgaris GÄRTN., mitteleuropiisch: an der Tauber bei Mergent- 
heim und Röttingen*). Die pontische Uferpflanze: Die feinblättrige 
Wicke (Vicia tenuifolia L.) findet sich da und dort, z. B. Creglingen, 
Reinsbronn, Waldmannshofen, aber nicht als Uferpflanze, sondern mit 
Samen eingeschleppt. 

Von sonstigen Hygrophyten seien erwälnt: Der giftige Hahnen- 
fu B (Ranunculus sceleratus L., nordisch: Mergentheim, Waldmannshofen, 
Frdbach), der Sumpfstorchenschnabel (Geranium palustre L., 
pontisch: Waldmannshofen, Sechselbach, Auernhofen *, Bürgerroth *) und 
die niedrige Schwarzwurzel (Scorzonera humilis L., pontisch). Die- 
selbe findet sich bei Mergentheim, Elpersheim und Münster, in geradezu 
üppiger Fülle wächst sie auf den Waldwiesen beim „Landturm“ in der 
Nähe von Lichtel. Nicht weit davon, aber schon über der Oberamts- 
grenze hat sie mit ihren kräftigen, holzigen Rhizomen sogar den Graben 
und den Bürgersteig der von Schrozberg nach Spielbach führenden 


! Die bayrischen Fundorte sind durch ein * bezeichnet. 

? Die Gruppeneinteilung nach ‚Dr. Robert Gradmann. Das Pflanzen- 
leben der schwäbischen Alb“ und gefälligen brieflichen Mitteilungen dieses 
Botanikers. 

* Fundorte nach Kirchner und Eichler, Exkursionsflora für Württem- 
n Prantl, Flora von Bayern. zum größten Teil jedoch nach eigener Beub- 
achtung, 


— LVH — 


Straße (bei Kreuzfeld, Gemeinde Schrozberg) durchbohrt, so dab dort 
Mitte Juni der Wandersmann eine schöne Strecke lang zwischen blühenden 
Schwarzwurzeln dahinschreiten kann, gewiß eine Seltenheit auf einem 
württembergischen Trottoir! Endlich sei auf die Gefahr hin, einem mit- 
leidigen Lächeln zu begegnen, aus der Reihe der mitteleuropäischen 
Wiesenpflanzen genannt der Wiesenbocksbart. Wer die Bocks- 
bärte oder Habermarken auf den Wiesen bei Waldmannshofen und Sechsel- 
bach oder bei Oberrimbach und Lichtel mit den auf den Wiesen am 
Fuß der Alb wachsenden vergleicht, findet, daß die erstgenannten nicht 
so saftstrotzend, wohlschmeckend und dunkelgelbblühend sind, wie die 
zuletzt genannten. Bei genauerer Untersuchung wird er finden, dab 
es sich hier um zweierlei Arten handelt, daß auf den Wiesen am Alb- 
fuh der gemeine Bocksbart (Tragopogon orientalis L.) wachse, auf den 
genannten fränkischen Wiesen aber der in Württemberg seltenere eigent- 
liche Wiesenbocksbart (Tr. pratensis L.). Möchten die Pflanzen- 
freunde des Bezirks dies für keinen wertlosen Streit um den Bart des 
Bocks ansehen, sondern auch ihrerseits ein scharfes Augenmerk auf die 
Bezirksbocksbärte richten! Doch nun von Fluß, Bach und Wiese in den 


B. Wald. 


Die Wälder des Bezirks sind meist Laubwälder und dem Unter- 
grund entsprechend zu einem groben Teil lichte Heidewälder. Was 


1. die eigentlichen Waldpflanzen 


betrifft, so finden sich von den zur nordischen Waldgenossen- 
schaft zählenden Arten wohl alle vor bis vielleicht auf eine, den Farn 
Engelsüb (Polypodium vulgare L.), dessen Vorkommen im Bezirk erst 
nachzuweisen wäre. — Von den zur mitteleuropäischen Laub- 
waldgenossenschaft gehörigen Arten wurden bis jetzt im Bezirk 
noch nicht gefunden: Der blattlose Widerbart (Lpipogon aphyllus 
Sw.), der Waldschwingel (Festuca silvatica Vıuı.). Vorkommen soll 
die zwiebeltragende Zahnwurz (Dentaria bulbifera L.), aber wo? Sehr 
selten ist die sonst so häufige ährige Rapunzel (Phyteuma spicatum 
L., Mergentheim, Edelfingen, Lichtel). An ihre Stelle tritt in fast allen 
Wäldern die zu den pontischen Wealdptlanzen gehörige schwarze 


Rapunzel (Ph. nigrum Scuuwr). — Von den südeuropäischen 
Waldpflanzen ist sehr selten im Bezirk die süße Wolfsmileh 
(Euphorbia dulcis Jaco.). — Von den pontischen Waldpflanzen 


sind überall vertreten der Türkenbund (Lilium Martagon L.) und das 
Waldlabkraut (Galium silvaticum L.), da und dort der wollige 
Hahnenfuß (Ranunculus lanuginosus L., Mergentheim, \Valdmanns- 
hofen, Aub*) und der deutsche Ginster (Genista germanica L., z. B. 
Reinsbronn). — Von den kontinentalen Waldpflanzen ist ziem- 
lich verbreitet das Wunderveilchen (Viola mirabilis L., Mergentheim, 
Igersheim, Creglingen, Münster, Seldeneck, Reinsbronn, Niedersteinach, 
Waldmannshofen, Baldersheim*, Aub*). Dieses vanillartig duftende 
Veilchen ist im hintern Bezirk vielfach das eigentliche Veilchen des 
Waldes und drängt das gewöhnliche Waldveilchen (V. silvestris FRIES) 


= DIR = 


wie Rivins Veilchen (V. Ririniana RrıcH.) sehr zurück. Da und dort 
(Laudenbach, Weikersheim, Nassau, Reinsbronn |[Klosterwald], Auern- 
hofen*) findet sich die stattliche Waldflockenblume (Cextaurea 
psendophrygia C. A. MEYER). 


2. Sogen. Schluchtwaldungen 


tinden sich im Bezirk wenig. Daher kommt’s, daß manche Arten der 
Schluchtwaldgenossenschaften nur spärlich vertreten sind. Der zu der 
nordischen Schluchtwaldgenossenschaft gehörige zerbrech- 
liche Blasenfarn (Cystopteris fragilis BERNH.) z. B. ist mir nur von 
einer Stelle bekannt und zwar im Weikersheimer Schloßgraben. -— Von 
den Arten der mitteleuropäischen Schluchtwaldgenossen- 
schaft sind nur spärlich vertreten: Das Springschaumkrant 
(Cardamine impatiens L.), das gemeine Hexenkraut (Circaea lutetiana 
L.) und das gemeine Springkraut (Impatiens noli tangere L., z. B. 
Creglingen). — Von der kontinentalen Gruppe endlich ist ziem- 
lich verbreitet das gelbe Windröschen (Anemone ranunculoides L.). 
Der Wolfseisenhut (Aconitum Lycoctonum L.) wächst im Wald bei 
Aub* und dürfte wohl auch auf dem württembergischen Gebiet noch 
aufzufinden sein. Unter den 


3. Schlagpflanzen 


seien nur 2 kurz erwähnt. Da und dort (z. B. bei Münster) wächst 
der rotfrüchtige Traubenholunder (Sambucus racemosa L., 
kontinental). Sehr selten scheint dagegen zu sein das kahle Turm- 
kraut (Lurritis glabra L., mitteleuropäisch), ich fand es nur am sogen. 
„Schaftrieb* bei Waldmannshofen. 


4. Sogen. „Kleebwald‘. 


Von den Arten der mitteleuropäischen Kleebwaldgenossen- 
schaft sei erwähnt die des Insektenfraßbes verdächtige Schuppenwurz 
(Lathraea squamaria L.), sie findet sich z. B. bei Mergentheim, Schmer- 
bach und Waldmannshofen, in üppigster Fülle jedoch in den bayrischen 
Wäldern (Aub*, Baldersheim*). — Von den pontischen Kleebwald- 
arten wächst der gemeine Lerchensporn (Corydalis cava SCHW. 
et Korrtre) am häufigsten auf bayrischem Gebiet (Gollachtal), doch 
tindet er sich auch im OVberamt selber (Mergentheim, Finsterlohr, Münster, 
Schmerbach, Waldmannsliofen, Weikersheim, Honsbronn). Fast ganz 
auf den östlichen Teil des Bezirks beschränkt ist die zweiblättrige 
Sternhyazinthe (Seilla bifolia L.). Im westlichen Teil findet sie 
sich nur ganz im Süden bei Rengershausen und nicht weit davon, aber 
schon außerhalb des Oberamts, bei Dörzbach. Sie ist auch von Mergent- 
heim angegeben, da liegt jedoch (nach Dürr) eine Verwechslung vor mit 
der einst in einem dortigen Grasgarten verwilderten südeuropäischen 
schönen Sternhyazinthe (S. amoena L.). Der westlichste Punkt der zwei- 
blättrigen Sternhyazinthe ist der uns später noch einmal als Grenzscheide 
begegnende „Stein“ bei Schüftersheim. Östlich davon findet sie sich in 
allen Wäldern und von diesen da und dort auf die Wiesen heraustretend, 


z. T. in solcher Fülle, daß zur Blütezeit der \Valdboden viele Morgen 
weit einem blauen Teppich gleicht. 
Von den Arten der mitteleuropäischen 


5. Bergwaldgenossenschaft 


dürfte im Oberamt fehlen das einblütige Perlgras (Melica unitlora 
Rerz.), vorkommen soll (nach Kanx) die Hirschzunge (Scolopendrium 
vulgare SMITH), aber wo? Bei Mergentheim und Lichtel wächst der 
Storchschnabelfarn (Phegopteris Robertiana A. Bravx). Gehen wir 
nun über zu dem sogen. 


6. Heidewald, 
so treffen wir darin, wie nachher auf der Heide selber, die typische 
Flora des Bezirks. 

a) Von der mitteleuropäischen Heidewaldgenossen- 
schaft sind die meisten Arten vertreten. Ganz fehlt die E ib e (Ta.rus 
baccata L.) und vielleicht auch die braunrote Sumpfwurz (Epipactis 
rubiginosa GaAuD.), doch findet sich dieselbe im Nachbar-Maingebiet 
(Schweinfurt, Würzburg), könnte also doch noch angetroffen werden. 
Während das großblütige Waldvögelein (Cephalanthera grandi- 
flora BaB.) durchs ganze Gebiet verbreitet ist, so sind von dem schwert- 
blättrigen Waldvögelein (Cephalanthera Xiphophyllum Reich.) bis 
jetzt bloß 2 bezw. 3 Standorte bekannt (Weikersheim, Elpersheim, nach 
Dr. MopeL auch bei Münster). Ziemlich verbreitet ist der Frauen- 
schul (Cvpripedilum Calceolus L., Edelfingen, Mergentheim, Elpershein, 
Weikersheim, Althausen, Nassau, Craintal, Schmerbach), sporadisch findet 
sich die kleine Wiesenraute (Thalictrum minus L., Mergentheim, 
Igersheim). 

b) Von der südeuropäischen Heidewaldgenossen- 
schaft fehlt der gelbe Fingerhut (Digitalis lutea L.). Der ge- 
franste Enzian (Gentiana ciliata L.) wurde auf 40 Markungen 
nachgewiesen, der Kreuzenzian (G. cruciata L.) dagegen nur auf 2: 
Waldmannshofen auf dem Tannenberg und Baldersheim* unter der alt- 
ehrwürdigen Kunigundenkapelle ca. 20 m über der württembergischen 
Grenze. Interessant ist die Verbreitung der auf 18 Markungen ge- 
fundenen stinkenden Nieswurz (Helleborus foctidus L.). Sie bildet 
im Bezirk das Pendant zu der zweiblättrigen Sternhyazinthe. Während 
die Scilla, dieses lichtblaue Sonnenkind, von Osten her kommend, am 
„Stein“ bei Schäftersheim ihre Standortsgrenze hat, so macht der 
Helleborus, dieser trübselige Kopfhänger, von Westen her streichend, 
hier ebenfalls Halt. Am gleichen Grenzstein findet auch der Wellen- 
kalk sein Ende. Er schaut wohl noch bis Röttingen in kleinen, durch 
den Bau der Tauberstraße bloßgelegten Schichten unter der Anhydrit- 
gruppe hervor, seine natürliche Offenheitsgrenze liegt aber am „Stein“. 
Im Oberamt scheint die Nieswurz eine ausgesprochene \Vellenkalkpflanze 
zu sein. Von dem \Vellenkalk sinkt sie bei Elpersheim (Unterbalbach 
und Königshofen) herab in den \Vellendolomit bis hart an die Grenze 
des Buntsandsteins. Vom \Vellenkalk steigt sie aufwärts bis in die 


— LXI — 


Anbydritgruppe, auch noch in die mit abgestürztem Hauptmuschelkalk 
bedeckte. Wo sie jedoch keinen Wellenkalk als Hauptniederlassung 
findet, meidet sie die vorgenannten Schichten. Die südeuropäische Heide- 
waldgenossenschaft ist weiter im Bezirk vertreten durch: Das purpur- 
rote Knabenkraut (Orchis purpurea Hups. = fusca Jaco.: Mergent- 
beim, Igersheim, Elpersheim, Weikersheim, Creglingen, Münster, Schmer- 
bach, Reinsbronn), die mandelblättrige Wolfsmilch (Euphorbia 
amygdaloides L.: Wälder von Edelfingen bis Markelsheim), den melissen- 
blättrigenBienensaug (Melittis Melissophyllum L.: Mergentheim) und 
den rotblauen Steinsamen (Lithospermum purpureocaerWleum L.: 
Edelfingen, Mergentheim, Löffelstelzen, Igersheim, Weikersheim, Schmer- 
bach, Lichtel, Reinsbronn, Aub*). 

c) Von den Arten der pontischen Heidewaldgenossen- 
schaft fehlen ganz die verschiedenblättrige Platterbse 
(Lathyrus heterophyllus L.), das langblättrige Hasenohr (Bupleurum 
longifolium L.) und der österreichische Rippensame (Pleuro- 
spermum austriacum Horrnm.). Die ebensträußige Wucherblume 
(Chrysanthemum corymbosum L. = Tanacetum cor. Scaurz.) wurde auf 
42 Markungen nachgewiesen. Die Leberblume (Hepatica triloba 
GILIBERT) findet sich bei Mergentheim und im Klosterwald bei Frauental, 
ob jedoch wild oder bloß verwildert? Bloß verwildert dürfte sein die 
bei Creglingen unterhalb des Waldes „Stutz“ im Gebüsch wachsende 
Pimpernuß (Staphylaea pinnata L.). Ein schöner Schmuck der Wald- 
ränder ist die erbsenartige Wicke (Vicia pisiformis L.: Mergent- 
heim, Schmerbach, Münster, Waldmannshofen, Baldersheim*, Aub*). 
Typisch für den Bezirk ist die in allen lichten Wäldern, an den Wald- 
und Weinbergrändern und auch sonst sich findende warzige Wolfs- 
milch (Euphorbia verrucosa Lam.). Bis jetzt bloß an 2 Standorten 
(Mergentheim, Laudenbach) nachgewiesen ist die natterkopfblättrige 
Glockenblume (Campanula cervicaria L.). 


C. Heidegenossenschaften. 
Die Arten der 
l. mitteleuropäischen Heidegenossenschaft 
sind im Bezirk sehr reich vertreten. Von den bei der pflanzen- 
geographischen Durchforschung \WVürttembergs aufgestellten Leit- 
pflanzen wurde das Salomonssiegel (Polygonatum officinale AuL.), 
in dem manche die sagenhafte „Springwurz“ erblicken, auf 26, der 
blutrote Storchenschnabel (Geranium sanguineum L.) auf 28, 
und der schopfige Hufeisenklee (Hippocrepis comosa L.) auf 33 
Markungen des Gebiets nachgewiesen. Von andern hierher gehörigen 
Arten seien erwähnt: Die blaue Sesleria (Sesleria caerulea Arn.: 
Mergentheim), die häufige sprossende Felsnelke (Tunica prolifera 
Scor.), eine auf öden Hauptmuschelkalkhalden bei Aub*, Waldmannshofen, 
Niedersteinach, Reinsbronn, Creglingen und wohl auch sonst wachsende 
zwerghafte Abart des fünfmännigen Hornkrauts (Cerastium 
senudecandrum L., 8. glutinosum Fries = C. pumilum Curtis), der auf 
gleichem Untergrund wachsende, ebenfalls zwerghafte kleinste 


s EX] 


Schneckenklee (Medicago minima Barrarını: bei Aub*, Balders- 
heim*, Buch*, Waldmannshofen, Sechselbach, Niedersteinach und wohl 
auch sonst, leicht übersehbar), der gelblichweiße Klee (Trifolium 
ochroleucum L.: Erdbach und Schmerbach), die rauhhaarige Gänse- 
kresse (Arabis hirsuta Scor.: Mergentheim, Igersheim, Creglingen), 
der zu den sogen. „Kompaßpflanzen“ gehörige wilde Lattich (Lactuca 
Scariola L.). Mitten unter diesem und deshalb leicht übersehen findet 
sich (Mergentheim) der weidenblättrige Lattich (Lactuca 
saligna L.). Bei Weikersheim und in besonders stattlicher Menge an 
den Hauptmuschelkalkhängen bei Reinsbronn, Brauneck, Sechselbach und 
Frauental wächst die Laufdistel oder Feld-Mannstreu (Eryngium 
campestre L.), die Steppenhexe in Rußland. Dieser stachlige Schirm- 
blütler heißt im hinteren Bezirk „die Unruhe“, nicht etwa wegen des 
früheren aphrodisiastischen Gebrauchs, auch nicht wegen ihres Laufens 
in der Steppe, sondern deshalb, weil sie an einem Haken an der Stuben- 
decke aufgehängt, durch die Zimmerwärme in kreisende Bewegung ver- 
setzt wird. Solche aufgehängte Mannstreuzweige kann man manchmal 
finden. Die auf ihren \Wurzeln schmarotzende amethystfarbene Sommer- 
wurz (Orobanche amethystea Tatvınvıer) gelang mir nicht zu finden, 
dagegen hatte ich einmal bei einem heftigen Sturm auf der Höhe von 
Sechselbach das Vergnügen, ein losgerissenes Mannstreuexemplar als 
richtige Laufdistel oder Steppenhexe auf mich zulaufen zu sehen. -— 
Weitere Standortsangaben wären noch erwünscht von dem Wiesen- 
hafer (Arena pratensis L., bis jetzt nur von Mergentheim bekannt) 
und der bibernellblättrigen Rose (Rosa pimpinellifolia De.). Oder 
sollte diese im nahen Maingebiet öfters vorkommende Rose wirklich im 
Bezirke fehlen? — Von der 


2. südeuropäischen Heidegenossenschaft 


finden sich im Bezirke sicher 26 Arten. Von den Leitpflanzen ist 
die Zypressenwolfsmilch (Euphorbia euparissias L.) überall gemein. 
Die im nahen Maingebiet so häufige Uferwolfsmilch (E. Esula L.) tindet 
sich noch nicht im Gebiet. Die Karthäusernelke (Dianthus 
Carthusianorum L.) wurde auf 48 (allen), der große Ehrenpreis 
(Veronica Teucrium L.) auf 35, der aufrechte Ziest! (Stachys recta 
L.) auf 44, der gemeine Gamander (Teucrium Chamaedrys L.) auf 
39, der Traubengamander (T. Dotrys L.) auf 31, das sichel- 
blättrige Hasenohr (Bupleurum falcatum L.) auf 43, die Hirsch- 
wurz (Peucedanum Cerraria Guss.) auf 15, die bunteKronwicke 
(Coronilla varia L.) auf 44, der rotköpfige Klee (Trifolium rubens 
L.) auf 24 und die französische Rose (Rosa gallica L. 8. pumila 
L. f.) auf 21 Markungen des Gebiets nachgewiesen. Der Berg- 
gamander (T. montanum L.) wurde von Oberamtsarzt BAUER (s. 0.) 
an den Felsen des Tauberbergs bei Markelsheim gefunden. Dieser im 


1 Auch der ebenfalls hierher gehörige einjährige Ziest /Stachys annua 
L.) wie der deutsche Ziest /St. germanica L.) sind im Gebiete häufig. In 
und außer dem Kirchhof von Creglingen und Aub* und wohl auch sonst tindet sich 
der aus Krain stammende wollige Ziest (81. lanata Jacq.) verwildert. 


— IX — 


Nachbarmaingebiet ziemlich häufige Gamander dürfte sich vielleicht auch 
noch an anderen (Wellenkalk-)Stellen finden lassen. 

Von anderweitigen Vertretern der südlichen Heidegenossenschaft 
seien erwähnt: Die niedrige Segge (Carex humilis Leyss., Mergent- 
heim), der von Biberehren* an tauberabwärts bis Mergentheim häufige 
kugelköpfige Lauch (Allium sphaerocephalum L.), die deutsche 
Schwertlilie (Iris germanica L., besonders an Weinbergen), der 
dünnblättrige Lein (Linum tenuifolium L.: Mergentheim, Neu- 
bronn, Waldmannshofen), drrauhhaarigeEibisch (Althaea hirsuta 
L.: Mergentheim, Röttingen*, Niederrimbach), die in Weinbergen (z. B. 
Igersheim, Creglingen) und an steinigen Abhängen (z. B. Niedersteinach, 
Röttingen *) wachsende Judenkirsche (Physalis Alkekengi L.), der 
gelbe Günsel (Ajuga chamaepitys ScHrer.: Creglingen, Nassan, 
Mergentheim), der gelbe Augentrost (Euphrasia lutea L., Mergent- 
heim), die edle Schafgarbe (Achillea nobilis L.: Mergentheim, Igers- 
heim, Markelsheim), der zerschlitzte Stielsame (Podospermum 
laciniatum Dc., Mergentheim), der binsenartige Krümling (Chon- 
drilla juncea L., Althausen) und der auf sonnigen Hängen von Edel- 
fingen bis Weikersheim schön blaublühende Salat, der ausdauernde 
Lattich (Lactuca perennis L.)!. Auch von der 


3. pontischen und kontinentalen Heidegenossenschaft 


seien wieder die Leitpflanzen vorangestellt. Die ästige Gras- 
lilie? (Anthericum ramosum L.) wurde auf 23, die gemeine Küchen- 
schelle (Pulsatilla vulyaris L.) auf 41, das rote Waldvögelein 
(Cephalanthera rubra Ricu.) auf 12, der Bergklee (Trifolium montanum 
L.) auf 26, die Bergkronwicke (Coronilla montana Scop.) auf 4, 
die gemeine Schwalbenwurz (Vincetoricum officinale Mòxcu) auf 34, 
der Bergaster (Aster Amellus L.) auf 27, die Färbekamille 
(Anthemis tinctoria L.) auf 42, der weidenblättrige Alant (Inula 
salieina L.) bloß auf 12 und die auch im Nachbar-Maingebiet nicht 
häufige stengellose Eberwurz (Carlina acaulis L.) nur auf 5 
Markungen des Oberamts nachgewiesen. Von den Leitpflanzen sind 
vielleicht noch nachweisbar die im Nachbar-Maingebiet sich findenden 
Arten: breitblättriges Laserkraut (Laserpitium latifolium L.), 


1 Folgende im Nachbarmaingebiet verbreitete Arten wären noch zu suchen 
mit mehr oder weniger Aussicht auf Erfolg: Das Bartgras (Andropogon 
Ischaemon L.), die Steinbrechfelsnelke (Tunica sarifraga Là — sie wurde 
vor 1838 von Rathgeb mit andern Felsenptlanzen auf der Mergentheimer Hof- 
gartenmauer ausgesät und war nachweislich noch 1865 vorhanden, ob auch noch 
jetzt? — die aufrechte Waldrebe (Clematis recta L.), die gemeine 
Kugelblume(Globularia Willkommii Nymann), der gebräuchliche Haar- 
strang (Peucedanum officinale L.), der gestreckte Ehrenpreis (Veronica 
prostrata L.). Besonderes Augenmerk ist zu richten auf die Sommerwurze 
des Bezirks. Die nelkenduftende Sommerwurz (Orobanche caryophyllacea 
Smith = O. Galii Duby) findet sich bei Mergentheim und Igersheim. Auf- 
findbar sind vielleicht noch die rötliche und die Bitterkrautsommer- 
wurz (O. rubens Wallr. und O. Pieridis F. Schultz). 

3 Die astlose Graslilie (A. Liliago L.) wird in der Oberamtsbeschreibung 
angegeben, Standortsangabe wäre erwünscht. 


— LXIV -- 


Heilwurz (Libanotis montana CranTtz) und weidenblättriges 
OÖchsenauge (Buphthalmum salicifolium L.). 

Von anderen hierher gehörigen Arten seien erwähnt: Böhmers 
Lieschgras (Phleum Böhmeri L.: Mergentheim auf dem Arkaubere. 
Aub * auf dem Reichelsberg und wohl auch noch sonst!), dasgefranste 
Perlgras (Melica ciliata L.: Mergentheim, Creglingen, Craintal, Nieder- 
steinach), die zerstreut sich findende Dachtrespe (Bromus tectorum 
L.) und ganz besonders der Wiesengoldstern (Gagea pratensis 
ScHuntes). Diesen für Württemberg ganz neuen Goldstern fand ich auf 
Wiesen, Kleeäckern, auch auf Getreideäckern der württembergischen 
Markungen Waldmannshofen (mit Sechselbach), Reinsbronn (mit Nieder- 
steinach), Creglingen (mit Erdbach und Schirmbach) und der bayrischen 
Markungen Buch und Auernhofen, von Hilfslehrer HımmELEeın wurde er 
später auch in Finsterlohr nachgewiesen. (Näheres s. Jahresh. 1901, 
XXIV.) Er ist sicher im Bezirk noch weiter verbreitet. \WVeitere 
pontische Arten des Bezirks sind: Die Holderschwertlilie (Iris 
sambucina L.: Mergentheim), das Bergleinblatt (Thesium montanum 
Eura.: Mergentheim), das großblütige Waldwindröschen (Anemone 
silrestris L.: Creglingen, Queckbronn, Igersheim), die armblütige 
Gänsekresse (Arabis pauciflora Garcke: Igersheim, Waldmannshofen, 
Aub*), derhabichtskrautblättrigeSchotendotter (Erysimum 
hieraciifolium L.: Aub*), die Knackelbeere (Fragaria viridis Ducu.: 
Waldmannshofen, Baldersheim*), das Felsenfingerkraut (Potentilla 
rupestris L.: Mergentheim), der Kichertragant (Astragalus Cicer L.: 
Mergentheim, Schäftersheim, Röttingen*, Biberehren*, der Waldklee 
(Trifolium alpestre I.: Creglingen und Erdbach, Münster, Reinsbronn und 
Niedersteinach, Waldmannshofen; Aub*, Buch*), der im unteren Tauber- 
gebiet wie dem Nachbar-Maingebiet heimische Diptam (Dictamnus 
albus L.: Mergentheim [Kötterwald], Igersheim [Altenberg], Neunkirchen 
[Katzenberg] und die damit nahverwandte Raute (Ruta graveolens L.). 
Von dieser findet sich in der Nähe der 1384 gestifteten Herrgottskirche 
bei Creglingen eine stattliche Kolonie, wohl sicher Reliktenpflanzen aus 
dem \Wurzgarten der 3 Priester an der Herrgottskapelle. Von sicher 
wildwachsenden Arten seien noch erwähnt: Die Spatzenzunge 
(Thymelaea passerina Coss. et Gera.: Mergentheim, Markelsheim, Weikers- 
heim, Honsbronn), der einjährige Sesel oder Roßfenchel (Seseli 
annuum L.: Mergentheim, Aub*), die großblütige Braunelle 
(Brunella grandiflora Jaco. überall), der Goldschopf (Aster Lino- 
syris BersH.: Igersheim, soll auch bei Edelfingen vorkommen), der ge- 
fleckte Hachelkopf (Achyrophorus maculatus Scor.: Weikersheim, 
Igersheim, Mergentheim), der große Bocksbart (Tragopogon major 
Jaco.: Sechselbach, Baldersheim* und wohl auch sonst), der rauhe 
Alant (Inula hirta L.: Mergentheim, Igersheim, Schäftersheim), die 
stengellose Kratzdistel! (Cirsium acaule ALn., häufig) und die 


1 Dieselbe bildet im Bezirk öfters (Schwarzenbronn, Niederrimbach, Wald- 
mannshofen, Neuhaus; Hemmersheim*) mit der ebenfalls der pontischen Gruppe 
angehörigen Gemüsekratzdistel (C. oleraceum Scor.) einen Bastard, die 


— LXV — 


ebenfalls nicht seltene abgebissene Grundfeste (Crepis praemorsa 
TatscH.)'. 


D. Arten von unbestimmtem Formationsanschluß. 


1. Von den hierher gehörigen Arten dernordischen Gruppe 
ist das sandliebende Heidekraut (Calluna vulgaris Sass.) im Bezirk 
ganz auf die Lettenkohle beschränkt. Ziemlich selten ist das 
Himmelfahrtsblümchen (Gnaphalium divicum L.: Creglingen), 
auch die krause Distel (Carduus crispus L.), während die sonst seltene 
Wegdistel (C. acanthoides L.) uns fast auf Schritt und Tritt begegnet. 

2. Von den zur südeuropäischen Gruppe gehörigen Arten 
finden sich nur selten im Bezirk: das Wanzenknabenkraut (Orchis 
coriophora L.: Mergentheim), die knollige Kratzdistel (Cirsium 

hulbosum Dc.: Mergentheim) und die Kugeldistel (Echinops sphaero- 
cephalus L.: Röttingen*, wo sicher angesät). Nicht nachgewiesen ist bis 
jetzt die im Nachbar-Maingebiet vorkommende hummelähnliche 
Ragwurz? (Ophrys fuciflora Reıcn.). Angabe etwaiger Standorte des 


sogen. farblose Kratzdistel (C. decoloratum Koch = rigens WALLr.). Diese 
Disteln bieten Gelegenheit, interessante Beobachtungen über Verbreitung der 
Arten zu machen. Als Beispiel wählen wir einen Standort bei Niederrimbach 
(über dieselben Verhältnisse auf der Ü!bergangsschicht Lettenkohle/Muschelkalk 
8. Engel/Schlenker: Die Pflanze, S. 451). Hier senkt sich eine steile Muschel- 
kalkhalde gäh ins Tal. Ganz unten im Tal auf den feuchten Wiesen des Rim- 
bach wächst überall die Gemüsekratzdistel, oben auf den steinigen Halden des 
Hauptmuschelkalks ebenso häufig die stengellose Kratzdistel, weiter unten an 
der Halde, in dem mit verstürztem Hauptmuschelkalk bedeckten Anhydrit wird 
im feuchteren Boden die stengellose zur bestengelten Kratzdistel (C. acaule 
ALL. 3. caulescens Pers.). Zwischen der feuchten Wiese und der Anhydritschicht 
ist ein Zwischengebiet, wo nur wenig Schwemmland (Alluvium) den Urschichten 
aufgelagert ist. Auf dieses Zwischengebiet wagt sich von unten her die Ge- 
müsekratzdistel nicht vor, es ist ihr nicht tiefgründig und feucht genug, aber 
ebenso wenig wagt sich dahin die bestengelte Kratzdistel, ihr ist es da schon 
zu feucht. Der Bastard dagegen befindet sich auf dieser Zwischenschicht in 
stattlicher Zahl, ihm ists gerade hier so recht behaglich. Wir haben hier ein 
Beispiel dafür, wie ein Bastard sich für manche Bodenverhältnisse trefflich eignet, 
die seinen Eltern ungünstig und unzugänglich sind. 

' Im Nachbar-Maingebiet sich findende Arten der pontischen Heidegenossen- 
schaft, von denen wohl noch manche auch in unserem Bezirk nachgewiesen 
werden können: Federiges und haarfürmiges Pfriemengras (Stipa pennata 
L. und capillata L.), trügerischer Lauch (Allium fallax SCHuLTt.), mittleres 
Leinkraut (Thesium intermedium Scuran.), kKleinblumiges Hornkraut 
(Cerastium brachypetalum Desr.), gemeine Zwergmispel (Cotoneaster 
integerrima MED.), österreichischer Raukensenf (Sisymbrium austriacum 
Jaca), wohlriechender Schotendotter (Erysimum odoratum EHrn.), Berg- 
schildkraut (Alyssum montanum L.), Bergpfennigkraut (Thlaspi montanum 
L). schopfige Kreuzblume (Polygala comosa ScHK.), Zimmterdbeere 
(Frayaria moschata DucH.), das weiße, das grauliche und das Sandfinger- 
kraut (Potentilla alba L., P. canescens Bess. und P. arenaria Borkm.), Grund- 
heil (Peucedanum Oreoselinum MxeH.), Waldsalbei (Sulria silvestris L.), 
Feldbeifuß (Artemisia campestris L.), rheinische Flockenblume (Centaurea 
rhenana Bor.), trugdoldiges Habichtskraut (Hieracium cymosum 1.). 

’ Die fliegentragende Ragwurz (Ophrys muscifera Heos.) bei Reins- 
bronn und wohl auch sonst. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. e 


— LXVI — 


geflügelten Ginsters! (Genista sagittalis L.: im Maingebiet z. B. 
bei Ochsenfurt, Veitshöchheim, Triefenstein) wäre erwünscht. Verbreitet 
ist de Waldknantie (Knautia silvestris L.). 

3. Von den zur pontischen Gruppe gehörigen Arten unbe- 
stimmten Formationsanschlusses finden sich folgende echte Steppenpflanzen 
sehr häufig im Bezirk: gemeine Sichelmöhre (Falcaria vulgaris 
Berxn.), behaarter Günsel (Ajuga genevensis L.), quirlblütiger 
Salbei (Salvia verticillata L.), zerstreut das hoheHabichtskraut 
(Hieracium praealtum Vıuı.), da und dort (Mergentheim, Creglingen. 
Frauental, Brauneck) der vergißmeinnichtähnlichelgelsamwe 
(Lappula Myosotis MoexcH) und bis jetzt nur von Mergentheim nach- 
gewiesen das niedrige Fingerkraut (Potentila supina L.). — 
Endlich möge noch Erwähnung finden die gemeine Trauben- 
hyazinthe (Muscari botryoides Minter). Dieselbe findet sich bei Mergent- 
heim, Waldmannshofen, Aub*, Baldersheim* und zwar auf den 3 letzt- 
genannten Markungen im Wald mitten unter der zweiblättrigen Stern- 
hyazinthe (Scilla bifolia L.). 

Auffallend groß ist die Zahl der Steppenheidepflanzen im Bezirk. 
Daraus dürfen wir schlieben, dab unser Gebiet in früheren Zeiten nicht 
überall ein undurchdringlicher Urwald, sondern vielfach freie, zugäng- 
liche, zum DBesiedeln einladende Steppe war. Und diese pflanzen- 
geographische Folgerung wird aufs schönste bestätigt durch die pri- 
historischen Funde im Bezirk, die bei Waldmannshofen, Niedersteinach 
und Schäftersheim, auch Mergentheim bis in die jüngere Steinzeit zu- 
rückgehen. 

E. Gebirgspfllanzen. 


Dieselben werden von Dr. Granuann in 3 Untergruppen einge- 
teilt: die alpine, präalpine und montane. 


l. Arten der alpinen Untergruppe 


sind im Gebiet von vornherein nicht zu erwarten. Man sollte meinen, 
dasselbe gälte auch von den 


2, Arten der präalpinen Untergruppe. 


Auffallenderweise ist dieselbe jedoch in unserem Bezirk durch 
eine Art vertreten, nämlich den stattlichen gelben Enzian (Gentiana 
lutea L.). Eine stattliche Kolonie dieser prächtigen Hochstaude wurde 
1900 bei Edeltfingen auf dem Gipfel des Theobaldberges (291 m) von 
Lehrer Kany in Edeltingen entdeckt. Der gelbe Enzian findet sich auch 
im Nachbar-Maingebiet bei Gerbrunn unweit Würzburg, ja er kommt 
sogar noch viel weiter nördlich (bei Doßdorf in der Nähe von Arnstadt 
in Thüringen) vor. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurde 
er auch zwischen Niederrimbach und Creglingen auf einem Weideplatz 
vor dem Wald „Bockstall® noch angetroffen, ist aber dort nunmehr 
verschwunden. Wegen seiner Heilkraft und seiner Verwendbarkeit zu 


! Der behaarte Ginster (Genista pilosa L.) bei Weikersheim. 


— LXVI — 


Branntwein ist diese Pflanze sehr gefährdet, werden ihre Wurzeln doch 
von Europa bis Indien exportiert, wo sie unter dem Namen Jintiyana 
medizinische Verwendung tinden. Wie manche Kolonie dieser früher 
sicher viel weiter verbreiteten Pflanze mag schon gewissenlosen Aus- 
gräbern zum Opfer gefallen sein! (Näheres s. Jahresh. 1901. XXV.) 
Auch von der 

3. montanen Untergruppe, 


welcher der gelbe Enzian vielleicht besser eingereiht würde, sind, wie 
sich von vornherein erwarten läßt, verhältnismäßig nur wenige Arten 
im Bezirke vertreten. Nachgewiesen wurde im Bezirke 

a) vonder Nadelwaldgenossenschaft bis jetzt keine Art". 

b) Von den Arten der Bergwaldgenossenschaft wurde der 
grünstielige Milzfarn (Asplenum viride Huns.) früher bei Weikers- 
heim gefunden (ob noch vorhanden?), die quirlblättrige Weiß- 
wurz (Polygonatum verticillatum ALL.) ist bis jetzt nur von Mergent- 
heim bekannt. Dagegen wurde die Steinbeere (Rubus saratiliıs L.) 
auf 25 (worunter 5 bayrische) Markungen nachgewiesen ?, 

c) Von der Schluchtwaldgenossenschaft ist bis jetzt 
nur der rauhhaarige Kälberkropf (Chaerophyllum hirsutum L.) 
im Bezirk (Mergentheim) gefunden?. 

d) Von den Arten der Hochmoorgenossenschaft findet 
sich im Bezirk die Preißelbeere (Vaccinium Vitis Idaea L.). Ab- 
gesehen von einer kleinen Kolonie im Walde „Stutz“ (290 m) bei Edel- 
fingen scheint sie auf den Osten des Bezirks beschränkt zu sein. Dort 
finden sich z. T. ansehnliche Preißelbeerkolonien im Wald „Imbs“ (445 m) 
bei Münster, im „Sailach“ (443 m) bei Archshofen und im „Hambuch“ 
(442 m) bei Creglingen*. 

e) Von sonstigen Ried- und Wiesenpflanzen wurden bei 
der pflanzengeographischen Durchforschung des Bezirks der Frühlings- 
enzian (Gentiana verna L.) auf 11, die gemeine Trollblume (Zrollius 
europaeus L.) und der \Wiesenknöterich (Polygonum Bistorta L.) je auf 
2 Markungen nachgewiesen’. 

Auf Grund der bisherigen Ausführungen erweist sich das be- 
schriebene Gebiet im groben ganzen als Steppenheidegebiet mit 
schwachem montanem Einschlag. — Was seine Einreihung 
betrifft, so stellen wir es in die Mitte zwischen Neckarland und Muschel- 
kalkmaingebiet. Wie schon die geographische Lage allein (von Wald- 


1 Im benachbarten Maingebiet findet sich das einblütige Winter- 
grün (Pirola uniflora L.). 

2 Jm Nachbar-Maingebiet finden sich: Waldstorchenschnabel 
(Geranium silvaticum L.), große Sterndolde (Astrantia major L.), Berg- 
flockenblume (Centaurea montana L.). 

3 Im Maingebiet: Der Geißbart (Aruncus silvester Kost.) und nach 
Prantl der eisenhutblättrige Hahnenfuß (Ranunculus aconiti- 
Jolus L.). ? 

* Die Preißbelbeere auch bei Höchberg und Dürrbach im Maingebiet. 

° Die 3 genannten Pflanzen auch im Nachbar-Maingehiet schwach ver- 
treten. Im Gramschatzerwald findet sich dort außerdem die rundköpfige 
Rapunzel (Phyteuma orbiculare L.. 


e* 


— LXVNII — 


mannshofen z. B. an den Main bloß 2!/4 Wegstunden) nahe legt, gehört 
das Gebiet jedoch viel mehr zum Main- als zum Neckarland. Dies be- 
weisen so manche dem Neckarland meist fehlende, im Maingebiet jedoch 
reichlich vorhandene Pflanzen, wie z. B. die Bergkronwicke (Coronilla 
montana Scor.) Wiesengoldstern (Gagea pratensis SchtLr.), R ob- 
fenchel (Seseli annuum L.), rauher Alant (Inula hirta L.), Di- 
ptam (Dictamnus albus L.), gelber Enzian (Gentiana lutea L.). Eine 
noch gründlichere Durchforschung des Bezirks wird sicher noch mehr 
dem Main- und Taubergebiet gemeinsame Pfianzen nachzuweisen vermögen. 


II. Teil: Kulturbegleiter, Kolonisten und Gartenflüchtlinge. 


Das rauhe Lieschgras (Phleum asperum VırL., pontisch) bei 
Mergentheim und Tauberscheckenbach., Der runde Lauch (Allium 
rotundum L., pontisch) in Weinbergen bei Mergentheim und Markelsheim. 
Ein ziemlich verbreitetes und kaum ausrottbares Unkraut in den \Vein- 
bergen ist (von Edelfingen an bis Weikersheim, sowie bei Creglingen und 
Vorbachzimmern) die gelbblühende Wald- oder wilde Tulpe (Zrdipa 
silvestris L.), ein im Mittelmeergebiet heimischer, jetzt auch über das 
mitteleuropäische Gebiet verbreiteter Kulturbegleiter. Ebenso finden sich 
da und dort die südeuropäischen (ursprünglich wohl ebenfalls mediter- 
ranen) Kulturbegleiter: Die doldige (Mergentheim, Weikersheim, Archs- 
hofen) und die nickende (Mergentheim, Elpersheim, Weikershein, 
Schäftersheim) Vogelmilch (Ornithogalum umbellatum L. und O. nutans 
L.), vom Volke weniger ästhetisch, aber, wenn wir an den schleimigen 
Saft dieser Pflanzen denken, sehr bezeichnend „Rotzblume“ genannt. 
In mehreren Weinbergen Creglingens macht sich breit die schlaff- 
blättrige Traubenhyazinthe (Muscari racemosum MILLER, 
mitteleuropäisch), ebenda sowie bei Weikersheim findet sich auch die 
schopfige Traubenhyazinthe (M. comosum Miruer, südeuropäisch). 
An alten Mauern Mergentheims das ausgebreitete Glaskraut 
(Parietaria ramiflora MosxcH, ß. fallax GRENIER und Goprox, mittel- 
europäisch). In der Nähe der Ortschaften (Creglingen, Münster, Nieder- 
rimbach), ja selbst mitten drin (Reinsbronn) findet sich die Osterluzei 
(Aristolochia Clematitis L., mitteleuropäisch). — Auf dem brauneckischen 
Ableger Neuhaus wie auch im Creglinger Pfarrgarten verwildert der 
schildblättrigeAmpfer (Rumex scutatus L., südeuropäisch). Der 
echte Buchweizen (Fagopyrum esculentum MoENcH) wird im würt- 
tembergischen „Gäu“ (z. B. Waldmannshofen) z. T. als Grünfutter oder 
auch zum Gründung angebaut. Unter ihm ist fast regelmäßig der 
tatarischeBuchweizen (F. tataricum Garry.) mit grünen Blüten- 
hüllen und ausgeschweiften Nußkanten anzutreffen. Derrauhhaarige 
Amarant (Amarantus retroflerus L., südeuropäisch) ist bei Buch* und 
wohl auch sonst anzutreffen. Mit fremdem Samen wanderte im Gebiete 
(Waldmannshofen, Treffelhausen, Aub*, Baldersheim*) ein die Südost- 
europäerin Gabelnelke (Silene dichotoma Enra.). Besonders im Gebiet 
der Lettenkohle sind sehr häufig das Mauergipskrant (Gypsophila 
muralis L., pontisch) und die rote Schuppenmiere (Spergularia 
rubra Prest., mitteleuropäisch, Waldmannshofen, Sechselbach, Frauental, 


— LXIX — 


Erdbach; Buch*). Durchs ganze Oberamt verbreitet ist die doldige 
Spurre (Holosteum umbellatum L., mitteleuropäisch.) Auf Äckern finden 
sich da und dort 2 südeuropäische Kulturbegleiter: Der Acker- 
schwarzkümmel (Nigella arvensis L.: \Waldmannshofen, Reinsbronn) 
und das brennendrote Blutströpfchen (Adoswis flammeus Jacq.: 
Mergentheim, Creglingen; Buch*). In Weinbergen wächst zerstreut (Creg- 
lingen, Münster, Elpersheim) die Christrose (Helleborus niger L., 
südenuropäisch). Im hinteren Bezirke wenigstens (z. B. Waldmannshofen, 
Sechselbach, Reinsbronn und Niedersteinach) darf in einem richtigen 
Bauerngarten nicht fehlen die grüne Nießwurz (Helleborus viridis 
L., südeuropäisch), deren Wurzel bei kranken Schweinen als Haarseil 
(Setaceum) gebraucht wird, weshalb die Pflanze den Namen „Sauwurz“ 
führt. In Gärten und an Mauern finden sich (Creglingen, Waldmanns- 
hofen) von früherer Anpflanzung her verwildert der gelbe und der 
gelblichweiße Lerchensporn (Corydalis lutea L. und C. ochro- 
leuca Koch, südeuropäisch). Auf Kulturland, an Waldrändern und sonst 
findet sich vielfach (z. B. Igersheim, Weikersheim, Schäftersheim, Lichtel, 
Reinsbronn) verwildert die Nachtviole (Hesperis matronalis L., süd- 
europäisch). Auf Äckern treffen wir (bei Igersheim, Markelsheim, Herbst- 
hausen) den geschweiften Schotendotter (Erysimum repandum 
L., pontisch), aus Gärten verwildert da und dort die bittere 
Schleifenblume (Iberis amara L., süd- und westeuropäisch). An 
der Tauberbahn hat sich angesiedelt die türkische Kresse (Lepidium 
Draba L., südeuropäisch).. Tauberaufwärts marschiert langsam weiter 
(Edelfingen bis Igersheim) die übelriechende Schutt- oder Stink- 
kresse (Lepidium ruderale L., mitteleuropäisch). Von früherem Anbau 
zur Blau- und Grünfärbung blieb erhalten (Igersheim, Markelsheim) der 
Färberwaid (Isatis tinctoria L.). Auf Äckern ist endlich verbreitet 
der Knöpfleindotter (Neslea paniculata Desv.). Die meisten Kultur- 
begleiter und Kolonisten finden sich unter den Schmetterlingsblütlern (Pa- 
ptlonaceae). Von den südenropäischen Lupinen wird im hinteren Bezirk an 
manchen Orten (Creglingen, Erdbach, Waldmannshofen) die blaue Lupine 
(Lupinus angustifolius L.) in Gärten und Weinbergen angebaut als Kaffee- 
surrogat („Erdbacher Kaffee“). Von früherem Anbau her verwildert, 
auch öfters mit Luzernesamen eingeschleppt tindet sich da und dort 
iz. B. Waldmannshofen, Standorf, Aub*) der südeuropäische Inkarnat- 
klee (Trifolium incarnatum L.). Häufig ist verwildert und angebaut 
der Schwedenklee (Trifolium hybridum L.), fälschlich „Bastardklee* 
genannt; denn es ist eine eigene Art. Mit dem sogen. amerikanischen 
Klee, einer nordamerikanischen Abart des \Viesenklees mit stark be- 
haarten Stengeln und Blättern (Trifolium pratense L., y. americanum 
Harz) wurden da und dort (z. B. Waldmannshofen) Anbauversuche ge- 
macht, aber mit schlechtem Erfolg. Denn einerseits fraß das Viel den 
haarigen Gesellen nicht gern und anderseits erwies er sich auch nicht 
völlig winterhart. Mit diesem Klee kam die schon erwähnte Gabel- 
nelke erstmals nach Waldmannshofen. Diese Südosteuropäerin hat also, 
um vom Orient nach \Waldmannshofen zu gelangen, den Umweg über 
Nordamerika gewählt, eine hübsche Reiseleistung dieser morgenländischen 


= DAA = 


Landstreicherin. Ein ganzes Rattennest von ähnlichen Landstreichern 
finden wir unter den Gattungen Wicke (Vicia) und Platterbse 
(Lathyrus). Auf den Äckern des „Gäus“ (z. B. Waldmannshofen, Sechsel- 
bach) findet sich vielfach eingeschleppt und z. T. auch im sogen. „, G`mäsch*, 
d. h. in der gemischten Grünfutterfrucht mit ausgesät (z. B. Reinsbronn) 
die zottige Wicke (Vicia villosa Rora.). Mit andern Samen wurden 
eingeschleppt (bei Waldmannshofen, Aub*, Baldersheim *): Die gelbe 
Wicke (Vicia lutea L., atlantisch), die südosteuropäische ungarische 
Wicke (V. pannonica Craxtz und zwar zusamt der rötlich blühenden 
Varietät: ø. striata M. Bies. = V. purpurascens De.) und (in WVald- 
mannshofen) die gezähnte Mauswicke oder Scheerer bse (F. 
narbonensis L., g. serratifolia, südeuropäisch). Von den Platterbsen findet 
sich im Bezirk häufig die knollige Platterbse oder Erdnub 
(Lathyrus tuberosus L., pontisch). Mit Samen wurden (in Waldmanns- 
hofen) eingeschleppt: Die Ranken-, die blattlose und die rauh- 
haarige Platterbse (Lathyrus Aphaca L., L. Nissolia L., L. hir- 
sutus L., alle mitteleuropäisch). Einmal sogar traf ich zwischen Wald- 
mannshofen und Sechselbach auf einem Getreideacker mehrere spanische 
Wicken (Lathyrus odoratus L.) in schönster Blüte. Dieselben wanderten 
im Herbst aus dem Garten auf den Mist und mit diesem auf das Feld 
hinaus. Die Reisearten der Kinder der Flora sind verschieden und 
eigenartig. Hier wählte eine stolze Spanierin einen Dungwagen als 
Beförderungsmittel. Von früherer Anpflanzung her entwickelte sich in 
Waldmannshöfern Gärten das im südlichen Sibirien und in der Mongolei 
heimische kleinblütige Springkraut (Impatiens parviflora De.) 
zu einem lästigen Unkraut. Auf feuchten Äckern bei Waldmannshofen be- 
obachtete ich von 1900 an mitten unter dem Feldsinau (Alchemilla arvensis 
Scor.) jahraus jahrein den minimalen ysopblättrigen Weiderich 
oder das Ysopblutkraut (Lythrum Hyssopifolia L.). Allem nach 
wurde er eingeschleppt, hat sich aber gut eingebürgert. Da und dort 
findet sich der südeuropäische Kulturbegleiter: geroßbblütige Orlaye 
(Orlaya granditlora Horram.). Unter den bei der Jahresversammlung in 
Mergentheim aufgestellten Blumensträußen fand sich auch der Koriander 
(Coriandrum sativum L.), gefunden bei Neuhaus. Zu suchen bittet man 
nach dem glanzlosen Pastinak (Pastinaca opaca BERrSH.), be- 
schrieben in diesen Jahresheften 1905, XVl. Die gemeine Phacelie 
(Phacelia tanacetifolia Bestn., Heimat Nordamerika) wurde da und dort 
als Bienenfutter angesät (z. B. Waldmannshofen, Creglingen) und ist 
z. T. verwildert. Der weichhaarige Hohlzahn (Galeopsis pubescens 
Bess.) ist bei Aub*, Waldmannshofen und Reinsbronn häufig. Die mittel- 
europäische Ruderalpflauze gemeiner Andorn (Marrubium vulgare L.) 
wächst bei Weikersheim, Creglingen, Standorf und Niedersteinach. Der 
Ysop' (Hyssopus officinalis L.) wird in katholischen Orten gern in 
Gärten und Kirchhöfen gezogen, auf dem Creglinger Herrgottskirchhof 


1 Wurde für den „Ysop“ der Bibel gehalten. da er aber der palästinen- 
sischen Flora fehlt. ist mit „Ysop“ in der Bibel eine andere Pflanze verstanden 
und zwar wohl sicher Origanum Maru L. (= Majorana cretica TOURN.). 


= LAAI = 


hat er sich aus katholischen Zeiten her verwildert erhalten. Die Stadt- 
mauern Röttingens* sind z. T. schön von ihm bewachsen. Häufig tinden 
sich folgende mitteleuropäische Kulturbegleiter: Das spieß- und 
eiblättrige Leinkraut (Linaria Elatine MiLLer und L. spuria 
MLLER) sowie das Feldlöwenmaul (Antirrhinum Orontium L.). Die 
Mauern des Weikersheimer und Creglinger Kirchhofes ziert das ver- 
wildertte große Löwenmaul (A. majus L.). Fast überall hat sich 
an Mauern eingebürgert das in Italien heimische Zimbelkraut (Linaria 
Cymbalaria MıLter). Bis jetzt nur von einem Standort (Mergentheim) 
wurde nachgewiesen der südeuropäische Kulturbegleiter: früher Ehren- 
preis! (Veronica praecor Auı.). Da im Bezirk kein Tabak gebaut wird 
und der Hanfbau aufgehört hat, ist der sideuropäische Kulturbegleiter 
und Schmarotzer Hanftod (Orobanche ramosa L.) mundtot gemacht. 
Selten findet sich der Ackermeier (Asperula arvensis L., südeuropäisch). 
Den 1862 im Gebüsch am hiesigen Tauberufer angetroffenen italie- 
nischen Meier (Asperula taurina L., südeuropäisch) suchten Präzeptor 
Derr und ich vergebens. Wir befürchten, daß er eingegangen’. Aus 
dem Garten der 1730 abgebrochenen Ketterburg ob Mergentheim hat 
sich noch erhalten das gemeine Geißblatt (Lonicera Caprifolium L., 
südeuropäisch). Zerstreut findet sich der südeuropäische Kulturbegleiter: 
gemeiner Frauenspiegel (Specidaria speculum Dc.: Mergentheim, 
Edelfingen, Creglingen, Waldmannshofen, Röttingen*, Tauberretterslieim*). 
In Mergentheim hat Fuß gefaßt ein stachlicher Geselle, der südeuropäische 
Xerophyte: die distelartige Flockenblume (Centaurea Calcitrapa 
L.) und endlich ist da und dort im Bezirk (Weikersheim, Nassau, Creg- 
lingen) eine der präalpinen Untergruppe angehörige Zierpflanze auf und 
anber den Kirchhöfen verwildert, nämlich dasorangerote Habichts- 
kraut (Hieracium aurantiacum L.). 

Wir sind zu Ende. Ein floristisch reiches Gebiet wie selten eines 
in Württemberg ist durchwandert. Wie manches seltene Pflänzlein mag 
bei dieser Wanderung noch übersehen worden sein, besonders von denen, 
die den Bezirk mit dem benachbarten Maingebiet (s. die Fußnoten) ver- 
binden. Möchten die Pflanzenfreunde des Bezirks an der Hand dieser 
Aufzeichnungen rührig weitersuchen. Ihre Mühe wird sich sicher reich- 
lich lohnen; denn trotz allen bisherigen Bemühungen ist der Bezirk 
immer noch ein botanisch ungenügend durchforschtes Gebiet. 


2. Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart. 


Einer freundlichen Einladung der Hohenheimer Vereinsmitglieder 
folgend trafen, nachdem die wissenschaftlichen Abende in Stuttgart mit 


- 1 Aufzufinden wäre wohl auch noch der pontische Kulturbegleiter: Früh- 
lingsehrenpreis (Veronica verna L.). 

? Das gleiche befürchten wir von dem früher bei Weikersheim an den 
Mauern des Karlsbergweinberges wachsenden atlantischen Schriftfarn 
(Ceterach officinarum Wirt). Ich wenigstens fand ihn trotz eifrigen Suchens 
nicht mehr: sollte ein anderer glücklicher sein und ihn antreffen, so... lasse 
er ihn ja gewiß stehen!!! 


— LXXI — 


der Maisitzung ihren Abschluß gefanden hatten, die Teilnehmer an den- 
selben mit ihren Damen am 10. Juni 1909 noch einmal zu geselliger 
Unterhaltung in Hohenheim zusammen. Bei dieser Gelegenheit 
erfreute Dr. Max Reihlen die Anwesenden, die sich zunächst im 
Hörsaal des Botanischen Instituts zusammenfanden, durch Mitteilungen 
über „einen Besuch, den er im Jahre 1908 bei den Deutschen in 
den russischen Ostseeprovinzen“ ausgeführt hatte. Veranlassung 
zu dieser Reise bot dem Redner das opfermutige Verhalten der Balten 
nach der Revolution von 1905. In anmutiger humoristischer Weise 
wurde die Überfahrt nach Riga geschildert und dabei allerhand histo- 
rische Betrachtungen über die Kolonisation der baltischen Lande durch 
die Schwertbrüder und den Deutschorden eingeflochten; an die Zeiten, 
da Hermanu von Salza die jungen Kolonien an der Düna rettete, da in 
kaum 100 Jahren Kurland, Livland und Estland dauernd der deutschen 
Kultur erschlossen wurden. 

Die Schilderung des Vortr. galt nun zunächst dem Lande selbst und 
zwar führte er die Zuhörer in die baltischen Städte, in das durch seinen 
Holzhandel berühmte Riga, das im allgemeinen einen westeuropäischen 
Eindruck macht und einer altnorddeutschen Hansastadt gleicht, dann 
nach Mitau und von dort durch die livländische Schweiz, auf reizenden 
Wasserläufen durch Wälder an Ruinen und Schlössern vorbei nach 
Wenden, dem einstigen Sitz des Heermeisters, wo sich nach der Ein- 
nahme der Stadt durch die Russen die Ordensbesatzung in die Luft 
gesprengt hatte. Nach einem kurzen Besuch in Birkenruh, einer deutschen 
Erziehungsanstalt, ging's nach Dorpat, der deutsch-protestantischen 
Universität, deren Gründung einst Gustav Adolf vom Feldiager bei 
Nürnberg aus befohlen hatte. Bei der wechselvollen Geschichte der 
Universität und bei den Sitten und Gebräuchen der Studierenden ver- 
weilte der Redner längere Zeit und erzählte auch die Schicksale der 
durch große Brände und noch mehr durch schwere Verfolgungen so oft 
heimgesuchten Deutschen in dieser Stadt, die seit 1893 auf kaiserlichen 
Befehl den Namen Jurjew führt. Von Dorpat führte die Reise nach 
dem trutzigen Reval und nach Narwa, das äußerlich wohl noch viel 
Deutsches aufweist, innerlich aber völlig russifiziert ist. 

Der Hauptzweck der Reise war aber nicht das Land, sondern die 
Leute kennen zu lernen. Überall wurden die Reisenden aufgenommen 
wie Gesandte und behandelt wie Freunde. Als Führer stellten sich die 
besten Kenner von Land und Leuten zur Verfügung. In den russischen 
Staaten an der Ostsee befinden sich 165 000 Deutsche, das sind 7 °o 
der Gesamtbevölkerung (S3°jo Esten und Letten und 5°/o Russen); 
24000 von diesen Deutschen gehören zum erblichen Adel, der dem 
Deutschtum der Provinzen sein Gepräge gibt. Der Adel hält treu zu 
seinem Deutschtum und zum Zaren, er entwickelt ein reges Standes- 
bewußtsein, das sich den Nichtdeutschen gegenüber in Herren- und 
Rassenstolz zeigt. Der deutsche Adel ist der revolutionären Bewegung 
des Jahres 1905 durchaus fern geblieben und hielt trotz der MiBhand- 
lungen und dem Druck, den er in jener Zeit zu ertragen hatte, treu 
zum Kaiser als „Sr. Majestät allergetreueste Opposition“. Der Redner 


— LXXII — 


machte noch interessante Mitteilungen über die Entwicklung des bal- 
tischen ritterschaftlichen Adels und besprach dann die Opferwilligkeit, 
die sich in den Östseeprovinzen trotz der ungeheuren Verluste des 
Jahres 1905 gezeigt haben, die für die Deutschen auf etwa 100 Mil- 
lionen Mark geschätzt werden. Für Kulturaufgaben, namentlich für 
das Schulwesen, habe man dort Summen aufgebracht, für die als Maß- 
stab die Zeppelinspende gelten könne. Statt 7 Millionen müßte die 
Zeppelinspende 128 Millionen betragen haben, wenn in Deutschland die- 
selbe Opferwilligkeit geherrscht hätte, wie bei den Deutschen in den 
Östseeprovinzen für ihre Schule usw. Die Stellung der Deutschen hält 
Redner durchaus nicht für unhaltbar, die Russen sind noch nicht im- 
stande, die Stelle der Deutschen als Kulturträger auszufüllen. Nament- 
lich die deutschen Frauen bestärken den Redner in seiner Zuversicht; 
solange sie wie bisher für das. Deutschtum weiterarbeiten, werden die 
völkischen Interessen im deutschen Osten geschützt sein und es werde 
auch dort heißen: „Hier stirbt der Deutsche nicht.“ 

Nach dem mit dankbarem Beifall aufgenommenen Vortrag unter- 
hielt man sich noch längere Zeit bei Speise und Trank im Saale der 
Speisemeisterei. 


Im Hinblick auf die Wichtigkeit der Stuttgarter Wasser- 
versorgungsfrage hatte der Verein seine Mitglieder in Stuttgart und 
Umgebung für den 30. Juni zu einem Vortrag eingeladen, in welchem 
Prof. Dr. E. Fraas über den Stand dieser Frage berichtete und die 
kurz zuvor im Auftrag der Stuttgarter bürgerlichen Kollegien vom Bau- 
amt der städtischen Wasserwerke herausgegebene Denkschrift „Die 
Neugestaltung der Wasserversorgung der Stadt Stuttgart“ vom geolo- 
gischen Standpunkt aus besprach. Zu diesem Vortragsabend waren auch 
Einladungen an die bürgerlichen Kollegien von Stuttgart, sowie an die 
Mitglieder der Kammer der Abgeordneten ergangen. Die Versammlung, 
die im Vortragssaal des Kgl. Landesgewerbemuseums stattfand, wurde 
eingeleitet durch eine Ansprache des Vorsitzenden, ÜÖberstudienrat 
Dr. Lampert. An den darauf folgenden Vortrag schloß sich eine leb- 
hafte Debatte, in welcher die Herren Baninspektor Riegel, Forst- 
direktor Dr. v. Graner, Rechnungsrat Regelmann und Obermedizinalrat 
Dr. Scheurlen das Wort ergriffen. Einen Bericht über diese Ver- 
handlungen brachte der „Schwäbische Merkur“ No. 298 vom 1. Juli 1909. 


Sitzung am 11. Oktober 1909. 


Öberreallehrer Dr. W. Wundt (Ebingen) sprach über: „Nieder- 
schlag und Abfluß, speziell im oberen Neckargebiet“. (Der 
Vortrag findet sich etwas gekürzt abgedruckt in diesem Jahrgang 
Abt. III S. 144.) In der sich dem Vortrag anschließenden Erörterung, 
an der sich die Herren Fraas, A. Schmidt und Sauer beteiligten, wurde 
noch die Bedeutung des Grundwasserstroms näher besprochen. — So- 
dann legte O.-St.-R. Dr. K. Lampert „springende Bohnen“ vor, Teil- 


= XV = 


früchte einer mexikanischen baumartigen Euphorbiazee (Sebastiana 
Pavoniana Mtıı. Arc.), die infolge des Emporschnellens der darin lebenden 
Larve eines Kleinschmetterlings (Carpocapsa saltitans WeEsTw.) Spring- 
bewegungen macht; ferner ein Antilopengehörn, das dicht mit den Ge- 
spinsten einer Motte (Tinea rustella ZeLu.) besetzt war und dadurch ein 
fremdartiges dorniges Aussehen angenommen hatte. 


Sitzung am 8. November 1909. 


Öberstudienrat Dr. K. Lampert sprach über: „Fischparasiten 
und Fischkrankheiten‘“. 

„Gesund wie der Fisch im Wasser“ — nicht leicht ist eine sprich- 
wörtliche Redensart so wenig begründet wie gerade diese. Man hat. 
allerdings erst in neuerer Zeit die zahllosen Krankheiten, die bei den 
Fischen vorkommen, zum Gegenstand eingehender Forschung gemacht, 
und vor allem war es Prof. Horr in München, der hier bahnbrechend 
vorgegangen ist und ein mustergültiges Werk über seine Forschungen 
veröffentlicht hat. Aber der ungeahnte Aufschwung, den neuerdings das 
Fischereiwesen genommen, die Bedeutung, die die Fischzucht nicht bloß 
als Nebenbetrieb der Landwirtschaft, sondern vielfach als recht lukra- 
tiver Hauptbetrieb gewonnen hat, rechtfertigen sowohl von wissenschaft- 
lichen als von praktischen Gesichtspunkten aus das wachsende Interesse, 
das auch den Fischkrankheiten entgegengebracht wird. Über 1000 
Parasiten hat man bis jetzt gezählt, die die verschiedensten Organe 
der Fische heimsuchen; sie finden sich nicht nur auf der Haut und an 
den Kiemen, sondern auch in den verschiedensten inneren Organen, im 
Darm, in der Muskulatur, in der Leber, in der Schwimmblase usw. 
Ein bandwurmartiger Parasit, der u. a. auch in einem der edelsten Fische, 
der Trüsche, häufig vorkommt, hat von da aus auch den Weg in den 
Menschen gefunden, und zwar scheint sich diese Krankheit, die in den 
Seen nördlich und südlich der Alpen ihre Heimat hat, neuerdings immer 
weiter zu verbreiten. Eine Bandwurmart, die bandförmige Ligula, die 
zuweilen eine Länge von mehr als zwei Meter erreicht, kann in der Leibes- 
höhle des Fisches so massenhaft auftreten, dab sie schlieblich ein Platzen 
derselben und damit den Tod des Fisches herbeiführt. Bei manchem 
dieser Parasiten ist der Entwicklungszang noch nicht genau erforscht ; 
man weiß nur, dab sie ihre Geschlechtsreife erst nach wiederholtem 
Wirtswechsel erreichen, der sich etwa dadurch vollzieht, daß ein 
größerer Fisch oder ein Wasservogel den ersten Wirt auffrißt und so 
dem Parasiten, mit dem letzterer behaftet war, selbst Unterkunft ge- 
währt. So werden denn gewisse Parasiten am besten dadurch bekämpft. 
daß man die Wasservögel, in welchen sie ihre Geschlechtsreife erlangen, 
weeschießt. Wie grob das Gebiet ist, das sich hier der Forschung 
noch cröffnet, erhellt daraus, dab man nicht weniger als 44 Spezies 
Bandwürmer, 49 Spezies Saugwürmer und 45 Spezies Spulwürmer und 
Kruster zählt, die sich bei Fischen vortinden. Und neben diesen Para- 
siten, die einzelne Organe heimsuchen und dadurch lokale, aber aller- 


z= DAV = 


dings auch oft tödliche Erkrankungen herbeiführen, steht noch das Heer 
mikroskopischer Krankheitserreger, der Protozoen und Infusorien, die 
meist allgemeine Erkrankungen verursachen. Dahin gehört der Ich- 
Ihyophthirius, der in Millionen von Exemplaren Haut und Kiemen be- 
deckt und durch den Reiz, den er ausübt, den Tod des Tieres herbei- 
führt. Von den Sporentierchen haben sich, durch die vorzüglichen Unter- 
suchungen an der Biologischen Versuchsstation in München, hauptsäch- 
lich einige Myxobolus-Arten als Erreger epidemieartig auftretender Fisch- 
krankheiten erwiesen. Dies gilt von der Beulenkrankheit der Barben, 
die sich in der Bildung offener Geschwüre am Körper der Tiere äußert 
und in den letzten Jahrzehnten in einzelnen Flußläufen den ganzen Be- 
stand an Barben vernichtete; ferner aller Wahrscheinlichkeit nach auch 
von der schon seit dem Mittelalter bekannten Pockenkrankheit des 
Karpfens, deren Symptom in Bildung buckelartiger Erhöhungen von 
knorpeliger Konsistenz besteht. In diesen selbst konnte bisher kein 
Mikroorganismus nachgewiesen werden, wohl aber immer in den Nieren, 
so daß anzunehmen ist, daß diese den Hauptsitz der Krankheit bilden 
und daß die Bildung der Knorpelpusteln nur eine sekundäre Erscheinung 
darstellt. Auch für die merkwürdige Erscheinung der besonders in 
Fischzuchtanstalten auftretenden Drelkrankheit, bei der sich die Fische 
im Kreis drehen, bis sie unter häufiger Wiederholung solcher Anfälle 
meist zugrunde gehen, wurde von Frl. Dr. Preun-München als Ursache 
eine im knorpeligen Schädel lebende Myzxobolus-Art nachgewiesen. Von 
den durch Pflanzen hervorgerufenen Krankheiten ist die häufigste und 
bekannteste die sogen. Verpilzung, bei der ein Pilz (Suprolegnia) sich auf 
dem Körper des Fisches ansiedelt und diesen tötet. Gegen Bakterien 
sind die Fische im ganzen nicht sehr empfindlich, doch kennen wir auch 
einige Bakterienkrankheiten, die schwere Opfer fordern. Zum Schluß 
bespricht der Redner die besonders bei Karpfen auftretende Erkältungs- 
krankheit und die Kiemendeckelverkürzung der Salmoniden. Die Er- 
kältung stellt sich ein, wenn, wie dies oft beim Abfischen von Teichen 
und in Fischhandlungen geschieht, die Karpfen plötzlich in anderes, um 
einige Grade kälteres Wasser gebracht werden. Sie führt zur Zer- 
störung der Oberhaut oder sogar der Unterhaut, in letzterem Fall zum 
Tod. Unaufgeklärt ist noch die merkwürdige Erscheinung der Kiemen- 
deckelverkürzung, die immer häufiger in Fischzuchtanstalten bei der 
Regenbogenforelle auftritt. 

In der sich an den Vortrag anschließenden Besprechung erwähnte 
Augenarzt Dr. Piesbergen einen merkwürdigen, allerdings nicht 
ganz sicher‘ beglaubigten, aber auch nicht ohne weiteres zu ver- 
werfenden Fall, wonach bei einem wegen Starblindheit operierten 
Fischer von der Oberspree ein Parasit vorgefunden worden sein soll, 
der sonst nur bei Fischen im Auge beobachtet wurde. Ferner machte 
Prof, Dr. Sieglin noch weitere Mitteilungen über die Furunkulose bei 
den Salmoniden, die eine recht ernste Gefahr für unsere Fischzucht be- 
dentet und wohl nicht so rasch zum Stillstand gebracht werden kann; 
es wäre jedenfalls sehr erwünscht, wenn wenigstens die Regenbogen- 
forelle sich dauernd immun gegen diese Seuche erwiese. 


— LXXVI — 


Nach weiteren Bemerkungen von Prof. Dr. Klunzinger und Prof. 
Lüpke legte 

Prof. Dr. Sauer eine Lavaprobe von dem im vergangenen Sommer 
erfolgten vulkanischen Ausbruch des Kamerunberges vor. Im Anschluß 
an eine von ÖOberrichter Autenrieth in Buea veröffentlichte Mitteilung 
über diesen Ausbruch, der darum besonders merkwürdig ist, weil Afrika 
überhaupt arm an Vulkanen ist und weil man es speziell beim Kamerun- 
berg mit einem Vulkan zu tun hat, der schon längst erloschen schien 
und bis zur Höhe des Kraters sich schon mit einer Vegetation bekleidet 
hatte, gab Redner Aufschluß über die petrographische Beschaffenheit 
der Lava, die sich dem Ätnatypus anschließt. 


Am Nachmittag des 17. November fand eine Besichtigung 
des erst seit kurzem in Betrieb gesetzten neuen städtischen Vieh- 
und Schlachthofs bei Gaisburg statt. Die sich in großer Zahl hier- 
bei beteiligenden Vereinsmitglieder und ihre Damen versammelten sich 
im Börsensaal des Schlachthauses, wo Oberbaurat Mayer an der Hand 
eines großen Planes zunächst die Anlage des Viehhofs und den Zweck 
der einzelnen Gebäude erläuterte, deren Besichtigung dann in 3 Gruppen 
unter Führung von Oberbaurat Mayer, Bauinspektor Cloos und Maschinen- 
ingenieur Kerschbaum erfolgte. Nach Beendigung des Rundgangs ver- 
einigte man sich zu einem Vespertrunk wiederum im Börsensaal, wobei 
O.-St.-R. Dr. Lampert der Befriedigung und Freude über das Ge- 
sehene in kurzer Ansprache Ausdruck verlieh und den Führern für 
die liebenswürdigen Bemühungen den Dank des Vereins aussprach. 


Sitzung am 13. Dezember 1909. 


An erster Stelle sprach Geh. Hofrat Prof. Dr. A. Schmidt über 
die „Mittel zur Bestimmung der Herdentfernung von 
Erdbeben“. Anknüpfend an den von ihm im letzten Frühjahr in 
Aulendorf über Erdbeben gehaltenen Vortrag (s. diese Jalhreshefte, 
65. Jahrg. 1909 S. LXVII) weist der Vortragende zwei von Professor 
Dr. Mack (Hohenheim) hergestellte Vergrößerungen von Seismogrammen 
vor, an denen die Einteilung in einzelne Abschnitte, Erdbebenphasen, 
besonders deutlich ist. Die ankommende Bewegung eines Fernbebens 
zerfällt in 3 Hauptphasen mit einer größeren Anzahl Unterabschnitten, 
die ersten Vorläufer, die zweiten Vorläufer und das Hauptbeben. Die 
vom Beginn der ersten bis zum Beginn der zweiten Vorläufer ver- 
streichende Zeit gestattet einen Schluß auf die Entfernung des Herdes, 
genauer des über dem Herde liegenden sogenannten Epizentrums, des 
Gebietes der am frühesten und meist am stärksten aufgetretenen Erd- 
bebenstöße. 

Annähernd entspricht jede Minute Zeit einer Länge von 1000 km 
Herdabstand. Es läßt sich die Herdentfernung mittels der sogenannten 
Laufzeitkurven, Hodografen, ausmessen, wie solche vom Redner vor- 


— LXXVII — 


gezeigt wurden, bei guter Zeitbestimmung bis auf weniger als 100 km 
Genauigkeit. 

Bei nicht zu großer Herdentfernung wird man den Erdbebenort 
auf einem Kreis zu suchen haben, den man auf einer Landkarte um den 
Beobachtungsort mit der gefundenen, dem Maßstab der Karte ent- 
sprechend festgesetzten Länge beschreibt. Das geht an, solange kein 
zu großer Unterschied besteht zwischen dem ebenen Kartenbild und dem 
kugligen Globusbild.e Bei großen Entfernungen wird man sich aber 
besser eines Globus bedienen, auf welchem man mit einem vom Beob- 
achtungsort aus gespannten Faden entsprechender Länge die Punkte des 
Kreises aufsuchen kaun, auf welchem der Herd zu suchen ist; die Faden- 
länge bestimmt man nach der Gradteilung des Äquators. Die Länge 
von 9 Grad ist gleich 1000 km. 

Um aber auch dieses Verfahren durch ein noch einfacheres zu er- 
setzen, entwirft man sich Weltkarten in Merkatorprojektion, jeder Be- 
obachtungsort seine eigene, auf welchen sowohl ein System Linien 
gleichen Abstands vom Beobachtungsort, als auch ein System der nach 
den Richtungen der Windrose verlaufenden geraden Luftlienien ver- 
zeichnet ist. 

Auf der Kugel würde das erstere Liniensystem aus konzentrischen 
Kreisen bestehen, welche mit der Entfernung erst wachsen und, nach 
Uberschreitang von 90° Entfernung, wieder abnehmen, um schließlich 
bei 180° den dem Beobachtungsort entgegengesetzt liegenden Punkt 
des Globus zu umschließen. Das zweite Liniensystem würde auf dem 
Globus ein System größter Kugelkreise bilden, welche sich alle im 
Beobachtungsort und in dessen Gegenpunkt schneiden. 

Die Merkatorprojektion aber erteilt diesen Linien wunderbare 
Verzerrungen, wie sie der Vortragende an einer Karte aufzeigte, die 
nach seiner Anleitung Herr Regierungsbaumeister v. Müller für Stutt- 
gart berechnet und gezeichnet hat. Die Linien des ersten Systems 
lassen rasch die für einen Erdbebenherd in Betracht kommenden 
Gegenden ermitteln, um so leichter, als auf der Karte bereits die am 
häufigsten als Erdbebenherde auftretenden Gebiete der Erde aufgezeichnet 
sind nach den Ergebnissen der Forschungen von Moxtrssus DE BALLORE, 
des hervorragendsten Erdbebengeographen. Eine solche Karte dürfte 
zugleich einigen pädagogischen Wert besitzen, sofern sie trotz der 
großen Verzerrung der Linien durch die Projektion die Entfernungen 
der verschiedenen Erdorte und die Richtung der kürzesten Reise nach 
denselben unmittelbar aufzeigt. In welcher Richtung liegt von Stutt- 
gart aus Japan, in welcher Richtung der Panamakanal? Ersteres, sagt 
die Karte, nicht gegen Südost, obgleich es südlicher liegt als Deutsch- 
land, sondern gegen Nordost, letzterer genau gegen West, obgleich er 
nur 9° vom Äquator absteht. 

Nun läßt sich aber aus den Seismogrammen nicht bloß eine an- 
nähernde Bestimmung der Entfernung eines Epizentrums ableiten, sondern 
auch die Richtung. Hat man an zwei Beobachtungsorten die Ent- 
fernungen desselben Herdes ermittelt, so erhält man auf der Kugel 
Zwei sich schneidende Kreise und man hat nur noch die Wahl zwischen 


— IAXVNI. — 


zwei Orten, die Kreise dreier Beobachtungsorte bestimmen nur noch einen 
einzigen Punkt. Aber noch mehr: Der Russe Fürst Galitzin, dem die 
Mathematik und Technik der Erdbebenforschung viel verdankt, hat ge- 
zeigt, wie man aus den Aufzeichnungen zweier Seismometer ein und 
derselben Station imstande ist, die Himmelsrichtung nach dem Erd- 
bebenherd zu ermitteln. Die verschiedenen Phasen der Aufzeichnung 
eines Fernbebens entsprechen nämlich verschiedenen Richtungen der 
Bodenbewegung. So bestehen insbesondere die Bewegungen der ersten 
Vorläufer aus Schwingungen in Richtung der Fortpflanzung der Erd- 
bebenstöbe. Diese Tatsache erklärt z. B. eine an unserem Hohenheimer 
Vertikalseismometer seit Jahren erkannte Besonderheit, daß es nämlich 
die ersten Vorläufer verhältnismäßig viel deutlicher anzeigt, als die 
beiden Horizontalseismometer der Station das tun. Die schief von unten 
kommenden Stöße der ersten Vorläufer geben eine verhältnismäbig 
große Vertikalkomponente und zwei verhältnismäßig kleine Horjzontal- 
komponenten, die eine von Nord nach Süd, die andere von Ost nach 
West. Gerade diese beiden letzteren Komponenten sind es nun, deren 
Gestalt und verhältnismäßige Stärke uns anzeigt, ob die Stoßrichtung 
positiv oder negativ zu zählen ist, ob sie mehr von Osten bezw. von Westen 
oder mehr von Süden bezw. Norden herkommt; Fürst Galitzin berechnet 
aus den verhältnismäbigen Stärken den möglichst genauen Richtungs- 
winkel. Das ist gewissermaßen der Schlubstein für die Ortsbestim- 
mung der Epizentren. A. Schmidt. 

Sodann sprach Professor Dr. E. Fraas unter Bezugnahme auf 
eine von Herrn Hedinger ausgestellte Pentaerinus-Platte aus den Posi- 
donienschiefern von Holzmaden über die Organisation und Lebensweise 
der Pentacriniden, einer Gruppe der Seelilien, welche auch heute noch 
in der Tiefsee bei den Antillen und Japan vorkommt. Zur Erläuterung 
zeigte er hierbei ein sehr schönes Präparat einer lebenden Penta- 
erinus-Art vor. In unseren schwäbischen Formationen treten die Penta- 
erinen schon im Muschelkalk auf, erreichen aber ihre schönste Ent- 
wicklung erst in der Liasformation. Auch hier konnte Redner ein 
prächtiges Fundstück aus dem unteren Liaskalk vorlegen, welches das 
Naturalienkabinett Herrn Oberförster Reub in Lorch verdankt. In 
groben Rasen müssen die Pentacrinen während der oberen Schwarz- 
jurazeit unseren Meeresgrund bedeckt haben, wie aus jenen herr- 
lichen Stücken zu schlieben ist, welche Quenstedt als Schwabens Medusen- 
häupter beschrieben hat. Auffallend ist es, dab diese großen Seelilien 
auf langen Stielen meistens auf Treibhölzern angewachsen sind, und 
Redner neigt sich daher zu der Anschauung, dab die Tiere nicht auf- 
recht auf dem Meeresbod:n standen, sondern an Treibhölzern fest- 
gewachsen und nach unten hängend im Jurameer umhertrieben. 

E. Fraas. 

Zum Schluß legte Prof. Eichler verschiedene Schriften aus der 
Vereinsbibliothek sowie eine größere Anzahl von Vegetationsbildern aus 
dem bekannten Werk von Karsten und Schenck vor, namentlich aus 
dem Gebiet des Schwarzwalds, der Eifel, der Alpen und von Nord- 
rubland, und besprach in Kürze die dargestellten Vegetationsformationen. 


— LXXIX — 


Sitzung am 10. Januar 1910. 


Med.-Rat Dr. K. Walz sprach »über die Stilltätigkeit und 
ihre Beziehungen zur Säuglingssterblichkeit, sowie über die 
Säuglingsfürsorge in Württemberg«. 

Nach einem historischen Rückblick und einer Übersicht über den 
Stand der Säuglingsfürsorge in Württemberg ging der Redner auf das 
Ergebnis amtlicher Erhebungen über die Stilltätigkeit in Württemberg 
ein, welches zeigt, daß zwar die Durchschnittszahl von 26°/o nicht 
gestillten Kindern im Verhältnis zu anderen Ländern nicht ungünstig 
ist und eher eine Besserung gegen früher bedeutet, daß aber trotzdem ein 
Zweifel darüber nicht bestehen kann, daß in Württemberg eine Still- 
not bestehe, die ganz besonders groß im Donaukreis mit 40°jo Un- 
gestillten ist. Auch bezüglich der Zeitdauer des Stillens sind die 
Verhältnisse im Donaukreis weitaus am ungünstigsten. Diese Stillnot 
beruht nicht auf einer Stillunfähigkeit aus anatomischen Gründen, wie 
dies insbesondere aus Versuchen der Stuttgarter Landeshebammenschule 
hervorgeht, sondern die wesentlichen Ursachen sind die Unwissenheit 
und Indolenz der Mütter und ihrer Umgebung und ungünstige soziale 
Verhältnisse. 

Der Vergleich der Stilltätigkeit der einzelnen Bezirke mit der 
Kindersterblichkeit zeigt, dab trotz erheblicher Differenzen im einzelnen 
eine Übereinstimmung im allgemeinen deraıt besteht, daß im Donaukreis 
mit seiner größten Kindersterblichkeit von 21,2"/o auch die Zahl der 
nichtgestillten Kinder mit 40 °/o am höchsten ist, während der Neckar- 
kreis mit einer Kindersterblichkeit von 19,1°/o die geringste Zahl der 
Nichtgestillten mit 17,6°/o aufweist. Doch fällt auf, daß der Unter- 
schied der Kindersterblichkeit in den einzelnen Kreisen zurzeit über- 
haupt ein geringer ist und entfernt nicht dem Unterschiede in den 
Stilzahlen entspricht. Es ist hieraus jedoch nicht der Schluß zu 
ziehen, daß die Kindersterblichkeit nicht oder nur in geringem Grade 
von der Stilltätigkeit abhänge, denn die Höhe der Kindersterblichkeit 
hängt nicht bloß von der künstlichen Ernährung überhaupt, sondern 
neben anderem besonders auch von der Art der künstlichen Ernährung 
ab. Von anderen Faktoren ist namentlich die soziale Lage zu nennen, 
welche nicht bloß in industriellen, sondern auch bei der heutigen 
Leutenot in ackerbautreibenden Bezirken die Mütter am Stillen hindert 
und sich auch in der größeren Kindersterblichkeit kinderreicher Familien, 
in der Abhängigkeit der Kindersterblichkeit von der Beschaffenheit der 
Wohnungen, in der hohen Kindersterblichkeit der unehelichen Kinder 
und in der seltenen Zuziehung des Arztes äußert. Erfahrungsgemäß 
wird jedoch der Einfluß des Pauperismus, ebenso auch der heiben 
Sommermonate, durch die Brustnahrung völlig aufgehoben. 

Es liegt nahe, die Abnahme der Kindersterblichkeit in Württem- 
berg mit einer Besserung der Kinderernährung in Beziehung zu bringen. 
Württemberg hat früher den traurigen Ruf genossen, die höchste Kinder- 
sterblichkeit in Deutschland zu besitzen. Sie betrug 1862—68 36.0 "lo 
in Prozenten der Lebendgeborenen. Württemberg ist jedoch mit 20 °/o 


— LXXX — 


im Jahre 1906 an die dritte Stelle gerückt, unter Bayern mit 22,7 
und Sachsen mit 21,4?/0o. Die Abnahme in den einzelnen Kreisen ist 
keine gleichmäßige. Während 1846—56 die Differenz zwischen Neckar- 
kreis (30,25 °/o) und Donaukreis (44,05 °/0) 13,8°/o beträgt, ist sie im 
Jahre 1906 nur noch 2,1°/o. Wenn auch der Donaukreis mit 21,2 °/o 
gegenüber dem Neckarkreis mit 19,1, Schwarzwaldkreis mit 20,5, Jagst- 
kreis mit 19,6°/o die höchste Kindersterblichkeit beibehalten hat, so 
besteht doch eine auffallende Neigung zum Ausgleich der Unterschiede. 
Die bedeutende Besserung der Verhältnisse ist neben der allgemeinen 
Hebung der sozialen Lage dem Zusammenwirken der beteiligten Kreise, 
die Ernährungsverhältnisse der Säuglinge zu bessern, zuzuschreiben. 
Die auffallende, im Verhältnis stärkste Abnahme der Kindersterblichkeit 
im Donaukreise spricht dafür, daß dort lokale schädliche Einflüsse nicht 
mehr dieselbe Rolle spielen wie früher. Sodann ging Redner auf den 
weiteren Ausbau der Säuglingsfürsorge ein. Eine Grundbedingung ist, 
daß sich die Fürsorge über alle Kreise der Bevölkerung erstreckt und 
über die geeigneten Organe verfügt. Die Aufgabe muß in erster Linie 
dahin gehen, die Mütter zum Stillen ihrer Kinder zu veranlassen und 
ihnen nach Möglichkeit die Gelegenheit zu geben, die Stillpflicht aus- 
üben zu können. Die Säuglingsfürsorge muß gleichzeitig mit der 
Wöchnerinnenfürsorge verbunden werden. Es ist zunächst eine Zen- 
tralisierung aller Fürsorgebestrebungen nötig, wie dies durch Auf- 
nahme der Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge in das Programm der 
der Zentralleitung des Wohltätigkeitsvereins angegliederten Bezirkswohl- 
tätigkeitsvereine eingeleitet ist. Eine wichtige Frage ist die bessere 
Ausbildung der Ärzte, Hebammen und Wochenbettpfiegerinnen. Die 
Voraussetzung einer erfolgreichen Tätigkeit der Fürsorgestellen ist 
spezialärztliche Leitung und Ausdehnung auf alle Säuglinge des Be- 
zirkes. Auf dem Lande ist auch ohne besondere Fürsorgestelle eine 
Säuglings- und Wöchnerinnenfürsorge durchführbar. Vor einer wahl- 
losen Verteilung von Stillprämien ist zu warnen. Diese sollen indivi- 
dualisiert gegeben werden und nicht bloß Belohnungen, sondern gleich- 
zeitig Beihilfen sein, um das Stillen zu ermöglichen. Die Errichtung 
von Wöchnerinnenheimen zur Aufnahme von ledigen Müttern nach der 
Entbindung kann nicht ohne weiteres empfohlen werden, da die Er- 
fahrung in Säuglingsheimen gezeigt hat, daß die Mütter selbst gegen 
Bezahlung und gegen Aufnahme ihrer eigenen Kinder sich schwer in 
der Anstalt halten lassen. Wünschenswert ist die Erleichterung des 
Wochenbettes auch für verheiratete Frauen, die Einrichtung von Still- 
stuben in Fabriken und ein weiterer Ausbau der Krippen derart, daß 
die aufgenommenen Säuglinge Brustmilch erhalten. Für Säuglings- 
heime ist Voraussetzung spezialistische Leitung und genügende Be- 
schaffung von Muttermilch. Die Errichtung von Milchküchen kann nicht 
ohne weiteres empfohlen werden; jedenfalls sollten sie unter spezial- 
ärztlicher Leitung stehen, nicht an jedermann Milch abgeben, sondern 
in erster Linie auf das Stillen hinwirken. Wichtig ist die Verbesserung 
der Milchhygiene. Die Hauptsache wird stets sein, die Mütter zu ihren 
Mutterpflichten zurückzuführen. Walz. 


a UNN 


An den Vortrag knüpfte sich eine lebhafte Erörterung, die sich 
hauptsächlich auf die Frage bezog, ob künstliche Ernährung die Säug- 
lingssterblichkeit wesentlich erhöhe und wieweit diese daher zuzulassen 
sei. Während einige Redner, wie Medizinalrat Dr. WALcHER, Prof. 
Dr. GmeLın und der Vortragende die künstliche Ernährung verwarfen 
und das Stillen nicht nur als natürlichste, beste und daher erstrebens- 
werteste, sondern auch bei richtiger Behandlung als in allen Fällen 
mögliche Ernährung bezeichneten, wiesen andere, wie namentlich 
Geh. Hofrat Dr. BÄuz, Ober-Med.-Rat Dr. SCHEURLEN, darauf hin, daß 
zwar die Ernährung durch Brustmilch nach Möglichkeit angestrebt 
werden müsse, daß es doch aber auch Fälle gebe, in denen sie aus 
physischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht möglich sei und durch 
künstliche Ernährung ersetzt werden müsse. Die Gefahren der letzteren 
für das Leben und die Gesundheit der Säuglinge beruhen häufiger auf 
ihrer falschen Zusammenstellung, mangelhaften Zubereitung und nach- 
lässigen Verabreichung, als auf ihrer künstlichen Natur überhaupt. Es 
seien daher die Mütter und Pfleger nicht nur zum Stillen, sondern für 
alle Fälle auch über die richtige Zubereitung und Verabreichung der 
künstlichen Nahrung zu unterrichten. E. 


Sitzung am 14. Februar 1910. 


Im mineralogisch-geologischen Hörsaal der Technischen Hochschule 
sprach Prof. Dr. A. Sauer über: >das Mikroskop in der Gesteins- 
kunde.« 

Diese vor 4 Jahrzehnten noch in den Kinderschuhen steckende 
junge Wissenschaft hat sich seither zu einem der wichtigsten Zweige 
der Geologie entwickelt. Der Aufschwung wurde im wesentlichen durch 
die Einführung des Mikroskops in das mineralogische Laboratorium 
und anderseits durch die fortschreitende Technik in der Herstellung von 
Gesteinsdünnschliffen bewirkt. Solche Dünnschliffe, d. h. also dünne 
Gesteinsplättchen, die eine mikroskopische Untersuchung im durch- 
fallenden Licht erlauben, konnten früher nur mit großen Schwierig- 
keiten und ziemlich unvollkommen angefertigt werden; jetzt werden 
sie in besonderen Werkstätten leicht in größter Feinheit, in Dicken 
von 0,05 mm und geringer hergestellt. Hand in Hand hiermit ent- 
wickelte sich unter Führung von Männern wie ZırkEL in Leipzig und 
Rosexgusch in Heidelberg eine sehr feine optische Untersuchungs- 
methode, die es nunmehr ermöglicht, jedes Mineral optisch zn be- 
stimmen. Redner weist darauf hin, wie die außerordentliche Mannig- 
faltigkeit der morphologischen Verhältnisse bei den Mineralien be- 
stimmten Symmetriegesetzen unterworfen ist, die ihren Ausdruck im 
optischen Verhalten der Kristalle finden. In großen Zügen bespricht 
er die Erscheinungen und die Gesetze der Kristalloptik, insbesondere 
die Polarisation des Lichtes beim Durchgang durch die doppelbrechenden 
Kristalle, die Verwendung des Polarisationsapparates beim minera- 
logischen Mikroskop, das Auftreten der charakteristischen Interferenz- 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. f 


— LXXXI — 


farben u. a. m., und zeigt dann, wie diese optischen Erscheinungen 
dazu dienen, um Aufschluß zu geben nicht nur über die Struktur 
und die mineralische Zusammensetzung der verschiedenen Gesteinsarten, 
sondern auch über die Veränderungen, welche diese Verhältnisse durch 
die mit der geologischen Entwicklung verbundenen dynamischen Ein- 
flüsse erfahren haben, und wie umgekehrt diese Strukturänderungen 
Rückschlüsse auf die geologischen Vorgänge gestatten. Kurz wird auch 
darauf hingewiesen, wie die mikroskopische Untersuchung der Mineral- 
struktur Anhaltspunkte für die technische Brauchbarkeit der Gesteine 
liefert, wie ihr somit nicht nur eine hohe theoretische, sondern auch 
eine hervorragend praktische Bedeutung zukommt. Durch einen mit 
dem Mikroskop verbundenen Projektionsapparat wurde an einer großen 
Reihe von Dünnschliffen von Kristallen, Tiefengesteinen, von alten und 
jungen Ergußgesteinen wie auch von Sedimentgesteinen das besprochene 
optische Verhalten den Zuhörern in etwa 1 m großen Bildern sicht- 
bar gemacht. Von besonderem Interesse war es, wie deutlich die 
dynamischen Einwirkungen der Gebirgsbildung, die Pressungen, Quet- 
schungen, Dehnungen an den Gemengteilen der Gesteine in abwechs- 
lungsreichem, glänzendem Farbenspiel zum Ausdruck kamen. E. 


Sitzung am 14. März 1910. 


Nachdem der stellvertr. Vorsitzende Prof. Fraas mit warmen 
Worten der Erinnerung des jüngst verstorbenen Vereinsmitglieds Med.- 
Rat Dr. A. HEDINGER gedacht hatte, der sich in langjähriger Mitglied- 
schaft vielfach um die Sammlungen des Vereins und des Naturalien- 
kabinetts verdient gemacht hat, sprach Dr. H. Broß (Stuttgart) über 
seine geologischen Streifzüge in Paraná (Südbrasilien), wobei 
Redner auch das zoologische und botanische Gebiet berücksichtigte. 

Das Gebiet von Paraná darf wohl zu den unbekanntesten der- 
jenigen Südstaaten Brasiliens, welche an der Ostküste Südamerikas 
teilhaben, gezählt werden. Nördlich davon reihen sich an der Staat 
Sio Paulo und Matto grosso, südlich die Staaten Santa Catharina und 
Rio Grande do Sul, alle 3 mehr oder weniger von europäischer Kultur 
berührt. Am wenigsten der Kultur erschlossen ist Paranä, dessen 
Hafenort Paranaguá bis in die jüngste Zeit die einzige Eingangspforte 
ins Innere bildete. 

Eine Eisenbahnlinie von Paranaguá aus durchquert zunächst in 
westlicher Richtung die breite, oft sumpfige Küstenebene, steigt dann 
in gewaltigen Bögen, über unzählige Viadukte und durch viele kleinere 
Tunnels bis zur 1200 m hoch gelegenen Wasserscheide in der Rand- 
kette, der Serra do Mar. Sie ist ein Glied der in Reihen sich längs 
der Ostküste Brasiliens hinziehenden Gebirgskette. Ihre Abhänge sind 
zum Teil sehr schroff, wild zerrissen und mit undurchdringlichem Wald 
bedeckt. Daraus ragen nur die höchsten Gipfel als vegetationslose 
Felszacken heraus. Sie stellen sich wie ein Grenzwall dem ein- 
dringenden Fremden entgegen. Herrliche Ausblicke gewährt die Fahrt. 


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Einem Garten gleich breitet sich unter uns die Küstenebene aus, um- 
rahmt im Hintergrund vom Meere. Im Innern des Gebirgs passiert 
man ein tiefes, kurzes Quertal. Hohe, schroff abstürzende Felsenwände 
begrenzen es. Kaum vermag das Auge in der eingeengten, wild über- 
wachsenen Felsenspalte am entschwindenden Grund das schäumende 
Silberband zu erkennen. Fast senkrecht unter dem Beschauer tobt 
ein wilder Kampf zwischen den dem Gebirge enteilenden Gewässern 
und den harten Granitwänden. Gischt steigt auf, wo der rechtwinklig 
auf die Schlucht zuströmende Quellfiuß plötzlich sich in den über- 
tieften Kessel stürzt am Anfang des Quertals. Diesem Quellfluß auf- 
wärts folgt die Bahn bis zur Wasserscheide. Schon bei etwa 1000 m 
Höhe beginnt der Wechsel in der Vegetation sich bemerkbar zu machen. 
Die Palme und Banane weicht dem Charakterbaum Paranäs, der Arau- 
caria brasiliensis. Der Westabhang des Randgebirgs fällt flach ab, senkt 
sich nur noch auf 900 m und geht fast unmerklich in das 900 m 
über Meer gelegene Hochplateau von Paraná über. Dort liegt die 
Hauptstadt Curityba. 

Im geologischen Aufbau Paranas, samt seiner Nachbarländer, 
lassen sich in der Hauptsache 2 Teile unterscheiden : das Grundgebirge 
und 2 Terrassen sedimentärer Formationen. 

Das Grundgebirge setzt hauptsächlich den gebirgigen Außen- 
rand zusammen. Es herrschen hier Hornblendegneise und Granite vor, 
unterbrochen von alten Eruptivmassen; auch cambrische Sedimente sind 
eingeschlossen. Im nördlichsten Teil dieser Gebirgsketten, in der Um- 
gebung von Rio de Janeiro erscheint es als Augengneis und bildet dort 
die jedem Besucher Rios auffallenden Felsformen des Zuckerhutes, 
des Corcovado, der Tijuca und bildet überhaupt die geologische Grund- 
lage jenes wunderbaren Panoramas. Von dort aus senkt sich das 
ganze Massiv in südlicher Richtung, bis es bei Florianopolis den 
Meeresspiegel erreicht. Zugleich senkt es sich auch nach Westen, 
dem Paraná zu, als mächtige Abrasionsfläche langsam unter der Sedi- 
mentdecke verschwindend. 

Die Sedimente sind in ihren ältesten Gliedern den spärlichen 
Fossilfunden nach der devonischen Formation zuzuweisen. Darüber 
folgt, die 2 Terrassen aufbauend, ein permocarbonisches Deckgebirge 
aus Tonen, Sandsteinen, kleinen Kohlenflözen und bis 600 m mächtigen 
Eruptivgesteinen. Es wird bezeichnet als das Santa Catharina- 
System, welches in seinen Hauptgliedern durch alle Staaten Süd- 
brasiliens zu verfolgen ist. Für die untere Stufe, der Rio Tubaräo- 
Stufe, ist charakteristisch der Horizont der Orleans-Konglomerate, aus 
welchem gekritzte Geschiebe im nördlichen Teil Paranäs vom Verfasser 
aufgefunden wurden. Darüber folgen 160 m mächtige Tonschichten, 
Sandsteine und wenige Kohlenflöze, deren Bedeutung mehr in der 
reichen Glossopteris-Flora liegt als in der Güte und Menge der Kohlen. 

In der mittleren Stufe, der Passa Dois-Stufe, sind am wichtigsten 
die ca. 70 m mächtigen »schwarzen Tonschiefer von Iraty«, bituminös 
oft pyritisch, welche bei Iraty in Paraná den Mesosuurus brasiliensis 
führen. Auch an anderen Stellen ist dieser Horizont nachgewiesen. 

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Nach Mc GrEGor steht dieses fossile Reptil in sehr naher Beziehung 
zunächst zu Stereosternum von Säo Paulo und zu Mesosaurus tenuidens in 
den Eccaschichten der unteren Karrooformation. Mächtige Sandsteine mit 
Intrusionen von eruptivem Material und zuletzt eine 3 m dicke Kalkbank 
schließen die 2. Abteilung ab. Hier ändert sich der Gesteinscharakter. 
Es scheint eine Diskordanz in der Aufeinanderfolge zu bestehen. Die 
oberste, die Säo Bento-Stufe hat zur Basis 300 m mächtige Sand- 
steine, welche vereinzelt fossile Überreste von Scaphonyx fischeri führt: 
wiederum können hier Anklänge an eine Dinosaurierform in der oberen 
Karroo beobachtet werden. Eine Periode höchster vulkanischer Tätig- 
keit trat ein, in welcher ungeheure Massen eruptiven Materials der 
Erde entquoll und große Gebiete, insbesondere das südliche Paranä 
und Säo Paulo bedeckte. Es sind vorwiegend Melaphyre. Ihre boden- 
kundliche Bedeutung erlangen sie hauptsächlich in Säo Paulo. Sie 
verwittern zur sogen. „terra roxa“ und bilden in dieser Form das 
günstigste Substrat des Kaffeebaums. — In Paraná sind sie zum Teil 
drusig und führen eine Menge Mineralien (darunter Zeolithe: Stilbit, 
Chabasit) in ihren Hohlräumen. Damit schließt das Santa Catharina- 
system ab und zugleich für immer die Periode der Sedimentation mit 
Ausnahme geringer, tertiärer Ablagerungen an vereinzelten Stellen. 

Durch diese Gliederung erscheint besonders deutlich der enge 
Parallelismus dieses Santa Catharina-Systems mit der südafrikanischen 
Karrooformation und weiterhin mit der vorderindischen und der süd- 
australischen Ablagerung derselben Periode. Man kann sich daher der 
Annahme nicht entziehen, dass im Hinblick auf die Konglomerate und 
der fossilen Tier- und Pflanzenreste in Südbrasilien eine permo- 
“earbonische Vereisung sich abgespielt hat, eine Annahme, welche zu- 
erst Auassız und HArTT ausgesprochen haben und von Dr. DERRY und 
J. C. Wuite jetzt vertreten wird. Über die Richtung der Eisströmung 
kann nur vermutungsweise die nordsüdliche bezeichnet werden, da mög- 
licherweise das Flußsystem des Paranı — wie es in unserer nord- 
deutschen Tiefebene der Fall ist —, das Hauptabflußbecken der da- 
maligen Schmelzwasser darstellt. 

Wo der Sandstein an die Oberfläche tritt, ist er oft in eigen- 
artiger Weise durch Winderosion tiefgehend verändert. Unter Ent- 
wicklung einer verkieselten Oberflächenschicht (Schutzrinde) bildete sich 
das Gestein um in mauerartig anstehende Wände mit großen pocken- 
narbigen Auswüchsen, senkrechten Wandrinnen, in mächtige Pilzfelsen 
und an den höchstgelegenen Kanten und Flächen in ein Karrenfeld 
fein ausgemeißelter, blättriger, wirr durcheinanderlaufender Steingebilde. 
Die bizarren Formen, oft mit Horizontal- und Vertikalklüftung, bringen 
den Eindruck mächtiger Ruinenstädte hervor. 

Bezüglich der Vegetation sind für ganz Brasilien, so auch für 
Paraná 2 Bilder charakteristisch: die Waldformation und die Region 
der Campos. 

Mit Wald bedeckt ist der Süden und Norden Paranäs und die 
Serra im Osten. Der Region der Campos gehört an der Raum, welcher 
etwa durch die 3 Punkte Curityba, Ponta Grossa und Jaguariahyva 


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(150 km nördlich P. Gr.) bezeichnet ist. Es scheint den ausgedehnten 
Wäldern das eruptive Gesteinsmaterial, die mehr sterilen Sandsteine 
und Tone den Campos als Untergrund zu dienen. 

Die Charakterpflanze des Hochlandwaldes ist in erster Linie die 
brasilianische Piniere (Araucaria brasiliensis). Regelmäßig verschwindet 
sie dort, wo das Plateau auf 600—700 m sich senkt, so im Süden 
gegen Santa Catharina und im Norden an der Grenze nach Säo Paulo. 
Im Alter trägt ein mächtiger, senkrecht aufstrebender Stamm in höchster 
Höhe eine tellerförmige Krone aus langen, leicht nach oben gekrümmten, 
armleuchterartigen Ästen; an ihren Enden nur ist ein mächtiges Büschel 
scharfer Nadeln in Form eines kugeligen Gebildes angeordnet, in deren 
Mitte der kopfgrobe Fruchtzapfen sich entwickelt. Der Stamm bleibt 
kahl, wo er im dichten Unterholz steht. Merkwürdigerweise ist die 
Jugendform der Araucarie von ganz anderem Habitus. Sie ist pyra- 
midenfürmig und ähnelt dann mehr unserer Zimmeraraucarie. Das 
Holz wird als Baumaterial geschätzt und bildet auch eines der wichtigsten 
Ausfuhrprodukte. — Das beste Bauholz liefert der Imbuiabaum, eine 
Eschenart.. Sein Habitus führt schon hinüber in die ungezählte Menge 
Holzgewächse, welche diese unabsehbaren Urwälder zusammensetzen. 
Es sind nach Dr. Dusen mehr als 300 verschiedener Holzarten bis 
jetzt beobachtet worden. 

Die Nationalpflanze, die das wichtigste, oft einzige Getränk in 
Paraná und den umliegenden Staaten liefert, ist die Hervamate (/ler 
paraguayensis), wild wachsend, doch an lichten Stellen, längs Wegen 
oder Eisenbahn angepflanzt. Ihr Habitus ist etwa der unserer Stech- 
palme. Jedoch tragen die etwa doppelt so großen Blätter keine Stacheln. 
Bei ihrer Zubereitung zu Tee ist ein Haupterfordernis ein kurzes Rösten 
der frisch abgeschnittenen Zweige, wodurch die in Ölbehältern ent- 
haltenen Bitterstoffe der Blätter verflüchtigt werden. Der Mate oder 
Paraguaytee ist das wichtigste Ausfuhrprodukt Paranäüs. 

In Farmen begegnet man oft dem eigenartigen Jaboticaba (Myrciaria 
Jaboticaba, Myrtaceae) mit seinen stammbürtigen (caulifloren) Blüten. 
Die oft in großer Masse erzeugten schwarzglänzeuden Früchte sind 
ebbar. Zahllose Arten von Schlinggewächsen beherbergt der Wald. 
Besonders ist zu nennen der >Cipo Flor«, eine Bignoniacee, mit seinen 
eigentümlichen Wachstumserscheinungen im Holzkörper. Ihre Früchte 
»Pente de Macaco« (Affenkämme) mit den beflügelten Samen sind in 
der ganzen tropischen Zone bekannt. 

Undurchdringliche Bestände bilden die Taquara-Rohre (Bambusa). 
Es sei nur erwähnt, daß für Paraná im Jahr 1908 (während des Auf- 
enthaltes vom Verf.) die 50jährige Vegetationsperiode beendigt war und 
die seltene Gelegenheit sich bot, die Blüten- und Fruchtbildung zu 
beobachten. 

Mächtige Baumfarne in verschiedenen Typen gehören zu den 
Charakterpflanzen, ebenso die zahllosen epiphytischen Orchideen, Bro- 
melien (Tillandsia usnroides), Farne, Cacteen (Rhipsalis). 

Die Campos bieten im brasilianischen Winter ein recht dürftiges 
Bild. Unabsehbare Grassteppen reihen sich wellenföürmig hintereinander, 


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scheinbar ganz unbelebt; nur der Falke läßt beim Auffliegen von seiner 
Aussichtswarte, einem Termitenhügel, sein heißeres Geschrei ertönen: 
weder Bäume noch Hütten unterbrechen die einförmigen Grasflächen: 
ein Bild trostloser Einsamkeit. So zeigen sich die Campos jedoch 
nur von den Höhen aus gesehen. In jeder Einsenkung treten klare 
Quellen zutage; ihr Lauf erzeugt anmutige Waldstreifen. Tief nagt das 
Wasser in den weichen Stein seine Bahn und bringt oft schauerliche, 
wild bewachsene Schluchten hervor, welche dem erstaunten Wanderer 
sich plötzlich auftun. An senkrechten Wänden stürzt sich dann das 
Wasser schäumend in enge Kessel. — Den Flüssen und Bächen folgen 
dichte Waldgürtel und gewähren, wie die mitten in der Grassteppe sich 
erhebenden kleinen Waldinseln (Capäos), im Sommer für Tiere und 
Menschen Schutz vor der glühenden Sonne. Es fehlt also auch dieser 
scheinbar so verarmten Natur nicht an ermunternder Abwechslung. 
Aber wie mit einem Schlag verwandelt sich das düstere Bild. Noch 
ist die Zeit der Dürre. Im Juli bis Oktober setzen die häufigeren 
Regen ein. Jetzt sprießt neues, frisches Grün empor. Ein herrlicher 
Teppich buntester Farbenpracht überzieht den Camp, Miriaden von 
Insekten aus ihren Verstecken hervorlockend. Die Wälder beleben ihr 
sonst so gleichmäßig totes Grün durch Entfaltung mächtiger Blüten- 
schleier. — Besonders reich sind die Kompositen vertreten, darunter 
charakteristisch die Baccharis-Arten mit ihren an Trockenperioden an- 
gepaßten Phyllocladien. Farne ((rleichenia) entwickeln in ihren dichotom 
gegabelten Sprossen die Brutknospen. Vor allem charakteristisch für 
den Camp ist die Camppalme, deren Stamm in der Erde verborgen ist. 
Häufig sind noch Myrtaceen, Melastomaceen, Bignonien, in den kleineren 
Waldstrichen als Baumgewächse und Sträucher Mimosaceen. Nur spärlich 
wird der Camp als Viehweide benützt. Verschlechtert wird der Boden 
und seine Vegetationsdecke durch das alljährlich Ende Winters (August) 
vollzogene Abbrennen des Camps. 

Es ist durch Versuche festgestellt worden, daß bei einiger sach- 
gemäßen Behandlung der Camperde mit tierischem Dünger Reis, Mais, 
was auch sonst in den Kolonien gepflanzt wird, auch Kaffee, Baum- 
wolle, Haber und fast ohne Pflege Kucalyptus ausgezeichnet gedeihen. 
Dabei ist der Camp nur scheinbar so trocken. In den meisten tieferen 
Einsenkungen treten dauernde Quellen zutage. 

In der Tierwelt Paranäs gelten dieselben Gesetze wie für ganz 
Brasilien: bedeutende Entwicklung der Zahnarmen (Edentaten), deren 
Hauptverteter sind das Tatü (Gürteltier) und der Ameisenbär, beide 
Bewohner der Campos; Einwanderung der Huftiere und Raubtiere von 
Norden. Selten in Paraná ist der Puma (Silberlöwe) oder Jaguar: 
häufiger im Camp der Campfuchs. Wildschweine in Herden, ebenso 
kleine Wasserschweine an Flußufern und schließlich die Anta, der 
Tapir, beleben die dichteren Waldstrecken. Der über metergroße 
Teju (Eidechse) haust gern unter den Termitenhügeln, während die 
Klapperschlange sich oft in dem Wurzelstock der mächtigen Bambus- 
stauden aufhält. Ihr Genosse, der gefürchtetste Vertreter unter den 
brasilianischen Schlangen, der Buschmeister (Lachesis), bewohnt den 


= EAN = 


Wald. Unter der Unmasse von oft herrlich gefiederten Vögeln sei nur 
genannt der einzige staatlich geschützte Vogel, der schmutzig-schwarze 
Urubü (Aasgeier), welcher in den kleineren brasilianischen Städten die 
sanitäre Polizei vertritt. Der Camp bildet den Aufenthaltsort einer 
Menge von Hühnern (Rebhuhn), Falken, Spechten, Reihern, Staren usw. 
und die kleinen Waldabschnitte den für die Papageienscharen und die 
Kolibris. Ein Heer von Insekten erscheint mit dem Grünen des Camps: 
Heuschrecken, Schmetterlinge, Leuchtkäfer, Cicaden, Käfer (Procrustiden), 
Spinnen (Mygale). Die Blattschneiderameisen (Attini) beginnen ihr ver- 
derbenbringendes Werk. Unter den Schmetterlingen sei als Bewohner 
der Araucarienwälder angeführt 7’hysania agrippina, zu den Noctuae 
gehörend, der größte Schmetterling der Erde, in seiner grauweißen 
Zeichnung viel Anklang zeigend mit den zackigen ebenso gefärbten 
Fläehen an den Insertionen der Araucarienäste. Eine für den Bewohner 
unangenehme Zugabe der Insektenwelt bilden die verschiedenen Arten 
Mosquitos, Stechfliegen und der Sandfloh (Sarcopsylla). 
Ethnographisches: Die ausgedehnten Urwälder des südlichen 
Paraná und Santa Catharinas bilden den Aufenthaltsort eines Stam- 
mes jener in geschichtlicher Zeit von Norden her eingewanderten Ur- 
bevölkerung Brasiliens. Diese >Shokleng’s« ! (fälschlich Botocudos) 
haben ihre feindselige Haltung bis jetzt bewahrt, so daß alle Versuche 
einer Annäherung vollständig gescheitert sind. Infolge ihrer großen 
Kunst, sich unsichtbar im Wald aufzuhalten, ist nicht sehr viel über 
ihr Leben und Treiben bekannt. Sie führen Holzbogen mit Bambus- 
pfeilen, auch 1’/s m lange Speere. Hier und da begegnet man noch 
Spitzen aus Feuerstein. Ihre sonstigen Geräte scheinen einer der 
niedersten Kulturstufen anzugehören. Sie kennen weder Eisen noch sonst 
ein Erz. In ihren Sambaquis, bis 20 m hohen Muschelbergen, von 
Santa Catharina und Paranä findet man noch eine große Anzahl Stein- 
beile, Schleifplatten, Kochsteine, Pfeilspitzen aus Feuerstein, Tonscherben, 
in Stein und Holz nachgeahmte Gürteltiere und menschliche Knochen- 
stücke. Es stellt dieser Indianerstamm ein seltenes Beispiel dar einer 
kaum der Steinzeit entwachsenen Kulturstufe. — Es ist sehr bedauer- 
lich, daß die Ausrottung solcher schon jetzt stark dezimierten Stämme 
nicht aufzuhalten ist und durch die allmählich auch entlegene Wald- 
gebiete angreifende Kolonisierung des Landes mit seiner den ursprüng- 
lichen Naturformen feindlich gesinnten Kultur weiter fortschreitet. 
Bross. 


Sitzung am 11. April 1910. 


Zu Beginn der im mineralogisch-geologischen Hörsal der Kgl. 
Techn. Hochschule stattfindenden Sitzung gedachte der Vorsitzende der 
drei jüngst verstorbenen Vereinsmitglieder Med.-Rat Dr. W. Camerer- 
Urach, Oberbergrat a. D. K. Sigel-Stuttgart und Prof. Dr. E. Philippi- 


—. 


! Zeitschrift für Ethnologie. Heft 6. 1904. 


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Jena, zu deren ehrendem Andenken sich die Versammlung von den 
Sitzen erhob. Sodann sprach 

Prof. Dr. H. E. Ziegler über die Instinkte und die Gehirne 
der Bienen und Ameisen. 

Das Staatenleben der sozialen Insekten, das seit alten Zeiten die 
Bewunderung der Beobachter erregt hat, beruht auf sozialen Instinkten. 
Allerdings haben die Bienen und Ameisen daneben auch ein Gedächtnis 
und einen gewissen Grad von Verstand, wie LunBock, FOREL, WASMANN 
und von BurrTEL-REEPEN gezeigt haben. 

Im Bienenstaate und im Ameisenstaate kommen bekanntlich drei 
Formen von Individuen vor: Männchen, Weibchen und Arbeiterinnen ; 
die letzteren sind Weibchen mit unvollkommen entwickelten Geschlechts- 
organen. Jede dieser 3 Formen hat ihre besonderen Aufgaben und zu 
diesem Zwecke auch ihre besonderen Instinkte. 

Jeder Instinkt beruht auf ererbten Bahnen des Nervensystems und 
bedingt den Trieb und die Fähigkeit zu einer mehr oder weniger 
komplizierten Handlung. 

Die 3 Formen der Bienen und der Ameisen haben entsprechend 
ihren verschiedenen Instinkten auch verschiedene Gehirne. Um die 
Beziehung zwischen der Gehirnorganisation und den Instinkten, welche 
für die Instinktlehre überhaupt von Wichtigkeit ist, möglichst genau 
festzustellen, ließ der Vortragende in Jena durch seine Schüler die 
Gehirne der Bienen und der Ameisen untersuchen und nach der Platten- 
modelliermethode aus den Schnittserien körperlich reproduzieren. Die 
Bienengehirne bearbeitet C. Jonescu aus Jassy (Rumänien), die Ameisen- 
gehirne Marion Swrer aus New York und H. PIETSCHKER. 

Bei den Bienen zeigt das Gehirn der Drohne einen großen Seh- 
lappen, welcher der Größe der Augen entspricht; die Drohne bedarf 
des guten Sehvermögens, um im Fluge die Königin zu verfolgen. Der 
Riechlappen des Gehirns ist aber bei der Drohne im inneren Bau 
weniger hoch entwickelt als bei der Arbeiterin, da die Drohne an den 
Arbeiten des Einsammelns von Nahrung und der Brutpflege keinen 
Anteil nimmt. Bei der Arbeiterin ist der Sehlappen erheblich kleiner 
als bei der Drohne, aber doch etwas größer als bei der Königin; die 
Arbeiterin orientiert sich bei ihren Ausflügen mittels des Gesichtssinnes 
und dieser Sinn ist daher für sie viel wichtiger als für die Königin, 
die bekanntlich nach der Rückkehr vom Hochzeitsfluge immer im Stock 
bleibt (bis zum Abgang des Vorschwarmes, bei welchem sie von den 
Arbeiterinnen geleitet wird). Der Riechlappen ist bei der Arbeiterin 
ebenso groß wie bei der Drohne, also im Vergleich zu der Gesamtgröbe 
des Kopfes und des Gehirns relativ größer, und in der inneren Organi- 
sation höher entwickelt als bei der Drohne. Auch ist der Riechlappen 
der Arbeiterin größer als derjenige der Königin, da die Arbeiterin bei 
ihren mannigfaltigen Aufgaben eines höher entwickelten Geruchsver- 
mögens bedarf als die Königin. Die sogen. pilzförmigen Körper, in 
welchen Bahnen aus allen Sinneslappen des Gehirns zusammenkommen, 
und in denen neben komplizierten Instinkten wohl auch zum Teil das 
Gedächtnis lokalisiert ist, sind bei der Arbeiterin bedeutend größer 


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als bei der Königin, was sich bei der Verschiedenheit der Lebensweise 
erklären läßt. Die pilzförmigen Körper der Drohnen sind auch größer 
als diejenigen der Königin und nahezu ebenso groß als diejenigen der 
Arbeiterin. Dieser Befund ist auffallend, da die Arbeiterinnen sowohl 
in bezug auf die Mannigfaltigkeit der Instinkte als auch in bezug auf 
das Gedächtnis den Drohnen weit überlegen sind. Wenn auch Unter- 
schiede in der histologischen Struktur bestehen, welche eine relativ 
höhere Entwicklung der betreffenden Teile der Arbeiterin bedingen, so 
ist doch der Schluß zu ziehen, daß die pilzförmigen Körper nicht aus- 
schließlich Organe des Verstandes sind, wie manche Autoren meinten, 
sondern auch Instinkten zur Grundlage dienen; sonst würden sie bei 
den dummen Drohnen nicht so groß ausgebildet sein. 

ForREL meinte, daß bei den Männchen der Ameisen die pilzförmigen 
Körper ganz fehlen und brachte diese Ansicht mit dem niederen Stand 
der geistigen Fähigkeiten der Männchen in Zusammenhang. Unsere 
Studien an Camponotus ligniperdus und an Lasius haben aber ergeben, daß 
die Männchen ebenfalls pilzförmige Körper besitzen, allerdings kleinere 
als die Königinnen und Arbeiterinnen. Die Gehirne der Männchen der 
Ameisen sind in ähnlicher Weise wie diejenigen der Drohnen durch 
einen großen Sehlappen ausgezeichnet, weisen aber nur einen kleinen 
Riechlappen auf. Bei. den Arbeiterinnen der Ameisen ist der Riech- 
lappen besonders groß, da die Geruchsempfindungen für sie beim Finden 
des Weges und bei den mannigfachen Arbeiten im Nest sehr wichtig 
sind. Auch zeigen die pilzförmigen Körper der Arbeiterinnen eine viel 
größere und höhere Entwicklung als diejenigen der Weibchen. 

Das allgemeine Resultat dieser Studien ist dies, daß die Ver- 
schiedenheit der Instinkte und die Verschiedenheit der Lebensweise auf 
den Unterschieden in der Organisation des Gehirns beruht. 

H. E. Ziegler. 


Sitzung am 9. Mai 1910. 


Öberstudienrat Dr. Lampert: „Ozeanographische Forschung 
und das Museum in Monaco“. 

Einleitend gab der Redner eine Skizze über die Entstehung und 
Entwicklung der jungen Wissenschaft der Meereskunde, um sodann ein 
Bild zu geben von der wissenschaftlichen Tätigkeit des Fürsten von 
Monaco. Den Fachmännern ist der Fürst längst bekannt durch seine 
jetzt seit 25 Jahren eifriget und erfolgreich betriebenen Forschungen 
auf allen Gebieten der Meereskunde. Als Krönung seiner wissenschatt- 
lichen Tätigkeit hat der Fürst vor einigen Jahren in Paris ein Institut 
für Ozeanographie gegründet und als Ergänzung hiezu ein Museum für 
Özeanographie in Monaco. Am Osterdienstag d. Js. fand dessen Er- 
Öffnung statt, zu welcher auch der Vortragende eine Einladung er- 
halten hatte. 

Der Schilderung des Museums schickte der Vortragende eine zu- 
sammenfassende Übersicht über die 22 wissenschaftlichen Expeditionen 
voraus, die der Fürst bis jetzt ausgeführt hat, und eine Beschreibung 


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der hiezu verwendeten Schiffe. Meist galten die Fahrten Untersuchungen 
im westlichen Mittelmeer und im Atlantischen Ozean, besonders bei den 
Azoren. Aber mehrfach führte der Fürst sein Schiff in den hohen 
Norden und besonders wurden an der nördlichen Küste Spitzbergens 
eingehende Forschungen angestellt. Alle Zweige der Özeanographie wurden 
berücksichtigt; allein über 3000 Lotungen wurden ausgeführt, wobei 
als größte Tiefe 6035 m erreicht wurden. In den letzten Jahren wurde 
auch das Luftmeer zum Zweck der Feststellung der Luftströmungen in 
größerer Höhe mittelst Drachen in den Kreis der Forschungen hereingezogen. 

Einen Überblick über all die verschiedenen Apparate, die heute 
die Ozeanographische Forschung benötigt und die auf den Fahrten zur 
Verwendung kamen, bieten uns die Ausstellungssäle des Museums. Das 
Museum selbst ist nicht, wie wohl vielfach fälschlich angenommen wird, 
als eine Schaustellung von Aquarien gedacht, sondern als eine Stätte 
ozeanographischer Arbeit und als eine Sammlung aller auf die Meeres- 
forschung bezüglicher Apparate; ferner enthalten die großen Sammilungs- 
säle in sehr schöner Aufstellung die an Artenzahl ebenso bedeutende 
wie wissenschaftlich wertvolle Ausbeute der Expeditionen des Fürsten. 
Einzelnes herausgreifend schildert der Vortragende die mannigfachen 
Lote, die Apparate zur Bestimmung der Dichtigkeit des Wassers und 
zur Entnahme von Wasser aus größeren Tiefen zum Zweck der Unter- 
suchung des Gasgehalts desselben, die Thermometer und andere ebenso 
komplizierte wie geistreich ersonnene Apparate, besonders aber die 
Netze, von denen eine Anzahl Erfindungen des Fürsten sind. Bis zu 
einer Tiefe von 6000 m wurde mit dem großen Tiefseenetz gearbeitet; 
eigenartig konstruierte Tiefseereusen brachten bisher nie gefangene Tiere 
in vollständig guter Erhaltung zur Oberfläche und zum Fang der frei- 
schwimmenden Tierwelt dienen Netze in verschiedenen Formen, zum 
Teil so eingerichtet, daß sie sich automatisch in beliebigen Tiefen öffnen 
und schließen. 

Mit welchem Erfolg in den 25 Jahren der wissenschaftlichen 
Tätigkeit des Fürsten von ihm und seinem Stab, an dessen Spitze der 
verdiente Zoologe Dr. Jurres Ricar steht, gearbeitet wurde, zeigen die 
zoologischen Sammlungen des Museums, die die Ausbeute der Expeditionen 
enthalten. Nicht die große Zahl neuer, bisher unbekannter Arten ist 
es, die diese Sammlung von Tiefseetieren so hoch einschätzen läßt, 
sondern vor allem auch die zahlreichen, vom wissenschaftlichen Stand- 
punkt aus besonders interessanten Formen: Glasschwämme, altertüm- 
liche Seeigel und vor allem die Tintenschnecken (Tintenfische),. Um 
diese schwer zu erreichenden Tiere zu erlangen, macht der Fürst Jagd 
auf Potwale, die sich besonders von Tintenschnecken nähren; eine Reihe 
höchst merkwürdiger Formen wurde erbeutet, darunter bisher einzig 
dastehende Tintenschnecken mit Schuppen. 

Wird der Fachmann mit Staunen die Reichhaltigkeit des Museums 
an Apparaten und Tiefseetieren studieren, so hat der flüchtige Besucher 
Gelegenheit, sich leicht und mühelos über allgemeine Ergebnisse der 
Özeanographie zu unterrichten. Mächtige Glassäulen von quadratischem 
Durchschnitt versinnbildlichen die verschiedene Tiefe der Ozeane, schön 


— XCI — 


geordnet liegen in Glasröhren die verschiedenen Stoffe, die sich im 
Meerwasser gelöst finden; Bodenproben zeigen die verschiedene Natur 
des Meeresbodens. Einige kleine Abteilungen zeigen die Verwertung 
verschiedener Meeresprodukte, wie Perlmuschel, Perlen, Schildpatt und 
von der Decke hängen neben mächtigen Netzen die Drachen zur Unter- 
suchung der höheren Luftschichten herab. 

Das Museum für Ozeanographie ist wie das Institut in Paris 
international; es soll Gelehrten aller Nationen zu wissenschaftlichen 
Arbeiten offenstehen, und eine internationale Kommission ist eingesetzt, 
welcher die Pflicht der Erhaltung und Weiterführung für spätere Zeiten 
obliegt. In der Geschichte ozeanographischer Forschung und speziell 
in der Zoologie hat sich der Fürst ALrserT I. vox Monaco in den 
Publikationen, in denen die reichen Forschungsresultate niedergelegt 
sind und von denen etwa 100 aus der Feder des Fürsten selbst stammen, 
längst ein Denkmal gesetzt, im ÖOzeanographischen Museum ist dies 
auch für weitere Kreise geschehen. Lampert. 


3. Oberschwäbischer Zweigverein für vaterländische 
Naturkunde. 


Ausflug nach Friedrichshafen am 14. Juli 1909, 


Die trotz der gerade herrschenden Regenperiode von Wetterglück 
begünstigte Fahrt führte etwa 50 Personen, darunter zahlreiche Damen, 
an die Gestade des Bodensees. Nach einem in der Hafenrestauration 
eingenommenen Mittagsmahl wurde zunächst die Drachenstation be- 
sucht. Dort erläuterte ihr Vorstand, Dr. Kleinschmidt, die Zwecke und 
Betriebserfahrungen dieser Einrichtung, bei welcher teils Kastendrachen 
teils Fesselballons verwendet werden; und zwar geschehen 75 °/o aller 
Aufstiege mittels Ballon und nur 25°/o mittels Drachen. Bei Drachen 
wird durch die Fahrt des Schiffes gegen den Wind der Luftzug ver- 
stärkt, damit der Drachen steigt. Bei Anwendung des Fesselballons, 
welche bei schwächerem Winde stattfindet, wird dagegen durch die 
Fahrt des Schiffes in der Windrichtung der Luftzug aufgehoben, so 
daß der Ballon stets senkrecht über dem Schiffe steht. Gehalten werden 
Pallon und Drachen durch ganz dünnen Stahldralıt, nur die ersten 20 m 
sind aus dünnerer Schnur, um mit der Hand gegriffen werden zu können. 
Der Draht wird durch eine mit einer Feder gespannten Rolle auf den 
einwirkenden Zug stets beobachtet, um ein Abreißen zu verhindern. 
Die Instrumente zeichnen auf einer berußten Walze selbsttätig den 
Luftdruck, die Temperatur, die Feuchtigkeit und Windgeschwindigkeit, 
bezw. die Geschwindigkeit des Aufstieges auf. Das Drachenboot „Gna“ 
ist imstande, bis zu 50 Pferdekräfte zu entwickeln und zwar kann es 
unter Anwendung eines Luft eintreibenden Ventilators sehr rasch, binnen 
3 Minuten, von gewöhnlicher Fahrt zur stärksten Kraftanwendung über- 
gehen, wozu es seine Kesselkonstruktion befähigt. Der Fesselballon ist 
in seiner Größe abhängig von dem Schuppen, in dem er untergebracht 


— XCII — 


werden muß; sonst würde ein größerer angewendet werden. Man kann 
mit Fesselballon eine größere Höhe erreichen als mit Drachen, bei 
denen im allgemeinen, weil sie schräg aufsteigen, die doppelte Draht- 
länge gegenüber dem. senkrecht in die Höhe gehenden Fesselballon er- 
forderlich ist. Ein Fesselballon hat somit weniger Drahtlast zu tragen 
und kann demnach höher steigen. Wichtig ist das genaue Beurteilen 
und rechtzeitige Erkennen der Windrichtung, damit an dem richtigen 
Punkt im See der Aufstieg angefangen wird. Daher werden sogen. 
„Pilotballons“, etwa °/ı m im Durchmesser haltend, freischwebend auf- 
gelassen und mittels Theodolits beobachtet. Durch verschiedene Mani- 
pulationen kann die in den einzelnen Höhen herrschende Windrichtung, 
Windstärke, Temperatur und Feuchtigkeit festgestellt werden, was von 
großer Wichtigkeit ist. 

Nach diesem Besuch besichtigte der größere Teil der Gesellschaft 
im Vorübergehen auch das neue Rathaus, um alsdann noch der Samm- 
lung des Vereins für Geschichte des Bodensees einen Besuch abzustatten, 
deren Vogelsammlung, römische und Pfahlbautenfunde sowie sonstige 
lokale Altertümer ein hohes Interesse erregten. Den Schluß bildete die 
Besichtigung der im vollen Bau begriffenen Luftschiffwerftanlage im 
Riedlepark und des ebenfalls im Bau begriffenen eisernen Gasbebälters, 
welcher unter Anwendung von durch Druckluft in Bewegung gesetzten 
Niet- und Stemmmaschinen erstellt wird. — Die Teilnehmer vereinigten 
sich hiernach noch im „Deutschen Haus“ oder im Garten des „Buch- 
horner Hofes“, bis die Abendzüge die hochbefriedigten Ausflügler wieder 
nach Hause entführten. . 

(Nach Staatsanzeiger für Württ. v. 26. Juli 1909.) 


Versammlung in Aulendorf am 17. November 1909. 


Prof. Dr. Sauer-Stuttgart hielt einen Vortrag über „Bau und 
Entstehung der Alpen“ mit Lichtbildern. Die merkwürdige Tat- 
sache, daß man am Nordrande der Alpen dieselben Gesteinsarten findet 
wie im Schwarzwald (z. B. ist der Erstfelder- und Innertkircher Gneis 
derselbe wie der des Schwarzwalds), findet ihre Erklärung darin, daß 
die kristallinen Massen der Alpen mit dem Grundgebirge des Schwarz- 
waldes, der Vogesen usw. in unterirdischem Zusammenhang stehen. 
Auch die sedimentären Gesteine der Alpen sind dieselben wie die 
unsrigen, bloß sind jene durch ungeheure dynamische Einwirkungen in 
ihrer Struktur verändert; dies zeigt sich namentlich an den alpinen 
Petrefakten (Belemniten, Ammoniten u. dergl.), welche breitgedrückt 
sind; die runden Kugeln der Eisenoolithe sind ebenfalls plattgedrückt. 
Die Eruptivgesteine zeigen eine Umwandlung; der Granit wird durch 
die Pressung schiefrig und so dünn, daß man Dachplatten daraus spalten 
kann. An prächtigen Dünnschliffen wurde gezeigt, wie der spröde Quarz 
durch ungeheuren Druck bruchlos plastisch wird. Diese Druckwirkungen, 
welche jenseits der Grenze unserer physikalischen Versuche liegen, nennt 
man die Dynamometamorphose der Gesteine. Sie ist auch die Ursache 


— XCM — 


der Faltungserscheinungen der Alpen. Bei der Feststellung der Schichten, 
welche sich nicht in der regelmäßigen Reihenfolge anordnen, sondern 
wirr durcheinander liegen, hört die Geologie auf; die Petrographie tritt 
helfend ein. Die Durchbohrungen der Alpen am Gotthard, Mt. Cenis 
usw. haben in diesen schwierigen, oft strittigen Fragen völlige Auf- 
klärung gebracht. Insbesondere ist der Bau des Simplontunnels der 
Schlüssel für den tektonischen Aufbau der Alpen geworden. Die aus 
der Oberfläche vermuteten Schichten, welche durch Profile von STUDER 
1851, GErLAcH 1861, Renevier 1877, ScHuarpr 1893 und TRAVERSO 
1895 veranschaulicht wurden, sind durch die Tunnelbohrung voll- 
ständig bestätigt worden. Diese Schichten liegen beim Simplon sechs- 
mal untereinander gefaltet, so daB man auf der 20 km langen Strecke 
einen 22fachen Schichtenwechsel vorfindet. Auch der eigenartige Auf- 
bau der Mythen am Vierwaldstättersee, welche aus wurzellosen, auf 
Triasschichten aufstehenden Gneismassen gebildet sind, ferner die merk- 
würdigen Giswyler Stöcke wurden eingehend besprochen und im Bilde 
vorgeführt. Zahlreiche schematische Darstellungen sowie Landschafts- 
bilder vervollständigten die mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgten 
Ausführungen des Redners. (S. auch das Referat in dies. Jahresh. 1908. 
S. XLII. — Red.) Da der Vortrag, durch welchen die Zuhörer mit 
den neuesten Theorien über die Entstehung der Faltengebirge bekannt 
gemacht wurden, den ganzen Abend ausfüllte, so mußten die übrigen 
Punkte der Tagesordnung auf die nächste Versammlung zurückgestellt 
werden. (Nach Staatsanzeiger für Württ. v. 20. Nov. 1909.) 


Versammlung in Aulendorf am 2. Februar 1910. 


Nach Begrüßung der etwa 100 Anwesenden durch den Vorstand, 
Direktor Dr. Groß - Schussenried, gab der Schriftführer Baurat Dittus- 
Leutkirch ein Bild von der Tätigkeit des Vereins im abgelaufenen Jahr; 
die Mitgliederzahl hat sich von 186 auf 194 erhöht. 

Hierauf hielt Prof. Dr. Fraas-Stuttgart einen Vortrag über „Alte 
und neue Dinosaurier-Funde‘. Wie in der Neuzeit die Säuge- 
tiere an der Spitze der Tierwelt stehen, so beherrschen in der meso- 
zoischen Periode, die man mit dem Mittelalter der Erde vergleichen 
kann, die Reptilien oder Saurier die Welt, und wie es heutzutage 
fleisch-, pflanzenfressende, auf der Erde und im Wasser lebende Säuge- 
tiere gibt, so zerfallen die damals lebenden Saurier in dieselben 
parallelen Klassen. Die fleischfressenden Arten zeigen kleineren Körper- 
bau, die Pflanzenfresser sind von ganz gewaltiger Größe, was ihnen 
den Namen Dinosaurier oder Schreckensaurier eingetragen hat. Sie 
haben alle bei größter Mannigfaltigkeit ihrer Formen denselben Aufbau 
des Schädels und des Skeletts. Der Schädel ist sehr klein (zum Unter- 
schied von den Krokodilen) und besteht aus dünnen Knochen, welche 
sehr zerbrechlich sind, so daß von 90°jo aller aufgefundenen Dino- 
saurier der Kopf fehlt. Die Saurier wurden zuerst in England von 
HrxLey und dann in Amerika von Marsu erkannt. Großes Interesse 


BL a d a Aa e—a ç _OOZġO 


— XCIV — 


hat das Studium der Methode der Ausgrabung dieser Tiere. Der Redner 
schildert in anschaulicher Weise, wie er selbst vor 20 Jahren in den 
2000 m tiefen Schluchten des Green River, der aus dem nordameri- 
kanischen Felsengebirge kommt, seine „Lieblinge“ systematisch auf- 
gesucht und auch gefunden hat; von da ging er hinüber nach den 
endlosen Prärien in Wyoming, wo er ebenfalls großartige Funde machte. 
Vor 3 Jahren hat er in Ostafrika wieder ein Saurierlager untersucht ; 
die dort gefundenen Tiere übertreffen an Größe noch die amerikanischen: 
es sind die von ihm benannten Gigantosaurier mit einem Vorderarm von 
2,20 m, Unterarm von 1,20 m, einer Pranke von 60 cm Länge; die Aus- 
ladung der Pfote beträgt allein einen Quadratmeter. Die Gesamtlänge 
eines solchen Tieres bewegt sich zwischen 25—30 m. Dies sind Formen, 
die alle bis jetzt bekannten in Schatten stellen. Aber auch bei diesen 
fehlen wegen der Zerbrechlichkeit der dünnen Schädelknochen die Köpfe. 
Besonders glücklich .sind in dieser Hinsicht die vor Jahresfrist bei uns 
in Württemberg, am Stromberg, bei Pfaffenhofen im Keupergebiet ge- 
machten Funde von Halticosaurus und Sellosaurus. Bei diesen, wenn 
auch kleineren Exemplaren sind die Schädel noch erhalten und konnten 
rekonstruiert werden. 

Alsdann berichtete Forstamtmann Dr. Rau-Schussenried über 
einen beim Schussenrieder Bahnhofumbau ausgegrabenen Elch, der durch 
seine wunderbare Erhaltung (es fehlt nur der rechte Hinterfuß) eine 
Zierde der Stuttgarter Sammlung bildet. (Vergl. W. O. DırrrıcHh, Neue 
fossile Cervidenreste aus Schwaben. Unten S. 318.) Ferner zeigte 
Stadtschultheiß Müller-Biberach unter kurzen Erläuterungen Seismo- 
gramme des letzten Erdbebens. — Prof. Dr. Klunzinger schilderte 
noch eine Nilfahrt, die er im Februar 1367 von Kairo aus bis hinauf 
zum ersten Katarakt zwischen der Insel Phylae und der Stadt Assuan 
unternommen hat. Auch die Ausführungen dieses Redners, die sich auf 
die Schilderung von Land und Leuten und namentlich auch auf das 
Geschichtliche von Ägypten erstreckten, fanden lebhaften Beifall. — 
Wie der Vorsitzende noch mitteilte, soll die diesjährige Sommerfahrt 
gemeinschaftlich mit dem „Schwarzwaldverein“ und dem „Ulmer mathe- 
matisch-naturwissenschaftlichen Verein“ nach Bregenz gehen. 

(Nach Staatsanzeiger für Württ. v. 7. Februar 1910.) 


4. Schwarzwälder Zweigverein für vaterländische Naturkunde. 


Versammlung in Calw am 23. Mai 1909. 


Die Versammlung, die im Saal des „Georgenäum“ stattfand, 
wurde an Stelle des verhinderten Vorstandes von Prof. Beurlen be- 
grübt und eröffnet. 

Zunächst sprach Dr. Basler-Tübingen über Scheinbewegungen. 
Eine Bewegung können wir mit Hilfe des Auges in verschiedener 
Weise wahrnehmen. Wir können erstens den wandernden Gegenstand 
mit dem Blick verfolgen; dann gelangen wir zu einer Vorstellung über 


— XCV — 


. die Art der Bewegung nach der dabei auftretenden Drehung des Auges, 
also durch das Muskelgefühl der Augenmuskulatur. Zweitens kann aber 
. auch das Auge ruhig bleiben; dann erkennen wir die Art, wie der 
. Gegenstand seine Lage verändert, an der gleichzeitig auftretenden Ver- 
schiebung seines Netzhautbildes.. In beiden Fällen ist eine wirkliche 
Bewegung vorhanden. 

Eine Bewegungsempfindung kommt aber unter Umständen auch 
zustande ohne objektive Bewegung; man spricht in diesem Falle von 
- einer Scheinbewegung. Dahin gehört die höchst merkwürdige Tatsache, 
- die wir unter dem Namen des Bewegungsnachbildes kennen. Betrachtet 
man nämlich mit möglichst ruhig gehaltenen Augen einige Zeit hin- 
durch (etwa 10—20 Sekunden) eine Reihe von gleichartigen Objekten, 
. z. B. parallele schwarze Streifen auf weißem Grunde, die gleichmäßig 
in einer Richtung verschoben werden, so glaubt man, wenn diese Ver- 
. schiebung plötzlich aufhört, daß dieselbe in umgekehrter Richtung statt- 
. findet. Diese überraschende, aber leicht zu beobachtende Erscheinung 
hat in der physiologischen Optik eine Analogie in den sogen. negativen 
Nachbildern. Blickt man z. B. einige Zeit, etwa 20 Sekunden lang, 
auf eine in einer bestimmten Farbe (etwa rot) ausgeführte Zeichnung 
und sieht hiernach auf eine indifferente Fläche, dann erscheint innerhalb 
kürzester Frist wieder dieselbe Figur, aber in der Gegenfarbe (grün), 
daher die Bezeichnung „negativ“. Damit verglichen muß man auch 
das Bewegungsnachbild als ein negatives bezeichnen, denn die Be- 
wegung erfolgt in einer der wirklichen entgegengesetzten Richtung. 
Die Geschwindigkeit der Nachbildbewegung ist im Anfange verhältnis- 
mäLig groß und wird zum Schluß immer kleiner. Im übrigen erfolgt 
die scheinbare Wanderung der Striche um so schneller und dauert um so 
länger, je schneller die wirkliche Bewegung erfolgte, je länger sie an- 
gesehen wurde, und je enger die Striche der bewegten Fläche beisammen 
standen. Die beschriebenen Versuche wurden gezeigt. 

Sodann sprach Dr. Basler-Tübingen über die Wahrnehmung 
kleinster Bewegungen mittels des Auges. Es ist selbst- 
verständlich, daß die Bewegung eines Gegenstandes erst von einer be- 
stimmten Größe der Verschiebung an erkannt werden kann. Um diese 
untere Grenze zu ermitteln, wurde eine Anordnung getroffen, welche es 
ermöglicht, einen Streifen von weißem Papier um außerordentlich ge- 
ringe Beträge zu verschieben und gleichzeitig die Größe der Ver- 
schiebung zahlenmäßig zu bestimmen. Ein möglichst weißer Papier- 
streifen ist auf dem kurzen Hebelarm eines einarmigen Hebels aufgeklebt, 
während der lange Arm längs einer Skala verschoben werden kann. 
Der auf diesem Prinzip beruhende Apparat wird in seiner Anwendung 
demonstriert. 

Mit diesem Apparat ließ sich nun feststellen, daß bei hinreichender 
Beleuchtung die Verschiebung eines weißen Papierstreifens auf schwarzem 
Grunde auf 30 cm Distanz noch erkannt wird, wenn sie ?/ıoo mm be- 
trägt. Manche Versuchspersonen erkannten sogar unter den gleichen 
Bedingungen eine Verschiebung von ?'ıoo mm. Eine Bewegung von 

ıo mm entspricht einem Sehwinkel von rund 20 Winkelsekunden und 


— XCI -- 


die Verschiebung des Netzhautbildes beträgt 1,5 Tausendstelmillimeter. 
Nun weiß man aber, daß von normalen Augen zwei Punkte gerade noch 
als getrennt wahrgenommen werden, wenn ihre Entfernung einem Seh- 
winkel von etwa 50 Sekunden entspricht. 

Man kann demnach eine Bewegung wahrnehmen, die 
sich zwischen zwei Punkten abspielt, die so nahe bei- 
sammenliegen, daßsienichtalsgetrennterkannt werden 
können. 

Zur Erklärung dieser Erscheinung muß man sich vergegenwärtigen, 
daß die Netzhaut ein Mosaik von lichtempfindlichen Elementen dar- 
stellt, den Stäbchen und Zapfen. An der Stelle des deutlichsten Sehens 
befinden sich nur Zapfen. Dieselben besitzen dort nach anatomischen 
Messungen einen Durchmesser von etwa °/Jıooo mm. Jedes dieser Netz- 
hautelemente bedingt, durch einen Lichtstrahl gereizt, die Empfindung 
eines Lichtpunktes. Sollen zwei leuchtende Punkte als getrennt wahr- 
genommen werden, dann müssen sie sich so auf der Netzhaut abbilden, 
daß mindestens ein Element zwischen ihnen liegen bleibt. Denn 
würden zwei zusammenstoßende Elemente gereizt, so hätte man den 
Eindruck einer kurzen Linie resp. eines Punktes. Es ist ganz so, wie 
wenn ein Künstler auf einem Mosaik zwei getrennte weiße Punkte auf 
schwarzem Grunde darstellen will, dann muß er zwischen die beiden 
weißen Steinchen mindestens ein schwarzes einfügen; andernfalls gibt 
das Bild einen kurzen weißen Strich wieder, aber nicht zwei Punkte. 
Damit also zwei Punkte bei Fixation als getrennt gesehen werden, 
müssen sie mindestens um eine Zapfenbreite d. h. °/ıooo mm vonein- 
ander entfernt sein. Eine Bewegung dagegen wird erkannt, sobald die 
Verschiebung so groß ist, daß ein neues Netzhautelement resp. eine 
Reihe solcher erregt wird. Dieses ist aber der Fall bei der Verschiebung 
des Netzhautbildes um eine halbe Zapfenbreite d. h. 1,5 Tausendstel- 
millimeter. Als interessante Nebenerscheinung wurde erwähnt, daß die 
kleinen Bewegungen gewöhnlich erheblich überschätzt werden. 

Basler. 

Ferner sprach Dr. R. Lang-Tübingen über: Landschaftsbild 
und Klima zur Buntsandstein- und Keuperzeit in Schwaben. 

Geologische Landschaftsbilder der Triaszeit haben nur für einen 
bestimmten Landstrich Gültigkeit, weil Landschaft und Klima damals, 
ähnlich wie heute, in verschiedenen Gegenden wechselte. Es müßte, 
da auch innerhalb einer geologischen Formation der geologische Charakter 
sich oft mannigfach änderte, eigentlich für jede Stufe, die eine besondere 
petrographische Ausbildung oder eine von der vorhergehenden ab- 
weichende Fossilführung aufweist, ein besonderes Landschaftsbild kon- 
struiert werden; aber es sind oft zu wenige Einzelheiten, sicher fest- 
gestellt, als daß die wenigen Striche, die wir mit gutem Gewissen 
zeichnen könnten, genügten, um ein befriedigendes Landschaftsbild zu 
erzeugen. Buntsandstein und Keuper sind einander in vielen Zügen 
verwandte Bildungen. In beiden Formationen sind Fossilien zumeist 
recht selten und auf wenige Arten beschränkt. Klastisches Material 
hat herrschenden Anteil am Aufbau der Gesteine. Es finden sich, 


— XCVI — 


jedenfaHs innerhalb Deutschlands, in beiden Schichtenreihen Sandsteine, 
Mergel und Dolomite, weiter Gips bezw. Anhydrit, Steinsalzpseudo- 
morphosen und auch Steinsalz, Wellenfurchen, Trockenrißausfüllungen usw. 
Andererseits sind für den Buntsandstein allein charakteristisch das Vor- 
kommen von Dreikantern, von Horizonten, die Grundgebirgsgerölle 
führen, und vor allem die auffällige Rotfärbung der Gesteine des Haupt- 
buntsandsteins und Plattensandsteins gegenüber den vorzugsweise grau- 
braunen bis grünlichen oder bläulichen tonigen Sandsteinen der Letten- 
kohle und des Schilfsandsteins und den weißen des Kiesel- und Stuben- 
sandsteins. Es müssen somit trotz der vielen Analogien in Einzelheiten 
der beiden Formationen doch wesentliche Verschiedenheiten zwischen 
den Landschaftsbildern zur Buntsandstein- und Keuperzeit bestanden 
haben. Für ein heißes Klima spricht die rote Farbe der Mergel und 
Tone beider Formationen, die wohl als dem Laterit ähnliches ver- 
schwemmtes Material anzusehen sind, der heute das letzte Verwitterungs- 
produkt der Gesteine in den Tropen und Subtropen bildet. Auch die 
Gips-, bezw. Anhydrit- und die Salzablagerungen, sowie das Vorkommen 
von Sauriern, Schildkröten und der sonderbaren Lungenfische Ceratodus 
lassen auf ein tropisches Klima schließen. Das Vorkommen von 
Meeresfossilien in beiden Formationen, wenn auch nicht in allen 
schwäbischen Schichten, beweist, daß zu diesen Zeiten über ganz 
Deutschland sich ein Meer erstreckte, das sich öfters von Schwaben 
zurückzog, so daß der Boden des Landes sich zeitweise als Festland 
über den Meeresspiegel erhob. Die Verschiebungen zwischen Land und 
Wasser sind auf tektonische Ursachen, auf Hebungen und Senkungen 
des Landes, zurückzuführen. Die verschiedene Mächtigkeit, z. B. der 
Keuperschichten im Süden und im Norden des Landes und die schon 
erwähnte Verschiedenartigkeit der Ausbildung der Sandsteine wurde 
durch einseitige Bewegungen der schwäbischen Scholle verursacht, wo- 
durch ein Wechsel im Lauf und in der Geschwindigkeit der das Land 
durchziehenden Flüsse und damit auch eine Änderung in der Art der 
Sedimentierung hervorgerufen wurde. Das Material, aus dem die 
klastischen Gesteine des mittleren Keupers bestehen, stammt von dem 
vindelizischen Gebirge, das einst dem südöstlichen Rand der Alb folgend 
sich erhoben haben mag; die genaue Untersuchung der Keupermineralien 
ergab, daß es sich zumeist aus Granit und Gneis zusammensetzte, dab 
aber auch Quarzite und jedenfalls Glimmerschiefer und Phyllite im 
vindelizischen Gebirge in größerer Verbreitung vorkamen, während sie 
dem Schwarzwald fast völlig fehlen. Über die Frage, ob zur Buant- 
sandstein- und Keuperzeit das über den Meeresspiegel sich erhebende 
Land den Charakter einer Wüste trug, läßt sich ein sicheres Urteil 
nicht fällen. Kreuzschichtung, Wellenfurchen, Dreikanter, Trockenrisse 
treten heute auch im Bereich der gemäßigten Zonen auf, und es läßt 
sich für jede Bildung ein entsprechendes Vorkommen aus rezenten 
deutschen Ablagerungen nachweisen. Zum Schluß gab der Vortragende 
eine Übersicht über den stets wechselnden Charakter der Landschafts- 
bilder zur Lettenkohle- und Keuperzeit in Schwaben, wie er sie auf 
Grund eigener Untersuchungen gewonnen hatte. Lang. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. g 


— XCVII — 


An der Erörterung über dieses Thema beteiligten sich Prof. 
Beurlen und Rechnungsrat Regelmann. Nach Schluß der Vortrāge 
vereinigte die Teilnehmer ein gemeinschaftliches Mittagessen im „Wald- 
horn“, wobei Prof. Dr. Klunzinger insbesondere des verstorbenen 
Med.-Rats Dr. Schüz-Calw, eines Mitbegründers des Schwarzwälder 
Zweigvereins, gedachte. Von Prof. Dr. Hesse, der den Verein früher 
mit zahlreichen Vorträgen erfreut hatte, traf aus dessen neuem 
Wirkungskreis, Berlin, ein Begrüßungstelegramm ein. Nach dem Essen 
folgte die Versammlung einer Einladung des Bergrats Dr. Schüz, dessen 
reiche geologische Sammlungen und naturwissenschaftliche Bibliothek 
zu besichtigen. 


Versammlung in Tübingen am 21. Dezember 1909. 


Der erste Teil der Sitzung fand im Mayer’schen Kinemato- 
graphentheater statt. Nach einer Begrüßung durch den Vorsitzenden 
sprach Prof. Dr. v. Grützner über den Flug der Tiere nach 
kinematographischen Aufnahmen. Der Mensch ist Herr der 
Erde, auf der er stehen, gehen und laufen kann. Er beherrscht das 
Wasser; denn er lernt ziemlich leicht schwimmen. Er beherrscht aber 
nicht die Luft; denn er kann nicht fliegen, wie der Vogel. Sein sehn- 
lichstes Streben war daher stets, diese Kunst dem Vogel abzulernen, 
wie unter anderem die Mythe des Dädalus bezeugt. Von Alters 
Zeiten her hat er daher diese Kunst des Vogels beobachtet und studiert. 
ARISTOTELES, PLixius der ältere, später, um nur die hervorragendsten 
zu nennen, ALFONSO BORELLI, LIONARDO DA Vıxcı und in der neueren 
Zeit HUBER, PRECHTL, MONILLARD, DE Lucy, PETTIGREW, MOÜLLENHOr, 
STRASSER, V. PARsEVAL und vor allen Dingen Marey haben wichtige 
Beobachtungen und Versuche über den Flug der Vögel veröffentlicht. 

Der Vogel ist trotz der warmen Lufträume in seinem Körper und 
trotz der ihn umgebenden warmen Luft in seinem Federkleide spezifisch 
viel schwerer als die Luft, und kann also nicht, wie das tatsächlich 
behauptet worden ist, nach ’Art eines Luftballons in der Luft in die 
Höhe steigen oder in ihr schweben. Nur durch kräftige und schnelle, 
im wesentlichen nach abwärts gerichtete Flügelschläge in die Wider- 
stand bietende Luft vermag er sich in der Luft zu halten und vor- 
wärts zu bewegen, gleich wie der Schwimmer mit Armen und Beinen 
schräg abwärts in das Wasser stoßen bezw. drücken muß, um über 
Wasser zu bleiben und vorwärts zu kommen. Im luftleeren Raume, 
auch wenn die Tiere darin leben könnten, wäre jedes Fliegen unmög- 
lich. Schon in stark verdünnter Luft ist manchen Vögeln das Fliegen 
auberordentlich erschwert, wie z. B. den Tauben, die man hoch in 
einem Luftballon in die Höhe genommen und oben freigelassen hat. 

Das Schwierigste für die Vögel, für die einen mehr, für die andern 
weniger, ist der Beginn des Fluges von der Erde aus. Manche gröbere 
Vögel (Raubvögel) können überhaupt gar nicht von der Erde auffliegen, 
anderen kleineren (Tauben, Sperlingen) wird es dagegen verhältnismäßig 
leicht. Jeder Vogel sucht beim Beginn des Fluges seinem Körper Ge- 


— XCIX — 


schwindigkeit zu verleihen durch schnellen Lauf, der durch Flügelschlag 
unterstützt wird, oder, wie sehr häufig, durch Fallenlassen aus der 
Höhe. Immer aber kostet ihm — ausgenommen den zweiten Fall, bei 
dem er ja keine Arbeit zu leisten hat — das Auffliegen viel Anstrengung. 
Läßt man Tauben mehrfach vom Boden möglichst senkrecht aufsteigen, 
so werden sie dadurch mehr ermüdet, als wenn sie meilenweit durch 
die Luft gesaust sind. Auch schlagen sie im ersten Fall mit ihren 
Flügeln viel weiter aus, so daß sich dieselben oft klatschend mit ihren 
Rückenfächen berühren und dann weit und schnell nach abwärts ge- 
führt werden, während sie im schnellen Flug verhältnismäßig wenig 
ausschlagen. Das schnell bewegte Tier wird von der Luft viel besser 
getragen. 

Die Arbeit des Fluges selbst wird nun geleistet durch die ge- 
waltigen Brustmuskeln, die an Größe und Kraft alle andern Muskeln 
des Körpers übertreffen. Sie sitzen auf dem ebenfalls ungemein großen 
Brustbein mit seiner nach vorn springenden Kante (Vorweisung von 
Präparaten) und bewirken den Abwärtsschlag der Flügel, welche in 
schräger Haltung, eine dicht geschlossene, unten hohle Fläche dar- 
bietend, sich kräftig von der Luft abstoßen und dadurch das Tier in 
der Luft erhalten und zugleich vorwärts bewegen. Da der Mensch 
keine derartigen Muskeln besitzt, verhältnismäßig auch sehr schwer ist, 
wird es ihm kaum je gelingen — wie schon BortLLI und später HELM- 
HOLTZ genauer ausführten —, das Fliegen aus eigener Kraft zu er- 
lernen, selbst wenn er, wie Lioxarno DA Vıxcı vorgeschlagen und durch 
Zeichnungen erläutert hat, auch die Kraft der Beine zur Bewegung der 
künstlichen Flügel verwenden wollte. Im allgemeinen — Ausnahmen 
bestehen vielfach — sind kleine Vögel wegen ihres verhältnismäßig 
kleinen Körpergewichts geschickter zum Fluge als grobe. Die größten 
Vögel, welche fliegen können, sind die großen Geier; der Strauß kann 
nicht fliegen, auch wenn er größere Flügel hätte; seine Muskeln sind 
zu schwach. Der Flügelschlag erfolgt bei kleinen Vögeln viel schneller 
und häufiger als bei großen. Ein Storch schlägt 1/4, eine Möwe 5, 
eine Taube 10, ein Rebhuhn vielleicht 20—30mal mit den Flügeln in 
einer Sekunde, ein Kolibri aber so schnell, daß man die Flügel, welche 
oft ein summendes Geräusch erzeugen, nicht sehen kann. 

Jedenfalls ist die Arbeitsleistung beim Fliegen eine auberordent- 
lich große und übertrifft ähnliche Arbeiten bei der Bewegung anderer 
Tiere um ein Bedeutendes. Die Vögel haben auch die höchsten Körper- 
temperaturen und einen überaus regen Stoffwechsel; sie verzehren des- 
halb unheimliche Mengen von Nahrung, manche insektenfressenden Vögel 
die zwei- bis dreifache Menge ihres Körpergewichtes an einem Tage. 
(Breum.) 

Der Senkung der Flügel folgt ihre Hebung, die, wenn sie den 
Abwärtsschlag nicht zunichte machen soll, in ganz anderer Art vor 
sich gehen muß. In’ der Tat bietet die Luft dem sich aufwärts be- 
wegenden Flügel einen außerordentlich geringen Widerstand. Gleich 
einem Schwerte, wie Borzıuı sich ausdrückt, durchschneidet er die 
Luft. Seine einzelnen Federn, welche beim Abwärtsschlag fest über- 


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einander lagen, wie die Brettchen einer geschlossenen Jalousie, drehen 
und öffnen sich. Die Luft tritt widerstandslos durch sie hindurch. 
Dabei sinkt der Vogel nicht abwärts, verliert nur, wie MAREY genau 
durch Augenblicksphotographien zeigen konnte, ein wenig an Ge- 
schwindigkeit. Diese Hebung der Flügel erfolgt meistens ohne Muskel- 
anstrengung durch Ausnützung des Luftzuges und durch elastische Zug- 
kräfte, hin und wieder allerdings auch durch einen kleinen Muskel, der 
die Flügel heben kann. 

Eine zweite Art des Fliegens, in der namentlich gewisse Raub- 
vögel Meister sind, ist das Fliegen ohne Flügelschlag, das sogenannte 
Schweben. Wir müssen zwei Arten des Schwebens scharf vonein- 
ander unterscheiden. Die eine kann ohne jeden Wind, die andere nur 
mit Wind erfolgen Wenn ein Falke in der Höhe schwebt und auf 
seinen Raub stoßen will, so läßt er sich, die Flügel fest an den Körper 
angedrückt, aus der Höhe herabfallen. Blitzschnell schießt er dann 
abwärts, öffnet in der Nähe seiner Beute die Flügel und sucht sie mit 
den Krallen zu packen. Gelingt ihm das nicht, was nicht so selten 
vorkommt, so gebraucht er die bedeutende Geschwindigkeit seines Kör- 
pers, um mit entsprechender Stellung seiner Flügel und seines Schwanzes 
wieder aufwärts zu steigen, wobei er ohne einen Flügelschlag nahezu 
die alte Höhe erreicht, stößt ein zweites, drittes Mal auf sein Opfer, 
bis er es hat. Dieses Aufwärtsschweben kostet ihm keine Arbeit im 
physikalischen Sinne des Wortes. Er hat nur seine Flügel und seinen 
Schwanz in bestimmter Stellung festzuhalten, was allerdings eine physio- 
logische Arbeit ist, aber unendlich viel kleiner, als diejenige wäre, wenn 
er sich durch Flügelschläge in die Höhe arbeiten müßte. Sehr inter- 
essant sind in dieser Beziehung die Beschreibungen der Jagd mit Falken 
und das Abrichten der Tiere Hurer. (Es werden Versuche mit abwärts 
und wieder aufwärts fliegenden Modellen gezeigt.) 

Eine zweite Art des Schwebens ist das Kreisen der Raubvögel 
in gewaltigen Höhen, wobei der Vogel in ungefähren Schraubenwindungen 
in die Höhe steigt und an Höhe gewinnt, während er bei der ersten Art 
des Schwebens an Höhe verlor. Über dieses majestätische Kreisen der 
Raubvögel liegen vielerlei Untersuchungen vor. Die ziemlich allgemeine 
Meinung geht dahin, dab die Vögel durch Benützung von Winden ver- 
schiedener Stärke und Richtung sich in die Höhe schrauben können und 
dies tatsächlich tun. Eine andere, von ERNER vertretene Anschauung 
läßt den Vogel mit den Flügeln arbeiten, gewissermaßen zittern, ähnlich 
den Rüttelweihen, und so durch eigene Kraft Höhe gewinnen. Dieses 
Zittern soll so schnell erfolgen, dab man es nicht sehen kann. 

Über den Flug der Säugetiere ist nicht viel zu sagen. Nur 
die Fledermäuse sind echte Flieger. Sie besitzen große Flügel, die 
sich zusammenlegen lassen, aber keinen Schwanz, und sind durch un- 
gemein schnelle Veränderungen in der Haltung ihrer Flügel imstande, 
auberordentlich geschickt zu fliegen und schnelle Wendungen im Flug® 
zu machen. Das befähigt sie, ihre Beute im Fluge zu erhaschen. Hierin 
gleichen sie einigermaßen den Falken und den Schwalben, sowie unter 
den Insekten den Libellen, die alle ihre Beute in gleicher Art fange». 


2 (I 


Eigenartig ist der Flug der Insekten, welche, selbst kleine und 
leichte Tiere, auch ziemlich kleine Flügel besitzen, mit denen sie un- 
gemein schnell schlagen. Eine Fliege z. B. führt 330 Schläge, eine 
Biene 190, eine Wespe 110, ein Taubenschwanz 72, eine Libelle 28, 
ein Kohlweißling 9 Schläge in der Sekunde aus. Die Flügel aller In- 
sekten aber sind nicht faltbar oder luftdurchlässig, sondern steif, 
namentlich an ihren vorderen Rändern. Damit also die Aufwärtsführung 
ohne nennenswerten Luftwiderstand erfolgen kann, müssen sie sich um 
ihre lange Achse drehen, wie das flache Ruder in der Hand des Ruderers. 
Hierdurch beschreibt die Spitze des Flügels, wie z. B. bei den Wespen, 
eine Achtertour, die man sich durch Bestäubung der Flügel mit Gold- 
staub sichtbar machen kann (Marey). Auch ihre Leistungen im Fluge 
sind großartig. 

Um den Mechanismus ihres Fluges genau festzustellen, dient vor 
allem die Augenblicksphotographie: die fliegenden Tiere müssen bei der 
Schnelligkeit ihrer Bewegungen in kürzester Zeit und sehr schnell 
hintereinander photographiert werden. So hat v. LENDENFELD Fliegen 
über 2000mal in einer Sekunde photographiert; die Aufnahmen selbst 
dauerten !/4nooo Sekunde. Die Bilder der Tiere sind dann ganz scharf, 
ähnlich wie ein dahinbrausender Schnellzug in dunkler Nacht, von einem 
momentanen Blitz erleuchtet, stillzustehen scheint. Neuerdings ist es 
nun BrLL im Institut Marey auch gelungen, ähnliche, nahezu ebenso- 
schnelle Aufnahmen auf kinematographische Films zu machen. Führt 
man diese dann in der gewöhnlichen Geschwindigkeit, also etwa 50 
bis 100mal so langsam in einem Kinematographen vor, so bewegen sich 
auf dem weißen Schirm die gewaltig vergrößerten Tiere mit langsamen, 
scheinbar bedächtigen Flügelschlägen durch die Luft und gestatten eine 
genaue Beobachtung jeder einzelnen Bewegung ihrer Flügel, ein äußerst 
merkwürdiges Bild! 

Zum Schluß wurden eine Reihe feststehender Bilder an die Wand 
geworfen, welche die verschiedenen Stellungen und Haltungen fliegender 
Vögel und Insekten zeigten, und endlich fliegende Vögel (Feldtauben, 
Brieftauben, Möwen) sowie fliegende Insekten (verschiedene Fliegen und 
Libellen) in oben geschilderter Art kinematographisch vorgeführt. 

v. Grützner. 

Die Versammlung begab sich sodann ins Zoologische Institut, wo 
zunächst der geschäftliche Teil erledigt wurde. Dabei wurde Rott- 
weil als Ort der nächsten Frühjahrsversammlung bestimmt. Hierauf 
sprach Dr. R. Lang über die Abnahme der Schichtenmächtig- 
keit des mittleren Keupers gegen Süden. In Rücksicht auf 
die geringe Zeit erörterte Redner nur kurz die Verschiedenheit der 
Ausbildung und Mächtigkeit der Schichten genannter Formation in ver- 
schiedenen Gegenden. In Württemberg wird diese von unten nach oben 
von dem dunklen Mergel, den roten Mergein, der Lehrbergerschicht, 
dem Kieselsandstein, dem oberen bunten Mergel, den Stubensandsteinen, 
den Knollenmergeln gebildet. Von Norden gegen Süden nimmt die 
Schichtenmächtigkeit und damit die Einteilungsmöglichkeit des mittleren 
Keupers immer mehr ab. Von Rottweil ab ist an Stelle der roten 


— CI — 


Mergel der nördlicher fehlende Hauptsteinmergel ausgebildet, dagegen 
keilt hier der Kieselsandstein aus und bei Schleitheim tritt letztmals 
Sandstein der Stufe der Stubensandsteine auf, die gegen Süden durch 
verschiedenartige Mergel, besonders durch Dolomit bezw. Kalkschichten, 
ersetzt erscheinen. Weiter gegen Süden verschwinden auch die bunten 
Mergel und am Rhein an der badisch-schweizerischen Grenze lassen 
sich über dem Schilfsandstein mit Sicherheit nur noch die dunklen 
Mergel und Kalkschichten, die der Stufe der Stubensandsteine anzu- 
gehören scheinen, und die Knollenmergel in dünnen Bändern erkennen. 
Die Ausführungen wurden durch einige Profile und Lichtbilder näher 
erläutert. 

Es folgte sodann ein Vortrag von Landesgeologe und Privatdozent 
Dr. Martin Schmidt: „Über die Altersbestimmung der Braun- 
schweiger altpaläolithischen Feuersteinfunde‘“. (Der Vortrag 
findet sich in erweiterter Form unter den Abhandlungen dieses Jahres- 
heftes unten S. 229.) 

Ferner sprach Dr. Axel Schmidt über Fossilhorizonte im 
Buntsandstein des östlichen Schwarzwaldes. (Der Vortrag 
findet sich in erweiterter Form in der Beilage zu diesem Jahresheft: 
„Mitteilungen der Geologischen Abteilung des K. Statistischen Landes- 
amts No. 7“.) 

Als letzter Redner sprach Privatdozent Dr. Jordan (Tübingen) 
über die Mechanik der Bewegungsregulation bei krebs- 
artigen Tieren. Man kann die nervösen und muskulären Bewegungs- 
organe der Tiere in Zwei Systeme teilen: 1. die untergeordneten Organe, 
d. h. die Muskeln und die untergeordneten nervösen Zentren, die durch 
Nerven mit jenen verbunden sind; 2. das Oberzentrum oder Gehirn. 
Das erstere, untergeordnete System leistet alle wesentlichen in Betracht 
kommenden Bewegungen selbsttätig. Das Gehirn vermag diese Be- 
wegungen durch Regulation zweckmäßig zu gestalten. 

Die Mechanik, durch die das Gehirn diese Regulation leistet, ist 
das Problem, mit dem Vortragender sich beschäftigt, und zwar bei den 
krebsartigen Tieren. 

Die in Frage stehende Regulation beruht für diese Tiere auf fol- 
gendem Antagonismus zwischen Gehirn (Cerebralganglion) und den ihm 
untergeordneten Organen (Bauchmark und Muskeln). Reize (Impulse), 
die vom Bauchmark kommend die Muskulatur treffen, veranlassen 
Beugung der Gelenke; Reize hingegen, die vom Gehirn kommen, 
Streckung. Vortragender zeigt nun, wie durch diesen Antagonismus 
das Gehirn imstande ist, das ihm unterstellte System zu beherrschen. 
Kommt zu einem peripheren Reize ein solcher vom Gehirne, so wirkt 
dieser letztere derart, dab er den ersteren, peripheren, hemmt oder 
vernichtet (Regulation der Bewegungsgröbe). Die Bewegungs- 
richtung hängt ab von dem Winkel, den die Beine einer Seite mit 
der Längsachse des Tieres bilden. Die kurzschwänzigen Krebse (Krabben), 
mit denen Vortragender sich vorwiegend beschäftigt hat, sind Seiten- 
gänger. Die Beine der einen Seite ziehen den Körper senkrecht zu 
seiner Längsachse, während die Beine der anderen Seite in der gleichen 


— CM — 


Richtung schieben. Wenn nun die Beine der ziehenden Seite nicht seit- 
lich sondern nach vorn ausgreifen, während die Beine der schiebenden 
Seite in ihrer normalen Stellung verharren, so läuft das Tier im Kreise. 
Das ist der Fall, wenn wir dem Krebs auf einer Seite das Gehirn entfernen. 
Die zugehörigen Beine werden dann nach vorn greifen, die Kreise 
werden um die normale Seite erfolgen. Nach vorn greifen ist aber 
gleichbedeutend mit übermäßiger Beugung, und diese ist auf- 
zufassen als Erfolg einseitiger Wirkung peripherer (vom Bauchmarke 
kommender) Impulse, denen die Kompensation von seiten des Gehirns 
(die ja Streckung! bedingt) fehlt. Das wurde wie folgt bewiesen: Einer 
Krabbe (Cancer pagurus) wurde die rechte Gehirnhälfte entfernt und 
der von dieser nach dem Bauchmarke ziehende Nervenstrang mit Elek- 
troden versehen; dann wurde die verursachte Operationswunde herme- 
tisch verschlossen. Ein solches Tier überlebt gut und führt die be- 
schriebenen Kreisbewegungen aus (in unserem Fall nach links). Reizen 
wir nur jenen Nervenstrang (rechtes Schlundkonnektiv), so bedingt der 
uns nun bekannte Hirnreizerfolg, daß die Beine die abnorm gebeugte 
Stellung aufgeben, wie in der Norm nach außen greifen: durchaus 
normaler, gerader Seitengang setzt ein. Stärkere Ströme 
bewirken übertriebene Streckung (nach hinten) und es erfolgt Kreisgang 
in der, der ursprünglichen entgegengesetzten Richtung etc. Genug, 
Vortragender konnte mit Hilfe stärkerer und schwächerer Ströme dem. 
Tiere jedwede Richtung aufzwingen. So erschien ihm denn der Schluß 
nicht allzukühn, im dargetanen Antagonismus zwischen Wirkung von 
Gehirnreizung und peripherer Reizung die Mechanik gefunden zu haben, 
auf Grund deren das Gehirn die Bewegungsrichtung bestimmt. 
Jordan. 

Nach Schluß der gutbesuchten Versammlung fand ein gemein- 

schaftliches Mittagessen im ‚Lamm‘ statt. 


.— me 


1 Durch Streckung werden also die Beine von vorne nach hinten zu bewegt. 


Ill. Original-Abhandlungen und Mitteilungen. 


Der mittlere Keuper im südlichen Württemberg. 
Von Richard Lang aus Eßlingen a. N, 
(Schluß!, Mit Tafel I, IT.) 


II. Lagerung und Ausbildung des mittleren Keupers im süd- 
lichen Württemberg. 


Die im vorhergehenden Abschnitt beschriebenen Profile bilden 
die Grundlage für die folgenden Ausführungen. Es wurde bei der Aus- 
arbeitung dieses Abschnittes zugleich die über den mittleren Keuper 
existierende Literatur, sowie das in den Staatssammlungen liegende 
Material eingehend berücksichtigt, auch wurden alle .meine sonstigen 
Funde und Untersuchungsergebnisse aus diesen Schichten verwertet 
und mancherlei Betrachtungen mehr theoretischer Natur eingeflochten. 
Neben manchen Einzelheiten, die der Leser in den Begleitworten 
zu den Blättern der geognostischen Spezialkarte von Württemberg 
findet, sind im folgenden auch alle allgemein als richtig bekannten 
und anerkannten Tatsachen aus den Arbeiten Thürach’s, EB. FRAAS’ 
und ZELLERs weggelassen — auf die ich hiermit verweise —, dagegen 
ist alles übrige zusammengestellt, das mir bisher für die Darstellung 
der geologischen Verhältnisse des mittleren Keupers noch nicht ge- 
nügend berücksichtigt schien. 

Folgen wir den Ergebnissen der ZELLER schen Arbeit, so be- 
stätigen sie, daß über dem Gipskeuper, in welchem die alte Muschel- 
kalkfauna erlischt, eine neue Tierwelt in dem Bereich der Ablage- 
rungen der germanischen Trias auftritt. 

Auf der Grenze — gleichsam als Einleitung in diese neuen 
Zustandsverhältnisse des damaligen Keupergebietes —, liegt der 


1 Abschnitt I u. II, s. diese Jahreshefte 65. Jahrg. 1909, S. 77—131. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 1 


en Ay „ei 


Schilfsandstein, 


der bald nur schwach entwickelt, bald zu bedeutender Mächtigkeit 
anschwellend als Flutbildung oft tief in die obersten Schichten des 
Gipskeupers sich eingegraben hat (vergl. Tnüracu I S. 135 ff.). Der 
Schilfsandstein ist charakterisiert als sehr gleichmäßig feinkörniger, 
toniger, gern gefleckter Sandstein oder Sandschiefer von tiefroter 
oder grünlicher, auch von gelbbrauner bis grauer oder bläulicher 
Farbe, zwischen den hin und wieder meist dünne Tonschichten 
sich eingelagert finden und dessen nicht blätternde Sandsteinschichten 
bei genügender Mächtigkeit als geschätzte Werksteine abgebaut 
werden, wie eine große Anzahl z. T. bedeutender Steinbrüche bezeugt, 
die über das ganze Keuperland zerstreut liegen. Für vorliegende Arbeit 
hatte der Schilfsandstein ganz besonderen Wert als Basis für die 
Messung der höher gelegenen Schichten. Denn es zeigte sich, daß er, 
obwohl in seiner Mächtigkeit stark wechselnd, doch in einer sehr 
gleichmäßig eben ausgebildeten Grenze gegen die nächsthöhere Schicht 
abschneidet. Haben wir auch, wie in einem Steinbruch am Kriegsberg 
bei Stuttgart, in den obersten Lagen wiederholte Kreuzschichtung zwi- 
schen Mergeln und Sandsteinen mit bedeutendem Neigungswinkel, so 
erwies sich diese doch als nach unten gehend, derart, daß die jeweiligen 
Sandsteinoberflächen horizontal liegen, resp. nur den Einfall der be- 
treffenden Gebirgsscholle zeigen. Auch Tnüracu betont für die frän- 
kischen Gebiete die außerordentliche Konstanz und Gleichmäßigkeit 
der oberen Grenze des Schilfsandsteins (1. S.140). Nur an zwei Stellen 
habe ich geringe Abtragungserscheinungen feststellen können, einmal 
in einem der berühmten Maulbronner Steinbrüche, wo in dem obersten 
Sandsteinlager offenbar durch Wassertätigkeit eine flache, durch 
tonig-mergeliges Material horizontal ausgefüllte Mulde von ca. 1 m 
Tiefe und mehreren Metern Breite eingeschnitten war. Allein aus 
dieser Gegend, dem Kraichgau, berichtet auch Tuťracu von statt- 
gefundenen Auswaschungen im obersten Schilfsandstein (IHI S. 39 f.). 
Ein zweites Vorkommnis von Erosion fand ich in dem verlassenen 
Steinbruch unterhalb der Bopserwaldstraße östlich Stuttgart. Die 
Sandschiefer des Schilfsandsteins sind dort schief geschichtet und 
werden von horizontal geschichteten dunklen Mergeln überlagert. 
Letztere zeigen jedoch keine abnorme Mächtigkeit. Obwohl stets 
auf etwaige Erosionserscheinungen auf der oberen Grenze des 
Schilfsandsteins geachtet wurde, ließ sich kein weiteres Vorkommen 
von solchen nachweisen. Es dürften somit die eben aufgeführten 
Fälle zu den seltenen Ausnahmen zählen und jedenfalls sind auch 


BR A 


die genannten Abtragungen nur geringfügig gewesen, so daß im 
allgemeinen die obere Grenze des Schilfsandsteines als eine eben 
verlaufende Fläche angesehen werden kann. 

Die den Schilfsandstein überlagernden Schichten, welche die 
mittlere Abteilung des bunten Keupers umfassen, sind — nach der 
bisherigen Bezeichnungsweise —, die bunten Mergel, der Stuben- 
sandstein und die Knollenmergel. Die ebenso einfachen wie 
leicht verständlichen Bezeichnungen lassen nicht vermuten, daß sich 
bei genauerer Untersuchung, abgesehen von den Knollenmergeln, 
ein überaus wechselvolles Bild in der petrographischen Ausbildung 
und stratigraphischen Entwicklung dieser Schichten darbietet. Wir 
haben es nicht nur mit einer Mergel- und einer Sandsteinschicht, 
sondern mit einer ganzen Reihe übereinanderliegender derartiger und 
anderer Gesteinsschichten (Tone, Steinmergel, Dolomite, Gips) zu tun. 
Von den Schwierigkeiten, die sich einer Parallelisierung und richtigen 
Gliederung dieser Schichten in den verschiedenen Gegenden des Landes 
entgegensetzen, zeugen die im ersten Abschnitt aufgeführten seit- 
herigen Einteilungsversuche. Die dort (1909 S. 96) gegebene Ein- 
teilung stützt sich auf jene Arbeiten und besonders auf die bei 
Aufnahme der im zweiten Abschnitt niedergelegten Profile gemachten 
Erfahrungen; da diese Profile ein objektives Vergleichsmaterial bilden, 
kann der geneigte Leser jederzeit bei ihnen die Richtigkeit meiner 
Auffassung von dem Grad der Einteilungsmöglichkeit der bunten 
Mergel und der Gruppe der Stubensandsteine selbst nachprüfen. 

Um mit der Einzelbeschreibung dieser Schichten zu beginnen, 
so gelangen wir über dem Schilfsandstein zuerst an die an sanft 
ansteigender, gegen oben steiler geneigter Halde liegenden 


unteren bunten Mergel, 


die wegen ihrer auffallenden roten Farbe, wie sie uns besonders im 
Abraum der Schilfsandsteinbrüche und überhaupt überall begegnet, 
wo das nackte Mergelgestein zutage tritt, auch „Rote Wand“ und 
außerhalb Württembergs, wenn Gipse regelmäßig die Stelle der 
Mergel vertreten, auch Berggipse genannt werden. Der von den 
Franzosen übernommene und von QUENSTEDT gern gebrauchte Aus- 
druck „marnes irisees“ ! ist gleichfalls recht bezeichnend. Sie lassen 
sich in drei Unterabteilungen gliedern: die dunklen Mergel, 
die roten Mergel und die Lehrbergschicht. 


— en 


ı Als marnes irisees bezeichnet man in Lothringen und Luxemburg be- 
sonders die bunten Mergel des dortigen Steinmergelkeupers (s. Th. II S. 72). 
1* 


Die 
dunklen Mergel, 

die den Schilfsandstein direkt überlagern und in den Schilfsand- 
steinbrüchen meist noch aufgeschlossen sind, zeichnen sich, wie wir 
aus den Profilen Rote Steig, Wurmlinger Kapelle, Rote Wand, Hohen- 
Haslach ersehen, durch düstere, in dünnen Bändern wechselnde 
Farben und einen oft bedeutenden Tongehalt aus. Sie sind an der 
Roten Steig bei Rottweil bereits in einer Mächtigkeit von annähernd 
1 m aufgeschlossen, in trefflichen Profilen an der Gießmühle bei 
Engstlatt, sowie bei der Wurmlinger Kapelle zu beobachten und 
erreichen bei Stuttgart am Kriegsberg 3 m, im Osten der Stadt 
4,5 m Stärke, je nachdem wohl die schwache Erosion leichte Terrain- 
wellen auf der oberen Grenze des Schilfsandstein eingegraben hatte. 
Auch bei Obertürkheim befindet sich ein guter Aufschluß in diesem 
Horizont. 

Die Grenze gegen den Schilfsandstein ist nicht leicht zu ziehen, 
wenn in den oberen Lagen des letzteren tonig-mergelige Schichten 
zwischen den Sandsteinen oder Sandschiefern sich einstellen, so am 
Kriegsberg bei Stuttgart. Im Stromberg, z. B. in den Aufschlüssen bei 
Gündelbach und Hohenhaslachı, ist es aus eben angeführtem Grunde 
kaum möglich, die Grenze des Schilfsandsteins gegen die dunklen 
Mergel genau festzulegen. Der unterste Steinmergel bildete in solchem 
Falle ein sicheres Merkmal dafür, daß man sich in den bunten 
Mergeln befand. Wertvoll für die Stratigraphie ist das Vorkommen 
eines Steinmergels und das Auftreten von Sandsteinlagen in diesem 
Horizont. Während an der Straße Aasen--Dürrheim eine Stein- 
mergelschicht gut ausgebildet ist, zeigen die Profile um Rottweil 
weder Andeutungen von Sandsteinen noch von Steinmergelbänken. 
In der Stuttgarter Gegend treten auf dieser Schichthöhe sehr dünne 
auskeilende dolomitische Bänkchen auf, während am Stromberg überall 
ein gelblichbrauner Steinmergel in 0,2—0,5 m Mächtigkeit sich aus- 
gebildet zeigt, der zugleich als obere Grenzlinie der dunklen Mergel 
von Interesse ist, da nach oben höchstens noch wenige Zentimeter oder 
Dezimeter fahlfarbene Mergel, dann aber typische „rote Mergel“ ein- 
setzen. Übrigens kommt an der oberen Grenze der dunklen Mergel 
auch eine Breccie von vorwiegend toniger Grundmasse vor, in der ver- 
schiedenfarbige große und kleine Mergelbrocken eingebettet liegen 
(Kriegsberg, Rote Wand). Dünne Sandsteinschichten sind im Strom- 
berg in diesem Horizont recht reichlich vertreten, fehlen aber auch 
bei Stuttgart nicht, wo ein feinstkörniger, grünlicher, weißgebänderter, 


= p a 


toniger Sandstein von bis 2 dm Stärke mit kalkspaterfüllten Hohl- 
räumen, ein anderesmal mit typischen Trockenrißausfüllungen auf 
der Unterseite von mir beobachtet wurde. In den eben beschriebenen 
Dolomit- und Sandsteinvorkommen haben wir die Brücke zu zwei 
völlig verschiedenartigen, jedoch ziemlich gleichalterigen Ablagerungen 
zu suchen: dem Horizont Beaumont oder Hauptsteinmergel 
im Westen, der im Süden von Württemberg bei Dürrheim und im 
Nordwesten im Stromberg noch ansteht und in Elsaß-Lothringen zu 
bedeutender Mächtigkeit und hervorragender stratigraphischer Be- 
deutung gelangt, und den Freihunger Schichten im Osten, deren 
Sandsteine in der Oberpfalz zu mächtiger Ausbildung sich entfalten 
(ef. Ta. I S. 15 £.). 
Als 
rote Mergel 

seien jene durch ihre Farbe das Landschaftsbild der schwäbischen 
Residenz so belebenden Schichten bezeichnet, die in vielen rings 
um den weiten Talkessel angelegten Steinbrüchen und überall, wo 
bei Grabungen an den Rebengehängen das Gebirge offen zutage 
tritt, sich aufgeschlossen zeigen, die ihre Farben wegen ihrer Wider- 
standsfähigkeit gegen die Verwitterung auch nach dem Zerfall in 
kleinste Partikelchen beibehalten und deren leicht rutschendes grusiges 
Material die Ansiedelung der Pflanzen erschwert. Ihre Mächtigkeit 
beträgt bei Neufra zwischen 3 und 4 m und steigt bei Tübingen auf 
ca. 12—14 m, bei Stuttgart auf ca. 21 m, bei Hohenhaslach auf 
ca. 24 m (hier inkl. etwaiger Lehrbergschichten) an. Als wichtige, 
z. T. im vorstehenden veröffentlichte Profile seien die von Aasen— 
Dürrheim, Rote Steig, Unter-Jesingen, Rohrau, Rote Wand, Hohen- 
haslach, Michaelsberg genannt. Die petrographische Ausbildung der 
Schichten ist sehr einförmig, nur der Sand- und Dolomitgehalt schwankt, 
und wenige mattgrüne Lagen und Adern unterbrechen das leuchtende 
Rot der Mergel, das hier als die ursprüngliche Farbe zu bezeichnen 
ist, während die mattgrünen Bänder und netzartig das Gebirge durch- 
dringenden Linien als Reduktionserscheinungen von Eisenoxydverbin- 
dungen durch organische Stoffe führende Sickerwässer aufzufassen 
sein dürften. In die Mergel hinabgesenkte Baumwurzeln sind aus 
dem gleichen Grunde von einer grünen Mergelhülle umscheidet. Da- 
gegen scheint bei Anwesenheit von Gips, sowie in manchen Lagen 
z. B. der oberen bunten Mergel die grüne Farbe die primäre zu 
sein. Steinmergel fehlen oder liegen in geringer Anzahl unregel- 
mäßig in den oberen Lagen als bis kopfgroße Knollen oder 


1 
l 
b 
lj 
ł 


ri 


Bruchstücke in Reihen verstreut. TuüracHh gibt von diesen Stein- 
mergeln an, daß sie (Tu. I S. 155) „meist eine knollige Ausbildung 
zeigen, aber sehr regelmäßig auf großs Strecken durchsetzen‘, 
während Es. Fraas der Ansicht ist — die auch ich vertrete —, 
daß sie meist nur auf kleine Distrikte lokalisiert sind (diese Jahresh. 
1899. S. 89). An manchen Stellen treten Einlagerungen von Gips 
in diesen Schichten auf; verschiedentlich fand ich ihn in verein- 
zelten Linsen und Knollen oder in größerer Mächtigkeit und z. T. 
wohlgeschichtet z. B. bei Tübingen, Unterjesingen und Rohrau 
(an letzterem Orte 6—8 m); bei Sternenfels im Stromberg wurde 
er früher bergmännisch abgebaut. Wahrscheinlich war in den 
gegen Westen gelegenen, jetzt abgetragenen Schichten der un- 
teren bunten Mergel, die einst die Gegenden überdeckten, wo heute 
der Schwarzwald sich erhebt, ein ausgedehnter Gipshorizont ein- 
geschaltet, da auch in Elsaß-Lothringen in diesem Horizont Gips 
auftritt. Endlich fand ich bei der Solitude an der Straße gegen 
Gerlingen Gips als Spaltausfüllung, also als sekundäre Bildung, was 
auf früher in höherer Schichtlage ausgebildete, heute zerstörte Gips- 
schichten hinweist. Ich halte jedoch die Annahme für falsch, als 
wären größere Partien der Mergel der unteren bunten Mergel als 
Residua nach Auslaugung des Gipses zu betrachten; in diesem Falle 
wäre sicherlich die Lagerung oft gestört, was nirgends beobachtet 
wurde!. Nur vereinzelte gelbliche, feinste, reine Quarzsandstreifen 
ohne jegliche Bindung, die zwischen den Mergeln liegen, sind auf aus- 
gelaugten Gips zurückzuführen (vergl. Tu. I S. 92). Der Gips der 
bunten Mergel ist gern als Fasergips ausgebildet und unterscheidet 
sich von dem des (unteren) Gipskeupers durch seine oft auf 
Lager- und Spaltflächen auftretende blutrote oder sonstige bunte 
Färbung. Seine wellenförmig gebogenen Schichtlinien und seine 
unregelmäßigen Oberflächen lassen darauf schließen, daß er als An- 
hydrit abgelagert wurde, der bei der Wasseraufnahme und Umwand- 
lung zu voluminöserem Gips sich krümmte. Als Besonderheit aus 
diesen Schichten seien Pseudomorphosen nach Steinsalz erwähnt, 
die Tuüracn im Stromberg auf sandigen und glimmerreichen Bänkchen 
der roten Mergel fand (Tu. Il S. 15) und die bei Tübingen an mehreren 
Stellen und ähnlich bei der Gießmühle a. Eyach auf feinsten Stein- 
mergelplättchen von mir beobachtet wurden. 


! Über Funde von Gips oder Anhydrit bei Tunnelbauten im Bereich der 
bunten Mergel fehlen Angaben in der schwäbischen Literatur. 


Dr Me 
Über den roten Mergeln hat GüxgeL die 


Lehrberger Schichte 


ausgeschieden. Tuürach definiert sie (I S. 157) als bestehend „aus 
3 Steinmergel- oder dolomitischen Kalksteinbänken, welche von blau- 
grauen, z. T. sandigen Mergel- oder Lettenschiefern begleitet und 
durch je 1—2 m rotbraune Mergel getrennt werden“. Diese Stein- 
mergelbänke, die Lehrbergbänke, zeichnen sich durch sehr be- 
deutende Wetterbeständigkeit, vollkommene Kompaktheit und große 
Zähigkeit aus und sind, wie ich mich bei Lehrberg, einer Ortschaft 
nahe Ansbach, überzeugen konnte, vollkommen identisch mit dem an 
der Roten Wand bei Stuttgart anstehenden Gestein, das wegen der darin 
gefundenen Einschlüsse von Wirbeltierresten, sowie von Estherien, 
Schnecken und Zweischalern von besonderem Interesse ist. Wie 
bereits im ersten Abschnitt (1909 S. 93) angegeben, findet man die 
Lehrbergbank mit ihren Fossilien an mancher Stelle des nördlichen 
Württembergs. Im mittleren und südlichen Württemberg dagegen 
scheint sie nicht vertreten zu sein. Die von Tübingen als Fundort 
bekannten Estherien liegen zwar im selben Horizont, aber in „Mergeln 
unmittelbar unter den kristallisierten Sandsteinen“ (QuEnsTEDT, Das 
Flözgebirge Württ. S. 101). Koxex fand ebensolche in einer tonigen 
Schicht des Kieselsandsteins bei Roseck. Bei einem Vergleich der 
Lagerungsverhältnisse in Franken mit denen in Württemberg ergeben 
sich mancherlei Unterschiede. Bei Lehrberg liegen (s. Tu. I S. 145 f.) 
drei dolomitische Kalksteinbänke im Abstand von 1,5 und 1,2 m 
übereinander, wovon die mittlere Versteinerungen führt — an anderen 
Stellen fand Tnuüracn auch in der unteren oder oberen Lelrbergbank 
Petrefakten —, bei Stuttgart steht nur eine Lehrbergbank an, die 
an manchen Stellen in zwei und mehr durch dünnste Tonlagen ge- 
trennte Bänke mit bis ca. 40 cm Gesamtmächtigkeit zerfällt. Bei 
Lehrberg beginnt der Blasensandstein 5 m über der unteren Lehr- 
bergbank, bei Stuttgart steht der Kieselsandstein 60 cm über der 
Lehrbergbank an, die gesamte Lehrbergschicht hat hier eine Mächtig- 
keit von ca. 1,40 m. An einer Stelle nähert sich der Kieselsandstein 
gar bis auf 5 cm der Lehrbergbank. Im Kieselsandstein der Roten 
Wand bei Stuttgart zeigt sich an einer Stelle eine muldenförmige, 
offenbar durch ein stark fließendes Wasser ausgewaschene Vertiefung 
von über 14 m Tiefe, in welcher neben gerollten bis kopfgroßen 
Kieselsandsteinen größere Steinmergelbrocken sich finden. Offenbar 
stammen diese Steinmergel von der Lehrbergbank. Es ist wahr- 


u. B o 


scheinlich, daß zur Zeit der Ablagerung des Kieselsandsteins die 
Lehrbergbank in manchen Gebieten unseres Landes zerstört wurde, 
denn die Gesamtmächtigkeit der Lehrbergschichte wechselt stark. 
Ihre untere Grenze ist durch einen Umschlag der roten Mergel nach 
dunklerem Braunviolett in der Stuttgarter Gegend gekennzeichnet ; 
zwischen diesen Mergeln fallen weiter oben besonders grüne tonige 
Schichten auf, während hin und wieder mit vorkommende knollige 
Steinmergelbänke, zumal sie von den für die Lehrbergbank charakte- 
ristischen grünen Mergeln nicht begleitet werden, ohne stratigraphische 
Bedeutung sind, ebenso wie eine bis 5 cm starke Kieselsandstein- 
schnur, die nördlich vom Sonnenberg in der gelegentlich eines Haus- 
neubaus entblößten Lehrbergschichte lagerte und auch in dem an der 
Straße Solitude— Gerlingen entblößten Profil auftritt. Jedenfalls kann 
eine nicht fossilienführende Steinmergelbank in diesem Horizont dann 
allein als Lehrbergbank angesprochen werden, wenn sie die typische 
petrographische Ausbildung zeigt. Steinmergelbänke von anders- 
artiger Zusammensetzung, wie sie z. B. Tuürıcu vom Stromberg als 
Äquivalente der Lehrbergbänke anführt, können, wenn sie fossilleer 
sind, meines Erachtens nicht als sichere Vertreter derselben angesenen 
werden. Ich konnte sie bei Hohenhaslach und am Michaelsberg 
nicht finden. Für die eben erwähnte Auffassung spricht auch der 
Umstand, daß die Lehrbergbank im südlichen und mittleren Württem- 
berg höchstens an wenigen Stellen, durch weite Striche des Landes aber 
nie ausgebildet war, was ich wenigstens für die Stuttgarter Gegend 
näher darlegen kann. So war bei dem schon erwähnten Hausneubau 
an der Gerokstraße ca. 1—2 km nördlich von der Roten Wand die 
Schichte in entsprechender Mächtigkeit entblößt, die charakteristische 
Lehrbergbank aber fehlte; dagegen fand sich im nämlichen Horizont 
das schon genannte Kieselsandsteinbänkchen, das auch an der Straße 
Solitude—Gerlingen auftritt. Weiter seien noch Beispiele über den 
starken Wechsel der Mächtiekeit der Lehrbergschichte gegeben. Bei 
Karlsvorstadt am Weg zum Sonnenberg ist sie auf VO cm, an der 
Straße nach Botnang auf 0,3 m zusammengeschrumpft; das Profil 
lautet hier: Kieselsandstein, darunter 0,3 m blaugrauer Ton, 2,0 m 
rote Mergel, 0,05 m rote knollige Steinmergel. darunter rote Mergel. 
Ähnlich liegen die Verhältnisse am Westbahnhof, auf dem Azenberg, 
in den Kriegsbergen, auf der Feuerbacher Heide, wo die zutage 
tretenden Schichten unter dem Kieselsandstein nirgends die Lehr- 
bergbank, sondern nur wenige Dezimeter grünliche oder bräunliche 
Mergel, z. T. mit schwachen, senkrecht gespaltenen, knolligen Stein- 


ie E 


mergeln führen und von charakteristischen „roten Mergeln“ unter- 
lagert werden. An einem günstigen Aufschluß in diesen Schichten 
bei Rotenberg ist die Lehrbergbank auf ein 2 cm starkes fossilleeres 
Bänkchen zusammengeschrumpft. 

Während aus den dunklen und den roten Mergeln für Würt- 
temberg bisher keine Fossilien bekannt geworden sind, hat die Lehr- 
bergbank dem Paläontologen eine reiche Ausbeute an Versteine- 
rungen geliefert, die uns, wie weiter unten gezeigt werden wird, 
in mancher Hinsicht über die Bedingungen aufzuklären vermögen, 
unter denen diese Schichten sich bildeten. 

Vielfach findet man im Anschluß an die Lehrbergschicht mit 
ihren Fossilien andere im mittleren Keuper liegende versteine- 
rungsführende lokal auftretende Horizonte genannt, in denen 
Zweischaler und Gastropoden vorkommen. Sie seien auch gleich 
hier angeführt. Das südlichste derartige Vorkommen ist bei Gan- 
singen im Kanton Aargau, wo ein fossilführender Kalkstein ansteht 
(s. ScCHALCH, a. a. O. S. 90), der möglicherweise der Lehrbergbank 
entspricht, aber wegen des Fehlens eines dem Stubensandstein ent- 
sprechenden Sandsteins und wegen der außerordentlichen Zusammen- 
drängung der Stufen des mittleren Keupers auch dem Stubensand- 
stein oder einer zwischen beiden liegenden Schicht entsprechen kann. 
ZELLER möchte ihn zum Hauptsteinmergel rechnen, also unter den roten 
Mergeln einfügen (N. Jahrb. f. Min. etc. S. 61). Von der Roten Steig 
bei Rottweil stammen in rötlichen Sandstein eingebettete Bivalven, 
die in der Tübinger Sammlung liegen, deren Lager aber weder von 
ZELLER noch von mir (s. Profil Rote Steig) festgestellt werden 
konnte; nach dem Gestein zu schließen, gehört es dem untersten 
Teil des Stubensandsteins an, der bei Neuhaus—Aixheim ähnliches 
Material liefert. Jedenfalls liegt diese fossilführende Schicht über 
den oberen bunten Mergeln. Die von TiröracH aus den Begleitworten 
zu Blatt Stuttgart (II. Aufl. S. 25) übernommene Angabe (Tu. II 
S. 29), daß in den oberen bunten Mergeln „sich Abdrücke von 
Estherien und Bivalven, sowie Reste von Fischen und Sauriern“ 
finden, ist dahin richtig zu stellen, daß diese Funde sämtlich aus 
der Lehrbergbank stammen, wie auch aus der erstmaligen genauen 
Beschreibung der Schicht und der Funde durch PLiExısser ! hervor- 
geht. Endlich sei der Ochsenbachschichte aus dem Stubensand- 


' Meyer und Plieninger, Beiträge zur Paläontologie Württembergs. 
1844. S. 84 f. 


Ze nr Se 


stein des Strombergs Erwähnung getan, die mit den 80—90 m tiefer 
liegenden event. „Äquivalenten“ der Lehrbergschichte in keinerlei 
Beziehung steht. Im übrigen verweise ich, was die interessanten 
paläontologischen Verhältnisse anbetrifit, auf die eingehende Arbeit 
ZELLERS, in der auch die neuesten Petrefaktenverzeichnisse der be 
treffenden Fundplätze enthalten sind. 

Über den unteren bunten Mergeln breitet sich der 


Kieselsandstein 
aus, der, wie Tuürıch angibt, dem Platten- oder Blasensandstein 
und dem Koburger Bausandstein!' entspricht und auch unterer 
Semionotensandstein ? und „kristallisierter Sandstein ®® genannt wird. 


1! Schon Quenstedt hat sie parallelisiert (Begleitw. zu Bl. Hall S. 28: 
Die Kieselsandsteine („Bausteine“) „scheinen mit dem Koburger Bausandsteint 
übereinzustimmen‘“, 

2 Der Name rührt her von dem erstmals aus dem Koburger Bausandstein 
bekannt gewordenen Fisch Semionotus Bergeri Ac. Inzwischen wurden durch 
O. Fraas in dies. Jahresh. 1861. S. 81 ff. noch drei Arten Sem. Kapffi. Sem. 
serratus und Sem. elongatus beschrieben. Alle vier genannten Formen sind in 
den schwäbischen weißen Keupersandsteinen heimisch. Neuerdings wurde durch 
Schellwien in den Schriften d. phys.-ökon. Ges. in Königsberg 1901. S. 1 f. in 
Zweifel gezogen, ob Sem. serratus ein Semionotus ist. Die in der Stuttgarter 
Naturaliensamnılung aufbewahrten Semionoten stammen von 4 Punkten in Würt- 
temberg: 1. von Hütten aus einem „kieselharten, grobkörnigen Sandstein“ „im 
mittleren Keuper (oberer Kieselsandstein)“ ; 2. von Stuttgart, wo sie Dr, Kapff 
in der durch die Saurierfunde berühmt gewordenen Stubensandgrube bei Kaltental 
fand; auf der Etikette steht als nähere Bezeichnung „Stubensandstein, Sonnen- 
berg“; dieser Sonnenberg, der sich gegen Degerloch—Möhringen hinzieht, darf 
nicht mit dem Sonnenberg bei der Gänsheide im Osten der Stadt verwechselt 
werden! 3. von einem Eisenbahneinschnitt im Stubensandstein bei der Wildpark- 
station; 4. aus dem „oberen Semionotensandstein“, also Stubensandstein von 
Hohenhaslach. Aus diesen Angaben erhellt, daß die unter 2., 3. und 4. ge- 
nannten Fische sicher nicht im Kieselsandstein lagen und daß es sehr fraglich 
ist, ob der unter 1, genannte Fisch wirklich aus dem Kieselsandstein stammt: 
da nach den Angaben von O. Fraas (a. a. O. S. 91) die stratigraphische Lage 
des Fundplatzes des Fisches von Hütten durchaus nicht geklärt ist. Vielmehr 
weist die Bezeichnung „grobkörnig* auf Stubensandstein hin, und die Angabe 
.kieselhart“ wurde früher schr häufig als Beiwort zu Fleins (Kalksandstein) 
gebraucht, ist also auch nicht ausschlaggebend. Es ist hier jedenfalls die irr- 
tiimliche Ansicht mit im Spiele, daß Kieselsandstein und Kalksandstein im selben 
Horizonte liegen und sich gegenseitig vertreten, während sie tatsächlich überall 
durch die oberen bunten Mergel voneinander getrennt sind, also durchaus 
nichts miteinander gemein haben. Bach berichtet in den Begleitw. z. Bl. 
Waiblingen S. 16 von einem sagenhaften Fischfund aus dem Horizont des 
Kieselsandsteins, von welch letzterem er angibt, dab „sich im Liegenden der 


u. SE 


Er bildet häufig eine Terrasse im Aufbau des Gebirges und ist 
deshalb nicht selten die Ursache von Wasserfällen, auf die wir beim 
Verfolgen von Wasserrissen, die sich in die unteren bunten Mergel 
eingenagt haben, an deren oberem Ende stoßen. Unverkennbar 
nimmt seine Mächtigkeit gegen Westen und Süden ab. Bei Plochingen 
wird sein Liegendes bei über 6 m anstehendem, durch schwache 
Tonbänder unterbrochenem Sandstein nicht erreicht. An der Stutt- 
garter Roten Wand beträgt die Mächtigkeit ca. 6,5—8 m; aber nur 
bis 1,4 m einheitlicher Sandsteinfels tritt auf, die übrigen Sandsteine 
sind durch zahlreiche mergel- und steinmergelartige Schichten in 
dünnere Bänke und Platten zerlegt, deren Dicke im einzelnen fort- 
währendem Wechsel unterworfen ist, wie wir bei einem Vergleich 
der Schichtenfolgen am nur 100 m voneinander entfernten Süd- und 
Nordende des Kieselsandsteinaufschlussess an der Roten Wand er- 
kennen, die in keiner Weise miteinander übereinstimmen. Ja sogar die 
Gesamtmächtigkeit der Sandsteinschichten wechselt auf kurze Ent- 
fernung außerordentlich. So ist sie bei Karlsvorstadt am Weg zum 


Platten Fischreste vom Semionotus Bergeri Au. finden‘. Die Angabe ist, wie 
aus den oben gegebenen Ausführungen folgt, in dieser Fassung nicht richtig. 
Damit fällt auch die Bemerkung Tuüracı's (III S. 29), daß sich im Kieselsand- 
stein des Gebietes des Blattes „Waiblingen“ die Reste von Semionotus Bergeri Av. 
finden. Aus all dem ist zu ersehen, daß der Kieselsandstein die Bezeichnung 
Semionotensandstein völlig zu Unrecht führt, da noch kein einziger Fisch in 
diesem Horizont aus Württemberg nachgewiesen ist, daß vielmehr die Benennung 
Kieselsandstein, die diese Schichten im allgemeinen in petrographischer Beziehung 
richtig und zugleich leicht verständlich bezeichnet, die geeignetste ist. In letzter 
Zeit gelang es mir, nachdem ich schon früher einen Saurierzahn auf einem 
Kieselsandsteinblock bei Obertürkheim entdeckt hatte, an der Roten Wand ein 
auf ca. 1 qm beschränktes Fischschuppen- und -knochenbonebed auf der wellen- 
gefurchten Oberfläche des untersten im nördlichen Teil des Aufschlusses auf- 
tretenden Sandsteinlagers nachzuweisen. 

* Die Bezeichnung „kristallisierter Sandstein“, die von dem Auftreten von 
Sandsteinpseudomorphosen nach Steinsalz in diesem Horizont herrührt, ent- 
sprechend dem „kristallisierten Sandstein“ von Fontainebleau, scheint mir nicht 
ganz glücklich gewählt, da das Vorkommen von Sandsteinpseudomorphosen auf 
diese Sandsteine nicht beschränkt ist, sondern auch z. B. im Stubensandstein be- 
obachtet wird und da weiterhin die Bildung der Steinsalzpseudomorphosen einer- 
seits, der Kalkspäte von Fontainehleau anderseits auf völlig verschiedenen Vor- 
gängen beruht. WALTHER (Lithog. S. 702 f.) benutzt diesen Ausdruck abweichend 
vom sonstigen Gebrauch für die verkieselten Sandsteine wegen der Ergänzung 
der gerollten Sandkörner durch Anwachsen des während des Verkieselungs- 
prozesses sich ausscheidenden Quarzes in der Orientierung derselben zu eben- 
flächigen, kristallisierten Individuen. 


Sonnenberg bei Degerloch, ca. 4 km südlich von dem eben genannten 
Platze, auf 2,5 m zusammengeschrumpft und nur noch 0,3 m grünlich- 
grauer, toniger, schilfsandsteinartiger Sandstein, der über 1,7 m 
Mergeln und Lettenschiefern liegt, erinnert daran, daß in nächster 
Nähe in dieser Schichthöhe Kieselsandstein ausgebildet ist. Bei Gais- 
burg, 2 km nordöstlich der Roten Wand, beträgt die Mächtigkeit gar nur 
noch 20—60 cm. Im Stromberg ist der Kieselsandstein wenig mächtig 
und als eine Reihe mehr oder weniger weicher, meist dünnplattiger 
Sandsteinschichten ziemlich gleichmäßig in einer ungefähren Mächtig- 
keit von 1 m ausgebildet. Im Bereich der Atlasblätter Löwenstein, 
Hall u. a. schwillt er zu einer gegenüber den von mir untersuchten 
Gegenden ungeahnten Mächtigkeit von bis zu 30 und mehr Metern 
an und bildet dort die unterste Terrasse in der von QUENSTEDT an- 
gegebenen Dreigliederung des Stubensandsteins im weiteren Sinne. 
Westlich Stuttgart bei der Solitude gegen Gerlingen hat der Kiesel- 
sandstein nur noch eine Stärke von 0,5 m, die jedoch gegen Leon- 
berg wieder etwas ansteigt. Von dem Schönbuch sind Angaben 
über völliges Verschwinden desselben vorhanden (Begleitw. zu Bl. 
Böblingen. II. Aufl. S. 27). So konnte ich den Kieselsandstein an 
einem vorzüglichen Aufschluß bei Rohrau nicht nachweisen, während 
_ er bei Roseck und Unter-Jesingen annähernd 1 m Mächtigkeit er- 
reicht und auch bei Tübingen z. B. am Österberg und am Spitzberg 
ansteht; dagegen ist er bei der Wurmlinger Kapelle nicht mehr nach- 
weisbar. Gegen Süden tritt der Kieselsandstein das letztemal in 
einer ca. 5 cm starken Schicht bei Hof Jungbrunnen, 1 Stunde öst- 
lich Rottweil, auf. Noch weiter südlich, bei Rottweil und Neufra 
vertritt den Kieselsandstein eine harte Steinmergelbank mit vortreff- 
lich ausgebildeten Steinsalzpseudomorphosen '. Diese Daten dürften 
genügen, das allmähliche Auskeilen des Kieselsandsteins nach Westen 
und Süden, zugleich auch das außerordentliche Schwanken in der 
Mächtigkeit und das unregelmäßige Auskeilen zu demonstrieren. 
Die ungefähre Grenzlinie, auf der der Kieselsandstein in Württemberg 
gegen Westen auskeilt, ist auf einem dem IV. Abschnitt beigegebenen 
Kärtchen dargestellt. Während der Kieselsandstein bei mächtigerer 


! Es wäre denkbar, dieses Steinmergelvorkommen mit der Lehrbergbank 
identifizieren zu wollen: doch zeigte dieser Steinmergel an mehreren Stellen eine 
kieselsandsteinartige Ausbildung, zudem wurden Steinsalzpseudomorphosen bisher 
nur im Kiesclsandstein, nie in der Lehrbergschichte in Württemberg beobachtet. 
Auch wurde bei Jungbrunnen und überhaupt südlich Stuttgarts die Lehrberg- 
schicht unter dem Kieselsandstein noch nicht gefunden. 


u Me es 


Entwicklung (z. B. bei Schorndorf, Plochingen, im ganzen nordöstlichen 
Württemberg) mehr die Eigenschaften kaoliniger Stubensandsteine 
annimmt, ist er z. B. bei Stuttgart sehr feinkörnig, meist sehr hart 
infolge gegenseitiger Verkittung der Quarze und dabei ziemlich 
kompakt, Eigenschaften, die ihn um so mehr von den anderen Sand- 
steinen unterscheiden, je geringer seine Mächtigkeit ist. Eigentüm- 
lich ist ihm dann auch rechteckige Absonderung. Als weiteres 
Charakteristikum im Gegensatz zu den Sandsteinen des Stubensand- 
steins (abgesehen vom Stromberg) treten grüne, tonige Oberflächen 
oder ebensolche Schnüre und Bänder ın dem Kieselsandstein auf, 
meist ohne der Härte Eintrag zu tun. Trotz dieser deutlichen 
Merkmale kann man bei dem überaus großen Wechsel, dem die 
petrographische Ausbildung dieser Gesteine unterworfen ist, und der 
oft außerordentlichen Ähnlichkeit mit Stubensandsteinen bei der Be- 
stimmung in Verlegenheit kommen und es ist manchmal schwer, ein 
Sandsteinstück ohne Kenntnis der stratigraphischen Höhenlage seines 
Fundplatzes mit Sicherheit dem Kieselsandstein oder anders dem 
Stubensandstein zuzuweisen. 

Wichtig für die Erkennung des Kieselsandsteins ist das Vor- 
kommen von Ton- oder Mergelgallen, von Trockenrißausfüllungen, 
Wülsten, Diagonalschichtung, Wellenfurchen, Sandsteinpseudomor- 
phosen nach Steinsalz und „fossilen Regentropfen“. 

Kreuzschichtung kommt in allen Schichten und in allen 
Dimensionen vor, auch en miniature in nur 1—3 cm langen, sich 
kreuzenden Linien in einem überaus feinkörnigen, dunkelfarbigen, 
mergelreichen Sandstein der Roten Wand, wobei ein fortwährendes 
Herüber und Hinüber in der Übereinanderlagerung der nur millimeter- 
dicken Schichtchen auf den Bruchflächen erkennbar ist. 

Dünenbildung konnte ich nirgends mit Bestimmtheit nach- 
weisen, obwohl ich die Frage, ob Dünenbildung in diesem Sandstein 
vorkommt, stets im Auge hatte. Nirgends — auch im Stubensand- 
stein nicht —, habe ich eine Überschreitung des Grenzwinkels von 
ca. 23°, unter dem nasser Sand noch schief anlagert, beobachtet. 

Wellenfurchen (ripple marks) entstanden durch die Tätig- 
keit des Windes oder des flachen wellenbewegten Wassers. Ein 
Wechsel der Windrichtung -—— denn Wind kommt aus verschiedenen 
Gründen hier vorwiegend als Wellenfurchenbildner in Betracht —, 
senkrecht zu der die Furchen verlaufen, konnte öfters im Kiesel- 
sandstein beobachtet werden. Manche dünnen Sandsteinplatten zeigten 
schon auf der Unterseite andersgerichtete Wellenfurchen als auf der 


z A = 


Oberfläche. Ich hielt es deshalb für zwecklos, die Orientierung der 
Wellenfurchen im Lager nach der Windrichtung zu bestimmen. 
Auch die Windstärke scheint stark gewechselt zu haben, als deren 
Maßstab wohl die Größe der beobachteten Wellenlängen (Wellenberg 
und -tal zusammengenommen) betrachtet werden darf, die zwischen 
drei und mehr Dezimeter und ebensovielen Zentimetern schwankt. 

Ob die sogen. fossilen Regentropfenabdrücke wirkliche 
Spuren solcher darstellen, ist mir sehr zweifelhaft; wahrscheinlicher 
erscheint mir die Annahme von Gangausfüllungen sandbohrender 
Würmer !. 

Zopfplatten, die als Kriechspuren zu deuten sind, fand ich 
am Aufschluß Solitude— Gerlingen. 

Sicher nachgewiesen sind Fußspuren, wahrscheinlich von 
Sauriern °. 

Gewisse, auf dem Gestein erhöht sich zeigende ziemlich gerad- 
linige Bildungen — einmal beobachtete ich auch Seitensprossen —, 
die hin und wieder auf der Unterseite des tiefstliegenden Sandsteins 
erscheinen, halte ich für Abdrücke pflanzlicher Überreste. 

Auf die austrocknende Tätigkeit der Sonnenbestrahlung und 
des Windes weisen die Trockenrißausfüllungen hin, die als 
unregelmäßig polygonale sich aneinanderreihende Wulstgitter von 
überaus schwankender Größe und Art der Wulstausbildung meist 
auf der Unterseite gewisser Kieselsandsteine erscheinen, die von 
Ton unterlagert werden. Zweimal konnte ich auch bestimmt 
Trockenrißausfüllungen auf der Oberseite der Sandsteinschichten 
nachweisen, einmal in einem Handstück von Spielberg im Stromberg, 
ein andermal, im Lager sichtbar, auf der westlich der Solitude, südlich 
Gerlingen gelegenen Höhe. Man hat sich die Bildung derartiger 
polygonaler Wülste so vorzustellen, daß eine Ton- oder Mergelschicht, 
die infolge von Austrocknung von Sprüngen durchzogen war, wie 
wir es nach regenloser Zeit am Ton in eingetrockneten Pfützen und 


! Im Schiltsandstein, der südlich Gerlingen anstcht, fand ich zufällig den 
im Kieselsandstein vorkommenden ähnliche sogen, Regentropfenplatten von zier- 
lichster Ausbildung. Die ganzen Platten sind mit sehr kleinen pilzförmigen 
Köpfchen bedeckt. Mit Spuren ehemaliger Tätigkeit von Würmern haben sie 
jedenfalls nichts zu tun, da die Köpfchen alle annähernd senkrecht zur Schicht- 
lagerung ausgebildet sind und eines am andern steht, 

* Plieninger und neuerdings Finckh haben in der Stuttgarter Natura- 
liensammlung Tierfährten niedergelegt. Quenstedt hat in „Das Flözgebirge 
Württembergs“ 2. Aufl. 1851. S. 99 f. hübsch dargestellt. wie ihre Entstehung zu 
denken ist. 


— I = 


an der Ackererde auf unseren Feldern beobachten, von Sand über- 
deckt wurde, der auch in die Trockenrisse sich legte. Allmäh- 
lich verkittete der Sand zu Stein, so daß wir heute auf den 
Sandsteinplattenunterseiten die verfestigten Trockenrißausfüllungen 
finden. Die Bildung von Trockenrißausfüllungen auf der Ober- 
fläche von Gesteinen läßt sich einwandfrei erklären, wenn man an- 
nimmt, daß die Tonschicht, wie es an dem Fundplatz bei der Soli- 
tude nachgewiesen werden konnte, nur in einer dünnen Lage den 
früher abgelagerten Sand überdeckte; diese bekam beim Trocknen 
Sprünge, die bis auf die darunterliegende Sandlage hinabreichten. 
Dann trat erneute Überdeckung von Sand ein, wobei die neue Sand- 
lage zwischen den Trockenrissen hindurch mit der unteren Sand- 
schicht innig sich verband, so daß heute nach Verfestigung zu Sand- 
stein die Ausfüllungen sowohl an dem Sandstein über als auch an 
dem Sandstein unter der Tonschicht sich finden. Bei der Aufschüttung 
des Sandes war wohl nur Wind tätig oder höchstens die Wellen 
plötzlich hereinbrechenden Wassers, die gleichzeitig mit der Über- 
schwemmung des Gebiets so viel Sand mitführten, daß die Trocken- 
risse bedeckt wurden. Durch vorhergehende längere Einwirkung 
von Wasser wären die Trockenrisse zerfallen und damit wäre die 
Ausbildung von Trockenrißausfüllungen unmöglich geworden. 
Häufig treten im Kieselsandstein Ton- und Mergelgallen von 
meist flacher Form auf, die auch z. B. im Schilf- und Buntsand- 
stein vorkommen è}. Diese Erscheinung ist darauf zurückzuführen, 
daß bei der Bildung der eben besprochenen Trockenrisse Tonpolygone 
infolge von ungleichmäßiger Sonnenbestrahlung und Austrocknung und 
deshalb ungleichmäßigem Tonschwund gern zu muschelig gebogenen 
oder eingerollten dünnen Schalen sich krümmen und dann leicht vom 
Wind weggeführt und zwischen anstehende Sandschichten fortgetragen 
werden. J. WALTHER beschreibt? die Tongallenbildung in den heutigen 
Wüstengebieten wie folgt: „Ist die Tonschichte nur 1—2 cm mächtig, 
dann krümmen sich die eintrocknenden Platten wie Hobelspäne zu- 
sammen und werden leicht ein Spiel des Windes, der sie zwischen 
den Sanddünen dahintreibt und in den Sand einbettet. Wird dann 
im Winter der Sand feucht, dann sinkt die Tonrolle erweicht zu- 


sammen und erscheint als breitgedrückte Tongalle dem Sande ein- 
geschaltet. “ 


' Vergl. auch Blanck, Ein Beitrag zur Chemie und Physik der Ton- 
gallen im Buntsandstein. Diese Jahresh. 1907. S, 355 ff. 
? Das Gesetz der Wüstenbildung. 1900. S. 128. 


Endlich sind die interessanten Ausfüllungspseudomorphosen 
von Sandstein nach Steinsalz! zu besprechen, die an vielen Orten 
gefunden wurden. Ihre Entstehung dürfte etwa folgendermaßen vor 
sich gegangen sein: Salzhaltiges Wasser wurde in einem auf seinem 
Grunde mit Ton ausgekleideten Becken durch die Wirkung eines 
heißen Klimas allmählich eingedampft, so daß sich Salz in Würfeln 
ausschied. Die größere oder geringere Geschwindigkeit in der Bildung 
der Salzwürfel, infolge des mehr oder weniger raschen Eindampfens 
der Lösung zeigt sich ausgedrückt in dem mehr oder weniger stark 
zurückgebliebenen Flächenwachstum gegenüber dem Kantenwachstum 
der Kristalle. Die ausgeschiedenen Steinsalzkristalle, die zwischen 
die Tonschichten an deren Oberfläche sich einlagerten, wurden dann 
von Sand bedeckt und von Wasser, das zwischen dem Sand durch- 
drang, allmählich aufgelöst, so zwar, daß die Formen der Steinsalz- 
kristalle im Ton erhalten blieben, die der nachschiebende Sand 
ausfüllte. Heute, nach der Verfestigung des Sandes zu Stein, 
treffen wir diese Pseudomorphosen als „kristallisierten Sandstein“ an. 
Im wesentlichen ergibt sich dasselbe Resultat, wenn man an- 
nimmt, daß salzhaltiges Wasser infolge von Übersättigung Steinsalz- 
kristalle ausschied, die auf dessen tonigem Grund sich sammelten; 
dann überdeckte Sand diese Kristalle, ohne daß der See eintrocknete; 
infolge der Abnahme der Konzentration des über den Steinsalzkri- 
stallen und Sandschichten lagernden Salzwassers wurden jene all- 
mählich aufgelöst und die oben beschriebenen weiteren Ver- 
änderungen traten ein. Gegen letztere Auffassung spricht, daß 
der die Steinsalzwürfel umgebende jedenfalls sehr weiche Ton 
beim Auflösen des Steinsalzes und Nachdringen des Sandes 
wahrscheinlich die Würfelhohlform nicht beibehalten, sondern den 
entstehenden Hohlraum selbst ausgefüllt hätte. Die Sandstein- 
pseudomorphosen nach Steinsalz treten anscheinend nur auf der 
Unterseite der Sandsteinplatten auf, was für die angegebene Bildungs- 
weise spricht. Nach den beiden Bildungsmöglichkeiten der Pseudo- 
morphosen können wir nicht stets mit Sicherheit behaupten, ob die 
Sandmassen durch Wind oder Wasser hergeführt wurden; durchweg 
aber ist es feinkörniger Sandstein. Dichtes dolomitisches Gestein, 
zu deın neben den bei Neufra und Rottweil anstehenden Pseudo- 


! Während Quenstedt in „Das Flözgebirge Württembergs“ (1851. S. 98) 
die Frage nach der Entstehung dieser Pseudomorphosen noch unentschieden lieb, 
hatte Christ, Paulus schon 1846 (diese Jahresh. S. 196 ff.) ihre Bildung aus 
Steinsalz erkannt. 


AAA | a ana: gaas Ciria 


morphosenbänkchen z. B. auch die Steinsalzpseudomorphosenbank 
im Gipskeuper bei Korntal zu zählen ist, hat wegen seiner dichten 
Beschaffenheit die genauesten Abdrücke und deshalb die feinst aus- 
gebildeten Pseudomorphosen geliefert. Aber auch die erst weiter 
unten zu besprechenden Sandsteinpseudomorphosen nach Steinsalz 
aus dem Stubensandstein bei Spielberg im Stromberg sind z. T. sehr 
gut ausgebildet und durch die respektable Größe von bis zu 5 cm 
Kantenlänge besonders bemerkenswert. Die im Stromberg gefundenen 
Sandsteinpseudomorphosen finden sich z. T. zusammen mit eigen- 
tümlichen Wulstbildungen und anderen, nicht leicht deutbaren un- 
regelmäßigen Erhöhungen. An der Roten Wand und im Käsbachtal 
bei Tübingen lagen Pseudomorphosen in derselben Fläche mit 
Wellenfurchen ’. 

Sicher aus dem Kieselsandstein stammende Fossilien sind in 
den Sammlungen nicht zu ermitteln gewesen. Es gelang mir, bei 
Öbertürkheim einen Saurierzahn in einem Kieselsandsteinblock und 
eine Art Fischschuppen und -knochenbonebed auf einem Platz 
von ca. 1 qm Umfang — noch im Lager liegend — an der Roten 
Wand bei Stuttgart nachzuweisen. Das Bonebed lag auf einer wellen- 
gefurchten Platte an der oberen Grenze der unteren Sandsteinbank 
von ca. 1 m Mächtigkeit im nördlichen Teil des Aufschlusses. 

Die 

oberen bunten Mergel 
bilden mit ihrem stetigen Wechsel von Mergeln und Steinmergeln 
ein Gegenstück zu den unteren bunten Mergeln. Das häufige, ge- 
ralezu gesetzmäßig allenthalben wiederkehrende Auftreten von meist 
„brotlaibartig“ geformten, senkrecht zur Schichtfläche spaltenden, in 
allen Nuancen von Grün nach Weiß und Rotbraun gefärbten, harten, 
dichten Steinmergeln oder mehr tonigen, etwas porösen gelbbraunen 
Dolomiten ist für diese Schichten charakteristisch. Dagegen wechselt 
die rote und grüne Farbe der Mergel und Tone unregelmäßig. Doch 
herrschen die grünen Farben im mittleren und nördlichen, die roten 
im südlichen Württemberg vor. Auf den Mergeln und Steinmergeln 
treten zuweilen tiefrote Flecken auf, die sehr konstant durchgehen 


— 


1 Herr Professor Dr. von Koken hatte die Freundlichkeit. mir — nach 
Abschluß der Arbeit — einige im Salzbergweik bei Hall in Tirol gesammelte 
Salzwürfel, die in tonigem Gestein eingebettet liegen, zu übergeben. Sehr inter- 
essant war mir die Beobachtung, daß diese Salzwürfel z. T. genau die nämlichen 
Wachstums- und Verdrückungserscheinungen aufweisen. wie sie bei den oben 
beschriebenen Pseudomorphosen beobachtet werden. 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 2 


= 18 ee 


und auf diese Schichten beschränkt zu sein scheinen, weshalb ihnen 
Quexsteotr den Namen „Blutfleckenmergel“ gab. Da diese Schichten 
einen schweren für Dinkelbau besonders geeigneten Boden liefern, 
bezeichnete er die Zone ihres Vorkommens auch als die der „Dinkel- 
äcker“. Tuürach stellt sie zu dem unteren Teil der Heldburger 
Stufe, Bacu rechnete sie zu der Abteilung des Kieselsandsteins = d.. 
Als wichtige, z. T. in der II. Abteilung enthaltene Profile wären zu 
nennen: Aasen-Dürrheim, Rottweil, Gößlingen, Gießmühle, Stein, 
Wurmlinger Kapelle, Spitzberg, Österberg, Roseck, Kayh, Rohrau, 
Sindelfingen, Plochingen, Fellbach, Leonberg, Hohenhaslach. 

In den Steinmergeln, die hin und wieder, jedenfalls z. T. in- 
folge von Verwitterung, in tonige Dolomite übergehen, findet man 
auf drusigen Hohlräumen Kalkspatausscheidungen. Infolge von Ab- 
grabungen zu Zwecken der Bahnhoferweiterung ist bei Plochingen 
das beste Profil in den oberen bunten Mergeln aufgedeckt worden. 
Es fanden sich deshalb dort die Schichten in einer ganz besonders 
günstigen Erhaltung mit einer Reihe von Gesteinen, die ich sonst 
nirgends gleich schön beobachtete. So tritt dort Kalkspat in reinster 
Ausbildung als drusige, rosafarbene Bank auf, die in Hohlräumen 
die zierlichsten mikroskopisch kleinen Kalkspatrhomboederchen aus- 
gebildet zeigt. Bei einem anderen Gestein scheint man einen grob- 
körnigen, rauhen, quarzitischen Sandstein vor sich zu haben, der sich 
bei der Untersuchung als ein aus lauter einzelnen reinen Kalkkörnern 
aufgebautes Agglomerat erweist. Ein grünes, schilfsandsteinähnliches, 
toniges Gestein mit violettroten „Blutflecken“, das in mehreren Bänken 
vorkommt, besteht aus Kalkspat mit grünem Mergel, ist also ein 
sogen. Mergelkalk, in dem in einer Schicht rosafarbener Baryt sich 
eingeschlossen fand. Weiter wäre zu nennen ein Konglomerat, be- 
stehend aus tieflila runden Tonknollen, die in lila- bis dunkelbraunem 
Dolomit eingebettet liegen; endlich schlackenförmige, oberflächlich 
rostbraune Schichten, die sich als fast tonfreier, auf der Oberfläche 
z. T. in Brauneisen verwitterter Braunspat (Eisencalciumcarbonat) 
erwiesen. Der Braunspat keilt nach den Seiten ohne Grenze in 
löcherige, weiterhin in dichte Steinmergel aus. Strontium- oder 
calciumhaltiger Baryt ist an vielen Orten in weißen blätterigen bis 
rosettenförmigen Abscheidungen auf Kluftflächen der Steinmergel 
aufgewachsen. 

An der Roten Wand bei Stuttgart stieß ich in geringer Höhe 
über dem Kieselsandstein auf ein in 'tonigen Schichten liegendes, 
jedoch nur auf wenige Dezimeter verfolgbares, reichhaltiges Bonebed 


= IQ 


mit Saurier- und Fischzähnen und -schuppen, das seinen Fossilien wie 
seiner petrographischen Ausbildung nach an das Crailsheimer Muschel- 
kalkbonebed erinnert. Die Fossilien dürften den Gattungen Termuto- 
saurus, Saurichthys, Hybodus, Acrodus angehören. In einer schwarzen, 
bituminösen Mergelschieferlage bei Hohenhaslach glückte es mir, 
woblerhaltene Pflanzenüberreste aufzufinden. Ein ganz ähnliches 
Gestein mit reichen Pflanzenresten von Jesingen liegt in der Tübinger 
Sammlung. 

Die untere Grenze der oberen bunten Mergel ist überall, wo 
Kieselsandstein ansteht, leicht zu ziehen und wird nur da unsicher, wo, 
wie z. B. bei Rohrau, Kieselsandstein und Lehrbergschichte fehlen, 
so daß die unteren bunten Mergel ohne scharfe Grenze in ihre 
obere Fortsetzung übergehen. Man wird in solchen Fällen den 
untersten Steinmergel über den roten Mergeln als Grenzschicht an- 
zunehmen haben. Denn der typische Wechsel von Mergeln und 
Steinmergeln in diesen Schichten ist in der Gegend bei Rottweil 
und Aixheim, wo an Stelle des Kieselsandsteins ein Steinsalz- 
pseudomorphosenbänkchen auftritt, ebenso leicht zu verfolgen und 
leitet ebenso sicher für die Unterscheidung der oberen von den 
unteren bunten Mergeln, wie dies in der Mitte des Landes und 
im Stromberg der Fall ist. Die Mächtigkeit dieser Schichten be- 
trägt bei Neufra 5 m, also noch etwas mehr als die unteren bunten 
Mergel; sie steigt bei Balingen und Hechingen auf ca. 11 m, bei 
Tübingen auf ca. 12 m, bei Roseck auf 10—10,5 m, schwillt bei Kayh 
auf ca. 16 m an, bleibt im Neckartal zwischen Plochingen und Stutt- 
gart anscheinend auf 12—15 m mittlerer Mächtigkeit, und erreicht 
im Stromberg z. B. bei Hohenhaslach annähernd 35 m. Doch scheint 
im einzelnen die Mächtigkeit derselben nicht unbeträchtlichen Schwan- 
kungen unterworfen zu sein. Offenbar haben sich die ersten Fluten 
der Stubensandsteinzeit z. T. in die Schichten der oberen bunten 
Mergel eingegraben. Dies läßt sich besonders an den Aufschüttungen 
beweisen, die, die Grenze verwischend, zwischen Stubensandstein und 
oberen bunten Mergeln eingeschoben liegen und aus Brocken und 
Grus des aus letzteren aufgearbeiteten und weggeführten Materials 
bestehen, so daß man von einem Basalkonglomerat sprechen kann, 
wie u. a. die Profile Rote Steig, Gößlingen, Plochingen beweisen. 
Bei Plochingen tritt gar eine bis zu 2 m Mächtigkeit erreichende rasch 
auskeilende und eine Menge Steinmergelbrocken führende, sehr harte 
Konglomeratkalksandsteinschicht wenig über der Grenze gegen den 


Stubensandstein auf; die mindestens teilweise Herkunft dieser Stein- 
2% 


mergelbrocken aus den oberen bunten Mergeln ist mir nicht zweifel- 
haft. Auch Qvensteot berichtet in den Begleitw. zu Bl. Löwenstein 
S. 14 etwas ähnliches: „Die unteren Lagen (des weißen Sandsteins) 
bilden häufig dicke Konglomerate mit abgerundeten Kalkmergeln, 
welche von den Steinmergelbänken der unterliegenden marnes irisees 
herzustammen scheinen.“ Wo diese Aufschüttungen fehlen und des- 
halb eine scharfe Grenze gegen den Stubensandstein besteht, liegen 
in den obersten Lagen der oberen bunten Mergel bald Steinmergel, 
bald Mergel. Also auch hier Zeichen einer, wenn auch im allgemeinen 
geringen Abtragung der Schichten an der Grenze zum Stubensand- 
stein! Gerade an solchen stark ausgewaschenen Stellen, die ohne 
Zwischenlagerung verschwemmten Materials von Stubensandstein über- 
lagert werden — es kann sogar der Sandstein ohne Schichtfuge mit 
dem Steinmergel verbunden sein —, werden hin und wieder, so bei 
Sindelfingen und Gerlingen, Fischschuppen und Knochenfragmente ge- 
funden. Endlich sei noch des Vorkommens von in den höheren Lagen 
der oberen bunten Mergel auftretenden Kieselsandsteinbänkchen ge- 
dacht; im allgemeinen fehlen die Kieselsandsteinbänkchen in den 
Aufschlüssen. Allein im Stromberg trat ca. 10 m über dem Kiesel- 
sandstein beim Steinbacher Hof und bei Ruine Blankenhorn eine Sand- 
steinbank auf, die jedoch in dem Profil Hohenhaslach fehlt. Sie 
liegt auffallend tief und wird noch von über 20 m oberen bunten 
Mergeln überlagert. 

Über den oberen bunten Mergeln breitet sich in mächtiger Ent- 
faltung der Stubensandstein oder, genauer bezeichnet, die 


Gruppe der Stubensandsteine 


aus, die wichtigste und interessanteste Stufe unter den 
Schichten des mittleren Keupers. Man sehe auf die Blätter 
der geognostischen Spezialkarte von Württemberg und man wird 
erstaunt sein, welch weite Flächen die gelbe den Stubensandstein 
bezeichnende Farbe tragen. Stromberg, Löwensteiner Berge, Main- 
hardter Wald, Waldenburger und Limburger Berge, Frickenhofer 
Höhe, Crailsheimer und Ellwanger Berge, Welzheimer und Murr- 
hardter Wald, Schurwald und Schönbuch sind ausschließlich oder zum 
überwiegenden Teil von Stubensandstein bedeckt. Der Stubensandstein 
vornehmlich war es für die ebengenannten Bergzüge des „Hügellandes 
von Mittelschwaben und Franken‘, der bei seiner bedeutenden Mächtig- 
keit und relativ schweren Angreifbarkeit der Erosion seit ihrem 
Einsetzen von Norden und Westen her durch die dem Neckar zu- 


zu, 9 


strömenden Gewässer bis heute in großen Partien standgehalten hat. 
Wie der Schilf- und z. T. der Kieselsandstein, so bildet auch der 
Stubensandstein an seiner oberen Grenze meist eine ausgeprägte 
Terrasse, über der die Knollenmergel, wenn überhaupt das Gebirge 
noch höher ansteigt, in sanftem Hange einsetzen. Bei der im mittleren 
und nördlichen Württemberg bedeutenden Mächtigkeit des Stuben- 
sandsteins ist es nicht verwunderlich, wenn da und dort auch in 
mittleren Lagen Terrassen entstanden; aber sie gehen nicht durch, 
treten nur lokal auf und kommen somit für eine weitere Einteilung 
des Stubensandsteins nicht in Frage. Nur im Bereich der Atlas- 
blätter Löwenstein und Hall, sowie im Stromberg, ist eine deutliche 
zweite Terrasse über größere Strecken hin ausgebildet, die dort, 
wenn auch ohne scharfe Grenze, den Stubensandstein in zwei Unter- 
abteilungen trennt. Die Einteilung Quexstepr’s in den Begleitw. zu 
Blatt Hall in Fleins und Stubensand will die orographischen Er- 
kenntnisse der Zweiteilungsmöglichkeit nur mit petrographischen Be- 
griffen ausdrücken: denn daß QuexsrteEDT die Stufen nicht allein nach 
der petrographischen Beschaffenheit des Gesteins unterschieden hat, 
darauf weist der Satz S. 30 hin: „Die obere und untere Abteilung 
kann man nur aus den Bergstufen erkennen.“ Soviel scheint aller- 
dings festzustehen, daß gerade im nordwestlichen Teil des schwä- 
bischen Stubensandsteingebietes die Ausbildung der einzelnen Schichten 
eine ruhigere Ablagerung aufweist als in den südlichen Landesteilen, wo- 
durch sie sich an die Schichtenausbildung im nördlichen Franken anlehnt. 
Eine Gliederung, wie sie bei andern Schichtenkomplexen von ähnlicher 
Mächtigkeit meist möglich ist und beim Stubensandstein in andern 
Gegenden vorgenommen und, wie ich im ersten Abschnitt zeigte, 
auch bei uns versucht wurde, ist im mittleren und südlichen Würt-. 
temberg unmöglich. Wohl treten z. B. die Kalksandsteine oder 
Spiegelsandsteine', wie sie QuENnsTEDT wegen ihrer im Sonnenlicht 
spiegelnden frischen Bruchflächen treffend bezeichnete, im allgemeinen 
in den unteren Schichten auf. Aber sie halten keinen bestimmten 
Horizont ein, keilen aus, wachsen rasch an, liegen bald höher, bald 
tiefer oder man findet sie sogar hoch oben im Stubensandstein. So sah 
ich den Kalksandstein erstmals bei Aasen in dicken Platten anstehen, 
bei Aixheim, Neufra und Rottweil war er anscheinend nicht vorhanden, 
dagegen wieder bei Gößlingen und Zimmern unter der Burg. In der 
„Höll“ bei Altenrieth tritt er erst 20 m über dem Liegenden auf 


! Häufig auch = Fleins; siehe darüber Abschnitt I. 1909. S. 87. 


— 2 — 


und findet sich ebendort zum zweiten Mal in einer dünnen Bank 
direkt unter den Knollenmergeln. Bei Plochingen trennen ihn z. T. 
nur wenige Meter weichen tonigen Sandsteins von den oberen bunten 
Mergeln, bei Eßlingen breitet er sich meist direkt über ihnen aus 
in 2 oder 3 unregelmäßigen je auf bis über 8 m anschwellenden 
Zügen, wie wir an der Eßlinger Neckarhalde mit ihren rebenum- 
kränzten Felsenreihen so schön beobachten können. Auch am 
äußersten Ende des Schönbuchs bei Herrenberg, sehr selten im 
Stromberg, in den Löwensteiner Bergen finden wir ihn, nirgends 
aber können wir sein Auftreten voraussagen und nirgends liegt er 
in sicherem Horizont. So scheint er z. B. bei Gaisburg, bei Leon- 
berg, bei Unter-Jesingen, an den meisten Stellen im Stromberg 
zu fehlen. Ähnlich wie mit dem Kalksandstein steht es mit 
dem im ganzen Lande so häufig gebrochenen Stubensandstein-Werk- 
stein, einem quarzitischen Sandstein mit mehr oder weniger Kaolin- 
bindemittel. Er wird im mittleren Württemberg stets direkt unter 
den Knollenmergeln liegend angetroffen und ist in diesem Horizont 
in einigen hundert Steinbrüchen aufgeschlossen. Schon bei Pfohren 
unweit Donaueschingen steht er an, bei Aixheim wird er in mehreren 
Werksteinbrüchen ausgebeutet und dort sogar zu Kirchen- und Rat- 
hausbauten verwendet. In der Nürtinger Gegend liegen die be- 
rühmten Brüche von Schlaitdorf, Altenrieth, Neuenhaus, Detten- 
hausen, Oberensingen usw., die Gesteinsmaterial für das Ulmer 
Münster, den Kölner Dom, das Schloß Neuschwanstein, das Rathaus in 
München und viele andere bedeutende Bauwerke geliefert haben. Aus 
einem Bruch bei Plattenhardt wurde ein Teil der Sandsteine für das 
Stuttgarter Rathaus entnommen. Von altersher kommen für Stutt- 
gart besonders die Brüche bei Degerloch, Dachswald und beim 
Schatten in Betracht. Vom Stromberg seien die Brüche bei Ochsen- 
bach, Hohenhaslach, südlich Pfaffenhofen genannt. Letztere 3 liegen 
jedoch nicht wie alle vorher erwähnten in den obersten Schichten 
des Stubensandsteins; der Bruch bei Ochsenbach ist in den tiefsten, 
der von Hohenhaslach in den mittleren Schichten des Stubensand- 
steins, beide unterhalb der Ochsenbachschicht aufgeschlossen, der 
Bruch bei Pfaffenhofen über derselben, ungefähr auf der Höhe der 
mittleren Terrasse. Kaolinige Sandsteine finden sich auch sonst 
überall in mittleren und unteren Lagen, nur sind sie meistens zu 
weich, um als Bausteine verwertet werden zu können. Wir ersehen 
aus dem eben Gesagten, daß auch der Sandstein mit kaolinigem 
Bindemittel keinen bestimmten Horizont einhält. 


— 93 — 


Auch die Korngröße kann nicht zur Unterscheidung von 
Stufen herangezogen werden, da sie von Ort zu Ort rasch wechselt. 
In den obersten Schichten des Stubensandsteins bei der Stettener 
Straße, die von Eßlingen über den Schurwald führt, wird ein ziem- 
lich grobkörniger Werkstein gebrochen; das Gestein aus den im 
selben Horizont liegenden Brüchen von Ober-Ensingen, Degerloch, 
Dachswald bei Stuttgart usw. ist dagegen meist ziemlich feinkörnig. 
Endlich wechselt die Größe des Korns nicht nur an verschiedenen 
Orten, sondern auch in verschiedenen Horizonten oft ungemein rasch, 
wie dies an vielen Stellen beobachtbar ist. Ebenso wäre es falsch, 
aus der Tatsache, daß in der Stuttgarter und Eßlinger Gegend die 
oberen 30—40 m ausschließlich aus Sandaufschüttungen bestehen, 
schließen zu wollen, daß dies durchlaufend oder auch nur für ein 
größeres Gebiet der Fall sei, und daß zur Zeit ihrer Entstehung 
ruhigere Bildungsbedingungen herrschten; denn ein Profil, das vom 
Bohrloch der Plochinger Waldhornbrauerei aufgenommen wurde’, be- 
lebrt uns, daß dort eine Reihe von Mergellagen die obersten Sand- 
steinschichten unterbrechen. Auch im Steinbruch von Pfaffenhofen, 
dessen Gesteine zu den höheren Schichten des dortigen Stubensand- 
steins gehören, liegen die Sandsteine im Wechsel mit Mergelschichten 
linsenförmig gelagert, d. h. sie keilen deutlich nach den Seiten 
zu aus. Dem untersten Bausandstein von Ochsenbach entsprechen 
bei Gündelbach, also auf ca. 3 km Entfernung, wenige dünne Sand- 
steinplatten. Der von Tuörach so genannte „obere Semionoten- 
sandstein“ von Hohenhaslach mit über 8 m Mächtigkeit ist bei 
Gündelbach, also auf 5 km Entfernung, nicht mehr nachweisbar. 
Einzig die Ochsenbachschicht bildet hier in Stromberg einen durch- 
laufenden Horizont; sie ist anscheinend vollkommen eben aus- 
gebildet. Leider ıst dieser Horizont in seinem Vorkommen auf den 
Stromberg beschränkt; er läuft nicht durch. Fehlen doch schon im 
nördlichen Baden alle Äquivalente für diese Schicht. ZELLER nennt 
sie (a. a. O. S. 64) einen „Ausläufer des linksrheinischen und nord- 
deutschen Steinmergelkeupers“ und er hat damit jedenfalls recht. 
Als drastisches Gegenstück zur Ochsenbachschicht sei auf die aut 
Tafel II Fig. 1 gegebene Photographie eines Kalksandsteinbruchs aus 
dem Schurwald bei Eßlingen hingewiesen, wo ein unentwirrbares 
Chaos von Schichten dicht an- und übereinander gelagert erscheint. 
Dieses Bild illustriert, denke ich, zu Genüge die vortreffliche Cha- 


! Die Kenntnis dieses Profils verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn 
Bauinspektor Weigelin. 


— 2X4 — 


rakteristik der Schichtenausbildung des Stubensandsteins durch 
DEFFNER, die in Abschnitt I (1909 S. 91) zam Abdruck gebracht ist. Die 
Ablagerungen ruhigen Wassers mit ihrer horizontalen Absetzung der 
= Sinkstoffe haben mit Beginn der Stubensandsteinzeit im Bereich des 
südlichen Württembergs fast völlig aufgehört. Herrschend wird un- 
regelmäßiger, wirrer Wechsel von Sandsteinen von verschiedener 
Korngröße und wechselndem Bindemittel mit buntfarbigen Mergeln 
und weißen bis lilafarbenen dolomitischen Schichten. Nach allen 
Richtungen in größerer oder kürzerer Entfernung Auskeilen der 
Schichten, nirgends ein Durchlaufen derselben! Stubensandstein- 
gesteine aus den verschiedensten Lagern und aus den entlegensten 
Gegenden können sich gleichen, während die Zwischenglieder in 
senkrechter und horizontaler Richtung fehlen. 

Manche Stubensandsteingesteine bedürfen noch weiterer Be- 
trachtung. So erwähne ich Sandstein mit dolomitischem Bindemittel 
der ziemlich selten zu sein scheint. Ich fand ihn bei Pfohren und 
in der „Höll“ bei Altenrieth, an letzterem Ort in den untersten 
Schichten des Stubensandsteins. Ähnliche Gesteine liegen, gleich- 
falls in den unteren Lagen, bei Sindelfingen und bei Leonberg; im 
höchsten Fall erreichen sie 2—3 m Mächtigkeit. Auch feinkörnige 
verquarzte Sandsteine fehlen nicht, z. B. bei Aixheim, bei Gaisburg 
und im Stromberg; doch treten sie stark zurück. Der quarzitische 
und kaolinige poröse Sandstein liefert Werksteine. Manche Sand- 
steine enthalten, nicht zur Freude der Steinbruchbesitzer und Bau- 
leute, Manganflecken oder Gallen von schwarzbrauner Farbe oder 
hellbraune Rostflecken, die den Wert der Bausteine erheblich herab- 
setzen. Diese Residua einstiger Carbonate bilden, wenn letztere in 
größeren Knollen auftraten, nicht selten dunkelgefärbte Hohlräume. 
Hin und wieder, z. B. sehr schön bei Eßlingen, findet man die Mangan- 
carbonatsandsteinkugeln sogar noch teilweise unverwittert im Ge 
stein. Auf dieselbe Erscheinung der Auslaugung von eisen- und 
manganhaltigem Carbonat weist der für den tiefer liegenden Kiesel- 
sandstein in Franken gebrauchte Ausdruck „Blasensandstein“ und 
die Bezeichnung „Tigersandstein“ für den unteren Buntsandstein hin. 
Bei stärkerem Auftreten von Feldspat neben Quarz als klastischem 
Bestandteil gehen die Sandsteine in Arkosen über, Ton und Mergel 
als Bindemittel oder in feinsten Körnern verteilt nehmen zu, und 
es entstehen festere oder losere Sande von allen möglichen Zu- 
sammensetzungen und Färbungen. Ebenso wie die Farbe und das 
Bindemittel wechselt auch die Korngröße beständig. 


— 25 — 


Es läßt sich wohl verstehen, daß so ziemlich alle Gesteins- 
kombinationen, die sich aus dem verschiedenen Zusammenwirken 
von Quarz, Feldspat, Kaolin, Ton, Kalkspat, Dolomit und Braunspat 
ergeben, im Stubensandstein vorkommen können. Abgesehen von 
vielfachen Zwischenlagerungen von bis zu mehreren Metern mäch- 
tigen buntfarbigen Mergellagern kommen dunkellila bis dunkelbraune, 
seltener anders gefärbte mergelige oder tonige Sande und Stein- 
mergel resp. Dolomitbänke von meist bröckeligem Aussehen und 
heller rosa bis hellila, auch grauer Farbe in ähnlicher Mächtigkeit 
vor. Diese Mergel und Steinmergel trifft man hin und wieder in 
gerollten Brocken in Sandstein oder mergeligem Gestein eingebettet 
als Konglomerat, das selbst brecciösen Charakter annehmen kann, 
also an sekundärer Lagerstätte, an. 

Bei Plochingen lagen auf der unteren Grenze zum Stubensand- 
stein hübsche Septarienknollen, die Knollenrisse mit weißem Kalkspat 
verkittet. In der Ochsenbachschicht sind die Molluskenschalen z. T. 
in Baryt umgewandelt. Auch findet man Baryt auf Kluftflächen und 
in Hohlräumen des Kalksandsteins in schönen Rosetten, gern ver- 
gesellschaftet mit Kalkspat, der überall im Kalksandstein reichlich 
in Drusen auskristallisiert und noch häufiger auf Klüften als Sinter 
auftritt. Noch sei oolithischer Gesteinsausbildung Erwähnung getan, 
die vom Stromberg aus dem Horizont über der Ochsenbachschicht 
bekannt ist und bei Löwenstein, wie ein ausgezeichnetes Stück der 
Tübinger Sammlung zeigt, eine dem Karlsbader Sprudelstein ähnliche 
Gestaltung aufweist, weiterhin das Vorkommen von Metallsulfiden, 
besonders von Eisenkies, dazu von Kohle und Kieselhölzern. Die 
Kieselhölzer gehören den Gattungen Araucarioxylon und Equisetum 
an, außerdem wurden Pflanzen von der Gattung Widdringtonites und 
Voltzia aus diesen Schichten beschrieben. Steinsalzpseudomorphosen 
fand ich nur im Stromberg, Wellenfurchen einmal auch bei Musberg, 
in dem dortigen Spiegelsandsteinbruch. An tierischen Überresten 
sind, abgesehen von Gastropoden und Bivalven, zu nennen: 3 bezw. 4 
Semionotenarten, an Sauriern die berühmten Funde von Belodonten, 
Astosauriern und Zanclodonten, an Schildkröten zwei Funde von 
Proganochelys!. 


! Literatur über Vertebraten und Pflanzen des schwäbischen Stuben- 
sandsteins: 
Eb. Fraas, Die Schwäbischen Trias-Saurier. Stuttgart 1896, wo auch Angaben 
über die ältere, diesen Gegenstand betreffende Literatur sich finden, 
— — Aetosaurus crassicauda n. sp. Diese Jahresh. 1907. S. 101 ff. 


Immer mn ee 


— 26 — 


Überblicken wir nochmals alle die verschiedenartigen Gesteins- 
bildungen des Stubensandsteins, so sehen wir, daß der weiße Sand 
und Sandstein ihm sein charakteristisches Gepräge verleihen, während 
Mergel und Steinmergel untergeordnet auftreten, daß wir es also nicht 
nur mit einer einzigen mächtigen Sandsteinschicht zu tun haben, wie 
dies z. B. für den Schilf-, Kiesel- und Rätsandstein im allgemeinen 
zutrifft. Ich hielt es deshalb für angezeigt, den Ausdruck Stuben- 
sandstein durch die die Mannigfaltigkeit des Schichtenaufbaus an- 
deutende Bezeichnung „Gruppe der Stubensandsteine“ zu ersetzen. 

Wie die oberen bunten Mergel, wenigstens in geringem 
Maße, so zeigt der Stubensandstein auf seiner oberen Grenze 
Erosionserscheinungen. Man könnte annehmen, diese Er- 
scheinungen beruhen auf der Bildung von Dünen. Dagegen spricht 
aber die ziemlich gleichmäßige Parallel- oder schwache Kreuz- 
schichtung, die offenbar ohne Beziehung zu der heutigen Abgrenzung 
der Sandsteine gegen die Knollenmergel steht und an einem Ero- 
sionstal scharf abschneidet, wie in einem Steinbruch im Dachswald 
bei Stuttgart beobachtet wurde. Wohin das ausgenagte Sandmaterial 
verschwemmt wurde, darüber konnte ich keine festen Anhaltspunkte 
finden; denn es ließ sich noch keine Umlagerung in diesen obersten 
Schichten mit völliger Sicherheit nachweisen; es sei denn z.B. ein 
dünnes auskeilendes Sandsteinband über einem ca. 1 m breiten roten 
Mergelband und direkt unter den Knollenmergeln, das in einem Stein- 
bruch unterhalb Degerloch vorkommt, als verschwemmter Stuben- 
sandstein anzusprechen. Das Auffinden einer Umlagerung in manchen 
dieser obersten Schichten ist durch den Umstand außerordentlich 


Frhr. v. Huene, Die Dinosaurier der europäischen Triasformation, Geologische 
und paläontologische Abhandlungen, herausgeg. von E. Koken. Suppl.- 
Bd. I. 1907—1908. 

Zakrzewski, Eine im Stubensandstein des Keupers gefundene Schildkröte. 
Diese Jahresh. 1888. S. 38. 

Quenstedt, Psammochelys Keuperina. Ebenda 1889. S. 120 ff. 

Eb. Fraas, Proganochelys Quenstedtii Baur. Ebenda 1899. S. 401. 

O. Fraas, Über Semionotus und einige Keuper-Konchylien. Ebenda 1861. 
S. 81 ff. 

Völter, Über Semionotus Bergeri Aa. Ebenda 1863. S. 57 f. 

Nies, Über die verkieselten Baumstämme aus dem württembergischen Keuper 
und über den Verkieselungsprozeß. Ebenda 1883. S. 98 ff. 

Kraus, Bemerkungen über die verkieselten Stämme des fränkischen Keupers. 
Würzburger naturw. Zeitschr. Bd. VI. 

v. Chroustschoff, Einige neue Keuperpflanzen. Diese Jahresh. 1868. S. 309 
bis 312. 


a OT aa 


erschwert, daß hier fast nur mehr oder weniger kaolinige Sande und 
Sandsteine sich ablagerten, die bei etwaiger Umlagerung kaum eine 
erkennbare Veränderung in ihrer Ausbildung erlitten. Eigentümlich 
ist auch, daß gerade im Hangenden des Stubensandsteins da und 
dort mehrere Meter mächtige Kaolinlager auftreten, während sie 
sonst nur unregelmäßig und in geringer Mächtigkeit zwischen den 
Schichten eingestreut sind. Dieses gleichbleibende Einhalten eines 
bestimmten Horizontes und ihr völliges Fehlen an andern Stellen 
führten mich zu der Ansicht, man habe es hier mit aus verwittertem 
Feldspat herstammendem Kaolın zu tun, der aus den Sanden des 
umliegenden Landes ausgeschlämmt und während der Zeit des Trocken- 
liegens der Oberfläche des Stubensandsteins in Mulden zusammen- 
geschwemmt wurde, zumal gerade hier der Feldspatgehalt vieler 
Sandsteine ein ausnahmsweise geringer ist. 
Die 
Knollenmergel 

oder Zanclodon-Letten, zu denen ich hiermit übergehe, führen 
ihre Bezeichnung wegen des typischen Auftretens unregelmäßig 
eingestreuter Steinmergelknollen in rotbraunen bis hochroten oder 
violetten tonig-mergelig-lettigen Ablagerungen, in denen hin und 
wieder Funde der Riesenechse Zanclodon! gemacht wurden. Die 
untersten Partien sind unregelmäßig von dünnen, horizontal ge- 
lagerten, hellfarbigen, oft schwach sandigen Schmitzen und Schnüren 
durchzogen. Die Steinmergelknollen, jedenfalls Konkretionen, sind 
in ihrer Größe außerordentlich verschieden und bergen in ihrem 
Innern nicht selten Kalkausscheidungen. Die Knolleneinlagerungen 
beginnen zumeist erst mehrere Meter über der Grenze, während 
se an anderen Stellen direkt über dem Stubensandstein ein- 
setzen. Ausscheidungen von Eisenglanz ähnlichen Bildungen (Eisen- 
harnisch) sind auf sogen. Rutschflächen nicht selten. Ihre Mächtig- 
keit beträgt bei Schwenningen 10—20 m, bei Aixheim und Rott- 
weil erreicht sie 30 m, bei Bickelsberg ca. 40 m, in einem 
Bohrloch, das in Plochingen niedergebracht wurde, wurde die er- 
staunliche Stärke von 50 m gemessen, bei Wiflingshausen im Schur- 
wald geht die Mächtigkeit nicht über 28 m hinaus, bei Degerloch 
maß ich ca. 45—50 m. Trotz diesen außerordentlichen Schwan- 
kungen ist die Ausbildung des Gesteins überaus gleichartig. Sicherlich 
rühren die Mächtigkeitsdifferenzen z. T. davon her, daß die Mergel 


—_. 


! Im alten Sinne. 


HB — 


an vielen Stellen Vertiefungen an der Oberfläche des Stubensand- 
steins auszufüllen hatten. Ob an der oberen Grenze der Knollen- 
mergel einzelne Schichten an manchen Stellen, besonders da, 
wo Rätsandstein sie überlagert, abgetragen wurden, kann ich, 
mangels Aufschlüssen, nicht beurteilen. Überhaupt ist es kaum 
möglich, ein Gesamtprofil der Knollenmergel zu erhalten, da in- 
folge der Fruchtbarkeit dieser Landstriche eine etwa im Gebirge 
entstehende Wunde nach wenigen Jahren wieder zugewachsen ist. 
Das Anstehende der Knollenmergel zu verdecken, hilft auch ihre 
Eigenschaft leicht zu rutschen, was durch das Wasserhalten des 
Gesteins und deshalb stets bestehende Durchfeuchtung erleichtert 
wird. Durch die Neigung der Knollenmergel zu Rutschungen ver- 
raten sie ihren Horizont auch da, wo weit und breit kein Aufschluß 
zu finden ist, weil hier der Boden stets in Bewegung und der Wiesen- 
grund meist in kissenartig aufgewölbte kleine Abschnitte zerlegt ist, 
wodurch die Geländeoberfläche ein unruhiges Aussehen erhält!. 

Wegen ihrer geringen Widerstandsfähigkeit gegen die Erosion 
sind die Knollenmergel fast nur da vorhanden, wo sie eine Lias- 
decke vor der Abtragung schützt; fehlt diese, so sind die Knollen- 
mergel meist der Erosion zum Opfer gefallen. 


IV. Entstehungsgeschichte des schwäbischen mittleren Keupers. 


Die anziehenden und interessanten Ausführungen von Ep. Fraas? 
und TnöracH” über die Entstehung des germanischen Keupergebirges 
und über Geographie, Klima, Fauna und Flora der Keuperzeit in 
Deutschland veranlaßten mich, ihren Fußtapfen zu folgen und auf 
meinem eng umgrenzten Arbeitsgebiet die allgemeinen Linien, die 
diese Forscher vorgezeichnet hatten, durch einige speziellere Züge 
zu vermehren. Die ausgezeichneten vergleichenden Abschnitte in 


ı Nach Abschluß der vorliegenden Arbeit habe ich gelegentlich von Kar- 
tierungsarbeiten in der EBlinger Gegend beobachtet, daß die murenartigen 
Rutschungen der Knollenmergel an manchen Stellen ein Tiefersinken der Rhät- 
bezw. Lias «-Grenze an der Oberfläche des Gebirges verursachen und zwar, 
ohne daß eine Wunde in der Bodendecke im allgemeinen erkennbar wäre. Da- 
durch scheinen die Knollenmergel eine viel geringere Mächtigkeit zu besitzen, 
als ihnen in Wirklichkeit zukommt und sich tatsächlich in der Tiefe des Gebirges 
betindet. Ich hoffe, auf diese Verhältnisse an anderer Stelle näher eingehen zu 
können. 

? Die Bildung der germanischen Trias, eine petrogenetische Studie. Diese 
Jahresh. 1899. S. 36 ff. 

3 Th. I S. 80 ff. und besonders III S. 40 ff, 


— 29 — 


der Lethaea geognostica! über die Gesteine, die Faziesunterschiede 
und das Klima der kontinentalen Trias, die von der Hand Faech's 
und PhaıLıppi's stammen, waren mir für meine Zwecke von großem 
Wert, ebenso die genialen Werke WarrtHer's: Lithogenesis der Gegen- 
wart? und das Gesetz der Wüstenbildung? und die geologischen 
Beobachtungen in den Tropen und Subtropen Passarce’s in Ke- 
uack’s Lehrbuch der praktischen Geologie‘. 

Die in Württemberg auftretende Keuperformation bildet das 
jüngste Glied der von ALBERTI so genannten Trias, zu der als ältere 
Abteilungen Buntsandstein und Muschelkalk gehören. Im Gegensatz 
zu der Weltmeertrias, nach ihrem Auftreten in den Alpen auch alpine 
Trias genannt, wird die besonders in Deutschland verbreitete Binnen- 
meertrias als germanische oder kontinentale Trias bezeichnet. 
Die Gesteinsabsätze des einstigen Keuperbinnenmeeres’ und die 
an seinen Küsten über dem Spiegel des Meeres entstandenen Ab- 
lagerungen reichten im Osten bis nach Polen, im Norden wohl bis 
gegen Skandinavien hin, im Westen bis England und Frankreich, 
gegen Süden bis Spanien und zur nordafrikanischen Küste; weiter 
lassen sich die Keuperablagerungen in der Schweiz, in Süddeutsch- 
land entlang dem Zuge des schwäbischen und fränkischen Juras und 
über letzteren hinausgreifend gegen den Böhmerwald hin verfolgen. 
In Schlesien endlich finden wir den Anschluß an die an erster Stelle 
genannten Ablagerungen in Polen‘. 

Für die vorliegenden Untersuchungen war die Kenntnis der 
Begrenzung der Keuperablagerungen im Osten und Süden von Würt- 


ı II. Teil 1. Bd. Trias. Stuttgart 1903 und 1908. 

? Jena 1893/94. 

3 Berlin 1900. 

* Stuttgart. 2. Aufl. 1908. S. 226 ff. 

5 Über die Frage, ob das einstige germanische Keupermeer mit dem Welt- 
meer — vielleicht nur zeitweilig — durch einen Meeresarm verbunden war, 
vermag ich nichts Bestimmtes auszusagen. Daß das Binnenmeer höchstens in 
minimalem Maße zu dieser Zeit mit den Fluten des \Weltmeeres vermischt wurde, 
darauf weisen die als Folge starker Eindampfung des Binnenmeeres zu derselben 
Zeit niedergeschlagenen Gips- resp. Anlıydritlager hin. Die etwaige Verbindung 
im Südosten würde ich mir zwischen dem südlichen Rande des vindelicischen 
und dem Nurdrande eines anzunehmenden präalpinen Gebirges denken, also etwa 
östlich Schaffhausen am Rheinfall, Vergl. dagegen Benecke, Die Stellung der 
alien Schichten von Neuewelt bei Basel, Centralbl. f. Min. ete. 1906. 

‚1-10. 


° Th. I S. 80 und III S. 40 ff, Eb. Fraas, a.a. 0. S. 82 und Lethaca 
II. Teil. 1. Bd. 


= A 


temberg von Wichtigkeit. GümĒmseL dachte sie sich in einer ungefähr 
der Donau zwischen Ulm und Regensburg parallel sich erstreckenden 
Linie, wo er einen heute südöstlich der Albspalte in die Tiefe ab- 
gesunkenen Urgebirgsrücken annahm: das vindelicische Ge- 
birge'. Vielleicht einen Teil desselben, vielleicht ein selbständiges 
aus Urgestein bestehendes Gebirge mag schon damals der bayrisch- 
böhmische Wald gebildet haben. Gegen Süden nimmt die Mächtig- 
keit der Triasschichten stark ab, so daß in dieser Richtung, viel- 
leicht bei Luzern und Bern die ehemalige Küste an einem anzu- 
nehmenden präalpinen Gebirge erreicht worden sein mag. 

Die von Kranz? in einer Kartenskizze eingezeichnete Südgrenze 
des schwäbisch-fränkischen Beckens in der Keuperzeit ist in ihrem 
Verlauf durch Württemberg sicherlich zu weit westlich gelegt. Eine 
Schichtenreihe (Gips- bis Rätkeuper), die bei Tübingen über 250 m 
Mächtigkeit aufweist, kann, wenn man die Mächtigkeitsänderungen 
des Keupers von anderen Stellen zum Maßstab nimmt, unmöglich 
schon bei Münsingen (auf ca. 35 km Entfernung) ausgekeilt sein. 
Eine Untersuchung der am weitesten östlich gelegenen Albvulkan- 
embryonen auf das Vorkommen von Triasgesteinen müßte über diese 
Frage eindeutige Resultate ergeben. 

Entsprechend der größeren oder geringeren Entfernung von der 
ehemaligen Küste teilt Tuüracn® die Keuperbildungen von Süd- 
deutschland in drei Zonen ein: eine randliche Zone zunächst 
der Küste, die westlich bis an eine zwischen Kulmbach, Fürth, 
Ansbach und Dinkelsbühl gedachte Linie reicht, eine mittlere 
Zone, die die Bildungen in Franken und Württemberg westwärts 
dieser Linie umfaßt, und eine äußere Zone, welche von den Keuper- 
ablagerungen in Elsaß-Lothringen, in Luxemburg, am Rande der 
Eifel, an der Weser, in Braunschweig, in Thüringen und in Schlesien 
gebildet wird. Diesen Zonen entspricht ein Wechsel in der Fazies 
der Gesteine, so daß z. B. in der randlichen Zone die Sandsteine 
vorherrschen, in der äußeren fast gänzlich fehlen. 

Es wurde im vorausgehenden stets vom germanischen 


1 Siehe Gümbel: Geologie von Bayern. 1894. S. 19, Auch Pompeckj 
setzt in: Die Juraablagerungen zwischen Regensburg und Regenstauf (Geognost. 
Jahresh. 14. 1901. S. 43 f.) für die Triaszeit das Vorhandensein des vindelicischen 
Gebirges voraus. 

3 Geologische Geschichte der weiteren Umgebung von Ulm a. D. Diese 
Jahresh. 1905. S. 176 ff. 

s Th, IS. 82 f. 


vi E ne a E 


Keupermeer gesprochen. Während ich mit Tuüracn das einstige 
Vorhandensein eines Keupermeeres in Südwestdeutschland vertrete, 
nimmt PhıLıppi ' einen Aufbau der dortigen Keupergesteine auf durch- 
weg fluviatil-subaerischem Wege an; diese Bildungsweise läßt er 
nicht nur für die Sandsteinablagerungen, sondern auch für die 
Gesteine gelten, „die sich lediglich durch größere Feinheit ihres 
Materials von jenen unterscheiden“, für die Mergel und Tone. 
Auch nach meiner Auffassung sind die Gesteine des Schilf-, Kiesel- 
und Stubensandsteins vorwiegend fluviatilsubaerische Bildungen, 
aber die Dolomite, Mergel und Tone der Mergelstufen halte ich 
für Ablagerungen eines Binnenmeeres. Ohne Annahme von Trans- 
gressionen eines Meeres erscheinen mir die wiederholten Vorstöße 
der Mergelablagerungen nach Osten unverständlich. Wären diese 
Schichten gleichwie die Sandsteinablagerungen fluviatil- subaerisch 
abgelagert, wie wäre dann der Fazieswechsel zu erklären? Phırıpri 
nimmt zur Deutung desselben einen Wechsel der Niederschlagsmengen 
in den randlichen Gebirgen an (Centralbl. f. Min. etc. 1901. S. 468). 
Weiter wäre die Grenze des Kieselsandsteins, auf der er gegen Westen 
auskeilt, höchstens durch Zufall so gerade von Norden nach Süden 
verlaufen, wenn sie nicht zugleich die Küste der einstigen Keupersee 
bezeichnete. Die auf weite Strecken hin verfolgbare Gleichmäßigkeit 
in der Mächtigkeit, die Möglichkeit einer genaueren Horizontierung auf 
große Entfernungen (Bleiglanzbank, dunkle Mergel, Lehrbergschicht), 
die meist streng horizontale Lagerung der Schichten im Bereich der 
Mergelstufen des mittleren Keupers ist dann am besten erklärbar, wenn 
wir an die ausgleichende Tätigkeit des Meeres denken. Nach der 
Darstellung PhiLippi’s müßten die Sandsteine im großen ganzen all- 
mählich in feineres Material, endlich in Mergel und Ton übergehen, 
während wir bei den Kieselsandsteinen gerade das Fehlen jeglichen 
Tonbeimittels und strenges Abschneiden der Sandsteine des Kiesel- 
sandsteins gegen die Mergel in den meisten Fällen beobachten, wenn 
die Kieselsandsteine auskeilen; alle ihre Eigentümlichkeiten weisen 
auf Bildung am Strande hin, westwärts dessen das Meer sich er- 
streckte. Parri ist der Ansicht, daß Ästuarien oder Lagunen oder 
auch Süßwasserseen als Absatzgebiete rotgefärbter Tone und Mergel 
nicht in Betracht kommen (a. a. O. S. 33 f.). Immerhin kann aber 
ein salziger Binnensee rote Tone durch Zufuhr vom Lande aufgenommen 
haben. In tropischen Gegenden werden von vielen Flüssen Laterite 


1 Lethaea II. S. 33 ff. und „Über die Bildungsweise der buntgefärbten klasti- 
schen Gesteine der kontinentalen Trias“. Centralbl. f. Min. etc. 1901. S. 463 ff. 


— 32 — 


durch Verschwemmung weit ins Meer hinausgetragen und dort als 
roter Meeresschlamm abgesetzt. Geologische Zeugnisse für die Mög- 
lichkeit der Ablagerung roter Mergel im Bereich des einstigen Trias- 
weltmeeres bieten uns die Raibler Schichten in den Dolomiten, in 
denen z. B. auf dem Schlernplateau uns eine überreiche Meeresfauna 
überliefert ist. Diese Mergel, die ich gelegentlich einer Exkursion 
unter Führung des Herrn Professor Dr. v. Koken kennen lernte, unter- 
scheiden sich nach ihrer Gesteinsbeschaffenheit und Lagerungsweise 
in nichts von den bunten Mergeln unserer schwäbischen Berge. Jeden- 
falls sind die bunten Mergel und die Knollenmergel gleichwie der 
Gipskeuper bei ihrer enormen Ausdehnung, z. B. von Württemberg 
bis über Lothringen hinaus, in einem breiten See abgelagert worden, 
und damit kommen wir praktisch wieder zur Keupersee zurück. 

Man könnte einwerfen: Wie ist es möglich, daß der Muschel- 
kalk und die tonig-mergeligen Ablagerungen des Keupers beide 
Meeresablagerungen darstellen, obgleich die Gesteinsbeschaftenheit 
beider Formationen so außerordentlich differiert? Darauf möchte 
ich antworten : die Kalkablagerungen, die das Meer des Hauptmuschel- 
kalkes absetzte, sind indirekt oder direkt auf die Tätigkeit kalk- 
bildender Lebewesen zurückzuführen, die infolge ihres Einwanderns 
während der Zeit der Ingression des Hauptmuschelkalkmeeres das 
letztere aufs reichste bevölkerten. Infolge von negativer Strand- 
verschiebung trat das Hauptmuschelkalkmeer zurück. Die Meeres- 
fauna starb bis auf wenige Reste, die sich den veränderten Lebens- 
bedingungen anzupassen vermochten, aus, als die Lettenkohlenzeit 
anhub. Noch einmal erfolgte ein kurzer, aber rasch erlahmender 
Vorstoß des Meeres zur Zeit der Ablagerung des Grenzdolomits, dem 
endgültiges Zurückweichen des Weltmeers aus dem Bereich der Ab- 
lagerungen des bunten Keupers folgte. Mit der erneuten Austiefung 
des Landes zur Gipskeuperzeit überflutete nicht wie zur Haupt- 
muschelkalkzeit erneut das Weltmeer die germanischen Triaslande, 
sondern nur salzgeschwängerte Wasser, die von den randlichen Ge- 
birgen stammten, sammelten sich in einem weit ausgedehnten Binnen- 
see, dem die kalkbildende Fauna fehlte. Salz, Gips, Ton, Dolomit 
schlugen sich nieder, und nur da und dort in den Schichten erinnern 
heute die Reste einer an Arten armen Kleintierfauna daran, daß 
Durchzügler und Irrgäste, wie WALTHER treffend sagt, in ungeheurer 
Anzahl der Individuen zuweilen die sonst nur von wenigen Fischen 
und Sauriern belebte See bevölkerten, olıne daß sie jedoch imstande 
gewesen wären, Kalkablagerungen zu erzeugen. 


u ag 


WALTBER' erscheinen die Keuperschichten im Bereich der ger- 
manischen Trias als Wüstenbildungen nach seiner Definition des 
Begriffs Wüste. Der wesentliche Charakter einer Wüste, sagt er, 
ist die Abflußlosigkeit; unter jedem Klima liegen Wüstengebiete; sie 
umfaßt nicht nur ödes, vegetationsloses Land, sondern alle möglichen 
Landschaftsformen: Gegenden üppigster Vegetation, Steppen und 
. Tundren, Wasserläufe und Seen; aber dies alles liegt, wenn zur 
Wüste gehörig, in abflußlosem Gebiet, abgeschlossen und ohne Be- 
ziehung zu dem Einzugsgebiet der Weltmeere?. 

Für den Geologen sind Gesteine nur dann als aus Wüsten 
früherer Zeiten stammend erkennbar, wenn der Begriff Wüste auf regen- 
arme und vegetationslose Gebiete im Bereich der Tropen oder Subtropen 
beschränkt wird (PassaRGE), wo einzigartige klimatische Bedingungen 
herrschen, die den Gesteinen, welche sich in ihnen bilden, ihren 
Stempel aufprägen. Daß in der mittleren Keuperzeit in Deutschland 
eine Periode heißen Klimas herrschte, geht aus den folgenden 
 Einzelbetrachtungen hervor; ob man aber die Ablagerungen als 
= Wüstenbildungen bezeichnen darf, dagegen sprechen die jedenfalls 
vorzugsweise auf fluviatiiem Wege abgesetzten Keupersandsteine; 
auch deuten spärliche pflanzliche Überreste an, daß das Gebiet nicht 
ganz vegetationslos war. lm folgenden wird noch öfter auf das Für 
und Wider, den mittleren Keuper als Wüstenbildung aufzufassen, 
einzugehen sein, ebenso auf die Fragen, inwieweit äolische Bildungen, 
als welche Es. Fra1s die Stubensandsteingesteine betrachtet, zum 
Aufbau dieser Schichten beigetragen haben. Faßt man die in 
den folgenden Betrachtungen zusammengetragenen Einzelheiten zu- 
sammen, so erscheint es als fraglich, ob sie alle sich unter den 
Begriff Wüste subsumieren lassen. 

Nach diesen einleitenden Bemerkungen sei zu der Einzel- 
beschreibung der Schichten übergegangen. 

Über dem Gipskeuper, in dem, wie ZELLER nachwies, ke 
die alte Muschelkalkfauna in spärlichen Resten auftritt, ist der 
Schilfsandstein gelagert. Sind die in ersteren Schichten vor- 
kommenden Gips- und Steinsalzlager auf eine chemische Ausscheidung 
dieser Stoffe aus gelöstem Zustand infolge Eindampfens des Gips- 
keuperseewassers zurückzuführen und die mit auftretenden Mergel 
on Tone Zeugen eines ruhigen Absatzes von suspendierten Teilen 


! Das Gesetz der Wüstenbildung. S. 3. 
? Vergl. auch M. Blanckenhorn (Mon.-Ber. d. Deutsch. geol. Gesell- 
schaft. No. 12. 1907). 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 3 


— 34 — 


der in dieses Becken einmündenden Flüsse oder von Zeit zu Zeit 
sich ergießenden Wildwasser, so weist die Ablagerung tonigen Sandes 
in der Schilfsandsteinperiode auf eine allgemeine Hebung des Binnen- 
meeres bis an die Oberfläche des Wassers hin. Der Schilfsandstein 
ist, wie Taōracu angibt !, in Franken, Württemberg, Elsaß-Lothringen 
und auch z. T. in Norddeutschland, als sehr feinkörniger, toniger, 
stets gefärbter Sandstein verbreitet. Er hat sich in sogen. Flutzonen 
tief in die unterliegenden Gipsmergel eingenagt. Daß die Stoßkraft 
des Wassers eine überaus gleichmäßige, ruhige und langanhaltende 
war, beweist das sehr gleichartige feine Korn und die für die Werk- 
steine ziemlich gleichbleibende Beimengung von Ton über sehr weite 
Gebiete. Für eine überaus ruhige Ablagerung des Schilfsandsteins 
spricht auch, daß ihm meist reichlich Glimmerblättchen beigemengt 
sind, die trotz ihres hohen spezifischen Gewichts, infolge ihrer blätte- 
rigen Ausbildung bei gleicher Größe wie Quarz wesentlich weiter 
als letzterer verfrachtet werden, und daß neben den Flutrinnen 
Keupergipsschichten in ungestörter Lagerung erhalten blieben, die 
oft nur durch Schilfsandsteinreste von sehr geringer Mächtigkeit von 
den bunten Mergeln getrennt werden. Der Ansicht Es. Fra4s’?, daß 
das Wasser wahrscheinlich in nordwestlicher Richtung abströmte, 
schließe ich mich an, da in Nord- und Westdeutschland der Sand- 
stein allmählich auszukeilen scheint. Für ein Abfließen des Wassers 
in den Ozean? lag meines Erachtens keine Notwendigkeit vor; auch 
sind keine sicheren Anhaltspunkte dafür gefunden. Die reichen 
Equisetenfunde und Aufsammlungen seltener Farne deuten auf Aus- 
süßung des Wassers im Bereich ihrer Fundstellen und auf eine 
üppige, wenn auch artenarme Sumpfvegetation hin, in der mancherlei 
Saurier ihr Wesen trieben. Eigentümlich erscheint mir, daß die 
rotgesprenkelten oberen Schilfsandsteinschichten nur höchst spärliche 
oder gar keine Pflanzenreste geliefert haben. Jedenfalls hängt die 
rote Farbe, die, ebenso wie die grüne der darunter liegenden Sand- 
steine, primärer Natur zu sein scheint, von dem Mangel an redu- 
zierenden organischen Substanzen ab. Vielleicht zeigt sie an, daß 
diese Schichten zeitweilig über Wasser sich erhoben, so daß die 
Eisenverbindungen unter der Einwirkung des Sauerstoffs der Luft 
oxydiert wurden. Endlich sei noch das Vorkommen von dunklen, 
bituminösen, parallel geschichteten Tonlagen an manchen Stellen er- 


1 Th., I S. 133 ff. und II S. 10 u. 85. 
3 Diese Jahresh. 1899, S. 88, 
3 Th. III S. 44. 


ur a 


wähnt, die eine Unmenge zerknickten, als Häcksel aufgearbeiteten 
Pfanzenmaterials und reichlich Glimmer enthalten, Die Unregel- 
mäßigkeit der Flutbildungen im Schilfsandstein einerseits und die 
gleichartig feinkörnige und tonige Ausbildung der Sedimente auf 
weite Strecken anderseits wird dann am leichtesten verständlich, 
wenn wir ein über dem Gipskeuperuntergrund Hunderte von Kilo- 
metern ausgedehntes, fast horizontales Deltanetz von Wasseradern, 
Sand- oder Keupergipsmergelbänken, Tümpeln, Equiseten- und Farn- 
dickichten annehmen, durch die ein vielverzweigtes Flußsystem seine 
träge dahinschleichenden Wasser leitete. Auf Flußtätigkeit weist 
auch die Kreuzschichtung zwischen Sandstein und Mergel hin, die 
ich am Kriegsberg zu beobachten Gelegenheit hatte. Bei Einwirkung 
eines Meeres auf die Sandsteinabsätze hätte die Ablagerung nie über 
so große Strecken in allen Richtungen der Windrose eine solch gleich- 
artige Ausbildung erfahren können. 

Mit dem Beginn der Bildungszeit der dunklen Mergel tritt 
ein Fazieswechsel ein; das Gelände sinkt, die Binnensee transgrediert 
über unsere schwäbisch-fränkischen Gebiete in östlicher Richtung, 
und fein gebänderte Tone und Mergel zeugen heute von jener Zeit. 
Doch war jenes Meer eine Flachsee, wie wir an der feinen Bände- 
rung, dem reichen Wechsel ähnlicher Schichten, erkennen, die durch 
Nähe des Landes, die Bewegung des Wassers und damit noch nicht 
gleichmäßige Sonderung der Tonpartikelchen und durch Schwankungen 
in der Temperatur des Meerwassers bedingt sein mag. In diesen 
Schichten ist bei Homburg in der Pfalz eine Muschelbank von STEUER 
nachgewiesen, ein Beweis, daß ein, wenn auch lokal begrenztes und 
artenarmes Kleintierleben in diesen Zeiten seine Existenzbedingungen 
fand. In der Zone der dunklen Mergel tritt im nördlichen Franken 
bereits wieder Gips auf, als Zeuge eines eindampfenden an Salz- 
lösungen übersättigten Binnenmeeres. Diese Tatsache war für mich 
mitbestimmend, keinen Abfluß des Keupermeeres in den Weltozean 
während der Schilfsandsteinzeit anzunehmen, da schwerlich in — 
geologisch gesprochen — so kurzer Zeit, wie zwischen der Schilf- 
sandsteinperiode und der Zeit der dunklen Mergel lag, eine derartig 
starke Steinsalz- und Gipszufuhr von dem umliegenden Festlande in 
die ausgesüßte Binnensee erfolgt wäre, daß sich Gipsablagerungen 
hätten bilden können. In diesen und allen Ton- und Mergelschichten, 
die noch zu besprechen sein werden, findet man, bald mehr, bald 
weniger, feinsten Sand eingebettet. Sicherlich ist ein Teil dieser 


Beimengungen durch Wasserzufuhr zu erklären. Ein anderer, quali- 
3% 


= $ Fa 


Tr FOTOT pe F g r r E- en ru 


= g0 


tativ und quantitativ nicht näher bestimmbarer Teil mag dureh Wind 
vom Lande in die See hinausgeweht worden und in unbestimmter 
Entfernung vom Lande auf den Meeresspiegel gefallen und so den 
Sedimenten der See einverleibt worden sein. Ebenso wie mit Sand 
verhält es sich auch mit Ton. So bringt WaLTtBeRr! zwei Notizen 
über Staubnebel an der Westküste von Nordafrika. Dort kann der- 
selbe sogar der Schiffahrt gefährlich werden (Passatstaub), und 
„Quarz und andere Sandkörner werden an den Küsten von Afrika 
und Australien weit hinaus ins Meer verfrachtet“. Man muß des- 
halb bei küstennahen Meeresablagerungen sich stets bewußt sein, 
daß auch äolische Sedimente an ihnen einen gewissen Anteil haben 
können. In der schwäbischen Literatur hat dies erstmals M. Scamipt? 
als Faktor im Aufbau des Wellengebirges nachdrücklich betont. In 
den dunklen Mergeln macht sich gegen oben ein Rückwärtsfluten 
des Wassers bemerkbar. Die im Osten gelegenen Teile des fränkisch- 
schwäbischen Keupergebiets erhoben sich bis etwa in die Mitte unseres 
Landes über den Wasserspiegel. Heute verkittete Sande, die in der 
Oberpfalz bleierzführende Hölzer in sich eingebettet tragen und zu 
bergmännischem Abbau Anlaß gaben, breiteten sich im Osten bis 
in Mächtigkeit von 20 m aus und reichten mit ihren Ablagerungen 
noch in unsere Gegend, während in Baden und Elsaß-Lothringen sich 
der hin und wieder petrefaktenführende Hauptsteinmergel in Stärke 
bis zu 5 m als Binnenseeablagerung entwickelte, der in östlicher 
Richtung, gleichfalls in Württemberg, auskeilt. Eine Trockenrißplatte 
aus dieser Schichte von der Roten Wand deutet an, daß hier einst 
eine Strandzone sich hinzog. Eine buntfarbige Mergelbreccie von 
derselben Stelle weist darauf hin, daß raschflutendes Wasser, viel- 
leicht eines Wolkenbruchs oder stark brandender Meereswellen, hier 
gelegentlich sich bemerklich machte. 

Von neuem senkte sich das Land, wieder drang die See in 
östlicher Richtung vor, als die Periode der roten Mergel anhub. 
Die rote Farbe der Eisenoxydverbindungen — im Gegensatz zu der 
grünen Farbe der Eisenoxydulgesteine — und das Fehlen jeglicher 
Versteinerung ist für sie charakteristisch. Der, wenn auch in engen 
Grenzen schwankende, doch deutlich erkennbare öftere Wechsel in 
der Gesteinsbeschaffenheit deutet an, daß diese Gesteine in Küstennähe 
und wahrscheinlich in Flachseegelände abgelagert wurden. Der An- 


ı Lithog. S. 575 und S. 648. 
2 Das Wellengebirge der Gegend von Freudenstadt. Mitt. d. geol. Abt. 
des statist. Landesamts No. 3 und diese Jahresh. Beil. No. 3. 1907. S. 11. 


sa IT de 


hydrit, der sich in dem durch Eindampfen übersättigten Salzsee 
abschied, ist heute durch Einwirkung meteorischen Wassers in 
voluminöseren Gips verwandelt, der bei seiner Ausdehnung unregel- 
mäßig sich krümmte. Der Gips ist, wie auch ZELLER ! auffiel, stets 
von grünlichem Ton umgeben, während die auf Schicht- und Kluft- 
flächen auftretende grüne Farbe erst in späterer Zeit durch redu- 
zierende organische Stoffe führende meteorische Wässer aus dem 
Rot der ursprünglichen Mergel hervorgerufen wurde. Rot ist die 
Farbe der an Lebewesen, die bei ihrer Verwesung auf ihre Umgebung 
reduzierend wirken, armen Gesteine und deshalb auch die haupt- 
sächliche Farbe des Tropenschlamms, da unter intensiver Einwirkung 
der Wärme die Verwesung sich viel rascher vollzieht als bei uns; 
es ist die Farbe des Laterits. Als Beispiel sei der Kongo” genannt, 
der mehrere Hunderte von Kilometern weit seine roten Schlamm- 
massen ins Meer hinausführt. Auch der in unseren bunten Mergeln 
überaus wechselnde Carbonatgehalt® läßt sich mit der Bildung 
solchen Kontinentalschlamms erklären, wie er auch längs der Küste 
von Brasilien und im Gelben Meer an der Mündung des Jang- 
tsekiang * sich findet. Dort hat der Rotschlamm, gleichwie in un- 
seren Keupermergeln, einen Kalkgehalt von 6—60°/o bei fast völligem 
Fehlen von Diatomeen und Radiolarien. Man hat sich also die See 
der roten Mergel im schwäbisch-fränkischen Gebiet als ein an Lebe- 
wesen armes, durch tropische Hitze konzentriertes Flachmeer vor- 
zustellen, in das von Osten her Wasser rote Schlammassen führten, 
und auf dessen Grunde neben aus dem Meer chemisch ausgeschie- 
denem Anhydrit, Mergel und Tone als mechanische Sedimente ab- 
gesetzt wurden, letztere besonders in nächster Nähe der Küste, 
ersterer in größerer Entfernung von derselben. 

Mit dem Eintritt in die Region der Lehrbergschichte treten 
neben roten grüne Farben unter den Tonen und Mergeln auf: orga- 
nisches Leben macht sich bemerkbar. Schon in den oberen Schichten 
der roten Mergel finden sich da und dort Lagen von knolligen Stein- 
mergeln; ein Fazieswechsel bereitete sich vor. Der Meeresboden 
hob sich und erreichte in der Lehrbergbank den Wasserspiegel, wie 
wir aus den Fossilresten schließen können, die diese Bank z.B. an 


1 N. Jahrb. f. Min. etc. 1907. Beil.-Bd. XXV. S. 61. 

2 Lithog. S. 586. : 

® Gmelin, Württ. naturw. Abhandlungen. 1. Bd. 1. Heft. S. 162 ff. und 
Wülfing, Jahresh. 1900. S. 1 ff. 

* Lithog. S. 884. 


der Roten Wand in Stuttgart birgt. Estherien und Konchylien sind 
reichlich vertreten, daneben findet man Schuppen von Fischen, so von 
Gyrolepis und Lepidotus, Zähne von Ceratodus, die z. T. noch in 
den Kieferknochen stecken, weiter Saurierpanzerplatten, -zähne 
und -knochenreste!; ja, sehr dünne, innen hohle, langgestreckte 
Knochen wurden einem Flugsaurier zugeschrieben. Diese Funde 
und die Kristallinität der Steinmergelbank zeigen an, daß wir es 
zwar mit einer Wasserablagerung zu tun haben, daß aber Land in 
nächster Nähe sich ausdehnte, wie auch das Vorkommen von 
Ceratodus beweist. Die sogen. Lungenfische, die sich bis heute 
erhalten haben, vermögen als Kiemen- und Lungenatmer nach 
Austrocknen der Flußbette in einem Versteck die Trockenperioden 
zu überdauern, bis die Regenzeit sie wieder aus ihren Schlupf- 
winkeln befreit. Es mögen also hier Regen- und Trockenzeiten 
miteinander abgewechselt baben. Wahrscheinlich ist, daß auch 
die alten Lungenfische Fluß-, also Süßwasserfische in wüsten- 
ähnlichen Gebieten waren. Gegen die Annahme, daß die Fisch- 
zähne durch fließendes Wasser hierher gelangten, spricht das 
Fehlen jedes gröberen mechanischen Sedimentanteils und die 
bonebedartige Beisammenlagerung der Fossilreste, die wohl durch 
eine Katastrophe hervorgerufen wurde, der jene Tiere zum Opfer 
fielen. Entsprechend dem eben Gesagten möchte ich die Lehrberg- 
bank als eine Bildung stehenden Seichtwassers ansehen, die im nörd- 
lichen Württemberg und in Franken an vielen Stellen ausgebildet 
und an manchen Orten sogar in 3 Bänke mit zwischengelagertem Ton 
gegliedert ist; aber in weiten anderen Gebieten fehlen diese Schichten, 
wie weiter oben eingehend dargelegt wurde; es mögen diese letzteren 
Gegenden damals Land gebildet haben. WALTuER schreibt über das 
Vorkommen von Ceratodus®: „Im mittleren Keuper Württembergs 
sind sieben® Arten von Ceratodus beschrieben, und eine Art ist 
schon aus dem Buntsandstein bekannt. Selbst wenn es keine litho- 
logischen Beweise dafür gäbe, daß die Buntsandsteinperiode ebenso 
wie die Keuperperiode ein Wüstenklima in Mitteleuropa erkennen 

! Meyer und Plieninger, Beitr. z. Paläontologie Württembergs. 1844. 
S. 83 ff. 

3 Wüstenb. S. 91. 

3 Aus der Lehrbergbank ist Ceratodus concinnus PLIEN., aus der Letten- 
kohle sind 7 Arten, aus dem Rätbonebed eine Art Ceratodus durch Meyer 


und Plieninger (Beitr. z. Paläontologie Württembergs. 1844. S. 85 ff.) be- 
schrieben worden, also nur eine Art aus dem schwäbischen mittleren Keuper. 


lassen, so würde unseres Erachtens die Verbreitung des Ceratodus 
nach den sonst gültigen Grundsätzen beweisen, daß in jenen Zeiten 
ein trockenes Klima mit rasch wechselnden Niederschlägen, mit 
Dürren und Überschwemmungen in Deutschland gewaltet hat.“ 

Die Kieselsandsteinablagerungen vollzogen sich infolge 
weiterer Hebung des Meeresgrundes, eines Emportauchens über den 
Seespiegel und damit eines Zurückweichens des Binnenseewassers in 
westlicher Richtung. Die Ablagerungen des Kieselsandsteins mit 
zwischengelagerten Ton- und Mergelschichten, das unregelmäßige 
Auskeilen der Gesteine, kurz der ständige Gesteinswechsel im mitt- 
leren Württemberg beweisen, daß diese Schichten eine typische Strand- 
bildung darstellen. Ungefähr die Grenze gegen die See bezeichnet 
eine infolge der vom Schwarzwald her stark vorangeschrittenen 
Erosion heute häufig unterbrochene Linie, die im Norden Württem- 
bergs westlich vom Stromberg gelegen, in den mittleren Landes- 
teilen wenig westlich von Leonberg verlief und in. der Südwestecke 
des Schönbuchs bei Herrenberg in den anstehenden Schichten heute 
noch verfolgt werden kann; im Süden ist sie bis in die Rottweiler 
Gegend nachweisbar gewesen. Vergl. die beigegebene Karte auf 
S. 40. Bei Plochingen und Lorch sind fast ausschließlich Sand- 
steine in diesem Horizont abgelagert, so daß hier und in östlicher 
Richtung ausgeprägt über dem Meeresniveau vollzogene Ablagerungen 
zu suchen sind. Gegen Osten nimmt die Mächtigkeit der Sandsteine 
(im Blasensandstein und Coburger Bausandstein Frankens) immer 
mehr zu, ebenso die Korngröße, ein Beweis dafür, daß von Osten her 
die Sande verfrachtet wurden. Die Ablagerungen des Kieselsandsteins 
im mittleren Württemberg stellen Strandbildungen dar, wie daraus zu 
erkennen ist, daß, wie dies in der nächsten Nähe einer vom Meere be- 
spülten Küste stets der Fall ist, die Quarz- und Feldspatkörner von 
gleichmäßigem sehr feinem Korn und fast ohne Bindemittel sind. Sie 
wurden durch Weiter- und gegenseitiges Aneinanderwachsen der Quarz- 
körnchen verkittet. Dabei war das tropische Klima von besonderem 
Einfluß, da die Löslichkeit der Kieselsäure durch die hohe Temperatur 
gesteigert wurde. Die Wärme des Bodens darf man nicht gering an- 
schlagen, wurden doch an manchen Stellen der Erde Temperaturen 
bis zu 70° im Sande noch unter der von der Sonne direkt be- 
strahlten Schicht gemessen. Wenn einen derart erhitzten Boden 
Wasser benetzte, so mag leicht Kieselsäure sich gelöst und die 
Abscheidung von Quarz infolge Verdunstung des Lösungsmittels 

Abkühlung desselben eine rasche Verkittung des Sandes her- 


=, AO, E 


beigeführt haben. Die Verkieselung feinkörniger, bindemittelfreier 
oder -armer Sandsteinschichten, die das Ende einer Fazies einleiten 
und allmählich in Mergelschichten auskeilen, scheint mir für eine 


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(Aus Centralbl. f. Min. etc. Jahrg. 1909. No. 2.) 


Reihe von Sandsteinschichten im Bereich der weißen Keupersand- 
steine eine typische Erscheinung zu sein. Außer dem Kieselsand- 


nu 
` 


— 41. — 


stein teilen, um hier vorzugreifen, die in Abschnitt III erwähnten 
Kieselsandsteinbänkchen, die z. B. bei Stuttgart und im Strom- 
berg in den oberen bunten Mergeln auftreten, diese Eigenschaft; 
im Stubensandstein fand ich eine ähnliche Bank bei Aixheim 
und bei Stuttgart und Tuöracu' führt aus dem Steinmergelkeuper 
des nördlichen Badens als letzte Sandsteinschichten öfters quar- 
zitische Sandsteinbänke an. Auch heute entstehen, wie WALTHER? 
schreibt, quarzitische Sandsteine, z. B. an der nordafrikanischen 
Küste bei Bona, wo Sande und Gerölle am Strand durch ein kiese- 
liges Bindemittel im Bereich der Küste bei tiefer Ebbe, wahrschein- 
lich unter dem Einfluß starker Sonnenwärme verkittet werden. Die 
Ungleichmäßigkeit der Kieselsandsteinablagerungen und besonders 
die Kreuzschichtung der Sandsteine dürfte auf die Unregelmäßigkeit 
des Transports, auf rasche durch Wolkenbrüche oder Meereswellen 
hervorgerufene Überschwemmungen oder durch Windtransport zu er- 
klären sein; jedenfalls sind die ehemaligen bachrinnenähnlichen Ein- 
risse im Gestein, in das größere Dolomitknollen eingelagert sind, 
auf Wildwasser zurückzuführen, während das Fehlen tonigen Binde- 
mittels im Gestein durch Deflation hervorgerufen wurde. Denn der 
Sand des trockenen Strandes erscheint staubfrei, während der Sand 
unter dem Wasserspiegel im allgemeinen von Schlammteilchen durch- 
setzt ist. Endlich seien die Wülste, Kriech-® und Fußspuren, die 
Trockenrisse und Wellenfurchen, dazu die Steinsalzpseudomorphosen 
und gar der Fund von Fischschuppen auf einem wellengefurchten 
Sandstein einer Kieselsandsteinbank aus diesen Schichten genannt, 
die jeden Zweifel darüber beheben, daß zeitweilige Überflutungen 
des Meeres stattfanden. Diese wechselten mit Zeiten des Trocken- 
liegens dieses Geländes, des Abdampfens salzigen Wassers, der An- 
wesenheit kriechenden Gewürms und einherschreitender Saurier, aber 
auch mit Zeiten gewaltiger Regengüsse, die rasch abkommende und 
ebenso rasch versiegende Wildströme erzeugten. Endlich trieb der 
Wind mit den aufgehäuften Sandmassen sein Spiel, er zeichnete 
Wellenfurchen in den Sand, hat auch wohl Dünen aufgehäuft, die 
aber durch die Wogen des überflutenden Meeres meist wieder ein- 
geebnet wurden. 


E 


! Erläuterungen zu Bl. Oedenheim S. 17, Wiesloch S. 16, Bruchsal S. 13 f., 
sämtlich von Thürach, 


? Lithog. S. 701, von Papier (Bull. Soc. g&ol. France. 1875, S. 46) be- 
obachtet. 


` Vergl. Meyer und Plieninger a. a, O. S. 89 f. 


Hier sei Tuürac#’s Einteilung des Stubensandsteins in Zonen 
erwähnt, als Analogon zu seiner Zoneneinteilung des Keupers über- 
haupt. Er schreibt darüber (III S. 47): 

„Für die Entwicklung des unteren Burgsandsteins, der Held- 
burger Stufe und des Steinmergelkeupers lassen sich dann vier all- 
mählich ineinander übergehende Zonen unterscheiden, nämlich: 


1. Eine Randzone zunächst dem Gebirge mit grobkörnigen Sand- 
steinen und Gerölllagen, wesentlich Land- bezw. Süßwasser- 
(Fluß-)bildung (in der Gegend von Nürnberg und Gunzenhausen, 
Bodenwöhrer Becken) ; | 

2. eine sandige Zone an der Küste mit (noch näher festzustellender) 
Dünenbildung und Überflutung und Einebnung durch das Meer 
(im Steigerwald und in den östlichen Teilen von Württemberg); 

3. eine meerische Zone an der Küste mit vorwiegend tonig- 
mergeligem, untergeordnet sandigen Sedimenten, mit häufiger 
Eintrocknung des Meereswassers und Salzabscheidung, Held- 
burger Stufe (in den Haßbergen, im nordwestlichen Steiger- 
wald, bei Hall, Gmünd und in den Löwensteiner Bergen); 

4. Die eigentliche meerische Zone im Steinmergelkeuper, mit 
mergelig-dolomitischen Sedimenten und einzelnen fossilreichen 
Bänken (Ochsenbachschicht, oolithische Bank), mit seltener 
Salzabscheidung (im Stromberg, ım nördlichen Baden, in der 
Rheinpfalz, in Elsaß-Lothringen, Luxemburg und in der Eifel, 
bei Göttingen und an der Weser).“ 


Tuörach nimmt danach vom Kieselsandstein bis zum obersten 
Stubensandstein eine im großen ganzen in den einzelnen Zonen sich 
gleichbleibende Fazies an. Dieser Anschauung kann ich mich nicht 
anschließen. Ich glaube vielmehr als Erklärung für den Fazies- 
wechsel innerhalb des Stubensandsteins im weiteren Sinne annehmen 
zu müssen, daß auch während der Periode der Bildung der weißen 
Keupersandsteine oszillierende Bewegungen des Meeres in größerem 
Umfang stattfanden. Aus meinen folgenden Ausführungen und aus 
dem beigegebenen Profil (siehe S. 43) und der Karte (siehe S. 40) 
wird die Verschiedenheit meiner Auffassung von der TnüracH’'s her- 
vorgehen. Mit meiner Annahme von Oszillationen stimmt überein, 
daß Salzabscheidung, die ich, soweit sie im Kieselsandstein und 
Stubensandstein nachgewiesen ist, für Bildungen in Mulden am Strande 
betrachte, im Kieselsandstein bereits bei Tübingen und Stuttgart, im 
Stubensandstein aber erst im Stromberg beobachtet wurde, während 


weiter östlich, selbst aus den geologisch sehr genau durchforschten 
Gebieten um Stuttgart und Tübingen, Sandsteinpseudomorphosen nach 
Steinsalz aus letzteren Schichten nicht bekannt geworden sind. 
Ebenso treten die im Kieselsandstein überall häufig gefundenen Wülste, 


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Mörchingen 


Schematische Darstellung der Verteilung von Land und Wasser zur mittleren Keuperzeit 


Kriechspuren usw. zusammen mit grünen Oberflächen im Stuben- 
sandstein erst im Stromberg häufig auf. 

Mit dem Beginn der Ablagerungsperiode der oberen bunten 
Mergel dringt die Salzflut erneut gegen Osten vor und reicht in 
Franken ungefähr bis in die Gegend der Westgrenze der randlichen 
Zone Tuöraca’s. Gleich in den untersten Lagen fand ich an der 
Roten Wand auf engsten Raum zusammengedrängt ein Bonebed be- 


sa \. 


stehend aus Saurier- und Fischzähnen, Fischschuppen und Knochen- 
fragmenten von Arten, die bisher aus dem schwäbischen mittleren 
Keuper nicht bekannt waren. Dieser Fund modifiziert einigermaßen 
das Bild, das man früher von der Keupermeerfauna sich zu prägen 
geneigt war. Dieses Bonebed, das als Strandbildung des wieder 
vordringenden Meeres erklärt werden muß, hat in bezug auf seine 
Fossilführung viel Ähnlichkeit mit dem Muschelkalk-Lettenkohle- 
bonebed. Im übrigen sind Fossilreste äußerst spärlich in diesen 
Schichten vertreten; nur noch eine bituminöse Schiefertonschicht 
im Stromberg und eine ganz ähnliche bei Unter-Jesingen und Tū- 
bingen lieferte einige Pflanzenreste. Wenn auch sonst Fossilien aus 
diesen Schichten nicht bekannt geworden sind, ist doch anzunehmen, 
daß in diesem Horizont stetig organisches Leben sich entfaltet hat; 
denn die vielfach grüne Färbung dieser Schichten weist darauf hin, 
und der in dieser Flachsee reichliche Absatz von Dolomiten, Kalk- 
mergeln und ähnlichen Bildungen ist am ehesten durch Annahme 
von Ammoniumcarbonatbildung aus organischen Substanzen und da- 
durch veranlaßte Ausfällung von kohlensaurem Kalk und Magnesia 
aus der Gipslösung des Meerwassers zu erklären. Aus der an manchen 
Stellen unregelmäßigen Ablagerung der Steinmergel-Bänke zwischen 
den Ton- und Mergelschichten möchte ich auf eine Flachseeland- 
schaft in tropischem Klima schließen ', in der sich durch stets neue 
Zufuhr gelöster Stoffe vom Lande her und durch Eindampfen des 
übersättigten Binnenwassers chemische Absätze bildeten, während 
in den Zeiten geringerer Konzentration mechanische feinste Sedimente 
zwischenlagerten. In weiterer Entfernung vom Lande, im nördlichen 
Franken, treten infolge Mangels an organischen, Carbonate ablagern- 
den, Resten Gipsschichten auf. 

Die oberen bunten Mergel mit ihren Steinmergellagen ent- 
sprechen petrographisch und auch stratigraphisch einem Teil des 
Steinmergelkeupers in Baden und Elsaß-Lothringen. Man könnte 
somit sagen, daß die oberen bunten Mergel und (bezw.) der Stein- 
mergelkeuper einerseits die meerische Fazies, der Stubensandstein 


' Auch Pfaff gibt in seinen Beiträgen zur Erklärung der Entstehung 
des Magnesits und Dolomits (N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. IX, S. 506) an: Bei 
der Entstehung des Dolomits aus gipshaltigem Salzwasser unter Mitwirkung 
von Ammoniumcarbonat „muß man sich vorstellen, daß das Meer ziemlich seicht 
war“, Siehe auch Högbom:” Über Dolomitbildung und dolomitische Kalk- 
organismen (ebendort 1894. I. S. 262 ff.) und Clément: Sur l’origine de la 
dolomie (ref. ebendort 1896. I. S. 243). 


andererseits die gleichalterige Strand- und Küstenfazies bilden, daß 
also hier dasselbe Verhältnis besteht, wie z. T. zwischen Rotliegen- 
dem und Zechstein. Jedenfalls war aus den für die Steinmergel- 
bildung geltenden Gründen das zur Zeit der oberen bunten Mergel 
und des Stubensandsteins in Baden und Elsaß -Lothringen aus- 
gebreitete Meer eine Flachseebildung, so daß man sich die Ober- 
fläche dieser Ablagerungen von Osten nach Westen als ganz all- 
mählich und sehr schwach geneigtes Gelände vorzustellen hat. 
Eine wahrscheinlich rasche Hebung des Meeresgrundes über 
den Seewasserspiegel und damit ein Abfluten des Meeres nach Westen 
charakterisiert den Beginn der Stubensandsteinperiode. Wahr- 
scheinlich hat das von Osten zurückbrandende Wasser auf der oberen 
Grenze der oberen bunten Mergel großenteils die Erosionserscheinungen 
verursacht, die ich, wie im letzten Abschnitt erwähnt, beobachten konnte; 
ein anderer Teil der Rinnenbildungen in den oberen bunten Mergeln 
mag von intermittierenden Flüssen oder nur periodisch nach heftigen 
Regengüssen aus dem vindelicischen Gebirge oder aus dessen Vor- 
land auftretenden Wildwassern hervorgerufen worden sein. Gelegent- 
lich kamen dabei Fische und Saurier um und wurden von den mit- 
geführten Sandmassen zerrieben und begraben, wie das Bonebed 
von Sindelfingen und Leonberg dartut. Die Ablagerungen des Stuben- 
sandsteins deuten auf ein weitgedehntes Flachland, das mehr oder 
weniger hoch über den Meeresspiegel sich erhob, das durchfurcht 
wurde von unregelmäßig verzweigten Flußbetten, die heute wasser- 
führend, morgen und vielleicht jahrelang trocken lagen, bis ein neuer, 
rasch anschwellender, rasch versiegender Wasserstrom aus dem öst- 
lichen höher gelegenen Gelände Sand und Schlamm herführend, sich 
selbst sein Bett grabend und alte Ablagerungen zerstörend, daher- 
brauste. Daß Wolkenbrüche zur Stubensandsteinzeit leicht auftreten 
konnten, dafür spricht die Nähe des Binnenmeeres, das infolge des 
Verdampfens des Seewassers die Luft immer neu mit Wasserdämpfen 
sättigte. Vielleicht wurde der Luft sogar von Winden, die vom Welt- 
meer her wehten, Feuchtigkeit zugeführt. Sicherlich hat auch Wind 
am Aufbau des Stubensandsteins mitgewirkt, wenn auch wohl in 
nur geringem Maße, wie daran zu erkennen ist, daß der Ton- und 
sonstige Bindemittelgehalt im schwäbischen Stubensandstein den 
Sanden und Sandsteinen kaum irgendwo völlig fehlt. Den Sand 
konnte der Wind nicht so leicht zu Dünen zusammenwehen, da die 
Größe des Korns Windtransport verhinderte oder nur in geringem 
Maße zuließ. Finden wir doch noch in der Stuttgarter Gegend u. a. 


za 6 == 


große Sandsteine mit einem durchschnittlichen Korn von mehreren 
Millimetern Durchmesser, also Material, das kaum durch Wind hier- 
her verfrachtet sein kann. Die Korngröße nimmt im allgemeinen 
von Osten nach Westen ab. So liegen in der Ansbacher Gegend 
durchschnittlich viel grobkörnigere Sande, als z. B. im Stromberg 
beobachtet werden, wo fast nur fein- bis feinstkörniger Sandstein 
ansteht. Auch zwischen dem Stubensandstein im Schurwald und 
dem ım Stromberg besteht noch ein deutlicher Unterschied in der 
Korngröße. Wie schon weiter oben gezeigt wurde, wechselt diese 
in allen Schichthöhen des Stubensandsteins beständig. Eine Ände- 
rung der Schichtausbildung zwischen oben und unten ist nicht zu 
erkennen und damit eine Trennung in Unterabteilungen unmöglich, 
da auch die regellos dazwischen eingelagerten Mergel- und Stein- 
mergelschichten hiefür keinen Anhaltspunkt ergeben. Nur in der 
Löwensteiner Gegend und im Stromberg schieben sich zwischen die 
Sandsteinschichten deutliche, Meerestransgressionen bezeichnende, 
Mergelzonen ein. Jedenfalls sind, wie der Wechsel von ziem- 
lich mächtigen Mergellagen zwischen den Sandsteinen im Stromberg 
beweist, mehrmals geringere Hebungen und Senkungen während der 
Stubensandsteinzeit erfolgt, deren Wirkungen durch Eindringen des 
Meeres jedoch nur im nordwestlichen Württemberg noch erkennbar 
sind, während der Süden und Osten Festland blieb. Windschliffe 
sind aus dem schwäbischen Stubensandstein noch nicht bekannt ge- 
worden, wohl weil die Korngröße des klastischen Anteils im all- 
gemeinen zu gering ist, um derartige Windwirkungen genügend her- 
vortreten zu lassen. Doch zweifle ich nicht an der Möglichkeit 
ihres Vorhandenseins. 

Quarz und Feldspat, untergeordnet auch Glimmer, bilden 
den klastischen Anteil der Sandsteine. Auffallend ist das häufige 
Auftreten völlig frischer Feldspäte in sekundär nicht verändertem 
Stubensandstein.e Dies hängt mit der mechanischen Verwitte- 
rung der Gesteine unter heißem trockenem Klima zusammen, 
die von innen nach außen zerbröckeln, ohne daß die Mineralien, 
aus denen sie bestehen, chemisch angegriffen würden. Nur die 
wasserlöslichen Substanzen werden bei diesem Prozeß dem Gestein 
entzogen, die bei der Austrocknung infolge der Insolation durch das 
darin kapillar verteilte verdunstende Wasser an der Oberfläche des 
Gesteins ausblühen. Daher sind viele Wüstengesteine mit einer 
dunklen Schutzrinde, dem Wüstenlack, überzogen. Bei längerem 
Wassertransport oder längere Zeit hindurch wiederholter Durch- 


u AR 


feuchtung mögen die Feldspäte in dem heißen Klima zum Teil zu 
Kaolin oder zu rotem Laterit, ihr Calciumgehalt unter Einwirkung der 
atmosphärischen Kohlensäure zu kohlensaurem Kalk zersetzt worden 
sein. Biotit mag u. a. Eisen- und Magnesiumcarbonat geliefert 
haben. So wird es verständlich, wenn wir in diesem Gebiet auf 
lila- und rotgefärbte Dolomitgesteine stoßen, die den Absatz eines ein- 
gedampften Tümpels darstellen mögen, in dem ein mit gelösten Car- 
bonaten geladener und von suspendiertem Laterit getrübter Strom 
seine Wasser gesammelt, hatte und zur Ruhe gekommen war. An- 
dererseits haben die roten Laterite nach ihrer Zusammenschwemmung 
die Tonschmitzen und zusammen mit etwas Dolomit die Mergelschmitzen. 
oder einen Gemengteil zu Sanden und Sandsteinen geliefert. Daß die 
Farbe der Sandsteine des Stubensandsteins weiß ist, beruht darauf, 
daß die Sandkörner durch den Wassertransport von etwa sie um- 
gebenden Tonteilchen oder sonstigen Beimengungen befreit wurden. 
Entsprechend ihrer leichteren Suspensionsmöglichkeit wurden die 
letzteren zu Mergellagen zusammengeschwemmt. Häufig sind die Sand- 
steine durch kaoliniges Bindemittel verkittet und zeigen eine mehr 
oder weniger weitgehende Verquarzung, wobei jedoch wegen des gegen- 
über dem Kieselsandstein gröberen Korns die Porosität erhalten blieb, 
soweit die Hohlräume nicht durch carbonatisches Bindemittel ausgefüllt 
wurden. Die Verguarzung dürfte auf Einwirkung von durch Insolation 
erwärmtem, mit Kieselsäure oder Alkalisilikaten gesättigtem Wasser 
beruhen, das bei Verdampfen oder Abkühlung den Quarz auf den 
Körnchen niederschlägt!, die in gleicher Orientierung weiterwachsend 
die beim Transport gerundete Form wieder zu ebenflächig begrenzten 
Kristallen zu regenerieren suchen. Die Verquarzungserscheinungen 
sind in den oberen Schichten des Stubensandsteins besonders stark 
ausgeprägt, so daß hier die besten Werksteine sich finden. Da die 
Stärke der Verquarzung naturgemäß mit der Zeit zunimmt, so ist 
anzunehmen, daß am Ende der Stubensandsteinzeit anscheinend be- 
sonders lang die Einwirkungen von Durchfeuchtung und Austrock- 
nung auf das Gestein erfolgen konnten. Wahrscheinlich hat gegen 
Ende der Stubensandsteinzeit die Zufuhr neuen Sand- und Mergel- 
materials vom Gebirge her ganz oder beinahe vollständig aufgehört, 
die zuoberst liegenden Stubensandsteine wurden öfters von fließenden 
Gewässern, vielleicht auch zum kleinen Teil durch Wind umgelagert 
und dabei ihres Kaolingehaltes großenteils beraubt, der in Mulden der 


ı Keilhack, Lehrbuch der praktischen Geologie. II. Aufl. S. 242, von 
Passarge bearbeitet. 


= AR: 2 


wellenförmigen Oberfläche zusammengeschwemmt wurde, während 
die zur Ruhe gekommenen häufig ungeschichteten Sandlager all- 
mählich verquarzten. Zur Entstehung von Kalksandsteinen nennt 
WALTHER ' ein Beispiel von der südamerikanischen Küste, an der 
man im Schorrengebiet durch Kalkzement verhärtete Sandsteine be- 
obachtete, bei deren Bildung die Sonnenwärme jedenfalls mit tätig 
war. Noch seien Konglomeratschichten, z. B. die von Plochingen 
und 3 übereinandergelegene bei Hedelfingen erwähnt, die deutlich auf 
Entstehung durch ein rasch fließendes, reißendes Wasser hinweisen *. 

Im folgenden sei auf den paläontologischen Charakter 
der Stubensandsteinzeit eingegangen. 

Hölzer, oft zu Kohlenschmitzen zusammengeschwemmt oder 
als Häcksellager ausgebildet oder als Kalk-° oder Kieselhölzer mumi- 
fiziert findet man an vielen Stellen des Landes ohne Rücksicht auf 
die Höhe oder die Ausbildung der Sandsteine. Einige Beispiele 
mögen genügen. Ganz tief, nur wenige Meter über dem Liegenden, 
fand ich in horizontaler Lagerung ein Baunsstück in fast bindemittel- 
freiem Sand der Diebesklinge bei Plochingen. In Kalksandstein 
wurde einst am Eisberg bei Eßlingen ein heute noch vorhandener 
Stollen auf Steinkohlen getrieben. Bei Wiflingshausen findet sich im 
Kalksandstein zusammen mit spärlichen Fischschuppen und direkt über 
einem Steinmergelkalksandsteinkonglomerat ein hübsches Häcksel- 
lager. Ebenso sind Stücke aus den obersten Schichten des Stuben- 
sandsteins, 2. B. von der Neuen Weinsteige bei Stuttgart und vom 
Österberg bei Tübingen‘ bekannt und solche aus etwas tieferliegen- 


t! Lithog. S. 701 aus Bischof, Lehrb. d. Chemie und Physik, Geologie. 
1886. II. S. 22. 

? Blanckenhorn zieht (a. a. O. S. 299) eine Parallele zwischen den 
mittel- und jungtertiären Ablagerungen des nubischen Sandsteins Ägyptens und 
dem mittleren Keuper Deutschlands, die so allgemein gehalten Gültigkeit haben 
mag. Blanckenbhorn faßt den Begriff „Wüste“ außerordentlich viel enger als 
Walther, worauf auch seine Angaben (S, 307) über den Finewelly-Distrikt 
hinweisen. In seinem jüngsten Werk: Geschichte der Erde und des Lebens 
(1908) drückt Walther deutlich aus, was er unter Wüstenbildungen der Trias 
versteht und unter welchen Bedingungen nach seiner Ansicht sich die Bildung 
dieser Ablagerungen vollzogen haben mag (S. 367 ff.). 

> Einige Kalkhölzer, die bei Grabarbeiten in der Dicbesklinge bei Plochingen 
für den dortigen neuen Bahnhof gefunden wurden, verdanke ich der Freundlich- 
keit des Herrn Bauinspektor Weigelin. 

* Freundliche Mitteilung des Herrn Dr. Göz in Tübingen an das Geo- 
logisch-mineralogische Institut der Universität, die ich mit gütiger Erlaubnis des 
Vorstandes desselben — nach Abschluß der Arbeit — veröffentliche. 


s AG. 


dem Horizont von der Katharinenlinde bei Eßlingen. Alle Hölzer 
sind zu größeren oder kleineren Bruchstücken zerknickt, verkohlt, 
verkalkt oder verkieselt — gleichwie die Sandsteine Kalkbindemittel 
verkittete oder Kieselsäure verquarzte — ; sie liegen mehr oder weniger 
horizontal in den Schichten und sind jedenfalls durch Wassertransport 
zusammengetragen. An Ort und Stelle ist kaum ein Stück gewachsen, 
da sie fast alle zu kleinen Teilen zerbrachen und mehr oder weniger 
durch Infiltration mineralischer Substanzen verändert in den Schichten 
abgelagert wurden. So erwiesen sich alle die schwarzen, gerundeten 
Kieselknollen als organogenen Ursprungs. 

In spärlichen, weit zerstreuten und engbegrenzten Bezirken 
wurden im Bereich des Stubensandsteins Konchylienlager entdeckt: 
bei Gansingen, bei Rottweil, im Stromberg und häufiger im Westen, 
in Baden und Elsaß-Lothringen. Auffallend ist die außerordentliche 
Menge der Fossilreste, die in den wenige Dezimeter mächtigen ver- 
steinerungsführenden Schichten zusammengedrängt liegen, andererseits 
der Mangel an Arten, wodurch sich diese Ablagerungen sofort von 
denen eines Weltmeers unterscheiden. In letzterem ist stets eine 
artenreiche Fauna vertreten. In Seen, die ohne Beziehungen zum 
Weltmeer sind, beschränkt sie sich auf wenige Spezies, die aber oft 
in außerordentlicher Menge das Wasser bevölkern. 

Wie weiter oben dargelegt wurde, fehlen dem Kieselsandstein 
Württembergs die Semionoten. Sie treten erst im Stubensandstein 
auf und wurden bei Kaltental, bei der Wildparkstation, bei Hohen- 
haslach und bei Hütten in mehr oder weniger vollständiger Erhaltung 
stets in tieferen Schichten des Stubensandsteins gefunden. Einzelne 
Fischschuppen beobachtete ich im Liegenden bei Leonberg und Sindel- 
fingen, im Kalksandstein bei Wiflingshausen, direkt unter der Ochsen- 
bachschicht bei Gündelbach; auf ähnlicher Höhe fand Tnürıch ! 
Fischschuppen auf nordbadischem Gebiet. Die als ganze Individuen 
erhaltenen Fische wurden einstens höchstwahrscheinlich die Opfer 
von Katastrophen. Vielleicht wurden sie von einem Sandsturm lebendig 
begraben, oder nach ihrem Tod ans Land getrieben, oder nach Ver- 
dunsten des Wassers von der heißen Sonne getrocknet und dann 
von Sand überdeckt. Meistens werden die Fische nach ihrem Tode 
rasch zerfallen oder die Beute kleinerer tierischer Räuber geworden 
sein, oder zermalmte sie die zerreibende Tätigkeit wasserbewegter 
Sandmassen zu Staub und nur in günstigen Fällen wurden sie etwa 


ı Th. II S. 30. 
Jahreshefte å. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 4 


in vereinzelten Schuppen zwischen Sand eingebettet der Nachwelt 
erhalten. Auffallend ist, daß Knochen- und Schuppenfragmente be- 
sonders gern in relativ grobkörnigem, von Mergelknollen durchsetztem 
Gestein sich fanden. Die vollständig erhaltenen Fischreste sind also 
nur infolge besonders günstiger Erhaltungsbedingungen auf unsere 
Tage gekommen; fehlten diese, so brächte keine Schuppe Kunde von 
dem einstigen Dasein der Fische, die sie trugen. Es ist deshalb wohl 
möglich, daß auch im Bereich der höherliegenden Stubensandstein- 
schichten einst Fische sich tummelten und daß nur die schützenden 
Ton- oder Sandmassen fehlten, um ihre Leichname zu konservieren. 
Tnürach hat zwei Semionotenhorizonte aufgestellt. Der untere (Kiesel- 
sandstein) führt, wie wir wissen, bei uns keine Semionoten. Kann 
man aber wenigstens von einem zweiten, oberen Semionotenhorizont 
in Württemberg sprechen? Diese Frage muß entschieden verneint 
werden. Denn alle die Lager der obengenannten Fundorte von 
Semionoten stimmen gegenseitig nicht völlig überein, sowohl petro- 
graphisch als stratigraphisch. Eine Parallelisierung so entfernt liegen- 
der Schichten ist bei der wenigstens für Württemberg nachgewiesenen, 
dem Charakter des Stubensandsteins bei uns entsprechenden, linsen- 
fürmigen Ausbildung der Gesteine unmöglich. 

Deutlicher wie bei den Fischresten erkennt man bei den 
Saurierfunden, daß die Anwesenheit dieser Tiere sich über die 
ganze Stubensandsteinzeit' erstreckte. Die berühmten Funde von 
Sauriern, denen sich solche von Schildkröten zugesellen, sind alle 
in staatliche Sammlungen gewandert, wo sie als zum Teil einzige, 
weltberühmte Stücke ihrer Art behütet werden. Die Reste gehören 
den Gattungen Belodon, Mystriosuchus, Aüötosaurus, Zanclodon im 
alten Sinne, P’sammochelys an. Am berühmtesten vielleicht ist die 
„Lötosaurus-Gruppe mit 24 vollständig erhaltenen Exemplaren. Meist 
nimmt man an”, daß diese Tiere, von dem hereinbrechenden Un- 
wetter geängstigt, sich zusammendrängten und in diesen Stellungen 
durch einen Sandsturm überdeckt wurden. O. Fraas ° weist dagegen 
darauf hin, daß vor ihrer Einbettung in Sand der Zerfall bei 
manchen Tieren schon weit vorgeschritten war und glaubt deshalb, 
daß die Tiere in einen Tümpel hineingetrieben wurden, in dem sie 
umkamen (denn im Liegenden wurde grüner und rötlicher Sand- 


I Die berühmten Belodon-Reste von Kaltental lagen in den mittleren 
Schichten des Stubensandsteins (keineswegs in den höchsten, wie man häufig liest). 

? So Eb. Fraas. Germ. Trias. S. 93 und Walther, Wüstenb. S. 87. 

3 O. Fraas, Aetosaurus ferratus Fr. 1877, S, 3. 


—- 51 — 


mergel gefunden) und daß sie dann eine Zeitlang frei im Wasser 
lagen. Jedenfalls steht sicher, daß die Tiere eines gewaltsamen 
Todes starben. Auch viele Reste der größeren Saurier sind sozusagen 
mit Haut und Haar erhalten und auch bei ihnen muß man einen gewalt- 
samen Tod oder wenigstens eine Konservierung nicht weit vom Ort 
ihres Todes annehmen. Bei Kaltental lagen die Reste in Sandstein- 
schichten, bei Pfaffenhofen meist in Mergelschichten eingebettet. 
Hätten die Kadaver nach einiger Zeit der Verwesung einen längeren 
Transport in rasch fließendem Wasser mitgemacht, so wären höchstens 
vereinzelte Knochen oder Fragmente von solchen auf uns gekommen, 
wie dies an den meisten Orten, wo Saurierknochen im Stubensand- 
stein gefunden werden, der Fall ist. Ein Tier endlich, das auf dem 
Lande, unbedeckt von Sand, verendete, mußte, wenn es nicht die 
Beute anderer Tiere wurde, durch die Einwirkung von Bakterien, 
Hitze und Kälte, Regen und Wind binnen kurzem zerfallen. 

In den obersten Schichten des Stubensandsteins wurden, 
wie oben erwähnt, Erosionserscheinungen beobachtet, die wohl 
mit einer vielleicht lange dauernden Zeit des Aufhörens von Gesteins- 
zufuhr aus dem Küstengebirge zusammenhängen. Daraus erklärt 
es sich, daß die Gesteine bereits eine gewisse Festigkeit (Ver- 
quarzung) erlangt hatten, als das Gelände sich so weit senkte, daß 
erneut ein Transgredieren des Meeres in östlicher Richtung eintrat, in 
welchem sich überaus gleichförmig die roten konkretionsreichen Mergel 
und Tone der Knollenmergel ablagerten als Analogie zu den 
roten Mergeln, nur daß hier die Ablagerungen noch einförmiger sich 
gestalteten. Der Sand des Stubensandsteins ist, trotz der an einer 
Stelle beobachteten starken Neigung der Erosionsfläche zur Horizontale, 
wohl wegen seiner damals schon erfolgten Verkittung, nicht in die 
Knollenmergel verschwemmt worden. Man wäre beinahe versucht, 
diese Schichten als äolischen Ursprung anzusprechen, da die große 
Gleichartigkeit der Gesteinsausbildung, besonders auch die Knollen- 
konkretionen und der fast völlige Mangel von Fossilresten darauf 
hindeuten!. Dem steht aber gegenüber das Fehlen des Nachweises 
einer einstigen Grasnarbe, die Möglichkeit der Konkretionsbildung 
auch in Wassersedimenten und die ziemlich deutliche Schichtung. 

An die Entstehungsgeschichte des schwäbischen mittleren 
Keupers seien einige kurze Angaben über die damaligen tektonischen 
Veränderungen angeschlossen. 


! s, anderseits Philippi, Centralbl. f. Min. etc. 1901. S. 463 ft. 
4* 


— 52 — 


Es fanden allgemeine Hebungen und Senkungen der da- 
mals ganz Südwestdeutschland und wohl noch weitere Gebiete um- 
fassenden Scholle unserer Erdrinde zu jener Zeit statt mit den ent- 
sprechenden Oszillationen des Meeres, deren jeweiliges Vorrücken 
nach Osten in den dunklen Mergeln, den roten Mergeln, den oberen 
bunten Mergeln, den Mergelschichten bei Löwenstein und im Strom- 
berg mitten im Stubensandstein, den Knollenmergeln sich ausdrückt. 
Der Verlauf der Oszillationen ist in dem beigegebenen Durchschnitts- 
profil schematisch dargestellt. 

Abgesehen von diesen allgemeinen, jedenfalls in ganz Süd- 
deutschland gleich gerichteten Niveauänderungen der Erdrinde 
konnten auch solche nachgewiesen werden, die durch einseitiges Ab- 
sinken der schwäbisch-fränkischen Scholle — ihre Be- 
grenzung sei dahingestellt — herbeigeführt wurden. Zum Beweise 
seien die Mächtigkeiten der Keupergesteine bei Rottweil und bei 
Stuttgart aufgeführt und das ungefähre Verhältnis der Mächtigkeits- 
werte zueinander angegeben. 


Mächtigkeit bei Rottweil bei Stuttgart Verhältnis 
des Gipskeupers . . . .. -» 60 m 120 m 1:2 
„ Schiltsandsteins . . . . 0—10 „ 0—30 .. 1:3: 
der unteren bunten Mergel . 4—5 .. 24 1 : (5—6) 
des Kieselsandsteins . . . 0,00—0,05 , 0,2—8 , ? 
der oberen bunten Mergel . 5—6 , 12—15 , 1 : (2—3)? ? 
des Stubensandsteins . . . . 10—12 „, 80 ,. 1:(7—8) 
der Knollenmergel . . . . . bis 25 ,, bis 50 .. 1:2 


Aus den Verhältniswerten ergibt sich, daß von der Zeit der unteren 
bunten Mergel bis zum Abschluß der Stubensandsteinperiode ein 
wesentlich rascheres Anschwellen der Schichten gegen Norden erfolgt, 
als im Gipskeuper und in den Knollenmergeln und zwar, daß das 
Anschwellen dieser Schichten zur Stubensandsteinzeit am raschesten 
sich vollzieht, hinter ihr aber plötzlich auf das im Gipskeuper un- 
gefähr innegehaltene Verhältnis herabsinkt. Noch deutlicher wird 
das überaus starke Anschwellen des Stubensandsteins, wenn man 
berücksichtigt, daß die Knollenmergel bei Rottweil die nächst dem 


' Bei Schleitheim-Stühlingen erreicht der Schilfsandstein noch 20 m Mächtig- 
keit. Das Verhältnis dürfte also mit 1:1,5 bis 1:2 vielleicht richtiger an- 
gegeben sein. 

2 Die Mächtigkeit der oberen bunten Mergel wird sowohl durch die Ab- 
lagerungen des Kieselsandsteins, als auch durch die des Stubensandsteins be- 
einflußt. 


z0 D3 as 


Gipskeuper stärkst entwickelte Schichte darstellen und wesentlich 
mächtiger als der Stubensandstein ausgebildet sind, während bei 
Stuttgart das Umgekehrte der Fall ist. Wie sind diese eigentüm- 
lichen Mächtigkeitsdifferenzen zu erklären? Für die Gipskeuperzeit 
ist ein langsames, in nördlicher Richtung erfolgendes Absinken der 
Scholle des schwäbisch-fränkischen Landes zu konstatieren. Am 
Ende dieser Zeit hob sich allgemein der Meeresboden. Der Schilf- 
sandstein ist seiner petrographischen Beschaffenheit nach nur des- 
halb weithin so sehr gleichmäßig ausgebildet, weil das Land damals 
eine fast völlig horizontale, nur selten von Terrainwellen unter- 
brochene Ebene darstellte, die als Delta nur wenig über die See 
hervorragte, und dessen äußere Ränder durch eine sumpfige Litoral- 
zone unmerklich in das Meer übergingen. Während der Schilfsand- 
steinzeit werden einseitige Erdbewegungen nur in geringem Maße 
mitgespielt haben. Anders in den höheren Schichten. Hier sank 
ım schwäbischen Gebiet der Meeresuntergrund gegen Norden all- 
mählich rascher ein, und der Verlauf dieser Bewegung beschleunigte 
sich bis in die Stubensandsteinzeit. Erst mit dem Ausgang dieser 
Periode kommt die Austiefung des Geländes in nördlicher Richtung 
zur Ruhe und mit Beginn der Knollenmergelzeit setzen die während 
der Bildung des Gipskeupers und des Schilfsandsteins herrschenden 
sehr langsamen Schollenbewegungen wieder ein. Zwischen der Stuben- 
sandstein- und Knollenmergelzeit lag aber wohl ein geologisch be- 
trächtlich langer Zeitraum, da das Aufhören jener Bewegung der 
Austiefung höchstwahrscheinlich nur ganz allmählich erfolgte. Auch 
aus diesem Grunde möchte ich einen Hiatus an der oberen Grenze 
des Stubensandsteins annehmen. 

Der Annahme Tnörıcn's!, der Meeresgrund habe sich gegen 
Westen bezw. Nordwesten ausgetieft und zwar auf einer Linie, 
die etwa in der Richtung Heilbronn—Kitzingen verlief, möchte ich 
— ohne mich jedoch auf diese Linie festzulegen — zustimmen auf 
Grund der Beobachtung, daß die Mächtigkeit der Schichten im 
mittleren schwäbischen Keuperland auch in westlicher Richtung zu- 
nimmt, wie aus dem Verhalten der bunten Mergel zwischen Tübingen 
und Herrenberg sich ergab. 

Ich nehme also drei nebeneinander sich vollziehende Schollen- 
bewegungen zur mittleren Keuperzeit in Südwestdeutschland an: 
l. allgemeine Hebungen und Senkungen der Scholle; 2. bedeutende 


‘ Th. UI S. 49. 


u BR ge 


Senkung gegen Norden mit einem hypothetischen, südlich von 
Württemberg gelegenen Angelpunkt der Bewegung; 3. schwächere 
Austiefung in westlicher bezw. nordwestlicher Richtung. 

Mit der im Gegensatz zur Schilfsandsteinperiode ungleichmäßigen 
Absenkung gegen Norden und Westen hängt es zusammen, daß von 
den Freihunger Schichten an kein eigentliches Deltagebiet, sondern 
nur ein Flachküstengebiet angenommen werden darf, da ein Delta- 
gebiet eine ruhigere Sedimentation voraussetzen müßte, als im 
Kiesel- und Stubensandstein vorliegt. Wir haben diese Schichten 
als Sedimente eines Flachküstengebiets zu betrachten, das sich zu 
gewissen Zeiten zwischen der Küste und dem Fuß des vindelicischen 
Gebirges in einer Breite von wohl mehreren hundert Kilometern er- 
streckte. Setzt man ein Einsinken der schwäbisch-fränkischen Scholle 
in nördlicher und westlicher Richtung voraus, so erklärt sich ohne 
weiteres das gewaltige Anschwellen der mittleren Keuperschichten 
und besonders des Stubensandsteins in ungefähr nordwestlicher Rich- 
tung, weil in dieser die Hauptmasse des von Osten zu Tal geförderten 
Gesteinsmaterials der Binnensee zugeführt wurde. 


Chimäridenreste aus dem oberen Lias von Holzmaden. 


Von Professor Dr. B. Fraas. 
Mit Tafel III. 


Überreste von Holocephalen sind aus unseren deutschen Lias- 
schiefern bisher noch nicht bekannt geworden, sondern wurden nur 
in den Eisenerzen des braunen Jura 8, und in dem oberen weißen 
Jura von Schnaitheim und Nusplingen gefunden. Dagegen haben 
uns die liassischen Schiefer von England schon eine Reihe sehr an- 
sehnlicher und interessanter Überreste von Holocephalen geliefert, 
unter welchen Squaloraja und Alyriacanthus die wichtigsten Arten 
bilden. Um so mehr war ich erfreut, als mir in der letzten Zeit 
durch Herrn Bernuarvo Haurr in Holzmaden zwei Stücke zukamen, 
welche sich als Überreste von Chimäriden bestimmen ließen und zu- 
gleich auch die Deutung für ein drittes Stück zuließen, das sich als 
Problematicum schon seit vielen Jahren in unserer Sammlung befindet. 


Acanthorhina Jaekeli n. g. n. sp. 


Die auf Taf. II] Fig. 1 abgebildete Platte aus den oberen Lias- 
schiefern von Holzmaden enthält ansehnliche Überreste, von welchen 
auf den ersten Blick schon der Flossenstachel und Schädelteile mit 
dem Gebisse sichtbar sind. Bei eingehender Untersuchung des 
Stückes können wir alle wesentlichen Teile des Schädels wieder- 
finden, ebenso wie auch die Ansatzstelle der Rückenflosse und der 
vordere Flossenträger wohl erhalten sind. 

Der Schädel. Der Schädel der Holocephalen besteht aus 
einem weichen hyalinen Knorpel, wie bei den übrigen Selachiern, 
unterscheidet sich aber von diesen dadurch, daß er nicht in eine 
Schädelkapsel und das Viszeralskelett gegliedert ist, sondern daß das 
Palatoguadratum und Hyomandibulare vollständig mit dem Schädel 
verwachsen ist und ein einheitliches Stück bildet, an welchem der 
gleichfalls ungegliederte Unterkiefer aufgehängt ist. An unserem 


u ee 


Stücke läßt sich gut die Form des Schädels erkennen, wenn auch 
die hintere Hälfte seitlich zusammengedrückt ıst, während der vor- 
dere Teil ebenso wie die Schnauze sich so gedreht hat, daß sie uns 
die Unterseite zukehrt. An der Schädelkapsel ist der Occeipitalteil, 
die Stirne und der Palatoquadratabschnitt wohl ausgeprägt; sie 
umschließen eine große Orbitalgrube, welche abgerundet viereckig 
gestaltet ist, mit einer Länge von 40 und einer mittleren Breite von 
34 mm. Besonders interessant ist der vordere Teil des Schädels, 
welcher in eine spitzig zulaufende Verlängerung, d. h. ein echtes 
Rostrum ausläuft. Diese nasenartige Verlängerung besteht aber 
nicht nur aus weichem Knorpel, sondern es treten hier Verhärtungen 
durch Verkalkung des Knorpels auf, welche zunächst zwei seitliche 
Leisten bilden, die sich median vereinigen, so daß das Gebilde 
schließlich in einen kräftigen Stachel ausläuft. 

Ein Stück, das sich schon seit langer Zeit in unserer Samm- 
lung befindet und nicht gedeutet werden konnte, zeigt uns besonders 
deutlich den vorderen Nasenstachel (vergl. Fig. 2). Es gehörte 
offenbar einem älteren Tiere an, bei welchem die Verfestigung des 
Knorpels durch Kalk schon viel mehr ausgebildet war. Wir sehen 
an dem Stücke, wie zwei seitliche Leisten nach vorn in einen Stachel 
zusammenfließen und auf diese Weise ein fest verkalktes Rostrum 
bilden, das auf der Oberfläche flach gewölbt ist, auf der Unterseite 
dagegen eine von den beiden Leisten eingerahmte Rinne aufweist. 
Wir erkennen weiterhin, daß das Rostrum auf seiner Unterseite mit 
flachen Zähnen besetzt war, eine Eigentümlichkeit, die allerdings auf 
dem offenbar jugendlichen ersten Exemplare, bei welchem die Ver- 
kalkung nur wenig vorgeschritten ist, nicht zu beobachten ist. Es 
ist ja möglich, daß dieses zweite Stück zu einer anderen Spezies 
gehört, Jedoch möchte ich vorläufig dieselben noch zusammenziehen, 
bis bessere Funde uns hierüber aufklären. 

An dem Schädel sehen wir noch in der natürlichen Lage den 
Unterkiefer, der in einem kräftig ausgebildeten Knorpelfortsatz 
des Oberschädels artikuliert. Der Kieferast ist wie bei allen Chi- 
märiden klein und mit gerundetem Unterrande. 

Das Gebiß der Holocephalen besteht aus einzelnen Zahnplatten 
mit einem oder mehreren Zahnbuckeln auf denselben; von diesen 
Platten finden wir ein Paar ım Unterkiefer (Mandibularplatten) und 
2—3 Paare im Oberkiefer, von welchen wir die vorderen als Vomer-, 
die hinteren als Palatoquadratum-Zähne anzusehen haben. 

Auf unserer Platte sind uns von dem Gebiß ganz wesentliche 


eg ee er 


zu Id we 


Teile erhalten (Taf. III Fig. 3 u. 4) und zwar erkennen wir zunächst 
die beiden großen Zahnplatten des Unterkiefers (Mandibularplatten), 
welche noch beinahe in ihrer natürlichen Stellung erhalten sind und 
uns die obere Kaufläche zukehren. Es sind 45 mm lange und 10 mm 
breite gekrümmte Stücke, welche einen kleinen vorderen und größeren 
hinteren Abschnitt erkennen lassen. Eigentliche Zahnbuckeln heben 
sich auf diesen Zahnplatten nicht ab, wenn man nicht eine schwache 
Erhöhung auf dem vorderen Teile des großen und ebenso des kleinen 
Zahnabschnittes als solche ansprechen will. Von den oberen Zähnen 
sehen wir einen wohl ausgebildeten vorderen Vomerzahn, der uns die 
scharfe Kante entgegenstreckt. Der Rand, welcher die 20 mm lange 
Schneide bildet, ist gerundet und das Zahnpaar würde zusammen 
einen Halbkreis am Vorderrande des Kiefers bilden. Eine zweite 
Zahnplatte, welche offenbar der hinteren (palatinen) Platte entspricht, 
zeigt eine breite Kaufläche, welche mit geradem seitlichem Rand ab- 
setzt. Die Länge dieses Zahnes beträgt 18 mm, die Breite 12 mm. 
Die ursprünglich wohl stärker gerundete Kaufläche ist durch Druck 
ausgeflacht. Außer dieser hinteren Zahnplatte wird noch ein kleiner 
rundlicher Zahn sichtbar, der uns deutlich den lamellösen Aufbau, 
wie er für die Chimäridenzähne so charakteristisch ist, erkennen 
läßt. Derselbe Zahn findet sich in verschobener Lage unter dem 
Rostrum und kann als ein Nebenzahn des palatinen Teiles gedeutet 
werden. 

Wir beobachten außerdem an unserem Stücke hinter diesen 
Gebißteilen noch ein glänzendes, mit Placoinschmelz bedecktes zahn- 
artiges Gebilde, das aus einem basalen, verdickten Teile und aus 
einem kurzen, nach vorn gerichteten Stachel besteht. Die Ähnlich- 
keit mit den Kopfstacheln, wie sie von männlichen Exemplaren des 
Hybodus und Acrodus bekannt sind (Hybodonchus und Acrodonchus)!, 
ist in die Augen fallend und ich glaube, daß wir es auch hier mit 
dem analogen Gebilde zu tun haben, das sich bei den männlichen 
Chimären auf der Stirne angesetzt findet. 

Aus den vorliegenden Resten läßt sich leicht ein klares Bild des 
Schädels dieser Chimärenart wiederherstellen (vergl. Fig. 5 und 6), 
und wir erkennen, daß der Aufbau des Schädels sich im großen 
ganzen vollständig normal den uns bekannten Holocephalen an- 
schließt. Die hervorragende Eigentümlichkeit unserer Art besteht 
in der zu einem Stachel ausgezogenen vorderen Verlängerung des 


! Diese Jahresh. Bd. XLV. 1889. S. 233, 


— 8 — 


Schädels, welche dem Tier einen ganz eigenartigen Charakter ver- 
leiht. Unter diesem Rostrum lag die Mundöffnung mit dem schnabel- 
artigen Chimäridengebiß. 

Der Rumpf. Außer dem Schädel zeigt uns die Platte auch 
noch Teile des Rumpfes und zwar beobachten wir zunächst den 
Flossenstachel, der als Träger der vorderen Rückenflosse dient. 
Dieser Flossenstachel ist überaus schlank gebaut und weist eine 
Länge von 300 mm bei einer größten Breite von nur 16 mm auf: 
er ist leicht gekrümmt, auf der Oberfläche glatt, auf der nach rück- 
wärts gekehrten Seite zeigt er nur im oberen Fünftel eine Bezahnung, 
welche aus etwa 30 scharfen, aber sehr kurzen, dicht gedrängten 
Zähnchen besteht. Sehr schön erhalten ist der knorpelige Flossen- 
träger, an welchem dieser Stachel befestigt ist. Er besteht, wie 
bei den lebenden Chimären, aus einer großen Knorpelplatte, die am 
Hinterhauptsknorpel artikuliert und auf der Wirbelsäule aufruht. 
Von der Rückenflosse selbst ist nur noch eine Andeutung des oberen 
Strahles erhalten, der zugleich als Stütze für den Flossenstachel 
diente. Unter dieser Knorpelplatte haben wir noch eine Andeutung 
der Wirbelsäule selbst, welche uns wie ein zarter Hauch die zahl- 
reichen Knorpelringe erkennen läßt, die ebenso wie bei den lebenden 
Chimäriden die Chorda dorsalis umschließen. 

Sehr schön erhalten ist der kräftig ausgebildete Träger der 
Brustflosse. In seiner Gestalt und Form schließt auch dieser 
sich vollständig dem analogen Skeletteil bei den lebenden Chimären 
an, und es ist daraus zu schließen, daß auch die Lage und Aus- 
bildung der Brustflossen ähnlich gebildet war wie bei den lebenden 
Arten. 

Von dem übrigen Teil des Körpers ist kaum mehr als eine An- 
deutung vorhanden, und es läßt sich aus den nur schattenhaften 
Umrissen auf dem Gestein kaum irgendwie etwas Sicheres schließen. 

Zusammenfassung und Vergleichung. Fassen wir unsere 
Beobachtungen zusammen, so sehen wir, daß wir einen offenbar 
neuen Typus der Holocephalen vor uns haben, der in erster Linie ge- 
kennzeichnet ist durch die stachelartige Verlängerung des Rostrums, 
die auch den Namen Acanthorhina (Stachelnase) rechtfertigt. Wir 
kennen eine derartige Verlängerung des Rostrums unter den fossilen 
Arten bei Syuwaloraja', wo wir ein Rostrum in Gestalt eines langen 


! Vergl. insbesondere O. Reis. On the structure of the frontal spine 
and the rostro-labial cartilages of Squaloraja and Chimaera. Geol. Magazine 
Dec. IV. 2. 1895. S. 385. 


2> BO = 


seitlich gezahnten Fortsatzes, der an denjenigen der Sägfische er- 
innert, vorfinden. Zu diesem eigentlichen Rostrum gesellt sich beim 
Männchen noch ein zweiter spießförmiger Frontalstachel von be- 
deutender Länge. Der Schädelbau von Syualoraja ist jedoch sehr 
verschieden von demjenigen bei unserer Art, so daß auch die rostrale 
Verlängerung nur als allgemeiner Vergleich beigezogen werden kann. 
Weiterhin läßt sich bei einem von EsErTon! als Ischyodus ortho- 
rhinus beschriebenen Schädel eines männlichen Myriacanthus para- 
doxus? außer dem mächtigen Stirnstachel? ein weit hervorragendes, 
vorne hackenförmig umgebogenes Rostrum erkennen, das offenbar 
ganz gleichartig wie bei unserer Art als eine Verlängerung des 
nasalen oder richtiger labialen Teiles aufzufassen ist. Auch ein 
weiterer von EGERToN? als Proynathodus Güintheri beschriebener 
Schädel eines Myriacanthus granulatus? läßt, wenn auch in be- 
schränktem Maße, die Verlängerung nach vorne erkennen. Während 
aber bei Acanthorhina das Rostrum in einem festen verkalkten Stachel 
ausläuft, bleibt er offenbar bei Myriacantkus weich und besteht nur 
aus byalinem Knorpel. Außer diesen fossilen Arten finden wir auch 
unter den heute noch lebenden Chimäriden eine Gruppe in der 
japanischen Tiefsee, die in mancher Beziehung an unsere Art er- 
innert. Die daselbst vorkommenden Arten Rhinochimaera pacifica 
und Harriotta raleighana°® zeigen ganz wie unsere Acanthorhin«a eine 
spitz zulaufende Verlängerung des Nasenteiles, und ich glaube, daß 
unsere Art in dem Aussehen und der Form des Schädels sehr viel Ähn- 
lichkeit mit den japanischen Nasenchimären gehabt hat. Während 
aber das Rostrum bei den lebenden Arten durchaus weich ist und 
vielleicht die Funktion eines Leuchtorganes hat, war der feste 
rostrale Stachel der Acanthorhina offenbar eine Waffe für das Tier. 
Am meisten Vergleichspunkte finden wir bei den Zähnen, da diese 
als feste Körper am häufigsten fossil gefunden werden, und uns die 


1 Quart. Journ. Geol. Soc. 27. 1871. S. 275. (Taf. XIII) 

2 Nach A. S. Woopwarp, Ann. Mag. Nat Hist. 1859. 4. S. 279 und Cata- 
logue of the fossil fishes in the British Museum. Part 1I. 1891. S. 43. 

> Zittel (Handbuch d. Paläontolog. 3. 1890. S. 110) wurde durch diesen 
Stirnstachel zur Aufstellung eines neuen Genus MHetopacanthus verleitet, das 
demnach mit Myriacanthus synonym ist. 

t Egerton, Quart. Journ. Geol. Soc. 28. 1872. S. 233. (Taf. VHI.) 

°® Nach A. S, Woodward l. s. c. 

e Journal of the College of Science, imper. university of Tokyo 1904. 19. 
Artikel 4. Bulletin of the Museum of comparative Zoology at Harward College. 
41. No. 2. 1904. 


— 60 — 


große Verbreitung und den Formenreichtum der fossilen Holocephalen 
vor Augen führen. Die Bezahnung unserer Art schließt sich zwar 
im wesentlichen an den Bau des holocephalen Gebisses an, zeigt 
aber doch wieder seine besonderen Eigentümlichkeiten. Die flachen 
und niederen Zahnplatten im Ober- und Unterkiefer mit schwach 
entwickeltem Zahnwulst unterscheiden sich zunächst sehr von den 
hohen schnabelartigen Zähnen der echten Chimäriden und der daran 
anschließenden Gattungen Ischyodus, Edaphodon und Chimaueropsis. 
Dagegen finden wir auch hier wiederum bei Myriacanthus die 
besten Vergleichspunkte und zwar kommen speziell die von EGERTON 
und A. S. Woonwarop (l. c.) beschriebenen Skelettreste aus den un- 
teren Liasschiefern von Lyme Regis in Frage. Die Mandibularplatte 
unserer Art stimmt sehr gut mit derjenigen von Myriacanthus para- 
doxus überein, wie wir sie an dem von EcerTON als Ischyodus ortho- 
rhinus beschriebenen Stücke erkennen, während bei Myriacanthus 
granulatus der vordere und hintere Zahnabschnitt annähernd gleich 
groß ist. Nach S. WoonwarnD setzt sich der Gaumen aus 4 Zahn- 
paaren zusammen, welche als Präsymphisial-Palatin-Vomer und sup- 
plementäre Vomerzähne bezeichnet werden. Der ungünstige Er- 
haltungszustand an unserem Stücke erlaubt leider keinen präzisen 
Vergleich, doch läßt sich eine gewisse Übereinstimmung unseres 
als Vomerzahn gedeuteten Stückes mit dem Präsymphisialzahn von 
S. Woopwarnp nicht verkennen, ebenso wie wir bei unserem Stücke 
auch einen kleinen hinteren Nebenzahn in ganz derselben Ausbildung 
wie bei Myriacanthus vorfinden. (Ich habe mich in der Deutung 
der Gaumenzähne an JaeKeL, N. Jahrb. f. Min. etc. Beil.-Bd. XIV. 
S. 559 und ZITTEL angeschlossen.) 

Der Kopfstachel ist sehr klein im Vergleich zu den analogen 
Gebilden bei einigen fossilen Arten, ganz besonders im Verhältnis zu 
dem in Frage kommenden Myriacanthus paradoxus, dessen mächtig 
großer, über 100 mm langer Kopfstachel (.Mrtopacanthus von ZITTEL) 
ganz andere Verhältnisse zeigt, ebenso wie der bereits erwähnte 
große spießförmige Kopfstachel von Sywaloraja. Er gleicht in seiner 
Ausbildung, wie schon erwähnt, am meisten den Kopfstacheln bei den 
männlichen //ybodus- und Acrodus-Arten , ist jedoch bei den Holo- 
cephalen nicht paarig, wie bei jenen Haien angeordnet, sondern sitzt 
median auf der Stirne vor der Augenhöhle. Sehr viel Ähnlichkeit hat 
dieser Kopfstachel mit demjenigen der heute lebenden Chimaera 
monstrosa und den japanischen Rhinochimären, nur fehlt die bei 
diesen Arten beobachtete Bezahnung des Stirnfortsatzes. 


= b 


Der Flossenstachel erhält durch seine lange, schlanke Ge- 
stalt und glatte Oberfläche und gekürzte Säge etwas ganz Eigen- 
artiges. Sowohl im Vergleich mit Myriacanthus wie mit den leben- 
den Chimären ist er außerordentlich lang zu nennen, doch läßt er 
sich noch am besten mit demjenigen von Myriacanthus vergleichen 
und zeigt, soweit dies zu erkennen ist, die von JAEkEL! hervor- 
gehobenen Merkmale der Chimäridenstacheln. 

Diagnose. Das Hauptmerkmal unserer Art ist das feste, 
bei erwachsenen Tieren in einen soliden bezahnten Stachel aus- 
laufende Rostrum, welches den Namen Acanthorhina (Stachelnase) 
rechtfertigt. Ich nenne die Art zu Ehren meines Freundes Prof. 
Dr. O. JaıekEL, der sich um die Erforschung der fossilen Haie so 
verdient gemacht hat, A. Jaekeli. 

Acanthorhina Jackeli E. Fr. ist eine neue Art der Holocephalen 
von mittlerer Größe. Der knorpelige Schädel mit verwachsenem 
Viszeralskelett vom Typus der Chimäriden; Orbitalgrube mäßig groß 
von abgerundet viereckiger Gestalt; Rostrum verlängert und in einen 
soliden, mit Zähnchen besetzten Stachel von rundlichem Querschnitt 
auslaufend. Beim Männchen ein kleiner, an Chimaera erinnernder 
Stirnstachel.e Das Gebiß im Unterkiefer aus einem Paar flacher, 
gewellter Zahnplatten mit großem hinteren und kleinem vorderen 
Abschnitt bestehend; ım Gaumen mindestens 3 Paare von Zahn- 
platten, welche als Vomer-, Palatin- und Nebenzahn des Palatinum 
gedeutet werden. Der Flossenstachel sehr lang und schmal, nur 
am distalen Ende schwach bezahnt, sonst glatt. Der Körperbau, 
soweit bekannt, wie bei den lebenden Chimäriden. 

Infolge der Ausbildung des langen Rostrums nimmt unsere Art 
eine vermittelnde Stellung zwischen Squaloraja mit ihrer übergroßen 
tostralen Verlängerung und den lebenden Nasenchimäriden mit ihrem 
unverkalkten Rostrum ein. Am nächsten schließt sie sich an Myri- 
acanthus an, mit welchem sie besonders im Gebiß Übereinstimmung 
zeigt. Vorkommen im oberliassischen Posidonienschiefer (Lias &) von 
Holzmaden. Original in der Kgl. Naturaliensammlung zu Stuttgart. 


Myriacanthus Bollensis.n. sp. 


Ein weiteres, von BERNHARD Harrr geliefertes Stück aus den 
Posidonienschiefern von Holzmaden (Taf. III Fig. 7) stellt einen schön 


ı O. Jaekel, Über fossile Ichthyodoruliten. Sitzungsber. d. Ges. naturf. 
Freunde zu Berlin vom 15. Juli 1890. No. 7. 


=; pS 


erhaltenen 330 mm langen Flossenstachel dar, welcher von den uns 
bekannten lIchthyodorulithen, insbesondere denen von Hybodas 
Hauffianus abweicht. Der Flossenstachel ist vollständig gerade ge- 
streckt und zeigt sich von der Seite. Die Oberfläche ist fein gekörnelt, 
und zwar bestelıt die Körnelung aus kleinen, runden Hautzähnchen mit 
glänzendem Placoinschmelz, eine Anordnung in Reihen ist nicht zu 
beobachten. Die Körnelung ist am unteren Ende am stärksten und 
nimmt allmählich gegen die Spitze zu ab, so daß der oberste Teil 
sogar als glatt bezeichnet werden kann. An der Vorderkante sind 
die Höcker am größten und einzelne von ihnen nehmen die Form 
abgeflachter Zähne an. Der basale Teil des Stachels, mit dem er 
unter der Haut der Vorderflosse gesteckt hat, war jedenfalls glatt, 
ist aber an unserem Stück nicht mehr erhalten. Da der Knochen 
hier schon sehr dünn ist, können wir annehmen, daß der basale 
Teil kurz war. Die seitliche Bezalınung ist eine sehr charakte- 
ristische und besteht im obersten Drittel aus ziemlich großen, scharfen, 
nach rückwärts gedrelten Dornen, von welchen 15 an unserem 
Stücke erhalten sind. Es folgt sodann eine kurze glatte Strecke 
des Stachels, worauf wiederum kleine, zierliche Dornen in größerer 
Anzahl auf der Seite auftreten. Der Flossenstachel scheint etwas 
flachgedrückt, so daß der Querschnitt nicht mehr genau festzustellen 
ist, was auf eine große und weit nach vorne gehende Pulpahöhle 
hinweist. 

Die schlanke, gerade gestreckte Gestalt des Stachels mit einem 
offenbar sehr kurzen basalen Stücke weicht vollständig von den 
Ichthyodorulithen der Cestracion-artigen Haie, wie Hybodus Acrodus 
und Strophodus ab und es ist deshalb auch die Zugehörigkeit zu 
dem seltenen von QUuENSTEDT beschriebenen Bdellodus Bollensis aus- 
geschlossen, da dieser die Merkmale von Strophodus trägt. Dagegen 
schließt sich unsere Art den Stacheln der Chimäriden an und zwar 
kommt hier speziell Myriacanthus in Frage. Die meisten Stacheln 
von Mwyriacanthus stammen aus dem unteren Lias von Lyme Regis 
und sind am ausführlichsten bei Acassız ! beschrieben und abgebildet, 
während die von EgertTon und A. S. Woonwirp (l. s. c.) beschriebenen 
Schädelreste die Zugehörigkeit zu den Holocephalen beweisen. Bei 
Myriacanthus paradoxus und retrorsus Ac. erkennen wir dieselbe ge- 
rade gestreckte Form des Stachels, die weite Pulpahöhlung, den 


! L. Agassiz, Recherches sur les poissons fossiles 1833—43. 3. S. 38. 
Taf. 6 u. 8. 


z BI 


kurzen basalen Teil, und eine ganz ähnliche, allerdings weniger dichte 
Körnelung. Abweichend sind nur die reichlichen Zähne, welche 
mehr oder minder flache Dornen darstellen und in weiten Abständen 
die nach hinten gekehrte Mittellinie besetzen, ebenso aber auch in 
unregelmäßiger Verteilung auf dem übrigen Teil des Stachels auf- 
treten. M. granulatus zeigt kleine, leicht gekrümmte Stacheln, bei 
welchen die Körnelung in Reihen angeordnet ist. 

Die Zustellung unserer Art zu Myriacanthus erscheint mir des- 
halb durchaus gerechtfertigt und der Unterschied gegenüber den 
bekannten Myriacanthus-Stacheln besteht außer dem geologischen 
Horizont in der außerordentlich dichten, aber nicht in Reihen an- 
geordneten Körnelung und der Bezahnung, welche im oberen Teile 
aus scharfen, rückwärts gekrümmten Hacken, im mittleren Teile aus 
sehr kleinen, abgestumpften Zähnchen besteht. Nach dem Vorkommnis 
in den Boller Schiefern (Lias £) nennen wir die Spezies M. Bollensis. 

Diagnose: Muyriacanthus Bollensis E. Fr. begründet auf einen 
großen Flossenstachel vom Typus Myriacanthus Ac. Der Stachel 
schlank, gerade gestreckt, mit weiter Pulpahöhle, die Oberseite ab- 
gesehen von dem glatten basalen Teile mit dichtgedrängten, regellos 
angeordneten runden Höckerzähnchen bedeckt; auf der Hinterseite 
an der Spitze große, scharfe Hackenzähne, in der Mitte eine ge- 
drängte Reihe kleiner, abgestumpfter Zähnchen. Vorkommen im 
oberliassischen Posidonienschiefer (Lias £) von Holzmaden. Original 
in der Kgl. Naturalien-Sammlung zu Stuttgart. 


Der Dossenheimer Quarzporphyr. 
Ein Beitrag zur Kenntnis der Umwandlungserscheinungen saurer Gesteins- 
gläser. 
Mit 1 Textfigur und Taf. IV— VII. 
Von Hermann Bross, Stuttgart. 


Nahezu ein Jahrhundert alt sind die Bestrebungen der Wissen- 
schaft, der Erkenntnis der Porphyrgrundmasse näher zu kommen. 

Von der Zeit, in welcher LEorpoLp v. Bucu (1809) zum ersten 
Male die Vermutung über die komplexe Natur der Grundmasse aus- 
sprach entgegen der damals herrschenden Ansicht, nach welcher die 
Grundmasse ein einfaches Mineral darstellen sollte, begann der leb- 
hafteste Meinungsaustausch, an welchem sich die ersten geologischen 
Fachgelehrten wie auch Chemiker beteiligten. Bald sollte die Grund- 
masse einen „nichtindividualisierten Grundteig“ (DeLesse), bald ein 
homogenes Gemisch von Feldspatsubstanz und Kieselsäure (NAUMANN), 
bald halbkristallin (VocELsane), bald zugleich glasig (ZiekeL und 
Conex), bald ein Aggregat von ausschließlich doppelbrechenden Par- 
tikeln (STELZNER) darstellen. Insbesondere trat seit dem Jahre 1863 
die Diskussion in eine neue Phase ein. In diesem Jahr veröffent- 
lichte ZırkEeL seine ersten mikroskopischen Untersuchungen über 
Quarzporphyre. Trotzdem dauerte es noch geraume Zeit, bis durch 
die Vervollkommnung der mikroskopischen Hilfsmittel die Gesteins- 
präparate den hohen Anforderungen genügten, um die äußerst ver- 
wickelten und schwer deutbaren Erscheinungen der felsitischen Grund- 
masse der Quarzporphyre einer erfolgreichen Untersuchung zugäng- 
lich machen zu können. Man stellte die überaus wichtige Tatsache 
fest, daß die Porphyrgrundmasse nicht nur einer, sondern verschie- 
denster struktureller Ausbildungen fähig sei. H. VoGELsanG schuf durch 
seine ausgedehnten kristallogenetischen Untersuchungen in erster 
Linie die Grundlage unserer heutigen Anschauungen über die Porphyr- 
grundmasse H. Roszxsusch gelang es, die verschiedenen Entwick- 


ne 


lungsformen dieser begrifflich scharf zu umgrenzen. Ganz allgemein 
führte Rosengusch den Beweis, daß die Struktur der Eruptivgesteine 
der Ausdruck bestimmter Erstarrungsbedingungen sei. Speziell für 
die Struktur der porphyrischen Grundmasse führte er die Begriffe: 
Mikrogranit, Granophyr, Felsophyr, Vitrophyr, außerdem Sphärolith, 
Pseudosphärolith und Sphärokristall ein. Damit war eine geeignete 
Terminologie geschaffen und das Mittel gewonnen, die verschieden- 
artigen Ausbildungsformen der porphyrischen Grundmasse nach ein- 
heitlichen und übereinstimmenden Gesichtspunkten zu beschreiben 
und zu klassifizieren. 

Im Laufe der Zeit wurde noch eine weitere Tatsache erkannt, 
welche geeignet erschien, unsere Erkenntnis vom Wesen der Por- 
phyrgrundmasse und ihrer ursprünglichen Beschaffenheit einigermaßen 
zu erschweren und zu verschleiern. Schon VosGELSsAnG und ÜOoHEN 
wiesen darauf hin, daß manche saure Ergußgesteine abgesehen von 
den gewöhnlichen Verwitterungserscheinungen in struktureller Be- 
ziehung gewisser Umwandlungen fähig sind; jedoch erschienen diese 
Umwandlungen ihnen nur von lokaler Bedeutung zu sein. ÜCoHEN 
fand bei Untersuchungen sphärolithischer Porphyre vom Harz, daß 
deren Grundmasse so sehr gewisse Analogien mit Obsidianen von 
Lipari und Mexiko aufweise, „daß die Annahme nicht gewagt er- 
scheinen dürfte, dieselbe sei ursprünglich als Glas erstarrt und 
erst sekundär durch Umlagerung der kleinsten Teilchen kristallin 
geworden“. 

Auch Rosensusch betont wiederholt am Schlusse seiner Erörte- 
rungen über die Porphyrgrundmasse, daß einzelne Typen derselben 
sekundärer Natur und von einer glasigen Ausbildung als der ursprüng- 
lichen abzuleiten seien. Dann ist hauptsächlich durch die Unter- 
suchungen von A. Sauer an den Meißener Pechsteinen und zuletzt 
an Schwarzwälder Poıphyren überzeugend nachgewiesen worden, daß 
sekundäre Veränderungen solcher Art nicht nur lokal begrenzte Er- 
scheinungen sind, sondern eine regionale Bedeutung gewinnen, mit 
andern Worten, daß in ausgedehnten Porphyrgebieten die ursprüng- 
liche Struktur gänzlich vernichtet und damit der Habitus des Ge- 
steins vollständig verändert werden kann. Hauptsächlich sind es die 
halbglasigen und glasigen Grundmassetypen, welche diesen sekun- 
dären Umwandlungen besonders unterworfen sind. 

Die Ursache dieser merkwürdigen Vorgänge ist am letzten Ende 
ın der Natur der sauren Ergußgesteine zu suchen, welche infolge 


ihrer sehr zähflüssigen Beschaffenheit den stabilen Gleichgewichts- 
Jahreshofte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 5 


— 66 — 


zustand während der kurzen Erstarrungsperiode sehr häufig nicht 
erreichen. 

Im Gegensatz hierzu liefern die stockähnlichen Quarzporphyr- 
vorkommnisse im Schwarzwald, wie sie auf Blatt Obertal—Kniebis' 
von K. ReseLsann beschrieben wurden, ein Beispiel dafür, daß bei 
einer verlangsamten Erstarrung, wie sie bei einer stockförmigen Be- 
grenzung des Eruptivkörpers eintreten muß, die Struktur primär- 
mikrogranitisch sich entwickelt. Die mikroskopische Untersuchung 
hat für diese Vorkommnisse den Beweis geliefert, daß so dicht und 
felsitähnlich die Grundmasse dieser Quarzporphyre auch erscheint, 
sie doch sich darstellt als ein mikroskopisch äußerst feinkörniges 
Gemenge von Quarz, Feldspat und Glimmer, die in einer grano- 
phyrischen bis mikro-granitischen Struktur vereinigt sind. 

Es lag die Vermutung nahe, daß die bekannten, nördlich Heidel- 
berg gelegenen Dossenheimer Quarzporphyre für die Beobachtung 
der erwähnten Umbildungen ein vorzügliches Untersuchungsobjekt 
darbieten würden nach Maßgabe ihrer schon äußerlich bemerkbaren, 
mannigfaltigen Abänderungen der Grundmasse. Außerdem unter 
stützten die ausgezeichneten Aufschlüsse sowie die bequeme Zugäng- 
lichkeit des Gebietes eine solche Untersuchung. Dann mußte auch 
die von A. Saver im Jahre 1898 gemachte Beobachtung von dem 
Vorkommen ausgezeichneter Lithophysen in diesem Porphyr ver- 
anlassen, dieses merkwürdige Gestein nach den angedeuteten Ge- 
sichtspunkten einer erneuten Untersuchung zu unterwerfen °. 

Die vorliegende Arbeit ist auf die Anregung von Herrn Prof. 
A. Sauer entstanden, welcher sich bekanntlich schon früher mit den 
metasomatischen Veränderungen saurer Ergußgesteine befaßt hat. 

Seine „Porphyrstudien 1896“ bieten eine Zusammenfassung 
der bis dahin gewonnenen Ergebnisse, sowie auch Richtlinien für 
ähnliche, zu erweiternde Untersuchungen. 

Es soll nun im folgenden an den Dossenheimer Quarzporphyren 
untersucht werden, inwieweit nachträgliche Veränderungen sich am 
Gesamthabitus dieses Gesteins beteiligen. Dabei wurde folgender 
Weg eingeschlagen: 

Es wurden zunächst die zweifellos primären Strukturformen der 
Grundmasse festgestellt und darauf die ebenso sicher erkennbaren 


m 


! Geol. Spezialkarte des Kgr. Württemberg: Erläuterungen zu Blatt Ober- 


tal—Kniebis. 1907. 
2 Vergl. meine vorläufige Mitteilung. Centralbl. f. Min. etc. 1907. 


Zn 67, cs 


sekundären Bildungen und diese mit veränderten Pechsteinen und 
Lipariten und deren sekundären Strukturen verglichen. 
Als Untersuchungsmaterial dienten ca. 130 Dünnschliffe, aus 
etwa 350 Handstücken des Dossenheimer Quarzporphyrs ausgewählt. 
Das Vergleichungsmaterial bildeten etwa 200 Schliffe von Lipa- 
riten Ungarns, Sachsens, der Liparischen Inseln, vom Obsidiancliff, 
von Pechsteinen und Quarzporphyren verschiedener Lokalitäten. 


Geographische Orientierung. 


Der Quarzporphyr von Dossenheim bildet eine gewaltige, zu- 
sammenhängende Masse, welche sich nördlich Heidelberg in den 
Odenwald hineinerstreckt. Die zutage tretenden Begrenzungslinien 
umschließen eine rhombenförmige Fläche, deren Seitenlänge etwa 
5 km beträgt. Drei der Eckpunkte sind durch die Orte Schries- 
heim, Handschuhsheim und Peterstal bestimmt. Die Westseite geht 
annähernd parallel mit der Bergstraße. Etwa in der Mitte dieser 
Seite liegt das durch seine Steinindustrie bekannte Dossenheim. Die 
Nordgrenze bildet das landschaftlich reizvolle, in westöstlicher Rich- 
tung sich hinziehende Schriesheimer Tal. 

Die höchste Erhebung dieses Gebietes ist der in der Mitte ge- 
legene Weiße Stein (552 m). Er bildet den Ursprungspunkt zahl- 
reicher Taleinschnitte. Tiefeingerissen sind sie hauptsächlich nach 
den ziemlich tief gelegenen Abflußgebieten des Neckars (110 m) auf 
der Süd- und der Rheintalseite im Westen. Diese Täler und Schluchten 
zerlegen den Rand dieses Gebirgsstockes in einzelne, sargförmige 
zum Teil mit Burgruinen gekrönte Ausläufer, deren Abhänge von 
sorgfältig gepflegten Weinbergen bedeckt sind. 


Geologische Übersicht. 


Das geologische Profil an der Bergstraße nördlich von Heidel- 
berg beginnt mit Granitit, der zahlreiche porphyrische Feldspat- 
einsprenglinge enthält. Horizontal darüber lagert sich sofort das 
mittlere Rotliegende, welches nach Anpreä und Osann ' seiner Haupt- 
sache nach aus Porphyrtuffen besteht. Weit verbreitet sind in diesen 
Schichten Bänder’ von rotem Carneol, dann weißliche, steinmark- 
artige Tuffe. Nicht selten sind weißliche Tuffbreccien. Auch sand- 
steinartige, von CoHEN als Porphyrpsammite bezeichnete Gesteine, 
welche aus Porphyrbröckchen sich zusammensetzen, treten an der 


ı A. Andreä und A. Osann, Erläuterungen zu Blatt Heidelberg 1896. 


Geologische Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 
5* 


Basis des Tuffkomplexes auf. Dort begegnet man z. B. am Wenden- 
kopf jenen harten, splitterig brechenden, verkieselten Tuffen, welche 
oft Granitfragmente führen. 

Bei all diesen Tuffen ist, soweit sie sehr gleichmäßig dicht, 
tonsteinartig sind, die charakteristische Glassplitterstruktur weit ver- 
breitet, d. h. sie erweisen sich unter dem Mikroskop aus winzigen, 
drei- oder vierkantigen, und zugleich krummschalig begrenzten Bruch- 
stücken zusammengesetzt, die feinem Aschenmaterial entsprechen 
(Aschentuffe). Diese Glassplitter sind jedoch nicht mehr frisch, d. h. 
amorph glasig, sondern zeigen sehr deutliche Reaktion zwischen ge- 
kreuzten Nicols und stellen feine, mikro- bis kryptokristalline Aggre- 
gate dar. Sie befinden sich also in stark verändertem Zustand und 
gleichen darin den Aschentuffen, wie sie von H. RosenguscH u. a. 
beschrieben worden sind. 

Diese tiefgreifende Veränderung hat ihren Grund in der großen 
Reaktionsfähigkeit amorphglasiger Substanzen, besonders auch in 
dem fein verteilten Zustande der Glassplitter in den Aschentuffen. 

Die gesamte Mächtigkeit der Tuffe ist im nördlichen Teile am 
bedeutendsten; sie erreicht dort eine Höhe von 100 m, nimmt aber 
nach Westen und Osten besonders stark nach Süden zu ab, so daß 
sie im Neckartal ganz fehlen. 

Darüber folgt der Porphyr, welcher eine mächtige, zusammen- 
hängende Decke bildet. Die bedeutende Entwicklung an der Rhein- 
talseite und die nahezu geradlinige Abgrenzung parallel der großen 
Verwerfung macht es wahrscheinlich, daß ein beträchtlicher Teil 
dieser Porphyrdecke bei der Bildung des Rheintalgrabens in die Tiefe 
gesunken ist. Auch nimmt Osann an, daß die ursprüngliche Ober- 
fläche dieses Porphyrergusses durch eine längere, kräftige Denudation 
beträchtlich abgetragen worden ist. 

Kleinere Verwerfungen durchziehen da und dort das Gebiet, 
so an der Schauenburg in ostwestlicher Richtung, am Kirchberg in 
südlicher Richtung, und in ostwestlicher am Wendenkopf. 

Die Vorsprünge des Ölberg bei Schriesheim, sowie des Kirch- 
berg und Sporenberg bei Dossenheim sind Punkte, an welchen in- 
folge der vorzüglichen Eigenschaften des Gesteins durch einen in 
großartigstem Maßstabe betriebenen Abbau das ausgezeichnete 
Schottermaterial gewonnen wird. 

Das Oberrotliegende ist entweder dem Granit direkt, den Por- 
phyrtuffen oder dem Porphyr selbst aufgelagert: es erreicht am 
Zapfenberg und Steinsberg eine Mächtigkeit von 20—30 m und be- 


m man nn nm Sio ispi isar ien 


D ERBE E _— un 


— 69 — 


steht im wesentlichen aus mehr oder weniger fest zementiertem Ge- 
birgsschutt und aufgearbeitetem Porphyr, sogenannten Agglomeraten. 

Das Profil erreicht seinen Abschluß nach oben durch die mäch- 
tige Decke von Buntsandstein. Diese ist es, welche der Landschaft 
an der Bergstraße in den oberen Teilen das einförmige Gepräge 
verleiht. 


A. Die primäre Ausbildung des Quarzporphyrs von Dossen- 
heim. 


Eine ausgezeichnete Beschreibung, welche sowohl die makro- 
skopischen wie mikroskopischen Verhältnisse dieses Porphyrs be- 
leuchtet, lieferte Conen im Jahre 1871'. 1896 wurde eine Auf- 
nahme der Großherzogl. Badisch. geologischen Landesanstalt durch 
Osann und ÅAvnpREÄ ausgeführt. Diesen beiden Arbeiten sind im 
wesentlichen einige der hier folgenden, noch zur näheren Orien- 
tierung dienenden Angaben über eine gewisse äußere Ausbildung ent- 
nommen. 

Je nach der Zahl und Beschaffenheit der kristallinen Ausschei- 
dungen lassen sich zwei typische Ausbildungsformen des Porphyrs 
unterscheiden. Der eine Typus ist durch kleine, oft rundliche, in 
geringer Zahl vorhandene Einsprenglinge von Quarz und Feldspat 
charakterisiert, daher als „einsprenglingsarmer Porphyr“ bezeichnet. 
Er umfaßt weitaus den größten Teil der Porphyrdecke. Ihm gegen- 
über steht der einsprenglingsreiche Porphyr, welcher sich durch die 
größere Zahl und Ausbildung der Einsprenglinge auszeichnet. Er 
ist auf den Talabschnitt zwischen Wendenkopf und Leichtersberg 
und auf das obere Mühlental beschränkt. Der manchmal abrupte 
Wechsel dieser beiden Varietäten in Verbindung mit besonderen 
Verbandsverhältnissen, sowie das Auftreten von Fragmenten der 
einsprenglingsreichen Varietät in den Tuffen des Rotliegenden ver- 
anlaßten CouEn zu der Annahme, daß der einsprenglingsreiche Por- 
phyr einer älteren, der einsprenglingsarme einer jüngeren Eruption 
entstamme. ANDREA und Osann wiesen jedoch mit Sicherheit nach, 
daß eine örtlich besondere Lagerung der zwei Varietäten auf Ver- 
werfungen zurückzuführen sei, daß im übrigen beide Varietäten durch 
allmähliche Übergänge miteinander verbunden seien, also einem ein- 
zigen Erguß ihre Entstehung verdanken. 


1 E. Cohen, Die zur Dyas gehörigen Quarzporphyre des Odenwaldes. 
1871. — E. W. Benecke und E. Cohen, Geognostische Beschreibung der Um- 
gebung von Heidelberg. 1879—1881. 


Nähere Beschreibung des Quarzporphyrs. 


Was zunächst die Farbe des Gesteins anbelangt, so herr- 
schen graulich violette Töne entschieden vor; rötlich violette findet 
man bei Peterstal, dunkelfleischrote bis braune Farbentöne bei Dossen- 
heim und Schriesheim. Bei Behandlung mit Salzsäure verschwindet 
die dunkelbraune Färbung, während die graulich violetten Farben 
unverändert bleiben. 

Die Härte des Gesteins wechselt zwischen derjenigen von 
Quarz und Feldspat. 

In technischer Hinsicht bemerkenswert ist es, daß die Druck- 
festigkeit des Gesteins an ausgesuchtem Material 4300 kg pro 
Quadratzentimeter beträgt. 

Der Bruch ist teils glatt flachmuschelig, glasartig in den dunkel- 
violetten Schlieren der Dossenheimer Varietät, rauh flachmuschelig 
in den übrigen Arten oder eckig. 

In den ausgedehnten Porphyrbrüchen herrscht die grobsäulige 
Absonderung vor, die meist vertikal verläuft. Horizontal dünn- 
plattige Zerklüftung zeigt sich in einem verlassenen Bruch im Kreuz- 
grund bei Peterstal.e Endlich eine mehr kugelige Absonderung ist 
im Höllenbach und am Wendenkopf zu beobachten. — Hier sei noch 
der von Prof. Saromon entdeckte Asphaltgang im Schloßbruch bei 
der Schauenburg erwähnt. (Vergl. Ber. d. 42. Vers. d. Oberrh. Geol. 
Ver. Heidelberg. 1909.) 


An porphyrischen Ausscheidungen sind zu nennen: 


1. Quarz, 2. Feldspat, 
3. Glimmer, 4. Übergemengteile. 


Der Quarz. 


Er bildet graue Körner von fettglänzendem Bruch. Wohlaus- 
gebildete Kristalle sind nur unter den größeren Individuen der ein- 
sprenglingsreichen Varietät anzutreffen. Sonst sind es eckig be- 
grenzte, oft fragmentartige Körner. Die Größe schwankt zwischen 
mikroskopischen Dimensionen bis zur maximalen Größe von etwa 2 mm. 

Im Schliff ist er stets farblos. ohne eine Spur anormaler Doppel- 
brechung bezw. undulöser Auslöschung zu zeigen. Aus der Gruppe 
der mikroskopischen Einschlüsse des Quarzes bilden die Glaseinschlüsse 
den Hauptbestandteil. Sie sind bald länglich, bald rundlich, farblos 
oder undurchsichtig, in Haufen oder in Reihen angeordnet. Flüssig- 
keitseinschlüsse mit beweglicher Libelle treten nur äußerst selten ın 
Quarzen der einsprenglingsreichen Varietät auf. Poren durchziehen 


gen. WE oaa 


reihenförmig die Quarze beider Varietäten. An mikrolithischen Inter- 
positionen sind rundliche, braunopake Körnchen zu nennen, daneben 
schwach gelb gefärbte Trichite, endlich die rätselhaften, schon von 
ComeN erwähnten Büschel nadelförmiger Trichite. 

Resorptionserscheinungen, welche sich in unregelmäßiger Zer- 
lappung der Umrisse äußern, sind überall in weitgehendstem Maße 
zu beobachten. 

Was gewisse Kohäsionserscheinungen in den Quarzeinspreng- 
lingen anbelangt, so treten diese in der Form charakteristischer 
Spannungsrisse in der normalen Entwicklung auf, wie man sie be- 
sonders häufig bei den Quarzen glasreicher Vitrophyre findet. 

Der Quarz der Grundmasse entbehrt jeder äußeren Form. Es 
fehlen ihm gänzlich die chemischen Deformationen. Von den Ein- 
sprenglingsquarzen sondern sich ferner schärfstens Quarzausschei- 
dungen ab, die eng mit der Grundmasse verwoben erscheinen. Es 
fehlen diesen mit der charakteristischen Kristallform die Glasein- 
schlüsse, sie sind nicht idiomorph, auch die durch Korrosion hervor- 
gerufene Zerlappung. Oft erscheint dieser Quarz sehr grobkörnig in 
Form lentikulärer Schmitzen. CoHen schreibt darüber, „daß sie einen 
recht fremdartigen Eindruck machen“. „Ob nicht unter diesen 
Aggregaten solche von sekundärer Entstehung sind, mag dahin- 
gestellt bleiben. Nach Art des Auftretens erscheint es nicht gerade 
unwahrscheinlich.“ Daß diese Vermutung Conen’s das Richtige traf, 
wird sich weiter unten beweisen lassen. 


Der Feldspat, 


Der Feldspat ıst in der Form des sogenannten monoklinen 
Orthoklas vorhanden. Wie der Quarz als Einsprengling, so zeigt 
auch der Feldspat in den verschiedenen Abänderungen des Porphyr 
gewisse Unterschiede. 

In der einsprenglingsreichen Varietät bildet er bis 4 mm 
lange, oft gut auskristallisierte Formen, von Basis, Klinopinakoid, 
Prisma und steilem Hemidoma begrenzt. Im übrigen Teil herrscht 
weitaus die Körnerform vor. Die Größe ist auch hier schwankend. 
Der Anzahl nach steht er derjenigen des Quarzes etwas nach. Nicht 
selten bilden auch nach außen rundlich begrenzte Körner rosetten- 
artige Aggregate. 

Mit Ausnahme des prismatischen Feldspats am Ölberg, welcher 
durch seine in der Regel gelblichweiße Verwitterungsfarbe aus der 
violetten Grundmasse hervortritt und durch parallele Lage der Längs- 


achse verschiedener Individuen eine gewisse Fluidalstruktur andeutet, 
ist die Verteilung und Anordnung in den übrigen Lokalitäten ohne 
bestimmbare Regel. 

Die Farbe ist graulichweiß, oft mit glasglänzender Oberfläche. 
Gesetzmäßige Verwachsungen sind nur in der Form der Karlsbader 
Zwillinge bekannt. 

Im Mikroskop ist die Sichtbarkeit des Feldspates teils von 
seiner eigenen Pigmentierung, teils von der der umgebenden Grund- 
masse abhängig. Manchmal verläuft entlang der Grenze eine farb- 
lose Randzone. 

An Einschlüssen sind im Feldspat zu nennen: Quarz als rund- 
liche Körner oder zu Aggregaten vereinigt, selten in schriftgranitischer 
Verwachsung mit seinem Wirt, stark ausgebleichter Glimmer, kaolın- 
artige, den Spaltrichtungen folgende Einlagerungen. Opake Fäserchen 
und Körnchen winzigster Dimension beeinträchtigen die Durchsichtig- 
keit. Wasserklare Individuen sind aber noch da und dort anzu- 
treffen. 

Der Zerfall der Feldspatsubstanz setzt meist im Innern des 
Kristalls ein. Verglimmerung und Kaolinisierung sind weit 
verbreitet. Es entstehen bisweilen trübumrandete, vakuolenartige 
Räume. Das Gerüstwerk im Innern kann schließlich ganz ver- 
schwinden, so daß vom Kristall nur noch eine schmale Randzone 
übrig bleibt. Anderseits können die Hohlräume wiederum durch röt- 
lich und gelblich gefärbte Aggregate winzigster Kaolinpartikelchen 
erfüllt sein. 

In Form leisten- oder keilförmiger Kriställchen beteiligt er sich 
in ziemlicher Menge am Aufbau sphärolithischer Gebilde. Öfters 
beobachtet man auffallend frische und idiomorph begrenzte Individuen. 
Nicht selten sind an ihnen Karlsbader Zwillingsverwachsungen zu 
beobachten. Die unter gekreuzten Nicols erscheinenden kleinen, 
gelblich schimmernden Flitterchen in der Grundmasse sind wohl als 
Verwitterungsprodukte des feinverteilten Grundmassefeldspates zu 
deuten. 

Der Glimmer. 

Er tritt als Einsprengling noch mehr als Gemengteil der Grund- 
masse bedeutend in den Hintergrund. In der einsprenglingsreichen 
Varietät, in welcher der Glimmer verhältnismäßig frisch erscheint, 
bildet er Tafeln bis zu 2 mm Größe, welche sich als rechteckige 
Querschnitte im Mikroskop darstellen. Die Farbe wechselt von 
tiefbraun bis zur völligen Ausbleichung. Der stets bemerkbare Pleo- 


ER, us 


chroismus ist entsprechend wie bei den bekannten Magnesiaglimmern. 
In der einsprenglingsarmen Varietät ist er nur in einzelnen wenigen 
Individuen, dann aber stets gänzlich zersetzt, vertreten. Zirkon und 
Apatit sind die wenigen Mineralien, welche er zuweilen beherbergt. 

Bei der Verwitterung bleicht die braune Farbe aus. An den 
Rändern und den Blätterdurchgängen scheiden sich opake Braun- 
eisensteinkörner aus, die in paralleler Lagerung oft das einzige farbige 
Überbleibsel des einstmals vorhandenen Glimmers bilden. 

In Form blasser, bräunlicher Fäserchen kann er ganz lokal als 
Gemengteil der Grundmasse auftreten, spielt aber sonst in ihr keine 
namhafte Rolle. ` 

Ubergemengteile. 

1. In feinkörnigen Partien beobachtet man in seltenen Fällen 
farblose bis rötlich gefärbte, stark licht- und doppelbrechende läng- 
liche Körnchen. In günstigsten Fällen ließ sich die Begrenzung 
durch ein Prisma ‘mit Pyramide wahrnehmen. Die Auslöschung ge- 
schieht parallel der Längsachse. Diese nur mikroskopisch wahr- 
nehmbaren Kriställchen gleichen in ihrer gesamten Erscheinungsform 
und optischen Verhalten dem Zirkon. 

2. Über die Grundmasse sind häufig kleine opake Körnchen 
oder Körnchenhaufen zerstreut. Sie reflektieren das Licht mit einem 
bläulichen Metallschimmer. Nach Comen ließen sich aus dem Ge- 
steinspulver wenige Stäubchen mit dem Magneten ausziehen, was 
CoHEn auf die Vermutung führte, daß es sich hier um Magneteisen 
handelt. 

Eisenglimmer ist im einsprenglingsarmen Porphyr weit 
verbreitet. 

3. Trichitenähnliche Gebilde. Es sind gerade oder 
flachgebogene, fadenförmige Nadeln von äußerster Dünne, aber oft 
ziemlicher Länge, undurchsichtig, von brauner oder roter Farbe. 
Fast stets sind sie zu divergentstrahligen Aggregaten, aus einem 
großen opaken Flecken entspringend, vereinigt oder zu einem wirren 
Gewebe geballt. Unbekümmert um jegliche Struktur durchsetzen sie 
nicht bloß die Grundmasse, sondern ragen auch mit ihren 
Spitzen oft weit ins Innere von Quarz- und Feldspat- 
einsprenglingen hinein, wobei die Nadeln häufig unter- 
brochen erscheinen. Die Nadeln setzen sich nicht etwa am 
Korrosionsrand eines Quarzeinsprenglings an, sondern laufen aus der 
Grundmasse ohne merkliche Unterbrechung durch den Rand des 
Quarzes in sein Inneres hinein. Manche derselben lösen sich bei 


starker. Vergrößerung in winzige Körnchenreihen auf. Schon Comen 
erwähnt ausdrücklieh diese im Dossenheimer en weit ver- 
breiteten, rätselhaften Gebilde. 

Über ihre chemische Natur ließ sich nur so viel ermitteln, daß 
nach mehrtägiger Einwirkung von Salzsäure Spuren von Eisen sich 
lösten. Nach Maßgabe der Verbandsverhältnisse scheinen sie echte 
intratellurische Ausscheidungen zu sein. Da sich aber die Nadeln 
stellenweise in einzelne Körnchen zerlegen, welche vollständig die 
äußere Form der Nadeln nachahmen, so muß man annehmen, daß 
sie sich in keinem ursprünglichen Zustand befinden. 

4. Mikrolithen im Bereiche der Fluidalstruktur. 
Es sind opake, meist stäbchenförmige Gebilde von dunkelbrauner, 
seltener rot- oder gelblichbrauner Farbe. Zwischen den Stäbchen 
kann man häufig solche von komplizierterem Aufbau erkennen. Die 
Stäbchen sind geknotet oder bilden Seitenäste mit geradem oder 
gekrümmtem Verlauf. Sie erzeugen dann die Vorstellung von stern- 
oder spinnenförmigen Körperchen. Ihr Auftreten steht anscheinend 
im Zusammenhang mit den Partien starker Biegung und Stauchung 
im Verlauf der mikroskopischen Fluidalstruktur. Mit den im vor- 
hergehenden geschilderten trichitenähnlichen Gebilden decken sie 
sich nur in bezug auf Färbung. Durch ihre ausschließlich fluidale 
Anordnung, sowie durch ihre Form unterscheiden sie sich von jenen 
aufs bestimmteste. 

Die Grundmasse. 


Was nun die Ausbildung der Grundmasse zunächst ohne Rück- 
sicht auf irgendwelche genetische Beziehungen anlangt, so begegnet 
man den denkbar verschiedensten Abänderungen. 


Die Fluidalstruktur. 


Da und dort äußert sich eine teils schon makroskopisch gut 
sichtbare, teils nur mikroskopisch erkennbare Fließstruktur. Jene 
ist besonders auf das Gebiet des Höllenbach beschränkt, diese ist in 
ziemlicher Verbreitung anzutreffen. Die makroskopische Fluidal- 
struktur besteht äußerlich in einem Wechsel bläulich violetter und 
hellerer, parallel miteinander verlaufender oder auch gelegentlich 
auseinander weichender Lagen. Mikroskopisch gesellt sich hinzu ein 
bräunliches, grobflockiges Pigment, welches die Fluidalstruktur zum 
Ausdruck bringt, sowie eine abwechselnde, bald gröbere, bald feinere 
körnige Schichtung der Grundmasse. In diesem Gestein finden sich 
auch die später eingehend zu beschreibenden Lithophysen. 


u I e 


Die mikroskopische Fluidalstruktur besitzt eine weite Ver- 
breitung, zeigt aber eine seltsame Ausgestaltung. Sie wird hervor- 
gebracht durch reihenförmige Mikrolithenschwärme, welche die cha- 
rakteristischen Biegungen und Stauchungen in schöner Weise zum 
Ausdruck bringen. Plötzlich sieht man diese Fluidalstruktur ver- 
schwinden in einem trüben Pigment oder unter wenig bestäubten 
grobfleckigen Quarzaggregaten, dann wieder auftauchen, um nach 
kurzer Strecke abermals unsichtbar zu werden. In anderen Fällen 
löst sie sich in kleine, unzusammenhängende Mikrolithenschwärme 
auf, welche oft rings von farblosen Quarzkörnern umgeben sind. Es 
unterliegt keinem Zweifel, daß hier eine Zerstörung der Struktur 
Platz gegriffen hat. Darüber soll später Näheres mitgeteilt werden. 


Sphärolithische Bildungen. | 


1. Zwischen den fiuidalen Lagen der Varietät vom Höllbach 
bemerkt man im Mikroskop zahllose, radıär bestäubte, kreisförmige 
Durchschnitte. Sie erweisen sich als sphärolithische Körper, indem 
sie in den gewöhnlichen Fällen auch optisch in entsprechender Weise 
sich äußern; zwischen gekreuzten Nicols lassen sie ein vierarmiges 
Achsenkreuz erkennen und zeigen optisch negativen Charakter. 

2. Große, schon äußerlich sichtbare, braune Durchschnitte der 
Grundmasse lassen mit bloßem Auge eine radiale Struktur mit einer 
oftmals deutlich krummflächigen Abgrenzung gegen außen erkennen. 
Es sind irgendwelche sphärolithische Ausscheidungen der Grund- 
masse oder Überreste solcher. Unter dem Mikroskop und zwischen 
gekreuzten Nicols lassen sich dieselben nicht mehr wahrnehmen, sie 
zeigen sich aus kristallinen Quarzaggregaten zusammengesetzt, ohne 
eine Spur einer radialen Anordnung zu verraten (vergl. S. 95 und 
Abb. 7 Taf. VI). | 

3. Winzige, ca. 0,03 mm Durchmesser fassende Kügelchen teils 
mit, teils ohne schwarzes Kreuz sind hauptsächlich in den fluidalen 
Teilen in beträchtlicher Zahl vorhanden. An Stellen, an denen sie 
kein Kreuz zeigen, bestehen sie aus feinkristallinen Elementen, oder 
treten in die häufig verbreitete, grobkristalline Struktur der Grund- 
masse ein. 

Durch Anhäufung dieser Kügelchen zu rundlichen Massen kann 
das Gestein eine im großen kugelige Struktur annehmen. Diese 
größeren Kugeln sind etwa erbsengroß, widerstehen der Verwitterung 
etwas mehr als die übrige Gesteinsmasse. Dicht gedrängt liegen 
solche Kugeln oft in der Dossenheimer Varietät. 


ne o 


Die zentimetergroßen Kugelbildungen vom Höllenbach und 
Wendenkopf lassen gesetzmäßigen Aufbau erkennen. 

Im übrigen setzt sich die Grundmasse aus teils feinkörnigen, 
teils verhältnismäßig grobkörnigen Elementen zusammen, welche im 
buntesten Wechsel oft unbekümmert um die durch besondere Pig- 
mentierung hervortretenden sphärolithischen oder fluidalen Erschei- 
nungen sich an der Struktur der Grundmasse beteiligen. 

Von einer isotropen Zwischenklemmungsmasse, welche 
ConeEn anführt, war nirgends etwas aufzufinden, wohl aber weisen 
zahlreiche Erscheinungen darauf hin, wie im folgenden gezeigt werden 
soll, daß in diesen Quarzporphyrmassen von Dossenheim eine ur- 
sprünglich glasige Ausbildungsform sicherlich einen ganz erheblichen 
Anteil an der Zusammensetzung der Grundmasse gehabt haben muß. 


Der Erhaltungszustand des Gesteins im allgemeinen. 


Schon eine oberflächliche Untersuchung und Vergleichung lehrt, 
daß sich das Dossenheimer Gestein in einem überaus verschiedenen 
Erhaltungszustand darbietet. Zum Teil hängt die tiefgreifende Ver- 
witterung zweifellos sicher mit der weitgehenden Zerklüftung zu- 
sammen. Neubildungen auf Klüften sind weit verbreitet, so kri- 
stalline Ausscheidungen von Kieselsäure und Ausscheidungen von 
prächtigen Mangan- und Eisendendriten. Oft vollzieht sich eine 
deutliche Ausbleichung, die mit einer durchgreifenden Kaolini- 
sierung endet; oder man findet nur die Feldspäte gänzlich trübe, 
kaolinisiertt und in eine weiche, mehliche Masse umgewandelt, 
während die Hauptmasse des Gesteins, die vorherrschende Grund- 
masse sich anscheinend recht frisch darbietet, ja einen schim- 
mernden Bruch besitzen kann. Nicht selten gewahrt man auch 
einen graulichen, matt glänzenden, anscheinend sehr harten Hof 
den kaolinisierten Feldspat umgeben. Dieses geschilderte Verhalten 
ist eine wesentliche Eigenschaft der einsprenglingsarmen Varietät 
des Dossenheimer Porphyrs, die, wie schon bemerkt wurde, die ver- 
breitetste ist. 


Einen schon deutlichen Gegensatz hierzu bildet der Erhaltungs- 
zustand der einsprenglingsreichen Varietät. Die Grundmasse ist 
weniger hart, etwas porös, enthält dagegen die 3—5 mm großen 
Feldspatkristalle in einem wesentlich frischeren Erhaltungszustand, 
so daß dieselben auf den Spaltflächen noch deutlichen Glanz er- 
kennen lassen. 


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Besondere Ausbildungsformen des Porphyrs. 


Hierher gehören die sehr eigentümlichen Breccien und die 
Lithophysen. 

Die Breccien sind sehr häufig und so verschiedenartig als nur 
möglich ausgebildet. Es lassen sich unterscheiden: 


1. a) Genetisch echte, d. h. primäre Reibungsbreccien, deren 
Bildung schon in eine Zeit fällt, als der Porphyr noch wenig 
oder gar nicht verändert war; wir können diese Breccien, wie 
sich weiter unten ergeben wird, als metamorphosierte 
Glasbreccie bezeichnen. 

b) Echte porphyrische Reibungsbreccien im engeren Sinn, ge- 
bildet nach der Zeit der sekundären Felsitisierung und Ver- 
quarzung des Dossenheimer Quarzporphyrs. 

2. Pseudobreccien, deren Bildung mit der Felsitisierung des ur- 
sprünglichen Gesteins zusammenfällt und durch einen unregel- 
mäßigen, eckigen Verlauf der Umwandlungsbahnen hervor- 
gerufen ist. 

Alle diese drei Breccienbildungen sollen später behandelt werden. 


Lithophysen (vergl. Abb. 11—14 Taf. VII). 


Auf die Lithophysen wurde ich durch Herrn Prof. A. SAUER 
aufmerksam gemacht, der diese im Jahre 1898 zuerst in der Höllen- 
bachschlucht entdeckte. Ihr Vorkommen ist wesentlich auf die 
hinteren oberen Teile der Höllenbachschlucht beschränkt, sie sind 
aber auch gelegentlich an den Gehängen gegen das Rheintal zu 
finden. 

Das umgebende Gestein ist charakterisiert durch eckigen, rauhen 
Bruch, grobe fluidale Streifung und rötlich violette, in der Verwitte- 
rung schmutzig gelbe Farbe. Wo die Lithophysen verschwinden, 
ändert sich der Habitus des Gesteins wesentlich. Es. greift eine 
ausgezeichnet kokkolithische Absonderung Platz. 

Die Größe der Lithophysen, dieser eigentümlichen blasenförmigen 
Hohlräume, bewegt sich in ihrem Durchmesser zwischen Erbsen- und 
Faustgröße. 

Ihre Formen sind sehr verschiedenartig. Neben kugeligen oder 
elliptischen herrschen plattgedrückte oder Hohlräume mit konkav- 
konvexen Wänden vor. Nicht selten vereinigen sich diese Gesteins- 
blasen zu verschiedentlich gestalteten Systemen. 

An die Hauptwände setzen sich schalenförmige, uhrglasartige 
oder oft nur wulst- und kammförmige Zwischenwände an, welche 


25 JF a 


gewöhnlich in konzentrischer Stellung den Hohlraum in schmale, 
zwiebelschalige Kammern teilt (Abb. 11 Taf. VID. 

Diese Zwischenwände hängen nun aufs engste zusammen mit den 
Lagen der äußerlich sichtbaren Fluidalstruktur und gehen in diese über 


(Abb. 11 u. 12 Taf. VII). Die nur haselnußgroßen Lithophysen zeigen 
nicht immer solche typische Formen (Abb. 13 u. 14 Taf. VII). 

Die räumliche Verteilung ist entweder eine unregelmäßige, oder 
in manchen Fällen parallel lagenförmig geordnet, besonders bei den 
ziemlich großen Lithophysen, wie sich das aus beigegebener photo- 
graphischer Aufnahme ergibt, welche ich ebenfalls Herrn Prof. Sauer 
verdanke (siehe beistehende Abbildung). Stets vereinigen sich im 


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=, O N 


Handstück diejenigen Lithophysen derselben Größe; die nur erbsen- 
großen verleihen dann dem Gestein geradezu ein feinlöcheriges 
Aussehen. i 

Die Wände der Hohlräume sind niemals glatt, sondern uneben, 
rauh, in den häufigsten Fällen von verschiedenen Mineralsubstanzen 
ausgekleidet. 

Gewöhnlich besteht der Überzug aus kristallisierter Kieselsäure 
in Form zierlicher bis 4 mm großer, wohlausgebildeter Quarzsäulchen 
von wasserheller Farbe, die in den verschiedensten Stellungen drusen- 
artig die Wände auskleiden. Ihre kristallographische Begrenzung 
beschränkt sich auf die sechsseitige Säule mit den zwei ziemlich im 
Gleichgewicht entwickelten Rhomboedern. Andere Flächen konnten 
nirgends wahrgenommen werden. Nicht selten sind diese Quarz- 
säulchen wiederum von einer rötlichen oder gelblichen, mehligen 
Masse überzogen. 

In solchen von Quarz ausgekleideten Aelium begegnet man 
da und dort einem größeren, bis 2 mm erreichenden gelblichen 
Kristall. Wie zufällig scheint er zwischen den Quarzsäulchen zu 
liegen. Seine Begrenzungsflächen von Vertikalprisma und Orthodoma, 
Basis und Querfläche, sowie die Richtungen der Spaltbarkeit weisen 
mit Sicherheit auf Orthoklas. Stets sind die Spuren weitgehender 
Verwitterung an ihm zu beobachten. Ja, es scheint, daß die gelben, 
mehligen Massen in den Tiefen solcher schalenförmiger Lithophysen 
nichts anderes als verwitterte Feldspatsubstanz darstellen. Einzelne 
wenige Individuen scheinen ihre frischglänzende Oberfläche durch 
eine vom Kristall selbst vollzogene Kieselsäureausscheidung zu er- 
halten. | 

Einem orthoklastischen Feldspat gehören sehr wahrscheinlich 
auch an winzig kleine, kaum 1 mm Größe erreichende gelblichbraune 
Säulchen, die in großer Zahl oft dicht gedrängt die Wände über- 
ziehen. Nur einzelne wenige Individuen gestatteten eine kristallo- 
graphische Orientierung. Es sind anscheinend monosymmetrische von 
0P, œP, œP% und Pæ begrenzte, säulenartige Formen, welche in 
ihrem Habitus der Adularform gleichen. Es ist anzunehmen, daß 
auch diese gelblichbraunen, durch und durch zersetzten und leicht 
zu einem gelblichen Mehl zerfallenden Kriställchen einem feldspat- 
artigen Mineral angehört haben. 

Auch ist anzunehmen, daß die geschilderten drusigen Quarz- 
überzüge wie die vereinzelten Feldspate in den Lithophysen primäre 
Ausscheidungen derselben darstellen. 


=, RO 


Als ein selten erscheinendes Mineral wurden kleine, sechs- 
seitige Kriställchen beobachtet von grauer oder graugrüner Farbe. 
Dünne, sechsseitige Täfelchen in treppenförmiger Aufschichtung 
scheinen die eigentümliche Form eines solchen Kristalles zu bedingen 
Die einzelnen Täfelchen lassen sich leicht abspalten und schmelzen 
in der Lötrohrflamme am Rand zu einem bläulichgrünlichen Glase. 
Die Gesamterscheinung läßt eine pinitartige Pseudomorphose nach 
Cordierit vermuten. 

Das die Lithophysen umgebende Gestein setzt sich aus sehr 
groben, aneinanderstoßenden Quarzfeldern zusammen (vergl. S. 88), 
führt in der Nähe der Lithophysenwände reichlich fein verteilte 
glimmerige Substanz, entbehrt aber vollständig einer besonderen Wand- 
struktur. Auch die Zwischenwände der Lithophysen bestehen nur aus 
relativ grobkristalliner, wie sich später erweisen wird, sekundär um- 
gebildeter Grundmasse. Des öfteren läßt sich eine einheit- 
liche Auslöschung von einem drusig aufgewachsenen Quarz- 
säulchen mit einem benachbarten allotriomorphen Quarz- 
korn der sekundär verquarzten Grundmasse beobachten. 
Man kann darum wohl annehmen, daß der Quarzkristall, welchem zu- 
weilen die erwähnten Feldspatkriställchen aufsitzen, als primäre Aus- 
scheidung der Lithophyse bei der Umwandlung der Grundmasse in 
der Weise von orientierender Einwirkung war, daß die sich aus- 
scheidende Kieselsäure der Grundmasse in übereinstimmender Weise 
anwuchs. 

Daß die geschilderten Hohlräume zu den echten 
Lithophysen gehören, darf wohl keinem Zweifel unterliegen, 
Ja sie gehören zu den schönsten dieser Art, die je in Quarzporphyren 
beobachtet wurden (vergl. auch C. VoceL, Die Quarzporphyre von 
Groß-Umbstadt). Bekanntlich wurden die Lithophysen zuerst durch 
RicHTHorEN in ausgeprägt glasigen bis halbglasigen sauren Gesteinen 
(den Rhyolithen Ungarns) aufgefunden wurden. Nach ihm verdanken 
sie ihre Entstehung blasenartigen Auftreibungen von einem vom 
Magma abgeschiedenen Gas, wahrscheinlich Wasserdampf. K. v. HAUER 
bestätigte durch chemische Analysen, daß die Substanz der Zwischen- 
wände nicht etwa von zerstörten Sphärolithen, wie Szasó und Rotu 
annahmen, herrühren, sondern durchaus die Zusammensetzung des 
Magmas besitzen. Cross hält die in rosettenförmigen Lithophysen 
eingeschlossenen Kristalle von Topas, Granat, sowie die weiße, über- 
krustende Sanidinsubstanz, übereinstimmend mit dem Verhalten der 
Quarz- und Feldspatsäulchen in unseren Lithophysen für primär. Bei 


— 8 — 


Untersuchungen von Pseudosphärolithen gelangte Innınss zu der 
Annahme, daß die Bildung der Pseudosphärolithe mit derjenigen der 
Lithophysen als identisch zu betrachten seien. Er führt ihre Ent- 
stehung auf den im flüssigen Magma absorbierten Wasserdampf zurück. 
Zırket macht jedoch den Einwand, daß nach dieser Erklärung ge- 
kammerte Hohlräume die Regel, die kompakten Sphärolithe die Aus- 
nahme bilden müßten. Da die Blätter der echten Lithophysen aus 
körnigen, kristallinen Aggregaten hauptsächlich von Quarz und Feld- 
spat bestehen, gewinnt RosEngusch die Überzeugung, „daß die Litho- 
physen strukturell nicht direkt mit den Pseudosphärolithen iden- 
tisch sind“. 

Auch bei unseren Lithophysen fehlen oft gänzlich die sphärolith- 
artigen Aggregationen der Kammerwände. Außerdem zeigen manche 
Individuen in schöner Weise die durch das sich ausscheidende Gas 
hervorgebrachte Aufwölbung, Aufblätterung und Durchbrechung der 
fluidalen Lamellen. Diese Erscheinung dürfte sich mit der Inpınc- 
schen Erklärung nicht in Einklang bringen lassen. Im übrigen mag 
bemerkt werden, daß sich die Lithophysen nach unseren Erfahrungen 
bei den jüngeren sauren Ergußgesteinen in den zu schneller Er- 
starrung gelangten Teilen derselben vorfinden, also bis zu einem 
gewissen Grade auch charakteristisch sind für glasige und halbglasige 
Entwicklung ihrer Grundmasse. 

Schon früher hat A. Sauer an Schwarzwälder Quarzporphyren 
dieselben gekammerten, wenn auch stark verkieselten Lithophysen 
aufgefunden. Die Grundmasse erwies sich gleichwohl gänzlich frei 
von Spuren einer glasigen Basis; doch gelang der Nachweis, daß 
diese jedenfalls einstmals vorhanden war und einen beträchtlichen 
Anteil an der Zusammensetzung der Grundmasse bildete. 

Auf einen ähnlichen Zusammenhang dürften auch unsere Litho- 
physen hinweisen. Wie schon oben bemerkt und noch weiter dar- 
getan wird, führt der Dossenheimer Quarzporphyr nirgends in der 
jetzigen Ausgestaltung glasige Substanzen; aber zahlreiche Er- 
scheinungen drängen zu der Vorstellung, daß sich der 
Dossenheimer Porphyr in einem weitgehenden meta- 
morphosierten Zustand befinden und daß auch hier die 
glasige Ausbildung der Grundmasse einen erheblichen 
Anteil an deren ursprünglichem Aufbau gehabt haben muß. 

In welcher Weise sich diese Veränderungen vollzogen haben, 
soll im folgenden näher beleuchtet werden. 


Ehe wir auf die nähere mikroskopische Untersuchung dieser 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 6 


a MO ai 


Erscheinungen eingehen, mag noch die chemische Zusammen- 
setzung des Dossenheimer Quarzporphyrs, soweit sie sich 
aus den vorhandenen chemischen Analysen ergibt, erwähnt werden. 

Die folgenden Analysen sind der Arbeit von BEnEcKE und CoHEN 
entnommen: 


1 2 3 4 d 6 7 8 
Kieselsäure . . 74,55 7322 7776 7792 7539 7380 75,78 70,93 
Tonerde . . . 1356 16,33 12,08 1000 1292 11,60 12,16 16,32 
Eisenoxyd . . 0,34 1,37 1,04 — 1,71 1,90 1,77 0,65 
Eisenoxydul . 1,16 0,70 — 2,69 0,85 0,60 0,51 1,37 
Kalk... . . 0,47 0,85 0,65 0,76 0,65 1,20 0.79 0,66 
Magnesia. . . 0,38 _ 0,04 0,36 0,61 0,70 0,25 0,22 
Kali..... 6,14 5,65 7,55 5,20 5,34 7,50 6.28 9,16 
Natron. ... 245 0,84 1,30 1,13 2,06 1,40 1,16 0,37 
Wasser. ... 1,74 1,29 0,72 1,15 1,21 1,20 1,39 1,68 
Kohlensäure . — — — — — 1.60 — — 


100,79 100,25 101,14 99,21 100,74 101,50 100,09 101.36 


u 


. Kokkolithartiger Porphyr aus dem Steinbruch am Apfelskopf (analysiert 
von H. SEMPER). 

2. Porphyr vom Edelstein am Olberg (analysiert von Herrn F. G. FRICKE). 

3. Porphyr vom Hauptsteinbruch am Kirchberg. 

4 von Dossenheim (analysiert von Dr. v. TRIBOLET). 

5. Porphyreinschluß aus dem Rotliegenden von Handschuhsheim, arm an Ein- 
sprenglingen (analysiert von Herrn WEIDEL). 

6. Dasselbe, reich an Einsprenglingen (analysiert von Herrn N. Luravın). 

7. Porphyr von der Plattengrabenwiese, einsprenglingsreich (analysiert von 
Herrn Tuy. FriıTtzscHe). 

8. Einschluß aus dem Rotliegenden des Leichtersberg, einsprenglingsarm. 


Die geringen Schwankungen des Kieselsäuregehaltes betreffen 
die zwei Haupttypen des Porphyrs. Der einsprenglingsarme Porphyr 
besitzt durchschnittlich den höheren Kieselsäuregehalt; er erweist 
sich später als der am stärksten umgewandelte Teil der Ergußmasse. 
Den etwas niedrigeren Gehalt an SiO, enthält der einsprenglings- 
reiche Porphyr. Der in allen Analysen immerhin noch hohe Gehalt 
an Alkalien beweist, daß die Feldspatsubstanz bei der Umwand- 
lung des Gesteins keine große Stoffwanderung erlitten 
haben kann. Die quantitative Zusammensetzung des Stoffes unter- 
lag keiner einschneidenden Veränderung; nur die Form der Masse 
wurde durch die Umwandlung beeinflußt. 


B. Die Umwandlungserscheinungen. 


Sie äußern sich hauptsächlich in der sekundären Ausscheidung 
bezw. Neubildung von Quarz- und Feldspatsubstanz. 


83 — 


A. Ausscheidung von Kieselsäure. 


Die Ausscheidung von Kieselsäure läßt sich sowohl in Ver- 
bindung mit intratellurischen Quarzen als auch unabhängig von diesen 
in weiter Verbreitung beobachten. 


1. Verkieselungserscheinungen in Verknüpfung mit 
Quarzkristallen. 


Wo immer man Proben des Dossenheimer Porphyrs mikro- 
ekopisch untersucht, überall begegnet man bald in schwächerem, 
bald stärkerem Maße einer nachträglich stattgehabten Ausscheidung 
von Kieselsäure. 

a) Daß diese Erscheinung am schwächsten, gewissermaßen nur 
in den Anfängen entwickelt ist in der einsprenglingsreichen, weniger 
sauren Varietät, ist für das Verhalten dieses Gesteins bemerkenswert. 
Im Schliffe liegen die großen, idiomorphen Quarzeinsprenglinge in 
einer wolkigen, braun und rötlich violett gefärbten Grundmasse ein- 
gebettet. Häufig verdichtet sich das Pigment in der Nähe der Ein- 
sprenglinge und läßt um so mehr die Kontur der Kristalle hervor- 
treten. Bei gekreuzten Nicols, besonders in Hellstellung des Quarz- 
kristalls sieht man, wie sich von einigen Stellen seines Randes aus 
bandartige, lappen- oder büschelförmige Fortsätze in die schwach 
doppelbrechende Grundmasse hinein erstrecken. Die Fortsätze be- 
sitzen dieselben optischen Eigenschaften wie der Quarz und voll- 
kommen gleiche optische Orientierung. Sie geben sich also mit 
Sicherheit als Quarzsubstanz zu erkennen und machen bei ihrer 
bizarren Begrenzung und ihrem ganz unregelmäßigen Verlauf in der 
übrigens tiefgreifend veränderten Grundmasse durchaus den Eindruck 
sekundärer Ausscheidung. 

Ähnliche, aber räumlich schon umfangreicher entwickelte Quarz- 
zonen trifft man in dem einsprenglingsarmen, saureren Hauptgestein, 
wie es überall in den Aufschlüssen längs der Bergstraße zwischen 
Handschuhsheim und Schriesheim sich darbietet. 

b) Die dunkelrötlich bis braunvioletten Schlieren, welche makro- 
skopisch in bald rundlichen, bald verschieden verzweigten Partien 
adernförmig das bläulichgraue Gestein durchziehen, zeichnen sich 
durch ihren glasartig flachmuscheligen Bruch aus. Diesem Verhalten 
entspricht die äußerst feinkörnige mikrogranitartige Struktur der 
Grundmasse mit kleinen nur im Mikroskop deutlich sichtbaren Ein- 
sprenglingen von Quarz. Der Rand der Quarze ist rings umsäumt 


von breiten Zonen, welche mit dem Quarz gleichzeitig verlöschen. 
6* 


— 84 — 


Diese Zonen sind nichts anderes als Quarzsubstanz, welche einen 
etwas stärkeren Grad der sekundären Kieselsäureausscheidung als 
den cben geschilderten ausdrückt. 

c) Eine Varietät des Porphyrs von der Strahlenburg bei Schries- 
heim verrät schon äußerlich eine gewisse Parallelstruktur. Im Prä- 
parat ist dieselbe durch braune, parallel gelagerte Ausscheidungen 
von Eisenhydroxyd markiert. Die Struktur ist eigentümlich grob- 
fleckig, indem große, reich verzackte Quarzfelder aneinanderstoßen. 
Merkwürdigerweise sind diese Grundmassequarzkörner in der Rich- 
tung der Fluidalstruktur gestreckt. Dieselbe Neigung in dieser 
Richtung sich flächenartig zu entwickeln, besitzen auch die an die 
Einsprenglingsquarze sich anschließenden, sekundären Kieselsäurehöfe. 
An denjenigen Rändern der Einsprenglingsquarze, welche parallel 
zur Fluidalstruktur liegen, sind kaum Spuren solcher sekundärer 
Anwachszonen wahrzunehmen. 

d) Den höchsten Grad eines in analoger Weise verkieselten 
Gesteins stellt unzweifelhaft eine Varietät aus dem Höllenbachtal 
dar. Eine etwas eingehendere Beschreibung dürfte daher gerecht- 
fertigt erscheinen, zumal dieser Typus noch in zwei Beziehungen 
ein höheres Interesse beansprucht. Zunächst beherbergt er die zahl- 
reichen Lithophysen; dann vertritt er am besten denjenigen Typus im 
Erhaltungszustande, bei welchem tief verwitterte Feldspateinspreng- 
linge in anscheinend sehr frischer Grundmasse eingebettet liegen. 

Das Gestein zeichnet sich durch eine grobe makroskopische 
Fluidalstruktur aus. Sie kommt zustande durch abwechselnd dunk- 
lere bläulich violette Streifen und etwas hellere. Die Streifen liegen 
bald näher, bald weiter; in der Nähe der Lithophysen er- 
scheinen sie oft stark gestaucht. An verwitterten Stellen 
tritt sie mehr und mehr in den Hintergrund. Die verwitterten Feld- 
spatkristalle sind nicht selten von einer anscheinend härteren Kruste 
von Grundmasse umgeben. 

Die wenigen Glimmerplättchen sind infolge der Zersetzung 
gänzlich undurchsichtig geworden. Zwischen dem graulichen Pigment 
der Grundmasse sind sphärolithische Aggregate zerstreut. Die Struktur 
der Grundmasse setzt sich aus groben und feinen, zackig ineinander- 
greifenden Quarzkörnern zusammen, zwischen welchen oft kleine 
prismatische, auffällig frische Grundmassefeldspäte eingelagert sind. 

Eine Fläche zwischen den grobfluidalen Lamellen, deren nähere 
Beschaffenheit im folgenden dargestellt wird, ist in der Abb. 1 Taf. IV 
bei gewöhnlicher Beleuchtung wiedergegeben. Die normale Um- 


= 10H 


grenzung des (Quarzeinsprenglings tritt durch das Pigment der an- 
grenzenden Grundmasse deutlich hervor. In der Nähe liegen zwei 
sphärolithische Gebilde. Nach rechts dehnt sich eine unregelmäßig 
begrenzte Körnermasse von Quarz aus. Die Sphärolithe, deren Vor- 
handensein im gewöhnlichen Licht stets an der radialen Bestäubung 
kenntlich ist, müßten natürlich bei gekreuzten Nicols infolge ihres 
radialen Aufbaus unter normalen Verhältnissen das typische schwarze 
Kreuz liefern. Das ist aber nicht der Fall. Bringt man zwischen 
gekreuzten Nicols den Quarzkristall in die Dunkelstellung, so ist man 
einigermaßen überrascht, denn die gesamte Fläche, deren Grenze in 
der Abbildung durch die strichpunktierte Linie angedeutet ist, löscht 
gleichzeitig mit dem Quarz aus. Daß dieses ganze Feld tatsächlich 
in allen optischen Eigenschaften mit Quarz übereinstimmt, lehrt die 
nähere Untersuchung, die Übereinstimmung in Lichtbrechung und 
optischem Charakter. 

Der in der Pigmentierung angedeutete radiale Aufbau der 
Sphärolithe ist optisch nicht vorhanden. Die individuelle Struktur 
derselben ist verschwunden, ebenso ist die Substanz als solche ver- 
schwunden bis auf die erwähnte trübe, staubartige Substanz, die 
Pigmentierung. Aus diesem Verhalten folgt: 

1. In gewissen Teilen der Porphyrmasse treten Quarz- 
ausscheidungen auf, die nach ihrer gesamten Entwick- 
lung nicht für primäre Gebilde angesehen werden können. 
Diese Ausscheidungen bilden eine Imprägnation der Grundmasse. 

2. Wo diese Ausscheidungen auftreten, sind gewisse 
charakteristische Strukturgebilde der Grundmasse, näm- 
lich Sphärolithe verschwunden und in ihrer ehemaligen 
Formentwicklung nur noch durch gewisse Relikte einer 
wahrscheinlich kaolinigen Substanz angedeutet. 

Die sich sekundär ausscheidende Kieselsäure vermag größere 
Partien der Grundmasse mit einheitlicher Orientierung zu imgräg- 
nieren, wobei die in den betreffenden Teilen liegenden porphyrischen 
Quarzeinsprenglinge gleichsam als Ansatzstelle dienen. 

Diese Erscheinung der Verkieselung tritt im Dossenheimer 
Quarzporphyr nicht nur lokal, sondern in fast allgemeiner Verbrei- 
tung auf, zusammen mit vielen anderen Abarten, wie das im Ver- 
lauf unserer Darstellung gezeigt werden soll. Übrigens scheint mit 
der Verkieselung sich nicht schlechthin eine Anreicherung von Kiesel- 
säure bezw. Erhöhung des Kieselsäuregehaltes des Gesteins durch 
Zufuhr vollzogen zu haben, sondern wesentlich eine molekulare Um- 


— 86 — 


lagerung durch Umwandlung der ursprünglichen Grundmassesubstanz, 
des ursprünglichen Glases oder Mikrofelsits oder möglicherweise Ge- 
menges von (Quarz und Feldspat in ein Gemenge von Quarz und 
glimmerige bezw. tonige Restprodukte, vielleicht höchstens unter 
Fortführung eines Teiles der Alkalien. Einige vom Verf. an be- 
sonders stark verquarzten Abänderungen des Dossenheimer Quarz- 
porphyrs ausgeführten Kieselsäurebestimmungen ergaben ım Mittel 
77,50%% SiO,, d. h. eine vollkommene Übereinstimmung im SiO,- 
Gehalt mit solchen der oben angeführten Analysen, in welchen noch 
6—8°jo Alkalien angegeben werden. 

e) Die trübe, kaolinige Restsubstanz kann sich in kleineren 
oder größeren Mengen in regelmäßiger Anordnung am Rand eines 
Quarzkristalles ansammeln. Beispiele dieser Art enthält der ein- 
sprenglingsarme, stark verkieselte Porphyr am Wendenkopf. Die an 
der Peripherie des Quarzes sich ansetzenden fächer- oder rosetten- 
förmigen Gebilde kommen zustande durch Anlagerung von zahl- 
reichen winzigen Schüppchen, welche länglich, oft stäbchenförmig 
in radialer Stellung am Quarzrand angeheftet sind. Zwischen ge- 
kreuzten Nicols findet man, daß die gesamte Zwischensubstanz, in 
der die Schüppchen liegen, mit dem Quarz gleichzeitig verlöscht, 
demnach aus Quarz besteht. Charakteristisch ist für die graulichen 
Schuppen die niedrige Lichtbrechung und Doppelbrechung. Aus der 
Fähigkeit, mit Flußsäure zu gelatinieren, darf man schließen, daß 
die trübe Substanz feldspatähnlicher Zusammensetzung ist. 

Diese Erscheinung dürfte in dieser Ausbildung etwas an die 
von Rosengusch in seiner „Physiographie der massigen Gesteine“ 
S. 683 u. ff. beschriebenen „Quarzaureolen“ erinnern, die in Fel- 
sophyren eine weite Verbreitung besitzen. Ein trüber, gleichmäßig 
breiter Mantel umgibt nach Rosengusch den Quarzkristall, wobei der 
Mantel gleichzeitig mit dem Quarz hell und dunkel wird. Die Trü- 
bung wird bedingt durch Feldspat oder Mikrofelsit, welche bald ın 
geringer Menge, bald reichlicher dem Mantel in redialer Richtung 
eingelagert ist und sich bis zur Hervorbringung eines schwachen 
Interferenzkreuzes steigern kann. 

Die Ähnlichkeit der unter e) erwähnten Gebilde mit diesen 
Quarzaureolen beruht in der radialen Anordnung der trüben, grau- 
lichen Teilchen, der gleichzeitigen Aufhellung und Verdunkelung der 
Faserpartie mit dem Quarzeinsprengling. In selteneren Fällen ge- 
wahrt man auch ein schwaches, verwaschenes Kreuz. Doch um- 
geben diese Faserpartien nicht mantelartig den (Juarz, sondern nur 


ze RT 


teilweise. Auch sind die Fasern kürzer oder länger, bald dichter 
bald enger, und zumeist nach der dem Quarzeinsprengling abgewen- 
deten Seite unregelmäßig abgeschnitten. Der Anlage nach mag die 
radiale Faserung eine primäre sein, welche aus Feldspat oder Mikro- 
felsit bestanden haben muß. Doch ist sicher, daß die diese Fasern 
einbettende Quarzsubstanz sekundären Ursprungs ist und aus dem 
Zerfall der feldspatartigen oder mikrofelsitischen Fasern hervor- 
gegangen ist und mit den schon vorher beschriebenen Quarzausschei- 
dungen sich deckt. 

f) Eine etwas andere Anordnung der trüben Substanzen ist in 
Abb. 2 wiedergegeben. 

Die betreffende Gesteinsvarietät zeichnet sich vor allem durch 
seine Kugelstruktur aus. 1 cm große Kugeln liegen in einer bläu- 
lich violetten Grundmasse. An der Peripherie lockert sich die kom- 
pakte Masse der Kugeln etwas auf, so daß die ziemlich dicht neben- 
einanderliegenden Kugeln von einer etwas helleren Zone umgeben 
werden. Ein Schnitt durch diese hellere Zone läßt folgendes er- 
kennen (Abb. 2 Taf. IV): 

Die Einsprenglinge sind in geringer Zahl vorhanden. Eine 
trübe, graulich bestäubte Substanz in die blässere Grundmasse ein- 
gelagert, bildet schmale Lamellen in konzentrischer Lage. Es sind 
wohl Schnitte durch dünne Schichten in konzentrischer, schalen- 
förmiger Lagerung an der Peripherie der Kugeln. Bei starker Ver- 
größerung lösen sich die Lamellen auf in winzige stäbchenförmige, 
grauliche Elemente, welche zentripetal mit Bezug auf die Kugeln 
nebeneinanderliegen. Ganz anders gestaltet sich das Bild zwischen 
 gekreuzten Nicols. Die gesamte Fläche, in welcher die in Form von 
Lamellen sich darbietenden Querschnitte liegen, zerlegt sich in außer- 
ordentlich große, aneinanderstoßende Quarzfelder (vergl. Abb. 3 Taf. IV). 
Die dem Quarzeinsprenglinge benachbarten Teile löschen zu gleicher 
Zeit mit ihm aus. Am Verlauf der Quarzfeldergrenzen, welche die 
ganze Fläche unbekümmert um die radialfaserige Pigmentstruktur 
in beliebige Polygone zerlegt, ist am besten das Wesen intensiver, 
sekundärer Quarzausscheidungsvorgänge zu erkennen. 

Diese verschiedenen Stufen der Verquarzung entsprechen nicht 
etwa einer bestimmten Varietät unseres Quarzporphyrs. Sie veran- 
schaulichen aber einen gewissen Zusammenhang, welcher zwischen 
den Entwicklungsformen der sekundären Neubildungen an Quarzen 
und der gegenwärtigen Struktur der Grundmasse herrscht. Besteht 
z. B. die Grundmasse in einem feinkörnig mosaikartigen Gemenge 


— 88 — 


von Körnern, so zeigt sich die entsprechende Neubildung am Quarz 
als eine kleine, feingezackte Zone entwickelt. Oder setzt sich die 
Grundmasse aus langgezogenen, der Bänderung des Gesteins ent- 
sprechenden, großen, stark verzackten Körneraggregaten zusammen, 
so erscheint die am Quarzeinsprenglinge ausgeschiedene Kieselsäure 
in Form grober, verzackter, nur nach der Richtung der Bänderung 
bezw. Fluidalstruktur entwickelter Ansätze. Partien besonders starker 
Verkieselung enthalten Quarzeinsprenglinge mit rings entwickelten Neu- 
bildungen; sie setzen sich aus einem Aggregat sehr grober, aneinander- 
stoßender Quarzfelder zusammen (Abb. 3 Taf. IV). Es geht daraus 
hervor, daß die sekundäre Verkieselung der von Quarzeinsprenglingen 
benachbarten Grundmasse nur denkbar ist mit einer gleich- 
zeitigen tiefgehenden Umwandlung der gesamten übrigen 
Grundmasse. Es kann einer Grundmassenpartie in der Nachbar- 
schaft eines Quarzkristalles bei der molekularen Differenzierung keine 
andere Spaltungstendenz innewohnen als der übrigen Masse. 


2. Freie Verkieselung der Grundmasse. 


Daß die Verkieselung unabhängig von Quarzkristallen in der 
Tat als ein dem geschilderten Prozeß adäquater Vorgang nach- 
gewiesen werden kann, soll in zwei Beispielen zur Darstellung ge- 
bracht werden. 

Die freie Verkieselung findet sich besonders typisch entwickelt 
in dem lithophysenführenden Gestein vom Höllenbach und in einer 
Varietät vom Kreuzgrund, ist aber im übrigen auch sonst weit 
verbreitet. 

Abb. 4 Taf. IV stellt einen Schnitt durch eine solche Partie des _ 
Höllenbachgesteins dar, in welcher zahlreiche der früher genannten, 
schon äußerlich sichtbaren Fluidallamellen entwickelt sind. 

Von den wenigen Einsprenglingen sind die Quarze klein und 
rundlich, die Feldspate in der charakteristischen, skelettartigen Ver- 
witterungsform vorhanden. Opake Ausscheidungen von Brauneisen- 
stein, zum Teil von verwittertem Glimmer herrührend, sind überall 
verbreitet. 

Der größte Teil der Fläche ist von einem Pigment brauner, 
flockiger Körnchen überdeckt, welches an einigen Stellen sehr dicht 
und linear angehäuft, gewissermaßen das Gerippe der Fluidallamellen 
darstellt. Die Grenze des Pigments nimmt hauptsächlich gegen die 
Fluidalstreifen und Einsprenglinge von (Juarz äußerst scharfe Kon- 
turen an. Zu beiden Seiten der die Fluidalstruktur anzeigenden 


— 89 — 


Pigmentstreifung folgt derselben in ziemlich regelmäßigem und breitem 
Abstand ein von dem flockigen Pigment freier Raum, von dem in 
höchst eigenartiger Weise kreisförmige oder elliptische, pigmentfreie 
Ausstülpungen in den pigmentierten Teil hineinragen oder auch gänz- 
lich von dem Pigment umschlossen sein können. Ebenso sind alle 
Quarzeinsprenglinge von einem gleichmäßigen, breiten Hof vom Pig- 
ment getrennt. 

Über die gesamte Fläche, mit Ausnahme der Quarzdurchschnitte, 
die wasserhell sind, legt sich noch ein hauchdünner Schleier eines 
blassen Pigmentes. Dieses enthält bei starker Vergrößerung wenige 
opake Trichite parallel zu den Fluidallamellen angeordnet. 

Die durch das kräftige Pigment bewirkte Fluidalstreifung bleibt 
auch zwischen gekreuzten Nicols erkennbar. 

Der grob pigmentierte Teil enthüllt sich als ein gleichmäßig 
kryptokristallines Gefüge, überstreut mit Flitterchen kaolin- oder 
glimmerartiger Substanz. Die scharf sich abhebenden pigmentarmen 
Partien zeigen Doppelbrechung und optischen Charakter von Quarz, 
der in größeren, länglichen oder runden Feldern sich abgrenzt. Diese 
stellen einheitliche nicht kristallographisch begrenzte Quarzindividuen 
dar. Es sind ähnliche unregelmäßig begrenzte Quarzflecken, wie sie 
oben bei den Neubildungen an Quarzeinsprenglingen beschrieben 
wurden. Ebenso herrschen in den vollkommen pigmentfreien Säumen 
zu beiden Seiten der Lamellen Quarzfelder vor, die kleiner oder 
größer, bald enger bald weiter stehen, aber nicht über die Fluidal- 
lage hinaus in eine benachbarte übergreifen. Die Quarzsubstanz ist 
hier wohl anscheinend an die Stelle der in ursprünglichem Zustand 
der Grundmasse senkrecht zur Richtung der fluidalen Lamellen an- 
geordneten, sphärolithisch faserig entwickelten Feldspat- oder Mikro- 
felsitsubstanz getreten. 

Es mag noch besonders betont werden, daß die trübe Substanz 
nur eine Art Relikt darstellt, den schleierartigen Rest einer ehedem 
wohl viel kräftiger ausgebildeten Struktur, welche ganz zweifellos . 
jener besonders bei Lipariten ungemein charakteristisch entwickelten, 
primären Struktur entspricht und als eine lagenförmig sphärolithische 
zu bezeichnen ist, bei welcher die Sphärolithausscheidungen streng 
zwischen die Fluidallagen eingeschaltet und durch sie abgegrenzt er- 
scheinen. 

Die großen Höfe um die Quarzeinsprenglinge sind nichts an- 
deres als außerordentlich groß entwickelte Verkieselungszonen. 

Wir haben demnach hier einen Verkieselungsprozeß 


— 90 — 


vor uns, welcher der Fluidalstruktur folgt und dergestalt 
sich äußert, daß die ausgeschiedene Quarzsubstanz mit 
gleicher Orientierung nicht quer durch die Fluidalstruk tur 
hindurchgeht. 

Ein anderer Fall, wobei mit der Verkieselung die Fluidalstruktur 
durchbrochen und vernichtet wird, soll später angeführt werden. 

Es sei noch auf die farblosen, aus Quarz bestehenden kreis- 
förmigen Durchschnitte hingewiesen. Möglicherweise stellen sie voll- 
kommen vernichtete und verquarzte Sphärolithe dar. 

Eine ähnliche Verkieselungserscheinung beobachtet man in den 
Felsitkugeln des Porphyrs von der Korbitzer Schanze. Die meta- 
morphe Entstehung ist von A. Sauer seinerzeit nachgewiesen worden. 

In der Varietät vom Kreuzgrund an der Südostecke des Por- 
phyrgebiets geht die Verkieselung der Grundmasse in anderer Weise 
vor sich. Das Gestein beansprucht schon infolge seiner ausgezeich- 
neten fluidalen Streckung und seiner dünnplattigen Absonderung er- 
höhtes Interesse. Diese Erscheinung, die zu den selteneren Aus- 
bildungsformen des Dossenheimer Porphyrs gehört, ist jedenfalls der 
Ausdruck einer typischen Fluidalstruktur. Dies bestätigt die mikro- 
skopische Untersuchung (Abb. 5 Taf. V). In einem ziemlich homo- 
genen Pigment sind Quarzeinsprenglinge, dicht bestäubte Feldspate, 
wenig Glimmer, stets nur noch an einem opaken Gerippe von Eisen- 
hydroxyd kenntlich, eingeschlossen. 

Das rötlich graue Pigment bietet sich in band- oder schlauch- 
förmigen Lamellen dar, welche in mannigfaltigen Windungen, Stau- 
chungen, Verzweigungen und Unterbrechungen einer gleichen Rich- 
tung zustreben. Die zwischen den Bändern liegende Substanz ist 
farblos und bildet ebenfalls langgestreckte, diesen pigmentierten Win- 
dungen folgende Gebilde. Die farblose Substanz erweist sich aus- 
schließlich aus kristallisierter Kieselsäure bestehend, während die 
pigmentierten Fluidalbänder sich aus fein- und grobkörnigen Aggre- 
gaten, an welchen Feldspatsubstanz einen beträchtlichen Anteil 
nimmt, zusammensetzen. Aus der Anordnung der Bänder geht her- 
vor, daß es sich hier um eine ausgesprochene Fluidalstruktur handelt. 
Möglicherweise verwandelten sich die ursprünglichen Mikrolithen 
der Fluidalstruktur in jene bestäubten Lamellen. Die sekundäre 
Kieselsäureimprägnation, welche der Fluidalstreifung folgte, ist wohl 
mit als die Ursache der dünnplattigen Absonderung zu betrachten. 

Zum Schluß sei noch die häufig wiederkehrende Erscheinung 
erwähnt, nach welcher sich die Grundmasse in ein selır grobes allo- 


— 91 — 


triomorphkörniges Gefüge zerlegt, ähnlich wie es in Abschn. f S. 87 
angedeutet ist, während sie gleichzeitig eine andere durch ein Pigment 
ausgedrückte Struktur konserviert zeigt. Die Körner bestehen aus 
Quarz. Sie bilden in ihrer regellosen Begrenzung gleichsam das 
Substrat, den Untergrund. Sie bedingen wiederum eine Struktur, 
welche als eine für die primäre Struktur der Quarzporphyre oder 
überhaupt der Ergußgesteine völlig fremdartige Ausbildung sich er- 
weist. Die in diesen Quarzkörnern verteilte trübe Substanz, welche 
infolge ihrer niederen Lichtbrechung wohl als mehr oder weniger 
verwitterte Feldspatsubstanz zu betrachten ist, verleiht dem Quarz- 
korn ein scheinbar granophyrartiges Gepräge. Die trüben Substanzen 
sind unregelmäßig begrenzt oder oft ganz verschwommen. 


B. Neubildung von Feldspatsubstanz. 


Hält man die Umrisse, welche ein Orthoklasdurchschnitt im 
gewöhnlichen Licht unter dem Mikroskop darbietet, fest und dreht 
zwischen gekreuzten Nicols den Kristall in die Dunkelstellung, so 
beobachtet man nicht selten, daß die gleichzeitig auslöschende 
Fläche sich mit dem Feldspatumriß im gewöhnlichen Licht nicht 
deckt, sondern einen größeren Flächenraum einnimmt. Man erkennt 
aus diesem Verhalten eine Anwachszone um den ursprünglich scharf 
kristallographisch begrenzten Kristall, welche gegen die Grundmasse 
mit unregelmäßigem, zackigem Verlauf begrenzt ist und zweifellos 
einen sekundären Substanzzuwachs und ein Analogon be- 
deutet zu den mit Quarzneubildungen versehenen por- 
phyrischen Quarzen. 

Die Verbreitung dieser Feldspatneubildungen ist ganz auf die 
einsprenglingsarme Varietät, im besonderen auf die stark verkieselten 
Partien beschränkt. Man begegnet diesen Erscheinungen in den 
Höllenbacher und Dossenheimer Gesteinen, also in den durch die Ver- 
kieselung am intensivsten metamorphosierten Abänderungen. 

Die Neubildung von Feldspat ist hier also an diejenige Varietät 
des Dossenheimer (Quarzporphyrs gebunden, welche auch sonst die 
intensivste Quarzneubildung, die umfangreichere Verkieselung er- 
kennen läßt. Es ist das die quarzarme Varietät. Mit bezug auf 
die regionale Verbreitung beider Varietäten der einsprenglingsreichen 
und einsprenglingsarmen wissen wir aus den Darstellungen von 
Osann (vergl. Erläuterungen zu Blatt Heidelberg der Spezialkarte 
des Großherzogtums Baden), daß die erstere gewissermaßen der 
Stielregion angehört, jene ausschließlich die Decke bildet. Wir 


schließen daraus, daß in der Deckenregion die glasige und halb- 
glasige Ausbildung der Grundmasse mehr zur Entwicklung gelangte 
als in der einsprenglingsreichen Varietät der Stielregion und dem- 
nach auch in jener die Disposition zu sekundärer Umwandlung mehr 
vorhanden war als in dieser. Es erklärt sich so auch das merkwürdige 
Verhalten der zwei Haupttypen des Dossenheimer Quarzporphyrs 
gegenüber dem Erhaltungszustand. Infolge des etwas höheren Kiesel- 
säuregehaltes ist der einsprenglingsarme Typus der relativ stärker 
verkieselte, daher der frischer erscheinende, während er in Wirklich- 
keit den weiter fortgeschrittenen Umwandlungszustand repräsentiert. 
Die einsprenglingsreiche Varietät mit dem niedrigeren Kieselsäure- 
gehalt ist weniger stark umgewandelt, stellt daher einen mehr ur- 
sprünglicheren Zustand dar, welcher sich in dem porösen, scheinbar 
erdigen Gestein der Plattengrabwiese äußert. 


Primäre Strukturen und deren Umwandlung. 


Obwohl die Grundmasse des Dossenheimer Quarzporphyrs tief- 
greifende Umwandlungen erfahren hat, wie sie in ähnlicher Weise 
anderwärts wohl kaum auftreten dürften, so sind doch die ursprüng- 
lichen Strukturmerkmale, wie sich z. T. an den vorhergehenden Fest- 
stellungen ergeben hat, nicht vollständig verwischt worden und es 
dürfte in erster Linie von Interesse sein, gerade diese Relikte zu- 
nächst festzustellen und kennen zu lernen, weil es dann erst möglich 
sein wird, zu einer vollen Würdigung der sekundären Umwandlungen 
zu gelangen. 

Zu diesen Strukturen gehören 
. die sphärolithischen Bildungen; 

. die mehr oder weniger ausgeprägte Fluidalstruktur; 
. die Kontraktionsrisse ; 
. die Breccien. 


Fa U DV ma 


1. Sphärolithische Bildungen. 


Es gelang, verschiedene Typen zu unterscheiden. Der erste 
kann bezeichnet werden als der Typus der 


a) Feldspatsphärokristalle 
(siehe Taf. IV Abb. 1, 2 u. 3 rechts oben). 

Sie sind überall in der Grundmasse ziemlich weit verbreitet, 
stets in großer Zahl, besonders reichlich in den Zwischenräumen 
der Fluidallamellen des Höllenbachgesteins, sowie in Gesteinen am 
Wendenkopf. 


— 93 — 


Die Größe der Kugeln ist nicht gerade sehr schwankend; im 
allgemeinen erreichen diese Sphärolithe den Durchmesser von 0,2 mm. 
An Stellen, wo sich die fluidalen Streifen verengen, werden sie ent- 
sprechend kleiner. 

Ein äußerst feines, bräunlichgraues Pigment scheint die radiale 
Zeichnung hervorzubringen, während die Substanz selbst farblos er- 
scheint. Diese Bestäubung wird oft nach der Peripherie hin dichter, 
wodurch die äußere Begrenzung gegen anstoßende wasserhelle 
Quarzpartien oder die blässere übrige Grundmasse scharf hervortritt. 

Die Durchschnitte der Sphärolithe sind in der Regel kreisrund, 
solange sie sich nieht bei sehr enger Lagerung an freier Formausbildung 
hinderten, oder elliptisch, seltener wurmförmig gestaltet. Gewöhnlich 
läßt der Rand der Sphärolithe erkennen, daß nicht feine Fasern, 
sondern rechteckig begrenzte, schmale Leistchen unregelmäßig vor- 
springend oder sich verkürzend die Pseudosphärolithe aufbauen. Bei 
gewöhnlicher Ausbildung stoßen diese Elemente in einem weniger 
pigmentierten Mittelpunkt zusammen. Die optischen Merkmale sind: 
niedere Interferenzfarben und eine Lichtbrechung ähnlich derjenigen 
von ÖOrthoklas. Der radiale Bau verrät sich in einem ziemlich deut- 
lichen vierarmigen, stehenden Achsenkreuz von optisch negativem 
Charakter. 

Der Erhaltungszustand dieser Sphärokristalle ist ein sehr ver- 
schiedenartiger. Er liefert uns einen gewissen Aufschluß über ihre 
Substanz. Zunächst muß es auffallen, daß diese Sphärolithe in ihrer 
zentralen Partie mehr oder weniger verändert sind, man findet reich- 
lich glimmerige Substanzen und dann auch Quarz. Die ersteren 
lassen sich an ihrer lebhaften Doppelbrechung und Aggregatpolari- 
sation erkennen und stimmen ganz mit den glimmerigen Neubildungs- 
produkten überein, die man sonst auch in Feldspäten weit verbreitet 
vorfindet, und auch in den stark veränderten Feldspaten unseres 
Porphyrs nicht vermißt. 

Einen großen Anteil an der Ausfüllung der zersetzten Zentral- 
partie nimmt der Quarz ein. In diesem Falle stellt der wasserhelle 
Quarzkern ein einheitliches Individuum dar und von ihm aus zwängen 
sich Quarzfortsätze zwischen die Radıalfasern, stets aber in der 
Weise, daß ihre sekundäre Entstehung an dem Zusammenhang mit 
dem zentral gelegenen Quarzkern deutlich zu erkennen ist, man also 
nicht auf den Gedanken kommen kann, daß diese Quarzfasern wie 
die Feldspate zu den primären Ausscheidungen gehören. Indem aber 
die Quarzsubstanz und die glimmerigen Partien überhand nehmen, 


— 94 — 


wird der ursprüngliche Feldspatsphärolith allmählich aufgezehrt und 
verquarzt schließlich ganz. Diese Veränderung kann man auch recht 
gut zwischen gekreuzten Nicols verfolgen. Das schwarze Kreuz des 
Sphärokristalls verschwindet mit der von innen nach außen fort- 
schreitenden Verquarzung. Im letzten Stadium bildet der ganze 
Durchschnitt des ursprünglichen Sphärolithkristalles den Anblick einer 
optisch einheitlichen Quarzsubstanz, wenn schon der ehemalige 
Sphärolith in ihr noch angedeutet ist durch eigenartige, radialstreifige 
Anordnung eines trüben Pigmentes. Im übrigen decken sich solche 
Verquarzungsfelder nach ihrer optischen Abgrenzung nicht mit den 
Sphärokristallen. Die Verquarzung findet sich auch in der näheren 
und weiteren Umgebung der Sphärolithe und stellt gleichsam 
ein im mikroskopischen Sinne verhältnismäßig grob- 
kristallines, alles durchdringendes Cement dar, dessen 
kristalline Kornstruktur ganz unabhängig von der Ab- 
grenzung der Sphärolithe verläuft (vergl. Abb. 6 Taf. V). 

In diesem Zusammenhang dürften auch gelegentliche Überreste 
von Sphärokristallen gedeutet werden, die man da und dort findet, 
zuweilen inmitten einer mikrogranitähnlichen Grundmasse, in welcher 
sekundär ausgeschiedener Quarz eine erhebliche Rolle spielt. 

Die Pigmentierung dieser Sphärolithsubstanz im unveränderten 
Zustand, die rechteckige Begrenzung der Teilindividuen, die Licht- 
und Doppelbrechung und die Umwandlung in Kaolin bezw. Glimmer, 
diese Merkmale weisen insgesamt auf Feldspat als die zusammen- 
setzende Substanz hin. 

Das spezifische Gewicht konnte zufällig ermittelt werden, in- 
dem in dem Gesteinspulver, welches zur Untersuchung von Feldspat 
hergestellt wurde mit Hilfe von Bromoform, eingestellt auf das spezi- 
fische Gewicht von 2,56, radialstrahlige Bruchstückchen heraus- 
gesaigert wurden, die nach Faserstruktur, schwarzem Kreuz und 
optischem Charakter sich als Teile solcher Feldspatsphärokristalle 
zu erkennen gaben. 

Schließlich wurde durch Ätzversuche mit Flußsäure und darauf 
vorgenommener Tinktion mit Baumwollblau festgestellt, daß die un- 
veränderten Sphärolithe im frischen Zustand in ganz entsprechender 
Weise tinktionsfähig sich erwiesen wie Orthoklas im Gegensatz zu 
der völlig negativ sich verhaltenden Quarzsubstanz. Auch aus diesem 
Verhalten dürfte hervorgehen, daß in den geschilderten Gebilden 
Feldspatsphärolithe vorliegen. 

Sie decken sich in allen Eigenschaften mit den in der „Physio- 


s OB: a 


graphie der massigen Gesteine“ von H. Rosexsusca beschriebenen 
Formen, deren Vorkommen sich auf die ungarischen Liparite und 
die Obsidiane von Ponza zu beschränken scheinen. In großer Zahl 
treten sie auch im Liparit von der Obsidian Cliff auf, wobei aller- 
dings die Sphärolithe primäre Quarzfasern nach Ippınas enthalten 
sollen, welche auffallenderweise, wie RosEnguscH bemerkt, den optisch 
negativen Charakter des Sphärolithes nicht beeinflussen sollen. Alle 
diese Gesteine führen reichlich Glas in der Grundmasse. 


b) Mikrofelsitsphärolithe. 
(Abb. 7 Taf. VI.) 

Eine andere, schon makroskopisch erkennbare Sphärolithbildung 
in guter Ausgestaltung wurde hauptsächlich ın einer Varietät des 
am Fuß der Schauenburg gelegenen Porphyrbruches von Dossenheim 
aufgefunden. Das Gestein gleicht äußerlich der bekannten Varietät 
des Dossenheimer Porphyrs. Die Farbe ist rötlich violett. Nur un- 
deutlich gewahrt man etwa 1—2 mm große, rundliche oder elliptische, 
rotbraune Durchschnitte, welche an verwitterten Stellen des Gesteins 
deutlicher hervortreten und dann Spuren radialer Faserung beobachten 
lassen. 

Diese Kügelchen stellen sich im Mikroskop als kreisförmige, 
seltener längliche Durchschnitte dar. Quarz- oder Feldspateinspreng- 
linge, im Mittelpunkt derselben gelegen, können die Form ziemlich 
beeinflussen. In allen Fällen aber verläuft ihre Kontur in schön 
geschwungener Linie. Die größte Zahl der Kugeln sind von einem 
satt rotbraunen Pigment, von sekundärem Eisenhydroxyd, gefärbt, 
wodurch die Schärfe der Umrisse wesentlich gesteigert wird. 

Eine schmale, nahezu wasserhelle Randzone umgibt in großer 
Regelmäßigkeit die braunen kugeligen Massen. Die Verteilung des 
braunen ‚Farbstoffes ist für die Kugeln nicht von Bedeutung, doch 
begünstigt er, wie hier zum voraus bemerkt werden soll, die Sicht- 
barkeit von Kontraktionsrissen um (Quarzeinsprenglinge (Abb. 7). 

Hier gewahrt man Gebilde derselben Natur in unregelmäßigeren 
Umrissen teils als braune wolkenartige Massen, teils als lappig zer- 
teilte Schlieren, stets von einer deutlichen Auidalen Streckung be- 
herrscht. Diese zeigen zugleich einen gewissen engen Zusammen- 
hang mit der Fluidalstruktur, auch wo sie, wie später gezeigt werden 
kann, schon längst verschwunden ist. Beachtenswert sind die wenigen 
opaken Trichite, welche die braunen Kugeln beherbergen. Sie drücken 
in ihrer Anordnung eine Fluidalrichtung aus, die sich auch auf die 


— 96 — 


Anreihung der braunen Kugeln erstreckt und makroskopisch zum 
Ausdruck gelangt. 

Die Struktur der Kugeln läßt zwei Abschnitte erkennen, einen 
großen Kern und eine schmale äußere Randzone. Der Kern besteht, 
soweit die nahezu gänzlich undurchsichtige, braune Pigmentierung 
eine nähere Untersuchung zuläßt, zurzeit aus grobkristallinen Aggre- 
gationen von Quarz. Dagegen finden sich von der schon makro- 
skopisch sichtbaren Radialstruktur mikroskopisch nur dürftige Spuren. 
Man gewinnt den Eindruck, als wenn diese kugeligen komplexen 
Gebilde ursprünglich eine feine radialfaserige Struktur besessen haben 
möchten; dafür sprechen auch schon ihre charakteristischen äußeren 
Umrisse. 

Bemerkenswerterweise setzt das Pflaster der grobkörnigen Ver- 
kieselungsmasse ziemlich scharf an den äußeren Konturen der kuge- 
ligen Aggregate, ab oder es schiebt sich vielmehr noch die erwähnte 
schmale, farblose Randzone dazwischen. Die Lichtbrechung der 
Substanz dieser Randzone entspricht etwa derjenigen von Quarz. 
Der optische Charakter der Fasern ist negativ. Es ist nicht wahr- 
scheinlich, daß diese Randzone etwas primäres, trotz ihrem faserigen 
Aufbau, angesichts der völligen Veränderung des Kerns wie der be- 
nachbarten Grundmasse darstellt. Die feinfaserige Beschaffenheit, 
Lichtbrechung und der optisch negative Charakter der Randzone 
lassen vermuten, daß es sich um Chalcedon handelt. 

Zum Vergleich sei bemerkt, daß der Liparit vom Gibbon Canon 
in seiner Grundmasse neben oft kreisrunden Sphärolithen, große, 
trübe, schlierige Massen echter mikrofelsitischer Struktur enthält. 
Sie machen den Eindruck von verschwommenen, durch die Fließ- 
bewegung des Magmas in ihrer Entstehung gehinderten, sphäro- 
lithischen Ausscheidungen und erinnern so in ihrer äußeren Be- 
grenzung bis zu einem gewissen Grad an diese schlierigen, braunen 
Massen des Quarzporphyrs von Dossenheim. 


c) Mikrofelsitkügelchen. 

In eigenartiger Weise beteiligen sich am Aufbau der Grund- 
masse, insbesondere an fluidalen Partien winzige kugelige Körperchen, 
welche in ihrer besterhaltenen Form im Durchschnitt als kreisrunde, 
verschieden pigmentierte, schwach lichtbrechende Gebilde sich dar- 
bieten. Aus der Größe, welche ca. 0,03 mm Durchmesser erreichen 
kann, geht hervor, daß es sich um äußerst winzige Kügelchen 
handelt. In seltenen Fällen zeigt sich eine äußerst feine, radiale 


=, U 


Streifung. Gewöhnlich liegen opake Körnchen im Mittelpunkt an- 
gesammelt. Die Kügelchen lassen bisweilen noch ein zierliches 
sphärolithisches Interferenzkreuz erkennen, welches negativen Cha- 
rakter besitzt. Sie treten stets in großer Masse bald mit Fluidal- 
strukturen (Abb. 6 Taf. V), bald zu kugeligen Aggregaten zusammen- 
geballt auf (Abb. 8 Taf. V). Wohl die meisten dieser Mikrofelsit- 
kügelchen machen sich nur durch eine von der übrigen Grundmasse 
abweichende Bestäubung bemerkbar. Auch sie werden von den quarzi- 
tischen Neubildungsprodukten aufgezehrt. Gerade ihr charakteristisches 
Verbandsverhältnis mit bezug auf diese letzteren beweist, daß sie vor 
der Verquarzung vorhanden waren, erst nachher der Verkieselung an- 
heimfielen und nur in bruchstückartigen Überresten sich erhielten. 
Hauptsächlich beteiligen diese Sphärolithe sich am Aufbau großer kuge- 
liger Gebilde, von denen ein Querschnitt in Abb. 8 angegeben ist. 

Diese Gesteinsart scheint in den Porphyrbrüchen Dossenheims 
eine ziemlich weite Verbreitung zu besitzen. In stark angewittertem 
Zustand verrät sich diese Varietät durch ein punktiertes Aussehen. 
In der Härte gleicht sie den übrigen Gesteinsarten. Die Grundfarbe 
des frischeren Gesteins ist violett; in ihr erscheinen rötlich violette 
1/2 cm große, runde Durchschnitte, fast dicht aneinanderliegend. 
Bei weitgehender Verwitterung kann dieses Gestein zuletzt einen 
tonsteinähnlichen Charakter annehmen, ın welchem die Kugeln nur 
noch in Form dunkler Ringsysteme in der schmutzigweißen Masse 
hervortreten. 

Wie aus Abb. 8 ersichtlich ist, zeigt das mikroskopische Bild 
einen ziemlich komplizierten Aufbau. Als einsprenglingsarme Varietät 
sind die Einsprenglinge an Zahl gering, der Quarz klein, ab und 
zu mit rundlich entwickelten Neubildungen von Kieselsäure, die 
Orthoklase teils frisch, teils verwittert. 

Die kreisrunde Fläche in der Mitte der Abb. 8 stellt einen 
Durchschnitt durch eine solche größere Kugel dar. In ihrer Mitte 
liegt nicht selten ein Kristall von Quarz und Feldspat, oder ein be- 
sonderes sphärisches Gebilde. Von dort aus verbreitet sich in roh 
radialer Richtung ein blaßrötliches, bald bräunliches Pigment in der 
Weise von sich verzweigenden und vielfach gewundenen Perlschnur- 
reihen, deren rundliche Einzelglieder einen bräunlichen Rand vom 
Durchmesser unserer Mikrofelsitkügelchen besitzen. Diese Kugel- 
reihen endigen im Querschnitt etwa auf einer Kreislinie. Je mehr 
sie sich diesem Rand nähern, desto blasser wird das Pigment. Ge- 


wöhnlich zieht sich an der Peripherie des Kugelkomplexes ein fast 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. T 


— 98g — 


undurchsichtiges rotbraunes Pigment von Eisenhydroxyd in der Weise 
hin, daß die Teilkügelchen stets davon frei bleiben. Dieselben be- 
sitzen in dieser Randpartie einen trüberen Kern mit einem wasser- 
klaren Hof, welcher die Kügelchen scharf hervortreten läßt. Das 
braune Pigment legt sich hauptsächlich in die Zwischenräume der 
perlschnurartig angeordneten Kugelreihen und verliert sich nach dem 
Innern der großen Kugeln. Es scheint eine fluidale Strömung zu 
verdecken. Dagegen gewahrt man an lichteren Stellen, sowie am 
Rand zahlreiche opake, fluidal angeordnete Mikrolithen, welche auch 
in den kleinen Kügelchen bisweilen erscheinen. 

Zwischen gekreuzten Nicols geben die Reihen der Kügelchen 
sich zu erkennen als kryptokristalline, kaum sich aufhellende Aggre- 
gate. In den Zwischenräumen derselben breiten sich gröbere Ele- 
mente aus, zuweilen mit größeren sekundären Quarzfetzen durch- 
zogen. 

Der dunkelbraune Farbstoff ist nahezu undurchsichtig. Die 
von ihm umschlossenen Kügelchen zeigen ein merkwürdiges Ver- 
halten, indem der farblose Hof, die Peripherie dieser Kügelchen, ein 
zierliches vierarmiges, negatives Interferenzkreuz bilden. 

Es ist undenkbar, die so frisch erscheinenden Kügelchen in der 
veränderten Grundmasse als primäre Ausscheidungen zu betrachten. 
Ihrer Anlage nach sind sie wohl primär, da sie fluidale Mikrolithen 
einschließen. Das, was man jetzt vor sich hat, sind Nachbildungen 
aus einer Substanz, welche nach Art. der Lichtbrechung und Struktur, 
sowie dem negativen Charakter Chalcedon sein dürfte. Damit wird 
auch die größere Widerstandsfähigkeit der großen Kugeln, welche 
sich durch die dunkle Farbe zu erkennen gibt. übereinstimmen. Sie 
stellen die stärker verkieselten Elemente des Gesteins dar. Den- 
selben reihenweise angeordneten Kügelchen begegnet man in ziemlich 
häufiger Zahl in dem Dobritzer Pechstein, wo sie sich zwischen die 
Fluidallamellen einschalten. 


d) Andere sphärische Gebilde. 
(Taf. V, Abb. 8 Mitte unten.) 


Das äußerst abwechslungsreiche mikroskopische Bild dieses 
Gesteins ist mit der vorhin gegebenen Schilderung bei weitem noch 
nicht erschöpft. In den Zwischenräumen der großen Kugelkomplexe 
beobachtet man dunkle, elliptische oder rundliche Durchschnitte. Sie 
treten nur infolge eines verschieden gefärbten Pigments, das aus 
winzigen, rundlichen Körnchen besteht, hervor. Ein blasser, bräun- 


— 99 — 


licher Schleier überzieht zunächst gleichmäßig die betreffende Fläche. 
Darüber breitet sich vom Mittelpunkt ausgehend das fast undurch- 
sichtige, rotbraune oder violette Pigment in eigentümlicher Form 
aus. Von der Mitte aus gehen schmale, meist etwas gewundene, 
keulenförmig gestaltete Körper, nach außen sich verdickend; nicht 
selten ist rotes Pigment in der ähnlichen Weise um den Mittelpunkt 
angesammelt, während das violette den äußeren Teil bildet. Von 
eigentlicher Radialfaserung ist keine Spur vorhanden. Diese Gebilde 
können sich verzweigen oder weiter entfernt von der Mitte wieder 
verschmelzen. Sie schließen sich in der Regel zu einem im Durch- 
schnitt kreis- oder ellipsenartigen Gebilde zusammen. 

Vereinzelt durchziehen opake, braune Mikrolithen in fluidaler 
Lagerung das Gebilde. 

Der pigmentierte Teil der sphärischen Gebilde ist auch hier 
von der übrigen Grundmasse durch einen bald breiten, bald schmalen 
farblosen Hof geschieden. Bemerkenswert ist, daß dieser farblose 
Saum Fluidalmikrolithen beherbergt, welche aber nicht einer Fluidal- 
struktur folgen, sondern in gewissem Abstand die lappenförmigen 
Ausläufer umfließen. Was die Struktur anbelangt, so bestehen die 
nicht gänzlich undurchdringlichen Teile aus sehr schwach doppel- 
brechenden, äußerst kryptokristallinen Aggregaten. Der farblose Hof, 
ın vielen Fällen auch der rotgefärbte Kern besteht dagegen aus grob- 
kristallinen Quarzaggregaten, deren sekundärer Charakter aus der 
unregelmäßigen Anordnung und Begrenzung, der ungestörten Durch- 
setzung der geschilderten Gebilde hervorgehen dürfte. 

Mit welcher Art von primären Strukturformen diese Gebilde 
in Zusammenhang gebracht werden können, läßt sich bei der un- 
gemein verwickelten Art ihrer Zusammensetzung und unvollkommenen 
Erhaltung kaum mit Sicherheit sagen. 

Es dürfte aber gestattet sein, auf ein Analogon hinzuweisen, 
welches sich in dem von H. VoceLsanG in seinen „Kristalliten“ be- 
schriebenen Pechstein von Tolksva vorfindet. 

Hier werden Ausscheidungen mit pseudopodienartigen Fortsätzen 
beschrieben, welche in ihrem Innern Fluidalmikrolithen beherbergen. 
Der äußeren Kontur folgen hintereinander gereihte Mikrolithenzüge. 
Radialstruktur fehlt gänzlich. VocELsanG erklärt sie als im Schmelz- 
fluß parallel erstarrte Massen, welche bei nachträglicher magmatischer 
Korrosion diese Form erhielten, wobei die Fluidalmikrolithen durch 
Umschmelzung diese besondere Lagerungsweise annahmen. Der 


übrige Teil der Grundmasse zeigt „nur hie und da eine schwache 
1% 


— 100 — 


Polarisationswirkung“. Rosensusch gibt an, daß diese Gebilde in 
eine wasserhelle Glasschale gehüllt sind. 

Im großen und ganzen waren es wohl auch Ausscheidungen und 
Zusammenballungen, welche in die Kategorie der mikrofelsitischen Aus- 
scheidungen gehören dürften, die ja bekanntermaßen in manchen vitro- 
phyrischen Gesteinen die wunderlichsten Formen und Umgrenzungen 
annehmen. 

e) Kugeln. 


Als Ergänzung der großkugeligen Gebilde sei noch angeführt, 
daß kugelige Ausbildung in verschiedenen Varietäten noch anzutreffen 
ist, insbesondere im Höllenbach, wo das Gestein kugelig verwittert 
und durch einen Schlag mit dem Hammer geradezu in 1 cm große 
Kügelchen oder polyedrische Körner zerfällt, ebenso im Schepbachtal, 
in der Nähe von Schriesheim, am Wendenkopf und in ähnlicher 
Weise am Apfelskopf bei Peterstal. 

Obwohl die Kugeln äußerlich der Form nach scharf hervor- 
treten, so geben sie doch im Mikroskop nur ein ganz unscharfes 
und unklares Bilde Nur durch ein dichteres Pigment scheinen sie 
sich auszuzeichnen. In Schliffen des frischen Höllenbachgesteins 
scheint sich der ganze Kugeldurchschnitt aus äußerst blassen, dicht 
beieinanderliegenden, bräunlichgrau bestäubten Kügelchen zusammen- 
zusetzen. Die Grundmasse grenzt sich durch schwächeres Pigment 
ab. Im übrigen konnte nirgends eine ausgeprägte Differenzierung 
wahrgenommen werden, sondern nur ein gleichmäßiges, homogenes, 
bräunliches oder graues Pigment. 

Die kryptokristallinen Aggregate dieser Kugeldurchschnitte werden 
bisweilen von größeren, sekundären Quarzfetzen durchzogen. 

Es ist anzunehmen, daß die Kugeln ursprünglich primärer Natur 
sind, da besondere primäre Grundmasseformen, insbesondere Feld- 
spatsphärolithe, jene randlich begrenzen. Ob es aber ähnliche Kom- 
plexe, wie die früher geschilderten sind, oder ob sie von Spannungs- 
ausgleichen des erstarrenden Magmas verursacht sind, darüber läßt 
sich auf Grund der mangelhaften mikroskopischen Aufschlüsse kein 
sicheres Urteil gewinnen. 


2. Fluidalstruktur. 
(Abb. 6 und 8 Taf. V.) 


Außer der früher erwähnten makroskopisch sichtbaren Fluidal- 
struktur ist auch eine lediglich mikroskopische Entwicklung und 
Ausbildung derselben in den Varietäten des Dossenheimer Gebiets 


` - 


— 101 — 


verbreitet. Sie kommt dadurch zustande, daß die oben angeführten 
Mikrolithen teils als Stäbchen, teils als stern- oder spinnenförmige 
Gebilde derart angeordnet sind, daß sie in ihrem Verlauf eine aus- 
gezeichnete Fluidalstruktur mit den charakteristischen Biegungen 
und Stauchungen ausdrücken. 

Zur Veranschaulichung der Struktur dieser Partien stellt die 
Abb. 6 die linke Hälfte unter gewöhnlichem Licht, die rechte zwischen 
gekreuzten Nicols gezeichnet, ein und dieselbe Fluidalpartie mit 
Quarzeinsprengling dar. 

Die Struktur zeigt zunächst ein grobkörniges Aggregat sekun- 
därer Quarzmasse, welche aus tief verzackten Quarzfeldern sich zu- 
sammensetzt und reichlich trübe Substanz umschließt. An der Peri- 
pherie des als primärer intratellurischer Quarzeinschluß erscheinenden 
Durchschnittes setzen sich gleichfalls Neubildungsprodukte von Kiesel- 
säure an, welche in Form größerer lappenförmiger Anhängsel in 
völliger lgnorierung der Fluidalstruktur sich in die Grundmasse 
hinein erstrecken. Aus diesem Verbandsverhältnis allein ist mit 
völliger Sicherheit auf die sekundäre Natur dieser gezackten Quarz- 
neubildung zu schließen. 

In dieser Fluidalanlage gewahrt man häufig von mehr oder 
weniger stark veränderten in Brauneisenerz umgewandelte Mikro- 
lithen besonders dicht erfüllte rundliche Partien. An ihrer äußeren 
Beschaffenheit — einzelne zeigen das zierliche, negative Interferenz- 
kreuz — erkennt man sie wieder als die anfänglich beschriebenen, 
winzigen, mutmaßlichen Mikrofelsitkügelchen. Während einige diesen 
gesetzmäßigen Aufbau haben, verschwinden die übrigen in den großen 
Quarzfeldern der pseudogranophyrartigen Struktur. 

Es vereinigen sich hier also drei verschiedene Strukturen, die 
fluidale, die sphärolithische und die grobkristalline an einer und der- 
selben Stelle der Grundmasse. 

Das Auftreten der sphärolithischen Kügelchen, die einem ur- 
sprünglich zweifellos sphärolithischen Produkte entstammen, schließt 
eine solche allotriomorph körnige Grundmasse aus. Diese läßt 
sich also hier ganz unabhängig von anderen Tatsachen 
als eine zweifellos sekundäre Bildung nachweisen. 

Hingewiesen sei noch auf die merkwürdigen zusammengeballten 
Mikrolithenscharen (Abb. 6 unten), welche wie die kleinen Kügelchen 
viel dichter als die in der normalen Fluidalstruktur gelagerten Mikro- 
lithen durch einen braunen Saum scharf von der übrigen Grund- 
masse abgetrennt sind. Die Struktur innerhalb dieser Partien ist 


— 102 — 


sehr feinkörnig. Sie gehören wohl zu den Resten einer primären 
Struktur. 

Diese Fluidalstruktur läßt sich nie auf längere Strecken ver- 
folgen, sondern verliert sich allmählich in einer pigmentierten Fläche, 
verschwindet plötzlich vor wasserhellen Quarzpartien oder sie er- 
scheint als losgetrennte, fluidale Fetzen von farblosen Quarzkörnchen 
umschlossen. In den pigmentierten Partien, welche von einer flu- 
idalen Streifung durchsetzt werden, verschwinden die Fluidalmikro- 
lithen in der Weise, daß man anzunehmen geneigt ist, das Pigment 
gehe als Umwandlungsprodukt aus den Mikrolithen hervor. 

Die Unterbrechung oder die Zerstörung der Fluidalstruktur 
kann sich auch auf andere Weise vollziehen. Man beobachtet ver- 
schiedentlich, daß senkrecht zur Streifung große, buchtenförmige 
Partien eindringen und sich einschieben, die eine blaßgelbbraune 
Farbe besitzen. In diesen Partien fehlt die Fluidalstruktur; sie er- 
scheint wie aufgelöst oder aufgezehrt und scheint die Mikrolithen, 
angedeutet als äußerst feine, blasse Pünktchen, in sich zu führen. 
In diesen die Fluidalstruktur unterbrechenden Partien zeigen sich 
hier und da inselförmig einzelne Fetzen mit noch erhaltener Fluidal- 
struktur. Nun ist es sehr bezeichnend, daß diese Partien, bei welchen 
die Fluidalstruktur verschwindet, aus grobkörnigen, aneinander- 
stoßenden Quarzfeldern mit dazwischen verteilter trüber Substanz 
bestehen, während die mit deutlicher Fluidalstruktur behafteten Teile 
selbst sich aus sehr feinkörnigen Elementen zusammensetzen. Die 
plötzlich auftauchenden sphärolithischen Inseln mit noch besser er- 
haltenen Mikrolithen können da und dort noch ein vierarmiges 
Achsenkreuz negativen Charakters zeigen. Wahrscheinlich dürften 
die Sphärolithe in dieser jetzigen Form sekundär sein, denn es ist 
nicht anzunehmen, daß sich inmitten so tiefgreifender Veränderungen 
Gebilde, wie etwa primäre Mikrofelsitsphärolithe erhalten haben 
sollten. 

Es ist bei allen diesen komplizierten Strukturverhältnissen, in 
welchen primäre und sekundäre Bestandteile in vielfacher Vermischung 
auftreten, ausgeschlossen, den Erhaltungszustand der verschiedenen 
Partien bis in alle Einzelheiten richtig zu beurteilen. Aber aus 
dem zuletzt geschilderten Verhalten läßt sich wohl 
der Schluß ziehen, daß tatsächlich die Fluidalstruktur 
vielfach vernichtet werden kann und jedenfalls inner- 
halb der Porphyrmasse früher eine viel größere Ver- 
_breitung besaß als jetzt. Hierbei unterlagen auch die winzigen, 


we a 


— 103 — 


reihenförmig der Fluidalstruktur folgenden Sphärolithe ebenso wie 
die durch ihre Anordnung dieselbe verkörpernden Mikrolithen der 
Umwandlung und Zerstörung. 


3. Kontraktionsrisse der Grundmasse. 


Im Laufe der mikroskopischen Untersuchung wurden an zahl- 
reichen Präparaten des Gesteins eigentümlich verlaufende Linien 
beobachtet, die besonders in der Grundmasse und zwar meist in 
der Nachbarschaft der Quarzeinsprenglinge in mehr oder minder 
deutlicher Ausgestaltung zu finden sind. 

An der Peripherie der Quarzeinsprenglinge entspringen durch 
Pigment markierte Linien, welche nach auswärts in die Grundmasse 
hineinlaufen und in kreisfürmigen, konzentrischen Bogen sich um die 
Einsprenglinge legen, die konkave Seite jenen zuwendend. Die 
schönste Ausgestaltung erlangen sie in der schon früher erwähnten 
Dossenheimer Varietät (Abb. 7 Taf. VI, Quarz in der Mitte der Figur). 
Die Sichtbarkeit der Erscheinung wird durch das braune Pigment, 
welches zu beiden Seiten der Rißlinie einen helleren Saum ausspart, 
begünstigt. An anderen Stellen erscheint dieses Phänomen oft nur 
in Form kurzer Ansätze oder einfacher Bögen, welche nicht selten 
zum zweitenmal in den Kristall während ihres Verlaufs zurückkehren. 
Bald erscheinen sie als helle Liniensysteme, bald mit rot durch- 
scheinenden Blättchen von Limonit erfüllt. In jeder Ausbildung be- 
halten sie den charakteristischen Verlauf gleichmäßig gekrümmter 
Spannungsrisse bei. Diese Sprünge wiederholen sich in analoger Weise 
im Innern der Quarze. Unschwer erkennt man inilinen jene 
charakteristischen Kontraktionsrisse wieder, wie sie sich 
in und um den Quarzeinsprengling der vitrophyrischen, 
sauren Ergußgesteine weit verbreitet vorfinden. 

Stellen diese Risse somit ein Analogon zu den perlitischen 
Absonderungserscheinungen der Pechsteine dar, so führen sie 
unbedingt zu der Annahme, daß in der Grundmasse des 
Dossenheimer Quarzporphyrs eine mehr oder weniger 
glasıge Ausbildung eine wesentliche Rolle gespielt 


haben muß. 
4. Breccien. 


a) Dienormale Reibungsbreccie. 
Diese Breccie gibt sich schon äußerlich als eine solche da- 
durch zu erkennen, daß deutlich und scharf abgegrenzte Bruchstücke 
des Porphyrs durch ein kieseliges Zement verbunden sind. 


— 104 — 


Die Fragmente sind durchaus scharfkantig und können in allen 
Abstufungen von den kleinsten Splitterchen bis zu mehreren Zenti- 
meter großen Brocken erscheinen. Stets läßt sich mit bloßem Auge 
ihre deutliche Abgrenzung gegenüber der sie einschließenden quar- 
zitischen Zementmasse erkennen. Dieses Verhalten der scharfen 
Umgrenzung der Fragmente erleidet auch unter dem Mikroskop in 
keiner Weise eine Einbuße. In den Bruchstücken äußert sich z. T. 
die im früheren erwähnte Fluidalstruktur, aus einfachen Trichiten 
bestehend, z. T. ein bräunliches, wolkiges Pigment, welches dann 
die Fluidalstruktur verdeckt. Das ganze Bruchstück setzt sich aus 
sehr groben, zackig ineinandergreifenden Quarzfeldern zusammen. 
Man gewahrt in bezug auf Bestäubung und Struktur nicht den 
geringsten Unterschied in den mittleren wie in den Randpartien der 
Fragmente. Mit anderen Worten, die Fragmente sind Teile des 
Quarzporphyrs, wie er sich in dem geschilderten metamorphosierten 
Zustand in typischer Ausbildung in den Dossenheimer Varietäten 
vorfindet. Die Loslösung der Bruchstücke vom kompakten 
Gestein mußte demnach erst erfolgt sein, nachdem die 
erwähnten sekundären Umwandlungen schon längst 
der Grundmasse das jetzige Gepräge gegeben hatten, 
schon längst abgeschlossen waren. 

Das verbindende Zement, welches ausschließlich aus wasser- 
klarer Quarzsubstanz besteht, füllt in Form vieleckiger, großer und 
kleiner Körner die Zwischenräume aus. Da und dort kann man 
auch im Schliffe einen am Fragment sich normal zur Unterlage auf- 
setzenden Quarzkristall erkennen, ein Verhalten, welches sich auch 
vielfach schon makroskopisch durch Überkrustungen der Fragmente 
mit 3—4 mm großen, zierlichen Quarzsäulchen bemerklich macht. 

Man hat es demnach hier mit einer echten tek- 
tonischen Reibungsbreccie zu tun, die erst am völlig 
umgewandelten Gestein sich entwickelt haben konnte. 

Nach den Angaben von Osıny und Anpkeä! ist das Auftreten 
der Porphyrquarzbreccien stets an die meist senkrecht die Gesteins- 
masse durchziehenden Verwerfungsspalten, an die Klüfte und Quetsch- 
zonen gebunden. 

Man findet dort Porphyrschuttmassen, welche bald in Form loser 
Sandmassen, von den Arbeitern als „Schecken“ oder „Sandwände“ 
bezeichnet, bald als kompakte durch Kieselsäure verkittete Breccien 


-= mon e 


I Beiträge zur Geologie des Blattes Heidelberg 1889. Mitteil, der Bad. 
geol. Landesanstalt. 


— 105 — 


in vertikalen Wänden im Porphyr anstehen, infolge ihrer geringen 
Verwendbarkeit als Schottermaterial nicht zum Abbau gelangen und 
mauerartig stehen bleiben. 


b) Pseudobreccie. 


Nach Osann und AnpkeÄ soll mit dieser tektonischen Reibungs- 
breccie vielfach in naher Verbindung stehen eine „harte Breccie“, 
von den Arbeitern als „Schwartenmagen“ bezeichnet. Sie stellt sich 
aber als die von uns jetzt näher zu beschreibende Pseudobreccie 
heraus. In einem gewissen angewitterten Zustande tritt sie beson- 
ders deutlich hervor. Helle, gelblichweiße, verschiedentlich geformte 
Bruchstücke erscheinen in eine rötlich violette Masse eingebettet. 
Sie werden etwa 5—7 cm groß und sinken zu fast mikroskopischer 
Kleinheit herab. Im frischen Gestein zeigen einzelne Fragmente zum 
Teil eine scharf abgegrenzte Kontur, infolge einer am Rand haupt- 
sächlich sich ausbreitenden Verwitterungszone. Dagegen besitzen 
andere Bruchstücke oft ganz verschwommene Umrisse. Ganz be- 
sonders charakteristisch ist es, daß in angeschliffenen Stücken diese 
letztere Erscheinung eine größere Verbreitung besitzt als man ver- 
mutet. Da zeigt es sich auch, daß der Rand der großen, scheinbar 
deutlich abgegrenzten Bruchstücke keine scharfe Grenze erkennen 
läßt, außerdem derart gewundene und ausgefranste Formen annimmt, 
daß es schwer fällt, sie mit einem echten Bruchstück in Einklang 
zu bringen. 

Mit zunehmender Verwitterung breitet sich die schmutziggelbe 
Randzone der Fragmente auch über das in frischem Zustand rötlich 
violett gefärbte Innere derselben aus, bis das ganze Gestein zuletzt 
eine weißliche Farbe annimmt, und von einem blaßrötlichen Maschen- 
werk durchzogen wird. 

Die Schliffe der möglichst frischen Pseudobreccie, welche zu- 
gleich noch am ehesten deutliche Durchschnitte und Abgrenzung der 
Fragmente erkennen läßt, zeigen überraschenderweise unter dem 
Mikroskop keinerlei ausgeprägte Breccienstruktur, sondern zunächst 
bei gewöhnlicher Beleuchtung eine sich über das ganze Gesichtsfeld 
gleichmäßig ausbreitende blasse Bestäubung, welche aus opaken 
Körnchen und Fäserchen besteht, ohne Rücksicht auf die Grenzen 
der vermeintlichen Bruchstücke, die man bei Betrachtung des 
Schliffes mit bloßem Auge noch wahrzunehmen glaubt. Ein wasser- 
heller, sich scharf absetzender kristalliner Quarzkitt, wie er in voriger 
Breccie vorhanden, fehlt vollständig. Die farblosen Quarzeinspreng- 


— 106 — 


linge und die dichtbestäubten, großen, häufiger kleinen und zalıl- 
reichen Feldspate sind ebenso wie die Bestäubung der Grundmasse 
so gleichmäßig über die ganze Fläche verteilt, daß man von der 
äußerlich herrschenden Breccienstruktur keine Spur wahrnimmt. 

Zwischen gekreuzten Nicols ändert sich das Bild. Zunächst 
ist festzustellen, daß sämtliche Quarze reichlich von Neubildungen 
umgeben sind, sowie, daß auch die Feldspatkristalle zahlreiche Neu- 
bildungen am Rande aufweisen in ganz ähnlicher Weise, wie sie der 
gewöhnliche verquarzte Dossenheimer Porphyr in sich führt und wie 
im vorhergehenden dargelegt wurde. 

Die Grundmasse zeigt dagegen zweierlei Ausbildung, welche 
der makroskopischen Breccienstruktur entspricht; nämlich innerhalb 
der Fragmente besteht sie aus den früher beschriebenen feinkörnigen 
Aggregaten in allotriomorphem Gefüge, von Quarz, winzigen, hell- 
gelblich schımmernden, glimmerigen Flitterchen, wahrscheinlich Mus- 
covit, besät. 

Zwischen den verschwommenen Fragmenten ist die Struktur 
der Masse zwar ähnlich, aber von etwas gröberem Korn, auch treten 
die gröberen glimmerigen Flitterchen zurück. Die ganze „Kiitmasse“ 
erscheint durchsichtiger; aber, wie schon bemerkt, führt sie die 
gleichen porphyrischen Quarzausscheidungen mit den gleichen Quarz- 
aureolen wie die „Bruchstücke“ selbst und ist überdies in ganz 
gleicher Ausbildung in dem nicht brecciösen Dossenheimer Quarz- 
porphyr weit verbreitet. 

Die Grenzlinie zwischen den beiden Körnerstrukturen verläuft 
in starken Krümmungen und Windungen; zumeist ist sie aber über- 
haupt nicht festzustellen, da sich der Wechsel der grob- und fein- 
körnigen Partien bald langsam bald rascher vollzieht. Die gröber- 
körnigen Partien dringen oft buchtenartig in die feiner körnigen 
Flächen ein. Mit Bezug auf die erwähnten Quarzeinsprenglinge tritt 
manchmal der Fall ein, daß ein (uarzeinsprengling auf die Grenze 
der zwei Körneraggregate zu liegen kommt und seine Zugehörigkeit 
zu beiden dadurch zum Ausdruck bringt, daß er sowohl nach der 
feinkörnigen, wie nach der grobkörnigen Seite seine Neubildungs- 
produkte von Kieselsäure entwickelt hat. 

Aus diesen Strukturverhältnissen ergibt sich, daß ein 
wesentlicher Unterschied in der Zusammensetzung der 
Fragmente und der jene einschließenden, rötlich violetten 
Masse, welche anscheinend die Rolle des Zements spielt, 
nicht besteht, daß die Struktur der Fragmente und des 


Zementes ein und dieselbe, mit andern Worten die gleiche 
schon geschilderte sekundär veränderte Porphyrmasse 
ist. Aus dem gewundenen Verlauf der Umgrenzungslinien der „Frag- 
mente“ gelangt man zu der Überzeugung, daß die „Fragmente“ 
überhaupt nicht echt sind, keine mechanischen Loslösungen des Ge- 
steinsverbandes und durch nichts anderes hervorgerufen worden sind 
als durch den unregelmäßigen Verlauf der Felsitisierungsbahnen, wie 
ihn A. Saver von den Pechsteinen von Meißen zuerst beschrieben 
hat!. Es entstehen dadurch die allerschönsten Pseudobreccien. 
Auch der hier beschriebene Dossenheimer Porphyr stellt eine solche 
Pseudobreccie dar. Es wäre noch folgendes zu betonen. 

Nach dem Auftreten der sekundären Neubildungsprodukte an 
den Einsprenglingen der scheinbaren Fragmente sowie der Kittmasse 
zu schließen, ist dieses Gestein durch und durch in verändertem 
Zustand. Aus dem grobkörnigen Gefüge der in einem gewissen Er- 
haltungsstadium rötlich violetten Kittmasse geht hervor, daß sie den 
in stärkerem Maße verkieselten Partien entspricht. Demgemäß 
unterlagen die „Fragmente“ als die relativ weniger stark verkieselten 
Teile einer tiefer greifenden späteren eigentlichen Verwitterung als 
die stärker verkieselten gröberen Teile. Daher rührt auch die stärker 
hervortretende gelblichweiße Verwitterungsfarbe der „Fragmente“. 
Diese bleichen bei völliger Verwitterung des Gesteins bisweilen ganz 
aus, während die „Kittmasse“ widerstandsfähiger ist und bis zuletzt 
noch einen rötlichen Farbenton beibehält. 

Der Umstand, daß beide Teile der Pseudobreccie, die „Frag- 
mente“ sowohl, wie die rötlich violette Grundmasse in analoger 
Weise metamorpliosiert erscheinen, beweist, daß die beiden Vorgänge, 
die Entwicklung dieser scheinbaren Breccienstruktur und die all- 
gemeine Metamorphose des Porphyrs zusammenfallen, die „Breccie“ 
also nur der Ausdruck eines gewissen Umbildungsverlaufes ist, der 
von der allgemeinen Metasomatose des Dossenheimer Gesteines prin- 
zipiell nicht abweicht. 

Auf eine verwandte Erscheinung im Dobritzer Pechsteingebiet 
ist schon hingewiesen, auf die Herausbildung einer ähnlich gestalteten 
Pseudobreccie im Pechstein. Das frische, schwarze, pechglänzende 
Glas wird durchzogen von einem Maschenwerk dunkelgraulicher bis 
olivgrüner, matter Substanz, welche die bald kleinen, bald großen, 
zum Teil deutlich begrenzten Glasfetzen umgibt. Im mikroskopischen 


ı A. Sauer, Erläuterung zu Blatt Meißen. Leipzig 1889. 


— 108 — 


Bilde stellt sich heraus, daß das Maschenwerk aus felsitisiertem, 
sekundär entglastem Pechstein besteht. Die Felsitisierung beginnt auf 
kleinen Spalten und Rissen, indem das Glas trübe wird, seine Iso- 
tropie verliert. Von dort aus schreitet die Umwandlung weiter fort 
und zehrt das frische Glas mehr und mehr auf. Das Gestein nimmt 
den brecciösen Charakter an, obwohl Fragment und Kittmasse sich 
nur durch den Grad der Metamorphose unterscheidet. 

Aus dem Vergleich der beiden Breccien des Dossenheimer Quarz- 
porphyrs, der echten tektonischen Reibungsbreccie und 
der metamorphen Pseudobreccie geht hervor, daß die Ent- 
stehung zwei völlig verschiedenartigen Prozessen entstammen muß. 
Jene entstand als Begleiterscheinung von Verwerfungsspalten, wie 
auch das geologische Verbandsverhältnis zu erkennen gibt, zur Zeit 
der großen Rheintalversenkung, also zu einer Zeit, in welcher der 
Dossenheimer Quarzporphyr schon längst diejenige Stufe der Um- 
wandlung in seinen einzelnen Teilen erreicht haben mußte, in 
welcher sie uns jetzt vorliegt. Die Pseudobreccie dagegen ent- 
stammt einem metamorphen Prozeß, welcher längst eingesetzt haben 
mußte, ehe der Quarzporphyr durch die tertiären tektonischen 
Störungen zerklüftet wurde. Zur Zeit als die Reibungsbreccie an 
den Klüften entstand, hatte das Gestein schon seinen metamorpho- 
sierten Zustand erreicht, war demnach auch die Pseudobreccie be- 
reits vorhanden. Auch sie war schon „fertig“, als diejenigen tek- 
tonischen Vorgänge erst einsetzten, welche die echte Reibungsbreccie 
bildeten. Doch muß noch darauf hingewiesen werden, daß diese 
Pseudobreccie auch in der Nähe von Quetsch- und Rutschzonen 
auftritt, sekundär von Harnischen und Quetschzonen durchsetzt wird, 
sie ist aber, wie sich aus ıhrer Entstehung ergibt, prinzipiell nicht 
an derartige tektonische Störungen gebunden. 

Eine in genetischer Beziehung der Pseudobreccie ähnliche nicht 
seltene Erscheinung sei hier angeführt. Sie kommt dadurch zustande, 
daß das kompakte, rötlich violette Gestein in verschiedenen Rich- 
tungen von tiefbraunen, mattglänzenden Adern durchzogen wird. 
Diese verbreitern sich an vielen Stellen unter gleichzeitiger Zer- 
schlitzung und Zertrümmerung, wobei lange, äußerst schmale und 
fein verzweigte Ausläufer in die übrige Gesteinsmasse abgehen. Wo 
diese von den tiefbraunen Adern unregelmäßig umschlossen ist, macht 
das Gestein durchaus den Eindruck der Breccie, besonders wenn die 
Adern die Tendenz haben, einen eckigzackigen Verlauf anzunehmen, 
Ein schmaler, lilafarbiger Rand umsäumt bisweilen das Adernetz. 


— 109 — 


Unter dem Mikroskop stellt sich das Adernetz wie die schein- 
baren Fragmente als ein und dieselbe Dossenheimer Quarzporphyr- 
masse heraus; in beiden beobachtet man die gleichen Erscheinungen 
der Verquarzung, wie sie oben ausführlich geschildert ist. Das mikro- 
skopische Bild bestätigt sonach, daß auch hier eine eigentliche 
Reibungsbreccie nicht vorliegt. 


c) Glasbreccie. 
(Abb, 9 Taf. VI.) 


Zu den zwei zuletzt unter b beschriebenen Breccien tritt noch 
eine weitere hinzu, welche bei genauer Betrachtung ganz abweichende 
Verhältnisse zeigt. Sie wurde unter anderem in einem der Dossen- 
heimer Porphyrbrüche beobachtet mitten im kompakten, anstehenden 
Porphyr. 

Manche Stücke davon, besonders in etwas angewittertem Zu- 
stand, machen schon bei Betrachtung im Handstück durchaus den 
Eindruck einer Breccie, indem bis nußgroße, ziemlich deutlich ab- 
gegrenzte Bruchstücke in großer Zahl, sich dicht drängend in einer 
spärlichen, dunklen, bräunlichvioletten Masse eingebettet liegen. Die 
makroskopischen, polygonen Fragmente sind bald durch eine aus- 
geprägte Fluidalstruktur, bald durch reihenweise aneinander angeord- 
nete, weißlich verwitterte Kügelchen gestreift; überhaupt zeigen die 
dicht beieinanderliegenden Stücke die verschiedensten strukturellen 
Abweichungen. Ganz besonders tritt hervor, daß jedes Fragment 
mit seiner Fluidalstreifung eine andere Lagerung als das benachbarte 
einnimmt, daß die Fluidalstruktur eines Fragments mit der des be- 
nachbarten keine Kontinuität besitzt, sondern oft gerade senkrecht 
aufeinander zuläuft. Zum Unterschied von der unter b beschriebenen 
Pseudobreccie läßt sich feststellen, daß die Fragmente keine ver- 
zackten oder verschwommenen Umrisse annehmen. Durch eine oft 
sehr dichte Aneinanderlagerung immer kleinerer Fragmente erscheint 
die Kittmasse manchmal sehr spärlich verteilt. Doch liegen ganze Kom- 
plexe von Fragmenten in einer auf größere Strecken zu verfolgenden 
fluidalen Porphyrmasse, welche durchaus dem normalen fluidal ge- 
streiften Typus vom Höllenbach oder von Dossenheim entspricht. 

Da die fluidale Einbettungsmasse allmählich sich zwischen den 
Bruchstücken verliert, so muß angenommen werden, daß auch das 
Cement aus der normalen Porphyrmasse besteht. 

Wird die Breccie feinkörnig, so nimmt das Gestein den bläu- 
lich violetten Ton des dichten Dossenheimer Porphyrs an. Doch 


— 110 — 


bemerkt man bei genauer Betrachtung oder mit der Lupe die 
winzigen, hellgraulichen, eckigen Bruchstückchen mit scharf ab- 
gegrenztem Rand. 

Schon aus dem äußeren Verhalten gewinnt man die Über- 
zeugung, daß eine echte Breccienstruktur vorhanden sein muß, aber 
eine Breccie, die sich von der oben geschilderten tektonischen 
Breccie aufs schärfste unterscheidet. Dies bestätigt sich auch bei 
der mikroskopischen Untersuchung. 

Über die ganze Schliffläche, welche die Fragmente wie die 
spärliche Zementmasse umfaßt, breitet sich gleichmäßig ein Pigment 
von opaken, braunen und rotbraunen Körnchen. Damit gibt sich 
schon kund, daß das farblose, körnig-kristalline reine Quarzzement 
der typischen Reibungsbreccie (a) fehlt. In allen Teilen des Schliffes 
trifft man die üblichen porphyrischen Einsprenglinge, die kleinen 
Quarze, Feldspäte und wohl auch die stark verwitterten Glimmer- 
blättchen. Eine Art Breccienstruktur der eigentlichen Gesteinsmasse 
ist schwach angedeutet in matten hellen Farbennuancen. Man be- 
obachtet drei- und vierseitige, geradlinig eckige, splitterähnliche Um- 
grenzungen. Bei manchen Teilstücken ist infolge mangelnden Pig- 
mentes die Grenzlinie im gewöhnlichen Lichte nicht genau zu 
verfolgen. Von der Grenzlinie der Fragmente getroffene Einspreng- 
linge schneiden mit ihr ab. Der außerhalb des Fragmentes ab- 
getrennte Teil ist daneben nicht sichtbar; das unmittelbar angren- 
zende Fragment besitzt in der Regel eine völlig abweichende Struktur, 
was besonders da hervortritt, wo Fragmente mit einer sehr ver- 
schiedenartigen Fluidalstruktur aneinanderstoßen. Diese letztere ist 
in der Regel durch opake Körnchen und Trichite auf lichterem 
Grunde ausgedrückt. Derartige Bruchstücke treten in der mehr 
körneligen Kittmasse besonders deutlich hervor, ebenso andere, 
welche von einem äußerst feinen, bläulich violetten Staub impräg- 
niert sind, der bald gleichmäßig, bald zu dichten Flocken geballt 
oder in großen radialstrahligen Sphärolithen angeordnet sein kann 
und eine durch das Bruchstück sich hindurchwindende Fluidalstruktur 
teilweise ganz verdeckt. Die Mikrolithen sind stäbchenförmig, stern- 
oder spinnenförmig verzweigt. Man gelangt auch hier wieder zu der 
Überzeugung, daß die Mikrolithen sich in das dichte Pigment um- 
wandeln. Die Qnarzeinsprenglinge der Fragmente sind klein, rund- 
lich, da und dort mit Spuren der bekannten Kontraktionsrisse. Die 
Feldspate sind meist kristallographisch begrenzt. 

Die Kıttmasse zeigt keinerlei besondere Ausgestaltung, sie 


= 1il — 


ist einförmig, körnig bestäubt. Wegen der winzigen, oft sich zwischen 
die größeren Bruchstücke einschiebenden Bröckchen ist eine eigent- 
liche Kittmasse, bezw. ihr Grenzgebiet oft kaum zu erkennen. 

Die Breccienstruktur gelangt erst unzweideutig 
zwischen gekreuzten Nicols zum Ausdruck. 

Sämtliche Bruchstücke erweisen sich von der übrigen Masse 
durch einen nahezu isotrop erscheinenden sehr schmalen Rand scharf 
abgegrenzt. Diese Randzone löst sich erst mit Hilfe des Gips- 
blättchens in Fasern von optisch negativem Charakter auf. Die 
Fasern stehen gewöhnlich senkrecht zu den Umrissen der Fragmente. 
Wo im Innern der Bruchstücke die Pigmentierung sphärolithischen Auf- 
bau vermuten läßt, erscheinen große, feinfaserige Aggregate mit ver- 
waschenem, vierarmigem schwarzen Kreuz und negativem Charakter. 
Die radialen Fasern können oft quer von einer größeren sekundären 
Quarzpartie durchzogen werden. Andere Quarzmassen lagern sich 
als verzackte Körner in die Fluidalstruktur ein. Man beobachtet 
also in diesen Fragmenten genau die gleiche intensive Verkieselung, 
wie sie früher geschildert wurde. Aber höchst merkwürdig ist es, 
daß bei all diesen intensiven Verkieselungserscheinungen 
die neugebildeten Quarzflecken niemals bis über den Rand 
des Bruchstücks vordringen; sondern an der mehr oder weniger 
breiten faserigen Randzone abschließen, so daß diese das Bruch- 
stück nach außen immer begrenzt. 

Die verbindende Kittsubstanz erweist sich im allgemeinen von 
sehr feinem Korn. Sie entspricht ihrem Gefüge nach den sehr fein- 
körnig entwickelten Grundmassepartien des gewöhnlichen Dossen- 
heimer Quarzporphyrs mit allen den oben geschilderten Umwandlungs- 
erscheinungen. Auch fehlen in ihr die typischen Quarzaureolen- 
produkte um die intratellurischen Quarze nicht. 

Aus dem Verhalten der Fragmente geht hervor, daß die Um- 
wandlung gewissermaßen individuell sich an jedem ein- 
zelnen Bruchstück vollzog, ohne irgendwie über dessen 
Grenze nach außen in die Kittmasse überzusetzen und 
zwar von den Bruchstückrändern nach Innen zu fort- 
schreitend zunächst unter Entwicklung der äußeren 
chalcedonartigen Faserzone. 

Daraus ist weiter zu schließen, daß die sekundäre 
Umwandlungserscheinung erst einsetzen konnte, als sich 
das Fragment aus dem festen Verband losgelöst hatte. 
Schon mit dem Beginn der Metamorphose, nach der Erstarrung und 


— 112 — 


völligen Erkaltung des Magmas, waren sie zum Teil zusammen- 
gebacken oder von Grundmasse umgebene Gesteinstrümmer. Ihre 
Bildungszeit fällt daher weit hinter die Zeit zurück, da das Gestein 
durch die tertiären tektonischen Störungen zerpreßt wurde. 

Während die echte Reibungsbreccie erst spät, schon am völlig 
umgewandelten Gestein sich entwickelte, fällt für die Entstehung 
der Pseudobreccie b, sowie dieser Breccie in viel frühere Perioden. 
Bei der Pseudobreccie sind es die in das feste Gestein vordringenden 
unregelmäßig eckigen Felsitisierungs- und Verwitterungsbahnen, welche 
eine Art Breccienstruktur vortäuschen, bei der Breccie c setzte die 
Umbildung erst nach gänzlicher Lostrennung und Zertrümmerung der 
Gesteinsbruchstücke auf der ganzen Oberfläche derselben ein und 
wandelte sie von außen nach innen um. Für die zeitliche Bildung 
dieser Breccie wäre also anzunehmen, daß die Metamorphose der 
Breccienbildung nachfolgt, d. h. an dem noch völlig frischen, jeden- 
falls noch glasartigen Gestein einsetzte, im Gegensatz zu der unter a 
geschilderten Reibungsbreccie, bei welcher die Metamorphose vor- 
anging. Diese ältere Breccie mag deshalb kurz als Glasbreccie be- 
zeichnet werden. Ich möchte sie in Parallele stellen zu der aus 
dem Obsidiankliffgebiet bekannten Glasbreccie, hauptsächlich aber 
mit jener von Mohorn. Diese liefert ein ungemein interessantes 
Analogon. Deshalb sei auf diese noch kurz eingegangen. Das 
Mohorner Gestein? ist ein Pechstein, es besitzt schon äußerlich 
durchaus brecciösen Habitus (Abb. 10 Taf. V). 

Im Mikroskop gewahrt man neben Einsprenglingen von Quarz 
und Feldspat unregelmäßig gestaltete Bruchstücke, in welchen aus- 
gezeichnete Fluidalstrukturen entwickelt sind. 

Der Brecciencharakter tritt durch das äußerst scharfe Ab- 
schneiden der Fluidalstruktur mit den Grenzen jedes einzelnen Bruch- 
stückes hervor, durch die abweichende Orientierung derselben, sowie 
auch Ausbildung der Mikrostruktur in den benachbarten Bruchstücken. 
Dabei erscheinen einzelne derselben wie verbogen. (Die in der Ab- 
bildung eingezeichneten, dunklen, gestreiften Bruchstücke sind 
silurische Tonschieferstücke.) 

Das ganze macht den Eindruck, als habe man es mit einer 
Breccie zu tun, die in halb erstarrtem Zustande gebildet wurde, wo- 
bei die einzelnen Bruchstücke noch biegsam waren und durch Druck 
gleichsam aneinander geschweißt wurden. Die Fragmente sind durch- 


ı Vergl. A. Sauer. Erläuterungen zu Blatt Freiberg. Leipzig 1886. S. 67. 


— 113 — 


aus glasig, was aus dem isotropen Verhalten hervorgeht. Vom Rande 
her schreitet jedoch nur in beschränktem Maße die Felsitisierung 
gegen das Innere eines jeden einzeinen Bruchstückes vor, so daß 
hier ein Vorgang sich einleitet, der zu einer völligen Felsitisierung 
der einzelnen Bruchstücke führen muß. 

Die Zwischenmasse der Fragmente, welche oft sehr spärlich 
ist, besitzt ebenfalls glasige bis halbglasige Beschaffenheit, besteht 
also aus derselben Substanz, wie die sie verkittenden Fragmente. 
Dieses Vorkommen von Mohorn ist daher wohl als eine echte erst 
im Anfangsstadium ihrer Umbildung stehende Glasbreccie zu be- 
zeichnen, zu welcher unsere metamorphe Glasbreccie ein Endglied 
darstellt. 

Schluss. 

Die Untersuchungen an dem Dossenheimer Quarzporphyr führten 
zu dem Ergebnis, daß seine Grundmasse in keinem ursprünglichen 
Zustand vorliegt, sondern in allen Teilen den tiefgreifend- 
sten, sekundären Umwandlungen unterlag. Diese bewirkten, 
daß der Gesamthabitus des Gesteins wesentlich ein anderer wurde, 
als wie er sich aus den Relikten, welche bei der Umwandlung eine 
gewisse Konservierung erfuhren, rekonstruieren läßt. Besonders mit 
Bezug auf die weite Verbreitung und Mannigfaltigkeit der sekundären 
Verquarzung dürfte der Dossenheimer Quarzporphyr einen charakte- 
ristischen Typus unter den hochmetamorphosierten, sauren Erguß- 
gesteinen einnehmen. 

Das Auftreten von Feldspatsphärokristallen, welche 
man in Pechsteinen und Lipariten häufig findet, ebenso 
die Beteiligung ursprünglich vorhandener Mikrofelsit- 
sphärolithe, ferner das Auftreten von Kontraktionsrissen. 
die den perlitischen Sprüngen entsprechen, die Ausbildung 
der eigenartigen Breccie, die als Glasbreccie bezeichnet 
wurde, sowie das Auftreten von Lithophysen: das alles 
sind Erscheinungen, welche übereinstimmend darauf hin- 
weisen, daß wir ursprünglich in dem Dossenheimer Quarz- 
porphyr nicht nur stofflich sondern auch strukturell ein 
Gestein anzunehmen haben, welches sich durchaus den 
jungen, sauren Ergußgesteinen, den Lipariten, anschloß, 
sich also mit Bezug auf die Ausbildung der Grundmasse 
durch eine reichliche Beteiligung von Gesteinsglas an der 
Zusammensetzung der Grundmasse ausgezeichnet haben 


muß. Der Dossenheimer Porphyr ist also auf einen 
Jahreshefte d. Vereins f. vater. Naturkunde in Württ. 1910. 8 


— 114 — 


ursprünglich mit zahlreichen mikrofelsitischen Entgla- 
sungsprodukten versehenen, einen an verschieden ge- 
stalteten Sphärolithen reichen, fluidalen Vitrophyr zurück- 
zuführen. 

Im übrigen geht aus den hier geschilderten Beobachtungen 
wiederum hervor, was auch A. Sauer schon bei seinen Untersuchungen 
ausgesprochen hat, daß sekundäre Umbildungen der Grundmasse der 
Quarzporphyre nicht bloß lokale da und dort sich äußernde Erschei- 
nungen sind, sondern regionale Bedeutung besitzen und regional sich 
über größere Gebiete ausbreiten. 


Literaturverzeichnis. 


A. ANDREÄ und A. Osann, Beiträge zur Geologie des Blattes Heidelberg VII—XT. 
Mitt. der Bad. Geol. Landesanstalt. 

— — Geologische Spezialkarte des Großherzogtums Baden. Erläuterungen zu 
Blatt Heidelberg. (No. 23.) 1896. 

E. W. Bensck£ und E. Conex, Geognostische Beschreibung der Umgebung von 
Heidelberg. 1879—81. 

E. Conex, Die zur Dyas gehörigen Quarzporphyre des Odenwaldes. 1871. 

A. Sauer, Erläuterung zur Scktion Meißen der geologischen Spezialkarte des 
Königreichs Sachsen. 

— — Genetische Beziehungen zwischen Pechstein und Porphyr der Meißener 
Gegend. 1888. Mitt. der Großh. Bad. Geol. Landesanstalt. 

— — Erläuterungen zu Blatt Gengenbach der geologischen Spezialkarte des 
Großherzogtums Baden. 1894. 

— — Porphyrstudien. Mitt. Großh. Bad. Gcol. Landesanst. II. S. 795. 

— — Erläuterungen zu Blatt Freiberg. Geologische Spezialkarte des König- 
reichs Sachsen. Leipzig 1886. S. 67. 

K. REGELMANN, Erläuterungen zur geologischen Spezialkarte des Königreichs 
Württemberg. Blatt Obertal—Kniebis. 1907. 

H. Rosex»pusch, Physipgraphie der Mineralien und Gesteine. I. 1904. 

— — Physiographie der Mineralien und Gesteine. II. 1896. 

— — Elemente der Gesteinslehre. 1901. 

UHR. VoGEL, Die Quarzporphyre der Umgebung von Groß-Umstadt. Abh. d. 
Großh. Hess. Geol. Landesanst. II. 1801. 

H. VosELsaxa, Die Kristalliten, nach dem Tode des Verfassers herausgegeben 
von F. ZIRKEL. 1875. 

F. ZirKEL, Lehrbuch der Petrographie. H. 


Ueber Isopoden, 16. Aufsatz, Armadillidium und 
Porcellio an der Riviera. 
Von Dr. Karl W. Verhoeff, Bonn a. Rh. und Cannstatt. 


Inhalt. 
I. Armadillidium: 
a) Analytische Übersicht, 14 Arten. 
b) Bemerkungen zu den Arten des Schlüssels. 
c) Geographisch-biologischer Überblick, vertikale und horizontale Ver- 
breitung. 
II. Porcellio: 
a) Analytische Übersicht, 12 Arten. 
b) Bemerkungen zu den Arten der Riviera. 
c) Geographisch-biologischer Überblick, vertikale und horizontale Ver- 
breitung. (Armadillo und Syspastus.) 


Im Frühjahr 1907 und 1909 unternahm ich Forschungsreisen 
nach der Riviera, welche mir Gelegenheit boten, die Land- und Strand- 
Isopoden-Fauna zu studieren. Von Viareggio an der Levante ost- 
wärts, bis zam Golf von St. Tropez, an der französischen Riviera 
westwärts habe ich in fast allen geographisch oder geologisch be- 
merkenswerten Abschnitten der Riviera Exkursionen unternommen. 
Zugleich habe ich mich nicht auf den eigentlichen Küstenstreifen 
beschränkt, sondern an verschiedenen Stellen Abstecher ins Innere 
unternommen, um auch die der Küste benachbarten Montangebiete 
kennen zu lernen, wenigstens die zwischen 300 und 700 m gelegenen 
Berge und höheren Täler, nebst deren Berglehnen. Wenn auch 
gerade die Land-Isopoden mit der Entfernung von den Mittelmeer- 
küsten und mit dem Anstieg in die Gebirge schnell an Artenzahl 
abnehmen, so dürfte doch für spätere Untersuchungen auch in den 
Gebirgen über 700 m noch Wertvolles zu entdecken sein, zumal 
uns in den Alpengebieten im Laufe der letzten Jahre eine ganze 
Reihe Überraschungen beschert worden sind. 

Im folgenden will ich zunächst die von mir an der Riviera 


beobachteten Angehörigen der Gattungen Armadillidium und Por- 
R * 


— 116 — 


cellio (ohne Metoponorthus) besprechen, während die übrigen Land- 
Isopoden in späteren Aufsätzen behandelt werden. 


I. Armadillidium. 


Untergattung Armadillidium Veru. 
a) Analytische Übersicht. 

An der italienisch-französischen Riviera wurden von mir fol- 
gende Formen nachgewiesen, welche zugleich in einem kurzen ana- 
lytischen Schlüssel zur Anschauung gelangen und sämtlich der 
Sektion Typicae VERH. angehören: 

A. Die Stirnplatte ist, von oben und hinten gesehen, höch- 
stens doppelt so lang wie breit. Der Rücken des Truncus ent- 
behrt der Höckerchen in der Mitte, an den Epimeren finden sich 
schwache und zerstreute. Gestalt wie bei der depressum-Gruppe. 


l. nasutum B. L. (genuiman). 


B. Die Stirnplatte ist, von oben und hinten gesehen, minde- 
stens 2'/3 mal breiter wie lang, meistens aber noch viel breiter, 
manchmal ragt sie überhaupt nicht vor . . .. .... C, D. 

C. Die Antennenlappen sind sehr dick und weder scharfrandig 
noch zurückgebogen. Die Stirnplatte ragt, von oben und hinten ge- 
sehen, nicht vor, ist vielmehr mit ihrem Endrand dicht an den 
Scheitel gedrückt. Rücken vollkommen glatt, ohne alle Höckerchen. 
Die Hinterzipfel der Epimeren des 1. Truncussegmentes sind am 
Rande, von oben gesehen, etwas ausgebuchtet. Gestalt wie bei der 
maculatum-Gruppe. 

2, vulgyarc aut. 

D. Antennenlappen nicht besonders dick, meist scharfrandig, 
wenn nicht, sind sie zurückgebogen. Stirnplatte stets mehr oder 
weniger weit über den Scheitel emporragend. Die Hinterzipfel 
der 1. Epimeren sind am Rande, von oben gesehen, nicht oder höch- 
stens andeutungsweise ausgebuchtet . ... .... BE. 

E. Rücken des Truncus mit 2 + 2 Reihen sciweteleehbė Flecke, 
während die Mediane an allen Segmenten breit verdunkelt ist. Vor- 
ragende Stirnplatte, von oben und hinten gesehen, 2'/z—3mal breiter 
wie lang. Rücken mit feiner zerstreuter Höckerung, welche sich 
auch auf der Rückenmitte vorfindet. Hinterrand des 1. Truncus- 
segmentes jederseits stumpfwinkelig-bogig ausgebuchtet, ohne Ein- 
knickung. Gestalt wie bei der depressum-Gruppe. 


— 117 — 


3. quudriseriatum VERH. 

F. Rücken entweder einfarbig oder unregelmäßig gezeichnet, 
oder mit Querbändern; wenn aber gui abgesetzte Längsreihen heller 
Flecke auftreten, sind es meist 3, 5 oder 7 Reihen, indem die 
Mediane durch eine Längsreihe ausgezeichnet ist. Hat sich diese 
mediane Längsreihe an einigen oder allen Truncussegmenten in zwei 
geteilt, dann finden sich am Rücken 3+3 helle Fleckenreihen. 
Stirnplatte, von oben und hinten gesehen, meist mehr als 3mal, 
meist sogar mehr als 4mal breiter wie lang, wenn aber nur 3mal 
breiter, dann ist der Rücken ohne Höckerchen . .. .. G,H. 

G. Rücken deutlich gehöckert, und zwar mehr oder weniger 
fein auch an den Hinterrändern der Segmente. Antennenlappen 
nicht oder nur ganz unbedeutend zurückgebogen. Hinterrand des 
1. Truncussegmentes jederseits tief stumpfwinkelig ausgebuchtet. 
Es finden sich weder helle Querbinden, noch bestimmt ausgeprägte 
Fleckenlängsreihen,, bisweilen allerdings unregelmäßige Fleckungen. 
Gestalt wie bei der depressum-Gruppe. 


4. naupliense Vern. (= granulatum Bra. e. p.). 

H. Rücken meist ganz ungehöckert, wenn aber Höckerchen 
vorkommen, fehlen sie jedenfalls an den Hinterrändern der Seg- 
MENTES; e vun hs ee ee ee ee ae Se we, 

J. Arten mit lebhaft abstechenden weißen oder gelben Flecken- 
reihen oder Querbändern, oder einer Vereinigung beider Zeichnungs- 
elemente. Zugleich sind diese Formen höher gewölbt, fallen 
daher an den Seiten steilerab. Die Vorderzipfel der Epimeren 
des 1. Truncussegmentes sind, von vorn und außen gesehen, sehr 
steil-schräg und haben nur eine sehr schmale Randkrämpe. An- 
tennenlappen bei allen Arten abstehend, nicht zurückgebogen: 


maculutum-Gruppe. 

1. Rücken mit feiner aber deutlicher Höckerung, namentlich 
an den Epimeren, spärlicher aber auch auf der Mitte. Truncus mit 
5 Reihen gelblicher Flecke, von denen die mediane an einigen Seg- 
menten auch in 2 Flecke geteilt sein kann. Hinterrand des 1. Truncus- 
segmentes jederseits fast stumpfwinkelig, aber nicht geknickt aus- 
gebuchtet. Telson hinten breit abgestutzt. 


D. quwinquepustulatum B.-L. 
2. Rücken ohne Höckerung, also glatt, höchstens an den Epi- 
meren sehr vereinzelte und schwache Höckerchenandeutungen . 3, 4. 


— 118 — 


3. Hinterrand des 1. Truncussegments jederseits stumpf- 
winkelig eingeknickt ausgebuchtet. Truncusepimeren ohne 
Flecke und Hinterränder ohne auffallende helle Binden. Truncus mit 
fünf Längsreihen gelblicher Flecke. 

a) Die Flecke sind im allgemeinen kleiner und schmäler, die 
der medianen und der jederseits mittleren Reihe vielfach in 2—3 
kleinere Fleckchen aufgelöst. Die Höcker hinter der Stirnplatte 
sind stärker, weil sie durch einen tiefen Einschnitt getrennt 
werden. Die unteren Seiten des Stirndreiecks sind völlig abgerundet, 
nicht angedeutet. Rücken weniger glänzend. Kaudalsegmente mit 
kleinen Flecken. 

6. pujetanum n. sp. 

b) Die Flecke sind als kräftigere und größtenteils einheitliche 
Tropfen ausgebildet. Die Höcker hinter der Stirnplatte sind kleiner, 
weil sie durch eine nur kurze Einkerbung getrennt sind. Die 
unteren Seiten des Stirndreiecks sind abgerundet, aber doch an- 
gedeutet geblieben. Rücken recht glänzend. Kaudalsegmente 
mit asymmetrisch angeordneten, aber großen Tropfenflecken. 


7. esterelanum Doutr. 

4. Hinterrand des 1. Truncussegmentes jederseits im Bogen 
ausgebuchtet, ohne Einknickung. Truncussegmente entweder mit 
sieben Reihen heller Flecke, indem jederseits auf den Epimerenhinter- 
zipfeln noch eine Fleckenreihe auftritt, welche bei No. 6 und 7 
fehlt, oder es ziehen sich quere weiße bis gelbliche Binden über die 
Hinterränder. Ein Übergang zwischen beiden Zeichnungen kommt 
dadurch zustande, daß bei manchen Individuen die 7 Flecken am 
Hinterrand eines Segmentes mehr oder weniger ineinanderfließen. 


8. maculatum (Risso) (non Vern.) (= willii B.-L.). 


a) Rücken entweder mit 7 ziemlich regelmäßigen Reihen weißer, 
vom schwarzen Grund scharf abgesetzter Flecke, oder dieselben ver- 
schmelzen an den Hinterrändern teilweise und in asymmetrischer 
Weise miteinander, wobei dann aber große Epimerenflecke und meist 
dreieckige Flecke in der Medianreihd sich besonders abheben. An 
den Epimeren des 1. Truncussegmentes stößt das schwarze Pigment 
meist als breite Masse an den Seitenrand, so daß es einen weißen 
Vorder- und Hinterfleck trennt; ist das schwarze seitlich ver- 
schmälert, dann erscheint es als dreieckiger, an den Rand 
ziehender Zipfel. Rücken völlig glatt, auch die Epimeren. 

Grundform des maculatum. 


— 119 — 


b) Die Reihen der selbständigen Flecke sind verschwunden und 
statt dessen an den Hinterrändern weiße bis gelbliche Querbinden 
entstanden, welche aber hier und da in unsymmetrischer Weise unter- 
brochen oder verschmälert sind, oder hier und da, namentlich in der 
Mediane, noch eine kleine Fleckerweiterung zeigen können. Fleckung 
und Querstreifung der Kaudalsegmente ebenfalls unregelmäßig und 
asymmetrisch. Zeichnung der 1. Epimeren ganz wie bei der Grundform. 

Aberr. zonatum DoLLr. 

c) Truncus und Cauda sind an den Hinterrändern regel- 
mäßig, ganz oder annähernd symmetrisch weiß quergebändert, 
ohne Unterbrechungen und ohne Andeutungen von Flecken, nur in 
der Mediane können solche durch leichte Erweiterung angedeutet 
sein. An den Epimeren biegen die Hinterrandbinden regelmäßig 
nach vorn um. Die 1. Epimeren sind von weißem Streifen gerandet. 
so daß die breite schwarze Masse den Rand nicht erreicht. Meist 
finden sich an den 1. Epimeren auch Spuren zerstreuter Höckerchen. 


9. maculatum cingendum n. subsp. 

K. Arten ohne lebhaft abstechende Fleckenreihen oder Quer- 
bänder, entweder einfarbig schwarz oder mit unregelmäßigen und 
jedenfalls nicht scharf abgesetzten Zeichnungen, oft verworren mar- 
moriert. Weniger stark gewölbte Formen, deren Rücken an den 
Seiten mehr schräg abgedacht ist. Die Vorderzipfel der Epi- 
meren des 1. Truncussegmentes sind, von vorn und außen gesehen, 
ebenfalls schräg-dachig und stehen mit einer breiteren Krämpe 
ab. Die Antennenlappen sind meist zurückgebogen, wenn sie aber 
abstehen, findet sich keinerlei helle Zeichnung. 


depressum-Gruppe!". 

J. Rücken fein aber deutlich gehöckert, die Höckerchen in 
deutlichen Gruppen auch über die Mitte der Segmente ziehend. 
Kopf ebenfalls mit feinen Höckerchen. Stirnplatte hinten nicht an- 
geschwollen. Hinterrand des 1. Truncussegmentes jederseits aus- 
gebuchtet, nur mit Andeutung eines stumpfen Winkels. Telson ab- 
gerundet-abgestutzt. Die Antennenlappen sind zurückgedrängt gegen 
einen hinter denselben stehenden Höcker. 


ı Diese depressum-Gruppe ist identisch mit derjenigen, welche ich im 
14. Aufsatz über Isopoden, 1908 in No. 13 und 14 des Zoolug. Anzeigers als 
„maculatum-Gruppe“ aufgeführt habe, während die dort nicht erwähnte jetzige 
macnlatum-Gruppe sich unmittelbar an die rulyare-Gruppe anschließt. Über 
die Auffassung des A. maculatum ist weiter unten die Rede. 


— 120 — 


10. depressum Bra. 


2. Rücken ganz ungekörnt, höchstens an den Epimeren ver- 
einzelte schwache Höckerchen . . . . en io Dr 

3. Antennenlappen nicht suei keekan, sondern abstehend 
und scharfkantig, hinter ihnen keine Höcker. Telson schmäler und 
am Ende abgerundet. Stirnplatte an der vorragenden Hinterfläche 
nirgends aufgetrieben. Epimeren, namentlich des 1. Truncussegmentes, 
mit zerstreuten, spärlichen und feinen Höckerchen. 


11. portofinense VERH. 

4. Antennenlappen mehr oder weniger zurückgebogen, 
nicht scharfkantig, hinter ihnen ein mehr oder weniger deutlicher 
Höcker. Telson breiter, am Ende abgestutzt bis abgerundet-ab- 
gestutzt. Stirnplatte an der vorragenden Hinterfläche entweder ganz 
ohne Auszeichnung oder am Grunde oder am Ende angeschwollen 
oder vorspringend. Epimeren wie der übrige Rücken ohne Spur von 
Höckerchen. 

a) Der scharfe Wulstrand vor der Furche hinter den Antennen- 
lappen reicht nach innen deutlich über die Seitenecken des Stirn- 
dreiecks (von oben gesehen) hinaus. Stirnplatte höher und seitlich 
stärker abfallend. Seitenkanten der Stirn außen entschieden höher 
als innen. Telson abgerundet bis abgerundet-abgestutzt. Hinter- 
fläche der Stirnplatte am Grunde in der Mitte mehr oder weniger 
angeschwollen, bisweilen undeutlich. Untere Seiten des Stirndreiecks 
schwächer angelegt und im Bogen verlaufend, Antennenlappen ab- 
gerundet-dreieckig, deutlich mit dem Endzipfel zurückgebogen, 
an diesem etwas angeschwollen und gekrümmt gegen einen 
kräftigen hinter ihnen stehenden Höcker. 


12. simon: Douur. 

b) Der scharfe Wulstrand vor der Furche hinter den Antennen- 
lappen reicht nach innen nicht bis zu den Seitenecken des Stirn- 
dreiecks, sondern bleibt ein gut Stück davon entfernt. Stirnplatte 
niedriger und seitwärts allmählich abfallend. Seitenkanten der 
Stirn außen nicht oder nur unbedeutend höher. Telson abgestutzt. 
Hinterfläche der Stirnplatte am Endrand! in der Mitte an- 


! Bei einem ĝ von Ferrania fehlt dieser Endrandvorsprung der Stirn- 
platte. Es ist aber trotzdem von «lussiense deutlich unterschieden durch die 
(bei gleicher Größe) niedrigere Stirnplatte und die tiefer eingeschnittene Furche 
hinter den Antennenlappen, wodurch diese mehr zurückgezogen erscheinen; auch 
ist ihr Endteil etwas angeschwollen. Die Stirndreieckseiten verlaufen gebogen. 


— 121 — 


geschwollen und vorspringend. Antennenlappen abgerundet bis ab- 
gerundet-abgestutzt, weniger zurückgebogen und hinter ihnen 
ein kleines Höckerchen. Untere Seiten des Stirndreiecks ziemlich 
deutlich angelegt und im Bogen verlaufend. 


13. sordidum DoLLr. 


c) Der scharfe Wulstrand vor der Furche hinter den Antennen- 
lappen bleibt mehr oder weniger von den Seitenecken des Stirn- 
dreiecks entfernt. Stirnplatte höher und daher (wie bei simoni) 
seitlich stärker abfallend. Seitenkanten der Stirn außen entschieden 
höher als innen. Telson breit abgerundet. Hinterfläche der Stirn- 
platte weder am Ende noch am Grunde angeschwollen. Antennen- 
lappen abgerundet, nur sehr wenig zurückgebogen, weniger als bei 
sordidum, am Ende nicht angeschwollen und hinter ihnen nur ein 
sehr kleines Höckerchen. Untere Seiten des Stirndreiecks deutlich 
angelegt und fast gerade verlaufend. (Steht also hinsichtlich der 
Stirnplatte simoni, hinsichtlich der Antennenlappen sordidum näher). 


14. alassiense n. sp.! 


Wenn auch die Riviera-Armadillidien mit Hilfe des Schlüssels 
unschwer wiedererkannt werden dürften, so müssen doch mit Rück- 
sicht auf zahlreiche andere Arten anderweitige Vergleiche angestellt 
werden und verweise ich insbesondere auf meine früheren analy- 


ı Der wesentlichste Unterschied des «lassiense gegenüber simoni liegt in 
den Antennenlappen und ist am besten durch folgendes klarzumachen: Hinter 
den Antennenlappen befindet sich bei diesen Arten eine tiefe, durch die Zurück- 
biegung derselben mehr oder weniger bedeckte Querfurche. Dieselbe ist bei 
simoni viel tiefer als bei alassiense. Betrachtet man die Köpfe ganz von außen, 
so daß sie möglichst im Profil erscheinen, dann sieht man, daß sich bei alassiense 
der Antennenlappen nur wenig nach hinten neigt, daher die Furche von vorn als 
einfache Querfurche erscheint, hinter welcher sich kaum eine Erhebung bemerken 
läßt. Bei simoni dagegen ist der Antennenlappen so stark nach oben und hinten 
gebogen, daß die Furche, von vorn gesehen, fast ganz verdeckt ist, im Profil sieht 
man hinter ihr einen Höcker. Die tiefere und verdecktere Querfurche des simoni 
ist einfach die Folge der stärkeren Vorragung und Umbiegung des Endgebietes 
der Antennenlappen. Je älter und größer die Individuen sind, desto 
schärfer treten diese Unterschiede hervor. Bei den geschlechts- 
reifen des simon! macht sich besonders eine Anschwellung des zurückgebogenen 
Antennenlappenstückes bemerkbar, wodurch es dem dahinter befindlichen Höcker 
fast bis zur Berührung genähert wird, während man bei geschlechtsreifen 
alassiense ebenso wie bei Halbwüchsigen von vorn her in die Querfurche 
schauen kann. 


— 12 — 


tischen Übersichten, den 9. Aufsatz 1907 in No. 15/16 und den 
14. Aufsatz in No. 13/14 1908 des Zoolog. Anzeigers. 


b) Bemerkungen zu den Arten des vorstehenden Schlüssels. 

1. nasıtum B.-L. (genuinum) wurde von mir nur im nächsten 
Bereich der Küste und in den benachbarten Tälern beobachtet. Der 
höchste mir vorgekommene Punkt ist das Castellaccio bei Genua, 
d. h. die kahlen Höhen von 300—370 m Höhe in dessen Nachbar- 
schaft. Gemein war die Art im Serpentin-Flußgeröll bei Pegli unter 
den neben Kräutern liegenden Steinen. Häufig fand ich sie Anfang 
April bei S. Remo dicht über der Meeresküste in den Löchern und 
Rissen einer sonnigen Lehmwand. 

A. nasutum sorrentinum VERH. möge an dieser Stelle noch 
eine besondere Erwähnung finden. In No. 13/14 des Zoolog. An- 
zeigers 1908, S. 454 und 455, habe ich diese Rasse vom typischen 
nasutum durch die bedeutendere Größe und dabei niedrigere Stirn- 
platte unterschieden. 

Es gelang mir, von lebend mit heimgebrachten sorrentinum 
Mitte Juni 1908 zahlreiche Larven zu erziehen, 172 Stück von 3 9, 
und diese Larven nicht nur am Leben zu erhalten, sondern weiter 
aufzuziehen. Ca. 70 Stück derselben habe ich ein Jahr lang lebend 
erhalten und fand unter ihnen Mitte Juni 1909, d. h. also bei genau 
einjährigen Individuen, bereits 6 9 mit Embryonen und auch eines 
schon mit reifen Larven. Diese Weibchen, welche unter den ein- 
jährigen Aufzuchttieren zugleich die größten sind, bleiben mit 11 
—13'!/3 mm Länge erheblich zurück gegen die Größe ihrer im Freien 
gesammelten Muttertiere (von 16--17 mm). Während junge sorren- 
tinum von 4'/:—5 mm Länge (mit 7 Beinpaaren) entweder fast ganz 
grau gefärbt erscheinen oder aber meistens auf grauem Grunde 
4 Reihen graubrauner Flecke erkennen lassen (2 paramedian und 
eine jederseits am Grund der Epimeren), besitzen die einjährigen 
Aufzuchttiere einen einfarbigen schieferschwarzen bis bleigrauen 
Rücken, sind also den im Freien gesammelten Tieren ähnlich, nur 
etwas blasser. Die aufgezogenen Individuen sind aber auch deshalb 
besonders beachtenswert, weil sie jeden Zweifel benehmen, daß 
sorrentinum eine selbständige Form darstellt. Sie unterscheiden sich 
nämlich von gleich großen Individuen des nasutum ebenso auf- 
fällig wie die größten im Freien gefundenen Stücke durch die viel 
breitere, d. h. niedrigere Stirnplatte, was durch folgende Gegenüber- 
stellung zum Ausdruck kommen soll: 


nasutum B.-L. sorrentinum VERH. 


| 
Der von hinten und oben sicht- | Dieser sichtbare Teil der Stirn- 
bare Teil der Stirnplatte ist bei den | platte ist bei den größten Individuen 
größeren Individuen von 13—14 mm | von 15—17 mm Länge entschieden 
Länge so lang wie breit oder nur wenig | etwas breiter als lang, bei den jün- 
breiter, bei den kleineren Individuen | geren von 11—14 mm Länge bedeu- 
von 10—13 mm Länge bis 2mal breiter | tend und zwar 3—4mal breiter als 
als lang. | lang. 


Das Eigentümliche des sorrentinum liegt also darin, daß die 
Stirnplatte nicht so stark herauswächst wie bei nasutum, obwohl 
eine bedeutendere allgemeine Körpergröße vorkommt. 


2. vulgare aut. ist im Bereich der Riviera sehr häufig und 
besitzt immer ein abgestutztes Telson. Sie kommt in allen von 
mir besuchten Gebieten vor, d. h. von O—700 m Höhe. Besonders 
beachtenswert ist der Umstand, daß sie nicht nur einerseits fern 
vom Meer unter Laub vorkommt, sondern auch anderseits gern 
ım Strandgebiet selbst, und zwar sowohl in Lehmwänden dicht ober- 
halb der Küste und auf entsprechenden Rasenplätzen unter Steinen, 
als auch in dem vom Salzwasser unmittelbar benetzten, eigentlichen 
Strandrevier unter Steinen und Seegras (St. Jean und St. Maxime). 


3. quadriseriatum Vern. Diese schöne und leicht erkennbare 
Art ıst auffallend eng begrenzt, da ich sie bei Noli zwar häufig, 
weiter ost- und westwärts aber überhaupt nirgends angetroffen habe. 
Man kann daher vermuten, daß ihre Ausbreitung durch den etwa 
von Ceriale bis Bergeggi reichenden Triaskalk einerseits und das 
Seeklima anderseits begrenzt wird. 


P. Tua hat in Bolletino d. Mus. d. Zool. ed Anat. di Torino. 
Vol. XV. 1900. No. 374 eine Contribuzione alla conoscenza degli 
Isopodi terrestri italiani veröffentlicht, in welcher u. a. S. 5 ein 
„Armadillidium gestri“ beschrieben wurde, welches der „Riviera di 
Ponente, Borgio Marina“ entstammt und seiner Beschreibung nach 
zweifellos mit guadriseriatum sehr nahe verwandt ist. Da als Fund- 
ort von Tua auch „Finalmarina“ genannt wird, dieses aber Noli 
benachbart liegt, ist gestri sogar höchst wahrscheinlich mit qua- 
driseriatum identisch. Die von Tva gelieferte Beschreibung, nament- 
lich seine Abbildungen 3a und 3b entsprechen allerdings meinem 
quadriseriatum durchaus nicht, die Höckerchen des Truncus sind bei 
gestri spärlicher, vor allem aber ist die Ausbuchtung am Hinterrand 
des 1. Truncussegmentes jederseits viel stärker und die Hinterzipfel 
der 1. Epimeren sind viel größer als bei yuadriseriatum. Da die 


— 124 — 


Abbildungen von Tua jedoch einen ungenauen Eindruck machen und 
auch ganz offenkundige Fehler enthalten — es ist z. B. in der 
Abb. 3a nichts von Stirnseitenkanten und in Abb. 3b nichts von Uro- 
podenpropoditen zu sehen — so ist es sehr wahrscheinlich, daß 
auch die Unterschiede gegenüber quadriseriatum auf unrichtiger Be- 
schreibung beruhen. Bestätigt sich diese Vermutung, dann ist das 
„.t. gestri“ einzuziehen. 

Tua hat a. a. O. übrigens auch noch ein „A. brevicaudatum“ 
von Moncenisio beschrieben und eine Abb. 2b dazu geliefert, welche 
ganz unverständlich ist, da das Hinterende des Rumpfes eine Bil- 
dung zeigt, welche einerseits bei Armadillidium gar nicht vorkommt 
und anderseits überhaupt nicht richtig sein kann. 

4. naupliense Vern. (= granulatum Bra. e. p.) Nachdem ich 
das A. granulatum im älteren Sinne in mehrere Arten zerlegt habe, 
blieb der Name auf eine stärker gehöckerte dalmatinische Art be- 
schränkt. Das A. naupliense, welches ich im vorigen Jahre aus dem 
östlichen Sizilien nachwies, ist diejenige Form, welche unter dem 
Namen granulatum (namentlich von A. Dortrus) auch von der 
Riviera nachgewiesen worden ist. Mit naupliense muß ich lusitanum 
VERH. wieder vereinigen, nachdem ich an der Hand vieler Individuen 
mich überzeugt habe, daß die betreffenden Unterschiede in der 
Höckerchenbildung und der deutlicheren oder schwächeren Zurück- 
krüämmung der Antennenlappen durch Variation verbunden werden, 
wobei sich dieselben Variationen an verschiedenen Orten wiederholen. 

A. naupliense dürfte auch an der Riviera zu den jüngeren Ein- 
wanderern gehören, wenigstens habe ich das Tier ausschließlich auf 
den Halbinseln an der Ponente gefunden, und zwar vereinzelt bei 
Kap Martin und Antibes, in größerer Zahl nur auf der Halbinsel 
St. Jean unter Geröll an einer Mauer, in der Nähe des östlichen 
Friedhofes etwa 40 Stück erwachsene, z. T. mit schwefelgelben 
Flecken, und eine Reihe jüngerer von 4!/.—5 mm. 

A. DorLrus hält diese Art ebenfalls für eine derjenigen, welche 
durch den Menschen verschleppt worden sind und altes Gemäuer 
bevorzugen. „Elle ne quitte guère le voisinage des habitations“. 
Nach meinen Erfahrungen ist naupliense zwar nirgends im Bereich 
der eigentlichen vom Meer befeuchteten Strandzone anzutreffen, aber 
die nächst benachbarte, den Seewinden unmittelbar ausgesetzte 
Küstenzone ist die Heimat dieses lsopoden, dem ich in namhafter 
Entfernung vom Meere niemals begegnet bin. 

5. quinquepustulatum B.-L. Wurde von mir unter Steinen im 


trockenen Korkeichenwald bei Le Muy am Nordabhang des Mauren- 
gebirges auf Porphyr gesammelt, 2 d, 19, ein Halbwüchsiger. Diese 
Art kann in meinem 9. Isopodenaufsatz neben No. 30 luridum ein- 
gereiht werden und unterscheidet sich von demselben durch Glanz, 
Fleckenreihen und stärker gebogene Seitenkanten der Stirn, welche 
innen weiter hinter die Stirnplatte gebogen sind. Auch corcyraeum 
VERH. No. 42 ist nahe verwandt, aber durch gerade Seitenkanten 
der Stirn schon leicht unterscheidbar. 

6. pujetanum n. sp. Bis 11'/2 mm lang. Obwohl mit estere- 
lanum nahe verwandt, ist diese Art dennoch sofort leicht zu unter- 
scheiden durch die kleinere Fleckung und den matteren Rücken. 
Auf den hinteren Truncussegmenten ist nicht nur der Medianfleck 
meist in zwei kleinere zerteilt, sondern auch die seitlichen Rücken- 
flecke sind in zwei kleinere zerfallen. Die zahlreicheren, aber 
kleineren Truncusflecke fand ich, im scharfen Gegensatz zu estere- 
lanum, bei allen Individuen im wesentlichen gleich ausgeprägt. 
Während bei esterelanum die beiden ersten Pleonsegmente ganz 
schwarz sind oder nur einen einzelnen asymmetrischen Fleck auf- 
weisen, sind bei pujelanum beide mit 1—3 Fleckchen geziert. 

Etwa 40 Stück sammelte ich unter Kalksteinen am 18. April 
im Vartal, oberhalb Pujet-Theniers, am Fuß einer Bergwand am 
Waldrande neben Quercus-Laub. 

7. esterelanum Dorr. Dieses Charaktertier des Esterel sammelte 
ich am Südabhang des Pic d’Aurel im Korkeichen- und Kiefernwald 
unter Steinen (16 Stück). Ein einzelnes ọ fand ich im Korkeichen- 
wald aber auch bei Le Muy im Maurengebirge. 

8. maculatum (Rısso), (non Vern.) (= willii B.-L.). In dem 
Gebiet zwischen Bordighera und dem Esterel ist diese Art ein häu- 
figes Charaktertier, anderweitig aber nirgends beobachtet worden. 
Dieser Umstand trug wesentlich dazu bei, daß ich die Art erst jetzt, ` 
nachdem ich sie zahlreich selbst gesammelt hatte, richtig erkannte, 
zumal sie von DorLrus als „très commun“ hervorgehoben wurde. 
Zugleich schilderte er sein A. simoni als durch ein fast spitzes Telson 
ausgezeichnet, während es nach meinen Feststellungen am Ende 
breit abgerundet ist, also eher seiner Abbildung 13 entspricht, ob- 
wohl diese insofern nicht richtig ist, als auch bei dem echten 
maculatum die Seiten des Telson nicht so stark eingebuchtet sind 
als es Dortrus zeichnet!. Da nun die charakteristischen Kopf- 


!: A. a O. hat auch P. Tua sein Befremden darüber ausgedrückt. daß 
nach Dollfus das Telson des maculatum „est incurvé sur les côtés“, während 


= 16 — 


auszeichnungen von ihm nicht gebührend hervorgehoben worden 
sind, auch nicht die Segmentprofile, so war ich hinsichtlich der 
Deutung des maculatum Vers. in einer schwierigen Lage. Die Ein- 
buchtungen des Telson und die Angaben über die Fleckenzeichnung 
machten mir von vornherein Bedenken; da aber mein maculatum 
an der Riviera nicht selten ist, maculatum DoLtr. dort gemein sein 
sollte und mir kein anderes auf diesen beziehbares Tier vorlag, so 
mußte ich an eine Identität glauben. Das echte, schon durch seine 
weißen Zeichnungen so sehr auffallende maculatum Rısso, welches 
Buppe-Lunnp unter dem Namen willii viel besser beschrieben hat als 
DorLrus, gab mir in natura sofort Aufschluß, da es ja mit maculatum 
Veru. nicht nur nach Zeichnung und Kopfbildung, sondern auch 
nach dem seitlichen Abfall der Truncussegmente nichts zu tun hat, 
d. h. in eine ganz andere Gruppe gehört. Da nun maculatum Veru. 
fraglos mit simon? DoLtr. identisch ist, muß ich gestehen, daß 
Dorurus 1892 in seinem Armadillidium-Aufsatz die Unterscheidung 
von maculutum und simoni sehr unglücklich zum Ausdruck ge- 
bracht hat. 

In meinem 9. Isopodenaufsatz läßt sich maculatum Rısso, DoLLr. 
neben No. 47, A. baldense Vern., einreihen, von dem es sich durch 
abgerundetes Telson und die weißen Zeichnungen leicht unterscheiden 
läßt. A. esierelanum und pujetanum sind ebenfalls mit maculatum 
nahe verwandt, wie auch der obige Schlüssel zeigt. 

An den sonnigen Abhängen von Grimaldi lebt die Art zwischen 
Oliven und Opuntien. Am Mt. Nero bei Ospedaletti habe ich macu- 
latum in einer steilen Schlucht am 6. April gesammelt (22 Stück), 
was zugleich das östlichste mir bekannte Vorkommen ist, denn bei 
S. Remo habe ich maculatum schon nirgends mehr zu Gesicht be- 
kommen. Bei La Turbie fand ich 11 Stück in 300—350 m Höhe 
unter Steinen und Lorbeereichenlaub. Am Kap Martin und auf der 
Halbinsel Antibes ist die Art in den Maquis häufig und geht bis in 
die nächste Nähe der Strandzone, d. h. soweit noch die Pflanzen- 
welt gegen das Strandgeklüft reicht. 22. April fanden sich sowohl 
Erwachsene als auch Halbwüchsige von 5—8 mm. Lebend mit- 
geführte Individuen tragen jetzt Ende Juni Embryonen im stark auf- 
getriebenen Brutraum. Am Südabhang der Felsen von St. Agnes 
(bei Mentone) in 600—700 m Höhe fand ich ca. 30 Stück unter 


Budde-Lund mit „lateribus subrectis“ die richtige Beschreibung gab. Doll- 
fus hat sich also entweder geirrt oder zufällig ein abnormes Individuum ge- 
zeichnet. 


— 127 — 


Kalksteinen. Im Vargebirge und Esterel dagegen ist mir maculatum 
nirgends vorgekommen. 

Die aberr. zonatum DouLr. betrachte ich als solche und nicht 
als Varietät, weil sie vereinzelt zwischen der Grundform vorkommt 
und durch Übergänge mit den übrigen sehr variablen Individuen 
verbunden ist. Da die Variabilität auch noch mit sehr auffallender 
Zeichnungs-Asymmetrie vereinigt ist, lassen sich keine Zeichnungs- 
varietäten unterscheiden, so sehr auch die extremen Individuen von- 
einander abweichen. 

9. maculatum cingendum n. subsp. ist ein östlicher Abkömm- 
ling des echten maculatum, den ich nur aus der Umgebung von 
Alassio kenne und welcher sich im Gegensatz zu jenem durch 
eine recht beständige weiße Querbänderung auszeichnet. Etwa 
40 Stück sammelte ich an einem mit Gestrüpp bewachsenen Berg- 
abhang bei Alassio unter Steinen, 6 Stück an der Halbinsel des 
Kap Mele neben einer Strandkiesbank unter Kräutern und Steinen. 
Junge von 3—6 mm zeigen schon dieselbe Querbänderung wie die 
Erwachsenen. 

10. depressum Bra. wurde von Tua für Genua angegeben. Ich 
selbst habe diese Art von Südtirol, von Florenz, dem Albaner- 
gebirge und besonders zahlreich aus der Gegend von Cassino zu 
verzeichnen gehabt. An der Riviera will Dorırus sie bei Mentone, 
Cannes und Toulon beobachtet haben. Ich selbst habe sie im süd- 
östlichen Frankreich nur in einem Stück am Kap Martin gefunden, 
an der Riviera westlich von Genua sonst nur noch bei Pegli, hier 
aber war sie in einem’‘Serpentintal unter Geröll unweit des Flüß- 
chens so häufig, daß ich gegen 100 meist mit gelben Fleckenreihen 
gezierte und meist halbwüchsige Stücke sammeln konnte, an einem 
Bergabhang auch 7 erwachsene, 6 d ganz schwarz, ein 9 mit 
3 Reihen gelber Flecke. 

11. portofinense Vern.! Diese zunächst in wenigen Stücken 
bei Portofino entdeckte Art fand ich in ca. 330 m Höhe Ende April 
zahlreich auf einem kahlen Bergrücken oberhalb Genua unter Kalk- 
steinplatten, und zwar gesellig mehrfach um oder neben einem Eu- 
scorpius. Dieses anscheinend friedliche Nebeneinander beider Tiere 
veranlaßte mich, 2 Stück des Euscorpius (wohl italicus) mit 20 Stück 
des Armadillidium portofinense gemeinsam in eine Glaskapsel zu 


1 P, Tua hat für Genova“ A. pallasii B.-L. angegeben, während er 
portofinense nicht kennt. Hier liegt zweifellos ein Irrtum vor, d. h. die als 
„pallasii“ bestimmten Tiere sind auf portofinense zu beziehen. 


— 128 — 


bringen. Dieselben überdauerten vortrefflich die Heimreise und haben 
sich auch jetzt während zweier Monate gut miteinander vertragen 
und hocken oft gemeinsam unter Rindenstückchen, welche ich ihnen 
als Zufluchtsort geboten. Ich habe wiederholt gesehen, daß porto- 
finense friedlich zwischen den Zangen oder über den Rücken eines 
Skorpion spazierte, so daß nicht etwa die Glätte des Panzers ein- 
gerollter Tiere der einzige Grund ist, weshalb sie von den Waffen 
dieser Skorpione unbehelligt bleiben. In den Uropoden von Arma- 
dillidium münden Wehrdrüsen, welche außen neben den Exopoditen 
derselben bei Gefahr einen scharf riechenden, grauwässerigen 
Tropfen abzusondern vermögen. Andere Wehrdrüsen münden in den 
Vorderzipfeln der 1. Truncusepimeren. Diese, die beiden Körperpole 
schützenden Wehrdrüsen machen die Armadillidien oder doch 
wenigstens porlofinense und nasutum für die Euscorpius unschmack- 
haft, und der Panzer im Verein mit der Kugelung erschweren aller- 
dings auch außerdem etwaige Angriffe. Die Wehrdrüsen eines 
Dutzend Armadillidien mögen auch manchen Feinden der Euscorpius 
unangenehm sein, die Armadillidien genießen jedenfalls von Eu- 
scorpius einen Schutz, wenn diese mit Stachel und Scheren Angriffe 
abschlagen. Ich konnte das an einem Beispiel direkt beobachten, 
indem ich zu meiner Armadillidium-Fuscorpius-Gesellschaft einen 
Carabus auratus hinzusetzte.e. Die Armadillidien verbargen sich 
unter den Rindenstücken, während die Euscorpius heftige Zangen- 
hiebe austeilten, so daß der Carabus in beständiger Aufregung war 
und keinerlei Beute machte. 

12. simoni Dorir. |= maculatum Veru. non Rısso.]|. Tua 
hat diese Art nur von Spezia angegeben. Nach meinen Beob- 
achtungen ist sie aber eine der häufigsten in Öberitalien. So 
habe ich ca. 90 Stück teils in Olivenpflanzungen, teils in Kastanien- 
beständen bei Portofino und S. Margherita gesammelt. Über 30 Stück 
bei Massa und Carrara fand ich unter Steinen auf Kalk, Sand- 
stein und Urschiefer, darunter ein d von 23'/2 mm Länge. Einige 
Stücke habe ich auch von Pontremoli, Nervi und Spezia zu ver- 
zeichnen. (Unter letzteren habe ıch anfänglich, als mir erst wenige 
Individuen zugänglich waren, eines als dollfusi beschrieben, es ge- 
hört aber zweifellos zu simoni.) 17 Stück fand ich bei Ronco in 
den ligurischen Apenninen unter Kalksteinen, stets das d schwarz, 
das @ marmoriert. Einzelne Stücke von Pegli unter Serpentinsteinen 
und aus dem Urgebirge bei Savona (Letimbrotal). 

Dorres, welcher diese Art von der französischen Riviera 


— 129 — 


beschrieb, bildete ein schmal abgerundetes Telson ab, was ich zwar 
auch beobachtete, jedoch bei der Minderzahl der Individuen; bei 
den meisten Stücken fand ıch das Telson breit abgerundet. 

A. carniolense Vers. kommt an der Riviera nicht vor. Wenn 
wir diese Form subordinieren wollen, muß sie benannt werden si- 
moni carniolense. 

13. sordidum DouLr. beschrieb der Autor nach Stücken aus 
S. Remo und behauptet, daß diese Art auch in Korsika vorkomme. 
Ich selbst sammelte bei S. Remo und Bordighera etwa 60 Stück 
unter Kalk- und Sandsteinen, namentlich in Oliventerrassen, wobei 
sich das d gewöhnlich durch schieferschwarze, das @ durch grau- 
gelb und braunschwarz gesprenkelte Zeichnung auszeichnete. Ich 
sah auch einen rötlichgelben Rufino 9 und einige Stücke (9), welche 
auf schwarzem Grunde unregelmäßig gelb gesprenkelt waren. Junge 
sind graugelb und schwefelgelb bis braun marmoriert und zeigen 
im übrigen die bekannten vier Reihen aschgrauer Längswische. 
Einige Stücke beobachtete ich bei Noli und bei Ferrania in den 
Iigurischen Apenninen. Früher eıwähnte ich die Art schon von 
Fiesole und Orvieto. 

A. marinense und vallombrosue VERH. sind an der Riviera 
nirgends gefunden worden. 

14. A. alassiense n. sp., Länge bis 20’;s mm. Bei Alassio 
und dem benachbarten Kap Mele entdeckte ich diese Art unter Kalk- 
steinen am 28. April, und zwar 5 d, 4 9, einen Halbwüchsigen. 
In Gestalt, Größe, Zeichnung und überhaupt allen oben nicht er- 
wähnten Merkmalen schließt sich diese Art eng an simoni und 
sordidum, ın der höheren Stirnplatte sich dem ersteren, in den 
sehr wenig zurückgebogenen Autennenlappen mehr dem letzteren 
nähernd, durch die fast geraden Stirndreieckseiten von beiden ab- 
weichend. Die Männchen sind wieder vorwiegend schieferschwarz 
gefärbt, während die schmutzig graugelben Weibchen graubraun und 
gelblich unregelmäßig gesprenkelt sind. Hinsichtlich der Körper- 
abdachung stimmt diese Art mit jenen beiden ebenso überein, wie 
in der Gestalt der Epimeren des 1. Truncussegmentes. 


c) Geographisch-biologischer Überblick. 
1. Vertikale Verbreitung. 


In der von den Meereswogen durchnäßten Strandzone kommt 
nur Armadillidium vulgare vor, zugleich die einzige weit ver- 
breitete Art. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ, 1910. 9 


=, 3% = 


Tertiärkalke der italienischen Ponente mit «lussiense und cinyendum, 
Triaskalk von Noli mit quadiseriatum. Aus dem Urgebirge westlich 
von Genua ist bisher kein endemisches Armadillidium bekannt ge- 
worden, porfofinense gehört dem Tertiärkalk der Levante an, während 
aus den mesozoischen apuanischen Kalken auch noch nichts be- 
kannt wurde. 

Unter diesen endemischen Riviera-ÄArten ist maculatum noch 
die ausgedehnteste und häufigste und sie hat sich östlich auch 
etwas über das Gebiet der mesozoischen Kalke hinaus ausgedehnt 
(Ospedaletti). Es ist ja auch von vornherein begreiflich, daß bei 
einem Land-Isopoden eine Verbreitung von einer Kalkformation in 
eine andere weit eher erfolgen kann, als ins kalkarme Urgebirge. 
Dementsprechend ist maculatum im Esterel und Maurengebirge nirgends 
gefunden worden (und hier stimmen meine Beobachtungen voll- 
kommen mit denen von A. Dorres überein), während umgekehrt 
quinquepustulatum und esterelanum im mesozoischen benachbarten 
Kalkgebirge fehlen. Merkwürdig ist es, daß die für die Gegend von 
Alassio charakteristischen alassiense und cingendum in den west- 
lichen Teilen derselben Formation, namentlich bei S. Remo, mir nicht 
vorgekommen sind. Jedenfalls ist die Lokalisierung bestimmter 
Arten in bestimmten Formationen auf Grund der zahl- 
reichen vorliegenden Individuen eine Tatsache, welche anderweitige 
Funde schwerlich erschüttern können. 

Die Entstehung besonderer Arten durch Separation 
erfolute bei Armadillidium zweifellos unter Mitwirkung der geo- 
logischen Verhältnisse, wobei ich aber weniger an die chemische 
Beschaffenheit des Gesteins denke, als vielmehr an die mechanische 
der Oberfläche der Steine, unter welchen diese Arma- 
dillidien hausen. Ganz bestinnmte Rauheiten, Löcher oder Risse 
der Steintrümmer einer bestimmten Formation werden einer be- 
stimmten Art so zur Gewohnheit, daß sie andersartige Steine 
verschmäht. 

Die Levante ıst bekanntlich erheblich regenreicher als die 
Ponente. Man sollte, da die lsopoden doch ein gewisses Feuchtig- 
keitsbedürfnis haben, also annehmen, daß der östlichen Riviera zahl- 
reichere Arten zukämen als der westlichen. Es ist aber das Gegen- 
teil der Fall, denn wenn wir die Riviera etwa bei Vado westlich 
von Savona halbieren, finden wir in der östlichen Hälfte nur eine 
endemische Art, oder wenn wir das Triasgebiet von Noli der öst- 
lichen Hälfte noch zuzählen wollen, bleibt die westliche doch 


=.) = 


immer noch mit sechs endemischen Arten gegen zwei 
der östlichen begünstigt. Es müssen also die ım Westen 
zahlreicheren Formationsgeinste und das stärkere Heranärängen der 
Gebirge an die Küste der Ausbildung endemischer Formen 
günstiger gewesen seın als im Osten, wo die apnanıschen 
Berge von der Küste überhanpt entfernt bleiben. 

Ein gemeinsamer aufßulıender Charakterzug der endemischen 
Arten der Riviera Ponente hegt darin. dab sie. mit Ausnahme 
des alassiense, der maralatam-Gruppe angehören und durch scharf 
ausgeprägte. höchst auffällige, weibe bis gelbweißde Fleckenlängs- 
reihen oder Querbänder. oder ein Gemisch von beiden ausgezeichnet 
sind, während derartige Armadıllidıen aus dem Bereich 
der Levante überhaupt nicht bekannt sind. Vielmehr 
steht A. quadrisrriatum nicht nur als Angehöriger der depressum- 
Gruppe zu jenen West-Riviera-Endemi-chen im Gegensatz, sondern 
auch durch den Veriauf seiner eroßen paramedianen Fleckenreihen. 
Da wir durch cinuendem für Alassio den östlichsten Vorposten der 
maculatum-Gruppe kennen gelernt haben, die d-pressum-Gruppe 
aber hauptsächlich ım eigentlichen Italien verbreitet ist. abgesehen 
von den Alpen, so erscheint ulassiense bei Alassio als ein westlicher 
Vorposten der «drpressum-Gruppe. ein Grund mehr, als die Grenze 
zwischen den beiden Riviera-Hauprschnitten die Gegend von Alassio— 
Noli zu betrachten. _1. sordidum und namentlich simoni sind nach 
meinen Erfahrungen in den östlichen Riviera-Gebieten ebenfalls 
reichlicher vertreten als in den westlichen. 


II. Porcellio. 
Untergattung Euporcellio \rkn. 
Im Vergleich mit Armadillidium ist Euporedlio an der Riviera 


schwächer vertreten. Ich selbst habe nur sechs Arten feststellen 
können, nämlich: 


1. laevis LATREILLE, 4. lugubris orarum n. subsp. 
2. ddatatus BEANDT, 5. spinipennis B.-L. 
3. monticola LEREKOVILLET, ©. pryelanus n. sp. 


Von P. Tra wird für Spezia und Portovenere noch P. maryinolis 
B.-L. angegeben. Da jedoch Bepve-Lexn seinen marginalis von 
Triest angeführt hat („Tergeste“) und Tra den lugubris orarum, 
welcher doch der gemeinste Tuviera-J’orcelleo ist, überhaupt nicht. 
aufgeführt hat, scheinen mir Bedenken hinsichtlich des maryinalis 


— 130 — 


Im Küstengebiet, d. h. in einem außerhalb der Strandzone 
befindlichen, mindestens 10 km breiten Landstreifen, dessen Klima 
in ausgiebiger Weise vom Meer durch Kühle und Feuchtigkeit be- 
einflußt wird, vor allem aber durch gleichmäßigere Temperaturen 
ausgezeichnet ist, heimaten alle genannten Arten, mit Ausnahme des 
pujetanum. Sie leben hier unter Steinen, Pflanzenabfällen oder in 
Erdspalten und besiedeln namentlich die Olivenpflanzungen und Maquis, 
an der Levante auch Kastanienbestände, im französischen Gebiet 
Kiefern- und Korkeichenwälder. Innerhalb dieses Küstengebietes 
sind die unteren Teile, etwa von 0—300 m, wieder die besonders 
begünstigten, was sich in der bekannten reichlichen Vegetation kund- 
gibt, während zwischen 300 und 700 m oft recht öde Berghalden 
angetroffen werden. Mildes Klima und reichliche Vegetation wirken 
also vereint, die Isopoden mehr in der Nähe der Küste festzuhalten. 

Alle diese Arten sind deshalb auch auf den ins Meer vor- 
springenden Halbinseln zu erwarten, unter denen ich vor allem 
nenne die Halbinsel von Portofino, Kap Mele, Kap Martin und die 
Halbinseln von St. Jean und Antibes. Tatsächlich gefunden habe ich 
auf denselben: vulgare, nasutum, naupliense, maculatum, cingendum, 
depressum, portofinense, simoni und alassiense. 

In den der Riviera benachbarten Hınterländern, und zwar 
den Gebieten, welche entweder durch besondere Höhe (über 300 m) 
oder größere Entfernung vom Meer, 20 km und mehr, ausgezeichnet 
sind, bleibt der Forschung noch viel zu tun übrig. Vorläufig kann 
ich nur A. pujetanum nennen als eine Art, welche ausschließlich 
im oberen Vartal gefunden ist, d. h. über 40 km von der Küste 
entfernt. Als Rivierahinterländer kann man diejenigen über 10 aber 
auch noch über 20 km von der Küste entfernten und nach dem 
Mittelmeer abwässernden Gebiete bezeichnen, welche sich zwischen 
dem Rhone-Delta im Westen und dem Arno im Osten befinden. 
Es handelt sich in dieser geographischen Provinz um meist kurze 
Küstenflüsse, und es ist daher bemerkenswert, daß ich pwjelanum 
gerade im Gebiet des Var, d. h. des längsten dieser Küstenflüsse 
aufgefunden habe. 

Es bleiben noch einige Arten zu nennen, welche zwar auch 
vorherrschend in dem Küstengebiet unter 300 m heimaten, hier und 
da aber auch zwischen 300 und 700 m Höhe angetroffen worden 
sind, ich nenne hier vulgare, nasıtum, maculatum, portofinense, 
simoni nnd sordidum. 

Am meisten an die nächste Nähe der Küste und darum auch 


— 131 — 


an die Halbinseln gebannt zu sein scheint naupliense, den ich über- 
haupt niemals an einem irgendwie höher gelegenen Punkte beobachtet 
habe. Hier möchte ich darauf hinweisen, daß die stärker ge- 
höckerten Armadillidium-Arten im allgemeinen sich 
durch eine Vorliebe für die Meeresnähe auszeichnen, 
ich nenne insbesondere außer naupliense noch granulatum, pelle- 
grinense, tunetanum, frontirostre, pallasii und scaberrimun, während 
im Gegensatz dazu die weite Binnenländer bewohnenden Arten, wie 
opacum, versicolor, pictum und pulchellum durch vollkommen glatten 
Rücken ausgezeichnet sind. 


2. Horizontale Verbreitung. 


Ein Überblick über unsere 14 Armadillidium-Arten lehrt als- 
bald, daß wir dieselben in zwei geographische Gruppen teilen können, 
nämlich 

œ) Arten, welche weiter verbreitet sind und sich jedenfalls auch 
außerhalb der Riviera finden und 

p) solche, welche ausschließlich aus dem Bereich der 
Riviera bekannt sind. 

Als weiter verbreitete Arten sind zu nennen: vulgare, nasutum, 
naupliense, depressum, simoni und sordidum. 

A. simoni und sordidum ziehen sich weiter herein nach Mittel- 
italien, da sie aber nur westlich des Apennin bekannt sind, nord- 
östlich und in Süditalien nicht, so kann die Riviera nebst Toskana 
als ihre Heimat bezeichnet werden, d. h. diese Arten haben eine 
geringere Verbreitung wie die vier vorgenannten, aber eine weitere 
als die eigentlichen Riviera-Arten. 

A. depressum zieht sich durch einen großen Teil Italiens vom 
Norden bis zum Süden, naupliense reicht von Griechenland bis nach 
Portugal, nasutum von Mittelitalien bis nach dem westlichen Frank- 
reich und ist auch noch weiterhin verschleppt worden, vulgare ist 
auf dem Wege, Kosmopolit zu werden. 

Es bleiben somit acht der Riviera endemische Arten, welche 
in ihrem Vorkommen offenkundig mit den geologischen Verhält- 
nissen in Zusammenhang stehen. Fassen wir die Formationen der 
Riviera in ihren Hauptzügen ins Auge, so können wir deren folgende 
unterscheiden in der Folge von Westen nach Osten: 

Urgebirge des Esterel und Maurengebirges mit quinquepustu- 
latum und esterelanum, mesozoische Kalke des südöstlichen Frank- 


reich mit maculatum im Küstengebiet, pujetanum im Vargebirge, 
y%* 


— 132 — 


Tertiärkalke der italienischen Ponente mit alassicnse und cingendum, 
Triaskalk von Noli mit quadiseriatem. Aus dem Urgebirge westlich 
von Genua ist bisher kein endemisches Armadillidium bekannt ge- 
worden, portofinense gehört dem Tertiärkalk der Levante an, während 
aus den mesozoischen apuanischen Kalken auch noch nichts be- 
kannt wurde. 

Unter diesen endemischen Riviera-Arten ist maculatum noch 
die ausgedehnteste und häufigste und sie hat sich östlich auch 
etwas über das Gebiet der mesozoischen Kalke hinaus ausgedehnt 
(Ospedaletti). Es ist ja auch von vornherein begreiflich, daß bei 
einem Land-Isopoden eine Verbreitung von einer Kalkformation in 
eine andere weit eher erfolgen kann, als ins kalkarme Urgebirge. 
Dementsprechend ist maculatum im Esterel und Maurengebirge nirgends 
gefunden worden (und hier stimmen meine Beobachtungen voll- 
kommen mit denen von A. Dortrus überein), während umgekehrt 
quinquepustilatum und esterelanum im mesozoischen benachbarten 
Kalkgebirge fehlen. Merkwürdig ist es, daß die für die Gegend von 
Alassio charakteristischen alassiense und cingendum in den west- 
lichen Teilen derselben Formation, namentlich bei S. Remo, mir nicht 
vorgekommen sind. Jedenfalls ist die Lokalisierung bestimmter 
Arten in bestimmten Formationen auf Grund der zahl- 
reichen vorliegenden Individuen eine Tatsache, welche anderweitige 
Funde schwerlich erschüttern können. 

Die Entstehung besonderer Arten durch Separation 
erfolgte bei Armadillidium zweifellos unter Mitwirkung der geo- 
logıschen Verhältnisse, wobei ich aber weniger an die chemische 
Beschaffenheit des Gesteins denke, als vielmehr an die mechanische 
der Oberfläche der Steine, unter welchen diese Arma- 
dillidien hausen. Ganz bestimmte Rauheiten, Löcher oder Risse 
der Steintrümmer einer bestimmten Formation werden einer be- 
stimmten Art so zur Gewohnheit, daß sie andersartige Steine 
verschmäht. 

Die Levante ıst bekanntlich erheblich regenreicher als die 
Ponente. Man sollte, da die Isopoden doch ein gewisses Feuchtig- 
keitsbedürfnis haben, also annelımen, daß der östlichen Riviera zahl- 
reichere Arten zukämen als der wastlichen. Es ist aber das Gegen- 
teil der Fall, denn wenn wir die Riviera etwa bei Vado westlich 
von Savona halbieren, finden wir in der östlichen Hälfte nur eine 
endemische Art, oder wenn wir das Triasgebiet von Noli der öst- 
lichen Hälfte noch zuzählen wollen, bleibt die westliche doch 


— 13 — 


immer noch mit sechs endemischen Arten gegen zwei 
der östlichen begünstigt. Es müssen also die im Westen 
zahlreicheren Formationsgebiete und das stärkere Herandrängen der 
Gebirge an die Küste der Ausbildung endemischer Formen 
günstiger gewesen sein als im Osten, wo die apuanischen 
Berge von der Küste überhaupt entfernt bleiben. 

Ein gemeinsamer auffallender Charakterzug der endemischen 
Arten der Riviera Ponente liegt darin, daß sie, mit Ausnahme 
des «lassiense, der maculatum-Gruppe angehören und durch scharf 
ausgeprägte, höchst auffällige, weiße bis gelbweiße Fleckenlängs- 
reihen oder Querbänder, oder ein Gemisch von beiden ausgezeichnet 
sind, während derartige Armadillidien aus dem Bereich 
der Levante überhaupt nicht bekannt sind. Vielmehr 
steht A. quadriseriatum nicht nur als Angehöriger der depressum- 
Gruppe zu jenen West-Riviera-Endemischen im Gegensatz, sondern 
auch durch den Verlauf seiner großen paramedianen Fleckenreihen. 
Da wir durch cingendum für Alassio den östlichsten Vorposten der 
maculatum-Gruppe kennen gelernt haben, die depressum-Gruppe 
aber hauptsächlich im eigentlichen Italien verbreitet ıst, abgesehen 
von den Alpen, so erscheint alassiense bei Alassio als ein westlicher 
Vorposten der depressum-Gruppe, ein Grund mehr, als die Grenze 
zwischen den beiden Riviera-Hauptschnitten die Gegend von Alassio— 
Noli zu betrachten. A. sordidum und namentlich simoni sind nach 
meinen Erfahrungen in den östlichen Riviera-Gebieten ebenfalls 
reichlicher vertreten als in den westlichen. 


I. .Porcellio. 
Untergattung Euporcellio Vrkn. 
Im Vergleich mit Armadillidium ist Euporcellio an der Riviera 


schwächer vertreten. Ich selbst habe nur sechs Arten feststellen 
können, nämlich: 


bia 


1. laevis LATREILLE, 
2. dilatatus BRANDT, 


. lugubris orarum n. subsp. 
spinipennis B.-L. 
3. monticola LEREBOUILLET, 6. pujetanus n. sp. 


> 


Von P. Tua wird für Spezia und Portovenere noch P. marginolis 
B.-L. angegeben. Da jedoch Buppe-Luxp seinen marginalis von 
Triest angeführt hat („Tergeste“) und Tua den lugubris orarum, 
welcher doch der gemeinste Riviera-J’orcellio ist, überhaupt nicht 
aufgeführt hat, scheinen mir Bedenken hinsichtlich des marginalis 


— 134 — 


gerechtfertigt. Dortrus hat aus der Gegend von Marseille noch zwei 
kleine Porcellionen nachgewiesen, nämlich marioni und provin- 
cialis DoLLr. Außerdem hat er für das Gebiet von Toulon bis 
S. Raphael den meiner Untergattung Nusigerto angehörenden Por- 
cellio lamellatus Uus. angegeben, welchen ich selbst leider nirgends 
zu Gesicht bekommen habe. Es können mithin für die Riviera 
höchstens zehn Arten von Porcellio (ausschließlich Metoponorth zes) 
in Betracht kommen. 

Indem ich hier auf die übersichtliche analytische Darstellung 
zahlreicher Porcellio-Arten in meinem 10. Isopoden-Aufsatz (Sitzungs- 
ber. Ges. nat. Fr. Berlin. 1907. S. 229—281) verweise, kann ich 
von einer Übersicht aller Riviera-Porcellionen Abstand nehmen, 
halte es aber für um so notwendiger, von jener Gruppe, welche im 
10. Aufsatz S. 266 und 268 unter V und VI zur Darstellung ge- 
langte, einen neuen Schlüssel zu geben, als hier einerseits zwei neue 
Formen einzuordnen sind, anderseits auch die schon bekannten in 
ihren ausschlaggebenden Merkmalen bisher nicht klar genug auf- 
gefaßt worden sind, so namentlich spinipennis B.-L., von welchem 
Dorırus! sagt: „ne nous paraît être qu'une varieté (?) de grande 
taille de la même espèce“ (nämlich monticola Lee... Nun sind 
aber gerade monticola und spinipennis so scharf getrennte Arten, 
daß man sich die Behauptung von Doutrus nicht anders erklären 
kann als durch die Annahme, daß sich unter seinem monticola 
mindestens zwei verschiedene Arten befunden haben, zumal er ihn 
als „extrêmement commun dans la province“ schildert. Buppe-Luxv 
hat in seinem Handbuch den Kopfmittellappen des monticola als 
„mediocris vel parvus“ und den des. spinipennis als „sat magnus, 
lateralibus duplo brevior“ geschildert. Das ist nun zwar kein be- 
sonders klarer Gegensatz und er hätte jedenfalls besser hervorgehoben 
werden können, aber das, was gemeint ist, erkennt man wenigstens 
ganz deutlich, wenn man die betreffenden Objekte in natura vor 
Augen hat. 

Für jene in meinem 10. Isopoden-Aufsatz unter VI dargestellte 
Gruppe von Luporcellio, welche Arten mit verhältlich kurzen Uro- 
podenpropoditen und schräg eingefügten Exopoditen, mehr oder 
weniger gehückertem Rücken, zwei Paar Trachealbezirken, fast immer 
eine deutliche Telsonlängsrinne und nahe am Seitenrand der Epi- 
meren gelegene Drüsenporenfelder enthält, gebe ich jetzt folgende 


! La Feuille des jeunes naturalistes. No. 348. Oktober 1899. S. 3. 


-— 135 — 


Übersicht, zu deren Ergänzung aber der frühere Schlüssel verwendet 
werden kann. 
a) Analytische Übersicht. 
A. Die Antennenglieder 4 und 5 sind bei d und 9 ungefurcht. 


1. dispar VERH. 


B. Die Antennenglieder 4 und 5 sind bei d und 2 deutlich 
Beluricht:. aoa Sue 4 wi eh ee iD 
C. Das Telson ist abgerundet, die Höckerung des Rückens grob. 

2. erlicius VERH. 

D. Telson zugespitzt, die Höckerung des Rückens ist mehr 
oder weniger fein, bisweilen nur an den Epimeren deutlich . E, F. 

E. Der mittlere Kopflappen ist breit und reicht von einem 
Seitenlappen zum andern. 

a) Das 5. Antennenglied besitzt oben drei auffallend tiefe 
Längsfurchen. Kopfmittellappen in der Mitte abgestutzt. Höckerung 
des Rückens reichlich und ziemlich kräftig. 1. Geißelglied 1’/gmal 
länger als das 2. 

3. messenicus VERH. 

b) Das 5. Antennenglied besitzt oben nur zwei, nicht auffallend 
tiefe Längsfurchen. Kopfmittellappen gebogen, in der Mitte nicht 
abgestutzt. Höckerung des Rückens schwächer. 

1. Kopfmittellappen kreisabschnittförmig, stärker vorragend, die 
Seitenlappen recht groß, entschieden etwas nach außen vorgezogen, 
den mittleren stets beträchtlich überragend, ihr Vorderrand um 
etwa die Länge des Ocellenhaufens von diesem entfernt‘. 

a) Kopfseitenlappen ungefähr so breit wie der Mittellappen. 
Die Dornfortsätze hinten am Ende des 3. Antennengliedes nur mäßig 
stark. Die oberen beiden Längsfurchen am 3. und 4. Antennenglied 
sind weniger tief, die oberen vorderen sehr schwach, am 3. Glied 
schwach und abgekürzt. Bis 13 mm Länge. 


4. montanus B.-L. 


p) Kopfseitenlappen breiter als der Mittellappen. Die Dorn- 
fortsätze hinten am Ende des 3. Antennengliedes sind sehr stark. 
Die oberen beiden Längsfurchen am 3. und 4. Antennenglied sind 
sehr tief, namentlich die hinteren, die vorderen sind aber auch 


! Dieses ausgezeichnete. aber bisher nicht erkannte Merkmal läßt z. B. 
lugubris und montanus sofort mit Leichtigkeit unterscheiden. 


— 136 — 


ganz deutlich und am 4. Glied durchlaufend, nicht abgekürzt. 
(Diese im Vergleich mit montanus stärkeren Antennenfurchen ha be 
ich auch schon bei Halbwüchsigen deutlich ausgeprägt gefunden. ) 

Bei den beiden hierher gehörigen Arten, welche 16—17 mm 
Länge erreichen, ist das @ dunkelbraun und graugelb marmoriert, 
neben einer dunklen Rückenmittelbinde findet sich jederseits eine 
mehr oder weniger auffällige Längsreihe schwefelgelber Flecke. 
d ebenso, aber dunkler, ohne graugelbe Marmorierung, die gelben. 
Flecke durchschnittlich schwächer. 

* Das 4. Antennenglied ist hinten oben am Ende in eine deut- 
liche Zahnecke ausgezogen. Kopf des d und 2 deutlich fein- 
höckerig, Pereion in der Mitte mit deutlicher und ziemlich reich- 
licher höckeriger Körnelung, Epimeren recht deutlich zer- 
streut gekörnt. Pleon mit Körnelung an den Hinterrändern und 
vor denselben. (Halbwüchsige über der Mitte des Pereion mit 2 
—3 Höckerchenzügen.) Carpopodit des d am 7. Beinpaar nach 
oben in den bekannten bogigen Lappen erweitert, innen von dem- 
selben nach endwärts ist das Carpopodit ausgehöhlt, gegen die Aus- 
höhlung springt der Lappen nach innen knotig vor. 


5. spinipennis B.-L. 

** Das 4. Antennenglied ist hinten oben am Ende in eine 
schwächere Ecke vorgezogen. Kopf des d glatt, Pereion des g 
namentlich vorn in der Mitte glatt, hinten schwach gehöckert. 
Kopf und Pereion des Q mehr oder weniger schwach gehöckert, 
namentlich vorn in der Mitte undeutlich. Carpopodit am 7. Bein- 
paar des d wie vorher ausgezeichnet, aber der Lappen springt nach 
innen nicht knotig vor. Die Epimerenhinterecken sind beim g 
etwas mehr als bei spinipennis aufgehellt. 


6. pujetanus n. sp. 


2. Kopfmittellappen bogig vorragend, aber nach den Seiten zu 
mehr gerade verlaufend, im ganzen überhaupt ein wenig kürzer als 
bei den drei vorhergehenden Arten. Auch die Seitenlappen, welche 
den mittleren überragen, sind nicht so stark wie bei jenen, ihr 
Vorderrand ist meist nur um '" oder °is der Länge des 
OÖcellenhaufens von diesem entfernt; wenn er aber um die 
ganze Länge von ihm entfernt bleibt, sind (wie überhaupt bei den 
hierhin gehörigen) die Außenlappen des Kopfes außen abgerundet 
und nicht vorgezogen. 


— 137 — 


a«a) Kopf und Pereion mit zahlreichen feinen Höckerchen bei d 
und 9, auch in der Mitte aller Segmente, 3. Antennenglied hinten 
mit kürzerer Spitze. Seitenlappen des Kopfes etwas kleiner als 
bei gleich großen Stücken des orarıum. Bis 13 mm lang. 


T. lugubris C. Koch (genuinus). 

3) Kopf des d glatt, 3. Antennenglied hinten mit stärkerer 
Spitze. Bis 16'/sa mm langes d, bis 20 mm langes 9. 

* ọ am 1—3. Truncussegment in der Mitte nur mit Spuren 
von Höckerchen, am 4.—”7. mit deutlichen, aber spärlichen. d in 
der Mitte aller Truncussegmente glatt und glänzend (Höckerchen- 
spuren höchstens am 6. und 7. Segment). 


8. lugubris orarum n. subsp. 

**o an allen Truncussegmenten und besonders dem 1.—3. mit 
zahlreichen deutlichen Höckerchen. g in der Mitte entweder aller 
oder doch wenigstens des 5.--7. Truncussegmentes mit spärlichen, 
aber doch ganz deutlichen Höckerchen. 


lugubris orarım var. alussiensis m. 

F. Der mittlere Kopflappen ist entweder überhaupt nicht vor- 
handen, indem die Seitenlappen durch eine einfache Querkante ver- 
bunden werden, oder nur in der Mitte als kleines Läppchen an- 
gelegt, so daß er nicht die ganze Breite von einem Seitenlappen 
zum andern einnimmt. 

1. Das 1. Geißelglied ist 2—2!/2mal länger als das 2. Das 
Ende des 4. Antennengliedes springt hinten oben in eine zahnartige, 
spitze Ecke vor. 

9. obsoletus B.-L. 

2. Das 1. Geißelglied ist 1!/⁄\—1'/zmal länger als das 2. Das 
Ende des 4. Antennengliedes springt hinten oben höchstens in eine 
kleine Ecke vor... 2 2: 2 En m nr rn rn a E 

3. Die Hinterzipfel der Epimeren des 1.—3. Truncussegmentes 
sind kräftig nach hinten vorgezogen. Seitenlappen des 
Kopfes recht klein, ihr Vorderrand vom Ocellenhaufen kaum um 
dessen halbe Länge entfernt. 


10. longicornis STEIN. 


4. Die Hinterzipfel der Epimeren des 1.—3. Truncussegmentes 
sind nur leicht nach hinten vorgezogen. Seitenlappen des Kopfes 


— 138 — 


klein, ungefähr um die halbe Länge des Ocellenhaufens ist ihr Vorder- 
rand von diesem entfernt, bisweilen noch etwas mehr. 

* Der innere Grund der Seitenlappen des Kopfes ist um etwa °Is 
der Länge des Ocellenhaufens von diesem entfernt, weil die Seiten- 
lappen größer sind. Zwischen den Antennulen ein zahnartiges 
Höckerchen. 4. Antennenglied am Ende hinten und oben voll- 
kommen abgerundet. 

11. monticola LEREB. 

** Der innere Grund der Seitenlappen des Kopfes ist nur 'i 
der Länge des Ocellenhaufens von diesem entfernt, weil die Seiten- 
lappen kleiner sind als bei monticola. Zwischen den Antennulen 
nur eine unbedeutende Vorwölbung. 4. Antennenglied am Ende 
hinten und oben eckig vorspringend. 


3 


12. achilleionensis VERH. 
b) Bemerkungen zu den Porcellio-Arten der Riviera. ` 

1. Porcellio laevis Larr. ist nach Dorrrus durch Frankreich 
weit verbreitet, aber im Süden viel häufiger als im Norden. In 
Italien nebst den Inseln ist laevis wohl an allen nicht zu hoch ge- 
legenen Plätzen anzutreffen. Bei S. Remo fand ich die Art dicht 
über der Küste in sonniger Lehmwand. Bei St. Maxime habe ich 
sie zahlreich am Strande selbst angetroffen, und zwar dicht über 
dem Strandgebiet, welches von den Wogen durchnäßt wird, an einem 
sandigen Ufer unter zerstreuten Steinen. AÄnderseits konnte ich 
laevis noch bei 700 m Höhe unter Steinen neben Gemäuer bei 
St. Agnes (oberhalb Mentone) nachweisen, während er mir im oberen 
Vartal bei Pujet-Theniers und Annot nicht mehr zu Gesicht gekommen 
ist. Auch weiter im Innern der ligurischen Berge, bei Ferrania 
und Ronco war von laevis nichts zu sehen, während er im Küsten- 
gebiet, namentlich in Olivenhainen oft recht häufig ist; ich nenne 
insbesondere Portofino, Noli, Alassio, S. Remo, Antibes. Es ist also 
der von Dorırus für Nord- und Südfrankreich verzeichnete Gegen- 
satz schon in dem viel kleineren Gebiet der Riviera zu erkennen, 
hier wohl noch wesentlich deutlicher, weil nach dem Innern zu 
meist höhere Berge folgen. 

2. P. dilatatus Bra. ist wesentlich seltener anzutreffen. Häufig 
habe ich ıhn überhaupt nur einmal an der Ostküste der Halbinsel 
Antibes gefunden, wo sich etwa 30 Stück unfern des Meeres unter 
den Trümmern einer Hütte vorfanden; an der Westküste 3 Stück 
unter Pflanzenabfällen. Sonst habe ich nur noch bei Bordighera ein 


— 139 — 


Stück zwischen Oliven beobachtet. In mehr als 5 km Entfernung 
von der Küste habe ich diese Art in Italien nie gesehen. Dennoch 
ist sie von DoLLrus als im Innern Frankreichs in Höhlen und Kelern 
verbreitet nachgewiesen worden. Ich selbst habe sogar noch in Bonn 
im Keller meines elterlichen Hauses einen dilatatus aufgefunden. An 
anderer Stelle konnte ich ihn aus Süditalien und Sizilien aufführen. 

3. monticola LEREB. Aus dem Elsaß, wo diese Art vom Autor 
zuerst nachgewiesen worden ist, habe ich noch kein Individuum zu 
Gesicht bekommen. Die Frage, ob diese süddeutschen Individuen 
mit den mittelmeerländischen vollkommen übereinstimmen, muß ich 
daher noch offen lassen. 

Daß monticola durch Mittel- und Süditalien verbreitet ist und 
in letzterem etwas abändert (monticola cassinensis Vern.) habe ich 
im 15. Isopoden-Aufsatz erörtert. Die Grundform habe ich in Umbrien 
2. B. bei Orvieto häufig angetroffen. 

An der Rieviera ist monticola eine der häufigeren Arten, wenn 
auch nicht so gemein, wie es DorLrus a. a. O. 1899 angeführt hat, 
denn DorLrus, welcher den orarum als von lugubris verschieden nicht 
kennt, bei lugubris aber keine Rivieravorkommnisse genannt hat, 
muß monticola und orarum vermengt haben. — Gewöhnlich ist das 9 
grangelblich, wobei die Stärke der dunklen Marmorierung sehr 
variiert, das d schwärzlich mit mehr oder weniger reichlichen Spuren 
von graugelblicher Sprenkelung. Nervi 2 d 3 9 (bis 15 mm). Fiesole 
319 (131/e—14!/» mm). Noli 1 9 13'!a mm. Am Castellaccio 
bei Genua 5 Stück unter Kalkplatten. La Turbie 2 d 3 ọ bei 350 
—400 mm in Olivenbeständen. Alassio 19. St. Agnes 1 d bei 
650 m. Bordighera 15 Stück in Olivenbeständen. Wirklich häufig 
(33 Stück) fand ich diese Art nur bei S. Remo, und zwar besonders 
in den Oliventerrassen, größtes Stück 18'/g; mm. Es findet sich in 
beiden Geschlechtern und am deutlichsten bei den helleren Weibchen 
eine mediane Längsreihe viereckiger dunkler Flecke, in welche von 
hinten ein heller Zipfel eingreift. Der übrige Rücken ist namentlich 
beim 9 braunschwarz und graugelb marmoriert, eine Längsreihe 
heller Flecke (beim 9 deutlicher) steht vorn am Grunde der Epimeren. 
Der Kopf ist stets besonders dunkel, was bei den helleren Individuen 
sehr auffällt. 


4. lugubris orarum n. subsp. [= spinipennis Vern. non B.-L.]. 
Vergl. No. 55 in meinem 10. Isopoden-Aufsatz, Berlin 1907. 
In den Besitz des echten spinipennis B.-L. gelangte ich erst heuer 


— 140 — 


auf meiner Rivierareise. Da nun der orarum weder von Buppe-Lixo 
noch von Dortrus unterschieden worden ist, ich aber nicht annehmen 
konnte, daß der häufigste Riviera- Porcellio unbeschrieben sei, war 
meine erste spinipennis-Auffassung nicht zu vermeiden (vergl. auch 
das im vorigen Abschnitt Gesagte). Nach der Ausprägung der 
Rückenhöckerung habe ich oben zwei Varietäten unterschieden, von 
denen die typische Form die westliche, die var. alussiensis die öst- 
liche Varietät darstellt. 

Beide Varietäten sind in beiden Geschlechtern meist ganz 
schieferschwarz bis tiefschwarz, wenn aber beim 9 helle Sprenkelflecken 
vorkommen, bleibt das Schwarze doch als Grundfarbe vorherrschend. 

Var. orarum m. Auf der Halbinsel Antibes beobachtete ich 
namentlich ostwärts in Maquis unter Kalksteinen auf terra rossa 
besonders stattliche, tiefschwarze Individuen (40 Stück), darunter 
mehrere Weibchen mit aufgeschwollenem Brutraum, 21. April. Im 
Esterel bei Le Trayas sammelte ich 12 Stück im Korkeichenwald. 

Var. alassiensis m. ist gewöhnlich leicht von orarum zu unter- 
scheiden; da ich aber doch hin und wieder einzelne Individuen sah, 
welche mehr oder weniger zu orarum überführen, hielt ich es für 
richtig, nur eine Varietät aufzustellen. 

Savona, Letimbrotal unter Steinen auf Urschiefer in Stein- 
brüchen häufig (53 Stück), alle einfarbig schwarz. S. Margherita 
im Kastanienwald 4 Stück (bis 20 mm lang), schwarz, besonders 
deutlich gehöckert und von den Antibestieren so auffallend 
verschieden, daß man zwei Arten annehmen müßte, wenn nicht die 
Übergänge von anderen Fundorten vorlägen. Noli 6 Stück, teils 
unter Kalk-, teils unter Urschiefersteinen. Massa unter Kalksteinen 
4 Stück. Portofino in Ölbaumpflanzungen 12. April häufig (20 Stück), 
teils schwarz, teils dunkel marmoriert. Zwei bruttragende Weibchen 
sind graugelb und nur zerstreut dunkel gesprenkelt, ein dunkles Q 
mit Embryonen ist auffallend breit, aber sonst ohne wesentliche Ab- 
weichung. Die Körnelung variiert bei diesen Stücken von Portofino 
namentlich ın der Vorderhälfte. Genua 12 Stück vom Castellaccio. 
Alassio 28. April teils an Abhängen mit Gestrüpp, teils in Ölbaum- 
pflanzungen, teils am Kap Mele unter Steinen 50 Stück, darunter 
viele Weibchen mit geschwollenem Brutraum. Von letzteren sind 
mehrere (nicht alle) Rufinos, d. h. einfarbig rötlichgelb, während 
alle anderen Individuen durch schieferschwarze Farbe abstechen. 
Diese auffallend hellen Individuen scheinen immer brutführende 
Weibchen zu sein. La Turbie in Olivenbeständen 7 Stück bei 350 


— 141 — 


—450 m. Das höchste Vorkommen habe ich bei St. Agnès zu ver- 
zeichnen, wo die Art bei 600—700 m, namentlich am warmen Süd- 
abhang der Kalkfelsen, gemein ist (62 Stück). Unter diesen Stücken 
von St. Agnes, welche im übrigen schieferschwarz sind, aber z. T. auf- 
gehellte Epimeren besitzen, befinden sich Übergänge zur var. orarum. 

5. spinipennis B.-L. hat der Autor von „Menton“, „Mt. Leberon“, 
aufgeführt im Jahre 1885. Dorrrus hat die Art offenbar gar nicht 
gekannt, da er nur diese gleiche Notiz Buppe-Luxp s wiederholt, ob- 
wohl letzterer seine Objekte von Dorrus erhalten zu haben scheint. 
Ich fasse nun die Angabe so auf, daß „Mt. Leberon“ der eigent- 
liche Fundort ist, „Menton“ aber nur die nähere Erklärung der Lage 
abgibt. Nach meinen Erfahrungen sind nämlich spinipennis und 
noch mehr pujetanus Montanformen, welche den eigentlichen 
Küstenstreifen meiden. 

Bei weitem am häufigsten (in fast 100 Stück) sammelte ich 
spinipennis bei St. Agnes in 650—700 m Höhe, namentlich neben 
Gemäuer an humusreichen, mit Urtica besetzten Stellen unter Steinen. 
Bei La Turbie fand ich bei 450 m 1 d, 5 9 und 20 Junge unter der 
Borke eines Ulmenstumpfes. Bei S. Remo habe ich die Art aller- 
dings auch bei etwa 150 m Höhe an einem morschen Feigenstamm 
gefunden und 14 Stück aus dessen Mulm hervorgeholt. Sie scheint 
aber in den tieferen Gebieten nicht recht zu gedeihen, wenigstens 
war das größte Stück nur 8'/s mm lang, ein einzelnes unter trockener 
Olivenrinde gefundenes ebenso, und auch in einem dritten Fall ein 
frisch gehäutetes unter einem abgesägten Baumstamm. Unter den 
Tieren von La Turbie und St. Agnes dagegen finden sich zahlreiche 
stattliche Individuen von doppelter Größe. 

6. pujetanus n. sp.!. In Gesellschaft des Armadillidium puje- 
tanum sammelte ich 16 Stück erwachsene und jugendliche im Vartal 
oberhalb Pujet-Theniers am Waldrand unter @xercus-Laub und 
Steinen. 7 d, 99, 9j. in den Gorges de Cians und 2 d, 49, 3). 
unter Kalksteinen bei Annot, 600 m. Alle drei Fundorte befinden 
sich im oberen Vargebiet. 

Die Färbung ist der des spinipennis sehr ähnlich, aber die 


! Der mit spinipennis und pujetanus nächstverwandte P, montanus B.-L. 
ist bisher aus dem Deutschen Reich nicht bekannt geworden, von Carl aber 
aus dem Schweizer Jura nachgewiesen. Es verdient deshalb Erwähnung, dab 
ich ihn in mehreren Stücken heuer im Juni im Schwäbischen Jura aufgefunden 
habe, und zwar unter der kahlen Kuppe des Ipf bei Nördlingen in etwa 650 m 
Höhe unter Kalksteintrümmern, ferner unter Baumrinden im Laubwald bei dem 
Lichtenstein, 


— 1422 — 


gelben Fleckenreihen zu seiten der Rückenmittelbinde sind durch- 
schnittlich schwächer entwickelt. 

Anmerkung: P. romanorum VERH., den ich aus der Gegend 
von Florenz nachwies und neuerdings wieder in einigen Stücken in 
der Boboli-Allee auffand, ist mir aus dem Gebiet der Riviera noch 
nicht bekannt geworden, könnte aber in den apuanischen Bergen 
erwartet werden. 

Ferner ist die Möglichkeit des Vorkommens des P. arcuatus 
B.-L. an der östlichen Riviera in Betracht zu ziehen, da dieser an 
den oberitalienischen Seen häufig ist, und zwar mit Einschluß des 
Langensee, wo ich ihn zahlreich bei Laveno unter Steinen am See- 
ufer fand, dann aber auch durch die italienische Halbinsel nach- 
weisen konnte, nämlich unter Basaltuffen und Kastanienborke beı 
Orvieto in Umbrien, im Laubwald bei Corpo di Cava häufig (22 Stück 
von 10—17'/, mm), und selbst noch bei Palmi in Calabrien 8 Stück 
unter Steinen und Kastanienlaub. | 

P. Tua (a. a. O. 1900) kennt den arcuatus aus Italien. über- 
haupt nicht, dagegen führt er aus Piemont den affinis Koch an, 
welcher offenbar unrichtig bestimmt ist und vielleicht auf arcuatus 
zu beziehen. 

c) Geographisch-biologischer Überblick. 
1. Vertikale Verbreitung. 


P. laevis und dilatatus sind im Bereich der Riviera ausgesprochene 
Küstenformen. P. monticola und orarum kommen sowohl im Küsten- 
gebiet als auch in der Montanzone vor, jedoch mit dem Unterschied, 
daß ersterer im Montangebiet viel seltener wird, während letzterer in 
beiden Zonen häufig vertreten ist. Die von Dorzrus nachgewiesenen 
Arten marioni, provincialis DoLLr. und lamellatus Urs. sind als Küsten- 
formen zu betrachten, lamellatus sogar als Charaktertier der Strand- 
zone oder deren nächster Nachbarschaft. Eigentliche Montanarten 
sind spinipennis und pwjetanus, letzterer ausschließlich aus dem 
Gebirge bekannt, ersterer nur spärlich im Küstengebiet auftretend. 


2. Horizontale Verbreitung. 


a«a) Als weiter verbreitete Arten haben zu gelten: P. laevis, 
dilatatus, monticola, und wenn er vorkommt, auch arcuatus. 

8) Nur aus dem Rivierabereich bekannt geworden sind 
orarum, spinipennis, pujetanus, marioni und provincialis. (P. lamel- 
latus muß hier außer Betracht bleiben, weil es höchst fraglich ist, 
ob diese aus der Krim beschriebene Art mit den betreffenden Tieren 


a a a a a 


— 143 — 


Südfrankreichs identisch ist.) Da nur lugubris orarum über die ganze 
Riviera verbreitet ist, die vier anderen Arten dagegen auf die 
Ponente beschränkt sind, während von der Levante kein einziger 
endemischer Porcellio bekannt geworden ist, liefert Porcellio eine 
weitere Stütze für das oben bei Armadillidium Ausgeführte, wonach 
die Ponente durch endemische Arten weit stärker cha- 
rakterisiert ist als die Levante. 

Im Zusammenhang mit diesem größeren Formenreichtum der 
Ponente verdienen auch die Gattungen Armadillo und Syspastus 
erwähnt zu werden. Armadillo officinalis nannte bereits DoLLrus 
für Marseille und Nizza, während ihn Tua für Norditalien überhaupt 
nicht anführt. Ich selbst kann an der Riviera als östlichsten 
Punkt das Kap Mele nennen, wo ich 2 Stück unter Steinen fand. 
Bei S. Remo sammelte ich Armadillo auf einer Wiese oberhalb des 
Strandes unter Steinen gesellig an einem sehr sonnigen Platze, 
2 Stück auch zwischen Oliven am Fuß des neben dem Friedhof 
gelegenen Bergabhanges. In den Maquis auf der Halbinsel Antibes 
fand ich 5 erwachsene und 2 jüngere. Erwähnt werden möge hier, 
daß ıch die Schrilllaute, über welche ich im 15. Aufsatz Näheres 
mitgeteilt habe, auch bei den Rivieraindividuen gehört habe. 

Syspastus brevicornis Esx. ist in seinem ebenfalls auf die 
Ponente beschränkten Vorkommen um so wichtiger, als diese 
Gattung sonst nur von Korsika und Sardinien bekannt ist. Als 
östlichstes Vorkommen des Syspastus an der Riviera habe ich 
eine Schlucht am Mt. Nero bei Ospedaletti zu nennen, wo ich etwa 
40 Stück zwischen Genist und Gestrüpp unter Steinen in lehmiger 
Erde auffand. Stellenweise gemein ist diese Assel auf der Halb- 
insel Antibes, wo ich sie in den Maquis teils unter Steinen, teils 
unter Haufen faulender Pflanzenabfälle beobachtete, aber auch am 
Fuße von Lorbeereichen unter Laub und im Humus. In Korkeichen- 
wäldern haust sie im Esterel und Maurengebirge, häufig bei Le Trayas 
und St. Raphaël. Die Jungen fand ich am Fuß von Korkeichen 
gesellig in Humus und Mulm; dieselben zeigen die Pleonsegmente 
durch Höcker und Furchen um so mehr gegeneinander abgesetzt, 
je jünger sie sind. 

Syspastus wurde von Tua nicht erwähnt, DortLrus nennt ihn 
gemein in dem Gebiet von St. Maxime bis Antibes, während er ihn 
1890 aus der Gegend von Marseille nicht nachweisen konnte. 


6. Juli 1909. 


Niederschlag und Abfluss, speziell im oberen Neckar- 
gebiet. 


Von Dr. Walter Wundt. 
Mit Taf. VIII und IX und 4 Textfiguren. 


1. Allgemeines über Niederschlag und Abfluß. 


Die Beziehungen zwischen Niederschlag und Abfluß sind für 
verschiedene Wissenszweige von Bedeutung. Den Meteorologen ver- 
anlassen sie zur Untersuchung des Niederschlags, der Verdunstung 
und der Bodenfeuchtigkeit, der Hydrologe und Techniker bedarf sie 
zu Zwecken des Hochwasserschutzes und der Wasserversorgung, der 
Geologe interessiert sich für den Einfluß der geologischen Beschaffen- 
heit des Untergrundes auf den Abfluß, der Forstmann endlich für 
die Abhängigkeit des Abflusses von der Waldbedeckung. 

Wer sich mit dem Abflußproblem beschäftigt, hat sich zunächst 
mit einigen prinzipiellen Fragen auseinanderzusetzen. Allgemein be- 
steht die Gleichung: 

Abfluß = Niederschlag — Verdunstung. 


Unter Niederschlag verstehen wir hier nur den Niederschlag 
aus der Atmosphäre. Demgegenüber behaupten die Anhänger 
der Volgerschen Quellentheorie!, daß der größte Teil des 
Quellwassers von unterirdischen Niederschlägen herrühre, welche 
der Kondensation von Wasserdampf innerhalb des Bodens entstammen. 
Die Gründe, welche für diese Theorie angeführt werden, sind fol- 
gende: Aus Laboratoriumsversuchen wird geschlossen, daß der Regen 


! Vergl. hierüber: König. Die Verteilung des Wassers über, auf und in 
der Erde. Jena 1901. Derselbe: Entstehung und Speisung der Grundwässer. Journal 
für Gasbeleuchtung und Wasserversorgung. 1906. S. 1033 ff. — Haedicke, 
Luftfeuchtigkeit und Wasserbildung im Grunde. Zeitschr. d. Ver. der Gas- und 
Wasserfachmänner in Österr.-Ungarn. XLIX, 6. Heft. — Mezger, Die Schwan- 
kungen der Grundwasserstände und der Quellenaustlüsse. Gesundheitsingenieur. 
1908. No. 32, S. 501 und No. 33, S. 517. 


— 145 — 


nicht imstande sei, Schichten auch nur geringer Mächtigkeit zu 
durchdringen. An Stationen, die zum Studium der Grundwasser- 
bildung eingerichtet wurden, zeigten sich Schwankungen, die unab- 
hängig vom Niederschlag waren. Das Wasser stieg stets nach dem 
Hygrometer und sehr häufig vor dem Regen. Der Betrag der Ver- 
dunstung soll nach den bisherigen Beobachtungen so groß sein, daß 
der Niederschlag bei weitem nicht imstande sei, diesen Ausfall und 
dazu noch die Quellenspeisung zu decken. 

Hınn! hat bewiesen, daß diese Quellentheorie vom physi- 
kalischen Standpunkt aus unhaltbar ist. Nach Versuchen in Wien 
st die Luftzirkulation im Boden so gering, daß von einer nennens- 
werten Kondensation nicht die Rede sein kann. — Die Undurch- 
lässıgkeit mancher Böden für die Niederschläge beweist nichts für 
die Unabhängigkeit der Quellen vom Regen. Die Abwärtsbewegung 
des Wassers erfolgt nicht längs der Kapillaren, sondern in 
den nichtkapillaren Fugen des Gesteins; daß Lehmböden und dichte 
Sandböden für Wasser impermeabel sind, wird nicht bestritten. Auf- 
allen könnte die Tatsache, daß manche Schwankungen des Grund- 
wassers unabhängig vom Regen erfolgen; doch erklärt sie sich 
aus der Abhängigkeit der Grundwasserhöhe vom Barometerstand. 
Niedriger Luftdruck, der dem Regen meist vorangeht, saugt die 
Luft aus dem Boden heraus und bewirkt eine Hebung des Grund- 
wasserstandes und damit eine vorübergehende Verstärkung der 


Quellen. — Die mit den Verdunstungsmessern ermittelten Beträge der 
Verdunstung entsprechen — abgesehen davon, daß meist veraltete 
Angaben benützt werden — keineswegs den wirklich verdunsteten 


Wassermengen. Erstere stellen ein Maximum dar, welches nur 
erreicht werden würde, wenn die ganze Bodenoberfläche beständig 
feucht wäre. Außerdem wird die Verdunstung um so geringer, je 
größer die beobachtete Fläche ist. Denn die Aufnahmefähigkeit der 
Luft für Wasserdampf sinkt, wenn dasselbe Luftquantum nachein- 
ander verschiedene Teile der feuchten Fläche berührt. — Am über- 
zeugendsten sprechen jedoch gegen die VoLger'sche Theorie die Dia- 
gramme, welche die jährlichen Schwankungen des Grundwasserstandes 
denen des Niederschlags (im Zusammenhang mit der Temperatur) 
gegenüberstellen. Die Abhängigkeit vom Niederschlag ist eine so 
augenscheinliche, daß es unverständlich ist, wie man zu der Ansicht 
kommen kann, daß der Niederschlag von unerheblichem Einfluß auf 
die Quellenspeisung sei. 


! Hann, Gaea XVI, S. 469 und XVII, S. 83. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 10 


— 146 — 


Eine andere Frage ist, ob nicht außer Regen und Schnee auch 
Tau und Nebel Anlaß zur Quellbildung geben können. Die Brunnen 
in der Nähe von Berggipfeln (z. B. der Hexenbrunnen am Brocken) 
geben hierfür Beispiele. Schneeflächen können neben den Nieder- 
schlägen im engeren Sinn erhebliche Mengen Wasser in Form von 
Rauhreif aufnehmen. Doch sind dies mehr lokale Erscheinungen 
und für die Quellbildung unter normalen Verhältnissen ohne Be- 
deutung. 

Da an den Küsten vielfach salzhaltige Quellen auftreten, so 
wurde daraus geschlossen, daß kapillar aufsteigendes Meerwasser in 
erheblichem Maße zur Speisung der Quellen beitrage. Dies kann 
jedenfalls nur für beschränkte Küstenstriche Geltung haben. Unter- 
suchungen des Grundwassers an der belgischen Küste und an andern 
Stellen haben ergeben, daß in unmittelbarer Nähe des Meeres bis 
zu bedeutenden Tiefen Süßwasser vorhanden ist. Da der Grund- 
wasserspiegel vom Meere aus ansteigt, so wäre es bei dem vor- 
handenen Überdruck unnatürlich, ein Einströmen des Wassers vom 
Meere aus anzunehmen. Die brackigen Quellen dürften lokaler 
Mischung von Salzwasser und ausströmendem Süßwasser (z. B. 
durch Saugwirkung) ihre Entstehung verdanken. 

Wir nehmen also an, daß mit verschwindenden Ausnahmen — 
ob in den heißen Quellen sogenanntes juveniles Wasser zutage tritt, 
sei dahingestellt — das Wasser in den Flüssen meteorischen 
Ursprungs ist. 

Der Abfluß setzt sich zusammen aus dem oberflächlichen 
und dem Grundwasserabfluß. Da wir nur den ersteren direkt 
messen können, so scheint es fraglich, ob es überhaupt möglich ist, 
Abfluß und Niederschlag zueinander in Beziehung zu setzen. Am 
einfachsten liegt der Fall im undurchlässigen Gebirgsland, wo keine 
oder nur sehr schwache Grundwasserströme vorhanden sind, z. B. 
im Urgebirge des Schwarzwalds; am schwierigsten da, wo stark 
durchlässige, z. B. diluviale Ablagerungen bedeutende Wassermassen 
aufzunehmen imstande sind, wie in der oberrheinischen Tiefebene. 
Die Wasserverluste, welche in Kalkgebirgen (Lone, obere Donau) 
oder in Verwerfungsgebieten vorkommen, sollen hier außer Betracht 
bleiben, da sie dem Wesen nach vom Grundwasserstrom verschieden 
sind. Daß das Grundwasser erheblichen Anteil an der Wasser- 
führung eines Flusses haben kann, geht aus einer Reihe von Fällen 
hervor. Bekannt ist das Beispiel des Hachinger Bachs bei München, 
der während seines Laufs bis zu ‘/s seiner Wassermenge an das 


— 147 — 


Grundwasser wieder abgibt'. Weitere Beispiele liefern die Leitha 
und die Dreisam. Auch für den Rhein werden beträchtliche, aus 
dem Grundwasser zuströmende Wassenmengen "nachgewiesen *. Der 
springende Punkt ist offenbar das prozentuale Verhältnis der Wasser- 
menge des Grundwasserstromes zu der des Hauptwasserlaufs in der 
betreffenden Gegend. Auch sehr ergiebige Quellen, wie eine bei 
Kochendorf erbohrte Grundwasserquelle im Betrag von 500 Sekunden- 
liter, verlieren an Bedeutung, wenn man sie zur mittleren Wasser- 
führung des Flusses in Beziehung setzt (Neckar bei Offenau 50 cbm, 
also das Hundertfache dieser Menge!). Der Grund, warum ich den 
Grundwasserstrom in dem später betrachteten Fall (Neckar bei 
Tübingen) für relativ unbedeutend halte, ist, daß sich bei den Wasser- 
messungen nirgends Widersprüche ergeben haben, wie dies bei 
wechselnder Abgabe und Aufnahme von Wasser aus dem Grund- 
wasserstrom der Fall sein müßte. Eine plausible Vorstellung wäre, 
daß ein Fluß beim Austritt aus dem Gebirge Wasser an die Um- 
gebung abgibt und daß er solches vor einem Gebirgsdurchbruche 
wieder sammelt (wobei natürlich auch die Gesteinsarten eine Rolle 
spielen); eine weitere, dab bei hohem Wasserstand ein Rückstau und 
Ansammlung des Grundwassers eintritt, während bei Tiefstand eine 
Speisung aus dem Grundwasser erfolgt; dieses würde also ähnlich 
wie ein Seebecken wirken. Der Grundwasserabfluß würde dann 
wesentlich nur eine zeitliche Verschiebung, nicht eine quantitative 
Anderung des Gesamtabflusses bedeuten. Beim oberen Neckar ist 
aus den bisherigen Messungen von diesen Vorgängen nichts zu er- 
kennen und es ist bei der Berechnung des Abflußverhältnisses nur 
der oberflächliche Abtluß in Betracht gezogen. Ich denke in 
einer späteren Untersuchung auf diese Frage allgemein zurück- 
zukommen. 

Neben den prinzipiellen treten praktische Fragen auf, welche 
die Messung des Abflusses und des Niederschlags betreffen. Die 
Wassermessung erfolgt bei kleinen Rinnsalen mittels Überfällen von 
bekanntem Querschnitt. Schwieriger ist die Bestimmung von Wasser- 
mengen bei Flüssen. Sie erfordert eine genaue Feststellung des 
Flußprofils, sodann die Messung der mittleren Geschwindigkeit. Aus 
Querschnitt und Geschwindigkeit berechnet man bei einigen Pegel- 


1 Vergl. Soyka. Die Schwankungen des Grundwassers. Wien 1858. S.-A. 
aus Penck's Geograph. Abhandl. Bd. II. Heft 3. 
2 Ergebnisse der Untersuchungen der Hochwasserverhältnisse im deutschen 
Rheingebiet. Heft VITI. 1908, ed. Großh. Bad. Zentralbureau f. nn. 
JF 


— 148 — 


ständen die Wassermengen; aus den zusammengehörigen Werten 
wird eine Kurve konstruiert, welche für jeden Pegelstand die Wasser- 
menge angibt. Diese Beziehung läßt sich natürlich auch rechnerisch 
durchführen; in der Regel genügt zur Darstellung der Abhängigkeit 
eine Kurve zweiten Grades. Die Einzelheiten der Messung, nament- 
lich die der mittleren Geschwindigkeit, sind schwierige technische 
Probleme, auf die hier nicht eingegangen werden kann. Gewöhn- 
lich wird die Wassermenge in Kubikmetern pro Sekunde ausgedrückt. 
Um den Abfluß bei verschiedenen Flüssen vergleichbar zu machen, 
reduziert man ihn auf die Flächeneinheit, d. h. man gibt an, wie viel 
Liter in der Sekunde von 1 qkm durchschnittlich abfließen. Ich 
habe nach dem Vorgang Pexcr’s ein anderes Maß gewählt, nämlich 
die Anzahl der Millimeter täglicher bezw. jährlicher Abflußhöhe, d. h. 
die Höhe der Schicht, welche den Boden bedecken würde, wenn 
man den Abfluß gleichmäßig auf dem Gebiet ausbreiten würde. 
Die Wahl dieses Maßes macht die Abfilußhöhe direkt mit der Regen- 
höhe vergleichbar, die ebenfalls in Millimetern ausgedrückt wird. 
Der Regen wird bekanntlich in zylinderförmigen Gefäßen gemessen, 
deren Auffangfläche 1 m und mehr über dem Boden liegt. Es ent- 
steht die Frage, ob der hier gemessene Betrag wirklich derjenige 
ist, welcher durchschnittlich den Erdboden trifft. Aus praktischen 
Gründen ist es nämlich unmöglich, den Rezenmesser in den Boden 
einzugraben, da er als Sammelgefäß für die Abfälle der Umgebung 
dient. Vergleiche von Regenmessern am Boden und in 1, 2,3 m 
Höhe sind u. a. von Wırp! angestellt worden, doch ohne endgültiges 
Resultat. Die Regenhöhe nimmt infolge der Wirbelbildung, die den 
Regen am Gefäß vorbeiführt, nach oben etwas ab, doch existiert 
kein Gesetz über diese Abnahme. LAtTErBURG schätzt, daß auf den 
Boden !/; mehr Regen falle als in den Regenmesser; doch ist dies 
jedenfalls zu hoch gegriffen. Zur genauen Entscheidung der Frage 
haben wir leider keine Anhaltspunkte. Neben der Höhe der Auf- 
fängfläche über dem Boden spielen noch eine Reihe anderer Momente, 
so die Art des Regenmessers, die Aufstellung usw. eine bedeu- 
tende Rolle. 

Gewisse Schwierigkeiten macht bei der Berechnung des Nieder- 
schlags die Schneedecke. Liegenbleibender Schnee muß offenbar 
vom Niederschlag des betreffenden Tages abgezogen, schmelzender 
Schnee demselben hinzugefügt werden. Die Schneedecke wird durch 


ı Wild, Repertorium für Meteorologie. IX. No. 9. 


— 149 — 


ihren sogenannten Wasserwert ausgedrückt, d. h. die durch 
Schmelzen erhaltene Wasserhöhe. Da in den meteorologischen Be- 
obachtungen meist nur die Schneehöhe angegeben ist!, so ist 
man zur Berechnung des Wasserwerts auf Schätzungen angewiesen. 
Je nach den Umständen beträgt der Wasserwert '/«—!!ıs der Schnee- 
höhe. Im Winter spielt der Schnee als Aufspeicherer von Wasser- 
vorräten eine bedeutende Rolle und verschiebt das Abflußmaximum 
gegen das Frühjahr zu. Auf die Sublimation (Verdunstung) der 
Schneedecke kann keine Rücksicht genommen werden, da hierüber 
fast gar keine Messungen existieren. | 

Ist so die Niederschlagsmenge für möglichst viele Stationen 
in dem betrachteten Flußgebiet bestimmt, so handelt es sich noch 
darum, die mittlere Niederschlagshöhe zu finden. Die genaueste 
Methode besteht zweifellos darin, daß man Karten mit Kurven 
gleichen Niederschlags zeichnet und die Flächen planimetrisch aus- 
wertet. Diese Methode ist beispielsweise von PEnck und bei der Be- 
arbeitung der württembergischen Flüsse angewandt worden. Handelt 
es sich jedoch darum, sehr viele Niederschlagskarten zu zeichnen, 
z. B. für jeden Tag des Jahres, so wäre diese Berechnungsweise 
zu umständlich. In diesem Fall genügen einfachere Methoden. Die 
einzelnen Stationen werden mit relativen Gewichten versehen, welche 
sich wie die Flächen erhalten, denen durchschnittlich der Nieder- 
schlag der betreffenden Station zukommt. Im Verhältnis dieser ein 
für allemal festgestellten Gewichte sind die einzelnen Stationen bei 
der Berechnung der mittleren Niederschlagshöhe beteiligt. 

Eine der schwierigsten Fragen beim Abflußproblem erhebt sich, 
wenn wir bestimmte Zeiträume beim Niederschlag und Ab- 
fluß zueinander in Beziehung setzen sollen. Nehmen wir 
das Nächstliegende, nämlich ein Jahr. Wenn sich Abfluß und Nieder- 
schlag in diesem Jahr genau entsprechen sollen, so muß offenbar 
der Wasserstand zu Anfang und zu Ende der gleiche sein. Dies ist 
natürlich im allgemeinen nicht der Fall. Ist der Wasserstand zu 
Ende des Jahres höher, so fließt ein Teil des Wassers erst im 
nächsten Jahre ab; das aus dem Jahre allein berechnete Abfluß- 
verhältnis erscheint demnach zu tief. Ist der Wasserstand dagegen 
am Anfang höher, so erfolgt der Abfluß während des Jahres z. T. 
auf Kosten der vorher angesammelten Vorräte und das Abfluß- 
verhältnis berechnet sich höher, als es in Wirklichkeit ist. PENCK 


! In den neueren Jahrgingen der preußischen Beobachtungen finden sich 
Angaben über den \Wasserwert. 


— 150 — 


hat aus diesem Grunde vorgeschlagen, die einzelnen Jahre zu über- 
einandergreifenden Jahrespaaren zusammenzufassen, z. B. 1879/80, 
1880/81 usw. Es leuchtet ein, daß die Fehler sich auf diese Weise 
bis zu einem gewissen Grade ausgleichen; aber das Hilfsmittel ist 
ein mathematisches, nicht ein im Wesen der Sache begründetes. 

Weiterhin braucht das Wasser eine gewisse Zeit, um von dem 
Orte, wo es fällt, an den Punkt zu gelangen, wo es gemessen wird. 
Der Abflußzeitraum muß daher gegen den entsprechenden 
Niederschlagszeitraum verschoben werden. ULE nimmt in 
seiner Untersuchung über die Saale an, daß der Abflußvorgang in 
seinem Falle durchschnittlich 10 Tage beansprucht. Es kann sich 
jedoch dabei nur um einen Mittelwert handeln. Das Wasser kommt 
nicht nur von ganz verschiedenen Punkten her, sondern von diesen 
selbst mit sehr verschiedener Geschwindigkeit, je nach der Höhe 
des Wasserstandes. 

Wie ich für den Neckar (bei Tübingen) die beiden letzten 
Schwierigkeiten zu vermeiden gesucht habe, soll in Abschnitt 3 ge- 
zeigt werden. 

Ich habe es für notwendig gehalten, in diesem Abschnitt mög- 
lichst alle in Betracht kommende Fragen zu streifen. Ich wollte 
nicht eingehende Darlegungen und Widerlegungen geben, sondern 
nur einen Überblick über die Schwierigkeiten gewinnen, mit denen 
man sich abfinden muß, ehe man weitere Schlüsse zieht. 


2. Einige Resultate aus früheren Arbeiten. 


Wenn wir von den älteren Berechnungen GräveE's und MöLLEN- 
DORF'’s absehen, so beträgt das Abflußverhältnis (Abfluß in Pro- 
zenten des Niederschlags) für einige mitteleuropäische Flüsse: 


Saale (Trebnitz).. . . . 27° Alleria 2. & Bas 34 0/0 
Main (Miltenberg) . . . 28 Weser .. ee Mean 36 „. 
Elbe (Tetschen) . . . . 28., Maas. er ee 37 ,„ 
Neckar (Heidelberg) . . 31 ,„ Mulde (Grimma). . . . 41, 
Ilmenau ... 2.2... 33 „ Enns... 3a 25% 47.. 
Memel . 2.2.2220. 31. TAN. 4 a a 57 ,„ 


Wenn wir von Enns und Traun absehen, bewegen sich die Ab- 
flußverhältnisse für die mitteleuropäischen Flüsse ın 
den relativ engen Grenzen 27 °/o—41°/o. Dies ist sehr bemerkens- 
wert; denn die einzelnen Werte stammen von ganz verschiedenen 
Bearbeitern. Daß das Abflußverhältnis für Enns und Traun sich höher 
stellt, ist nicht verwunderlich. Die alpinen Einzugsgebiete sind viel 


— 1531 — 


niederschlagsreicher und mit der Höhe des Niederschlags wächst 
nicht nur der Abfluß absolut, sondern auch der Prozentsatz des 
Abflusses. Berechnungen für einige amerikanische Flüsse der ge- 
mäßigten Zone hatten ähnliche Ergebnisse. Murray! hat das Ab- 
flußverhältnis zonenweise zwischen bestimmten Parallelen berechnet, 
doch sind die ziffernmäßigen Resultate ziemlich unsicher. Dagegen 
dürfte das allgemeine Resultat der Wahrheit ziemlich entprechen, 
daß das Abflußverhältnis in höheren Breiten relativ hoch ist, daß 
es in etwa 30° Breite sein Minimum erreicht, um in den Tropen 
wieder zu wachsen. — Für den Oberrhein bis zur Tardisbrücke in 
Graubünden wird ein Abflußverhältnis von 94 °/, berechnet, für den- 
selben bis zur Aaremündung ein solches von 66 °/o. Doch dürften 
diese Werte zu hoch sein, da die Regenhöhe im Hochgebirge zu 
wenig bekannt ist und die mittlere Niederschlagsmenge die (meist 
aus Talstationen berechneten) Werte von 1200 mm bezw. 1148 mm 
erheblich übertreffen dürfte. — Einer landläufigen Regel zufolge soll 
vom Niederschlag '/s sofort abfließen, '/s verdunsten und 'js ver- 
sickern. Was aus dem versickerten Teile wird, darüber gibt die 
Regel keine Auskunft. Wenn wir das Abflußdrittel für den Ge- 
samtabfluß nehmen, so kommt dies nach obiger Zusammenstellung 
für mitteleuropäische Flüsse der Wahrheit im Mittel ziemlich nahe, 
worauf auch Penck hingewiesen hat. Dagegen würde man im 
speziellen Fall mit dieser Annahme die größten Fehler begehen, 
besonders wenn man die unten zu besprechenden jahreszeitlichen 
Unterschiede in Betracht zieht. 

Den Angaben über das Abflußverhältnis im ganzen mögen sich 
einige Resultate Pexck’s?® über die böhmische Elbe (bei Tetschen) 
anreihen. Er untersucht den gleichzeitigen Verlauf von Nieder- 
schlag, Abfluß und Temperatur in den einzelnen Jahren. Der mitt- 
lere Niederschlag unterliegt großen Schwankungen und beträgt 
beispielsweise im Jahre 1887 nur etwa 547 mm, im Jahre 1890 
dagegen 858 mm. Der Temperaturverlauf geht dem des Nieder- 
schlags ziemlich parallel, und in der Tat besteht eine enge Beziehung 
zwischen beiden. Erhöhte Temperatur bedingt erhöhte Verdunstung, 
diese wiederum erhöhte Wolkenbildung und vermehrten Niederschlag. 
Auch der Abfluß hat einen ähnlichen Verlauf wie Niederschlag und 
Temperatur, doch ist die Abhängigkeit nicht so deutlich ausgeprägt. 

! Vergl. das Referat Brückner's. Meteorol. Zeitschr. 1887. 


? Ruvarac-Penck. Die Abfluß- und XNiederschlagsverhältnisse von 
Böhmen etc. Penck's Geograph. Abhandl. Bd. V. Heft 5. 1896. 


— 152 — 


Er bringt eben dadurch seinen Charakter als Differenz: Niederschlag 
minus Verdunstung zum Ausdruck. Pexck stellt weiterhin den Jähr- 
lichen Gang von Niederschlag und Abfluß (zunächst in absoluten 
Werten) dar. Es besteht ein großer Unterschied des Abfluß- 
vorgangs im Sommer und Winter. Obwohl im Winter der 
Niederschlag kaum halb so groß ist wie im Sommer, ist der absolute 
Abfluß im Winter und Frühjahr doppelt so groß. Dieser charakte- 
ristische Unterschied findet sich bei den meisten Flüssen wieder und 
kann zu den Wahrheiten über das Abflußproblem zählen, welche 
endgültig geborgen sind. Der relativ stärkste Abfluß findet im 
Frühjahr statt, während man ihn nach dem Stand der Sonne im 
Dezember oder Januar erwarten würde. Es drängt sich uns daher 
die Annahme auf, daß im Frühjahr eine Speisung aus früher an- 
gesammelten Vorräten erfolgt. Hierüber hat Pexck eine interessante 
Untersuchung angestellt. Er bestimmt den jährlichen Gang der Ver- 
dunstung auf zwei Arten, nämlich 1. mit dem Verdunstungsmesser, 
dessen Kurve wir kurz die Beobachtungskurve nennen wollen; 2. aus 
der Differenz Niederschlag — Abfluß, kurz als Differenzenkurve zu be- 
zeichnen. Wenn Abfluß und Verdunstung gleichzeitig erfolgen, müssen 
offenbar die Kurven ganz gleich verlaufen. Wenn dies nicht der 
Fall ist, so müssen wir schließen, daß der Abfluß zum Teil gar nicht 
dem augenblicklichen Niederschlag entspricht. Da das Evaporimeter 
nur das Maximum der möglichen Verdunstung angibt, so läßt sich 
mit ihm nur der jährliche Gang, keine absoluten Werte feststellen. 
Penck nimmt daher den absoluten Betrag aus Niederschlag — Abfluß 
als gegeben und verteilt diesen so auf die einzelnen Monate, wie es 
die Beobachtungskurve verlangt. Es ergibt sich, daß in der ersten 
Hälfte des Jahres die Beobachtungskurve über der Differenzenkurve 
liegt, in der zweiten Hälfte unter derselben. Dies bedeutet, daß 
wir ın der ersten Jahreshälfte bei der Berechnung Niederschlag 
minus Abfluß einen zu großen Abfluß subtrahiert haben; ein Teil 
des Abflusses rührt also nicht vom Niederschlag, sondern von einer 
unterirdischen Speisung her. Umgekehrt haben wir in der zweiten 
Hälfte des Jahres zu wenig subtrahiert und müssen annehmen, daß 
ein Teil des Abflusses erst später zum Vorschein kommt. Wir haben 
demnach in der ersten Jahreshälfte eine Speisung, in der zweiten 
eine Aufspeicherung anzunehmen. Damit ist qualitativ der Beweis 
für eine winterliche Wasseraufspeich erung erbracht. Man darf jedoch 
nicht vergessen, daß dies als Mittelwert aus einer Reihe von Jahren 
abgeleitet ist, und daß im einzelnen Jahre die Sache sich ganz 


— 153 — 


anders gestaltet. Es wäre verfehlt, anzunehmen, man habe zu Be- 
ginn des Sommers einen bestimmten Wasservorrat und könne damit 
für den Wasserstand im Sommer eine Art Bilanz aufstellen. 

Ich komme zu den Untersuchungen Ures! über Niederschlag 
und Abfluß in Mitteleuropa. Eines seiner wichtigsten Ergebnisse ist 
der Gang des Abflußverhältnisses im Laufe des Jahres 
(vergl. Taf. 1). Ich habe der Ure’schen Arbeit die Werte für die 
Elbe bei Tetschen, den Main, die Saale, die Enns und die Traun 
entnommen. Diesen Flüssen habe ich aus den Untersuchungen 
v. Teıx’s® die Mosel (bei Trier) und den Neckar (bei Heidelberg), 
aus den württembergischen Beobachtungen? die Enz, Kocher-Jagst, 
Rems und Blau angefügt. Die Ähnlichkeit des Verlaufs der Kurven, 
mit Ausnahme derer für Enns und Traun, muß überraschend ge- 
nannt werden. Die Gleichartigkeit des Ganges ist so groß, 
daß mehrfach dieselben Werte auftreten. Wir müssen dabei be- 
denken, daß die Werte von verschiedenen Bearbeitern herrühren. 
Das Jahr ist scharf geschieden in ein abflußreiches und 
ein abflußarmes Halbjahr. Das erstere kann man passend mit 
dem 1. November beginnen und mit dem 1. Mai aufhören lassen. 
Bei allen Flüssen bewegt sich das Abflußverhältnis im Winterhalb- 
jahr über 50°/o hinaus. Das Maximum tritt meist im März ein; 
dann erfolgt ein rascher Abfall. Das Minimum ist weniger konstant; 
es bewegt sich zwischen Juli und Oktober. Um die Zeichnung 
deutlicher zu machen, sind die Skalen der Flüsse gegeneinander ver- 
schoben; die Lage der 50°Jo-Linie ist für jeden Fluß seitlich an- 
gegeben. Von den Kurven ist wohl die unsicherste die für die Blau, 
und zwar aus einem eigentümlichen Grunde. In der Blau und an- 
deren Albflüßchen tritt jeden Sommer eine starke Verkrautung des 
Bettes ein, welche den Wasserspiegel erhöht; die hohen Wasser- 
stände im Sommer rühren daher von der Vegetation her. Selbst- 
verständlich suchte man bei der Bearbeitung diesen Fehler zu 
eliminieren, indem man über die mittlere Höhe des Aufstaus Be- 
obachtungen anstellte; doch gelingt es nicht, den Fehler ganz zu 
beseitigen. Denn jeden Sommer muß das Flußbett gereinigt werden 


ı Ule, Niederschlag und Abfluß in Mitteleuropa. Forschungen zur deut- 
schen Landes- und Volkskunde. Bd. XIV. 1903. S. 439. 

2 Ergebnisse der Untersuchungen der Hochwasserverhältnisse im deutschen 
Rheingebiet. Heft VII u. VIII. ed. Großh. Bad. Zentralbureau für Hydrographie. 
i 3 Verwaltungsberichte der K. Ministerialabteilung für den Straen- und 
Wasserbau 1893’94 bis 1905/06. 


— 154 — 


und dann fällt der Wasserspiegel plötzlich scheinbar unmotiviert ab. 
Zudem wechselt die Verkrautung von Jahr zu Jahr. Zum Vergleich 
mit dem oberen Neckar (bei Tübingen), den ich als Typus eines 
Flusses mit wenig durchlässigem Gebiet und starkem Gefäll gewählt 
hatte, hatte ich ursprünglich die Blau als Beispiel eines reinen Quell- 
Husses mit langsamem Gefäll ausersehen. Es stellte sich jedoch heraus, 
daß die Beobachtungen für kürzere Zeiträume nicht verwendbar waren. 

Trotzdem zeigt die Kurve für die Blau Eigentümlichkeiten, die 
wohl keine Zufälligkeit sind. Dazu rechne ich die merkwürdige 
Stufe im Dezember und Januar. Während das Abflußverhältnis im 
Oktober und November rasch wächst, verlangsamt es sich im 
Dezember und Januar, um dann wieder rascher anzusteigen. Deut- 
licher ist diese Stufe bei der Enns ausgeprägt; aber auch bei den 
andern Flüssen fanden sich Andeutungen. Sie ist die Wirkung des 
Schnees und des Frostes. Eine Menge Niederschlag bleibt in fester 
Form liegen und drückt das Abflußverhältnis herab, um es dann im 
Frühjahr wieder emporschnellen zu lassen. Dazu kommt eine andere 
Ursache, auf die meines Wissens noch nicht aufmerksam gemacht 
wurde; es ist die Zurückhaltung von Wasser als Eis im gefrorenen 
Boden. In strengen Wintern gefriert der Boden bis !/ m Tiefe 
und mehr. Der gefrorene Boden nimmt die Sickerwässer auf, wenn 
vorübergehend Tauwetter eintritt, und erst die Frühjahrssonne bringt 
diese beträchtlichen Wassermengen zur Auslösung. Dies zusammen 
mit dem Schnee bewirkt, daß das Abflußverhältnis nicht gleichmäßig 
gegen das Ende des Winters ansteigt. Das Ansteigen überhaupt da- 
gegen ist den bis zum Frühjahr sich verbessernden Abflußbedingungen, 
in erster Linie dem Steigen des Grundwassers zuzuschreiben. 

Ure untersucht weiterhin die Abhängigkeit der Abflußhöhe von 
der Niederschlagshöhe. Die Abflußhöhe y wird der Niederschlags- 
höhe x offenbar nicht proportional sein, sondern rascher als diese 
ansteigen. Die Beziehung drückt sich durch die Formel aus 


y = 1818.10 x + 857.107 x? + 1024. 10-19 x? (Ure) 
Diese Formel ist aus den Beobachtungen für die Flüsse des 
gebirgigen Mitteleuropas als allgemeines Mittel hergeleitet. Da man 
aber, um die Veränderlichkeit während des Jahres sowie die Natur 


des Gebietes zu berücksichtigen, ihre Form vollständig verändern 
muß, ist sie auf den speziellen Fall nicht anwendbar. SCHREIBER ’ 


1 Schreiber. Über die Beziehungen zwischen dem Niederschlag und der 
Wasserführung der Flüsse in Mitteleuropa. Meteor. Zeitschr. XXL 1904. S. 441. 


o 
in EEE r, 


— 15 — 


hat gegen diese Formel eine Polemik eröffnet und selbst eine andere 
Formel aufgestellt, welche lautet: 


2,303 a 


y = Xe X ,woa = 200—350, und e die Basis d. nat. Log. (SCHREIBER). 


Diese Formel ist insofern umfassender als die erste, da sie 
eine Konstante enthält, welche den speziellen Verhältnissen angepaßt 
werden kann. Jch selbst messe beiden Formeln wenig Bedeutung 


bei, da sie rein empirisch sind und keinerlei physikalische Bedeutung 
besitzen. | 


3. Die Maximalabflußkurve und ihre Anwendung auf den 
oberen Neckar. 


Die früheren Arbeiten haben sich darauf beschränkt, den jähr- 
lichen Abfluß zum jährlichen Niederschlag und den monatlichen 
Abfluß zum monatlichen Niederschlag in Beziehung zu setzen. Wie 
schon ausgeführt, laufen hier zwei Fehler mit unter: 1. Der Wasser- 
stand ist zu Beginn und zu Ende des Jahres bezw. Monats nicht 
gleich hoch; daher wird das Abflußverhältnis zu groß oder zu klein. 
2. Das Wasser braucht gewisse Zeit, um von der Niederschlagsstelle 
zur Messungsstelle zu gelangen. Der erste Fehler wird natürlich um 
so größer, je kürzer die betrachtete Periode ist. Im ganzen Monat 
April 1893 z. B. ist in Württemberg kein Niederschlag gefallen. 
Wenn man hier das Abflußverhältnis berechnen wollte, so würde 
sich unendlich ergeben. Um die Frage prinzipiell zu lösen, kann 
man sie so formulieren: Wie lassen sich Abflußperioden 
finden, denen genau definierte Niederschlagsperioden 
entsprechen? Es bleibt offenbar nichts anderes übrig, als auf 
den täglichen Abfluß und Niederschlag zurückzugreifen. Noch 
besser wäre es, kontinuierliche Registrierungen zu benützen, 
welche das Pulsieren des Flusses in allen Einzelheiten erkennen 
lassen; doch ist dies aus Mangel an veröffentlichtem Material und 
aus anderen praktischen Gründen nicht möglich. Schon die Be- 
rechnung des täglichen Abflusses und Niederschlags macht selbst für 
ein kleineres Flußgebiet große Arbeit. — Wenn man sich irgend eine 
Wasserstandskurve ansieht, so könnte man auf den Gedanken kommen, 
daß der Wasserhaushalt zwischen zwei beliebigen, aber gleich hohen 
Wasserständen als abgeschlossen betrachtet werden kann. Denn 
wenn derselbe Wasserstand wieder eingetreten ist, beginnt gewisser- 
maßen der Abflußvorgang aufs neue. Ich könnte daher aus dem 


— 156 — 


Jahresverlauf eine Reihe von Perioden — ungleicher Länge — heraus- 
greifen, die zwischen gleichen Wasserständen liegen, und für sie das 
Abflußverhältnis berechnen. Bei näherer Überlegung aber erweist 
sich dies als unrichtig. Derselbe Wasserstand ist das eine Mal die 
Folge reichlich fließender Quellen, das andere Mal die Folge eines 
plötzlichen Wolkenbruchs. Im letzteren Fall wird der Wasserstand 
viel rascher absinken als bei Quellenzufluß. Ein Wasserstand als 
Folge unterirdischen Zuflusses repräsentiert gewissermaßen viel mehr 
potentielle Energie als derselbe als Folge von oberflächlichem Zu- 
fluß, z. B. nach einem heftigen Gewitter. 

Allgemein wird sich die Sache folgendermaßen gestalten. Hören 
die Niederschläge auf, so sinkt der Wasserstand zuerst rasch, dann 


Figur 1. 


langsamer und immer langsamer. Dabei existieren (vergl. Fig. 1) 
zwei Extreme: 1. Die Kurve des langsamsten Absinkens (AB), wie 
sie bei reiner Quellenspeisung beobachtet wird. 2. Die Kurve des 
schnellstens Absinkens (A’B), wie sie plötzlichen heftigen Nieder- 
schlägen oder Schneeschmelze bei gefrorenem Boden entspricht 
Letztere (A’B) möge einige Tage später beginnen; sie wird nach 
kurzer Zeit — wenn der oberflächliche Zufluß aufhört — in die 
erstere (AB) einmünden. Zwischen beiden Kurven liegen Kurven- 
zweige, die mäßig raschem Abfluß entsprechen; dieser Verlauf wird 
der häufigste sein. Tritt kein Niederschlag mehr ein, so nähert sich 
die Kurve allmählich dem Wasserstande O oder dem Versiegen des 
Flusses. Diese Annäherung ist asymptotisch zu denken. Von jedem 
Punkt der Kurve des langsamsten Absinkens sind Kurvenzweige aus- 
gehend zu denken, die dem schnellsten Abfluß und mäßig raschem 


— 157 0 — 


Abfluß entsprechen. Die Flächen zwischen den Kurven und der 
horizontalen Achse sind direkt die abgeflossenen Wassermengen. Der 
Kurve des langsamsten Falls entspricht offenbar ein Maximum 
des Abflusses. Ich nenne daher diese Kurve die Maximalabfluß- 
kurve. Dieselbe läßt sich für jeden Fluß leicht wirklich herstellen. 
Es gehören ihr diejenigen Teile der beobachteten Wasserstandskurve 
an, bei welchen nur Quellenzufluß vorhanden ist. Da die übrigen 
Zweige nach wenigen Tagen in die Maximalabflußkurve einmünden, 
so setzen wir diese aus einer Anzahl Stücke zusammen, die Trocken- 
perioden entnommen sind. Allein die sechswöchentliche Trocken- 
 periode im Frühjahr 1893 liefert ein großes Stück derselben. Im 


| Maximalabflusskurve 


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Figur 2. 


obersten Teil wird natürlich bei völliger Sättigung der Quellen zum 
unterirdischen auch oberflächlicher Abfluß treten. In dem rechts 
gelegenen Teile entsprechen die Zwischenflächen zwischen den 
steileren Zweigen und der Maximalabflußkurve dem oberfläch- 
lichen Abfluß. In Fig. 2 ist die Maximalabflußkurve für den 
Neckar bei Tübingen mit ihren Nebenzweigen konstruiert. Die 
Ördinaten sind die täglichen Abflußhöhen, in Millimetern ausgedrückt. 
Der höchste Tagesabfluß übersteigt 10 mm, nach 20 Tagen beträgt 
er noch 0,74 mm, nach 50 Tagen 0,17 mm, und der niedrigste be- 
kannte Abfluß mit 0,09 mm täglich tritt nach etwa 92 Tagen ein. 
Vom höchsten bis zum tiefsten Wasserstand würde also rund ein 
Vierteljahr verstreichen, wenn keine Niederschläge mehr einträten. 
Von Interesse ist die Frage, wie lange der Neckar bis zum völligen 


— 158 — 


Versiegen fortfließen würde. Zu diesem Zwecke haben wir die 
Kurve bis zum Schnitt mit der Abszissenachse zu verlängern. Da 
die Annäherung asymptotisch ist, so können wir nur das Minimum 
ausrechnen, indem wir die Kurve in dem extrapolierten Teil ebenso 
stark geneigt denken, wie in dem unmittelbar vorhergehenden. Da- 
bei ergibt sich als Mindestzeit für das Weiterfließen nach dem tiefsten 
Wasserstande etwa 160 Tage. In ähnlicher Weise läßt sich die 
Wasseraufspeicherung berechnen, die bei einem gewissen Pegel- 
stand in dem Flußgebiet vorhanden ist. Unter Wasseraufspeicherung 
kann man sich etwa die vorhandene mittlere Grundwassermenge 
vorstellen. Die Fläche zwischen der extrapolierten Kurve und der 
Abszissenachse ist wiederum hinzuzuaddieren. Die Aufspeicherung 
beim niedrigsten Pegelstand beträgt im Minimum noch etwa 7 mm. 
d. h. es ist eine Wasserschicht von 7 mm Dicke im Neckargebiet 
gleichmäßig vorhanden zu denken. Ist diese Zahl auch unsicher, so 
muß sie, auch wenn man sie auf das Mehrfache erhöht, durch ihre 
Kleinheit auffallen. Das ganze, bei Tiefständen noch vorhandene 
Wasserquantum wäre demnach nicht größer als die Niederschlags- 
höhe bei einem bescheidenen Regen. Ich habe die — hier nicht 
wiedergegebenen —- Maximalabflußkurven für einige andere Flüsse 
konstruiert und als Minimum der Aufspeicherung viel größere Werte 
gefunden. Auch bei sehr hohen Wasserständen sind nur etwa 
75 mm durchschnittlich im oberen Neckargebiet vorhanden, eine 
Zahl, die manchmal von einem heftigen Wolkenbruch geliefert 
wird. Würde keine Verdunstung stattfinden, so müßte jeder solche 
Wolkenbruch eine gewaltige Überschwemmung hervorrufen. Dies 
sind Eigentümlichkeiten, welche mit dem großen Gefäll und der 
geringen mittleren Durchlässigkeit des oberen Neckargebiets zu- 
sammenhängen. Ich möchte daher an dieser Stelle einige Angaben 
über die Natur des Gebiets einfügen. Von bedeutenderen Neben- 
flüssen fallen hierher Prim, Schlichem, Eyach und Starzel rechts, 
Eschach und Glatt links. Alle diese Flüßchen zeichnen sich durch 
starkes Gefäll, mächtige, schnell verlaufende Hochwasser und lang 
anhaltende Niederwasserstände aus. Diesen Charakter besitzt auch 
der Neckar bei Tübingen. Nach Re«eLvann’s hydrographischer Durch- 
lässigkeitskarte des Königreichs Württemberg schätze ich 81 ?/o als 
mittel- und undurchlässig und nur 19 °/o als sehr durchlässig. Der 
undurchlässige Teil wird hauptsächlich von den weiten Liasebenen 
gebildet, die der Alb vorgelagert sind. Auch die durchlässigen Ge- 
biete längs des Albtraufs üben nicht die aufspeichernde Wirkung, 


— 159 — 


die wir im Innern dieses Kalkgebirges finden, denn sie bestehen 
aus steilen, abschüssigen Hängen. Die bekannte Eyachkatastrophe 
im Jahre 1895 hat sich gerade in diesem Gebiet abgespielt. Wir 
können daher die Abflußvorgänge im Neckar bei Tübingen 
als typisch ansehen für ein Gebiet mit starkem Gefäll 
und geringer Durchlässigkeit. Als Gegensatz dazu wäre 
etwa das Gebiet der Blau bei Ulm zu nennen, die sehr geringes 
Gefäll besitzt und ihr Wasser fast ausschließlich aus einigen Quell- 
töpfen bezieht. 

Wie verhilft uns die Maximalabflußkurve zur Berechnung von 
genauen Abflußverhältnissen unter Vermeidung der oben genannten 
Schwierigkeiten? — Befinden wir uns auf ihr bei A (s. Fig. 3) und 


Figur 3. 


tritt ein plötzlicher heftiger Niederschlag ein, so hebt sich der 
Wasserstand bis zu einem Scheitel S, um nach kurzer Zeit wieder 
zurückzusinken und in die Maximalabflußkurve einzumünden. Der 
Abfluß, der vom Niederschlag herrührt, ist durch die schraffierte 
Fläche gegeben. Der andere Teil ABCD (unterhalb der Kurve) 
rührt von der Speisung aus früheren Vorräten her. Direkt messen 
läßt sich dagegen nur beides zusammen, d. h. die Fläche ASBCD. 
Denken wir uns nun den zweiten Fall, daß nicht rasch verlaufende, 
sondern anhaltende, in den Boden dringende Niederschläge eintreten, 
so hebt sich der Wasserstand ebenfalls (s. Fig. 4), aber er fällt viel 
langsamer. Wenn wir an dem Punkte B ankommen, der in gleicher 
Höhe mit dem Anfang A der Schwellung liegt, so beginnt gewisser- 
maßen der ganze Vorgang von neuem: die Maximalabflußkurve ist 
einfach um das Stück AB nach rechts verschoben. Der Gesamt- 


— 160 — 


abfluß ist in diesem Fall durch das ganze zwischen den Kurven 
liegende Flächenstück (wagrecht schraffiert) gegeben. Es läßt sich 
nun leicht beweisen, daß dieses Flächenstück gleich einem andern 
ist, nämlich gleich dem Stück ASBCD (senkrecht schraffiert). Zu- 
nächst ist, unter steter Hinzurechnung der zwischen den extra- 
polierten Kurventeilen liegenden Flächenstücke, DA FH gleich C B EH 
(da die Kurve nur verschoben ist). Bringt man beiderseits die Fläche 
CGFH in Abzug und addiert die Fläche ASBG, so folgt sofort 


Fläche ASBCD = Fläche ASBEF. 


ASBCD ist aber der in dem Zeitraum direkt gemessene Ab- 
fluß; daher entspricht in diesem Fall der Abfluß wirklich dem Nieder- 


Figur 4. 


schlag. Allgemein kommen wir zu dem Satz, daß dieselben Wasser- 
stände nur dann gleichwertig sind, wenn die Wasser- 
standskurve dieselbe Neigung besitzt. Der Wasservorrat 
ist also nicht nur vom Wasserstand, sondern auch vom Differential- 
quotienten desselben nach der Zeit abhängig. 

Wir werden demnach genaue Abflußverhältnisse erhalten, wenn 
wir Perioden zwischen gleichen Wasserständen herausgreifen, bei 
denen gleichzeitig die Wasserstandskurve die gleiche Neigung hat. 
In Wirklichkeit ıst es aber sehr schwierig, solche Perioden mit 
Sicherheit zu bestimmen. 

Dagegen führt eine andere Methode zum Ziele. Wie oben aus- 
geführt wurde, mündet die Wasserstandskurve wenige Tage nach 
dem Aufhören des Niederschlags in die Maximalabflußkurve 
ein. Wir wählen nun die Perioden so, daß ihr Anfang 


— 161 — 


und Ende auf dieser liegt, d. h. wir lassen sie einige Tage 
nach dem Regen beginnen und aufhören, dabei mag der Wasser- 
stand zu Beginn und zu Ende ungleich hoch sein. Ist der Wasser- 
stand zu Anfang höher, so rührt ein genau bekannter Teil des Ab- 
flusses von unterirdischer Speisung her. Wir entnehmen ihn aus 
der Maximalabflußkurve und bringen ihn von der gemessenen Menge 
in Abzug. Ist dagegen der Wasserstand zu Ende der Periode höher, 
so bewegen wir uns gewissermaßen auf der Maximalabflußkurve rück- 
wärts und es ist eine Aufspeicherung eingetreten. Diese tritt erst 
nach der betrachteten Periode in Wirksamkeit, ist aber, weil von 
dem zugehörigen Niederschlag herrührend, dem gemessenen Abfluß 
hinzuzuaddieren. Damit ist die Schwierigkeit, welche von der Ver- 
schiedenheit der Wasserstände zu Anfang und Ende der Perioden 
herrührt, vermieden. 

Aber auch die zeitliche Verschiebung des Abflusses gegen den 
Niederschlag spielt keine Rolle mehr. Ob die Niederschläge ein 
paar Tage vor- oder rückwärts verschoben werden, ist ohne Belang; 
denn die Niederschlagsperiode ist so gewählt, daß sie auf beiden 
Seiten von einigen trockenen Tagen eingerahmt wird. Damit ist 
auch der zweiten Schwierigkeit aus dem Wege gegangen. 

Auf diese Art sind die Abflußverhältnisse für den 
Neckar bei Tübingen in den Abflußjahren 1891/92 und 1892/93 
— ich lasse das Abflußjahr mit dem 1. November beginnen — be- 
rechnet (vergl. Taf. II). Die Perioden sind natürlich ungleich lang 
und gehen jedesmal von einer, wenn auch kurzen Trockenperiode 
bis zur nächsten. Die dick ausgezogene Kurve ist das Abfluß- 
verhältnis in Prozenten, die gestrichelte Kurve der Gesamtabfluß 
mit Berücksichtigung der erfolgten Speisung bezw. Aufspeicherung, 
die dünn ausgezogene Kurve die der mittleren Niederschlagshöhe. 
Die Ordinaten der beiden letzten Kurven stehen also in dem pro- 
zentualen Verhältnis, das durch die erste Kurve dargestellt ist. 
Die strichpunktierte Kurve endlich stellt den jährlichen Gang der 
Wasseraufspeicherung dar. Haben wir uns während einer 
Periode auf der Maximalabflußkurve abwärts bewegt, so fällt diese 
Kurve; ist erhöhte Quellenspeisung eingetreten, so steigt dieselbe. 
Der Maßstab ist gegenüber dem des Abflusses und Niederschlags 
auf das Fünffache erhöht zu denken. Statt des Ausdrucks „Wasser- 
aufspeicherung* könnte man auch die Bezeichnung Quellen- 
speisung wählen. Beide Größen stehen in engem Zusammenhang 


mit der mittleren Höhe des Grundwassers. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 11 


— 162 — 


Das allgemeine Bild der Kurve ist, wie zu erwarten, dasselbe 
wie in Taf. I: Im Winter und gegen das Frühjahr hin ein Ansteigen 
des Abflußverhältnisses, dann rasches Absinken und Verharren bei 
niedrigen Werten im Sommer. Der Gang ist beim oberen Neckar 
noch ausgeprägter als bei den anderen Flüssen; dies hängt eben 
mit seinem torrentiellen Charakter zusammen. Sinkt doch das Ab- 
flußverhältnis in einigen Perioden bis auf 3°/o herab und erhebt 
sich im Sommer selten über 10 °/o! Im Jahre 1893 bemerkt man 
eine Stelle, wo sowohl Abfluß als Niederschlag auf Null herabsinken. 
Diese entspricht der bekannten Trockenperiode im März— April 1893. 
Daß auch der Ahfluß Null ist, entspricht dem Prinzip der Berechnung; 
der ganze Abfluß erfolgte auf Kosten der vorhandenen Vorräte und 
mußte daher von sich selbst subtrahiert werden. Der Gang des 
Niederschlags hat mit dem des Abflußverhältnisses wenig Ge- 
meinsames. Der Einfluß der Jahreszeit ist so überragend, daß auch 
starke Niederschläge nur eine geringe Änderung des allgemeinen 
jährlichen Gangs hervorrufen. Das sommerliche Regenmaximum, 
das gegen das Innere des Kontinents immer mehr hervortritt, ist 
in den beiden Jahrgängen nicht zu erkennen. Viel mehr Ähnlich- 
keit hat die Kurve des Abflusses selbst mit der des Abfluß- 
verhältnisses. Am deutlichsten aber fällt der parallele Gang der 
Wasseraufspeicherung ins Auge. Wir können uns darunter 
den aus Quellen stammenden Teil des Abflusses vorstellen im Gegen- 
satz zum oberflächlichen Abfluß. Wir haben somit das auffallende 
Resultat, daß das Abflußverhältnis ähnlich verläuft wie 
die Quellenergiebigkeit und weiterhin wie die durchschnitt- 
liche Höhe des Grundwassers. Dies steht im Einklang damit, daß 
die Gefährlichkeit starker Niederschläge, wie bekannt, wesentlich 
davon abhängt, auf welchen schon vorhandenen Wasserstand sie 
treffen. Auch die Frage der Aufspeicherung von Wasser im Winter 
findet in dieser Kurve für die betrachteten Jahre ihre zahlenmäßige 
Lösung. Der unterirdische Wasservorrat sinkt im Jahre 1892 vom 
März bis September um rund 10 mm, im Jahre 1893 um ungefähr 
denselben Betrag. 

Ein merkwürdiger Umstand bleibt noch zu erklären. Das Ab- 
flußverhältnis steigt im März 1892 auf über 100 °o. Es ist also 
auch mit Hinzufügung des Schmelzwassers zum Regen und unter 
Abzug der Speisung vom Abfluß noch mehr Wasser abgeflossen, als 
gefallen ist. Die einzig mögliche Erklärung ist die, daß neben der 
Quellenspeisung eine latente Speisung durch freiwerdendes Wasser 


— 163 — 


aus dem gefrorenen Boden vorhanden ist. Wenn die ersten Fröste 
eintreten, wird eine Menge Sickerwasser gebunden; dem entspricht 
die Stufe im November, Dezember und Januar. Das Freiwerden dieses 
Wassers im Frühjahr läßt das Abflußverhältnis wieder emporschnellen. 

Es kommt durch diesen Umstand wieder ein Fehler in die 
Berechnung des Abflußverhältnisses herein, dessen Beseitigung nur 
von genauen Beobachtungen über die Bodenfeuchtigkeit in 
flüssiger und fester Form zu erhoffen ist. 

Eine Übersicht über das Verhalten der besprochenen Größen 
in den vier Halbjahren möge noch hier Platz finden: 


Neckar bei Tübingen. 


Nieder- Gesamt- Abflußver- 

schlag (mm) abfluß (mm) hältnis (°/o) 
November 1891i—April 1892 . . 448 231 52 
Mai—Oktober 1892 ...... 472 55 12 
November 1892— April 1893 . . 248 154 62 
Mai—Oktober 1893 ...... 433 18 4 


Die Vorbedingung für die Berechnung von Abflußverhältnissen 
ist die genaue Kenntnis des Niederschlags und des oberflächlichen 
und unterirdischen Abflusses. Der Zweck meiner Ausführungen war, 
darzulegen, wie es möglıch ist, unter diesen Voraussetzungen mit 
Hilfe der Maximalabflußkurve genaue Abflußverhältnisse zu berechnen. 


11* 


Die Horizonte von Psiloceras subangulare OPPEL und 
Psiloceras Hagenowi DUunkER im unteren Lias von 
Stuttgart. 


Von stud. chem. A. Finckh. 


Abweichend von der sonstigen Ausbildung der Psilonoten- 
schichten in Württemberg finden sich in diesen in der unmittelbaren 
Umgebung von Stuttgart zwei verschiedene Horizonte, in deren oberem 
Psiloceras subangulare, und in deren unterem Psil. planorbe und 
Psiloceras Hagenowi leitend sind. 

Schon in der Ausbildung des Gesteins unterscheiden sich die 
beiden Bänke: Die Subangulare-Schicht ist sehr ähnlich der 3 m 
höher liegenden untersten Angulatenbank, eine sehr fossilreiche 
Muschelbreccie; sie enthält massenhaft T’halassites, Plagiostoma, 
Östraca, Cidaritenstacheln und fast überall wenigstens vereinzelte 
Bruchstücke von Pstloceras subangulare. Die untere Bank mit den 
glatten Ammonitenformen ist ein feinkörniger, lokal etwas sandiger 
Kalk, dessen Fauna zwar über ein Dutzend Arten zählt, aber meist 
arm an Individuen ist. Auch wo es an Aufschlüssen fehlt, lassen 
sich die im Gehängeschutt aufgefundenen Stücke dieser beiden Bänke 
leicht unterscheiden. 

Den schönsten Aufschluß der Psilonotenschichten bei Stuttgart 
bietet ein kleiner Steinbruch nördlich von Vaihingen a. F., am Süd- 
rand des Pfaffenwalds im Gewand Burgstall. Das dort aufgeschlossene 
Profil beginnt (etwa 5 m unter dem Angulatenpflasterstein) mit 


0,2 m Thalassitenkalk Schlotheimia angulata und striatissima 

30 m Mergel i nn 
0,15 m p Muschelbreccie Psiloceras subangulare 

10 m | Mergl o o 

O5 m sandiger Kalk (Pflasterstein) Psiloceras Hagenowi nn 


— 165 — 


Die etwa 3 km weiter westlich liegende Degerlocher Nagel- 
kalkgrube zeigt ein ähnliches Profil: 


04 m Thalassitenbreccie Schlotheimia angulata 


28 m| | Mergel 


03 m| Nagelkalkbank mit vielen gut erhaltenen Muscheln und Terebratula 
psilonoti (von Psiloceras subangulare fand ich nur ein zweifel- 
haftes Bruchstück) 


10 m|| Mergel re 


Die untere Psilonotenbank ist nimmer aufgeschlossen, die 
Subangnlare- Bank zeigt hier einen anderen Gesteinscharakter als 
weiter westlich und östlich. 

Am Birkenkopf, Pfaffenwald und bei Vaihingen a. F. bekam ich 
zahlreiche Blöcke aus beiden Psilonotenschichten, oft mit schön er- 
haltenen Muscheln; von Ammonitenresten war regelmäßig Psiloceras 
subangulare zu finden. In den Bachrissen zwischen dem Degerlocher 
Exerzierplatz und Kleinhohenheim fand ich beide Schichten, die obere 
mit Psil. subangulare, die untere mit P’sil. planorbe und zahlreichen 
Exemplaren von Jnoceramus!. Am Bopser sind beide Bänke noch 
vorhanden, enthalten aber keine Ammoniten mehr. 

Psiloceras subangulare OpreL emend. Ponpecks® kommt bei 
Stuttgart in hoch- und niedermündigen Exemplaren vor. Ein Exem- 
plar, das dem in diesen Jahresh. 1900, Taf. IX Fig. 5° abgebildeten 
sehr ähnlich ist, übergab ich der Sammlung der Technischen Hoch- 
schule in Stuttgart. 

Psiloceras Hagenowi Dusker! fand ich nur in dem oben 
erwähnten Steinbruch nördlich von Vaihingen a. F. Ich halte es 
für wahrscheinlich, daß auch die zwei Exemplare des Naturalien- 
kabinetts, deren Etikette als Fundort Vaihingen angibt, dorther 
stammen. An diesem Fundplatz kommt diese, sonst aus Württem- 


! Dort ist auch der Rhätsandstein aufgeschlossen ; er führt statt des Bonc- 
beds kohlige Pflanzenreste. teilweise verkieste Muscheln (Mytilus und Taeniodon) 
und Adern von Bleiglanz. 

2? Ammonites subangularis: Oppel, Pal. Mitteil. S. 130 Anm. Vergl. auch: 
Pompeckj, Beitrag zu einer Revision der Ammoniten d. Schw. Jura, diese 
Jahresh. 1893. S. 219. 

3 Holland, Über alpine Formenreihen von Psiloceras in Schwaben. 

t Dunker, Palaeontographica I. S. 115. Taf. XIII Fig. 22; Taf. XVII 
Fig. 2. Vergleiche auch: Schlönbach, Palaeontographica XIII. Taf. XXVI 
Fig. 2; Quenstedt, Ammoniten I. S. 20. Taf. I Fig. 18. 


— 166 — 


berg noch nicht beschriebene Art recht häufig vor. Aber leider sind 
die Stücke so zerbrechlich und das umgebende Gestein so hart, daß 
beim Herausschlagen die meisten Exemplare zerbrechen. Trotzdem 
bekam ich einige gut erhaltene Stücke, die ich der vaterländischen 
Vereinssammlung übergeben habe. Trotz seiner äußerlichen Ähnlich- 
keit mit Psil. planorbe unterscheidet sich Psil. Hagenowi von diesem 
durch sehr charakteristische Eigentümlichkeiten, die berechtigen, es 
als gute Art anzusehen. 

Psiloceras Hagenowi ist viel kleiner als Psiloceras planorbe, 
der Durchmesser sämtlicher von mir untersuchten Exemplare ebenso 
wie der norddeutschen bleibt hinter 40 mm zurück. Die Flanken 
sind stark abgeflacht, die Außenseite schneller gerundet. Die An- 
wachsstreifen und die leichte Fältelung verlaufen über die Flanken 
zuerst rückwärts, dann biegen sie sich in flammenartigem Bogen 
nach vorn. Die schwachen Falten bleiben auf dem Rücken noch 
gut erkennbar. Die Loben sind noch einfacher als bei Psil. planorbe. 
Nach einer freundlichen Mitteilung von Herrn Dr. M. Scmmipt soll 
zwar unsere Vaihinger Form nicht ganz mit dem echten Psil. 
Hagenowi Donker übereinstimmen, der in Norddeutschland in den 
unteren Angulatenschichten vorkommt, sie ist ihm aber doch so ähn- 
lich, daß sie wohl kaum als eigene Art abgetrennt werden kann. Be- 
merkenswerterweise ist Vaihingen a. F., wo diese norddeutsche Am- 
monitenform vorkommt, der am weitesten gegen Nordwesten vor- 
geschobene württembergische Psilonotenfundplatz. 


! Oppel ist anderer Ansicht; siehe Juraform. S. 193. 


Geschichte der Stuttgarter Tiergärten. 
Von Prof. Dr. ©. B. Klunzinger. 
Mit Tafel X und 5 Textbildern. 


1. Vorwort. 


„Wohl keine Stadt hat eine solche Anzahl von gelungenen oder 
mißlungenen Versuchen in der Gründung von Tiergärten aufzuweisen 
als Stuttgart“ '. Die Geschichte dieser für das naturwissenschaftliche 
Leben in Württemberg nicht unwichtigen Tiergärten quellenmäßig 
darzulegen und damit eine Grundlage zu bilden für etwaige weitere 
wünschenswerte Gründungen, ist der Zweck dieser Studien. 


2. Literatur. 


BücheLe, Dr. Karr. 1858. Stuttgart und seine Umgebungen. S. 140. Verlag von 
Karl Aue. 

Bürk, Conr. FRIEDR. 1736. Das jetzt lebende und florirende Wirtemberg unter 
der Regierung Carl Alexanders, oder Beschreibung, was dermalen am 
wirtemberg. Hof und in der Residenzstadt Stuttgart Merkwürdiges zu 
sehen. 

Carus, J. Viktor. 1872. Geschichte der Zoologie. 

FrischLin, NıkoDEmus. 1575. Von der zweiten Hochzeit Ludwigen Herzogs mit 
Dorothea Ursula von Baden, in 7 Büchern, (aus dem Lateinischen) in 
Teutsch von Beyerum 1578. 

HARTMANN, Julius. 1886. Chronik der Stadt Stuttgart. 

Hecg, L. 1906, Januar. Gutachten über die Stuttgarter Tiergartenfrage; siehe 
Stuttgarter Rathausakten. 

Herse, E. Über die Einrichtung, die Verhältnisse und Leistungen der K. Württ. 
Tierarzneischule Stuttgart. 1832. Mit Plan (Grundriß). 

— — Die Kgl. Württ. Tierarzneischule in Stuttgart. 1847. (Mit demselben Plan). 

HoFAKER, A., Baurat. 1909. „Zur Tiergartenfrage‘. 4 Artikel im Stuttgarter 
„Neuen Tagblatt“ (Generalanzeiger) vom 14. und 19. Mai und 21. und 
22. Juni 1909. 


! L. Martin, 1878. S. 98. Lauer, 1908. S. 73. 


— 168 — 


HoFFMANN, LEONHARD, Professor (an der Tierärztl. Hochschule). 1909. „Der 
moderne zoologische Garten“. 8 Artikel im „Neuen Tagblatt“ (General- 
anzeiger) 20. April—4. Mai und 14. Juni 1909. Später, in demselben Jahr. 
als „Denkschrift“ im Sonderabdruck herausgegeben von den Bürgervereinen 
des südöstlichen, südwestlichen und südlichen Stadtteils, und vom Bürger- 
verein Degerloch. 

— -— Über Alopecia congenita (ein haarloses Rind aus Nill’s Tiergarten) in 
E. Herixe’s Repertorium der Tierheilkunde. 53. Jahrgang. 1892. S. 1—4. 

Hofmarschallamt, Akten über das Projekt eines Tiergartens im Schlob- 
garten 1863'64 und 1905 06. 

Hücer, v. und Schumipt, Die Gestüte und Meiereien des Königs Wilhelm I von 
Württemberg 1861. 

Kıunzinser, C. B. 1907/08. Der neue Stuttgarter Tiergarten „Doggenburg“. 
Neues Tagblatt, Artikel I—-V, 23. Nov. S. 27, 6., 14. und 23. Dez. 1907 
und 9. Januar 1908 (im Generalanzeiger). 

— — 1908. Betrachtungen über die Tiere des Widmann’schen Tiergartens 
Doggenburg in Stuttgart, im Neuen Tagblatt (meist im Generalanzeiger‘: 
a) Säugetiere, I—V, 28. März, 4. und 11. April, 1. und 4. Mai 1908: 
b) Vögel, I—XV, 16. und 19. Mai, 2. und 18. Tuni. 11., 17., 23.. 24., 27. und 
29. Juli, 5., 14. und 20. August, 1., 11., 14., 21., 23. und 25. September. 

— — 1908. Vortrag über die Stuttgarter Tiergartenfrage vom Standpunkt des 
Unterrichts und der Wissenschaft. Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Natur- 
kunde in Württemberg. 1908. S. LXXVII. Sitzungsbericht. 

— — 1909, Der Stuttgarter Tiergarten Doggenburg im Sommer 1909, im „Neuen 
Tagblatt“ (Generalanzeiger) 23. und 28. Juni, 14. Juli, 12, August. 
Laurer, H. 1909. Ein Rundgang durch den Tiergarten Doggenburg in Stuttgart 

Zool. Garten !. (Zool. Beobachter). 50. Band. No. 3. S. 65—74. 

MARTENS, GEORG v. 1824. Reise nach Venedig. lI. Teil. S. 319--322. 

— — 1847—1860. Menagerien in Stuttgart. Jahresh. des Ver. f. vaterl. Naturk. 
in Württemberg. III. 1847, VI. 1850, VII. 1851. X. 1854, XV. 1859, 
XVI. 1860. 

Marrtın, PuırLıpp LeororLn. 1864. Z. G. V. S. 155. Briefliche kurze Mitteilung 
über den Bau eines Akklimatisationsgartens in Stuttgart. 

— — 1564, Wanderungen durch die zoologischen Gärten Deutsch- 
lands in der Zeitschrift „Über Land und Mcer*. Bd. 12, I. Teil. S. 582 
—83. (Handelt über Entstehungsweise und den Zweck zoologischer Gärten.) 

— — 1865. Ebenda, Bd. 13. I. Teil. S. 167—168 über .Werners zoologischen 
Garten in Stuttgart“ Mit Bild von Fr. Specht „Gustav Werner 
im Löwenkäfig“. (S. die Autotypie in diesem unserem Aufsatz!) 

— — 1865. Ebenla, Schluß S. 180. Mit Bild von Fr. Specht: „Der Rehzwinger 
im zoologischen Garten von Gustav Werner“. 

— — 1865. Ebenda, 14. Bd., II. Teil, Fortsetzung: Der zoologische Garten in 
Frankfurt a. M. S. 603—606, mit Bild S. 605 und S. 619—622, mit Bild 
S. 621. Ebenda S. 731—73t, Der Wiener Tiergarten, mit Bild S. 732. 
(Fortsetzungen davon nicht erschienen.) 


! Im folgenden abgekürzt als Z. G. bezeichnet. 


— 169 — 


MARTIN, Pumirp Leororp. 1875. Z. G. XVI. S. 103—104. Mitteilungen aus dem 
Nill'schen Tiergarten in Stuttgart (Affen, Geier usw.) und aus dem Museum 
der Urwelt. 

— — 1876. Z. G. XVII. S. 20—24. Fortsetzung. 

— — 1877. Z. G. XVIII. S. 135—136. Über Bärenbastarde. 

— — 1878. Praxis der Naturgeschichte. III. S. 9—98. Die botanischen und 
zoologischen Gärten, Aquarien usw. nach ihren wichtigsten Eigentümlich- 
keiten. S. 98—103. Die früheren und gegenwärtigen Tier- und Pflanzen- 
gärten Stuttgarts. 

MEMMINOER. J. D. G. 1817. Stuttgart und Ludwigsburg mit ihren Umgebungen. 
S. 352--362. Die Königl. Menagerie. 

NEUBERT, W., Dr. 1865. Z. G. VI. S. 229. Briefliche Mitteilung über beabsichtigte 
Gründung eines Zoologischen Gartens in Stuttgart. 

— — 1870. Z. G. XI. S. 84—90. Der Tiergarten des Cafetier G. Werner in 
Stuttgart. 

— — 1871. Z. G. XII S. 342. Der Werner’sche Tiergarten in Stuttgart. 

— — 1871. Z. G. S. 154. Anmerkung zu dem Artikel von Tierarzt Saur über 
Diphtheritis (s. u.). 

Nick, FriepR. 1875. Stuttgarter Chronik und Sagenbuch. S. 390—400. Die 
Menagerie des Königs Friedrich 1812. 

Nıcı, Jon. 1885. Z. G. XXVI. S. 321—324. Brutresultate afrikanischer Strauße 
im Nill’schen Tiergarten in Stuttgart. 

NıLL, Anour. 1896. Festschrift zum 2öjährigen Jubiläum von J. Nill’s zo- 
ologischem Garten, mit einer Gesamtansicht des Gartens und einem Bild 
des Gründers Johannes Nill. 

— — 189%. Führer durch Nill’s zoologischen Garten, mit 38 Holzschnitten 
und einem Plan des Gartens. 

— — 1907. Z. G. Band 48, S. 145—151. Fortpflanzung des großen Ameisen- 
bären in Nill’s zool. Garten in Stuttgart. 

Oberamtsbeschreibung: von Stuttgart Amt 1851 (Wildpark) S. 185—137; 
Leonberg 1852 (Fasanengarten bei Weilimdorf) S. 270: Stuttgart Stadt- 
direktionsbezirk 1856; Cannstatt 1895 (Rosenstein) S. 496; Ludwigsburg 
1859 (Favoritpark) S. 155. 

Prarr, CARL Dr. 1845 und 46. 2 Bände. Geschichte der Stadt Stuttgart. Nach 
Archivalurkunden und anderen bewährten Quellen. 

Rterr, Aporr, Direktor. 1875. Z. G. XVI. S. 93—102. Zur Geschichte der zo- 
ologischen Gärten, mit besonderer Rücksicht auf die frühere Menagerie 
des Königs Friedrich zu Stuttgart. (Auch in der Schwäbischen Kronik 
(Merkur) 26. Nov. 1874.) 

Sarr, Stadttierarzt. 1871. Z. G. XII. S. 152—153. Einige Fälle von Diphtheritis 
im zoologischen Garten der Wittwe Werner beobachtet. 

STRICKER, W., Dr. 1879. Geschichte der Menagerien und der zoologischen Gärten 
Gärten. In: Sammlung gemeinverständlicher Vorträge: herausgegeben von 
Vırenow und v. HoLTZENXNDORFF. XIV. Serie, Heft 336, S. 1—48. 

Stuttgart, 1905 und 1906. Amts- und Intelligenzblatt der Stadt Stuttgart, 
insbesondere vom 21. Oktober 1905 und 18. April 1906. 

— — Rathausakten 1905. Alle in den Tagesblättern erschienenen Artikel über die 
Tiergartenfrage gesammelt. Ebenso Sitzungsprotokolle hierüber (geschrieben). 


— 170 — 


Tuvopıumv, Ferb. Nill’s Aquarium in Stuttgart. Schwäb. Kronik 14. Juni 1905 
(Mittwochsbeilage). 

WEINLAND, Dav. Fr., Dr. 1861. Z. G. I. S. 157—160. Herrn G. Werner’s zo- 
ologischer Garten in Stuttgart. 

— — 1859—63. Z. G. I—IV, verschiedene Artikel über zoologische Gärten. 

Wınmann, Tueropor. 1907. Festzeitung zum ersten Kinderfest im Widmann- 
schen Tiergarten, mit Ansicht des Gartens und anderen Abbildungen. In 4°. 

WiDmMANnN, Wırıy. 1905. Stuttgarter Tiergärten in alter und neuer Zeit, im 

„Neuen Tagblatt“ in Stuttgart 12. Juli. 

Zoologischer Garten (Zeitschrift), Organ der Zoologischen Gesellschaft in 
Frankfurt a. M. (Im Text bezeichnet mit Z. G.) Jahrgang 1—IV, 1859/60 
— 1863, herausgegeben von D. F. WEınLann, V. 1864 von C. Bruca, VI. 1865 
von BrucH und STIEBEL, VII-XXX1I. 1866—1892 von Dr. F. C. NoLL, 
XXXIV—XXXVI. unter dem Namen „Zoologischer Beobachter“ 
1893—95, herausgegeben von der Neuen Zoolog. Gesellschaft in Frank- 
furt a. M. XXXVII. und folgende, 1896—1909, redigiert von Dr. O. BÖTTGER. 

— — Inhaltsverzeichnis von Band I—XX. 1885, von Dr. Max Sca{ipr. 

— — Mitteilungen in dieser Zeitschrift ohne Namensunterzeichnung: 1871, XII. 
S. 306—308, über den Neuen Tiergarten in Stutttgart (unter anderem 
über ein haarloses Rind). 

— — 1874. XV. S. 196. Kurze Mitteilung über den eingegangenen Werner- 
schen und neuen Nill’schen Tiergarten. 


3. Tiergärten im Altertum und Mittelalter. 


Tiergärten im weitesten Sinn, d. h. eingefriedigte Räume zur 
Haltung von Tieren sind so alt als die Menschheit, und standen 
wohl zuerst zu der Haustierbildung in Beziehung. In geschichtlicher 
Zeit finden wir solche meist zum Glanz der Fürstenhöfe und zu 
Kultuszwecken: Assyrien, China, Ägypten!, Mexiko, Siam, Persien, 
Rom bis weit über das Mittelalter hinaus (Stricker 1879, Carus 
1872). Für Aristoteles waren zwar (nach Plinius 8. Buch. XVI. 3) 
einige tausend Menschen von Alexander dem Großen beauftragt, 
demselben über Tiere aller Art aus Asien und Europa Mitteilungen 
zu machen, aber von einem besonderen Tiergarten des Aristoteles 
ist nirgends die Rede (Carus S. 66 ff.). Ein Teil der Tiergärten 
diente auch der Jagdlust: Wildparke. 


4. Tiergarten der Neuzeit. 


Die ersten Tiergärten, die auch mehr oder weniger schon 
wissenschaftlich verwertet wurden, war die 1752 gegründete kaiser!. 
„Menagerie“ (zu deutsch: Tierhaus) in Schönbrunn bei Wien, 


! Ermann, Ägypter und ägyptisches Leben im Altertum. 1885. I. S. 332. 


— 11 — 


und der „Pflanzengarten“ in Paris, der erst seit 1794 auch lebende 
Tiere erhielt (Martın 1878). Daran reiht sich die 1812 eröffnete, 
aber schon 1817 aufgehobene „Menagerie“ des Königs Friedrich 
in Stuttgart s. u. Wandernde „Menagerien“ gab es wohl auch seit 
alten Zeiten her. Der erste „Zoologische Garten“ im heutigen 
Sinn: eingefriedigte Räume mit größeren Käfigen und Plätzen für 
die gehegten und zur Schau gestellten einheimischen und aus- 
ländischen Tiere, und von einer privaten Gesellschaft unterhalten, 
zur Belehrung und wissenschaftlichen Beobachtung, wie auch zur 
Unterhaltung dienend, war der im Regentspark in London, der 
1828 eröffnet wurde. 1838 folgte Amsterdam, 1843 Antwerpen, 
1844 Berlin, und dann rasch nacheinander Frankfurt a. M. 1858 
und eine Menge anderer Städte in und außer Deutschland und 
Europa (Marrın 1878, Stricker 1879, S. 42 und die Zeitschrift Z. G.). 
Etwas anderer Art sind der Akklimatisationsgarten in Paris 
1854 und die Aquarien- oder Wassergärten für Süßwasser- und 
Meerestiere, von denen das erste das von Lloyd ausgeführte Aquarium 
des Zoologischen Gartens in London war, das berühmteste aber das 
der Zoologischen Station in Neapel ist. Auch kleinere Tiergärten, 
sowie Aquarien und Terrarien als Liebhabereien einzelner kamen 
allerwärts auf. Aus dem Bedürfnis für die Tiergärten entstand ein 
bedeutender Tierhandel und in Verbindung damit eine neue Art 
von Tiergärten mit großem Flächeninhalt, wo die Tiere fast ein 
Freileben führen können, wie der Tiergarten von Hagenbeck in 
Stellingen bei Hamburg. 


5. Tiergärten in Stuttgart in der Grafen- und Herzogszeit. 


Wenn die Angaben der älteren Geschichtsschreiber richtig sind, 
so wäre Stuttgart der älteste deutsche Tiergarten als „Stuten- 
garten“, den schon 949 Liutolf, der Sohn Kaiser Otto I, im Stutt- 
garter Tal angelegt haben soll, und welcher der nachherigen Stadt 
Ursprung, Namen, sowie auch ihr Wappen (Stute mit Fohlen) gab. 
Aber die Sache ist sehr zweifelhaft (Prarr 1845, MEmmincEer 1817). 
Hinter der alten Burg der Grafen war ein Garten, schon 1350 und 
1393 erwähnt und 1451 „Thiergart“ genannt (Prarr S. 45), der 
sich bis an den Nesenbach erstreckte. Anfangs klein und unbedeu- 
tend, wurde er von den ersten 4 Herzogen durch Ankauf erweitert 
und mit Mauer und Türmen umgeben, und nun nach der Fertig- 
stellung des von Herzog Christoph gebauten herzoglichen Schlosses 
auch „Lustgarten“ genannt, in welchem sich später das hoch be- 


— 12 — 


rühmte „Lusthaus“ erhob unter Herzog Ludwig. In der Nähe aber 
lag ein Garten mit hohen Bäumen, besonders einer alten Linde, 
wo im Sommer viele Reiher nisteten, für welche Herzog Ludwig 
1579 ein eigenes Reiherhaus bauen ließ, in dem sich zu Herzog 
Friedrichs Zeiten auch ein Strauß befand (Prarr S. 53). Im Norden 
des Lustgartens war ein Baum- und Grasgarten. Neben dem Ball- 
haus stand daselbst das Falkenhaus, welches 1476 der gräfliche 
Falkenmeister erbaute (Prarr S. 54). Jenseits des Nesenbachs ließ 
Herzog Ludwig einen geräumigen Platz mit Schranken umfassen 
zum Dressieren junger Pferde, den „Tummelplatz“. Oberhalb des- 
selben lag der herrschaftliche Viehgarten mit einem Viehhaus 
und dem neuen Hundsstall (Prarr S. 55). Auf der Westseite 
des Schlosses lag der Marstall'. 

Schon das ältere Schloß war mit einem tiefen Graben um- 
geben, diesen ließ Herzog Christoph erweitern zu einer Breite von 
28—30 Fuß und mit Steinen füttern. Der Teil gegen den Marstall 
und Schloßplatz hin war mit Wasser gefüllt und mit Fischen für den 
Hofbrauch, auch mit Schwanen, Kranichen und anderen Wasser- 
vögeln besetzt, der übrige Graben war, des daranstoßenden Kellers 
wegen, trocken und wurde als Tierzwinger benutzt. Hier sah 
man zu den Zeiten des Herzogs Ludwig in einer Abteilung Bären, 
in der anderen, „dem Hirschgraben‘, der einen kleinen Teich 
enthielt, Tannhirsche (= Damhirsche). Ein Teil des Grabens 
hieß der Schießgraben (Prarr S. 43—44), 1777 wurde der Graben 
des alten Schlosses ausgefüllt (HARTMANN). 

Zur Zeit von Karl Alexander war (nach Bürk 1736) der „Hirsch- 
graben“ besetzt mit zwei großen Aurochsen (Bisons = Bos urus L.) 
beiderlei Geschlechts (vom König von Preußen verehrt), mit einem 
seltenen starken korsikanischen Steinbock samt einer Hirsch- 
kuh aus Korsika, von dem in dem Treffen bei Guastalla gebliebenen 
württemb. Prinzen Louys aus Korsika erst nach Winnenden, dann 
hierher verbracht; endlich mit zwei schwarzbraunen Widdern. 


! Auch Nik. Frischlin 1573 besingt im I. Buch seines Hochzeits- 
gedichts den Tiergarten, und zwar meistens dessen Pflanzen, er erwähnt auch 
das Vieh-, Falken- und „Reigerhaus“®: und außerdem noch ein Vogelhaus: 

l „Reig | 


„Gleich hart dabei dir bald erscheint 
Ein Vogelhaus auf Säulen getrawen, 
Mit engen Gittern anzuschawen 
Ringsum mit Drähten fein vermacht 
Darin die Vögel han ihre Pracht.“ 


— 173 — 


Das Reiherhaus verwandelte sich in ein Fasanenhaus (Prarr S. 40). 
Nach J. Hartmans 1886, S. 66 wurden auch in Tübingen im 
Schloßgarten Löwen gehalten und 1561 deren Exkremente in die 
Hofapotheke geliefert. Auch der in Urach noch bestehende Name 
Tiergarten deutet auf das Halten von Tieren daselbst hin. 


6. Die Menagerie des Königs Friedrich 1812—1816. 


Hierüber haben wir eine Beschreibung der Örtlich- und Ge- 
bäulichkeiten mit Aufzählung der hier gehaltenen Tiere von Mew- 
MINGER 1817, einen daran anschließenden längeren Bericht von 
A. Ruerr 1875 und einen kurzen von L. Marrtın 1878. Auch F. Nick 
bat 1875 eine Zusammenstellung gemacht. 

Den Anlaß zur Anlage dieser „Menagerie“, welche aber ihrer 
Bedeutung und Reichhaltigkeit nach wohl den Namen eines Tier- 
oder Zoologischen Gartens verdiente, hat wohl König Friedrichs Vor- 
liebe für Natur und Tierleben gegeben (s. u.). Mitgewirkt hat 
wohl auch das Vorbild des berühmten „Pflanzengartens“ in Paris, 
möglicherweise vielleicht noch Beziehungen zu seinem früheren 
Mömpelgarter Landsmann G. Cuvier, gewiß aber auch, und wohl in 
erster Linie, das Bestreben, dem neuen Königshof Glanz zu ver- 
leihen, trotz der Kriegszeiten. 

Zu der „Menagerie“ wurde aus dem 12 Morgen großen Areal 
der „Retraite“ ein etwa 4°/4 Morgen großes Grundstück eingeräumt: 
Das Gebiet der späteren Tierarzneischule samt: dem der Technischen 
Hochschule angehörigen Botanischen Garten. Die „Retraite“ selbst 
(Plan H) war ein vom König Friedrich als Privateigentum erkauftes, 
für seine nunmehrige Bestimmung als Lustschloß eingerichtetes Land- 
haus unterhalb des Königsbads (Hirschbads), das an der Kreuzung 
der Cannstattter und jetzigen Retraitestraße stand und spurlos ver- 
schwunden ist. 

Von der „Menagerie“ sind nirgends Pläne und Zeichnungen 
aufzufinden. Im Kgl. Staatsarchiv findet sich bloß ein Bündel Akten 
mit Rechnungen über Einkäufe von Tieren in London, Paris, 
Triest usw. Ich gebe daher hier zur Orientierung einen Situations- 
plan mit Legende nach dem Grundriß der an Stelle der Menagerie 
getretenen Tierarzneischule (samt landwirtschaftlichen Garten) aus 
der Schrift von E. Herio 1832; um so nötiger, als früher oder 
später auch dieses Areal verschwinden dürfte. Die Einzeichnung des 
Retraiteschlosses geschah nach einem älteren Stadtplan. 


— 114 — 


Die zu der Menagerie nötigen Gebäude, meist nach dem Plan 
des Hofbaumeisters Thouret aufgeführt, wurden im Sommer 1812 
mit einem Aufwand von 11777 f. 7 kr. (Gulden, Kreuzer) vollendet. 
Die 1814 von Flaschner Distelbart aus Ludwigsburg im gotischen Stil 
geformten Vogelhäuser kosteten 1930 fl. Noch viele Jahre nach Auf- 
hebung der Menagerie prangten diese gefälligen Tierbehausungen in 
verschiedenen Gärten. Stehengeblieben sind: 1. Das große lange 
Hauptgebäude an der Neckarstraße, auf das später (nach Herına 1847 


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B. 1. Hof, Hrn aa 

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Fig. 1. Situationsplan der „Menagerie“ des Königs Friedrich, 
samt Retraiteschloß. 


S. 4) nur ein Stock aufgesetzt ward, als es Tierarzneischule wurde 
(Plan E). 2. Das fast ebenso lange, aber schmälere Gebäude am Bo- 
taniıschen Garten (Plan C). Dasselbe war später längere Zeit der Sitz 
des „Landwirtschaftlichen Vereins“ mit Versuchsgarten. Auch wurden 
hier bis 1866 die nur einheimische Naturalien enthaltenden Samm- 
lungen des Vereins für vaterländische Naturkunde aufbewahrt. Später 
wurde es der Tierarzneischule zugeteilt, und ist dort das chemische 
und physikalische Institut derselben mit entsprechendem Hörsaal 
untergebracht. Es wird jetzt noch, seiner früheren Bestimmung 
gemäß, oft als „Affenstall“ bezeichnet. 3. Ein eigentümlicher 
polygonaler Bau an der Ostseite, mit Wänden aus großen un- 


— 175 — 


behauenen Tuffsteinblöcken, jetzt als Stall für Hunde, die mit an- 
steckenden Krankheiten behaftet sind, benutzt. Er ist auch bekannt 
unter dem Namen „Cyklopenbau“ oderals Känguruhstall (Plan G). 

Die Anordnung des Ganzen war, wie bei den heutigen Tiergärten, 
geräumig und der Lebensweise der Tiere angepaßt, durchaus keine 
Menagerie nach unseren Begriffen. Hier eine kurze Beschreibung der 
Anlagen nach Memmmeer’s Angaben: Eingang (Plan A) unterhalb der 
Retraite von der (Gannstatter) Straße. An demselben rechts und 
links 2 besonders umzäunte Häuschen, je mit Wasserbecken für 
2 Biber und 1 Tiger; in der Nähe des letzteren ein ähnlicher Raum 
für Schildkröten. Diese Tiere waren zum Winteraufenthalt im hin- 
tersten Gebäude (an der jetzigen Neckarstraße) untergebracht. Es 
folgte ein großer, mit einem Staketenzaun eingefaßter Hof (dem 
jetzigen Botanischen Garten entsprechend, Plan B); auf dessen Vorder- 
seite war eine Reihe niedlicher, in Gestalt von kleinen gotischen 
Kapellen gebauter Vogelhäuser in einem Bogen herumlaufend, mit 
8 Arten von Raubvögeln besetzt. Ferner befand sich in diesem Hof 
ein Wasserbecken für Wasservögel (Pelikan, Sperber, Fisch-, Riesen-, 
Löffel- und weiße Reiher, 3 Störche, 1 Möwe, 2 Crax alector). 

Diesen Hof schloß ein langes queres Gebäude (der „Affenstall“, 
s. 0., Plan C); es bestand aus 3 miteinander verbundenen Einzel- 
häusern (Pavillons); im Mittelbau mit Arara’s (Psittacus macao und 
ararauna), 3 Arten von Kakadus und 14 Arten Papageien besetzt; 
im rechten: 2 Kasuare; neben diesen wohnten im Winter die Storchen, 
der Pelikan und Riesenreiher. Im linken Eckbau zu ebener Erde: 
ein amerikanischer Strauß, eine Kronentaube, 3 Kronenkraniche, 
daneben im Winter Crax alector. In den beiden diese Pavillons 
miteinander verbindenden Sälen befanden sich: im rechten 3 Agutis, 
2 Gürteltiere, 1 amerikanisches Eichhorn, 1 Maki (Lemur catta), 
3 Lemur mongoz, 1 Rüsselbär. Ferner 28 Affen in 12 Arten. In 
dem linken Saal: 3 Waschbären, 2 Zibetkatzen, 1 Beutelratte und 
weiße Mäuse, sowie noch 24 Affen in 8 Arten, also im ganzen 
52 Affen in 17 Arten, wovon einige hier Junge erzeugten. 

Der zweite große Hof (jetziger Hof der Tierarzneischule, 
Plan D) war durch ein in der Mitte befindliches Wasserbecken 
in zwei Teile geteilt. Darin allerlei Geflügel, wie schwarze Schwanen, 
Fuchsente, ägyptische Gans, Moorgans (Anas arborca?), Krumm- 
schnabelente (Anas adunca?). Auf beiden Seiten des Hofes allerlei 
Einzelhäuschen mit 5 Bären, 1 Leopard, 4 Stachelschweinen, 
4 Wölfen mit hier geworfenen Jungen, 3 Wildkatzen, 2 Füchsen. 


— 116 — 


In der zweiten Abteilung des Hofes: mehrere Büffel, Zebu, 
5 Kamele, ein- und zweihöckerige (ein hier zur Welt gebrachtes 
Junges von einem zweihöckerigen Hengst und einer einhöckerigen 
Stute war vollkommen zweihöckerig). Diese und die Büffel wurden 
auch zur Arbeit verwendet. 

Im hinteren Menageriegebäude (dem jetzigen Hauptgebäude der 
Tierarzneischule an der Neckarstraße, Plan E) waren Ställe: links für 
1 Nilgauantilope (Ant. picta), 2 Quagga, 1 mausfarbiges haarloses 
Pferd, ein russisches Pferd mit langen, krausen, pudelartigen Haaren. 
Im zweiten Hauptstall: verschiedene Schafe und Ziegen, wie Fett- 
schwänze, got- und isländische mit mehreren Hörnern, ägyptische 
mit Widderkopf und braunen Haaren statt der Wolle, Seidenschafe, 
indianische Ziegen mit sehr langen und breiten Ohren. Diese hielten 
sich meist außen auf der Weide auf. Ferner 2 schwarze Schwäne, 
Murmeltiere u. a. m. 

Links von dem großen Gebäude standen zwei Nebengebäude: 
im ersteren, je mit besonderem Eingang und Höfen mit Wasser- 
becken, 1 afrikanischer Strauß, 3 Riesenkänguruhs, 3 korsikanische 
Hirsche; im zweiten: 1 Lama, 1 Paka oder Vicunna. Endlich 
rechts von dem großen Gebäude ein Elefantenhaus mit eigenem 
Hof umgeben, mit 2 asiatischen Elefanten, einem Weibchen 
von 3—4 Jahren und einem Männchen von etwa 10 Jahren, wozu 
noch ein dritter kam (nach Rurrr) als Hauptmerkwürdigkeit der 
Anlage. 

Der Eintritt in die Menagerie war unentgeltlich. Die Auf- 
sicht über die Menagerie hatte Inspektor Müller, die tierärztliche 
Behandlung war dem Hoftierarzt Hördt anvertraut. 

Die Kosten für Ankauf der Tiere waren bedeutend, viel höher 
als jetzt, besonders in Anbetracht des verschiedenen Geldwerts. 
Nach Rusrr und den im Kgl. Archiv einzusehenden Rechnungen 
kosteten die 54 Affen 7162 fl., also durchschnittlich jedes Stück 
132 fl.; einzelne kosteten 2—500 fl. (jetzt kostet ein gewöhnlicher 
Makak 10—20 Mk., 1 alter Mandrill 500 Mk., 1 Mantelpavian 
300 Mk.). Der eine ältere Elefant kostete 4400 fl., der jüngere 
1650 fl. (jetzt 6000 Mk.). Leopard 880 A. (jetzt 500 Mk.), 1 Nilgau- 
antilope 1554 fl., 1 Kamel 330 fl. (jetzt 500—800 Mk.), 1 Vicunna 
1329 fl., 1 Zebu 280 fl. (jetzt 150 Mk.), 1 Quagga 1252 fl. 1 Biber 
220 fl, 1 Känguruh 440 fi., 1 Gürteltier 175 fl., 1 Papagei durch- 
schnittlich 88 fl., 1 Kakadu 175 fl. (jetzt 10—20 Mk.), 1 großer 
Strauß 2000 Al. 


— 17 — 


Im Jahre 1816 brachte ein allgemeiner Mißwachs nebst Hagel- 
schlag, Überschwemmungen und Feuersbrünste das Land in große 
Not und Teuerung; kein Wunder, daß noch zu Lebzeiten des am 
30. Oktober 1816 rasch (s. u.) verstorbenen Königs Friedrich manche 
mißliebige Stimme sich bemerkbar machte gegen den vermeintlichen 
Luxus der Menagerie. Der neue König Wilhelm, der allgemeinen 
Stimmung des Volkes Rechnung tragend, hob sofort die Menagerie 
auf, die ihm bei seiner Neigung für Tierhaltung und Tierzucht 
selbst besonders wert erscheinen mochte. 

Über das Schicksal der Tiere erfahren wir durch Ruger 
Genaueres: Die am meisten verbrauchenden Elefanten wurden bald- 
möglichst verkauft, einer getötet und an das Naturalienkabinett zum 
Ausstopfen übergeben. Der Ausverkauf begann im Juli 1817 und 
zog sich 2 Jahre hin. Die Tiere wurden meist unter dem Ankaufs- 
preis verkauft, z. B. der Leopard für 800 fi., der junge Elefant um 
1100 fl., der ältere um 3300 fl. Käufer waren verschiedene Tier- 
händler, Menagerie- und Zirkusbesitzer, sowie der König von Bayern 
(23 Stück) und der Großherzog von Baden (22 Stück). Die Königin 
Mathilde von Württemberg behielt nur einen gelernten Staaren und 
2 Feuervögel, während alle in den Residenzschlössern befindlichen 
Vögel im Wert von 3300 fl. zu dem Tierverkauf verbracht wurden, 
mit einem Erlös von 2319 Ai. 

Sehr viel erhielt das Kgl. Naturalienkabinett, namentlich 
auf Fürsprache des Leibmedikus Jäger, teils unentgeltlich, teils um 
niedrigen Satz. Bei lebenden Tieren machte man bei der Gelegen- 
heit wissenschaftliche Versuche über die Wirkung der Gifte, z. B. 
mit Arsenik, Blausäure und Pflanzengiften (viele dieser Tiere waren 
lange Zeit bis in die 50er Jahre des 19. Jahrhunderts im Naturalien- 
kabinett ausgestopft zu sehen, sind aber jetzt fast alle durch neue 
ersetzt, da die damalige Ausstopfkunst unter dem Präparator BorPp 
noch eine sehr ungenügende war). Auch die Zoologische Samm- 
Jung in Tübingen erhielt noch manches lebende oder tote Tier aus 
der Menagerie. Die 2 weißen Esel kamen in das Stammgestüt 
Marbach OA. Münsingen zum Zweck der Maultierzucht. 

Interessant ist das Schicksal der Elefanten: Der eine, wie 
oben erwähnt, wurde vergiftet und für das Naturalienkabinett aus- 
gestopft. Der ältere, männliche Elefant, welcher in der Kgl. 
Menagerie bei üppiger Fütterung übermütig, unbändig und wild sich 
verhielt, zertrümmerte nach dem Verkauf an den Menageriebes itzer 


Garnier beim Transport in der oberen Neckarstraße seinen Wagen, 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910, 12 


— 118 — 


lief davon und zuletzt in die Einfahrt des „grünen Hauses“ auf dem 
Bärenplatz, von wo er nach großen Ängsten des Hausbesitzers durch 
den Wärter herausgelockt wieder nach der Menagerie geführt werden 
konnte. Den nun solider gebauten Wagen zertrümmerte das Tier 
abermals oben auf der „Prag“. In der Gamier’schen Menagerie 
wurde er, durch Hunger bezwungen, zu einem ganz gelehrigen Tier, 
das vor dem Publikum verschiedene Kunststücke produzieren mußte. 
Sein merkwürdiges Ende, das einst in den meisten euro- 
päischen Zeitungen besprochen wurde, verschaffte diesem Tiere eine 
gewisse Berühmtheit. Hierüber berichtet eingehend G. v. MARTENS 
in seiner „Reise nach Venedig“ 1824. Er sah damals diesen 
Elefanten und eine ganze Reihe von Tieren aus der Stuttgarter 
Menagerie in Vizenza; er beschreibt jenen als einen 9 Fuß 
hohen, 11 Jahre alten Koloß, der täglich neben vielem Obst und 
Gemüse 60 Pfund Brod und 50 Pfund Heu verzehrte, und, da 
er sich in keinen Transportwagen mehr einschließen ließ, immer 
auf eigenen Füßen und bei Nacht transportiert werden mußte. Über 
den Tod des Tieres berichtet ebenda (Anmerkung) G. v. MARTENS 
ausführlich: Als dasselbe von Venedig aus für Mailand auf einem 
Küstenfahrer am 15. März 1819 eingeschifft werden sollte, wieder- 
setzte es sich, erfaßte erregt den Wärter mit dem Rüssel, zertrat 
und tötete ihn, plünderte darauf einige Obstbuden. Es wurde Militär 
requiriert, das eine Musketensalve abschoß. Das Tier stürzte wie 
tot zusammen, stand aber bald wieder auf, brach die Türe der 
Kirche St. Antonio auf Riva dei Schiavoni durch, und verschanzte 
sich im Innern der Kirche, bis es endlich durch eine in die Mauer 
gebrochene Schießscharte mit Hilfe eines Kanonenschusses am 
16. März 1819 erlegt wurde. Die Kanonenkugel blieb in dem großen 
Körper stecken, der nach dem Tod 4622 Pfund wog. Das Skelett 
und die Haut kamen in die Sammlung der Universität Padua. 
Noch einige Bemerkungen über den Eifer König Friedrichs für 
die Naturkunde: 1. Jener hat bekanntlich seinen Tod am 30. Ok- 
tober 1816 im 72. Lebensjahr herbeigeführt, indem er der Aus- 
grabung der berühmten Mammutzahngruppe am Seelberg bei Cann- 
statt bei rauhem Oktoberwetter anwohnte, wodurch er sich eine 
rasch tödliche Krankheit zuzog. 2. Derselbe König hatte laut erst 
1813 aufgenommenem Inventar der Hofbibliothek eine kostbare 
Sammlung von Säugetiermodellen, 106 Stück in vielen Arten, 
wunderbar natürlich und kunstvoll dargestellt, mit Haut und Haaren 
überkleidet, im Innern mit künstlichem Körper, einige aus Gips, 


— 19 — 


sonst meist aus einer leichten Masse, wahrscheinlich Papiermaché, 
mit Drähten, eine Art Miniaturnaturalienkabinett! Größe etwa 15 
—30 cm (Körperlänge), im richtigen gegenseitigen Verhältnis. Nach 
den bei einigen noch erhaltenen gedruckten französischen Etiketten 
stammen sie aus Frankreich. Fast alle sind gut nach ihrer Art be- 
stimmbar, wenige, wie der Seeelefant, phantastisch dargestellt. Der 
Ankaufspreis dieser Kunstwerke mag ein hoher gewesen sein, der 
Schätzungswert nach obigem Inventar 318 fl. (Stück zu 3 f.). Dazu 
kommen noch einige Darstellungen von Kampfszenen zwischen 
Tieren in Kästchen mit einer Glaswand à 8 fl. All diese befanden 
sich bis unlängst auf der Hofbibliothek fast vergessen, obwohl ihrer 
schon PLieninser 1834, S. 79 in seiner Festschrift zur Stuttgarter 
Naturforscherversammlung erwähnt. Kürzlich kamen sie in die Kgl. 
Altertumssammlung, wo sie ihrer öffentlichen Ausstellung harren. 
3. Nach einer Mitteilung von Oberstudienrat Jut. v. Hartmann hatte 
sein Oheim, Geheimrat Aucust Hartmann, 1764—1849, Vorstand der 
Forstdirektion, einen lebenden Adler, der gegenüber seinem Besitzer 
sehr zahm war. Als König Friedrich von dem Tier hörte, ließ er 
es ohne weiteres für seine (Ludwigsburger?) Menagerie holen. 


7. Wildparks und Fasanengärten. 


Anschließend an König Friedrichs Menagerie ist noch zu be- 
merken, daß derselbe die Jagd liebende König 1815 auch den Wild- 
park auf der Markung Botnang anlegte, einen für Rotwild mit 
1718 Morgen, später besetzt mit etwa 200 Edel- (Hirsch und Reh) 
und ebensoviel Damwild, den andern für Schwarzwild mit 659 Morgen, 
für etwa 40 Stück. Beide, zum Krongut gehörig, erhielten unter 
den folgenden Königen namhafte Veränderungen und Verschönerungen. 
Das „Bärenschlößchen“ kam 1817 zum Abbruch, und wurde durch 
ein Jagdpavillon, der früher in Freudental stand, aber noch den 
alten Namen führt, ersetzt. Dort befinden sich auch zwei Seen: 
der Bären- und Pfaffensee (ohne eingesetztes Geflügel), während ein 
dritter (der Neue See) erst in den dreißiger Jahren vom Staat ge- 
meinschaftlich mit der Stadt Stuttgart angelegt wurde (OA.-Be- 
schreibung von Stuttgart Amt 1851). 

Ferner wurden von demselben König Friedrich, der ein Paar 
aus England zum Geschenk bekam, indische Axishirsche gehalten. 
Sie wurden später von König Wilhelm I. im Favoritpark bei Ludwigs- 
barg und mit anderen Tieren in einem kleinen Wildpark im „Rosen- 
stein“ untergebracht, starben durch Erkrankung, zum Teil auch 

12* 


— 180 — 


wohl infolge der Inzucht fast aus (Martın 1876, S. 99), wurden 
aber später wieder ergänzt. Die Schwierigkeit der Haltung besteht 
auch darin, daß die Jungen im Winter geworfen werden. 

Ein Fasanengarten', 109°f/s Morgen groß, findet sich bei 
Weilimdorf, ebenfalls Krongut, im Wald Herdle, mit Wohnung des 
Fasanenmeisters, Absteigzimmer für den Hof, 12seitigem Pavillon, 
von dem nach allen Seiten Richtstätten ausgehen, mit Aussicht, 
Bruthütte, Aufzugshütte und sogen. Auslauf. Hier werden jährlich 
etwa 600 Fasanen gezüchtet, indem die Eier der frei im Walde 
laufenden Fasanen Ende April und anfangs Mai gesammelt und Trut- 
hühnern, deren etwa 30 nötig sind, zum Ausbrüten untergelegt 
werden. Die Jungen füttert man etwa '/s Jahr im Hofraum, bis 
sie sich nach und nach im Walde verbreiten (OA.-Beschreibung von 
Leonberg 1852, S. 270). 

Ein besonderer Geflügelhof befand sich noch außer der „Me- 
nagerie“ neben der Retraite mit etwa 80 Stück verschiedener Hühner- 
rassen (Busch-, Seiden-, spanische, Pariser Zwerghühner) und etwa 
12 Perlhühnern; letztere kamen 1817 in die Fasanerie nach Lud- 
wigsburg, die andern wurden verkauft (Hofmarschallamtsakten 1817). 


8. Wandernde Menagerien. 


Die Gelegenheit, wilde und ausländische Tiere zu sehen, blieb 
auch nach dem Eingehen der Kgl. Menagerie nicht aus; vor dem Er- 
richten zoologischer Gärten war überhaupt die Blütezeit wandernder 
Menagerien, welche sich alle paar Jahre einstellten und besonders 
auch das Cannstatter Volksfest zierten. Genaueres darüber erfahren 
wir erst von 1847—1860 durch die vortrefflichen und eingehenden 
Beschreibungen und Beobachtungen von G. v. Martens, die in diesen 
Jahresh. niedergelegt sind und einen bleibenden, auch wissenschaft- 
lichen Wert haben (s. Literatur). 

Einen kleinen Privattiergarten besaß in den 50er Jahren des 
19. Jahrhunderts Stadtrat Denninger in seiner „Weißenburg“, am 
Fuß des Bopsers, Ziergeflügel in Flugkäfigen enthaltend. 


9. Der Tiergarten von Gustav Werner. 


Schon vor der Gründung des ersten deutschen Zoologischen 
Gartens in Berlin 1844 erstand in Stuttgart der den älteren Be- 
wohnern der Stadt noch wohl bekannte Tiergarten von Gustav 

ı Andere Fasanerien bestanden früher auch im Favoritpark (seit 1707), 


bei Freudental, bei Rohr auf den Fildern, bei der Schlotwiese (s. Karte und 
Text von MEuwisGER 1817). 


— 181 — 


Werner, über den BücheLe 1858, WeınLann 1861, Neusert 1870 und 
L. Martın 1878 berichten. Von Kindheit an war G. Werner, geboren 
1809 in Stuttgart, ein leidenschaftlicher Tierfreund;, er hielt schon als 
Lateinschüler in Nürtingen insgeheim weiße Mäuse, die er in sein 
Federrohr mit Luftlöchern steckte und in die Schule mitbrachte, ohne 
daß der Lehrer es merkte, er äste junge Vögel auf, kletterte zum Ent- 
setzen der Leute auf das Kirchendach, um die jungen Störche zu 
beobachten u. dergl. Später als Kellner hielt er in dem Hause eines 
Nachbarn Rotkehlchen (Neuperr).. Nach Hause zurückgekehrt, kam 
er in die Wirtschaft seiner Mutter, wo er allerlei Vögel hielt: 
Nachtigallen, Schwarzköpfchen, Kanarienvögel, auch Hühner und 
Tauben. Als seine Mutter starb, kamen Fasanen, Pfauen, seltene 
Hühnerarten dazu, auch einige Papageien, und er züchtete Hunde. 
1840 teilte er die Hinterlassenschaft seiner Eltern mit seinem Bruder 
Emil und erbaute sich ein kleines Anwesen von 8000 Quadratfuß 
(= 8 Ar = '/s Morgen) als Wirtschaft in der oberen Sophienstraße 
(jetzigem Gasthaus von Rauh). Der Wirtschaftsgarten war ganz von 
Häusern eingeschlossen, ein Hof, dessen größter Teil später eine 
bedeckte Halle, die Tische und Bänke für die Sommergäste ein- 
nahmen, und an den Seiten ringsherum waren die Käfige für die 
Tiere, deren es immer mehr wurden. | 

Dieser Tierhof war schon 1848 berühmt, mean such da- 
durch, daß Werner, als richtiger 48er Demokrat, seine Papageien den 
damals, dem badischen Revolutionsmann Hecker zu Ehren, so viel 
erschallenden Ruf: „Hecker hoch!“ lehrte, wie Verfasser dieses sich 
noch wohl erinnert. Dies verdroß indes die für die Treue ihrer. 
Soldaten besorgten Befehlshaber so, daß sie nicht nur den Besuch 
der Werner’schen Wirtschaft den Soldaten streng verboten, sondern 
daß auch die Wachtparade nicht mehr den Weg durch die Sophien- 
straße nehmen durfte. | 

Anfangs hielt Werner hauptsächlich Vögel; dann kamen aber 
auch Affen dazu, was ihm den landläufigen Namen „Affen- 
werner" eintrug, den er selbst nie abzuschütteln versuchte. 

1855 erfolgte die Umwandlung in einen Tiergarten durch 
eine Vermehrung der Tiere, namentlich der Säugetiere, und Erhebung 
eines Eintrittsgelds von 3 kr. Eine Jahreskarte kostete 1 fl., für 
eine Familie 2 fl. Bei dem kleinen Raum behielt das Anwesen 
aber immer den Charakter einer Menagerie. Es waren da: Bären 
(bis 5), Löwen, Leoparden, Affen, ein Känguruh, Hyäne, Wasch- 
und Rüsselbär, Ichneumon, Marder, Iltis, Dachs, Fuchs, ein afri- 


— 12 — 


kanisches Wildschwein, Stachelschwein, Reh, ferner Meerschweinchen, 
weiße Ratten, Eichhörnchen. Von Vögeln: Adler, Pelikan, Kranich, 
Storch, Reiher, Möwen, Kormoran, Pfauen, Fasanen, Hühner, allerlei 
Tauben, dann Papageien, Schmuckfinken, einheimische Singvögel. 
Von Kriechtieren fand man einige Schlangen und Schildkröten. — 
Alle Tiere erschienen wohl genährt und gepflegt, meist in Paaren, 
auffallend zahm und munter, und man erzielte vielfach Nachwuchs, 
so von den Löwen, Bären, Hyänen, Affen (zum Teil als Bastarde). 
Reihern, Papageien, Fasanen usw. (die Hyäne fraß ihre Jungen regel- 
mäßig auf und sie mußten durch Pudelhunde gesäugt werden). 
Werner hatte auch viel Geschick als Tierbändiger, was im schließ- 
lich aber doch durch Bisse, die er erhielt, verleidet wurde. Einen 
Seehund erhielt er über 6 Jahre lebend (Marrım), ein Fischotter war 
so zahm, daß er seinen Herrn begleitete und, durch Fische gelockt, 
Gänge durch den Wirtschaftsgarten machte. Ja, es wird erzählt, 
daß er seinen Herrn, wie ein Hund, auch auswärts begleitete (?). 
Auch allerlei andere Tiere liefen frei unter den Gästen herum, wie 
die beigegebene wohlgelungene Abbildung! (Fig. 2) zeigt. 

Am eingehendsten berichtet über diesen Tiergarten und seinen 
Tierbestand P. L. Marrın in seinen „Wanderungen durch die zo- 
ologischen Gärten Deutschlands“ 1865, dessen Ausführungen wir hier 
im wesentlichen folgen: „Herr Werner, der neben seiner Restauration 
einen kleinen Gartenraum besitzt, fing vor längeren Jahren damit 
an, sich anfänglich aus persönlicher Liebhaberei einige Affen, Pa- 
pageien, Hühner, Fasanen und andere Tiere in geeigneten Käfigen 
zu halten, und da das ihn besuchende Publikum auch Gefallen daran 
fand, so entwickelte sich nach und nach dieser Tiergarten. Eine 
schwarzrote Fahne und ein aus wilden Reben sorgsam gezogener 


! Dieselbe, eine Lithographie, ist im Besitz von Ad. Nill, der sie mir 
zur Vervielfältigung (in Autotypie) für diese Schrift gütigst überließ. Der 
Name des Verfertigers, offenbar eines Kenners und Künstlers, war nicht mehr 
sicher zu ermitteln. Unten steht: C. E. Krauß, lithographische Anstalt in Stutt- 
gart. Nach Umfragen wurden mir als wahrscheinliche Verfertiger angegeben: 
Federer oder Alb. Wagner. Der Zeit nach stammt sie vom Ende der 40er oder 
Anfang der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts, wie aus der Kleidertracht der 
abgebildeten Personen zu erschließen ist. G. Werner selbst (der Mann mit der 
Peitsche in der Hand) ist, wie ich aus eigener Erinnerung bezeugen kann, gut ge- 
troffen, das ganze sehr charakteristisch und wert, der Nachwelt erhalten zu werden. 
Ein anderes Bild (Ölgemälde) fand ich bei Frau Süßkind, einer Schwiegertochter 
G. Werners, die später mit Herrn Süßkind, Besitzer der Wirtschaft „Zur Glocke“ 
in Gaisburg, sich verheiratet hat. Dasselbe stellt G. Werner dar, mit einem 
Löwen auf dem Schoß, an den Seiten ein Bär und eine Hyäne, oben 3 Affenkäfige. 


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Nach einer älteren Lithographie. 


Der Tiergarten von Gustav Werner. 


Fig. 2. 


— 181 — 


grüner Affe machen den Eingang in der Sophienstraße bemerklich. 
Im Garten begrüßt uns ein grauer Kranich, und Enten, Schwäne 
und Pelikane fesseln unsere Aufmerksamkeit. Etwas weiter rechts 
steht ein Fischreiher, dessen Weibchen fast alljährlich in einem 
auf Ästen stehenden Horst seine 3—4 bläulichgrünen Eier glücklich 
ausbrütet und Junge zieht. Merkwürdigerweise brüten die benach- 
barten weißen Störche auch in so engem Raum, ein Beweis für 
ihre gute Pflege. Rechts und links und geradeaus von dem Käfig 
der Störche erblicken wir Gold- und Silberfasanen, Kampfhähne, 
Tauben, Uhu’s. Ferner Edelmarder und Affen, welch letztere 
den Genuß einer Eisenbahnfahrt sich verschaffen können, wenn es 
ihnen beliebt. Daran schließen sich Abteilungen für kleine Schmuck- 
vögel u. dergl. an. 

Ein gewaltiger Löwe, „Mustafa“, mit seiner Gemahlin „Koog“ 
zieht durch heftiges Hin- und Herlaufen in seinem Käfig die Auf- 
merksamkeit der Gäste zu dem Löwenkäfig. 

In dem von Fr. Specht gezeichneten, mit sprechender Natur- 
wahrheit aufgefaßten, hier wiedergegebenen Bilde Fig. 3 tritt 
G. Werner als Tierbändiger inmitten seiner Lieblinge auf: dem genann- 
ten Löwenpaar, 2 gestreiften Hyänen, 2 Leoparden, von denen 
einer wohl aus Furcht vor den Löwen hoch an den Eisenstäben des 
Käfigs hinaufklettert, während der andere ruhig zu seinen Füßen liegt. 
Im Vordergrund treibt sich ein Schakal herum, und ein Ratten- 
fängerhund glaubt den besten Schutz bei seinem Herrn zu finden, 
der ruhig und sicher sitzend, aus einer Brille blickend, doch mit 
einer Peitsche in der Hand, die Szene beherrscht. Das Publikum 
pflegt diese Vorstellungen mit demselben Interesse zu besuchen, wie 
die Spanier die Stierkämpfe, die Römer die Kämpfe der wilden Tiere 
untereinander. Doch macht bei Werner das Ganze mehr den Ein- 
druck friedlicher Unterwerfung der Bestien unter die bezaubernde 
Macht ihres Herrn. 

In dem Raum dicht neben dem Löwenzwinger sind ein paar 
Rehe mit Kaninchen, Meerschweinchen, Goldbantamhühnern 
im friedlichen Stilleben vereinigt!'. Weiter gehend finden wir Käfige 
für die Hyänen, von denen das Weibchen schon einmal Junge 
geworfen hat (welche es aber wieder auffraß, s. o.), ferner ein 
Stachelschwein, mehrere Rüsselbären, Waschbären, 


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ı Ein Bild davon hat Fr. Specht auf S. 180 desselben Jahrgangs von „Über 
Land und Meer? gegeben, das aber hier nicht wiedergegeben ist, da es für den 
Werner'schen Tiergarten eben nichts Eigentümliches bietet. 


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Fig. 3. Gustav Werner im Löwenkäfig. Von Fr. Specht. 


Möwen, einen Kormoran; auf einem Dache sitzt ein Seeadler 
und neben ihm ein Steinadler. 

Man kommt jetzt zu einem stark vergitterten Wasserbecken, 
in welchem sich einige Fischottern munter herumtummeln. Über 
die Zahmheit einiger solcher bei Werner und ihre Langlebigkeit hier 
8. o. Sonst ertragen die Fischottern die Gefangenschaft selten lange, 
was davon herrühren mag, daß man ihnen meist nur Fische, und 


— 186 — 


zwar tote, abgestandene, vorwirft, während sie in der Freiheit mit- 
unter auch ein warmblütiges Tier verzehren, um eine Abwechslung 
in ihr Verdauungsgeschäft zu bringen. 

Hinter dem Fischbecken sind 2 Eisbären. Sie sind viel 
schwerer zu zähmen als die braunen, und auch Werner hat es auf- 
geben müssen, dem immer gefährlicher werdenden großen Eisbären 
in bisheriger Weise zu nahen. Daneben befinden sich 5 braune 
europäische Bären in einem nach Bedürfnis abteilbaren Raum. 

Endlich noch 2 gemeine Seehunde, von denen Herr Werner 
einen schon 4 Jahre in bestem Wohlbefinden zu erhalten verstanden 
hat. Sonst haben diese Tiere in der Gefangenschaft meist nur eine 
kurze Lebensdauer, was man dem Mangel an Seewasser zuschreibt. 
Herr Werner hat aber gewiß richtig gehandelt, indem er diesen sonst 
lebenszähen Tieren während der Nacht einen Glasverschluß gab, der 
sie gegen die kalte nächtliche Zugluft schützt, da sie meistens 
außer dem Wasser schlafen. Außerdem erhalten sie als Abwechs- 
lung ihrer Nahrung dann und wann einen Pöckelhering, dessen 
Salzgehalt ihnen das mangelnde Seewasser teilweise ersetzt.“ 

So kann unter sonst ganz ungenügenden Verhältnissen richtige 
Beobachtung der Hauptgrundlagen zu einem lohnenden Ziele führen, 
und es kommt hauptsächlich auf die erforderlichen Persönlichkeiten 
an; obige Schilderung zeigt, was eine solche, wie der Tierfreund und 
feine Tierkenner Werner, zu leisten vermag. 

Verluste blieben freilich auch nicht aus, namentlich in den 
letzten Jahren des Bestandes des Tiergartens. G. Werner starb 
1870; das Anwesen übernahm seine Witwe und der Sohn. Es er- 
eigneten sich allerlei Unglücksfälle: L. Horrmann berichtet von Füt- 
terung mit Fleisch von rotzkranken Pferden, Saur 1871 von Di- 
phtheriefällen, und nun wurde 1873 das Unternehmen aufgegeben, doch 
nach Angaben der Schwiegertochter Werners mehr auf Verlangen der 
Nachbarn. Die meisten Tiere wurden verkauft, davon ein Teil an den 
schon damals im Aufblühen begriffenen Nill’schen Tiergarten. Nach 
den „Hofmarschallamtsakten“ No. 23. vom 20. Februar 1864 betrugen 
die jährlichen Einnahmen bei 12 Kreuzer (?) Eintrittsgeld 12 000 fi. 


10. Vereitelte Gründung eines Kgl. Akklimatisations- 
gartens 1864. 
Zeitlich fällt gegen das Ende des Bestehens des G. Werner’schen 
und vor den Beginn des Nill’schen die von König Wilhelm I. be- 
absichtigte Gründung eines Zoologischen Gartens, mit dem Charakter 


— 187 — 


eines Akklimatisationsgartens (kurze Mitteilung im Z. G. 1864 von 
Martin, S. 155). Genaueres erfahren wir darüber durch den nächst- 
beteiligten Pu. Leor. Marrın (1876, S. 100): Erst gegen das Ende 
seiner Regierung kam der greise König, der auch sonst noch 
mancherlei Bauten und Anlagen in dieser Zeit hinterlassen wollte, 
auf den Gedanken, einen Akklimatisationsgarten zu gründen, wie 
er ihn schon 1856 bei seinem Besuch in Paris kennen gelernt hatte, 
und was auch mit seinen Bestrebungen für Tierzucht, besonders 
Pferdezucht, eng zusammenhing. Unter der ÖOberleitung des da- 
maligen Bau- und Gartendirektors HackLÄnper (des bekannten 
Schriftstellers) wurde in den unteren Anlagen beim Rosensteinpark 
bei Berg ein Platz dazu bestimmt. Der (förmliche) Befehl dazu 
erging (Z. G. 1864, S. 155) am 3. März 1864. Schon vorher hatte 
der mit der Ausführung betraute Präparator Martın (mit dem Archi- 
tekten Prof. Bäumer) Vorarbeiten, Reisen und den Bau desselben 
soweit ausgeführt, daß der Garten über die Hälfte fertig dastand 
und schon mit einigen Tieren besetzt werden konnte. Nach den 
Hofmarschallamtsakten war dafür bereits ein Drahtgitter in der 
Rexer’schen Fabrik angefertigt', das nach der Auflösung des 
Gartens dem Hofjägeramt überlassen wurde zum Gebrauch im Wild- 
park und in der Fasanerie. Auch ein Palisadenzaun längs des 
Nesenbachs wird erwähnt. Wenn fertig, sollte der Garten einer 
garantierenden Gesellschaft übergeben werden, die ihn im Sinne des 
Königs fortzuführen übernehme. Da starb der König am 24. Juni 
1864. Sein Nachfolger König Karl gab schon am 2. Tag nach seines 
Vaters Tod den Befehl zur sofortigen Auflösung des Gartens: ein 
tragisches Ende ähnlich dem der Menagerie König Friedrichs; dieser 
Garten war ein während der Geburt gestorbenes Kind. 

Sehr eingehende Angaben über diesen Akklimatisationsgarten 
finden sich in den mir gütigst überlassenen Akten des Kgl. Hof- 
marschallamts. Es ist hier nicht der Raum, dieselben wieder- 
zugeben, sie bieten viel Interessantes und ihr Studium wäre sehr 
zu empfehlen, wenn es einmal wirklich zur Gründung eines neuen 
Tiergartens käme. Man findet hier zunächst verschiedene, nicht 
gedruckte Aufsätze von L. Marrın, so 1. über Zweck, Wert und 
Anlage Zoologischer Gärten ; 2. einen Entwurf zu einem Zoologischen 
Garten in den unteren Anlagen vom 30. Oktober 1862; 3. einiges 
über die Zucht von Hühnerarten ; 4. über den Aufenthalt für Biber, 
Hasen, Murmeltiere und andere Nager; 5. über Züchtung und 


' Von einem in Wasseralfingen gegossenen eisernen Zaun, wie ihn L. Hoff- 
mann erwähnt, ist nirgends die Rede. 


— 188 — 


Kreuzung pferde- und eselartiger Tiere; 6. über das Renntier und 
seine Akklimatisation bei uns; 7. über Züchtung wichtiger Rinder- 
arten; 8. Bemerkungen zu der Skizze von Flugkäfigen vom 10. März 
1861; 9. die ersten Anlagen im Kgl. Zoologischen Garten vom Sep- 
tember 1863; 10. über die erforderlichen Wirtschaftsräume für den 
Zoologischen Garten vom 4. Oktober 1863; 11. ein Verzeichnis von 
Säugetieren, welche zunächst für den beabsichtigten Akklimatisations- 
garten bestimmt sind (38 Arten). Manches von diesen Aufsätzen 
ist verwertet in L. Marrın’s Praxis der Naturgeschichte III. 1878. 

Derselbe legte auch damals schon Entwürfe und Zeich- 
nungen vor, welche in obigen Akten zwar nicht sich vorfinden, 
von denen mir aber eine Anzahl von seinem Sohn Dr. PauL MARTIN, 
Professor der Tieranatomie an der Universität Gießen, gütigst zu- 
gestellt wurden, und zwar: 1. ein etwas phantastisches Eingangs- 
tor, mit Tropfsteinen und Ammoniten verziert; 2. eine Fontäne mit 
Tropfsteinen, Ammoniten und anderen Versteinerungen,; 3. eine 
größere Anzahl von Zeichnungen für Behausungen verschiedener 
Tiere: Hirsche, Lamas, Renntiere, Ziegen, Schafe, Steinbock, Agutis, 
Zebra, Büffel, Biber, Fischotter, Wasservögel, Strauße, Hühner. Von 
_ Raubtieren ist nirgends die Rede. 

Es erhellt aus den Akten ferner, daß am 23. September 1863 
König Wilhelm den Befehl zur Fertigung der nötigen Vorarbeiten 
und Überschläge gab. Letztere beliefen sich auf 116 155 fl. 30 kr. 
im ganzen. Am 1. März 1864 erfolgte die endgültige Genehmigung 
durch den König mit Einsetzung von 40 000 fl. für 1864/65. 

. Unerwartet starb König Wilhelm und sein Nachfolger König 
Karl gab nun sofort den Befehl, alle Arbeiten einzustellen und die 
schon vorhandenen Einrichtungen so viel als möglich zu beseitigen, 
wobei laut Erlaß vom 9. Juli 1864 (s. Akte No. 81) ein Kredit von 
21000 fl. ausgesetzt wurde zur Abwicklung sämtlicher Ansprüche, 
zur Entschädigung für geleistete Arbeiten und Lieferungen, wozu noch 
später, 1865, 2376 fl. kamen zur Restauration des früher Mylius’schen 
Hauses, jetziger Portierwohnung, gegenüber der Neckarbrücke. 

Derselbe König Wilhelm I hatte schon 30 Jahre früher eine 
Art kleinen Akklimatisationsgarten im Favoritpark bei Ludwigsburg 
angelegt, wo allerlei fremde Haustierrassen zur Heranbildung guter 
Stämme gehalten wurden: außer Rindern auch einige Yaks (und Zebus), 
Kaschmir- und Angoraziegen, Fettschwanz- und Merinoschafe u. dgl. 
Manche waren auch im Rosenstein, auf der Achalm und anderen 
Meiereien untergebracht (v. Hücer und Scumipr 1861). Sie gingen 
nach und nach, wohl durch Inzucht, darauf. 


— 189 — 


l1. Anlauf zur Gründung eines grossen Zoologischen 
Gartens durch eine geplante Aktiengesellschaft 18685. 


In den 50er und 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts war 
die Begeisterung für Zoologische Gärten hochgehend; allenthalben 
erstanden solche, freilich, um vielfach bald wieder einzugehen 
(STRICKER 1879, S. 42 und 43). So wollten auch die Stuttgarter 
einen haben, zumal um das eben geschehene Unglück wieder gut 
zu machen, und um eine gebotene Gelegenheit zu benützen. Schon 
im Sommer 1864 (schreibt NruBErT im Z. G. 1865, S. 229 vom 
17. März, s. auch Z. G. 1865, S. 114), also bald nach König Wil- 
helms I. Tod, stellte König Karl, den Wünschen seiner Untertanen 
Rechnung tragend, ein 18 Morgen großes, zum Kronfideikommiß ge- 
höriges Grundstück zur Verfügung, im Falle sich eine Aktiengesell- 
schaft zur Gründung eines Zoologischen Gartens bilden würde, nach- 
dem das frühere Grundstück in den unteren Anlagen eine andere 
Bestimmung erhalten sollte. Das neu angebotene Grundstück war, 
nach des Verfassers Erkundigungen, das sogen. „Seidengut“ oder 
die 1830 angelegte Maulbeerpflanzung im Stöckach unterhalb der 
Tierarzneischule'!. 

Die Sache blieb nun lange liegen. Erst als der bekannte Prä- 
parator PLoucquer sich erbot, sein einzig in der Welt dastehendes 
Museum® mit einem zu errichtenden Zoologischen Garten zu ver- 
einigen, kam Leben in die Sache und es gelang dem Oberbürger- 
meister Sıck, unter Beiziehung mehrerer, nach verschiedenen Seiten 
wichtiger Männer, innerhalb 3 Tagen die Zeichnungen von mehr 
als 70 000 fl. in Stuttgart zusammenzubringen. 

Am 14. März 1865 erschien in öffentlichen Blättern eine Ein- 
ladung zu einer Versammlung von allen Freunden der Sache in dem 
großen Saal des oberen Museums, der sich auch bis zur Türe an- 
füllte. Der Herr Oberbürgermeister eröffnete die Versammlung mit 
einem Berichte über die Resultate der seitherigen Bestrebungen und 
deren Erfolge. Nach ihm hielt der besonders dazu eingeladene, von 

1 Hering 1832 S. 11 erwähnt ein der Kgl. Hofkammer zugehöriges Baum- 
gut unterhalb der Weideplätze (Koppeln oder Abteilungen) der Tierarznei- 
schule. Nach der Oberamtsbeschreibung (Stadt Stuttgart) lag diese Maulbcer- 
pflanzung „neben“ der Tierarzneischule. Nach den Hofmarschallakten wurde das 
Mylius’sche Haus bei Berg im Sommer 1859 zur Seidenzucht eingeräumt. 

2 Dieses Museum, Gruppen ausgestopfter Tiere, biologisch und mit ent- 
sprechender Umgebung aufgestellt, enthaltend, war damals eine großes Aufsehen 
erregende Neuerung. Daneben noch einige humoristische Szenen mit ausgestopften 


Tieren. Das Museum war in der Kronenstraße, dann am Herdweg, und das 
Ganze wurde später nach England verkauft. 


dem Frankfurter Garten her bekannte Herr Dr. Wenrann einen Vortrag 
über die Zwecke eines Zoologischen Gartens in unterhaltender, akkli- 
matisatorischer und wissenschaftlicher Beziehung. Hieran knüpften 
sich Debatten von Männern der Wissenschaft und Liebhabern. Nach 
verschiedenen Erörterungen über die Tauglichkeit des durch die 
Munifizenz des Königs unentgeltlich zur Verfügung gestellten Areals, 
wurde von dem Vorsitzenden die Wahl eines erweiterten definitiven 
Komitees vorgeschlagen, das seitherige provisorische Komitee jedoch 
von der Versammlung gebeten, die so tatkräftig sich zeigende Lei- 
tung der Sache in der Hand zu behalten und weitere Mitglieder zuzu- 
ziehen. Diesem Wunsche gemäß schlug der Vorsitzende 24 Männer 
der verschiedensten Stellungen namentlich vor, womit sich die Ver- 
sammlung einstimmig einverstanden erklärte. Den Schluß dieser 
konstituierenden Versammlung bildete die Zeichnung einer ansehn- 
lichen Anzahl weiterer Aktien, und so können wir (schreibt NEUBERT 
weiter) einer um so schnelleren Errichtung und Eröffnung des 
Gartens entgegensehen, als es weder an den Geldmitteln, noch an 
einer nicht unbedeutenden Sammlung schöner und seltener Tiere 
fehlt, indem die von König Wilhelm noch vorhandenen fremden 
Tiere in den Garten einverleibt werden sollen, und der im Fache 
sehr bekannte Cafetier Gustav Werner geneigt ist, seine ganze Samm- 
lung von zum Teil wirklichen Prachtexemplaren durch Kauf abzu- 
treten. Dies in kurzem der Stand der Sache; von dem weiteren 
Vorschreiten, schreibt NEUBERT, „kann ich Ihnen stets genaue Mit- 
teilungen machen, da ich Mitglied des Komitees bin“. 

Eine solche weitere Mitteilung ist aber niemals gemacht worden, 
wenigstens nicht im „Zoologischen Garten“ (Zeitschrift). Die ganze 
damalige Bewegung verlief im Sande, genau so wie die spätere vom 
Jahr 1905 und 1906. 


12. Der Nill’sche Tiergarten. 


I. Zeitraum. Schon längere Zeit vor dem Eingehen des 
G. Werner’schen Tiergartens hielt Johannes Nill, von Beruf Zimmer- 
meister, geb. 1825, am Herdweg, der damals noch als abgelegen 
galt, auf seinem kaum 1 Morgen großen Grundstück, aus bloßer 
Liebhaberei, als großer Tierfreund, allerlei lebende einheimische 
Tiere, wie Hirsche, Rehe, Füchse, Raubvögel, Hühner, Tauben und 
Singvögel, später auch Wildschweine, Gemsen usw. Er hatte viel 
Besuch von Bekannten, die zur Besichtigung der Tiere kamen. 

II. Zeitraum. Bald zeigte sich das Bedürfnis einer Wirt- 
schaft, die 1866 errichtet wurde, „Zum Hirschgarten“ geheißen, und. 


— 191 — 


sie wurde bald zu einem der beliebtesten Ausflugspunkte. Der Unter- 
halt der Tiere konnte durch den Wirtschaftsbetrieb bestritten werden. 
Näheres über dieses Anwesen und seine Geschichte erfahren wir 
durch die von seinem Sohn Adolf Nill herausgegebene Festschrift 
1890, die Berichte von Martın im Z. G. 1875 S. 103 und 1876 
S. 20 und in dessen „Praxis der Naturgeschichte“ 1878, sowie in 
einem von Adolf Nill herausgegebenen Führer mit Einleitung: 
Zur Geschichte des Gartens. 

II. Zeitraum. Als der Tierbestand infolge der Aufmunterung 
des Publikums immer größer wurde, handelte es sich um die Ent- 
scheidung: entweder Einschränkung des Tierbestandes oder Er- 
schließung weiterer Einnahmequellen und Anlegung eines. wirklichen 
Tiergartens. Nill entschloß sich zu letzterem. Es entstanden nun 
unter der Leitung von Gustav JÄGER, dem früheren Direktor des 
bald eingegangenen Wiener Tiergartens, und unter artistischer Be- 
aufsichtigung des Tiermalers FRienkıch SPECHT, nach deren Plänen 
Tierbehausungen in rascher Folge für Hirsche, Bären, Wildschweine, 
Ziegen, Gemsen, kleine Raubtiere, Affen, und von Vögeln für Hühner, 
Tauben, Fasanen, kleine Vögel und Raubvögel, sowie ein Teich für 
Wasservögel, besonders Enten und Gänse. In diesem Stand wurde 
der immer noch nur etwa 1 Morgen (etwa 31 Ar) große Tier- 
garten als solcher am 1. Juli 1871 eröffnet. Das Eintrittsgeld 
für Erwachsene betrug 6 kr., für Kinder 3 kr., der Jahrespreis 
2 fl. für eine Familie, 1 fl. für den einzelnen. 1873 kam ein Teil 
des aufgelösten Werner’chen Tiergartenbestandes hinzu (s. o.) Bald 
zeigte sich auch sonst das Bedürfnis einer Vergrößerung nach Raum 
und Tierbestand. In diese Zeit, 1875, fällt auch die Eröffnung des 
„Museums der Urwelt bis zur Gegenwart“ von Präparator 
L. Martın’. Dasselbe konnte sich, als vom Tiergarten gesondert, 
nur kurze Zeit halten. An seine Stelle kam 1877 von seiten des 
Tiergartenunternehmers eine Rollschuhbahn. Im Wirtschafts- 
garten sorgte eine Spielturnanstalt mit Schaukeln und Karussell für 
Unterhaltung der Kinder. 

1880—1886 wurden wieder allerlei Neubauten ausgeführt: 
ein großes Raubtierhaus, ein Elefanten- und Affenhaus. 1886 wurde 
die große Menagerie von Entreß angekauft, eine bedeckte Konzert- 


1 Das Hauptschaustück desselben war (Martin 1875, Z. G. S. 104) ein 
nachgebildetes Mammut von 18 Fuß Höhe. Die linke Seite des Gebäudes 
zeigte die geologischen Epochen bis zum Jura mit ihren Pflanzen und Tieren, 
die rechte Seite Darstellungen aus der Jetztzeit: einen nordischen Vogelberg, 
den deutschen Wald, die afrikanische Wüste und den ostindischen Urwald. 


— 192 — 


halle gebaut, regelmäßige Militärkonzerte wurden abgehalten, aber 
hierdurch bedingt, wurde auch eine Erhöhung des Eintrittspreises nötig. 

IV. Zeitraum. 1893 wurde der Tiergarten wesentlich ver- 
größert durch Erwerbung eines benachbarten Grundstücks von 
etwa 2 Morgen. Es wurde eine bedeckte Halle für Wirtschafts- 
zwecke gebaut und für den (afrikanischen) Elefanten, der seinen 
Holzbau zerstörte, ein neuer Bau errichtet; ferner eine Raubvögel- 
galerie, ein Antilopenhaus, ein Haus für kleine Raubtiere, ein Wild- 
schweinpark, endlich ein Ökonomiehof mit mehreren Gebäuden. In 
die Mitte des Gartens kam ein großer Ausstellungsplatz (sogen. 
„Völkerwiese“). Kurz, es sollte das nach einem fertigen Plan in 
Angriff genommene Werk mit den fortschreitenden Anforderungen 
der Zeit in Einklang gebracht werden. Dabei wurde der Besitzer 
wesentlich durch seinen Sohn Adolf Nill, der, 1861 geboren, im 
Interesse des väterlichen Tiergartens den tierärztlichen Beruf er- 
wählt hatte und approbierter Tierarzt wurde, unterstützt. Leider 
war es dem Begründer Joh. Nill nicht mehr vergönnt, sein Werk 
in seiner Vollendung zu schauen, er starb im Mai 1894, ein schlichter 
Mann mit richtigem Blick für das Praktische und rastlos tätig für 
seine Schöpfung, die ihm bis an sein Lebensende lieb und teuer war. 

V. Zeitraum. Witwe Nill übernahm nun mit ihren Töchtern 
die Führung der Wirtschaft, welche zeitweise verpachtet gewesen 
war, während der Sohn Adolf Nill, mit der Entwicklung des 
Gartens von Jugend auf innig verwachsen und durch langjähriges 
Zusammenwirken mit seinem Vater in dessen Pläne eingeweiht, 
nunmehr die Verwaltung und Leitung des Tiergartens führte. So 
erlebte Joh. Nill auch nicht mehr das im Juli 1896 festlich gefeierte 
25jährige Jubiläum des Tiergartens. Die zu dieser Zeit be- 
stehenden Verhältnisse werden in der „Festschrift“! nach der oben 
wiedergegebenen Geschichte und Entwicklung des Gartens folgender- 
maßen kurz besprochen: Der Garten ın seiner damaligen Gestalt 
umfaßte einen Flächenraum von nahezu 6 Morgen (= 1!/ Hektar, 
wovon auf die Wirtschaft 38 Ar kamen). Die Geschäfte wurden, 
außer vom Besitzer, von einem Verwalter, einem Kassenführer, einer 
Kassenführerin, 5 Wärtern und entsprechenden Aushilfskräften be- 
sorgt. Die Eintrittsbedingungen waren folgende: Eintrittsgeld für Er- 
wachsene 50 Pf., für Kinder und Militär 25 Pf., Jahreskarte für eine 
Familie 8 Mk., für eine einzelne Person 4 Mk., für Studierende, 


© 1 Dieser ist die Abbildung des Nill’schen Tiergartens in der Vogelschau 
(Taf. X) entnommen. Nach einem Cliche. 


— 193 — 


Pensionäre und Kinder unter 16 Jahren 3 Mk. Jeden ersten Sonntag 
im Monat zahlte jedermann 20 Pf. („billige Sonntage“). 

Seitens der Gartenverwaltung war man bemüht, im Sommer 
durch Veranstaltung von Konzerten, Schaustellungen fremder Völker- 
rassen (Feuerländer, Samojeden, Somali, Dinka, Schuli, Samoaner, 
Lappländer, Kirgisen, Ceylonesen usw.), Tierdressuren (Miß Heliot, 
List von der Firma Hagenbeck), Luftballonfahrten, Kinderfeste, Reiten 
auf Ponys, im Winter durch eine Eisbahn (der Rollschuhsport war aus 
der Mode gekommen) die Anziehungskraft des Tiergartens zu erhöhen. 

VI. Zeitraum. In den letzten Jahren des Bestehens des 
Gartens kamen noch (s. Fig. 4 Grundriß') allerlei Bauten hinzu: ein 
neues Wolfshaus, ein großes Stelzvogelhaus in Form eines Tonnen- 
gewölbes, Bisongehege, Warmhaus für Menschenaffen, ein Aquarium 
mit Süßwasser- und Meerestieren. Ein neues Reptilien- und In- 
sektenhaus war geplant, kam aber nicht mehr zur Ausführung. 

Unterstützungen erhielt die Anstalt von Sr. Maj. dem König 
jährlich 500 Mk., von der Stadtverwaltung neben mehreren Er- 
leichterungen im Wasserbezug jährlich 5000 Mk. (früher 2500 Mk.), 
schließlich 8000 Mk., von Freunden des Gartens durch Geschenke 
von Tieren. 

Der Nill’sche Tiergarten war in Stadt und Land sehr populär, 
und vorzugsweise von den mittleren Schichten der Gesellschaft sehr 
besucht, auch von Vereinen, auswärtigen und städtischen Schulen und 
Landkonfirmanden, Knabenhorten, Kleinkinderschulen u. dergl. In 
der Jubiläumsschrift sind 36 Namen aufgeführt, die seit der Gründung 
treue Abonnenten geblieben waren, und in der Wirtschaft war ein 
stets besetzter Tisch von Stammgästen. Die Jahresbesuchsziffer 
schätzt Martın schon 1878 auf 100000 und nach der Einrichtung 
der billigen Sonntage wurden es doppelt so viel. Nur im Winter 
ließ der Besuch sehr zu wünschen übrig. Von Zeit zu Zeit erlitt 
der Tierbestand außer dem gewöhnlichen durchschnittlichen Abgang 
von 15 °/o auch größere Verluste durch Epidemien und vielleicht 
aber nicht sicher nachweisbare Vergiftungen durch verdorbene Nahrung, 
z. B. 1905 beim Wassergeflügel. 

Im ganzen aber arbeitete das Unternehmen, nach den eigenen 
Aufstellungen Adolf Nill’s von 1905, in den letzten Jahren mit einem 
Defizit. Die Unterhaltung und Erneuerung mit den Neubauten wurde 
allerdings immer aus den Betriebsergebnissen gedeckt. Die Ein- 
3 Der nebenstehende Grundriß von 1905 wurde mir von Herrn Ad. Nill 


zur Verfügung gestellt, ein älterer, von 1896, findet sich in dessen „Führer“. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910 13 


Nill’s Zoologischer Garten in Stuttgart 1905 (Grundriß). 


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a) Restauration, 
b) Konzertsaal. 


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Fig. 4. 
1. Afen. 19. Grosser Teich, 
2. Raubvögel. 20, Bären. 
3, Strausse, 21. Winterhmus, 


c) Musikpavillon, 

d) Restaurationsgarten. 

e) Kasse, 

f) Dienstgebäude und Hof. 

9) Völkerwiese — Brithahn 
(künstl. Eisbahn). 

h) Ausstelungshalte. 


4. Warmhaus für Afen u. 
dergl. (oben Wohnung des 
Besitzers). 

5. Elefant. 

6. Antilopen. 

7. Benntiere, Rehe. 

N, Füchse. 

9. Marder. 

10. Kleines Raubtierhaus. 

11. Schweine. 

12. Vogelhaus und Aquarium, 
13. Grosses Käfig. 

14. Singrögel. 

15. Affenhaus. 

16. Stelzvögel. 

17. Grosse Raubtiere. 

15, Siörche. 


22, Tauben. 

23. Fischotter. 

24. Eichhörnchen. 

25. Seehund, 

265. Zierenten. 

27. Ziegen. 

2N, Kleines Bassin. 

29. Hirsche. 

30. Stachelschweine. 

31, Grosse Raubtiere und kleine 
Katzen, 

32. Ponys. 

33, Hühner. 

34. Kiosk für Nager, 

35. Kamele. 

36. Schlangen- und Insekten- 
haus (Projekt). 


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— 195 — 


nahmen aus Abonnements betrugen im letzten Jahr (1904) 26 927 Mk., 
von der Tageskasse 49109 Mk., zusammen 76036 Mk. Die Aus- 
gaben aber mit den Schuldzinsen betrugen 90000 Mk. (?). 


Der Tierbestand war in den letzten Jahren (hauptsächlich 


nach dem gedruckten Führer) etwa folgender: 


A. Säugetiere. 


I. Affen: Von Menschenaffen: Schimpanse, Orang. Altweltaffen: 


Grüne-, Mona-, Mohren- und Husarenmeerkatzen (Afrikaner). 
Asiaten: Makako-, Bunder-, Hut-, Schweinsaffen. Paviane: Babuin, 
Mantelpavian, Schopfpavian. Neuweltaffen: Kapuziner, Wollaffe, 
Krallenäffchen (Uistiti). 


. Halbaffen: Vari. 
. Fledermäuse: Fliegender Hund. 
. Nager: Kaninchen, Meerschweinchen, Goldhase, Stachelschwein, 


Eichhörnchen. 


. Schweine: Wildschwein, Hirscheber (derzeit in Frankfurt a. M., 


Eigentum des Kgl. Naturalienkabinetts). 


. Wiederkäuer: Kamel, 1- und 2höckerig, Lama, Zeburind, 


amerikanischer Büffel, Yak, Säbelantilope, Gemse, Gnu, Mähnen- 
schaf, Muflon, Fettsteißschaf (schwarzköpfig), ägyptische und 
Kamerunziege. Von Hirschen: Reh, Edel-, Wapiti-, Dam-, Axis- 
hirsch, Renntier (auch ein Zwergmoschustier: Tragulus, eine 
Zeitlang). 


. Pferde: Isländische und schottländische Ponys, Esel (Steinesel). 


Von anderen Unpaarzehern: ein Tapir. 


. Elefanten: Früher ein afrikanischer (Peter, seit 1879 im 


Garten, wurde November 1893 wegen Wildheit und Fußkrank- 
heit erschossen, seine Überreste kamen in die anatomische Samm- 
lung der Tierärztlichen Hochschule), seit Frühjahr 1897 ein 
asiatischer. 


. Zahnlose: Gürteltier, Faultier, Ameisenbär. 
. Beutler: Rotes Känguruh, Felsen-Känguruh. 


B. Vögel. 


. Papageien: Kakadus (Nasen-, Rosen-, Gelbhaubenkakadu). 


Sittiche (Langschwänzer): blauer und roter Arara, Edel-, Sing-, 
Bunt-, Nymphen-, Mönchsittich. Kurzschwänzer: Graupapagei, 
Amazonen (Rotbug-, Gelbkopf-, Gelbscheitelamazonen). 


. Kleinvögel: a) Kegelschnäbler, teils ausländische, wie 


Weber, Wittwen, Prachtfinken, Amadinen, Astrilde, Reisvögel, 
Nonnen, Kardinal; teils Inländer: Gimpel, Distel-, Buch-, Grün-, 
Bergfink, Zeisig, Ammer, Kreuzschnabel, Kernbeißer; b) Meisen 
mit Kleiber; c) Lerchen; d) Raben: Kolkrabe, Krähe, Dohle, 
Alpendohle, Elster; e) Insektenfresser: Drosseln, Rotkehlchen, 
Staar, Nachtigall, chinesische Nachtigall oder Sonnenvogel. 

13* 


— 19% — 


III. Raubvögel: a) Eulen: Uhu, Waldohreule, Wald- und Stein- 
kautz, Schleiereule, Schneeeule; b) Geier: Gänse-, Truthahn-, 
Lämmergeier, Kondor; c) Adler: Stein-, Schrei-, Seeadler; 
d) Habichte: Hühnerhabicht, Sperber; e) Bussarde: Mäusebussard ; 
f) Gabelweihen (Milan): roter und schwarzer Milan; g) Falken: 
Turm-, Baumfalke. 

IV. Tauben: Ringel-, Lach-, Frucht-, Zwergtauben. 

V. Hühnervögel: Fasanen (7 Arten), Pfau, Perlhahn, wilder 
Truthahn, viele Hühnerrassen, besonders Cochinchina, ferner 


Wachtel, Schopfwachtel. 
VI. Strauße: Somali-, amerikanischer, neuholländischer Strauß, 


Kasuar. 

VII. Stelzvögel: Gemeiner, Kronen-, Jungferkranich, Sichler, 
schwarzköpfiger Ibis, Storch, Marabu, Fisch-, Purpur-, Seiden- 
Silberreiher. 

VIII. Schnepfenvögel: Kampfhahn, Kiebitz u. dergl. 

IX. Schwimmvögel: Enten und Gänse, Zierenten, Bläßhuhn, Teich- 
huhn, Lachmöve. 
Endlich die Bewohner des projektierten Schlangen- und Reptilien- 
hauses und die des Aquariums (s. Taupıum 1905). 


Von besonderem Interesse waren die seit 1874 gezüchteten 
Bastarde von braunem Bär und Eisbär. Von den Stammeltern 
war der braune Bär ein Weibchen, der Eisbär, von Heuglin’s Polar- 
reise herrührend, ein Männchen. Die ersten Bastarde waren der 
Gestalt nach mehr dem braunen Bär ähnlich, nur etwas gestreckter 
und mit spitzerem Kopfe, bei der Geburt fast schneeweiß, allmäh- 
lich wurden sie braungrau, später wieder heller, gelbweiß, ähnlich 
dem syrischen Bären. 1874 bekamen die Bastarde zwei weitere 
Geschwister (Martis, Z. G. 1876 und 1877). 

Auch Bastarde von Wild- und Angorakatze wurden erzielt. 
Züchtungen gelangen bei Löwen, Affen (besonders Bundern), beim 
Strauß (wenigstens noch einige Wochen nach dem Ausschlüpfen 
lebend) und bei Braut- und andern Enten, verschiedenen Rasse- 
hühnern, ferner bei Rot-, Dam- und Axiswild, Rehen, Mufflon, Lama. 
Eier wurden gewonnen beim Gänsegeier (aber taube), beim neu- 
holländischen Strauß (Martın 1878). 

Eine weitere Merkwürdigkeit war (Z. G. 1871 S. 306 von 
einem Anonymus) ein haarloses Rind (Kuh) mit ganz nackter, 
nur mit einem äußerst feinen Flaum überzogener Haut, wie bei 
einem neugeborenen Menschen, von dunkel dottergelber Farbe. Am 
Kopf war die Stirnseite mit sehr feinen, tiefen, unregelmäßigen, 
zahlreichen Falten lineamentiert. Näher beschrieben wurde dasselbe, 


— 19 — 


d. h. die in der Zoologischen Sammlung der Akademie Hohenheim 
aufbewahrte, mit Alaun gegerbte Haut desselben von L. HOFFMANN 
1892. Das Tier, in einem Dorf des Oberamts Urach geworfen, lebte 
{ Jahre im Nill’schen Tiergarten, war lange gesund und gab viel 
und gute Milch, bis es an einer Indigestion starb. Horrmann gibt 
auch in seiner Arbeit eine Photographie nach dem Leben. 

Über die „Brutresultate afrikanischer (Somali-) Strauße“ 
berichtet Joh. Nill selbst 1885 im „Zool. Garten“. Nach vielen 
vergeblichen Versuchen der Aufzucht, auch mit der einer eigens 
eingerichteten Brutmaschine, ging es besser, als die Tiere Gelegen- 
heit bekamen, ein Sandnest zu bauen. Männchen und Weibchen 
brüteten abwechselnd; nach 50 Tagen schlüpfte ein Junges aus 
von der Größe eines gewöhnlichen Landhuhns, mit Flaum bedeckt und 
Stoppeln, ähnlich einem Igel; es war erst am 3. Tage imstande zu 
gehen, und Grünfutter zunehmen. Trotz sorgfältigster Pflege, auch im 
Warmhans, starb es aber nach einiger Zeit; ich erwarb es (Skelett, 
Balg und Eingeweide) für die Sammlung der Technischen Hochschule. 

Noch interessanter ist der Bericht von Adolf Nill 1907 über die 
Aufzucht eines Ameisenbären in seinem Garten. Unter 8 Jungen 
eines 1893 angekauften Paares konnte wenigstens eines, aber nur durch 
künstliche Ernährung mittels Milchflasche, am Leben erhalten werden; 
1900 geboren, war es nach 2 Jahren vollständig ausgewachsen und 
ging 1901 in den Besitz des Zoologischen Gartens in Berlin über. 

Am Ostermontag (16. April) 1906 wurde, wie später näher 
erzählt werden wird, der Nill’sche Tiergarten geschlossen, und 
die Tiere wurden verkauft, teils an Tierhandlungen, wie die von 
Jul. Mohr in Ulm, andere Tiere kamen in verschiedene Zoologische 
Gärten, wie Karlsruhe, Frankfurt, Leipzig. Die alte braune Bärin, 
die fast so alt war als der Tiergarten, Mutter von zusammen 
50 Jungen, wurde erschossen. Eine Zeitlang schwebten Unterhand- 
lungen mit der Stadt Ulm wegen Übernahme des ganzen Nill’schen 
Tiergartens.. Die Platzfrage wäre hier leicht zu lösen gewesen: 
Friedrichsau. Aber im Bürgerausschuß fand die Absicht nicht das 
genügende Entgegenkommen und so scheiterte der Plan. 


13. Neuere Versuche, einen grösseren Zoologischen Garten 
zu grunden. 

Schon mehrere Jahre vor dem Verkauf des Nill’schen An- 

wesens hörte man viel von Verlegung des Tiergartens, da der bis- 

herige mehr und mehr von Häusern eingekreist wurde und das 


— 198 — 


Gelände immer mehr an Wert wuchs; die Verlegung galt nur als 
eine Frage der Zeit. Eine bestimmte Gestalt bekamen diese Ver- 
mutungen 1895, nach dem Tod des Gründers, als die Familie Nill 
sich fragte, ob sie nicht das Anwesen veräußern solle. Es handelte 
sich damals um Fortsetzung des Unternehmens durch eine Aktien- 
gesellschaft unter Vorsitz des Geh. Kommerzienrats v. Pflaum, während 
die Stadtverwaltung ihre Beteiligung ablehnte, da der Tiergarten 
doch nicht mehr länger an der jetzigen Stelle bleiben könne. Der 
Platz in den unteren Anlagen wurde schon damals in erster Linie 
in Aussicht genommen, zumal von der Krongutverwaltung die münd- 
liche Zusicherung gegeben wurde, daß dieser Platz zur Verfügung 
gestellt werden könne; und auch ein Teil dieses Geländes seit alten 
Zeiten der Bürgerhospitalpflege gehöre. Es war schon ein Plan 
dafür angefertigt gewesen (Rathausakten, Bericht von Dr. K. MATTES 
im Protokoll der allgemeinen, die Tiergartenfrage vorbereitenden 
Sitzung vom 11. November 1905 [s. u.]). Es wurde aber nichts 
daraus. 

Dagegen wurde die Tiergartenfrage im Sommer 1905 plötz- 
lich brennend, als die Familie Nill ihr ganzes Anwesen an 
den Staat (um 925000 Mk.) verkaufte, was, als die Sache 
fertig abgeschlossen war, Adolf Nill am 30. Juni 1905 der Stadt- 
verwaltung mitteilte, mit dem Beifügen, daß die Übernahme seines 
Geländes durch den Staat am 1. April 1906 stattfinden und der 
34 Jahre lang betriebene Zoologische Garten daher geschlossen werden 
müsse. Diese Nachricht wirkte sehr aufregend und beunruhigend 
in Stadt und Land. Nach eingehender Beratung kam die Stadt- 
verwaltung (nach den mir gütigst von derselben zur Einsicht 
überlassenen Rathausakten, s. o. Literatur, Stuttgart) zunächst zu 
dem Ergebnis, daß sie bereit wäre, den Tiergarten weiter zu 
führen, wenn der Staat sich beteilige, und zwar durch unentgelt- 
liche Überlassung eines geeigneten Geländes, z. B. eines Teils des 
Rosensteinparks. Dies wurde durch ein Gesuch der Stadtgemeinde 
an die Staatsfinanzen- und Krongutverwaltung zum Ausdruck ge- 
bracht und zugleich um Verlängerung des Übernahmetermins für 
das Nill'sche Anwesen gebeten, um eine Fortsetzung des alten und 
des neuen Unternehmens ohne Unterbrechung zu ermöglichen. Am 
31. Juli lief aber die Antwort ein, daß ein allgemeines Staats- 
interesse für die Fortführung des Zoologischen Gartens nicht be- 
stehe, und so wurde auch die Bitte um Überlassung des Rosen- 
steinparks abschlägig beschieden. 


— 19 — 


Es wurde nun beschlossen, sich mit der Hofdomänen- 
kammer in Verbindung zu setzen, zumal auch Se. Majestät der 
König der Erhaltung des Zoologischen Gartens lebhafte Sympathie 
entgegenbringe. Aber auch von dieser Stelle wurden laut Schreiben 
vom 19. (23.) September Bedenken gegen die Überlassung eines dem 
Krongut gehörigen Platzes erhoben (wegen des fideikommissarischen 
Charakters desselben). Übrigens werde zunächst einer weiteren Er- 
klärung darüber entgegengesehen, in welcher Weise sich die Stadt- 
verwaltung die Organisation und Finanzierung des Unternehmens, 
sowie das Rechtsverhältnis zwischen der Domänenkammer und dem 
Tiergartenbetrieb denke, auch sei die Frage zu stellen, inwieweit 
die Stadtverwaltung zu einer entsprechenden Gegenleistung bereit sei. 

Inzwischen wurde von seiten des Stadtrats die Bauabteilung 
beauftragt, Ermittlungen anzustellen über die Verhältnisse der ver- 
schiedenen Tiergärten in Deutschland und einiger ausländischer, ins- 
besondere auch über den Nill’schen Tiergarten, um eine Grundlage 
zu gewinnen für den Betrieb und die etwaige Rentabilität, sowie 
eine Schätzung zu machen über den etwaigen Kostenaufwand für 
die einzelnen Bauten. 

Ferner wurde beschlossen, grundsätzlich die Bereitwilligkeit 
auszusprechen, für die Zwecke des Tiergartens 4—500 000 Mk. zur 
Verfügung zu stellen, oder eine 3'/sprozentige Verzinsung eines 
von einer Gesellschaft aufzunehmenden Darlehens zu garantieren, 
vorausgesetzt, daß eine solche mit einem Aktienkapital von 300000 Mk. 
zustande komme. Ferner: wegen Gründung einer solchen Ge- 
sellschaft alsbald weitere Schritte einzuleiten, und, sobald das 
Zustandekommen einer solchen gesichert erscheine, die Bitte um 
Überlassung eines geeigneten Platzes bei der Hofdomänenkammer 
weiter zu verfolgen. 

Am 18. November 1905 fand nun eine Versammlung von 
geladenen Gästen (72 von 167 Einladungen) aus verschiedenen 
Kreisen statt unter Vorsitz des Herrn Oberbürgermeisters v. Gauß, 
der in seiner Ansprache das fast ungestüme Interesse und die Be- 
geisterung in weiten Schichten der Bevölkerung betonte, die einen 
Tiergarten als wirkliches Bedürfnis empfinde und fordere. Eine 
Kommunalisierung des Unternehmens, d. h. Übernahme des 
Zoologischen Gartens und Verwaltung durch die Stadt müsse aber 
abgelehnt werden. Nur in Düsseldorf sei dies möglich geworden 
durch ein Geschenk eines Privatmanns an die Stadt nur zu diesem 
Zweck. Die Stadtverwaltung wolle aber die Gründung der Gesell- 


— 200 — 


schaft in die Hand nehmen. Der Hauptzweck der heutigen Ver- 
sammlung sei die Wahl eines engeren Ausschusses (Komitees). 
Der Berichterstatter Dr. Mattes bespricht noch eingehend die Platz- 
und Finanzfrage, wobei 1 Million Mark mindestens vorzusehen seien. 

Der zu wählende Ausschuß habe folgende Aufgaben zu 
lösen: 1. Vor allem die Platzfrage. 2. Unterhandlung mit der Stadt 
und Vorbereitung eines Vertrags. 3. Vorbereitung eines Aufrufs 
zur Zeichnung von Aktien, noch ohne bindende Kraft, nur um einen 
Überblick zu erhalten über das, was die Einwohnerschaft finanziell 
leisten wolle. Der Ausschuß bestand nach der Wahl aus folgenden 
Mitgliedern: Oberbürgermeister v. Gauß als erster, Gemeinderat 
Dr. Mattes als zweiter oder stellvertretender Vorsitzender. v. Pflaum 
als Schatzmeister. Ferner Kabinettschef v. Gemmingen, Hofwerk- 
meister Hangleiter, Rechtsanwalt Dr. Steiner, Oberstudienrat Dr. Lam- 
pert, Kaufmann Wilh. Fetzer, Oberforstrat Keller, Gemeinderat Fischer, 
Mittelschullehrer Sicherer, Gemeinderat Kübel und Dr. Reis, Ge- 
heimrat v. Götz, Redakteur Keller und Liebrich, Geh. Hofrat Leo 
Vetter, Hofwerkmeister Hauser und (nachträglich zugewählt) Prof. 
Dr. V. Häcker an der Technischen Hochschule. 

Der oben erwähnte Aufruf besagte, daß die Ausführung des 
Unternehmens einen Aufwand von ungefähr 1 Million Mark erfordere, 
wovon die Stadt Stuttgart die eine Hälfte zur Verfügung stelle, 
während die andere Hälfte durch Aktien beizuschaffen sei in der 
Weise, daß 1000 Aktien je zu 500 Mk. ausgegeben werden, wovon 
25 °/o sofort baar eingezahlt, die weiteren Einzahlungen durch die 
Organe der künftigen Gesellschaft nach Bedarf eingefordert werden 
sollen. Mit der Zeit dürfte eine angemessene Verzinsung der ein- 
gelegten Beiträge zu erwarten sein. Alle Freunde des Unternehmens 
sind gebeten, sich des angebotenen Zeichnungsscheins bedienen zu 
wollen. Dieser Aufruf kam aber nicht in die Öffentlichkeit. 

Bezüglich der ersten und wichtigsten Platzfrage wollte der 
Ausschuß am 15. Dezember 1905 die Meinung eines unparteiischen 
und unvoreingenommenen Mannes hören, und es wurde beschlossen, 
Dr. Heck, den Direktor des Berliner Tiergartens, kommen zu lassen 
(zunächst auf Kosten der Stadtkasse). 

Am 23. Dezember 1905 wurde ım Beisein des Dr. Heck, der 
vorher die verschiedenen vorgeschlagenen Plätze in Augenschein 
genommen hatte, eine Ausschußsitzung gehalten, wobei sich Dr. Heck 
als weitaus besten Platz für die unteren Anlagen aussprach, übrigens 
noch ein besonderes schriftliches Gutachten baldigst zu über- 


— 201 — 


mitteln versprach. Letzteres, datiert vom Januar 1906, lautete etwa 
folgendermaßen: Die Rentabilität eines Zoologischen Gartens 
hängt, wie die Geschichte anderer Zoologischer Gärten zeigt, von 
gewissen Voraussetzungen ab, nämlich 1. kostenloser Erwerbung 
des Platzes; 2. einem geeigneten Platz; 3. Bildung einer Ge- 
sellschaft zur Schaffung der Mittel zur Herstellung und zum Be- 
trieb (wozu mindestens 1'/, Million anzusetzen wären); 4. Selbst- 
erhaltung des Betriebs, was, wie sich überall herausgestellt hat, 
pur möglich ist durch einen Doppelbetrieb: als gemeinnützige 
Bildungsanstalt und als Vergnügungsort, natürlich unter Wahrung 
eines anständigen Charakters. 

Als Erfordernisse eines geeigneten Platzes sind anzugeben: 
1. Eine gute Geschäftslage, nicht zu weit vom Zentrum der 
Stadt entfernt, Lage im Verkehr, gute Verbindungen mit der Stadt, 
leichte Erreichbarkeit, womöglich zu Fuß. 2. In Beziehung auf Be- 
schaffenheit des Platzes ist ein möglichst ebener Kunstpark mit 
Baumwuchs und Wasserlauf (künstlichem oder natürlichem) einem 
waldigen oder bergigen Gelände vorzuziehen, wobei auch auf einen 
möglichst trockenen Baugrund zu sehen ist. Auch darf der Ort 
nicht kalten Winden ausgesetzt sein. 3. Der Platz muß eine ge- 
nügende Größe haben, mindestens 6—7 ha. 

Nach diesen allgemeinen Gesichtspunkten sind die Urteile des 
Sachverständigen bezüglich der einzelnen in Frage kommenden Plätze 
folgende: 


a) Plätze im Eigentum des Staates, bezw. der Krone als Nutznießer. 


1. Die unteren Anlagen zwischen Rosensteinpark und Berg 
(Cannstatterstraße): derselbe Platz, wo früher König Wilhelm I. einen 
Akklimatisationsgarten herstellen wollte und der auch schon 1895 
(s. o.) in Aussicht genommen war. Dieser Platz wäre nach dem 
Gutachten Heck’s in jeder Beziehung der denkbar geeignetste. 
(Der angeblich sumpfige Grund besteht nach Sachverständigen mehr 
für die oberen Anlagen, und wäre auch nicht ausschlaggebend. Ein- 
gewendet wird freilich von anderer Seite die nebelige und feuchte 
Lage, auch Behinderung des Verkehrs.) 

2. Der Rosensteinpark (hinterer Teil bei der Maierei und 
dem Löwentor) kommt in Beziehung auf Beschaffenheit des Geländes 
dem vorigen Platz gleich, in Beziehung auf Bodengrund und Wasser- 
verhältnisse ist er sogar noch besser. Nur in Beziehung auf die 
Geschäftslage, weil etwas abgelegen, ist er weniger gut; dem könne 


— 202 — 


aber mit der Zeit durch bessere Verbindungen (Straßenbahn) ab- 
geholfen werden. 

3. Garten beim Wilhelma-Theater. Dieser wird besonders 
von Dr. Mattes als hervorragend geeignet bezeichnet: Baumwuchs, 
Lage im Verkehr, leicht mit Wasser zu versorgen. Ein Wirtschafts- 
garten sei schon da, mit der Gesellschaft sei wohl leicht eine Ver- 
einbarung herbeizuführen. Die der Stadt gehörige Insel bei Berg 
sei mittels Überbrückung der Straße leicht anzugliedern. Die Über- 
lassung dieses Geländes, das zur Ergänzung noch einen beträcht- 
lichen Zuwachs vom Wilhelmapark bekommen müßte, kann indes 
kaum in Betracht kommen, sie wäre bei der Nähe der Kgl. 
Schlösser eine arge Zumutung an die Kgl. Familie. 


b) Plätze im Eigentum der Stadt. 


4. Platz hinter dem Kursaal in Cannstatt (Sulzerrain). 
Dieser könnte nur in Vorschlag kommen, wenn eine wirtschaftlich 
genügende Verbindung mit dem Kurgarten möglich wäre. Dagegen 
würde ganz Cannstatt Einsprache erheben, da dieser Platz der ein- 
zige Erholungsplatz dort ist. Auch würde der Kursaal dem Zoo- 
logischen Garten dahinter den Besuch geradezu wegfangen. 

5. Sogenanntes „Eiernest“ oder „Gewand im Hahn“ oder 
Hahnwiesen bei Heslach. Dieses Gelände wurde seinerzeit von der 
Stadt Stuttgart für einen beabsichtigten Friedhof erworben. Es hat 
vorn ebenen, aber großenteils aufgefüllten, sumpfigen Grund und 
hinten ansteigenden Wald, Wasser ungenügend, mit geringfügigen 
Quellen, einen teilweise überdeckten Bach, so daß ein Pumpwerk 
ergänzend eintreten müßte. Es wäre nur mit bedeutenden Kosten 
in eine geeignete Parklandschaft zu verwandeln. Auch hat es nicht 
die gute Geschäftslage und zu wenig Sonne. Neuerdings wird dieser 
Platz wieder als sehr geeignet gerühmt (s. u.). 

6. Von Dr. Heck wurden noch die Wernhalde bei Degerloch, 
die Heideklinge (Wasserfälle) bei Heslach, der Frauenkopf auf- 
gesucht. Sie und viele andere, besonders von den Bürgervereinen 
oder in öffentlichen Blättern vorgeschlagenen Orte, wie der Stöckach- 
spielplatz, die Rotewaldgegend beim Vogelsang hinter dem Eisen- 
bahndamm, die Gegend zwischen Gablenberg und Gerokstraße, die 
Steinbrüche beim Weißenhof und Gegend unter dem Schönblick, 
Feuerbacher Heide, Gallenklinge, die Waldwiesen im Feuerbacher 
Tal usw. sind teils zu klein, zu kalt und sonnenlos, zu uneben und 
waldig, teils zu weit vom Verkehr entfernt, teils fehlen Wasser und 


— 203 — 


Baumwuchs, oder eine später erforderliche etwaige Vergrößerung 
wäre schwierig. Ausrodung von Wald zum Zweck der Anlage eines 
Zoologischen Gartens wird von vielen Seiten verworfen, schon als 
der allgemeinen Gesundheit (Lungen der Stadt) schädlich. 

In Beziehung auf Kostenberechnung werden Beispiele an- 
geführt, was die einzelnen wesentlichen Gebäulichkeiten, wie ein 
Haus für Dickhäuter, größere „Heufresser“, Antilopen, Kamele, Hirsche, 
Papageien usw., kosten, und als kostspieligstes ein Restaurations- 
gebäude, erstere zusammen etwa 690000 Mk., letzteres 250000 Mk., 
dazu kommen etwa 100000 Mk. für Ankauf von Tieren, für Betrieb 
und Unvorhergesehenes 100000 Mk., also zusammen etwa 1 Million 
und 40000 Mk., alles unter Voraussetzung, daß ein Platz unent- 
geltlich oder’doch ohne zu hohes Entgeld zur Verfügung gestellt werde. 

Gestützt auf dieses Gutachten von Dr. Heck wurde am 26. Ja- 
nuar 1906 vom Ausschuß eine Eingabe an die Hofdomänen- 
kammer um Überlassung eines der drei vom Sachverständigen als 
für einen Tiergarten geeignetst bezeichneten Plätze eingereicht. Die 
Antwort darauf kam erst am 22. Dezember 1906, fiel aber ab- 
lehnend aus: „Der Bitte um im wesentlichen unentgeltliche Über- 
lassung von Kronareal zur Errichtung eines Tiergartens könne mit 
Rücksicht auf den fideikommissarischen Charakter des Kronguts und 
im Hinblick auf andere Bedenken eine Folge nicht gegeben werden !.“ 

Inzwischen fanden zum Teil unerquickliche Verhandlungen mit 
dem Tiergartenbesitzer Adolf Nill statt (s. Amts- und Anzeigeblatt 
18. April 1906). Der Vorschlag des Ausschusses, Nill möge den 
Garten vorderhand pachtweise fortführen bis zur Erledigung der 
Platzfrage, selbst unter Garantie einer gewissen Summe, wurde von 
Nill abgelehnt, dagegen verlangt, daß vom 1. April 1906 an der 
Ausschuß den Tierbestand samt Käfigen usw. um 120 000 Mk. über- 
nehmen solle. Hiergegen erklärten die betreffenden Sachverständigen 
und das städtische Bauamt, daß die Einrichtungen des alten Tier- 
gartens für den neuen nicht zu gebrauchen seien und nur Abbruchs- 
wert haben (was offenbar zu weit ging, da die Bauten zum Teil 
erst vor kurzem gemacht waren). Darauf ging der Ausschuß nicht 
ein, zumal auch die Tiere anderswoher leicht wieder erworben werden 
könnten, sobald die Platzfrage gelöst sei. Am 16. Februar 1906 er- 


ı Der Verfasser dieses hat den Eindruck gewonnen, daß bei Zahlung 
einer verhältnismäßig kleinen Pachtsumme, etwa 2000 Mk. jährlich, ähnlich wie 
bei der Wilhelmagesellschaft, als Entgeld für den Jahresertrag, der Platz im 
unteren Schloßgarten unschwer zu erhalten gewesen wäre. 


— 204 — 


klärte Nill die Verhandlungen für gescheitert, da er mit der 
Verwertung seiner Tiere und Einrichtungen nicht länger warten 
könne. In der Tat wurde am ÖOstermontag 16. April 1906 (s. o.) 
der Nill’sche Tiergarten für das Publikum geschlossen und die 
Tiere verkauft. Nach dem ungünstigen Ausfall der Platzfrage aber 
war die ganze Tiergartenfrage auf einen toten Punkt gelangt 
und von nun an hört man nichts mehr von irgend einer Tätigkeit 
des Ausschusses. 


14. Kampf zwischen den Anhängern des Hasenbergs- und 
Eiernestvorschlags für einen Zoologischen Garten. 


Bald nach dem Fallen der Gewinnung der Krongüter in den 
unteren Anlagen und dem Rosenstein für den Tiergarten tauchte 
neben dem sogen. Eiernest bei Heslach (eigentlich Aiernest von dem 
alten Flurnamen Arnest, d. h. Adlernest nach dem amtlichen Adreß- 
buch) noch ein anderer Vorschlag auf, der bisher auch bei dem Gut- 
achten von Dr. Heck nicht in Betracht gezogen war: Anlage eines 
großen Zoologischen Gartens am Hasenberg, oben begrenzt von 
der alten, zur Solitude führenden Straße und vom Hasenbergturm 
an bis zum Sophienbrunnen reichend, unten vom Eisenbahndamm: 
ein etwa 7 ha fassendes, teils ebenes, meist aber abschüssiges, fast 
durchaus bewaldetes Gelände, das sich ganz im Eigentum der Stadt 
befindet. Der Vorschlag ging aus von dem Bürgerverein der zu- 
nächst liegenden Feuerseegegend und wurde alsbald unterstützt durch 
einen Gönner (v. Gemmingen), der hierzu, für den Fall dieser Wahl, 
100000 Mk. stiftete. Anderseits legten sich die Bürgervereine der 
südlichen Stadtteile und von Heslach ins Zeug für das Eiernest. 
Beide hielten öffentliche Versammlungen: die Anhänger des Hasen- 
bergvorschlags ließen den bekannten Hamburger Tierhändler Hagen- 
beck kommen und ein Gutachten von ihm ausstellen, welches 
diesen Vorschlag für geradezu ideal erklärte, und am 18. Februar 1908 
auch Hagenbeck’s wissenschaftlichen Assistenten, Dr. Sokolowski, 
der einen Vortrag mit Lichtbildern aus dem Stellinger Tiergarten 
bei Hamburg im Bürgermuseum hielt, die von Hagenbeck geübte 
Haltung der Tiere in möglichst freier, selbst kalter Luft rähmte und 
empfahl, was auf den weiten Flächen des Hasensbergs nach Art des 
Stellinger Tiergartens oder wenigstens eines Akklimatisations- 
gartens sich ermöglichen lasse. Eine Zeichnungsliste wurde aus- 
gelegt, die aber, wie es scheint, noch lange nicht ausgefüllt ist. 
Später wurde auch ein genauer Situationsplan angefertigt. 


— 205 — 


Die Anhänger des Eiernestes schrieben eine öffentliche Ver- 
sammlung im Stadtgartensaal am 18. März 1909 aus mit Rede des 
Professors Leonhard Hoffmann an der Tierärztlichen Hoch- 
schule, welche, von der Geschichte der Zoologischen Gärten über- 
haupt und der in Württemberg insbesondere beginnend, die Auf- 
gaben und Einrichtungen solcher eingehend behandelte und dann 
die Vorteile des Eiernestes hervorhob mit glanzvoller Schilderung 
eines von ihm nach Art der Buttes de Chaumont in Paris gedachten 
Parks mit Stauseen, Wasserfällen usw., eine Rede, die später noch 
ausführlicher vom 20. April bis 4. Mai unter dem Titel: „Der moderne 
Zoologische Garten“ im Neuen Tagblatt und dann als besondere 
Schrift (s. Literatur) erschienen ist. Schon an jenem Abend ent- 
gegnete ihm Baurat A. Hofacker, der Verteidiger des Hasenberg- 
vorschlags, bei der mündlichen Erörterung, und später, 14.—19. Mai 
1909, auch in zwei Artikeln im Neuen Tagblatt; er warf seinem Gegner 
hauptsächlich das Ausschweigen über die Kosten, den wichtigsten 
Punkt, und die zu phantasievolle, einseitige Hervorhebung der Eier- 
nestvorzüge vor. Beide rühmen, jeder für seinen Vorschlag, das Zu- 
treffen der Hauptbedingungen: günstiges Klima, schöne Lage, leichte 
Erreichbarkeit und billigen Grunderwerb. Es ist hier wohl nicht 
der Ort, auf diese Kämpfe näher einzugehen, wo nur geschichtliche 
Tatsachen angeführt werden sollen, und noch keiner dieser beiden 
Vorschläge Aussicht hat, verwirklicht zu werden. 


15. Der Tiergarten Doggenburg. 
a) Geschichte und allgemeine Verhältnisse. 


Bald nach dem Scheitern der Unterhandlungen mit Herrn 
Ad. Nill, im Spätjahr 1906, kam Herr Theodor Widmann, Schirm- 
fabrıkant in Stuttgart, auf den Gedanken, das Unternehmen Nill’s 
in kleinerem Maßstab auf eigene Faust fortzuführen. Widmann, als 
Tierliebhaber, hatte schon seit mehreren Jahren in seiner Privat- 
wohnung einen etwa 180 Nummern betragenden Bestand von lebenden 
Tieren, von kleinen Säugern, besonders Mäusen, und Vögeln, auch 
einige Aquarien, unterhalten, und erfreute sich dort schon eines 
zahlreichen Besuchs seiner Freunde, aber ohne Eintrittsgeld, ähnlich 
wie der alte Joh. Nill angefangen hatte. Nach gefaßtem Entschluß, 
einen neuen Tiergarten zu errichten, schloß er mit A. Wurster, dem 
Besitzer der „Doggenburg“, einer Wirtschaft und einiger umliegender 
Grundstücke auf der Höhe der Feuerbacher Heide, am oberen Ende 


— 206 — 


des Herdwegs, einen Vertrag, wonach er einen Teil von dessen An- 
wesen, einen alten Obstgarten, gegen 40 Ar, auf 10 Jahre pachtete. 
Zugleich erwarb er einen Teil des Nill’schen Inventars, hauptsäch- 
lich die Behälter oder Käfige für Vögel und Säugetiere, soweit sie 
für den kleineren Tierbestand nötig waren, sowie das Vogelhaus 
ohne Aquarien und Terrarien und das Hirschhaus. Nill’s Tiere selbst 
waren zu jener Zeit schon zum größten Teil verkauft. Über den 
Winter 1906/07 wurde an der Herstellung des Tiergartens gearbeitet, 
und der Unternehmer besuchte zu seiner Belehrung alle größeren 
Tiergärten in Deutschland und Holland. 

Am 28. April 1907 konnte der Tiergarten Doggenburg eröffnet 
werden, zu einer Zeit, wo es in diesem Jahre noch recht kühl war. 
Einer der ersten Besucher war Se. Majestät der König Wilhelm II. 
mit anderen Mitgliedern der Kgl. Familie. Um den neuen Tier- 
garten rascher bekannt zu machen, wurde am 10. Juli ein Kinder- 
fest mit Aufführung von Kinderreigen, Tiermasken, Trachten, Spielen, 
Umzug und Musik, unter großem Andrang bei ausnahmsweise gün- 
stiger Witterung abgehalten. Dazu wurde eine eigene Festzeitung 
gedruckt. Bald hatte sich das Unternehmen den Beifall weiter 
Kreise erobert, und der neue Tiergarten war trotz der Anhöhe, die 
zu ersteigen war, den ersten Sommer über kaum weniger besucht 
als früher der Nill'sche, der Besuch an günstigen Sonntagen belief 
sich meist auf Tausende. Die Lage ist trotz des oben gedachten 
Gutachtens der Sachverständigen für einen Tiergarten sehr günstig, 
sonnig und durch den nur durch eine Straße getrennten Wald gegen 
die Nord- und Westwinde geschützt. 

Eine große Anziehungskraft bietet der neue Tiergarten durch 
die besonders gepflegte Gelegenheit zum Reiten und Fahren für 
Kinder: eine Anzahl Esel, einige niedliche Pferdchen (Ponys) sind 
zum Reiten, einige Wägelchen mit Ponys (und Eseln) und eines mit 
2 schönen Böcken bespannt zum Fahren bereit, und dazu noch ein 
Kamel mit einem sinnreich eingerichteten Sattel zum Reiten für 
je 5 Kinder, all dies für je 10 Pf. die Person, wobei nicht einmal ein 
Eintrittsgeld nötig ist, da das Reiten und Fahren auch außerhalb 
des Tiergartens vor sich geht und unter dem Schutz eines Wärters 
durchaus gefahrlos erschien. Nur das Kamelreiten wurde später 
ausgesetzt, da das etwas übermütige Tier zuweilen Sätze machte. 

Der Eintrittspreis ist äußerst gering bemessen: 30 Pf. für 
Erwachsene, 10 Pf. für Kinder; Jahreskarte 2 Mk. 50 Pf. für eine 
Person, 5 Mk. für eine Familie. Es sollte der Besuch jedermann, 


auch dem weniger Bemittelten, möglich sein. — Eine andere An- 
ziehung für das Publikum und insbesondere die Abonnenten sollten 
die Musikaufführungen an Sonntag Nachmittagen und Feiertagen 
bilden, wie das eben einmal herkömmlich und für die Einnahmen 
notwendig, wenn auch nicht zum Wesen eines Zoologischen Gartens 
gehörig ist. Der niedere Eintrittspreis, 30 Pf. wie sonst zu Musik 
und Tiergarten, für Abonnenten frei, sollte diesen „Konzerten“ ihren 
bisherigen volkstümlichen Charakter, wie sie ihn schon bei Nill 
hatten, wahren. Die Bezahlung der teuren Musik an den Sonntagen 
wurde vom Tiergarten- (nicht Wirtschafts-) Besitzer geleistet. Das 
Unternehmen genießt keinerlei finanzielle Unterstützung, 
weder von seiten der Behörden, außer teilweiser Erlassung des 
städtischen Wasserzinses, noch von privater Seite, als etwa durch 
Geschenke von Tieren. 

Herr Widmann führte sein Unternehmen durch zwei Sommer 
mit anscheinend bestem Erfolge. Da wurden im Spätjahr 1908 die 
Freunde des Gartens mit der Nachricht überrascht, daß Herr Adolf 
Nill den Tiergarten übernommen habe, zunächst auf zwei Jahre, 
mit dem ersten Rückkaufsanrecht für Herrn Widmann: bis 1911. 
Letzterer verlor seine Habe, der Tiergarten selbst aber war so ge- 
rettet. Alles blieb im Gange wie vorher, ein besonderer Verwalter, 
Herr Alb. Bleil, wurde zur Besorgung der Tiere und Beaufsich- 
tigung außer den Wärtern angestellt. Das Bestreben des neuen 
Besitzers ging dahin, den Tierbestand hauptsächlich auf ein- 
heimische Tiere zu beschränken, diese aber in möglichster Voll- 
ständigkeit beizuschaffen und so etwas Eigentümliches zu bieten. 
Ausnahmen mußten freilich bezüglich der Affen, Papageien und Zier- 
vögel gemacht werden, ohne welche ein Tiergarten keine genügende 
Anziehungskraft besitzt. Auch geschenkte Tiere mußte man wohl 
annehmen oder behalten. 

Die Ursachen des Mißerfolgs des Widmann’schen Unter- 
nehmens mögen mancherlei sein: vor allem ein ungenügendes Grund- 
und Betriebskapital, Nichteinhaltung des Gleichgewichts zwischen 
Einnahmen und Ausgaben, allzugroße Anschaffungsfreudigkeit bei 
Mangel an Erfahrung im Tierhalten, daher starke Tierverluste, be- 
sonders aber die Teilung im Betrieb, wobei die Wirtschaft, die früher 
sehr wenig besucht war, nun den Hauptgewinn einheimste. Die 
Lage des Anwesens in immerhin ziemlicher Entfernung vom Mittel- 
punkt der Stadt (gegen °/ı Stunde), und in einer Höhe, die, trotz- 
dem daß die Straßenbahn weit hinaufgeht, manchen schlechten 


— 208 — 


Bergsteiger abschreckt, der in den Wintermonaten äußerst gering- 
fügige Besuch, der den Winterbetrieb nicht lohnt, mag viel bei- 
getragen haben. Vielen mag auch das Anwesen zu klein und klein- 
lich vorgekommen sein, bei engen Wandelwegen und mangelnden 
größeren Rasenflächen, was indes auch schon beim alten Nill’schen 
Tiergarten zu vermissen war, oder man erwartete eine größere Mannig- 
faltigkeit, besonders von großen, bedeutenden Tieren: kurz, eine ge- 
wisse Großzügigkeit, wie in den Zoologischen Gärten anderer Städte. 

Ich habe in einem Vortrag 1908 (s. Literatur) nachzuweisen 
versucht, daß vom Standpunkt des Unterrichts und der Belehrung 
für die Jugend und selbst für Erwachsene kleinere Anstalten oft 
nützlicher sind als große, die man mehr oder weniger abgespannt 
und übersättigt verläßt, daß man dort mehr Zeit und Muße hat, 
Einzelbeobachtungen zu machen über die Äußerungen und 
Tätigkeiten der Tiere, während die Unterscheidung der Formen und 
ihre Mannigfaltigkeit in Sammlungen zu studieren ist. 

Solange man nicht die Mittel zusammen hat für einen wirk- 
lichen Zoologischen Garten nach dem Muster anderer, und das scheint 
für das durch Berge eingeengte Stuttgart in immer weitere Ferne 
gerückt zu werden, solange genügt für das dringendste Bedürfnis 
auch der kleinere Tiergarten Doggenburg, und Publikum wie Stadt 
sollten sich dankbar erweisen für die Opfer, welche die Besitzer 
desselben brachten und noch bringen. Wie aber auch der Nill’sche 
Tiergarten klein angefangen hat, so wäre auch für den Tiergarten 
auf der Feuerbacher Heide eine Vergrößerung und direkte Um- 
wandlung in einen richtigen Zoologischen Garten nicht ausgeschlossen. 
Aber, wenn nicht von seiten kapitalkräftiger Kreise Rettung kommt, 
ist vorauszusehen, daß auch dieser Tiergarten, der dem jetzigen Be- 
sitzer nur Verluste bringt, auch bald der Geschichte angehören 
wird, und daher ist wenigstens eine kurze Schilderung desselben an 
dieser Stelle gerechtfertigt. 


b) Einrichtungen und Baulichkeiten. 

Der Tiergarten „Doggenburg“ ist im ganzen nur „sozusagen“ 
eine kleine Ausgabe des früheren Nill’schen Tiergartens in seiner 
jetzigen Haltung mit möglichster Beschränkung auf einheimische 
Tiere. Die meisten Behälter erkennt der Besucher als alte Bekannte 
von jenem Tiergarten her (s. o.). Zur Übersicht kann man sich der 
in oben erwähnter Festzeitung eingedruckten Gesamtansicht'! (Fig 5) 


! Nach einem Cliché der Abbildung aus der erwähnten Festzeitung. 


— 209 — 


des kleinen Anwesens bedienen. Für eine eingehende Schilderung ist 
auf die in dem Literaturverzeichnis angeführten Schriften von LAUER 
1909 und dem Verfasser dieses 1907—1908 (Tagblattartikel) zu- 


Fig. 5. Ansicht des Tiergartens Doggenburg. 


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verweisen. Die Gebäulichkeiten in der Nähe des Eingangs bestehen 
in einem Kassenhäuschen, einem Fuchs- und Dachsbau (wo zuweilen 
auch andere Tiere untergebracht werden), einem Bau für kleine 


Raubvögel (Eulen, Turmfalken), einem wohl eingerichteten Affen- 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wħñrtt. 1910. 


14 
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— 210 — 


haus mit 5 durch Eisenstäben verwahrten Abteilen. Die Affen 
können sich bei Tag nach Belieben mittels einer Klappe nach außen 
in ihren Tummelplatz begeben, oder sich in ihren hinteren, nur ihnen 
und den Wärtern zugänglichen Stall zurückziehen. In der Nähe 
steht ein achteckiges Eichhörnchenhäuschen, worin manchmal 
auch andere kleine Klettertiere, wie kleine Äffchen u. dergl. unter- 
gebracht werden. Gegenüber sind einige Käfige mit Unterschlupf 
in Holzkisten für kleine marderartige Raubsäuger. Es folgen einige 
größere Gelasse mit Wänden und Boden aus Zement, vorn mit 
starken Eisenstangen und Schutzgeländer, hinten mit Ställen, die 
nur den Wärtern zugänglich sind. Hier wohnen die Bären (der- 
zeit 1 Paar braune Bären mit 2 Jungen), ein Wolf und eine 
Hyäne, während ein Luchs einen Käfig zwischen den Affen be- 
wohnt. Die Reihe dieser Säugetierbehälter beschließt ein geräumiges, 
oben offenes Gehege für Wildschweine (früher mit Morastboden 
zum Suhlen, jetzt zementiert) mit Stall nebenan. Sich rechts 
wendend, gelangt man an einigen Käfigen für kleinere Säuger 
(Murmeltier, Katzen, Viverren, Beutelmarder) vorbei in eine gedeckte 
Halle, das „Aquarienhaus“. Die Besichtigung desselben auf später 
verschiebend, tritt man durch die gegenüberliegende Türe wiederum 
ins Freie nach der andern mehr westlichen Seite des Tiergartens 
zur Besichtigung der Behausungen und Gehege der Huftiere, 
oder, wie man sie in den liergärten zu nennen pflegt, der „Heu- 
fresser“. Hier ist ein größeres Blockhaus, das „Hirschhaus‘“, 
mit Ställen für Ponys, Ziegen und Hirschen’ und offenen anstoßenden 
Gehegen für die genannten Tiere, während der inneren Räume zur 
Aufbewahrung von allerlei Gerätschaften und Futter dienen. Vorn 
angebaut ist ein Gitterkäfig für Waschbären, Affen u. dergl. Folgt 
ein kleineres Gehege mit Blockhausstall, der freilich wenig Bewegung 
gestattet, für das Kamel. 

In weiterer Verfolgung der Richtung längs der südwestlichen 
Wand des Tiergartens gelangt man zu einem felsigen Hügel für 
die Gemsen und die Schafe (Heidschnucken), zu den Ställen und 
Gehegen der Esel und der Rehe. Entlang der Nordwestmauer des 
Gartens zieht sich eine Reihe von 18 Flug- oder Gesellschafts- 


1 1907 wurden bei Gelegenheit der Auflösung des Damwildparks im Rosen- 
steinpark wegen des Bahnbaus ein paar weiße Damhirsche dem Tiergarten ge- 
schenkt, während die übrigen 17 Stück abgeschossen wurden, weil sie wegen 
Degenerierung nicht in den Wildpark eingesetzt werden konnten (Hofmarschall- 
amtsakten 1907). 


— 21ll — 


käfigen für Vögel (Volieres): 7 für Raub- und Rabenvögel (wo- 
von 2 größere für Adler und Geier), 5 für Fasanen, Trut- und 
Perlhühner, Pfauen und 5 für Hühnerrassen, bis zum Eingang des 
Gartens, hin. 

Gegen Westen ragt ein ansehnliches, ein Tonnengewölbe bil- 
dendes Vogelhaus aus Drahtgitter hervor, das Stelzvogelhaus für 
Störche, Reiher, auch Möwen und Kormorane, die sich, besonders 
die Reiher, mit Vorliebe auf den darin befindlichen Bäumen auf- 
halten, wie überhaupt in dem Tiergarten zahlreiche Bäume, gegen 50, 
als Reste des früheren Obstgartens sich befinden. Um dieses Vogel- 
haus herum ziehen sich Ställe für Kaninchen, Meerschweinchen und 
neuerdings, seit Sommer 1909, wurde hier ein reizendes Freiland- 
terrarium angebaut, wo sich allerlei Kriechtiere und Lurche hei- 
misch fühlen und im Winter Verstecke zum Winterschlaf finden. 

Eine Hauptzierde des Tiergartens ist inmitten desselben ein 
größerer Teich für Wassergeflügel (Schwanen, Enten und Gänse), 
ein kleinerer für Enten, Wasserhühner u. dergl. liegt außen der 
Schmalseite des Aquarienhauses an, ein dritter ist für Seehunde 
oder Fischottern und Wasserschildkröten bestimmt. 

Es erübrigt noch für besondere Besprechung das unter einem 
Dache vereinigte Aquarien-, Terrarien- und Vogelhaus. Diese 
Halle bildet ein gestrecktes Rechteck ; dessen inneren Kern gewisser- 
maßen bildet der Aquarien- und Terrarienraum, und um diesen, 
durch einen Gang für die Besucher getrennt, ordnen sich die ge- 
räumigen Flugkäfige für allerlei Vögel in 19 Abteilungen, wovon 
je 9 auf eine Langseite kommen. Jede dieser Abteilungen hat an 
der Außenwand der Halle eine Öffnung mit Türe nach außen und 
setzt sich in ein zweites geräumiges äußeres Flugkäfig als Vorbau 
fort, so daß die Vögel nach ihrem Belieben im bedeckten Innenraum, 
der im Winter geheizt ist, und außen in der freien Luft sich aufhalten 
können. In den Käfigen der östlichen oder nördlichen Langseite 
befinden sich der Reihe nach Tauben, in- und ausländische Körner- 
fresser, Insektenfresser und staarartige Vögel, in denen der west- 
lichen hauptsächlich Papageien. An der nördlichen Kurzseite ist 
eine geräumige, gegen den kleinen Ententeich vorspringende, bemalte 
und mit Pflanzen geschmückte Vorhalle mit Wasserbecken, früher 
für 2 Alligatoren besonders hergerichtet, nach deren Eingehen 
unbesetzt geblieben. 

Die Aquarien, sonst unterirdisch, mit dem Zauber des Ober- 


lichts, wurden der Raum- und Kostenersparnis wegen, nicht zu ihrem 
11* 


— 212 — 


Vorteil, in der hellen Halle angebracht. Es sind, den Papageien 
gegenüber, 16 Behälter von dreierlei Größe, besetzt mit Pflanzen, 
einheimischen und fremdländischen Fischen und einigen Lurchen 
(Axolot's und Tritonen).. Um, sozusagen, hinter die Kulissen zu 
sehen, muß man sich den sonst für die Besucher nicht zugänglichen 
Innenraum zeigen lassen, von wo aus die Fütterung und Reinigung 
auch für die Terrarien vorgenommen wird. Es sind sogen. Kasten- 
aquarien, mit Rahmen aus Eisen und 4 Glasscheiben. An den für 
Meerwasser bestimmten Aquarien ist auch der Boden mit einer 
Glasplatte bedeckt. Das Licht fällt jederseits durch 3 schräge Dach- 
fenster aus mattem Glas in die Behälter. Die Durchlüftung ge- 
schieht durch einen an die Wasserleitung angeschlossenen Apparat 
vom Klempner Sell in Dresden, von wo aus die Druckluft mit 
Kautschukröhren an den Grund der Behälter gelangt und, durch 
einen Zweiringzerteiler regulierbar, mehr oder weniger fein geteilt 
ausströmt. 

Die Terrarien oder Behälter für kleinere Landtiere, nament- 
lich Nagetiere, Reptilien und Lurche, sind dem Aquarium gegen- 
über, an der östlichen Langseite des inneren Vierecks der Halle, 
an dem Gang für die Tauben und Kleinvögel. Ihre Anordnung, 
Zahl und Größe ist wie bei den Aquarien; es besteht hier nur die 
dem Beschauer zugekehrte Außenseite aus Glas. Ein größerer Be- 
hälter an der nördlichen Kurzseite, der Alligatorhalle gegenüber, ist 
zu einem Insektarium bestimmt, hauptsächlich für frisch aus- 
geschlüpfte Schmetterlinge. Eine Anzahl kleinerer Insektarien und 
Terrarien für Reptilien, besonders Schlangen und Eidechsen, sind 
auf einer Schrankplatte der westlichen Kurzseite aufgestellt und 
wurde dieser Platz auch schon zu Ausstellungen, z. B. von „In- 
sektenbiologien“ benutzt. Über jedem Terrarium der Langseite end- 
lich ist noch ein Vogelkäfig für kleine fremde Ziervögel eingelassen. 

So ist der kleine Flächenraum des Tiergartens in staunens- 
werter Weise aufs feinste ausgenutzt, so daß das Anwesen weit 
mehr bietet als man erwartet. 


c) Betrieb des Tiergartens. 


Bei solch kleinen Verhältnissen konnte auch der Betrieb mit wenig 
Menschen bewältigt werden: in den zwei ersten Jahren leitete und be- 
sorgte der sehr beliebte Besitzer, Herr Widmann, der in nächster Nähe 
wohnte, das Ganze, unter Mithilfe von 2 Wärtern und einer Kassen- 
führerin, Frau Naumann. Jetzt führt Herr Nill nur die Oberaufsicht, 


— 213 — 


und sein Verwalter, Herr Bleil, besorgt mit den 2 Wärtern das 
Ganze, aber mit großer Liebe, was man dem sauber gehaltenen 
Garten, der sorgfältigen (deutschen) Etikettierung und der gesunden 
Haltung der Tiere sofort ansieht. An Sonntagen wird noch weiteres 
Hilfspersonal für Reiten, Fahren und Kontrolle zugezogen. 

Die fleischfressenden Säugetiere und Vögel bekommen 
Pferdefleisch in zugeschnittenen Stücken, dann und wann auch 
Vögel mit den Federn, wie Spatzen, und Mäuse. Fütterung einmal 
täglich. Die Bären und andere erhalten gekochtes Fleisch mit den 
Knochen und einer Suppe aus Brot und gelben Rüben u. dergl. 
Gekochtes aus der Futterküche, besonders Kartoffeln, Reis und Brot 
nebst Früchten und Obst erhalten auch die Affen zweimal täglich, 
auser Montags, wo sie fasten müssen, da sie am Sonntag von den 
Besuchern oft überfüttert werden. Weichfutter (eingeweichtes 
Brot mit Ameisenpuppen, Mehlwürmern u. dergl.) brauchen die In- 
sektenfresser, Körnerfutter die finkenartigen Vögel; dazu auch Grün- 
futter (Salat, Kohl), wie die Hühner. Die Fasanen haben ihr be- 
sonderes Futter (nach Spratt), ebenso die Papageien: Welschkorn, 
Sonnenblumenkerne, die kleineren Hafer und Hirse.. Die „Heu- 
fresser“ bekommen Heu und „Kraftfutter“ (Hafer, Gerste, Kleie), 
je nach ihrer Leistung, z. B. beim Reiten, in verschiedener Menge. 
Die Stelzvögel erhalten Fische, müssen aber auch mit Pferdefleisch 
vorlieb nehmen. Den Schlangen werden Frösche und Mäuse vor- 
gesetzt, anderen Kriechtieren Mehl- und Regenwürmer, Fliegenmaden, 
zerhacktes Fleisch u. dergl., vielfach ohne Erfolg, da sie nichts 
fressen wollen. Dagegen entwickeln die hier gehaltenen Mäuse und 
Ratten durchaus einen guten Appetit. 

Sehenswert ist die den Besuchern des Tiergartens im all- 
gemeinen nicht zugängliche Futterküche im Aquarienhaus am 
westlichen Eingang desselben, besonders die Reihen von Futterkästen 
aus Blech von den Gebrüdern Schmeck in Eiserfeld a. d. Sieg mit 
Luftdurchzug zur Verhinderung des Muffigwerdens. In den einzelnen 
Behältern sind offene Futter- und Trinknäpfe, während die „auto- 
matischen“ Gefäße bei den Tieren wenig beliebt sind. 

Der Winterbetrieb (Dezember bis März) wird womöglich 
auch im Tierbestand eingeschränkt. Einige Räume, wie Affenstall, 
Aquarienhaus, sind heizbar mittels Warmwasserheizung (etwa 10° R.): 
Metallröhren von Wasseröfen aus. 

Der Bestand der Tiere wird ergänzt durch Ankauf und Ge- 
schenke, bleibt sich aber jetzt ziemlich gleich, während im An- 


— 214 — 


fang ziemlich bedeutende Verluste zu beklagen waren. Man rechnet 
im allgemeinen als durchschnittlichen regelmäßigen Jahresverlust in 
Zoologischen Gärten 15°jo. Besonders die Affen dauern, seit sie 
auch im Winter frische Luft genießen können (s. o.), meist lange 
aus. Oft bringen die Tiere einander um, oder beschädigen sich aus 
Mutwillen oder Futterneid; es ist daher große Vorsicht nötig in der 
Auswahl der zusammenpassenden Tiere. In der Brunstzeit sind viele 
Tiere überhaupt bösartig, wie die Hirsche. Gelegenheit zu geschlecht- 
licher Eifersucht ist zu vermeiden. Eine schwer zu tilgende Plage 
aller Tiergärten sind die wilden Ratten; seltener sind Seuchen. 

Im Garten geboren bezw. gezüchtet wurden: Esel, Bär, 
Frettchen, Wildschweine, Kaninchen und Meerschweinchen; von 
Vögeln: Tauben, Enten, kalıifornische Schopfwachtel. 

Für Fälle von Verletzungen bei Menschen, besonders Wärtern 
und Kunden, stehen alle Mittel bereit, wie sie die rasche Hilfe- 
leistung erfordert. Zur nächtlichen Behütung des Tiergartens 
dient ein hier schlafender Wärter, der frühere Besitzer hielt zu 
diesem Zweck auch einige zur Nachtzeit freilaufende Hunde. 

Eine Eigentümlichkeit war die von dem früheren Besitzer Wid- 
mann geübte Benennung vieler, besonders zahmer Tiere, mit Ruf- 
namen: So setzt sich der ständige Besucher in ein gemütliches, 
familiäres Verhältnis zu den Tieren, welche ihren Namen oft wohl 
verstehen. So hieß z. B. das Kamel „Türk“, der männliche Bär 
„Stoffel“, der weibliche „Kätter“, der Fuchs „Fritze“, der Drill 
„Fips“, ein Kakadu „Bubi“, ein Rabe „Großmutter“ usw. 


d) Der Tierbestand. 


Er ist, wie in allen Tiergärten, ein wechselnder, besonders war 
dies im Anfang der Fall, wo viel angeschafft wurde und viel zu- 
grunde ging. Jetzt, seit der Beschränkung auf wenige und meist 
einheimische Tiere, ist der Bestand mehr ein dauernder geworden. 
Außer den schon bei Besprechung der Baulichkeiten aufgeführten 
Tieren mögen noch folgende besonders aufgeführt werden: 


A. Säugetiere. 


Atfen: Ein junger Mantelpavian, ein allerliebster, jetzt etwa vier- 
jähriger Drill, eine Familie älterer griesgrämiger Makaken, eine Anzahl 
Hutaffen, Rotsteilaffen oder Bunder, grüne und Mona-Meerkatzen, Weiß- 
nase und ein Mohrenaffe. Von \Westaffen ein paar Seidenäffehen oder 
Uistitis. 


— 215 — 


Von Insektenfressern finden sich stets Igel, deren einige 
eine Zeitlang in den Affenkäfigen unbehelligt herumliefen. 

Von Nagetieren bilden weiße Mäuse und besonders die japa- 
nischen Tanzmäuse eine Hauptanziehung für die Besucher; auch tief- 
schwarze, weiße und gescheckte Ratten (Mus rattus) werden gezüchtet. 
Hamster halten sich gut, während die Schlafmäuse (Gartenschläfer, 
Haselmaus, Siebenschläfer) meist nur kurze Zeit ausdauerten. Länger 
hielten sich das Murmeltier, unsere Eichhörnchen fehlen nie. 
Kaninchen und Meerschwein werden stets und leicht gezüchtet. 

Außer den einheimischen Raubtieren (Bär, Dachs, Fuchs, Wolf, 
Luchs) und unseren Marderarten (Stein- Edelmarder, Iltis, Frettchen) 
sind auch noch einige Ausländer da: Hyäne, Serval, Ozelot, Genett- 
katze, Mungo, Wasch- und Rüsselbär. Vorübergehend waren da: Schnee- 
füchse und ein Savannenhund (Canis cancrivorus), letzterer äußerst zalım; 
das Streicheln von Menschenhand bereitete ihm das grüßte Vergnügen. 
Der frühere Besitzer hielt auch ein halbes Dutzend Hunde in verschie- 
denen Rassen und eine sehr zahme siamesische Hauskatze. Versuche mit 
Halten von Seehunden mißglückten, kürzlich erst ist ein junger Fisch- 
otter eingezogen. 

Das merkwürdigste Stück unter den Wiederkäuern (s. o.) ist das 
Kamel: es ist wohl ein Mischling (Blendling oder Bastard) zwischen 
Dromedar und Trampeltier. Im Bau gleicht es mehr einem hochbeinigen 
Dromedar, hat aber zwei deutliche, aber nur durch einen seichten 
Sattel getrennte Höcker. Die Behaarung wird im Winter sehr stark, 
wie beim Trampeltier. Die Kirgisen, welche seinerzeit im Nill’schen 
Tiergarten waren, hatten auch derartige Mischkamele. Das kräftige 
gesunde Tier ist selır zaım, macht durch Heben und Stampfen mit 
seinem Vorderfuß seine Reverenz, wenn es einen Bissen haben will. 
Es hat in seinem engen Gehege viel zu wenig Bewegung. Es wurde 
von einem im Lande herumziehenden Italiener erstanden. 

Von den sogen. Dickhäutern ist kein Vertreter da, von den 
Beuteltieren ein Beutelmarder oder Zibetbeutler. 


B. Vögel. 


1. Papageien sind ziemlich gut vertreten und wohnen in den 
Flugkäfigen des Aquarienhauses: Einige Kakadus (Rosen-, Nacktaugen-, 
gelbhaubiger und Nymphenkakadu), ein gelbblauer und ein Zwerg-Ara, 
Halsband-, Alexanders-Band-, Weibohr- und Dickkopfsittich, Wellenpapagei. 
Von Kurzschwänzern der Graupapagei und mehrere Amazonenarten, end- 
lich ein Zwergpapagei oder Grauköpfchen. 

2. Raubvögel: Stein- und Schreiadler, Gänsegeier, Mäuse- und 
Wespenbussard, Habicht, Sperber, Turmfalke, Gabel- und Rohrweihe, 
Uhu, Schleier-, Ohreule, Wald- und Steinkanz. 

3. Kegelschnäbler: Die meisten unserer einheimischen Finken: 
Buch-, Grün-, Berg-, Distelfink, Zeisig, Goldammer, Fichtengimpel, 
Kernbeißer, Dompfaff, Kreuzschnabel. Viele ausländische Zierfinken: 
Amadinen, Estrilde, Safrantinken, Reisvögel, Kardinale, Weber, Wittwen. 


— 216 — 


4, Insektenfresser: Amsel, Singdrossel, Staar, Rosenstaar, 
Bachstelze. Fremdländische: Sonnenvogel, gelbbauchiger und rotköpfiger 
Rohrstärling, eine Schamadrossel, die aber nach einem Jahr einging; 
Glanzstaar. 

5. Raben: Raben- und Saatkrähe, Dohle, Elster, Eichelhäber. 

6. Kukuk und Wiedehopf hielten sich immer nur kurze Zeit. 

7. Tauben: Holztaube und eine Anzahl gezüchteter Rassen von 
der Haustaube. Von fremdländischen: Lach-, Zwerg- und Schopftaube. 

8. Hühner: Mehrere Rassen vom Haushuhn, 6 Fasanenarten, 
Pfau, Perlhulın, Truthahn. Rephuhn, Wachtel und die kalifornische 
Schopfwachtel. Mehrfache Versuche mit Halten des Auerhahns miß- 
langen. 

9. Stelzvögel: Storch, Fisch- und Nachtreiher. Früher waren 
auch einmal Flamingos zu sehen, ein kleiner Silberreiher ging ein. 

10. Wasserhühner: Bläß- und Teichhuhn. 

11. Langflügler-Wasservögel: Lach- und Silbermöwe. 

12. Ruderfüßler: Kormoran. 

13. Zahnschnäbler: Höckerschwan, Bläß- und Ringelgans, 
Brand-, Krick-, Knäck-, Spieß-, Pfeif-, Tafel-, Reiber-, Löffelente, 
mehrere Rassen der Stock- oder Hausente. Vom fremdländischen: Bisam-. 
Braut-, Mandarinenente. 


C. Kriechtiere. 


Von Schildkröten sind gewöhnlich da: Die griechische Land- 
und unsere Sumpfschildkröte, im ersten Sommer sah man auch die west- 
afrikanische Pantherschildkröte. 

Eidechsen: Im Freilandterrarium werden unsere drei einhei- 
mischen Arten, sowie die grüne und die Perleidechse gehalten, auch 
Blindschleichen und der leicht anzugewöhnende Scheltopusik. Sonst konnte 
man noch dann und wann ein Chamäleon, einen Mauergecko und eine 
Dorneidechse sehen. 

Schlangen: Unsere Ringel- und Schlingnatter im Freiland- 
terrarium. Ebenda auclı die Äskulap- und die schöne Leopardennatter. 
Sonst waren zu Zeiten zu finden: die Vierstreifen-, Würfel-, Eidechsen-, 
Katzen- und Zornnatter (von letzterer auch eine tiefschwarze Abart: 
Carbonaria). 

Krokodile: Zwei Jahre lang lebten in der Alligatorhalle (s. o.) 
zwei 1’/, m lange Kaimans (Geschenk der Königin), scheinbar mit allen 
Bequemlichkeiten versehen, aber es gelang nicht, sie zum Fressen zu 
bringen, und im Mai 1909 starben sie beide kurz nacheinander. 


D. Lurche. 


In Frühjahr sind immer unsere einheimischen Frösche, Salamander 
und Tritonen zu sehen, das ganze Jahr über Erdkröten, seit 3 Jahren 
in einem Terrarium wohl gedeihend ; ebenso Axolotls in einem Aquarium, 
viele Junge erzeugend. Einige Ochsenfrösche gingen schon im zweiten 
Jahre ein. 


— 217 — 


E. Fische. 


Es sind teils einheimische, wie Stichlinge, Schleien, Rotaugen, 
Karauschen, Elritzen, Lauben, Bart- und Meergrundeln, Barsche, Bitter- 
linge, alle in kleinen Exemplaren, teils Zuchttische der Goldkarausche : 
Goldfisch, Schleierschwanz, Teleskopfisch und die Goldorfe, teils die 
fremdländischen so beliebten Zierfische: Paradiesfisch, Zahnkarpfen, 
Barben, Chromiden (Chanchito), Welse, amerikanische Sonnentischbarsche. 


F. Insekten. 


In dem größeren Insektarium wurden im ersten und zweiten Jahre 
die käuflichen Puppen der großen Seidenspinner (Saturnia ceeropia und 
cynthia, Samia prometheus, Actias mimosae) eingesetzt, welche auch bald 
ausschlüpften, aber dann nicht weiter aus den Eiern gezüchtet wurden. 
Im Sommer 1909 wurden auch einheimische Schmetterlinge aus ihren 
Raupen gezüchtet. Ferner sah man zu Zeiten: Stabheuschrecken, die 
Gottesanbeterin und Skorpione aus Südtirol. 


G. Meerwassertiere. 


Gleich bei Eröffnung des Tiergartens im Mai 1907 konnte man 
zwei der Aquarienbecken, voll besetzt mit eben angekommenen Meeres- 
tieren aus Triest bewundern; es waren vorhanden die gemeinen See- 
rosen (Actinia equina), Seenelken (Actinoloba), Röhrenwürmer (Spiro- 
graphis), rote Manteltiere (Cynthia papillosa), Moostiere (Eschara cervi- 
cornis und Ayriosoum truncatum), ferner einige Schwämme, Seesterne, 
Muscheln und Einsiedlerkrebse. Aber bald hatte die Herrlichkeit ein 
Ende, das Wasser trübte sich, die Tiere starben rasch ab; nur die 
Seerosen hielten sich noch länger. Es mangelte offenbar an genügender 
Durchlüftung; auch waren viele der Tiere schon in schlechtem Zustand 
angekommen, da sie zu lange unterwegs waren. Damit verlor der erste 
Besitzer bald die Lust, weitere Sendungen kommen zu lassen, und auch 
der jetzige Besitzer will nichts mehr davon wissen. Und doch waren 
bei der Aquarienausstellung im September 1909 mehrere Seewasser- 
aquarien von privater Seite ausgestellt, welche zeigten, daß es gar 
nicht so schwierig ist, Seewasseraquarien, eine Zierde jedes Tiergartens, 
zu halten. 


Beiträge zur Kenntnis unserer Unionenfauna. 


Von Dr. Otto Buchner, Kustos am Kgl. Naturalienkabinett in Stuttgart. 
Mit Tafel XI. 


Die folgenden kurzen Aufzeichnungen entspringen zunächst der 
Absicht, die Veränderlichkeit der Schalenumrißformen unserer ein- 
heimischen Unionen mit der entsprechenden Eigenschaft der Ano- 
donten in Vergleich zu ziehen. Die Variabilität der letzteren Gattung 
unserer Najaden ist ja eine geradezu grenzenlose ' und spielt, wie 
wir längst konstatieren konnten, auch in individueller Beziehung 
eine so große Rolle, daß die genaue Bestimmung der Funde aus 
den einzelnen Lokalitäten und die-Zuweisung derselben zu einem 
bestimmten Formenkreise zuweilen geradezu eine Sisyphusarbeit ge- 
nannt werden könnte °. 

Der erste Eindruck, den man dagegen bei der Betrachtung 
unserer Unionen in diesem Punkte gewinnt, ist der, daß sie, sozu- 
sagen, weit charakterfester sind, als ihre zahnlosen Verwandten, daß 
sie insbesondere in betreff der individuellen Variabilität entfernt 
nicht jene fast gänzliche Haltlosigkeit aufweisen, wie wir solche bei 
den Anodonten beobachten können. 

Diese Erscheinung dürfte ihren Grund in erster Linie darin 
haben, daß die Aufenthaltsorte der Unionen weit gleichmäßigere 
Verhältnisse mit sich bringen, als diejenigen der Anodonten. 
Während letztere bekanntlich sehr verschiedenartige Gewässer he- 
wohnen, ruhige Teiche mit mehr oder weniger ausgiebigem Schlamm- 


1 Clessin, S., Studien über die deutschen Spezies des Genus Anodonta 
Cuv. in: Correspondenzblatt des zool.-mineralog. Ver. in Regensburg. 26. Jahrg. 
1872, No. 6 u. 7. 

? Buchner, O., Beiträge zur Formenkenntnis der einheimischen Ano- 
donten, mit besonderer Berücksichtigung der württembergischen Vorkommnisse. 
Diese Jahresh. 56. Jahrg. 1900. — Derselbe: Über individuelle Formverschieden- 
heiten bei Anodonten. Diese Jahresh. 64. Jahrg. 1908. 


— 219 — 


grund, Flußaltwasser mit teils etwas kiesigem oder sandigem, teils 
sehr schlammigem Boden, stille Buchten und topfartige Bassins in 
ruhig dahinfließenden Flüssen und Bächen, endlich aber auch in der 
Ufernähe größerer Seen sich finden, alles Orte, an welche sie durch 
ihre parasitäre Wanderung als Larven in den Schuppen von Fischen 
gelangen und vice versa hin und her verschleppt werden, bevor- 
zugen die Unionen vor allem die fließenden Gewässer und finden 
sich, außer in diesen, fast nur noch an den Ufern größerer Seen, 
so besonders in den voralpinen bayrischen Gebirgsseen, in welchen 
der Wellenschlag den Charakter und die mechanischen Wirkungen 
des fließenden Wassers mindestens bis zu einem erheblichen Grade 
ersetzt. 

Das Vorkommen von verschiedenen Arten unserer Unionen in 
Flußaltwassern halte ich indessen noch mehr als dasjenige in größeren 
Seen für ein akzidentelles, indem sie wohl durch Hochwasser aus 
dem eigentlichen Flußbett dorthin verschwemmt werden und möchte 
diese Ansicht damit begründen, daß wir bei diesen Altwasser- 
bewohnern charakteristische Veränderungen beobachten können. Ein- 
mal leidet die Farbe des Periostrakums, indem das meist lebhafte 
Grün einem schmutzigen Braungrün oder Graugrün weicht, dann er- 
reicht die Muschel zuweilen eine abnorme, fast anodontoide Größe, 
erhält überhaupt abweichende Eigenschaften unter meist gleichzeitiger 
Verminderung der Schalendicke. Oftmals korrodieren auch die sonst 
bei den Unionen fast immer tadellos erhaltenen Wirbel. 

Einen weiteren Faktor für die den Anodonten gegenüber kon- 
stanteren Formencharaktere der Unionen müssen wir aber besonders 
in dem festen und soliden Bau der Schalen selbst erblicken. Für 
Mollusken, welche fließende Gewässer bewohnen, ist eine feste Schale 
eine fast ebenso unvermeidliche Bedingung, wie wir sie in noch weit 
höherem Grade bei den in der Brandungszone lebenden Meeres- 
mollusken antreffen, denn es handelt sich in beiden Fällen um eine 
mehr oder minder große Widerstandsfähigkeit gegenüber der mecha- 
nischen Einwirkung des bewegten Wassers. 

Diese Widerstandsfähigkeit erfordert aber ihrerseits wieder den 
mechanischen Gesetzen entsprechend ganz bestimmte Eigenschaften 
und so ist es einleuchtend, daß unsere Unionen sich in betreff ihrer 
Schalenform nicht in der Art und Weise, wie die Anodonten, alle 
möglichen individuellen Besonderheiten erlauben können, die mit 
diesen mechanischen Gesetzen in Widerspruch stehen würden, sondern | 
sich vielmehr in möglichster Einheitlichkeit in ihren Umrissen aus- 


— 20 — 


bilden müssen, so wie diese durch die speziellen Eigenschaften des 
jeweiligen Wohnortes bedingt sind.. 

Noch ein den Anodonten gegenüber bemerkenswertes Moment 
für die konstanteren Schalencharaktere der Unionen zeigt sich end- 
lich darin, daß bei den letzteren das Geschlecht des Tieres noch weit 
weniger zuverlässig durch die etwa mehr oder minder bauchige 
Schale festgestellt werden kann, wie bei den ersteren. Denn wenn 
dieses Merkmal schon für die Anodonten kein absolut zuverlässiges 
ist, so kann es für die Unionen eigentlich gar nicht in Betracht 
kommen, weil schon die individuellen Unterschiede nach dieser Rich- 
tung hin relativ nur sehr geringfügige sind. 

Wenn nun trotzdem noch eine ziemlich merkliche Variabilität 
unter den Schalenformen von Unionen gleicher Spezies aus ver- 
schiedenen Fundplätzen resultiert, so liegt eben die Ursache dafür 
lediglich in den vorhin genannten speziellen Eigenschaften des be- 
treffenden Wohnortes, denn es ist klar, daß Unionen in rascher 
fließenden Flüssen und Bächen festere und dickere und in der Form 
gedrungenere Schalen produzieren müssen, als solche in träger be- 
weglichen. Schließlich spielt auch der Kalkgehalt des Wassers eine 
nicht zu unterschätzende Rolle in dieser Richtung, läßt aber seiner- 
seits zugleich die Erscheinung, daß Margaritana margaritifera L., 
unsere Flußperlenmuschel, trotzdem sie fast ausschließlich in kalk- 
armen Urgebirgsbächen wohnt, dennoch beinahe immer sehr dicke 
Schalen besitzt, als Kuriosum hervortreten. 

Angesichts dieser Betrachtungen dürfte die Angabe Cressmw’s!, 
daß die Variabilität der einheimischen Unionenarten nicht minder 
groß sei, als wir sie bei dem Genus Anodonta beobachten können, 
etwas zu weit gegangen sein, denn so viel steht unter allen Um- 
ständen fest, daß wir bei unseren Unionen tatsächlich zum mindesten 
auch schon der Form nach von „Standortvarietäten“ sprechen 
dürfen, während wir bei den Anodonten solche höchstens noch nach 
der mehr oder minder übereinstimmenden Skulptur und Farbe der 
Schale erblicken können, da ja bei diesen, wie ich das schon in 
meinen oben angeführten Schriften des öfteren zu betonen hatte, 
die individuelle Formverschiedenheit fast in das Grenzenlose geht. 

Eine nicht uninteressante Parallele zwischen Unionen und Ano- 
donten finden wir bei den Seeformen, nämlich die Verkürzung des 
Schalenvorderteils und die breite Schnabelbildung unter meist gleich- 


l! Clessin, S., Deutsche Exkursionsmolluskenfauna. II. Aufl. 1884. S. 533. 


— 21 — 


zeitiger Dekurvierung des Hinterteils. Diese bei den Anodonten mit 
der üblicherweise gebräuchlichen, jedoch gänzlich unzureichenden 
Bezeichnung „varietas rostrata“! belegten Formen finden sich be- 
treffs der Unionen hauptsächlich bei den beiden Arten Unio pic- 
torum L. und U. batavus Le. Für U. tumidus Purl. scheint nur die 
von Cressin® aus dem Neuchateler See beschriebene var. Godetiana 
in Betracht zu kommen. In bezug auf diese Erscheinung muß 
jedoch ausdrücklich betont werden, daß dieselbe nur bei aus- 
gewachsenen Muscheln, also bei richtigen Altersformen, zum Aus- 
druck gelangt und auf diese Weise erklärt sich auch allein die Tat- 
sache, daß neben diesen breitschnäbligen und abwärts gekrümmten 
Schalen sich vielfach auch solche von gewöhnlichen Umrißformen 
am gleichen Orte finden. Die letzteren sind demnach in den meisten 
Fällen als Jugendstadien der ersteren zu betrachten, wenn auch nicht 
unter allen Umständen, denn die Beschaffenheit des Grundes in 
größeren Seen kann in den einzelnen Teilen derselben eine oft recht 
verschiedene sein und diese Verschiedenheit kann sehr wohl auf die 
Gestaltung der Muschelschale Einfluß haben. Cuessın® erwähnt 
jedoch ganz richtig in betreff der BoursuisnAarT’schen pictorum-Varie- 
täten proöchus und actephilus, daß diese bei aufmerksamer Ver- 
gleichung wohl als zusammengehörig zu betrachten sind, daß aber 
die Seeformen sich doch auch nach der Bodenbeschaffenheit der 
Wohnstelle motivieren und deshalb ziemlich verschieden gestaltete 
Formen im gleichen See in ganz geringer Entfernung voneinander 
vorkommen können, je nachdem die seichten Uferstellen mehr oder 
weniger mit Schilf bewachsen sind und festen oder schlammigen 
Boden haben. Hierin liegt eben der wesentliche Unterschied zwischen 
individueller und durch die Wohnortsbeschaffenheit bedingter Formen- 
bildung. Mit ersterer haben wir es zu tun, wenn alle möglichen 
Formen, wie dies bei den Anodonten oftmals der Fall ist, unmittel- 
bar neben und durcheinander vorkommen, mit letzterer jedoch, 
wenn sich die verschiedenen Formenbildungen individuell überein- 
stimmend an mehreren Stellen des sonst gemeinsamen Wohnortes 
konzentrieren, wie in unserem Fall bei U. pictorum L. 

Auf der anderen Seite aber ergeben sich aus diesen Verhält- 


1 cfr. Vorwort zu O. Buchner, Beiträge zur Furmenkenntnis der ein- 
heimischen Anodonten. Diese Jahresh, 56. Jahrg. 1900. 

t Clessin, S., Die Molluskenfauna Österreich-Ungarns und der Schweiz. 
5. 739. 

3 Clessin, S., a. a. 0. S. 725. 


nissen sehr leicht irrtümliche Deutungen von Formenvarietäten. So 
haben sich beispielsweise die beiden RossmässLe®’schen pictorum- 
Varietäten longirostris und platyrhynchus aus der Glanfurt, dem 
Abfluß des Wörthsees bei Klagenfurt, als eine und dieselbe Muschel 
ergeben, indem U. longirostris wohl nichts anderes als die noch nicht 
„platyrhynch“ genug ausgebildete Form oder mit anderen Worten 
ein noch etwas jugendlicherer U. platyrhynchus ist. H. v. GALLEN- 
sTEIN!, der die Kärntner Najadenfauna eingehend erforscht hat, war 
denn auch bereits zu der Überzeugung gekommen, daß diese merk- 
würdige Unionenform eine durch die Wohnortsbeschaffenheit bedingte 
Varietät ist, die sich in geschlossener Übergangsreihe durch U. longi- 
rostris hindurch aus U. limosus Nils. ableiten läßt. KoseLr? hat 
von dieser Formenreihe vorzügliche Abbildungen gegeben. 


Das gleiche Verhältnis vermute ich zwischen den Heıv’schen 
Varietäten decollata und arca aus dem Chiemsee. Wenigstens fand 
ich beide Formen im vergangenen Sommer an den Ufern der Herren- 
insel an gleicher Stelle nebeneinander, und zwar erstere häufiger als 
die letztere. Cuessın scheidet sie allerdings und bezeichnet U. arca 
als besonders auffallend durch den Beschlag mit Schmutzpakets, 
die sich über einen weit größeren Teil der Muscheloberfläche aus- 
dehnen als bei U. decollatus und leitet diese Erscheinung aus dem 
tiefen lockeren Schlamm ihres Wohnplatzes her. Ich glaube die- 
selbe jedoch so erklären zu dürfen, daß dieser Schlamm an dem 
breiten gekrümmten Schnabel der Schale von U. platyrhynchus 
viel leichter und daher in weit größeren Mengen haften bleibt, als 
dies bei den jüngeren als U. decollatus beschriebenen Muscheln 
möglich ist. 

Was das von dem genannten Autor für U. decollatus hervor- 
gehobene Merkmal der weiter stehenden Jahresringe anbelangt, so 
möchte ich dazu bemerken, daß dasselbe bei den Najaden im all- 
gemeinen ein individuell wechselndes ist, bei den Anodonten freilich 
noch mehr als bei den Unionen, trotzdem aber auch bei den letzteren 
zur Charakterisierung von Lokalvarietäten sich wenig eignet. 


In ähnlicher Weise dürften noch andere Lokalvarietäten unserer 
Unionen, besonders die zahlreichen Formen von U. batavus LK., auf- 


ı H. v. Gallenstein, Die Schalenformungen der Muscheln des Wörther 
Sees in Kärnten. Nachr.-Bl. d. deutsch. mal. Ges. 1892. XXIV. S. 102. 

2 E. A. Rossmässler, Iconographie der Land- und Süßwassermollusken. 
Neue Folge. 6. Taf. 157 Fig. 1024—1027. 


— 223 — 


zufassen sein, und so tritt auch die Cressın’sche lacustris-Varietät 
dieser Art aus dem Luzerner Arm des Vierwaldstätter Sees erst in 
den Altersformen der Schale klar vor Augen. 


Auf die interessante Parallele zwischen U. pictorum var. platy- 
rhynchus und U. batavus var. decurvatus hat der genannte Autor 
ebenfalls schon hingewiesen!. Beide sind als bedingte Varietäten 
ihres speziellen Fundortes, des vorhin genannten Abflusses des 
Wörther Sees, anzusehen, den sie in friedlichem Zusammenwohnen 
bevölkern. 


Der zweite Abschnitt dieser Aufzeichnungen soll einiger, jeden- 
falls nicht uninteressanter Vorkommnisse innerhalb unserer württem- 
bergischen Unionenfauna Erwähnung tun. 


Cressin bezeichnet als Fundort von U. pictorum L. var. ponde- 
rosus Spitzi, eine der größten Varietäten der Art, eigentlich nur 
Budapest”, wobei wahrscheinlich ein Altwasser der Donau gemeint 
ist, vermutet aber ihr Vorkommen auch mehr donauabwärts bis 
Galizien in stillen Buchten und Altwassern größerer Flüsse. Daß 
die spezielle Beschaffenheit dieser Wohnplätze große Formen erzeugt, 
konnte schon bei früherer Gelegenheit angeführt werden, und die 
Erklärung der Erscheinung liegt lediglich in dem mechanischen Ein- 
fluß des Wassers in Hinsicht auf das Gegenteil, welches wir in 
rascher fließenden Gewässern beobachten können, welche meist kleine 
gedrungene Formen enthalten, die sich außerdem fast immer durch 
sehr dicke und feste Schalen auszeichnen. 


Köster? und Rossmisster? führen diese Varietät speziell aus 
einem schlammigen Bache bei St. Leonhard in Steiermark an, und 
ersterer erblickte in ihr, und zwar, wie wir später sehen werden, 
mit einem gewissen Rechte, eine Riesenlokalform oder Untervarietät 
von U. limosus Nırs., welchen er als gute Art betrachtet hatte, 
während diese Form zurzeit, im allgemeinen wenigstens, nur als 
eine in schlammigen Flußaltwassern wohnende Varietät von U. pic- 
torum L. gilt. 


ı Clessin, S., a. a. O. S. 745. 

? Clessin, S, a. a. O. S. 727. 

* Küster, Dr. C. H., Die Flußperlenmuscheln (Unio et Hyrtia) in: 
System. Konchylienkabinett von Martini u. Chemnitz. Bd. 9. Abt. 2. S. 87. 
Taf. 23 Fig. 3. 

“Rossmässler, E.A., a.a. O. Bd. 2. VI. (XIL) Heft. S. 31. Abb. Taf. 59 
Fig. 767. 


=. 99 


Die württembergische Sammlungsabteilung im Stuttgarter Na- 
turalienkabinett enthält eine äußerst ähnliche, schöne und große 
Unionenform von drei nahe beieinander liegenden Fundplätzen, näm- 
lich aus Altwassern der Donau bei Munderkingen, Rottenacker und 
Ulm. Ich hatte bisher die Zusammengehörigkeit dieser Formen mit 
der var. ponderosa Spitzi bezweifelt, weil sie sowohl der RossmässLeR- 
schen wie der Küster’schen und Cressin’schen Abbildung gegenüber 
etwas gedrungener erscheinen, indem das Hinterteil der Schalen 
etwas kürzer ist, als bei diesen Darstellungen. Allein ich halte 
nunmehr diesen Unterschied für zu geringfügig, als daß er wesentlich 
in Betracht käme und bin deshalb neuerdings zu der Überzeugung 
gekommen, daß es sich gewiß um keinen anderen Formentyp, als 
nur diesen, handeln kann. 

Besonders klar tritt diese Übereinstimmung bei den Muscheln 
von Munderkingen vor Augen, und ich wollte nicht versäumen, von 
diesem schönen Unio eine Abbildung zu geben. Die Form der 
Muschel deckt sich mit der Rossmässter’schen Abbildung bis auf das 
hierselbst etwas längere Hinterteil und das etwas weniger stark her- 
vortretende Schalenligament. Die Muscheln von Rottenacker stehen 
mehr mit der Küster'schen Darstellung in Einklang, indem sie die 
Einbuchtung des Unterrandes der Schale deutlicher aufweisen, als 
die Exemplare von Munderkingen. Aber auch bier ist das Hinterteil 
um etwa 12 mm kürzer gegen die Abbildung von Köster. Der Zahl 
der Jahresringe nach halte ich diese Muscheln noch nicht für ganz 
ausgewachsen und glaube daher annehmen zu dürfen, daß die eigent- 
lichen Altersformen auch von diesen Fundorten die Länge von 13 cm 
erreichen können. 

Leider stehen mir von den soeben genannten Lokalitäten des 
württembergischen Donaulaufes nur je ein halbes Dutzend Exemplare 
zur Verfügung, die jedoch fast bis auf den Millimeter die gleichen 
Proportionen zeigen. Es wäre wünschenswert, daß dieses Gebiet 
noch mehr durchforscht würde, und ich will die Möglichkeit nicht 
ganz absprechen, daß eine reichere Ausbeute diese Muschel vielleicht 
noch als eine besondere Lokalvarietät erscheinen ließe. Vorerst 
jedoch muß ich an ihrer Zugehörigkeit zu U. pictorum L. var. ponde- 
rosus Spitzi festhalten, um so mehr, als auch die sonstigen Eigen- 
schaften der Schale, insbesondere die Farbe des Periostrakums, über- 
einstimmen. 

Um übrigens nicht mißverstanden zu werden, möchte ich hier- 
bei ausdrücklich betonen, daß ich diese württembergischen Formen 


— 225 — 


durchaus nicht gänzlich mit der Budapester oder Steiermärker Form 
identifizieren möchte. Es ist selbstverständlich, daß diese letzteren, 
und zwar wieder jede für sich, ihre aus der Wohnortsbeschaffenheit 
 hervorgehenden Spezialeigentümlichkeiten an sich tragen, die sie 
von unseren Formen unterscheiden, nur sind dieselben nicht von 
solchem Belang, daß sie zur Aufstellung einer besonderen Varietät 
hinreichen würden. Man könnte sie also allenfalls unter dem Begriff 
»forma“ mit einem besonderen Namen belegen, eine irgendwie 
dringende Notwendigkeit hierfür liegt jedoch durchaus nicht vor, so 
wenig als dies in bezug auf die Budapester gegenüber der Steier- 
märker Form des ponderosus-Typus der Fall ist. 

Die Maße der größten Exemplare unserer württembergischen 
Muscheln sind folgende: Länge 117 mm, Breite (Höhe) 53 mm. 

Aus dem gleichen Altwasser der Donau bei Munderkingen, in 
welchem die schönen und großen ponderosa-Formen gefunden wurden, 
erhielt unsere württembergische Sammlung auch eine Anzahl von 
Exemplaren der echten limosus-Varietät, und in dieser Tatsache 
glaube ich den Beweis für die Küster’sche Anschauung, daß var. 
ponderosus Spitzi nichts anderes als eine Riesenform von limosus 
Nırs. ist, erblicken zu dürfen, wenngleich nicht geleugnet werden 
kann, daß die eigentlichen limosus-Formen im allgemeinen läng- 
licher und breitschnäbliger sind und eine ziemlich dunklere, fast 
dunkelgraubraune Färbung des Periostrakums zeigen, während diese 
bei unseren ponderosus-Formen mehr eine braungrüne oder grün- 
lichbraune ist. 

Diese Färbung des Periostrakums steht ja bekanntlich immer 
in unmittelbarem Zusammenhang mit den Eigentümlichkeiten des 
Wohnplatzes und das schmutzig braungraue Periostrakum läßt stets 
auf reichlichen Humusschlamm in diesen Altwassern schließen, eine 
Eigenschaft, die den Unionen ım allgemeinen nicht zusagt, jeden- 
falls noch weit weniger als den Anodonten. 

Auch in dieser Beziehung finden sich beachtenswerte Parallelen 
zwischen oft ganz verschiedenartigen Muscheln. So erhielt unsere 
württembergische Sammlung beispielsweise aus einem Altwasser der 
Jagst bei Crailsheim mehrere Exemplare von U. pictorum-limosus, 
und darunter befand sich ein einziges Exemplar von U. tumidus RETZ, 
jener Art, welche bekanntlich sofort durch die keilförmige Gestalt 
der Schale infolge des spitz zulaufenden Hinterteiles und die wellen- 
förmige Lamellenskulptur der Wirbel auffällt. Auch bei diesem 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 15 


— 226 — 


U. tumidus zeigt sich die gleiche Farbe des Periostrakums, wie bei 
den pictorum-limosus-Formen, nämlich ein schmutziges, dunkles 
Graubraun. Übrigens ist dies nicht der einzige Fall in unserem 
Gebiete von “em gleichzeitigen Vorkommen dieser beiden Unio-Arten 
an einem und demselben Fundort. Auch der Neckar bei Heilbronn, 
und zwar speziell der sogen. Winterhafen daselbst, beherbergt sowohl 
schöne große Normalformen von U. pictorum L. als auch durchaus 
charakteristische Formen von U. tumidus Rerz. Ob sich unzweifel- 
hafte Übergangsformen zwischen diesen beiden Arten des gemein- 
samen Wohnplatzes feststellen lassen, kann aus den bisherigen Funden 
noch nicht konstatiert werden, denn die bloße Umrißform der Schale 
reicht dazu nicht aus, sofern nämlich kürzere und spitzschnäbligere 
Exemplare bei dem typischen U. pictorum durchaus keine Selten- 
heiten sind. 

Zum Schluß meiner Aufzeichnungen möchte ich noch eine ganz 
besonders große Form dieser Art aus der allgemeinen Sammlung 
unseres Naturalienkabinetts besprechen. Dieselbe repräsentiert sicher- 
lich das größte Exemplar aus dem Formenkreise von U. pictorum L., 
das jemals gefunden wurde. Die Muschel stammt aus der Ill bei 
Mühlhausen im Elsaß, leider ohne nähere Bezeichnung des Fundortes, 
dürfte aber höchst wahrscheinlich ebenfalls aus einem Altwasser 
kommen, denn in diesem relativ doch sehr kleinen Flusse selbst 
würde die Art niemals zu einer solch abnormen Größe heranwachsen, 
da doch, um nochmals darauf hinzuweisen, fließende Gewässer die 
Größenmaße der Muscheln beeinträchtigen. Das genannte pictorum- 
Exemplar übertrifft sogar noch die gewöhnlichen Dimensionen der 
größten mitteleuropäischen Flußmuschel, nämlich der Perlenmuschel 
(Margaritana margaritifera L.). 

Die Proportionen gestalten sich wie folgt: Länge 135 mm, 
größte Höhe (Breite) 63 mm, wobei dieselbe genau durch den 
Wirbel geht. Dieser zeigt die charakteristische höckrige Skulptur 
des picetorum-Typus. Die Jahresringe sind weitstehend und stark 
markiert, das Vorderteil ist stärker entwickelt als bei den Normal- 
formen, der Unterrand fast gerade verlaufend, nur ganz leicht ein- 
gebogen. Der Schnabel ist ziemlich spitz zulaufend mit leichter 
Aufwärtsbiegung. Die Farbe des Periostrakums ist ein ziemlich 
lebhaftes Grün, nur etwas dunkler als bei den Normalformen, also 
ziemlich abweichend von dem limosus-Typus, die des Perlmutters 
fast weiß, nur gegen den hinteren Schalenrand hin bläulich irisierend. 
Die Schale im ganzen ist ziemlich dick und kompakt, ihr Gewicht 


— 27 — 


85 g. Die Muskeleindrücke sind tief, die Schalenzähne schön und 
stark ausgebildet. 

Ich habe die Muschel auf der zugehörigen Tafel in natürlichem 
Größenmaß auf photographischem Wege abgebildet. 

Diese interessante und prachtvolle Riesenform von U. pic- 
torum L. weicht nun von dem ponderosus-Typus insofern ziemlich 
wesentlich ab, als sie weit gedrungener erscheint, als diese Lokal- 
formen, ja sogar gedrungener, als unsere oben erwähnten württem- 
bergischen ponderosa-Formen. Das beträchtlich entwickelte Vorderteil 
endlich und der größte Höhendurchmesser durch den Wirbel gibt 
diesem Unio rein äußerlich auf den ersten Blick geradezu das An- 
sehen einer größeren länglichen Anodonta. Die Muschel dürfte am 
meisten der Form entsprechen, welche RossmÄsstLer im zweiten Bande 
seiner Iconographie als var. grandis beschrieb und auf Taf. 55 in 
Fig. 741 abgebildet hat, übertrifft dieselbe jedoch noch ganz be- 
trächtlich an Größe. Der genannte Autor hatte, nach seiner Be- 
schreibung zu schließen, nur drei Exemplare, welche aus einem Teiche 
bei Karlsruhe ! stammen sollen, zu Händen. Von diesen dreien war 
nur eines richtig ausgebildet, während die anderen zwei krüppel- 
hafte Schalen aufwiesen, deren Gestalt, wie er ausführte, auf ein 
gewaltsames Hindernis in bezug auf die Entwicklung schließen ließ. 
Ich vermute, daß auch das von RosswässLer abgebildete Exemplar 
nicht ganz normal gestaltet ist, denn die abnorme, fast mittel- 
ständige Stellung des Wirbels entspricht gar nicht den sonst üblichen 
Proportionen bei den Schalen dieser Art. Endlich scheint auch die 
vom Autor besonders hervorgehobene außergewöhnliche Ventrikosität 
anormal zu sein. 

Demnach bin ich der Ansicht, daß wir in der von mir be- 
schriebenen und abgebildeten Muschel einen richtigen Repräsentanten 
dieser var. grandis Rossm. vor uns haben und nehme daher diese 
Bezeichnung für das Exemplar in Anspruch, um so mehr, als ich 
prinzipieller Gegner der Gepflogenheit bin, auf Grund eines einzigen 
Exemplares eine neue Form aufzustellen und zu benennen. Es ist 
dies ein in der systematischen Zoologie noch leider viel zu sehr 
verbreiteter Gebrauch, und es kann vor diesem Fehler, als einem 


1 Leider ist nicht angegeben, ob Karlsruhe in Baden oder Karlsruhe in 
Schlesien gemeint ist. Auch die Angabe des Fundplatzes als Teich läßt die 
Einsetzung der Muscheln durch Menschenhand vermuten, da Teiche zum min- 
desten für Unio pictorum als natürlicher Fundplatz wohl kaum in Betracht 
kommen können. 

15* 


— 228 — 


durchaus unwissenschaftlichen Vorgehen, nicht eindringlich genug 
gewarnt werden. Besonders der Konchyliologe, der in dieser Be- 
ziehung nur die Schalencharaktere in Betracht zieht, muß doppelt 
vorsichtig sein und darf die Beschreibung neuer Arten oder Lokal- 
formen nur auf ganze Serien von Individuen gründen. Immerhin 
kann festgestellt werden, daß das Bestreben KosBELTS und seiner 
Schüler, auch die kleinsten Flußläufe nach ihrem Najadenbestand 
zu untersuchen und eine genaue Beschreibung der Funde zu geben, 
in bezug auf die sozusagen charakterfesteren Unionen weit lohnen- 
dere Resultate ergeben kann, als bei den schon individuell so grenzen- 
los variierenden Anodonten. 


Zur Altersfrage der Braunschweiger eolithischen 
und altpaläolithischen Funde‘. 


Von Martin Schmidt. 
Mit 2 Textfiguren. 


Den Anlaß zu der vorliegenden Mitteilung gab die Veröffent- 
lichung des Herrn Professor Dr. v. Koken über das Vorkommen von 
Feuersteinartefakten im Diluvium von Braunschweig °. 

Kores beobachtete in einer Reihe von Sand- und Kiesgruben 
jener Gegend in verschiedenen geologischen Horizonten Feuerstein- 
werkzeuge von im allgemeinen eolithischem Aussehen. An einigen 
Stellen fanden sich ganz altertümliche, die er in Übereinstimmung 
mit Rutor dem Reufelien zuweist, ganz an der Basis der Sand- 
schichten. Sehr verbreitet sind andere, die zum Teil wesentlich 
moderneren, bereits altpaläolithischen Habitus zeigen. Sie liegen 
in einem stark gebräunten Kies- und Sandabschnitt nahe der oberen 
Grenze der Sandprofile. 

Unter den geologischen Profilen der zahlreichen Aufschlüsse 
ist nun zwar keines, das die Einlagerung dieses Sand- und Kies- 
komplexes zwischen zwei deutlich erhaltene Grundmoränen beob- 
achten ließe. Aber eine solche in weiterem Sinne interglaziale, 
genauer gesagt intermoränische Lagerung zwischen der letzten und 
vorletzten Vereisung, die in der Gegend normale Grundmoräne er- 
zeugt haben, wird von KokEn doch aus der Kombination der Auf- 
schlüsse mit vollem Recht abgeleitet. 

Die Frage nach dem Alter der beiden Grundmoränen beant- 
wortet Koken dahin, daß wir vermutlich die letzte und vorletzte der 
norddeutschen Vereisungen überhaupt vor uns haben. Doch be- 


! Zum Teil vorgetragen auf der Vers. des Schwarzwälder Zweigvereins 
für vaterländ. Naturkunde am 21. Dez. 1909. 

? Diluvialstudien. I. Die Braunschweiger Eolithenlager. N. Jahrb. f. 
Min. etc. 1909. II. S. 57 ff. 


— 230 ° — 


zeichnet er als nicht ganz ausgeschlossen, daß „das ältere Glazial 
nicht der sogen. Haupteiszeit, sondern einem früheren (Mindel?-) 
Vorstoß zuzuteilen ist.“ 

Die vorsichtige Zurückhaltung in diesen Äußerungen über das 
absolute Alter der beiden Grundmoränen ist sehr verständlich im 
Hinblick auf die bis heute in der norddeutschen Glazialgeologie be- 
stehende Spaltung der Meinungen. 

Es handelt sich dabei vor allem um die Frage, ob die oberste 
Grundmoräne der Braunschweiger Gegend, die über der Sandmasse 
mit den Artefaktlagern rangiert, der obersten Grundmoräne der Mark 
und anderer Gegenden weiter östlich gleichzusetzen ist oder für älter 
angesehen werden muß. 

Nach den bisherigen, außerordentlich eingehenden, mühseligen 
Spezialuntersuchungen der preußischen geologischen Landesanstalt 
würde jedenfalls die äußerste Endmoräne der jüngsten nord- 
deutschen Vereisung mehr als 50 km nordöstlich von Braun- 
schweig verlaufen. Nach einer neuen Übersichtsdarstellung von 
K. Keitnack ' überschreitet sie erst unterhalb Magdeburg die Elbe 
und bleibt ihr bis zur Mündung recht nahe. Dabei scheint von be- 
sonderer Wichtigkeit, daß außerhalb, d. Iı. südwestlich dieses End- 
moränengürtels, der so genau studierte Bördelöß als eine zwar 
lückenhafte, aber i. a. weithin gleichmäßig verbreitete Decke herrscht. 
während er innerhalb fehlt. 

Dieses Verhalten der normalen Lößdecke ? zeigt mit dem Auf- 
treten des Lösses am Rande des alpinen Glazialgebietes und seinem 
Verhältnis zur vorletzten und letzten Vereisung Ähnlichkeit. Dem- 
entsprechend begegnen wir bei norddeutschen Glazialgeologen, so 
z. D. bei Keitnack’, der Ansicht, daß die außerhalb des erwähnten 
Endmoränenzuges auftretende oberste Grundmoräne der vorletzten 
Eiszeit entstammt. Die nächst ältere, wie sie gelegentlich in tieferen 
Aufschlüssen zu beobachten ist, z. B. in dem prachtvollen Tagebau 
der Braunkohlengrube Konkordia bei Nachterstädt‘, wird dann als 
drittletzte Vereisung gezählt. Keıtnack betont a. a. O. (S. 88) ferner 


! Jahrb. der preuß. gceol. Landesanstalt von 1909. 1. T. XVI. 

? Jüngste Löbbildungen von stark abweichendem Charakter sind 
in Norddeutschland auch innerhalb jener Endmoräne gelegentlich zu beub- 
achten, ebenso wie im Alpenvorland. 

3 1909. Erdgeschichtliche Entwickelung und geologische Verhältnisse der 
Gegend von Magdeburg; s. bes. S. 93. 

t 3, Wahnschaffe in Prot. d. Aprilsitzung d. Deutsch. geol. Ges. 1899, 


— 31 — 


ausdrücklich, daß „wenigstens dreimal, höchstwahrscheinlich 
aber viermal eine Eisdecke Norddeutschland zum Teil bis zum 
Rande der Mittelgebirge überkleidet hat, und daß zwischen diesen 
vier Eisbedeckungen sich Interglazialzeiten einschieben, deren jede 
mit arktischen Verhältnissen begann und durch ein wärmeres Klima 
hindurch wieder zu solchen zurückkehrte.“ 

Keıtnack stellt dann auch ausdrücklich, was für die uns vor- 
liegende Frage von besonderem Interesse ist, die vor einigen Jahren 
von WIEGERS beschriebenen ! und der letzten und vorletzten Vereisung 
zugewiesenen zwei Grundmoränen der Gegend von Neuhaldensleben 
und Hundisburg in die nächstälteren Niveaus und bezeichnet das 
zwischen ihnen liegende Interglazial mit reichlicher Fauna und 
zweifellosen menschlichen Artefakten als vorletztes. In 
Übereinstimmung hiemit stellt auch H. MexzeL einige altpaläolithische 
Artefaktfunde aus der Provinz Hannover und von Wegeleben bei 
Halberstadt, die der Löß überlagert, in das vorletzte Inter- 
glazial‘. 

Als klarer Aufschluß eines größeren Abschnittes des Diluviums, 
der sich mit den prähistorischen Fragen in Verbindung bringen läßt, 
steht freilich der von Hundisburg bis jetzt allein da. Ich möchte 
daher nicht zögern, ein Profil zu veröffentlichen, das ich vor etwa 
einem Jahrzehnt in dem prachtvollen Aufschluß der Ilseder Eisen- 
steingruben bei Gr. Bülten aufgenommen habe und das eben- 
falls prähistorische Spuren erkennen ließ. Es zeigte damals den 
fraglichen Abschnitt des Diluviums in lückenloser Folge und deut- 
licher Ausbildung und stimmt zu den nahe benachbarten Braun- 
schweiger Aufschlüssen aufs beste. Leider ist es, wenigstens in der 
damaligen Vollständigkeit, alsbald dem fortschreitenden Abbau wieder 
zum Opfer gefallen, wie ich mich einige Jahre später überzeugen 
konnte. 

Die umstehende Skizze (Fig. 1) zeigt, daß dort in die flach 
einfallenden senonen Kreideschichten (So 1 und 802) eine Art Kla mm 
von breiter Wannenform eingeschnitten war, ein Erzeugnis starker, 
zunächst wohl den vorhandenen Klüften folgender Schmelzwasser- 
ströme des Eisrandes, wie sie an der Peripherie des diluvialen Rhein- 
gletschers mehrfach in die Abdachung der schwäbischen Juraplatte 


ı Diluviale Flußschotter aus der Gegend von Neuhaldensleben. Jahrb. d. 
preuß. geol. Landesanstalt für 1905, S. 61. 

2? Neue Funde diluvialer Artefakte aus dem nördlichen Deutschland, ihre 
Kulturstufe und geologisches Alter. Zeitschr. f. Ethnologie Bd. 41, 1909; S. 503 ft 


— 232 — 


eingeschnitten sind und wie Ähnliches sogar in der isolierten Muschel- 
kalkklippe von Rüdersdorf bei Berlin einmal zu beobachten ge 
wesen ist. 

Bei Gr. Bülten erfüllten die ältesten Schichten der in der 
Gegend entwickelten diluvialen Serie flache Ausmuldungen der nord- 
östlichen Uferbank dieser Klamm, ein ausgedehnter Rest einer 
älteren Grundmoräne (dmı) von typischem Charakter, unter 
ihr auf dem Anstehenden an einer Stelle sogar noch ein Nest ge 


SW 


RESET 


TERTRRÜÜEN 


UT rn. ten. .. PR 
Fig. 1. Nordwestliche Wand der Eisensteingrube von Gr. Bülten bei llsede, 
Maßstab 1: 600. 


schichteten Sandes (dsı), wohl als Vertreter des ihr vorgeschüt- 
teten Fluvioglazials,. 

Über die Grundmoräne zog sich fast in der ganzen Ausdehnung 
des Aufschlusses eine Decke von grandigem, geschichtetem Sand 
(ds2), über dem nordöstlichen Rande der Klamm schon gegen 6 m 
mächtig. In der Klamm war diese Sandmasse, deren Oberkante sich 
nicht mit dem Untergrunde einbog, mehr als 12 m aufgeschlossen. 
Auf die südwestliche Uferbank zog sie sich, direkt den Kreide- 
schichten auflagernd, noch eine gute Strecke hinauf. Ihre obere 
Grenze war, wie gesagt, eben, aber flach nach SW geneigt. 

Auf dieser geneigten Fläche stellte sich in der Richtung nach 


' Prot. d. Hauptvers. d. Deutsch. geol. Ges. 1898, S. 143. 


— 233 — 


SW zu sehr bald eine zweite, wohlerhaltene Grundmoräne ein 
(dn2). Über dem nordöstlichen Rande der Klamm schon mehr als 
1 m stark, schwoll sie nach SW zu immer mehr an. Auf dem 
südwestlichen Ufer erreichte sie jenseits des Auskeilens der sie unter- 
lagernden Sande etwa 6—7 m Mächtigkeit. Die Oberkante dieser 
jüngeren, bedeutenderen Grundmoränenschicht war i. a. horizontal. 
Nur an einigen Stellen fanden sich flache, bis 2 m tiefe Gruben, 
ausgefüllt mit einer dritten, jüngsten, geschichteten Sa n d gene- 
ration (ds3), erzeugt von den Schmelzwassern der Vergletscherung, 
der die jüngere Moräne entstammt. 

Der ganze Aufschluß zeigte endlich eine sehr gleichmäßig die 
obere Einebnung überkleidende Lößdecke von gegen 2m Mächtig- 
keit, ın ihrem obersten Drittel in der für den Bördelöß charakte- 
ristischen Weise humifiziert. 

Die mittlere mächtige Sandmasse (ds2) dürfte nun von 
vornherein dem Sandprofil entsprechend erscheinen, aus dem Koken’s 
Funde stammen. Zur Sicherheit wird diese Annahme dadurch, daß 
auch bei Gr. Bülten gerade in ihrem oberen Abschnitt die dunklen 
Färbungen wiederkehren, die für Koken’s obere Fundschicht so 
bezeichnend sind. In unserem Aufschluß war diese bis 2 m mäch- 
tige, in Fig. 1 durch unregelmäßige Schraffur hervorgehobene Zone 
in vielen Lagen und Schmitzen stark gebräunt oder geschwärzt durch 
Anreicherung mit Eisen oder, wie chemisch leicht festzustellen war, 
Mangan. Mit der Verbreitung dieser Sekundärbildungen geht in 
meinen Proben Hand in Hand eine völlige Entkalkung. (Wie 
sonst der Kalkgehalt in dem Sandprofil verteilt war, habe ich damals 
leider nicht festgestellt.) Ganz wie bei Braunschweig war die Auf- 
lagerung der dunklen Schichten nur zum Teil scharf begrenzt. An 
anderen Stellen verlor sich die dunkle Färbung mehr diffus nach 
unten. 

Diese besonderen Eigenschaften der oberen, dunklen Sand- 
schicht stützen Koken’s Ansicht, daß sie als interglazial aufzu- 
fassen sind, trotzdem die sehr wünschenswerte Bestätigung durch 
ausreichende, für die Beurteilung der Klimaverhältnisse maßgebende 
Faunen- oder Florenreste, die bei Gr. Bülten ganz zu fehlen scheinen, 
auch bei Braunschweig noch anussteht. 

Nun darf man nach den bisherigen Ergebnissen wohl annehmen, 
daß neben Resten einer Fauna und Flora, ja besser als sie, in diesen 
höheren Schichten des Diluviums auch in Norddeutschland, im Ge- 
biet der eigentlichen Vereisungen, mehr und mehr die Artefakte 


= DBA a 


des Menschen als leitend für das Alter der einzelnen Abschnitte 
benutzt werden können. Leider sind hiefür gerade die leicht kennt- 
lichen Leitformen für die westlichen Kulturstufen im moränenführen- 
den Norddeutschland augenscheinlich von sehr beschränktem Wert. 
Sie sind bisher in dem wohl überhaupt spät besiedelten! und vom 
nordischen Eise mehrfach wiedereroberten Grenzland der dichter 
und dauernd bewohnten westlichen Kulturgebiete gar nicht oder nur 
als große Seltenheiten gefunden worden. An ihrer Stelle scheinen 
mit einiger Regelmäßigkeit andere Typen” vorzukommen, die zum 
Teil zu den Begleitindustrien des Westens Beziehungen haben. 

So darf man hoffen, daß sich die Beziehungen zu den gut be- 
kannten, reicheren, an viel besserem Material freier und ungestört 
entwickelten Industrien des Westens im älteren Paläolithikum all- 
mählich klarer und sicherer enthüllen werden, als sie bisher noch 
erscheinen. Für die Beurteilung des Braunschweiger Lagers ist es 
jedenfalls von besonderem Interesse, daß Rurot und KokeEn in einem 
Bruchteil der dort gefundenen Artefakte paläolithische Typen 
erkannten, die bis zur Kulturstufe des Chelleen hinaufweisen. 

Immerhin liegt vorläufig wohl noch bei allen Horizontbestim- 
mungen im norddeutschen Diluvium der Schwerpunkt, wie vor 
allem WıEcERs früher mehrfach betont hat, in den geologischen 
Beobachtungen. In seiner neuesten Äußerung betont allerdings ge- 
rade WIEGERS schon viel mehr das ergologische Moment”. WIEGERS 
ist als Geologe Anhänger von nur zwei norddeutschen Ver- 
eisungen und legt als Archäologe das Auftauchen der menschlichen 
Kultur in Norddeutschland in das letzte Interglazial, dem gleicher- 
weise Taubach (als Chelléen) und Hundisburg (als jüngeres Acheuléen) 
angehören sollen. Er nimmt also in diesen Hauptfragen einen ähn- 
lichen Standpunkt ein wie M. Boutrr*. Ihnen gegenüber verteilt 
A. Pexck das ältere Paläolithikum auf die beiden letzten Iuterglaziale 
seines alpinen Eiszeitschemas, was zu KeıtHAck’s oben erwähnter 
Gliederung des Diluviums östlich und westlich der Elbe stimmen 


' Vergl. W. Deecke, Zur Eolithenfrage auf Rügen und Bornholm. Mitt. 
nat. Ver. für Neuvorpommern und Rügen, 36. Jahrg. 1905. 

2 H. Menzel weist (l. c. S. 505) ganz kurz auf Faustkeile von einem 
bestimmten Typus hin, die für norddeutsche Diluvialkulturen charakteristisch 
seien und auffallenderweise in beiden fraglichen Interglazialen gleichmäßig 
vorkommen sollen. 

® Die diluvialen Kulturstätten und ihre Beziehungen zum Alter des Löß. 
Prähistorische Zeitschrift I, 1. 1909. 

* 8. bes. Observations sur un silex taillé du Jura. L’Anthropologie XIX, p. 9. 


— 235 — 


würde. Danach würde dann zwar in Taubach der untere Travertin, 
aus dem schon VERwoRN, eine ältere Ansicht von Hoerxes be- 
stätigend, Artefakte vom Moustier-Typus bekannt machte!, in das 
letzte Interglazial gehören, und zwar nach der letzten Dar- 
stellung von Wüst und HaAune? in dessen Beginn. Die Hundisburger 
Funde dagegen, die WıEseErs als jüngeres Acheul‘en bestimmt und 
unmittelbar vor seine letzte Eiszeit rangiert, würden dann, wie schon 
oben erwähnt, ebensogut vorletztes Interglazıal darstellen müssen, 
wie die dunklen Sandschichten von Braunschweig und Gr. Bülten. 

Es ist nun nicht möglich, auf das außerordentlich interessante 
Problem des Ineinandergreifens von Glazialentwicklung und Prä- 
historie in Norddeutschland bei Gelegenheit dieser kurzen Notiz 
noch näher einzugehen. Aber ich wollte doch die Hauptansichten 
darüber in ihrem zurzeit noch nicht ausgeglichenen Gegensatz hier 
nicht unerörtert lassen. Die Zusammenstellung wird am besten er- 
kennen lassen, wie großen Wert jede neue Nachricht über gute 
Diluvialprofile aus diesen Gegenden, die ja an sich schon nicht zu 
häufig sind, erhält, wenn gleichzeitig in ihnen archäologisch sicher 
bestimmbare Reste menschlicher Kultur gefunden werden. 

Der Aufschluß von Gr. Bülten hat nun leider damals von 
solchen Stücken, die man einer bestimmten paläolithischen Technik 
anreihen kann, nichts ergeben, trotzdem bearbeitete Feuersteine 
auch dort zu finden waren. Auch dort war zunächst die ganze 
mittlere Sandmasse (ds 2), entsprechend dem nordischen Charakter 
ihres Gesteinsmaterials, reich an kleinen Feuersteinstücken. Sie 
bildeten oft die einzigen gröberen Elemente. Die meisten Stücke 
zeigten an Ecken und Kanten die etwas rauhe Abschleifung, die für 
Wassertransport bezeichnend ist. In den dunklen Sandschichten 
häuften sich die Feuersteine besonders. Große Stücke, die zur Her- 
stellung bandlicher Geräte geeignet gewesen wären, kamen ver- 
gleichsweise selten vor. 

Es war mir nun bei meinem Besuch des Aufschlusses immerhin 
an einigen Feuersteinen eine wie intentionell aussehende, durch die 
Zufallswirkung des Wassertransportes schwer erklärbare Form auf- 
gefallen. Ich habe daher in der kurzen verfügbaren Zeit wenigstens 
einiges Material, dessen Form mir beachtenswert schien, schon da- 


1 Archäolithische und paläolithische Reisestudien in Frankreich und Portu- 
gal. Zeitschr. f. Ethnologie 1906, Heft 5, S. 643. 

2 Die paläolithischen Fundschichten und Funde der Gegend von Weimar. 
Centralbl. f. Min. etc. 1908, S. 197 fi. 


— 236 — 


mals geborgen. Danach hat der jedem dort arbeitenden Geologen 
wohlbekannte eifrige Sammler und tüchtige Kenner der mesozoischen 
Fossilien der Gegend, Herr H. Branpes, auf meine Veranlassung aus 
einem bestimmten Anteil des Aufschlusses ohne Auswahl den ge- 
samten Gehalt an Feuersteinen ausgesucht. 

Gerade in dieser letzten Aufsammlung, in der es an Beispielen 
natürlicher Zertrüämmerung nicht mangelt und die zurzeit durch die 
Freundlichkeit des Herrn Brannpes in meinen Händen ist, zeichnen 
sich zwei etwas größere Feuersteinstücke durch deutliche Spuren 
von Bearbeitung und Benutzung aus und reihen sich so den Braun- 
schweiger Funden Koken’s an, wie ja nach der Übereinstimmung der 
geologischen Verhältnisse erwartet werden konnte. 

Das eine dieser Stücke von kaum 4 cm Länge und 3'’l/s cm 
Breite ist von unregelmäßig buchtigem Zuschnitt und eolithischem 
Typus. Die Kanten zweier Buchten sind durch flache, einseitig ge- 
wendete, auf Benutzung zum Schaben deutende Absprünge gänzlich 
abgetragen. Die übrigen sind teils intakt, trotzdem sie wie jene 
zwei allen Insulten ausgesetzt waren, zum Teil zeigen sie eine ge- 
wisse Bestoßung, vielleicht als Spuren einer weniger regelmäßigen 
Benutzung. 


Fig. 2. Feuersteinschaber aus interglazialem Sand von Gr. Bülten bei Ilsede. 
Nat. Größe, 


Ein zweites, etwas größeres Feuersteinstück, neben den schönen, 
aus einem sehr großen Material ausgewählten Exemplaren Koken’s 
immerhin noch ziemlich unscheinbar, bilde ich in Fig. 2 ab. Es ist 
ein „Schaber“ von, soweit ich feststellen konnte, untypischer, auf 
keine besondere Technik deutbarer, Form. Jedenfalls ist aber diese 
Form künstlich, ein wenig geschickt hergestellter, dreieckiger Ab- 


— 237 — 


schlag von etwa 1 cm Dicke, die meisten Kanten frisch und scharf, 
jedenfalls ohne Spuren von Abrollung. Zwei von den Kanten aller- 
dings, eine Längskante und die anstoßende Querkante des breiteren 
Endes, in der Figur durch eine begleitende Punktreihe hervorgehoben, 
sehen ganz anders aus. Sie sind kontinuierlich bedeckt mit ge- 
häuften kleinen Absprüngen. Diese liegen sämtlich auf einer Seite 
der Kante, so daß von der Rückenfläche gesehen (Fig. 2b) das 
Stück nur eine geringfügige Zähnelung dieser Ränder zeigt. Dazu 
kommen auf der bestoßenen Strecke eine Menge in den Stein ein- 
dringender kleiner Sprünge. Nach freundlicher Mitteilung des Herrn 
Dr. R. R. Scumiot in Tübingen weist der Charakter der Absprünge 
auf Entstehung durch hartes Schlagen hin. 

In diesen beiden Stücken haben wir also gut kenntliche mensch- 
liche Artefakte vor uns und, da sie nicht abgerollt sind, an Ort und 
Stelle entstandene Und zwar gehören sie, wenn wir KeıtHack’s 
Meinung einstweilen folgen wollen, dem vorletzten Interglazial an. 
Jedenfalls vervollständigen sie noch die in rein geologischem Sinne 
schon so deutliche Analogie zwischen den dunklen Sandlagen von 
Gr. Bülten und dem oberen Artefakthorizont von Braunschweig, 
wenn sie auch für dessen genauere archäologische Horizontierung 
weiteres Material nicht beibringen. 

Anhangsweise möchte ich schließlich die Aufmerksamkeit 
noch auf die immerhin eigenartige Form einer ganzen Anzahl viel 
kleinerer Stückchen und Scherben (2—3 cm Hauptdurchmesser) 
von Feuerstein lenken, die ich damals den dunklen Sanden ent- 
nommen habe und die auch in der Aufsammlung des Herrn BRANDES 
in ähnlicher Ausbildung mehrfach wiederkehren. Die, wie es mir 
schien, intentionelle Form einiger von ihnen hatte damals vor allem 
meine Aufmerksamkeit rege gemacht und mich zum Nachsuchen 
und Sammeln veranlaßt. 

Es handelt sich besonders um mehr oder weniger spitz drei- 
eckige Lamellen mit zwei ziemlich geraden Spitzenkanten. Diese 
symmetrisch etwa gleich langen Kanten sind mit vielen kleinen Ab- 
sprüngen besetzt und scheinen oft erst diesen ihre regelmäßige Form 
zu verdanken. Jedenfalls waren die Lamellen nicht vor dem Ent- 
stehen der Absprünge regelmäßiger geformt gewesen und durch diese 
entstellt und, wenn ich so sagen darf, verschlechtert. Es fiel mir 
dann auf, daß bei mehr als einem der Scherben die dritte, dickere 
Seite solche Absprünge nicht nennenswert zeigte. Und doch waren 
ihre scharfen Kanten den äußeren Insulten kaum weniger ausgesetzt 


— 238 — 


als die beiden andern. An dieser hinteren Kante kommen gelegent- 
lich Schlagbulben vor. 

Mit diesen dreieckigen Lamellen finden sich ferner fast ebenso 
häufig etwas breiter und dicker geformte kleine Scherben, die rechts 
und links von einer schlanken, den sogenannten Bohrern des Paläo- 
lithikums ähnelnden Spitze symmetrische, konkave Ausbuchtungen 
besitzen. 

Kanten und Absprungsnarben sind auch bei diesen kleinen 
Stücken in der Regel frisch, jedenfalls ohne Spuren der charakte- 
ristischen fluviatilen Rollung, die sonst so häufig ist. Ich erwähne 
die unscheinbaren Fundstücke hier, wie gesagt, nur beiläufig. Mir 
und anderen, die sie damals gesehen haben, schien es nach näherer 
Untersuchung doch zu wenig sicher, daß sie durch Menschenhand 
geformt seien, wenn sie auch vielleicht nur Abfall darstellten, der 
bei der mangelhaften Natur des Rohmateriales dort in Menge fort- 
geworfen wurde. Jetzt könnte allerdings durch die Feststellung der 
sicheren, oben beschriebenen Artefakte auch für die kleinen Stücke 
die Möglichkeit künstlicher Entstehung etwas näher gerückt sein. 
Trotzdem begnüge ich mich auch jetzt mit dem kurzen Hinweis, 
um die Aufmerksamkeit auf solche Minutien zu lenken, verzichte 
aber darauf, über ihre mögliche Verwendung Vermutungen anzu- 
stellen. Es gehört reicheres Material dazu, um über die Artefakt- 
natur und den eventuellen Zweck der Stücke genügende Sicherheit. 
erhalten zu können, und an Vergleichsmaterial fehlt es für so kleine 
Dinge noch sehr. Wenigstens habe ich etwas Analoges aus älterem 
Paläolithikum in der reichen Tübinger archäologischen Sammlung 
nicht angetroffen. 

2. März 1910. 


Synopsis der deutschen Blindwanzen (Hemiptera 
heteroptera, Fam. Capsidae). 


Von Dr. Theodor Hüeber, Generaloberarzt a. D. in Ulm. 


XI. Teil. 
(Div. Oncotylaria. Fortsetzung.) 


Megalocoleus Reur. 90. (Macrocoleus Fier.) 


Die Männchen länglich, die Weibchen mehr oval, glanzlos, oben 
häufig schwarz behaart, die Geschlechter einander ähnlich. Der 
Kopf immer um weniger als das Doppelte schmäler als der Pronotum- 
grund, mehr oder weniger (meist nur leicht) geneigt, mehr oder 
weniger verlängert, manchmal sehr lang spitz ausgezogen, nur wenig 
abfallend, von vorne gesehen (kürzer oder länger) fünfeckig. (FIEBER: 
Kopf von oben fünfeckig spitz, kurzseitig; Scheitel zur Stirne flach- 
bogig gewölbt.) Kopfschild ziemlich stark vorspringend, allmählich 
leicht gebogen, von der Seite gesehen ziemlich schmal und überall 
gleichbreit, der Grundwinkel stark spitz, der Grund selbst mit der 
Stirne bald zusammenfließend, bald von ihr abgesetzt, in der mitt- 
leren Augenlinie gelegen (selten nur etwas oberhalb derselben); 
Kehle gerade, in der Mundebene liegend; Gesichtswinkel spitz. Die 
ovalen, ziemlich langen Augen liegen fast senkrecht oder leicht 
schief an den Kopfseiten, sind meist (der südeuropäische longirostris 
Fıes. ausgenommen) leicht gebuchtet und weichen am innern Rand 
von der Mitte ab nach vorne auseinander. Der Schnabel reicht 
meist (Tanaceti FALL. ausgenommen) über die hinteren Hüften hinaus, 
manchmal ist er sogar sehr lang und überragt noch die Bauchspitze. 
Die Fühler sind (longirostris FiEB. ausgenommen) über der Augenspitze 
eingefügt, ihr erstes, verkehrt kegelförmiges Glied ist so lang (beim £ 
etwas länger) als der Kopfschild.e Nach Fırser ist Fühlerglied 2 
stabförmig und etwa 3'/2mal länger als 1. Das Pronotum ist vorne 


— 240 — 


nie schmäler als lang, oft noch etwas breiter, vorne geschweift, hat 
nicht gerandete, nach vorne zu leicht verschmälerte Seiten, der Rand 
selbst ist, wenigstens vorne, nicht scharf, seine Fläche fast wagrecht 
oder nach vorne zu leicht geneigt. Der Xyphus ist hohl und an 
den Seiten ziemlich scharf gerandet (FıEger: Vorder-Xyphus fast 
rinnig vertieft, mit kielförmigem Rand); die Mittelbrust ist hinten 
etwas gewölbt, vorne abgestutzt. Das Schildchen ist am Grunde 
frei. Die Halbdecken sind vollständig, beim d parallelseitig, bei Q 
breit abgerundet; die Membran ist zweizellig. Die vorderen Hüften 
überragen meist die Mitte der Mittelbrust; die Schienen sind meist 
lang und stark bedornt; an den hinteren Tarsen ist das zweite Glied 
länger als das dritte; die Klauen sind ziemlich groß, allmählich ge- 
krümmt, der Zahn am Grunde ist stumpf, die geblätterten Haft- 
läppchen sind mit den Klauen bis über die Mitte hinaus verwachsen. 
Der Geschlechtsabschnitt des 3 ist unten abgestutzt; der Legestachel 
des 9 reicht bis zur Hinterleibsmitte. — Die Arten dieser Gattung 
leben an trockenen Orten, auf Feld- und Wiesenpflanzen, besonders 
auf Kompositen. Nach REUTER. 

Nach Reuter unterscheidet sich diese Gattung von der ihr 
nahestehenden Gattung Amblytylus Fies. Revur. durch ihren mehr 
schrägen Kopf, durch den weniger vorspringenden, allmählich und 
leichter gebogenen Kopfschild, der überall gleich breit ist und dessen 
Grund, von der Seite gesehen, weniger hoch liegt, durch ihre größeren 
und weniger schief liegenden Augen, durch die meist längeren vor- 
deren Hüften, durch die vorne nicht gerandeten Pronotumseiten, 
die zum mindesten vorne nicht scharf sind usw. — Nach SAUNDERS 
(der, wie schon vorne angegeben, die Gattung Tinicephalus als Unter- 
gattung zur Gattung Mucrocoleus zieht) unterscheidet sich diese 
Gattung von den nächst verwandten durch ihre langen Klauen, durch 
ihre eiförmige Gestalt, durch die Form der hinteren Fußglieder 
(Tarsen), deren zweites Glied länger als das dritte ist. durch die 
nicht scharfen Pronotumseitenränder, durch den (wenigstens bei den 
heimischen Arten) etwa bis zu den hinteren Hüften reichenden 
Schnabel und durch die durchgehends schwarzbedornten Schienen. 

Purtox führt (Cat. 1899, p. 73) 18 paläarktische Megalocoleus- 
Arten (darunter den fraglichen tibialis Jar. aus Südrußland) an; 
Reuter (H. G. E. 111, 536 ff.) gibt eine Übersichtstabelle von 14 palä- 
arktischen M.-Arten, von welchen sich 5 in Deutschland finden, 
doch sind nur 2 Arten (pilosus und molliculus) häufiger, während 
die Artberechtigung der 3 anderen (exrsanguis, ochroleucus, femoralis) 


— 241l — 


mehr oder weniger anfechtbar sein dürfte; da sich jedoch die Mehr- 
zahl der außerdeutschen M.-Arten in Südeuropa vorfindet, so sei 
hier Reuters diesbezügliche Bestimmungstabelle (mit entsprechender 
Kürzung) wiedergegeben. 


1. (26.) Kopf einfarben. 

2. (25.) Schenkel mit nur wenigen, dunkelbraunen, meist in einer Linie 
gelegenen Punkten, die häufig verschwommen sind oder auch ganz 
fehlen. 

3. (4.) Vorderhüften am untern Rande mit steifen schwarzen Borsten 
besetzt. Oberseite (des Leibes) schwarz behaart. Schnabel die 
hinteren Hüften nicht überragend. Tanaceti Far. 

4. (3.) Vorderhüften am Rande mit hellen Borstenhaaren. 

5. (22.) Schnabel höchstens die Bauchmitte etwas überragend. 

6. (9.) Schnabel bis zu den hinteren Hüften oder nur wenig darüber 

hinaus reichend. Schenkel ohne Zeichnung. Kopf des Männchens quer. 

. (8.) [Oberseite einfarben goldgelb mit kurzen liegenden schwarzen 

Haaren. Schienen mit kurzen schwarzen Dörnchen besetzt. Kopf- 
schild ziemlich stark gebogen und vorspringend. Gesichtswinkel 
schwach spitz. Der mittelländische aurantiacus FıEB.] 

8. (7.) Oberseite ockergelb oder erdfarben mit ziemlich langen, dichten, 
liegenden gelben Haaren, Halbdecken meist zum größten Teil ge- 
bräunt. Schienen mit feinen schwarzen Dörnchen. Gesichtswinkel 
ziemlich spitz. exsanyuis H.-ScH. 

9. (6.) Schnabel die hinteren Hüften auffallend überragend, meist bis 
zur Bauchmitte oder noch etwas darüber hinaus reichend. 

10. (11.) [Membran weißlich mit dunkelbraunem Fleck, der die Zellen- 
spitze und den Raum zwischen den beiden Zellen bis zur Mitte 
des äußeren Randes einnimmt und in einen weiben Fleck an der 
Keilspitze hinten breit endigt. Schnabel nicht bis zur Bauchmitte 
sich erstreckend. Schienen mit erdfarbenen Dörnchen besetzt. 

Der südeuropäische Niynorefi Reur.] 

11. (10.) Membran ohne größeren braunen Fleck an Zellenspitze und 

dem Raum darunter. Schienen nur selten mit hellen Dörnchen 


besetzt. 
12. (13.) [Schienen mit gelben Dörnchen. Leib gelb, oberseits goldig 
behaart. Der südeuropäische chrysofrichus Fırs.] 


13. (12.) Schienen mit schwarzen oder dunkelbraunen oder graugelb- 
braunen Dörnchen besetzt. 

l4. (17.) Leib gelblich. schmutziggelb, eigelb oder goldgelb. 

15. (16.) [Kopf deutlich quer (Z) oder so lang wie am Grunde breit (9). 
Scheitel beim d etwa ?/s breiter als (das hier große) Auge, oder, 
beim 9, fast 2l/smal. Schienen mit dunkelbraunen Dornen. 

Der italienische Mrllae Reuvr.] 

16. (15.) [Kopf (8) so lang wie am Grunde breit oder etwa !/ länger. 
Scheitel beim Z von etwas mehr als doppelter Augenbreite, beim 
Q noch ein halb mehr. Schienen mit ziemlich langen schwarzen 
Dörnchen. Der spanische Bolivari Reur.] 

Jahreshefte d. Vereins f. vater). Naturkunde in Württ. 1910. 16 


17. 


18. 


19. 


20. 


to 
ID 


24. 


25. 


— 242 — 


(14.) Leib weißbläulich, weißgrünlich, weißgelblich, grünlichgelb 
oder blaßgelblich, oben ziemlich lang gelblich oder weißlich be- 
haart und beflaumt, wobei die Haare in bestimmter Richtung meist 
bräunlich schimmern. 

(19.) [Kopf ziemlich stark schnabelartig verlängert, bei beiden Ge- 
schlechtern so lang wie hinten breit. Membranzellen vollständig 
dunkelbraun. Der ungarische dissimilis REUT.] 

(18.) Kopf beim & leicht in die Quere gezogen, oder, Q, fast so 
lang wie hinten breit. An der Membran ist nur die kleinere 
Zelle bräunlich. 

(21.) Von ziemlicher Größe. Kopf °is bis fast ums Doppelte 
schmäler als der Pronotumgrund. Der Scheitel beim d um ?/a, 
beim 9 fast ums Doppelte breiter als das Auge. Halbdecken 
meist teilweise bräunlich gezeichnet. Schienen mit schwarzen 
Dörnchen. molliculus FALL. 


. (20.) Von kleinerer Figur, das @ mehr gewölbt als bei molliculus. 


Kopf (in beiden Geschlechtern) leicht quer und etwa !/4 schmäler 
als der Pronotumgrund. Scheitel beim d von doppelter, beim 9 
von 1!;gfacher Augenbreite. Halbdecken fast ohne Zeichnung. Hinter- 
schenkel beim Q etwa 3mal länger als breit, auch die vorderen 
etwas verdickt. Schienen mit erdgrauen oder dunkelbraunen 
Dörnchen. ochroleucus KIRSCHB. 


. (25.) Schnabel bis zur Hinterleibspitze reichend oder noch etwas 


darüber hinaus. Schienen mit schwarzen Dörnchen. 


. (24.) [Kopf nach seiner Spitze zu sehr lang ausgezogen, etwa ls 


länger als am Grunde breit. Scheitel des ọ dreimal breiter als 
das Auge. Kommissur der Halbdecken nicht bräunlich. 
Der korsikanische naso Rerr.] 
(23.) [Kopf kaum oder etwa um !/s länger als hinten breit. Scheitel 
beim Q etwa l! mal breiter als das Auge. Kommissur der Halb- 
decken schmal dunkelbraun. Von ziemlicher Größe. 
Der spanische longirostris F1EB.] 
(2.) Schenkel dicht mit dunkelbraunen kleinsten Punkten besät. 
Membran rauchbraun, während ein Fleck an der Keilspitze, ein 
Bogen unter der Zellspitze und ein gröberer Fleck am äußeren 
Seitenrand glasartig hell sind. femoralis REUT. 


. (1.) [Der nach hinten zu goldgelbe Kopf hat beim d auf dem Scheitel 


am Augenrand beiderseits einen dunkelbraunen oder rostfarbenen, 
beim 9 gelbweißen Fleck oder Streif. Die Mittelbrust ist beim d 
wenigstens in der Mitte rostbraun. Der Leib ist weißblaugrau 
oder weißgelb mit oberseits schwarzer Behaarung. Der Schnabel 
reicht bis zur Bauchmitte oder noch ein weniges darüber hinaus. 
Der nordafrikanische Arueperi Reur.] 


169 (591) pilosus Scurk. 


P. Tanaceti corpore viridi, supra flavo-lutescens nigro-pilosus, 


immaculatus. FALLEN. 


== 218 — 


Die Männchen länglich, die Weibchen eiförmig, glanzlos, voll- 
ständig zitronengelb (goldgelb, eigelb, schmutzigsafrangelb), oben 
wie unten mit feinem, hellem Flaumhaar, zu dem auf der Oberseite 
noch längere, schwarze, ziemlich dicht stehende, leicht ausfallende 
Haare hinzutreten; manchmal (Rr.) auch an Kopf, hinterem Pro- 
notum, Schildchen und Adern der Halbdecken stellenweise etwas 
grünlich. Der mäßig geneigte, fast flache Kopf ist beim d mehr 
quer; der Scheitel ist beim d von gut Augenbreite, beim 9 1'/,mal 
breiter (als das Auge). Der gelbe, schwarzgespitzte Schnabel ragt 
nicht über die hinteren Hüften hinaus. An der Kehle finden sich 
(Rr.) aufgerichtete schwarze Borstenhaare. Die dunkelbraunen Augen 
erstrecken sich beim d noch über die Wangen, ihr innerer Rand 
ist kräftig gebuchtet. Die nicht ganz körperlangen Fühler sind gelb- 
lich, seltener bräunlichgelb und mit hellem Haarflaum bedeckt. Das 
Pronotum ist vorne so lang wie breit, seine Seiten sind gerade und 
gegen den Grund mäßig erweitert. Brust und Hinterleib sind mit 
feinem, hellem Flaum bedeckt; letzterer ist beim 9 ganz hellgelb, 
beim d oben in der Mitte schwarz. Die zitronengelben (beim d 
länger als beim 9) Halbdecken sind entweder einfarben oder zeigen 
2 verwischte, hellbräunliche Längsstreifen; die abstehenden Haare 
der Halbdecken entspringen aus den vertieften Punkten (K».); die 
schillernde Membran ist hellgrau bis rauchbraun, mehr weniger 
schwarz gezeichnet, hat gelbe Adern und meist glashelle Zellen. Die 
gelben Beine sind fein schwarz behaart; am äußeren Rand der 
Hüften und am untern Rand der Vorderschenkel stelen schwarze 
Borstenhaare, die Schenkel zeigen eine oder auch zwei Reihen 
dunkler Punkte; die Schienen sind schwarz bedornt; das letzte 
Tarsalglied ist schwarz. Länge: 4--5 mm (?—2!14'). 

REuTER unterscheidet (H. G. E. Ill, 305) noch eine Var. 2: 
goldgelb, während der hintere Teil des Pronotum, ein Fleck am 
Schildchengrund, der ganze Clavus, eine breite Binde an der Corium- 
spitze und der Keil, sein Grund ausgenommen, grünlichbraun, die 
Membran aber ziemlich dunkel rauchfarben ist. d. 

Nacl REUTER unterscheidet sich diese Art von dem sehr ähn- 
lich gefärbten aurantiacus Fıes. durch die weit dichtere und längere 
schwarze Behaarung, durch die mit braunen P’unktreihen besetzten 
Schenkel und durch die länger und stärker bedornten Schienen (be- 
sonders der vorderen); von M. Mellu Revr. und chrysotrichus FIER. 
durch die schwarze Behaarung: von M. molliculus VarL. durch Farbe 


und Behaarung. — Nach Fror unterscheidet sich Tanaceti von dem 
16* 


— 244 — 


ihm sehr ähnlichen C. molliculus durch die zitrongelbe Färbung und 
tiefschwarze Behaarung der Oberseite, welcher gar keine hellen 
Härchen beigemischt sind, und durch die etwas kürzere Schnabel- 
scheide; auch fand Fror diese Art nur auf Tanacetum vulgare, 
während molliculus außerdem noch auf den verschiedensten Wiesen- 
pflanzen vorkommt; die Möglichkeit, daß die eine Art bloße Varietät 
der anderen ist, gibt übrigens auch Fror zu. — Saunpers (H. H. 
of b. i. p. 303) bezeichnet diese Art von in der Regel hellerer Fär- 
bung als der sehr ähnliche molliculus, obwohl er auch fast ebenso 
grüne Männchen hievon kennt; besonderen Unterscheidungswert legt 
er auf die dichte schwarze Behaarung der gesamten Oberfläche. Die 
22 haben hier nur selten ein dunkles Band auf den Halbdecken und 
die vorderen Hüften und Schenkel tragen je eine Reihe schwarzer 
Dorne, an Stelle deren sich bei molliculus nur helle Borsten finden. 


Cimer pilosus ScuRank, Faun. Boic. 1801, II, 87, 1142. 

Lygaeus Tanaceti Farrés, Mon. Cim. Suec. 1807, 77, 36. 

Phytocoris Tanaceti Farrés, Hem. Suec. 1829, 83, 13. 

Capsus sordidus KırscHhBaum, Rhynch. Wiesbad. 1855, p. 17 
et 87, sp. 116; p. 150, 18. 

Capsus Tanaceti Ftor, Rhynch. Livlds. 1860, I, p. 610, 87. — 
Tuomsox, Opusc. entom. 1871, IV, 450, 115. 

? Macrocoleus aurantiacus Fierer, Criter. 1859, 37. — Eur. 
Hem. 1861, p. 320, 3 verisim. 

? Macrocoleus aureolus Fieger, Eur. Hem. 1861, p. 320, 4 verisim. 

Macrocoleus sordidus Fieger, Eur. Hem. 1861, p. 320, 5. 

Macrocoleus Tanaceti REUTER, Rev. crit. Caps. 1875, p. 145, 1. 
— Hem. Gym. Sc. et Fenn. 161, 1. -—— Ent. Monthl. Mag. XV, 1878, 
p. 66. — Hem. Gym. Eur. II, 1879, p. 223, 6 et 305, Tab. III, 
tig. 7; III, 1883, p. 471 et 536. -— SAuspErs, Synops. of brit. Hem. 
Het. 1875, p. 296, 2. — Hem. Het. of the brit. isl. 1892, p. 303, 
PI. 28, fig. 6. 

Macrocoleus pilosus REUTER, Revis. synon. 1888, II, p. 302, 
No. 282. — Arkxsos, Cat. of Caps. 1889, p. 153. - 

Megalocolrus pilosus Purton, Cat. 4. édit. 1899, p. 73, 1. 

Bayern: Bei Bamberg auf Waldblößen. Funk. — Württemberg: 
Bei Ulm sehr selten; Neu-Ulmer Glacis, Kiesental, je 1 Exemplar; 
bei Weinsberg, 8, häufiger; bei Hall von Dr. Diez gefunden. HöEBER. 
— Elsaß-Lothringen: Metz. Reıser-Puron. — Hessen-Nassau: Bei 
Frankfurt am Main mit M. mollieulus FALL. auf Tanacetum, Artemisia, 


-— 245 — 


auch in Gesellschaft von Oncotylus punctipes Reur., von Ende Juni 
bis Mitte September nicht selten. Ob pilosus und molliculus wohl 
gute Arten sind?! GuLDE. — Nassau: 8; Wiesbaden; auf niederen 
Pflanzen an Weg- und Waldrändern und auf Blößen, z. B. an der 
Tränk und hinter dem Turnplatz, nicht selten; 7—8. KırscHBaun. 
— Westfalen: Auf den Blüten von Chrysanthemum tanacetum zu- 
gleich mit Oncotylus punctipes Reur. Von Dr. Wims und mir zahl- 
reich unweit Münster beim „bohen Schemm“ an der Werse angetroffen. 
Var. plagiata (= var. b REUT.) einzeln unter der Stammform. M. sor- 
didus Ks. ein Stück mit den vorigen an gleichem Orte auf Tanacetum. 
Vielleicht nur Varietät. Westuorr. — Thüringen: Von Dr. SCHMIEDE- 
KNECHT (Blankenburg) gesammelt. Fokker.—Schleswig-Holstein: Auf 
blühendem Rainfarn nicht selten, bei Sonderburg, Apenroode und 
Niebüll. Wüstnei. — Mecklenburg: Auf Tanacetum vulgare an Graben- 
ufern und Wegrändern im Juli häufig. Ranpparz. — Schlesien: C. Tana- 
ceti FALL. im Juni und Juli auf Tanacetum vulgare. Um Breslau 
gemein . . . Schorz!. — In der Ebene und im Gebirge, vom Juni 
bis in den August, häufig auf Tanacetum vulgare . . . ÄSSMANN. — 
Provinz Preußen. BRISCHKE. 

An Waldrändern auf niederen Pflanzen. Auf Blößen in Wäldern 
nicht selten. FIEBER. 

Hab. in Tanaceto vulgari: Suecia australis!, D. D. FaLLin et 
Boneman; Fennia orientalis: D. J. SauLBers; Livonia, D. Prof. Fror; 
Rossia (Moskva), D. Osnanın; Anglia!, D. Saunpers; Germania (Wies- 
baden), D. Prof. Kırscusaum); Gallia borealis (Lille!), D. Dr. Puron. 
Alandia (Kökar!), ipse, aetate 1879. — Dania (Jylland !), D. Schick ; 
Belgia, D. Wesmaer; Halıcia!, D. Dr. v. Horvarı. Reuter. (1879 
et 1883.) 

Hab. Scandinavia, Livonia, Hungary, Germany, Russia, N. France, 
Britain. ATKINSON. | 

(Schweiz: An Waldrändern auf Lärchtannen und den darunter 
stehenden Pflanzen. Anfangs August nicht selten um Bad Pfäffers 
In einer Höhe von ca. 4000' s. M. . . . Frey-GeEssner. — Grau- 
bünden: Wie solitarius Mey., bis zu 4000‘ Höhe. Kırrıas. — Liv- 
land: Zahlreich und zwar nur auf Tanacetum vulgare, im Juli, August. 
Ftor. — England: On Tanacetum, Chobham, August: on Achillea, 
Surbiton . . . SAUNDERS.) 


ı Falls nicht Oncotylus punctipes REvT. = Haun Fig. 309 gemeint sein 
sollte. H. 


— 246 — 


170 (562) exsanguis H. Scu. 


Grünlich-graugelb, glanzlos (KB.), schmutzig-ockergelb oder 
lehmgelb (Rr.), oberseitsziemlich lang, dicht und liegend 
gelb behaart, unten fein hell beflaumt, durch Färbung und Be- 
haarung leicht kenntlich. Kopf nicht länger als das Pronotum, 
von der Seite gesehen länger als hoch; Kopfschild nach vorne stark 
abfallend. Der Schnabel überragt nur wenig die hinteren Hüften. 
Die ziemlich großen, braunen Augen erstrecken sich, bes. beim d, 
weit über die Wangen. Die schmutzig erdfarbenen, an den beiden 
letzten Gliedern dunklen Fühler sind schwarz beflaumt; Glied 2 
und 3 sind (K».) fast gleichlang. Das schmutzig-ockergelbe Pro- 
notum ist auf seiner hinteren Fläche leicht graulich; das Schildchen 
ıst einfarben ockergelb. Brust und Hinterleib sind schmutzig-gelbbraun, 
erstere beim d in der Mitte dunkelbraun. Die Halbdecken sind beim d 
lang und schmal, beim 9 kürzer und breiter, von dunkler Färbung, 
während (Rr.) schmutziggelb sind: der ganze Seitenrand, die Kom- 
missur, die Clavusnaht beiderseits und die Kubitalader, mehr oder 
weniger breit. (Kırschp.: Halbdecken hell graubräunlich mit helleren 
Nerven, daher längsgestreift erscheinend: — Fıes.: Halbdecken 
schwärzlich, die Hauptrippen in der Substanz des Corium bis in 
den Hinterwinkel und ein Streif an der Schlußnaht im Clavus und 
Corium durchscheinend weißlich); die Membran ist rauchfarben 
(schmutzig Fies., schwach getrübt Kß.), die Adern sind schmutzig- 
weiß, die kleinere Zelle ist ganz schwarz, von der größeren 
nur der innere Teil. Die Beine haben Körperfarbe und tragen 
schwarzen Haarflaum; die Schenkel sind ohne Zeichnung, 
die Schienen haben kleine schwarze Dorne, die Tarsen sind dunkel- 
braun, ihr letztes Glied ist schwarz. Länge: 4!/2 (9) — 5'/s (8). 
(2'/2‘.) 

Capsus exsenguis HERRICH-SCHÄFFER, Nomencl. entom. I, 1835, 
p- 50. — Kırschpavm, Rynch. Wiesbad. 1855, p. 16 et 79, sp. 100. 

NMHacrocoleus ersanguis Fieerr, Eur. Hem. 1861, p. 320, 6. — 
REUTER, Hem. Gymn. Eur. II, 1879, p. 229, 12, Tab. IV, fig. 1; 
IM, 1883, p. 536. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 153. 

Megaloroleus ersanguis Puros, Cat. 4. éd. 1899, p. 73, 3. 

Bayern: Bei Bamberg auf Waldblößen. Funk. — Nassau: d; 
Mombach ; auf Blößen des Kiefernwaldes, häufig; 7. KIRSCHBAUM. — 
Hessen-Nassau: Ein Exemplar, 16. 7. 1902, in sandigem Kieferwalde 
bei Eberstadt. bei Darmstadt. GULDE. 


— 247 — 


Auf Blößen des Kiefernwaldes häufig (Kırscusaum). Deutsch- 
land. FIEBER. 

Hab. in Germania!, D. D. HERRICH-SCHAEFFER et KıRscHBAUM ; 
Alsacia!, D. Rewer. Reuter (1879). 

Hab. in Germany. ATKINSoN. 

(Frankreich: Dep. du Nord : Fortifications de Lille, Lambersart; 
tres-commun en juin dans les environs d’Henin-Lietard, sur les ter- 
rains incultes, autour des fosses des houilleres. LETHIERRY). 


171 (563) molliculus Fau. 


P. molliculus pallide virescens, supra nigro-pilosus; elytris 
maculis fuscis et albis sparsis. FALLÉN. 

Grünweiß oder bläulichweiß Revur., (graulich gelbgrün KB.; 
graulichgrün SAUNDERS; hellgelb oder grünlichgelb Fr.; gelblich, 
grünlichgelb oder graulichgrün Der. Sc.), fein, dicht und ziem- 
lich lang hell behaart und beflaumt, die Haare in be- 
stimmter Richtung braun schimmernd, unterseits fein hell beflaumt, 
die Männchen länglicheiförmig (mit etwas längeren Halbdecken, 
weniger dicken Hinterschenkeln, weniger breiter Stirn und !/2 mm 
größerer Länge), die Weibchen eiförmig (und gegenteilig); nach FLor 
sind Kopf, Vorderteil des Pronotum und Abdomen zuweilen hell- 
grün. Der etwas gewölbte, stark geneigte Kopf ist beim & leicht 
quer und ums Doppelte schmäler als der Pronotumgrund, beim 9 so 
lang wie hinten breit und etwa ?/s schmäler als jener; der Scheitel 
(mit hier nicht scharfkantigem Hinterrand) ist beim d °/s breiter 
als das Auge, während er beim 9 mehr als doppelte Augenbreite 
hat. Der grünlichgelbe, schwarz gespitzte Schnabel reicht über die 
hinteren Hüften hinaus, fast bis zur Hinterleibsmitte. Die schwarz- 
braunen, am inneren Rand gebuchteten Augen dehnen sich, besonders 
beim d, weit über die Wangen aus. Die weißgrünen, gegen ihre 
Spitze zu hellbräunlichen und mit ganz feinem, weißem Flaum be- 
setzten Fühler haben etwa ?/s—?/s Körperlänge, Glied 1 ist kürzer 
als der Kopf, das zweite Glied ist beim d verdickt und etwas kürzer 
als das dritte und vierte zusammen. Das grünlichweiße, vorne 
häufig grünliche Pronotum ist quer, so lang wie der Kopf, doppelt 
so breit wie lang, wenig gewölbt, mäßig geneigt, nach vorn ziem- 
lieh stark verschmälert, sein Grund beim d zweimal so breit, beim Q 
nur anderthalbmal als der vordere Rand, Grund und Seiten sind 
fast gerade. Das Schildchen zeigt manchmal eine grünliche Mittel- 
lnie. Brust und Hinterleib sind weißgrün (seitlich grün) und mit 


— 248 — 


feinem, hellem Flaum besetzt. Die weißgrünlichen Halbdecken zeigen 
hellbräunliche verwischte Längsstreifen auf Corium und Clavus, 
(ähnlich, aber etwas heller als bei Tanaceti), während der Cuneus 
leicht gebräunt ist mit heller Basis; (Ks.: Halbdecken graugelblich 
mit schmutzig hellbraunem Fleck auf dem hinteren Teil des 
Coriums und ebenso gefärbtem Anhang, die Nerven der schwach 
getrübten Membran nicht auffallend heller); die glashelle Membran 
ist dunkel gezeichnet, ihre Nerven sind hell, die größere Zelle gelb- 
lich, die kleinere bräunlich. Die hellgelben Beine (mit fast weißen 
Schienen) sind mit hellem Haarflaum besetzt, am äußeren Rand der 
Hüften und am unteren Rand der Vorder-Schenkel stehen (Rr.) helle 
Borstenhaare; die Schenkel zeigen unten 1 oder 2 Reihen dunkler 
Punkte, die Schienen schwarze Dorne, die auf den Vorder-Schienen 
in 3 Reihen stehen: die Tarsen sind meist rostfarben mit dunkel- 
brauner Spitze. Länge 4—5 mm (2—2!/2 ‘‘), die Weibchen etwas 
kürzer als die Männchen. — Nach KırscHBaum unterscheidet sich 
diese Art von dem ihr sehr ähnlichen ochroleucus durch die be- 
deutendere Größe, den im Verhältnis zur Länge des Kopfs längeren 
und breiteren Vorderrücken, durch die weniger dicken Hinterschenkel 
und durch die Behaarung. — Nach Fror unterscheidet sich molli- 
culus von dem sehr nahe stehenden Tanaceti, außer durch hellere 
gelbe Färbung, leicht durch die feinere und dichtere helle Be- 
haarung der Öberseite und die etwas bedeutendere Länge der 
Schnabelscheide. 

REUTER unterscheidet (l. i. c.) noch eine Var. g: mit fast ver- 
wischter Zeichnung der Halbdecken; und eine Var. y (vielleicht 
species propria): gelbrot, oben mit zerstreuten dunkelbraunen Haaren, 
der Scheitel (3) nur um die Hälfte breiter als das große Auge; 
sonst ganz wie oben. 

Phytocorus molliculus Farrés, Hem. Suec. 1829, p. 82, 12. 

Capsus molliculus HERRICH-SCHÄFFER, Wanz. Ins. VI, 1842, p. 32, 
Taf. 191, Fig. 589. — Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 78, Nr. 54. 
— F. SauLgers, Mon. Geoc. Fenn. 1848, p. 103, 25. — KırscHBaun, 
Rhynch. Wiesbad. 1855, p. 16 et 80, sp. 101. — Fror, Rhynch. 
Livlds. 1860, I. p. 611, 88. — Tuomson, Op. ent. IV, 451, 116. 

Macrocoleus Hardyı Borb, Trans. N. Durham Soc. IV. 1872, 
p. 398. 

Macrocoleus molliculus Fieger, Eur. Hem. 1861, p. 321, 7. — 
DoucLas et Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 387, 1, Pl. XH, fig. 9. — 
Rerrter, Rev. crit. Caps. 1875, p. 145. 2. — Hem. Gym. Sc. et 


— 249 — 


Fenn. p. 161, 2. — Hem. Gymnoc. Europ. II, 1879, p. 226, 9 et 305; 
IN, 1883, p. 537. — Saunpers, Synops. of brit. Hem. Het. 1875, 
p. 297, 3. — Hem. Het. of the brit. isl. 1892, p. 303. — ATKINSON, 
Cat. of Caps. 1889, p. 153. 

Megalocoleus molliculus Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 73, 9. 

Bayern: Bei Augsburg nicht selten. Kırrer. — Bei Bamberg auf 
Achillea. Fusk. — Bei Regensburg von Dr. Murzer gefunden. 
Hosger. — Württemberg: von Dr. Diez in Schwäb. Hall. HüEBFR. — 
Baden: Bei Karlsruhe von Merss gefunden. Hüzßer. — Elsaß-Loth- 
ringen: Region vosgienne; forêts de Vendenheim, de Walbourg; bords 
de la Bruche. Metz: Mont St. Blaise, 6—7; pas rare; sur l Achillea 


millefolium. ReıBer-Puron. — Hessen-Nassau: Frankfurt am Main: 
siehe unter No. 169; (M. pilosus ScurK.). Ist vielleicht. molliculus 
das frische Thier von pilosus? GuLpe. — Nassau: 89; Wiesbaden, 


Mombach; auf niederen Pflanzen an Wegrändern und auf Wald- 
blößen, z. B. hinter der Zintgraff’schen Gießerei, häufig; ”—8. Kırsch- 
BAUM. — Thüringen: von Dr. SchmiEDEknecHt (Blankenburg) gesammelt. 
Fogger. — Überall (bei Gotha) nicht selten. KeLLNER-BREDDIN. — 
Schleswig-Holstein: An gleichen Orten wie M. Paykuli und gleich- 
falls nicht selten. Wtstneiı. — Mecklenburg: Im Juli und August 
auf niederen Pflanzen an Grabenufern und Wegrändern überall häufig. 
Rappartz. — Schlesien: Im Juli an grasigen und kräuterreichen Orten 
nicht selten... SchoLz. — In der Ebene und im Gebirge, vom Mai 
bis in den August, an kräuterreichen Orten, im Gebirge besonders auf 
Tanacetum vulgare, nicht selten... Assmann. — Provinz Preußen. 
BRISCHKE. 

Nicht gemein; bei Regensburg und von Herrn Mever in Burg- 
dorf. — Das Weib ist merklich kürzer und breiter, nähert sich daher 
mehr einer regelmäßigen Eiform. HerRIcH-SCHÄFrER. (1842.) 

Auf blühender Achillea, auf Ononis-Arten. Durch Europa ver- 
breitet. FIEBER. 

Hab. in Tanaceto vulgari, Achillea et Ononide: fere tota Europa. 
Var. y e Germania (Berlin. — Etiam in Digitali lutea et Ver- 
basco thapso, sec. D. Prof. Frey-Gessyer. Reuter. (1879.) 

Hab. Nearly all Europe, Britain. ATKINSON. 

(Schweiz: An steinigten, verwilderten, überwachsenen Abhängen 
der mittleren und nördlichen Schweiz, an einigen Stellen häufig, 
besonders auf Digitalis lutea und Verbascum thaspsus von Anfang 
bis Ende Juli . . . Meyer. — Auf Ononis, Achillea, Digitalis lutea 
und Verbascum thapsus an steinigen verwilderten Bördern und Berg- 


— 250 — 


abhängen von Anfang Juli bis Ende August; stellenweise häufig... 
FREY-Gessner. — Böhmen: Auf trockenen Grasplätzen und Feld- 
rainen, besonders auf Achillea millefolium, wohl überall zu Hause, 
hie und da recht gemein; 6—8. Dupa. — Prag Mühle auf wilden 
Rosen häufig, 29. Juni; Zawist, auf Wiesen an Galium, Achillea und 
anderen Pflanzen... Nickert. — Mähren: Lebt auf Achillea mille- 
folium. Um Proßnitz.... selten. Spitzwer. — Livland: Häufig auf 
Wiesen, Brachfeldern, an Feldrändern, auch auf Tanacetum vulgare, 
im Juli, August, September. Fror. — England: A very abundant 
and widely distributed species on Tanacetum vulgare, in July... 
DoucrLas and Scorr. — On Tanacetum and other plants, not rare, 
and widely distributed. SAUNDERS.). 


172 (564) ochroleucus Ko. 


Cupsus ochroleucus 89:2" 12° long., 3/4“ lat. (d), 2—2!/4 long., 
4,5—1 lat. (9), oblongus (d) aut oblongo-ovatus (9) opacus, laevis, 
hemielytris vage punctatus, supra pallide-pilosus, infra albido-pubescens, 
dilute pallide flavescens aut virescenti-flavescens, hemielytris macula 
obsoletissima obsceuriore; antennis corporis dimidio paullo longioribus, 
articulo 1 brevi; femoribus, imprimis posticis atque etiam anticis, 
modice imprimis in ọ incrassatis, tibiarum spinis tarsorumque arti- 
culo 3 apice nigricantibus. KIRSCHBAUM. 

Bleich grüngelb oder hellgelb, glatt, glanzlos, oben mit ziem- 
lich langen, halbliegenden hellgelben Haaren (die nicht bräunlich 
schimmern), unten mit feinem, hellem Flaum bedeckt, die Männchen 
länglich, die Weibchen länglich-eiförmig. Kopf (besonders beim d) 
schief nach unten gerichtet, mit den Augen breiter als lang, in 
beiden Geschlechtern leicht quer, nur '/, schmäler als der Pronotum- 
grund, Scheitel beim d doppelt, beim 9 anderthalbmal breiter als das 
Auge; der am Grunde gelbgrüne, weiterhin erdfarbene, an seiner 
Spitze duukelbraune Schnabel reicht bis zur Hinterleibsmitte. Die 
länglich runden, im Leben bräunlichen Augen sind beim d größer als 
beim 9. Die Fühler sind (besonders beim 9) länger als der halbe 
Körper, etwas vor den Augen eingelenkt, bleich grünlichgelb, gegen 
die Spitze zu mehr gelb und mit feinem hellem Flaum besetzt; ihr 
erstes Glied ist etwa halb so lang wie der Kopf, fast zylindrisch, 
zerstreut abstehend hell behaart (gleich den folgenden), das zweite 
(beim 9 etwas dünnere) Glied ist fast 4mal so lang als das erste. 
Das Pronotum ist an seinem Grunde zweimal breiter als lang, vorne 
so lang wie breit, hat gerade Seiten und fällt nach vorne nur wenig 


— 2 — 


ab. Das Schildchen hat manchmal eine grünliche Mittellinie. Brust 
und Hinterleib sind fein hell beflammt und von Leibesfarbe; die 
Mittelbrust ist beim d bräunlich. Die blaßgelben Halbdecken über- 
ragen (besonders beim d) den Hinterleib, ihr Außenrand ist beim 
č fast gerade, beim 9 in der Mitte nach außen gebogen; sie zeigen 
etwas zerstreute, flach eingedrückte Punkte (besonders deutlich bei 
durchfallendem Licht) und einen verschwommenen bräunlichgelben 
Fleck auf der hinteren Hälfte des Coriums; auch die Keilspitze ist 
dunkler; die glashelle Membran hat blaßgelbe Adern, die kleinere 
Zelle und ein Fleck hinter derselben ist bräunlichgrau. Die blaß- 
gelben Beine sınd mit hellem Flaumhaar besetzt, Hüften und Vorder- 
schenkel zeigen am Rande helle Borstenhaare, die kurzen Schenkel 
sind verdickt (die mittleren am wenigsten) und (deutlich besonders 
an den Hinterschenkeln) schwach fein punktiert; die Schienen sind 
mit gelbbraunen oder dunkelbraunen Dornen besetzt (die an den 
vorderen Schienen in 3 Reihen stehen), die Spitze des letzten Tarsal- 
gliedes ist dunkel. Länge 3°/s—4!ls mm (21,4—2!],). — Nach 
Kırschsaum ist diese Art dem molliculus zum Verwechseln ähnlich, 
aber kleiner, heller gefärbt und heller behaart, hat (in beiden 
Geschlechtern) dickere Schenkel (indem namentlich die Vorder- 
schenkel im Verhältnis zur Länge dicker sind) und besitzt einen 
kürzeren und schmäleren Vorderrücken (Pronotum). Nach REUTER 
unterscheidet sich ochroleucus von dem sehr ähnlichen molliculus 
durch seine weit kleinere und (9) gewölbtere Gestalt, durch seine 
mehr ins Gelbe ziehende Färbung, durch die fast ungezeichneten 
Halbdecken, durch die etwas kürzeren Augen des Weibchens, durch 
sein deutlich schmäleres und kürzeres Pronotum, sowie durch die 
kürzeren und dickeren Schenkel. 

Capsus ochroleucus Kırscnhzaum, Rhynch. Wiesbad. 1855, p. 17 
et 88, sp. 117; p. 155, 19. 

Macrocoleus ochroleucus Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 228, 11; I, 1883, p. 471 et 537. — Arkısson. Cat. of. Caps. 
1889, p. 153. 

Megalocoleus ochroleucus Puton, Cat. 4 edit. 1899, p. 73, 10. 

Baden : Karlsruhe, Daxlanden; 7. Meess. — Nassau: dọ; Wies- 
baden, Mombach; auf niederen Pflanzen an Feldrainen und auf Wald- 
blößen, z. B. hinter dem Turnplatz, mit C. molliculus Fail., häufig; 
7—8. Kırscheaum. — Schleswig-Holstein: Ein Stück, welches wohl 
dieser Art angehört, habe ich am 23. 7. 1880 bei Emmelsbüll ge- 
fangen. Wüstser — Mecklenburg: Mit C. molliculus Fart. zu- 


— 252 — 


sammen (bei Rostock) in den Barntorfer Tannen und bei Kösterbeck 
im Juli und August, aber selten. RADDATZ. 
Hab. in Germania (Wiesbaden), D. Prof. Kırscagsaum; Hungaria 
(Buda!, Pest!), D. Dr. v. Horvat. — Mecklenburg D. RappaTz. REUTER. 
Hab. Germany, Hungary. ÅTKINSON. 


? 173 (565) femoralis Revr. 


Grünlichgelbrot, glanzlos, fein weißlich beflaumt, (mutmaßlich 
Oben auch mit schwarzen Haaren, die aber dem einzigen bekannten 
Weibchen möglicherweise ausgegangen), das 9 eiförmig. Der Kopf 
(92) nur '/s schmäler als das Pronotum hinten breit, so lang wie 
hinten breit, von der Seite gesehen etwa !js länger als hoch; der 
Scheitel (2) 2'/s mal breiter als das Auge. Der gelbliche, am ersten 
Glied grünliche, an der Spitze pechfarbene Schnabel reicht bis zur 
Bauchmitte. Die gelblichen Fühler sind fein schwarz beflaumt:; ihr 
erstes Glied ist am Grunde grünlich und zeigt an der Spitze einige 
Borstenhaare;, das zweite Glied ist so lang, wie das Pronotum am 
Grunde breit. Das gelbrote Pronotum ist an seinem Grunde nur 
wenig mehr als die Hälfte breiter als lang, vorne so lang wie breit, 
die Seiten gerade, die Fläche nach vorne leicht abfallend, am Grund, 
gleich dem Schildchen, mehr gelbgrünlich. Brust und Hinterleib 
sind gelb, erstere stellenweise auch grünlich. Die gelbich-rußigen 
(schwarz behaarten?) Halbdecken haben einen, am Grunde, hellen 
Seitensaum; die Membran samt Zellen ist dunkelrauchfarben, die 
Adern sind hellgelb, an der Keilspitze findet sich ein glasartiger 
Fleck, auch ein Bogen unterhalb der Zellspitze und ein größerer 
Fleck am Seitenrand ist etwas hyalın. Die Beine sind von Körper- 
farbe und fein schwarz beflaumt; die Schenkel sind dicht mit 
kleinsten dunklen Pünktchen besät; die Schienen tragen ziemlich 
lange schwarze Dörnchen; das letzte Tarsalglied ist schwarzbraun. 
Länge: @ 3/4 mm. Diese durch die Farbe ihrer Schenkel von 
allen nahestehenden leicht zu unterscheidende, dem AMacrotylus 
Horvathi Rrut. sehr ähnliche Art ist jedoch weit kleiner, hat einen 
weit kürzeren Kopf und unterscheidet sich auch von jenem leicht 
durch die Zeichnung der Membran und den Bau der Klauen. Nach 
REUTER. 

Macrocoleus femoralis Revter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 230, 13, 9; III, 1883, p. 537. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 153. 

Megalocoleus femoralis Puros, Cat. 4 éd. 1899, p. 73, 13. 

Hab. in Alsacia! D. Reiser. Rerrer (1879). 


— 253 — 


NB! Wieder einmal eine „neue Art“, „species propria“! (viel- 
leicht nur abweichende Form?), die bisher niemand kannte und die 
späterhin mutmaßlich auch niemanden weiter zu Gesicht kommen 
wird, die sich auf ein einziges, von REBER im Elsaß gefundenes und 
von Professor O. M. Reuter (Helsingfors) beschriebenes, nicht einmal 
gut erhaltenes Weibchen gründet! H. 


BELLEvoYE, Cat. des Hemipt. du Departement de la Moselle, 
Metz, 1866, gibt, p. 24, den Macrocoleus aurantiacus Firg. für 
dorten an: „Hettange, Roz£rieulles, sur la luzerne, assez commun.“ 
— Nach Purox’s Cat. 1899 kommt diese Art in Frankreich, Griechen- 
land und Algier vor; nach Arkınson (1889) in Corsica, Süd-Frank- 
reich, Algier, Griechenland, Kleinasien. Ebenso Reuter (Hem. Gymn. 
Europ. II, 1879, p. 218, 1): „Gallia meridionalis (St. Tropez!), 
D. Dr. Purox.“ — Demnach dürfte hier wohl eine Verwechslung 
vorliegen?! H. 


Amblytylus Firs. 


Körper länglich, matt; der nahezu wagrecht vorgestreckte, 
kaum geneigte Kopf kaum halb so breit wie der Pronotumgrund, 
von oben gesehen spitz dreieckig, nie in die Quere gezogen, von der 
Seite gesehen mindestens um die Hälfte länger als hoch; der Kopf- 
schild stark vorspringend, rundgebogen, seitlich gesehen breit, am 
meisten gleich hinter der Mitte, sein Grund (seitlich gesehen) weit 
über der mittleren Augenlinie gelegen; der Gesichtswinkel nur 
schwach spitz; die Wangen breit, beim ọ höher als beim g; die 
gerade, den halben Kopf einnehmende Kehle in der Mundebene ge- 
legen: die ziemlich kleinen Augen schief an den Kopfseiten gelegen ; 
der Schnabel (mit verbreitertem erstem Glied) überragt stets die 
hinteren Hüften. Die schlanken Fühler sind vor der Augenspitze 
und von ihr ziemlich abstehend eingefügt. Das (trapezförmige) 
Pronotum ist vorne gebuchtet; seine geraden Seiten sind vorne 
mehr oder weniger (zugeschärft) gerandet; seine wagrechte (oder 
nur ganz leicht nach vorne abfallende) Fläche ist zu beiden Seiten, 
innerhalb des Randes, mehr oder weniger deutlich (nach vorne zu 
stärker) eingedrückt; die Buckel (Schwielen) sind ausgebildet. Das 
Schildchen ist am Grunde frei., Der Fortsatz (Xyphus) der Vorder- 
brust ist ausgehöhlt und ziemlich stark (scharf und erhöht) gerandet; 


— 254 — 


die Mittelbrust ist vorne abgestutzt. Die Halbdecken sind aus- 
gebildet und besitzen eine zweizellige Membran; der Haken der 
Flügelzelle geht von der verlängerten Ader aus und steht vom 
Grunde der rücklaufenden Ader etwas ab. An den Beinen ragen 
die vorderen Hüften meist nicht über die Mitte der Mittelbrust 
hinaus; die Hinterschenkel sind nur wenig verdickt, die Schienen 
ziemlich lange bedornt; die ziemlich langen, geraden Klauen werden 
vorne plötzlich hakig, die gelappten Haftläppchen sind über ihre 
Mitte hinaus mit den Klauen verwachsen, die Spitze ist verbreitert 
und frei, zwischen den Klauen finden sich 2 parallele Borstenhaare, 
— Die Arten dieser Gattung leben auf verschiedenen Pflanzen an 
trockenen Orten. — Die Gattung Amdblytylus (Stumpfschwiele) unter- 
scheidet sich von der Gattung Macrocoleus (Langscheide) durch 
den fast wagrecht vorstehenden, stets weniger abfallenden Kopf. 
durch den stärker vorspringenden, mehr rundgeschweiften und breiteren 
Kopfschild, dessen Grund (seitlich gesehen) viel höher liegt, durch 
die kleineren und schiefer gestellten Augen, durch die kürzeren Vorder- 
hüften und durch die (mindestens vorne) gerandeten, geschärften 
Pronotumseiten. Nach Reuter. 

FIEBER beschreibt (Europ. Hem. p. 318) 6 Amblytylus- Arten. 
von denen neuerdings (Pur., Cat. 1899) zwei (longirostris und lunula) 
zur Gattung Megalocoleus (Macrocolcus FiB.) gezogen werden. Puros 
zählt in seinem neuesten Katalog 12 paläarktische Arten auf, dar- 
unter 3fragliche (Jani Fies., longiceps Fror, ornatulus Jax.). In 
Deutschland kommen nur 3 Arten vor: albidus Haus, nasutus Ke., 
affinis FıEe. 

Reuter gibt (Hem. Gymn. Europ. 111, 1883, p. 535) über 7 
paläarktische Amblytylus-Arten nachfolgende (hier verdeutschte) ana- 
Iytische Tabelle: 

1. (2.) Leib sehr lang oder doch verlängert, mit zartem, weißlichem 
Flaum bedeckt, oberseits mit zwei bis zum Kopf durchlaufenden 
braunen Binden. Pronotum deutlich an seinem Grunde nicht 
doppelt so breit wie lang . . 2. 2.2.2.2... albidus Hann. 

. (1.) Leib eirund oder länglich. Pronotum am Grunde etwa zweimal 
so breit wie lang. 
3. (6.) Leib oberseits zwar dicht, aber ziemlich kurz schwarz behaart. 
Kopf, Pronotum und Schildchen zeigen meist einen blassen Streifen. 
4. (5.) Oberseite des Hinterleibs gleichfarben. Ziemlich bleich. 
nasutus KIRSCHB. 
5. (4.) Oberseite des Hinterleibs schwarz. Färbung meist dunkler. 


Halbdecken zwischen den Adern *breit dunkelbraun gefärbt 
affinis Fıre. 


to 


— 255 — 


6. (3.) Leib oberseits nicht schwarz behaart, sondern mit ziemlich 
langem weißem oder bleichgelbem Haarflaum besetzt, dessen Haare 
jedoch in gewisser Richtung bräunlich aussehen. 

L7. (8). Membran opalweiß, ihre Adern blaß gelblich í 

Der südfranzösische delicatus Prar.] 

S. (7.) Membran hellrauchfarben oder fast glashell, die Zellen bräun- 
lich oder meist nur die größere Zelle innen bräunlich, stets ohne 
dunklen Bogen an der Spitze (wie bei delicatus PERR.) 

. (10.) Pronotum vorne bei den Schwielen beiderseits deutlich ge- 
randet. Scheitel beim J von 2!/3, beim Q von 3facher Augen- 
breite. An den Fühlern sind die beiden letzten Glieder zusammen 
dentlich länger als das zweite, das dritte 

Der südfranzösische brericóllis Fire.) 

10. (9.) Pronotum vorne bei den Schwielen beiderseits nur verschwommen 
gerandet. An den Fühlern sind die beiden letzten Glieder zu- 
sammen kaum länger als das zweite, das dritte etwa um ?/4 bis 
Il; kürzer als das zweite und mehr als ums Doppelte länger 
denn das vierte. 

11. (12.) Leib weißgrünlich. Der Schnabel reicht bis zur Bauchmitte. 

Der osteuropäische concolor JAK. 
|12. (11.) Leib gelbbraun. Der Schnabel reicht nicht bis zur Bauch- 
mitte. Der ungarische testaceus Rrur.] 


174 (566) albidus Hann. 


Weißliche Graswanze: Die Fühler halb so lang als der ganze 
Körper, sehr arm behaart, das erste Glied nicht länger als der Kopf; 
weiß; auf beiden Seiten des Kopfes und Rückenschildes ein brauner 
Längsstreifen; die Halbdecken nach innen braun oder nur bräun- 
lich; Augen bräunlich, in der Mitte schwarz; Fühler und Füße weiß. 
Länge 2!le‘, Breite kaum °/s''. — Bei manchen Exemplaren ist 
die Brust und die Mitte des Bauches schwarz, bei andern aber ein- 
farbig weiß. Hamn. (1834.) 

Leib stark länglich (etwa 4 X so lang wie breit), hell strohgelb 
mit schwachem Glanz oberseits, das ọ mehr einfarbig, das d mehr 
weniger rötlich mit schwärzlicher Brust und gereihten hellroten 
Flecken am Bauch, mit feinem weißlichem Flaumhaar bedeckt (Be- 
haarung glänzend weiß KB.); von der Spitze des Vorderrückens läuft 
beiderseits eine braune Binde bis zur Membran. Der langvorgestreckte, 
hellbräunliche Kopf mit hellgelbem Scheitelrand ist nur halb so breit 
wie der Pronotumgrund ; der pechschwarze Schnabel ist an seinem 
Grunde blaßgelblich; die hellgelben, bräunlich beflaumten Fühler 
werden gegen ihre Spitze zu dunkler; ihr kräftiges, stabförmiges, 
erstes Glied ist (von oben gesehen) nur um !/s kürzer als der Kopf, 


— 256 — 


das zweite Glied ist so lang wie das Pronotum am Grunde breit, 
das dritte ist beim d so lang wie das zweite, beim Q etwas kürzer. 
Die Augen sind dunkelbraun. Das länglich trapezförmige Pronotum 
ist nur um !/s kürzer als am Grunde breit und vorne (!/,) schmäler 
als lang (Ke.: Vorderrücken am Grunde etwa doppelt so breit als 
in der Mitte lang), und hat nahezu gerade Seiten; es ist stroh- 
farben, vorne manchmal leicht rötlich und zeigt beiderseits, nahe 
seinem Rande, eine ziemlich breite, durchlaufende braune Binde. 
Das strohgelbe Schildchen ist an seinen Grundwinkeln schmal bräun- 
lich. Die Mittelbrust ist beim d schwärzlich. Die durchscheinenden 
strohgelben Halbdecken haben einen fast geraden Außenrand, eine 
schmutzige Membran mit heller kleiner Zelle, weißen Zellrippen und 
braunem Fleck auf der inneren Längshälfte der großen Zelle. Die 
Beine haben Körperfarbe, ohne weitere Zeichnung, die Hinterschenkel 
sind nach der Wurzel zu verdickt, die Schienen sind schwarz bedornt 
und an ihrer Spitze, gleich den ganzen Tarsen, dunkelbraun, an 
den hinteren Tarsen ıst das zweite Glied fast kürzer als das dritte. 
— Länge 5'’%—5?°/s mm (2!/2—3“). — Nach REvTER unterscheidet 
sich diese Art von allen anderen durch ihre längliche Gestalt und 
durch ihren weit weniger in die Quere gezogenen Vorderrücken. 

Miris albidus Hans, Wanz. Ins. II, 1834, p. 77, t. 53, fig. 162. 

Lopus albidus Kırschpavm, Rhynch. Wiesbad. 1855, p. 8 und 
35, sp. 9. 

Capsus albidus Tuomson, Opusc. entom. IV, 452, 119. 

Capsus frontalis MuLsant et Rey, Ann. Soc. Linn. Lyon. 1852, 
p. 127. 

Amblytylus albidus Fieger, Eur. Hem. 1861, p. 318, 1. — REUTER, 
Rev. crit. Caps. 1876, p. 147, 1. — Hem. Gym. Sc. et Fenn. 163, 1. 
= — Hem. Gymn. Europ. lI, 1879, p. 209, 1; I, 1883, p. 470 et 535. 
— ATKINSON, Cat. of Caps. 1889, p. 154. — Pvurox, Cat. 4. edit. 
1899, p. 73, 1. 

Bayern: Bei Nürnberg gemein auf Sarothamnus scoparius. 
KırteL. — Bei Bamberg an Waldrändern auf Sarothamnus. Funk. 
— Baden: Bei Karlsruhe. Merss. -- Hessen-Nassau: Frankfurt 
am Main, an sandigen Stellen, namentlich an Flugsandplätzen auf 
Grashalmen (Dromus?), meist in Anzahl beisammen: Schwanheim, 
1. 7. 1906: 2. 8. 1909 (nur noch 1 Exemplar!); Kahl a. Main: 
12. 7. 1908, also im Juli. Gurbe. — Nassau: d_Q, nur bei Mom- 
bach auf Blößen des Kiefernwaldes, z. B. hinter dem Brunnen, sehr 
häufig: 7—8. Kırscnsaum. — Schleswig-Holstein: Bei Scholmbrück 


— 257 — 


und Emmelsbüll mehrfach im Juli gefangen. Wöüstnei. —- Provinz 
Preußen. BRiscHkE. 

Auf Günster (Spartium scorparium Linn.) in lichten Waldstellen 
hiesiger (Nürnberger) Gegend findet sich im Sommer diese aus- 
gezeichnete Graswanze nicht selten vor. Hann. 

An lichten Waldstellen auf Spartium scoparium und Gräsern 
in Deutschland. FEBER. 

Hab. in Sarrothamno scopario, etc.: Suecia meridionalis, Dr. 
Tuomson ; Germania (Baiern, Hann; Wiesbaden, D. Prof. KırscuBAaun); 
Gallia meridionalis!, D. Dr. Sısnoret. Dania (Fyen!), D. SchuLick. 
REUTER. 

Hab. S. Sweden, Denmark, Germany, S. France. ATKINSON. 

(Nieder-Österreich [Gresten]: Auf Waldblößen, selten. ScHLEIcHeR. 
— Böhmen: Bisher nur von Eger notiert; bei Pograth auf Spar- 
tium scoparium im Juni selten. [D. T.] Dupa.) 


175 (567) nasutus KırscHe. 

Lopus nasutus d9: 2—2'/: long., *s—1"' lat., ovalis (8) 
ant obovatus (9), opacus, laevis, sordide flavo-vireus, breviter nigro- 
pilosus; capite longiore acuminato, clypeo a fronte non sutura 
sejuncto; pronoto valde lato, lateribus marginatis; hemielytris margine 
externo albido dilatatis (ọ), clavo posterioreque corii parte griseo; 
tarsis nigrescentibus. KIRSCHBAUM. 

Das & länglich eiförmig (elliptisch Ke.), das 9 eiförmig (ver- 
kehrt eiförmig Ks.), schmutzig hellgelb (lehmgelb Fire.) oder blaß- 
grüänlichgelb, im Leben mehr grünlich, nach dem Tode mehr gelblich, 
glanzlos, oben kurz schwarz behaart mit untermischtem feinem hellem 
Flaum. Der vorgestreckte, wenig geneigte Kopf ist (mit den Augen) 
etwa so breit wie lang, ?/s schmäler als das Pronotum hinten breit, 
der Scheitel hat beim d 3, beim 9 4 Augenbreiten; das Kopfschild 
ist (von der Seite gesehen) breit und stark gebogen; die Augen 
sind klein, graubraun und nur wenig vortretend; der grünlichgelbe, 
schwarzgespitzte Schnabel reicht bis zur Bauchmitte, sein erstes, 
verbreitertes Glied fast bis zur Spitze des Xyphus. Die etwa ?/s körper- 
langen Fühler sind mit anliegendem Flaum besetzt, in der unteren 
Hälfte schmutziggelb, in der äußeten bräunlich; ihr zweites Glied 
ist (bes. beim d) kürzer als die beiden letzten Glieder zusammen. 
Das wenig gewölbte, vorne grüngelbliche, hinten bräunliche Pro- 
notum ist zweimal so breit wie lang und hat gerade, zugeschärfte 


(FL.: stumpfkantige), gegen die Schwielen zu gerandete Seiten, sowie 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 17 


— 258 — 


(Ks.) etwas winklig eingebuchteten Vorderrand; das Schildchen hat 
eine abgesetzte Basis; über Pronotum und Schildchen läuft eine 
helle oder grünliche mittlere Längslinie. Brust und Hinterleib sind 
grünlich. An den weißgelben Halbdecken ist der Clavus und der 
größere hintere Teil des Corium (bes. beim d) aschgrau, im Gegen- 
satz zum hellgelben Außenrand und Anhang (Ftor schreibt: „die 
Decken erhalten durch die schwarze Behaarung eine schwach bräun- 
liche, fast streifige Färbung, der schmale Außenrand des Corium und 
des Cuneus ohne schwarze Behaarung, daher heller, bleichgelb“); 
Membran dunkel mit hellen Nerven; die Halbdecken selbst sind 
(bes. beim 9) am Außenrand stark nach außen gebogen. Die ziem- 
lich langen, schlanken Beine sind von Körperfarbe und von blassem 
Flaum besetzt, der an der Schenkelspitze länger, dichter und dunkler 
wird; die Schienen sind fein braun bedornt. Länge d 3'/s—4'/e mm, 
ọ 3°/a—4!/ı mm (2!/.'). — Nach KırscuhBaum ist diese Art durch 
die gerandeten Pronotumseiten und die Länge des Kopfes deutlich 
verschieden. 

Lopus nasutus KırschBaum, Rhynch. Wiesbad. 1855, St. 8, 10 
und 35, 10 und St. 121, 1. | 

Capsus nasutus FLor, Rhynch. Livids. 1866, I, St. 552, 47. 

Amblytylus nasutus Fieger, Eur. Hem. 1861, St. 319, 5. — 
Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, p. 148, 2. — Hem. Gym. Sc. et 
Fenn. 164, 2. — Hem. Gymnoc. Europ. II, 1879, p. 211, 3, Tab. III, 
fig. 1; III, 1883, p. 470 et 535. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, 
p. 155. — Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 73, 2. 

Württemberg: Von Prof. Dr. Diez bei Eningen u. A. gefunden. 
Höerser. — Baden: Graben, 6. Meess. — Hessen-Nassau: Frank- 
furt a. M.; an trockenen und mehr sandigen Stellen, besonders auf 
Urtica, Mitte Juni bis Mitte Juli (Schwanheim, 29. 6. 1903; 27. 6. 
1906; 1. 7. 1906; Enkheim, 20. 6. 1906; Kelsterbach, 11. 6. 1904; 
Vilbel, 22. 6. 1907). Gurpe. — JQ, Wiesbaden, Mombach; auf Gras 
häufig, z. B. hinter dem Turnplatz, am Wellritzbach hinter der In- 
fanteriekaserne, bei Mombach auf Blößen; 6—7. KırscHhBaum. — 
Westfalen: 1 Exemplar 2. 7. 1879 bei Gimbte an der Ems geklopft. 
Westuorr. — Thüringen: Von Dr. Schmieneknecht (Blankenburg) ge- 
sammelt. FokKER. — Schleswig-Holstein: Ein Stück bei Husum im 
Juli 1876 gefangen. Wüstnei. — Mecklenburg: In hiesiger Gegend 
(Rostock) noch nicht gefunden, aber mir von H. Dr. Rupow aus der 
Umgegend von Malchin gütigst mitgeteilt. — (Bei Ratzeburg, nach 
Konxow.) RADDATZ. 


— 259 — 


Auf freien Stellen an Gras in Deutschland (um Wiesbaden 
häufig). FIEBER. 

Hab. inter gramina: Suecia meridionalis (Öland! Gotland)), 
D. Prof. Bonemax; Livonia, D. Prof. FLor; Germania (Wiesbaden, 
D. Prof. Kırschpaum; Harz, D. Prof. Ftor), Hungaria (Forro !), 
D. Dr. v. Horvatu; Italia centralis sec. D. GarBicLETTI. — Dania 
(Fyen! Lolland !), D. ScaLick ; Belgia, D. v. VorLxem; Corfu!, D. ErseR. 
REUTER. 

Hab. S. Sweden, Denmark, Germany, Hungary, Italy, Corfu. 
ÅTKINSON. 

(Böhmen: Auf trockenen Grasplätzen, auf verschiedenen Pflanzen, 
bisher nur aus der Umgebung von Prag (Zavist). Dupa. — Mähren: 
Auf trockenen Grasplätzen, auf verschiedenen Pflanzen. Bisher nur 
aus der Umgebung von Proßnitz und Lultsch bekannt. SpITZNER. — 
Livland: Ziemlich selten, an grasreichen Abhängen, im Juni und 
Juli. FrLor.) 

176 (568) affinis FiB. 

Amblytylus affinis Fieser: Bleich graugrünlich. Schwarz behaart 
und gewimpert. Kopf und Pronotum-Buckel lehmgelb. Scheitelmitte 
rötlichgelb, über das schmutziggrünliche Pronotum und Schild ein 
weißgrünlicher Mittelstreif. Halbdecken besonders nach hinten schwärz- 
lich, das Randfeld, die Hauptrippe im Corium und im Clavus weiß- 
lich. Cuneus weißlich, außen etwas derber. Membran bräunlich, 
der Saum breit schwärzlich verwaschen. Die Zellrippen stark, weiß, 
die kleine Zelle braun, die große Zelle zum größeren Teile, besonders 
an den Rippen dunkler, braun, Grund heller, außen bis zur Ecke 
braun gesäumt; unter den Zellen ein am Cuneus winkeliger weißer 
Querfleck ist hintenan braun gesäumt. Schnabelscheide auf die vierte 
Bauchschiene reichend, schmutzig, Spitze schwarz. Rücken schwarz, 
Connexivum, Rückenende und Unterseite ganz grünlich. Schenkel- 
köpfe grünlichweiß. Schenkelende schwärzlich, oberseits eine kurze 
Reihe bräunlicher feiner Punkte, unterseits auf der Endhälfte fein 
bräunlich punkttiert. Schienbeine schmutzigweiß, die hinteren auf 
der Endhälfte bleich bräunlich; am Ende und alle Klauenglieder 
braun. Alle Schienbeine mit feinen schwärzlichen Stacheln besetzt. 
Fühler und Schenkel anliegend kurz schwarz behaart. 

do 2'/e Lin. Aus Norddeutschland. d Aus England (Scorr). 

Ist bei Amblytyllus nasutus Kesm. einzureihen, von welchem ihn 
die anders gezeichnete Membran sogleich unterscheidet. Ähnelt 


etwas dem Macrocoleus sordidus und Oncotylus tanaceti, welche 
17* 


— 260 — 


beiden sich außer den generischen Kennzeichen noch durch ver- 
schiedene Zeichnungen der Membran unterscheiden. Fısser, (Neuere 
Entdeckungen in eur. Hem. in Wien. Entom. Monatschr. 1864, 
VII, 5. 332.) 

Eiförmig, hell und schmutzig gelbgrün mit leichtem Stich ins 
Aschgraue, oberseits schwarz behaart und fein weißlich beflaumt. 
(Der. Sc.: „hellbräunlich oder grünlichgelb mit kurzen, etwas ab- 
stehenden schwarzen Haaren bedeckt“.) Der vorgestreckte Kopf 
ist kaum länger als hinten breit, der Kopfschild (seitlich gesehen) 
breit und stark gebogen, an seiner Spitze abgerundet. Der grün- 
gelbe, braungespitzte Schnabel reicht fast bis zur Bauchmitte, sein 
erstes verbreitertes Glied fast bis zur Xyphusspitze. Die körper- 
farbenen Fühler sind (nach REUTER) mit hellbraunem Flaum besetzt, 
der bei bestimmtem Lichtauffall hell scheint; (nach Doveras und 
Scorr sind die Fühler mit sehr kurzen schwärzlichen Haaren bedeckt, 
das erste Glied ist grüngelb, die andern sind gelbbraun). Das Pro- 
notum ist etwa ums doppelte breiter als am Grunde lang, seine 
Seiten sind fast gerade und vorne, an den Schwielen, gerandet; über 
Pronotum und Schildchen läuft eine weißgrüne Mittellinie. Brust 
und Hinterleib sind fein hell beflaumt, letzterer ist oben schwarz, 
seitlich (Connexivum) sowie an seiner Spitze grünlich. Die Halb- 
decken sind hellbraun, während ihr äußerer Saum, die Ader am 
Clavus, die Cubitalader am Corium und der Keil (mit Ausnahme 
seines inneren Winkels) blaßhell sind; die Membran ist hellrauch- 
farben, am Rande dunkel, ihre Adern sind weiß, die kleinere Zelle 
sowie die Spitze der größeren bräunlich. Die körperfarbenen Beine 
sind hell, die Schenkelspitzen mehr bräunlich beflaumt, die Schienen 
sind mit. lehmfarbenen oder dunklen kleinen Dornen besetzt. Länge 
g 3° —4'!4 mm. Nach Rerter (der, 1879, nur das d kennt), ist 
diese Art dem A. nasutus KB. äußerst ähnlich, unterscheidet sich 
aber von ihm durch seine anders gefärbten, breiter dunkelbraunen 
Halbdecken, durch den etwas kürzeren Schnabel und durch den 
schwarzen Hinterleibsrücken. 

Doveras und Scorr (1865) sandten ihr einziges in England ge- 
fundenes Exemplar zur Determination an FiEBER, der es mit Folgen- 
dem zurücksandte: „Dem 1. nasutus nahestehend, nur mit anderen 
Zeichnungen auf der Membran: hat auch, wie Oncofylus tanactti, 
keine Zellhaken,;, auch dem NMacroroleus sordidus ist diese Art ähn- 
lich, nur hat ersterer eine andere Kopfform und eine andere Mem- 
branzeichnung, da die 2 schwärzlichen Flecke auf dem Thorax vom 


"A —, in e oe, O a y e a p a 


— 261 — 


Mesonotum durchscheinen.“ — Saunpers, der schon mehrere eng- 
lische Exemplare kennt, beschreibt 1875 diese Art als: „elliptisch, 
stark blaßockergelb, mit schwarzen Haaren bedeckt, denen einzelne 
silberweiße beigemischt sind. Adern der Halbdecken etwas blasser. 
Zweites und drittes Fühlerglied gleich groß, viertes um etwas mehr 
als ein Drittel länger als das dritte. Thorax seitlich leicht geran- 
det. 2°.“ — Später, 1892, gibt Saunpers eine ziemlich andere Be- 
schreibung: „Dem A. brevicollis Fies. sehr ähnlich, nur größer, lehm- 
gelb, ohne bestimmte grüne Schattierung der beiden Geschlechter, 
8S wie & fast eiförmig und dicht mit schwarzbraunen Haaren bedeckt, 
das JS dunkler als das 9; Pronotum (Rückenlinie und Seitenränder 
ausgenommen) sowie die Halbdecken zwischen den Adern häufig voll- 
ständig graubraun; das 9 ist gewöhnlich ganz ockergelb, das d hat 
einen oben schwarzen Hinterleib. D. REUTER schreibt diese Eigenschaft 
beiden Geschlechtern zu, aber bei allen meinen Weibchenist der Hinter- 

leib (den äußersten Grund ausgenommen) oben blaß Länge 5 mm.“ 

Anmblytylus affinis Fieger, Wien. entom. Monatschr. VIII, 1864, 
St. 332, 18. — Dousuas and Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 389, 1, pl. 21, 
fig. 3. — SAUNDERS, Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 298, 1. — Hem. 
Het. of the brit. isl. 1892, p. 305. — Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 
1879, p. 212, 4, Tab. III, fig. 2; III, 1883, p. 470 et 535. — Arkınson, 
Cat. of Caps. 1889, p. 154. — Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 73, 3. 

Elsaß-Lothringen: sur le grand pre aride de la lisiere meri- 
dionale d’Illkirch; 7; pas rare. Metz. REıgrr-Putox. — Thüringen: 
Von Dr. Schmieveknecht (Blankenburg) gesammelt. FOKKER. 

Aus Norddeutschland, dg. Aus England (Scorr), d. FIEBER. 

Hab. in Germania boreali, sec. D. Fıeßer; Anglia, DD. Dousras 
et Scorr; Gallia! (D. Dr. Puron; Dep. du Nord, D. LETHIERRY; 
St. Valery!, D. Dr. Sıanorer; Metz, D. Rewer. 1879). — Belgia, 
D. v. Vorxem; Saxonia (Leipzig!), ipse; Italia (Vercelli!) in Galio 
cruento, D. Com. Mella (1883). ReEuTER. 

Hab. N. Germany, Belgium, France, Italy, Britain. ATKINSON. 
(England: a single specimen taken et Eltham, in Iuly, by sweeping 
short grass ete. Doveras and Scorr (1865). — By sweeping grass etc. 
generally in dry places, Woking .... Saunners (1892).] 


* Amblytylus concolor JakovLerr (Bull. Soc. imp. Mosc. II, 
1877, p. 297. — Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, p. 214, 5, 
Tab. III, fig. 3; II, 1883, p. 470 et 535. — Arkıssox, Cat. of 


— 262 — 


Caps. 1889, p. 154. — Puron, Cat. 4. éd. 1899, p. 73, 7) lebt nach 
Reuter und Arkınson in Süd-Rußland, Turkestan und Ungarn, nach 
Pur. Cat. 1899 auch in „Autriche“! Diese Art ist schwach hell- 
grünlich oder weißgrün, oben ziemlich dicht und lang hellgelib be- 
flaumt, ganz ohne schwarze Haare, unterseits, ebenso wie an Fühlern 
und Beinen, ziemlich fein hellbeflaumt; 4—4'/z mm lang. 

Nach Reuter (Hem. Gymn. Europ. II, 215) unterscheidet sich 
A. concolor Jax. von A. nasutus Ks. und affinis FwB. durch das 
vollständige Fehlen der schwarzen Haare auf der Oberseite; von 
A. brevicollis Firg. durch den Bau von Fühlern und Pronotum ; von 
A. testaceus Reut. durch Kopfbau, Schnabellänge und Färbung. 

** A. delicatus Perris (Ann. Soc. Linn. Lyon. IV, 1857, p. 167. 
— Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, p. 210, 2; III, 1883, 
p. 469 et 535. — Berlin. Entom. Zeitschr. XXV, 1881, p. 160. 9) 
sowie A. brevicollis Fieger (Crit. Caps. 1859, sp. 35. — Europ. 
Hem. 1861, p. 318, 2. — Reuter, Hem. Gymn. Europ. Il, p. 214,5, 
Tab. III, fig. 3; III, p. 535) werden neuerdings — (Saunners, 1892) 
— außer für Süd-Frankreich usw. auch für England angegeben. 


Macrotylus Firs. 


Das Männchen länglich, das Weibchen länglich eiförmig, oben 
(mindestens auf den Halbdecken) mit schwarzen Haaren oder 
schwarzem Flaum bedeckt. Der Kopf leicht — (nur bei M. Herrichi 
ziemlich stark) — geneigt, fast vorgestreckt, häufig länger als hinten 
breit und nach vorne zu länglich zugespitzt; der gewölbte Kopf- 
schild breit vorspringend und von der Stirne durch eine Vertiefung 
deutlich abgesetzt. Der Gesichtswinkel mehr weniger spitz. Der 
Schnabel reicht, nach Saunpers, über die hinteren Hüften hinaus 
und ist oben mit schwarzen, sich leicht abreibenden Härchen be- 
deckt. Der Grund der meist schwarz beflaumten Fühler steht 
(M. Herrichi ausgenommen) vom Augenrand etwas ab. Das Prono- 
tum ist nach vorne zu mehr oder weniger stark verschmälert, seine 
queren Schwielen sind meist sehr gut ausgebildet. Die Halbdecken 
sind ausgebildet und besitzen eine zweizellige Membran. Die Beine 
sind zumeist dicht schwarz behaart oder beflaumt, die Schenkel 
ziemlich lang, die Schienen mit kurzen feinen Dornen besetzt, die 
vorderen außen abgestutzt; die Fußgliederung ist kaum zu unter- 
scheiden; an den hinteren Tarsen ist das zweite Glied länger als 
das dritte; die Klauen selbst sind sehr kurz, entweder lehmfarben 
oder sichelförmig gebogen mit scharfem, hohem, schwarzem Zahn 


— 263 -- 


am Grunde; die Haftläppchen sind von den Klauen frei und stehen 
mit ihrer blattartigen Spitze, die fast bis zum Klauenende reicht, 
auseinander. Das charakteristische Merkmal der Gattung „Lang- 
schwiele“ ist dieser eigenartige Bau der Klauen, die auf den ersten 
Blick an den Fußgliedern zu fehlen scheinen, sich aber dann als 
nur sehr kurz, stark gekrümmt und am Grunde in einen scharfen 
Zahn ausgezogen erweisen. 

FiEBeR zählt nur eine europäische Art (luniger FıEB.) zu seiner 
Gattung Macrotylus, Puron führt 20 paläarktische Macrotylus-Arten 
auf! Reuter gibt (Hem. Gymn. Europ. Ill, 533) eine analytische 
Bestimmungstabelle über 15 paläarktische M.-Arten, die ich hier 
verdeutscht wiedergebe: 


1. (2.) Leib vollständig schwarz, nur der Keilgrund und ein querer 

Membranstreif zur Keilspitze weiß 
(luniger Fırs. jetzt) quadrilineatus SCHRANK. 

2. (1.) Leib nie ganz schwarz, zumeist anders gefärbt. 

[3. (4.) Leib samt Beinen und den zwei ersten Fühlergliedern schwarz. 
Clavus und Corium grün; Keil und Membran schwärzlich mit 
weißer Zeichnung. Der spanische bicolor Fıre.] 

4. (3.) Leib oberseits gleichfarbig, vielfach mit dunkler Zeichnung, nur 
selten der Kopf größtenteils schwarz. 

5. (8.) Leib oberseits ockergelb oder safrangelb oder goldgelb oder 
rot, nur selten vorne fast ganz dunkelbraun. Fühler kräftig, 
schwarz, manchmal rostbraun gezeichnet. 

[6. (7.) Pronotum und Schildchen meist (9) einfarben oder (8) mit schwärz- 
lichem Fleck (auch Binde) in der Mitte. Vorderbrustfortsatz dick und 
hoch gerandet. Der mittelländische nigricornis FıEB.] 

[7. (6.) Pronotum mit 3 länglichen dunklen Binden, wobei die seit- 
lichen bisweilen (9) verschwommen sind; auch die Schwielenränder 
sind dunkel. Das Schildchen ist schwärzlich, während seine Seiten 
und ein beiderseitiger Fleck am Grunde goldgelb sind. Der 
Vorderbrustfortsatz ist fast eben und fein scharf gerandet. 

Der südeuropäische lutescens FıEB.] 

8. (5.) Leib oben graulich oder grünlich oder gelbgrün. 

9. (12.) Pronotum mit 3 schwarzen oder braunen Binden. 

[10. (11.) Dunkler und größer als der folgende, (elevatus FıEsB.), grau- 
grünlich, die Adern der Halbdecken und der Membran weißlich. 
Fühler beim ő schwarz, beim 9 dunkelbraun und das zweite Glied 
in seiner Mitte dunkel rostfarben. Länge 5!!s mm. 

| Der nordeuropäische cruciatus F. SAHLB.] 

(11. (10.) Das d schmutzig dunkelgelbgrün, das 9 blaß weißgrünlich, 
ziemlich graulichweiss, kleiner (als cruciatus F. Sanurı».). Die 
Halbdecken heller; die Fühler schmutzbraun, ihr Ende beim d 
schwärzlich, beim 9 hellbräunlich. Länge 3*/; —4°/s mm. 

Der südeuropäische elevatus FırB.] 


— 264 — 


12. (9.) Pronotum ohne schwarze Längsbinden. 

13. (14.) Kopf schwarz, nur mit gelbbraunem beiderseitigem Scheitel- 
fleck, bisweilen (2) auch Stirnfleck. Fühler schwarz. Färbung 
weißgrau. Herrichi REUT. 

14. (13.) Kopf oberseits grünlich oder gelbgrün, einfarben oder nur 
ganz selten mit schwärzlicher Spitze Fühler nie ganz schwarz, 
meist ganz oder größtenteils grünlich, erdfarben oder rostrot. 


15. (28.) Fühler ziemlich lang — (länger als bei dem südrussischen attenuatus 


JaK.) —, ihr zweites Glied auffallend länger als der Kopf breit. 

16. (21.) Fühler einfarben, nicht schwarz gezeichnet, nur manchmal 
gegen die Spitze zu dunkler. 

17. (20.) Schenkel olıne Zeichnung. 

18. (19.) Größer (als der folgende, colon Reur.), dunkel, graugrünlich. 
Membran samt Zellen schwärzlich, die Adern weiß, desgleichen ein 
größerer Fleck auf derScheibe neben der Brachialader, ein dreieckiger 
Fleck an der Keilspitze, sowie ein dritter (der aber auch öfters 
fehlt) fast in der Mitte des äußern Saums. solitarius MEY. 

[19. (18.) Mindestens ums Doppelte kleiner, blaß und verschwommen 
gelbgrün oder weißgrün. Membran weißlich, die Adern gleichfarben, 
während die kleinere Zelle.... Der spanische colon Reur.] 

[20. (17.) Schenkel äußerst fein und dicht braun oder schwärzlich 
punktiert. Gelbgrün. Membran wie bei solitarius, nur . po% 

Der südeuropäische Horvathi Reur.]. 

21. (16.) Erstes und zweites Fühlerglied (letzteres wenigstens am 
Grande) schwarz gezeichnet, ersteres bisweilen fast ganz schwarz. 

22. (27.) Membran außen, gleich hinter der Keilspitze mit schwarzer 
Binde, an Grund und Spitze mit abgegrenztem weißlichem Fleck. 

23. (26.) Schienen am Grunde schwarz, (selten daß die Beine fast 
ganz schwärzlich sind). 

[24. (25.) An den Halbdecken sind schwarz beflaumt: Die Clavusader, 
der äußere Seitenrand, am Corium die Brachialader (weniger 
deutlich) und die Cubitalader, sowie die Keilspitze; die Membran- 
naht ist schwarz. Die Schenkel sind schwarz gerandet. 

Der sibirische mundulus Star.] 

25. (24.) Halbdecken mit ziemlich langen, zerbrechlichen, stellenweise 
in Flecken dichter stehenden schwarzen Haaren besetzt. 

Paykuli Fari. 

[26. (23.) Schienen blaß mit gleichfarbenem Grund. Sehr klein und 
schlank. Halbdecken zerstreut und spärlich schwarz behaart. 
Färbung blaß gelbgrünlich. 

Der siüdeuropäische atricapillus Scott.) 

[27. (22.) Membran schwärzlich, die Adern gelblich, an der Keilspitze 
‚nur ein kleiner glasartiger Fleck und ein scharfer schwarzer 
Punkt an der Spitze der Cubitalader. 

Der französische bipunctatus Reur.] 

[28. (15.) Fühler kurz mit schwarzer Zeichnung, ihr zweites Glied nur 
wenig länger als der Kopf hinten breit. 

Der südrussische attenuatus JaKovL.] 


m; A A a P a O O 


pp 


— 265 — 


177 (569) quadrilineatus SCHR. 


Länglich, vollständig schwarz, glanzlos, oben ziemlich kurz 
schwarz behaart, unten grau beflaumt. Der Kopf ausgezogen, fast 
vorgestreckt, länger als hinten breit; am Scheitel beiderseits 
ein verschwommener lehmgelber Fleck (Fieser: im Nacken 
zwei bleiche Flecke); die Kehle lang, leicht schief, fast die Hälfte 
der Kopflänge einnehmend. Die Augen dunkelbraun. Der gelbbraune, 
schwarzgespitzte Schnabel reicht bis zur Spitze der hinteren Hüften, 
sein erstes Glied fast bis zur Xyphusmitte. Die ziemlich schlanken 
Fühler sind schwarz und ziemlich dicht schwarz behaart; ihr erstes 
Glied überragt nicht die Spitze des Kopfschilds, das zweite ist so 
lang wie das Pronotum am Grunde breit oder wie die beiden letzten 
Glieder zusammen; das vierte ist 1’/,mal kürzer als das dritte. Das 
vollständig schwarze Pronotum fällt nach vorne ziemlich ab und 
zeigt ausgebildete Schwielen, deren Ränder nur hinten leicht ein- 
gedrückt sind. Das Schildchen ist einfarben schwarz. Brust und 
Hinterleib sind gleichfalls schwarz und mit graubraunem Haarflaum 
besetzt; der Vorderbrustfortsatz ist gewölbt (aber gänzlich un- 
gerandet). Die Halbdecken sind schwarz, am Keil ist die Spitze 
und eine schiefe sichelförmige (luniger!) Binde am Grunde 
weiß; die Membran ist dunkel rauchbraun, die Zellen sind dunkler, 
während (Revrer) die Spitze der Brachialader, die Cubitalader und 
die dicke Verbindungsader, sowie ein kleiner dreieckiger Fleck an 
der Keilspitze weiß sind. (Fıeser schreibt: „Die kleine Rippe, die 
Binderippe, — und eine Winkellinie an derselben im Außengrund- 
winkel, weiß; unterhalb ein großer dunkler Randfleck an dem aus- 
gebogenen Membranrand.“) Die ziemlich langen, dicht schwarz be- 
haarten Beine sind ganz schwarz, die vorderen Hüften kurz, die 
Schienen mit ganz kurzen kleinen Dornen besetzt. Länge 4—4'/: mm 
(212°). 

Cimex quadrilineatus Schrank, Verz. d. Insekt. Berchtesgadens 
1785. 339, 175, non Faun. Boic.! 

Macrotylus luniger Fieger, Criter. 1859, II, 12, 34. — Eur. 
Hem. 1861, p. 318. — Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 195, 1, Tab. II, fig. 1. 

Malacocoris albopunctatus GaRBIGLIETTI, Cat. meth. et syn. Hem. 
Et. Ital. 1869, p. 194 (in. Boll. Soc. Ent. Ital. I, 1869). 

Macrotylus quadrilineatus Reuter, Hem. Gymn. Europ. III, 1883, 
p. 467 et 533. — Revis. synon. 1888, II, p. 301, No. 281. — Arkınsos, 
Cat. of Caps. 1889, p. 156. — Purox, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 1. 


— 266 — 


Aus Galizien und Österreich, auf Salvia glutinosa häufig 
(SCHLEICHER). FIEBER. 

Im bayrischen Gebirge (Berchtesgaden, Kreuth usw.), wo- 
selbst der gelbblühende klebrige Salbei in lichten Wäldern, an 
Bächen usw. keineswegs selten ist. 

Hab. in. Salvia glutinosa: Austria et Galizia, D. SCHLEICHER, 
sec. FIEBER; Helvetia (Genève), D. Prof. Frey-Gessxer; Tyrolia 
(Kreut) D. Dr. GrepLer; Hungaria (Mehadia), sec. D. Dr. HORVATH; 
Italia (in collibus Taurinensibus!), D. Dr. Garsicuiert (1879). — 
Halicia et Styria, D. Dr. v. Horvatu. Culices, muscas etc. in glutine 
Salviae affixas esugians (D. Prof. Mayr), (1883). REUTER. 

Hab. Austria, Switzerland, Italy. ATKINSON. 

(Tirol: Auf Salvia glutinosa bei Kreut am Kalterer See im 
Spätherbst.. GREDLER. — Steiermark: Auf Salvia glutinosa an der 
Straße nach Kathrein im Trapöstal. EBERSTALLER. — Bei Graz 
2 Exemplare von GATTERER gefunden; in Waldlichtungen um Admont 
auf Salvia glutinosa häufig; August, September. STROLL. — Im Ge- 
säuse, 16. September 1909, auf dem gelben Klebsalbei. HÜEBER. — 
Nieder-Österreich (Gresten): auf Salvia glutinosa, häufig. SCHLEICHER.) 

NB.! Nach den Beobachtungen Prof. Mayr’s lebt diese Art 
von kleinen Insekten, Fliegen und Mücken, die sich an Salvia glu- 
tinosa festkleben, wo der Macrotylus ruhig sitzend sie erwartet. 
Wahrscheinlich leben mehrere Capsiden, die auf klebrigen Pflanzen 
sich aufhalten, hauptsächlich von animalischer Nahrung. REUTER 
(An. Hem. 1881, p. 193). 


178 (570) Herrichii Reur. 

C. grisescens, nigro-pilosus, elytris nervis pallidis, in medio 
ante appendicem macula subtriangulari nigra; antennis pedibusque 
nigris. HERRICH-SCHÄFFER. 

Weißblau oder grüngraulich, Reuter — (KB. : oben bläulichgrau, 
das 9 öfters grünlichgrau; Fwæser: bläulichgrau oder grauweiß) — 
mit schwarzer Zeichnung, dabei dicht fein schwarz behaart (welche 
Behaarung sich leicht verliert). Der ziemlich stark geneigte Kopf 
ist beim d schwarz, hinten grünlich, beim @ oben ganz grünlich mit 
schwarzem Fleck zwischen den Augen (KB.); Reut. erwähnt noch 
einen gelbbraunen, beiderseitigen Scheitelfleck. Die gewölbten dunklen 
Augen sind beim d größer als beim Q und greifen auf die Wangen 
über. Der dunkelbraune Schnabel reicht bis zur Spitze der Mittel- 
hüften, sein erstes Glied bis zur Xyphusmitte. Die schwarzen, 


— 2607 — 


schwarzbeflaumten Fühler sind am Augenrande eingefügt, Glied 2 
zeigt an der Grundhälfte einen breiten gelblichen Ring, das dritte 
Glied ist mehr als doppelt so lang wie das vierte. Das flache, 
seitlich leicht gebuchtete, nach vorne stark verschmälerte Pronotum 
ist vorne häufig gelbbraun gesäumt und hat gelbgrüne Schwielen, 
beim d mit schwarzer Binde zwischen und hinter denselben, beim 
9 nur mit schwarzem Punkt (auch sind hier die Buckel mehr gelb- 
braun). Auf dem Schildchen ein dunkler Mittelstreif (nach REUTER 
auch noch ein gelbroter Punkt am Grunde beiderseits). Die schwarze, 
schwarzbehaarte Brust zeigt gelbe oder grüngelbe Seitenflecke, am 
gleichfalls schwarzen Hinterleib sind die Ränder der Bauchabschnitte 
beim d schmal, beim 9 breit weißblau. Die grauen, schwarz be- 
haarten Halbdecken zeigen kahle Adern und eine rauchgraue Membran 
mit lichten Nerven (Zellrippen); am Clavus zwei (manchmal ver- 
schwommene, die Ader zwischen sich fassende) schwarze Linien, 
auf dem Corium ein schwarzer Fleck an der Spitze der Cubital- 
ader, hinter der Spitze der kleinen Zelle ein schwarzer Fleck (oder, 
Fıes., ein Dreieck unter der kleinen schwarzen Zelle, weiß). Beine 
dunkel, schwarz beflaumt, Schenkel beim d dunkel, beim 9 grün- 
lich, Schienen sehr fein bedornt (nach Fieger weißgesäumt), ihre 
Spitze, gleich den Tarsen, schwarz. Länge 4'/s-—4!!; mm (2'144), 
das d länger als das 9. — Nach Reuter ist diese Art dem süd- 
europäischen lutescens Fıes. sehr ähnlich, aber durch den Bau des 
Xyphus, durch den weniger ausgezogenen, stärker geneigten Kopf, 
den weniger vorspringenden Kopfschild, die größeren, stark auf die 
Wangen übergreifenden Augen, sowie durch Färbung und Zeichnung 
leicht auseinander zu halten. 


Cupsus bilineatus HERRICH-SCHÄFFER, Wanz. Ins. III, 1835, St. 70, 
T. 96, Fig. 285, nec Fallen! — Kırscnsaum, Rhynch. Wiesbad. 1855, 
St. 16 und 82, sp. 105. 

Hoplomachus bilineatus Fieger, Eur. Hem. 1861, St. 316, 2. 

Hoplomachus Herricht Reuter, Not. Skpts. pro Faun. Flor. 
Fenn. 1871, XIV, 24, 45. 

Macrotylus Herrichii Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 200, 6. (II, 1883, p. 534). — Arkınson, Cat. of. Caps. 1889, 
p. 156. — Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 8. 

Bayern: Bei Regensburg nicht selten. Hexrich-ScHÄrFER. — 
Bei Freising selten; nach GscheinLen bei Augsburg. KırreıL. — Bei 
Bamberg auf Hieracium und Wiesensalbei. Funk. — Württemberg. 
Rosgr. — In der Umgebung Ulms, 6 und 7, sehr häufig beim Streifen. 


— 268 — 


Hürger. — Elsaß-Lothringen: Remiremont, Metz; rare. M. Berir- 
voYE l’a cependant trouvé une fois en nombre sur la sauge des pres. 
Reißer-Puron. — Hessen-Nassau : Frankfurt am Main: Scheint Kalk- 
boden zu lieben; im Juni auf der Vilbeler- und Borger-Höhe oft in 
großer Zahl auf Salvia-Arten und deshalb (weil dahier Kalk nur 
stellenweise zutage tritt) östlich begrenztes Vorkommen; 8. 6. 1907 
frisch aus den schwärzlichen Larven entwickelt. GuLpe. — 39; Mom- 
bach, Wiesbaden, auf Blößen des Kiefernwaldes und am Weg nach 
der Kohlhecke mit C. Thunbergi Faut., auf Salvia pratensis L.: 


häufig; 6—7. Kırschsaum. — Thüringen: Bei Dietendorf, ziemlich 
selten. KeLLNER-BREDDIN. — Von Dr. Scaumiepeknecar (Blankenburg) 
gesammelt. Fokker. — Schlesien: Ende Juni nur auf den Blüten 


von Salvia pratensis, doch in großer Menge; bisher fand ich ihn 
nur auf den Dämmen von Karlowitz unfern Breslau, auf welchen 


genannte Pflanze häufig wächst .. . SchotLz. — In der Ebene und 
im Gebirge, Ende Juni auf den Blüten von Salvia pratensis ziem- 
lich häufig, doch nur an wenigen Orten . . . ASSMANN. 


Auf Salvia pratensis, durch Europa verbreitet. FIEBER. 

Hab. in Salvia glutinosa et pratensi: Galizia, D. Novickı; Hungaria; 
Silesia; Germania (Borussia, Bavaria), Gallia. REUTER. 

Hab. France, Germany, Austria, Hungary. ATKINSON. 

(Schweiz: Meist auf Salvia pratense von Ende Juni bis Anfang 
August in Kolonien von 20—50 Stück beieinander an Straßenbördern, 
sonnigen Grasplätzen; nicht häufig . . . Fr£y-GEssner. — Graubünden: 
In Bünden (A. S.); nach dem Verz. v. Fr. G. Kiuas. — Böhmen: 
Nahütten von Erlen geklopft, selten. Aue. Nıckert. — Frankreich, 
Dep. de la Moselle: Hopl. bilineatus Far. sur les genêts. Plappe- 
ville. BELLEVoOYE). 


179 (571) solitarius MEY. 


C. solitarius mihi: Gestalt und Umriß von C. molliculus, Größe 
von pabulinus Zerr. Kopf klein, in eine stumpfe Spitze auslaufend. 
Augen wenig hervorragend. Die dunkelolivenfarbigen Fühler von 
halber Körperlänge. Beine etwas heller gleichfarbig, ungedornt und 
nicht punktiert. — Moosgrün, matt und glanzlos; die Flügeldecken 
durch aufliegende Härchen dunkel schattiert; vor dem Appendix ein 
dunkler Fleck. Membran rauchgrau; innerhalb dem weißlichen Zellen- 
nerv schwarz; um den Rand 3 schwärzliche Flecken, wovon der 
mittelste der größte. Unten einfarbig, grasgrün, glanzlos. Länge 2°. 
MEYER. 


— 269 — 


Länglichoval, schmutzig gelbgrünlich oder graugelblich, ober- 
seits mit dichtem schwarzem Zottenhaar, unten mit dichtem, an- 
liegendem, schwarzem Haarflaum besetzt. Der geneigte, nach vorne 
zugespitzte und ausgezogene Kopf ist fast länger als breit, nur wenig 
kürzer als das Pronotum. Die Augen springen nicht vor. Der Schnabel 
reicht bis zur Spitze der hinteren Hüften, sein erstes Glied bis zur 
Xyphusmitte. Die schmutzig-gelbgrünen, dicht schwarz beflaumten 
Fühler sind von halber Körperlänge (mit Halbdecken), ihr 2. Glied 
ist kürzer als das Pronotum am Grunde breit (Saunpkrs: 1!/4 mal 
so lang wie das dritte, deutlich dicker als dieses, oben und unten 
dunkel), die beiden letzten Glieder zusammen sind nur wenig länger 
als das zweite, das vierte ist (Saunp.) etwa !/; so lang wie das dritte, 
Das körperfarbene (manchmal auch aschgraue), überall dicht schwarz 
behaarte Pronotum ist hinten grünlichgrau, vorne schmäler als lang, 
hat gerade Seiten und fällt nach vorne zu ziemlich stark ab, während 
es hinten gewölbt ist (Saunners: Pronotum nach hinten stark er- 
weitert, sein Grund mehr als zweimal so lang wie der Vorderrand). 
Das schmutzig grüngelbe, gleichfalls dicht schwarz behaarte Schildchen 
ist gewölbt. Der Vorderbrustfortsatz ist gerandet; Brust und Hinter- 
leib sind schmutzig grüngelb und dicht schwarz beflaumt. Die grün- 
lıchgrauen oder gelbgrauen Halbdecken sind dicht schwarz zottig 
behaart, ihre Adern und der Keilgrund sind kahl und ziemlich hell; 
(am vorderen inneren Coriumwinkel findet sich oft ein kleiner, durch 
die Cubitalader unterbrochener schwarzer Fleck); die Membran ist 
samt den Zellen schwärzlich mit weißen Adern; weißlich sind weiter- 
hin: der innere Teil der größeren Zelle, ein großer Scheibenfleck 
neben der Brachialader, ein dreieckiger Fleck an der Keilspitze, und 
schließlich noch einer fastin der Mitte des äußeren Saums. Die körper- 
farbenen (schmutzig gelbgrünen) Beine sind gleichfalls dicht schwarz 
heflaumt, die vorderen Hüften reichen nicht bis zur Mitte der Mittel- 
brust und zeigen am äußeren Rand schwarze Borsten, die Schenkel 
sind ohne Zeichnung, die mit kleinen, kurzen, schwarzen, hinfälligen 
Dörnchen besetzten Schienen sind an ihrer Spitze, gleich den ganzen 
Tarsen, fast rostfarben (Fieb.: braungelb); das Klauengliedende ist 
(FıEB.) schwarz. Länge 5—5!/sa mm (9 5'/s mm nach REUTER, der, 
1879, das d nicht kennt). 2'i2—3'". 

Reuter unterscheidet (H. G. E. 11, 202) noch eine Var. 8 (= Onco- 
tylus pilosus Deu. et Scott l. i. c.): die größere Membranzelle voll- 
ständig schwärzlich mit einem fast verflossenen Fleck hinten am 
äußeren Saum. 


— 270 -- 


Capsus solitarius Meyer, Schweiz. Rhynch, 1855, St. 83, No. 62, 
Tafel V, Fig. 4. 

? Capsus seladonicus Kırschsaum, Rhynch. Wiesbad. 1855, 
p. 16 u. 81, sp. 103, vielleicht! nicht Farzen! 

~- Macrocoleus solitarius Fieser, Europ. Hem. 1861, 321, 8. — 

DovsLas and Scorr, Ent. Monthl. Mag. IV, 227. t. II, fig. 4. — 
SAUNDERS, Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 297, 5. 

Macrotylus solitarius Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 202, 7 et 305; (II, 1883, p. 467 et 534). — SaunpErs, Hem. Het. 
of the brit. isl. 1892, p. 298, pl. 28, fig. 2. — Arkınson, Cat. of 
Caps. 1889, p. 157. — Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 9. 

Oncotylus pilosus DoucLas and Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 395, 
3. — Ent. Monthl. Mag. X, p. 165, 277 = Var.! 

Bayern: 1 Exemplar bei Berchtesgaden, an feuchter Waldstelle, 
Juli 1908 gefangen von GuLde. — Württemberg: Bei Reutlingen und 
Hall gefunden von Rektor Dr. Diez. Hürser. -— Baden: In Baden, 
s. Fieger, St, 321. Merss. — Eilsaß-Lothringen: forêt d’Illkirch ; 
digues du Rhin; 7; assez rare. Amanvillers. REıBeß-PuTon. — Hessen- 
Nassau: Frankfurt am Main: Bis jetzt nur 1 Exemplar auf Urtica, 
an feuchter Stelle im Enkheimer Wald, 27. 6. 1907. GUuLDE. — 
89, Wiesbaden, Mombach; von niederen Pflanzen gestreift auf Wald- 
blößen, z. B. hinter dem Exerzierplatz und im Mombacher Kiefern- 
wald, häufig; 6—7. Kırscusaum. — Schlesien: Auf Stachys sylvatica, 
wie es scheint, nur im Gebirge. Zuerst von mir in der Wolfs- 
grube. .. Scuorz. — Bisher nur in der Vorbergen, im Juli, auf 
Stachys sylvatica gefunden, . . . ASSMAnN. 

In schattigen Wäldern auf Stachys sylvatica (nach Meyer selten). 
Auf Waldblößen auf niederen Pflanzen häufig (Kırscugeaum). In der 
Schweiz, im Badenschen. FIEBER. 

Hab. in Stachyde, Ononide spinosa, ete.: Galizia (Dzwinograd), 
D. Novicki; Silesia, D. Assmann; Helvetia, D. Mever-Duer; Baden, 
sec. FIEBER; Gallia borealis et media; Anglia et Scotia! D. D. DovucLas 
et Scorr. — Hab. etiam in Rubo et Polypodio, sec. D. Prof. Frey- 
GESSNER. — Saxonia (Leipzig!) ipse; Austria inferior in Stachyde 
sylvatica, D. P. Löw; Caucasus (Petrowk) in Labiatis, D. JAKOVLEFF. 
REUTER. 

Hab. Austria, Switzerland, France, Britain. ATKINSON. 

(Schweiz: Von dieser ansehnlichen, sehr seltenen Art sind mir 
bloß zwei weibliche Exemplare bekannt, die ich am 19. Juli 1841 
in einem wilden Bergtobel im Sommerhauswald bei Burgdorf vom 


— 271 — 


dichtem Gesträuche von Stachys sylvatica und Polypodium felix ab- 
schöpfte. Meyer. — Auf Stachys sylvatica, Rubus, Polypodium filix 
an verwilderten Berghängen und an Waldrändern, ziemlich selten im 
Juli und August .., Im Jura bis 3000° s. M. Anfangs August an 
einer Stelle der Burgweid ob Olten zahlreich ... FREY-GESSNER. — 
Graubünden: Bei Ragaz und Pfäfers. (F. G.) Kırrıas. — Nieder- 
Österreich: Bei Gresten auf Waldblößen, selten; auch auf Alpen. 
SCHLEICHER. — Ist von Herrn P. Löw in Nieder-Österreich auf Stachys 
sylvatica gefunden. Reuter. (An. Hem. p. 193). — England: a single 
example, by sweeping amongst Ononis spinosa etc., in August, 
between Sandersted and Addington. D. Fieger has seen the specimen, 
and returned it as a new species. DoucLas and Scorr. (1865). — 
By sweeping on Stachys, Ononis ete.; Deigate.... SAUNDERS). 


Macrotylus Horvathi Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879 
p. 203, 8 — (Amblytylus Horvathi Reuter, Pet. nouv. ent. II, 1876 
No. 114, 21, 3), — bisher nur aus Ungarn, Süd-Frankreich und 
Griechenland bekannt, wurde nach Reuter (An. Hem. 1881, p. 193) 
von Herrn P. Löw in Nieder-Österreich auf trockenen Bergwiesen 
gefangen. REUTER gibt von ihm folgende (hier verdeutschte) Dia- 
gnose: „Gelbgrünlich, mit hellem Haarflaum, die Halbdecken blaß 
mit schwarzen, leicht ausgehenden Haaren besetzt; Fühler und Beine 
schmutzig gelbgrünlich, mit dunklem Flaumhaar besetzt; erstere ohne 
Zeichnung, an letzteren sind die Schenkel äußerst dicht mit kleinsten 
dunklen Punkten besät; die Spitze der Fußglieder dunkelbraun; 
Membran samt Zellen dunkelbraun, die Adern weißlich, an der Keil- 
spitze ein kleiner und in der Mitte des äußern Randes ein größerer, 
querer, weißer Fleck (letzterer öfters in Verbindung mit einem weißen 
Band über die Mitte der ganzen Fläche); an der Spitze der Cubital- 
ader ein tiefschwarzer Punkt. Pronotum mit geraden Seiten. Länge 
d A!/s, 9 3*/s—4 mm.“ 


180 (572) Paykuli FaLL. 


P. Paykulii laete viridis supra nigro-pilosus: elytris albidis: 
membrana nigricante antice albo-nervosa; pedibus immaculatis. In 
arvis arenosis. FALLEN. 

Grünlich oder gelbgrün — (Ks.: Grünlichgelb, Vorderrücken 
und Hinterhälfte des Schildchens spangrün) — wechselnd in Färbung 


— 272 — 


mit mehr oder weniger dunkler Zeichnung, oben auf Kopf und Pro- 
notum ganz fein hell beflaumt, dazwischen mit spärlichen schwarzen 
Haaren besetzt, die auf den Halbdecken länger und stellen- 
weise zu dichten Flecken angehäuft sind (KsB.: Die 
schwarzen Haare auf den Halbdecken so verteilt, daß sie schwärz- 
liche Flecken zu bilden scheinen); diese Haare stoßen sich leicht 
ab (Meyer: Nur bei frischen Exemplaren .. .). Die Männchen 
länglich, die Weibchen länglichoval. Kopf manchmal an den Seiten 
dunkel (Saunn.). Die Augen kastanienbraun, beim d vorspringend und 
größer als beim 9. Der braune Schnabel reicht bis zur Bauchmitte. 
Die grüngelben, fast rostbraunen Fühler sind mit schwarzem Flaum- 
haar besetzt; ihr erstes Glied ist in der Mitte, oft auch ganz (die 
Spitze ausgenommen) schwarz; das zweite nur am Grunde; das dritte 
Glied ist (Saunn.) etwa ?/s so lang wie das zweite. Das Pronotum 
st stark in die Quere gezogen, vorne breiter als lang (Sauxp.: sein 
vorderer Rand gut halb so lang als sein Grund); die Seiten sind 
gerade; die Schwielen gut ausgebildet, ihr Rand, besonders der 
hintere, meist eingedrückt, Rr.; (Schwielen und eine Rückenlinie 
beim d manchmal schwärzlich Saunp.); die Brust grüngelb, in der 
Mitte schwarz, manchmal auch ganz schwarz; Hinterleib schmutzig- 
grüngelb (spangrün Mey.), an der Spitze mehr oder weniger schwarz. 
Halbdecken hellgrüngelb oder weißlich und (Mey.) unregelmäßig 
schwarz gefleckt, die Brachialader häufig breit dunkelbraun; Mem- 
bran samt Zellen schwarz, ihre Adern weißlich; weiß sind: Ein Fleck 
an der Keilspitze sowie ein weiterer, größerer, querer in der Mitte 
des äußeren Randes, der mit einer gebogenen Binde auf der Mittel- 
fläche verbunden ist, dazwischen ein großer viereckiger schwarzer 
Randfleck (Rr.). (Ks.: Ein Fleck hinter der Spitze des Anhangs, 
ein zweiter weiter hinten und daneben eine schmale gebogene Binde 
hell, die Stelle zwischen den beiden hellen Flecken am schwärzesten, 
der Nerv zum größten Teil weißzelb). Beine schmutzig hellgelb- 
grün, schwarz beflaumt, die Schenkel bisweilen dunkler, die kurz- 
und feinbedornten Schienen am Grunde mehr oder weniger breit 
schwarz, die Tarsen dunkel. Länge: 2!/,—2°/s mm. Rr. (Sauxp.: 
3!/„—4 mm!); 1'%'". 

REUTER unterscheidet (Hem. Gymn. Europ. 1879, p. 205) 3 Varie- 
täten; (1894 beschrieb er noch eine Var. nigriceps Rr.): 

Var. œ: Gelbgrünlich, der männliche Geschlechtsabschnitt so- 
wie die weibliche Legeröhre schwarz. 

Var. g: Brustmitte, Schenkel (zum mindesten die hinteren), 


A nt E 


— 273 — 


Greeschlechtsabschnitt und Kopfspitze gelblich, Pronotumschwielen und 
Schildchenspitze mehr oder weniger dunkelbraun; Pronotum und 
Schildchen häufig satt grasgrün, die Halbdecken weißgrün. d. 

Var. y (= Mac. Payk. var. nigripes Puros, Ann. Soc. Ent. 
de France, Ser. V, Tome IV, 221, 11): Oben blaß gelbgrün, nur 
die Schildchenspitze schwärzlich, unten schwarz, desgleichen alle 
Schenkel, sowie der Grund des zweiten Fühlerglieds (ziemlich breit!) 
und meist auch die vordere Kopfhälfte; die Schienen sind schmutz- 
farben, die Fühler (den schwarzen Teil ausgenommen) rostbraun ; 
meist sind auch die Seiten von Brust und Bauch mehr oder weniger 
breit gelbgrün. 9. 

Macrotylus Paykulei Fa. var. nigriceps REuTer (Revue d’Ento- 
mologie. XIII, 1804, p. 143): Schmutziggrünlich, die Halbdecken 
mit anliegenden, leicht ausgehenden schwarzen Haaren; der Kopf, 
eine Binde vor der Spitze oder der ganze vordere Teil des Pronotum, 
die Schildchenspitze, die Brust, der Schnabel, die Fühler und die 
Beine schwärzlich; die Membran wie bei M. Paykulli gezeichnet. 
Länge 3 mm. — Bei Alicante in Spanien nach H. Prof. Dr. BOLIVAR ; 
(nach Dr. Horvata auch in Algier). 


Phytocoris Paykulli Fırren, Hem. Suec. 1829, p. 106, 57. 
Capsus maculipennis HERRICH-SCHÄFFER, Nomencl. entom. 1835, 
I, p. 50. — Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 81, 60, Tab. V, 
fig. 1. — Kırscuhsaum, Rhynch. Wiesb. 1855, St. 16 und 81, 104. 
Capsus Paykuli Thomson, Op. ent. IV, 451, 18. 
Paykulonymus AmyorT, Ent. fr. Rhynch. 1848, p. 202, No. 234. 
Poecilosoma elegans Curtis. 
Macrocoleus Paykulli (ii) Fieger, Eur. Hem. 1861, St. 319, 2 
— Doveras and Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 388, 2. — SAUNDERS, 
Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 297, 4. — Reuter, Rev. crit. 
Caps. 1875, p. 146, 4. — Hem. Gymn. Sc. et Fenn. 162. 
Macrotylus Paykuli Reuter, Hem. Gymn. Europ. II, 1879, 
p. 204, 10 (III, 1883, p. 468 et 534). — Sauxpers, Hem. Het. of 


the brit. isl. 1892, p. 299. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 156. 
— Porron, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 15. 


Var. nigripes (Macrocoleus) Puros, Ann. Soc. Ent. Fr. Ser. V, 
Tom. IV, 1874, p. 221, 11. 


Var. nigriceps REUTER, Rev. d'Ent. XIII, 1894, 143. 


Bayern: Bei Regensburg nicht selten. KırreL. — Bei Bamberg 
auf Ononis. Funk. — Württemberg: In der Umgebung Ulms, be- 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 18 


— 274 — 


sonders den Albtälern, beim Streifen häufig; 7. Hürser. — Elsaß- 
Lothringen: Sur les Ononis; bords de la Bruche pres Strasbourg ; 
Metz; assez commun. Reıser-Puton. — Hessen-Nassau: In der Um- 
gebung von Frankfurt a. M. überall, von Mitte Juni bis Ende August, 
auf Galium, aber nicht gerade häufig. Offenbach, 11. 8. 1900; 
15. 6. 1901; Eberstadt, 16. 7. 1902; Schwanheim, 3. 8. 1900; 
19. 8. 1908; 26. 8. 1908. — Am 5. 6. 1909 beobachtete ich das 
Tier in Anzahl und frisch entwickelt auf Ononis auf dem Schwan- 
heimer Sande. Die Pflanzen waren mit vielen grünlichen Larven 
dicht besetzt. Kopf, Fühler, Deckenanlagen und die dicken Schenkel 
dunkelgrün. Der ganze Körper mit zerstreuten, ziemlich dicken 
schwarzen Härchen besetzt. — Die Larven bohren ihren Rüssel in 
die Ober- oder Unterhaut des Blattes, seltener in die des Stengels. 
Um die Einstichstelle färbt sich das Zellgewebe dunkler, zuletzt 
schwarz, so daß die Pflanze wie mit Tinte bespritzt aussieht. GULDE. 
— (Nassau:) d2, Mombach; auf Ononis repens L., auf Blößen 
des Kiefernwaldes, häufig; 6—7. Kırschsaun. — Thüringen: Von 
Dr. ScHMIEDERNECHT (Blankenburg) gesammelt. Fokker. — Schleswig- 
Holstein: Auf Labkraut in Wäldern stellenweise nicht selten. Wüstxei. 
— N. J. Borkum: Häufig. Schneider. — Mecklenburg: Von Mitte 
Juni bis Ende Juli auf Ononis gesellig vorkommend (Cramonstannen, 
Barnstorfer Tannen bei Rostock). RappaTz. — Schlesien: Im August 
und Anfang September bei uns (ausschließlich) auf Chenopodium- 
und Atriplex-Arten und zwar stets in großer Menge; um Breslau 
häufig, nur bisher wenig beachtet . .. Scuorz. — Bisher nur in der 
Ebene, im August und Anfang September auf Chenopodium- und 
Atriplex-Arten ... ÄASSMANN. 
An Feldrainen auf blühenden Ononis-Arten, auch auf Disteln. 
In Schweden, Deutschland, Frankreich, Spanien, der Schweiz. FIEBER. 
Hab. ın Inula graveolente et praesertim in Ononidis speciebus, 
ex gr. in O. natrice, spinosa et arvensi: Europa meridionalis! et 
media! usque in Suecia australi!; var. 8 e Graecia!, var. y e Gallia! 
et Tyrolia! (1879) — etiam in Achillea (P. Löw). (1883.) REUTER. 
Hab. S. and Middle Europe to S. Sweden; Tunis. ATKINSON. 
(Schweiz: An heißen, steinigten Hügeln der mittleren und nörd- 
lichen Schweiz von Mitte Juni bis Mitte Juli auf Ononis spinosa L. 
und arvensis Lam., stellenweise ziemlich gemein ... Nur bei frischen 
Exemplaren haben die Flügeldecken viele schwarze, unregelmäßige 
Flecken, welche aus flachliegenden, starken Haaren gebildet sind 
und sich leicht abwischen. Meyer. — Auf trockenen Weideplätzen 


— 275 — 

und ... (wie oben!) Frey-Gessxer. — Nieder-Österreich: Kommt 
nach Herrn P. Löw auch auf Achillea vor. Reuter (An. Hem. p. 193). 
— Böhmen: Im Sommer auf Ononis spinosa ziemlich selten und 
mit dieser Pflanze wohl nur in gewissen Gegenden verbreitet; bei 
Teplitz fand ich ihn auch auf Onobrychis sativa (7). Dupa. — Prag, 
Zlichow, 10. Juni; Holischowitzer Heide an Ononis spinosa, ziemlich 
häufig, 15. August... Nickert. — Frankreich: Dép. de la Moselle: 
Ars, Longeville, sur les saules; assez commun. BELLEvoYE. — Dep. 
du Nord: Assez commun dans les fortifications de Lille, sur les 
herbes, en aôut et septembre; dunes de Dunkerque. LETHIERRY. — 
England: An exceedingly abundant species, on Ononis spinosa, at 
Folkestone, in July; Scarborough, in September (Wırkınson). DouGLas 
and Scorr. (1865). — On Ononis, generally distributed in the South 
of England. Saunpers (1892). 

Macrotylus atricapillus Scorr — (Litosoma atricapilla Scorr, Ent. 
Monthl. Mag. VIII, p. 194! — Macrocoleus gracilis Puron, Ann. Soc. 
ent. de Fr. Sér. V, Tome 1V, 1874, 221, 12!) — ist dem M. Paykulli 
Fart. ähnlich, unterscheidet sich aber nach Reuter durch seine 
kleinere, schlankere und hellere Gestalt, durch seine zerstreute und 
sparsame schwarze Behaarung oberseits, sowie durch seine am 
Grunde gleichfarbenen Schienen. Derselbe lebt auf synantheren 
Pflanzen, besonders auf Cupularia viscosa in Griechenland, Ungarn, 
Süd-Frankreich, Korsika und Spanien. — REUTER gibt von ihm (Hem. 
Gymn. Europ. II, 1879, p. 206, 11) folgende (hier verdeutschte) 
Diagnose: „Hell gelbgrünlich, oben spärlich und ganz fein hell be- 
flaumt, auf den Halbdecken zerstreute, leicht ausgehende schwarze 
Haare; das erste Fühlerglied mit einem schwarzen Ring vor der 
Spitze, auch der Grund des zweiten Glieds ist schmal schwarz; die 
Beine haben Körperfarbe und sind einfarbig bis auf das dunkel- 
braune letzte Tarsalglied; die Membran ist samt Zellen rauchgrau, 
ihre Adern sind weiß, an der Keilspitze findet sich ein weißer drei- 
eckiger Fleck; ein zweiter, größerer weißer Fleck zieht sich von 
der Mitte des äußeren Randes ziemlich lang schief über die ganze 
Fläche und verbindet sich an seinem Ende mit einer weißgetupften 
Querbinde; zwischen diesen beiden weißen Flecken findet sich eine 
schwarzbraune Binde; das Pronotum ist stark in die Quere gezogen, 
seine Seiten sind fast gerade. Länge dọ 2 mm.“ 


18* 


— 2716 — 


Division Plagiognatharia Revr. 


Diagnose: Leib oberseits meist glänzend; Kopf geneigt oder 
senkrecht, ohne Längsfurche auf dem Scheitel; Kopfschild ziemlich 
schmal, Zügel gut abgegrenzt; die Augen liegen hinten dem Pro- 
notum nicht auf; das Pronotum zeigt an seiner Spitze keine vordere 
Einschnürung, seine Seiten sind niemals gerandet; die Spitze der 
Vorderbrust gewölbt oder ziemlich eben; die Halbdecken mit unvoll- 
ständiger Cubitalgabel; die Flügelzelle besitzt einen deutlichen Haken; 
die Haftläppchen sind äußerst kurz, meist kaum wahrnehmbar; der 
Schnabel ist nach vorne zu allmählich zugespitzt. 

Die Arten dieser Abteilung leben auf Pflanzen oder Blättern 
von Bäumen, seltener auf Pflanzenwurzeln. 

Beschreibung: Gestalt klein oder mittelgroß, nur sehr selten 
etwas größer, länglich bis kurz eirund, meist, wenigstens oben, 
glänzend. Kopf geneigt oder senkrecht, Wangen nieder, Zügel gut 
abgegrenzt, Kopfschild ziemlich schmal, sehr oft deutlich kielartig 
zusammengedrückt, seltener herabgedrückt, Scheitel bisweilen ge- 
randet oder scharfrandig, die kleine Rinne zwischen den Augen oder 
die Längsfurche fehlt. Die Augen streben nach vorne zu ausein- 
ander. Die Fühler stehen an ihrem Grunde nicht oder kaum mehr 
auseinander als die Augen oben, ihr erstes Glied ist sehr kurz. Das 
Pronotum zeigt keine vordere ringförmige Einschnürung, sein vor- 
derer Rand ist gerade oder in der Mitte nur ganz sanft ausgerandet, 
nur ganz selten tiefer ausgebuchtet, seine Seiten sind niemals ge- 
randet. Das Schildchen ist meist am Grunde frei. Der Fortsatz 
der Vorderbrust ist gewölbt oder, selten, ziemlich eben. An den 
Halbdecken ist die Cubitalgabel unvollständig. Die Flügelzelle be- 
sitzt einen deutlichen Haken. Die Hinterschenkel sind häufig ver- 
dickt. An den Fußgliedern (Tarsen) ist das erste Glied nicht ver- 
längert, das letzte nicht verdickt. Die Haftläppchen sind äußerst kurz, 
kaum noch wahrnehmbar. Der Geschlechtsabschnitt des Männchens 
ist unten bisweilen länglich gekielt. Revter (Hem. Gymn. Europ. I, 
1878, p. 15/16). 

ReEuTER gibt (Hem. Gymn. O. III, 1883, p. 499—504) folgende 
(hier verdeutschte) Gattungsübersicht seiner Division Plagiognatharia: 

1. (51.) Schnabel die Spitze der vorderen Hüften meist überragend. 

Zweites Fühlerglied des d vorne unten nicht (gedrängt) verbreitert 

(wie bei Harpocera Curr.). Grundrand des Pronotum über dem 


Schildchen nicht oder nur leicht gebuchtet (ausgeschweift). Schienen 
gerade. 


— 20 — 


to 


. (7.) Die sehr kleinen Klauen lang, allmählich leicht gekrümmt, Haft- 
läppchen ungemein schmal, lineär, kurz, das untere Drittel der 
Klauen nicht überragend, mit den Klauen selbst vollständig ver- 
wachsen, kaum wahrnehmbar. Tarsen (Fußglieder) lang, ihr 
letztes Glied so lang wie die beiden ersten zusammen. Schienen 
einfarbig oder mit ganz kleinen schwarzen Punkten besetzt, in 
welch letzterem Falle aber die Schenkel hell und unpunktiert sind. 

. (6.) Scheitel ungerandet. Schienen hell, bisweilen schwarz punktiert. 

. (5.) Kehle kaum zu unterscheiden. Augen meist ziemlich stark 
gekörnt, beim d weit auf die Wangen übergreifend. Pronotum 
kurz trapezförmig, häufig vorne breiter als lang, seine Fläche 
ziemlich glatt, die Schwielen nur wenig abgegrenzt. 

Tuponia Revr. 
(14 paläarktische Arten, davon 2 in (an Dtschld.) angrenzenden 
Ländern.) 

[5. (4.) Kehle schief und ziemlich lang. Augen glatt. Pronotum 
trapezförmig, am Grunde etwa- um die Hälfte breiter als lang, 
seine Fläche hinten quer gefurcht, seine Schwielen gut abgegrenzt. 

Die südeuropäische, zweiartige Gattung Meyalodactylus FıEr.] 

[6. (3.) Scheitel gerundet. Augen fast glatt. Schienen schwarz. Leib 
schwarz, weißgezeichnet. Pronotumseften geschweift. 

Die mediterrane dreiartige Gattung Auchenocrepis Fız».] 

7. (2.) Haftläppchen deutlich und mit den Klauen vollständig ver- 
bunden, meist mindestens bis zur Klauenmitte reichend, nur selten 
schmal und kurz (wie bei gewissen Atractotomus- und Psallus- 
Arten), in welchem Falle der Leib mit metallisch glänzenden, leicht, 
abfallenden, fast schuppenartigen Härchen bedeckt ist. 

8. (28.) Schenkel hell, ohne alle schwarzen oder braunen Punkte (nur 
bei der mediterranen, einartigen Gattung T'ragiscocoris FıEB. zeigen 
die Schenkel unten leicht gereihte, allerfeinste, bräunliche Stäubchen, 
aber keine eigentlichen schwarzen Punkte). 

9. (19.) Schienen klein schwarz bedornt. Der männliche Geschlechts- 
abschnitt unten abgestutzt, die Legeröhre des @ vorne nicht zu- 
gespitzt. 

[11. (12.) Tarsen dunkel, die hinteren ziemlich lang, ihr drittes Glied 
länger als das zweite. Stirne glänzend, meist ziemlich gewölbt. 
Kehle sehr kurz. Pronotumschwielen ausgebildet, häufig anders 
gefärbt, auseinandergerückt. 

Die außerdeutsche, vierartige Gattung Muurodactylus Reur.] 

12. (11.) An den hinteren Tarsen ist das dritte Glied kürzer als das 
zweite. 

13. (18.) Kopfschild leicht gebogen, allmählich abfallend. 

14. (17.) Die gekörnten Augen stoßen an die Spite des Pronotum. 

15. (16.) Klauen in ihrer Mitte ziemlich stark gekrümmt, Haftläppchen 
ungefähr bis zur Mitte der Klauen ausgedehnt. Fühler nur wenig 
oberhalb der Augenspitze innseits eingefügt. 

Die außerdeutsche, aber angrenzende, zweiartige Gattung Asciodema Revr. 

[16. (15.) Klauen nur an ihrer Spitze gekrümmt, Haftläppchen bis zur 


W @ 


[17. 


— 2718 — 


Krümmung reichend. Fühler am vorderen Augendrittel innseits 
eingefügt. 
Die kaukasische einartige Gattung Damioscea Reur.] 

(14.) Die fast glatten Augen stehen von der Pronotumspitze etwas 
ab. Scheitel hinten leicht abgerundet, sein Rand auch hinter den 
‘Augen wahrnehmbar. Fühler an der äußersten Augenspitze inn- 
seits eingefügt. Klauen nur leicht gebogen. Die schmalen Haft- 
läppchen reichen bis zur Mitte der Klauen. 

Die einartige, im südöstlichen Europa lebende Gattung Pare- 
drocoris REuT.] 


[18. (13.) Kopfschild am Grunde mit der Stirne zusammenfließend, von 


20. 


21 


23 


to 
O1 


der Seite gesehen gleich am Grunde stumpfwinklig nach rückwärts 
gebogen. Fühler in beiden Geschlechtern einander unähnlich, 
beim d lang, das erste Glied länger als der Kopf. Die Schenkel 
an der Spitze zwarďganz ohne schwarze Randpunkte, aber ver- 
schwommen bräunlich bestäubt. Klauen ziemlich gebogen, die 
Haftläppchen etwas über die Mitte der Klauen hinaus reichend. 
Die einartige mittelländische Gattung Tragiscocoris Fire. ] 

(9.) Schienen mit zarten, gleichfarbenen, hellen Dörnchen bewehrt. 
Leib, wenigstens beim d, mehr oder weniger in die Länge gezogen. 

(27.) Kopf geneigt oder fast senkrecht, Kehle schief, bisweilen kurz. 
Legeröhre des 9 lang; dieses selbst nicht dimorph (zweiformig). 

(24.) An den hinteren Tarsen ist das dritte Glied so lang wie das 
zweite oder doch nur wenig länger. d und Q verschiedenfarbig. 
Zweites Fühlerglied beim d lineär und mehr oder weniger verdickt. 
Pronotum an seinem Grunde leicht abgestutzt. Haftläppchen ziem- 
lich klein und bis zur Mitte der Klauen reichend. 

(23.) Erstes Fühlerglied die Spitze des Kopfschilds nicht überragend. 
Der Schnabel überragt etwas die hinteren Hüften, sein erstes 
Glied reicht fast bis zur Xyphusmitte. Der männliche Geschlechts- 
abschnitt ist abgestutzt. Figur ziemlich klein. 

Plesiodema Rerur. 

(22.) Das erste Fühlerglied überragt deutlich die Kopfschildspitze. 
Der Schnabel reicht beim 9 bis zu den mittleren, beim & fast 
bis zu den hinteren Hüften, sein erstes Glied reicht etwas über 
den Kopf hinaus. Der männliche Geschlechtsabschnitt hat unten 
einen langen, spitzaufgerichteten, gesägten Kiel. Leib von geringer 
Größe. Brachyarthrum FıEB. 


. (21.) An den hinteren Tarsen ist das dritte Glied deutlich kürzer als 


das zweite. Mann und Weib sind gleichfarben. Pronotum am Grunde 
schwach abgestutzt oder über dem Schildchen breit leicht gebuchtet. 


. (26.) Kopf fast senkrecht, Kehle kurz. Erstes Schnabelglied nicht 


bis zur Xyphusmitte reichend. Der männliche Geschlechtsabschnitt 
ist unten beiderseits zusammengedrückt und in seiner Mitte ganz 
stumpf gekielt. An den hinteren Tarsen ist das zweite Glied 
nicht ums Doppelte länger als das erste. Die Haftläppchen reichen 
über die Klauenmitte hinaus, weiterhin sind die Klauen ziemlich 
stark gekrümmt. Jcorlema RETT. 


— 279 — 


26. (25.) Kopf geneigt (nickend), Kehle meist lang. Stirne glatt und 


glänzend. Das erste Schnabelglied reicht nicht oder kanm bis 
zur Kopfspitze. Der männliche Geschlechtsabschnitt besitzt unten 
in der Mitte einen langen, zugeschärften Kiel. An den hinteren 
Tarsen ist das zweite Glied ums Doppelte oder noch etwas mehr 
länger als das erste. Die Haftläppchen reichen deutlich etwas 
über die Klauenmitte hinaus. Phylus Hann. REUT. 


27. (20.) Kopf fast senkrecht, nach vorne zu schnabelartig ausgezogen, 


28 


29 


30 


31 


von der Seite gesehen überall fast gleichbreit. Kopfschild nur 
wenig vorspringend. Kehle lang, leicht aufgerichtet. Das erste 
Schnabelglied steht von der Kehle weit ab und überragt 
kaum die Kopfspitze. Pronotum am Grunde gebuchtet, beim d 
glockenförmig. d und Q einander sehr unähnlich, bei letzterem die 
Halbdecken häufig ganz lederartig. Die hinteren Tarsen sind 
lang, ihr zweites Glied mehr denn doppelt so lang als das erste. 
Die Klauen ziemlich lang; in der Mitte gekrümmt. Haftläppchen 
gut wahrnehmbar, bis zur Mitte reichend. Der männliche Ge- 
schlechtsabschnitt unten fein scharf gekielt. Die weibliche Lege- 
röhre kurz. Byrsoptera Spin. 


. (8.) Schenkel schwarz oder dunkelbraun oder hell mit schwarzer bezw. 


brauner Punktierung, ganz selten hell und nur am oberen Rande, 
vor der Spitze, mit einem schwarzen oder braunen Punkt versehen. 


. (30.) Kopf von vorne gesehen kurz und breit, unter der Augenspitze 


nur ganz kurz ausgezogen; von der Seite gesehen sehr kurz. 
Kopfschild ziemlich herabgedrückt, kaum vorspringend. Die Augen 
sind groß, sehr lang, auien halbkreisförmig gerundet, am inneren 
Rande von der Mitte ab breit gebuchtet und gegen die Spitze zu 
wieder gekrümmt. Leib hell. Klauen mäßig gekrümmt, Haft- 
läppchen gut wahrnehmbar und über die Mitte der Klauen hinaus 
reichend. Campylomma BReur. 


. (29.) Kopf unter der Augenspitze ausgesprochen (manchmal be- 


deutend) in die Länge gezogen. 


. (32.) Kopf breit, nicht oder höchstens nur um !/s schmäler als der 


Pronotumgrund, dabei senkrecht gestellt. Stirne meist glänzend 
und gewölbt. Die Augen glatt. Zweites Fülllerglied nicht länger 
als der Kopf, manchmal noch kürzer. Halbdecken häufig ver- 
kürzt. Springbeine. Klauen mäßig gekrümmt, die Haftläppchen 
bis zur Klauenmitte oder noch darüber hinaus reichend. Leib schwarz 
oder teilweise rostfarben. 

(Agalliastes Fırs. Revur.) Chlamydatus Curr. 


32. (31.) Kopf von mittlerer Grüße oder ziemlich klein, ganz selten 


33 


nur etwas breit, in welchem Falle der Leib hell ist. 


. (34.) Kopfschild senkrecht, am Grund scharf abgegrenzt, in der 


die Fühlerwurzeln verbindenden Linie gelegen. Stirne stark ge- 
wölbt. Kopf kurz, senkrecht, der Gesichtswinkel gerade, die Kehle 
nicht zu unterscheiden. Augen kurz. Die Klauen leicht gekrümmt, 
ohne Zahn am Grunde, die Haftläppchen ziemlich breit und über 
die Klauenmitte hinaus reichend. Atomoscelis REUT. 


— 280 — 


34. (33.) Kopfschildgrund meist oberhalb der die Fühlerwurzeln ver- 


bindenden Linie gelegen, nur selten in oder unterhalb derselben, 
in welchem Falle der Leib schwarz ist oder die Augen sich lang 
über die Kopfseiten ausdehnen, die Wangen ziemlich schmal sind. 
die nur leicht gewölbte Stirne langsam abfällt oder der Kopt- 
schildgrund von der Stirne nur schlecht abgegrenzt ist. 


[35. (36.) Weibchen, soweit bis jetzt bekannt, kurzflüglig. Zweites 


Fühlerglied beim Männchen lineär, verdickt. Färbung grünlich. 
Kopfschild ziemlich stark gebogen, sein Grund von der Stirne 
kaum abgegrenzt. Das Weibchen besitzt Springbeine. Die Klauen 
allmählich mäßig gekrümmt, Haftläppchen nur wenig über die Mitte 


der Klauen reichend. 
Die einartige südfranzösische Gattung Malacotes REur., 


36. (35.) Farbe nur ganz selten grünlich, in welchem Falle das zweite 


Fühlerglied beim Männchen nicht deutlich verdickt ist. Weibchen 
stets mit ausgebildeten Flügeln, nicht dimorph. Leib häufig mit 
schuppenartigen, metallisch glänzenden Härchen bedeckt. 


37. (48.) Zweites Fühlerglied beim d niemals schlanker als das gleiche 


beim 9, das hier aber nie spindelförmig ist. 


38. (39.) Kopfschild herabgedrückt, nicht oder kaum vorspringend. 


Scheitel gerandet oder wenigstens sein hinterer Rand dünn und 
scharf. Kehle sehr kurz. Augen glatt. Zweites Fühlerglied kürzer 
(oft bedeutend) als der Grundrand des Pronotum. Klauen von 
verschiedener Gestalt. Sthenarus FıEr., REUT. 


39. (38.) Kopfschild deutlich zusammengedrängt, mehr oder weniger 


vorspringend. 


40. (47.) Augen glatt oder fast glatt, nur ganz selten etwas wahr- 


[41. 


43. 
44. 


49. 


nehmbar gekörnt, in welchem Falle der Leib grünlich ist. 
(42.) Haftläppchen sehr weit über die Mitte der Klauen hinaus 
reichend, nur die Klauenspitze selbst frei lassend.. Klauen ziem- 
lich kräftig und kurz. Beine (wenigstens hinten) schwarz. 

Die einartige syrische Gattung Utopnia Reur.]| 


. (41.) Haftläppchen höchstens etwas über die Mitte der Klauen 


hinaus reichend. 
(46.) Schienen stets schwarz punktiert. 


(45.) Kopf ziemlich breit. Scheitel vorne am Auge beiderseits 


mit eingedrückter Zelle oder Grübchen. Augen vorstehend, voll- 
ständig glatt. An den hinteren Tarsen ist das dritte Glied fast 
so lang wie das zweite. Klauen ziemlich gekrümmt und ziemlich 
kurz. Haftläppchen gut wahrnehmbar, noch etwas über die Klauen- 
mitte hinaus reichend. Neocoris Deu. et Sc., Retr. 
(44.) Scheitel ohne vertiefte Zelle an den Augen beiderseits. Augen 
selbst kaum vorstehend, mehr oder weniger glatt. An den hinteren 
Tarsen ist das dritte Glied meist deutlich kürzer als das zweite. 
Die Schienen sind am Grunde häufig schwarz oder dunkelbraun. 
Klauen lang zugespitzt und mäßig gekrümmt. Haftläppchen die 
Mitte der Klauen nicht überragend oder kaum erreichend. 
Plagiognathus FıEB., Retr. 


—_ 238 — 


46. (43.) Schienen ohne schwarze Punkte, manchmal schwarz. Kopf 
meist länger als breit, schnabelartig ausgezogen. Fühler beider 
Geschlechter einander unähnlich und verschiedenfarbig, das zweite 
Glied beim d verdickt und meist schwarz, beim @ dünn und gelb- 
lich. Pronotum am vorderen Rande gebuchtet, die Schwielen gut 
abgegrenzt, besonders am vorderen Rand innen vertieft. Leib 
oberseits mit eingesprengten kurzen, metallisch glänzenden oder 
weißen Haaren. Klauen von mittlerer Größe und nur leicht ge- 
krümmt. Haftläppchen bis zur Mitte der Klauen oder etwas 
über dieselbe hinaus reichend. Farbe schwärzlich. 

Criocoris FIEB. 

47. (40.) Augen ziemlich deutlich gekörnt, nur selten fast glatt, in 
welchem Falle aber der Leib mit metallisch glänzenden oder weiben, 
leicht abreißenden Härchen dicht bedeckt ist, niemals grünlich, 
der Kopf nicht schnabelförmig verlängert, von der Seite gesehen 
nie länger als hoch, das Pronotum vorne zwischen den Schwielen 
nicht eingedrückt und die Schienen nicht sattgelb, sondern 
schmutzfarben, punktiert und mit gleichfarbenem Grunde; (nur die 
gelben Schienen von Psallus vitellinus und dilulus sind an ihrem 
Grunde schwarz, doch sind die Augen dieser Arten gekörnt). 
Koptschild mit seinem Grunde in der mittleren Augenlinie gelegen. 
manchmal auch über dieser. Scheitel weder gerandet, noch scharf- 
randig. An den hinteren Tarsen ist das dritte Glied nur äußerst 
selten kürzer als das zweite, meist länger. Klauen und Haft- 
läppchen sind von wechselnder Größe. Psallus Fırs., Revr. 

43. (37.) Zweites Fühlerglied in beiden Geschlechtern spindelförmig ver- 
dickt, behaart oder beim 9 spindelförmig, beim & linienförmig 
verdickt. Leib mehr oder weniger dicht mit weiben oder metallisch 
glänzenden schuppenförmigen Härchen bedeckt. 

49. (50.) Kopf stark geneigt oder fast senkrecht, in die Quere gezogen, 
vom Grunde ab schräg abfallend, nach vorne zu mässig ausgezogen. 
Kopfschild ziemlich vorspringend, sein Grund von der Stirne kaum 
abgegrenzt und in der mittleren Zwischenaugenlinie gelegen. Erstes 
Fühlerglied verkehrt kegelfürmig, die Spitze des Kopfschilds etwas 
überragend.. Augen ziemlich lang über die Kopfseiten sich er- 
streckend. Vorderer Pronotumrand fast gerade, die Schwielen 
wenig abgegrenzt. Klauen ziemlich kurz, von verschiedener Bauart. 

Atractotomus FıEBR. 

[50. (49.) Kopf nur leicht geneigt, länger als breit, vor den Augen 
lange ausgezogen, die Stirne kaum schräg. Scheitel mit leicht 
erhöhter, verschiedenfarbiger, querer Furche. Kopfschild stark 
vorspringend, an seinem Grunde von der Stirne durch eine Ver- 
tiefung gut abgegrenzt, die unter der die Fühlergruben ver- 
bindenden Linie liegt. Erstes Fühlerglied stark aufgebläht 
keulenförmig, die Spitze des Kopfschilds ziemlich weit überragend. 
das zweite nur etwa ums Doppelte länger als das erste und auf- 
gebläht spindelförmig. Augen sehr kurz, leicht abgerundet. Am 
Pronotum sind die Schwielen gut abgegrenzt, die Spitze leicht 


— 232 — 


geschweift. Der Keil ist tief eingeschnitten. An der Membran 
ist der äußere Rand vom Grunde ab ziemlich stark gekrümmt 
und von der Keilspitze durch einen Einschnitt geschieden. Die 
Klauen sind mäßig gekrümmt. Die vorne breit abgestutzten 
Haftläppchen reichen bis zur Mitte der Klauen. 
Die dreiartige südrussische, bezw. kleinasiatische Gattung 
Excentricus Reur.] 

51. (1.) Schnabel die vorderen Hüften nicht oder kaum überragend. Kopf 
fast senkrecht, von der Seite gesehen kurz. Scheitel hinten ge- 
randet, in der Augengegend beiderseits ein mehr oder weniger 
tiefes Grübchen. Kopfschild stark vorspringend, senkrecht, von 
der Seite gesehen breit. Fühler mit ziemlich langen, zerstreuten 
Borsten besetzt, ihr zweites Glied beim d vorne unten erweitert. 
Pronotum an seinen Grunde über dem Schildchen ziemlich tief 
gebuchtet, seine Schwielen glänzend. Die vorderen Schienen beim 
g lang, in ihrem vorderen Drittel stark gekrümmt, die hinteren 
vor der Spitze nur leicht gekrümmt. Die Haftläppchen erstrecken 
sich sehr weit über die Mitte der Klauen hinaus und lassen gerade 
nur deren Spitze frei. Harpocera Curt. 


Harpocera Curt. 


Das 3 länglich, fast parallelseitig, das ọ breiter, länglichoval, 
glänzend, die Geschlechter verschieden (Fıer.: Körper ge- 
streckt, ziemlich gleich breit). Kopf fast senkrecht, quer (Fıer.: 
von oben querüber breiter als lang), der Scheitel beiderseits 
grubig, hinten gekielt (gerandet); die gewölbte Stirne senkrecht, 
von der Seite besehen ziemlich breit. Der Kopfschild stark vor- 
springend, sein Grund von der Stirne gut abgesetzt. Der kurze 
Schnabel überragt kaum die Spitze der vorderen Hüften, sein erstes 
Glied nicht den Kopf. Die großen, halbkugeligen (Fırs.) Augen sind 
gekörnt. Die schiefe Kehle ist kaum wahrnehmbar. Die Fühler 
sind kürzer als der Leib (Der. Sc.), zerstreut beborstet, vor der 
Augenspitzeeingefügtundvonihr ziemlich abstehend, 
ihr erstes, beim g dickeres Glied, überragt mehr oder weniger weit 
die Spitze des Kopfschilds (Fıen.: Fühlerwurzel fast walzig, etwa so 
lang als der Kopf), das zweite Glied ist beim Z vorne unten 
zusammengepreßt erweitert (Der.. Sc.: 2°® in the 3, 1, as 
long as the 3"; on the underside, at the apex, produced into a flat- 
tish triangular lobe); das dritte Glied ist (Fırs.) etwa !/s länger als 
das zweite. Das länglich trapezförmige (Fıes.) Pronotum ist am 
Grunde, in seiner Mitte, ausgerandet (ausgeschweift, gebuchtet), 
seine nach vorn geneigte Fläche ist quer gerunzelt, die glänzenden 
Schwielen sind deutlich ausgebildet. Das schwach gewölbte Schildchen 


— 283 — 


ist (Der. Sc.) fast gleichseitig dreieckig. Der länglich dreieckige 
(Der. Sc.) Fortsatz der Vorderbrust ist am Grunde grubig. Die Halb- 
decken sind länger als der Hinterleib, der Keil länglich dreieckig, 
die Membran zweizellig, die Flügelzelle mit Haken versehen. An 
den verhältnismäßig großen Beinen sind die Schenkel gleich dick 
(FlIEB.), verlängert und (wenigstens die hinteren) vorne reihig punktiert; 
die Schienen sind schwarz punktiert und fein schwarz bedornt, 
beim ő die vorderen und hinteren gekrümmt; an den Tarsen 
ist das zweite Glied so lang wie das dritte. Der längliche männ- 
liche Geschlechtsabschnitt ist an seiner Spitze dicht behaart; die 
weibliche Legeröhre überragt kaum die Bauchmitte. — Nach REUTER 
ıst diese Gattung (deren zwei Arten in Wäldern des mittleren und 
südlichen Europa leben) durch ibren kurzen Schnabel, den Bau des 
Kopfes, die vor der Augenspitze eingefügten und von ihr abstehenden 
beborsteten Fühler, sowie durch die Struktur von Fühlern und Schienen 
beim Männchen deutlich zu unterscheiden. 


181 (573) thoracica Fa. 

P. thoracicus lutescens pilosus: capite thoracisque antico nigris: 
lineola dorsali apiceque scutelli albis; articulo antennarum secundo 
in mare subtus tuberculato. FALLÉN. 

Oberseits dicht hell behaart, gelbbraun bis schwarz gefärbt 
bezw. gezeichnet, und zwar in beiden Geschlechtern verschieden, 
das 9 heller als das d. Kopf dunkel mit hellen Streifen in der Mitte 
und seitlich. Die Augen dunkelbraun. Der Schnabel lehmfarben 
mit dunkler Spitze. Die Fühler etwa um die Hälfte kürzer als der 
Leib (einschl. Decken), hell beflaumt (mit einzelnen zerstreuten längeren 
dunklen Haaren dazwischen, Rr.), die zwei ersten Glieder meist hell 
und dabei mehr oder weniger braun gesprenkelt, die beiden letzten 
beim ọọ dunkler; das erste Glied dick, so lang als das vierte (Kp.); 
das zweite Glied kürzer als das dritte, beim d glatt, ziemlich stark 
gekrümmt, vorn unten mit einem zusammengedrückten Höcker (Rr.), 
beim @ mit einigen schwarzen Knötchen (FıeB.). Pronotum nach 
vorne sehr verengt mit stark entwickelten Schwielen (Kß.), sein 
Grund beim d mehr als zweimal, beim Q mehr als viermal so lang 
als der vordere Rand, bei beiden Geschlechtern geschweift, die Seiten 
beim d geschweift, beim 9 gerundet (Saunn.); seine Fläche hinten, 
bes. beim 9, quer gefurcht; beim & ist das Pronotum dunkel (schwarz- 
braun bis schwarz) mit hellem (gelbweißem) Hinterrand, beim 9 
(nebst Schildchen) gelbbraun mit weißer Mittellinie und schwarzen 


— 284 — 


(oder schwarz gesäumten) Schwielen; die Rückenlinie ist mehr oder 
weniger hell. Das Schildchen ist dunkel mit heller Mittellinie und 
heller Spitze. Die Brust ist beim d schwarz mit rostfarbenem Rand, 
beim @ ganz schwarz oder lehmgelb mit schwarzer Mittelbrust: der 
Hinterleib ist beim d oben schwarz, unten gelbbraun mit Schwarz an 
Grund, Spitze und Seiten, beim 9 ganz erdfarben (lehmgelb) oder 
an Seiten und Spitze mehr oder weniger breit schwarz (Rr.).. An 
den schmutziggelben Halbdecken ist meist der Clavus innen und 
ein breiter Streif im Corium schwärzlich (FıEz.), der schwarzbraune 
Keil zeigt gelblichweißen Grund (Fıee.), die schmutzige Membran 
hat weißliche Adern. An den gelbweißen Beinen sind die Hinter- 
schenkel an ihrer Spitze dunkel, Schienbeinende und Tarsen schwarz, 
die hellen Schienen selbst aus feinen schwarzen Punkten mehrreihig 
schwarz bedornt. Während sämtliche Schienen des 9 gerade, sind 
dieselben beim ¿ gebogen, und zwar die Vorderschienen gegen ihre 
Spitze zu, die hinteren mehr in der Mitte (Fıer.: die hinteren am 
Grund oder Ende eingebogen). Länge: ? mm (3°). 

REUTER unterscheidet (H. G. O. I, 169) 3 Spielarten: 

Var. a: Oben samt Fühlern ganz pechschwarz, nur der Scheitel- 
kiel und der Keil-Grund sind gelblich; unten gleichfalls pechschwarz, 
nur daß Schnabel, Hüften und Bauchmitte gelbbraun sind. 9. (Die 
Beine fehlen dem REıTER vorliegenden Exemplar.) 

Var. 3: Oben braungrau oder rußig, während der Kopf (Scheitel- 
kiel ausgenommen), die Pronotumschwielen, der Schildchengrund 
(dieser sehr breit) und der Keil an seiner Spitze pechfarben sind; 
unten pechschwarz, in der Bauchmitte ein sehr großer lehmgelber 
Fleck; die Fühler erdfarben (lehmgelb), nach der Spitze zu dunkel- 
braun. 9. 

Var. y: Beim 7 Kopf, Pronotum und Schildchen pechschwarz, 
beim 2 Kopf, Pronotumschwielen und Schildchengrund pechfarben, 
während das übrige von Pronotum und Schildchen rostgelb ist; hin- 
gegen sind weißlich: am Kopf eine durchlaufende Mittellinie und 
Flecke an der Spitze, am Scheitel der Kiel, am Pronotum der hintere 
Rand und eine mittlere Längslinie, am Schildchen eine Mittellinie 
oder nur die Spitze; die Halbdecken sind beim 3 graubraun, beim 2 
gelbbraun, der Keil pechfarben und an seinem Grunde breit hellgelb; 
die Unterseite ist beim c” schwärzlich, beim @ gelbbraun mit rost- 
farbenen Seiten und pechfarbener Brustmitte; die Fühler sind beim & 
und 2 ungleich gefärbt. 

Lyyarus thoracicus Farrés, Mon. Cim. Suec. 1807, 81, 45. 


— 285 — 


Phytocoris thoracicus Farin, Hem. Suec. 1829, 111, 66. 

Phytocoris circunflexzus Costa, Cim. Reg. Neap. III, 1852, 36, 
21, T. VII, fig. 6. 

Capsus thoracicus HERRICH-SCHÄFFER, Nom. ent. 1835, p. 52. — 
Wanz. Ins. IX, 1853, Index, p. 41. — Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, 
p. 102, No. 90, Taf. VI, Fig. 5. 9. — Kırscasaum, Rhynch. Wies- 
bad. 1855, p. 15, 73 und 117, sp. 82. — Tuomsox, Op. ent. 1871, 
443, 87. 

Capsus curvipes Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 98, No. 86, 
Taf. V, Fig. 3 = 3. 

Capsus antennatus MuLsant et Rey, Op. ent. in Ann. Soc. Linn. 
Lyon. 1852, 129 = d. 

Capsus picticornis MuLsant et Rey, Op. ent. in Ann. Soc. Linn. 
Lyon. 1852, 149 = ©. 

Capsus dispar STEPHENS, sec. Signoret, Ann. Soc. Ent. Fr. 1853, 
Bull. p. 54. 

Lygus thoracicus SNELLEN VAN VOLLENHOVEN, Hem. Neerl. 1878, 209. 

Harpocera Burmeisteri Cortis, Brit. Ent. 1839, XVI, p. et 
fig. 709. 3. — Westwoor, Introduct. 1840, II, Syn. 121 = g. 

Harpocera thoracica FIEBER, Criter. 1859, 28. — Eur. Hem. 
1861, p. 297. — Doncras and Scott, Brit. Hem. 1865, p. 469, 
Pl. XV, fig. 3. d. — Reuter, Rev. crit. Caps. 1875, 149, 1. — 
Hem. Gymn. Sc. et Fenn. 165, 1. — Hem. Gymn. Europ. I, 1878, 
p. 169, 1, Tab. VIII, fig. 6 (3) et fig. 7 (9); III, 1883, p. 466 et 
927. — Revis. synon. 1888, II, p. 312, No. 294. — SAUNDERS, Synops. 
of brit. Hem. Het.'1875, p. 299, 1. — Hem. Het. of the brit. isl. 
1892, p. 306, Pl. 28, fig. 9. — Arkınsox, Cat. of Caps. 1889, p. 157. 
— Prron, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 1. 


Bayern: Bei Regensburg sehr selten. Kırrei.. — Bei Bamberg 
unter Eichen im Grase. Funk. — Württemberg: Roser. — In lichten 
Wäldern der Umgebung Ulms (Hochsträß, Wiblinger Staatswald, 
Böfinger Halde usw.), 5 und 6, nicht gerade selten. Hüeger. — Baden: 


Neunlinden im Kaiserstuhl, 5. Merss. — Elsaß-Lothringen: Stras- 
bourg; forêt de Vendenheim ; Remiremont; Metz; sur la chêne surtout; 
rare. ReiBER-Puron. — Hessen-Nassau: Frankfurt a. M.: Lebt meist 


auf Quercus, Mai bis anfangs Juni, immer einzeln (Schwanheim, 
2. 4. 1905; 15. 5. 1901; 28. 5. 1908, Frankfurt, 1. 6. 1898; bei 
Falkenstein im Taunus, 24. 5. 1905, auf Eichen gefunden von 
L. vox Heypen). GuLpe. — 8, Wiesbaden; ein d in hiesiger Gegend 


— 286 — 


gefangen; kommt auch bei Weilburg vor; scheint selten. Kırsch- 
BAUM. — Westfalen: Zerstreut und einzeln; von mir 30. 5. 1880 
bei Münster im Seetrupschen Busche ein Stück von Eichen geklopft ; 
ein zweites fing Korse bei Öding (Var. ruficoldis: „prothorace, scu- 
tello, femoribus supra, abdomine rufo-tinctis“); ein @ von KOLBE 
6. 1880 bei Öding gefunden. Westuorr. — Thüringen: Bei Georgen- 
thal, ziemlich selten. Keııner-Breppın. — Von Dr. SCHMIEDEKNECHT 
(Blankenburg) gesammelt. Fokker. — Schleswig-Holstein: Auf Eichen 
wohl überall und nicht selten vorkommend. Wüstnei. — Mecklen- 
burg: Ende Mai fing ich beide Geschlechter im Laubwalde Schwien- 
kuhlen mehrfach, doch immer nur einzeln. Rappartz. — Schlesien: 
Bisher nur im Gebirge. Anfang Juni im Grase an schattigen Stellen, 
selten . . . Assmann. — Provinz Preußen. BRISCHKE. 

Im Grase unter Eichen; durch Europa verbreitet. FIEBER. 

Hab. in Quercetis Europae mediae (ad Holmiam! usque) et 
meridionalis. Varr. æ et $ e Graecia (Attica!, Balcan!), D. Dr. 
KruEper. — Caucasus, D. CrıstorH. REUTER. 

Hab. Middle and S. Europe. ATKINSON. 


(Schweiz: Äußerst selten. Von mir erst 2mal erbeutet. Das 
erste Exemplar im Juni 1837, das zweite am 31. Mai 1840 unter 
einer Eiche im hohen Grase am Meienmoos bei Burgdorf. Ein drittes 


von Linper aus Genf. — Wahrscheinlich ist thoracicus das Weib 
und mein curvipes (No. 86) der Mann ein und derselben Art... 
Meyer. — Im Gras und auf niederem Gebüsch an heißen Hügeln 


und Feldrainen einzeln und selten im Mai und Juni. Ütliberg und 
Dubendorf bei Zürich (Br.) ... FrEey-GEssner. — Graubünden. Auf 
Eichen bei Chur (Krıecne.). Kitas. — Böhmen: Prag, Kundratitz, 
von Hainbuchen geklopft, selten, 23. Mai. NickertL. — Mähren: Auf 
Erlen bei Proßnitz, sehr selten. Auch bei Brünn. SPITZNER. — 
Frankreich: Dep. de la Moselle: En battant les arbrisseaux; rare. 
BELLEvoye. — Dep. du Nord: Rare dans les fortifications de Lille 
(de Norguet); assez commune en mai dans un bois humide des 
environs de Marchiennes. LETmeERRY. — England: Not an uncom- 
mon species at Levisham, Eltham, Bexley etc., by beating bushes 
in May. DoucLas and Scott. — On oaks, generally distributed, but 
rarely very abundant. SAUNDERS). 


NB.! Die zweite paläarktische Harpocera-Art, H. hellenica 
Reur., lebt in Griechenland und Kleinasien und unterscheidet sich 


— 287 — 


durch geringere Größe, durch nur teilweise (Halbdecken u. Schild- 
chen) Behaarung sowie durch anderen Fühlerbau. 


Byrsoptera Srın. (Malthacus FieB.) 


Die beiden Geschlechter sehr verschieden: das d länglich, 
schmal, vollkommen geflügelt (makropter), äußerlich einer schmalen 
Mecomma ähnelnd, das @ kurz eiförmig, nach hinten verbreitert, 
immer brachypter, d. h. Halbdecken ohne Clavus, Keil und Mem- 
bran; beide Geschlechter glänzend mit feinem, kurzem, gelblichem 
Flaumhaar bedeckt. Kopf nach vorne ausgezogen, so lang als breit, 
stark geneigt (fast senkrecht), von oben gesehen fünfeckig. Kopf- 
schild zusammengedrückt, nur wenig vorspringend. Kehle lang und 
sehr schief. Augen länglich und gekörnt. Der Schnabel reicht bis 
zu den hinteren Hüften, sein erstes Glied steht vom Kopfe ab und 
überragt kaum dessen Spitze. Fühler etwas über der Augenspitze 
eingefügt, das erste Glied den Kopfschild ziemlich weit überragend. 
Pronotum an Seiten und Grund geschweift, beim d länglich, glocken- 
förmig, zur Schulter erweitert, beim kurzflügeligen 9 fast rechteckig, 
trapezförmig, vorne gewölbt (FıEB.), ziemlich stark ausgerandet, leicht 
quer, seine Fläche vorne leicht gewölbt (Rr.), viel schmaler als der 
Hinterleib, mit großen Schwielen (Der., Sc.). Schildchen am Grunde 
frei. Xyphus der Vorderbrust dreieckig, zugespitzt, gewölbt. Hinter- 
leib beim d verlängert, beim @ nach rückwärts erweitert. Halb- 
decken beim d stets ausgebildet, länger als der Hinterleib, parallel 
laufend, mit länglichdreieckigem Keil und zweizelliger Membran ; 
beim 9 lederartig, stark gewölbt, hinten am breitesten, der hintere 
Rand abgerundet, die Hinterleibspitze nicht erreichend.. An den 
Beinen sind die vorderen Hüften lang, die Schenkel verlängert und 
ungezeichnet, die Schienen fein hell bedornt, aber unpunktiert, die 
hinteren Tarsen fein, lang, ihr zweites Glied mehr als doppelt so 
lang wie das erste, das dritte etwas kürzer als das zweite. Der 
männliche Geschlechtsabschnitt ist unten fein und ziemlich scharf 
gekielt, die weibliche Legeröhre ist kurz. — Die 3 paläarktischen 
Arten dieser Gattung leben auf Pflanzen. — Diese Gattung weicht 
von den nächststehenden erheblich ab, hat noch am meisten Ähn- 
lichkeit mit Meccomma, von der sie sich durch den hakenartigen 
Nerv der Flügelzelle unterscheidet. (Sauxp.); nach REUTER ist 
Byrsoptera besonders durch den Bau von Kopf und Pronotum, durch 
die Form des meist kurzflügeligen Weibchens sowie durch dessen 
kurze Legeröhre charakterisiert. 


— 288 — 


182 (574) rufifrons Far. 

Nigra nitida capite rufo; antennis pedibusque pallidis. FaLL£x. 

Mehr oder weniger schwarz, glänzend, hell beflaumt (Fi£B. : 
überall gelb dicht behaart), beide Geschlechter von sehr verschiedenem 
Aussehen; (gemeinsam ist ihnen nur der gelbrote, in seinem ersten 
Glied pechschwarze Schnabel sowie die gelbroten Beine einschließ- 
lich Hüften). 

Das Männchen ist gestreckt (Fıes.: lineal länglich), parallel- 
seitig mit entwickelten Decken und Flügeln. Der zugespitzte, schwarze 
Kopf ist nach unten geneigt. Augen rostfarben. Die schlanken, 
körperlangen Fühler sind hellgelb, rötlichgelb, lehmgelb; das 1. Glied 
ist dunkelbraun, nur am Grunde hell; das stabförmige, starke, lange 
2. Glied ıst ganz schwarz und fast so lang wie die beiden letzten 
zusammen; diese sind fein, viel dünner als das zweite, hell. Das 
schwarze, glockenförmige Pronotum ist etwas (!/s) breiter als lang, 
wenig gewölbt, stark geneigt, nach vorne stark verschmälert, die 
Seiten deutlich geschweift, die Schwielen sehr entwickelt (Ks.: so 
daß dahinter eine vertiefte Linie erscheint). Schildchen mit breit 
abgesetzter Basis (Fr.). Halbdecken ausgebildet, länger als der Hinter- 
leib, durchscheinend, grob querrunzelig, graubräunlich (Fırs.), (EL. : 
schmutzighellbraun), Keil weißgelb, Rr., (Fıeß.: braungelblich mit 
breitem hellem Grund), Membran gleichmäßig schwärzlich mit (Rr.) 
goldgelben Adern (Fırs.: Zellrippen braun, die Binderippe rötlich- 
weiß), glashellem Fleck gegen die Keilspitze zu und dunklerem 
Längsstrich unter der großen Zelle. Beine lang, schlank und hell- 
gelb. Länge 3'/—4'ls (1’4—2"). 

Das kurz eiförmige, hinten stark erweiterte, glatte, glänzende, 
fein anlıegend gelblich behaarte Weibchen ist bis jetzt nur in der 
brachypteren Form bekannt: Kopf rot (hellrot, fleischfarben, bräun- 
lichrot) mit schwarzer Spitze des Kopfschilds. Augen braun. Die 
Fühler gelb, körperlang, das Wurzelglied am Grunde schwarz, das 
zweite Glied ganz am Grunde und im Enddrittel schwarz, die beiden 
sehr schlanken letzten Glieder länger als das zweite. Das schwarze, 
glänzende, fast rechteckige Pronotum ist hochgewölbt, so lang wie 
breit, nur die Hinterecken etwas vortretend (Kß.), viel schmäler als 
der Hinterleib, nach vorn hin fast gar nicht verschmälert, kaum 
etwas geneigt, der Hinterrand ausgeschnitten, der Vorderrand nicht 
abgesetzt, die vordere Hälfte gewölbt und höher als die hintere 
Hache (Fr.). Das schwarze Schildchen ist eben mit breit abgesetzter 
Basis (FL.). Die verkürzten, gewölbten Halbdecken lassen die glän- 


— 289 — 


zende Hinterleibspitze unbedeckt; sie sind glänzend schwarz, leder- 
artig, ohne Clavus, Cuneus und Membran, an der Spitze breit ab- 
gerundet, der Spitzenrand oft lehmgelb und reichen bis zum Grund 
des letzten Rückenabschnitts; an ihrem breitesten Teile sind sie 
(Sauxp.) dreimal so breit wie das Pronotum. Die Flügel fehlen oder 
sind rudimentär. Die Beine sind lehmgelb (Fıes.: schmutziggelb). Länge 
1—3! mm. (1'/,'). 

Die Nymphe beschreibt Reuter (Rev. crit. Caps. p. 152) als 
der weiblichen Form ziemlich ähnlich; Kopf stark geneigt, Pronotum 
fast rechteckig, so lang wie der Mittelrücken (Mesonotum), die Flügel- 
stummel länglich (Gen. Byrsoptera); weiterhin (B. rufifrons FarL.): 
„Scharlachfarben, fein und nicht besonders kurz gelbbehaart, mit 
weißen Fühlern.“ 


Capsus rufifrons Farrés, Mon. Cim. Suec. 1807, 105, 19. -— 
HERRICH-SCHÄFFER, Wanz. Ins. III, 1836, p. 110, fig. 338, ọ. — 
IX, 1853, Index, p. 39. — Mryer, Schweiz. Rhynch., 1843, p. 112, 
No. 105, ẹ. — Kırschsaum, Rynch. Wiesbad. 1855, p. 14, 70, 75, 
114, sp. 77. d9. — Tuomson, Op. ent. 1871, 445, 91. de. 

Capsus ambulans var. 8 Farrés, Hem. Suec. 1829, 126, 20. ©. 

Capsus caricis FLor, Rhynch. Livlds. 1860, I, p. 622, 97. de. 
— Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 85, No. 66, vielleicht! — 
F. Sınıgers, Mon. Geoc. Fenn. 1848, p. 92, 3. g. 

? Cyllecoris Caricis Hans, Wanz. Ins. II, 1833, p. 100, fig. 184, 
d; (von Reuter früher, 1875 und 1878, als synonym hieher be- 
zogen, später, 1888, nicht mehr; auch von Arkınson (1889) nicht; 
hingegen wieder von Puron, Cat. 1899). 

Halticus rufifrons Burmeister, Handb. d. Entom. 1835, p. 278, 3. 

Byrsoptera erythrocephala Srixora, Ess. 1837, p. 191. 

Astemma rufifrons Westwoop, Introduct. 1840, II, Syn. p. 121. 

Eurycephala rufifrons Kouenatı, Mel. ent. 1845, II, 131, 119. 

Pentholaephus Amyot, Ent. fr. Rhynch. 1848, p. 181, No. 19. 

Bryocoris rufifrons F. SAHLBErs, Mon. Geoc. Fenn. 1848, p.124,1.9. 

Malthacus caricis Fieger, Criter. 1859, 34. — Europ. Hem. 1861, 
p. 313, 1, nec FALLÉN! 

Byrsoptera caricis BAERENSPRUNG, Cat. 1860, p. 18. — DousLas 
and Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 352, 1, pl. XI, fig. 6. 9. 

Lygus caricis SNELLEN v. VOLLENHOVEN, Hem. Neerl. 1878, 228. 

Byrsoptera rufifrons Reuter, Caps. Syn. p. 23, 42. — Rev. 
crit. Caps. 1875, p. 151, 1. — Hem. Gymn. Sc. et Fenn. 167, 1. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 19 


— 290 — 


— Hem. Gymn. Europ. I, 1878, p. 166, 1; III, 1883, p. 465 et 
527. — Revis. synon. 1888, II, p. 308, No. 291. — SAunpERs, Synops. 
of brit. Hem. Het. 1875, p. 283, 1. — Hem. Het. of the brit. isl. 
1892, p. 307, pl. 28, fig. 10. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 158. 
— Proton, Cat. 4. éd. 1899, p. 74, 1. 


Bayern: Bei Nürnberg, nach Hann, selten; bei Freising nicht 
sehr selten, Weihenstephan, Wiesenwald, 7. Kırrer. — Bei Bamberg 
auf buschigen Abhängen häufig. Funk. — Württemberg: Roser. — 
Bei Ulm (Böfinger Halde, Kiesental usw.), 7—9, nicht häufig. HŪEBER. 
— Elsaß-Lothringen: Remiremont, Schlucht; Metz: assez commun 
en fauchant sur les orties des saussaies. Remeg — Puron. — Hessen- 
Nassau: @, Wiesbaden, nur einigemal mit dem Streifnetz gefangen 
am Wellritzbach hinter der Zıntsrarr’schen Gießerei; auch bei Weil- 
burg von H. Prof. Scuenck gefunden; 7—8. — Nachtrag (p. 181, 
77): 89, Wiesbaden; auf Urtica dioica L. am Wellritzbach hinter 
der Zint@RAaFF schen Gießerei; 7. KırscuBaum. — Frankfurt am Main: 
An feuchten Stellen, Flußufern, Sumpfrändern und dumpfen Wald- 
stellen, oft recht zahlreich, Juni bis August; das Männchen ist sehr 
flüchtig (Schwanheim, zwischen Weidengestrüpp am Mainufer zahl- 
reich, 26. 6.1901; 2. 7. 1908; — Enkheim, Sumpfränder, 23. 6. 1900; 
30. 7. 1902. — Wisselsheim bei Nauheim, 9. 8. 1903). GuLpE. — 


Thüringen: Bei Georgental, selten. KeLLNeR-BrREDDIN. — Schleswig- 
Holstein: Auf Riedgräsern an feuchten Orten nicht gerade häufig 
gefunden. Wüstxer — Mecklenburg: Im Juli fing ich an einem 


Zaun in Bramom beide Geschlechter auf Nesseln, aber nicht häufig. 
Rapparz. — Schlesien: An hochbegrasten schattigen Abhängen, selten 
und stets nur vereinzelt. Ich fand ıhn bisher nur auf den Ab- 
hängen der Hügel zwischen Salzbrunn und Altwasser, im August 1845. 
ScHnorz. — C. caricis Faur. (Haun fig. 184?) in der Ebene und im 
Gebirge, im Juli, an Riedgräsern, selten. — A. rufifrons Far. : Bis- 
her nur in den Vorbergen, von Ende Juni bis in den August, in 
tiefem Waldgrase, an schattigen, gebüschreichen Abhängen, sehr 
selten ... Assmann. — Provinz Preußen: Siehe unter Cyrtorhinus 
caricis FarL.! BRISCHKE. 

Capsus rufifrons (= 9) bei Regensburg im Frühling einzeln, 
nie in Gesellschaft von C. ambulans. HERRICH-SCHÄFFER. 

Im Grase. Durch kleineren Kopf, längeren, schmäleren Vorder- 
rücken und die ganz rotgelben Beine deutlich von H. pallicornis F. 
unterschieden. BURMEISTER. 


noe mo m nn ‚= 


— 291 — 


Auf schattigen, gebüschreichen Abhängen, auf Wiesen, in 
Gärten. Durch ganz Europa verbreitet. FIEBER. 


Hab. in Urtica dioica per fere totam Europam; in Suecia media! 
et in Fennia australi! usque; Asia minor (Smyrna !), Dr. KRUEPER. — 
Caucasus, sec. D. JaAKOVLEFF. REUTER. 

Hab. Nearly all Europe, Asia minor. ATKINSON. 


(Schweiz: C caricis Farı. In der mittleren Schweiz im Juli 
in Gärten und an sonnigten Abhängen auf Verbascum und Carex- 
Arten, doch selten. Burgdorf im Oberthal. Meyer. — Malthacus caricis 
Farı. In Schächen an sonnigen Abhängen auf Verbascum und Carex- 
Arten. Ende Juni bis Mitte August meist einzeln, die Weibchen 
sehr oft auf dem Boden unter schützenden Blattrosen ... um Aarau 
am häufigsten im trocknen Bett der Suhre; ob Bad Pfäffers. FREY- 
Gessner. — Graubünden: Ob Bad Pfäffers. (Fr. G.) Kırurmas. — 
Tirol: In Nordtirol auf Verbascum im Hochsommer; Sellrain, eine 
Varietät mit schwarzem Kopf (9); Gmadenwald und Straß. — Nach- 
lese: Umgebung von Innichen, Lienz, bei Schloß Bruck und in Auen 
an der Drau, nur 929; St. Michael nächst Kastelruth. Die tirolischen 
Exemplare haben stets schwarze Köpfe und Fühler (mit Ausnahme 
der blaßgelben Grundhälfte des dritten Glieds), so daß FiEBER’s Be- 
schreibung nicht zutrifft und Verfasser eine andere Art hierin er- 
blicken möchte, wenn nicht FiERER selbst sie für caricis erklärt 


hätte. GREDLER. — Steiermark: Bei Graz, @ von GATTERER gefunden; 
um Melk dg häufig. Srrost. — Niederösterreich (Gresten); Wald- 
wiesen, nicht häufig. SCHLEICHER. -- Böhmen: Am Franzensbader 


Torfmoor sehr zahlreich, 6. (D. T.); nach Fırger auch auf sonnigen 
Abhängen auf Himbeeren und Verbascum; mir bisher nicht bekannt. 
Dooa. — Prag Snuchow, im chem. botanischen Garten, Juli; Neu- 
hütten Wuznice, an Schlehen, 10. August. NickerL.. — Livland: 
Nicht selten, aber nur an wenigen Orten gefunden, namentlich auf 
Nesseln (Urtica), im Juni, Juli. Alle (von mir) zitierten Autoren, 
mit Ausnahme KırscHhBaums, kennen bloß das ungeflügelte 2 von 
rufifrons. Fror. — England: The 9 appears to be more abundant 
than the d; both sexes have been taken by sweeping a hedge-bank, 
between Leatheshead and Mickleham ... in July. Doucras and Scott 
(1865). — On nettles etc. By sweeping, generally distributend in the 
South of England. SaAuxpers.) 


Byrsoptera (Halticus) cylindricollis Costa, Cim. Reg. Neap. 


Cent. III, 1852, 280, 3. — Reuter, Hem. Gymn. Europ. III, 1883, 
19* 


— 292 — 


p. 465 (et 527). — Horvata, Rev. d'Ent. VII, 1888, p. 182, 3, lebt 
auf Wiesen in Frankreich (Rhône), Italien, Ungarn und Griechen- 
land; Reuter gibt (l. s. c.) von dem ihm (1883) nur bekannten 
Weibchen folgende Diagnose: „Schwarz oder schwarzbraun, ziemlich 
dicht mit anliegendem grauen Haarflaum bedeckt, Fühler und Beine 
hell gelbgrau, an ersteren ist das erste Glied ganz sowie die Spitze 
des zweiten schwarz, an letzteren sind die Schenkel in ihrer Mitte 
(die hinteren breit) schwarzbraun; die Halbdecken dunkelbraun. 
Länge: 9 2°/3 mm.“ 


Brachyarthrumı Fıes. 


Geschlechter einander unähnlich, das (fast gleichbreite Fies.) 
Männchen länger als das Weibchen, beide fein hell beflaumt, jedoch 
ohne schuppenartige Haare. Kopf von oben fünfeckig, spitz, etwas 
länger als breit, geradseitig (Fıes.), beim Weibchen geneigt, beim 
Männchen fast senkrecht (Reur.); Stirne kahl; Kopfschild vorspringend, 
zusammengedrückt; Kehle nicht besonders lang; Augen groß, ge- 
körnt, über die Wangen sich ausdehnend, beim g mehr als beim 2; 
der Schnabel reicht beim 2 bis zu den mittleren Hüften, beim g 
fast bis zu den hinteren; sein erstes Glied überragt etwas die Kopf- 
spitze; die Fühler sind ziemlich dick, beim & länger und stärker 
als beim 2, das zweite Fühlerglied des £ ist lineär und stark ver- 
dickt. Das trapezförmige Pronotum ist vorne fast gerade, am Grunde 
leicht abgestutzt, seine Seiten sind beim 2 gerade, beim £ leicht 
geschweift, die Fläche ist nach vorn gewölbt-abfallend; die Schwielen 
sind ziemlich gut abgegrenzt. Das Schildchen ist (Fırs.) gleich- 
seitig dreieckig und geradseitig. Der Xyphus der Vorderbrust ist 
gewölbt. Die Halbdecken sind vollständig, beim 3 länger als beim &, 
ihre Seiten verlaufen parallel, die Membran ist zweizellig, die 
Flügelzelle mit Haken. Die Beine sind schlank, die verlängerten 
Schenkel ohne Zeichnung, die unpunktierten Schienen ziemlich fein 
und dunkel bedornt (die vorderen noch feiner, kleiner und sparsamer), 
die hinteren Tarsen sind nicht besonders zart, ihr drittes Glied ist 
deutlich länger als das zweite, dieses nicht ganz zweimal so lang wie 
das erste. Der männliche Geschlechtsabschnitt ist unten scharf und 
lang gekielt, die weibliche Legeröhre vorne zugespitzt. Nach REUTER. 


183 (575) limitatum Fire. 


Männchen und Weibchen verschieden gestaltet und verschieden 
gefärbt, schwach glänzend, unten schwarz, dicht hell beflaumt, Schnabel 


— 293 — 


und Beine erdfarben, die Membran gleichmäßig bräunlich, hinter dem 
Keil ein schmaler weißlicher Fleck, ihre Adern mehr oder weniger 
schmutzig gelbbraun. 

Männchen: Verlängerte Figur; Kopf schwarz; Scheitel von 
Augenbreite; der gelbrote Schnabel dunkelgespitzt; die schwarzen 
Fühler so lang wie der Leib (ohne Halbdecken), ihr erstes Glied 
die Spitze des Kopfschilds mehr als um die Hälfte überragend, das 
zweite Glied fast um die Hälfte länger als das Pronotum am Grunde 
breit, dabei lineär und in seiner ganzen Ausdehnung gleichmäßig 
stark verdickt, die beiden letzten Glieder heller und deutlich kürzer 
als das zweite, das vierte ums Doppelte kürzer als das dritte. 
Pronotum dunkel mit gelbrötlichem Vorderrand, seine Seiten leicht 
geschweift; das Schildchen dunkelbraun; Brust und Hinterleib 
schwarz, die Ränder der Bauchabschnitte weißlich. Halbdecken 
graubraun mit gelbrötlichem Keilgrund. Die Beine hellockergelb 
oder rotgelb, die hinteren Schienen an ihrer Spitze, gleich den 
ganzen Tarsen, verschwommen bräunlich. Länge 4°/ı mm. 

Weibchen: Länglich gestaltet; Kopf dunkel; Scheitel fast von 
doppelter Augenbreite, sein hinterer Rand etwas gelbrötlich; Schnabel 
gelbrot, Fühler etwas kürzer als der Leib (ohne Decken), ihr zweites 
Glied nur wenig länger als das Pronotum am Grunde breit, dabei 
kräftig gebaut und nach der Spitze zu allmählich dicker werdend, 
die beiden letzten Glieder dunkel und zusammen nur wenig kürzer 
als das zweite, das vierte um ein Drittel kürzer als das dritte. 
Pronotum ockergelb, manchmal an seinen vorderen Ecken und am 
hinteren Schwielenrand schwarz; Schildchen ockergelb oder schwarz- 
braun, ein beiderseitiger Grundfleck und eine Binde an der Spitze 
ockergelb; Bauch meist in seiner Mitte hellgelblich. Halbdecken 
ockergelb. Die Beine hellockergelb, die Spitze der Schienen sowie 
die Tarsen dunkelbraun, an den letzteren das zweite Glied erdfarben ; 
die Schienen mit ziemlich langen, zarten, graubraunen Dörnchen be- 
setzt. Länge 4'/s mm (2'/s‘). Nach REUTER. 


Phytocoris nigriceps Boueman, Nya Suenska Hemipt. 1852, 
p. 67, 21, nec Farin! 9. 

Brachyarthrum niyriceps REUTER, Caps. Syn. 1875, p. 19, 29. 

Phylus limitatus REuTER, Rev. crit. Caps. 1875, p. 154, 3. — 
Hem. Gymn. Sc. et Fenn. 170, 3. 

Capsus pinetellus Tuosson, Opusc. entom. 1V, 1871, p. 244, 
88, 29, nec Phytocoris pinetellus ZETTERSTEDT! 


294 — 


Brachyarthrum limitatum Fieger, Europ. Hem. 1861, p. 301, 
1, 9, nec B. pinctellum Fıes.! — Reuter, Hem. Gymn. Europ. 1. 
1878, p. 164, 1, Tab. VIII, fig. 5, 9; IM, 1883, p. 465 et 526. 
— Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 158. — Puton, Cat. 4. éd. 1899. 
p. 74, 1. 

Elsaß-Lothringen: Voippy près Metz, 2 exemplaires, juin. (B.) 
Reıger-Puton. — Hessen-Nassau: 15. 6. 1901 bei Offenbach a. M. 
(Hexncsrer) 1 Exemplar!; 11. 6. 1904 bei Kelsterbach 2 Exemplare 
von Populus tremula geklopft. GuLDE. 

Aus Böhmen. FIEBER. 

Hab. in Suecia (Holmiae!). D. Prof. Boneman; Fennia australis 
(Pargas!) ipse; Bohemia, sec. Fieger. Hab. in Populo tremula! 
Larvas imaginesque inveni. Reuter. (1878 et 1883.) 

Hab. Sweden, S. Finnland, Bohemia. ATKINSON. 

(Nieder-Österreich: bei Gresten auf Wiesen, sehr selten. 
SCHLEICHER. — Böhmen: Von FIEBER zuerst aus Böhmen beschrieben. 
Crit. sp. 22; außerdem auch von Eger angegeben auf jungen 
Tannen bei Wies mit Hylurgus piniperda, 6. (D. T.) Dupa.) 


Phytus Hany. 


Länglich, schmal, ziemlich gleichbreit, glänzend, fein beflaumt, 
in beiden Geschlechtern makropter. Kopf nickend, ums Doppelte 
schmäler als das Pronotum hinten breit, Rr., von oben spitz, kurz- 
seitig fünfeckig, Fıeß.; Stirne kahl und glänzend; Kehle ziemlich 
lang; Kopfschild an seinem Grunde nur schwach von der Stirne ab- 
gegrenzt; Schnabel mit seinem ersten Glied kaum bis zur Kopfspitze 
reichend. Augen groß, länglich. Fühler schlank und fein beflaumt, 
so lang wie der Leib, ihr erstes Glied etwas kürzer als der Kopf, 
das zweite Glied stabförmig, viermal so lang wie das erste oder so 
lang wie das dritte und vierte zusammen; die beiden letzten Glieder 
fadenförmig, das vierte halb so lang wie das dritte. Das trapez- 
förmige Pronotum ist an seinem hintern Rand zweimal so breit als 
lang, am Grunde abgestutzt oder leicht geschweift, fast geradseitig, 
seine Fläche hinten ziemlich gewölbt; die Schwielen mehr oder 
weniger ausgebildet. Schildchen groß, fast dreieckig gleichseitig, 
am Grunde frei. Der Xyphus der Vorderbrust ist gewölbt. Die 
ausgebildeten Halbdecken sind beträchtlich länger als der Hinterleib, 
mehr als dreimal so lang wie breit und besitzen eine zweizellige 
Membran. An den schlanken Beinen sind die nicht sehr dicken, 
unpunktierten Schenkel verlängert, die gleichfalls unpunktierten 


— 29 — 


Schienen mit feinen hellen Dörnchen besetzt (die vorderen Schienen 
etwas abgestutzt); an den Tarsen ist das dritte Glied kürzer als das 
zweite, letzteres mehr als ums Doppelte länger als das erste. Der 
wnännliche Geschlechtsabschnitt ist (Rr.) unten lang und scharf ge- 
kielt; die weibliche Legeröhre ist lang, die Bauchmitte weit über- 
ragend und vorne zugespitzt. — Die Arten dieser Gattung leben 
auf Baumblättern. — Nach Reuter unterscheidet sich die Gattung 
Phylus von den Gattungen lcodema Revur. und Brachyarthrum VıEB. 
durch die Kürze ihres ersten Schnabelglieds, von ersterer noch durch 
den geneigten Kopf, durch die längere Kehle und durch den Bau 
des männlichen Geschlechtsabschnitts, von letzterer durch den Bau 
der hier längeren und schlankeren Tarsen und durch die viel 
schlankeren Fühler der Männchen. 

Von den 6 paläarktischen Phylus-Arten kommen + in Deutsch- 
land vor. Reuter gibt (H. G. O. II, 526) hierüber folgende 
(hier verdeutschte) Bestimmungs-Tabelle (wobei die syrische Art 
„breviceps Rr. 99° fehlt und „Avellunae Mey.“ als selbständige 
Art figuriert). 


1. (10.) Kopf ziemlich lang, nicht in die Quere gezogen, geneigt, 
Kehle lang und schief. 
. (9.) Fühler vollständig gelb oder nur ganz am Grunde des ersten 
Glieds bräunlieh. 
3. (4.) Membran vollständig hell. Leib hell ockergelb mit gleich- 
farbenem Kopf. palliceps FıEB. 
4. (3.) Membran wenigstens teilweise schwärzlich. Erstes Fühlerglied 
am Grunde bräunlich. 
5. (6.) Membran mit einem breit-schwärzlichen Randbogen. Oberseite 
gelblich oder weißlich, der Kopf schwarz. 
melanocephalus LINN. 
6. (5.) Membran gleichmäßig schwärzlich. Kopf gleichfarben. 
7. (8.) Oberseite graubräunlich, rotbräunlich oder graurötlich (vom 
folgenden wohl kaum verschieden ?)!. Arellanae MEY. 
8. (7.) Leib schwarz oder schwarzbraun. Coryli LINN. 
[9. (2.) Fühler schwarz, ihr erstes Glied und die untere (Grund-) 
Hälfte des zweiten rostrot. 
Der uralische lituratus (Eversmann) Fıre.] 
10. (1.) Kopf ziemlich kurz, sichtlich in die Quere gezogen, Kehle er- 
heblich kurz. Die beiden ersten Fühlerglieder schwarz, oder 
erdfarben mit schwarzer Zeichnung, die beiden letzten schmutzig 
erdfarben. 


2 


(Untergattung Teratoscopus Firg.) plagiatus H. Scum. 


! In Put. Cat. 1899 (4. édit.) als: Coryli Lin. var. Avellanae Mey. 


— 296 — 


184 (576) palliceps FıEB. 


Fühler bleich, gelblichweiß, auch die Fühlerwurzel ganz bleich. 
Beine bleich. Membran ganz bleich, opalisierend, durchscheinend. 
Kopf und die ganze Oberseite einfarbig bleichweißlich ockergelblich, 
sehr fein anliegend weiß behaart. Augen braun. Rücken braun, 
Connexivum und Afterdecke bleich. Schnabel gelb, Glied 4 — und 
Klauenglied braun. Unterseite bleich, die Bauchmitte bräunlich. 
(Weibchen) 23/4“. Aus Spanien. FIEBER. 

Oberseite, einschließlich Kopf, hellockergelb — 
(Der. Sc.: rötlich oder ockergelb; Sauxn.: hellorangegelb oder 
hochgelb) — glänzend (Saunnp.) und mit ganz feinem gelbweißem 
Haarflaum bedeckt. Kopf, Pronotum und Schildchen gleichfarben ; 
Schnabel erdfarben (Der. Sc.: hellgelb), mit dunkler Spitze; die 
Augen dunkelbraun; die Fühler ganz hellgelb, auch der Grund 
ihres ersten Glieds (Rr.); (nach Der. Sc. ist das erste Glied an 
seinem Grunde manchmal schmal braun). Hinterleib oben dunkel- 
braun, unten hell, die Bauchmitte bräunlich (Der. Sc.: die Mitte 
meist mehr oder weniger braun); nach Reuter (H. G. O. III, 464) 
gibt es eine „Varietät“ mit „vollständig ockergelbem Hinterleib“. 
Die Halbdecken vollständig hellockergelb, irisierend (Der. Sc.); die 
Membran gleichfalls ganz hell, ihre Adern hell oder röt- 
lich erdfarben (Der. Sc.: hellgelb oder rötlichgelb). Die Beine 
hellgelb, nur die Spitze der Tarsen dunkelbraun; nach Det. Sc. 
sind die Schienen mit kurzen, fast dornigen hellen Härchen besetzt. 
-— Diese Art ist der folgenden, Ph. melanocephalus L., äußerst 
ähnlich und unterscheidet sich von ihr nur durch die „Färbung von 
Kopf und Membran“ (nach Der. Sc. auch noch durch den hellen 
Hinterleib). 

Phylus palliceps Fieger, Europ. Hem. 1861, p. 315, 2. — 
DousLas and Scorr, Brit. Hem. 1865, p. 355, 1. — SAUNDERS, 
Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 300, 2. — Hem. Het. of the 
brit. isl. 1892, p. 308, pl. 29, fig. 1. — Reurer, Hem. Gymn. 
Europ. I, 1878, p. 160, 1; Il, 1883, p. 464 et 526. — ATKINSON, 
Cat. of Caps. 1889, p. 159. — Purox, Cat. 4. éd. 1899, p. 74, 1. 

Lygus aurantiacus SNELLEN v. VOLLENNOVEN, Inl. Hem. (in 
Tijdschr. Ent. XIX, p. 104), VI, 39, 31. 

Elsaß-Lothringen: Un exemplaire trouvé sur un saule, au Rhin, 
8. Remer-Puros. — Westfalen: Ein Stück erhielt ich von Kouse, 
gegen Mitte Juni 1880 von ihm bei Öding gefunden; wahrscheinlich 
nur eine Art bildend mit Ph. aurantiacus VorL.: ein Exemplar von 


— 297 — 


nir 30. 7. 1877 unweit Münster bei Kinderhaus auf Salix(?) ge- 
klopft. WESTHorF. 

Aus Spanien, Sierra da Guadarrama, mit Plagiognathus in- 
JS vescatus. FIEBER. 

Hab. in Coryletis: Britania!, Hispania; in Salicetis: Gallia 
orientalis, D. Reiser. (1878.) — Hollandia!, D. SNELLEN v. VoLLEN- 
HOVEN; Guestphalia (Münster), D. Westuorr. (1883.) REUTER. 

Hab. Britain, Holland, France, Spain, Austria. ATKINSON. 

(England: This insect is closely allied to P. melanocephalus, 
but may at once be distinguished from it by its pale head and 
abdomen. Sparingly at Darenth Wood, on nut-bushes, in June. 
Doveras and Scorr. — On oaks; not quite so common as melano- 
cephalus L., but often occuring with is. Saunpers. 1892.) 


185 (577) melanocephalus Linn. 

Cimex Coryli oblongus niger, pedibus antennisque setaceis 
flavis. LINNAEUS. 

Oberseite ockergelb — (Der. Sc.: hellrot, orangerot, 
oxrangelb oder ockergelb; Fr.: hellrötlichgelb; Kpr.: hochgelb) 
— mii Ausnahme des schwarzen Kopfes, unten schwarz, 
glänzend, mit ziemlich feinem, anliegendem, gelblichem Flaumhaar 
bedeckt, das am Bauch ziemlich lang wird, das Weibchen etwas 
kürzer und breiter als das Männchen. Augen schwarzbraun. Der 
hintere Scheitelrand fast gewölbt abfallend. Der hellgelbe, an Spitze 
und erstem Glied häufig bräunliche Schnabel überragt noch etwas 
die hinteren Hüften. Die schlanken, hellgelben Fühler haben beim 
9 Körperlänge, beim d noch etwas mehr; ihr erstes Glied ist am 
Grunde dunkelbraun (Fr.: an der Basis mit schmalem, schwarzem 
Ring), ihr zweites Glied ist viel länger als das Pronotum hinten 
breit, so lang wie die beiden letzten Glieder zusammen. Pronotum 
und Schildchen sind, Rr., ockergelb oder weißlich (Ke.: hochgelb). 
Die ebenso gefärbten Halbdecken haben eine schmutzig hyaline 
(Ks. und Fr.: helle) Membran mit breitem schwarzem Randbogen, 
die kleinere Zelle ist schwärzlich, die Adern schmutzig erdfarben, 
hinter der Keilspitze findet sich ein glasartiger Fleck (Rr.): An den 
hellgelben Beinen sind die Schenkel fast ockergelb, die Schienen (Fr.) 
sehr fein hell bedornt, die Tarsen lang und schlank, ihr drittes Glied 
mit dunkelbrauner Spitze. Länge: 4—6'/: mm (2?/s‘'). 

REUTER beschreibt (H. G. O. I, 160) noch eine Var. 8 (= Miris 
pallens Faprıcıus, Syst. Rhyng. 254, 8. — Phylus melanocephalus 


— 298 — 


var. 8 Fieger, l. i. c. — Phylus melanocephalus var. b, pallens 
Revr. l. i. c.): Oberseite weißlich, Kopf schwarzbraun, sonst wie die 
typische Varietät. (Specimina nuper exclusa.) 

Cimex melanocephalus Lansé, Syst. Nat. Ed. XII, 1767, 728, 88. 
— Faun. Snec. 258, 974. — P. MuELLER, Linn. Nat. 1774, V, 499, 88. 

Cimex pallens Faprıcıus, Mant. Ins. 1787, 306, 281. 

Cimex ochropterus GueLın, Syst. Nat. 1788, XIII, 2167. 643. 

Cimex leucopus GmeLIN, Syst. Nat. 1788, XIII, 2167, 648. 

Cimex diaphanus VıLLers, Ent. Auct. 1789, 535, 196. 

Miris pallens Faprıcıws, Ent. Syst. 1794, IV, 185, 7. — Syst. 
Rhyng. 1803, 254, 8. — LATkEıLLe, Hist. Nat. 1804, XII, 228, 35- 
Lygaeus revestitus FarLL£x, Mon. Cim. Suec. 1807, 82, 48. 
Phytocoris revestitus FatLL£n, Hem. Suec. 1829, 89, 26. 

Phytocoris melanocephalus Burmeister, Handb. d. Ent. 1835, 
II, 268, 7. — Costa, Cim. Reg. Neap. Cent. 1852, II, 40, 12. | 

Lygus melanocephalus Hans, Wanz. Ins. I, 1831, p. 155, 
Fig 79. — SNELLEN v. VOLLENHOVEN, Hem. Neerl. 1878, 213. 

Capsus melanocephalus Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, p. 55, 
No. 17. — F. SıhLBers, Mon. Geoc. Fenn. 1848, 99, 17. — HERRICH- 
SCHÄFFER, Wanz. Ins. IX, 1853, Ind. p. 37. -—— KırscHpaun, Rhynch. 
Wiesbad. 1855, p. 15 und 74, sp. 84. — Fror, Rhynch. Livlds. 
1860, I, p. 621, 96. — Tuonsox, Opusc. entom. 1871, IV, 444, 90. 

Capsus nigripes MuLsant et Bey., Op. ent. in Ann. Soc. Linn. 
Lyon. 1852, I, 137. 

Phylus melanocephalus Fieger, Criter. 1859, 35. — Europ. 
Hem. 1861, p. 315, 3. — Dovsras and Scorr, Brit. Hem. 1865, 
p. 355, 2, pl. XI, fig. 7. — Star, Hem. Fabr. 1868, 89, 1. — 
REUTER, Rev. crit. Caps. 1875, p. 153, 2. — Hem. Gym. Sc. et 
Fenn. 169, 2. — Hem. Gymn. Europ. I, 1878, p. 160, 2; II, 1880, 
p. 304; III, 1883, p. 526. — Revis. synon. 1888, II, p. 309, No. 292. 
— SAUNDERS, Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 300, 1. — Hem. 
Het. of the brit. isl. 1892, p. 308. — Arkınsox, Cat. of Caps. 1889, 
p. 159. — Prrox, Cat. 4. edit. 1899, p. 74, 2. 


Bayern: Bei Nürnberg und Regensburg. KırreL. — Bei Bamberg 
auf Haselstauden. Funk. — Württemberg: Roser. — Bei Ulm, Blau- 
tal, 6 und 7; selten. Hürser. — Elsaß-Lothringen: Remiremont, 
rare; Metz: sur des rosiers dans les haies. REIBER-Puton. — Hessen- 
Nassau: Jg, Wiesbaden; auf Eichen, z. B. hinter dem Turnplatz, 
nicht selten; 6. Kırscugaun. — Frankfurt a. M.: Juni bis Ende Juli 


— 299 — 


auf Quercus und namentlich Corylus mit Phylus coryli L. zusammen, 
aber vereinzelter. GuLpe. — Westfalen: Ebenfalls (d. h. wie Coryli) 
auf Corylus heimisch, aber sehr selten; einmal, 17. 6. 1880, von 
Korse bei Öding gefunden. Var. pallens Fart. etwas häufiger vor- 
kommend; von mir bei Münster, von Korre mit melanocephalus F. 
bei Öding geklopft. Westuorr. — Thüringen: Um Gotha selten. 
KeLLNER- Brevpın. — Von Dr. Scumineksecur (Blankenburg) ge- 
sammelt. Fokker. — Schleswig-Holstein: Auf Eichen bei Sonder- 
burg, einzeln im Juni und Juli. Wütstxei. — Mecklenburg: Von 
Mitte Juni bis Ende Juli auf Eichen in Laubwäldern nicht häufig 
(Mönkweden, Schwienkuhlen). Rappartz. — Schlesien: Auf Eichen- 
und Haselgesträuch selten; Juli... Lucus fand ihn 23. 7. 1840 
in wenigen Exemplaren im Park zu Stonsdorf unfern Warmbrunn. 
Scnozz. — In der Ebene und im Gebirge auf Eichen- und Hasel- 
gesträuch, im Juni und Juli, selten . . . ASSMANN. 

Auf Waldwiesen, nicht selten. BURMEISTER. 

Deutschland und Schweden. Auf niederen Gebüschen an Wiesen- 
rändern. In hiesiger (Nürnberger) Gegend selten, in Schweden aber 
soll sie nach FaLLÉN gemein sein. Hann. 

Auf Eichen- und Haselgesträuch durch Europa verbreitet, doch 
nicht gemein. FIEBER. 

Hab. in Quercetis et Fagetis per totam fere Europans. In 
Gallia etiam in Rosa captus. (1878.) — Etiam in Corylo, D. Prof. 
Frev-Gessser. (1879.) REUTER. 

Hab. Nearly all Europe. ATKINSON. 

(Schweiz: Überaus selten. Im Juni an sehr wenigen Stellen 
der Schweiz auf Haselstauden im Hügellande. Burgdorf, auf dem 
Gyrisberg. Diese Art variiert auch mit gelbem oder bräunlichem 
Kopfe. Meyer. — Desgleichen; S. Prex, Biere (F.) .. . Nachtrag 
(1871): Erschien in Gesellschaft mit einer blaßgelben Varietät von 
Psallus varians MeY., ochraceus FiB., während einiger Tage gegen 
Mitte Juni des Jahres 1870 außerordentlich zahlreich in der ganzen 
Umgegend von Lenzburg auf jungen Eichentrieben, besonders auf 
frisch ausgeforsteten Waldstellen, wo man nur einzelne Eichen stehen 
ließ. Diese nämlichen Eichen waren ım Jahr vorher sehr von der 
Prozesssionsraupe heimgesucht, welche nun nur noch in sehr individuen- 
armen Kolonien vorhanden waren, so daß diese mich nicht zurück- 
schrecken konnten, den Hemipteren zulieb die Äste tüchtig abzuklopfen. 
Frey-Gessser. — Nieder-Österreich: Bei Gresten auf Eichen, nicht 
selten. Scuteicner. — Böhmen: In Wäldern auf Yurrcus und Corylus, 


=. IN: a 


ziemlich selten; um Eger und Karlsbad (5, 6) nicht selten (D. T.); 
Teplitz (7) einzeln. Dupa. — Prag, Zawist, von Eichen geklopft, im 
Juli. NickerL. — Livland: Auf Eichen und Nußstrauch, im Juli, 
nur an wenigen Orten, aber ziemlich zahlreich. Fror. — Frankreich: 
Dep. de la Moselle: En battant les eglandiers sauvages, commun. 
BELLEvoYE. — Dep. du Nord (Lille): Commun en juillet et aöut dans 
les bois, sur les buissons . . . LETIERRY. — England: Not an un- 
common species at Darenth, etc., on nut-bushes, in June. DovaLas 
and Scorr. — On oaks; common and generally distributed. SAUNDERS.) 


186 (578) Coryli Lin. 
var. Avellanoe MEY. 


Cimex Coryli oblongus niger, pedibus antennisque setaceis flavis. 
LINNAECS. 

C. avellanae mihi: In Größe und Habitus dem C. coryli voll- 
kommen gleich, und nur durch die rötlich olivenbraune Färbung, 
die rötlich angelaufene Wurzel der Flügeldecken und den stets blaß- 
roten Appendix verschieden; bestimmt eigene Art. Viel seltener 
als coryli, doch zu gleicher Zeit und an den nämlichen Stellen vor- 
kommend. MEYER. 

Schmal, Oberseite gleichmäßig schwarz oder schwarzbraun (nach 
Saunpers auch hellgraubraun), matt glänzend (Fr.), mit äußerst 
feinem, hellem Haarflaum bedeckt, Kopf mit hinten gerandetem 
Scheitel. Der hellgelbe, im ersten Glied schwarzbraune, an der 
Spitze des letzten Gliedes pechfarbene Schnabel reicht bis zu den 
hinteren Hüften. Die blassen oder weißgelben Fühler sind etwas 
kürzer als der Körper; ihr erstes, nicht verdicktes Glied ist ganz 
am Grunde dunkelbraun; das zweite Glied ist deutlich länger als 
das Pronotum hinten breit und fast länger als die beiden letzten 
Glieder zusammen (Ksg.: Fühlerglied 3 und 4 zusammen kürzer 
als 2!). Pronotum und Schildchen schwarz, glänzend. Nach KırscaB. 
ist hier, bei Coryli, der Hinterleib im Vergleich zu den Halbdecken 
deutlich länger als bei Avellanae. Die Halbdecken sind schwarz, 
auch die Membran ist gleichmäßig schwarz wie ihre Adern, nur 
ein kleiner Fleck am äußeren Rande, unter der Spitze des Keils 
(Cuneus, Appendix) ist glashell (Fıes.: die Binderippe mit dem Fleck 
im Grundwinkel weiß). Die Beine sind blaß oder weißgelb, die 
Tarsen lang und schlank, die Spitze ihres letzten Glieds bräunlich. 
Länge 5—5'/s mm (2'13“'). 


— 301 — 


Nach Saunxpers unterscheidet sich diese Art von den vorher- 
gehenden (pulliceps und melanocephalus) durch kürzeren Keil und 
desgl. Membran; ersterer sei, auch bei den helleren Exemplaren, 
meist dunkler als die Halbdecken. — Fror sagt, daß Coryli in 
Größe, Gestalt und in der Färbung der Unterseite des Körpers, der 
Fühler und Beine sehr große Ähnlichkeit mit melanocephalus hat, 
aber, außer durch die konstant andere Färbung der Oberseite und 
der Membran, auch noch durch die kürzere Schnabelscheide hin- 
reichend als eigene Art charakterisiert ist. — Reuter führt (H. G. O. 
I, 162) die Abweichung von Coryli DoucLas und Scott (Br. H. 356/57) 
eingehend an, meint schließlich, daß diese, ihm selbst unbekannte 
Varietät, seinen Coryli mit dem (von Rr. 1878 noch als species propria 
aufgeführten) Ph. Avellanae zu verbinden scheine. 

Var. Arvellanae Mey.: Oben graubräunlich, rotbräunlich oder 
graurötlich (die Farbe spielt häufig etwas ins Rötliche), unten bräun- 
lich oder schwarzbraun (FıEs.: Unterseite braunrötlich oder braun), 
mit ganz feinen, hellen Flaumhaaren bedeckt (welche, Fızs., bräun- 
lich schimmern). An den hellgelben Fühlern ist das erste Glied 
am untersten Grunde dunkelbraun, das zweite Glied länger als das 
Pronotum an seinem Grunde breit oder etwa so lang wie die beiden 
letzten Glieder zusammen, das dritte Glied (Ks.) etwas länger als 
jenes von Ph. Coryli. Das Pronotum ist, RT., entweder einfarbig 
oder in den Ecken und am Vorderrand (schmal) pechfarben oder 
vorn breit rotbraun; nach Fieger bei hellen Exemplaren oft schmutzig 
weiß; ebenso ist das Schildehen entweder einfarben oder graubraun, 
die Grundwinkel dunkelbraun, die Mitte heller oder am Grundteil 
(2 Punkte ausgenommen) und an den Grundwinkeln pechrot. Die 
Halbdecken sind, Revut., fast einfarben, Grund von Clavus und Corium 
schmal rotbraun, der Keil häufig gelbrot oder rotbraun mit schmal 
pechfarbener Spitze oder der äußere Coriumrand an der Spitze und 
der Keil rotbraun; die Membran ist gleichmäßig schwärzlich, ihre 
Adern sind dunkelbraun, hinter der Keilspitze findet sich ein recht- 
eckiger, glasartiger Fleck (Ks.: Halbdecken durchscheinend hellbraun, 
Anhang hellrot. — FiB.: Grund der Hälbdecken etwas gerötet, 
Cuneus schmutzigrot). Die Beine sind hellgelb, die Tarsen lang und 
schlank. Länge 5'/, mm (2'13). 

Rruter beschreibt (H. G. O. I, 161) 2 Varietäten dieser (von ihm 
seinerzeit als „species propria“ erachteten) dermaligen Varietät: 

Var. a: Oben fast einfarben, der Keil ziemlich dunkelrötlich. 

Var. g: Graurötlich, das Pronotum, das Schildchen am Grund- 


— 302 — 


teil (2 Punkte daselbst ausgenommen) und Spitze, der äußere Corium- 
rand nach der Spitze zu sowie der Keil pechrot. 

Nach Kıssche. ist Avellanae von etwas kürzerem und schmalerem 
Körperbau als Coryli, nach Reur. diesem äußerst ähnlich und nur 
durch seine hellere und mehr wechselnde Färbung unterschieden. 
Nach einer älteren Angabe Reuter’s (Rev. crit. Caps. 153) unter- 
scheidet sich der dem nördlichen Europa fehlende Ph. Arellanae von 
Ph. Coryli (Stammart) durch seinen etwas schmäleren, ins Rotgraue 
spielenden Leib, durch seine durchscheinenden Halbdecken mit rotem 
Keil, durch seine Fühler, deren drittes und viertes Glied zusammen 
so lang (und nicht kürzer) als das zweite sind, sowie durch seine 
den Hinterleib weit überragenden Halbdecken. Übrigens wirft schon 
1883 (H. G. O. III, 465) Reuter die Frage auf, ob der von ihm noch 
als „species propria“ behandelte Ph. Avrllanae nicht doch nur eine 
helle Varietät des Ph. Coryli sei, der im Norden nur in seiner schwarzen 
Form zu finden ist und später, 1888, (Rev. synon. II, 310, 293), 
bringt Reuter dies auch zum Ausdruck. 


Cimex Coryli Linse. Syst. Nat. Ed. X, 1758, 451, 85. — Faun. 
Suec. 1761, 258, 974. — Hovtteis, Nat. Hist. 1765, I, X, 379, 85. 
— P. Mverrter, Linn. Nat. 1774, V, 507, 121. — Fasrıcıus, Syst. 
Ent. 1775, 724, 135. — ?Scnrank, Faun. Boic. 1801, II, 84, 1134. 
— Divisussky, Faun. Mosq. 1802, 125, 353. 

Lygaeus Coryli Faprıcıus, Ent. Syst. 1794, IV, 171, 123. — 
Syst. Rhyng. 1803, 234, 150. — FarLen, Mon. Cim. Suec. 1807, 83, 49 

Phytocoris Coryli FaLL£s, Hem. Suec. 1829, 90, 27. — Herrıch- 
SCHÄFFER, Nom. ent. 1835, 52. — Burweister, Handb. d. Ent. 1835, 
JI, 268, 8. 

Phytocoris rufiventris FaLt£n, Hem. Suec. 1829, 100, 46. 

Phytocoris pallipes Costa, Cim. Reg. Neap. Cent. 1838, 50, 3. 

Capsus coryli HERRICH-ScHÄFFER, Nom. ent. 1835, p. 52. — 
Wanz. Ins. IX, 1853, Ind. p. 34. — Meyer, Schweiz. Rhynch. 1843, 
p. 54, No. 15. — F. Sautgere, Mon. Geoc. Fenn. 1848, p. 99, 16. 
— Kırscnsarm, Rlıynch. Wiesbad. 1855, p. 15 u. 74, sp. 85. — 
Fror, Rhynch. Livlds. 1860, I, p. 620, 95. —- Tuomsox, Op. ent- 
1871, 444, 89. 

Capsus arellanae Meyer, Stettin. Entom. Zeitg. 1841, I, 83. 
— Schweiz. Rhynch. 1843, p. 54, No. 16, Taf. II, Fig. 2. — 
Herricn-ScuÄrrer, Wanz. Ins. VI, 1842, p. 98, Fig. 670. — KısschH- 
BAUM, Rhynch. Wiesbad. 1855, p. 15, 75, 117, sp. 86 = Var.! 


— 303 — 


Lygus Corylı Westwoop, Introduct. 1840, II, p. 122. — SNELLEN 
v. VoLLEnBOvEn, Hem. Neerl. 1878, 214. 

Phylus Amyot, Ent. fr. Rhynch. 1848, p. 179, No. 190. 

Phylus pallipes Hann, Wanz. Ins. I, 1831, p. 26, Taf. 4, Fig. 16. 

Phylus coryli Fieger, Criter. 1859, 35. — Europ. Hem. 1861, 
315, 4. — Doucras and Scott, Brit. Hem. 1865, 356, 3. — SAUNDERS, 
Synops. of brit. Hem. Het. 1865, 300, 3. — Reuter, Rev. crit. Caps. 
1875, 152, 1. — Hem. Gym. Sc. et. Fenn. 168, 1. — Hem. Gymn. 
Europ. I, 1878, p. 161, 4; III, 1883, p. 526. 

Phylus Avellanae Figner, Crit. 1859, 35. — Europ. Hem. 1861, 
315, 5. — DoucLas and Scorr, Brit. Hem. 1865, 357, 4. — Saux- 
DERS, Synops. of brit. Hem. Het. 1875, p. 300, 4. — REuTER, Hem. 
Gymn. Europ. I, 1878, p. 161, 3, Tab. VIII, fig. 2; III, 1883, 
p. 465 et 526 = Var.! 

Phylus coryli (cum var. avell anae Meyer) REUTER, Revis. synon. 
1888, II, p. 310, No. 293. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 159. 
— Saunders, Hem. Het. of the brit. isl. 1892, p. 308, pl. 29, 
fig. 2. — Puron, Cat. 4. edit. 1899, p. 74, 3. 


Bayern: Auf Hecken und Gesträuchen in hiesiger (Nürnberger) 
Gegend, aber selten. Hann. — Bei Regensburg gemein; bei Nürnberg; 
nach GscREIDLEN bei Augsburg; nach Schrank bei Gern auf Corylus; 
bei Dinkelsbühl. Kırre.. — Bei Bamberg auf Haselstauden. Funk. 
— Württemberg: Roser. — Bei Ulm, 6 und 7, auf Gesträuch nicht 
selten; var. avellanae Mey. von Prof. Diez bei Reutlingen gefunden. 
Hõrser. — Baden: Griesbach, 8. (F.) Merss. — Elsaß-Lothringen: 
Partout sur le coudrier, c.; var. avellanae H. Scu.: Vosges, Remire- 
mont, Soultzbach; 6; sur le coudrier; assey rare. REIBEB-Puron. — 
Hessen-Nassau: Bei Frankfurt am Main Juni und Juli auf Corylus 
und Quercus mit Ph. melanocephalus zusammen, aber häufiger. Var, 
avellanae Mey. mit der Stammart, aber seltener, auf Eichen und 
Hasel. GuLpe. — (Nassau): $9, Wiesbaden, Mombach; auf Corylus 
Avellana L., z. B. im Nerotal, auch einmal im Wellritztal von Gras 
gestreift, stellenweise nicht selten; 6. — C. Avellanae Mey. d, Wies- 
baden; einmal auf C. Avellana L. im Nerotal unter einer Anzahl 
Coryli gefangen, 6. Kırscupaust. — Westfalen: Überall im Sommer 
(5—9) auf Corylus verbreitet und meistens nicht selten. Ph. Avellan«ae 
H. Sca. Mer. auf Corylus verbreitet, jedoch nicht häufig; bei Münster 
von mir 14. 9. 1879 in der Bauerschaft Gievenbeck am Wege zum 
Rüschhaus und ziemlich häufig 22. 6. 1880 im Sentrupschen Busch 


-- 304 — 


gesammelt. Wesrtuorr. — Thüringen: Überall nicht selten. KELLNER- 
Brepnin. — Von Dr. Schwiepernecht (Blankenburg) gesammelt. 


Forker. — Schleswig-Holstein: Auf Haselsträuchern überall häufig. 
Ph. avellanae H. S. mit Coryli L., nicht ganz so häufig. Wüsrxei. 
— Mecklenburg: Auf Haselsträuchern von Mitte Juni bis Mitte August 
in Gärten und Laubwäldern überall häufig. Ranparz. — Schlesien: 
Im Juni und Juli, im Gebirge auch wohl bis in den August häufig 
auf Haselgesträuch; um Breslau ... Scnotz. — In der Ebene und 
im Gebirge auf Haselgesträuch im Juni und Juli, nicht selten ... 
Assmann. — Provinz Preußen. BRISCHKE. 

In Gebüschen im Grase, hier und da. BURMEISTER. 

Auf Corylus. Durch Europa verbreitet. Ph. avellanae Mer. 
auf Corylus in der Schweiz und Deutschland. FiıERER. 

Ph. Coryli: Hab. in Coryletis per totam fere Europam. — Ph. 
Avellan.: Hab. in Corylo: Germania, Helvetia, Gallia! et Britania. — 
Suecia australis (Scania!), D. Dr. Tuoxmsox; Belgia, D. WESMAEL. — 
Obs. Forsitan solum varietas pallidus Ph. Coryli. In Europa boreali 
tamen (Suecia media, Fennia) solum forma nigra (Coryli) occurrit. 
REUTER. 

Hab. Nearly all Europe (Artxk., Liguria, Hungary). ATKINSON. 

(Schweiz: Eine sehr weit, fast über ganz Europa verbreitete 
Art; erscheint im Juni und Juli überall auf Haselstauden, mehr oder 
weniger häufig. Meyer. — Auf Haselstauden von Anfang Juni bis 
Mitte August über die ganze Schweiz zerstreut bis über 3000’ s. M. 
häufig. FRrEY-GESSNER. — Graubünden: Ebene bis Montane Region 
an Haselstauden. In Poor's Verz. Bei Tarasp. Kırrıas. — P. avellanae: 
Bestimmt eigene Art. Viel seltener als coryli, doch zu gleicher 
Zeit und an den nämlichen Stellen vorkommend ... Eine blasse 
Varietät bei Zürich auf Erlengebüschen (Bremy). Meyer. — Das- 
selbe ... Frey-Gessyer. — Graubünden: Tarasp (K.); Oberengadin 
(Smeru). Kitus. -— Tirol: Wahrscheinlich bis zu 3000° über ganz 
Tirol verbreitet... Mai bis August, auf Haseln ... GREDLER. — Steier- 
mark: Hin und wieder auf Haseln. EBersTaLLer. — Bei Graz 2 Expl. 
von GATTERER gefunden. Auf Corylus bei Admont, Cilli und Kalk- 
bergen bei Steinbrück ZQ selten. — Avellunae H. S. bei Graz von 
GATTERER gefunden. Srtront. — Nieder-Österreich (Gresten): auf 
Haseln, häufig. Schtrıcuer. — Böhmen: Auf Corylus-Sträuchern überall 
nicht selten (6—8.) — P. avellanae Mey. 1 Expl. erhielt ich aus 
der Umgebung von Prag (Kac., 6), wo es auf Corylus gefangen wurde. 
Drepa. — Prag, Zawist an Haselbüschen, Aug.; Neuhütten ; Juli. NICKERL. 


— 305 — 


— Mähren: Auf Coyrlus avellana. Um Brünn, Proßnitz, Polau. 


Spitzue£. — Livland: Auf C. avellana nicht selten, 6. 7. 8. FLor. 
— Frankreich: Dep. de la Moselle: En battant les coudriers; tres- 
commun. BELLEvoyE. — Avellanae Meyer: En battant les coudriers ; 


tres-commun; les deux espèces doivent sans doute être réunies. 
BeLLevoye (1866). — Dep. du Nord (Lille): P. Coryli: Assez rare, 
en aöut, dans un jardin à Fives; Phalempin. Lermerry. — England: 
Ph. Coryli: Brownishblack or grayish examples are most frequently 
met with. Black ones occur but sparingly. — A common species at 
Darenth, upon nut-bushes, in June and July. Der. Sc. — Common and 
generally distributed on Corylus. Saunders. — Ph. Avellanae: We 
have met with this insect abundantly, on nut-bushes, at Croydon, 
Mickleham, and Darenth, in July. DoucLas and Scott. — On hazel, 
common. SAUNDERS.) 


187 (579) plagiatus H. Scu. 


C. laete ochraceus, pallide pilosus, pectore, abdomine et oculis 
nigris; membrana fusca macula hyalina ad apicem appendicis. — 
Mas: antennis, capite (exceptis orbitis), scutello et elytrorum plagis 
duabus nigris. HERRICH-SCHÄFFER. 

Länglich, fast parallel, oberseits goldgelb oder ockergelb oder 
strohgelb (Fırs.: orange oder lehmgelb, dicht gelb behaart), unten 
schwarz, mit nicht besonders feinem gelblichem Flaumhaar bedeckt; 
Kopf, Pronotum, Schildchen und Halbdecken mit wechselnder schwarzer 
Zeichnung. Der braune Kopf ist an den Augen und im Nacken gelb- 
lich. Der gelbe Schnabel reicht bis zu den mittleren Hüften. Der 
Scheitel ist hinten gerandet. Die schwarzbraunen Augen sind groß, 
vorstehend, seitlich oval, auf die breiten Wangen reichend. Die 
Fühlerglieder sind stabförmig, das zweite über dreimal länger als 
das erste oder so lang, wie das Pronotum hinten breit; die beiden 
ersten Glieder sind (die Spitze des ersten ausgenommen) schwarz 
oder erdfarben mit schwarzer Zeichnung, die beiden letzten Glieder 
schmutzig erdfarben, das dritte mit bräunlicher Spitze, die beiden 
letzten Glieder sind zusammen so lang wie das zweite. Auf dem 
trapezförmigen Pronotum findet sich zumeist ein schwarzer, vorn 
gekürzter Mittelstreif. Die Halbdecken haben Körperfarbe; schwarz 
(oder schwarzbraun) sind daran: ein länglicher Fleck im Clavus am 
Schildwinkel und in der Mitte des Corium ein großer, breiter, läng- 
lich dreieckiger, bis zum Innenwinkel reichender Fleck; die Membran 


ist gleichmäßig schwärzlich, ihre Adern sind erdfarben (lehmgelb), 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 20 


— 306 — 


die kleinere Zelle und meist noch ein viereckiger Fleck an der Keil- 
spitze ist glasartig. Die Beine sind samt Hüften (und den spärlichen 
Dornen) gelblichweiß, die Tarsen bräunlich. Der männliche Ge- 
schlechtsabschnitt ist an seiner Spitze stark zusammengedrückt und 
scharf gekielt. Länge 5 mm (2'/,“‘').. Nach FıEger und REUTER. 

Nach Reuter ist diese Art von den anderen Phylus-Arten durch 
ihren kürzeren Kopf, durch den vorne nicht vorspringenden Kopf- 
schild, durch die weniger lange Kehle, durch den kürzeren Schnabel. 
durch ihr zweites Fühlerglied, das hier kaum länger ist als das 
Pronotum hinten breit, durch die kürzeren und weniger schlanken 
Tarsen, sowie durch die Färbung verschieden, so daß sie fast eine 
eigene Gattung bilden möchte; FiEBER bringt sie deshalb auch (E. H. 
1861, 315) als solche mit dem Namen Teratoscopus (Zeichendeuter). 

REuTER beschreibt, der wechselnden schwarzen Zeichnung auf 
gelbem Grund entsprechend (H. G. E. I, 163; III, 465), drei Varietäten 
von plagiatus: 

Var. a: Der Kopf dunkelbraun, die Augenbogen und der Scheitel- 
rand lehmgelb; hingegen sind schwarz oder dunkelbraun: auf dem 
Pronotum eine, oft auch fehlende, schmale vordere Binde und ein 
vorne abgekürzter länglicher Fleck auf der Mitte; das Schildchen 
mit Ausnahme eines beiderseitigen Grundflecks; ein länglicher Fleck 
im Schildchenwinkel des Clavus und ein großer Scheibenfleck auf 
dem Corium. 

Var. 8: Der Kopf nur an seiner Spitze schwärzlich, Pronotum 
und Schildchen einfarben ockergelb, die Zeichnung der Halbdecken 
ziemlich verschwommen und wenig abgegrenzt. 

Var. y (Berl. Ent. Zeit. XXV, II, p. 160, 14): Kopf, Pronotum, 
Schildcehen und Halbdecken einfarbig ockergelb, nur die äußerste 
Kopfspitze schwarz; die Fühler hell ockergelb, am ersten Glied der 
Grund und ein Punkt innseits vor der Spitze, am zweiten Grund 
und Spitze schmal schwarz; die Membran über die Mitte hinaus 
glasartig. ihr Saum mit breitem schwärzlichem Bogen, die Adern 
gelblich, unter dem Winkel der größeren Zelle ein bräunlicher Quer- 
strich. (Nieder-Österreich, P. Löw). 


Capsus plagiatus HERRICH-SCHÄFFER, Nomencl. entom. I, 1835, 
p. 50. — Panzer-(H. ScHäÄrr.), Faun. Germ. 135, 10. Q@. — Wanz. 
Ins. VI, 1835, p. 30, t. 191, fir. 587. g. 

Phytocoris insticatus Fieser, WEITENWEBER's Beitrg. 1836, I, 
p. 104, 5, T. II, fig. 3. 


— 307 — 


Gnostus plagiatus Fieger, Beitrg. z. gen. Thlg. d. Phytoc. 1859, 
S. 35. 

Teratoscopus plagiatus Fieger, Eur. Hem. 1861, S. 316. 

Phylus plagiatus Reuter, Hem. Gymn. Eur. I, 1878, p. 163, 6, 
Tab. VIII, fig. 4; III, 1883, p. 465 et 526. — Berlin. Entom. Zeit- 
schr. XXV, 1881, p. 160, 14. — Arkınson, Cat. of Caps. 1889, 
p. 160. — Puron, Cat. 4. ed. 1899, p. 74, 5. 

Bayern: Ein Weib von Dr. Wartu bei Passau gefunden. HERRICH- 
SCHÄFFER. Nach Fieger in Bayern. Kırrer. — Elsaß-Lothringen: Metz: 
tres-rare (B.). ReiBER-Puton. 

Auf Erlen in Bayern, Krain und der Schweiz. FIEBER. 

Hab. in Alnetis: Austria, Galizia, Helvetia!, Gallia!, Hungaria, 
D. Dr. v. Horvata. REUTER. 

Hab. France, Switzerland, Austria. ATKINSON. 


(Schweiz: Bisher in der Schweiz nur an wenigen Stellen auf- 
gefunden, wo er sich von Anfangs Juni bis Mitte Juli auf niedrigem 
Erlengesträuch aufhält. Der Mann ist sehr selten. Burgdorf an einer 
einzigen Stelle an der Emme (M.), Dübendorf und hohe Rhone (Br. 
Smmig.). Feey-Gessner. — Graubünden: Um Ragaz. (F. G.) Kırrıas. 
— Savoyen: Les Praz bei Chamounix, Juli 1906, in Anzahl ge- 
sammelt von GuLde. — Tirol: Bei Klausen, 10. 6. 1908, gefunden 
von HERRMANN-MURR. HüesrrR. — Steiermark: Von Grauerlen bei Ad- 
mont zweimal geklopft, Juli, August. SrrosL. — Böhmen: Auf Erlen 
in Böhmen, auch auf grasigen Orten nach FiEBER. Dupa.) 


Icodema Reur. 


Länglich, ganz fein hell beflaumt, ohne jegliches Schuppen- 
haar, glänzend. Der fast senkrecht stehende Kopf ist (samt 
Augen) weniger als ums Doppelte schmäler als der Pronotumgrund. 
Der schmale Kopfschild springt ziemlich deutlich vor und fließt an 
seinem Grunde fast mit der Stirne zusammen. Die Kehle ist 
kurz. Der Schnabel überragt etwas die hinteren Hüften, sein 
erstes Glied reicht nicht ganz bis zur Mitte des Xyphus. 
Die gekörnten Augen sind (am vorderen inneren Rand) ausgebuchtet, 
beim d mehr als beim 9, bei ersterem auch weiter über die Wangen 
ausgedehnt als beim 9. Die Fühler sind in der inneren Augenbucht 
selbst eingefügt, ihr erstes Glied überragt deutlich die Kopfspitze, 
ihr zweites ist länger als das Pronotum am Grunde breit. Das 


Pronotum ist an seinem Hinterrande abgestutzt, daselbst etwa ums 
20 * 


— 308 — 


Doppelte breiter als vorne und hat gerade Seiten. Der Xyphus der 
Vorderbrust ist gewölbt. Die Halbdecken sind ausgebildet, die Mem- 
bran ist zweizellig, die Flügelzelle zeigt den Haken. An den ein- 
farbenen Beinen sind Schenkel und Schienen ungezeichnet, erstere 
verlängert, letztere mit feinen, hellen Dörnchen besetzt, die Vorder- 
schienen leicht abgestutzt; an den hinteren Tarsen ist das dritte 
Glied kürzer als das zweite, dieses wieder fast ums Doppelte länger 
als das erste. Der männliche Geschlechtsabschnitt ist nach 
vorne zu beiderseits zusammengedrückt, die Legeröhre des 
Weibchens ist sehr lang, fast bis zum Bauchgrund reichend und 
vorne abgestutzt. Die einzige Art dieser Gattung lebt auf Baum- 
blättern. Nach Reuter. 

Fieger zählt diese Form zu seiner Gattung „Plagiognathus“ 
(Schiefbacke'), Reuter hat sie als die neue Gattung „Icodema“ be- 
schrieben. Nach seiner Angabe unterscheidet sie sich von der Gattung 
Phylus Haun-Reur. durch ihren fast senkrecht stehenden Kopf, durch 
ihre kürzere Kehle, den im ersten Glied längeren Schnabel und durch 
den Bau des männlichen Geschlechtsabschnitts; von Plagiognathus 
Fırs. durch ihre einfarbenen Beine, die hell bedornten Schienen (die 
vorderen zeigen nur wenige ganz feine Dörnchen!), durch die sehr 
lange Legeröhre des Weibchens usw. 


* infuscatum FıEB. 


Ganz bleich weißgelblich, sehr fein weißlich behaart (Rr.: fast. 
hornartig und fast durchscheinend). Am Kopf ist der ganze Kopf- 
schild oder doch wenigstens seine Spitze schwarz. Die Augen sind 
schwarzbraun; der Schnabel hellgelb. An den hellgelben Fühlern 
ist das erste Glied entweder ganz hell oder ganz dunkel, oder nur 
in der Mitte dunkel und an Grund und Spitze hell; das zweite Glied 
zeigt bisweilen einen schmalen dunklen Ring vor dem Grunde; die 
beiden letzten schmutzfarbenen Glieder sind zusammen so lang wie 
das zweite. _ Das Pronotum ist vorne häufig etwas grünlich, vom 
Mittelrücken scheint je ein brauner Seitenstreif durch. Das ein- 
farbene Schildchen ist manchmal etwas grünlich. Brust und Hinter- 
leib sind gelblich, der Bauch bleichgrünlich. Die Halbdecken sind 
durchscheinend, entweder einfarben oder hinten mit einem bräun- 
lichen Fleck auf dem Corium (FieB.: innen nahe der Schlußnaht ein 
breiter, verwaschener, schwärzlicher Streif); der Keil ist weißlich (am 


1 Mit 6 europäischen Arten; Puton führt (Cat. 1899) 22 paläarktische 
Plagiognathus-Arten an! 


— H —— 


— 309 — 

Rande bleichgelblich), die Membran getrübt, Außenrandlinie schwärz- 
lich (unter dem weißlichen Außengrundwinkel an der Keilspitze ein 
Querstrich gegen die kleine Rippe, von da nach hinten ein meist 
verbundener, schwärzlicher, kurzer Längsstrich); Adern (Zellrippen) 
bleich; die Zellen bräunlich (die kleine Zelle und ein Streif im Hinter- 
winkel der großen Zelle braun). Die Beine hellgelb, die bleichen 
Schenkel unpunktiert, die Schienen fein hell bedornt. Länge 4'/s 
bis 4'/, mm (2°). Nach FIEBER und REUTER. 

Plagiognathus infuscatus FIEBER, Eur. Hem. 1861, S. 303, 2. 

Orthotylus pallidus Meyer, Mittlgn. d. Schweiz. Entom. Ges. 1870, 
p. 209. — Puron, ebendaselbst, Bd. HI, p. 421. 

lcodema infuscatum Reuter, Hem. Gymn. Europ. I, 1878, p. 158, 
1, Tab. VIII, fig. 1; II, 1879, p. 304; III, 1883, p. 464 et 526. — 
Arkınson, Cat. of Caps. 1889, p. 160. — Puron, Cat. 4. éd. 1899, 
p. 14. 

Aus Spanien, Sierra de Guadarrama (MeEvEr-Dür). FIEBER. 

Hab. in Gallia (dep. du Var!), D. Dr. Puron; Hispania (Sierra 
de Guadarrama!), O. MeEver-Duer. — Italia (Genua), in frondibus 
Quercus ilicis, sec. D. Dr. Ferrari. — Austria (Wien!in Quercu), 
D. Prof. Mayr. REUTER. 

Hab. S. Finland, France, Spain, Austria. ATKINSON. 

Bei Wien von Herrn Professor Mayr auf Quercus gefunden. 
Reuter (An. Hem. 1881, 193). 


(Fortsetzung folgt.) 


Zur Molluskenfauna der Kalktuffe. 
Von D. Geyer, Stuttgart. 


1. Im Ermstal (bei Urach, Seeburg und Glems). 


Die zahlreichen Aufschlüsse im Ermstal liegen alle in der 
Talsohle und reichen so weit in die Tiefe, als das Grundwasser die 
Ausbeute an hartem Baustein und losem Tuffsand gestattet. 
Der eine Fluß hat, von seitlichen Zuflüssen kaum unterstützt, die 
Kalkmassen abgesetzt und die in ihnen begrabene Fauna zusammen- 
getragen. Im harten Kalksinter sind es einzelne Schalen, die fest 
verkittet ein Herausschlagen kaum ermöglichen; der lose Sand da- 
gegen ist zuweilen reich an Einschlüssen. Größere Schalen können 
abgelesen werden; die kleineren gewann ich durch Schlämmen. 
Wenn nach reichlichen Niederschlägen die Gruben von unten her 
sich mit Grundwasser füllen, ist das Schlämmen bequem an Ort und 
Stelle auszuführen. 

Im Tuffsand liegen die Schnecken meist regellos zerstreut; 
zuweilen aber sind sie in den Höhlungen und Nischen des festen 
Tuffgesteins nesterweise angehäuft, je und je auch, bald in 
der Tiefe der Grube bald gegen die Oberfläche, zu langgezogenen, 
schichtenähnlichen Lagern vereinigt, wie sie bei den Über- 
schwemmungen der Flüsse entstehen. Der letztere Fall betrifft 
namentlich die am häufigsten auftretenden Wasserschnecken (Limnäen, 
Planorben, Valvaten), zu welchen sich einzelne Uferbewohner (Succineen 
und Hyalinien) gesellen. 

Der gelbliche Tuffsand geht nach oben allmählich in die Rasen- 
schicht über, und wenn die schwarzen Beimengungen von Rasen- 
erde in ihm auftreten, ändert sich auch seine Molluskenfauna: die 
Wassermollusken bleiben aus; Helix hispida, Pupa muscorum und 
pygmaea, Vallonia pulchella, im Tuff fehlend, treten in den oberen 
Lagen zu Helix arbustorum, welche hier noch häufiger ist als im 
Tuff. Die Behauptung der Arbeiter, der Reichtum an Schnecken 


- 


— 311 — 


nehme gegen die Talgehänge zu, bezieht sich auf die Landschnecken 


der Rasenschicht. Sie wurden aus dem Wald und Gebüsch ein- 
geschwemmt. 


Verzeichnis der Arten. 

Vitrina diaphana Drar. selten. 

Hyalinia cellaria MÜLL., nitens Mıch., lenticula HeLD, hammonis STRÖM., 
petronella Curr., alle spärlich. 

Vitrea crystallina MÜLL., sehr zahlreich. 

Conulus fulvus MÜLL., spärlich. 

Zonitoides nitida MüLL., häufig. 

Punctum pygmaeum Drar., ziemlich häufig. 


Patula rotundata MöLı., ruderata Stun., 3 Exemplare 
Acanthinula aculeata MÜLL., selten. 


Vallonia costata MürL., häufig (pulchella Müur. fehlt im Tuff). 

Trigonostoma (Helix) obroluta MÜLL., bei Glems nicht selten 

Isognomostoma (Helix) personatum Lm., selten. 

Frutieicola (Helir) edentula Drap., sehr selten, hispida L., sehr selten, bei 
Glems häufig, striolata C. Pr. (rufescens CLEss.) sehr selten, bei Glems 
häufig, strigella Drar.. 2 Exemplare, incarnata MÜLL., selten. 

Eulota (Helix) fruticum MürL., häufig. 


Chilotrema (Helix) lapicida L., fehlt bei Seeburg und ist bei Glems selten. 
Arianta (Helix) arbustorum L., häufig und in normaler Größe. 
Tachea (Helix) hortensis MüLL., sehr selten; nemoralis L. bei Glems 
Helix pomatia L., sehr selten. 
Buliminus montanus Drar. und obscurus MüLL. bei Glems selten 
Pupa (Torquilla) secale Drar., selten. 
- (Sphyradium) edentula Drar., nicht selten. 


(Vertigo) alpestris ALD. sehr selten, moulinsiana Drrpuy 3 Exemplare 


7 
antivertigo selten, substriata JEFFR. häufig, pusilla MüLL. und angustior 
JEFFR, 


be 


Clausilia laminata MonT., orthostoma Mke. bei Glems, biplicata MoxT., parvula 
Stun., dubia DraP., ventricosa Drar. bei Glems, lineolata HELD, plicatula 


Drar., die Clausilien sind selten, nur parvula tritt zahlreich auf. 
Cionella lubrica MüLL., häufig. 


Caecilianella acicula MüLL., spärlich. 


Succinea pfeifferi Rssm., nicht selten, oblonga spärlich 
Carychium minimum MüLL., die zahlreichste Art. 

Limnaea stagnalis L., selten, ovata Drar., sehr häufig 
Physa fontinalis L., vereinzelt. 


Planorbis carinatus var. dubius HarT™., zahlreich, leucostoma MiLL., contortus 
MüLL., sehr selten, complanatus L., sehr selten 
Acme polita Harrm., zahlreich. 


Lartetia quenstedti Wieb., nicht selten. 


Valvata a lpestris (BLAŬNER) Küsr., zahlreich. 
Pisidium pusillum Gm., nicht selten. 


Das Verzeichnis führt eine im wesentlichen aus rezenten 
Elementen zusammengesetzte Fauna vor, die den Albtälern 


— 312 — 


in der Gegenwart nicht fremd ist. Mit der heutigen Fauna des 
Ermstales verglichen überraschen jedoch die Wassermollusken. 
die in großer Individuenzahl die Tufflager erfüllen, heute jedoch bis 
auf unbedeutende Reste verschwunden sind. Bevor die Erosion ım 
Verein mit der Tuffbildung und unterstützt durch menschliche Ein- 
griffe die Gefälldifferenzen des Flusses ausglich, war den Wasser- 
schnecken in den zahlreichen Seen des oberen (Seeburger) Erms- 
tales ein ausreichender Standort geboten. Das klare, frische, wenig 
bewegte (Planorben meiden jede Strömung und sind auf stagnierende 
Gewässer beschränkt) Wasser war einer Fauna förderlich, die in 
ihren Hauptvertretern an diejenige der innerhalb der 
Alpen liegenden Seen Oberbayerns und Nordtirols erinnert. 

Vor allem ist es Valvata alpestris, die dorthin weist. Unter 
Verkennung ihrer Eigentümlichkeiten und unter gänzlicher Außer- 
achtlassung ihrer geographischen Verbreitung und ihrer geschicht- 
lichen Rolle (in den diluvialen Ablagerungen des Voralpenlandes) 
ist neuerdings der Versuch gemacht worden, die Schnecke mit 
Valvata piscinalis MüLL. zusammenzuwerfen. Mögen beide derselben 
Wurzel entspringen und einander anatomisch noch so nahe stehen, 
so hat doch alpestris ihre eigene Geschichte und die Basis ihrer 
Verbreitung in den Alpen, während piscinalis dem Unterlauf der 
größeren Flüsse angehört. Von Norden her reicht piscinalis ins 
württembergische Unterland, wo sie in den Flüssen etwa so weit 
geht als Unio pictorum und tumidus oder die Sphärien und Limnäen, 
nämlich bis zum Beginn des starken Gefälles und des groben Ge- 
schiebes (zur Bergregion); von Süden her kommt alpestris über 
Oberschwaben (Unteressendorf, Biberach, Wolfegg') zur südlichen 
Alb, wo der Verfasser sie in der Blau bei Gerhausen! und in der 
Aach bei Zwiefalten lebend antraf. Im ganzen oberen Neckargebiet, 
in einem breiten Gürtel längs des Nordwestrandes der Alb fehlen 
beide Arten; nie stieß ich in dem massenhaft ersammelten Aus- 
wurfmaterial des Neckars und seiner Zuflüsse auf die eine oder 
andere Art. Auch die obere Donau führt kein Valvata. Daß aber 
Valvata alpestris einstens über den Kamm der Alb herüber ins 
Neckargebiet reichte, beweist ihr fossiles Vorkommen in den Kalk- 
tuffen des Ermstales (und des Echatztales bei Oberhausen). 

Ihr Rückzug in der Richtung auf das Verbreitungszentrum 
in den Alpen dürfte jedoch nicht etwa auf Rechnung einer 


! Die Angaben in d. Jahresh. 1894 S. 130 und 1900 S. 298 sind hiernach 
zu berichtigen. 


— 313 — 


Klimaänderung, sondern auf das Verschwinden der stehenden 
Gewässer in den Tälern der stark fallenden Neckarzuflüsse zu 
suchen sein. Hier arbeitet die Erosion an der Abtragung des 
Gebirges, während auf der Donauseite kaum ein Eingriff wahrzu- 
nehmen ist. 

Zu Valvata alpestris gesellt sich als zweiter Hinweis auf die 
Alpenseen Limnaea ovata, die nicht bloß hier sondern auch in den 
Tuffen des Echatz-, des Fils-, des Zwiefalter Aach- und des unteren 
Lautertales bei der Laufenmühle (Lauterach) in einer Form erscheint, 
die vom Typus in den stehenden und langsam fließenden Gewässern 
und Gräben abweicht und nach Form und Größe mit dem überein- 
stimmt, was Cuessin (Moll. F. 2. Aufl. S. 378) als rosea Gallenstein 
vom Ammer-, Boden- und Ferchensee abbildet. Das Gewinde bildet 
eine hervorragende, kegelförmige Spitze von halber Höhe der Mündung; 
diese ist ziemlich schmal, der Spindelrand deutlich gewinkelt; die 
Schalen sind aber im Gegensatz zur echten rosea zart und zer- 
brechlich (das Wasser ohne Bewegung). Ein Teil der Exemplare 
berührt sich mit Limnaea alpestris Cress. vom Plansee und Königs- 
see, die sich auch durch ein dünnschaliges Gehäuse auszeichnet. 
Wenn ich trotzdem unsere Tufflimnäen nicht zu mucronata HELD 
stelle, wie CLessin es mit rosea und alpestris tut, so habe ich dafür 
folgende Gründe: Einmal nimmt sich L. rosea in der Reihe der 
mucronalta-Formen auch bei Cressin fremdartig aus und weist auf ihre 
Zugehörigkeit zu ovata hin; sodann sind die Seeburger Limnäen so 
mannigfaltig, daß auch Übergänge zu ovata sich einstellen, und endlich 
glaube ich, daß die Limnaea ovata, welche jetzt noch im Seeburger Tal 
(z. B. im Forstbrunnen in der sog. Enge) sitzt, die Nachkommen- 
schaft der Tufflimnäen darstellt, und in den rezenten Formen haben 
wir es unstreitig mit ovata typ. zu tun. Sie hat, weil im fließenden 
Wasser sitzend, eine hammerschlägige und dickere Schale als ihre 
Vorfahren im See, ein kürzeres Gewinde und eine weitere, nach 
unten verbreiterte Mündung. 

Plunorbis dubius Hartm. ist die Mittelform zwischen carinatus 
Mir. und marginatus Drar. Sie ist aus dem Ermstal verschwunden, 
belebt aber heute die Altwasser und Gräben des Neckartales. 

Mit Valvata alpestris hat sich auch Physa fortinalis von der 
Neckarseite der Alb zur Donauseite hinübergezogen; sie mußte beim 
Verschwinden der Seen und dem Vordringen des raschen Gefälles 
bis zar Quelle der Erms den Standort aufgeben. Die langsam ab- 
strömenden Donauzuflüsse sind ihr wie der Valvata verblieben, und 


— 3l4 — 


bei Gerhausen lebt noch in der Blau dieselbe große, aufgeblasene 
Form, welche den Tuffen von Seeburg eigen ist. 

Endlich gehören zu den aus dem Ermstal verschwundenen 
Mollusken auch zwei Landschnecken: Patula ruderata Stun. und 
Vertigo (Pupa) moulinsiana Duruy. Über die letztere vergl. Mitteil. 
geol. Abt. kgl. württ. Stat. Landesamtes No. 6, S. 80 und 81. Ihr 
Vorkommen in den Tuffen von Seeburg, Zwiefaltendorf und Gült- 
lingen beweist, daß sie einst auch in Schwaben eine größere Ver- 
breitung hatte. Offenbar gehörte sie aber auch schon zur Zeit der 
Tuffbildung zu den seltenen Schnecken, da sie stets nur in wenigen 
Exemplaren aus einem umfangreichen geschlämmten Material zu 
erbeuten war. 

Patula ruderata lebt heute noch bei Triberg und Herrenalb 
ım Schwarzwald und eigentümlicherweise an und in alten Weiden 
des Neckartales (s. d. Jahresh. 1904. S. LII). Auch sie hatte früher 
eine größere Verbreitung und findet sich in den Kalktuffen von 
Seeburg, Kirchen bei Ehingen a. D., Bärental bei Fridingen a. D. 
und Gültlingen ebenso sparsam wie Vertigo moulinsiana. 

Wer von echt diluvialen Ablagerungen oder den An- 
schwemmungen der Gegenwart ausgeht, wie sie von hoch- 
gehenden Flüssen in den Tälern hinterlassen werden (auch von der 
Erms), findet in der Fauna der Seeburger (und Zwiefalter) Tuffe 
Widersprüche nach zwei Seiten. 

Einerseits überrascht der Reichtum von Clausilia par- 
vula im Gegensatz zur Gegenwart. Sie ist im Löß eine 
gewöhnliche Erscheinung. Es darf aber ihre Häufigkeit im 
Seeburger Tuff nicht in Beziehung zum Löß oder zur Lößperiode 
gebracht werden. Sie erklärt sich vielmehr aus rein örtlichen Ursachen. 
Das obere Ermstal ist von Felsen eingeschlossen, an welchen die 
Schnecke einstens ebenso häufig lebte wie heute. Während sie aber 
zur Zeit, als dasselbe Tal von Seen erfüllt war, direkt ins Wasser 
gelangen und im Tuff erhalten werden konnte, fällt sie jetzt auf 
den Rasen am Fuße der Felsen und kommt nicht ins Wasser und 
in dessen Sedimente. 

Andererseits fehlen dem Tuff die im Löß und in den 
Anschwemmungen der Gegenwart häufigen Arten wie 
Helix hispida, Pupa muscorum und pygmara, Vallonıa pulchella. Auch 
das hat örtliche Ursachen. Diese Arten gehören dem besonnten 
Wiesengrund an, der einst dem Tal fehlte und erst nach dem Ab- 
lauf des Wassers die Talsohle einnehmen konnte. Daher erscheinen 


— 315 — 


diese Arten auch erst über dem eigentlichen Tuff in der mit Wiesen- 
erde gemischten obern Schicht. 

In dieser durch die dunklere Färbung sich kennzeichnenden, 
übrigens auch vom Tuffsand durchsetzten Schicht haben die Schnecken 
ihre Farbe noch deutlicher erhalten als in der Tiefe, und hier er- 
scheint Arianta (Helix) arbustorum L. seltsamerweise in kleineren, 
festschaligeren Gehäusen als im Tuff. Unwillkürlich fragt man sich, 
ob sie nicht in Beziehung zu alpicola Fér. des Lösses zu bringen 
seien. Keineswegs. H. arbustorum typ. der Tuffe lebte auf feuchtem 
Grunde im Schatten und konnte sich am passendsten Standort zur 
Normalform entwickeln; die kleinere Form der mit Rasenerde durch- 
setzten oberen Schicht aber mußte sich mit der Wiese begnügen, 
wo es an Deckung durch Gebüsch und Wald fehlte, weshalb die 
Schale klein blieb und fest wurde, wie sie es bis zur Gegenwart 
unter denselben Bedingungen geblieben ist. Der Wiesengrund im 
Tal hat kleinere Formen als der Wald und das Gebüsch, und mit 
der Entfernung vom Wasser vermindert sich auch im Tale die Größe 
von Ar. arbustorum. 

Im Gegensatz zu den Tuffen des engen, wenig besonnten See- 
burger Tales liefern die der weiten Talmulde von Glems mehr 
Buschbewohner (Tacheen u. a. m.) als jene. 


2. Im Zwiefalter Aachtal (bei Zwiefaltendorf). 


Hyalinia cellaria MÜLL., petronella CHARP. 

Vitrea crystallina MÜLL. 

Conulus fulvus MÜLL. 

Punctum pygmaeum Drap, 

Patula rotundata MÖLL. 

Acanthinula aculeata MÜLL. 

Vallonia costata MüLL. (pulchella Müuı. fehlt dem Tuff, erscheint aber in der 
oberen, vom Humus durchsetzten Schicht). 

Arianta (Helix) arbustorum L. 

Fruticicola (Helic) incarnata MÜLL. 

Eulota (Helix) fruticum MüLL., auch mit Band. 

Pupa (Torquilla) frumentum Drar., (Sphyradıum) edentula Drar., zahlreich 
(muscorum L. verhält sich wie Vallonia pulchella), (Vertigo) moulinsiana 
Drrvy, 2 Exemplare, alpestris ALD., pygmaea Drar., 3 Exemplare, anti- 
vertigo Drar., pusilla MÜLL. 

Balea perversa L., 1 Exemplar. 

Clausilia biplicata MonT. 

Cionella lubrica MÖLL. 

Carychium minimum MÜLL. 

Succinea pfeifferi Rssm., oblonga DRAP., auricularia L. 


— 316 —- 


Limnaea stagnalis L., zahlreich, palustris MÜLL., ovata Drar., und zwar in ein- 
zelnen Riesenformen von typischem Bau und zahlreich in der Form. wie wir 
sie von Seeburg kennen gelernt haben. 

Physa fontinalis L. 

Planorbis carinatus var. dubius HarT™., vortex L., leucostoma MiL., contortus L.. 
albus MüLL. 

Ancylus lacustris L. 

Acme polita HART™. 

Bythinia tentaculata L., zahlreich, mit Deckel. 

Valvata alpestris (BLAUN.) KtsT., zahlreich, cristata MLL. 

Pisidium pusillum GM. 


Wie bei Seeburg schließt sich auch die Fauna der ausgedehnten 
Tufflager von Zwiefaltendorf eng an die rezente an. Von ausgestorbenen 
Arten kann nur Pupa (Vertigo) moulinsiana genannt werden. Die 
Wasserschnecken überwiegen auch hier nach der Individuenzahl, und 
ihre Zusammensetzung läßt auf einstige größere, zum Teil stark ver- 
sumpfte Seen und Tümpel schließen (BDythinia tentaculata, Ancylus 
lacustris), deren Fauna damals auch wie heute im Zusammenhang 
stand mit der des Donautales (Planorbis vortex). 

Die Umwandlung des einst großenteils mit Wasser bedeckten 
Talgrundes in Wiesenland vollzog sich hier bei geringerem Gefäll 
etwas langsamer als im Ermstal; mit Ausnahme der großen Limnäen 
sitzen die Wasserschnecken (Valvata alpestris, Bythinia tentaculata) 
noch in der Aach und in den Gräben des Tales, und die auf dem 
entwässerten Grund eingerückten Landschnecken wie Pupa mus- 
corum u. a. reichen nicht in den Tuff hinunter. 


3. Bei Gültlingen (Wildberg). 


Vitrina diaphana Drar., selten. 

Hyalınia nitens Micu., zahlreich, lenticula HELD., petronella Cuarp. und ham- 
monis STRÖM., selten. 

Vitrea erystallina MÜLL., sehr zahlreich. 

Conulus fulvus MÜLL. 

Zonitoides nitida MÜLL. 

Punctum pygmaeum Drar., zahlreich. 

Patula rotundata zahlreich, ruderata Stun., selten. 

Vallonia pulchella Müur., nicht häufig, costata Müut., häufig. 

Trigonostoma (Helir) obvoluta MÜLL., sehr zahlreich. 

Isognomostoma (Heli) personatum Lm., selten. 

Fruticicola (Helix) hispida L., incarnata MÜLL. 

Eulota (Helix) fruticum MÜLL. 

Chilotrema (Helix) lapicida L.. selten. 

Arianta (Helix) arbustorum L., in normaler Größe. 

Tachea (Helix) hortensis MÜLL. und nemoralis L., selten. 


— 317 — 


Helix pomatia L., selten. 

Pupa (Torquilla) frumentum DRAP., (Pupilla) muscorum L., zahlreich, (Sphy- 
radium) edentula Drar., (Vertigo) alpestris ALD., pygmaea DRAP., mou- 
linsiana Dupuy, in 2 Exemplaren, antivertigo DRAP., substriata JEFFR., 
pusilla MÜLL., angustior JEFFR. 

Clausilia laminata MonT., orthostoma MRE., biplicata MonT.. parvula STUD., 
zahlreich, cruciata STUn., ventricosa Drar., lineolata HELD. 

Cionella lubrica MÜLL. 

('aectlianella acicula MÜLL. 

Succinea pfeifferi Rss™m., oblonga DRAP. 

Carychium minimum MtLL., die häufigste Art. 

Limnaea ovata Drar. 

Planorbis leucostoma MiLL., contortus L, 

Acme polita HaRT™., zahlreich. 


Die Aufschlüsse am Zusammenfluß der von Gültlingen und von 
Sulz kommenden Bäche enthalten meist größere Helices, worunter 
auch Fruticicola striolata C. Pr. (rufescens Cuess.) und Buliminus 
montanus Drar. 

Die Gültlinger Fauna deckt sich, ahgesehen von den bier zurück- 
tretenden Wassermollusken, bis in die Einzelheiten mit der des 
Ermstales. Daß hier die in den diluvialen Ablagerungen häufigen 
Arten (Helix hispida, Pupa muscorum und pygmaea, Vallonia pulchella) 
zahlreich sind, während sie in den beiden Albtälern fehlen, hat ört- 
liche Ursachen. Wir haben bei Gültlingen die von einem kurzen 
Bach abgesetzten Tuffe vor uns, in welchen die Landschnecken aus 
dem Ufergebüsch und den der Sonne zugänglichen Talgehängen 
gelangen konnten. 

Über die beiden Arten von geschichtlicher Bedeutung (Patula 
ruderata und Pupa moulinsiana) siehe oben S. 314. 


Neue fossile Cervidenreste aus Schwaben. 
Von Dr. W. O. Dietrich. 
Mit Tafel XII und 5 Textfiguren. 


Im Lande, wo der Hirsch Wappentier und Schildhalter ist und 
seine Stangen in Herrscherstandarte und Staatswappen figurieren, 
dürfen Geweihe, seien sie nun fossil oder rezent, stets auf Be- 
achtung und Verständnis rechnen, sofern sie nur etwas Besonderes 
bieten. Kecklich darf dies von den zwei Stücken behauptet werden, 
die im Jahre 1909 in die geologische Sammlung des K. Naturalien- 
kabinetts gelangten, von dem kapitalen Elchschaufler aus dem Torf 
von Schussenried sowohl, als auch von dem Kronengeweih eines 
Edelhirsches aus dem Diluvium von Murr. Beide sind erlesene 
Museumsstücke und ich sage Herrn Prof. Dr. Es. Fraas, der mich 
mit ihrer Publikation betraut hat, auch hier meinen schuldigen Dank. 

Der Aufsatz zerfällt in 3 Teile. Der erste ist dem Elch gewidmet, 
der zweite den großen Edelhirschen von Murr und Steinheim, wobei 
die Besprechung ihrer Lagerstätte einen größeren Raum einnimmt; 
den Schluß macht ein interessantes Fragment einer Rentierstange, 
das ebenfalls von Murr stammt. 


I. Alce alces L. aus dem alluvialen Torf von Schussenried. 
(Taf. XII Fig. 1.) 

Im Sommer 1909 wurde bei Eisenbahnbauten beim Bahnhof 
Schussenried im Torf, 6,5 m unter Tag ein Elchskelett gefunden. 
Es gehörte einem alten, starken Hirsch an und schien vollständig. 
Herr Forstamtmann Dr. K. Rau in Schussenried widmete sich der 
Hebung und Bergung der Knochen mit größter Ausdauer und die 
K. Eisenbahnbauinspektion, sowie die Bauleitung zeigten dabei weit- 
gehendes Entgegenkommen. Als das Skelett gehoben war, war alles 
vorhanden, nur nicht das rechte Hinterbein. Von diesem Bein fehlt 
bis heute jede Spur '. 


' s. dazu übrigens auch im Abendblatt der Schwäbischen Chronik vom 
15. Januar 1910. 


— 319 — 


Lage der Fundstelle (s. Fig. 1). 


Der Fundplatz lag am Rand eines kleinen, kaum 6 Morgen 
großen Torfmoors, das rinnenartig in den innersten Kranz der 
Jungendmoräne eingesenkt und auf drei Seiten von Moränenhügeln 
umrahmt ist. Nur nach Süden hin hängt die jetzt völlig vertorfte 


7 Re U 


Fig. 1. Profil der Fundstelle des Elchskeletts. 1. Tonmergel. 2. Torf. 3. Auf- 
trag. 4. Geschiebemergel. * Lage des Skeletts. "Die durchgehende Linie soll die 
Schienenhöhe anzeigen. 


Senke mit der vom Schwaigfurter Weiher eingenommenen Depression 
und weiterhin mit dem Schussental zusammen; sie stellt sich dar 
als eine der nördlichen Auslappungen dieser Depression, welche die 
inneren Endmoränenzüge gleichsam zerstückelt. Mit den gegen 
Schussenried zu gelegenen Torflagern scheint nıe ein Zusammenhang 
bestanden zu haben: das Probeloch auf dem Geleiseplanum für das 
Fundament des Mittelpfeilers der neuen Brücke traf keinen Torf an, 
und erst recht nicht das für den Nordpfeiler; bei der neuen Stations- 
wage gegenüber dem Stationsgebäude soll seinerzeit 30 cm Torf ge- 
kommen sein. Erst unter dem Güterschuppen findet sich wieder 
ein mächtiges Torflager. 


Profil der Fundstätte (s. Fig. 1). 
Der erste Augenschein zeigte: 


Aufgefüllter Boden . . . » 2 222.0. 3—4 m 
TOF ae rera le s ee ee ee 3 5 
Blauer -„Lon" 2 a a e A mehrere „ 


Darunter soll Kies kommen, auf dem die eingerammten Pfähle 
aufruhen. Im einzelnen gliedert sich dieses Profil nach näherer 
Untersuchung folgendermaßen: 


9. Kiesauftrag . . 2 2 en... EEE ca. 1 
8. Lettenauftrae =. = 2a a 20 20 wa Se 2 


7. Vermoderter, erdiger Torf . . .» .. 2 22220. à l 1.40 m 
6. Braunschwarzer Moortorf mit viel Holz ...... i i 
5. Braune Moosbank . . . » 2 2 2 222000. . 0.40 , 
4. Brauner Moortorf, oben mit sehr viel Forchenholz, unten 
mit Konchylien und auf den „Schichtflächen“ mit Über- | 1 ` 
zügen von gelblichweißem Moorkalk, übergehend in 
3. Schwarzen Sapropeltorf, ebenfalls mit verdrückten 
Schnecken- und Muschelschalen, übergehend in . . . - | 0.20 , 
2. Humosen, sapropelhaltigen Tonmergel, übergehend in 
1l. Zähen, blaugrauen, glimmerigen, sandigen Tonmergel . — ., 


Dazu bemerke ich: 
| (1) ist eine steinarme bezw. steinfreie Fazies des jüngsten Ge- 
schiebemergels, d. h. eine Ausschlämmung aus der Würmgrundmoräne: 
einige kleine gekritzte Geschiebe sind in dem Schacht gefunden 
worden. Die Ausdehnung dieser Ablagerung ist mir nicht bekannt; 
der Tonmergel steht im engsten Zusammenhang mit dem Blocklehm 
bezw. gelben Geschiebemergel, der die Moränenhügel der Umgebung 
zusammensetzt. Beides sind Ablagerungen aus der Zeit des Maximal- 
standes der Würmvergletscherung. Die sapropelhaltigen Lagen (2) 
und (3) sind entsprechend der geringen Ausdehnung und Tiefe des 
einstigen Sumpfes wenig mächtig, etwa zwei Hand breit'!, sie zeigen 
feine Bänderung und Schichtung; die als Sapropeltorf bezeichnete 
schwarze bis grünlichschwarze speckige Lage blättert beim Trocknen 
in lederartigen Lagen auf; die Schnecken- und Muschelschalen 
( Vallonia, Pisidium, Sphärium) sind stark verdrückt, schneeweiß, die 
letzteren z. T. noch mit der Epidermis. U.d.M. sind in (3) neben 
Mineralkörnern Diatomeen, Algen, verschiedene Pollenkörner (z. B. 
Pinus-Pollen) u. a. erkennbar; der Torf (4) bis (6) entspricht ins- 
gesamt dem „Radizellentorf“ des von K. Rau? gegebenen Torfprofils 
des Steinhauser Rieds. Er enthält Reste von Moosen (z. B. Hyp- 
num stellatum Scure. [s. Anm. ']), Laubblättern, Schilfstengeln; ferner 
Samen und Früchtchen, Holzstrüncke und Zapfen der Bergföhre; 
er ist aus einem mit Schilfrohr und Bruchwald bestandenen Nieder- 
moorsumpf hervorgegangen, was mit den Verhältnissen, wie wir sie 
heute noch am Schwaigfurter See beobachten, ungefähr überein- 
stimmt. (4) ist ein reiner Hypnetumtorf, genauer ein Trifarietum- 
torf, da er ausschließlich aus Hypnum trifarium besteht’. Dieses 


) Heiner Sapropel hat sich gar nicht gebildet. 

? Berichte des Oberrheinischen geol. Vereins. 41. Vers. in Ulm 1908. 

3 Herr Lehrer WäLpe in Leutkirch bestimmte durch gütige Vermittlung 
von Herrn Prof. J. Eicnner in zwei Proben (4) und (5) Hypnum trifarium 
W. et M. und H. stellatum SCHRR. 


Moos findet sich ja häufig am Grund der Moore als erster Ansiedler 
auf Glaziallehm'. Durch (7) ist die einstige Oberfläche des Moors 


angezeigt; auf ihr liegt eine moderne Dammaufschüttung (8) und 
frischer Kiesauftrag (9). 


Lage des Skeletts. 


Das Elchskelett lag an der Basis des Torfs (4), an der Grenze 
zwischen Torf und Ton, die Wirbelsäule und Rippen ca. !/, m darüber, 
die zusammengeknickten Extremitäten tiefer. Aber kein Knochen 
ging in den Ton selbst hinein, sie lagen sämtlich durchaus im Torf. 
Daraus ergibt sich mit Sicherheit — um es gleich anzuführen —, 
daß der Elch bei seinem Tod nicht in einen Morast, sondern in ein 
in Vertorfung begriffenes Moor geraten ist. Da die Länge der Hinter- 
beine 1,5 m beträgt, so ist bei der Katastrophe mindestens eben- 
soviel, wahrscheinlich aber mehr Torf schon gebildet gewesen, da 
sonst der Kadaver ja in den Schlamm eingesunken und darin ein- 
gebettet worden wäre. Mit anderen Worten, der Elch ist jünger 
als die Hauptmasse des Torfs. Die Stellung im Torf war folgende: 
Die Schnauze war hoch erhoben, das Geweih auf den Nacken ge- 
worfen (die langen Hinterschaufeln steckten fast senkrecht im Torf), 
der Körper lag etwas auf der rechten Seite, das rechte Vorderbein 
war hochgezogen, als ob das Tier damit ausgreifen wollte, das linke 
war gestreckt am Körper zurückgeschlagen; das linke Hinterbein 
zusammengeknickt wie rechts vorn; die rechte Hinterextremität 
habe ich nicht gesehen. Dieser Befund beweist, daß das Tier aktiv 
an Ort und Stelle umgekommen ist; er schließt aus, daß der (frische) 
Kadaver passiv durch die Strömung angetrieben worden ist, da in 
diesem Fall der Körper eine andere Stellung entsprechend der Schwer- 
punktverteilung hätte einnehmen müssen (Schädel und Geweih mit 
der Oberseite nach unten, der Rumpf nicht in einer Stellung wie 
beim lebenden Tier?); eine längere Drift ist aber natürlich schon 
durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen. Über den Hergang 
selbst, der zu dem Ende in der geschilderten Stellung führte, ist 
man auf Vermutungen angewiesen; mir ist er dunkel. In Breum’s 
Tierleben wird erzählt, daß „in gar zu grundlosen Sümpfen das Elen 
zuweilen jämmerlich stecken bleibe und daß ihm insbesondere 
schlammige Stellen mit steilen Ufern, deren Höhe es mit den Vorder- 


1! g, J. Frün und C. Scuröter, Die Moore der Schweiz. 1904. 
3 Herr Rau fand hinter dem Skelett steilgestellte Torfschollen, die viel- 
leicht durch heftige Bewegungen des Tieres in diese Lage gebracht worden sind. 
Jahreshefte d. Vereins f, vaterl. Naturkunde in Wüäürtt. 1910. 21 


— 322 — 


läufen nicht erreichen kann, gefährlich werden“ usw. Vom irischen 
Riesenhirsch gibt es die Hypothese, daß er vom Jäger rudelweise 
in die Sümpfe getrieben worden, wo er dann leichter erlegt werden 
konnte. Wie es im vorliegenden Fall gewesen ist, entzieht sich, 
wie gesagt, der Feststellung; es sind keine sonstigen Funde ge- 
macht worden. 


Alter. 


Aus der intramoränischen Lage folgt das postglaziale Alter 
ohne weiteres. Die Besiedelung des Landes mit dem heutigen Wald- 
bestand, die wir in dem Torf unschwer erkennen, weist den Fund 
aus der Postwürmzeit überhaupt heraus: er gehört der geologischen 
Gegenwart an. Wir können die Zeitbestimmung noch genauer treffen, 
und unseren Fund mit der prähistorischen, d. h. neolithischen 
Chronologie in Beziehung setzen, wenn wir, was nahe liegt, unser 
Torfprofil mit dem der Pfahlbauten im Steinhauser Ried parallelisieren. 
Dabei ist angenommen, daß die Torfbildung an den beiden, wenige 
Kilometer voneinander entfernten Mooren gleichzeitig begann; (natür- 
lich vertorft ein kleines Becken rascher als ein großes Moorgebiet, 
der Start aber ist hier derselbe). Nach den Angaben von Frank 
(diese Jahresh. 1876) ist das Profil am Pfahlbau im Steinhauser 
Torfmoor (in moderner Interpretation) folgendes: 


4: "Torf a e a2 4 2 m 

3 j Sapropeltorf und ı , . „Kulturschichte“; an der Basis Hirsch- 
"| Torfsapropel | vn geweihe, Knochen, keine Artefakte. 

2. Saprokollkalk . . . 0,4 . ohne Reste. 


1. Fluvioglazialer Würmschotter („kiesiger Seeboden“). 


Nun ist aber der Torf (4), der dem Torf, worin sich das Elch- 
skelett befand, entspricht, Jünger als der „Pfahlbau“, der dem rein- 
neolithischen Typus angehört. Ferner wird in dem zitierten Vortrag 
Frank’s darauf hingewiesen, daß die Untersuchung der Pfahlbau- 
hölzer, welche A. Tscuerning vornahm, keine Spur von Nadelhölzern 
ergeben habe. Am häufigsten waren Alnus incana verwendet. ferner 
Fraxinus exeelsior, Alnus glutinosa, Brtula alba usw. Somit ist sicher, 
daß unser Elch beträchtlich später ist als die Schussenrieder Pfahl- 
bauern. (Zufällig ist es aber, wenn sich unter den Tierresten der 
Steinhauser Pfahlbauten, welche O. Fraas untersucht hat, der Elch 
nicht gefunden hat. In den Pfahlbaustationen des Bodensees und der 
Schweiz sind Geweihstücke vom Elch vielfach gefunden.) Nach allem 
möchte ich für den vorliegenden Fund somit ein nachneolithisches 


— 323 — 


Alter als wahrscheinlich annehmen und ihm also ein Alter nicht 
höher als 4000—5000 Jahre zuschreiben, um welche nach Penck die 
neolithische Kultur von der Gegenwart zurückliegt. Für eine Zeit- 
bestimmung nach vorwärts fehlen dagegen Anhaltspunkte. 


Das Skelett. 


Es stammt von einem alten Elchhirsch, einem kapitalen ungeraden 
Vierundzwanzigender. Die Zähne, soweit sie vorhanden, sind stark 
abgenutzt, aber noch durchaus gebrauchsfähig; sie sind im ganzen 
etwas stärker als die, welche ich an rezenten europäischen Schädeln 
gemessen habe. Überhaupt zeigen vergleichende Messungen am 
Schädel und Körper, daß der Schussenrieder Elch bei gleicher Körper- 
größe wie die heutigen europäischen Elche plumper und schwerer 
gebaut gewesen ist. Der Schädel ist infolge des starken Geweihs, 
das er zu tragen hat, ungemein breitstirnig; solche starke Schaufeln 
weisen heute nur noch die amerikanischen Rassen (Alce americana 
Jarno. und Alce gigas MiL.) auf. Das schwäbische Geweih (Taf. XII 
Fig. 1) ist vom Typus der doppeltpalmaten Schaufeln, wie er heute 
noch, ohne für eine bestimmte Rasse oder gar Art charakteristisch 
zu sein, beim amerikanischen, skandinavischen und asiatischen Elch- 
wild vorkommt. | 

Charakteristisch ist die tiefe Trennung der Vorderschaufel von 
der Hauptschaufel und die kräftige Entwicklung des vordersten (ersten) 
Sprossen. Natürlich weist das Geweih im einzelnen seine Besonder- 
heiten auf; aber es ist unwichtig, alle Unterschiede von ähnlichen 
rezenten und subfossilen Stücken aufzuführen, denn selbst weitgehende 
Verschiedenheiten sind von keiner systematischen Bedeutung'. Zur 
Erläuterung der Abbildung führe ich noch an, daß die schmalen 
Hinterschaufeln handförmig gemuldete und gezackte Platten bilden, 
gegen welche die breiten und kurzen Vorderschaufeln kräftig auf- 
gebogen erscheinen. Der linke Schaufelstamm ist von der Rose an 
verbreitert, so daß die Stammlänge gar nicht anzugeben ist. Schließ- 
lich ist noch ein Rippenbruch zu erwähnen, den sich der Elch wohl 
einmal durch einen Stoß beim Kampf zugezogen hat; andere Ver- 
letzungen sind nicht konstatiert. 

Was die Erhaltung betrifft, so haben die Knochen und knorpeligen 
Teile eine schöne torfbraune Farbe angenommen, mit heller oder 


1 Vergl. z. B. Einar Lönnberg, On the variation of the Elk (Alces 
alces). Proc. Zool. Soc. Lond. 1902. II. p. 352. 
21* 


— 326 — 


fossilen europäischen Elchreste in Dawkıns, Kınkeus, Neuen. 


Ponia, E. T. Newron!, die amerikanischen in Core, W. B. Scotr u. a 
Bearbeiter erhalten, und diese neueren Funde sind z. T. auch un- 
zweifelhaft diluvialen Alters. Alces latifrons Dawkıns ist ein solche: 
diluvialer Elch, der in ziemlich gut erhaltenen Schaufeln und sonstigen 
Resten aus den Forestbeds von Cromer, aus den liegenden Sanden 
des unteren Travertins von Taubach, aus den Sanden von Mosbach und 
Mauer bekannt ist, also aus alt- und mitteldiluvialen Ablagerungen. 
Er hat lange (bis zu 40 cm!), senkrecht abstehende Stangenstämme. 
an denen verhältnismäßig einfache Schaufeln sitzen, und soll sich 
hauptsächlich dadurch von Alce alces aus dem Alluvium und der 
Gegenwart unterscheiden. PouLis erkennt diesem Breitstirnelch nur 
den Rang einer diluvialen Rasse der heutigen Art zu (daher er schreibt 
Cervus [alces] lati frontis). 

Neben diesem Alces latifrons, der zusammen mit Elephas an- 
fıquus und Rhinoceros Merckii vorkommt, gibt es noch Elchreste. 
die als Cervus alces L. in den Listen der Diluvialfauna vieler Lokalitäten 
figurieren, z. B., um einige bekannte Namen zu nennen, der Inter- 
glazialablagerungen von Rixdorf und der Umgebung von Berlin, von 
Klinge bei Cottbus, von Dürnten, von diluvialen Knochenhöhlen usw. 
Diese Reste stammen also von einem Elch, der sich zusammen mit 
Elephas primigenius und Rhinoceros tichorhinus findet. Die Frage 
nach der Zugehörigkeit zu Alee Alces scheint nie gestellt worden 
zu sein und sie ist wegen der Dürftigkeit dieser Reste auch wohl 
schwer zu beantworten °. 

In Schwaben ist der Elch als Element der diluvialen Faunen 
kaum bekannt (?Hohlestein, O. Fraas 1861; Höhle bei Bolheim. 
ZEIHER 1899); hier erscheint er eher als Angehöriger der heutigen 
arktischen Fauna. Die bisherigen Funde in den Torfmooren Ober- 


Tabellen etc.“ das Genus Alce auf; demgemäß müssen wir heute schreiben Alee alces. 
Spätere Synonyme sind Alces machlis OsıLBY 1836. A. palmatus GRAY 1843 usw. 
Formen von Alce alces sind: Alces bedfordiae Lyp. (rezent); Alces machlis NEWTON 
(fossil): A. americana Jarn.. A. qigas Mil. (beide rezent). 

! E. T. Newton, the Elk in the Thames Valley. Qu. J. Geol. Soc. Lond. 
59. 1903. p. 80 (Literatur). 

3 Nur Nehring (Naturwiss. Wochenschrift. 1895) sagt von den Elchresten 
aus dem unteren Ton von Klinge: „Ob sie dem heutigen A. palmatus oder dem 
fossilen A. latifrons zuzurechnen sind, läßt sich nach den vorliegenden Resten 
vorläufig nicht entscheiden: doch will ich nicht verschweigen. daß gegenüber dem 
heutigen Elch, von dem mir ein reichliches Material vorliegt. manche deutliche. 
wenn auch feine Abweichungen erkennbar sind.“ 


i 


Länge des Radius . . . . . 2... 38 cm 

s dét Ulia u. e 000 2% 49 „ 

„ des Metacarpus. .. . e... 32 „ 
Durchmesser des Humerus (in der Mitte) 4,6 „ 
Desgl. des Radius. . . .. 2...» 48 „ 

5 „ Metacarpus. . . ..... 3,7, 
Ganze Länge des Hinterbeins . . . . 157 , 
Länge des Femur. . ... 2.2... 44 

„ der Tibia (innen). ...... 45 

- des Metatarsus . . - ..... 38 „ 
Durchmesser des Femur (in der Mitte) 3,8 , 
Desgl. der Tibia . - - -. 2... 44, 

„ des Metatarsus. -. ». 2... 3,3 „ 


Beziehungen. 


Nicht nur der stratigraphische und floristische, auch der Befund 
am Skelett selbst zeigt, daß der Schussenrieder Elch durchaus der 
geologischen Gegenwart angehört: Solche große, vollendete Schaufeln 
haben nur die geologisch jüngsten Elchhirsche; die fossilen Funde 
ähnlicher schöner Schaufeln stammen ausnahmslos aus alluvialen 
Ablagerungen (meist Torf oder Flußalluvionen). Das muß besonders 
betont werden, weil noch PonLis! auf Grund gerade dieser starken 
Geweihe einen Cervus (Alces) diluvii aufstellte. Er müßte richtiger 
C. (alces) alluvii heißen, wenn es überhaupt berechtigt wäre, die 
subfossilen von den rezenten als besondere Rasse abzutrennen. 

Funde ähnlicher schöner Schaufeln sind in Nord-, Mittel- und 
Südeuropa (bis etwa zum 44. Breitengrad), ferner in Nordamerika 
und Kanada gemacht worden; es würde zu weit führen, auch nur 
die hervorragenderen hier aufzuzählen. Cuvier, H. v. Meyer, KAUP, 
Pusch u. a. haben die früheren Funde beschrieben, Branpt”? hat im 
Jahre 1870 das bis dahin bekannte fossile Geweihmaterial mono- 
graphisch zusammengefaßt und an Hand des. rezenten gezeigt, daß 
es keine fossile Spezies (z. B. Cervus (alces) fossilis H. v. M.) gibt; 
so wie es auch keine verschiedenen lebenden Arten, sondern nur 
eine einzige, in den Geweihformen variabele Art, Alce alces L. der 
neueren Nomenklatur’, zu geben scheint. Nach Branpr haben die 

! H, Pohlig, Die Cerviden des thüringischen Diluvial-Travertines etc. 
Palaeontographica. Bd. 39. 1892. 

2 J. F. Brandt, Beiträge zur Naturgeschichte des Elens in bezug auf seine 
morphologischen und paläontologischen Verhältnisse, sowie seine geographische 
Verbreitung. Mėm. Ac. Sc. St. Petersburg. (VII. ser. Bd. XVI.) 1870. 


° Linné benannte im „Systema Naturae“ 1758 den Elch Cervus alces. 
Im Jahre 1775 stellte Frisch im „Natur-System der vierfüßigen Tiere in 


— 326 — 


fossilen europäischen Elchreste in Dawkıns, KIīNKELIN, NEHRING, 
Poutis, E. T. Newron!, die amerikanischen in Core, W. B. Scott u. a. 
Bearbeiter erhalten, und diese neueren Funde sind z. T. auch un- 
zweifelhaft diluvialen Alters. Alces latifrons Daweıns ist ein solcher 
diluvialer Elch, der in ziemlich gut erhaltenen Schaufeln und sonstigen 
Resten aus den Forestbeds von Cromer, aus den liegenden Sanden 
des unteren Travertins von Taubach, aus den Sanden von Mosbach und 
Mauer bekannt ist, also aus alt- und mitteldiluvialen Ablagerungen. 
Er hat lange (bis zu 40 cm!), senkrecht abstehende Stangenstämme, 
an denen verhältnismäßig einfache Schaufeln sitzen, und soll sich 
hauptsächlich dadurch von Alce alces aus dem Alluvium und der 
Gegenwart unterscheiden. PoutLis erkennt diesem Breitstirnelch nur 
den Rang einer diluvialen Rasse der heutigen Art zu (daher er schreibt 
Cervus [alces] lati frontis). 

Neben diesem Alces latifrons, der zusammen mit Elephas an- 
tiquus und Rhinoceros Merckit vorkommt, gibt es noch Elchreste, 
die als Cervus alces L. in den Listen der Diluvialfauna vieler Lokalitäten 
figurieren, z. B., um einige bekannte Namen zu nennen, der Inter- 
glazialablagerungen von Rixdorf und der Umgebung von Berlin, von 
Klinge bei Cottbus, von Dürnten, von diluvialen Knochenhöhlen usw. 
Diese Reste stammen also von einem Elch, der sich zusammen mit 
Elephas primigenius und Rhinoceros tichorhinus findet. Die Frage 
nach der Zugehörigkeit zu Alce Alces scheint nie gestellt worden 
zu sein und sie ist wegen der Dürftigkeit dieser Reste auch wohl 
schwer zu beantworten‘. 

In Schwaben ist der Elch als Element der diluvialen Faunen 
kaum bekannt (?Hohlestein, O. Fraas 1861; Höhle bei Bolheim, 
ZEIHER 1899); hier erscheint er eher als Angehöriger der heutigen 
arktischen Fauna. Die bisherigen Funde in den Torfmooren Ober- 


Tabellen etc.“ das Genus Alce auf; demgemäß müssen wir heute schreiben Alce alces. 
Spätere Synonyme sind Alces machlis OcıLsy 1836, A. palmatus Gray 1843 usw. 
Formen von Alce alces sind: Alces bedfordiae Lyp. (rezent); Alces machlis NEWTON 
(fossil); A. americana Jarn., A. gigas Mirr. (beide rezent). 

! E. T. Newton, the Elk in the Thames Valley. Qu. J. Geol. Soc. Lond. 
59. 1903. p. 80 (Literatur). 

3 Nur Nehring (Naturwiss. Wochenschrift. 1895) sagt von den Elchresten 
aus dem unteren Ton von Klinge: „Ob sie dem heutigen A. palmatus oder dem 
fossilen A. latifrons zuzurechnen sind, läßt sich nach den vorliegenden Resten 
vorläufig nicht entscheiden; doch will ich nicht verschweigen, daß gegenüber dem 
heutigen Elch, von dem mir ein reichliches Material vorliegt, manche deutliche, 
wenn auch feine Abweichungen erkennbar sind.“ 


S e 


schwabens sind von Freiherr Rıcuarp Könie- WARTHAUSEN im „Verzeichnis 
der Wirbeltiere Oberschwabens“ (diese Jahresh. 32, 1875, S. 280 und 
Bd. 47, 1891) aufgeführt. 

Das K. Naturalienkabinett bewahrt außer dem Schussenrieder 
Skelett folgende alluviale Elchreste: 

1. Eine Stirnschale mit abgebrochenen Schaufeln eines jüngeren 
Tiers aus dem Torf von Langenschemmern. Pfarrer Prost 1869. 

2. Eine größere Schaufel aus dem Kaibach-Einschnitt bei 
Wangen i. Allg. O. Fraas 1881. 

3. Eine Schaufel aus dem Torf von Schussenried. (Aus einer 
alten Sammlung.) 

4. Ein Unterkieferast (ọ adult.) aus dem Torf von Nieder- 
stotzingen. Inspektor Knorr 1892. 


II. Geweihe des Cervus elaphus L. aus dem diluvialen 
Schotter der Murr. 


1. Bemerkungen über die Schotterablagerung (s. Fig. 2). 
Wandert man von Marbach a. N. über die Höhe ins Murrtal, 

so erblickt man beim Abstieg vor sich, zwischen den Orten Murr 
und Steinheim eine terrassierte Stufe, deren Rand sich längs der 
Straße hinzieht. Wie die Gruben zeigen, die zur Sandgewinnung 


Gormgesfeid 
e-H.5£. Murr 
«Bff Steinheim 


Fig. 2. Profil durch die Steinheim-Murrer-Schottermasse. 1. Lößlehm, 2. Schotter. 
3—3 Wasserspiegel der Murr. 4. Hauptmuschelkalk und Lettenkohle. 


angelegt sind, ist es eine mächtige Schottermasse, welche diese 
Stufe bedingt. Nur bei Steinheim ist die Terrasse deutlich, ihre 
Oberkante liegt hier bei 208 m NN., bei Murr in 202 m; dort ver- 
schmilzt sie orographisch gänzlich mit der Niederterrasse, weswegen 


— 328 — 


sie denn überhaupt trotz ihrer bedeutenden Mächtigkeit (10—14 m) 
zur Gliederung des geologischen Aufbaus der Landschaft nur wenig 
beiträgt. Die ganze Schottermasse liegt fast völlig im Über- 
schwemmungsbereich der heutigen Murr!, die Gruben gehen bis auf 
das „Grundwasser“, d. h. bis unter den Wasserspiegel der Murr 
hinunter. Verfolgt man die Schotter aus der Talweitung zwischen 
den genannten Orten heraus, so ergibt sich, daß sie sich nicht in 
die Täler der Bottwar und Murr? hineinziehen; wohl aber lassen sie 
sich westlich Murr in der Richtung nach Pleidelsheim auf den 
Feldern nachweisen. Der auf Blatt Besigheim entfallende Teil 
ist bereits 1895 von Es. Fraas kartiert worden”. Die breite Talung, 
deren Mitte jetzt der Riedbach einnimmt, ist also von der Murr 
geschaffen, die einst von Steinheim an direkt westlich floß und 
gegenüber Gr.-Ingersheim in den Neckar einmündete. Die heutige 
Einmündung ist demnach ein jüngeres Talstück; es ist ein Durch- 
bruch durch den Muschelkalk, durch den auch die Ausräumung des 
mit Schottermassen angefüllten Talbeckens zwischen Murr und Stein- 
heim erfolgte. Die Murr hat sich seitdem erst 8—10 m tief ein- 
geschnitten, daher denn der alte Murrschotter noch nicht hoch über 
dem heutigen Fluß liegt. Er ist trotzdem wegen seines diluvialen 
Alters und seiner Fossilführung als Hochterrassenschotter zu 
bezeichnen. Seine Physiognomie gibt noch weitere Aufklärung über 
Natur und Herkunft. Die Profile der Gruben zeigen einen vielfachen, 
z. T. diskordanten, z. T. parallelen, bankförmigen Wechsel von 
Schotter-, von Kies-, von Grand- und Sandlagen oder einem polymixten 
Durcheinander aller dieser Korngrößen. An der Basis der ganzen 
Aufschüttung herrscht Sand vor; grobstückiges Material bis zu 
großen Blöcken kommt in allen Niveaus vor; dasselbe gilt von 
Schmitzen und Bänkchen von grünlichen Letten*. Im allgemeinen 
berrschen die Block-Schotter-Kies-Sandlagen oder die sandigen 
Schotter über die gesaigerten Bänke vor, welche vielfach nur rasch 
sich auskeilende Einlagerungen in jene darstellen. Der Sand und 
Grand ist Stubensandsteinmaterial im ersten Stadium der Aufarbeitung, 


! Hochwasserstand am 24. Mai 1898 ca. 1,5 m, am 20. Juni 1906 0.8 m 
über dem Rathausplatz in Steinheim (200 m NN.). 

3? Im oberen Murrtal gibt es wieder Schotter mit Elephas trogontherii. 

3 Atlasblatt Besigheim 1: 50000. 

* An einer Stelle (unten) mit Pupa muscorum. Bei Lauffen a. N. im 
Sand der Hochterrasse (mit E. antiquus); Vallonia sp.; Ancylus fluviatilis: Lim- 
naca ovata; Bythinia tentaculata; Unio batavus und Pisidien. 


— 329 — 


Schotter und Blöcke bestehen aus kantenbestoßenem Muschelkalk 
bezw. Muschelkalkdolomit, aus harten Sandsteinen, Hornstein und 
Kieselholz. Geröll- und Flußgeschiebeform im strengen Sinn geht 
den Gesteinsstücken meist ab. Bleibt in der Vertikalen die Auf- 
schüttung von unten bis oben, wo sie von Lößlehm eingedeckt 
wird, einheitlich, so macht sich in horizontaler Richtung insofern 
eine Saigerung bemerkbar, als in den östlichen Gruben das grobe 
Material reichlich ist, Schotter in Sandpackung vorherrscht, während 
die westlichen überwiegend Sand und weniger Steine haben. 

Aus diesem Verhalten der Schotter und der Lage der Terrasse 
in einem Talbecken, worein zwei Täler mit engem (Querschnitt 
münden, läßt sich schließen, daß die Terrasse im wesentlichen 
kräftigen, periodisch rasch anschwellenden und rasch sich verlaufenden 
Wassern, d. h. Hochwassern ihre Entstehung verdankt. Beim Aus- 
tritt aus den engen Tälern in die Talweitung vermindert sich die 
Stoßkraft des mit Gebirgsschutt beladenen Wassers; der Schutt 
kommt zum Absatz. Beim Verebben und normalen Wasserstand 
erfolgt eine Saigerung, bei neuer Überflutung ein Aufwühlen und 
Durcheinandermischen der transportierten Massen. Die überwiegende 
Akkumulation zwischen Steinheim und Murr bedingt sodann eine Ver- 
legung der alten Abflußrichtung, vielleicht auch Aufstauungen, die 
den Durchbruch nach Süden zu mit veranlassen. Hydrographisch wäre 
demnach die Ablagerung als Hochwasser(stau)schotter zu bezeichnen. 

Die Sande sind eine reiche Fundstätte großer diluvialer Säuge- 
tierreste, und wenn sie auch keinen Homo heidelbergensis geliefert 
haben, so darf man sie doch, was die Ergiebigkeit betrifft, den be- 
kannten Mauerer Sanden an die Seite stellen. (Kleine Tiere fehlen 
‚bisher vollständig; sie könnten nur in dem Feinanteil des Schotters, 
in den Lettenschmitzen zu finden sein.) Die Liste der Fauna von 
Steinheim-Murr ist folgende: 


1. Equus caballus L., häufig!. 

2. Rhinoceros Merckiti Jare., selten. 

3. j tichorhinus Cuv., selten. 

4. Cervus elaphus L., häufig ?. 

5. Megaceros Germaniae PoHL., häufig °. 

6. Rangifer tarandus L., Unikum*. 

1 Nicht untersucht (große und normalgroße Rasse). 
? giehe S. 332. 
3 8. diese Jahresh. Jg. 1909, S. 132, 
$ s. S. 335. 


— 30 — 


7. Bison priscus Bos., häufig !. 

8. Bos primigenius BL., seltener. 

9. Elephas trogontherii PouL., häufig *. 

10. 5 antiquus Fauc., weniger häufig. 

11. $ primigenius BL, „p è > p 

12. Ursus spelaeus Rosenm., selten. 

Diese Fauna ist nicht einheitlich; sie war nicht koexistent, 
nach der gebräuchlichen Bezeichnungsweise ist sie alt- und mittel- 
dilavial. Wald- scheint mit Steppen- und „kalte“ mit „warmer“ 
Fauna gemischt; das erste bietet nichts Ungewöhnliches, wobl aber 
das letzte. Ich habe mich nun durch Aufsammlungen des K. Naturalien- 
kabinetts, die sich über nahezu zwei Jahre erstrecken, davon über- 
zeugen können, daß die Knochen und Zähne doch nicht so gänzlich 
buntgemischt durch die ganze Schottermasse vorkommen, sondern 
daß faunistisch zwischen den oberen Lagen einerseits und den 
mittleren und unteren anderseits ein Gegensatz besteht. Elephas 
antiquus und E. trogontherii z. B. halten nach meiner Erfahrung 
die tieferen Schichten ein, in diesen aber kein bestimmtes Niveau: 
typische E. primigenius-Molaren kenne ich nur aus den obersten 
verlehmten Schotterlagen (0,5—1 m unter dem Lößlehm und aus 
diesem selbst). Sie gehen aber nach Angaben der Saudgrubenbesitzer 
sicher bis in die Mitte der Ablagerung herunter; ob sie wirklich 
mit E. antiquus und E. trogontherii zusammen liegen’, habe ich 
nie einwandfrei feststellen können. Erhaltungszustand und Färbung 
der echten Primigenius-Molaren ist jedenfalls immer anders als bei 
den beiden anderen Arten. Die früheren Aufsammlungen sind nicht 
auseinander gehalten worden. Von den stark gebogenen, nach hinten 
an Dicke zunehmenden Stoßzähnen, die auf das Mammut bezogen 


werden, fand sich im Jahre 1908 einer tiefer als der gewaltige, ge-. 


streckte Stoßzahn des Urelefanten, und zwar in der selben Grube. 
Die Trogontherii-Rasse soll, so viel ich sehe, schwach gekrüämmte 
Defensen mit geringer Dickenabnahme besitzen; ganz ausgemacht 
scheint dies nicht, so daß die Steinheimer stark gekrümmten Stoß- 
zähne aus den tiefen Lagen mit einigem Recht auch auf E. trogon- 
therii bezogen werden können. Noch weniger beweiskräftig sind 
natürlich die Extremitätenknochen, wovon z. B. eine neuerdings ge- 


1 g. diese Jahresh. Jg. 1909, S. 241. 

2 Über die Elefantenmolaren wird bei anderer Gelegenheit publiziert werden. 

3 Nach E. Fraas, Begleitworte zu Atlasblatt Besigheim, 2. Aufl. 19038. 
S. 20 kommen E. antiquus und E. primigenius im Hochterrassenschotter ge- 
meinsam vor. 


m a U U ig * Gau. a _ gsi 


ee EEE — u, De ee 


a a a a 


— 31 — Br 


fundene rechte Tibia in der Größe fast ganz mit E. primigenius 
übereinkommt; der Schaft ist kräftiger. Die Reste der anderen 
Tiere verteilen sich in der Weise, daß die Bisontenschädel z. B. 
sich vorwiegend in der Mitte und unten finden, Hirsche! und Pferd 
gehen durch, Rhinoceros tichorhinus fand ich in der Mitte und oben. 
Über die Verteilung der übrigen Tiere vermag ich nichts auszusagen. 

Von einer Antiquus- und Trogontherii-Stufe (untere und ? mittlere 
Schotterpartie) kann auf alle Fälle gesprochen werden; wobei ich 
allerdings die Grenze nach oben nicht kenne (stratigraphisch bezw. 
petrographisch ist sie nicht vorhanden [keine Erosionsgrenze]). Ent- 
sprechend wäre die oberste Schotterpartie als Primigenius-Schotter 
zu bezeichnen. Manche Knochen (z. B. häufig Carpalia und Tarsalıa) 
zeigen deutlich Abrollung; wieder andere sind völlig intakt und die 
Hirschgeweihe, die Wisentschädel und die Elefantenzähne, die gerade 
für Steinheim so charakteristisch sind, beweisen, ohne daß ich die 
Art und Weise ihres Vorkommens im Schotter eingehend auseinander- 
zusetzen brauche, daß sie im fossilen Zustand nicht weitertransportiert 
wurden, daß sie auf primärer Lagerstätte liegen. Daher liefert der 
faunistische Befund ein ausgezeichnetes Mittel zur Bestimmung der 
Bildungsdauer und des Alters der Schotter und Sande. Ihre Auf- 
schüttung erstreckt sich ohne nachweisbare Unterbrechung über 
einen Zeitraum, der anderwärts, z. B. im Cannstatt-Stuttgarter Tal, 
repräsentiert wird durch: Schotterkonglomerat (= Hochterrasse) 
+ „Cannstatter Mammutlehm® (bezw. „Stuttgarter Diluvium“ ?) 
-- Sauerwasserkalk + Älterer Löß. 

Ferner ist bei Endersbach im Remstal nach Es. Fraas und M. Bräu- 
HÄUSER eine deutliche Dreiteilung der Hochterrasse selbst nachweis- 
bar: 1. Ältere Schotter, 2. Äquivalente des „Cannstatter Mammut- 
feldes“, 3. Jüngere Schotter und Löß. Die Faunen, die wir um 
Cannstatt in verschiedenen Medien zonenweise (klimatische Phasen) 
übereinander finden, sind bei Steinheim in einem einheitlichen Profil 
von kaum der halben Mächtigkeit zusammengedrängt. Damit be- 
stätigt die Murr-Steinheimer-Schottermasse ganz zweifellos die 
von M. BräuHäuser in seinen „Beiträgen zur Stratigraphie des Cann- 
statter Diluviunms®“ gemachten Ausführungen, daß die Schotter der 


! Rentier ganz unten s. S. 335. 

3 Ich bemerke, daß ich Bräuhäuser's „alte Neckarschotter im Stuttgarter 
Mühlberg- mit den diluvialen Gehängeschuttmassen auf der Prag identifiziere. 

3 Mitt. Geol. Abt. K. W. Stat. Landesamt No. 6. 1909, S. 54, 56, 58: 
Endersbacher Aufschluß S. 62. 


= 399 == 


Neckarhochterrasse in den unteren und oberen Lagen sehr ver- 
schiedenen Alters sein können und daß die tieferen Schotterlagen 
einer viel älteren Zeit angehören als der Löß. 

Was schließlich noch die Parallelisierung mit anderen bekannten 
Diluvialablagerungen betrifft, so entspricht unsere Terrasse in ihrem 
Unteren Teil den alten Neckaraufschüftungen im Elsenztal (= Maurer 
Sande), den Frankenbacher Sanden ', den Kiesen von Süssenborn usw., 
während ihre oberen Lagen dem Rixdorfer Niveau der Interglazial- 
ablagerungen im norddeutschen Flachland (Umgegend von Berlin etc.) 
gleichzusetzen sind. 


2. Die Geweihe (Taf. XII Fig. 2 u. Textfig. 3 u. 4). 


Von den zahlreichen fragmentarischen Resten und den schwachen 
Stangen soll abgesehen, nur die drei stärksten und vollständigsten 


Fig. 3. Stange (III) von Cervus elaphus L. | Fig. 4. Stange (II) von Cervus elaphus L. 


Hochterrasse Steinheim-Murr. | Hochterrasse, Steinheim-Murr. 
Im K. Nat.-Kab. No. 11960. | Im K. Nat.-Kab. No. 12035. 


sollen hier bekannt gemacht werden. Sie stammen aus drei Gruben 
und verschiedenen Schotterlagen; das bis in die Krone hinein erhaltene, 


1 Nach E. Koken mit Equus sp., Rhinoceros sp., C. elaphus, Bison 
priscus, Elephas antiquus. 


— 333 — 


schädelechte Geweih (I)! (s. Taf. XII Fig. 2) kommt aus dem liegenden 
Sand der Terrasse bei Murr; das Schädelstück (Fig. 4) mit nur der 
linken Stange (II)! und die linke Abwurfstange eines Zwanzigenders (Ill) 
(Fig. 3) stammen aus mittleren oder unteren Schottern von Steinheim. 
Am festesten ist natürlich die Abwurfstange erhalten. Im Sand auf 
der Grubensohle, wo häufig Wasser steht, ist die Gewinnung nur 
bei günstiger, anhaltend trockener Witterung möglich; durchnäßter 
Sand macht die Hebung zu einem präparatorischen Problem. Die 
Stücke I und II lagen auf der Stirn im stabilen Gleichgewicht, Antlitz- 
teıl und Unterkiefer oder sonstige Reste fehlten im nächsten Umkreis 
der Funde gänzlich. 
Die Maße der Geweihe sind kurz folgende: 


I II HI 

Umfang der Stange über der Rose . . . 21 cm 24 cm 22 cm 

Größte Stangenlänge . .. sssusa’ 95 .„ ca. 100 . ca. 80 „ 

„ -Auslage..: u... eis ca. 115 „ — , — , 
Stangenlänge von der Rose bis zur Mittel- | 

sproßbasis . » . 2 2 20200. 44 „ 46 „ 29, 

Länge des Augsprossen . . .» 2:2... 34 . — , 27 , 

a „ Eissprossen . . . 2x: 2... 38 „ — , öl , 


Die beiden Über-Zwanzigender sind vom gleichen Aufbau; sie 
haben als Typus der großen, diluvialen Edelhirschform von Steinheim 
zu gelten. Was die Geweihe auszeichnet ist folgendes: Die Auslage 
ist weit. Im Basalteil haben die Stangen schön geschwungene lange 
und schlanke Sprossen, die einander nahe stehen; zwischen dem 
Eissproß und dem sehr hoch sitzenden Mittelsproß sind sie nach 
hinten durchgebogen. Über letzterem erscheint der Stangenteil stark 
verkürzt, plattig verbreitert, so daß die unschöne, übermäßig starke, 
fast monströse Krone dem dritten Sproß gleichsam unmittelbar auf- 
sitzt. Eine Gesetzmäßigkeit läßt die Krone mit ihren verbreiterten, 
z. T. diehotomen und aus der Fläche herauswachsenden Zacken nicht 
erkennen. Die unförmigen Stangenenden zeigen energisch nach innen. 

Die Krone der Abwurfstange ist dagegen ganz und gar normal 
gestaltet; sie ist schön handförmig geschaufelt, offen becherförmig, 
und macht dem Hirsch alle Ehre. Die beiden anderen aber sind 
Produkte der Überernährung; deutlich sind in ihnen die ungemein 
günstigen Existenzbedingungen, Überfluß an passender Nahrung, 


ı Die Endenzahl läßt sich nicht genau angeben, da in der Krone ver- 
schiedene Zacken abgebrochen sind; beide Geweihe haben mehr als 20 Enden 
gehabt. i 


0 — 334 — 
zusagendes Klima, zum Ausdruck gebracht. Solche luxuriöse Kronen 
(mit 30 bis 40 Zinkenenden) lassen sich bekanntlich in eingefriedigter 
Bahn durch Überfütterung leicht erzielen; bekannte Beispiele sind 
die Rothirsche im Park von Warnham Court und im Moritzburger 
Park. Der im Proximalteil gut symmetrische und gar nicht ungewöhn- 
lich starke Bau der Stangen mit den wohlgeformten Basalsprossen 
weist auch darauf hin, daß bei den Steinheimern Geweihen, die bereits 
zurückgesetzt haben, der ganze Überschuß an Substanz im Alter 
nach der Krone verlegt wird, während der untere Teil einfach gestaltet 
bleibt. Nur die Krone ist hyperplastisch. Der Ausprägung dieser 
Geweihform darf also kein großer systematischer Wert beigemessen 
werden; bleibt man sich dessen beim Vergleich mit anderen Geweihen 
bewußt, so ist kein zwingender Grund, diese alt- und mitteldiluvialen 
deutschen Edelhirsche mit dem Maral (C. maral OG. = C. canadensis 
var. maral Oc.) oder dem Altaiwapiti (C. eustephanus Buanr.), oder 
dem „American Elk“ (C. canadensis ErxL.) in Beziehung zu bringen, 
und daraus weitgehende Schlüsse über Wanderung und Ausbreitung 
seit der Diluvialzeit abzuleiten, wie dies tatsächlich geschehen ist 
(C. canadensis var. maral OG. aus dem Mosbacher Sanden, C. cana- 
densis foss. auct.). Zeigen unsere Stücke einerseits auch Überein- 
stimmung im Bauplan z. B. mit dem Kaukasushirsch (gleiche Ausbildung 
im Basalteil, die drei ersten Sprossen gleichsinnig gerichtet, Haupt- 
entfaltung der Krone in transversaler Richtung), so liegen sie ander- 
seits mit allen Merkmalen innerhalb der Grenzen der europäischen 
Edelliirschrassen (in der Stärke, in der ausgesprochenen Neigung zur 
Bildung einer Krone! usw.). Solange nicht ein reichliches Schädel- 
und Zahnmaterial vorliegt, scheint es mir also nicht berechtigt, diese 
große Steinheimer Lokalvarietät einer anderen Spezies der Elaphus- 
Gruppe, als dem Cervus elaphus, dem europäischen Edelhirsch, selbst 
zuzurechnen. Mit welcher der deutschen Edelhirscharten, wie sie 
etwa von P. Marscme?” aufgestellt worden sind, die nächsten Be- 
ziehungen bestehen, das zu entscheiden muß ich dem Kenner über- 
lassen. Denn daß die heutigen Rotwildbahnen, soweit sie noch 
rein sind, genetisch irgendwie mit den diluvialen Wildbahnen zu- 
sammenhängen, das wird durch das fossile Geweihmaterial, welches 
kontinuierlich aus allen Absätzen des Diluviums und Alluviums vor- 
liegt, bezeugt. 
1 Was ja beim Wapiti (C. canadensis) gerade die Ausnahme ist. 


? Deutsche Jägerzeitung; Berichte über die Geweihausstellungen in Berlin. 
1907. 1908 u. a. 


— 335 — 


Es erübrigt noch zu sagen, daß Bruchstücke von z. T. ungewöhn- 
lich großen Geweihen in anderen Diluvialschichten bei uns keine 
Seltenheit sind. Das K. Naturalienkabinett besitzt sie aus dem 
„Cannstatter Mammutlehm“, aus dem Sauerwasserkalk, aus den Sanden 
der Neckarhochterrasse von Bietigheim, Heilbronn etc. und aus dem 
Lößlehm des Cannstatter Beckens. Man mußte diese Hirsche bisher 
den zwei von Poatic' aufgestellten diluvialen Rassen zuteilen, wovon 
die eine mit Elephas antiquus, daher C. (elaphus) antiqui Pont., die 
andere mit E. primigenius vorkommen soll, daher Cervus (elaphus) 
primigenii (Kaur). Von den Eigentümlichkeiten, die PonLIiG vom 
ersteren, dessen Reste sich hauptsächlich bei Taubach, Süssenborn 
fanden, angibt, haben nun die Steinheimer gar nichts aufzuweisen. 
Man kann sie füglich nicht zu dieser Rasse rechnen. Die übrigen 
zahlreichen Varietäten des Cervus elaphus fossilis auct. sind alle 
synonyme Namen. Für die Steinheimer Hirsche möchte ich keine 
andere Bezeichnung als Cervus elaphus L. vorschlagen. 


III. Rangifer tarandus L. aus den Trogontherii-Schottern 
von Murr. 


Das Zusammenvorkommen von Renntier und südlichen Elefanten 
ist so ungewöhnlich, daß auch geringe Funde bekannt gemacht zu 
werden verdienen. Die in Fig. 5 abgebildete (linke Abwurf)-Stange 
ist von Eps. Fraas dem tiefsten Sand einer Grube bei Murr entnommen 
worden. Es ist also unzweifelhaft, daß das Renntier ein Element 
der altdiluvialen Fauna ist. Die Stange ist über der Rose 13 cm 
stark, im Querschnitt im unteren Teil oval, an der Abbruchstelle 
abgeflacht. Die Sprossen sind abgebrochen; nach den Abbruclhıstellen 
läßt sich ihr Proximalteil leicht ergänzen (siehe Fig. 5). Über dem 
kurzen Hintersproß krümmt sich die Stange kräftig nach vorn. Ver- 
gleicht man damit die überaus langen und schlanken Geweihe des 
Rangifer groenlandicus von der Schussenquelle, so zeigt sich, daß 
unser Stück nicht wohl zum Typus dieser gehört; das Stangenfrag- 
ment weist im Gegenteil auf ein gedrungeneres, sicher weniger langes 
Geweih hin, wie es für die Renntiere der Woodland-Carıbou-Gruppe 
(Rangifer tarandus L., Europa; R. caribou GmeL., Nord-Amerika) 
charakteristisch ist. 

Wenn sich auch an dem Stück selbst nicht sicher nachweisen 
läßt, daß es nicht der Barren ground caribou-Gruppe angehört haben 


ı H, Pohlig, l c. 


— 336 — 


kann, so schließt die übrige Fauna ein arktisches Ren (Rangifer 
arcticus Rıcuarnson, Arktisches Amerika; R. groenlandicus Bamb, 
Grönland) aus. Auch das Woodland Caribou, dem ich also unsere 


Fig. 5. Linkes Stangenfragment vom Renntier aus dem altdiluvialen Sand 
von Murr, ca. t} nat. Gr. Im K. Nat.-Kab. No. 12356. 


Stange beirechne, ist ortsfremd, weit her von Osten zugewandert, 
aber der scharfe Kontrast zwischen kälte- bezw. wärmeliebenden 
Tieren der altdiluvialen Fauna scheint doch gemildert. 


TI. 


III. 


Ueber Diplopoden. 


19. (39.) Aufsatz: Iuliden und Ascospermophora 
von Dr. Karl W. Verhoeff in Stuttgart-Cannstatt. 


Dazu die Tafeln XIII und XIV. 


Inhaltsübersicht. 
A. Iulidae. 


. Über die Variation und Organisation des Cylindroiulus 


nitidus VERÐ. 

Zur Morphologie und Physiologie. 

Übersicht der Rassen und Varietäten des Cylindrotulus nitidus. 
Variationen des Iulus ligulifer Larz. et VERH. 
Hüftfortsätze, Hüftdrüsen und Begattungszeichen. 

Übersicht der Rassen und Varietäten des Iulus ligulifer. 
Iulus (Micropodoiulus) lignaui n. sp. 


. Über die Leptoiulus alemannicus-Gruppe, namentlich 


L. simplex glacialis VERa. 
Ubersicht der alemannicus-Gruppe. 
Ausbreitung des Leptoiulus simplex glacialis. 


. Variation des Leptophyllum nanum LarzeL. Varietäten desselben. 
. Einwirkung von Klima und Formationen auf Tachypodo- 


Tulus albipes C. Koch. 


B. Ascospermophora. 

Neue Rassen des Craspedosma simile VERH. 
l. fischeri, 2. balticum. 3. dormeyeri. 
Beiträge zur Kenntnis der Chordeumiden. 
l. Zur Morphologie der Gattung Orthochordeuma VERH. 

. Orthochordeumella Veru. Pseudocheirite. 
. Die Gruppen der Familie Chordeumidae VERH. 
. Wo blieb bei den Chordeumiden das zweite Paar der 

spermaführenden Coxalsäcke? 
5. Das entdeckte Geheimnis im Bau und in der Befruchtung. 
Biologisch-physiologische Befruchtungsvorbereitungen und Aufklärung über 


die Bedeutung der Organe, namentlich bei Ortlhochordeuma und Chor- 
deuma. | 


> xD 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 22 


— 338 — 


A. lulidae. 


I. Über die Variation und Organisation des Cylindroiulus 
nitidus VERH. 


1891 habe ich in meinem „Beitrag zur mitteleuropäischen 
Diplopoden-Fauna“, Berlin. entomolog. Zeitschr. Bd. XXXVI, H. 1, 
S. 148—150, diesen Cylindroiulus zuerst genauer beschrieben nach 
Individuen, welche ich in Rheinpreußen gesammelt hatte, teils bei 
Bonn, teils im Moseltal. Auch eine var. levis habe ich damals bereits 
bekanntgemacht, leider jedoch nicht angegeben, ob dieselbe bei 
Bonn oder an der Mosel vorkam, was ich jetzt schon deshalb bedaure, 
weil ich die var. levis neuerdings zwar mehrfach im südlichen Baden, 
nicht aber in Rheinpreußen gefunden habe. 

1899 beschrieb H. ROTHENBÜHLER in seinem „Beitrag zur Kennt- 
nis der Myriapodenfauna der Schweiz“, Doktor-Dissertation, Bern, 
S. 250—253, einen nitidus spiniferus und gab eine Übersicht für 
die Unterschiede zwischen dem echten nitidus und spiniferus. ROTHEN- 
BÜHLER war hierzu vollkommen berechtigt, namentlich mit Rücksicht 
auf eigentümliche Fortsätze an den Hüften des 2. Beinpaares des g, 
welche ich in meiner nifidus-Beschreibung nicht erwähnt hatte. Ich 
stellte aber bald fest, daß diese Hüftfortsätze auch bei meinem 
nitidus vorkommen und nur deshalb unerwähnt blieben, weil sie 
nicht sichtbar werden, wenn in den Präparaten das 2. Beinpaar 
zufällig immer mit der Hinterfläche nach oben liegt. Die vollständige 
Identität von nitidus und spiniferus konnte ich, unterstützt von 
schweizerischen Individuen, welche ich z. T. RoTmExßüHLer selbst 
verdankte, sicher feststellen, auch mit Rücksicht auf die übrigen 
angeblichen Unterschiede, welche teils auf individuelle Variationen 
zu beziehen sind, teils (wie bei den hinteren Gonopoden) auf ver- 
schieden starke Mikroskop-Vergrößerungen. Die var. levis hat RoTHEN- 
BÜHLER nicht beobachtet; er betont aber das bisweilen „geradezu 
massenhafte“ Auftreten des nitidus in Eichen- und Buchenbeständen. 

1899 habe ich im IX. Aufsatz meiner „Beiträge zur Kenntnis 
paläarkt. Myriapoden“, Archiv f. Nat. Berlin. Bd. I, H. 3, S. 213, 
mit Rücksicht auf die am Ende gegabelten Mittelblätter (Mesomerite) 
für dicentrus und nitidus die Untergattung Ypsiloniulus aufgestellt. 

Neuerdings habe ich durch meine Streifzüge in Rheinpreußen, 
Nassau, Elsaß, Baden, Württemberg und Schweiz eine so große 
Reihe von Objekten des nitidus zusammengebracht, daß eine genauere 
Behandlung der Variationsverhältnisse wünschenswert ist. Ich will 


— 339 — 


gleich hervorheben, daß hinsichtlich der Strukturverhältnisse, ins- 
besondere der Furchung der Hinterringe, der Beschaffenheit des 
präanalen Fortsatzes und der Lage der Foramina alle nitidus-Formen 
übereinstimmen. Auch in den Gonopoden habe ich bei den vielen 
von mir zerlegten Männchen keine durchgreifenden Unterschiede nach- 
weisen können. An der Hinterfläche der vorderen Gonopoden treten 
ungefähr in der Mitte starke, nach hinten vorragende Höcker auf 
deren Gestalt individuelle Unterschiede zeigt. Bei rZenanus sah ich 
diese Höcker schwächer als sonst, aber es muß abgewartet werden, 
ob diese Abschwächung konstant ist. Am Endrand der Hinterblätter 
(Abb. 1) der hinteren Gonopoden befindet sich vorn ein schmaler 
Fortsatz, in der Mitte ein längliches, teilweise sehr fein behaartes 
Feld und hinten eine treppenartige Abstufung. Der schmale Fort- 
satz ist individuell variabel, indem er bald mehr gerade, bald etwas 
gebogen verläuft, bald am Ende einfach, bald etwas zerschlitzt endigt. 
Ebenso ist sehr variabel der Verlauf und die Ausbildung von Spitzchen 
an den übrigens höchst zarten Blättchen, welche sich zwischen dem 
schmalen Fortsatz und dem behaarten Feld vorfinden. 


Zur Morphologie und Physiologie 


der Gonopoden will ich folgendes mitteilen: Die hinteren Gonopoden 
sind a. a. O. sowohl von mir als auch RoTHENBÜHLER nicht ganz richtig 
dargestellt. Im 10. (30.) Aufsatz über Diplopoden, Archiv f. Nat. 1908, 
S. 429—432, habe ich die Iuliden-Gonopoden besprochen und ins- 
besondere darauf hingewiesen, daß wir an den hinteren Gonopoden 
von Opki- und Leptoiulus zwei Rinnenblatt-Abschnitte zu unterscheiden 
haben, nämlich Spermaabschnitt und Flagellumabschnitt, während 
„bei Brachyiulus Spermarinne und Flagellumbahn noch unmittelbar 
aneinander liegen“. Letzteres trifft auch für Yysiloniulus zu, denn 
an der Stelle, wo das zur Spermaaufnahme geeignete behaarte Feld 
liegt, befindet sich auch eine Längsrinne, in welcher das Flagellum 
gleitet, wenn es bei der Kopulation hervorgestoßen wird. (In den 
bisherigen Abbildungen von nitidus ist diese Flagellum-Rinne nicht 
zum Ausdruck gebracht worden.) Ich habe nun im 10. (30.) Aufsatz 
zum erstenmal auf das Zusammenwirken verschiedener zarter Gebilde 
hingewiesen, welche der Bewegung des Flagellum eine be- 
stimmte Bahn anweisen. Solche hübschen Einrichtungen fand 
ich neuerdings auch bei Cylindroiulus nitidus, nämlich außer der 
schon genannten Flagellum-Rinne eine deckelartige Falte und einen 


Fortsatz, zwischen welchen das Flagellum gehalten wird. Die Falte, 
22* 


MENIER” DOE EEE ee a Sn nl u N en Rs 0 E A S 


— 340 — 


welche undeutlich schon in den früheren Abbildungen zu sehen ist, 
befindet sich hinter dem Flagellum (de Abb. 1) und zwingt es, statt 
nach hinten bei der Anspannung der Protraktoren nach endwärts 
(außen) sich zu bewegen. Die Falte befindet sich also hinter dem 
behaarten Feld innen neben der treppenartigen Abstufung. Der 
Fortsatz dagegen (f Abb. 1), welcher bisher unbekannt geblieben 
ist, weil er ein sehr zartes und helles Gebilde vorstellt, befindet sich 
vor dem Flagellum und grundwärts von der vorderen Endrandaus- 
buchtung, also auch vor dem behaarten Feld. Schwach angedeutet 
findet er sich übrigens schon in meinem Beitrag 1891, Abb. 43. 
Auch dieser Fortsatz ist individuellen Größenschwankungen unter- 
worfen, doch habe ich ihn niemals ganz vermißt. Bei Cylindroiulus 
sind die Mesomerite von den übrigen hinteren Gonopoden bekannt- 
lich fast ganz abgespalten. Diese Abspaltung ist in sehr schönen 
Übergangszuständen durch Oncoiulus veranschaulicht, vergl. Abb. 22 
und 25 im 6. (26.) Aufsatz meiner Diplopoden, Mitt. zool. Mus. Berlin. 
Im allgemeinen kam die Abspaltung dadurch zustande, daß ein 
vorderes Stück der hinteren Gonopoden sich immer stärker an die 
vorderen anpaßte, während ein hinteres Stück nach hinten abstand. 
Infolge dieser Auseinandersperrung der Mittel- und Hinterblätter 
können offenbar die Vulven besser umfaßt werden. Morphologisch 
bedeutet die Abspaltung eine Zerschneidung der teilweise nach vorn 
herübergebogenen Telopodite der hinteren Gonopoden. Bei Ypsi- 
loniulus haben wir den nicht häufigen Fall, daß die Mesomerite zwei- 
armig sind, woher auch der Name stammt. Eine nennenswerte 
Verschiedenheit dieser Mesomerite des nitidus habe ich auch nicht 
beobachtet, 

In Abb. 1 sehen wir an den Hinterblättern den vorderen End- 
fortsatz _ sogar bei den Hälften desselben Individuums verschieden 
(la). Hinter der Bucht & folgt der namentlich hinten mit winzigen 
Fäserchen besetzte Fortsatz ð und hinter diesem das behaarte Feld, 
dessen Härchen aber so außerordentlich fein sind, daß sie diesen 
Namen kaum noch verdienen. Weiter hinten folgt dann die in der 
Endrandbucht 8 ausmündende, sehr deutliche Spermarinne r, welche 
nach grundwärts unter dem Rand der genannten Falte ausläuft, 
wie ich das auch schon von mehreren anderen Cylindroiulus beschrieb. 
Die Falte springt nach endwärts (de) weiter nach vorn vor, und hier 
läuft ihre überaus zarte Fortsetzung dreieckig zusammen mit einem 
andern, schwer erkennbaren Fältchen bei y, hinter dem Führungs- 
fortsatz f. In dieser zarten dreieckigen Bucht findet das Flagellumende 


— 34 — 


Einlaß in die Rinne r, während es in Abb. 1 etwas herausgezogen 
ist und zwischen Falte und Führungsfortsatz steht. Weiter grund- 
wärts macht der Rand der Falte eine tiefe, nach vorn offene Ein- 
buchtung d, in welcher das Flagellum sein stärkstes Widerlager 
findet. Die Coxite der hinteren Gonopoden erscheinen als abgerundete 
Buckel ct, neben welchen sich noch ein zweiter Wulst ct1 vorfindet, 
der im Bogen gegen die hinteren Stützen abbiegt. Die Verbindung 
mit den Mesomeriten ms ist schmal und erfolgt unter tiefer Ein- 
knickung 2. 

Das 1. Beinpaar der nitidus-Männchen besitzt an der end- 
wärtigen Krümmungsstelle, welche, wie ich schon vor Jahren nachwies 
(Zoolog. Anzeiger 1900, No. 605, S. 43), das morphologische Beinende 
darstellt, einen Vorsprung, welcher bald mehr wie ein Eckchen, bald 
mehr wie ein Fortsatz erscheint. Nur bei einer nifidus-Form habe 
ich das 1. Beinpaar des entwickelten Männchens erheblich anders 
gestaltet gefunden und damit komme ich zurück auf meinen Aufsatz 
über „Doppelmännchen bei Diplopoden“ im Zool. Anzeiger No. 605 
und insbesöndere auf einige dort bereits näher geschilderte nitidus. 
Zum erstenmal habe ich daselbst über Schaltmännchen des nitidus 
berichtet und zugleich über ein „Schalt-4?“, welches sich hinsicht- 
lich des 1. Beinpaares an das typische Schaltmännchen anschließt. 
Neuerdings ist es mir geglückt, dieses fragliche Tier im Kottenforst 
bei Bonn wiederzufinden. Es stimmt nicht nur im 1. Beinpaar mit 
der Abb. II im Zool. Anz. 1900 vollkommen überein, sondern besitzt 
auch durchaus normale und ganz wohlausgebildete Gonopoden, so 
daß es sich nicht um eine Abnormität handelt, sondern eine besondere 
konstante Form, dıe jedoch nicht einfach als eine zweite Männchen- 
form angesehen werden kann (wie bei Zachypodoinlus albipes), sondern 
eine besondere Rasse vorstellt, da ihr außer dem Schaltstadium 
auch ein abweichend gebautes 1. Beinpaar zukommt. 

Die Fortsätze an den Hüften des 2. Beinpaares kommen allen 
nitidus-Männchen zu, von der kleinsten bis zur größten Varietät, 
ohne daß sich Unterschiede bemerklich machten. Diese Fortsätze 
stehen, im Gegensatz zu den bei Leptoiulus und Iulus vorkommenden, 
nicht innen an den Hüften, sondern ungefähr in der Mitte der Vorder- 
fläche, und zwar, wie schon RoTuensünteR hervorhob, sind sie „nach 
vorn gerichtet“, jedoch nicht „horizontal“, sondern schräg nach end- 
wärts. Sie sind zart und hell, am Ende mit einigen kleinen Spitzchen 
besetzt und reichen in den Präparaten ganz oder beinahe bis zum 
Hüftendrand. Diesen Fortsätzen homologe Höcker habe ich an der 


— 342 — 


Vorderfläche der Hüften des 2. Beinpaares von Tachypodoiulus albipes- 
Männchen nachgewiesen (vergl. Nova Acta der Akad. D. Nat. Halle 1910), 
auch haben Höcker und Fortsätze dieselbe Bedeutung, welche 
sich aber aus dem Vorkommen von Coxaldrüsen ergibt, die bei 
nitidus bisher unbekannt waren. In Abb. 2 findet man eine Hüfte 
des männlichen 2. Beinpaares von vorn gesehen mit dem Fortsatz pr 
und der vorn an seinem Grund gelegenen Drüsenmündung (oe). 
der Drüsenschlauch zieht durch die ganze Hüfte (dr), verläuft hinter 
den Tracheentaschen des 2. Beinpaares zunächst innen von denselben 
und biegt dann ungefähr in ihrer Mitte nach außen ab und zieht 
den Vasa deferentia, so lange sie nach außen gebogen sind, außen 
ihnen angedrückt entlang. Die Vasa deferentia, welche im Doppel- 
penis bekanntlich dicht aneinandergedrängt verlaufen, ziehen von 
hier aus zunächst nach oben, noch eine kurze Strecke aneinander 
gewachsen, dann aber biegen sie plötzlich auseinander, weil ihnen 
starke, etwas schräg gestellte Innenäste der Tracheentaschen des 
2. Beinpaares (Anheftungshebel für Hüftmuskeln) im Wege sind. Sie 
ziehen dann außen um die Enden der Tracheentaschen herum und 
biegen, zugleich den Darmkanal umfassend, nach oben wieder gegen - 
einander, wo sie dann von neuem aneinander gedrängt, weiter nach 
hinten zu den Hoden ziehen. Die Vasa deferentia bilden also oberhalb 
des 2. und 3. Beinpaares eine Oförmige Figur und außen an diese sind 
die genannten tubulösen Coxaldrüsen angedrückt. (Vergl. auch Abb. 7.) 
Der eigentliche, großzellige Drüsenkörper beginnt ungefähr neben der 
Mitte der Tracheentaschen, an der unteren der beiden Biegungen 
der Vasa deferentia und besteht aus Zellen mit großen Kernen. 

Die Bedeutung dieser Fortsätze an der Vorderfläche des 
2. Beinpaares liegt nun einmal darin, daß sie die Drüsenmündungen 
schützen, dann aber bewirken sie auch eine besondere Befestigung 
der zähen Sekretfäden, welche wie ein dicker Coconfaden er- 
scheinen und offenbar bei der Copula dem verstärkten Haften des 
Männchens am Vorderkörper des Weibchens dienen. Ich konnte 
nämlich außer dem eigentlichen Sekretfaden (sf Abb. 2) wiederholt 
einen dickeren Grundabschnitt (sfl) neben dem Hüftfortsatz beobachten, 
so daß dann dieses dickere Sekretstück unter dem nach vorn 
gerichteten Fortsatz sitzt und durch dessen kleine Spitzchen fest- 
gehalten wird. 

Hinsichtlich der zart gestreiften, feinen Polster an den vorderen 
Beinpaaren der nifidus-Männchen kann ich nur betonen, daß sie 
allen Varietäten zukommen. 


— 343 — 


Am Gnathochilarium besitzen die Stipites der Männchen hinter 
den Tasterlappen eine Gruppe zerstreuter Drüsenporen, welche eben- 
falls von den kleinsten bis zu den größten Männchen angetroffen 
werden. | 

Dagegen verhalten sich die Männchen der Varietäten etwas 
verschieden hinsichtlich jener Bartborstengruppe, auf welche ich bei 
Iuliden im genannten 10. (30.) Aufsatz 1908 zuerst näher eingegangen 
bin und die sich in dem Krümmungsgebiet der Stipites vorfindet. 
Die Zahl dieser Bartborsten ist zwar recht variabel, aber eine größere 
oder geringere Zahl für die Extreme doch charakteristisch. Neben 
den bereits besprochenen Merkmalen bleiben nun für die Varietäten 
des nitidus als besonders wichtige Charaktere übrig die Segment- 
und Beinpaarzahl, die Größe, die Zahl der beinlosen Endsegmente, 
die Pigmentierung und z. T. auch die Lebensweise. C. nitidus zeigt 
die für Diplopoden ungeheure Variation von 40 Beinpaaren, näm- 
lich von 73—113. Noch bedeutender aber ist die Größenvariation 
der entwickelten Tiere, welche ich als das Maximum aller mir bei 
Diplopoden bekannt gewordenen Größenvariationen bezeichnen muß, 
denn bei einer Schwankung von 13 bis beinahe 30 mm für die 
Männchen (und entsprechend auch Weibchen), zeigen die Riesen nicht 
nur eine mehr als doppelte Gesamtlänge, sondern vor allem ein etwa 
7—-8 mal größeres Gewicht als die Zwerge. 


Übersicht der Rassen und Varietäten des Cylindroiulus nitidus. 


A. Entwicklung mit Schaltmännchen, deren 1. Beinpaar vier- 
gliedrig ist, gedrungen und am vierten Glied bereits einen Vorsprung 
besitzt, als Anlage einer Uncusbildung (Abb. I im Zoolog. Anzeiger 1900, 
No. 605). Schaltmännchen 18—18'/, mm lang mit 87 oder 91 Bein- 
paaren. Das 1. Beinpaar der Reifemännchen besitzt keinen typischen 
Uncus, sondern ist am Endglied innen nur dreieckig erweitert, ziem- 
lich länglich und am Ende mit deutlich abgegliederter Kralle besetzt. 
g 19—20 mm lang mit 91 oder 93 Beinpaaren. 


1. nitidus rhenanus n. subsp. 


[Vergl. auch meinen Aufsatz im Zoolog. Anzeiger 1900, No. 623, 
„ Wandernde Doppelfüßler, Eisenbahnzüge hemmend“, woselbst S. 473 
die Aufzucht eines nitidus rhenanus mitgeteilt wurde.] 

Bisher habe ich diese Rasse nur im Kottenforst bei Bonn 
beobachtet. 

B. Entwicklung (soweit bekannt) ohne Schaltmännchen. Das 


-— 344 — 


1. Beinpaar der Reifemännchen besitzt einen typischen Uncus, d. h. es 
ist nach innen in einen langen Fortsatz erweitert, während es gleich- 
zeitig gedrungener ist und an der Biegung endwärts in eine mehr oder 
weniger starke Ecke vorspringt, welche wohl einer eingeschmolzenen 
Endkralle entspricht, aber nur selten und dann undeutlich am Grunde 
abgesetzt ist. 

2. nitidus (genuinus) VERH. 

a) Tiere hellgraugelblich, Rücken gewöhnlich ebenso hell 
wie die Flanken, selten etwas bräunlich. Drüsenflecke klein und 
nur an einem Teil der Rumpfringe deutlich ausgeprägt. 3 mit 
73—79 Beinpaaren, 5 oder 6 beinlosen Endsegmenten ', 13—14°/s mm 
lang, sein Gnathochilarıum mit einer Gruppe von 4—9 Borsten jederseits 
in der Mitte der Stipites. — Im Gegensatz zu den folgenden Varietäten 
gewöhnlich ganz im Humus unter den Blätterschichten vergraben 
lebend. 

2a. var. levis mihi?. 

b) Tiere dunkler gezeichnet, indem sowohl die Drüsenflecken 
kräftiger hervortreten, als auch der mit braunen Querstreifen 
pigmentierte Rücken schärfer gegen die hellen Unterflanken absticht. 
Z mit 81— 91 Beinpaaren, 3—-+ (selten auch 2 oder 5) beinlosen 
Endsegmenten bei 15'/,—22 mm Länge, sein Gnathochilarium mit 
6—12 Borsten jederseits. 


2b. var. medius n. var. 


c) Tiere gezeichnet wie bei b, aber d mit 93—101 Beinpaaren 
und zwei beinlosen Endsegmenten bei 19'/s—24”/s mm Länge und 
6—15 Borsten jederseits am Gnathochilarium. 


2c. var. nitidus m. 


d) Tiere wie bei b gezeichnet, aber noch dunklere Männchen, 
an deren Rücken zwischen den braunschwarzen Drüsenflecken auch 
braunschwarze Querstreifen stehen, so daß die hellen Flanken 
noch mehr abgesetzt sind. 2 mit 99—113 Beinpaaren, zwei bein- 
losen Endsegmenten und 9—18 Borsten Jederseits am Gnathochilarium, 
25'a—29'/, mm Länge. 

2d. var. fayi n. var. 

Am 3. und 4. X. 1905 sammelte ich bei Braunfels in Nassau 

auf Rotliegendem unter Qurreus- und Fuyus-Laub von nitidus 35 2 


! Das Telson im engeren Sinne pflege ich nicht mitzuzählen! 
? Die var. leris VERH., 1891 = var, leris + meatus 1910, 


— 35 — 


und 73 ọ und Junge. Hiervon gehörten 7 & zur var. fagi, die 
übrigen Männchen teils zu var. nitidus, teils zu var. medius; var. levis 
habe ich in Nassau nicht beobachtet. Über die weiteren Vorkomm- 
nisse des nitidus wird unten die Rede sein, doch möge betont werden, 
daß mir die var. fagi in Süddeutschland bisher nicht vorgekommen 
ist. Die Varietäten nitidus und medius sind diejenigen, welche man 
in einer bestimmten Gegend am meisten nebeneinander vorfindet. 
Die extremen Formen levis und fagi sind nicht nur hinsichtlich ihrer 
genannten Merkmale, sondern auch im Habitus so auffallend ver- 
schieden, daß man sie für verschiedene Arten erklären müßte, wenn 
nicht die beiden andern Varietäten den Übergang bildeten. 


II. Variationen des Tulus liyulifer LATZ. et VERH. 
Hüftfortsätze, Hüftdrüsen und Begattungszeichen. 


Einige Notizen über die Variabilität des ligulifer gab ich bereits 
S. 282 im 6. (26.) Diplopoden-Aufsatz, Mitt. zoolog. Mus. Berlin. 
Auf Grund eines bedeutend vermehrten Materials möchte ich genauer 
auf diese Art eingehen und noch bemerken, daß sie am ehesten auf 
den unausrottbaren „Julus terrestris“ vieler populärer Schriften und 
Handbücher zu beziehen ist. 

R. LartzeL ist der erste gewesen, welcher auf Taf. XI Abb. 130 
bis 133 die charakteristischen Organe abgebildet hat (scundinavius). 
Das 2. Beinpaar des 3, welches, wie ich zeigen werde, für die 
Variationen des ligulifer besonders von Belang ist, hat LarzeL in 
seiner Abb. 131 allerdings nicht ganz richtig zum Ausdruck gebracht. 
Ich wiederhole hier, was ich auf S. 149 in meinen „Beiträgen zur 
Anatomie und Systematik der Iuliden“ 1894 in den Verh. d. zool. 
bot. Ges. Wien schrieb: 

„sehr charakteristisch gestaltet sind das 1. und 2. Beinpaar 
der männlichen Micropodoinlus. Das erste Bein, welches zum Gat- 
tungsnamen Veranlassung gab, hat Latzeu bereits abgebildet; es stellt 
kein Häkchenpaar dar, sondern ist nur ein länglicher, beborsteter, 
sehr kurzer Höcker. Während es sich hier also um ein Rudiment 
handelt, hat, als physiologischer Ersatz für das Häkchenpaar, das 
2. Beinpaar an seinen Hüften einen langen, sehr auffallenden Fort- 
satz getrieben, welcher auch Veranlassung zu dem Namen ligulifer, 
Löffelträger wurde. LartzeL und Porar scheinen die Ligula dem 
Hüftanhange von Lulus vagubundus Larz. und dessen Verwandten für 
homolog erachtet zu haben. Solches ist aber nicht der Fall. Bei 


— 346 — 


den in Rheinland vorkommenden ligulifer sitzt ein krummer Fort- 
satz (cor Abb.) auf der Coxa, welcher dem ligulifer Latzer's fehlt 
denn weder in der Zeichnung noch im Text gibt LartzeL über den- 
selben eine Mitteilung. Ich betrachte daher die rheinische Form 
vorläufig als Unterart, ligulifer corniger.“ 

B. Nemec machte 1896 in den Sitz. d. böhm. Ges. d. Wiss. 
Prag, „zur Kenntnis der Diplopoden Böhmens“, S. 4, einige Be- 
merkungen über Iulus ligulifer, welche insofern von Interesse sind, 
als er sich auf meinen corniger bezieht, aber trotzdem seine böhmischen 
Individuen dem typischen ligulifer im Sinne LaTtzeL’s zurechnet! 
Hieraus folgt also, daß die 1894 von mir beschriebenen Hornfort- 
sätze (cor Abb.) von NeĮĒec nicht gesehen worden sind, obwohl 
sie, wie ich jetzt auf Grund meines umfangreichen und z. T. auch 
aus Böhmen stammenden Materials bestimmt behaupten kann, allen 
ligulifer-Individuen zukommen. Wenn also Neyec diese Fortsätze, 
welche bisweilen etwas angedrückt sind, nicht übersehen hat, dann 
erklärt sich seine Behauptung aus einer Erscheinung bei der Kopu- 
lation, welche weiterhin zur Sprache kommt. 

S. 149 schrieb ich in den Verh. d. zool. bot. Ges. Wien 1894 
ferner folgendes: „Dieser (für ligulifer charakteristische) Hornfortsatz 
sitzt genau an derselben Stelle wie der Hüftanhang der Arten um 
vagabundus LaTz., auch trägt er am Ende eine Tastborste, an welche 
eine Nervenfaser heranläuft, während eine solche Borste dort gleich- 
falls, aber an der Seite steht. Die Ligula (der Löffelfortsatz) ist 
zwar auch ein Coxalanhang, aber sie entspringt nicht aus dem Ende 
der Coxa, auch ist sie völlig nackt und borstenlos. Somit ist sie 
nicht homolog dem Hüftanhange bei vagabundus, vielmehr ein be- 
sonderes Gebilde, an welches sich das Weibchen bei der Copula 
anklammert, statt an das erste Beinpaar.“ 

Damals hatte ich nur wenige, heute habe ich eine Menge ein- 
schlägiger Objekte untersucht und bin zu einer andern Auffassung 
gekommen. Die Leptoiulus, Sectio Coxaarmati VERH. (zu denen der 
vagabundus gehört), besitzen am zweiten männlichen Beinpaar Hüft- 
fortsätze, welche zwar größtenteils sich an der Vorderfläche be- 
finden, namentlich mit dem meist dreieckig nach außen ragenden 
Lappen, aber nicht auf die Vorderfläche beschränkt sind, sondern 
sich auch innen vom Telopodit kragenartig um dessen Basis 
nach hinten ziehen, namentlich in der ciliatus- und alemannıcus- 
Gruppe. Nun sind die Drüsenfortsätze des ligulifer, welche sich 
anßen und vorn befinden (df Abb. 4 und 7) durchaus homolog den 


— 347 — 


Drüsenfortsätzen am 2. Beinpaar der Leptoiulus- Männchen. Das 
Telopodit ist bei ligulifer im Vergleich mit Leptoiulus etwas mehr 
nach außen gerückt, um den größeren Hüftfortsätzen Platz zu machen. 
Von diesen befindet sich der Hornfortsatz innen hinten und ist 
nur mit seinem Ende nach vorn gebogen, während der Löffel- 
fortsatz sich innen vorn, also vor ihm befindet. Aus dem Ge- 
sagten ergibt sich aber, daß der Löffelfortsatz von liyulifer 
dem inneren Hüftfortsatz von Leptoiulus homolog ist und 
der Hornfortsatz nur dem kragenartigen Ausläufer der 
Leptoiulus-Fortsätze entspricht. 

Das 1. Beinpaar des ligulifer ist zwar stark rückgebildet, hat 
aber doch recht kräftige Hüften (Abb. 8 co), welche einem in der 
Mediane teilweise gespaltenen Sternit aufsitzen und außen in einem 
Fortsatz pr ausgezogen sind, der das verkümmerte Telopodit mehr 
oder weniger überragt, indem er nicht geringe individuelle Schwan- 
kungen zeigt. Larzet's Abb. 130 gibt kein richtiges Bild vom Telopodit 
dieses 1. Beinpaares, denn die Zapfen, welche er den von ihm als 
Sternit angesehenen Hüften eingesenkt zeichnet, sind in Wirklichkeit 
nicht so einfach beschaffen, wie er es angibt. Zwar hat er ganz 
richtig gesehen, daß das Telopodit hinten tiefer in die Hüfte ein- 
gesenkt ist als vorn, nicht aber die durch eine tiefe Querfurche 
bewirkte Trennung der Endteile, welche man als letzten Rest einer 
Zweigliedrigkeit des Telopodit auffassen kann. Hinten ist nämlich 
der Telopodithöcker y einfach abgerundet, während er vorn, wo er 
grundwärts nur bis zur Linie d reicht, endwärts innen in einen 
nackten Zapfen ø vorragt, außen aber eine Gruppe kräftiger Tast- 
borsten trägt. Von hinten gesehen, ragt der vordere Endteil bald 
mehr bald weniger über den hinteren vor, auch das Längenverhältnis 
zwischen dem Zapfen und dem Hüftfortsatz ist individuellen Schwan- 
kungen unterworfen. 

Zum Vergleich sei auf Abb. 61 im IX. Aufsatz meiner Beiträge 
verwiesen, Archiv f. Naturgesch. 1899, Bd. I, H. 3, wo ich für den 
nordungarischen Iulus curvicornis Veru. die endwärtige Spaltung des 
Telopodit des 1. Beinpaares bereits nachwies. 

Größere Verschiedenheiten konnte ich im Bau des zweiten 
männlichen Beinpaares nachweisen, welches deshalb auch zur 
Unterscheidung zweier Rassen verwendet werden konnte. Die drei Hüft- 
fortsätze aber kommen im wesentlichen bei allen ligulifer-Formen vor. 

Der Drüsenfortsatz df ist in Abb. 7 nach einem Männchen 
dargestellt, welches gerade ein langes Sekretseil f ausgeschieden 


— 348 — 


hatte. Das überaus zähe Sekret der Drüsen ist also, ähnlich dem 
des vorher besprochenen Cylindroiulus nitidus, imstande zur Be- 
festigung der Geschlechter aneinander beizutragen, wahrscheinlich 
werden diese Sekretseile am Kopf des Weibchens befestigt. Bekannt- 
lich umfassen bei der Copula die Gonopoden die Vulven des Weibchens, 
während der Kopf des Männchens mit dem Gnathochilarium über der 
Kopfwölbung des Weibchens liegt, wodurch die Mundteile des ọ dem 
1. und 2. Beinpaar des d gegenübergestellt werden. Da nun bei 
ligulifer dem 1. Beinpaar des § die Häkchen, an welchen sich das 2 
sonst festbeißen kann, fehlen, bieten die beiden inneren Hüftfortsätze 
des 2. Beinpaares reichlich Ersatz. Es scheint, daß die Löffelfort- 
sätze zwischen Mandibeln und Gnathochilarium eingeführt werden, 
wobei dann offenbar die Enden der Hornfortsätze den beißenden 
weiblichen Mandibeln besonders ausgesetzt sind. 

Als Beweis dafür habe ich ein männliches Begattungs- 
zeichen anzuführen, welches ich bisher sechsmal beobachtet habe, 
bei Rüdersdorf, Nördlingen und am Titisee. Dieses Begattungszeichen 
besteht darin, daß das 9 bei der Copula die Endteile der seinen 
Mandibeln Widerstand leistenden Hornfortsätze abbeißt, wodurch 
eine Reizung des 3 entsteht und eine leichte Blutung, die man 
jedesmal an der durch den Wundschorf hervorgerufenen Bräunung 
am Ende der verstümmelten Hornfortsätze wahrnimmt, zugleich ein 
Zeichen, daß diese Verstümmelungen nicht etwa zufällig entstanden 
sind. Ich habe dieses Begattungszeichen dreimal auf beiden Seiten 
zugleich und dreimal an einer einzigen Seite des 2. Beinpaares 
beobachtet und ausnahmslos mit Wundbräunung. In einem Fall 
war außerdem auch noch die Endkeule einer der beiden Löffel- 
fortsätze abgebissen, wobei wiederum ein brauner Wundschorf 
beweist, daß die Verletzung nicht etwa das in Alkohol bewahrte 
Tier betroffen habe. Die versteckte Lage der Hornfortsätze ließe 
uns, wenn es sich hier um zufällige Verletzungen handelte, viel eher 
annehmen, daß die weit vorragenden Löffelfortsätze abgestoßen würden, 
aber dieser Fall ist der viel seltenere. Das Gesagte läßt es nun auch 
möglich erscheinen, daß in dem oben besprochenen Fall von NEMEC 
Tiere mit Begattungszeichen vorlagen. 

Die Hornfortsätze variieren etwas sowohl hinsichtlich der Dicke, 
als auch Krümmung, als auch mit Rücksicht darauf, daß sie bald 
mehr, bald weniger von der Hüfte abstehen, aber konstante Differenzen 
konnte ich nicht feststellen. 

Die von den Drüsenfortsätzen, welche sie der Länge nach durch- 


nn > 


NEE 


— 349 — 


bohren, ausgehenden Drüsenschläuche und Drüsen verhalten sich wie 
bei Cylindroiulus nitidus. 

In Abb. 7 sieht man die rechte Coxaldrüse außen vom Vas 
deferens verlaufen. Die Vasa deferentia zunächst hinter den Penes 
aneinandergedrängt vd 1 biegen nach außen um die Tracheentaschen, 
laufen um deren Ende herum vd 2 und bilden eine große, den Darm 
umfassende Schleife, schließlich oben wieder dicht aneinander liegend 
und nach hinten weiterlaufend. 

Die Löffelfortsätze sind am Ende innen stets mehr oder weniger 
ausgehöhlt, bei den Tieren der norddeutschen Tiefebene am schwächsten. 
Während die Enden der Löffelfortsätze bei den süd- und mitteldeutschen 
Tieren in der Ansicht von vorn oder hinten stets mehr oder weniger 
keulig verdickt erscheinen, habe ich sie bei den Individuen aus 
Pommern und Brandenburg immer gleich breit gefunden. Letztere 
sind meist auch durch eine Segmentzahl ausgezeichnet, welche ich 
in Mittel- und Süddeutschland nicht beobachtete. Die Aushöhlung 
der Löffelfortsatzenden scheint mir weniger für die Copula von Belang 
zu sein, als für die Übertragung des Spermas von den Penes auf 
die Gonopoden. Die Telopoditglieder des 2. Beinpaares sind insofern 
variabel, als die innere oder äußere Einschnürung der Präfemora 
verschieden ist, sowie die größere oder geringere Verdickung der 
Femora. Innen beobachtete ich an den Femora bisweilen eine 
grubenartige Vertiefung (yr Abb. 3); auf diese allein wollte ich jedoch 
keine Varietät aufstellen, nur ein Tier von Wehr, dessen Löffel- 
fortsätze gleichzeitig eine ungewöhnlich starke Endkeule aufweisen, 
hebe ich als var. claviger hervor. Sonst habe ich diese Femoral- 
gruben noch beobachtet bei zwei d von Nördlingen, bei einem vom 
Titisee, jedoch nur auf einer Seite deutlich. Alle diese Männchen 
mit Femoralgruben besitzen 85 oder 87 Beinpaare. 

Die Gonopoden einer ganzen Serie Männchen des liyulifer habe 
ich durchstudiert und auch verschiedene Unterschiede in der Gestalt 
der Vorderblätter und in den feinen Endgebilden der Flagella und 
Hinterblätter festgestellt, alle aber von individueller Natur. 

Individuen mit rötlichem oder gelblichem Rücken habe ich 
früher als var. erythronotus bezeichnet. Sie finden sich aber bei 
beiden jetzt unterschiedenen Rassen und besonders im weiblichen 
Geschlecht. Es handelt sich also nicht um eine eigentliche Varietät. 
Die Zahl der beintragenden Rumpfringe schwankt nach meinen 
Beobachtungen von 77—93, bleibt also weit hinter der Variation 
des Cylindroiulus nitidus zurück. 


— 350 — 


Am Gnathochilarium der Männchen haben wir zweierlei 
Borstengruppen zu unterscheiden, einmal die bekannte an den Stipites 
und dann eine ungewöhnliche an den Lamellae linguales. Das Bart- 
borstenbüschel an den Stämmen der Mundklappe ist ein recht 
kräftiges, aus zahlreichen ziemlich langen, schräg nach vorn ge- 
richteten Borsten bestehendes, einem rundlichen bis ovalen Poren- 
feld aufsitzend, bei allen Varietäten gut entwickelt. Viel variabler 
ist die Beborstung der Lamellae linguales, wo wir vorn zwei sehr 
große, vielen Iuliden zukommende Tastborsten antreffen, weiter hinten 
aber eine zerstreute Gruppe von variabler Zahl. 

Schaltmännchen kommen bei ligulifer nicht vor. 

Was ich 1907 ım 6. (26.) Aufsatz Mitt. zool. Mus. Berlin, 
S. 283 als Schaltmännchen bezeichnet habe, ist die letzte gewöhn- 
liche Entwicklungsform der größeren Männchen. Ich glaubte, sie 
damals als Schaltmännchen auffassen zu können, weil sie einem Teil 
der Reifemännchen an Beinpaar- und Segmentzahlen gleichkommt. 
Die erneute, genauere Prüfung zeigt, daß es keine Schaltmännchen 
sein können, weil 

1. die größten derselben nur gerade die Größe der kleinsten 
Reifemännchen erreichen, während sie dieselbe übertreffen müßten, 

2. das 1. Beinpaar keine besonderen Merkmale aufweist, viel- 
mehr typische Endkrallen und 5 gliedrige Telopodite, ohne Spur einer 
Uncus-Andeutung, 

3. die Gonopoden noch nicht in einen Genitalsinus eingesenkt 
sind, sondern fest an die übereinander greifenden Unterzipfel 
des 7. Pleurotergit gedrängt und übrigens noch wenig entwickelt. — 

Bei einem solchen letzten Entwicklungsstadium von 83 Bein- 
paaren und 21’/; mm Länge bei 4 beinlosen Endsegmenten fehlt das 
Bartborstenbüschel der Stipites noch fast vollständig, nämlich bis 
auf 3—6 Borsten jederseits, während an den Lamellae linguales 
2-+1-— 2 Borsten vorhanden sind!. Die Fortsätze am 2. Bein- 
paar bestätigen das, was ich oben über die Homologie derselben 
ausgeführt habe, denn die längliche, abgerundete Anlage sieht den 
Hüftfortsätzen des 2. Beinpaares der Lepfoiulus-Männchen überaus 
ähnlich, ist nur mehr nach endwärts gerichtet. Diese Anlage 


! Bei dem vorletzten männlichen Entwicklungsstadium, einem Tierchen 
von 13''» mm Länge mit 67 Beinpaaren und 5 beinlosen Endsegmenten, wo am 
2. Beinpaar ebenfalls kräftige Anlagen der Ligularfortsätze bemerkt werden ‘und 
an den Lamellae linguales wieder 2+ 1 — 2 Borsten, fehlt das Bartborsten- 
büschel der Stipites gänzlich. 


— 3 — 


zieht sich also innen um den ganzen Telopoditgrund, zeigt aber noch 
keine Spur davon, daß hier bei den Entwickelten zwei Fortsätze 
hintereinander stehen. Auch die Drüsenfortsätze fehlen noch voll- 
ständig, obwohl ich die Ausmündungsgänge der Drüsen in den Hüften 
schon erkennen konnte. | 

In Abb. 9 habe ich die ventralen Teile am 7. Rumpfring dieses 
jungen d zur Darstellung gebracht, wobei das asymmetrische 
Ineinanderschieben der Unterzipfel von Interesse ist. Ein eckiger 
linker Lappen greift in eine genau zu ihm passende Grube a des 
rechten Zipfels, während dahinter 5 die Kante links in eine Rinne 
rechts eingreift. Von den Anlagen der Gonopoden gp berühren die 
Vorderblätter die Oberfläche und vor ihnen breitet sich das starke 
Sternit aus, vx. Dieses Ineinanderfügen der Unterzipfel erkläre 
ich mir dadurch, daß im Gegensatz zn den übrigen Rumpfringen das 
Sternit vom Pleurotergit getrennt ist, das junge im Wachstum be- 
griffene Tier aber, namentlich vor der Häutung, durch welche es ins 
Reifestadium tritt, unter Druck steht, welcher die Unterzipfel aus- 
einandertreiben und die Gonopodenanlage vorpressen könnte, zumal 
deren Retraktoren noch nicht in der endgültigen Stärke entwickelt 
sind. Das Ineinanderfügen verhindert aber das Auseinandertreiben 
und ersetzt somit physiologisch das Sternit. Dieses Ineinanderfügen 
ist übrigens auch ein Merkmal, welches den Schaltmännchen 
nicht zukommt, vielmehr sind bei ihnen die medianen Ränder der 
Unterzipfel des 7. Pleurotergit höchstens bis zur Berührung genähert, 
da die Gonopoden-Anlagen sich bereits in einer eigentlichen Gono- 
podentasche befinden, also sich nicht mehr so an die Oberfläche 
anschließen, wie im vorigen Fall. Für Nopoinlus pulchellus gab 
Nemec! eine Abbildung zu einem von ihm beobachteten Schalt- 
stadium, in welchem ebenfalls die Unterzipfel des 7. Pleurotergit ın 
der Mediane nur gerade bis zur Berührung genähert sind. 


Übersicht der Rassen und Varietäten des Zulus ligulifer: 


A. Die Löffelfortsätze am 2. Beinpaar der Männchen sind am 
Ende mehr oder weniger keulig verdickt, innen stark grubig aus- 
gehöhlt. Körper mit 83—93 beintragenden Rumpfringen. 


1. ligulifer Latz. et VERH. (genuinus). 
a) Die Keulen der Löffelfortsätze nicht breiter als die Grund- 


ı Über neue Diplopoden Böhmens (größtenteils tschechisch). Prag 1895. 
(2 neue Nopoiulus-Arten enthaltend, deren eine jedoch schon bekannt war.) 


— 352 — 


teile derselben (Abb. 7). Die Femora des 2. männlichen Beinpaares 
besitzen nur selten innen eine ‘vertiefte Grube. 

1. Gnathochilarum an den Lamellae linguales jederseits mit 
1-+1-+-4—8 Tastborsten, 83—87 beintragende Rumpfringe, Körper 
21—25 mm lang, Femora des 2. Beinpaares innen bisweilen mit 
einer Grube. 

la. var. ligulifer m. 

2. Gnathochilarium mit 1 + 1 + 10 — 13 Tastborsten jederseits. 
87—93 beintragende Rumpfringe, Körper 25—30 mm lang, Femora 
des 2. Beinpaares innen stets ohne Grube. 


1b'. var. barbatus n. var. 


b) Die Keulen der Löffelfortsätze entschieden breiter als die 
Grundteile derselben (Abb. 3). Die Femora des 2. Beinpaares innen 
mit ausgehöhlter Grube. 85 Beinpaare, Gnathochilarium jederseits 
mit 1- 1 -+ 6—7 Borsten an den Lamellae linguales, 22 mm lang. 


le. var. claviger n. var. 

B. Die Löffelfortsätze am 2. Beinpaar der Männchen sind am 
Ende von vorn oder hinten gesehen nicht keulig verdickt (Abb. 4), 
sondern bleiben gleich breit, innen sind sie nur schwach ausgehöhlt. 
Man kann die äußere Randlinie der Löffelfortsätze von hinten gesehen 
bis zur Mitte oder auch bis zum Ende verfolgen (Abb. 4 und 5), 
während sie bei ligulifer schon am Grund der Keulen durch deren 
äußere Wulstung verdeckt wird (Abb. 3 und 6). Femora am 2. Bein- 
paar des d ohne vertiefte Grube. 77—89 Beinpaare. 


2. ligulifer borussorum n. subsp. 


1. Körper mit 77—83 Beinpaaren, 19'',—21 mm lang, Lamellae 
linguales mit 1 + 1 + 3 — 4 Borsten jJederseits. 


2a. var. borussorum m. 
2. Mit 89 Beinpaaren, 26 mm lang (Gnartn.?). 


2b. var. balticus m. 


I. ligulifer borussorum ist mir, wie gesagt, bisher ausschließ- 
lich aus Pommern und Brandenburg bekannt und beziehen sich auf 


1 Von Nördlingen besitze ich ein g von 29!» mm mit 91 Beinpaaren, 
welches an den Lamellae jederseits nur 1+9 Borsten besitzt, d. h. von den 
beiden großen Vorderborsten, die sonst so typisch ausgeprägt sind, fehlt die 
hintere, Es bleibt abzuwarten, ob das nur eine Abnormität ist. 


— 353 — 


ihn die Angaben über ligulifer a. a. O. im 6. (26.) Aufsatz, S. 283. 
Dort ist auch das auf var. balticus zu beziehende & genannt worden, 
welches ich im Kalkgebiet von Rüdersdorf sammelte. Von dem Vor- 
kommen der Varietäten des ligulifer (gen.) wird weiter unten die 
Rede sein. l 


III. (Tulus) Micropodoiulus lignaui n. sp. 


[= Tulus terrestris Licnau, non Poratu, in Myriapoden der 
Pontusküsten des Kaukasus, Odessa 1903, Abb. 59—64, größten- 
teils russisch. ] | 

[> Tulus liqulifer Larz. in C. Artems, Myriapoden aus der 
Krim und dem Kaukasus, Arkiv för Zoologi, Bd. 3, No. 25, Upsala 1907.) 

Herrn Kollegen N. Licnau in Odessa verdanke ich einige Stücke 
der von ihm als „terrestris“ aus dem Kaukasus beschriebenen 
Jwlus-Art und gebe für dieselbe die folgende Charakteristik, wozu 
noch bemerkt sei, daß die Stücke vom Pseaschchi-Paß stammen: 


g 22 mm lang mit 83 Beinpaaren, 4 beinlosen Endsegmenten, 
F 3l p nn 98 n 2m n 


Außer Größe, Segment- und Beinpaarzahl schließt sich lignaui auch 
in Farbe und Skulptur an den ligulifer an. Die wesentlichen Unter- 
scheidungsmerkmale betreffen die männlichen Charaktere. 

Das 1. Beinpaar des 3 entspricht dem des ligulifer, nur ist 
der Hüftfortsatz entschieden mehr nach innen gegen das Telopodit 
gerichtet, wie es auch in Abb. 63 Licnau’s ziemlich gut, zum Aus- 
druck gekommen ist. Das 2. Beinpaar des Z ist ebenfalls größten- 
teils dem des ligulifer gleich, unterscheidet sich aber dadurch, daß 
die Hornfortsätze nahezu fehlen, d. h. an der betreffenden Stelle 
ist nur ein schwacher Wulst zu sehen, das eigentliche, gebogene 
Horn fehlt gänzlich. Die Löffelfortsätze sind am Ende knotig-keulig 
verdickt, zugleich am Ende leicht nach außen gebogen, innen kaum 
ausgehöhlt. Die Drüsenfortsätze entsprechen denen des liyulifer, 
sind nur etwas mehr gegen die Löffelfortsätze geneigt. Licxau's 
Abb. 64 ist nicht ganz richtig, die Coxaldrüsen kannte er nicht und 
= zeichnete daher die Drüsenfortsätze nicht durchbohrt und übrigens 
zu spitz. Die Femora des 2. Beinpaares sind nicht so stark ver- 
dickt wie bei liyulifer, springen daher innen am Grunde auch weniger 
vor. Das 3. und 4. Beinpaar des £ wie bei liyulifer. 

Am auffälligsten weicht der lignaui von liyulifer in den vorderen 


Gonopoden ab, welche bei Licxau nicht richtig zum Ausdruck kommen. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 23 


— 354 — 


Die Vorderblätter (Abb. 10) sind in der Endhälfte stark keulig 
erweitert und besitzen innen, hinten vor dem Ende eine Vertiefung, 
welche außen durch einen gebogenen Wulst begrenzt wird (y). Die 
Mittelblätter ms sind gedrungener, am Grunde stärker angeschwollen. 
Die Flagella sind zwar insofern nach dem Mieropodoiulus-Typus 
gebaut, als sie fast bis zum Ende nahezu gleich dick bleiben und 
erst kurz vor der Spitze schnell verdünnt sind (x), dennoch erfolgt 
die Verdünnung am Ende allmählicher als bei ligulifer und es finden 
sich nicht die zarten seitlichen, glasigen Säume, welche bei ligulifer 
am Endabschnitt der Flagella entlang laufen. Der verdünnte Schluß- 
teil endigt bei ligulifer mit einem, allerdings leicht abbrechenden 
Enterhaken, bei lignaui läuft er einfach aus. Die Hinterblätter unter- 
scheiden sich von denen des liyulifer durch die geraderen Rinnen- 
blätter und die dickeren Außenarme. 

Schon aus dieser Charakteristik ergibt sich, daß lignaui mit 
liyulifer weit näher verwandt ist als mit terrestris. Dies zeigt sich 
besonders an den großen Hüftfortsätzen des 2. Beinpaares, welche 
gegen das Ende bei terrestris verschmälert sind, während das 1. Bein- 
paar des terrestris 3 weder Hüftfortsätze besitzt, noch ein scharf 
abgegliedertes Telopodit. Infolgedessen sind die Hüften in der 
Mediane sogar aneinander gewachsen. Dieses 1. Beinpaar führt also 
über zu dem des eurypus Art. Es ist daher nicht überflüssig, wenn 
ich die für vurypns gegründete Untergattung Pachypodotiulus Vern. 
wieder erwähne, weil ich 1901 ım Archiv f. Nat. im XIX. Aufsatz 
meiner Beiträge S. 233 das 1. Beinpaar mit zur Unterscheidung 
verwendet habe. Es könnte nämlich, da bei terrestris das 1. Bein- 
paar kein deutliches Telopodit mehr besitzt, der Anschein entstehen, 
als ob nun terrestris zu P’achypodoiulus gehöre. Das ist jedoch nicht 
der Fall, denn die Merkmale, welche für diese Untergattung ent- 
scheidende Bedeutung haben, liegen in der Beschaffenheit des 2. und 
7. Beinpaares des d, in denen sich terrestris an die übrigen typischen 
Micropodoiulus anschließt. 


IV. Über die Leptoiulus alemannicus-Gruppe, namentlich 
L, simplex glacialis VERH. 

Im 10. (30.) Aufsatz über Diplopoden, Archiv f. Nat. 1908, 
gab ich auf S. 435—446 einen neuen Schlüssel für Leptoiulus VERH., 
eine Gruppe, welche jetzt als eigene Gattung betrachtet werden 
kann, nachdem ihre Charakteristik gegenüber Ophiiulus, Iulus und 
Microiulus geklärt und vertieft worden ist. Zugleich machte ich 


— 355 — 


mehrere neue Formen der alemannicus-Gruppe bekannt, auf welche 
ich hier zurückkommen muß. 

Julus alemannicus wurde von mir zuerst beschrieben 1892 in 
No. 403 des Zoolog. Anzeigers. Dennoch kann hierauf keine Priorität 
geltend gemacht werden, weil ich damals noch keine Abbildung 
gab und die Beschreibung den Anforderungen, welche ich später 
erheben mußte, noch nicht entsprach. Es ist das insofern von Belang, 
als ich diese erste Beschreibung nach Individuen aus Baden und 
Schweiz gab, welche dem jetzigen glacialis entsprechen. Als maß- 
gebende Beschreibung sowohl für den alemunnicus als auch simplex 
VerH. kann vielmehr nur diejenige gelten, welche ich nebst Abbil- 
dungen 1893/94 in den Verh. d. zool. bot. Ges. Wien veröffentlichte. 
Die dortige Abb. 5 für simplex zeigt aber ein Hinterblatt, welches 
mit dem des glacialis identisch ist. Nun habe ich mich durch weitere 
Prüfung der alemannicus-Gruppe überzeugt, daß sie zwei gut ge- 
schiedene Arten enthält, deren eine (alemannicus im engeren Sinne) 
den Ostalpen angehört, während die andere (simplex) in den weiter 
westlich gelegenen, namentlich schweizerischen Alpen ausgebreitet 
ist und außerdem in Süddeutschland, von wo sie sogar bis Mittel- 
deutschland gelangt ist. Im 10. (30.) Aufsatz habe ich aber den 
Namen simplex auf eine krainerische «lemannicus-Rasse angewandt, 
welche der genannten Abb. 5 nicht entspricht. Ich führe deshalb 
für diese Form den Namen austriacus m. ein und gebe für die 
Formen der alrmannicus-Gruppe folgende neue Übersicht: 

A. Hinterer Rinnenblattfortsatz der hinteren Gonopoden von 
innen gesehen recht breit, hinten entweder mit vorspringender kleiner 
Ecke oder mit größerem Fortsatz. Mittlerer Rinnenblattfortsatz meist 
vorhanden, wenigstens aber statt seiner eine buckelige Vorwölbung. 
Am Schutzblatt findet sich stets eine kräftige, hakige Zahnecke. 
d mit 95—107 Beinpaaren. 


1. alemannicus VERH. s. str. 


a) Mittlerer Rinnenblattfortsatz gut entwickelt. 

l. Er ist breit und punktiert. Der hintere Rinnenblattfortsatz 
besitzt hinten nur ein kleines Eckchen. & und 2 mit tief schwarzem 
Körper. 

la. alemannicus (genuinus) VERH. 


œ) & mit 95—99 Beinpaaren und kleiner var. alemannicus VERN. 
8) & mit 103—107 Beinpaaren und größerem Körper, 
var. carniolensis VERH. 
23* 


— 356 — 


2. Der mittlere Rinnenblattfortsatz mehr dreieckig, nicht punk- 
tiert, der hintere Rinnenblattfortsatz ist hinten in eine kräftige 
Nebenspitze ausgezogen. d schwarz, 9 mehr oder weniger braun, 
mit schwarzer Rückenmediane und Drüsenfleckchen. g mit 95 bis 
99 Beinpaaren. 


lb. alemannicus curynthiacus VERH. 

b) Mittlerer Rinnenblattfortsatz fehlend, an seiner Stelle aber 
eine buckelige Vorwölbung. Hinterer Rinnenblattfortsatz wie bei 
alemannicus (genuinus). Körper bei d und F schwarz. 8 mit 99 Bein- 
paaren. 


lc. alemannicus austriacus mihi [= alemannicus simplex 
| Vern. 1908]. 

[Über alemannicus oribates Artexs vergl. man im 10. (30.) Auf- 
satz S. 445, namentlich auch die Anmerkung.] 

B. Hinterer Rinnenblattfortsatz der hinteren Gonopoden lang 
und schlank, hinten stets völlig ohne Fortsatz oder Ecke. Mittlerer 
Rinnenblattfortsatz meist völlig fehlend, wenn er aber als eine vor- 
springende Ecke ausgebildet ist, sind die betreffenden Tiere von 
besonders kleinem Körper, haben am Schutzblatt der hinteren Gono- 
poden schwache Zahnecke, welche wenig vorragt und laufen auf 
höchstens 89 Beinpaaren. 


2. simplex Veru. 1893, sp. char. em. 

a) Zahnecke des Schutzblattes der hinteren Gonopoden klein 
und kurz. Vorderblätter mit schmalen, kleinen Innenlappen, 4. bis 
7. Beinpaar des d ohne Polster, höchstens an der Tibia mit schwacher 
Andeutung. | 

g 15'/,—18 mm mit 75—89 Beinpaaren, 
g 20—22 » >» 83—91 

1. Mittlerer Rinnenblattfortsatz vorhanden und dreieckig. 

d mit 75—89 Beinpaaren. 


n 


2a. Simplex langkofelanus Vern. [= alemannicus lang- 
kofelanus 1908]. | 
2. Mittlerer Rinnenblattfortsatz vollkommen fehlend. 
g mit 79 Beinpaaren. 


2b. simplex dolomiticus Veru. [= «alemannicus dolomi- 
5 ticus 1908). 

b) Zahnecke des Schutzblattes kräftiger entwickelt, hakig vor- 

ragend. Vorderblätter höchstens mit kleiner Innenecke. Wenigstens 


— 357 — 


. das 6. und 7. Beinpaar des d, meist auch noch das 5. und 4. mit 


dicht gestreiften Polstern an Postfemur und Tibia. 
g 24'1/,—27'is mm mit 89—95 Beinpaaren, 
9 26—35 mm mit 95—99 Beinpaaren. 


3c. simplex glacialis Vern. [=alemunnicus glacialis 1908] 
[= alemannicus simplex Vern. 1901, XVIII. Aufsatz]. 


1. Velum der hinteren Gonopoden bogig und schmal. 4. bis 
7. Beinpaar des 4 an Postfemur und Tibia mit deutlichen, gefurchten 
Polstern, am 6. und 7. breiter als am 4. und 5., das 6. und 7. auch 
am Enddrittel der Femora mit gestreiftem Polster, 2. Beinpaar ohne, 
das 3. nur an der Tibia mit Andeutung von Polstern. 


var. glacialis mihi. 

2. Velum der hinteren Gonopoden breiter und ungefähr drei- 
eckig, 5.—7. Beinpaar des d an Postfemur und Tibia mit gestreiften 
Polstern, welche etwas schmäler sind als bei glacialis, auch nur am 
6. und 7. Beinpaar gut ausgebildet, am 5. schwach, am 4. und 
3. ganz fehlend. Femora des 6. und 7. Beinpaares ebenfalls ohne 
Polster. 

var. rhenanus n. var. 

Leptoiulus simplex glacialis ist durch Baden, Württemberg und 
Bayern weit verbreitet, östlich vom Böhmerwald aber nie gesehen 
worden. Die Variation in der Zahl der beintragenden Segmente 
ist im Vergleich mit den andern besprochenen Iuliden, namentlich 
Cylindroiulus nitidus, Iulus ligulifer, Leptophyllum nanum und Tachy- 
podoiulus albipes gering zu nennen, was um so mehr überraschen 
muß, wenn man berücksichtigt, daß diese Art in sehr verschiedenen 
Klimaten vorkommt, nämlich von kaum 200 bis über 2000 m Höhe, 
wobei jedoch die nur aus den Dolomiten bekannten Rassen lang- 
kofelunus und dolomiticus außer Betracht bleiben. Ich gebe eine 
Reihe Fundplätze nebst Höhe in Metern: 


Bei Neckargemünd . . . . .. . kaum 200 m 
Am Südhang des Schönberg . . . . . . 300 „ 
Bei Donaustauf . . 22.22 2 22.2.9330 , 
Ber Wehr... un... ee DAN 
Munterlay bei Gerolstein. . . 2.....430 , 
Unterhausen bei Reutlingen . . . . . . 500 , 
Auf dem Hohentwiel . . 2 2.2..2.2..680 , 
Tuttlingen . . . 2.22 2 2 2 2 nn... 60, 
Bei der Gemmi . . . 2.2... ca. 2000 


— 358 — 


In der Schweiz ıst simplex glacialis reichlich verbreitet und 
wurden von RoTHENBÜHLER im Berner Oberland an „einem aus Schnee- 
feldern hervorragenden sonnigen Grat“ noch in 2700 m Höhe ange- 
troffen. Bei 2000 m habe ich selbst diese Iuliden in solcher Menge 
gefunden, daß ich dem keinen ähnlichen Fall aus den Waldgebieten 
an die Seite setzen könnte. Das kalte Hochgebirgsklima ist diesen 
Tieren offenbar sehr zuträglich. Es ist daher nicht zu verwundern, 
daß sie in Ebene oder Hügelgelände niemals angetroffen worden 
sind. An den tiefsten beobachteten Stellen aber sind Verhältnisse 
gegeben, welche einen Schutz gegen die Sommerwärme ermöglichen. 
So fand ich den glacialis bei Neckargemünd in einem tiefen, feuchten 
Steinbruch, am Südhang des Freiburger Schönberg an einer Stelle, 
welche zwar an und für sich recht sonnig gelegen ist, aber am 
Waldrand und in einem Geröll, welches ein Verkriechen in tiefe feuchte 
Spalten jederzeit ermöglicht, bei Donaustauf in einer feuchten Wald- 
schlucht. Wald und Gestein sind unentbehrliche Lebensbedingungen 
dieses Juliden und nur im Hochgebirge kann der erstere entbehrt 
werden, weil die höhere Lage die erforderliche Feuchtigkeit garantiert. 
Ich habe die Tiere der verschiedenen Höhengebiete eingehend an 
der Hand von Präparaten studiert, kann aber versichern, daß sie 
vollkommen übereinstimmen. 

Nördlich von Heidelberg war simplex bisher nicht bekannt 
geworden. Daher war es für mich eine Überraschung, daß ich ihn 
am 3. 4. X. 1908 bei Gerolstein in der Eifel auffand und zwar 
an dem vorwiegend nach Nordwesten gelegenen, also nur mäßig 
belichteten Abhang der Munterlay einerseits und oberhalb der Burg 
Gerolstein andererseits. Dies ist zugleich das erste linksrheinische 
Vorkommen. Die betreffenden Individuen habe ich als var. rhenanus 
hervorgehoben. Wenn andere linksrheinische Punkte gleiche Individuen 
beherbergen, könnten sie auch als Unterart betrachtet werden. In 
Rheinpreußen habe ich länger gesammelt als in irgend einer andern 
Gegend des Deutschen Reiches, vor allem in dem Gebiet zwischen 
Sieg und Ahr und doch nie einen simpler gesehen. Insbesondere 
im Siebengebirge sind Plätze, an welchen er ebensogut existieren 
könnte wie bei Heidelberg. In Nassau habe ich bei Braunfels zahl- 
reiche Diplopoden gesammelt, aber ebenfalls keinen simplex gesehen; 
aus der Gegend von Marburg wird er von E. Erninssex ebenfalls 
nicht genannt’. Die bisherigen Erfahrungen über Diplopoden- 


' Juli 1905, Zoolog. Anzeiger No. 7. Bd. XXIX. 


— 359 — 


Verbreitung haben mir gezeigt, daß dieselben meist so außerordentlich 
geschlossene Areale aufweisen, daß wir in gegenteiligen Fällen, 
wie den vorliegenden, bestimmt auf besondere historische 
Verhältnisse schließen können. Die Häufigkeit des simple. in 
kalten Alpengebieten drängt uns aber geradewegs zu dem Schluß, daß 
dieses Tier in einer Periode, welche kälter war als die jetzige, in 
Mitteldeutschland reichlicher ausgebreitet war als heute, 
und daß diese Art in den Mittelgebirgen jetzt nur noch hier und 
da an zerstreuten Plätzen .als Relikt erhalten geblieben ist, wo 
sich nämlich die geforderten Ansprüche an Wald, Steine, Feuchtigkeit 
und Kühle vereinigt finden. In Rheinpreußen ist aber die Eifel als 
rauhes Gebiet allbekannt. Daß simplex in Süddeutschland noch 
besser erhalten ist als in Mitteldeutschland, ist von vornherein nicht 
anders zu erwarten, da Süddeutschland in seinen höheren Gebirgen 
größeren Individuenmassen die genannten Existenzbedingungen erfüllt. 

Das Existenzoptimum des Leptoiulus simplex zeigt eine 
niedrigere Temperatur als das der andern hier näher be- 
sprochenen Iuliden, denn 

1. ist er oberhalb der Baumgrenzen häufig und in Massen 
gefunden, daher von mir schon vor Jahren als Alpen-/ulus þe- 
zeichnet, während die andern Iuliden überhaupt nicht so hoch gefunden 
wurden, jedenfalls nie in Massen oberhalb der Baumgrenze. So ist 
Tulus ligulifer ausschließlich in tiefen Gebieten der Schweiz beobachtet 
worden, Leptophyllum nanum nicht über 1500 m. Cylindroiulus nitidus 
meist in tieferen Lagen, im Wallis von Fats! nur einmal bis 1900 m, 
während Tachypodoiulus albipes zwar bis 2000 m gefunden wurde, 
aber ein so hohes Bedürfnis für morsches Holz oder modernde Blatt- 
lagen bekundet, daß er oberhalb der Baumgrenze verhältlich spärlich 
erscheint, 

2. reichen diese Iuliden nach unten weiter als simplex, 
denn Tulus ligulifer ist sogar weit über die norddeutsche Tiefebene 
verbreitet, während die drei andern Formen auch in warmen Tal- 
waldungen vorkommen und an Plätzen, denen weiigstens umher- 
liegendes Gestein vollständig fehlt. So war es z. B. recht charak- 
teristisch, daß ich im Kaiserstuhl zwar Tachypodoiulus, Leptophyllum 
und Cylindroiulus nitidus antraf, nicht aber Leptoinlus simplex. In 
Rheinpreußen habe ich in Waldungen, welche auf Lehm und Kies 
stehen und von Gesteinsbrocken völlig frei sind, albipes und nitidus 


! Myriapodes du Valais, Genf 1902, Dissertation. 


— 360 — 


in Menge gesammelt und auch die Leptoiulus-Arten bertkaui und 
belgicus konnte ich von solchen Plätzen nachweisen, nie aber einen 
Alpen-Julus. 

Das Velum der hinteren Gonopoden habe ich in Abb. 11—17 
in 11 Fällen dargestellt, um zu zeigen, daß die feine Bezähnelung 
sehr variabel ist, sogar bei demselben Individuum, während die all- 
gemeine Gestalt beständiger ist. Bei einem 3 von Tuttlingen (Abb. 15) 
sehen wir hinsichtlich des Velum einen Übergang zwischen var. glacialis 
(Abb. 11—14) und var. rhenanus (Abb. 16 und 17). Hinsichtlich 
der Beinpolster aber gehört dieses Tuttlinger d zum echten glacialis. 

Am 8.—11. Beinpaar fand ich bei allen simplex-Männchen 
-unten ungefähr in der Mitte der Femora eine abgerundete Vor- 
wölbung, welche eine schwache Aushöhlung erkennen läßt. Vom 
benachbarten Gewebe zieht an diese Vorwölbung ein Bündel sehr 
feiner Fasern, welche Kanälchen drüsiger Zellen zu sein scheinen. 
Es handelt sich hier offenbar um eine ähnliche Haftvorrichtung, 
wie ich sie für Tihalassisobates adriaticus Vern. im 8. (28.) Aufsatz 
über Diplopoden 1908 in No. 17 des Zoolog. Anzeigers beschrieben 
habe, jedoch mit dem Unterschiede, daß hier die Haftbläschen außer 
den Beinpaaren hinter den Gonopoden auch vor denselben am 4. bis 
7. Beinpaar auftreten und an diesen kräftiger entwickelt sind. Bei 
Leptoiulus waren bisher derartige Haftstellen an den Femora 
noch nicht beobachtet worden. | 


V. Variation des Leptophyllum nanum LATZEL. 


In Rheinpreußen fand ich nanum nur rechtsrheinisch und in 
Süddeutschland ergab sich dasselbe, eine Reihe von Fundplätzen in 
Baden, Württemberg und Bayern, während Elsaß leer ausging. 
L. nanum gehört zu den weiter verbreiteten Arten, welche ich selbst 
im Böhmerwald, sächsischen Elbgau, Tatra, Siebenbürgen, Banat, 
Ungarn und Krain festgestellt und von allen diesen Gegenden mikro- 
skopisch untersucht und zergliedert habe, wobei ich die überein- 
stimmenden Gonopoden besonders betonen möchte. Der Rhein bildet 
nach den vorliegenden Erfahrungen für L. nanum die Westgrenze, 
während in den Alpenländern die Ausbreitung noch genauer fest- 
gestellt werden muß, wenn auch schon bekannt ist, daß die Art von 
der Westschweiz (Jura) bis nach dem nördlichen Krain (Weißenfels) 
vorkommt. 

Bei dieser, für einen Diplopoden recht weiten Verbreitung 
ist es nicht erstaunlich, daß L. nanum eine große Variation hin- 


— 361 — 


sichtlich der Segment- und Beinpaarzahl, sowie Körpergröße aufweist, 
wobei ich aber daran erinnern will, daß auch Leptophyllum-Arten von 
recht beschränktem Vorkommen schon große Segmentzahlvariation 
aufweisen können (vergl. den 6. (26.) und 10. (30.) Aufsatz über 
Diplopoden). | 

Schon LatzeL hat die Beinpaarzahl des nanum-S als von 
73—107 schwankend. angegeben, wobei allerdings zu bedenken ist, 
daß er wiederholt mehrere Diplopodenarten vermengt hat, indem er 
bei einer aus vielen Ländern angegebenen Form wiederholt nicht die 
genügende Zahl von Individuen gründlich genug geprüft hat, ins- 
besondere nicht aus jedem der angeführten Länder wenigstens ein 
Männchen mikroskopisch untersucht hat. Daß ich mich dieser Mühe 
unterzogen habe, muß schon deshalb betont werden, weil erst da- 
mit die einwandfreie Grundlage gegeben wird zu der Beweisführung, 
daß wirklich das echte nanum durch alle diese Länder verbreitet 
ist und daß wirklich Individuen desselben morphologisch-anatomischen 
Aufbaues so verschiedene Segment- und Beinpaarzahlen besitzen. 

Unter den zahlreichen, von mir gesammelten nanum-Individuen 
befindet sich auch ein bei Braunfels in Nassau gefundenes Schalt- 
männchen, das einzige, welches bisher überhaupt in der Gattung 
Leptophyllum beobachtet worden ist!. Da es gleichzeitig eine 
Segmentzahl aufweist, welche bisher für nanum noch in keinem 
Lande gesehen worden ist, darf diese Form als Varietät hervor- 
gehoben werden, zumal auch das 1. Beinpaar auffällig gestaltet ist. 
Vielleicht ist auch eine besondere Rasse unterscheidbar, analog dem 
Cylindroiulus nitidus rhenanus. Doch das bleibt der Zukunft zur 
Entscheidung, weil ein diesem Schaltmännchen entsprechendes Reife- 
männchen noch nicht vorliegt und es daher ungewiß ist, ob diese 


1 C. ATTEMS spricht in seinen „Myriapoden Steiermarks“ Wien 1895, 
Sitz.-Ber. kais, Akad. d. Wiss. Bd. 104. p. 226 von „Schaltmännchen“ des nanum. 
“In Wirklichkeit sind es aber Angehörige des normalen letzten Entwick- 
lungsstadiums, wie seine Beschreibung beweist. Er gibt „65 Beinpaare“ 
an und sagt ferner, „das 1. Beinpaar ist noch geradeso gestaltet, wie beim 
Immaturus mit geschlossenem Kopulationsring“. Übrigens spricht die Grüße 
von „8 mm“ dafür, daß diese jugendlichen Männchen nicht einmal der Haupt- 
torm angehörten, sondern meiner var. pusillum. Man sieht also. dab mein wirk- 
liches Schaltmännchen mehr als doppelt so groß ist und fast doppelt so viel 
Rumpfringe besitzt, wie das angebliche von ATTEms. RoTHENBÜHLER 1899 be- 
zieht sich auf ATTEvS und will ebenfalls ein Schaltmännchen gesehen haben. Da 
er jedoch nichts Näheres angibt, darf man annehmen, daß es normale Entwick- 
lungsformen wie in dem von ArTeNs beschriebenen Fall waren. 


— 362 — 


Form des 1. Beinpaares auf das Reifemännchen übergeht. Im übrigen 
habe ich nach der Segmentation zwei Varietäten unterschieden. 
Zwar gehen diese Größen-, Seginent- und Beinpaarzahlen allmählich 
ineinander über, aber ich habe doch gefunden, daß zwischen der 
größeren und kleineren Varietät eine gewisse Kluft besteht, welche 
einmal darin zum Ausdruck kommt, daß in einer bestimmten Gegend 
die Übergänge ganz fehlen, sodann auch darin, daß in manchen 
Gegenden die eine oder andere Varietät zu fehlen scheint, endlich 
auch in dem Umstande, daß die kleinere Varietät im südwestlichen 
Deutschland mit Zahlen auftritt, welche größtenteils anderweitig 
selten oder überhaupt nicht verzeichnet wurden. Daß es Männchen 
gibt, welche mit „5—6 fußlosen Endsegmenten“ geschlechtsreif sind. 
wurde schon von LATZEL hervorgeboben. 

A. Entwicklung mit einem Schaltmännchen. Dieses ist 
17';2 mm. lg. besitzt 111 Beinpaare und 2 beinlose Endsegmente, an 
den Stämmen des Gnathochilarium in der Mitte jederseits 3 Borsten ; 
sein 1. Beinpaar (Abb. 18) besteht aus Hüfte und 2—3gliederigem 
Telopodit, d. h. eine gedrungene Grundscheibe « ist scharf abgesetzt 
von dem übrigen Telopodit, welches nur innen (y) abgesetzt ist in 
zwei Abschnitte, deren endwärtiger nach innen dreieckig vorragt, 
während eine Endkralle nicht mehr erkennbar ist. 


l. nanum var. elongatum n. var. 
B. Entwicklung ohne Schaltmännchen. Geschlechtsreife Männ- 
chen mit 71—103 Beinpaaren (106). 
a) d 10'/s—12'/g mm lang mit 71—81, selten mit 83 Bein- 
paaren und meist 5—6 beinlosen Endsegmenten (seltener 3, 4 oder 7). 


2. nanum var. pusillum n. var. 


b) 3 12—18'/s mm lang mit 85—103 Beinpaaren und meist 
3—4 (seltener 2) beinlosen Endsegmenten. 


3. nanum LATZEL (yenuinum). 


Die in der Mitte der Gnathochilarium-Stämme des d auf- 
tretenden Borsten habe ich an einer Präparatenreihe geprüft, ohne 
etwas von Bedeutung finden zu können. Meist kommt jederseits 
bei pusillum ein und bei nanum (gen.) drei Borsten vor, es findet 
sich aber auch das Umgekehrte, während einzelnen Stücken diese 
Borsten fehlen. Polster an Postfemur und Tibia fehlen dem ge- 
nannten Schaltmännchen, während sie bei den Reifemännchen der 
2. und 3. Form vorhanden sind, zart und mit feinen Streifen gerieft. 


— 363 — 


Im Gegensatz zu Tachypodoiulus “albipes habe ich bei Lepto- 
phyllum nanum eine Beziehung zwischen Klima und Segmentzahl 
bisher nicht feststellen können, vielmehr sind die beiden Varietäten 
pusillum und nanum an einer Reihe von Orten nebeneinander be- 
obachtet worden, z. B. bei Braunfels und am Titisee. Das Schalt- 
männchen wurde bei Braunfels in höchstens 240 m Höhe ge- 
funden, an höheren Fundorten nirgends. Cylindroiulus nitidus und 
Leptophyllum nanum, welche oft an denselben Plätzen gefunden 
werden, schließen sich also auch in dem vereinzelten Vorkommen 
von Schaltmännchen aneinander an. 


VI. Einwirkung von Klima und Formationen auf Tachy- 
podoiulus albipes C. KOCH. 


Im 11. —15. (31.—35.) Diplopoden- Aufsatz, Nova Acta d. deutsch. 
Akad. d. Nat. Halle 1910, gebe ich weitere Mitteilungen über die 
Schaltmännchen der Iuliden und weise insbesondere auf verschiedene, 
bisher nicht berücksichtigte Merkmale derselben hin. (Vergl. auch 
die vorläufige Mitteilung über die Schaltstadien in No. 16/17 des 
Zool. Anzeigers, Juli 1909.) Ferner lieferte ich den Nachweis, daß 
wir unter Umständen zwei Schaltmännchen oder Schaltstadien 
zu unterscheiden haben, welche bei T. albipes besonders schön aus- 
geprägt sind. Diese Art läßt außerdem besonders deutlich den 
Einfluß der klimatischen Verhältnisse auf das Vorhanden- 
sein oder Fehlen von Schaltstadien erkennen. Zur Begründung solchen 
Einflusses bedarf es zahlreicher Beispiele, deren im folgenden eine 
Reihe neuer herangezogen werden sollen: 


albipes (genuinus) & 23 mm 69 Beinpaare 4 heinlose Endsegmente, Brunnen. 


231/a 13 4 i : 
n n n r Rn z 
A l Í 4 , i j Hohentwiel, 
„26 „ a = q 3 j Tuttlingen, 
„2 „ 73 5 4 s 5 Beuron, 
„ 27lls „ 75 5 3 e de a Schönberg. 
albipes elongatus „81! „ 8l ` D u x | Lichten- 
„ 32 , 83 ; 2 A p J stein. 
28 „19 s 3 Mi 
bej x 7 | B 
3,8 f 2 f j Beuron, 
g 31 und 3'2 „ 85 : 2 š Brunnen. 
g 2Ps, T E 3 A 


l Tuttlingen 
„ 30!2 , 8l 5 2 J Deren 


r 
kaj 
r 7 
albipes elongatissimus g 40 mm, 89 Beinp., 1 beinl. Ends. Pratteln. 
ae DL 5 2 7 Brunnen, 
„ 4i dar y 2. = » Schlucht (Vogesen) 


— 364 — 


Aus diesen Funden ergibt sich folgende Übersicht, zu welcher 
ich noch die Individuen aus Oberbaiern in Vergleich stelle: 


Südwestdeutschland und Nordschweiz: Oberbaiern bei Partenkirchen : 
albipes (yen.) & 69—75 Beinpaare albipes (gen.) 
3 oder aber meist 4 beinlose Endsegm. fehlt, 
23—27!/s mm Länge, elongatus & 77—83 Beinpaare 
elongatus Z 77—85 Beinpaare 26'/:—291/2 mm Länge, 
2—3 beinlose Endsegmente elonyatissimus 3 81—97 Beinpaare 
273;3—834!'2 mm Länge, 39—45',: mm Länge. 


elongatissimus g$ 89—95 Beinpaare 
1—2 beinlose Endsegmente 
38!/»—41 mm Länge 
Schaltmännchen I 29!’ mm 83 Beinpaare 2 beinl. Endsegmente Titisee, 
26'/2 75 2 
kj baj 


z ? » 

2 30 „ 8l 5 3 o, A J 

Í 30 8l 2o i Schönberg, 

X 31, n 83 5 2. g e 

x 833 „8 5 2 , Münster i. E., 

” 262 „ 79 E 3 , 2 Wehr, 
Schaltmännchenl] 35! „ 85 ` 2 . z Schönberg, 

R 36 „9 a DE 5 Tuttlingen, 

A 30 „ 85 5 2: = r 

5 32. , 8 P 2: 4 Á | Tuttlingen, 

A 38 . 95 „ 2, 5 

36 87 5 2 a Pratteln. 


a ” n 
Also Sch. 2 I 75—83 Beinpaare In Oberbaiern (Partenkirchen) 
261—33 mm Länge, Sch. £ I fehlt, 
Sch. 4 II 85—95 Beinpaare Sch. Z II 85—95 Beinpaare 
30—38 mm Länge, 33—45!'3 mm Länge. 


Die angeführten Fundplätze unter 1000 m verteilen sich auf drei 
Gruppen nämlich: 
1. Höhe 300—450 m (Schönberg 300—450, Wehr 370, Pratteln 
350—400 und Münster ı. E. 450 m). 
2. Höhe 500—700 m (Brunnen 500—600, Beuron 630, Tuttlingen 
650—700 und Hohentwiel 500—680 m), 
3. Höhe 730—950 m (Partenkirchen 730—800, Lichtenstein 800 
Titisee 860—950 m). 


Nach meinen früheren Beobachtungen soll also albipes (yen.) 
in den tiefsten Gebieten am reichlichsten vertreten sein, nach 
oben aber allmählich verschwinden, während umgekehrt elongatissimus 
über 500 m besonders vertreten sein soll, in den tiefsten Gebieten da- 
gegen fehlen. Zlongatus soll zwischen den beiden anderen eine 
mittlere Stellung einnehmen. Bestätigen das die neuen Beispiele? 


Zu einer richtigen Würdigung derselben muß zunächst daran er- 
innert werden, daß Plätze unter 300 m nicht vertreten sind, daß 
ich von solchen aber anderwärts den typischen albipes in Masse 
nachgewiesen habe. 
Für die oben erwähnten Individuen ergibt sich folgende Ver- 
teilung: 
albipes (gen.)6  elongatus20 elongatissimus 15 


2O00 A g 1 — 1 | 

300—450 m Höhe Sch. g — 6 2 f 3 

500— 35 6 1 we 

500—700 m , Sch. 4 — _ 4 jö 
ž d — 7 3 \ 

zn 1 
730—950 m! „ Sch. & — 1 g j 6 
1120—1140 m , | g — en 1 


Schlucht, Vogesen. 


Im Vergleich mit den Gebieten unter 300 m, wo albipes (gen.) 
überwiegt, fällt hier sofort das Gegenteilige auf, sodann ist elonya- 
tissimus tatsächlich nach oben stärker vertreten, während der typische 
albipes in der 3. Gruppe ganz fehlt. Diese Zusammenstellung kann 
aber nur ein Beitrag zu einer späteren vollständigeren sein, zumal 
aus Höhen über 1000 m mehr Exkursionsergebnisse herangezogen 
werden müssen. Ein bis in alle Einzelheiten zutreffendes Schema 
darf man aber um so weniger erwarten, als doch nicht die Höhen 
als solche, sondern die durch dieselben zum Ausdruck 
gebrachten Existenzverhältnisse maßgebend sind, also 
Feuchtigkeit, Belichtung, Erwärmung, Ernährung, Winterdauer. Man 
wird also, um überall klar sehen zu können, die Besonderheiten 
jedes einzelnen Platzes mit in Rechnung setzen müssen. Als Bei- 
spiele seien hier die Exkursionen am Hohentwiel und bei Pratteln 
angeführt: -Am ersteren fand ich nur die typische Form mit kleinen 
Männchen, während bei Pratteln ausschließlich der elongatissimus 
vorkam, außer den genannten Männchen auch eine Reihe kräftiger 
Weibchen, obwohl der Sammelplatz bei Pratteln tiefer liegt als 
der am Hohentwiel. Dennoch entsprechen diese Tatsachen voll- 
kommen meiner Theorie, denn der Hohentwiel ist ein freistehender 
Berg, welcher nicht nur den ausdörrenden Winden sehr ausgesetzt 
ist, sondern auch reichlichen Sonnenschein genießt. In den Wäldern 
und Steinbrüchen bei Pratteln dagegen haben Wind und Sonne weit 
weniger Zutritt, so daß dort die Frühreife, welche wir am Hohentwiel 


beobachten, um so weniger eintreten kann als auch die Feuchtigkeit 
Seren den. 4 
! In den drei Höhengruppen ist annähernd gleichmäßig gesammelt worden! 


— 366 — 


größer ist und dadurch weniger Veranlassung zu einer Sommerruhe 
oder Sommerschlaf! gegeben, innerhalb dessen das Wachstum zum 
Stehen kommt. .An den angeführten Plätzen Süddeutschlands und 
der Nordschweiz sind meist zwei Formen des albipes beobachtet 
worden oder nur eine, wo aber alle drei zugleich aufgefunden sind, 
wie bei Brunnen, waren die Örtlichkeiten in bezug auf Belichtung 
sehr verschiedenartig. 

Für die Beurteilung der Existenzverhältnisse des albipes kommt 
auch die geologische Formation, auf welcher er lebt, in Betracht, 
wie sich mit Bestimmtheit aus einer vergleichenden Übersicht 
meiner Exkursionen ergibt. T. albipes ist ein relatives Kalk- 
tier, welches durchgehends auf den Kalkformationen reichlicher 
vertreten ist als auf den kalkärmeren, soweit nur die nötige Be- 
waldung vorhanden ist. An 12 Exkursionstagen in Kalkformationen 
brachte ich 33 d und Sch.-8 des albipes mit also etwa 3 Stück auf 
den Einzeltag, während an 5 Exkursionstagen auf Phonolith und 
Urgestein nur 5 d und Sch.-d zur Beobachtung kamen, also nur 
1 Stück für den Tag. Deutlicher aber tritt dieser Gegensatz noch 
hervor, wenn ich die Gesamtzahl aller albipes-Individuen anführe, 
welche die betreffenden Exkursionen ergaben, nämlich: 


Beuron . . . . . 6 Stück Brunnen . . . . 33 Stück 
Tuttlingen. .. . 33 , Titisee ..... 4 „ 
Schönberg . .. 7 „, Münster i. E. Ta: ES 
Wehr. .2.....9 , Schlucht i E.. 2 „ 
Lichtenstein... 5 , Hohentwiel 6 „ 
Pratteln... . . 10 „ 

Somit ergaben dagegen 4 kalkarme Plätze 
7 Kalkplätze 103 Stück, nur 13 Stück, 

also etwa lə , also etwa 3 , 

für den einzelnen Tag für den Tag. 


Der tatsächliche Gegensatz ist aber eher noch größer, weıl 
ich nur diejenigen Plätze berücksichtigt habe, an denen ich albipes 
überhaupt nachgewiesen, verschiedene andere dagegen z. B. auf 


! Über den Sominerschlaf bei Diplopoden vergl. im 4. (24.) meiner 
Diplopoden-Aufsätze, Archiv f. Nat. Berlin 1906, S. 209—215. 

? Man vergl. auch den 18. (38.) Aufsatz über Diplopoden, „Die nord- 
böhmisch-sächsische Fauna und ihre Bedeutung für die Zoogeographie Mittel- 
europas“, welcher 1910 in den Verh. d. Ges. Isis in Dresden erscheint und 
ebenfalls Mitteilungen enthält über verschiedenartiges Verhalten der Diplopoden 
zu bestimmten Formationen. 


— 367 — 


Keuper, an denen ich ihn gar nicht beobachtete, fortließ. Anderer- 
seits mußten bisweilen albipes-Individuen an Kalkplätzen unberück- 
sichtigt bleiben, weil die Exkursionsgläser Sparsamkeit verlangten. 
Daß übrigens an und für sich die Urgehbirge ebenso kräftige 
Individuen erzeugen können wie die Kalkgebirge, lehrt das d von 
Schlucht in den Vogesen, welches das größte und beinpaarreichste 
ist von allen in Südwestdeutschland beobachteten. Die Steigerung 
von Körpergröße, Segment- und Beinpaarzahl nach oben (inner- 
halb der Wälder) haben also kalkarme und kalkreiche Formationen 
gemeinsam, nicht gemeinsam haben sie die Individuenfülle. 


B. Ascospermophora: 
VII. Neue Rassen des Craspedosoma simile VERHOEFF. 


Die Mehrzahl der in Südwestdeutschland und der Nordschweiz 
vorkommenden Craspedosomiden habe ich besonders behandelt 
im 17. (37.) Aufsatz: Deutsche Craspedosomiden, Verh. Ges. nat. 
Freunde, Berlin 1910. Keine Familie ist ın diesen Gebieten mit 
so charakteristischen Gestalten vertreten wie die Craspedosomidue, 
welche die wichtigsten endemischen Formen aufweisen. Im folgenden 
habe ich noch eine württembergische Rasse des simile bekannt zu 
machen, welche ich meinem verehrten Kollegen H. FiscueR widme, 
durch dessen dankenswerte Tätigkeit zahlreiche Myriapoden zutage 
gefördert wurden, welche sich im Kgl. Naturalienkabinett in Stutt- 
gart befinden. Anschließend veröffentliche ich ferner zwei simile- 
Formen aus der Nachbarschaft Stettins, gesammelt von meinem 
Freunde Dr. Dornmever daselbst, dem ich überhaupt zahlreiche M yria- 
poden-Funde in Pommern verdanke. 


1. Craspedosoma simile fischeri n. subsp. 


Die charakteristischen Merkmale dieser wie aller simile-Rassen 
liegen in den Fortpflanzungswerkzeugen, namentlich den Gonopoden, 
weshalb ich auf die übrigen Charaktere als bekannt nicht weiter 
eingehe. (Vergl. anbei Abb. 19—22.) Die Cheirite stimmen im 
wesentlichen überein mit denen des germanicum, nur ist der Innen- 
rand der Endfläche neben dem Grundzahn des Endfortsatzes (bei 
Abb. 22) glatt oder nur unbedeutend gezähnelt. Dieser Grundzahn 
ist also stark gegen den Querlappen d zurückgebogen, so daß er 
bei der Ansicht von hinten fast ganz von ihm verdeckt wird. 
Der Greiffortsatz ce besitzt einen Hauptzahn und 3—4 kleinere 
Nebenzähnchen. Der Endfortsatz a ist ziemlich breit und besitzt 


— 368 — 


außen ein unbedeutendes Höckerchen. Am Podosternit (Abb. 19) 
ist der hintere Mittelfortsatz Am entschieden keulig gegen das Ende 
verdickt, hier aber einfach abgerundet. In den Buchten zwischen 
ihm und den hinteren Seitenfortsätzen 4s ist die Querwand schräg 
abgedacht, innen erheblich höher als außen, so daß sie also ziemlich 
weit am hinteren Mittelfortsatz hinaufragt. Von einer vertieften 
Grube findet sich nur eine schwache Andeutung (x Abb. 21). Die 
am Grunde des hinteren Mittelfortsatz gelegenen Coxaldrüsen- 
öffnungen (oe Abb. 21 und 19) befinden sich fast in der Mitte 
zwischen dem Ende des vorderen Mittelfortsatzes und der inneren 
Ansatzstelle der Buchtenschrägung. Hinter dem vorderen Mittel- 
fortsatz bemerkt man eine feine Mediankante, welche aber nur bis 
zum Grunde des hinteren Mittelfortsatz reicht. Die drei vorderen 
Podosternitfortsätze reichen mit ihrem Ende ungefähr gleichweit 
empor. Die Seitenfalten (s/ Abb. 19) sind kräftig ausgebildet, endigen 
endwärts etwas hinter den Enden der vorderen Seitenfortsätze fein 
(Abb. 20 5), während sie grundwärts verbreitert sind, mit einem 
zarten Fältchen sich nach außen wenden, ð in der Mitte knotig 
angeschwollen sind œ und innen an den Grund der Seitenfortsätze 
angeschlossen. Diese Seitenfalten sind rauh von einer feinen Wärzchen- 
struktur. Abweichend von allen andern Rassen sah ich die Kanäle 
der Podosternitdrüsen (dr Abb. 21) stark S-förmig verlaufen. 

Vorkommen: Das einzige d von 13 mm Länge fand ich am 
12. X. 09 bei Tuttlingen in einem mit Corylus bewachsenen Geklüft 
von Kalksteinen, in gemischtem Walde. | 

Cr. simile fischeri kann mit alemannicum Vera. wohl nicht ver- 
wechselt werden, ebensowenig mit wehranum Vern., dagegen möchte 
ich swevicum VERH. erwähnen, zumal ich diese Art bei Beuron, also 
ebenfalls im obersten Donautal entdeckt habe. Bei swericum sind 
aber vor allem die Seitenfalten des Podosternit sehr kurz, die Podo- 
sternitfortsätze dagegen, mit Ausnahme des vorderen mittleren, recht 
lang, besonders beide Paare der Seitenfortsätze viel länger als bei 
fischeri. Der hintere Mittelfortsatz des suevicum ist dicker und gegen 
die Buchten nicht so abgesetzt, die Buchten selbst sind infolge der 
stärkeren Abschrägungen viel tiefer, Die Mündungen der Coxal- 
drüsen liegen in einer horizontalen Querlinie, welche gerade durch 
den Grund der Buchten geht, bei fischeri aber sich ein gut Stück 
grundwärts von demselben befindet. Eine Mediankante fehlt bei 
suericum. In den Cheiriten stehen sich beide Formen sehr nahe, nur 
besitzt der Greiffortsatz derselben bei suevicum zwei kräftige Zähne. 


— 369 — 


Was die Unterscheidung von den Rassen des simile betrifft, 
so ist germanicum bereits genannt worden, übrigens auch durch 
stärkere Podosternit-Mediankante ausgezeichnet, die zwei Formen 
aus Pommern werden unten noch besprochen. Cr. simile (gen.) und 
rhenanum weichen gemeinsam ab durch den Grundzahn am End- 
fortsatz der Cheirite, welcher frei nach grundwärts ragt, nicht gegen 
den Querlappen zurückgezogen ist, am Podosternit verläuft die Quer- 
wand in den Buchten entweder einfach quer, oder schräg ansteigend 
gegen den Mittelfortsatz wie bei fischeri. Im letzteren Falle ist 
aber die Schrägung nicht so stark wie bei fischeri, ein vertieftes 
Grübchen steht an derselben und die Drüsenschläuche machen keine 
auffallende Biegung. Cr. simile vomrathi weicht ab durch die 
am Grund der Endfortsätze mehrzähnigen und stark unter die Quer- 
lappen gebogenen Ecken der Cheirite, den am Ende deutlich aus- 
gebuchteten hinteren Mittelfortsatz des Podosternit, stärkere Median- 
kante desselben und tiefe Grübchen an den Querwandbuchten. 


2. Cr. simile balticum n. subsp. 


Die Cheirite (Abb. 23) unterscheiden sich von denen des 
simile (gen.) und des simile rhenanum durch den schmäleren, mit 
einem deutlicher abgesetzten Läppchen a bewehrten Endfortsatz, an 
dessen Grund der Zahn b zwar ebenfalls frei vorsteht und ein gut 
Stück vom Querlappen abgerückt ist, aber klein und neben ihm ein 
kleines Läppchen. Der Greiffortsatz c ist einfach einspitzig, der 
innere Rand der Cheiritendhälfte ungezähnelt. Am Podosternit 
(Abb. 27) ist der hintere Mittelfortsatz keulig und am Ende einfach 
abgerundet. Die Querwand verläuft in den Buchten s: einfach quer 
und zeigt nur eine schwache Zäpfchenanlage x. Zwischen den 
beiden Mittelfortsätzen kommt keine Gratbildung zustande. Die 
Drüsenmündungen befinden sich in einer Linie, welche ein gut Stück 
vor den Buchten grundwärts verläuft, während die Drüsenkanäle 
selbst ziemlich gerade nach grundwärts streichen. An den Buchten 
fehlen die vertieften Grübchen vollständig. Die drei vorderen 
Podosternitfortsätze sind ungefähr gleich lang, die äußeren sind außen 
kräftig stumpfwinkelig ausgebuchtet, daher in der Endhälfte plötzlich 
viel schlanker. Die seitlichen Längsfalten sind gut ausgebildet und 
stimmen überein mit denen von rhenanum und fischeri. 

Vorkommen: Dr. Dornmeyer sammelte 3 $ 1 8 im Anspülicht 
der Oderwiesen 30. III. 07, Altdamm bei Stettin. d 15'/s, @ 15'/2 mm 
lang. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 24 


— 310 — 


3. Cr. simile dormeyeri n. subsp. 


Die Cheirite ähneln sehr denen des balticum, besitzen wie 
bei diesem auch einen einfachen, einzähnigen Greiffortsatzzahn 
(Abb. 24) und glatten Innenrand. Der Endfortsatz ist breiter und 
mit kleinem Läppchen versehen, sein Grundzahn stärker als bei 
balticum und neben ihm kein Läppchen. Am Podosternit (Abb. 25) 
ist der hintere Mittelfortsatz am Ende deutlich ausgebuchtet und 
jederseits der Bucht etwas angeschwollen, die Endkeule zeigt jeder- 
seits etwas Wärzchenstruktur. In den Ausbuchtungen der hinteren 
Querwand si ragen dreieckige Zapfen h empor. Vertiefte Grübchen 
fehlen, Drüsenmündungen und Drüsenschläuche wie bei balticum. 
Vordere Seitenfortsätze des Podosternit außen nur schwach aus- 
gebuchtet, daher allmählich verschmälert. Seitliche Längsfalten gut 
entwickelt und wie bei balticum. 

Vorkommen: Im April ebenfalls von Dr. DormeyeR bei Stettin 
aufgefunden, 1 d 2 9. (Lindenlıof.) 

Anmerkung: Cr. simile balticum und dormeyeri unterscheiden 
sich gemeinsam von simile (gen.) und rhenanum Vern. durch den 
einzahnigen Greiffortsatz und ein schärfer abgesetztes Läppchen am 
Endfortsatz der Cheirite, ferner durch das Fehlen der vertieften 
Gruben hinter den Drüsenmündungen des Podosternit. 

Bei beiden Rassen sind die vorderen Seitenfortsätze jenes 
deutlich gegen den mittleren abgesetzt und bei beiden bleiben die 
vorderen Seitenfortsätze mit ihrem Ende vom Grunde der hinteren 
weit entfernt (in der üblichen Vorderansicht). Von einer medianen 
Gratbildung ist bei beiden Formen nichts zu sehen, ein Umstand, 
der sie von yermanicum schon leicht unterscheiden läßt. Die Unter- 
schiede von fischeri gehen schon aus den Abbildungen so deutlich 
hervor, daß ich sie nicht besonders zu erwähnen brauche. 


VIII. Beiträge zur Kenntnis der Chordeumiden. 
1. Zur Morphologie der Gattung Orthochordeuma VERA. 


Ich verweise zunächst auf meine folgenden, diese Gattung be- 
treffenden Schriften: Ein Beitrag zur Kenntnis der Gattung Chordeuma 
und einige Notizen zur deutschen Diplopoden-Fauna, Berlin. entomol. 
Zeitschr. 1892, H. 1, S. 7-—14 und Taf. II. 

Im IV. Aufsatz meiner „Beiträge“ usw. Archiv f. Nat. 1896, 
Abb. 76. Im VIII. Aufsatz, daselbst 1899, Bd. I, H. 2 vergl. man 
die Textabb. IV auf S. 120, ferner Abb. 81, Taf. XII. Auf S. 105 


— 371 — 


habe ich zum erstenmal über die vergleichend-morphologische Natur 
der so besonders merkwürdigen, durch zangenartige Gebilde aus- 
gezeichneten hinteren Gonopoden gesprochen und an ihnen die „be- 
grannte Peitsche“ und den „bezahnten Greifarm“ unterschieden, 
erstere nebst ihrer Basis als Coxa, letzteren als Telopodit (Femora) 
aufgefaßt. 1900 wies ich dann im XII. Aufsatz, Archiv f. Nat. Bd. I, 
H. 3, S. 374 und 375 an den hinteren Gonopoden ein drittes Gebilde 
von höckerartiger Gestalt nach, welches außen eine kleine Pigment- 
ansammlung besitzt. Mit Rücksicht auf dieses und den Umstand, 
daß bei pallidum Rotu. Peitsche und Greifarm verwachsen sind, 
betrachtete ich beide als Coxitteile, den Höcker dagegen „als Rest 
eines Femoralcylinders“. 1901 bin ich zum drittenmal auf die hinteren 
Gonopoden von Orthochordeuma eingegangen im XVIII. Aufsatz, Ver. 
v. Nat. in Württemberg, S. 102—104. Ich schrieb u. a. dort 
folgendes: „Ich kehre zu der Auseinandersetzung zurück, die ich 
in meinem VIII. Aufsatz gab, indem ich mich überzeugt habe, daß 
die Änderung, welche ich auf S. 374 des XIII. Aufsatzes vornahm, 
nicht stichhaltig ist. Die Peitschenteile und die Kissen bilden näm- 
lich zusammen ein untrennbares morphologisches Ganzes, beide zu- 
sammen stellen die Hüften dar, die Gonocoxite. Die Kissen sind 
die Stammteile und die Peitschen sind Pseudoflagella, die sich aber 
von den typischen Pseudoflagella (Mastiyophorophyllon) durch ihre 
Zerschlitzung in viele haarartige u. a. Spitzen auffallend unter- 
scheiden .... Die zangenartigen großen Arme sind tatsächlich 
Cheirite, denn sie haben einmal die entsprechende Lage, sodann 
artikulieren sie ganz deutlich mit den Hüften und sind im übrigen 
mit den Tracheentaschen verschmolzen. An letztere lehnt sich als 
schmaler Querbalken die hintere Ventralplatte.“ 


In den letzten Jahren konnte ich an der Hand neuer Präparaten- 
reihen von Chordeuma und Orthochordeuma einerseits zu neuen 
Beobachtungen gelangen, andererseits die alten noch gründlicher 
nachprüfen. Ferner gelang es mir, in der Schweiz die von RoTHEN- 
BÜHLER aufgestellten Arten Orthochordeumella pallidum und fulrum 
selbst in der Natur aufzufinden, so daß ich auch für diese Formen 
einiges Neue zutage fördern konnte. Ich möchte zuerst einige Be- 
merken vorausschicken über 


die Lageverhältnisse der Gonopoden und Nebengonopoden: 
Bei Orthochordeuma germanicum Veru. münden in den Coxiten 
der vorderen Nebengonopoden (vergl. im XVII. Aufsatz Abb. 19) 


24* 


— 872 — 


und der hinteren Haupt-Gonopoden (daselbst Abb. 20 und 22) die Aus- 
führungsschläuche von Hüftdrüsen, welche ein zähes Sekret liefern. 

Die Hinterfläche der vorderen Nebengonopoden erkennt 
man am leichtesten an einem vorragenden Lappen, welcher sich am 
langen Coxalfortsatzinnenrand ungefähr in der Mitte befindet. 

Die vorderen Gonopoden sind hinsichtlich Vorder- und 
Hinterfläche sofort an dem langen Sternitfortsatz zu unterscheiden, 
welcher stark nach hinten herübergekrümmt ist, mit seinem Ende 
aber nach vorn gebogen. Ferner besitzt das Sternit in der Mitte 
ein vertieftes Grübchen an der Vorderfläche, während die Gonopoden 
selbst nach hinten ausgreifen. 

Die hinteren Gonopoden bestehen also aus drei Gebilden, 
Zangen, zerschlitzten Peitschen und großen Höckern. Diese liegen 
alle hintereinander und zwar in der genannten Folge von vorn nach 
hinten!, die Höcker sind also die hintersten und stoßen in der 
Mediane gelenkig aneinander, wie ich das auch in Abb. 20 und 22 
des XVII. Aufsatzes dargestellt habe. 

Die hinteren Nebengonopoden sind mit ihren Telopoditen 
nach hinten herübergekrümmt, während nach vorn sich die Coxal- 
säcke wenden, wenn sie zur Ausstülpung gelangen. Vor den 
hinteren Nebengonopoden befindet sich ein niedriges, jederseits mit 
schwarzer Pigmentgruppe versehenes, queres Band, über welches 
weiterhin die Rede sein wird. 

Diese Orientierung über die Lageverhältnisse der am 
Copulationsapparat der männlichen Chordeumiden beteiligten 
Gliedmaßenpaare kann mehr oder weniger auch für die Orientierung 
über die entsprechenden Organe aller übrigen Chordeumiden dienen. 


Pseudocheirite: 

Daß die so ungewöhnlichen hinteren Gonopoden von 
Orthochordeuma der vergleichend-morphologischen Auffassung auch 
besondere Schwierigkeiten bereiteten, kann man schon aus meinen 
früheren Äußerungen entnehmen, die ich oben z. T. wiedergab. Ein 
genauer Vergleich von Chordeuma und Orthochordeumsella mit Ortho- 
chordeuma hat mir jetzt volle Klarheit gebracht und zugleich die 
Erklärung für meine früheren verschiedenen Ansichten, namentlich 
den Umstand, daß ich die Zangenteile einmal für Hüftgebilde 
und dann für Cheirite ansprach. Das Richtige liegt gewissermaßen 


! Im XVIII. Aufsatz sind Abb. 20 und 22 hinsichtlich ihrer Orientierungs- 
Erklärung verwechselt, d. h. 20 ist von hinten, 22 von vorn dargestellt. 


— 373 — 


in der Mitte und ist mir erst unter Vermittelung der in der Schweiz 
gefundenen Orthochordeumella zum deutlichen Bewußtsein gekommen. 

Vergleichen wir zunächst die hinteren Gonopoden von Ortho- 
chordeuma germanicum mit denen des Chordeuma silvestre, für 
welche ich auf die Textabb. II im VIII. Aufsatz meiner Beiträge ver- 
weise. Der wesentliche Unterschied liegt in den aufgeschwollenen 
und beborsteten, großen Telopoditen von Chordeuma, welche ganz 
nach außen abstehen und bei Orthochordeuma fehlen. Zangen und 
zerschlitzte Peitschen dagegen finden wir auch bei Chordeuma, aller- 
dings mit dem bemerkenswerten Unterschied, daß sie bei Ortho- 
chordeuma fast ganz voneinander abgespalten sind, während bei 
Chordeuma die zerschlitzte Peitsche wie ein großer Fortsatz der 
Zangen erscheint. Die Chordeuma-Zangen besitzen zwei Zähne (in 
Abb. II des VIII. Aufsatzes mit a und d bezeichnet), welche den 
Zähnen der Orthochordeuma-Zangen homolog sind, vergl. anbei 
Abb. 37 b und c. Während bei letzterer Gattung aber keine anderen 
Zähne vorkommen, finden wir deren noch drei bei Chordeuma. 
Außerdem wirken die Zähne der Orthochordeuma-Zangen wirklich 
zangenartig, weil diese Organe einander gegenübergestellt sind, bei 
Chordeuma dagegen neigen sich die Coxite der hinteren Gonopoden 
mit ihren Spitzen nach hinten herüber, so daß sie nicht wie 
Zangen wirken können. 

Trotz dieser Verschiedenheiten, welche durch die noch weiterhin 
zu besprechenden Funktionen bedingt werden, ist an der Homologie 
der Hauptbestandteile der hinteren Gonopoden-Coxite kein Zweifel 
mehr möglich, da in den Grundzügen des Baues Übereinstimmung 
herrscht, bei beiden die Zangen vor den zerschlitzten Geißeln liegen 
und bei beiden auch Coxaldrüsen in den Geißeln ausmünden, bei 
Chordeuma nur etwas weiter grundwärts.. Nun ist das Verhalten 
dieser Coxite zu Sternit und Tracheentaschen aber ein verschiedenes, 
denn bei Chordeuma sitzen die Coxite dem noch ziemlich kräftigen 
Sternit auf und sind getrennt von den am Sternit befestigten Tracheen- 
taschen. Bei Orthochordeuma dagegen sind die Zangenteile mit den 
Tracheentaschen verschmolzen und das Sternit bildet zwischen diesen 
nur noch ein schmales Band. 

Bei Orthochordeuma finden wir hinter den zerschlitzten Peitschen 
höckerartige Kissen, welche ohne scharfe Grenze in die Basis 
der Peitschen übergehen. Hat uns nun der Vergleich mit Chordeuma 
gezeigt, daß dort schon die den Zangen und Peitschen von Ortho- 
chordeuma entsprechenden Teile in unverkennbarer Weise vorhanden 


— 374° — 


sind, diese aber neben einem großen, beborsteten Telopodit vor- 
kommen, so folgt, daß wir auch bei Orthochordeuma, wo diese be- 
borsteten, aufgeschwollenen Gebilde fehlen, die Zangen nicht 
auf Telopodite zurückführen und mithin nicht als Cheirite 
bezeichnen dürfen. Vielmehr sind die Telopodite an den hinteren 
Gonopoden von Orthochordeuma zur Verkümmerung gelangt und 
als Zeugen dieser Rückbildung sehen wir an den genannten höcker- 
artigen Kissen außen die Pigmentflecke (vergl. Abb. 20 im XVII. 
Aufsatz), welche uns an metamorphosierten Gliedmaßen bei Diplopoden 
in hundert Fällen bereits die Reduktionsstellen angezeigt haben. 
Diese Erscheinung ist so häufig, daß ich nicht erst auf besondere 
Beispiele zu verweisen brauche. 

Tatsächlich zeigen aber doch die Zangenorgane von Ortho- 
chordeuma die für Cheirite charakteristische Verschmelzung mit den 
Tracheentaschen! Muß das nicht Bedenken wachrufen, ob die Er- 
klärung der Cheirite als Verschmelzungsprodukte von Tracheentaschen 
und Telopoditen überhaupt haltbar ist? Es hat sich doch ergeben, 
daß die Zangen von Orthochordeuma im Vergleich mit den Homologa 
von Chordeuma die abgespaltenen vorderen Coxithälften sind, 
ähnlich den Mesomeriten der Iuliden, welche sich von den hinteren 
Gonopoden abspalteten. Es sind also die betr. Organe von Ortho- 
chordeuma Verschmelzungsprodukte von Hüftteilen mit 
Tracheentaschen, für welche ich die Bezeichnung Pseudocheirite 
einführe, da sie mit den für die Craspedosomiden charakteri- 
stischen Cheiriten weder homolog noch homodynam sind, wie folgende 
Gegenüberstellung erläutern möge: 


Cheirite | Pseudocheirite 
gehören zum vorderen Gono- | gehören zum hinteren Gono- 
podensegment und befinden sich ! podensegment und befinden sich 
außen von den mehr oder weniger | vor den Hüftteilen, von welchen 
verwachsenen Coxiten desselben, | sie sich abgelöst haben. In der 
durch welche sie getrennt wer- | Mitte werden sie nicht durch 
den. Ihre Tracheentaschen sind | Coxitteile getrennt, vielmehr sind 
stark und ihre Basis stößt direkt | sie in der Mediane stark genähert. 
an die Unterzipfel des Pleuro- | Ihre Tracheentaschen sind klein 
tergit des 7. Rumpfringes. Die ' und ihre Basis wird außen von 
Lage der Cheirite weist somit | den vorderen Gonopoden umfaßt. 
auf ihre Entstehung aus Telo- | 

poditen hin, wie sie denn auch | 
durchgehends von den Coxiten 
scharf getrennt sind. 


| 
1 


— 395 — 


2. Orthochordeumella VERHOEFF 1900 [Pseudocheirite.] 
[= 1llochordeuma RoTHEngünter ! 1900] Revue Suisse de Zoologie, Genf. 


S. 375 im XIII. Aufsatz meiner Beiträge gab ich bereits einige 
Mitteilungen zu Orthochordeumella pallidum Rotu. und mußte mehrere 
seiner Ausführungen berichtigen. Nachdem ich nunmehr auch fulvum 
Rorn. aufgefunden habe, muß ich erneut auf seine Mitteilungen 
eingehen. Die beiden Paare von Coxaldrüsen, welche ich oben 
für Orthochordeuma an den vorderen Nebengonopoden und hinteren 
Hauptgonopoden angab, kommen ebenfalls bei Chordeuma silvestre 
vor und bei den beiden Ortkochordeumella-Arten. Für die hinteren 
Gonopoden des O. pallidum hat sie auf S. 177 seines 2. Beitrags 
z. K. d. Diplopoden-Fauna der Schweiz 1900 bereits RoTHEn- 
BÜHLER nachgewiesen. In den vorderen Nebengonopoden durchsetzen 
die Drüsenkanäle den größten Teil der langen Hüftfortsätze, lassen 
aber das letzte Stück derselben frei, so daß sie also, wie anbei aus 
Abb. 31 ersichtlich, eine gute Strecke vor dem Ende der Fortsätze 
innen ausmünden. In seiner Diagnose von „Allochordeuma” sagt 
ROTHENBÜHLER „im äußeren Habitus ähnlich Chordeuma silvestre“, 
was ich nicht unterschreiben kann, weil Orthochordeuma im Habitus 
mit Orthochordeumella übereinstimmt, beide aber von Chordeuma ab- 
weichen, indem diese Gattung einen dickeren und am Ende stärker 
verschmälerten Rumpf besitzt. Meist ist Chordema silvestre auch 
durch dunklere Färbung, wenigstens aber durch dunkleren Kopf von 
den Angehörigen jener beiden Gattungen unterschieden. 

Schon im XIII. Aufsatz betonte ich, daß O. fulvum Roru. eine 
selbständige Art ist. Nachdem ich sie selbst aufgefunden, erscheint 
es mir etwas rätselhaft, wie ROTHENBÜHLER dieses Tier als eine „var.“ 
des pallidum hat bezeichnen können. In seinem 2. Beitrag teilt 
er den Fund weiterer Individuen des falvum mit und spricht dann 
immer noch von „subsp.“ Es gibt ja fraglos in der Natur viele 
Fälle, in denen es teils Ansichts- teils Wissenssache ist, ob man 
von Art oder Unterart sprechen will. Hier bei fulvum kann darüber 
jedoch gar kein Zweifel bestehen, weil die Unterschiede nicht nur 
zahlreich, sondern z. T. auch sehr bedeutende sind, von R. aber 
teilweise nicht erkannt”. So sagt er S. 178 über die hinteren 


! Da beide Gattungen in demselben Jahr veröffentlicht wurden, mub 
darauf verwiesen werden, dab Orthochordeumella eher erschien, da sich R. 
S. 168 unten hereits auf den XIV, Aufsatz meiner „Beiträge“ bezieht. 

2 Wie ich auch schon an anderer Stelle erwähnt habe, liegt das Bedenk- 
liche derartiger Auffassungen wie des fulen von seiten ROTHENBÜHLERS darin 


— 3716 — 


Gonopoden von fulvum: „Die Unterschiede beschränken sich auf den 
mit 4 bezeichneten Hüftanhang, welcher bei pallidum lang und 
spitz, bei fulvum kurz und stumpf ist.“ [Mit „4“ hat er denjenigen 
Teil gemeint, welcher anbei in Abb. 28 mit a bezeichnet ist.) Daß 
diese Behauptung unrichtig ist, ersieht man aus der nachfolgenden 
Übersicht der Charaktere beider Arten. Ausdrücklich möchte ich 
aber noch betonen, daß an der Identität meines fulvum mit dem 
ROTHENBÜHLER’s kein Zweifel bestehen kann, da die Abb. 19 und 20 
seines 1. Beitrags vollständig meinen Tieren entsprechen. 


Orthochordeumella pallidum Orthochordeumella fulvum 
Rorn. RorH. 


Vordere Nebengonopoden VordereNebengonopodenmit 
mit dreieckigen Coxiten, welche viereckigen Coxiten, auf welchen 
in einen langen, etwas nach außen innenein vornund hinten scharf ab- 
gebogenen Fortsatz ausgezogen gesetztes, S-förmiggeschwungenes 
sind, der gegen das übrige Coxit Pseudoflagellum sitzt, welches am 
hinten nicht abgesetzt ist, aber Einnde ungegabelt bleibt (Abb. 31). 
am Ende in zwei kurze Äste Die keuligen Telopodite sind gegen 
gabelig geteilt, zwischen denen : den Grund mehr allmählich ver- 
der Sekretfaden der Coxaldrüsen | schmälert und sitzen dem Coxit 
hervorgestoßen wird. Vorn ist | breit und ganz nach endwärts 
der Coxitfortsatz gegen den Grund- | gerichtet auf. 
teil des Coxit deutlich quer ab- 
gesetzt. Die Telopodite sind 
oval, am Grunde plötzlich und 
kurz gestielt, ganz außen den 
Coxiten aufsitzend. 


pallidum. Julvum. 


VorderesG@onopodenseg- | VorderesG@onopodenseg- 
ment mit einem sehr hohen, in | ment (Abb. 33) mit einem nur 
einen spießartigen Fortsatz aus- | mäßig hohen Sternit-Aufsatz, 


daß wenn solch bedeutend unterschiedene Formen fälschlich als „var,“ bezeichnet 
werden, der Blick des Forschers für wirkliche Varietäten, ja 
selbst für Arten mit feineren Unterscheidungscharakteren ver- 
loren gehen muß. 

1 ROTHENBÜHLER zeichnet in seiner Abb. 15 die Coxite in der Grundhälfte 
beborstet, da diese Borsten nur an der Vorderfläche vorkommen, aber die Ab- 
setzung fehlt, so hatte er diese nicht bemerkt, ein Punkt, der jedoch im Ver- 
gleich mit fulrum von Belang ist. 


gezogenen Sternitaufsatz, dessen 
Ende ungefähr so weit wie die 
Gonopodenenden nach außen ragt. 
Vordere Gonopoden nur innen 
lappenartig erweitert. Sternit ohne 
vorspringende Seitenlappen. 

Hintere Gonopoden mit 
breiten, hinten der Länge nach 
ausgehöhlten Pseudocheiriten, 
in welche die zerschlitzten Peit- 
schenfortsätze eingelegt werden 
können. Außer diesen sind noch 
zwei lange Nebenfortsätze vor- 
handen. 

Hintere Nebengonopoden 
mit spitz nach außen herausge- 
bogenem Endglied, vor dessen 
Spitze ein schwaches Gliedrudi- 
ment sitzt. 


377 


— 


welcher dreieckig emporragt, aber 
nicht in einen Fortsatz aus- 
gezogen ist. Vordere Gonopoden 
(Abb. 32) innen und weiter grund- 
wärts, auch außen d ın einen 
Lappen erweitert. Sternit mit vor- 
springenden, durch tiefe Bucht 
vom Mittelteil getrennten Seiten- 
lappen. f 

Hintere Gonopoden (Abb. 28) 
mit schmalen Pseudocheiriten, 
welche hinten keine Aushöhlung 
besitzen, am Ende aber eine durch- 
aus andere Gestalt und Bezahnung 
aufweisen (Abb. 30). Nebenfort- 
sätze ebenfalls zwei, von denen 
aber nur der eine ò eine beträcht- 
liche Länge erreicht. 

HintereNebengonopoden 
(Abb. 34) mit mehr nach endwärts 
gerichtetem Endglied, welches ab- 
gerundet ist und der Endspitze 
entbehrt; auf seinem Ende sitzt 
ein kurzer Kegel als Rest eines 


weiteren Gliedes. 


Die Pseudocheirite von Orthochordeumella sind als solche, 
d. h. als Verwachsungen von Coxithälften mit Tracheentaschen ebenso 
unverkennbar wie bei Orthochordeuma. Sie nähern sich in ihrer 
Gestalt der primitiveren Bildung der Coxite von (Chordeuma aber 
insofern, als sie noch nicht die eigentliche Gestalt gegeneinander- 
greifender Zangen besitzen, sondern mit ihren Spitzen mehr nach 
hinten gerichtet sind (Abb. 28). 

Nicht verschweigen kann ich die Ansicht, welche RoTHENBÜHLER 
auf S. 176 seines zweiten Beitrages über die vorderen Gonopoden 
von ÖOrthochordeumella geäußert hat, indem „dieses Gonopodenpaar 
unzweifelhafte Cheirite“ darstellen soll, „welche aus der Verschmelzung 
von Femoriten und Tracheentaschen entstanden sind“. Er bezieht 
sich dabei besonders auf seine Abb. 7 der Taf. 13, während ich als 
Gegenstück dazu auf meine anbei gelieferte Abb. 32 verweisen muß. 

7Zweierlei ist nun an RortmuexgüntLers Darstellung entschieden 


unrichtig: Einmal existiert der von ihm in Abb. 7 mit „m“ bezeich- 
nete Muskel in natura nicht, vielleicht ıst dieser Irrtum durch eine 
feine Streifung oder Runzelung an den betreffenden basalen Innen- 
lappen der vorderen Gonopoden entstanden. Sodann kann ich auch 
die von R. angegebenen Stigmen nicht bestätigen. Es gibt in 
der Gegend, wo man Stigmen erwarten sollte, wohl kleine Grübchen 
(x Abb. 33) aber keine Stigmen, ebensowenig habe ich an den 
Tracheentaschen des vorderen Gonopodensegmentes etwas von Tracheen 
erkennen können. A priori ist auch RoTHENBÜHLER’Ss Abb. 7 deshalb 
sehr bedenklich, weil er die bewußten Stigmen ganz getrennt von 
den Tracheentaschen gezeichnet hat. 

Endlich hätte es Bedenken erregen müssen, daß wir, wenn diese 
stabartigen Gebilde des vorderen Gonopodensegmentes „Cheirite“ sein 
sollten, vor der erstaunlichen Tatsache ständen, daß die eigentlichen 
koxalen Stammteile der vorderen Gonopoden vollständig fehlen würden! 
Stelle ich nun unter Hinweis auf Abb. 32 fest, daß die vorderen 
Gonopoden von ÖOrthochordeumella (aber auch Orthochordeume) mit 
ihrem Sternit ebensogut verwachsen sind wie mit ihren Tracheen- 
taschen, so ergibt sich, daß hier von „Cheiriten“ nicht die Rede 
sein kann. Die kleinen Tracheentaschen stehen damit auch nicht 
in Einklang, denn die Tracheentaschen der echten Cheirite sind durch 
breite Flächen charakterisiert, welche der kräftigen Muskulatur solcher 
Greiforgane zum Ansatz dienen. 


3. Die Gruppen der Familie Chordeumidae VERH. 


1899 habe ich im VIII. Aufsatz meiner Beiträge u. a. auch 
eine Zweiteilung der Chordeumiden (oder wie sie damals als Unter- 
familie noch benannt wurden, Chordeuminae) vorgenommen, in die 
beiden Tribus (kordeumin: und Orthorhordeumini. Dieselben sollen 
auch keineswegs aufgegeben werden, aber es hat sich die Notwendig- 
keit ergeben, Mirrochordeuma und Genossen als besondere Gruppe 
vor den übrigen Chordeumiden hervorzuheben, da sie durch- 
gehends im Bau der vorderen Nebengonopoden eine sehr abweichende 
Organisation zeigen, was um so mehr ins Gewicht fällt, als damit 
das Vorhandensein oder Fehlen entsprechender Coxaldrüsen Hand 
in Hand geht, welche als Produzenten zäher Sekretfäden auch auf 
die Art der Kopulation einen Einfluß haben. 

Die Artenzahl der Chordeumiden ist bisher noch ziemlich 
gering, namentlich in der ersten Unterfamilie Chordeuminae. Um so 
mehr verdient es hervorgehoben zu werden, daß sich diese z. T. für 


— 979 — 


Diplopoden weit verbreiteten Arten als auffallend fest oder beständig 
in allen ihren Charakteren erwiesen haben, so daß z. B. Chordeuma 
silvestre in dem großen Gebiet von der Riviera bis nach Mittel- 
deutschland sich unverändert erhalten hat, ein unter allen Ascosper- 
mophora beispielloser Fall. 

A. Die vorderen Nebengonopoden bestehen aus Hüften und 
kräftigen, ein- bis zweigliedrigen Telopoditen. Die Coxite sind in 
lange, von Drüsenkanälen durchsetzte Fortsätze ausgezogen, vor 
deren Ende sie ausmünden. Die auf die Copulationsorgane folgenden 
9. und 10. Beinpaare der Männchen mit einfachen Hüften (die 
bekannten Arten sind mittelgroß). 


1. Unterfamilie Chordeuminae mihi. 

a) Hintere Gonopoden mit Pseudocheiriten, ihre Telopodite 
sind verkümmert. Hintere Nebengonopoden ohne Hüftfortsätze, 
ihre Telopodite mit zwei gedrungenen Gliedern. Vordere Neben- 
gonopoden mit einem großen Telopoditglied, welches das Rudiment 
eines weiteren Gliedes trägt. 


1. Tribus Orthochordeumint VERH. 

(Hierhin Ortkochordeuma und Orthochordeumella Vern.) 

b) Hintere Gonopoden ohne Pseudocheirite, d. h. die Tracheen- 
taschen bleiben von den Coxiten getrennt, ihre Telopodite sind als 
aufgeschwollene, große und beborstete Glieder entwickelt, welche 
nach außen abstehen. Hintere Nebengonopoden mit nach endwärts 
gerichteten Hüftfortsätzen, ihre Telopodite mit zwei schlanken Gliedern, 
deren zweites nach außen umgeklappt ist. Vordere Nebengonopoden 
mit zwei kräftigen Telopoditgliedern. 


2, Tribus Chordeumiınz mihi. 
(Hierhin Chordeuma LATZEL.) 


B. Die vorderen Nebengonopoden bestehen nur aus kleinen 
Hüften, denen sowohl die Fortsätze als auch die Coxaldrüsen fehlen, 
ebenso fehlen vollständig die Telopodite. Die Hüften des 9. und 
10. (oder auch noch 11. und 12.) Beinpaares der Männchen sind 
nach endwärts in kräftige Fortsatzzapfen ausgezogen. 


2. Unterfamilie Microchordeuminae n. subfanı. 
(Hierhin Microchordeuma und Chordeumella Vern.) 
Diese Übersicht beschränkt sich zunächst auf die Männchen. 
Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß dieselbe später auch durch 


— 380 — 


die Weibchen ergänzt wird, zumal ich damit in meinem 11.-—15. (31. bis 
35.) Aufsatz, welche 1910 in den Nova Acta, Halle, erscheinen werden, 
bereits den Anfang gemacht habe. Bei den Weibchen kommen nicht 
nur die Cyphopoden (Vulven) in Betracht, sondern auch deren 
Nachbarschaft und die verschiedene Anheftung der Spermatophoren. 
(Vergl. auch meinen vorläuf. Bericht in den Sitz.-B. Ges. nat. Freunde. 
Berlin 1909, No. 4, S. 219—225.) 

Für die Gattungen Orthochordeuma und Orthochordeumella möge 
schließlich eine neue Übersicht der unterscheidenden Charaktere 
folgen: 


Orthochordeuna VERH. Orthochordeumella VERH. 


Vordere Nebengonopoden am Vordere Nebengonopoden hinten 
Coxitfortsatz hinten ausgehöhlt, |, nicht ausgehöhlt, innen ohne 
innen mit einem Lappen die Aus- ' Lappen. Der Coxitfortsatz ist 
höhlung umfassend. Der Coxit- , entweder allseitig vom Coxit ab- 
fortsatz weder vorn noch hinten : geschnürt und dann als Pseudo- 
gegen das Coxit abgesetzt, mit , flagellum S-förmig gewunden oder 
seinem Ende nach außen ge- | nur hinten gegen das Coxit ab- 
krümmt, aber weder S-förmig, |; gesetzt und dann am Ende ge- 
noch am Ende gegabelt. gabelt. 

Vordere Gonopoden kurz und Vordere Gonopoden ebensohoch 
klein, viel kürzer als der Sternit- | aufragend wie der Sternitfortsatz 
fortsatz. Hintere Gonopoden mit | oder noch erheblich länger. Hin- 
zerschlitzten Peitschen, aberohne | tere Gonopoden mit zerschlitzten 
längere Nebenfortsätze. Pseudo- ı Peitschen und mit 1—2 längeren, 
cheirite innen mit starken Greif- , spitzen Nebenfortsätzen. Pseudo- 
zähnen, schlank, ungefährparal- ' cheirite breiter, innen ganz ohne 
lel zueinander eingefügt. ' Greifzähne, mit den kleinen End- 

| zähnchen und Eckchen nach hin- 
ten vorragend, übrigens X-förmig 
gestellt, also mit den Enden stark 
‚ abneigend. 


4. Wo blieb bei den Chordeumiden das zweite Paar der sperma- 
führenden Coxalsäcke? 

Unter den in Europa vorkommenden Familien der Ascospermo- 
phora sind die Chordeumiden bekanntlich die einzige, welche hinter 
den Gonopoden nur ein Paar Coxalsäcke aufweist. Dieses einzige 
Paar ist allerdings von einer im Vergleich mit den Coxalsäcken 


— 381 — 


sonstiger Ascospermophora erstaunlichen Größe. Merkwürdig ist 
ferner, daß wir an den Hüften des auf die hinteren Nebengonopoden 
folgenden Beinpaares bei den Chordeumiden niemals auch nur 
die Spur von Coxalsäcken gefunden haben, obwohl man das mit 
Rücksicht auf die übrigen Ascospermophora hätte erwarten können. 
Von der überraschenden Entdeckung eines Cyphopodensternit 
nebst Stigmen und Tracheentaschen bei den weiblichen Chor- 
deumiden berichtete ich bereits 1909 in einem vorläufigen Aufsatz 
der Sitz.-B. Ges. nat. Freunde, Berlin, No. 4. Merkwürdig, daß mir 
eine ähnliche Entdeckung bei den männlichen Chordeumiden 
ungefähr ein Jahr später beschieden war und diese auch ähnliche, 
jedoch nicht homologe Teile betrifft. Bei der Untersuchung einer 
Männchen-Reihe von Orthochordeuma germanicum fiel mir ein Paar 
eigentümlicher Pigmentflecke auf, welche sich in dem Gebiet 
zwischen den hinteren Gonopoden und hinteren Nebengonopoden 
befinden, etwas tief gelegen, und den letzteren mehr als den ersteren 
genähert. Anfangs glaubte ich es mit irgend einem abgerissenen 
Gebilde oder einer zufälligen Erscheinung zu tun zu haben. Die 
absichtlich darauf gerichtete Präparation zeigte aber bald, daß es 
sich um eine ganz normale Bildung handelt, die ich auch bei 
Chordeunu silvestre nachweisen konnte. Bei stärkerer Vergrößerung 
(Abb. 36) erkennt man vor dem Sternit v der hinteren Nebengono- 
poden ein kleineres, aber scharf von ihm abgesetztes, weiteres 
Sternit v1, welches sich bandartig quer erstreckt und an jeder 
Seite einen kleinen, schwach warzigen Höcker A bildet. Außen hinter 
dem Vorderrand fällt eine Grube st: auf, welche durchaus den 
Stigmengruben normaler Sternite entspricht und in ihrer Tiefe 
auch einige jener Windungen erkennen läßt, welche wir in gewöhn- 
lichen Stigmengruben antreffen. Die Stigmen selbst sind offenbar 
verkümmert. Jederseits der Mediane findet sich eine quere, zerstreute 
Pigmentmasse p, welche in der Mitte eine fensterartige Lücke 
läßt. Diese Pigmentmasse ist vorn, innen und hinten von einer 
Furche umgrenzt. Schon oben habe ich daran erinnert, daß bei 
denjenigen Gliedmaßen der Ascospermophora, welche eine Verküm- 
merung erfahren haben, an der Verkümmerungsstelle eine Ablagerung 
schwarzen Pigmentes stattfindet. Hier haben wir ganz offenkundig 
das Belegstück für ein rückgebildetes Beinpaar in dem 
erhalten gebliebenen Sternit desselben, während das Bein- 
paar selbst noch durch die genannten Wülste und Pigmentansamm- 
lungen angedeutet wird. Die Antwort für die oben aufgeworfene 


=, B == 


Frage war mir also durch die Auffindung dieser Überbleibsel nahe- 
gerückt und zwar in einer gänzlich unvorhergesehenen Weise. Während 
die Entdeckung des Cyphopodensegmentes durch meine schon Jahre 
vorher ausgeführte Theorie über die Doppelsegmentnatur auch der 
vorderen Rumpfringe des Diplopoden-Körpers gewissermaßen vor- 
bereitet war, kam dieser Fund ganz und gar unverhofft. Die Ant- 
wort auf die Überschriftfrage dieses Kapitels lautet also: 

Das zweite Paar der spermaführenden Coxalsäcke der 
männlichen Chordeumiden ist nicht mehr vorhanden, weil 
das eigentliche vordere Beinpaar des 8. Rumpfringes bis 
auf geringe Spuren verkümmert ist. 

Die hinteren Nebengonopoden sind also bei den Chordeumiden 
eigentlich gar nicht solche, sondern sie entsprechen dem hinteren 
Beinpaar des 8. Rumpfringes. Deshalb kann man sie aber doch 
ohne Bedenken als hintere Nebengonopoden bezeichnen, da sie das 
funktionell unter allen Umständen sind und bleiben. Will man 
aber einen Bezeichnungsunterschied von typischen hinteren Neben- 
gonopoden machen, so könnten sie als Ersatznebengonopoden 
aufgeführt werden. 

Es fragt sich nun, wie sich zu dieser neuen Erkenntnis, durch 
welche die Chordeumiden von den übrigen Ascospermophora noch 
schärfer unterschieden werden, die Verteilung der weiter nach hinten 
folgenden Beinpaare verhält. Larze hat in seinem bekannten Hand- 
buch für C'hordeuma-d angegeben, daß auf die Kopulationsorgane noch 
39 Beinpaare folgen, während beim 9 auf den 7. Rumpfring noch 
40 Beinpaare folgen. Hiernach würden die Männchen also nur ein 
Beinpaar hinter demselben weniger besitzen, welches eben den hinteren 
Nebengonopoden entsprechen würde. Nach meinem Befund sollte 
man beim Männchen hinter den Kopulationsorganen eigentlich nur 
38 Beinpaare erwarten. Wenn man aber die einzelnen Beinpaare 
hinsichtlich ihrer Ringzugehörigkeit prüft, lassen sich ohne Schwierig- 
keit das 1. und 2. Beinpaar hinter den hinteren Nebengonopoden 
auf das 9. Rumpfdoppelsegment beziehen und die weiteren zu je 
zweien auf die weiter folgenden Ringe, so daß hinten ein Ring übrig 
bleibt, dem nur ein Beinpaar zukommt, ein Umstand, den ich mir 
dadurch erkläre, daß dieses Beinpaar im Leben ganz nach hinten 
gerichtet wird. Auch bei Stücken, die man in ihre Ringe zerlegt, 
werden die Beinpaare in der angegebenen Weise verteilt. 

In meinem neuen System der Diplopoda-Ascospermophora 
(Zoolog. Anzeiger. 1909 No. 18/19) habe ich unter C diejenigen 


— 383 — 


Familien aufgeführt, deren Männchen am 8. Rumpfring nur ein 
Paar Coxalsäcke aufweisen; außer den Chordeumidae sind das 
die Metopidiotrichidae,Conotylidae undCaseyidae. Diese 
drei sind viel weniger gut bekannt als die Chordeumidae und 
bei ihrer weiteren Untersuchung muß auf die Frage des Vorkommens 
der Homologa des rudimentären geschilderten Chordeumiden- 
Segmentes ganz besonders geachtet werden. 


5. Das entdeckte Geheimnis im Bau und in der Befruchtung. 


Wenn ich durch diese Abschnitt-Überschrift auf das berühmte 
Buch von Christian Konrad Sprengel anspiele, „das entdeckte 
Geheimnis der Natur im Baue und der Befruchtung der Blumen“ 
(Berlin 1793), so geschieht es nicht etwa deshalb, weil ich hier auf 
Vorgänge hinweisen will, welche den Bestäubungserscheinungen ähn- 
lich sind, wohl aber in dem Bewußtsein, daß die Befruchtung der 
Chordeumiden (und mehr oder weniger aller Ascospermo- 
phora) sich unter so wunderbaren Verhältnissen abspielt, daß wir sie 
ohne Frage mit den verwickeltesten Erscheinungen der Blüten-Biologie 
vergleichen können hinsichtlich der überraschenden 
Einrichtungen zur Sicherung der Befruchtung auf Um- 
wegen. 

Die überaus komplizierten Kopulationsorgane der Ascosper- 
mophora spielen in der Systematik die entscheidende Rolle, 
seitdem ich gezeigt habe, daß die Gattungscharakteristik in 
erster Linie von ihnen abhängt und für die vergleichende Mor- 
phologie liefern sie die herrlichsten Unterlagen nach der Richtung 
der Organmetamorphosen. Aber nach einer dritten, nämlich 
biologisch-physiologischen Richtung bieten diese Organe nicht 
minder großes Interesse, zumal hier die natürlichen Beziehungen 
zwischen beiden Geschlechtern in Betracht kommen. 

Auf diesem Gebiet machte ich einen Anfang mit der Behand- 
lung der weiblichen Cyphopoden und mit den Spermatophoren, wie 
schon oben erwähnt worden ist. Wie aber die zahlreichen männ- 
lichen Fortpflanzungswerkzeuge der Chordeumiden eigentlich 
zusammenwirken, ist bisher von niemand näher zu erläutern ver- 
sucht worden, so sehr diese Gebilde auch gerade bei dieser Familie 
dazu auffordern. 

Die Ascospermophora sind unter allen Hauptgruppen der 
Diplopoden diejenige, deren Mitglieder am zartesten gebaut und 
daher auch am empfindlichsten sind. In der Gefangenschaft gingen 


— 384 — 


sie mir stets viel schneller als andere Diplopoden zugrunde. Die 
direkte Beobachtung der Copula im allgemeinen ist in der freien 
Natur nicht schwierig. Die genaueren Umstände der Spermaüber- 
tragung direkt zu verfolgen, war mir dagegen bislang nicht möglich. 
Durch Untersuchung zahlreicher Männchen verschiedener Plätze, ver- 
schiedenen Fangdatums und daher auch verschiedenen Zustande: 
ihrer Sexualorgane wurde es mir jedoch ermöglicht, die Schicksale 
des Spermas und damit die Vorbereitungen zur Befruchtung wenigstens 
bis zu einem gewissen Grade zu verfolgen, und damit auch einige 
Schritte weiter zu kommen im Verständnis der Werkzeuge. 

Hinter dem 2. Beinpaar oder hier bei den Ascospermophora 
sogar am 2. Beinpaar selbst münden bekanntlich die Vasa deferentia, 
welche die Hüften nahe an der Hinterwand durchsetzen mit einer 
kurzen, zarten Röhre oder zwei hintereinander gelegenen Läppchen, 
so daß also eine nur unbedeutende Penisbildung jederseits zustande 
kommt. 

Es gelang mir nun, wie durch Abb. 35 erläutert wird, fest- 
zustellen, daß das Sperma die Vasa deferentia bereits in 
Paketen verläßt, zähen, langgestreckten und etwas schraubig 
gedrehten Stangen, welche bis zur Endkralle des halb eingekrümmten 
2. Beinpaares reichen und aus beiden Hüften zugleich hervor- 
gepreßt werden. Bekanntlich bringt nun das Männchen bei allen 
mit Copulationsorganen am 7. Rumpfring ausgestatteten Diplopoden 
den Vorderkörper zur Einkrümmung, um das Sperma von den 
Mündungen der Geschlechtswege in die Gonopoden zu übertragen. 
Bei den Ascospermophora, denen ich eben deshalb diesen Ordnungs- 
namen beigelegt habe, wird dagegen das Sperma zunächst nicht von 
den Gonopoden, sondern von den Hüftsäcken des 8. Rumpfringes 
aufgenommen, bei unsern Chordeumiden aber nur von einem 
Paar Hüftsäcken, welches sich durch ganz besondere Größe aus- 
zeichnet. Abbildungen solcher Hüftsäcke der Ascospermophora habe 
ich schon in früheren Arbeiten eine ganze Reihe beigebracht, ich 
verweise insbesondere auf die Textabb. III im VII. Aufsatz 1899, 
wo die hinteren Nebengonopoden von Chordeuma in halb aus- 
gestülptem Zustand dargestellt sind und der Retraktor in seiner 
ganzen Länge. Diese großen Coxalsäcke nehmen also die geschilderten 
Spermastangen auf und geben ihnen, die offenbar zäher, aber leicht 
dehnbarer Beschaffenheit sind, eine andere, dem Umfang der Coxalsäcke 
entsprechende Gestalt, wenigstens habe ich diese Coxalsäcke wieder” 
holt von einer je nach den Gattungen rundlichen oder länglichen 


| 


is aa 


— 35 — 


Spermamasse angefüllt gefunden, die sich bei Chordeuma, Ortho- 
chordeuma und Microchordeuma als deutlich feinkörnig erwies. 

Im Gegensatz zu diesen weichen, dehnbaren Spermamassen 
stehen die bei der Untersuchung der weiblichen Chordeumiden 
schon erwähnten, höchst zähen und nicht mehr dehnbaren Kappen- 
Spermatophoren. Dieselben kommen offenbar bei allen Chor- 
deumiden vor, denn inzwischen habe ich sie mehrfach auch bei 
Orthochordeuma germanicum beobachtet’, wo sie, wie aus Abb. 37 
ersichtlich, am ehesten über den Enden der hinteren Gonopoden 
anzutreffen sind. Übrigens handelt es sich bier noch nicht um 
fertige Spermatophoren, sondern offenbar nur um Hohlkappen, 
welche ich sowohl in dem Zustande beobachtet habe, da sie sich 
noch als zwei getrennte Kappen nebeneinander vorfanden, als 
auch nach ihrer Zusammenlötung in der Mediane, wie im Fall der 
Abb. 37. 

Die Frage, woher diese Hohlkappen von Orthochordeuma 
stammen, würden wir ohne die Coxaldrüsen (dr Abb. 37), welche 
in den zerschlitzten Geißeln der hinteren Gonopoden ausmünden, 
oe nicht beantworten können. Die Farbe der Hohlkappen ist eine 
gelbliche und eine besondere Struktur kommt ihnen, von kleinen 
unregelmäßigen Strichen, die hier und da vorhanden sein können, 
abgesehen, nicht zu. An den dünneren Randstellen aber geht die 
Farbe der Hohlkappen durch gelblich in glashell über und glashell 
und strukturlos sind auch die Sekretfäden, welche den Coxaldrüsen 
entquellen. Da nun bisweilen glashelle Fetzen neben der Mündung 
dieser Drüsen angetroffen werden und die ganzen Hohlkappen sich 
ihnen benachbart finden und wie sie selbst anfangs ebenfalls paarig 
sind, so kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die Hohl- 
kappen durch das Sekret der Coxaldrüsen der hinteren 
Gonopoden gebildet werden. Man könnte auch an eine Mit- 
wirkung der Coxaldrüsen der vorderen Nebengonopoden denken. Da 
solche jedoch bei Microchordeuma fehlen, die Kappenspermatophoren 
dieser Gattung aber gleichfalls zukommen, so ist die Mitwirkung 
dieser ohnehin weiter abliegenden Drüsen also nicht erforderlich. 
Wie das Sekret zu so eigentümlichen glockigen Kappen gestaltet 
wird, läßt sich vorläufig noch nicht bestimmt sagen. Ich möchte 
aber auf die Möglichkeit einer Mitwirkung der hinter den hinteren 


1 1909 habe ich in den Sitz.-Ber. Ges. nat. Fr. No. 4 für Orthochordeuma 
auf S. 223 die „körnigen Spersıamassen* erwähnt, so daß die „amorphen Sper- 
matophoren“ für diese Gattung also nur etwas Vorläufiges sind. 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 25 


— 386 — 


Gonopoden von Orthochordeuma und Orthochordeumella gelegenen 
abgerundeten Höcker bei diesen Gattungen hinweisen, zumal ich an 
ihnen bisweilen ebenfalls glasig-gelbliche Sekretfetzen bemerkt habe. 
Das Sekret könnte also zunächst über diese Buckel gebracht werden 
und durch sie eben eine glockige Anfangsform erhalten, dann durch 
die Gonopoden auf das Ende der hinteren gestülpt und von dem 
Sekret der Drüsen dann weiter verstärkt werden. Wie dem auch 
sein mag, festgestellt habe ich, daß bei Tieren mit fertigen 
Hohlkappen die Coxalsäcke mit körnigem Sperma angefüllt 
waren, ferner daß trotz Fertigstellung dieser Hohlkappen die hinteren 
Coxgldrüsen noch weitere Sekretfäden unter der Reizung des konser- 
vierenden Alkohols ausgestoßen hatten, womit eben bewiesen wird, 
daß diese Coxaldrüsen auch nach Fertigstellung jener noch zu weiteren 
Leistungen fähig sind. 

Wir kommen jetzt zu einer weiteren, höchst merkwürdigen. 
mechanischen Beziehung zwischen den vorderen und hinteren 
Gonopoden, welche uns zugleich eine Antwort geben soll auf die 
Frage, weshalb das Sternit des vorderen Gonopodensegmentes eine 
so ungewöhnliche Umbildung erfahren und namentlich in einen langen, 
mit seinem Ende nach vorn hakig umgebogenen Fortsatz ausgezogen 
ist. In den Abb. 39 und 40 habe ich beide Gonopodenpaare von 
Orthochordeuma germanicum und das Sternit v des vorderen im Zu- 
sammenhang dargestellt, Abb. 39 zeigt diese Organe gerade von 
vorn, Abb. 40 schräg von der Seite, wobei derim Bogen geschwungene 
und mit seinem Ende hakig nach vorn gebogene Sternitfortsatz be- 
sonders zur Geltung kommt (4). In beiden Abbildungen sind zugleich 
die über die Pseudocheirite gestülpten Hohlkappen sph sichtbar. 
während die zerfaserten Peitschen (Pseudoflagella) nur in Abb. 40 
eingezeichnet worden. In Abb. 39 muß auffallen, daß das Sternit 
mit den vorderen Gonopoden (vyp) erheblich mehr nach außen be- 
festigt ist als die in die Gonopodentasche tiefer eingesenkten hinteren 
Gonopoden. Dies hängt damit zusammen, daß der hakige Sternit- 
fortsatz in gewöhnlicher Lage ganz nach hinten herüber- 
gebeugt ist, während die schwachen vorderen Gonopoden die 
mittleren Teile der Pseudocheirite umfassen. Die beiden Gono- 
podenpaare nebst dem Sternit der vorderen sind also ganz 
ineinandergefügt und es ergibt sich, daß die Lücke, welche 
sich jederseits zwischen dem hakigen Sternitfortsatz und den vorderen 
Gonopoden befindet, zur Aufnahme der Pseudocheirite des 
hinteren Gonopodensegmentes bestimmt ist. 


yon 


— 387 — 


Bei meinen Präparationen konnte ich mich ferner überzeugen, 
daß das Sternit des vorderen Gonopodensegmentes in der eben ge- 
schilderten Lage nicht absolut fest liegt, sondern nach vorn herüber- 
gedreht werden kann. 

Wenn ich nun bisher noch kein Männchen von Orthochordeuma 
unter Händen gehabt habe, in dessen Copulationsapparat sich ganz 
fertiggestellte Spermatophoren befanden, so kann das doch durchaus 
nicht erstaunlich sein. Ein zur Copula vorbereitetes d ist 
nämlich im Besitz der Hohlkappen einerseits und mit körnigem 
Sperma angefüllten Coxalsäcken andererseits. Soll die Copula 
stattfinden, dann tritt der hakige Sternitfortsatz in Tätigkeit, 
indem er sich nach vorn bewegt. Hierdurch wird aber das 
ihm den Weg versperrende Paar der Hohlkappen nach 
außen (unten) geschoben und zugleich nach vorn, so daß die Höhlung 
der Kappen den Coxalsäcken entgegengehalten wird. Indem 
diese (cod Abb. 40) durch Blutdruck allmählich sich gegen die Hohl- 
kappen ausstülpen, gelangt das Sperma, welches sie in sich bergen 
in die Höhlungen derselben und das wesentlichste Ereignis 
der Spermatophorbildung ist eingetreten. Ob dasselbe statt- 
findet vor oder nach einer Umfassung des zu befruchtenden Weibchens, 
läßt sich noch nicht bestimmt erklären, ich halte es aber für wahr- 
scheinlich, daß es vorher geschieht und daß dann die Sperma- 
tophoren durch das Sekret der Coxaldrüsen der hinteren Gonopoden 
verklebt werden, etwa wie ein gefülltes Doppelgefäß mit einer Blase 
oder einem Deckel überklebt wird. Erfolgt dann die eigentliche 
Copula, so muß durchäußerste Vorwärtsstreckung des Sternit- 
fortsatzes das Spermatophor gegen die weiblichen Cypho- 
poden gepreßt werden, an denen es haften bleibt, wenn die ge- 
nannten beiden Coxaldrüsenpaare mit ihrem Sekret es angeleimt 
haben. Das Männchen kann sich dann durch Rückwärtsstreckung 
des Sternitfortsatzes aus diesem Zustande der Verankerung ohne 
Schwierigkeit lösen. Es ergibt sich hieraus zugleich, daß den 
Pseudocheiriten eine Tätigkeit als Greiforgan im Sinne der Craspe- 
dosomiden nicht zukommt, so daß die physiologische Erklärung mit 
der morphologischen durchaus harmoniert. Greife ich das Gesagte 
kurz zusammen, so ergibt sich, daß die Befruchtung bei Ortho- 
chordeuma germanicum durch folgende Vorgänge eingeleitet wird: 

1. Übertragung zäher Spermamassen in die Coxalsäcke. 

2. Bildung zweier Hohlkappen von fester Substanz durch die 
Coxaldrüsen der hinteren Gonopoden und Verklebung derselben in 

23 * 


— 388 — 


der Mediane zwischen den drei sie haltenden Fingern, nämlich Pseudo- 
cheiriten und Sternitfortsatz. 

3. Entleerung des Spermas in die Hohlkappen, bei Vorneigung 
durch den Sternitfortsatz. 

4. deckelartige Verschließung der Spermatophoren. 

5. Befestigung derselben durch den Sternitfortsatz an den 
Cyphopoden und Anheftung an denselben mit Coxaldrüsensekret. 

Die bisherige Darstellung bezieht sich im wesentlichen auf 
Orthochordeuma germanicum. Wenn auch gewisse Grundzüge in 
den Vorbereitungen zur Befruchtung für alle Chordeumiden gelten. 
so bestehen dennoch innerhalb dieser sehr bedeutende Verschieden- 
heiten hinsichtlich der Einrichtungen sowohl als auch hinsichtlich 
der Vorgänge. Neben Orthochordeuma germanicum habe ich Chor- 
deuma silvestre am eingehendsten untersuchen können und will des- 
halb die Vorbereitungen zur Befruchtung und die Beziehungen zwischen 
Spermatophoren und Copulationsorganen auch bei dieser Gattung 
aufzuklären suchen. 

Bei Chordeuma silvestre fallen im Vergleich mit Orthochordeuma 
folgende Unterschiede in der Organisation der männlichen Organe 
besonders ins Gewicht: 

1. Besitzt das Sternit des vorderen Gonopodensegmentes (Abb. 41 
und 43) statt eines sehr großen drei kürzere Fortsätze, welche eine 
durch feine Wärzchen (Abb. 42 pr1) teilweise rauhe Oberfläche be- 
sitzen. Der mittlere Fortsatz ist zwar auch nach vorn gekrümmt. 
aber er besitzt keinen eigentlichen Haken, ist nicht nach hinten 
mit dem Sternit herübergebeugt, sondern nach außen und sogar 
etwas nach vorn geneigt (pr Abb. 43), am Ende ist er etwas ver- 
dickt und springt vorn in einen durch eine Bucht getrennten Höcker k 
vor, welcher ebenfalls von kleinen warzenartigen Höckerchen rauh 
ist (Abb. 42 X) und ein mit Spitzchen besetztes Kissen krönt (k1 Abb. 
41 und 42). Die vorderen Gonopoden sind dagegen größer als bei 
Orthochordeuma, so daß sie die Sternitfortsätze mit ihren Enden 
weit überragen. 

2. Während bei Ortkochordeuma die Pseudocheirite der hinteren 
Gonopoden umfaßt werden von den vorderen Gonopoden und ge- 
trennt durch den großen Sternitfortsatz, stoßen bei Chordeuma die 
Coxite der hinteren Gonopoden in der Mediane aneinander, können aber 
bei Bedarf auch ein gut Stück auseinandergebogen werden (Abb. 41). 
Zugleich greifen die vorderen Gonopoden ein zwischen die Coxite 
und Telopodite der hinteren und sind nach hinten’ herübergeneigt. 


— 389 — 


3. Die Coxite der hinteren Gonopoden sind zwar entschieden 
nach hinten herübergebogen gegen die Coxalsäcke, so daß auch 
ihre zum Halten befähigten Fortsätze und die zerschlitzten Peitschen 
mit ihren am Grunde derselben gelegenen Coxaldrüsenmündungen 
ganz gegen die Coxalsäcke gerichtet sind, aber die Endspitzen der 
Coxite sind doch auch nach innen gewendet (Abb. 41), so daß 
ihnen eine gewisse greifende Funktion gegeneinander nicht ab- 
gesprochen werden kann. 

4. Die Coxalsäcke der hinteren Gonopoden sind noch größer 
als bei Orthochordeuma und nicht nur in der Mitte quer eingeschnürt 
und am Ende in zwei Lappen eingeteilt (a, b Abb. 38), an deren 
größerem und äußeren die Fasern der Retraktor-Muskeln ansetzen, 
sondern von den größeren Lappen aus ist noch ein etwas hakig 
gebogener Nebensack (d) zur Ausbildung gelangt, der im aus- 
gestülpten Zustand wie ein gebogener Zapfen absteht. Diese ge- 
bogenen Nebensäcke dienen im ausgestülpten Zustand als Halt- 
vorrichtungen für die Spermatophoren, denn diese findet man 
stets an den hinteren Nebengonopoden, nicht (wie bei Orthochordeuma) 
auf den Pseudocheiriten. 

Während bei Ortlochordeuma das Sperma stets als eine kugelige 
Masse in den eingestülpten Coxalsäcken zu erkennen ist, habe ich 
es bei Chordeuma nicht nur als längliche, also viel tiefer ein- 
gesenkte Masse beobachtet, sondern zugleich zeigte sich auch das 
letzte, dem Ausgang zugekehrte Stück dieser Masse und zwar !/s 
bis ”js derselben viel dunkler als das übrige. Nun habe ich die 
freiliegenden Spermatophoren bei Chordeuma nicht als strukturlose 
Hohlkappen gesehen, sondern immer schon mit körnigem Sperma 
verklebt, zugleich bei Individuen, deren Coxalsäcke stets völlig aus- 
gestülpt und leer waren; dagegen sah ich freiliegende Sperma- 
tophoren niemals bei Individuen, deren Coxalsäcke gänzlich mit 
Sperma gefüllt waren. Einmal beobachtete ich ein Männchen, 
welches auf einer Seite im Coxalsack Sperma führte, auf der andern 
Seite dagegen ein Spermatophor und einen leeren Coxalsack, ein 
Zeichen, daß die Spermatophorenbildung beider Seiten etwas nach- 
einander erfolgt. 

Es ergibt sich aber aus den eben genannten Beobachtungen, 
daß das Sekret der Coxaldrüsen der hinteren Gonopoden nicht zu 
Hohlkappen über diesen gestaltet wird, sondern zunächst in die 
Coxalsäcke ergossen, nachdem sich bereits das Sperma darin befindet. 
Man kann immer das gelbe Sperma auffallend abgegrenzt finden 


— 390 —- 


von dem dunkelbraunen, weiter außen darüber stehenden Sekret 
und findet bei in Alkohol konservierten Tieren beide Substanzen an- 
einandergeflossen und zu einer festen Masse erhärtet. Mit dem Ein- 
fließen des Drüsensekretes in die Coxalsäcke harmoniert der Um- 
stand, daß ich es niemals in so festen Fäden aus den Mündungen 
hervorkommen sah wie bei Orthochordeuma mehrfach. Es scheint 
also, daß das Sekret in den Coxalsäcken einige Zeit über dem Sperma 
steht, vielleicht sich auch schon teilweise mit ihm darin mischt und 
daß erst, wenn eine größere Zähigkeit eingetreten ist, eine völlige 
Ausstülpung des ganzen Inhaltes der Coxalsäcke erfolgt. Diese 
vermischte Masse bildet dann auf den ausgestülpten 
Säcken jene Kappen!, welche schon LarzeL in Abb. 85 seines 
Handbuches abgebildet und mit yy bezeichnet hat aber lediglich 
als „chitinös“ angesehen. (Er schrieb von einer „chitinösen, leicht 
abfallenden Kappe, deren beide Hälften, da wo sie zusammenstoßen, 
manchmal verwachsen sind.“) Daß bei der Ausstülpung aus den 
Coxalsäcken die Spermatophoren noch nicht völlig erhärtet sind, 
ergibt sich aus dem Umstande, daß die beiden Hälften aneinander- 
backen und ferner aus dem Vergleich der Spermatophoren beim 
Männchen und denjenigen, welche ich beim Weibchen aufgefunden 
habe, Gebilde deren Gestalt erhebliche Unterschiede zeigt. Ehe 
ich aber darauf eingehe, müssen wir uns nach der Bedeutung der 
vorderen Gonopoden und ihres Sternit fragen, da sich für diese aus 
der bisherigen Erörterung noch nichts ergeben hat. 

Das Schicksal der ausgestülpten Spermatophoren habe ich ge- 
schildert bis zu ihrer medianen Verklebung, wo sie dann hinten 
von den Goxalsäcken gestützt und vorn von den gegen sie geneigten 
hinteren Gonopoden gefaßt werden. Ein Vergleich der in Abb. 41 
und 43 dargestellten Organe mit denen der Gattung Orthochordeuma 
(Abb. 39 und 40) zeigt uns, daß eine Tätigkeit des Fortsatzes des 
Sternit der vorderen Gonopoden wie dort nicht stattfinden kann, 
d. h. daß die Spermatophoren aus ihrer Lage durch den Sternit- 
fortsatz bei Chordeuma nicht herausgehoben werden können. Die 
beim Männchen angetroffenen Spermatophoren, in deren Innerem 
man übrigens den Abdruck der Coxalsackenden bemerkt, also 
auch den Abdruck des geschilderten gebogenen Nebensackes, sind 


! Die zähe Beschaffenheit der Kappen konnte ich in einem Fall besonders 
deutlich erkennen, wo sie sich im Alkohol den Cexalsüäcken so angeklebt hatten, 
dab bei der Präparation sich nicht die Kappen lösten. sondern mit den Coxal- 
säcken und deren Retraktoren abrissen. 


in ihrer etwas an die Hohlkappen von Orthochordeuma erinnernden 
Gestalt für eine Aufnahme durch die Organe des vorderen Gono- 
podensegmentes so ungeeignet, daß ich mir anfangs vergeblich ein 
Bild ihrer Tätigkeit zu machen suchte. 

In Abb. 44 und 45 aber habe ich das quere Kappensperma- 
tophor dargestellt, welches sich an den Vulven der befruchteten 
Weibchen als Begattungszeichen vorfindet. Seine Vorderwand 
ist viel kürzer als die Hinterwand A. Vorn und endwärts ist ein 
querer Eindruck zu erkennen, welcher durch einen der Vorderwand 
angehörenden Höcker b in zwei Hälften c, c eingeteilt wird. Jeder- 
seits besitzt das Spermatophor einen starken Lappen, in dessen 
Innerem einst das Ende der männlichen Coxalsäcke saß. Hinter 
dem queren Eindruck ragt die Hinterwand in der Mitte nicht vor, 
ist vielmehr etwas ausgebuchtet, man erkennt an ihr aber sofort 
einen dunklen Mittelstreifen a als Ausdruck der Entstehung des 
Spermatophors aus zwei getrennten Hälften, wie oben geschildert 
wurde. Aber auch jederseits ist ein dunkler Streifen und zugleich 
eine Furche d zu erkennen. 

Dieses quere Kappenspermatophor läßt sich nun recht 
gut als angepaßt an das vordere Gonopodensegment auf- 
fassen, denn sein Sternit-Mittelfortsatz (pr Abb. 43) vermag an den 
Mittelstreif (a Abb. 45) der Spermatophor-Hinterwand sich von innen 
anlegend das Spermatophor so zu fassen, daß das Ende des Fort- 
satzes unter den Höcker b der Vorderwand zu liegen kommt, der 
Sternithöcker k aber sich grundwärts vorn bei y in der Mitte der 
Vorderwand anpreßt. Die Seitenfortsätze des Sternit nebst den vorderen 
Gonopoden vermögen sich dann in den seitlichen Bezirken der 
Spermatophor-Hinterwand innen von den dunklen Seitenstreifen, also 
zwischen c und d, gegen das Spermatophor zu pressen, um es an- 
fangs zu halten, wobei von vorn her die vorderen Nebengonopoden 
als Gegenhalt dienen, später aber bei der Copula gegen die Vulven 
des Weibchens zu drücken. Der Übergang von dem zweibuckeligen 
Spermatophor der Männchen zu dem queren der kopulierten Weibchen 
läßt sich dann so erklären, daß die ersteren noch zäh und knetbar sind 
und zwischen den Gonopoden eine dem Sternit der vorderen Gono- 
poden angemessene Umformung durch Pressung erhalten, wobei sie 
durch Auseinanderspreitzen der Coxite der hinteren Gonopoden aus 
ihrer ursprünglichen Lage heraus und zwischen diesen hindurch nach 
vorn geschoben werden. Die hauptsächlichsten Vorgänge zur Ein- 
leitung der Befruchtung bei Chordeuma silvestre sind also folgende: 


392 


1. Übertragung zäher Spermamassen in die Coxalsäcke. 

2. Ergießen des Sekretes der Coxaldrüsen der hinteren Gono- 
poden in die Coxalsäcke auf das Sperma. 

3. Ausstülpung erst eines und dann des andern Coxalsackes. 
dessen Inhalt auf seiner Oberfläche eine gewisse Erstarrung und 
Festigung erhält, zugleich eine glockige Form.; Aneinanderkleben der 
beiden glockigen Hälften in der Mediane. 

4. Vorwärtsschieben des Spermatophors und Knetung zwischen 
den Gonopoden, wodurch es dem Sternit der vorderen mehr angepaßt 
wird, querer gestreckt und mehr von hinten nach vorn zusammen- 


gedrückt. 


5. Befestigung des queren Kappenspermatophors an den Vulven 
durch völlige Verklebung derselben. 

Das Unterscheidende in den Befruchtungsvorbereitungen 
von Chordeuma und Orthochordeuma liegt in folgendem: 


Chordeumu. 

Die länglich-tiefen Coxalsäcke 
nehmen nicht nur zunächst das 
Sperma, sondern hinterher auch 
noch das Sekret der Hüftdrüsen 
auf. 

Durch Ausstülpung der Coxal- 
säcke wird die vereinigte Sperma- 
und Sekretmasse auf den Enden 
der Säcke zu zwei glockigen 
Spermatophoren gestaltet, welche 
dann in der Mediane verkleben. 
Zwischen den beiden Gonopoden- 
paaren und dem Sternit der 
vorderen wird dieses Doppel- 
spermatophor geknetet, dem Ster- 
nit angepaßt. 


| 
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| 
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| 


Orthochordeuma. 


Die rundlichen Coxalsäcke kön- 
nen nur das Sperma aufnehmen, 
während Hohlklappen aus dem 
Sekret der Hüftdrüsen über den 
Pseudocheiriten gebildet werden. 
Durch Ausstülpung der Coxal- 
säcke gelangt das Sperma in die 
Hohlkappen, wodurch die Sperma- 
tophoren gebildet werden. Ein 
langer Sternitfortsatz neigt durch 
Vorwärtsbewegung die Sperma- 
tophoren zunächst nach vorn. 
später bei der Copula zieht er 
sie ganz aus den hinteren Gono- 
poden heraus. 


Beiden Gattungen gemeinsam sind folgende Erscheinungen: 

1. Liefern die Hüftdrüsen der hinteren Gonopoden 
ein Sekret, welches als Binde- und Schutzmittel für 
das Sperma dient, indem es den entstehenden Sperma- 
tophoren die nötige Festigkeit verschafft; 

2. das Sperma als solches wird eine gewisse Zeit 
in den Coxalsäcken verwahrt, gelangt mit den Gono- 


— 393 — 


poden aber nur in Gestalt von Spermatophoren in Be- 
rührung, d. h zusammen mit dem zähen Sekret der 
Hüftdrüsen; 

3. es fehlen also an beiden Gonopodenpaarenalle 
zur unmittelbaren Spermaaufnahme geeigneten Ein- 
richtungen, wie namentlich Gruben, Taschen oder 
Rinnen, vielmehr dienen 

4. die hinteren Gonopoden dem Halten der Sperma- 
tophoren, während 

5. die vorderen Gonopoden nebst Sternit haupt- 
sächlich die Befestigung der fertiggestellten Spermato- 
phoren an den Vulven zu besorgen haben. 

Soweit es sich übersehen läßt, gelten diese gemeinsamen 
Eigentümlichkeiten für alle Chordeumiden und ein bedeutender 
physiologischer Gegensatz besteht überhaupt zwischen ihnen und 
allen denjenigen Familien der Ascospermophora, welchen hinter 
den Gonopoden zwei Paar Coxalsäcke zukommen. 

Nehmen wir aus einem komplizierten Uhrwerk ein Rädchen 
heraus, so steht es still und nehmen wir aus dem verwickelten 
Werkzeug-Arsenal der Befruchtungsvorbereitungen bei Chordeu- 
miden ein Organ fort, etwa den Sternitmittelfortsatz bei Orthochor- 
druma, so ist der ganze Erfolg dieser Vorbereitungen unterbunden. 
Je komplizierter ein technisches Werk gefügt ist, desto leichter muß 
es Schaden erleiden und je mehr Organe zu einer bestimmten Leistung 
zusammenwirken, desto eher kann eine Stockung der Funktionen 
eintreten. Trotz der geschilderten gemeinsamen Grundzüge der 
männlichen Organe von ('hordeuma und Orthochordreuma ist doch 
jede Gattung so originell gebaut, daß wir nicht irgend ein Organ 
der einen mit dem homologen Organ der andern Gattung vertauschen 
könnten, ohne die ganze Arbeit der Organe zu zerstören. Bei beiden 
Gattungen wird auf verschiedenen Wegen aber in gleich vollkommener 
Weise fast dasselbe Ziel erreicht. Daß trotz der hohen Komplikation 
der Organe die Fortpflanzung leicht und sicher von statten geht, 
beweist sowohl das an manchen Orten geradezu häufige Auftreten 
dieser Gattungen, als auch ihre für Diplopoden ziemlich weite 
Verbreitung. Die beiden Gattungen sind durch nur je eine Art ver- 
treten, welche mit Rücksicht auf ihre auffallend geringen Abänderungen 
auch als recht scharf ausgeprägte Formen bezeichnet werden 
müssen. Da nun alle andern bekannten Chordeumiden von Chor- 
deuma beträchtlich abweichen, zu Ortkochordeume aber nur die 


— 39 — 


Orthochordeumellen in einem etwas näheren Verwandtschaftsver- 
hältnis stehen, so ist es zurzeit wenigstens ganz unmöglich, sich 
eine genauere Vorstellung zu bilden, wie sich etwa die besprochenen 
Apparate und Einrichtungen herausgebildet haben mögen. Man kann 
zwar phylogenetische Stufenreihen für jedes einzelne Gonopodenpaar 
und Sternit aufstellen, wie ich das bereits in früheren Aufsätzen 
ausgeführt habe, unter Berücksichtigung aller Ascospermophora, 
aber damit ist noch lange keine Phylogenie der lebendigen Organi- 
sation gegeben. Das ist aber wohl der größte Mangel vieler 
phylogenetischer Darstellungen, daß wir sie nur auf die Ver- 
gleiche von Einzelorganen basieren können, nicht auf die 
Vergleiche lebender, tätiger Organisationen. Wir müssen uns 
damit auch in den meisten Fällen zufrieden geben, dürfen aber diese 
objektive Lücke nicht nur nicht vergessen, sondern müssen sie be- 
tonen. Das halte ich für um so wichtiger in einer Zeit, wo eine 
gewisse populäre Literatur den breitesten Massen des Volkes Fragen 
als ausgemachte Wahrheit auftischt, über welche der Schleier des 
Geheimnisses vielleicht niemals gelüftet werden wird! 

Man könnte nun mit Rücksicht auf die Chordeumiden sagen, 
daß die beiden Gonopodenpaare ganz überflüssig wären und daß, 
wenn wir statt derselben einfache Laufbeinpaare hätten, es genügen 
würde, wenn aus Coxaldrüsen des hinteren dieser beiden Beinpaare 
vermittelst Drüsenfortsätzen Sekret in die spermaführenden Coxal- 
säcke der hinteren Nebengonopoden geleitet würde. Alsdann könnte 
nach Ausstülpung der Coxalsäcke die zähe aus Sperma und Drüsen- 
sekret vereinigte Masse sofort an den Vulven abgesetzt und daran 
angeklebt werden. Ich sehe auch nicht ein, weshalb ein solcher 
Modus nicht möglich sein sollte, obwohl er tatsächlich von keinem 
Diplopoden bekannt ist. Dennoch läßt sich unmöglich verkennen, 
daß gegenüber einer derartigen Fortpflanzung ohne Gonopoden, die 
fast für alle Diplopoden gültige, mit Gonopoden viel vorteilhafter 
ist, denn 

1. liefert dieselbe Organe, welche entweder das Weibchen bei 
der Copula festzuhalten imstande sind oder, wenn es sich wie 
bei den Chordeumiden um Spermatophoren handelt, diese weit 
besser zu umfassen imstande sind als einfache Coxalsäcke, bei denen 
die Spermatophoren bisweilen auch verloren gehen könnten, immer 
aber dann, wenn nach der Einleitung der Copula durch Ausstülpen 
des Inhaltes der Hüftsäcke, die Copula aus irgend einem Grunde, 
z. B. durch ein anderes 3 gestört wird, denn die auf den Coxal- 


— 395 — 


sackenden befindlichen Spermatophoren könnten nicht mehr geborgen 
werden und es wären auch keine Organe vorhanden, welche sie 
besonders schützen können, während das jetzt bei den Chordeu- 
miden, auch von den Coxalsäcken abgesehen, dadurch geschehen 
kann, daß sie zwischen den hinteren Gonopoden und hinteren Neben- 
gonopoden eingeklemmt werden. Es wird also durch die Gonopoden 

a) eine größere Festigkeit und 

b) eine größere Sicherheit der Copula verbürgt. 

2. Dienen die Gonopoden als Stimulationsorgane in verschieden- 
artiger Weise, namentlich analog den „Liebespfeilen“ der Schnecken, 
als Begattungsnadeln z. B. bei vielen Iuliden (Flagella) oder inner- 
halb der Ascospermophora bei den Mastigophorophylliden. 

3. Befinden sich die kopulierenden Tiere in einer Lage, bei 
welcher der 7. Rumpfring der Männchen den weiblichen Vulven 
gegenüber steht, der 8. also etwas weiter zurückliegt, ein Unter- 
schied, der um so mehr ins Gewicht fällt, als die vorderen Gono- 
poden den Vulven noch mehr zugekehrt sind als die hinteren. Deshalb 
werden auch, wie wir sahen, die Spermatophoren der Chordeumiden 
zur Anheftung in das vordere Gonopodensegment gebracht, während 
beiandern Ascospermophora die vorderen Gonopoden zur Sperma- 
aufnahme eingerichtet sind und nicht die hinteren. Die Lage der 
Coxalsäcke ist also einer direkten Übertragung des Spermas von 
ihnen an die Vulven ungünstig. 

4. Begünstigen sehr zahlreiche, teils vordere, teils hintere Gono- 
poden die Spermaübertragung deshalb, weil sie Röhren oder Rinnen 
enthalten, von denen aus das Sperma mit größerer Sicherheit an 
seinen Bestimmungsort geleitet werden kann, 

a) weil es in diesen Organen vor Beschmutzung und Verloren- 
gehen gesichert ist, 

b) weil es an hervorragende Stellen gelangt, von denen aus 
es sicherer in die Vulven eindringen kann, 

c) weil diese Organe oft gleichzeitig die Vulven umfassen und 

d) das Sperma aus den Rinnen oft mit Gewalt hervorgebracht 
werden kann, sei es durch pinsel- oder peitschenartige Organe, sei 
es durch das Sekret von Coxaldrüsen. 


— 396 — 


Erklärung der Abbildungen. 
Allgemein gültige Abkürzungen sind folgende: 


co = Coxa, dr = Drüsen oder Drüsengang. 
prf = Präfemur, dg = Drüsenschlauch, 
Je = Femur, , df = Drüsenfortsatz, 
pstf = Postfemur, oe = Drüsenmündung, 
ti = Tibia, m = Muskeln, 
ta = Tarsus, rd1—3 == Abschnitte der Vasa deferentia. 
v == Sternit, ct, ct 1 = Coxitteile, 
trt = Tracheentasche, r = Spermarinne, 
fl = Flagellum, gp = Gonopoden, 
cor = Hornfortsatz der Hüften, cg, cyp = vordere Gonopoden, 
pr = Fortsatz (im allgemeinen), hgp = hintere Gonopoden, 
t! = Telopodit, st = Stigma, 
coa = Coxalsäcke, sty = Stigmagrube, 
sph = Spermatophoren, ms = Mesomerit. 


drs == Drüsensekret, 


Abb. 1 und 2 Cylindroiulus nitidus VERH. var. fagi n. var. 

1. Ein hinterer Gonopod von innen gesehen nebst einem Flagellum. 
«£ Bogen, welcher zum Mesomerit führt. Von diesem und dem Vorderblatt ist 
nur ein Stück des hinteren Grundes sichtbar. 

de eine deckelartige Falte, welche das Flagellum in die Rinne leitet. 
f Fortsatz, welcher sein Ausgleiten nach vorn verhindert. # eine Endrandans- 
buchtung, in welcher das Flagellumende hervorgestoßen wird. 

1a der vordere Hinterblattfortsatz eines anderen Individuuns. 

2. Rechte Hüfte des 2. männlichen Beinpaares von vorn gesehen. Auben 
von der Mündung der Coxaldrüsen und dem Drüsentortsatz ein Sekretfaden sf. 
mit einer grundwärtigen Anschwellung sfl. 

Abb. 3 und 6 idus ligulifer var. claviger n. var. 

3. Das linke 2, Bein des 2 von hinten gesehen, /i Löffelfortsatz, X 58. 

6. Das Ende des Löffeltortsatzes, X 220. è innere Aushöhlung. 

Abb. 4 und 5, Iulus Tigulifer borussorum n. subsp. & mit 77 Beinpaaren. 

4. Das rechte 2. Bein des Z von hinten gesehen, `< 56. 

5. Das Ende des Löffelfortsatzes, X 220. 

Abb. 7. Iulus liqulifer var. barbatus m. § mit 87 Beinpaaren aus Rheinpreubßen. 

Hütten des 2. Beinpaares von vorn gesehen, dazu das Sternit, die Trachcen- 
taschen und die letzten Strecken der Vasa deferentia. Links ein Teil der Coxal- 
drüse mit ihrem Austuhrkanal. 

Abb. 8. Idus liyulifer var. eluriger m. 

Stück vom 1. Beinpaar des Z von hinten gesehen, X 220. 

Abb, 9. Iulus ligulifer Larz. et VERH. 

Junges d mit 83 Beinpaaren. Ansicht von unten auf die Anlage der 
(sonopoden und die benachbarten Unterzipfel des Pleurotergit des 7. Rumptringes, 
welche asymmetrisch-gelenkig übereinandergreifen: re Sternit des vorderen Gono- 
podensegmentes. 


— 


— 397 — 


Abb, 10. Iulus lignaui n. sp. Ansicht von hinten auf den linken vorderen Gonopod 
und das benachbarte Mesomerit. 
Abb. 11—15. Leptoiulus simplex glacialis Verm. Velum der hinteren Gonopoden. 
11. Nach zwei Tieren vom Daubensee (Schweiz), 2000 m. 
12. Nach einem Individuum (links und rechts) vom Schönberg bei Freiburg. 


13, ; 5 r von Wehr, 
14. „ > r vom Hohentwiel, 
15: -y a : von Tuttlingen. 


Abb. 16 und 17. Leptoiulus simplex glacialis var. rhenanus n. var. 
Velum der hinteren Gonopoden nach zwei Männchen von Gerolstein. 
Abb. 18. Leptophyllum nanum var. elongatum n. var. 
Verkürztes 1. Bein des g, x Grenze zwischen Coxa und Telopodit. 
Abb. 19—22. Craspedosoma simile fischeri n. subsp. 
19. Podosternit des hinteren Gonopodensegmentes, von vorn gesehen, ` 56 


sf = seitliche Längsfalten, vm = mittlerer | Vorderfortsatz 
si = Buchten zwischen den Hinter- ts = seitlicher 
fortsätzen, hm = mittlerer limena 


hs = seitlicher j 


20. Eine seitliche Längsfalte des Podosternit, X 220. 

21. Stück aus dem Podosternit, von vorn gesehen, p Pigmenthäufchen, 
x Rudiment eines Grübchens. der Drüsenkanal dr ist stark nach außen gebogen. 

22, Endhälfte eines Cheirit von hinten gesehen, d der Querlappen, a der 
Endfortsatz, b dessen basaler Zahn, c der Greiffortsatz. 

Abb. 23. Craspedosoma simile balticum n. subsp. 

Endhälfte eines Cheirit mit Bezeichnung wie in Abb. 22. 

Abb. 24—26. Craspedosoma simile dormeyeri n. subsp. 

24, Innerer Teil der Cheiritenhälfte von hinten gesehen. 

25. Podosternit von vorn gesehen, X 56. 

26. Hinterer Mittelfortsatz desselben, X 220. 

Abb. 27. Craspedosoma simile balticum m. 

Stück eines Podosternit von vorn gesehen. 

Abb. 28—34. Orthochordeumella fulvum RoTH. 

28. Hintere Gonopoden von hinten gesehen, x mediane Gelenkstelle zwischen 
den Pseudocheiriten c; y mediane Verwachsung der übrigen Coxitteile; d zer- 
schlitzte Fortsätze von Drüsenkanälen durchzogen, X 56. 

29. Das Endstück eines derselben mit Sekretmasse, X 220. 

30, Endstück eines Pseudocheirit. 

31. Pseudoflagellumähnlicher Fortsatz an den Hüften der vorderen Neben- 
gonopoden, vor dem Ende mit einer Sekretmasse, durchzogen von einem Drüsen- 
schlauch, 

32. Ein vorderer Gonopod mit einem anstoßenden Stück des Sternit, 
€ äußerer Lappen, f äußerer Furtsatz des Sternit, X 220. 

33. Sternit des vorderen Gonopodensegments, dessen Seiten mit den Seiten 
des 7, Pleurotergit plt zusammenhängen. 

34. Ansicht von hinten auf die hinteren Nebengonopoden, deren Coxalsücke 
halb ausgestülpt sind. 


— 398 — 


Abb. 35. Orthochordeumella pallidum RuTn. 

Ein 2. Bein des g, aus dessen die Hüfte durchbohrenden: Vas deferers 
eine lange, etwas gedrehte Spermamasse hervorgeguollen ist. 

Abb. 36 und 37. Orthochordeuma germanicum VERH. 

36. Blick von vorn her auf das Sternit der hinteren Nebengonopoden und 
die vor demselben gelegenen Überbleibsel eines verkümmerten Segmentes r1 mit 
zwei Pigmentanhäufungen, w Gliedmaßen-Höückerreste, % seitliche Wölbungen. 
stv Stigmengruben. 

37. Hohlkappen eines Spermatophor, in der Mediane x verklebt über die 
Enden der Pseudocheirite gestülpt, deren eines eingezeichnet. 

Abb. 38. Chordeuma silvestre C. Koch. 

Ausgestülpte Coxalsäcke der hinteren Nebengonopoden nebst Retraktoren ın, 
al hakige Nebensäcke, ¢ quere Einschnürungen. 

Abb. 39 und 40, Orthochordeuma germanicum VERH. 

39. Vordere Gonopoden nebst ihrem Sternit, Pseudocheirite und die auf 
ihnen sitzenden Spermatophorenkappen, von vorn gesehen. 

40. Dieselben Teile und die Coxalsäcke schräg von außen und vorn geschen. 

Abb. 41—45 Chordenma silvestre C. Koch. 

41. Vordere Gonopoden nebst ihrem Sternit und die Coxite der hinteren 
im Zusammenhang von vorn gesehen. pr mittlerer, prl seitliche Sternitfortsätze, 
k Sternithöcker, welcher auf einem Kissen k1 sitzt, 56. 

42. Sternithöcker und Ende (pr1) eines der seitlichen Sternitfortsätze, 220. 

43. Vordere und hintere Gonopoden von der Seite gesehen, in natürlicher 
Lage nebst dem Sternit der vorderen. 

44. Queres, den Vulven aufsitzendes Kappenspermatophor befruchteter 
Weibchen von innen und vorn gesehen, >< 56. 

45. Dasselbe von hinten gesehen. 


Delitschia elegans nov. sp. 


Von F. L. Sautermeister in Sigmaringen. 


Die nach dem Leipziger Professor Dr. Orro Deuiıtsch benannte 
Pilzgattung Delitschia wurde von AUERSWALD in der Zeitschrift Hedwigia 
V. Bd. (1866) S. 49 aufgestellt. Von dieser Gattung gibt. Dr. J. SCHRÖTER 
in Dr. F. Connx’s Kryptogamen-Flora von Schlesien III. Bd. Pilze, 
2. Hälfte (1897) S. 289 und 290 folgende Definition: Fruchtkörper 
ohne Stroma, frei auf dem Substrat oder in dasselbe eingesenkt. 
Peridium häutig-lederartig, schwarzbraun. Sporen durch Querteilung 
zweizellig, Membran schwarzbraun, oft mit Gallerthülle.e — Die 
Gattung umfaßt zurzeit nur wenige Arten. L. Fucket führt in 
seinen Symbolae mycol. (1869/70) S. 241 und 242 deren zwei auf: 
Delitschia didyma Auversw., die er in Delitschia Auerswaldii um- 
taufte, und eine von ihm selbst entdeckte, die er Delitschia minuta 
nannte. In der oben erwähnten Kryptogamen-Flora von Schlesien 
fügt Dr. J. ScHRöTER diesen beiden Delitschien l. c. S. 290 noch 
Delitschia moravica NıessL hinzu. Dr. G. Winter gibt in der 2. Auflage 
von Dr. L. Ragennorst's Kryptogamen-Flora von Deutschland, Öster- 
reich und Schweiz I. Bd. Pilze, 2. Abteilung (1887) S. 179 und 180 
Beschreibungen von noch einigen Arten, nämlich von Delitschia 
graminis NiessL und Delitschia furfuracea Nıesst. Sämtliche fünf 
Arten haben 8sporige Schläuche und wachsen auf Mist, namentlich 
Hasenmist, mit Ausnahme von Delitschia yraminis, die auf Avena 
Parlatorii vorkommen soll. — Manchenorts scheinen die Delitschien 
selten zu sein oder gar gänzlich zu fehlen. In der Mycologia Car- 
niolica von W. Voss (1889) z. B. ist auch nicht eine einzige Delitschia 
verzeichnet. Auch hier, bei Sigmaringen, konnte ich bis jetzt noch 
nicht eine der oben aufgezählten Arten ausfindig machen, wohl aber 
im September vorigen Jahres auf dem Kugelberg, im Januar dieses 
Jahres auf dem Brenzkoferberg und vor einigen Tagen (9. März) 
in einem Wäldchen gegen den Nollhof eines Pyrenomyceten habhaft 


— 400 — 


werden, der nach der oben angeführten Definition von Delitschia 
nur zu dieser Gattung gehören kann. Da er wohl noch unbekannt 
ist, nenne ich ihn wegen seines sehr schönen Hymeniums Delitschia 
elegans. Nach wiederholter mikroskopischer Untersuchung vermag 
ich von dieser zwar unansehnlichen, winzigen, mit bloßem Auge fast 
kaum erkennbaren, aber nicht uninteressanten Spezies folgende Be- 
schreibung mitzuteilen. 

Fruchtkörper ohne Stroma, gesellig, sitzend, fast halb- 
kugelig, mit einer kleinen runden Öffnung auf dem Scheitel, ungefähr 
! mm im Durchmesser. Peridium häutig-lederartig, parenchy- 
matisch, schwarzbraun, fast glatt, kahl, ohne besonderen Glanz. 
Schläuche zylindrisch-keulenförmig, an der Spitze verdickt, kurz- 
gestielt, ungefähr 336 u lang, 52 u breit, 16sporig. Paraphysen 
fadenförmig, in Schleim gebettet. Sporen im oberen Schlauchteil 
dreireihig, im unteren einige wenige zweireihig, Abweichungen von 
dieser Anordnung nichts Ungewöhnliches, ungefähr 48 u lang, 16 u 
breit, zweizellig, in der Mitte eingeschnürt, obere Zelle einem Rechteck, 
untere einem länglichen Dreieck einigermaßen ähnlich, außerhalb der 
Schläuche leicht zerfallend, anfangs farblos, dann grünlich, zuletzt 
dunkelbraun, ohne Gallerthälle. 

Auf altem Hasenmist, manchmal in Gesellschaft von Sordarta 
bombardioides NıEssL oder Sporormia ambigua NIESSL. 

Den 12. März 1910. 


Die Orchidaceen-Standorte in Württemberg und 
Hohenzollern. 


Von Apotheker Ad. Mayer in Tübingen. 


Der Verfasser des prächtigen deutschen Orchidaceenwerkes, Herr 
M. ScruLzE in Jena!, dem ich am 15. Juni 1908 eine von mir im 
Duttental bei Tuttlingen gefundene Platanthera chlorantha Rcus. mit 
monströsen Blüten sandte, munterte mich bei jenem Anlasse auf, unsere 
heimische Orchideenflora zu revidieren und neu zusammenzustellen, 
ähnlich wie dies H. Mauss (1891) und R. Neumanx (1905—1908) für 
Baden getan hatten. Er fühlte sich zu dieser Aufforderung wohl in 
erster Linie dadurch veranlaßt, weil ihm bekannt war, daß ich die 
NeEumann’schen Arbeiten durch verschiedene Mitteilungen gefördert hatte. 
Auf Zureden meiner botanischen Freunde habe ich mich entschlossen, 
die Revision unserer Orchideen zu unternehmen, wobei ich allerdings 
auf die Unterstützung unserer einheimischen Orchideenliebhaber und 
-kenner rechne. 

Wohl ist in der Flora von Württemberg und Hohenzollern von 
v. Martess und Keuurer (1882) auf einige Unterarten und monströse 
Formen hingewiesen; diese Aufzeichnungen sind jedoch in der gegen- 
wärtigen Exkursionsflora für Württemberg und Hohenzollern von KırcH- 
NER-EIcHLER (1900) nicht mehr aufgenommen worden, da eine Ex- 
kursionsflora für das ganze Gebiet sich unmöglich auf derartige Einzel- 
heiten einlassen kann. Nach ihr besitzen wir an Orchideen 47 Arten 
und 2 Bastarde. 

Der Verbreitung nach können 6 Arten: Orchis morio L., Orchis 
maculata L., Orchis latifolia L., Listera ovata R. Br., Platanthera bifolia 
Recas., Neottia Nidus avis Ricu. als überall verbreitet gelten. 

An vielen Orten finden sich 5 Arten: Orchis Rivini GOUAN 
(= Orchis militaris L. zam Teil), Orchis mascula L., Gymnadenia conopea 
R. Br., Cephalanthera granditora Bar., Epipactis latifolia Auu. 

Zerstreut kommen 8 Arten vor: Ophrys muscifera Hups., Orchis 
ustulata L., Cephalanthera rubra Ricu., Epipactis palustris CRANTZ, Lpi- 
pactis rubiginosa Gaud., Spiranthes autumnalis Ricu., Herminium Mon- 
orchis R. Br., Goodyera repens R. Br. 


1 M. Schulze, Die Orchidaceen Deutschlands, Deutschösterreichs und der 
Schweiz. Mit 92 Chromotateln. Gera 1894. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wüurtt. 1910, 26 


— 402 — 


Selten sind 12 Arten: Cypripedium Calceolus L., Ophrys fucifora 
Rene., Orchis globosa L., Orchis purpurea Hups., Orchis pallens L., 
Orchis incarnata L., Anacamptis pyramidalis Ricu., Gymnadenia odora- 
tissima Rıcn., Platanthera viridis Linnu., Platanthera chlorantha Ccrsr., 
Cephalanthera Xiphophyllum RcusB., Coralliorrhiza innata R. BR. 

Nur an wenigen Standorten finden sich 9 Arten: Ophrys 
apifera Hups., Orchis coriophora L., Himantoglossum hircinum SPR., Gymna- 
denia albida Rıcn., Epipogon aphyllus Sw., Spiranthes aestivalis Ricu., 
Listera cordata R. Br., Liparis Loeselii Rıca., Malaxis paludosa Sw. 

Nur an einem oder zwei Standorten, also sehr selten, kommen 
7 Arten vor: Ophrys aranifera Hups., Orchis Spitzelii Saut., Orchis pa- 
lustris JACQ., Orchis sambucina L., Orchis Traunsteineri Saur., Epipactis 
violacea Dur. Dug., Microstylis monophyllos LINDLEY. 

Nach der zurzeit allgemein üblichen Einteilung unseres Heimat- 
landes in IV Landschaftstypen : 

I das Unterland (das Gebiet des Muschelkalks, Keupers und 
des Lias), 
II den Schwarzwald (das Gebiet des Buntsandsteins und des 

Grundgebirges), 

III die Alb (das Gebiet des Braunen und Weißen Jura), 
IV das Oberland (das tertiäre Hügelland und die Moränenland- 
schaft einschl. des Hohentwiels) 


verteilen sich die Orchidaceen wie folgt: I mit 37, II mit 21, III mit 
39, IV mit 37 Arten. 

Gehen wir auf die einzelnen Standorte ein, so wird etwa die 
Hälfte aller bekannten Standorte schon in der 1834 erschienenen „Flora 
von Würtemberg‘‘ von ScHÜUBLER und v. MARTENS angegeben. Zu diesen 
konnte die Flora von v. Martens und KENNLER noch eine gleich grobe 
Anzabl neuer Standortsangaben zufügen, während in neuerer Zeit wohl 
eine Menge eingegangener Standorte, daneben aber nur eine verschwin- 
dende Anzahl neuer Funde zu verzeichnen ist. Außer der schönen, 
seltenen Aceras anthropophora R. BR., „deren Lippe mit den langen 
herabhängenden Spaltenstücken gleichsam einen hängenden Menschen 
darstellt‘ und die nach ScHCBLER und v. MARTENS zum letztenmal vor 
80 Jahren von Frırpurın hinter Arsese im Blautal gefunden wurde, 
werden wohl auch Orchis Spitzelii Saut. und Orchis palustris Jace 
bei uns nicht mehr anzutreffen sein. 

Orchis Spitzelii Saut., die Zierde des Nagolder Schlobbergs, 
hatte dort ihren einzigen deutschen Standort. Die sowohl mit Orchis 
mascula L. wie mit Orchis maculata L. gemeinsame Merkmale tragende 
Pħanze wurde zuerst von Har.äcsy für einen Bastard der beiden er- 
wähnten Arten gehalten, ist aber nachher von dem gleichen Forscher 
mit vollem Recht als eigene Art erklärt worden. Sie wurde anfangs 
der 40er Jahre von Apotheker OrrrısGEer in Nagold aufgefunden und 
wurde längere Zeit von Apotheker ZELLER, Professor SCHWARZMAIER ° 


1 Der Freundlichkeit dieses Herrn verdanke ich mein auf Umwegen er- 
haltenes Nagolder Exemplar. 


— 403 — 


und anderen beobachtet; doch scheint sie etwa seit 15 Jahren am 
angegebenen Standort nicht mehr gefunden worden zu sein. Diese 
überaus seltene Art fand SrırzrL 1835 auf der Weißbachalpe bei Saal- 
felden (Salzburg); weiter wurde sie am Wiener Schneeberg, in Südtirol 
(Umgebung des Gardasees) und in Serbien gefunden. 


Orchis sambucina L. ist am Standort ‚„Ellenberg‘‘ (bei Ell- 
wangen), von wo sie Apotheker Dr. FrickHInGER 1850 angab, nicht mehr 
beobachtet worden (cfr. Kırcnxer-EicHLer); die weiteren Standorts- 
angaben für Hohenzollern: Zimmern (Lörcn) und Thannheimerwald, 
Höhnberg (F. Reiser: Flora des Hohenzollern I und II, Schulprogramm 


Hechingen 1871—1872) berahen mit aller Wahrscheinlichkeit auf 
falscher Bestimmung. 


Nach dem Erscheinen der ‚‚Flora des Hohenzollern und seiner 
nächsten Umgebung“ I—III von Pu. J. LörcH (Schulprogramm Hechingen 
1890—1892) habe ich betreffs verschiedener Standorte mit dem Ver- 
fasser Briefe gewechselt, ohne von dort eine der fraglichen Pflanzen zu 
Gesicht zu bekommen; auch konnte mich leider Herr Lörch wegen 
Krankheit nie an die betreffenden Standorte, die ich vergeblich Jahr 
für Jahr absuchte, begleiten. Auch Prof. Dr. HEGELMAIER war von dem 
Vorhandensein verschiedener in dieser Flora angegebenen Seltenheiten 
nicht überzeugt, wie er sich öfters äußerte, zumal die Gegend um den 
Hohenzollern zu den besuchtesten unseres Florengebiets gehöre. Da 
Herr LörcH kein Herbar angelegt hatte, erklärte er mir schließlich, er 
habe alle selteneren Pflanzen im Herbar der Höheren Bürgerschule in 
Hechingen niedergelegt. Durch die Freundlichkeit der Herren Gym- 
nasialdirektor Serrz und Dr. KrEeUzsBErRG wurde mir gestattet, dieses 
Herbar im letzten Winter nach den fraglichen Seltenheiten — leider 
vergeblich — durchzusehen. Neben andern seltenen Pflanzen, deren 
Vorkommen mehr wie fraglich ist, haben auch verschiedene Orchideen 
(Orchis sambucina L., Orchis palustris Jacq., Ophrys aranifera Huns.) den 
Weg von der Flora des Hohenzollern in die Albflora, in die Landesflora 
und in andere deutsche Florenwerke gefunden. 


Ob Orchis palustris Jaco. heute noch am Standort Langenauer 
Ried (cfr. Kırcuxer-EicHLEr) vorkommt, entzieht sich meiner Kenntnis; 


schon v. MARTENS und KEMMLER verneinen das Vorkommen in Württem- 
berg (II. Teil S. 179). 


Orchis Traunsteineri Savt., eine Nahverwandte der Orchis in- 
carnata L., findet sich nach v. MARTENS und KEMMLER im Oberamt 
Waldsee am Lindenweiher und im Wurzacher Ried vor, wo sie VALET 
(s. XVI. Jahrg. 1560, S. 10, dies. Jahresh.) sammelte. Diese Standorts- 
angaben hat auch die neuere Exkursionsflora übernommen. Meine aus 
dem Herbar Vaurr's stammenden Exemplare vom Wurzacher Ried, die 
mit den im Landesherbar befindlichen übereinstimmen, wurden mir seiner- 
zeit von Scuuzze-Jena als Orchis Traunsteineri X maculata bestimmt, und 
wäre also dort auch dieser Bastard auffindbar; jedenfalls dürfte Orchis 
Traunsteineri Savt. da und dort auf den oberschwäbischen Rieden zu 
finden sein. 


26 * 


— 404 — 


Epipactis violacea DurAnD DuUQuESsNEY, deren unsere Exkursions- 
flora vom Hohenzollern mit der richtigen Bemerkung „Dürfte auch wohl 
sonst vorkommen‘ Erwähnung tut, wurde vor 12 Jahren aufgefunden 
und der Standort von Prof. Dr. HEGELMAIER in den Berichten der deut- 
schen Bot. Gesellschaft (1893 u. ff.) veröffentlicht. Vergeblich suchte 
ich sie zuletzt mit Herrn Dr. H. Krauss-Tübingen 1907 dort; von Herrn 
Dr. Tscuernins-Wien wurde mir dann mitgeteilt, daß vermutlich die 
Pflanze noch nicht blühend von ihm im Schönbuch gefunden worden sei. 
Nun erinnerte sich auch Dr. Krauss, der mein Interesse für diese Pflanze 
teilte, an ähnliche Pflanzen vom Schönbuch; ebenso waren meinem 
Vater vor 18 Jahren einige Exemplare von dort von auffallender vio- 
letter Färbung und mit kleinen, schuppigen Blättern übergeben worden, 
die man aber damals „als Schattenformen der Epipactis latifolia ALL.“ 
nicht weiter beachtet hatte. Ende August des verflossenen Jahres gelang 
es uns, Epipactis violacea Dur. Dvg. an verschiedenen Orten des Schön- 
buchs (Bromberg, Zeitungseiche, Kirnbachtal, Waldhausen, Bebenhausen, 
Dettenhausen), sowie im Walde bei Kusterdingen, Kirchentellinsfurt, 
Wankheim, Bläsiberg aufzufinden, so daß auch bei uns diese Orchidee 
zu den weniger seltenen zu gehören scheint. Für Baden fand sie 
dieses Jahr Herr A. Kneuckekr-Karlsruhe im Wiesental, für das Elsab 
H. IssLer-Kolmar bei Zabern als Neufunde für die betreffenden Länder 
auf. Sie blüht später als Epipactis latifolia ALL. bis anfangs Oktober 
in schattigen, feuchten Buchenwaldungen (Ascnerson und GRÄBNER). 
Die Blätter sind verhältnismäßig klein, kürzer bis etwas länger — aus- 
nahmsweise noch einmal so lang — als die Internodien, die obersten 
allmählich in Deckblätter übergehend. Die Traube ist dicht- und reich- 
blütig, die Blüten ziemlich groß; die inneren Perigonblätter oft rotviolett 
überlaufen. Nach ScHhuLzE unterscheidet sie sich „durch kräftigen 
Wuchs, mehr oder weniger violette Färbung fast aller ihrer Teile, die 
ihr im dunklen Walde beinahe ein gespenstiges Aussehen verleiht, 
große Deckblätter bei relativ kleinen Blättern, sehr dichte Traube, 
große Blüten mit sehr licht gefärbten, seitlichen, inneren Perigonblättern 
und sehr späte Blütezeit‘. An der Straße nach Dettenhausen fand sie 
sich zusammen mit Epipactis latifolia Aut. ohne Übergänge vor. Nach 
brieflicher Mitteilung von Herrn ScHnuzzr haben die Ausführungen von 
FLEISCHMANN und DREHINGER, „es handle sich bei der Pflanze um die 
von Craxtz als Epipactis latifolia Aru. ß varians CRANTZ beschriebene 
Unterart“, viel für sich. Als Bastard Epipactis latifolia X microphlla 
kann sie deshalb nicht gedeutet werden, da die seltene Epipactis micro- 
phylla Swarrz meist gänzlich fehlt. An der bisherigen Unbeachtetheit 
dieser Orchidee mag wohl auch das nicht ganz genaue Unterscheidungs- 
merkmal: ‚Mittlere Blätter kürzer als die Internodien‘‘ eine Schuld 
gehabt haben, da diese Bezeichnung wohl bei Epipactis microphylla SW. 
nicht aber bei Epipactis violacea Dur. Dug. paßt. 

Ophrys aranifera Hupson ist in der Barbarahalde bei Obern- 
dorf verschwunden, da dieser berühmte Orchideenstandort durch Ver- 
größerung der Schießbahn gefallen ist; ob die Pflanze bei Mergentheim 
(wo sie Dr. Bauer vor 80 Jahren.fand) und bei Neresheim (Dr. FRICK- 


— 405 — 


HINGER) sich noch findet, wird nacbzuprüfen sein; neu ist der Standort 
bei Ehingen. 

Microstylis monophyllos LinvLey wurde 1872 von SFEGER bei 
Lorch im Schweizertal aufgefunden, weiter wird als neuer Standort 
Wurmlingen OA. Tuttlingen angegeben. 

Als neue Standorte seltenerer Orchideen wurden mir von Herrn 
Dr. med. ELwert-Reutlingen Ophrys aranifera Hups. vom Ursulaberg 
angegeben und fand Herr Dr. ELwerr dort, wie wir uns an den Standort 
begaben, statt eines Exemplars deren zwei. Weiter wurden vom gleichen 
Herrn Ophrys apifera Hups. an mehreren Orten der Reutlinger Alb 
sowie der schöne Bastard Ophrys arachnites X apifera gefunden. 
Ein vor einigen Jahren in derselben Gegend von mir aufgefundener 
Orchideenbastard erwies sieh bei der Nachbestimmung durch ScHUuLzE 
als Orchis incarnata X maculata. Am Ursulaberg traf ich letztes 
Jahr neben Orchis mascula L., Unterart speciosa Host. und foetens Host. 
auch den Bastard Orchis mascula X pallens an, den Dr. Krauss 
schon vor einigen Jahren am Zellerhorn am gleichen Standorte wie 
Dr. Excer, dem die Pflanze ebenfalls aufgefallen war, gefunden hatte. 
Auch die im 10. Jahrg. 1854 dieser Jahresh., S. 200, beschriebene 
Fıxcku'sche Pflanze vom Sattelbogen bei Urach dürfte dieser Bastard 
gewesen sein. 

Unter anderem suchte ich diesen Sommer Spiranthes aestivalis 
RıcH. an dem in der Landesflora noch angegebenen Standort: „Calw: 
Speßhard im gebrannten Hau‘. Die seinerzeit von ÜOberamtsarzt 
Dr. Schtrz-Calw, dort aufgefundene Pflanze wuchs auf sumpfigen Wald- 
wiesen (dies. Jahresh. 7. Jahrg. 1851, S. 206); diese sind längst ein- 
gegangen und mit Hochwald bestanden, so daß jetzt keine Spur der 
Pflanze mehr vorhanden ist. Ebenso sind die Standortsangaben von 
Orchis coriophora L., die sämtliche von SCHÜBLER und v. MArTENs noch 
übernommen sind, revisionsbedürftig. 

Nach den Abhandlungen von Rıcn. NEUMANN in den Mitteilungen 
des Bad. bot. Vereins (1905 No. 201—204 S. 1—26; No. 208—209 
S. 53—62; No. 224 S. 177—186) besitzt Baden 50 Arten (inkl. 
Epipactis violacea Dur. Dug. und nachdem ich 1892 im Moor am Titisee 
Malaxis paludosa Sw. nachweisen konnte), 44 Varietäten, 14 Bastarde 
aus der Familie der Orchidaceen. Baden besitzt vor uns Orchis simia 
Lume&., Aceras anthropophoraR. Br., Nigritella angustifolia Rican., 
Epipactis microphylla Sw., Epipactis abortiva WErTsy.; es fehlt 
dort (Orchis Spitzelii Saut. und) unsere Microstylis monophyllos 
Liınprey. In der letzten Zeit scheint allerdings Nigritella angustifolia 
RıcH. bei Bonndorf durch Terrainveränderung sehr selten geworden, 
wenn nicht ausgegangen zu sein (Mitteil. d. bad. bot. Ver. 1894 No. 120 
und 1895 No. 130). An diesem Orchideen-Vorzug Badens sind wohl 
in erster Linie klimatische und geologische Verhältnisse schuldig. Dies 
bewirkt auch, daß in Baden alle, auch die selteneren Arten verhältnis- 
mäßig zahlreich vorkommen, was wohl jeder botanische Besuch im 
Kaiserstuhl, auf dem Freiburger Schönberg und Tuniberg und den 
Bodenseerieden zwischen Radolfzell und Konstanz beweisen muß. Frei- 


— 406 — 


lich ist einer der schönsten Orchideenfundorte des badischen Landes, 
die Umgebung des Isteinerklotzes, infolge gewaltiger Festungs- 
anlagen für den Naturfreund verloren gegangen, da das ganze Gebiet 
abgesperrt ist. 

Bayern weist einen ähnlichen Reichtum an Orchideen auf wie 
Württemberg, nämlich 48 Arten. Diese hohe Zahl ist bedingt durch 
den Orchideenreichtum der Vorderpfalz und durch das Vorkommen zweier 
Orchideen der Alpen. Außer diesen Arten wurden nach Praxtı, Ex- 
kursionsflora von Bayern, bis jetzt etwa ein Dutzend Bastarde und 
ebensoviele Unterarten beobachtet. Bayern hat vor uns Epipactis micre 
phylla Sw., Nigritella angustifolia Ricu., Chamaeorchis alpina Ricu. voraus, 
letztere fehlt auch Baden. 

Von den in Deutschland vorkommenden Orchideen fehlt den süd- 
deutschen Staaten nur Orchis tridentata Scor. und Gymnadenia 
cucullata Ricu. Erstere, eine der Orchis Rivini GovAn ähnliche Fflanze. 
kommt in Mitteldeutschland besonders in Thüringen, letztere nur bei 
Königsberg (Forsthaus Granz in lichtem Kiefernbestand), Neidenberg. 
Bromberg und außerhalb Deutschlands bei Moskau vor. Das südliche 
Deutschland ist weit mehr mit Orchideen gesegnet als der Norden, 
viele unserer Arten gehen über Süd-, die Hälfte über Mitteldeutsch- 
land nicht hinaus. 

Dafür, daß diese überaus schöne, auffallende Pflanzenfamilie, die 
jeden Naturfreund, auch den Nichtbotaniker, ergötzt, überall mehr und 
mebr zurückgeht, mögen Bodenveränderung, Entsumpfung und 
Entwässerung ganzer Riede, Anpflanzung von Koniferen 
auf orchideenreichen Waldwiesen, Kunstdünger, Ausgrabungen 
für Gärtnereien die Hauptursache sein. Die Besorgnis für diese 
Pflanzenfamilie geht schon weit zurück; so schreibt der schon er- 
wähnte verstorbene Oberamtsarzt Dr. FınckH-Urach, einer der besten 
Kenner der heimischen Pflanzenwelt, im 10. Jahrg. (1854) dies. Jahresb.: 
„es seien viele Orchideen beim Sammeln mit der Wurzel ausgegraben 
worden, und so Orchis coriophora, Cypripedium, Ophrydeen u. a. bei- 
nahe ganz aus der Uracher Flora verschwunden; ebenso seien zu 
Zeiten des Herzogs Karl ganze Wagen Ophrydeen nach Hohenheim 
und später nach Tübingen gekommen, obgleich man längst die Er- 
fahrung gemacht habe, daß diese freiheitsliebenden Kinder Floras in 
Gärten nicht gedeihen, sondern nach kurzer Zeit zugrunde gehen. 
Es verstehe sich von selbst, daß eine Menge von Exemplaren auch 
durch die zunehmende Bodenkultur nach und nach verschwinde, und 
mache es einen betrübenden Eindruck, wenn man Öphrydeen oder 
Orchideen in Äckern oder zweimähdigen gedüngten Wiesen fände.“ Im 
Jahre 1572 (im 28. Jahrg. dies. Jahresh.) fügt Fınckm hinzu, „daß 
um Urach wie überhaupt bei uns durch Forstkultur, durch Düngung 
von Bergwiesen und durch die Sammelwut des Pöbels die Zahl der 
Orchideen auberordentlich gelichtet worden sei, so daß das unschein- 
bare und unauffällige Herminium Monorchis R. Br. unter allen Uracher 
Orchideen die häufigste geworden sei. Wenn auch mit den kultivierten 
Pilanzen eine Menge Unkräuter eingeführt werden, so sei das ein 


— 407 — 


schlechter Ersatz!“ Wenn auch der Heimatschutz in gewiß löblichem 
Bestreben für die Erhaltung dieser prächtigen Pflanzen eintritt, so wird 
doch die Zeit kommen, wo wir die selteneren Orchideen im ‚Natur- 
park‘“ suchen müssen. Größere Schonung könnte von staatlicher Seite 
und von Gemeinden orchideentragenden Waldwiesen und Rieden dar- 
gebracht werden, am nützlichsten und eingreifendsten wären Erlasse 
gesetzlicher Bestimmungen. Daß in früheren Zeiten auch von „Bota- 
nikern‘‘ gefehlt wurde, soll hier nicht unerwähnt bleiben, spielte ja bis 
vor kurzer Zeit der eigentümliche ‚„Knollen‘‘ beim Bestimmen und im 
Herbar eine so große Rolle, daß die Orchidee ohne Knollen wenig Wert 
hatte und die älteren Herbarien meist nur Exemplare mit den Knollen 
besitzen. Doch haben viele Orchideen dadurch Selbstschutz, dal sie 
oft jahrelang ganz ausbleiben und man sie an ihrem Standort vergeb- 
lich sucht, bis sie in sogen. Orchideenjahren (nach starken Gewitter- 
regen zur Frühjahrszeit ‚Irmisch‘‘) wieder zahlreich hervorbrechen. 

Es ist nun meine Absicht, im gegebenen Zeitpunkt hier wieder 
über den Stand der Orchideenforschung in Württemberg und Hohen- 
zollern zu berichten. Hierbei stütze ich mich vorerst auf das Studium 
der einschlägigen Literatur, sowie auf die Ausbeute meiner botanischen 
Exkursionen. Dies würde jedoch nicht ausreichen, um ein vollständiges 
und fehlerfreies Bild unserer Orchideenflora zu geben, und trete ich 
deshalb an alle Freunde der heimischen Flora mit der Bitte heran: 

1. Wer Herbarien besitzt, möge mir gütigst seine Orchidaceen 
zur Durchsicht zur Verfügung stellen. 

2. Wer unbekannte, zweifelhafte oder seltenere Formen 
findet, möge mir dieselben getrocknet oder lieber in frischem Zustande 
übersenden, damit ich dieselben bestimmen kann!. Den Pflanzen möge 
eine Angabe über die Häufigkeit und Verbreitung der Orchideen 
an den Standorten in Form eines Bruches beigefügt werden, wobei im 


Zähler 1 = nur an einer Stelle, 2 = an wenigen Stellen, 3 = an 
vielen Stellen; im Nenner 1 = in einzelnen (1—5) Exemplaren, 2 = in 
mehreren (bis etwa 50) Exemplaren, 3 = in vielen Exemplaren be- 


deutet, wie dies auch sonst schon angewendet wurde. Die zur Unter- 
suchung eingesandten Pflanzen werden, sofern sie nicht von den Ein- 
sendern zurückverlangt werden, nach Abschluß der Arbeit dem Herbarium 
des Vereins für vaterländische Naturkunde überwiesen und dort all- 
gemein zugänglich erhalten werden. 


Tübingen, im Frühjahr 1910. 


ı Zur Bestimmung kritischer Formen, Bastarde und Unterarten hat Herr 
Max Schulze (Jena) seine Beihilfe bereitwilligst zugesagt. 


Ueber die petrographischen und Bodenverhältnisse 
der Buntsandsteinformation Deutschlands. 
Von Dr. E. Blanck in Breslau. 


Ein Blick auf den derzeitigen Stand der Erforschung des Bodens 
zeigt das unverkennbare Bestreben mit den alten Traditionen, die 
bisher in dieser Disziplin bis zu einem gewissen Grade geherrscht 
haben, um jeden Preis zu brechen. Man bemüht sich, das geologische 
Moment aus der Bodenkunde auszuschalten, um eine auf rein chemischer 
und physikalischer Grundlage ruhende pflanzenphysiologische Boden- 
kunde anzubahnen. Wie weit man in diesen Bestrebungen gegangen 
ist, gibt am besten die „Bodenkunde für Land- und Forstwirte“ von 
E. A. MiTscHeErLich zum Ausdruck, in welcher der geologisch-historischen 
Methode mit Ausnahme der die geologische Bodenklassifikation be- 
handelnden Seiten’ kein Platz mehr eingeräumt wird. Ja man legt 
ihr sogar zur Last, daß durch sie die Bodenkunde in ein Stadium 
gelangt sei, „in welchem eine Weiterentwicklung nicht mehr mög- 
lich war“ ?. 

Von anderer Seite aus, ich weise hier namentlich auf die Arbeiten 
P. EHrEnBERG’s? und Corxu’s* hin, wird versucht, der Bodenforschung 
durch die Anwendung der Kolloid-Chemie neues Blut in die stockenden 
Adern zu flößen. Ein Versuch von jedenfalls nicht zu unterschätzender 
Bedeutung, der ohne Frage ganz neue Gesichtspunkte für viele bisher 
unlösbar gewesene Fragen verspricht. J. Kösıs und seine Schüler 

1 Vergl. S. 851—354. 

? l]. e. S. 3 im Vorwort. 

3s P. Ehrenberg, „Theoretische Betrachtungen über die Beeinflussung 
einiger der sogen. physikalischen Bodeneigenschaften“. Mitt. d. Landw. Inst. 
der Universität Breslau. Bd. IV. S. 445 und „Die Beziehungen der Kolloid- 
forschung zur Agrikulturchemie~. Zeitschr. f. Chemie u. Industrie d. Kolloide. Il. 
1908. S. 193. 

* F, Cornu, „Die heutige Verwitterungslehre im Lichte der Kolloid- 
chemie“. Zeitschr. f. Chemie u. Industrie d. Kolloide. Bd. IV. S. 291. 


> 


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führen andererseits mit mehr oder weniger Erfolg physikalisch-chemische 
Methoden zur Erforschung des Bodens heran! oder suchen durch 
Behandlung des Bodens mit strömendem Dampf oder Wasserstoff- 
superoxyd Lösungsverhältnisse zu finden, die Aufschluß über die von 
den Pflanzen aufnehmbaren Mineralstoffe zu geben erlauben ?. ATTER- 
BERG? rüttelt an die althergebrachten Methoden zur Zerlegung der 
Böden in einzelne Korngrößen, indem er eine auf natürlicher Grund- 
lage aufgebaute Klassifikation der Korngrößen der Sande anstrebt. 
Und SsoLLema* wendet Farbstoffe zur Trennung der Bodenkonstituenten 
an. Überall ein Streben nach Vervollkommnung der Kenntnis vom 
Boden und der zu dieser führenden Untersuchungsmethoden, zu welchem 
Zwecke man sich nicht scheut, die verschiedensten Wissenszweige, 
seien sie auch scheinbar noch so sehr entfernt, heranzuziehen. 

Des weiteren beansprucht nicht zum geringsten Teil die Bakterio- 
logie ein Anrecht auf den Böden und selbst von geologischer Seite 
werden die stärksten Bedenken getragen, in den alten „ausgetretenen 
Geleisen“ weiterzufahren. 

Es ist keineswegs zu unterschätzen, wie berechtigt die Forderungen 
sind, neue Gesichtspunkte in eine wissenschaftliche Disziplin zu tragen, 
denn nur hierdurch kann ihre Lebensfähigkeit und Vervollkommnung 
gesichert werden. Und je vielseitiger die Einflüsse sind, die sie von 
anderen Forschungszweigen erfahren kann und auf sie befruchtend 
einzuwirken vermögen, um so größer ist dıe Gewährleistung für ihre 
sichere Weiterentwicklung gegeben. 

Andererseits unterliegt es keinem Zweifel, daß dadurch, daß 
die Geologie, als die Bodenkunde noch in ihren ersten Anfängen 
begriffen war, schon eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht 
hatte, befähigt wurde für jene die Lehrmeisterin zu werden und damit 


"J. König, Coppenrath und Hasenbäumer, „Einige neue 
Eigenschaften des Ackerbodens“, Landw. Versuchsstationen 1906. LXIII. S. 471 
und König und Hasenbäumer, „Über die Bestimmung des osmotischen 
Druckes“. Zeitschr. f. angewandte Chemie. 1909. XXII. Heft 22 u. 23. 

? König, Coppenrath und Hasenbäumer, „Beziehungen zwischen 
den Eigenschaften des Bodens und der Nährstoffaufnahme durch ‘die Pflanzen“. 
Landw. Vers.-Stat. 1907. LXVI. S. 401. 

3 Atterberg, „Studien auf dem Gebiete der Bodenkunde“. Landw. 
Vers.-Stat. 1908. LXIX. S. 93 und „Über Korngrüße der Dünensande“. Chemiker- 
Ztg. No. 80. 1905. S. 1074. 

+i Sjollema, „Anwendung von Farbstoffen bei Bodenuntersuchungen* 
und „Die Isolierung der Kolloidsubstanzen des Bodens“. Journ. f. Landw. 1905. 
LII. Heft 1. 


— 410 — 


ihr die ersten Wege weisen mußte. Und was lag näher, als daß 
diejenige Wissenschaft, welche sich die Erforschung des Aufbaus der 
Erde und der Beschaffenheit des die Erdrinde bildenden Materials 
zur Aufgabe gestellt hat, sich eng mit einer Disziplin verwandt fühlen 
mußte, die sich als ihr Untersuchungsobjekt, die Entstehung und 
Beschaffenheit des aus den Gesteinen hervorgegangenen Aufbereitungs- 
produktes — als welches der Boden der Hauptsache nach doch nun 
einmal ohne Frage aufzufassen ist — erwählt hatte. 

So sehen wir schon vom Jahre 1824 einen derartigen Versuch 
von dem Mineralogen und Geologen Hausmann vorliegen, nachdem 
1818 sein „Versuch einer geologischen Begründung des Acker- und 
Forstwesens“ ' in der Kgl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen 
verlesen worden war. Von dieser Zeit an wird in den späteren Boden- 
kunden und bodenkundlichen Abhandlungen mehr oder weniger die 
Bedeutung der Geologie gewürdigt. Zwar fehlte es schon in der 
älteren Zeit nicht an Forschern, welche vor einer allzu starken Be- 
tonung der Geologie für bodenkundliche Fragen warnten und ihre 
Bedeutung auf ein gewisses Maß beschränkt wissen wollten, wie 
dieses namentlich durch B. Corra? geschah: „Denn es ist diese Be- 
deutung zwar nicht gering, aber doch auch nicht so groß und so 
unmittelbar, als sie bei flüchtigem Blick erscheinen kann und zuweilen 
dargestellt ist“, läßt er sich vernehmen, und „die Fruchtbarkeit des 
Bodens ist allerdings im hohen Grade von der Natur des Gesteins 
abhängig, aus deren Zersetzung (Verwitterung) er hervorgegangen 
ist, aber es ist ziemlich schwierig und zuweilen unmöglich, aus der 
mineralogischen Zusammensetzung oder gar aus dem bloßen Namen 
des irgendwo anstehenden festen Gesteins auf die Fruchtbarkeit des 
daraus entstehenden Bodens zu schließen“ (S. 245). Als Grund 
dafür, weshalb man aus der Gesteinsbeschaffenheit nicht sofort auf 
die Art des Bodens zu schließen vermöge und zwar auch dann nicht. 
„wenn wirklich die Bodenkruste durch Verwitterung an Ort und Stelle 
entstanden ist“, gibt er folgendes an: Einmal sei die chemische und 
mineralogische Zusammensetzung ein und derselben Gesteinsart zu 
sehr wechselnd und andererseits seien Gesteine verschiedener Gattung 
in dieser Beziehung oftmals zu gleichmäßig beschaffen. „Es ist daher 


1! Übersetzung von Prof. Körte aus dem Lateinischen (Specimen de rei 
agrariae et salutariae fundamento geologico) in den Möglin"schen Annalen 
der Landwirtschaft. Bd. 14. 1824. S. 417. 

? Vergl. B. Cotta. „Praktische Geognosie für Land- und Forstwirte und 
Techniker“. Dresden 1852. 


— 41 — 


für jede Varietät, für jede Lokalität nötig, das Gestein entweder und 
wenigstens, nach seiner mineralogischen oder was freilich noch sicherer 
ist, nach seiner chemischen Zusammensetzung zu untersuchen, um 
seine Fähigkeit rücksichtlich der Bodenbildung vom chemischen Stand- 
punkt zu beurteilen.“ Als weiteren Grund macht er geltend, daß 
nicht nur die Gesteinsbeschaffenheit, sondern „auch der Grad der 
Verwitterbarkeit“ entscheidend für den Bodenbestand sei, und daß 
die äußeren, klimatischen Verhältnisse, sowie die der Lage, ein 
gewichtiges Moment abzugeben befähigt seien. „Von noch weit 
geringerer Wichtigkeit als der Name des Gesteins ist für den Forst- 
und Landwirt das geologische Alter“, schließt er, und räumt der 
Geognosie insofern nur noch Bedeutung ein, als sie die Kenntnis 


nutzbarer Lagerstätten einschließlich solcher meliorierender Art ver- 
mittele. 


An diese von Corra ausgesprochenen Anschauungen, die keines- 
wegs vereinzelt dastehen, sich vielmehr in neuerer Zeit mehr und mehr 
Anklang verschaffen, knüpft gewissermaßen L. MırcH seine Betrach- 
tungen „über die Beziehungen der Böden zu ihren Muttergesteinen“ ! 
in neuester Zeit an. Bevor wir den in dieser Abhandlung von 
geologischer Seite aus gemachten Einwänden gegen die geologisch- 
historische Methode in der Bodenkunde näher treten, sei dem Wesen 
der Bodenkunde in formaler Hinsicht unsere Aufmerksamkeit geschenkt, 


um den von uns in den späteren Zeilen vertretenen Standpunkt zu 
rechtfertigen. 


Mit der Zeit jedoch mußte die Bodenkunde eine wesentlich 
andere Richtung nehmen, da man in ganz natürlicher Weise ent- 
sprechend praktischen Anforderungen den Boden lediglich als Standort 
der Pflanzen anzusehen gewöhnt wurde, weil die Kenntnis des Bodens 
nur allein für die Bedürfnisse der Land- und Forstwirtschaft von 
Wichtigkeit schien. Hierdurch gelangte die Bodenkunde in den 
Zustand der „Unfreiheit“, der sie zu einer Hilfswissenschaft der Acker- 
baulehre herabsinken ließ und ihr damit jede freie Entwicklung nehmen 
mußte. Wenn daher auf dem Gebiete der reinen Bodenkunde nur 
wenig geschah, so lag dies in ihrer Abhängigkeit von Agrikultur- 
chemie, Land- und Forstwirtschaft begründet’. 


1 Mitteilungen der Landwirtschaftl. Institute der Universität Breslau. 
Bd. JII. S. 867. 


? Vergl. E. Ramann, „Über Bodenkunde und angewandte Bodenkunde 
oder Technologie des Bodens“. Journ. f. Landw. 1905. S. 371. 


— 412 — 


Die Bodenkunde als Wissenschaft hat jedoch noch weitere Ziele 
zu erstreben, als lediglich der Pflanzenernährungslehre die notwendigen 
Grundlagen zum Verständnis zu bieten. Ihre erste Aufgabe ist 
und bleibt doch stets ihr Selbstzweck, unbeschadet 
davon, ob sie aufdie Bedürfnisse des praktischen Lebens, 
in unserem Fall der praktischen Land- und Forst- 
wirtschaft, irgend welchen Einfluß ausübt oder nicht. 
Dieses kann sie aber nur dann, wenn sie, losgelöst von jenen Bedürf- 
nisfragen und Verpflichtungen, in keiner Abhängigkeit von ihnen 
behandelt und gelehrt wird'. Je mehr dieser Forderung genügt wird, 
um so mehr wird sie einer Wissenschaft gleichen, und daß dieses 
Verhältnis seine volle Berechtigung hat, liegt darin, „daß die Wissen- 
schaft an und für sich zur Reform des praktischen Lebens um so 
weniger berufen ist, auf einer je höheren Sprosse jener Stufenleiter 
von Abstraktionen sie sich befindet, deren Durchführung für die wissen- 
schaftliche Tätigkeit so wesentlich ist?. 

Hiermit soll nun aber keineswegs gesagt sein, daß der Boden- 
kunde keine Beziehungen zum praktischen Leben eingeräumt werden 
sollen. Auch die Land- und Forstwirtschaft hat ein Anrecht auf 
bodenkundliche Forschungen und kann beanspruchen, daß ihr sowohl 
die Resultate der Bodenkunde nutzbar gemacht, als auch boden- 
kundliche Fragen ıhrer Benutzung angepaßt werden. Doch ihren 
selbständigen Charakter soll sie dadurch nicht verlieren. Die Boden- 
kunde aber wird dadurch, daß sie diesen allseitigen Anforderungen 
zu entsprechen sucht, zu einer gemischten Disziplin, d. h. sie gliedert 
sich in eine wissenschaftliche Bodenkunde und in eine angewandte 
Bodenkunde, d. i. die Technologie des Bodens. Zwischen beiden 
bestehen jedoch enge und natürliche Beziehungen °. 

Wenn aber, was nicht zu leugnen ist, der vornehmste Zweck 
der Bodenkunde ihr eigener Ausbau ist, d. h. alles das, was im 
Zusammenhang mit dem Wesen des Bodens steht, zu sichten und 
logisch zusammenzustellen, um aus diesem Tatsachenmaterial die 
Erklärung für die Wechselbeziehungen der Eigenschaften des Bodens 
unter sich und zu anderen Objekten der Natur zu finden, so kann 
die Geologie, als Lehre vom Entstehen und Vergehen alles Irdischen, 


I Vergl. A. Sauer, „Die Behandlung der Bodenkunde als Lehrfach an 

den Senn und Universitäten“. Zeitschr. f. prakt. Geol. 1909. S. 453 u. 524, 
* Vergl. W. Wundt, „System der Philosophie“, S. 9. 

® Vergl. F. W. Dafert, „Über das Wesen der Bodenkunde, eine kri- 
tische Studie“. Landw. Jahrbücher. Bd. 15. 1866. S. 243—257. 


— 43 — 


nicht aus dem Rahmen der Bodenkunde verschwinden, ohne daß 
diese Verzicht leisten müßte, eine Wissenschaft insonderheit eine 
Naturwissenschaft zu sein. Niemand wird aber im Ernstfalle der 
Bodenkunde das Recht, eine naturwissenschaftliche Disziplin zu sein, 
streitig machen wollen. 

Die Notwendigkeit der Anteilnahme der Geologie an der Er- 
forschung des Bodens unterliegt dementsprechend in formaler Hinsicht 
keinem Zweifel. Diese grundlegende Tatsache veranlaßte schon ALBERT 
OrrnH im Jahre 1877, die Worte auszusprechen: „Wenn man die natur- 
wissenschaftlichen Grundlagen der Bodenkunde erforschen oder dar- 
stellen will und berücksichtigt dabei die genannte geologische Basis 
nicht — so fehlen eben dabei die allerwichtigsten Grundlagen für 
die Bildung und die wirkliche Kenntnis des Bodens. Es ist für den 
Fortschritt und die Resultate der physikalisch-chemischen Unter- 
suchungen über den Boden von der größten Bedeutung, daß hierbei 
in Wirklichkeit von den naturhistorischen Grundlagen ausgegangen 
wird. Es ist das geologische Fundament und das Bodenprofil'.“ 

Jedoch ist es eine weit andere Frage, in welcher Weise und 
wie weit die Geologie berufen ist, auf die Bodenkunde einzuwirken 
und zwar auch auf denjenigen Teil, der den praktischen Bedürfnissen 
des Land- und Forstwirtes sn. nämlich der Technologie 
des Bodens. 

Die Bedeutung, welche die geologisch-agronomische Kartierung 
für die Bodenkunde besitzt, sowie die geologische Wissenschaft für 
die Auffindung von für die Melioration wichtiger Kalk- und Mergel- 
lager etc. hat, sei hier nur erwähnt?. Sie erfreut sich im allgemeinen 
auch einer allseitigen Anerkennung. Wenn ihr jedoch von seiten 
mancher Praktiker die gebührende Beachtung nicht gezollt wird, so 
hat dieses meist seinen Grund darin, daß man entweder allzuviel 
von ihr verlangt, oder daß das zum Lesen und Verstehen solcher 
Karten notwendige geologische Wissen nicht genügend vorhanden 
ist. In beiden Fällen ist dann der Geologie aber nicht die Schuld 


ı A. Orth, „Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Bodenkunde“. 
Landw. Vers.-Stat. 1877. XX. S. 69, 

? H. Gruner. „Landwirtschaft und Geologie“. Berlin 1879, T. Woelfer, 
„Die geologische Sperinlkärte und die landwirtschaftliche Bodeneinschätzung”. 
Abhandl. d. k. preuß. geol. Landesanst. Neue Folge. Heft 11. 1892. K. Keil- 
hack, „Einführung in das Verständnis der geol. agronom. Karten des nord- 
deutschen Flachlandes“. Berlin 1902. Jentsch, „Zwölf landwirtschaftliche 
Fragen beantwortet aus einer nnd derselben Seolowiächen Karte“. Berlin 1904. 


— 414 — 


beizumessen. Daß die Kartierung aber auch für die Bedürfnisse der 
praktischen Landwirtschaft etwas mehr zugeschnitten werden könnte, 
und sie dann in der Lage wäre, weit mehr zu leisten, zeigen u. a. 
die in dieser Richtung ausgeführten Arbeiten J. Hazarp’s'. 

Auch in dem neuesten, größeren, geologischen Kartenwerk 
Deutschlands, der geologischen Spezialkarte von Württemberg, ist 
den Anforderungen der Forst- und Landwirtschaft in Hinsicht der 
Bodenbeschaffenheit das weitgehendste Entgegenkommen gezeitigt 
worden, was zwar für die Darstellung des Gebirgslandes mit be- 
sonderen Schwierigkeiten verknüpft war, aber dennoch in einfacher 
und geradezu vorbildlicher Weise zur Ausführung gelangte?. 

Wenn nun keineswegs die Bedeutung geologischer Forschung 
auf diesem Gebiete für die Bodenkunde zu verleugnen ist, so kommt 
den Versuchen, geologische Verhältnisse auf die Einteilung der Boden- 
arten zu übertragen, bezw. eine geologische Bodenklassifikation zu 
liefern, kein oder nur geringer Wert zu. Nicht ganz mit Unrecht 
wird daher dieses Bestreben, wie es sich in vielen älteren Lehr- 
und Handbüchern ë der Bodenkunde breit macht, u. a. von E. A. 
MitscherLich getadelt. So zeigt z. B. ein Blick auf die von Fresca * 
seinerzeit aufgestellte Bodenklassifikation nur allzudeutlich die Unmög- 
lichkeit, diese Aufgabe in befriedigender Weise zu lösen. Hier fallen 
in die verschiedenartigsten ’Bodenklassen, wie Sand-, Kalk- und Ton- 
boden, Vertreter ein und derselben Formation und lassen daher eine 
Trennung in geologisch-historischer Folge durchaus nicht zu. Dieses 
ist nun zwar auch nicht anders zu erwarten, denn die Gesteine 
einer „Formation“ bestehen nicht aus petrographisch gleichwertigen 
Bildungen. 

Die Formationslehre oder Stratigraphie bezweckt aber auch 


ı J. Hazard, „Die geologisch-agronomische Kartierung als Grundlage 
einer allgemeinen Bonitierung des Bodens“. Landw. Jahrbücher. 1900. XXIX. 
S. 805 und „Die Geologie in ihren Beziehungen zur Landwirtschaft“. Zeitschr. 
d. deutsch. geol. (res. Jahrg. 1891. S. 811. 

t Vergl. hierzu die neuen Blätter Freudenstadt, Simmersfeld, Obertal- 
Kniebis etc. der Karte im Maßstab 1:25000 und A. Sauer, „Die Tätigkeit der 
württbg. geolog. Landesanstalt“. Jahreshefte d. Ver. f. vaterl. Naturk. in Würt- 
temberg. Jahrg. 65. 1909. S. XXXII. 

3 Vergl. namentlich: F. A. Fallon, „Pedologie oder allgemeine und be- 
sondere Bodenkunde“. Dresden 1862. 

4 Vergl. Fesca, „Die agronomische Bodenuntersuchung und Kartierung 
auf naturwissensebattl, Grundlage“. Berlin 1879 u. Mitscherlich, „Bodenkunde“. 
S. 352 u. 353. 


— 45 — 


nicht die Aufstellung oder Zusammenfassung gleichwertiger oder 
ähnlicher petrographischer Bildungen zu einem System, sondern sieht 
ihre Aufgabe in der Gruppierung und Verbindung von stratigraphisch- 
paläontologischen Tatsachen gleichwertiger bezw. ähnlicher Natur". 

Es ist daher auf den ersten Blick nicht einzusehen, wie es 
möglich war, eine Einteilung der Böden auf geologischer Grundlage 
vorzunehmen, da ein Zusammenhang zwischen dem aus einem Ge- 
stein hervorgegangenen Boden und dem Alter des Muttergesteins, 
denn nur in dieser Hinsicht wird das Gestein durch die geologische 
Nomenklatur bewertet, überhaupt nicht vorhanden zu sein scheint. 
Dagegen ist nun erstens einzuwenden, daß der Formationsbegriff 
ursprünglich aus petrographischen Erwägungen hervorgegangen ist. 
FtcuseL? hatte nämlich als erster neun Formationen unterschieden 
und zwar den „Muschelkalch“, das „Sandgebürge“, das „mehlbatzige 
Kalchgebürge“, die „Flötze“, „Weißgebürge“, „Rotgebürge“, Schwarz- 
blaues Schalgebürge“, „Steinkohlengebürge“ und das „Grund- oder 
Ganggebürge“, und A. G. Werner’, welcher diesen Begriff übernahm 
und bekanntlich den Absatz der Gesteine aus dem Wasser lehrte, 
glaubte, daß überall dieselben Schichtgesteine in der gleichen Reihen- 
folge und Ausbildung vorhanden wären, und daß sie in gleichmäßiger 
Entwicklung über die ganze Erde verfolgt werden könnten. Diese 
Aufstellung, die lediglich von der gleichartigen Beschaffenheit der 
Gesteine ausging und die organischen Reste in denselben fast gänz- 
lich vernachlässigte, dazu ın völlig einseitiger Auffassung die „neptuni- 
stische“ Entstehungsweise der Gesteine lehrte, konnte die junge 
Bodenkunde nur in der genannten Richtung beeinflussen, denn ihre 
Anfänge fielen noch in die Zeit, in welcher jene Lehre durch den 
Einfluß WERNER S noch wirkte und Anerkennung fand. Zwar hatten 
schon 1822 CoxyßEARE und PHıLıpps den Nachweis geliefert, daß die 
Grundlage für die vergleichende Betrachtung der Sedimentgesteine 
nur unter Heranziehung der Versteinerungen erreichbar sei, und 
schon war um 1830 durch Cnartes LEvELE, P. Desuayes und H. G. 
Broxx die Grundlage für die paläontologische Altersbestimmung als 


! Vergl. N. Neumeyer, „Erdgeschichte“. Bd. II. S. 1—8 und Credner, 
„Elemente der Geologie*, 7. Auflage. 1891. S. 353 etc. 

° Füchsel, „Historia terrae et maris ex historia Thuringiae permontium 
descriptionem erecta*. Acta Acad. elect. Moguntinae zu Erfurt. 1762. Zittel, 
-Geschichte der Geologie und Paläontologie‘. München und Leipzig. 1899. S.51. 

3 Abraham Gottlob Werner, geb. 1749. gest. 1817. hinterließ wenig Ge- 
schriebenes, seine Lehre lebte in seinen Schülern weiter. Vergl. Zittel, 1. c. S. 89. 


— 416 — 


sichergestellt zu betrachten, aber dennoch wurde ihre allgemeine 
Anwendung erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts namentlich durch 
das planmäßige Vorgehen der zu jener Zeit. ins Leben gerufenen 
geologischen Landesanstalten befolgt und ermöglicht‘. Doch die 
Umgestaltung dieser Verhältnisse brachte, wahrscheinlich weil sie 
nicht direkt daran beteiligt war, für die geologisch behandelte Boden- 
kunde keine Veränderung mit sich. 

Als zweites Argument für die Einteilung der Böden auf geo- 
logischer Grundlage spricht der Umstand, daß man in der Boden- 
kunde eigentlich wohl niemals im Ernst den Formationsbegriff als 
stratigraphisch-paläontologischen, sondern stets als petrographischen 
aufgefaßt hat. Hieraus erklärt sich nicht nur die lange Dauer seiner 
Anwendung in der Bodenkunde, sondern auch die gegen ihn in 
neuester Zeit geäußerte Schärfe der Polemik, weil man aus ver- 
fehlter Würdigung der Sachlage das bodenkundlich wichtige petro- 
graphische Moment mit dem geologisch-historischen vertauschte und 
bei der Unzulänglichkeit des letzteren ein leichtes Spiel gewann, 
auch die für die Bodenkunde wichtige petrographische Grundlage 
als überflüssig und unbrauchbar darzustellen. So erklärt sich denn 
auch ein Satz wie der folgende in einem Lehrbuch der Bodenkunde: 
„Es ist für unsere Kulturpflanzen ganz gleichgültig, wie der Boden, 
auf dem sie wachsen, einst geologisch entstand ?.“ 

So gänzlich aus der Luft gegriffen, wie es den Anschein, nach 
den vorausgegangenen Darlegungen, haben könnte, ist nun aber die 
Aufstellung von Bodentypen auf geologischer Grundlage doch auch 
nicht, wenn sie auch keineswegs zu einer Bodenklassifikation heran- 
gezogen werden darf. Wohl fußt in der geologischen Wissenschaft 
die Formationseinteilung, Zonengliederung, Horizont- und Ftagen- 
abtrennung auf paläontologische Unterschiede, aber die Existenz 
und das Gedeihen von verschiedenen Tieren und Pflanzen setzt auch 
verschiedene und zwar bestimmt differenzierte Lebensbedingungen 
voraus, denn nicht alle Organismen vermögen unter den gleichen 
Bedingungen überall auf der Erde zu leben. Für die Verhältnisse 
der Vorwelt hat dieses zur Aufstellung der bionomischen Bezirke 
geführt, und man hat schon frühzeitig erkannt, daß dieselben in 


1 Vergl. Zittel, 1. e. S. 568—590. 

? Vergl. Mitscherlich, I. c. S. III im Vorwort. Ganz neuerdings wird 
von demselben Autor dem „Boden“ überhanpt jede Funktion als „Nährstoff“ ab- 
gesprochen. ihm höchstens das Vermögen als Nährstoffträger zu dienen ein- 
geräumt. Centralblatt f. Bakteriologie II. Bd. 26. 1910. S. 514. 


= 4 = 


enger Beziehung zu den Gesteinen stehen. Denn man findet in be- 
stimmten Gesteinen nur ganz bestimmte Versteinerungen, während 
man in anderen vergebens nach ihnen Umschau hält. Wie innig 
diese Beziehungen sind, geht am besten aus nachstehendem Verhältnis 
hervor. Mit dem Worte Fazies bezeichnet der Geologe die unter- 
scheidenden Merkmale gleichzeitig gebildeter Gesteine. „Das ge- 
meinsame zweier, als Fazies unterschiedener Gesteine ist“ also, „die 
Gileichzeitigkeit ihrer Bildung, und da die Faziesunterschiede durch 
verschiedene äußere Umstände erzeugt worden sein müssen, so 
spielen bei der Faziesbezeichnung die Umstände der Bildung eines 
Gesteins eine hervorragende Rolle, so daß man Fazies im über- 
tragenen Sinne, die Wechselbeziehungen zwischen den äußeren Be- 
dingungen einerseits und dem Gesteinsmaterial und den Wohnsitzen 
von Organismen andererseits, genannt hat'.“ 2 

Aus dieser Wechselbeziehung zwischen geologischer Entstehung 
eines Gesteins einerseits und petrographischer Beschaffenheit anderer- 
seits läßt sich die Möglichkeit der Aufstellung von geologischen 
Bodentypen bis zu einem gewissen Grade rechtfertigen. Es gilt 
dieses natürlich nur für die aus Sedimentgesteinen hervorgegangenen 
Böden, für solche aus eruptivem Material liegen die Verhältnisse 
selbstredend ganz anders. 

Wären derartige Beziehungen nicht vorhanden, so wäre es 
geradezu unverständlich, wie sich namhafte Forscher auf diesem Ge- 
biete mit der Frage nach dem geologischen Ursprung der Böden 
jemals hätten beschäftigen können”. 

Desgleichen wäre die Benennung eines Bodens nach seiner 
Herkunft unmöglich und widersinnig, und dennoch geben Bezeich- 
nungen wie Wellenkalkboden, Trochitenkalkboden, Boden des Eck- 
schen dGeröllhorizontes, Keupermergelboden, Schilfsandsteinboden 
u. dergl. mehr eigentümliche und charakteristische Merkmale für 
die genannten Böden innerhalb einer größeren Gruppe ähnlicher 
Bildungen ab. Daß die Unterschiede der einzelnen auf dieser Grund- 
lage erhaltenen Bodentypen untereinander nicht von der tief- 


— [| 


1 Joh, Walther. „Einleitung in die Geologie als historische Wissenschaft“, 
Teil I: „Bionomie des Meeres“. Jena 1893.94. S. 26 und E. v. Mojsisowics, „Die 
Dolomitriffe von Südtirol”. Wien 1879. S. 5. 

2? Hier sind in neuerer und neuester Zeit namentlich die Arbeiten 
C. Luedecke's in den Abhandlungen zur geologischen Spezialkarte von Hessen, 
sodann die Arbeiten der geologischen Landesanstalten von Baden und Würt- 
temberg unter der Leitung von A. Sauer hervorzuheben. 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 27 


— 418 — 


einschneidendsten Wirkung sein können, versteht sich von selbst, denn 
bedenkt man, daß die Zahl der wohl charakterisierten agronomischen 
Bodentypen, auch wenn man ihre Zwischen- und Übergangsformen 
mit einrechnet, nur eine ganz verschwindend geringe ist, wogegen 
die Zahl der Gesteine in Hinsicht nach Entstehung und Beschaffen- 
heit zu ihnen in gar keinem Verhältnis steht, so muß man die Un- 
billigkeit dieses Verlangens ohne weiteres zugeben. 

Wenn nun auch die Möglichkeit der Unterscheidung von Böden 
nach der geologischen Entstehung ihres Muttergesteins innerhalb 
gewisser Grenzen besteht, so scheint sie jedoch nicht anstrebenswert 
zu sein. Namhafte Gründe machen sich hiergegen geltend, die vor 
allem ihre Ursache in der geologischen Nomenklatur haben. So 
bestehen nicht alle Gesteine aus Kalk, die unter der Bezeichnung 
Kreideformation zu dieser vereinigt werden. Nicht jedes Muschel- 
kalkgestein ist auch ein Kalkstein und nicht jedes Buntsandstein- 
gestein ist ein Sandgestein, sondern hier wie dort sind Mergel, Tone. 
Sande und Kalksteine vertreten. 

Es empfiehlt sich daher nicht nur, sondern wird gerade zur 
Notwendigkeit, die petrographische Natur des Gesteins gegenüber 
seiner geologischen Selbständigkeit in den Vordergrund zu stellen. 
Damit ist aber keineswegs die Lösung des Verhältnisses der Geologie 
zur Bodenklassifikation und Bodenforschung herbeigeführt, nur die 
Fragestellung hat sich verschoben, und es wird zu untersuchen sein, 
wie weit die Lehre von der Beschaffenheit der Gesteine, die Petro- 
graphie, die Bodenkunde zu beeinflussen imstande ist. 

Geht man von der unumstößlichen Tatsache aus, daß alle 
Böden mit Ausnahme der Torf- und Moorböden der Hauptsache 
nach ein Haufwerk von anorganischen und speziell Mineralbestand- 
teilen darstellen, so schließt diese Erkenntnis zugleich ihre Zugehörig- 
keit zu anderen, ebenfalls in der Hauptsache anorganischen speziell 
Mineralkörpern in sich. Die in dieser Hinsicht den Böden oder den 
Mineralböden am nächsten stehende Körperklasse sind die Gesteine. 
Und es entsteht nun die Frage: in welcher Beziehung stehen beide 
Körperklassen zueinander? Sie ist leicht zu beantworten und ihre 
Lösung allgemein’ bekannt. Die Böden sind das Aufbereitungs- 
produkt der Gesteine. Dies einmal zugegeben, läßt keinen Zweifel 
mehr an der überaus engen Zugehörigkeit der Böden zu den Ge- 
steinen offen, was u. a. auch darin seinen Ausdruck findet, dab 
man geradezu von den „Muttergesteinen“ der Böden spricht. Doch 
wie weit der Einfluß der Beschaffenheit ersterer auf die Natur der 


— 419 — 


letzteren reicht, hängt nicht allein von der Ausbildung der Gesteine 
ab, sondern wird außerdem durch eine Anzahl weiterer Faktoren 
bedingt. | 

Den Vorgang, der die Gesteine in Böden umwandelt, nennt 
man die Verwitterung. Die Verwitterung selbst aber ist eine Funktion 
des Klimas, und als solche wird ihre Wirkung auf die Gesteine 
durch die Art des Klimas vornehmlich bedingt. Hierauf beruht es, 
daß eine beträchtliche Einschränkung in der Abhängigkeit des Bodens 
von seinem Muttergestein zu verzeichnen ist, wodurch diese Be- 
ziehungen an allgemeiner Bedeutung sehr verlieren. Wie z. B. daraus 
hervorgeht, daß dasselbe Gestein in den Tropen einen ganz anderen 
Boden durch seine Verwitterung hervorbringt, als wenn es in der 
gemäßigten Zone zur Aufbereitung gelangt. Ferner tritt noch der 
Umstand hinzu, daß die Böden nicht lediglich die Produkte der Ver- 
witterung sind. Ein gut Teil ihrer Bildung, wenn auch erst in zweiter 
Linie, verdanken sie dem Einfluß des Pflanzenlebens. Diese Er- 
scheinungen und ihre Einordnung in das System führten zur Auf- 
stellung der klimatischen Bodenzonen', wodurch die petrographische 
Beschaffenheit des Gesteins nur noch unter ganz gewissen Be- 
dingungen, d. h. in einer bestimmten Klimazone, für die Boden- 
beschaffenheit von Bedeutung wurde. Für die Gebiete des mittleren 
Deutschlands treffen nun zufolge der dort herrschenden klimatischen 
Verhältnisse Bedingungen zu, nach welchen „fast jedem Gestein ein 
bestimmter Bodentypus entspricht.“ Doch nicht nur für das mittlere 
Deutschland gelten diese Verhältnisse, sondern überhaupt in den 
gemäßigten Breiten und zwar speziell in den Gebieten der „Braun- 
erden“. „Hier hat eine Ordnung der Bodenarten nach ihrem Ursprungs- 
gestein volle Berechtigung °.“ 

Zu diesem Ausspruche Raxann’s stehen L. MırcH's vorgenannte 
Ausführungen zunächst scheinbar im stärksten Gegensatz, wenn er 
sagt: „Zunächst muß klar ausgesprochen werden, daß alle Versuche 
eine Klassifikation der Böden auf Grundlage der Mineralogie 
resp. Petrographie resp. Geologie allein oder eine Vereinigung mehrerer 
dieser Wissenschaften aufzubauen gescheitert sind, und daß jeder 
neue derartige Versuch von vornherein den Stempel der Aussichts- 


losigkeit an sich tragen müßte*.“ Ramann hat denn auch tatsächlich, 


! Vergl. E. Ramann, „Bodenkunde“. S, 391. 
2 Desgl. l. ce. S. 392. 


> Vergl. Ramann. |. c. S. 214. 
t Vergl. Milch, 1l. c. S, 868. 


— 420 — 


worauf MıLcH ebenfalls hindeutet, in seiner auf rein geologischer und 
meteorologischer Grundlage aufgebauten, wissenschaftlichen Boden- 
kunde darauf verzichtet, eine derartige Klassifikation zu geben, viel- 
mehr eine, die den physikalischen Eigenschaften der Böden entspricht. 
als vorläufige Übersicht der Hauptbodenformen an ihre Stelle gesetzt. 
Allerdings mit dem Vorbehalt, daß ein neues Einteilungsprinzip der 
Böden anzustreben sei, das sich auf klimatischen, geologischen, physi- 
kalischen und chemischen Grundlagen aufzubauen habe‘. 

Sowohl aus diesen Ausführungen von kompetenter Seite, wie 
auch aus den vorhergegangenen eingehenden Erörterungen geht genug- 
sam die Unzulänglichkeit einer geologischen Bodenklassifikation hervor, 
aber deswegen die geologischen und petrographischen Wissenschaften 
gänzlich aus der Bodenkunde ausschließen zu wollen, würde doch 
eine Verkennung der wirklichen Wechselbeziehung dieser Wissen- 
schaften zur Bodenkunde sein. Hiergegen verwahrt sich auch Milca 
entschieden, indem er contra MıtscherLich betont: „Für die Boden- 
kunde in ihrer Gesamtheit ist die Frage nach der geologischen 
Entstehung nicht gleichgültig: ein prinzipieller Verzicht wäre gleich- 
bedeutend mit einem Aufgeben ihrer wichtigsten naturwissenschaft- 
lichen Grundlage. Die Grundwissenschaften gänzlich auszuschließen, 
ist aber, auch wenn man diese Erwägungen nicht gelten lassen will 
und sich auf den ausschließlich praktischen Standpunkt stellt, un- 
möglich : die Einteilung in die Hauptbodenarten der Praxis (Sand-, 
Lehm-, Tonboden) beruht auf der mineralogisch-petrographischen 
Natur dieser Gebilde.“ Diesen Anführungen ist vollauf zuzustimmen, 
denn das wahre Verhältnis der Petrographie zur Bodenkunde läßt sich 
nicht schärfer fassen, als es in dem Schlußsatz zum Ausdruck kommt. 

Mıtcu, der die Frage nach der Benutzung des geologischen 
Alters eines Gesteins für die Bodenklassifikation und Bodenkunde 
überhaupt eingehender untersucht, kommt zu dem Schluß: „Es sind 
nur zwei Wege denkbar, die diesen geologischen Tatsachen Rechnung 
tragen und doch versuchen, das geologische Alter eines boden- 
bildenden Sedimentes bodenkundlich zu verwerten. Man kann ent- 
weder die Verhältnisse eines räumlich resp. zeitlich beschränkten 
Gebietes untersuchen oder für die Bodenentwicklung wichtige ge- 
meinsame Eigenschaften gleicher Fazies mit ähnlicher Fazies anderer 
Perioden vergleichen.“ Für die nähere Untersuchungsmethode der 


1 Vergl. Ramann, l. c. S. 379. 
2? Milch, 1l. c. S. 868. 
? Desgl. S. 869. 


— 421 — 


beiden Wege versucht er solche Beispiele beizubringen, in denen nur 
„die für sie günstigsten Voraussetzungen angenommen“ sein sollen. 

Als erstes Beispiel wählt er „die petrographisch vielleicht ein- 
förmigste Formationsabteilung Mitteleuropas, den Buntsandstein des 
mittleren und südlichen Deutschlands“ und gibt an der Hand des 
in den „Elemente der Geologie“ von H. CrEDNER aufgestellten Schemas 
der petrographischen Gesteinsbeschaffenheit dieser Formation einen 
Überblick über sie und findet, daß infolge des immerhin noch großen 
petrographischen Wechsels die Untersuchung eines zeitlich be- 
schränkten Gebietes noch zu umfangreich ist. „Für die Bodenkunde 
ist mithin das besprochene Gebiet im günstigsten Falle noch zu 
weit gefaßt!.“ Gleiches entnimmt er auch für die petrographische 
Zusammensetzung eines räumlich beschränkten Gebietes aus dem- 
selben Schema, indem er wiederum auf dieses hinweist. Nun ist 
es aber doch ohne weiteres klar und Mitch selbst weist mit folgenden 
Worten darauf hin, „daß derartige geologisch wichtige und exakte 
kurze Zusammenfassungen für die Zwecke der Bodenkunde, für die 
sie gar nicht formuliert sind, nicht in Anspruch genommen werden 
können.“ Deswegen kann ich mich auch nicht der Ansicht an- 
schließen, daß Mitcu durch obige Beispiele den Beweis erbracht hat, 
daß die Untersuchung eines räumlich wie zeitlich beschränkten geo- 
logischen Gebietes für die Bodenkunde unbrauchbar sei. Es liegt 
viel näher anzunehmen, daß Crrpxers „Elemente der Geologie“ für 
die Bodenkunde in genannter Richtung nicht ausreicht, was jedoch 
von diesem vorzüglichen Lehrbuch auch nicht anders zu erwarten 
ist. Will die Geologie in dieser Richtung auf die Bodenkunde ein- 
wirken, so wird wohl für diese Zwecke eine detaillierte geologisch- 
petrographische Beschreibung der Gesteine einer Formation nötig 
sein, an welche sich eine Zusammenfassung nn boden- 
bildenden Materials anzuschließen hat. 

Der andere Weg, den die geologisch-historische Methode nach 
Mırca einzuschlagen vermöchte, wäre, gleiche fazielle Bildungen eines 
geologischen Abschnittes aufzusuchen und diese mit ähnlichen Fazies 
einer anderen Periode zu vergleichen, ausgehend von der Auffassung, 
„daß gleiche Faziesbildlungen einer geologischen Formation sich 
petrographisch näher stehen als entsprechende Bildungen verschiedener 
Formationen ^.“ Daß die Durchführung bezw. Anwendung letzterer 
Methode zur Gewinnung einer Bodenklassıfikation nicht geeignet 

28, 870. 

2 Milch, L c. 


— 422 — 


sein kann, muß allerdings ohne weiteres zufolge der großen Ver- 
schiedenheit der faziellen Bildungen innerhalb einer Formation zu- 
gegeben werden. Als Grund hierfür tritt also abermals die grobe 
Differenzierung des petrographischen Materials auf, woraus zu schließen 
ist, daß eine Einteilung, die einer weiteren Verallgemeinerung fähig 
ist bezw. erlaubt, große Gruppen aufzustellen, auf der genannten 
Grundlage nicht zu erreichen ist. 

Da nun aber die wissenschaftliche Bodenkunde nicht ihre 
einzige Aufgabe in der Aufstellung einer Bodenklassifikation — sei 
es auf welcher Grundlage es auch wolle — zu erblicken hat, sie 
vielmehr in ihrem dynamischen Teil, nämlich in der Lehre von der 
Verwitterung, die gegenseitigen Beziehungen vom Ausgangsmaterial, 
den Gesteinen, zu dem Endprodukt, den Böden, zu verfolgen und 
aufzudecken hat, so muß sie in letzter Linie auf die geologisch- 
petrographische Beschaffenheit der Gesteine zurückgreifen. Es 
ist daher wohl berechtigt, von denBöden einer Formation 
zu sprechen, doch nicht im Sinne als typische durch ihre 
geologische Abkunft spezifisch charakterisierte und daher 
selbständige Vertreter derselben, sondern als Abkömm- 
linge einer gleichzeitig zur Ablagerung gelangten Ge- 
steinsserie, die in ihrer Gesamtheit den Aufbereitungs- 
zustand einer vergangenen erdgeschichtlichen Epoche dar- 
stellt, soweit derselbe bis auf uns gelangt ist. Denn wie die 
unter unseren Augen sich heute noch bildenden Böden das Auf- 
bereitungsprodukt der die jetzige Erdoberfläche zusammensetzenden 
Gesteine sind, so sind die „Schichtgesteine“ früherer Erdperioden 
die Verwitterungsprodukte ihrer Vorgänger!. 

In diesem Sinne ist der dynamische Teil der Boden- 
kunde, die Verwitterungsliehre, nichts anderes als die 
Geologie der Gegenwart. Aber nicht nur die Geologie ist 
eine historische Wissenschaft, auch die Bodenkunde als 
eines ihrer Glieder verlangt historisch behandelt zu 
werden. 

Vergl, E. Wüst, „Studien über Discordanzen im östlichen Harzvorlande“. 
Centralbl. f. Min. etc. 1907. S. 81. W. Deecke, „Die südbaltischen Sedimente 
in ihrem genetischen Zusammenhange mit dem skandinavischen Schilde“. Centralbl. 
f. Min. etc. 1905. S. 97. Olbricht, „Über einige ältere Verwitterungs- 
erscheinungen in der Lüneburger Heide“. Centralbl. f. Min. etc. 1909. S. 6%. 

! Vergl. E. Weinschenk, „Allgemeine Gesteinskunde als Grundlage 


der Geologie“. Freiburg 1902, S. 69. F. Frech, Lethaea geognostica, Con- 
tinentale Trias. S. 29—35. 


— 423 — 


Im nachstehenden ist der Versuch unternommen worden, eine 
Übersicht und Zusammenstellung der Böden einer Formation von 
diesen Gesichtspunkten aus zur Darstellung zu bringen. Es wurde 
als solche die Formation des Buntsandsteins in Deutschland gewählt. 
Einmal, weil dieser wohl die allereinförmigste petrographische Aus- 
bildung?! zeigt, so daß er sich für die Frage nach der Anwendbar- 
keit der geologisch-historischen Methode in der Bodenkunde als 
besonders geeignet erweist, sodann aber auch, weil der weitaus 
größte Teil des gebirgigen Deutschlands Böden dieser Formation 
liefert. Dementsprechend wurde auch eine allgemeine Übersicht 
seiner geographischen Verbreitung vorausgeschickt. Der übrige Stoff 
gliedert sich zunächst nach dem geologischen Alter, sodann in Fest- 
stellung der Verbreitung und des Vorkommens sowie der petro- 
graphischen Beschaffenheit des Muttergesteins, worauf die Beschrei- 
bung der chemischen Zusammensetzung desselben sowie der Verlauf 
der Verwitterung auf Grund petrographischer und chemischer Natur 
folgt. Es schließt sich daran die Charakteristik des gebildeten Bodens 
sowie seine forst- und landwirtschaftliche Ausnutzung und Kultur. 

Eine Arbeit wie die nachstehende, die gezwungen war, ihre 
Einzelheiten aus der spärlich vorhandenen und sehr zerstreuten 
Literatur zu entnehmen, die sich sogar manchmal entschließen mußte, 
nicht ganz gleichwertiges Material zusammenzufassen, weil die Bezugs- 
quelle aus Mangel an präziser Ausdrucksweise versagte, und die 
nur einen Bruchteil des vorhandenen, einschlägigen Materials aus 
gleichen Gründen verwerten konnte, kann nicht den Anspruch auf 
völlige Erschöpfung des umfangreichen Stoffes erheben, sondern 
wünscht nur einen Beitrag zur Kenntnis der Böden nach ihrem 
Muttergestein zu liefern. 

Das Hauptverbreitungsgebiet des germanischen Buntsandsteins 
liegt im Herzen von Deutschland. Hier nimmt es eine große zu- 
sammenhängende Fläche ein, welche im W durch das basaltische 
Vogelsgebirge und paläozoische rheinische Schiefergebirge, im NO 
und O durch die alten Massive des Harzes und Thüringens begrenzt 
wird. Im N reicht der Buntsandstein bis in die Gegend von Hameln 
und Hildesheim, und im S bildet der Kraichgau in Baden seine 


1 Ich wurde nicht etwa deswegen veranlaßt, den Buntsandstein zu wählen, 
weil ihn Milch in seiner Abhandlung als Beispiel benutzt hatte. Meine Arbeit 
lag zu jener Zeit, als Milch’s Arbeit erschien, schon fast fertig vor, nur da. 
durch, daß ich während zweier Jahre verhindert war, dieselbe abzuschließen, 
erklärt sich ihr spätes Erscheinen. 


— 424 — 


Grenze. Dementsprechend wird also fast das ganze hessische Berg- 
land, das westliche Waldeck, das südliche Braunschweig und Hannover, 
das westliche Thüringen, der Spessart und östliche Odenwald zu- 
sammenhängend von den Bildungen dieser Formation bedeckt. Diesem 
zentralen Verbreitungsgebiet schließt sich im S getrennt durch den 
Kraichgau, der Buntsandstein des Schwarzwaldes an, dessen süd- 
lichste Ausläufer bis in die Gegend von Basel vordringen. Dem 
Schwarzwald und Odenwald parallel verläuft im W ebenfalls ein 
nicht unbeträchtliches Buntsandsteingebiet, die Vogesen und das 
pfälzische Bergland, die getrennt durch das Einbruchstal der ober- 
rheinischen Tiefebene ehemals im engen geologischen Verbande mit 
ihnen standen. Namentlich baut sich der Westabfall der Vogesen 
und vor allem das eigentliche pfälzische Bergland mit seinem öst- 
lichen Teil, dem Haardtgebirge, aus Buntsandstein auf. Im süd- 
lichsten Anteil dieses Buntsandsteinbezirkes greifen die Schichten 
desselben noch auf französisches Gebiet über, im W dagegen bei 
Saarbrücken zweigt sich vom pfälzischen Bergland aus ein schmaler 
Arm, zunächst nach W gehend, ab, der bei St. Avold nördliche 
Richtung nimmt und in dieser über Merzig, Trier in die Rheinlande 
bis unweit Düren verläuft und einen Seitenarm ins luxemburgische 
Gebiet entsendet. 

Hiermit ist jedoch die Verbreitung des germanischen Buntsand- 
steins keineswegs abgeschlossen. Auch von dem großen Hauptbunt- 
sandsteinmassiv in der Mitte Deutschlands zweigen sich weitere 
Ausläufer ab, die weit in das deutsche Land vordringen. So zieht 
sich, ausgehend von SO desselben in der Gegend von Hildburg- 
hausen, ein schmaler Arm über Kulmbach bis Eschenbach ins fränkische 
Gebiet hinein. Auch nordöstlich des Thüringer Waldgebirges ver- 
läuft längs des Gebirgsmassives ein geringer Streifen von Eisenach 
bis Ilmenau, der in Östthüringen, im Gebiete der Saale, größere 
Ausdehnung gewinnt und sich bis zur weißen Elster ausbreitet. 
Dieses letztere Gebiet steht nun wiederum mit dem Buntsandstein 
des südlichen Harzrandes durch eine schmale Brücke in Verbindung, 
die sich von Kamburg im S bis nach Sangershausen im N erstreckt. 
Weiter nach N finden sich kleinere Buntsandsteinvorkommnisse am 
Nordrand des Harzes und, schon ins Gebiet des norddeutschen 
Flachlandes hineingreifend, die Vorkommnisse zwischen Erxleben 
und Weferlegen und weiter nördlich einige Partien östlich Braun- 
schweigs und Wolfenbüttels. Ganz im NO findet sich der Bunt- 
sandstein nochmals anstehend bei Rüdersdorf unweit von Berlin, 


— 425 — 


wo er mit dem Muschelkalk gemeinsam aus dem norddeutschen 
Diluvium auftaucht, doch nicht wie ersterer zutage tritt. Der nord- 
westlichste Punkt in der Verbreitung des Buntsandsteins auf dem 
Festlande liegt bei Osnabrück, doch tritt er auf der Insel Helgoland 
nochmals zutage. Im W des Hauptverbreitungsgebietes greift von 
dem nördlich des Vogelsgebirges gelegenen Buntsandsteinkomplex 
eine schmale Zone zungenförmig in das Laantal über, um nördlich 
von Gießen zu verschwinden. Weiter nach W vorgeschoben kommt 
schließlich innerhalb des westfälischen Kohlengebietes noch einmal 
eine kleine Buntsandsteinenklave bei Menden vor. Ferner sei noch 
darauf hingewiesen, daß sich von Ostthüringen aus eine Zone von 
Buntsandsteininseln nach SO erstreckt. Es sind dies die kleinen 
Vorkommnisse von Riesa und Meißen, von Löwenberg, Groß-Hart- 
mannsdorf und Goldberg in Niederschlesien, während in Oberschlesien 
im Steinkohlengebiet die Buntsandsteinverbreitung ihr Ende erreicht. 

Die genannten Gebietsteile des Buntsandsteins nehmen nach 
den Berechnungen Küster’'s' einen Flächenraum von 27100 qkm 


ein, d. h. etwa 7,7°io des gesamten Flächeninhaltes des Deutschen 
Reiches. 


Der untere Buntsandstein, seine petrographische Beschaffenheit 
sowie die Verwitterung und Bodenbildung der Gesteine desselben. 


Im allgemeinen gleicht der untere Buntsandstein in seiner 
petrographischen Ausbildung der ihm unterlagernden Formation *. 
So wie das Rotliegende nach oben mit roten und bunten tonigen 
Sandsteinen abschließt, so beginnt auch in gleicher Faziesentwicklung 
der Buntsandstein, denn nicht überall schaltet sich der Zechstein 


ı E. Küster, „Die deutschen Buntsandsteingebiete, ihre Oberflächen- 
gestaltung und anthropogeographischen Verhältnisse.“ 1891. 8. 13. , 

ı Vergl. E. Fraas, Die Bildung der germanischen Trias. Jahreshefte d. 
Ver. f. vaterl. Naturkunde in Württemberg. Bd. 55. 1899. S. 46; Erläuterung 
zur geol. Sp.-Karte des Großherzogtums Baden, Blatt Heidelberg S. 31; Erl. z. 
geol. Sp.-Karte d. Kgr. Württemberg. Blatt Freudenstadt S. 14; Erl. z. geognos- 
tischen Karte des Kgr. Bayern, Blatt Speyer S. 10, BI. Zweibrücken S. 139. 
Leppla, Über den Buntsandstein im Haardtgebirge, Geogn. Jahreshefte 1888. 
S. 43. Benecke u. Cohen. Geognostische Beschreibung der Umgegend von 
Heidelberg. Straßburg 1880. S. 313 u. 322. Benecke, Über die Trias in 
Elsaß-Lothringen und Luxemburg. Erl. z. geol, Sp.-Karte v. Els.-Lothr. Bd. 1. 
S. 585, 540—550. Joh. Walther, Die Geschichte der Erde und des Lebens. 
Leipzig 1908. S. 850. 


— 426 — 


zwischen beide Formationen ein. Dort, wo jedoch der Zechstein 
sein Liegendes bildet, herrschen im untersten Teil der Formation 
Lettenbildungen vor!, wie dieses namentlich im ganzen nordwest- 
lichen Deutschland, im Spessart, in Thüringen, am Fichtelgebirge 
und z. T. ın Schlesien? der Fall ist, während ihn im SW Deutsch- 
lands mehr das Rotliegende und z. T. auch das Grundgebirge’ 
unterlagert. In der Eifel * bildet auch wohl das Devon das Liegende 
der Formation, doch ist im allgemeinen zu beobachten, daß der Bunt- 
sandstein konkordant dyasischen Schichten ° auflagert, und sein Ver- 
breitungsgebiet im wesentlichen mit diesen zusammenfällt. Auch in 
England ®, dessen „bunter“ die nördlichste Verbreitung des germanisch- 
kontinentalen Buntsandsteins darstellt”, ruhen die Schichten der 
„lower varigated sandstones“ auf gleichartigen permischen Sand- 
steinen. Infolge dieser petrographischen Gleichartigkeit der unter- 
lagernden Schichten ist es schwierig und z. T. in manchen Gegenden 
geradezu fast unmöglich, eine sichere Trennung der liegenden For- 
mationen vom unteren Buntsandstein vorzunehmen ê. 

Ohne auf eine nähere Scheidung der stratigraphischen Hori- 
zonte eingehen zu können, läßt sich für den unteren Buntsandstein 
fast allgemein eine Zweiteilung seiner Schichten durchführen. Eine 
untere Abteilung, welche vorwiegend den Charakter feiner, toniger 


1 Vergl. E. Küster, Die deutschen Buntsandsteingebiete. Forsch. z. 
Deutsch. Landes- u. Volkskunde. V. 4. S. 188. J. G. Bornemann, Über den 
Buntsandstein in Deutschland und seine Bedeutung für die Trias. S. 32 u. 39. 

3 Vergl. Schalch, Beiträge zur Kenntnis der Trias im südöstl. Schwarz- 
wald. S. 9. Bücking, Der nordwestliche Spessart. S. 173. Erl. z. Bl. Freuden- 
stadt. S. 15, 

3 Vergl. Noetling, Die Entwicklung der Trias in Niederschlesien. S. 311 
u. 347. In Schlesien lagert der untere Buntsandstein nach Wisogörski .un- 
mittelbar dem Steinkohlengebirge oder dem unteren Carbon“ auf (Lethaea 
geognostica, S. 85), in Niederschlesien bildet mariner Zechsteinkalk sein Liegendes 
(vergl. G. Ahlberg, „Die Trias im südlichen Oberschlesien“. Diss. 1906). 

t Vergl. E. Küster, l. c. S. 181 (15). 

5 Vergl. E. Fraas, l. c. S. 46 und Benecke u. Cohen, l. c. S. 313. 

° Vergl. F. v. Huene, Eine Zusammenstellung über die englische Trias 
und das Alter ihrer Fossillien. Centralbl. f. Min. etc. 1908. S. 9. 

‘ Ausgenommen einige geringe Vorkommnisse in West-Schottland und 
Ireland. 

8 Vergl. F. Frech: „Lethaea geognostica.“ Teil II. Bd. 1. Trias. S. 7. 
„Die untere Grenze der Trias ist im Bereiche der kontinentalen Entwicklung 
nur dort mit Sicherheit zu ziehen, wo die obere Dyas die Ablagerung eines 
Binnenmeeres (Zechstein) darstellt.“ 


— 427 — 


Bildungen bis sandiger Tonschiefer zeigt und eine obere Stufe, die 
der Hauptsache nach aus tonigen Sandsteinen besteht. 

Die untere Abteilung setzt sich im SW ihres Verbreitungs- 
gebietes in den meisten Fällen aus tonigen dünnplattigen und lettigen 
Lagen von heller, grünlicher oder roter Farbe zusammen, die teils 
als Leberschiefer bezeichnet werden und häufig mit vielen grünlichen 
Flecken versehen sind, eine Folge der Reduktion von Eisenoxydver- 
bindungen. Die Tonmasse selbst ist oft so fein, daß sie zum Schreiben 
Verwendung finden kann (Rötel), meist jedoch ıst sie gröber, indem 
Glimmerblättchen und Sand ihr beigemengt sind. Ferner nehmen 
tiefrote oder braunrot gefärbte, weiche sandige Schiefertone, sogen. 
Rötelschiefer am Aufbau dieser Abteilung großen Anteil. Je nach- 
dem ihr Tongehalt wechselt, gehen sie ın feinkörnige tonige Sand- 
steine über, die tonreichen Schichten enthalten noch rund 20°/o 
Qnarzsand !, auch Glimmer ist ihnen in geringer Menge beigesellt. 
Eine tonige Ausbildung des unteren Buntsandsteins setzt sich eben- 
falls nach der Mitte seines geographischen Verbreitungsgebietes fort 
und ist in Hessen und Thüringen als Zone der Bröckelschiefer wohl 
bekannt und ausgebildet®. Obgleich die Bröckelschiefer sich von 
anderen tonigen Gesteinen dadurch unterscheiden, daß sie gar nicht 
schiefrig sind, so tragen sie ihre Benennung wegen ihres Zerfalls 
bei der Verwitterung in unregelmäßige Bröckelchen?. Diese Bildung 
ist jedoch nur lokaler Art, sie kommt als solche nicht mehr am 
Rande des rheinischen Schiefergebirges vor, ebenso östlich auch nicht 
mehr in der Umgegend des Harzes*. Hier, im SO und N des Harzes, 
wird sie durch z. T. mächtige Lagerzonen von Rogenstein vertreten, 
welche ihre Hauptverbreitung bei Artern? südwetslich des Kyffhäusers, 
wo der Rogenstein zu 150 Fuß Mächtigkeit anschwillt, erreichen. 
In der Gegend von Roßla verlieren sie jedoch an Mächtigkeit, so 


! Vergl. hierzu namentlich: Leppla, l. c. S. 43, Benecke u. Cohen, 
l. c. S. 312, Küster, I. c. Das Kapitel über petrographische Zusammensetzung 
des Buntsandsteins sowie die vorgenannten Erläuterungen der geol. Sp.-Karten 
von Bayern, Baden und Württemberg. Luedecke, Die Boden- und Wasser- 
verhältnisse des Odenwaldes, S. 7, Abhandlungen der Großherzogl. Hessischen 
geol. Landesanstalt zu Darmstadt. 1901. 

3 Vergl. Bornemann: 8. 33 u. Erl. z. geol. Sp.-Karten von Preußen 
und den Thüringischen Staaten. Bl. Hünebach (Moesta), S. 14, Bl. Nordhausen 
(H. Eck), S. 25. 

3 Vergl. Bornemann: S. 33. Bücking,l. c. S. 172. 

* BI. Hönebach, S, 14. 

° Bl. Artern, S. 6; siehe auch Bornemann, l. c. S. 31. 


— 426 — 


zwischen beide Formationen ein. Dort, wo jedoe® «e Schichten, 
sein Liegendes bildet, herrschen im untersten T oren gegangen 
Lettenbildungen vor!, wie dieses namentlich ` s ein graues bis 
lichen Deutschland, im Spessart, in Thürinr ‚es Gestein dar, in 
und z. T. in Schlesien? der Fall ist, währ ‘er glimmerführender 
lands mehr das Rotliegende und z. T se erreichende, dolomi- 
unterlagert. In der Eifel* bildet auch œ Schalen wiederum durch 
der Formation, doch ist im allgemeir ::weit Berlin ist durch Boh- 
sandstein konkordant dyasischen S _._zwiesen worden, auch hier 
breitungsgebiet im wesentlichen _,--:: aas roten, grünen und blauen, 
England, dessen „bunter“ die _ = ”:zen®. In Schlesien beginnt der 
kontinentalen Buntsandsteir mn welche allmählich nach oben 
„lower varigated sandsto er ~ mit teils tonigem, teils kalkigem 
steinen. Infolge dieser zu Sandsteine sind oft so lose mit- 


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lagernden Schichten © ." ,. ne Sande erscheinen‘. Untergeordnet 
geradezu fast unmë _." #” e iar Formation ein arkoseartiger grob- 


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untere Ab‘ m ya sunisteins angetroffen werden. So finden 


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N E a Zsclhstein entstammend, eingelagert und 
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u nA DT oe unitur des Rogensteins vom südlichen Harzrand. 
I nd “= ERBE Haile t503. Robbach, Beitrag zur Kenntnis 


ei ET gonata ISSE, S. 6. 13. 16. 22—24 u. 35. BI. Sanger- 
PiS ar AD a vwa Geologie, Bd, II. Berlin 1879. S. b711. 
DN A acanat, Le 8 31 u. 32, 

pe No waad und Umgebung. Abh. z. geol. Sp.-Karte 
Bere a woso, Rudersdorf. Ebendaselbst. Bd. I. 1. Fiebel 


er as u die Umgegend von Berlin. 1896. S. 19. 
Pi A k g . 


sen na" oo, as Dermationen des bunten Sandsteins und des Muschel- 
Ei i en Beha IS6D, S. 29. 

a eaesit N W. BL Obertal-Kniebis, S. 71. Bl. Simmer- 
oma um aek Sp harte, Benecke u. Cohen, I. a. 8." 
RE clear Beldspat aus dem Albgranit stammend.) 
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— 429 — 
'"'mählich in die rein tonigen Sandsteine der oberen 


oberen Abteilung des unteren Buntsand- 

|! südwestlichen Verbreitungsgebiet vor- 
^, gelblich oder sogar grünlich ge- 

ieinem Korn und meist dünnplattig 

„esteht aus Ton, Kaolın oder wird auch 

en Schichtflächen, welche von Ton gebildet 

uie Sandsteine häufig mit hellem Glimmer an, 

‚iriges Gefüge erhalten. Auch dickbankige Lagen 

ınnerhalb des Ganzen wechseln Sandsteinlagen mit 

„efärbten lettigen, tonigen Zwischengliedern, sowie Ton- 

ab. Der Dolomitgehalt kann sich an einigen Stellen zu 
‚tischen Geoden anhäufen und bildet sich dann oft zu „wirk- 
uen halbkristallinen Knauern“ aus'. Im NW und W des Haardt- 
gebirges verlieren auch wohl die Sandsteine ihren festen Zusammen- 
hang, indem sie sich zu tiefroten lockeren Sanden, den sogen. Form- 
sanden, auflösen. Es zeichnet sich diese Stufe auch durch erhöhte 
Anreicherung von Eisenverbindungen aus, welche, zu einer festen 
Masse verbunden, als Eisenschwarten auftreten können und früher 
hüttenmännische Verarbeitung erfuhren. Ferner findet eine An- 
reicherung von Manganerzen in Gemeinschaft mit Karbonataus- 
scheidungen in gewissen höheren Horizonten statt, die eine eigen- 
tümliche Sandsteinbildung zufolge hat und unter dem Namen Tiger- 
sandstein bekannt ist. Es sind dies mehr gelblich und weiß ge- 
färbte, ungleichkörnige Tonsandsteine, welche durch dunkle Stellen, 
die sich als Rückstände schwer angreifbarer und auslaugbarer Kar- 
bonate des Mangans und Eisens erweisen, gefleckt erscheinen ?. „Die 
Quarzkörner dieses Sandsteines sind öfter kantig und kantengerundet, 
als völlig rund. In kleinsten Hohlräumen findet sich Bergkristall 
in ziemlichen Individuen ausgeschieden. Feldspat tritt reichlich 
und meist ziemlich zersetzt in Körnern auf; durch weiteren Zerfall 
entstand auch wohl aus ihm das feine, weiße oder rötliche Binde- 
mittel, das die Körner des Gesteins bis auf die Berührungsstellen 


1 Vergl. Bl. Zweibrücken S. 136. 

? Vergl. hierzu die Erl. zur geol. Sp.-Karte von Baden Bl. Neckargemünd 
S. 18; von Bayern Bl. Zweibrücken S. 138 und Speyer S. 12; von Württemberg 
Bl. Freudenstadt S. 16, Obertal-Kniebis S. 70 und Simmersfeld S. 14. Benecke 
u Cohen, l c. S. 324. Leppla,l.c, S.44. Küster, l c. 8.182, Schalch, 
l. c S. 11 u. 12. 


daß sie hier schließlich nur noch in wenige Zoll breite Schichten, 
denen das rogensteinartige Gefüge fast gänzlich verloren gegangen 
ist, verlaufen'. Die Rogensteine stellen sich als ein graues bis 
braun gefärbtes, deutlich geschichtetes, oolithisches Gestein dar, in 
dessen Grundmasse von sandigtoniger mitunter glimmerführender 
Ausbildung konzentrischschalige, Erbsengröße erreichende, dolomi- 
tische Kalkkörnchen lagern, deren einzelne Schalen wiederum durch 
Ton verbunden sind?. In Rüdersdorf unweit Berlin ist durch Boh- 
rungen nochmals der Rogenstein nachgewiesen worden, auch hier 
besteht der untere Buntsandstein weiter aus roten, grünen und blauen, 
z. T. glimmerführenden Mergeln und Tonen®. In Schlesien beginnt der 
untere Buntsandstein mit roten Letten, welche allmählich nach oben 
hin in Sandsteine von feinem Korn mit teils tonigem, teils kalkigem 
Bindemittel übergehen. Die mürben Sandsteine sind oft so lose mit- 
einander verbunden, daß sie als reine Sande erscheinen. Untergeordnet 
tritt an manchen Orten zu unterst der Formation ein arkoseartiger grob- 
körniger Sandstein? auf, bestehend aus eckigem- Quarz und teils 
verwittertem Feldspat von lockerem Zusammenhange, als Fortsetzung 
gleichartiger jedoch typischer Bildungen des Rotliegenden, wie über- 
haupt gerne Reste der unterlagernden Formationen in den untersten 
Schichten des unteren Buntsandsteins angetroffen werden. So finden 
sich denn mancherorts in den Tonen der unteren Abteilung nester- 
förmig Dolomitstücke, dem Zechstein entstammend, eingelagert und 
in den Bröckelschiefern aus gleicher Formation herrührende, ge- 
rundete Mergelknollen®. Je weiter nach oben, werden diese tonigen 
Schichten des untersten Buntsandsteins mehr und mehr sandiger 


.- 


1 Bl. Nordhausen (Beyrich u. Eck). S. 25. 

2 Vergl. Deicke, Die Struktur des Rogensteins vom südlichen Harzrand. 
Zeitschrift f. d. ges. Naturw. Halle 1853. Roßbach, Beitrag zur Kenntnis 
oolithischer Kalksteine. Meiningen 1884. S. 6. 13. 16. 22—24 u. 35. Bl. Sanger- 
hausen. S. 6. Roth, Allg. u. chem. Geologie. Bd. II. Berlin 1879, S. 571—572. 
Küster, l. c. S. 19. Bornemann, l. c. S. 31 u. 32, 

* Vergl. A. Orth, Rüdersdorf und Umgebung. Abh. z. geol. Sp.-Karte 
von Preußen. Bd. II. 2. H. Eck, Rüdersdorf. Ebendaselbst. Bd. I. 1. Fiebel- 
korn, Geologische Ausflüge in die Umgegend von Berlin. 1896. S. 19. 

* H. Eck, „Über die Formationen des bunten Sandsteins und des Muschel- 
kalks in Oberschlesien.“ Diss. Berlin. 1865. S. 29. | 

$ Vergl. Bl. Freudenstadt, S. 16. Bl. Obertal-Kniebis, S. 71. Bl. Simmers- 
feld, S. 14 der württembg. geol. Sp.-Karte. Benecke u. Cohen, 1. c. S. 300. 
Schalch, l. c. S. 12. (Hier der Feldspat aus dem Albgranit stammend.) 

°? Vergl. Bornemann, 1l. ce. S. 34. 


— 429 — 


Art, so daß sie allmählich in die rein tonigen Sandsteine der oberen 
Abteilung übergehen. 

Die Sandsteine der oberen Abteilung des unteren Buntsand- 
steines sind im südlichen und südwestlichen Verbreitungsgebiet vor- 
wiegend rot und nur selten weiß, gelblich oder sogar grünlich ge- 
färbt, vorwiegend sind sie von feinem Korn und meist dünnplattig 
entwickelt. Ibr Bindemittel besteht aus Ton, Kaolin oder wird auch 
wohl dolomitisch; auf ihren Schichtflächen, welche von Ton gebildet 
werden, reichern sich die Sandsteine häufig mit hellem Glimmer an, 
so daß sie ein blättriges Gefüge erhalten. Auch dickbankige Lagen 
treten auf und innerhalb des Ganzen wechseln Sandsteinlagen mit 
gleichartig gefärbten lettigen, tonigen Zwischengliedern, sowie Ton- 
bänken ab. Der Dolomitgehalt kann sich an einigen Stellen zu 
dolomitischen Geoden anhäufen und bildet sich dann oft zu „wirk- 
lichen halbkristallinen Knauern“ aus'. Im NW und W des Haardt- 
gebirges verlieren auch wohl die Sandsteine ihren festen Zusammen- 
hang, indem sie sich zu tiefroten lockeren Sanden, den sogen. Form- 
sanden, auflösen. Es zeichnet sich diese Stufe auch durch erhöhte 
Anreicherung von Eisenverbindungen aus, welche, zu einer festen 
Masse verbunden, als Eisenschwarten auftreten können und früher 
hüttenmännische Verarbeitung erfuhren. Ferner findet eine An- 
reicherung von Manganerzen in Gemeinschaft mit Karbonataus- 
scheidungen in gewissen höheren Horizonten statt, die eine eigen- 
tümliche Sandsteinbildung zufolge hat und unter dem Namen Tiger- 
sandstein bekannt ist. Es sind dies mehr gelblich und weiß ge- 
färbte, ungleichkörnige Tonsandsteine, welche durch dunkle Stellen, 
die sich als Rückstände schwer angreifbarer und auslaugbarer Kar- 
bonate des Mangans und Eisens erweisen, gefleckt erscheinen °. „Die 
Quarzkörner dieses Sandsteines sind öfter kantig und kantengerundet, 
als völlig rund. In kleinsten Hohlräumen findet sich Bergkristall 
in ziemlichen Individuen ausgeschieden. Feldspat tritt reichlich 
und meist ziemlich zersetzt in Körnern auf; durch weiteren Zerfall 
entstand auch wohl aus ihm das feine, weiße oder rötliche Binde- 
mittel, das die Körner des Gesteins bis auf die Berührungsstellen 


1 Vergl. Bl. Zweibrücken S. 136. 

? Vergl. hierzu die Erl. zur gceol, Sp.-Karte von Baden Bl. Neckargemünd 
S. 18; von Bayern Bl. Zweibrücken S. 138 und Speyer S. 12; von Württemberg 
Bl. Freudenstadt S. 16, Obertal-Kniebis S. 70 und Simmersfeld S.14. Benecke 
u, Cohen, l c. S. 324. Leppla, l ce. S 44. Küster, lL e. 5.182. Schalch, 
l. c. S. 11 u. 12. 


-- 430 — 


staubartig überzieht. Glimmer ist öfter in dunklen oder in hellen 
Farben vertreten. Auch kleine Turmaline und dunkle Erzkörner 
sind nicht selten. Neben Ausscheidungen von Dolomit findet sich 
auch kohlensaurer Kalk, meist fein verteilt, so daß er nur beim 
Betupfen des Gesteins mit verdünnter Salzsäure sich verrät!.“ Die 
karbonatführenden Einlagerungen häufen sich jedoch im unteren 
Buntsandstein stellenweise stark an, nicht nur daß sie Sandstein- 
lagen imprägnieren, deren Karbonatgehalt bis zu 20°/, anzuwachsen 
vermag”, sondern sie bilden auch dolomitische Knauern und größere 
dolomitische Lagen und Bänke. So treten u. a. in den „Tigersand- 
steinen plötzlich Bänkchen auf, die mit erbsengroßen, faustgroßen 
oder gar langgezogenen armdicken Dolomitknauern oder sandigen 
Dolomitaggregaten gespickt sind, oder es fügen sich mehr oder 
weniger dicke dolomitische Sandbänkchen ein, hier in den unteren, 
dort in den oberen Horizonten; einmal durch das ganze Profil 
verfolgbar, während wir ein anderes Mal vergebens nach ihnen 
suchen werden.“ 


Die Zone der tonigen Sandsteine erstreckt sich weiter nach 
O und N über den Spessart, Rhön, Oberfranken, ganz Hessen und 
Thüringen sowie Südhannover bis zum Harz. Die Färbung der 
Sandsteine in diesen Gegenden ist eine äußerst wechselnde, entweder 
eine helle oder dunkle, so daß alle Farben wie weiß, weißgrau, 
grau, hellgelb, bräunlichrot und rot vorkommen*. Den feinkörnigen 
Charakter behält das Gestein auch hier bei, ohne jedoch nicht auch 
lokal gröberes Korn anzunehmen*. „Die Körnung“, sagt E. ZIMMER- 
MANN, „ist in der Regel fein, indem die einzelnen Körnchen meist 
l mm und weniger Durchmesser haben, 1'/, mm selten erreichen 
und noch seltener übersteigen. Die Körnchen bestehen vorwiegend 
aus Quarz, in einigen Schichten aber auch reichlich aus zu Kaolin 
verwittertem Orthoklas, und sind meist nicht völlig gerundet, weißer 
Glimmer innerhalb der Sandsteinschichten kommt vor, fällt aber 
nur selten auf. Die einzelnen Schichten sind in der Regel sehr 
dünn, und stärkere Bänke (1 dem) zeigen wenigstens fast immer 


1 M. Schmidt und K. Rau, Erl. z. Bl. Freudenstadt S. 16. 

» Vergl. Bl. Freudenstadt S. 17 u. Bl. Simmersfeld S. 14. 

? K. Regelmann, Erl. z. Bl. Obertal-Kniebis S. 72. 

* Vergl. u. a, die Erl. z. geol. Sp.-Karte von Preußen; Bl. Lensfeld, Stadt 
Ilm, Wasungen, Altenbreitungen, Sondershausen, Gelnhausen, Langenberg, Gera, 
Nordhausen. Bücking, l. c. S. 174. 


— gI — 


eine zwischen entschiedenen matteren und lebhafteren Tönen wech- 
selnde Farbenstreifung !.“ 

Der Tongehalt ist stets ein sehr erheblicher, was besonders 
charakteristisch für alle Sandsteine des unteren Buntsandsteins ist. 
Entweder findet er sich fein verteilt, als Kaolinpünktchen oder, was 
hauptsächlich der Fall ist, im Bindemittel. Und es ist nicht unwahr- 
scheinlich, daß dieser Tongehalt der Sandsteine als aus einer voll- 
ständigeren Verwitterung und Zersetzung des, wie oben angeführt, 
auch in größeren Körnchen im Sandstein enthaltenen Feldspates 
hervorgegangen zu betrachten ist?. Recht häufig werden die Quarz- 
körner aber auch durch ein tonig-kalkiges oder tonig-dolomitisches 
Zement miteinander verbunden®. Durch vielfache Glimmereinlage- 
rungen erhält das Gestein ein schiefriges Gefüge, meist herrscht 
dann der weiße vor dem schwarzen Glimmer vor, was wahrschein- 
lich eine Folge der schweren Angreifbarkeit des ersteren ist. Oft 
scheint der Sandstein durch Auslaugung seines Bindemittels gelockert. 
Wächst der Tongehalt in den Schichten des Sandsteins stark an, 
so gibt er Veranlassung zu einer ‚Wechsellagerung toniger und san- 
diger Partien, ferner auch zur Bildung von Tongallen. Die Ton- und 
Lettenschichten zeichnen sich gewöhnlich ebenfalls durch viele 
Glimmerführung aus, wodurch sie zu feinen blättrigen Schiefertonen 
werden®; auch in kalkiger Ausbildung trifft man sie an. Besondere 
Erwähnung verdienen sehr dickbankige, doch nicht überall auftretende, 
meist weiß gefärbte Sandsteine, die sogen. Kaolinsandsteine, deren 
Kaolingehalt bis zu 25°/,° steigt. Kurz seien hier auch noch die bei 
Commern und an anderen Orten der Rheinprovinz im unteren Buntsand- 
stein vorkommenden Knottensandsteine erwähnt. Die „Knotten“ ê þe- 
stehen aus Sandkörnern, die durch ein Bindemittel von Bleiglanz, 
Weißbleierz und geringen Kupfererzmengen verbunden werden, sie 
liegen bald dicht nebeneinander, bald erscheinen sie nur vereinzelt. 
Daß außer jenen Erzen und den besprochenen Manganeinlagerungen 
des Tigersandsteins auch noch andere Manganverbindungen den unteren 


ı E. Zimmermann, Erl. z. Bl. Stadt Ilm. 

? Schalch, l, e. S. 12, 

3 Vergl. Bl. Langenburg S. 4; Bl. Gera S. 20; Bl. Neustadt S. 17. 

* Vergl. die Blätter Neustadt, Stadt Ilm, Wasungen und Sonders- 
hausen. 

® Vergl. Bl. Wasungen und Greiz, 

e Vergl. Blanckenhorn, Die Trias am Nordrande der Eifel. Abh, z. 
geol. Sp.-Karte von Preußen. Bd. VI. 2. Berlin 1885. 


— 432 — 


Buntsandstein als Muttergestein haben, sowie, daß Barytgänge 
mancherorts das Gestein in kräftigen Adern durchziehen, sei nur an- 
gedeutet, da diese Einlagerungen bodenkundlich wertlos sind. Zum 
Schluß sei jedoch auf eine in manchen Gegenden stark hervor- 
tretende Gesteinsbildung hingewiesen, nämlich die Geröllagen, die 
sich zu fest verbundenen Konglomeratbänken ausbilden können". 
Sie bestehen vorwiegend aus weißen Quarzen, dunkleren Quarziten, 
Porphyr- und Granitgesteinsbrocken, d. h. Gesteinsfragmenten, welche 
alle den unterlagernden älteren Formationen entstammen. Die 
Mächtigkeit des ganzen unteren Buntsandsteins schwankt etwa 
zwischen 50—150 m. In seinen tonreichen Lagen gibt er Veran- 
lassung zur Bildung eines ergiebigen Quellhorizontes. 

Eine ausführlichere Gliederung des unteren Buntsandsteins 
sowie eine Parallelisierung seiner Schichten findet sich auf der bei- 
gegebenen diesbezüglichen Tabelle im Anhang. 


Die stoffliche Natur der Gesteine ist abhängig von ihrer 
mineralogischen Beschaffenheit, sie ergibt sich daher aus dem petro- 
graphischen Bæfund der Hauptsache nach von selbst. 

Die Tone, Letten und Tonschiefer des unteren Buntsandsteins 
bestehen vorwiegend, wie alle Vertreter ihrer Klasse, aus Kieselsäure, 
Tonerde und Wasser, denen ein nicht unwesentlicher Eisengehalt 
und geringe Mengen Kalk, Magnesia, Kali und Natron beigesellt 
sind; letztere namentlich hervorgerufen und vermehrt durch die 
Gegenwart von reichlichem Glimmer. Die Quantität der einzelnen 
Komponenten ist natürlich abhängig von der jeweiligen petrogra- 
phischen Ausbildung des Gesteins. Es liegt eine Analyse vom Schiefer- 
ton des unteren Buntsandsteins, von A. HıLser ? veröffentlicht, vor, 
welche eine nähere Einsicht in die chemische Zusammensetzung 
dieser Gesteine gewährt. Das untersuchte Gestein stammt aus der 
Gegend von Schweinheim bei Aschaffenburg, HıLcEr fand es wie 
folgt zusammengesetzt: 


nn ee 


1 Vergl. Leppla, l. ce. S. 43; Schalch, l. c. S. 12; Blanckenhorn, 
l. c. S. 7—28 ; Erl. z. Bl. Zweibrücken S. 137 und zu Bl. Weida S. 66. Benecke, 
l. c. S. 552. 

? A. Hilger, Die chemische Zusammensetzung von Giesteinen der Würz- 
burger Trias. Mitteilung des pharm, Inst.-Labor. f. angew. Chemie zu Erlangen. 
München 1889 und Jahresber, der Fortschritte auf dem Gebiete der Agrikultur- 
Chemie. XII. 1859. S. 5. 


— 433 — 


Gesamt- Davon löslich 

analyse in Salzsäure 
SEO. u. a ee ars 59,21 24,50! 
AV. 20: a era ae a 9,53 3,32 
Fe, Oj ara a2 ns a an 12,26 11,70 
FÜ......n esta ROI 1,01 
Call ee Wan u 1,64 1,02 
MIO: Er a Lp 1,31 1,31 
NaO e s 2 E a 1,67 0.76 
K Or 2 na a 2,28 1,04 
SO eea Be ee 0,91 — 
DE 1,22 1,22 
POS ee ee eni 1,20 1,20 
|: ER 0 a ae re VE te ee 9.01 9,01 
(Ei o er ee Sp. | — 

101,25 — 


Aus dieser Analyse geht für das Gestein hervor, daß es als 
Tongestein nur sehr arm an Tonerde ist, dafür jedoch reich an Eisen- 
oxyd, welches gewissermaßen die Tonerde in ihrer Funktion vertritt ?. 
Der Gehalt an Natron und Kali ist kein besonders hoher, er deckt 
sich vielmehr völlig mit dem Gehalt der Sandgesteine dieser Ab- 
teilung. Auch Kalk und Magnesia sind nicht überaus stark ver- 
treten, wohl aber fällt der hohe Gehalt an Phosphorsäure auf, auch 
Schwefelsäure und Chlor nehmen äußerst großen Anteil an der Zu- 
sammensetzung. In den im Schieferton vorkommenden Mergel- 
bänken konzentriert sich ein hoher Kalk- und Magnesiagehalt neben 
ebenfalls reicher Phosphorsäuremenge und stark hervortretendem 
Ralireichtum, wie dieses eine ebenfalls von HILGER? ausgeführte Ana- 
lyse einer solchen Mergelbank zeigt. 


Gesamt- Löslich in 

analyse Salzsäure 
S Ormona a a a  di 15,847 4.604 
BE)... a a ee a 5,048 1,904 
Fe, Sr 8 Sa 1,584 1,463 
FeS a Ne ee ee. 0,381 0,380 
DO ee Be 27,764 
Ne On ene p a ai — 10.687 
Ca C Ore Aare 48,197 ` — 
MgO Zu 22,442 — 
CaSO e aaa 0.368 SO, 0,266 
CIPON zu 1,301 P, 0, 0.823 
Na a a wann 0.337 0.272 
E E E E 8.861 0,408 
Natla & = San a 0,720 Cl 0,448 
e Ri 0 De re 2,470 2,470 


CO, 32,962 


1 Als „Ton“ ist dieses Gestein zufolge seiner Analyse eigentlich nicht 
mehr zu bezeichnen. 

? SiO, nicht allein in HCl löslich, sondern auch in heißer Natronlauge 
nach der Behandlung mit HCI? 

1 Vergl. Anmerkung auf S. 432. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 28 


— 434 — 


Die Letten bilden als sandige, nicht plastische, dünn geschichtete, 
tonige Gesteine den Übergang von Tongesteinen zu reinen Sand- 
steinen. Dementsprechend verhält sich auch ihre chemische Zusammen- 
setzung. Ihr Gehalt an SiO, verringert sich gegenüber dem der 
Sandsteine, übersteigt aber den der Tone, der Gehalt an Tonerde 
bewegt sich dagegen in umgekehrter Folge. Das Eisenoxyd nimmt 
bei den rotgefärbten Bildungen eine hervorragende Stelle ein, die 
übrigen Stoffe treten mit Ausnahme des Kalis sehr zurück. 

H. Eck' teilt einige Analysen von Letten des unteren Bunt- 
sandsteins mit und zwar: 


1. Roter Letten vom östlichen Abhang des Karlsberges bei Neudeck 
in Oberschlesien (nach GRUNDMANN). 


2. Weißer, sandiger Letten mit ersterem in dünnen Schichten 
regelmäßig wechsellagernd (nach GRUNDMANN). 


1. 2. 

SIO, ed ei 54,872 68,913 
ALOS Ar a ers 14,763 14,361 
FeO; i u 14,793 2,403 
CaO we wer 0,950 1,251 
ME Os 9.0 28:28. 8:0 % 0,393 0,297 
NO We 0,480 0,511 
KO nn a ae 2,627 3,531 
Eisenkies . . .»... 2,250 2,625 
BED Se ae ee 8,116 4,902 

99,274 98,794 


Die Sandsteine sind entsprechend ihres Charakters als Sand- 
gesteine der Hauptsache nach aus Quarz, dem sich Glimmer und 
Feldspat untergeordnet beigesellt, aufgebaut. Mikroskopisch dagegen 
enthalten sie, und dies gilt mehr oder weniger für alle Sandsteine 
der Formation, Zirkon, Rutil, opake Erze, Turmalin, Apatit und 
Baryt. Von diesen sind die ersten Minerale als Aufbereitungsrück- 
stände aus dem das Material für den Sandstein liefernden Gestein 
zu betrachten, der Baryt dagegen ist autigen und tritt auch als 
Kluft- und Gangmineral in größerer Menge auf?. Über ihre chemische 
Beschaffenheit sind wir dank einer größeren Anzahl vorhandener 
Analysen weit besser orientiert wie bei den Tongesteinen. Zunächst 


1 H, Eck, L. c. S. 40 u. 41. 
? Vergl. A. Sauer, Erl. z. Bl. Neckargemünd S. 17. 


sei diejenige des Sandsteins von der Kellerquelle bei Heidelberg ' 


angeführt. 

Gesamt- in 10°. H CI 

analyse löslich 
SO: 8 ea na 79,66 0,088 
3.0.5: 02.02 aa 9,21 0,685 
OARE REFERERE 3,57 1,859 
PEO 2 i 28 ee 0,08 — 
MnO ooa aaa Sp. 0,067 
D U 9 O E E E 0,10 0,050 
MoO inu za ee 0,67 0,100 
NGO Sea re 0,22 0,021 
KOs e a 4,49 0,235 
7.0, ve EE 0,02 0,024 
Glühverlust . . . . 2... 1,84 — 

99,86 2 


Über den unteren Buntsandstein Niederhessens sind wir in- 
folge einer größeren Anzahl Analysen außerordentlich gut orientiert ; 
Gestein 1 stammt von Asmushausen, 2 von Aue, 3 von Elling- 
hausen, 4 von Frankenhain, 5 von Lindenau und 6 von Richelsdorf 
in Niederhessen?. 


Bauschanalysen: 
1. 2, 3. 4, 5. 6. 

SO, :. 0.00 78.697 77,990 80,961 77,404 79,347 77,648 
Al, 0, Fe, 0, 11.913 10,902 9,549 11,788 11,455 11,886 
Davon AI, O, 8,429 95497 7693 9542 9162 9,598 
Fo O 2 ee: 3,484 1352 1856 2.242 2293 2.288 
MnO, >...’ 0,576 0,651 0,297 0,613 0,416 0,387 
CaO. 222. 1,280 2,513 1,450 1,72 1,130 1.596 
MgO.. oonan 0,781 1450 0,920 1,227 1,069 1,345 
CaCO o a 0733 1001 0482 1142 0,446 1,504 
MgCO. ooa 0,304 0576 0684 1290 0,410 0,681 
K,O. 2215 2,148 2010 1,840 1,917 1,978 
Na Oe ra 1,139 1.013 1,016 0,943 1,194 1,117 
Bes a wire 0,090 0110 0110 0,099 0052 0,081 
SU, +... 000 0,030 0,060 0,042 0,033 0,058 0,041 
Glühverlust . . . . 2.750 2.230 2,160 2,668 2,185 2,603 

100,508 100,644 99,671 100,714 100,279 100,867 


ı M. Dietrich, Die Quellen des Neckartales bei Heidelberg in geologisch- 
chemischer Beziehung. Mitteil. der Großherzugl. Bad. geol. Landesanstalt. Bd. IV. 
Heft I. 1900. S. 74. M. Dietrich, Das Wasser der Heidelberger Wasser- 
leitung in chemischer, geologischer und bakteriologischer Beziehung. Habili- 
tationsschrift. Heidelberg 1897. S. 22. 

3? A. Oswald, Chemische Untersuchung von Gesteinen und Bodenarten 
Niederhessens. Inaug.-Diss, Saalfeld a. S. 1902. S. 39—41. 

28 * 


— 436 — 


In heißer konz. HCl sind davon löslich. 


1. 2. 3. 4. 5, 6. 

ee 2540 1560 1,680 1960 3095 3661 
Natronlöslich 3 ? ’ 

TEE 0,050 0040 0050 0102 0061 0,057 
Al Og aa ne 1,435 0,722 1394 1,250 2,140 2,188 
Fe Op koia d is 1,040 1,041 1,292 1,66 1,565 1,092 
Mn, Oe oaa 0,576 0,651 0297 0,613 0,416 0,387 
CaCO. oaa. 0,733 1001 0482 1142 0446 1.04 
MgCO, 2220. 0,304 05% 06854 1290 0410 0,681 
RO see 0,327 0162 0139 0085 0108 0105 
NO ren 0,197 0088 0074 0040 0,090 0.059 
Ps ae 0,090 0110 0110 0099 0052 008 
SE 0,030 0,060 0,042 003 0058 004 


Unlöslicher Rückstand mit heißer H,SO, behandelt läßt in 
Lösung gehen. 


FO; x aa ie 244 0312 0364 0,676 0728 1,196 
E MEERE UNE: 3,386 3473 2,169 3,738 2461 23% 
Ga Kae 0,280 0673 0,110 0190 0,150 0.251 
MgO. ooa 0,180 0080 015 0,165 0217 0,145 
KO a 0,387 0186 0261 025 0308 0.341 
NaO 2 0,236 0,102 0137 0136 0198 0,215 . 


SiO, lösl. in Natron . 4916 3,786 83213 5,064 3,985 3,381 


Unlöslicher Rückstand mit Flußsäure in Lösung gebracht. 
Al,O,+Fe,0, : . . 3.608 5.354 4.200 4553 4,561 4.726 


BO ee 1,000 1,840 1340 1,482 0980 138 
MgO. 2222. 0,601 1370 0,765 1,062 0,852 1,200 
Br Er ar 1501 1,800 1,610 1510 1506 1,532 
Nash. Ana dei 0,706 0823 0.805 0,767 0906 0.843 
SI SE EIER 71,191 72,604 76,018 70,278 72,230 70,549 


Über die chemische Zusammensetzung der Sandsteine der 
fränkischen Trias geben uns zwei Analysen HıLcEr's weitere Aus- 
kunft. Sie sind unzweifelhaft von Sandsteinen ausgeführt, die 
dem unteren Buntsandstein angehören. Beide Sandsteine sind von 
Erlabrunn a. M. nordwestlich von Würzburg. Ersterer ist kurz- 
weg als Buntsandstein von Erlabrunn bezeichnet, letzterer ist 
als grünlicher Sandstein mit Steinsalzeindrücken von Erlabrunn 
charakterisiert !. 


1 Jahresber. d. Fortschr. a. d. Geb. der Agrikultur-Chemie. XII. 1889. S. 5. 


99,906 


— 437 — 


Gesamtanalyse 


0,294 (CaSO,) 


2 


80,176 
9,144 
3,585 
0,601 
0,101 
1,090 
0,763 
3,097 


0,228 
2,506 
0,052 


Sp. 


101.343 


In Salzsäure lösl. Anteil. 


1. 2. 
1,726 2,114 
1,258 1,309 
1,752 = 
0,470 0,601 
0,109 0,101 
0.581 1,021 
0,531 0,101 
0,654 0,575 
0,159 a 
0,096 0,028 
0,524 0,228 
1,037 2,506 


Eine leider nur unvollständige Analyse des unteren Buntsand- 
steins vom Schwarzwald liegt in derjenigen vom Kirchgraben bei 


Langenbach ' vor. 


Schließlich kommt hierzu noch diejenige Analyse HAsELHoFF’s 
welche dieser Autor neuerdings veröffentlichte und unzweifelhaft 
einem Sandgestein der unteren Abteilung des Buntsandsteins zu- 


zurechnen ist. 


Buntsandstein von Gisselberg in Hessen‘. 

0,123 g löslich in HCl nach der Me- 
„ thode vergl. den Schlußteil im 
„ nächsten Jahresheft 


a > o ò ọọ o 
s s . 
. . e 
e è è 0. ò% 8 
». èe 6G o oo 8 
. è> 8 èe e © 
>». è> èe è ọọ č ’ 


80,80 


0.270 
0,850 
0.260 
0,290 
0,068 
0,061 
0,031 


N 
n 
ud 
kid 
? 


Ein Vergleich der Sandsteine aus den verschiedenen Gegenden 
untereinander läßt zunächst, ganz allgemein betrachtet, eine große 
Übereinstimmung im Gehalt an SiO,, Al O, und Fe,O, erkennen, 


ı Vergl. Regelmann, Erl. z. Bl. Öbertal-Kniebis. S. 133 u. 184. 
2 E. Haselhoff, Untersuchungen über die Zersetzung bodenbildender Ge- 


steine. 


Landw. Versuchs-Stativnen LXX. 1909. S. 57. 


— 438 — 


ım letzteren allerdings mit gewissen Schwankungen. Kalk und 
Magnesia herrschen bei den niederhessischen, also nördlicheren Ge- 
steinen vor, was namentlich für den Kalk gilt, während die Magnesia 
auch in den süddeutschen Gesteinen nicht wesentlich hinter ersterem 
zurückbleibt. Gegenüber den später zu betrachtenden Sandsteinen 
des mittleren oder Hauptbuntsandsteins, was hier vorweg genommen 
werden mag, zeichnen sich dagegen die Sandsteine der unteren Ab- 
teilung wesentlich durch ihren Kieselsäure- und Tonerdegehalt aus. 
Während sich der prozentualische Kieselsäuregehalt der Sandsteine 
der mittleren Abteilung um 90 herumbewegt, führen die unteren 
Sandsteine nur 80°/, dieser Substanz. Die Menge der Tonerde er- 
reicht im mittleren Buntsandstein mit 6,6°/, ihren höchsten Wert, 
der untere Sandstein läßt ihn im Mittel zu 9°/, erkennen. Auch 
der Eisengehalt scheint im allgemeinen im unteren Buntsandstein 
weit höher zu sein. Kalk und Magnesia sind in den Sandsteinen 
der mittleren Abteilung stets nur in ganz geringen Mengen vor- 
handen. In der Menge des Kalis wie Natrons bestehen ebenfalls 
gewisse Unterschiede, sowohl innerhalb der eigenen Formation, als 
auch gegenüber dem mittleren Buntsandstein. Sicher ist eine große 
Verschiedenheit im Kaligehalt der Sandsteine des mittleren Bunt- 
sandsteins gegenüber dem unteren Sandstein von Heidelberg (Keller- 
quelle) und Erlabrunn vorhanden und zwar in dem Sinne, daß letztere 
einen weit höheren Gehalt aufzuweisen vermögen, aber dennoch 
geben die niederhessischen Sandsteine mit etwa 2°/, K,O einen 
wesentlich geringeren Wert als die Sandsteine gewisser Horizonte 
(Pseudomorphosensandstein) des mittleren Buntsandsteins. Die Ur- 
sache für den hohen Kaligehalt zuerst genannter Gesteine dürfte in 
der reichen Feldspat- und z. T. auch Glimmerführung der süd- 
deutschen Gesteine dieser Etagen zu suchen sein. Die nördlichen 
Verbreitungsgebiete des unteren Buntsandsteins zeigen niemals eine 
gleich hohe Anteilnahme des Feldspats an ihrem Aufbau '. Die Höhe 
des Natrons der Sandsteine der unteren Formationsabteilung wird 
im mittleren Buntsandstein nur einmal im Eck’schen Konglomerat 
von Buhlbach? erreicht, sonst liegt der Wert für Natron weit unter 
demjenigen des unteren Sandsteins. Der Gehalt der unteren Sand- 
steine an Phosphorsäure ist meistens ein hoher, die Sandsteine der 
mittleren Abteilung stehen ihnen hierin weit nach. Außer den in 


1 Vergl. die Erl. zu Blatt Freudenstadt und Obertal—Kniebis,. 
2 Vergl. S. 477, 


— 439 — 


den Analysen befindlichen Angaben über den Phosphorsäuregehalt sei 
noch hinzugefügt, daß Bräunäuser! für die Arkose des unteren Bunt- 
sandsteins 0,212°/, P,O, ermittelte und für den Tigersandstein 
0,053°), P,O, fand und in einer, später näher zu erörternden Arbeit 
interessante Beziehungen zwischen dem P,O,-Gehalt der Sandsteine 
und ihrer Entstehung darlegte.e Der große Unterschied der unteren 
Sandsteine von denjenigen der mittleren Abteilung, der sich schon 
bei makroskopischer Betrachtung durch ihren weit tonigeren Charakter, 
wie Feldspatführung etc. kundgibt, wird durch vorstehende chemische 
Charakterisierung am deutlichsten dargetan und macht sich, wie wir 
später sehen werden, noch weit mehr bei der Verwitterung der Ge- 
steine und ihrer Bodenbildung geltend. 

In den Kaolinsandsteinen reichert sich, wie wir im petro- 
graphischen Teil gesehen haben, der Kaolin- bezw. Tongehalt zu- 
weilen stark an. Ein solcher Kaolinsandstein von Steinheide in 
Thüringen ergab durch mechanische Analyse ermittelt 24,6°/,, durch 
Aufschluß mit Schwefelsäure im Rohr festgestellt 23,4%, Kaolin. 
Der Kaolinsandstein von Wasungen zeigte nach der mechanischen 
Analyse 8,3°/, unreinen Kaolin und sein Schlemmprodukt erwies 
sich wie folgt zusammengesetzt °. 


SIO ware ec Be ee A 52,76 
Al, O, mit wenigem Fe,0,. - . 28,19 
aO a ee 0,97 
MO: aai Sr er 2,35 
KO: 2 2.24 wa bes 7,57 
N: O erru ve ah Een 0,59 
HO a new Ei Be 7,79 

100,22 


E. E. Schmiot bezeichnet den roten Kaolin von Steinheide als 
makroskopisch nicht wesentlich verschieden von demjenigen des 
mittleren Buntsandsteins von Eisenberg und Osterfeld in Thüringen? 
und mikroskopisch als ein Gemenge von Quarz und glimmerartigen 
Schuppen. Durch überhitzte Schwefelsäure wurden 7,2°/, Quarz mit 
etwas Silikat nicht aufgeschlossen, während der in Schwefelsäure 
gelöste Anteil nachstehende Zusammensetzung ë aufwies. 


! Bräuhäuser, Über das Vorkommen von Phosphorsäure im Buntsand- 
stein und Wellengebirge des östlichen Schwarzwaldes. Mitteil. d. geolog. Abt. 
d. kgl. württ. stat. Landesamtes, No. 4. S. 5. 

? Analytiker E. Laufer. Blatt Wasungen S. 9. 

3 Vergl. E. E. Schmidt, Die Kaoline des thüringischen Buntsandsteins. 
Zeitschr. d. deutsch. gcol. Ges. Berlin. Bd. XXVIII, 1876. S. 102 u. 105. 


SEO... 5 4 Sr. sr e 41,9 
ALD. m Seen Ye 34,5 
IN E 32%. 8 wie Bere, 1.2 
EEO 2 u ra ech 0.6 
CAO Mur u EEE S a 1,6 
MEO:.. A a ee E 0,5 
KO yeap Sue 0,4 
NA: pa ee et 0,2 
HO ee e py er 12,1 

100,3 


Der Kaolin von Gleina in Thüringen, ebenfalls dem unteren 
Buntsandstein angehörend, entstammt einem hellgelben, sehr lettigen 
Ton, der Wasser ungemein begierig aufsaugt; sein Schlemmprodukt 
ist mikroskopisch ebenfalls dem Eisenberger Kaolin ähnlich und führt 
reichlich sogen. Mikroschörlite und weniger Mikrovermikulite, Mineral- 
verwitterungsprodukte, welche wir später eingehender kennen lernen 
werden (s. Eisenberger Chamotte-Ton). An dieser Stelle sei nur 
darauf hingewiesen. 


In welch wechselnder Weise der Karbonatgehalt in den unteren 
Buntsandsteinen vorhanden sein kann, mögen einige der nachstehen- 
den Ermittlungen erläutern. Die Karbonatführung erstreckt sich 
gewöhnlich nur auf gewisse Lagen, während sie in anderen völlig 
fehlt. So teilen Rau und Scmmipt mit, daß sie in 5 von 12 Gesteins- 
proben keinen Karbonatgehalt nachzuweisen vermochten, daß sie aber 
in den übrigen 7 Proben einen solchen, zwischen 0,02 und 12,7°,, 
schwankend, erhielten; nämlich 0,02; 0,42; 1,13; 1,83, 12,24 und 
12,67 °/,. Außerdem ergaben weitere Proben 0,09; 0,12; 0,13; 0,22 
und 12,61°/,. Sie bemerken zu diesen Befunden: „Im allgemeinen 
zeigten sich die rotgefärbten Lagen etwas mehr karbonathaltig, als 
die hell oder grünlich gefärbten und dementsprechend nimmt auch 
der Karbonatgehalt gegen oben ab'!.“ 


Zu den Kalkbildungen des norddeutschen Buntsandsteins ge- 
hören die von KarkowskyY” neuerdings beschriebenen Oolithe und 
Stromatolithe, für welche selbiger Autor phytogene Entstehung be- 
ansprucht. Wir entnehmen der interessanten Abhandlung nur das 
für unsere Zwecke Wichtigste. Der Oolith Rogenstein baut sich 
nach ihm aus Ooiden auf, kugeligen Bestandteilen, „die doch nicht 


a a a a amamma 


! Schmidt und Rau, Erl. zu Bl. Freudenstadt S. 73. 
2 E. Kalkowsky, „Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsand- 
stein.“ Zeitschr, der deutsch. geol. Ges. Bd. 60. 1908. S. 68—125. 


— 441 —- 


im gewöhnlichen mineralogischen Sinne Körner sind, vielmehr infolge 
ihres pflanzlichen Ursprungs eine besondere Struktur haben“ und die 
durch ein Zement fest untereinander verbunden sind. Von diesen 
Bildungen trennt er scharf die Stromatolithe, „welche Kalkmassen 
bezeichnen, die eine feine mehr oder minder ebene Lagenstruktur 
besitzen im Gegensatz zur zentrischen Struktur der Oolithkörner“. 
Der Hauptbestandteil aller dieser Bildungen ist Kalk in Form von 
Kalkspat, dann Dolomit und Eisenhydroxyde nebst weiteren Eisen- 
verbindungen. Eingelagerter Quarz, Biotit und Ton nehmen am 
Aufbau mehr oder weniger Anteil und auch Feldspat, Muskorit, 
Granat, Turmalin etc. werden beobachtet. Die Ooide selbst bestehen 
fast ausschließlich aus Kalk, der in konzentrischen Lagen angeordnet 
ist und mit feinen Lagen von Ton abzuwechseln vermag. Sie kommen 
in den verschiedensten Gesteinen vor, so in den kalkigen Oolithen, 
in den sandig-mergeligen Oolithen, in feinkörnigen Sandsteinen und 
Mergeln und in den Stromatolith-Kalksteinen. Je nach Korngröße 
und Verschiedenheit der Ooide untereinander sowie der Beschaffen- 
heit des Zements können die Oolithe in solche mit kalkigem und 
sandig-kalkigem Zement von grob-, fein-, gleich- oder ungleich- 
körnigem Ooidcharakter eingeteilt werden. Die wesentlichen Be- 
standteile der Stromatolithe sind dünne, mehr oder weniger plane 
Lagen kohlensauren Kalkes (Stromatoid). Auch hier sind feiner 
Ton und Sandkörnchen sowie jene oben genannten Minerale den 
Stromatoiden eingelagert und zementiert vorwiegend kristalliner Kalk- 
spat die einzelnen Lagen, andererseits sind auch Ooide dem Stromato- 
lith eingelagert. Dieser tritt im norddeutschen Buntsandstein stets 
in Verbindung mit Rogenstein auf und hat diesen ausnahmslos zum 
Liegenden, doch ist nicht mit jeder Oolithbank ein Stromatolith- 
horizont verknüpft. Sein Hauptverbreitungsgebiet liegt am Nord- 
rande des Harzes und dort vorzugsweise bei Wienrode, ferner am 
Harlyberge bei Viennenburg und Asse bei Wolfenbüttel. 

Die Rogensteine bestehen fast ausschließlich aus Kalk. Zwei 
aus der Gegend von Wolfenbüttel herstammende Rogensteinproben 
zeigten folgende Zusammensetzung: 


1: 2: 

In Säuren unlöslich . . . 0,49 1,00 
Tonerde und Eisen . . . 6,50 12,48 
Kalko u. 2: 20.4.0 93.08 86.06 
100,07 99,54! 


z Vergl. Herzfeld, „Das Kalksteinmaterial der deutschen Zuckerfahriken.“ 
Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie. 1896. S. 571 und Jahresber. Agr. Chem. 
Neue Folge. XIX. 1896. S. 139. 


— 442 — 


Verlassen wir nunmehr die stoffliche Beschaffenheit der Gesteine 
des unteren Buntsandsteins und wenden uns der Aufbereitung der- 
selben zu. 

Wenn man bedenkt, daß die Tone das Eudprodukt der Ver- 
witterung feldspatführender Gesteine darstellen ', so ist vor allen 
Dingen klar, daß keine weiteren chemischen Veränderungen durch 
die Verwitterung auf sie ausgeübt zu werden vermögen, die eine 
Zerlegung oder eine Neubildung bezw. Umsetzung von Gesteins- 
komponenten zur Folge haben könnten?. Dasselbe gilt auch von 
der Kieselsäure als Quarz bezw. Sand, auch sie widersteht den Ein- 
flüssen der Verwitterung. Die vorwiegend weißen Glimmer, die 
Muskovite, die den tonigen Gesteinen unserer Formation aus gleicher 
Ursache, nämlich als Verwitterungsrückstände muskovitführender 
Gesteine, eingelagert sind, sind ebenfalls keiner weiteren chemischen 
Zersetzung fähig, oder nur in ganz geringem Maße. Mit anderen 
Worten, die Tone, Letten, Tonschiefer ete. unserer Formation bleiben 
in ihrer stofflichen Zusammensetzung, den Einflüssen der Verwitte- 
rung ausgesetzt, im wesentlichen unverändert. Nur dort, wo sie 
einen Gehalt an kalkigen, dolomitischen Einlagerungen aufweisen, 
findet eine mehr oder mindere Auswaschung dieser Bestandteile statt. 
Auch halten die locker gebundenen Eisenverbindungen den aus- 
waschenden Einwirkungen nicht gänzlich stand. Da demnach die 
chemische Verwitterung an der Aufbereitung dieser Gesteine keinen 
wesentlichen Anteil hat, so üben fast lediglich physikalisch wirkende 
Kräfte einen ungehinderten Zerlegungsprozeß auf sie aus. Diese 
Kräfte äußern sich, wie stets, in einem mechanischen Zerfall des 


! Ein Verwitterungsprozeß feldspatreicher Gesteine, der mit der Bildung 
von Laterit, eisenschüssigem Aluminiumhydrat, endet, findet unter gewöhnlichen 
Verhältnissen in unseren Breiten nicht statt. Vergl. hierzu: M. Bauer, Neues 
Jahrb. f. Mineralogie. 1898. II. S. 193 bezw. Ref. Jahresber. f. Agr. Chem. 
3. Folge. VI. 1903. S. 27 und J. M. van Bemmelen, Beiträge zur Kenntnis 
der Verwitterungsprodukte der Silikate in Ton-, vulkanischen und Lateritböden. 
Zeitschr. f. anorgan. Chemie. Bd. 42. S. 302—304. W. Bruhns und 
H. Bücking, Beitrag zur Kenntnis der Laterite. Centralbl. f. Mineralogie etc. 
1904. S. 471. H. Rosenbusch, Elemente der Gesteinslehre. S. 79. E. Ra- 
mann, Bodenkunde. 1905. S. 403. Milch, Grundlagen der Bodenkunde. S. 97. 
E. Weinschenk (l. c. S. 66) ist dagegen der Ansicht, daß die einfache Ver- 
witterung in den Tropen nicht zur Bildung von Tonerdehvdrat führt, „daß viel- 
mehr Produkte von letzterer Zusammensetzung auf lokale, meist im Erdinnern 
vorhandene Ursachen zurückzuführen sind.‘ 

? Vergl. P. Rohland, „Die Tone.“ Wien und Leipzig 1909. S. 1—12. 


— 43 — 


Materials, welcher in unserem Fall bei den schiefrigen Letten zu- 
nächst in einer Trennung des Gesteins nach seinen Schichtflächen 
besteht, um schließlich ein Haufwerk von zertrümmerten, schief- 
rigen, eckigen Bruchstücken mit scharfen Kanten zu hinterlassen, 
so daß der entstehende Boden einen grusigen Charakter trägt, 
was jedoch mit der Dauer des Vorgangs zu einer wenig plastischen 
Tonmasse führt. Die Bröckelschiefer zerfallen in unregelmäßige 
Bröckchen, sie zerbröckeln und gehen nur langsam in ebensolche 
Masse über. 

Der Boden der lettigen, tonigen Lagen bildet daher meist einen 
recht schwer zu behandelnden, strengen, kalten Ton. Er ist schwer 
und bindig, neigt nicht nur zur Bildung von Naßgallen und Säuerung, 
sondern verursacht auch hier und dort Wasseranstauungen und damit 
nasse, quellige Stellen. Trocknet er infolge längerer Dürre aus, so 
wird er hart wie Stein und zerbricht, so daß er von tiefen Sprüngen 
durchsetzt ist!. Infolge hiervon bedarf er einer recht energischen 
mechanischen Bearbeitung durch Egge, Pflug und Drainage. In der 
Regel besitzen die lettigen Schichten sanfte Böschungen, dort, wo 
jedoch ihre Gehänge sehr steil einfallen, vermag der Regen das zer- 
bröckelnde Gestein leicht wegzuschaffen, die Vegetation geht hier 
fast ganz zurück und der Boden ist fast völlig steril”. BeyschLac ® 
kommt daher infolge der Beschaffenheit dieses Bodens zu dem Schluß: 
„Wo nicht durch fortgesetzte Mengung mit den abgeschwemmten 
Sanden der höheren Abteilung eine allmähliche Melioration statt- 
gefunden hat, gehört der Bröckelschieferboden zu den unfruchtbarsten 
der Gegend.“ 

Einen Einblick in die Verhältnisse der Zusammensetzung von 
Schieferlettenböden, sowohl in mechanischer wie chemischer Hin- 
sicht, gewähren uns einige Analysen, die von LuEpeck£* ausgeführt 
wurden. Leider stellen diese Böden kein reines Material (in geo- 
logischer Beziehung) dar, vielmehr sind sie mit fremden Gesteins- 
trümmern verunreinigt. LuEDEcKE bemerkt denn auch hierzu: „Die 
beiden Schlemmanalysen von Stellen, die ringsum vom Granit um- 
geben sind, zeigen einen Lettenboden mit hohem Feinerdegehalt 


! Vergl. E. Küster, l. c. S. 249, 

2 Vergl. hierzu: Erl. zur geol. Spezialkarte von Preußen und den Thürin- 
gischen Staaten die Blätter Gera S. 5. Neustadt S. 12, Saalfeld S. 44, Langen- 
burg S. 4, Rotenburg S. 5 und Themar S. 17. Bornemann, L c. S. 33. 

3 Beyschlag, Erl. zu Bl. Seifertshausen S. 8. 

t Luedecke, l. c. S. 158 und 159. 


— 44 — 


und viel feinsten Teilen, welcher jedoch durch beträchtliche Mengen 
gröberen Sands des Granits und Buntsandsteins wesentlich gemildert 
ist. Der Tongehalt der mehr sandhaltigen Probe beträgt noch 5,2%,- 
Die Wasserfassung steht über der vieler Granitböden, der Humus- 
gehalt ist ein mittlerer !.“ 


1. Mechanische Analysen. 
No. 1. Schieferletten von Böllstein Fl. 1 im Odenwald ver- 
mengt mit Granitgrus, Ackerkrume aus einer Tiefe bis zu 15 cm. 
No. 2. Schieferletten von Böllstein, östlich der Straße, Acker- 
krume aus einer Tiefe bis zu 20 cm. 


Hundertstel des Fein- Hundertstel des Feinbodens in mm 
Gesamtbodens boden Sand Staub Feinstes 
<5mm 5-2 <2mm 2-1 1-0,5 0,5-0,2 0,2-0,1 0,1-0,05 0,05-0,01 < 0,01 
No.1 — — 933 89 80 88 6,0 7,8 18,5 41.7 
No.2 — — 849 102 104 13,5 68 10,5 20,5 27,2 
No. 2 Ton nach Hilgard Wasserfassung Glühver. Humus Vol.-Gew. 
5,2 Vol.-/, en nach 
Max. Min. Grandeau 
43 22 4,9 1,0 1.37 


2. Chemische Analyse (Nährstoffanalyse?). 


Ackerkrume des Su; Böllstein, Fl. 1. bis zu 20 cm Tiefe ver- 
mengt mit Granit. 


Ungelöst in 10%, HCl: 86,05 
löslich in 10%, HCI: SiO, . . . - - 0,13 
Al; Oje ar 1,75 
Fe, O 2.19 
a i 0.28 In Natron lösliche SiO, nach 
MgO... u 021 der Behandlung mit HCl 
oe: 0.25 Si O, 3,68% ı 
Na 0 0.05 demnach Ges. Si 0, in lösl. Form 
NaO 50 6% : 
PO... 0.06 Be, 
SO 0.03 Ges. N. 0,17 Ö 
al ee 

DOES 24% 0,02 
H,O wen: 1,66 
Glühverl. . . . 4.90 


Die Ergebnisse seiner chemischen Analyse faßt LUEDECKE mit 
folgenden Worten zusammen: „Kalk- und Magnesiagehalt sind ge- 


"Luedecke.l.c. S. 8. 
? Luedecke, l. c. S. 172—173. 


ring, Kohlensäure ist nur in Spuren vorhanden. Nach der Nähr- 
stoffbestimmung ist Kalk und Magnesia in etwas größerer Menge 
vorhanden, der Kaligehalt ist dagegen sehr gut; lösliche Tonerde 
und Kieselsäure sind nur in mäßiger, die Phosphorsäure in voll- 
ständig unzureichender Menge, Stickstoff dagegen mehr als ausreichend 
vorhanden. Die Absorption ist eine mittlere. Der Untergrund ent- 
spricht der Ackerkrume und macht systematische Drainierung wün- 
schenswert; zu Wiese und Weide wären diese Böden vorzüglich ge- 
eignet, ebenso nach geschehener Entwässerung zu Acker’.“ Wie wir 
sehen, zeigen diese von LuEDEckE beschriebenen Lettenböden, wenn 
auch keineswegs eine hervorragende, so doch nicht jene völlig un- 
geeignete Beschaffenheit, wie wir sie für gleichartige Bildungen im 
vorhergehenden Abschnitt unserer Betrachtungen über diesen Gegen- 
stand erkannt haben (siehe Seite 443 u. a.). Der Grund hierfür ist 
ın der vorteilhaften Melioration des Bodens mit eingelagertem Granit- 
material zu suchen, welches den tonigen Charakter des Bodens 
mildert. Diese günstige Bodenbeeinflussung tritt auch überall dort 
auf, wo tonige Partien mit sandigen Zwischenlagen im Gestein ab- 
wechseln und gemeinsam verwittern, oder wo auch durch Sand- 
steinmaterial, von oben her als Schutt, eine Melioration des Ton- 
bodens stattfindet. Je günstiger das Verhältnis der Wechsellagerung 
im Gestein vorhanden ist, um ein so vorteilhafterer Boden geht aus 
ihm hervor. Böden dieser Art sind im Gebiete des unteren Buntsand- 
steins keineswegs seltene Erscheinungen. Sie leiten uns jedoch zur 
Betrachtung der aus dem reinen Sandstein hervorgehenden Boden- 
bildangen über. Bevor wir hierzu übergehen, mögen noch einige 
Angaben über den Kalk-, Magnesia- und Kohlensäuregehalt von 
Schieferlettenböden eingeschaltet sein, sie ergeben ebenfalls für diese 
Substanzen recht geringe Werte. 


Ackerkrume Untergrund tieferer Untergrund 
À L; U, 
Call sos oa way 0.15 ?joo 0.12 9 0,10 °/oo 
MgO. ’a‘’’ 01l , 0,05 , 0.04 „ 
CO a rt 0.02 , 0.01 „ —’ 


Die Sandsteine erweisen sich der Verwitterung gegenüber als 
recht wenig widerstandsfähige Körper. Dieses Verhalten hat zum 
größten Teil seine Ursache in der Anordnung und Verbindung ihrer 


2? Luedecke, l. e. S, 82, 
? Vergl. Luedecke, l. c. S. 164—163. 


— 446 — 


Mineralbestandteile untereinander, weniger wird es von dem stof- 
lichen Aufbau des Gesteins beeinflußt. Der Hauptsache nach be- 
stehen die Sandsteine unserer Abteilung, wie wir gesehen haben, 
aus Kieselsäure, welche in Gestalt einzelner Quarzkörner durch ein 
Bindemittel mehr oder weniger fest verkittet wird. Die Quarzkörner 
stellen den quantitativ vorherrschenden und wesentlichen Bestand- 
teil des Sandsteins dar und sind von einheitlicher chemischer Zu- 
sammensetzung, nämlich Kieselsäure, soweit sie nicht, wie in einigen 
Ausbildungen innerhalb unserer Formation untergeordnet durch Feld- 
spate ersetzt werden oder auch Glimmer an der Zusammensetzung 
des Gesteins Anteil nımmt. Das mineralische Bindemittel oder Ze- 
ment ist dagegen von stofflicher Verschiedenheit, es bildet, da es 
nicht wie die Quarzkörner von den Verwitterungsagentien unangreif- 
bar ist, das ausschlaggebende Moment für den Verlauf des chemischen 
Verwitterungsprozesses. Der Zerfall des Gesteins erfolgt infolge der 
Anordnung seiner Mineralbestandteile durch eine Auslaugung des 
Bindemittels, nachdem für einen solchen Vorgang physikalisch 
wirkende Kräfte das Gestein vorbereitet haben. Dieses besteht zu- 
nächst in einer Lockerung des Gefüges, verursacht durch die Wir- 
kung der verschiedenen Ausdehnung der einzelnen Gesteinsgemeng- 
teile bei Temperaturschwankungen auf einander und gegen den 
ganzen Zusammenhang des Gesteins. Gleichzeitig wirken die Tage- 
wässer von oben auf das Gestein ein und vermögen, falls ihnen in 
vorherbeschriebener Weise genügend vorgearbeitet worden ist, un- 
gehindert in das Gestein einzudringen. Sodann unterstützt durch die 
Kraft des Frostes im Winter und in Gemeinschaft mit der lockern- 
den Tätigkeit der Pflanzenwurzeln im Sommer bringen alle diese 
Kräfte gemeinsam das Gestein zum zerbersten. Für eine solche 
Art des Angriffes ist der Sandstein der unteren Abteilung aber be- 
sonders günstig entwickelt, denn sein toniges oft mit kalkiger oder 
dolomitischer Beimengung versehenes Bindemittel vermag diesen 
Einflüssen nur wenig Widerstand entgegenzusetzen. Die Struktur 
des Gesteins erleichtert gewissermaßen auch noch diesen Verlauf, 
indem durch die Neigung des Gesteins zur Kluftbildung einerseits, 
sowie durch die lagenfürmige Anordnung von sandigen und tonigen 
Teilen andererseits den atmosphärischen Agentien der Weg ihres 
Angriffs gezeigt wird. Der mechanischen Aufbereitung folgt, oder 
setzt schon gleichzeitig mit ihr ein, die chemische Verwitterung 
des Gesteins, sie ist bedingt durch Menge und Beschaffenheit des 
Bindemittels. Welcher Art das Bindemittel des näheren beschaffen 


— 447 — 


ist, ersehen wir aus dem in Salzsäure löslichen Anteil (siehe 
Seite 444) und erkennen es als einen vorwiegend eisenschüssigtonigen 
und zuweilen stark karbonathaltigen Körper. Die Gegenwart 
einer so großen Eisenmenge wie hier verrät zugleich ihre leichte 
Zersetzung. 

Demnach löst die Verwitterung das Gestein zuerst in flache 
Lagen bezw. dünnplattige oder schiefrige, mürbe Bänke und später 
in Scherben auf, wobei gleichzeitig die Färbung des Gesteinsmaterials 
in leichtere Farbentöne übergeht. Und nun erst geht die zu Scherben 
und Schollen umgewandelte Sandsteinmasse mit der Zeit einer gänz- 
lichen mechanischen Aufbereitung entgegen, die sich dann in nicht 
unbeträchtliche Tiefen des festen Gesteins fortsetzt. Den Vorgang 
der Verwitterung beschreibt A. v. KoEnen sehr anschaulich in folgen- 
der Weise: „Die Verwitterung beginnt mitunter mit einer Auslaugung 
des färbenden Eisenoxydes, immer aber damit, daß die Struktur 
deutlicher wird. Es wird dann der Sandstein schiefrig, löst sich in 
dünnen Platten ab, diese zerfallen in kleine mürbe Bruchstücke und 
endlich in feinen nur wenig tonigen Sand. Letzterer bedeckt das 
weniger zersetzte Gestein in der Regel derartig, daß nirgends ein 
Bruchstück von diesem sichtbar wird. Nur an etwas steilen Ab- 
hängen, wo fortwährend Boden durch Regengüsse fortgespült wird, 
und mehr Rainen, wo die Erde tiefer ausgehoben ist, kommen noch 
Gesteinsstücke zutage'“. 

Durch diesen Vorgang entsteht im allgemeinen aus den Sand- 
steinen der unteren Buntsandsteinformation ein ziemlich tiefgründiger, 
mit wenig groben Gesteinsstücken untermischter Boden von rötlicher, 
graubrauner, grauvioletter oder auch hellerer Farbe, der als ein 
lockerer, warmer lehmiger Sand von guter Mittelgüte zu bezeichnen 
ist. Seine lehmige Natur kann mehr oder minder hervortreten, je 
nachdem stärker tonführende Schichten oder auch Bänke an seine 
Bildung gleichzeitig tätig waren, so daß fast ein sandiger Lehm 
entstehen kann. Der reichliche Tongehalt erzeugt eine Bindigkeit, 
welche Sandböden der mittleren Abteilung niemals aufzuweisen haben. 
„Wo er steinfrei ist“, sagt H. Bückınc, „hat er zuweilen eine solche 
lehmartige Beschaffenheit, daß er, zumal in den Waldungen, von 
dem Löß, besonders von dem entkalkten nicht scharf getrennt werden 


kann?.“ Dort wo die Feldspäte, die sich meist schon im Zer- 


1 A. v. Koenen, Erl. zu Bl, Hersfeld S. 4. 
? H, Bücking, Erl. zu Bl. Langensebold. 


— 448 — 


setzungsstadium im Gestein befinden, stärker auftreten, zeigt sein 
Boden einen recht hohen Kaligehalt und ist in dieser Hinsicht „nach- 
schaffend“, wenn auch nur ein geringer Teil des Kalis direkt für die 
Pflanzen assimilierbar ist. Bei steiler Lage wird er flachgründig 
und auch steiniger und nimmt damit an Güte ab. Meist aber sind 
es die weißen Sandsteine, welche eine weit geringere Bodenqualität 
erzeugen, sie geben einen lockeren oft mehligen, trockenen Sand. 
Eine Beimengung von Kalk, die hier und da aus dem unterlagernden 
Gestein in den Boden gelangt, macht ihn wärmer und fruchtbarer, 
doch ist eine derartige Kalkanreicherung nur lagenweise zu beob- 
achten!. Vorwiegend stellt der Sandsteinverwitterungsboden der 
unteren Abteilung eine recht gute Bodenart dar, die in ihrer Aus- 
bildung allerdings mannigfachen Schwankungen unterworfen ist, was 
in der stoffllichen Natur ihres Muttergesteins nur allzusehr begründet 
ist?. Andererseits wird aber der Boden mit dem Schutt der dar- 
überfolgenden Buntsandsteinschichten meist sehr verunreinigt. Es liegt 
dann kein reiner unterer Buntsandsteinboden mehr vor und der Ein- 
fluß dieser Vermischung macht sich in unangenehmer Weise geltend, 
namentlich leidet der Boden in physikalischer Hinsicht bedeutend, 
indem seine Lockerung zu groß und sein sonst genügender Ton- 
gehalt allzusehr geschwächt wird. Da der Boden meist tiefgründig 
ist, so ist sich Unter- und Obergrund meist gleich. Folgt aber einer 
wenig mächtigen Bodenschicht direkt der Sandstein als Unterlage, 
was zuweilen durch die Lage der Schichten bedingt wird, so wird 
er sehr durchlässig. 

Einen Einblick in den Gang der chemischen Verwitterung des 
unteren Buntsandsteins erhalten wir durch die ausführlichen Ana- 
lysen OswaLp’s”, der sowohl Gestein wie Boden und zwar Unter- 
grund und Ackerkrume mit verschieden starken Lösungsmitteln be- 
handelte, so daß man aus den durch diese Behandlungsweise in 
Lösung gegangenen Stoffmengen auf die Angreifbarkeit des Gesteins, 
wie seiner Verwitterungsprodukte indirekt schließen kann. 


1 Vergl. hierzu den Karbonatgehalt der Sandsteine auf S. 440. 

3? Vergl. u. a. Erl. z. geol. Sp.-Karte von Preußen, die Blätter: Hersfeld, 
Friedewald, Stadt Ilm, Remda, Langenberg, Gera, Triptis, Ziegenrück, Ganders- 
heim, Gelnhausen, Saalteld. Erl. z. Bl. Heidelberg der bad. geol. Sp.-Karte so- 
wie die Blätter der württembg. geol. Sp.-Karte Freudenstadt, Obertal—Kniebis 
und Luedecke, 1l. c. S. 82 u. 83. 

’A. Oswald, Chemische Untersuchung von Gesteinen und Bodenarten 
Niederhessens,. 


a n 


— — 


— 449 


Fundort des Gesteins und Bodens. 


No. 1. Asmushausen in 


Niederhessen. 
._ Unter- Acker- 
Gesten grund krume 
Glühverlust 2750 3,005 2,806 
Löslich in heißer Salzsäure: 
SiO, . 0,050 0,081 0,036 
Fe, 0, 1040 1572 1084 
ALO 1,435 2328 1,836 
Mn, Ò, 0576  — = 
CaCO, 0.733 0,578 0,485 
MgC O, . 0304 0550 0364 
PO,  . . » 0,090 0,048 0.050 
S0,- . . . . 0.030 0,023 0,020 
KU. 0.327 0,206 0,201 
NaO 2.2.» 0,197 008 0,048 
Se losen 
in löslich in 2540 3182 2,240 
Rückstand löslich in heißer 
Schwefelsäure: 
Fe, O, . . . . 2444 1,000 0.800 
ALO... . 3386 4,402 2,482 
a0: 2. . . 0280 0067 0,162 
MgO 0180 0180 0,210 
KO... 03857 0533  . 0,630 
NaO . . . . 0,286 0230 0,112 
Sin, löslich in 4916 6312 3,765 
Natron 
Rückstand löslich in Flußsäure: 
Fe,0,+ ALO, 3,608 3,120 2,991 
N... .. 100 083 0985 
CaO 0501 0640 0519 
K,O 1501 1355 1306 
Na, O 0,706 0,636 0,530 
SiO, Ma a ae 71,191 69.026 74,813 
100,508 99,975 98,435 


No. 3. Aue in Niederhessen. 


: Unter- Acker- 
Gestein grund kruine 
Glühverlust 2,230 3,022 4,008 
Löslich in heißer Salzsäure: 
SO a ae 0,040 0,062 0,051 
Fe, O, 1,041 1,782 1,664 
AL, O, . 0,722 1.780 1,800 
Mn, 0,. . 0,651 — — 
CaCO, . . . 1,001 0,679 0,833 
Mg C O, 0,576 0,680 0.790 
PO e 220 a 0O 0.064 0.082 
SO, . 2.2... 0,060 0,016 0,024 
K,0 a - 0,162 0,106 0,252 
a 2 a . 0,088 0,019 0,042 
l öslich in f 
Nation 1,560 1,910 2,135 


No. 2. Ellingshausen in 


Niederhessen. 
\ ; Unter- Acker- 
Gestein grund krume 
2,160 5,208 8,406 
0.050 0,071 0,065 
1,292 2,780 2,404 
1,324 2,503 ` 2,296 
0,297 = = 
0,482 1,441 0,712 
0,684 0,428 0,381 
0,110 0.053 ` 0,080 
0,042 0,042 0,032 
0.139 0.252 0,106 
0,074 0,057 0,021 
1,680 3,395. 3,711 
0,364 0,396 . 0,368 
2.169 2.404 2,847 
0,110 0,134 0,126 
0,155 0,115 0,140 
0,261 0.396 0.649 
0,137 0,132 0,256 
2,213 3,411 4.285 
4,200 3.479 3,358 
1,340 1.245 1,118 
0,765 0,775 0,730 
1,610 1,590 1,403 
0,805 0,486 0,513 
76.018 69,002 65,938 
99,479 99.792 99,945 
No. 4. Frankenhain in 
Niederhessen. 

BER Unter- Acker- 
Gestein grund krunme 
2.668 4,060 4,680 
0.102 0,068 0,092 
1,566 2,724 2,248 
1,250 2.516 3,512 
0,618 = = 
1.142 0.571 0,402 
1,290 0,276 0,228 
0,099 0.080 0.076 
0,033 0.032 0.020 
0,085 0.172 0,176 
0,040 0,039 0,056 
1.960 3.832 5.176 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 


29 


— 450 


Rückstand löslich in heißer 


Schwefelsäure: 
Unter- Acker- 
grund krume 
Fe, O, : + « . 0,312 0,504 0,540 
Al, O, 0... 3,413 3,196 2,803 
403: 03, 9% 0,673 0,112 0.089 
MgO ... . 0,089 0,086 0,079 
K,V.... . 0,186 0,578 0,633 
NaO . . . . 0,102 0.106 0,122 
SiO, löslich in 

Natron 


Gestein 


3,786 4,010 3.820 


Rückstand löslich in Schwefelsäure: 


Fe,0,+Al,0, 5,354 3626 4,716 


CaO. aoa 1,840 0,450 1,250 
MgO .... 1,870 0,642 0,801 
K.048.8 z 1,800 1,424 1.506 
NaO 2... 0,823 0,736 0,926 
SiO. ooo 72,604 75.036 70,422 


100.549 99.606 99,788 


Gestein 


0.676 
3,738 
0,190 
0,165 
0,245 
0.136 


5.064 


4,553 
1,482 
1,062 
1,510 
0,167 

70.278 

100,714 


No. D. Lindenau in Niederhessen. 


Unter- Acker- 
grund krume 
0,452 0,684 
2.968 4,076 
0,191 0,056 
0,079 0.087 
0,131 0.667 
0,082 0,159 
5,221 5,164 
3,985 3,573 
1,060 0,986 
1,124 0,966 
1.362 1.229 
0.610 0.570 
68.044 65,588 
99,982 100.441 
No. 6. Richelsdorf in 
Niederhessen. 
Gestein Acker 
krume 
2.603 4,552 
0,057 0.096 
1,092 2,265 
2 488 2 329 
0,387 = 
1,504 0,555 
0.681 0,456 
0,081 0.099 
0,041 0,032 
0.105 0,226 
0,059 0,041 
3,661 4,521 
1.196 0,432 
2,384 2 678 
0,251 0,201 
0,145 0.182 
0,341 0.636 
0.215 0,096 
3,381 3,926. 


: Unter- Acker- 
Gestein 
grund krume 
Glühverlust . . .. ‚185 4,878 5,021 
Löslich in heißer Salzsäure: 

SO,2.2.2 0.09. 0,061 0.120 0.066 
E60; a2 1.565 2.206 1,54 
AU 2.0.0 Wen 4 2,140 4,898 2,236 

Mn,0, »».... 0,416 — — 
CaCO. e 0446 0.845 0,373 
MgCO, >.. O40 0,642 0.456 
1a Pr 0.052 0,051 0.045 
SV. Sheet 0.058 0,036 0,040 
Bo a de 0,108 0,252 0,277 
NA a noas . 0,090 0.084 0,084 
SiO, lösl. in Natron 3,095 6,030 3.627 
Rückstand löslich in heißer Schwefelsäure: 
Pe Or a een ‚728 0,684 0,576 
AlO, © e a e 2461 6.016 3,224 
CV 0.150 0.201 0.406 
Menea iea 0.217 0.374 0.136 
A E 0.303 0,749 0,598 
NO a2 4 0,198 0.174 0.202 
SiO, lösl. in Natron 3,958 10,280 5,062 


— 45l — 


Rückstand löslich in Flußsäure: 


Gestein Unter- Acker- Gestein Acker- 

grund krume krume 

Fe, O0, + A10, . . 4,561 3,328 3.698 4,726 3,629 
CO Bu 0,980 0,879 0,770 1.345 1,284 
ME Oae a ar 0,852 0,591 0,465 1,200 0,939 
K,O....... 1506 1,044 1,290 1.532 0,960 
Na,0 are 0,906 0,847 1,152 0,843 0,769 
SUN rn. ah 12,230 54,480 68,144 70,549 69,018 
100,306 99,689 99,488 100,877 99,922 


Die aus vorstehendem analytischen Material ableitbaren Schlüsse 
bezüglich der Verwitterung des Sandsteins der unteren Abteilung 
dürften im allgemeinen dahingehen, daß eine große Verschiedenheit 
zwischen Gestein und Verwitterungsboden eigentlich nicht besteht. 
Die chemische Verwitterung läßt die Kieselsäure und Tonerde in 
ihrem Bestande nahezu gleich bleiben, vermag sie also nur wenig 
anzugreifen, denn die Analysen für Kieselsäure ergeben meist den 
gleichen Gehalt sowohl für das Gestein wie für den Untergrund als 
auch für die Ackerkrume. Wenn man will, läßt sich auch wohl 
eine geringe Abnahme der Kieselsäure konstatieren, womit es im 
Einklang steht, daß sie in den Verwitterungsstufen, namentlich im 
Untergrund etwas leichter löslich wird. Für die Gesamt -Tonerde 
ist im allgemeinen gleiches Verhalten zu beobachten, doch scheint 
eine geringe relative Anreicherung derselben in den Verwitterungs- 
produkten, und hier vorwiegend im Untergrund, stattzufinden. Trotz- 
dem läßt sich erkennen, daß auch sie mit der Dauer des Ver- 
witterungsprozesses etwas leichter löslich wird. 

Der größte Teil des Eisenoxyds ist schon im salzsauren Aus- 
zuge enthalten, was auf die leichte Löslichkeit dieses Stoffes hin- 
deutet, dennoch erfährt der Gesamtgehalt keine Verminderung. Der 
Kalkgehalt nimmt ab, sowohl in seiner Menge als auch in seiner 
Löslichkeit, weil er teilweise ausgewaschen wird. Die Magnesia zeigt 
eine auffallend geringe Abnahme, was wahrscheinlich eine Folge 
ihrer schwer angreifbaren Bindung im Glimmer ist. Auch ihre gleich- 
bleibende Löslichkeit läßt dieses vermuten, obgleich manchmal im 
salzsäurelöslichen Anteil eine Verminderung der Löslichkeit zu be- 
obachten ist. Dieses aber zeigt, daß auch ein Teil aus dolomitischer 
Form leicht auswaschbar ist. Phosphorsäure und Schwefelsäure sind 
in leichtlöslicher Form vorhanden und werden daher mehr oder 
minder stark ausgelaugt. Das Kali zeigt ein eigentümliches Ver- 


halten. Obgleich es in seinem schwefelsäurelöslichen Anteil ganz 
| 29* 


— 452 — 


deutlich allmählich löslicher wird, und auch, wenn auch nicht mit 
gleicher Schärfe der Salzsäureauszug dieses dartut, so bleibt der Ge- 
samtgehalt des Kalis dennoch auf gleicher Höhe. Hierdurch wird 
andererseits der schwerlösliche (nur durch Flußsäure aufschließbare 
Teil) in seiner Menge verringert. Eine Auswaschung des Kalis 
findet also hiernach nicht statt. Ganz anderes Verhalten läßt sich 
aus dem Natron ersehen. Im Gesamtgehalt nimmt es, wenn auch 
nur gering, ab, seine Löslichkeit bleibt sich jedoch fast in allen 
Fällen gleich und dennoch dürfte auf eine gewisse Auswaschung 
dieses Stoffes zu schließen sein. Der Glühverlust nimmt ständig zu 
und kennzeichnet damit die Größe der Verwitterbarkeit, deren di- 
rekter Ausdruck er ist. Um die soeben auseinandergesetzten Be- 
ziehungen deutlich erkennen zu können, sei eine Zusammenstellung 
der Gesamtmengen der sowohl im Gestein als auch in den Ver- 
witterungsprodukten enthaltenen Stoffe gegeben. 


No. 1. Asmushausen in No. 2. Ellingshausen in 
Niederhessen. Niederhessen. 

G. U. A. G. U. À. 
SiO, 2.2... 78,697 78.601 80,854 80,961 75,879 73,999 
ALO LA 84.6 8,429 9,850 7,309 7,698 8,386 8,501 
PeO 204 5 3.448 2,572 1,884 1,856 3176 2,770 
CaCO, ::..073 0,578 0,485 042 141 0,712 
MgCO. . . . 0304 0,550 0.364 0,684 0,428 0,381 
CaO...’ 1,280 0,890 1,107 1,450 1,379 1.244 
MgO... 0,781 0,820 0,729 0.920 0,890 0,870 
O ..... 2215 2094 2137 2010 2,288 2,158 
Na,0..... 1139 0,944 0,690 1,016 0,675 0,79 
P,O o oa. 0,090 0.048 0,050 0,110 0,053 0,080 
Sr 0,030 0.023 0,020 0.042 0,042 0,032 
Glühverlust . . 2,750 3,005 2,806 2,160 5,208 8,406 

No. 3. Aue in Niederhessen. Daea: Frankenhain ii 

| Niederhessen. 

G. U. A. G. U. A. 
BIO. 2-2 0 8 77.9390 81,018 16,428 77.404 71,165 76,020 
0,20%: 9,547 8.602 9,319 9,541 9469 11,161 
Fe,0, -... 1,352 2286 2204 2,242 3,176 2,932 
CaCO, .. . . 1,001 0,679 0.835 1,142 0,571 0.402 
MgCO. .. . 0,576 0,680 0,790 1.290 0,276 0,228 
CaO 2.2... 2513 0,562 1.339 1,672 1,251 1,042 
MgO.....140 078 0,880 1.227 1,203 1,023 
KO g ips 2148 2008 2391 1.840 1,968 2,072 
NaO. oaa. 1,013 0861 1,090 0.943 0,731 0,785 
P, ar aa Ss 0,110 0,064 0,082 0,099 0,080 0.078 
SO, su. 0,060 0.016 0.024 0,033 0,032 0.020 


Glühverlust . . 2.230 3,022 4.008 2.668 4.060 4,680 


— 453 — 


No. 5. Lindenau in Niederhessen. No. 6. Richelsdorf in 


Niederhessen. 
G. U. À. G. A. 

SiO, ...- . . 79,874 70,910 76,899 77,648 77,561 
AlO, ..- .. . 9162 14,242 9,158 9,598 8,638 
F&O, 22.00 2,293 2,890 2,120 2,288 2,697 
CaCO 2.220: 0,146 0,845 0,373 1,504 0,555 
MgCO. 0,410 0,642 0,456 -0,681 0,456 
CaO. o aaa 1,130 1,080 1.176 1,596 1,485 
M2eO....... 1.069 0,965 - 0.601 1,345 1,121 
PrO..:..... 1,917 2,045 2,165 1,978 1,822 
NEO: yet fr 1,194 1,105 1,438 1,117 0,906 
a T E 0,052 0.051 0.045 0,081 0,099 
GO aeie A 0,058 0,036 0,040 0,041 0.032 
Glühverlust . . . . 2.785 4,878 5,021 2,603 4,552 


Gibt man sich die Mühe, den in Salzsäure löslichen Anteil mit 
dem in Schwefelsäure löslichen und den unlöslichen Rückstand 
wiederum mit diesen und dem Gesamtgehalt der Stoffe zu ver- 
gleichen, so treten jene oben ausgesprochenen Beziehungen hervor. 

Wenden wir uns nun nochmals dem Boden des Sandsteins zu, 
indem wir für Charakterisierung seines physikalischen wie chemischen 
Bestandes eine Anzahl mechanischer und chemischer Analysen folgen 
lassen. 

Zunächst sei der Analyse einer Ackerkrume des Tigersand- 
steinbodens von Forstel im Odenwald gedacht. Die Probe scheint 
nicht ganz reinen Ursprungs zu sein, sondern vielleicht mit Lehm 
vermischt, wir verdanken sie den Arbeiten LuEDEcKES'. 


1. Mechanische Analysen. 


Tigersandsteinboden, Forstel im Odenwald, Ackerkrume bis zu 
einer Tiefe von 15 cm. 


Hundertstel des Feinbodens 
Hundertstel des in mm Feinstes Ton 
Gesamtbodens in mm Sand Staub S/S 5's nach 
<5 5-2 <2 2-1 1-0,5 0,5-0,2 0.2-0,1 0,1-0,05, 0,05-0,01 < 0.01 HILGARD 
0,8 26 96,6 18 25 6,8 12.0 20,6 23,5 32,0 992 60 


Wasserfassung Glühverlust Humus nach Sp. Gew. 


Vol.-?/, Grandeau 
Min. Max. a 
24 43 5,0 1,0 1,34 


1 Vergl. Luedecke, |. e. S. 158—159, 


— 454 — 


2. Chemische Nährstoffanalyse!. 


Ungelöstes . . . .... 86,28 
In HCI löslich: 

Se E o aa e a A 0,14 KO ....3248.% 0,26 
Natr.-Karbonat lösl,. SiO, 3,76 NaO .... 006 
Gesamt-Si O, > >... 3,90 COs aa ii 0,03 
A Oee a a 0,80 BO, .. .. 007 
FeUy 86 er a 2,27 Si ae aei 0.06 
CaO er e e ae 0,28 H Osa cw 1.50 
MORE 0,16 Glühverlust. . 5,00 


Im Vergleich zur Nährstoffanalyse des Schieferlettenbod ens 
(Seite 444) zeigt diese Bestimmung keine charakteristischen Unter- 
schiede von jener. Es sei denn, daß die lösliche Tonerde dort über- 
wiegt. Wohl aber fällt auch hier der hohe Kaligehalt des Bodens auf, 
während die Phosphorsäure in beiden Fällen als zu gering zu erachten 
ist. Die mechanische Analyse übertrifft mit 6°/o Ton (nach HıLcarn) den 
Tongehalt des Lettenschieferbodens, was in normaler einheitlicher Aus- 
bildung als Produkt reinen Sandsteins wohl kaum vorkommen dürfte. 

Auch noch einige weitere Bestimmungen von Bodenkonstituenten 
des unteren Buntsandsteinbodens, sowohl in der Ackerkrume (A.) 
wie im Untergrund (U.) finden sich ebenfalls bei LuEDEcke ?. 

In °/, des Feinbodens: Glühverlust Humus Kalk, CaO Magnesia, MgO CO, 


A. 4,9 1,0 0,19 0,09 0,03 
U. 2,6 0,2 0,05 0.06 0,002 
A. | vermengt mit 4,8 0,7 1,42 0,16 0,87 
U. Lehm u. Löß — — 0,59 0,20 0,46 


Gemeinsam mit der Nährstoffanalyse des Tigersandsteinbodens 
zeigen die Böden dieses Gesteins eine auffällige -Armut an Karbo- 
naten der Erdalkalien und lassen zugleich ihre Analysen erkennen, 
welche Bedeutung einer Melioration mit Lehm und Löß in dieser 
Hinsicht zukommt. 

K. ReceLmaxy? teilt ferner mechanische Analysen unteren Bunt- 
sandsteinbodens aus Württemberg mit: 

1. Unterer Buntsandstein (Su) Eulengrund, Mitteltal, Acker, 
2. desgl. Breitmiß, Ellbach, Waldtrauf 
und findet diese wie folgt zusammengesetzt: 
>2mm 2-1 1,0-0,5 0,5—0,1 0,1-0,05 0,05-0,01 unter 0,01 mm 
No, 1 6,8 1,7 3,9 50,6 6,5 13,4 17,1 
No.2 48 57 99 552 5,1 2,9 6.4 


1 Desgl. S. 172 u. 173, 
2? Vergl. Luedecke, 1. c. S. 164—165 und 83. 
” Vergl. K. Regelmann, Erl. z. Bl. Obertal-Kniebis S. 134, 


Im Vergleich zu den Sandsteinböden des Odenwaldes (S. 453) 
geben diese Böden einen weit höheren Gehalt des Sandes von 
1,0—0,1 mm Korngröße an, bleiben aber im Gehalt an Staub und 
feinsten Teilen weit hinter diesen zurück. 

Ein umfangreiches analytisches Material niederhessischer Böden 
hat abermals OswaLp' in seiner wiederholt zitierten Arbeit über 
diesen Gegenstand niedergelegt. Es mag an dieser Stelle wieder- 
gegeben sein. 


Zusammensetzung des Gesamtbodens in Prozenten 


tein i . Stau eins 
Steine Kies Sand im Durchmesser von mm aub Feinste 


über mm mm Teile 
No. 3mm 3-2 2-1 1-0,5 0.5-0,3 0,3-0,2 0,2-0,1 9,1-0.05, 0,05-0,01 (Ton) 
1. 6,22 2,26 0,48 1,58 0,56 12,00 43.15 15,82 8,38 10,73 
2. 918 3,84 2.00 3,55 3,16 5,66 16,52 19.10 18,20 18,30 
3. 14,50 1,71 258 151 13.59 1800 14,77 12.41 10,00 11,30 
4. 6,11 1,23 0,86 1,56 847 1826 23,19 14,51 10.83 13,50 
5. 4,86 1,32 0,81 1,55 2,00 10,61 14,79 21,93 18.65 23,00 
6. 285 0,53 0,49 0,44 100 8,16 12,82 22,66 37,66 12,13 
7. 572 235 1,58 1,72 6,67 13,21 14,40 10,33 2756 17.00 
8. 941 250 2,56 2,48 10,61 1700 14,30 13,76 12,00 15.20 
9. 5,81 2,00 1,00 2,57 4.33 848 20,00 13,50 23,00 20,20 
10. 15,42 410 2.00 2,71 0,26 826 16,58 17,61 18.00 16,13 
11. 11,22 2,28 1,00 1,25 1,42 12,63 18,58 14,40 21,00 15,50 
12. 12,50 6.16 2,00 3,56 3,45 7,26 12,32 15,60 15,33 21,20 
13. 6,51 3,00 1,26 2,70 5.96 10.00 20,00 21,50 14.22 14,56 
14, 8,92 2,00 2,56 2,52 3,00 4,51 13,39 18,00 20,26 24,50 
15. 1,30 3,82 2.00 2,12 253 776 15,38 16,55 35,00 12,61 
16. 11,60 3.00 2,55 83,10 230 6,00 15,10 16,50 18,00 21,23 
17. 1,86 1.53 1,56 2,59 268 4.61 9.85 28,86 31,40 14,00 
18. 0,25 0,66 0,41 0.76 035 3,10 10,00 24.20 32,10 27,50 
19. 10,42 4,00 1,11 1,20 0,55 10,00 36,00 14,22 11,10 11,50 


Leider ist der Tabelle von Oswarp keine nähere Bezeichnung 
beigegeben worden, aus welcher ein Schluß auf die spezielle Her- 
kunft der Böden ableitbar wäre. Die außerordentlich große prozen- 
tualische Verschiedenheit der einzelnen Korngrößen der Bodenproben 
läßt jedoch darauf schließen, daß sie den verschiedensten Aus- 
bildungen des unteren Sandsteins entstammen. Mit Ausnahme ein- 
zelner Vorkommnisse läßt sich aber sagen, daß die Böden nicht 
reich an Stein und Kies sind, vielmehr reich an Feinboden (< 2 mm). 
Ihr Hauptanteil liegt erst unter 0,3 mm Korngröße, eine Erscheinung, 
die mit der Natur des Muttergesteins eng im Zusammenhang steht, 


I Vergl. Oswald, l.c S. 35. 


— 456 — 


insofern sie den feinkörnigen Charakter desselben zum Ausdruck 
bringt. Mit den Ergebnissen der früheren mechanischen Analysen 
sind sie nicht ohne weiteres vergleichbar, da ihre Werte nicht in 
völlig gleicher Weise ermittelt wurden. 

Über die chemische Zusammensetzung dieser Böden erhalten 
wir ebenfalls Auskunft von OswaLpd. Seine diesbezüglichen Er- 
mittlungen! sind in nachstehenden Tabellen zusammengestellt. Ob 
aber alle in dieser Tabelle angeführten Böden unvermengt mit 
Material anderer Böden und fremden Gesteins sind, dürfte fraglich 
erscheinen. Vielmehr ist anzunehmen, daß ein großer Teil nicht 
frei von fremden Bestandteilen ist, so weisen u. a. die mit holıem 
Kalkgehalt ausgestellten Böden direkt auf eine Vermengung mit frem- 
dem Material hin”. 

Auch in diesen Tabellen bedeutet U. Untergrund und A. Acker- 
krume. 


N nr Altenburschla Dens Dens an. 
U. A L. À. U A. A 


Glühverlust . 3,762 5,206 6,427 5602 3.066 3,602 4,551 
Löslich in heißer Salzsäure: 
Si Oe ia 0.080 0,110 0.056 0,106 0,110 0.092 0.092 


Fe,0,..2.. 1886 2500 3216 3304 1222 1.200 1042 
AO,- 2202260 1962 5.0064 5006 1,228 0,744 3.246 
CaCO, ... B555? 8,5259 0873 0583 0846 0,430 0,405 
MgCO... 1546 1333 0836 0,410 0,426 0564 0,790 
P,O, 2.2. 0212 0180 0.096 0,097 0,040 0,051 0,077 
SO... .. 0010 00299 0018 006 0012 0024 0,048 
KO .... 0802 0.403 0252 0378 0.220 0,176 0,188 
NaO... . 0003 0084 0059 0066 0,042 0.063 0,040 
ea N 2640 7710 6572 1,830 1,030 3.750 
Rückstand löslich in heißer Schwefelsäure: 
Fe O... . 0,360 0,504 0,612 0,756 0,252 0,324 1,040 
ARO... . 3540 3876 4,808 5544 1398 1,176 4602 
Cao 22220008 0,235 0089 0.190 0,134 0056 0,123 
MgO .... 0072 0,158 0136 0.216 0072 0,036 0,116 
K,O .... 0719 062 0352 0693 0,126 0,133 0,370 
NaO... . 0,201 0,095 0,100 0,095 0,053 0,061 0.087 
a i N a686 5.010 7,381 7525 1680 2046 5,721 


1 Vergel, Oswald, 1. c. S. 39—42. 

2 Versl. M. Weib, Beitrag zur Kenntnis des Verwitterungsbodens etc. 
Diss. Jena 1894. S, 42, 

3 Der, hohe Kalkgehalt ist wohl sicher fremden Ursprungs. 


— 457 — 


Rückstand löslich ın Flußsäure: 


Gar Probe Altenburschla Dens Dens Dissen: 
entnahme hausen 
U. À. U. À. U.» A. A. 
Al 0, + Fe,0, 2,340 3,178 3,881 3,818 4,685 3,850 4,464 
CaO .... 0,959 0,852 0,956 1,041 0,878 0,635 1,261 
MgO .... 0,738 0,625 0,806 0,797 0,688 0,590 0,980 
KO 5 25% 0,815 0,745 1,280 1,268 1,352 1,492 1,310 
NEO: 2 0,638 0,811 0,862 0,830 1,296 1,122 1,020 
SiO, . . . . 66,123 65.691 54.317 55,113 78861 80,121 63,346 
SSH wa 99.192 99,892 100,185 100,056 100,507 99,638 100,259 ! 
Ort der Probe- Ellingshausen Erkhausen Eubach 
entnahme: U. À. U. À. U. À. U. A. 
Glühverlust. . . 5,218 6,202 5,060 6,822 2,608 3,091 8,020 7,626 
Löslich in heißer Salzsäure: 
SI a a 0.061 0,087 0,110 0,062 0,075 0,042 0,072 0,101 
FeO? 2.5 2 2. 3,014 3,212 2,503 1,872 1,152 1,224 4,008 4,860 
Er 3.656 2,584 4,111 3,848 1,348 1,878 4,506 4,042 
CaCO. 2... 0277 0,416 0,356 0,747 0,640 0,890 0,677 0,596 
MgCO, . . . . 0,228 0,532 0,532 0,680 0,561 0,702 0,496 0,334 
PO, .... 0.0077 0,102 0,046 0,064 0,045 0,046 0,056 0,067 
SO, 22.2.2... 0,083 0,035 0,019 0,025 0,025 0,032 0,036 0,026 
Ka. % 0,160 0,226 0,378 0,180 0,252 0,303 0.453 0,393 
N U 2 5% 0,035 0,042 0,063 0,043 0,053 0,082 0,133 0,102 


SiO,lösl.inNatron 5,085 3,978 7.653 5,246 2,254 2,812 0,183 4,894 


Rückstand löslich in heißer Schwefelsäure: 


FeO, . -. . . 0,680 0,520 0,648 0,008 0,482 0,410 0,900 0,780 
AO ea 3.666 2.802 6,552 6,615 2,488 2.395 9,262 4,698 
a0 2.2... 0,190 0162 0,112 0,123 0,120 0,106 0,100 0,024 
MO ..... 0,136 0126 0,072 0,136 0,054 0,079 0,331 0,103 
KO.. .. . . 0,282 0212 0941 1,678 0449 0,605 0,705 0,895 
NO 0,070 0,065 0324 0,106 0254 0,104 0,205 0,334 


SiO,lösl,inNatron 4,230 3,660 8,125 7,365 4,608 4,282 13,060 5,808 


Rückstand löslich ın Flußsäure: 
A0, FeO, . 3,433 4,040 3,346 3,549 2,456 4,475 2,633 2,325 


BO 1,186 1,092 1155 1.276 1125 1,050 1,192 1,376 
MgO oaa 0,782 0,686 1,152 1.065 0,611 0,522 0,669 0,769 
KO...... 1,006 1247 0,830 0,796 1,064 1,520 0,677 0,882 
NaO 2.2... 0,875 1029 0505 0,847 0,800 1,278 0,608 0,408 
SO... . . . 66,100 67.244 55,210 57.660 76,500 71,612 43,104 58,880 
SB a 100,426 100,305 99,803 100,913 99,955 99,540 99.386 100,353 


1 Inkl. 1,590 Mn, 0.. 


— 458 — 


Ort der Probe- Richelsdorf Wolfterode Wommen Hartmut- Dörn- 
sachsen hagen 
entnahme: U, A, A. U. A. A. U; À. 


Glühverlust . 5,622 6,030 4,110 3,154 4,298 4.862 4,214 5,660 
Löslich in heißer Salzsäure: 


SiO . . . . 0,091 0,065 0,078 0,055 0,036 0,046 0,082 0,066 
Fe O, . . . 3,976 3,126 2,650 2.604 0,948 1,768 3,404 1,108 
AlO. : . . 4,285 3,965 3,520 3101 1572 2572 8208 1,152 
CaCO, : : . 1,065 0,962 2,7061 0,836 0873 1,163 0,640 0,249 
MgCO,. . . 0,314 0,342 3,6221 0,895 0304 0.155 0.630 0.486 
P.O; . . . . 0,081 0,078 0,092 0043 0.008 0.082 0,034 0.062 
SO, .. .. 0052 0058 0,059 0,052 0,016 0,052 0,012 008 
K,O .. .. 0358 0239 019 0255 0,100 0174 0205 0,126 
NaO. .. . 004 0058 0040 0,072 0,038 0078 0,085 00% 


SiO, lösl. in 
Natron . . 7,908 6,953 6248 2,650 3,788 3,442 4,960 2318 
Rückstand löslich in heißer Schwefelsäure: 


Fe, 0, . 0720 1444 1401 0366 0288 144 0396 0,432 
AlO, . . . 6,038 5,296 5,896 3,608 2692 391 6,776 1,608 
CaO .... 0123 0123 0081 0,123 0,134 0,104 0,168 0,100 
MgO... . 0158 0,181 0,245 0.115 0216 0052 0,086 0,043 
K,O .. .. 0882 0591 0512 034 0232 0388 0,333 0.189 


NaO. .. . 0,160 0,126 0,160 0.090 0.080 0176 0,143 0,083 
SiO, lösl. in 
Natron . . 7,682 6,079 7198 5221 4,086 5,633 9,332 3,085 
Rückstand löslich in Flußsäure: 
Al,O,+Fe,0, 3,821 3,731 2672 4906 4.715 4,484 3,968 4.168 


Ca0 .... 1059 0982 1321 1.160 0,562 1,292 1,179 2,082 
MgO... . 0,751 0,661 1,242 0,755 0,550 1,818 0,908 1,365 
K,O .... 1068 1029 1262 1161 1558 1.280 0,882 0,823 
N2:0.... 0971 1090 0,783 1,605 1,713 0810 0,860 1,039 
SiO, . . . . 52,708 57,566 53520 67,839 71,472 63.213 57,808 74.028 
SS... . 100,668? 100,481 99,614 100,003 99,839 100,817° 100,264 100,612 


Überblicken wir die analytischen Daten und zwar nur diejenigen 
für die Nährstoffanalyse, also den in Salzsäure löslichen Anteil, da 
dieser für die Kultur des Bodens der wichtigste ist, so dürfen wir 
sagen, daß hiernach die Sandsteinböden des unteren Buntsandsteins 
mit Kali, Kalk und Magnesia gut ausgestattet sind, dagegen mit 
Phosphorsäure nur mäßig bis gering, obgleich auch im einzelnen 
Fall, wie die Böden von Altenburschla zeigen, der Gehalt an Phos- 
phorsäure als gut zu bezeichnen ist. Wieviel jedoch auf kulturelle 


! Der hohe Kalkgehalt dürfte fremden Ursprung verraten. 
? Inkl. 0,781 Mn, 0, 
3 Inkl. 0.738 Mn, 0, 


— 459 — 


Einwirkung zu veranschlagen ist, läßt sich nicht sagen. Sowohl 
aus mechanischer wie chemischer Analyse läßt sich entnehmen, daß 
diese Böden agronomisch als lehmige Sandböden bis sandige Lehme 
anzusprechen sind. 

Was die Verwitterung und Bodenbildung der in der unteren 
Abteilung des Buntsandsteins vorkommenden geröllführenden Zone 
bezw. Konglomeratbänke anbelangt, so spielen sich die diesbezüg- 
lichen Vorgänge völlig analog denjenigen der Sandsteinaufbereitung 
ab. Infolge der petrographischen Beschaffenheit des Gesteins zeigt 
der Boden solcher Lagen wohl eine Anreicherung von Gesteinen 
(Geröllen), und da sich genannte Bänke durch gröberes Korn aus- 
zuzeichnen pflegen, auch eine mehr grob-sandig-kiesige Ausbildung, 
doch im übrigen erweist er sich den Sandsteinböden völlig gleich. 

Die Rogensteine zerfallen durch die Verwitterung zu einem 
grobkörnigen Kalksand, indem das die einzelnen Körner umhüllende 
und verbindende kalkig-dolomitische Bindematerial von den kohlen- 
säurehaltigen Wässern gelöst wird. Dieser Vorgang geht mit großer 
Leichtigkeit vonstatten und kennzeichnet sich zunächst dadurch, daß 
die Oberfläche des Gesteins ein löcheriges Aussehen erhält, so daß 
sich die einzelnen Rogensteinkörner aus dem mehr und mehr den 
Atmosphärilien anheimfallenden karbonatischen Gemengteil heraus- 
heben. Die konzentrisch angeordneten Körner verlieren dann mit 
der Zeit ebenfalls ihre Verbindung und lösen sich zu einem sandig- 
tonigen Gemenge auf, das einen mehr oder minderen Kalkgehalt 
führt, im allgemeinen aber nur als sehr gering zu betrachten sein 
dürfte!. Die Hauptbedeutung kommt dem Rogenstein als Meliorations- 
mittel für die sonst kalkarmen Buntsandsteinböden zu. Mit den 
Oolithen teilen die Stromatolithe bei der Verwitterung gleiches Schick- 
sal; sie verwittern zwar noch etwas leichter als die ersteren, doch 
ist für ihr Aufbereitungsendprodukt wichtig, daß das Muttergestein 
noch weniger kalkfreie Gemengteile führt als die Kalkoolıthe. 

Überblicken wir die Böden des unteren Buntsandsteins nach 
ihrer Ausbildung, so finden wir vornehmlich zwei Hauptbodentypen 
entwickelt. Es sind dieses auf der einen Seite und zwar in der 
untersten Abteilung, Tonböden, auf der anderen Seite, in den oberen 
Lagen, dagegen lehmige Sandböden. Da die Tonböden, welche zu- 
weilen eine derartig lehmige Beschaffenheit anzunehmen vermögen, 
daß sie vom Löß nicht zu unterscheiden sind?, vom Schutt des 


1 Vergl. Erl. zu Bl. Sangerhausen S. 6. 
? Vergl. H. Bücking,l. ce. S. 177. 


— 460 — 


Sandsteins häufig überdeckt werden, so treten die eigentlich schweren 
Böden mehr zurück als zu erwarten wäre. Beide Hauptbodenarten 
weisen die mannigfaltigsten Übergänge ineinander auf, eigentlich 
sterile Sandböden kommen nur selten in der oberen Abteilung vor. 
So wechselnd nun die Bodenausbildung ist, so verschieden ist auch 
ihre kulturelle Ausnutzung. Während die Tonböden teils infolge 
ihrer ungünstigen Beschaffenheit einer forstwirtschaftlichen Bebauung 
nur wenig zugänglich sind, oder einen strengen, schwer zu be- 
arbeitenden Boden liefern, werden sie, wie wir gesehen haben, durch 
Melioration mit sandigem Material oder durch natürliche Drainage 
äußerst geschickt zur Kultur der verschiedensten Gewächse. 

Dann sind ihre sanften Böschungen und Abhänge meist mit 
Feldern und Wiesen bedeckt. Der lehmige Sandboden eignet sich 
im allgemeinen, namentlich in Einsenkungen und am Fuße von Ab- 
hängen gut für den landwirtschaftlichen Betrieb!. Meist wird er 
nur dort zur Forstkultur! herangezogen, wo er steile Abhänge bildet. 
Da solche im Gebiete des unteren Buntsandsteins jedoch vorwiegend 
flach und sanft verlaufen und Täler im allgemeinen häufiger und 
breiter sind wie z. B. im mittleren Buntsandstein, so überwiegt die 
landwirtschaftliche Benutzung. Als Waldboden leistet er vortreff- 
liche Dienste, nicht nur, daß Fichten, Kiefern und Tannen gut fort- 
kommen, sondern auch Laubhölzer gedeihen bestens. Vor allen sind 
es Buchen, die in schönen Beständen die Berge bedecken, wogegen 
Eichen nur in geschützten Strichen, dann aber ebenfalls sich vorzüg- 
lich entwickeln. Nur die aus dem weißen Sandstein hervorgegangenen 
reinen Sandböden sind dagegen oft so schlecht, daß sie nicht einmal 
einen einigermaßen guten Kiefernboden abzugeben vermögen. Von 
den Feldfrüchten sind es Hackfrüchte jeder Art und unter diesen 
namentlich Kartoffeln, welche ausgezeichnet gedeihen. Roggen, 
Hafer, Flachs sowie Obstbäume geben gute Ernten und in den tiefen 


! Vergl. zur Anbaufähigkeit der Böden: Erl. zur geol. Spezialkarte von 
Preußen etc. Blatt Lulwigseck S. 9; Gerstungen S. 9; Hersfeld S. 4; Vacha S. 7; 
Themar S. 12; Langenberg S. 4 und 12; Neustadt S. 12 und 17; Triptis S. 12; 
Saalfeld S. 44: Seifertshausen S. 8; Stadt Ilm S. 10; Remda S. 10; Friedewald 
S. 3; Gelnhausen S. 7 und 9 und Ziegenrück S. 32. Blatt Heidelberg der 
badischen Karte S. 5l und die Blätter Freudenstadt, Obertal--Kniebis und 
Simmersfeld der württembergischen Karte. Ferner Bücking l. c. S. 176 
und 177. Küster]. c. Kap. 13 „Acker- und Wiesenbau auf dem Buntsand- 
stein.“ F. Bornemann: „Die Bewirtschaftung der aus Schichten der Dyas 
und Trias entstandenen Verwitterungsböden des Thüringer Waldes.“ Festschrift 
zum 70. Geburtstag von Albert Orth. Berlin 1905. 


— 461 — 


Lagen ist ein trefflicher Wiesenboden vorhanden. Kleefähig wird 
der Boden, wenn auch nicht überall, so doch an manchen Orten. 
Zufuhr von Gips und Kalk wirkt auf den Boden vorzüglich ein, wie 
sich überhaupt eine rationelle Düngung mit natürlichen und künst- 
lichen Düngern gut bezahlt macht. 

Ein Beispiel, welches die Anbauverhältnisse innerhalb eines 
kleinen Bezirkes zahlenmäßig veranschaulicht, mag die bisherigen 
Mitteilungen vervollständigen. Es bezieht sich dieses auf die land- 
wirtschaftlichen Verhältnisse des Blattes Wasungen, das etwa zur 
Hälfte dem unteren Buntsandstein angehört. In Prozenten der ge- 
samten Bodennutzung bestand dort nachstehendes Anbauverhältnis: 


Acker und Gartenland . . . 2... 45,2 
Wiesen:@-. so sereno ee eh 15,5 
Weiden und Hutungen . . 2... 4,6 
Forsten und Holzungen . . ..... 30.6 
Haus und Hofräume . . .. asà 0.5 
Wegeland, Gewässer etc, ©... a.’ 3.6! 


Vergleicht man die Zahlen mit denjenigen eines reinen mitt- 
leren Buntsandsteingebietes, wie dieses z. B. Blatt Salzungen zum 
Ausdruck bringt (vergl. Schlußteil dieser Arbeit im Jahresheft 1911), 
so erkennt man sofort die beträchtliche Beeinflussung des unteren 
Buntsandsteinbodens auf die Verschiebung des Verhältnisses von 
Ackerland zu Waldland zugunsten des ersteren. 

Auf den besseren Böden des unteren Buntsandsteins gedeihen 
auch Gerste, Weizen, Erbsen, Wicken, Rotklee und Futterrüben. Nach 
Weiss wird in Sachsen-Meiningen auch großer Tabakbau betrieben, so 
soll in Altenbreitungen und Frauenbreitungen allein 10°/o der Acker- 
fläche mit Tabak bebaut sein (nach der Anbauerhebung von 1883). 

Näheres erfahren wir ferner über die Anbauverhältnisse der 
Kulturpflanzen auf unterem Buntsandsteinboden durch nachstehende 
Statistik, die ebenfalls den Erhebungen des Herzogtums Sachsen- 
Meiningen vom Jahre 1883 entnommen ist. (Vergl. M. Weiss, l. e. S. 91.) 


Ausgedrückt in Prozenten der Ackerfläche: 

I. W.- S.-Weizen W.- S.-Roggen Gerste Hafer Erbsen Wicken 
Benno 7 20 370 130 25 170 10 0,7 
b. Immelborn 

Lupinen Kartoffel Futterrüben Kohlrüben Kohl Klee 
2,0 13,0 1,0 2,7 0760 


1 Vergl. M. Weiß: „Beitrag zur Kenntnis der Verwitterungsböden etc.“ 
Dissertation, Jena. 1894. Die Zahlen sind den Anbauerhebungen vom Sommer 
1883 für das Herzogtum Sachsen-Meiningen entnommen, 


— 462 — 


JI. W.- S.-Weizen W.- S.-Roggen Gerste Hafer Erbsen Wicken 
Nebelroda ı,. 5 Rn 
b. Iminelborii 1,5 2,5 415 55 1,0 13,0 2,0 1.0 
Lupinen Kartoffel Futterrüben Kohlrüben Kohl Klee 
9,0 12,0 1,0 3,5 10 50 


Der mittlere Buntsandstein in seiner Beziehung zur Bodenbiidung 
und zum Pflanzenwuchs. 


Die Trennung des mittleren vom unteren Buntsandstein ıst ge- 
wöhnlich recht schwierig durchführbar, da meist, bedingt durch den 
schnellen und häufigen Fazieswechsel, ein bestimmter Abschluß nach 
oben gar nicht oder nur unsicher vorhanden ist. Immerhin wird 
im südwestlichen und südlichen Deutschland eine schärfere Gliederung 
durch das Auftreten geröllführender Horizonte angebahnt, welche als 
scheidende Grenze aufgefaßt werden. 

Da in den Vogesen, in der Haardt, im Schwarzwald, Odenwald 
und Spessart sowie in Franken in der Beschaffenheit des mittleren 
oder Hauptbuntsandsteins keine allzu großen Verschiedenheiten vor- 
handen sind, so ist im allgemeinen für dieses Verbreitungsgebiet, 
entsprechend der petrographischen Ausbildung der Schichten, eine 
Dreiteilung derselben aufzustellen. 

Zu unterst eine Zone mürber und geröllführender Schichten von 
Sandsteinen, in der Mitte feste in Beziehung zur unteren Formations- 
abteilung grobkörnige und dickbankige Sandsteine mit vereinzelten 
Lettenschichten und zu oberst harte, teilweise verkieselte und wiederum 
geröllführende Sandsteine. 

Die beiden geröllführenden Lagen sind jedoch in der Verteilung 
ihrer Gerölle durchaus nicht gleichartig. Während z. B. im Schwarzwald 
der untere Horizont, das Eck’sche Geröllniveau, das an Geröllen 
reichste ist, findet auf der linksrheinischen Seite, in den Vogesen 
und der Haardt, gerade das Gegenteil statt. Während im Odenwald 
in den höheren Lagen Gerölle häufig anzutreffen sind, kommt es in 
den unteren Lagen des Hauptbuntsandsteins überhaupt zu keiner 
eigentlichen Konglomeratbildung. Und in der Gegend des Mains 
treten schließlich die Gerölle gänzlich zurück. 

Der Sandstein des unteren Geröllniveaus nun selbst ist ein 
mürbes, meist nur schwach verkittetes Gestein von mittel- bis grob- 
körniger Ausbildung, jedoch wechseln auch hier festere mit lockeren 
Schichten ab. Manchmal ist auch wohl der Zusammenhang der Ge- 
steinsteille ein so loser, daß eher von einem Sande als Sandstein 
die Rede sein kann. Charakteristisch ist dem Gestein seine Diagonal- 


— 463 — 


schichtung. Seine Färbung ist vorwiegend eine rote. Die Quarz- 
körner des Sandsteins zeigen meistens runde, abgerollte Formen, 
sind auch wohl mit sekundärer Kieselsäure überzogen und durch 
tonige Substanz verbunden. Von anderen Mineralen nehmen Feld- 
spate, vorwiegend im zersetzten Zustande, sowie auch Glimmer- 
blättchen an der Zusammensetzung des Gesteins untergeordneten 
Anteil. Die Gerölle von der Größe eines Hühnereies oder kleiner 
liegen zonar angeordnet in der Sandsteinmasse und gehören der 
Hauptsache nach dem Quarz an. Es sind weiße Quarzkiesel und 
rote Quarzite, seltener dagegen Lydite, Granit-, Gneis- und Porphyr- 
gerölle. Rein tonige Partien treten als Zwischenschichten ebenfalls 
auf, wenn auch nicht mit großer Mächtigkeit und Häufigkeit ?. 
Allmählich gehen die komglomeratischen Bänke in die ein- 
förmigen mächtigen Sandsteinmassen des Hauptbuntsandsteins über. 
Zu unterst zeigen diese in manchen eingeschalteten Bänken einen 
auffallenden petrographischen Habitus, der darin besteht, daß das 
Gestein mit hellbraunen oder braunroten Flecken übersät erscheint 
und durch Auswitterung dieser an der Oberfläche das Aussehen 
eines löcherigen Gesteins erhält. Man nennt ein solches Sandgestein 
Pseudomorphosensandstein, da genannte Flecke von skalenoedrisch 
ausgebildeten Kalkspatpseudomorphosen herrühren, die mit der Zeit 
durch sandiges Material verdrängt wurden. In den oberen Horizonten 
treten Sandsteinpartien mit sogen. Sandsteinkugeln (Kugelsandsteine) 
auf, deren Entstehung eng mit derjenigen der eben beschriebenen 
Gebilde zusammenhängt. Im übrigen besitzt der Hauptbuntsandstein 
den eintönigen Charakter einer mächtigen, wenig gegliederten Sand- 
steinmasse, die nur selten durch Lagen von Ton durchbrochen wird. 
Letztere zeigen häufig auf ilırer Oberfläche „Wellenfurchen“, Wülste 
und Leisten sowie sogen. „fossile Regentropfen“ und Kriechspuren 
von Tieren, oft ist aber auch der Tongehalt nur auf kleine Butzen 
oder ellipsoidische Einschlüsse beschränkt, man bezeichnet dann diese 
Vorkommnisse als „Tongallen“. Gerölle kommen nur spärlich vor und 
sind von keiner Bedeutung. Betrachten wir den Sandstein des mittleren 
Buntsandsteins ganz im allgemeinen, so können wir etwa folgendes 
Bild der petrographischen Ausbildung dieses Gesteins entwerfen. 


ı Vergl. u. a. Erl. zu Bl. Heidelberg S. 32 und Neckargemünd S. 18. 
Ferner Bl. Speyer S. 13, Zweibrücken S. 140. Bl. Freudenstadt S. 19. Benecke 
und Cohen 1. c. S. 330. Benecke: Die Trias in Elsaß-Lothringen. Schalch 
l. c. S. 12. Bücking: Nordwestlicher Spessart, 1. c. S. 178—180. Chelius: 
Geologischer Führer durch den Odenwald S. 6 und 7. 


— 464 — 


Die vorwiegend rosenrot, violettrot bis ziegelrot gefärbten, auch 
weißen Sandsteine des mittleren Buntsandsteins sind wie die übrigen 
Sandsteine der Formation ausgesprochen geschichtete Gesteinsbil- 
dungen, deren Schichtung unregelmäßig verläuft, so daß auch hier 
alle Formen derselben, wie Diagonalschichtung, Windschichtung bezw. 
diskordante Parallelstruktur, ihnen eigentümlich und wesentlich sind". 
Die Sandsteine sind meist mittel- bis feinkörnig, ohne jedoch nicht 
auch öfter grobes Korn zu zeigen. Die Korngröße der den Haupt- 
bestandteil bildenden Quarze beträgt etwa 0,5 mm, doch wächst sie 
in manchen Schichten bis zu 1 mm Durchmesser an®. Sie selbst 
sind vorwiegend abgerollt und gerundet, teils facettiert und wohl 
auch mit Kristallflächen versehen®. Daneben treten ganz unter- 
geordnet Feldspatkörnchen, Glimmerblättchen oder Kaolinbröckchen 
auf. Umgeben werden die Quarzkörner mit einem dünnen Überzug 
von tonigem Roteisenerz oder einer Umhüllung von Kieselsäure‘, 
welch letztere dem Gestein sein stark glitzerndes Äußere verleiht, 
indem sich solche sekundär auf die sonst runden Quarzkörnchen 
abgelagert und hierdurch submikroskopische Kristallfacetten von glän- 
zender Oberfläche erzeugt hat. 

„Jedes Quarzkörnchen hat sich durch diese auszuheilen und 
zu einem kristallisierten Individuum zu ergänzen bestrebt. Diese 
glitzernde Ausbildung ist hauptsächlich bei den porösen, bindemittel- 
armen Sandsteinen zu finden. Füllt das ergänzende Kieselsäure- 
zement nach und nach alle Hohlräume aus, dann entstehen jene 
kompakten, äußerst widerstandsfähigen Bänke von verkieseltem Sand- 
stein.“ Die einfache Umhüllung der Quarze mit eisenschüssigen 
Tonverbindungen oder mit Kieselsäure kann für sich allein ausreichen, 
einen losen Verband der einzelnen Quarzindividuen herbeizuführen: 
stärker wird derselbe erst dann, wenn ein eigentliches Bindemittel, 


1 Vergl. Joh. Walter, „Einleitung in die Geologie als historische 
Wissenschaft.“ Teil III. S. 631. J. G. Bornemann, l. c. S. 37. H. Rosen- 
busch, Elemente der Gesteinslehre. S. 376. E.W einschenk, Grundzüge der 
Gesteinskunde. Teil IT. S. 219. 

! Vergl. Leppla, l. c. S. 46. Lepsius, Zusammensetzung des bunten 
Sandsteins der Vogesen. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. Bd. 27. 1875. S. 90. 
Fraas, l.c. S. 45. Erläuterung zu Blatt Nörten d. geol. Spezial-Karte von 
Preußen. S. 6. 

° Vergl. Bischof, Lehrbuch der chem. u. phys. Geologie. II. Aufl. Bd. 3. 
S. 131. Benecke u. Cohen, |. c. p. 297. 

* Siehe auch Blatt Speyer und Blatt Peterstal—Reichenbach (Baden). 

° A. Sauer, Erläuterung zu Blatt Neckargemünd (Baden). S. 17. 


— 465 — 


ein Zement, hinzutritt, welches wiederum eisentonig oder kieselig 
sein kann, doch auch die mannigfaltigste Verschiedenheit in der 
stoff lichen Ausbildung annimmt. Stets ist jedoch das für den un- 
teren Buntsandstein so charakteristisch befundene tonige Bindemittel 
im mittleren Buntsandstein der Quantität nach weit geringer vor- 
handen. Jedoch zeichnen sich auch manche Sandsteine, wie die des 
Rheinlandes, durch ihre äußerst weiche und zerreibliche Beschaffen- 
heit aus, so daß sie leicht zerfallen und einen Sand bilden, der von 
den angrenzenden Diluvialsanden recht schwer zu trennen ist. Des- 
gleichen zeigen auch die „Formsande“ der Rehbergschichten dieses 
Verhalten’. Die typische Ausbildung des mittleren Buntsandsteins 
im südwestlichen Deutschland schildert Lerrta mit folgenden Worten: 
„Der Hauptbuntsandstein zeigt im mittleren Haardtgebirge fast nur 
violettrote bis rosenrote, in den oberen Schichten mehr ziegelrote 
Färbungen, welche sich nur selten ändern und nur bei Pirmasens 
in der oberen Abteilung einem Wechsel von roten, gelben und weißen 
Tönen Platz machen. Braune und vereinzelt auch weiße Flecken 
unterbrechen dieses gleichmäßige Aussehen nur in der unteren Ab- 
teilung öfters. Mindestens ebenso beständig wie die Farbe bleibt 
das mäßige bis feine Korn des Sandsteins, welches allerdings die 
Feinheit des Kornes der tonıgen Buntsandsteine der nächst älteren 
Stufe sowie des Voltziensandsteins nirgends erreicht. Die Korngröße 
im Hauptbuntsandstein mag etwa im Mittel 0,5 mm betragen, wäh- 
rend sie bei den Sandsteinen des nächst älteren sowie des Voltzien- 
sandsteins selten über 0,2 mm hinausgeht. Die Quarzkörner tragen 
in der Regel Kristallflächen, glitzern stark und zeichnen sich durch 
diese scheinbar untergeordnete Eigenschaft von allen Sandsteinen 
der Rötelschieferstufe aus. Sie sind durch ein meist kieseliges und 
eisenreiches, aber quantitativ sehr untergeordnetes Bindemittel ver- 
kittet. In der oberen Abteilung tritt das Bindemittel im allgemeinen 
noch mehr zurück als in der unteren; der Zusammenhang ist ein 
so lockerer, daß die sehr dünn- und transversal geschichteten, an 
Wellenfurchen reichen Sandsteine sich zwischen den Fingern leicht 
zerreiben lassen. Die tiefere Hälfte dagegen setzt sich vorherrschend 
aus harten und fester gebundenen Sandsteinen zusammen, welche 
einen leicht zu bearbeitenden und viel verwendeten Baustein liefern. 
Außer dem Bindemittel wäre nur noch das untergeordnete Auftreten 


I Vergl. Grebe, Die Blätter Laudascheid. S. 10; Schweich S. 12; Wadern 
S. 22 und Merzig der preub. geol. Sp.-Karte. 
2 Vergl. Erläuterung zu Blatt Zweibrücken (Pfalz). S. 178. 
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 30 


— 466 — 


von weißem Glimmer auf den Schichtflächen meist feinkörniger 
Zwischenlagen im Buntsandstein der unteren Abteilung erwähnens- 
wert.“ 

„An der unteren Grenze des Hauptbuntsandsteins stellen sich 
zunächst mürbe, dunkelviolettrote und hellviolettrote Sandsteine ein, 
welche sich durch gröberes Korn und vereinzelte Geröllführung von 
den tonigen Sandsteinen der tieferen Schichten und durch runde, 
nicht glänzende Quarzkörner, etwas tonige Beschaffenheit und dunk- 
lere Färbung von den höheren Lagen des Hauptbuntsandsteins unter- 
scheiden. Durch Anreicherung von Geröllen entstehen stellenweise 
in den darauffolgenden Schichten schwache Konglomeratbänke. Hin- 
zufügen ließe sich vielleicht noch, daß im allgemeinen die untere 
Abteilung reicher an Kaolinpartikelchen zu sein scheint als die obere 
Abteilung“ '. 

Folgen wir ferner der Beschreibung des mittleren Hauptbunt- 
sandsteins, welche Bückıns für diesen im nordwestlichen Spessart 
entwirft, so erhalten wir fast das nämliche Bild, wie nachstehendes 
Zitat erkennen läßt. „Der grobkörnige Sandstein setzt sich haupt- 
sächlich aus abwechselnd fein- und grobkörnigen, teilweise recht 
kaolinreichen, teilweise auch tonarmen, bald leicht zerfallenden, bald 
durch kieseliges Bindemittel sehr festen Sandsteinen zusammen. Die 
feinkörnigen Bänke sind häufig quergeschiefert (diskordant parallel- 
struiert) und in der unteren Grenzzone durch schwache Lagen von 
Schieferton voneinander getrennt. Die groben Sandsteine bestehen 
vorwaltend aus gerundeten Körnern von Quarz und weißem kaolini- 
sierten Feldspat; zuweilen enthalten sie auch Quarzkörner mit Kristall- 
flächen, welche im Sonnenlichte lebhaft glitzern. Hin und wieder 
schließen sich einzelne bis erbsengroße, völlig abgerollte Körner von 
wasserhellem und milchweißem Quarz, sowie kleine Fragmente von 
teilweise in Kaolin umgewandeltem Feldspat ein. Glimmerblättchen 
treten nur sparsam auf. Tongallen sind, von der unteren Grenzzone 
abgesehen, im ganzen selten. Ebenso sind einzelne weiße, etwa 
20 cm mächtige Bänke mit unregelmäßigen braunen Manganflecken, 
welche an die sogen. ‚Pseudomorphosensandsteine‘ des Schwarzwaldes 
und der Vogesen erinnern, auf die Gegend von Partenstein beschränkt. 
In den tieferen Lagen des mittleren Buntsandsteins herrschen braun- 
rote bis kirschrote und violette (als Seltenheit auch lichte, hell- 
rötliche) Farbentüne, während weiter nach oben allmählich lichtere, 


I Jeppla. Geornostische Jahreshefte 1888. S. 46. „Uber den Bunt- 
sandstein im Haardtgebirge.“ 


== Ahr = 


zuletzt vorwiegend weiße Sandsteine sich einstellen. Im allgemeinen 
walten die feinkörnigen Sandsteine in den unteren Lagen vor!.“ 
Selbstverständlich ist es, daß in der Beschaffenheit des Ge- 
steins nach dieser oder jener Richtung hin größere Verschiedenheiten 
obwalten, diese aber alle berücksichtigen zu wollen, hieße eine 
detaillierte geologisch-petrographische Beschreibung der Buntsand- 
steinformation zu geben und würde uns zu weit von unserer eigent- 
lichen Aufgabe entfernen. Im wesentlichen geben die mitgeteilten, 
einzelnen lokalen Vorkommnissen entnommenen Beschreibungen ein 
-Bild, das die Gesamtausbildung des Sandsteins unserer Abteilung 
vollkommen zu charakterisieren vermag. Es mag hier zwar noch an 
eine besonders abweichende Ausbildung erinnert werden, nämlich an 
einige Sandsteinvorkommnisse der Eifel, welche ein bleierzführendes 
Bindemittel („Knottenerz“) enthalten, doch haben diese Gesteine für uns 
keine weitere Bedeutung und sei dieses nur als Beispiel der großen 
Mannigfaltigkeit unserer Gesteinsform erwähnt. Um aber einen Ein- 
blick in die mikroskopische Anordnung der Gemengteile des Sandsteins 
zu erhalten, gebe ich hier eine derartige Beschreibung wieder, welche 
ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Prof. Dr. W. Saromos in Heidel- 
berg verdanke. Das Gestein ist der später näher zu beschreibende 
Sandstein vom „Harzofen“ bei Kaiserslautern in der Pfalz. „Bei 
Betrachtung mit einer 10fach vergrößernden Lupe erkennt man, daß 
die fast stets schon mit bloem Auge unterscheidbaren Körnchen 
ziemlich lose nebeneinander liegen und nur unvollständig durch ein 
Zement verbunden sind. Das weitaus überwiegende Material ist Quarz. 
Daneben fallen aber einige besonders dunkle und nicht durchscheinende 
Körnchen, sowie weiße, trübe Körnchen auf. Die letzteren gehören 
zum Teil wohl noch dem Quarz an; ein anderer Teil von ihnen aber 
und die dunklen Körnchen unterscheiden sich deutlich von diesen. 
„Mikroskopisch findet man diesem Befund entsprechend haupt- 
sächlich Quarzkörner. Sie sind reich an Flüssigkeitseinschlüssen, die 
gerne die bekannte schnurförmige Anordnung im Schliffe zeigen, im 
Korn also nach bestimmten Ebenen angeordnet sind. Mitunter treten 
die Flüssigkeitseinschlüsse in so enormer Zahl auf, daß die Körner 
selbst im Schliff trübe erscheinen. Dagegen enthält der Quarz nicht 
selten lang-nadelförmige, äußerst dünne und daher nicht bestimmbare 
Kriställchen, wie sie in den Quarzen der granitischen Gesteine oft 
auftreten. Sehr selten umschließt er kleine Zirkone, sowie abweichend 


ıH. Bücking, Abh. der Kgl. preuß. geol. Landesanstalt. Neue Folge 
Heft 12. „Der nordwestliche Spessart.“ S. 179. 
30* 


— 468 — 


geformte Kriställchen, deren Bestimmung ein größeres Material er- 
fordern würde. Einmal sah ich einen anatasähnlichen Kristall darin. 
Außer dem Quarz treten Körner von unregelmäßig verzahnten Quarz- 
aggregaten auf, von denen ich es dahingestellt sein lasse, ob sie von 
Quarziten oder von Quarzgängen abstammen. In vielleicht noch 
größerer Zahl als diese zweite Kategorie finden sich graue, voll- 
ständig trübe Körner von unbekannter Herkunft. In einigen Fällen 
ist die Trübung aber nicht so vollständig, und dann kann man nach- 
weisen, daß sie nicht von Flüssigkeitseinschlüssen herrührt, sondern 
von winzig kleinen Schüppchen oder Körnchen. Ein Teil von ihnen 
gehört sicher zum Feldspat und bei dem gänzlichen Fehlen von 
Zwillingslamellierung und dem nachfolgenden Analysenbefunde (siehe 
S. 486) jedenfalls fast ganz und gar, wenn nicht vollständig, zum 
Orthoklas. Tatsächlich ist denn auch das optische Verhalten dieser 
Körner dementsprechend. Sie haben geringe Licht- und Doppel- 
brechung und sind optisch zweiachsig. Andere getrübte Körner 
haben aber überhaupt keine einheitliche optische Orientierung, son- 
dern sind innig verzahnte Aggregate. Bei ihnen war es mir ohne 
Untersuchung eines sehr viel größeren Materials nicht möglich, fest- 
zustellen, welche Herkunft sie haben. Ein Teil hat den Habitus 
bestimmter schwer auflösbarer Porphyrgrundmassen, ein anderer 
könnte zu Sericitschiefern gehören, vielleicht sind beide Gesteins- 
arten nebeneinander vertreten. 

„Seltener sind dunkle opake Körner von Eisenerz. Ich glaube 
Magnetit und Pyrit erkannt zu haben. Auch Zirkon und Turmalin 
treten in vereinzelten größeren, abgerollten Körnern auf. 

„Das nur spärliche Zement besteht aus bräunlichen, gelblichen, 
auch rötlichen trüben, mikroskopisch nicht auflösbaren Massen, die 
ohne jede selbständige Form zwischen den größeren Körnchen liegen. 
Es dürfte nach dem folgenden Analysenbefunde (s. S. 486) wohl aus 
Gemengen von Kaolin und Hämatit bezw. Limonit bestehen. 

„Karbonate, Apatit und Glimmer habe ich mikroskopisch nicht 
nachweisen können, obwohl ja Apatit, wie aus der zweiten Analyse 
(s. S. 486) hervorgeht, sicher vorhanden ist. Mit den langen Nädelchen 
der Quarze hat er schwerlich etwas zu tun. Manganerze könnten 
in kleinen Mengen vorhanden sein, doch läßt sich darüber nichts 
Sicheres sagen“ ’. 

ı Briefliche Mitteilung von Herrn Prof. Dr. W. Salomonn, Heidel- 


berg. Vergl. Blanck, Zur Kenntnis der Böden des mittleren Buntsandsteins. 
Landw. Vers,-Stativnen. Bd. 65. S. 178 u. 179. 


— 469 — 


Unmittelbar über dem Kugelsandstein treten abermals geröll- 
führende Schichten auf, die im Odenwald und seinen Nachbargebieten 
als das Hauptkonglomerat bezeichnet werden. Der Sandstein dieser 
Lagen ist grobkörniger und ungemein fest, da seine Gesteinsgemeng- 
teile sekundär verkieselt worden sind. Je nach dem Grade der Ver- 
kieselung ist ihre Härte verschieden, so daß auch Schichten vor- 
kommen, die in der Härte den geröllfreien Sandsteinen gleichen. 
Ja, im Schwarzwald tritt das kieselige Zement mancherorts so stark 
zurück, daß sich die Gerölle direkt berühren und dadurch die ganze 
Bildung „so locker wird wie bei einer jungen fluviatilen Aufschüt- 
tung“ '. Diese festen verkieselten Sandsteine sind es namentlich, 
welche infolge ihrer Widerstandsfähigkeit die Veranlassung zur Bil- 
dung der berühmten Felsenmeere in Buntsandsteingebieten geben. 
Ein Gehalt an tonigen oder kaolinartigen Bestandteilen ist manch- 
mal in gleicher Weise als im Gestein des mittleren Hauptbuntsand- 
steins zugegen, Glimmer dagegen fehlt fast ganz. Die Gerölle dieser 
Zone sind kleiner als die der unteren Konglomerate und bestehen 
fast ausschließlich aus weißen Quarzen und dunklen Quarziten °. 

Noch weit schwieriger wie bisher gestaltet sich eine Trennung 
des unteren vom mittleren Buntsandstein in den nördlich und nord- 
östlich gelegenen Verbreitungsgebieten des kontinentalen Buntsand- 
steins. Denn die im südlichen und südwestlichen Deutschland kennen 
gelernten, immerhin eine Grenze bildenden konglomerat- oder geröll- 
führenden Bänke, die auch in der Eifel und am stärksten im Gebiet 
der Saar und Mosel, wie überhaupt auf der ganzen linken Rheinseite 
stark ausgeprägt sind, kommen nördlich vom Main fast gar nicht 
mehr vor”. Nur am südlichen Thüringer Wald wie im östlichen 
Thüringen sowie ın Waldeck treten geröllführende Lagen nochmals 
auf, deren Bedeutung jedoch nur eine lokale ıst*. Infolge des Fehlens 


! Vergl. A. Sauer, Erl. z. Bl. Triberg (Baden). S. 29. 

2 Vergl. Erl. z. Bl. Freudenstadt S. 22; Neckargemünd S. 22: Epfenbach 
S.8; Heidelberg S. 34; Speyer a. Rh. 8.15; Zweibrücken S. 142; ferner Chelius, 
Geol. Führer durch den Odenwald. S.8; Benecke u. Cohen. l. c. 

3 Vergl. Benecke u. Cohen, 1. c. S. 331. Küster, l. c. S. 192 und 
Chelius, Geologischer Führer durch den Vogelsberg. S. 46. 

1 Vergl. E. E. Schmidt, Jahrb. d. Kgl. preuß. geol. Landesanst. 1881; 
Alberti, Beiträge zur Monographie des bunten Sandsteins. S. 184; Borne- 
mann, l. c. p. 40; Pröschhold, Über die Gliederung des Buntsandsteins am 
Westrande des Thüringer Waldes. Zeitschr. d. deutsch. geol. Ges. Bd. 39. S. 356; 
Liebe, Über den Schichtenaufban Ost-Thüringens. Abh. zur geol. Sp.-Karte 
von Preußen. 1884. S. 60 und Erl. z. Bl. Neustadt a. d. Orla. S. 18, 


einer solchen natürlichen Grenze hat man sich zu helfen gesucht, 
indem man in diesen Gebieten die feinkörnigen Sandsteine dem 
unteren, die gröberen Sandsteine dagegen dem mittleren Buntsand- 
stein hinzurechnet. Doch bleibt eine solche Grenzlegung selbstver- 
ständlich immer eine mehr oder minder willkürliche‘. 

So unsicher also die Abtrennung des mittleren vom unteren 
Buntsandstein in diesen Gebieten ist, so schwierig ist auch im all- 
gemeinen eine weitere Gliederung innerhalb des ersteren für diese. 
Da ein allzu detailliertes Eingehen auf diesen Gegenstand für unsere 
bodenkundlichen Zwecke keine Veranlassung bietet, vielmehr ermüden 
würde, so können wir von den speziellen Ausbildungen absehen und 
wollen nur ganz allgemein den petrographischen Habitus des mitt- 
leren Buntsandsteins dieser Gebietsteile erläutern und nur dort eine 
Beschreibung der lokalen Entwicklung einschalten, wo dieses zur 
besseren Beurteilung notwendig erscheint. Das Aussehen und die 
Beschaffenheit der Sandsteine in ihren verschiedenen Abstufungen 
bleibt auch hier wie im südlichen Verbreitungsgebiet im großen und 
ganzen das gleiche, vielleicht ist jedoch die Einförmigkeit in der 
Ausbildung hier im allgemeinen noch auffallender wie dort. Doch 
wechseln auch hier grobkörnige mit feinkörnigen, harte mit weichen 
und losen Sandsteinen ab. Die Größe der einzelnen Quarze nimmt 
im allgemeinen vom S nach‘ W hin ab, wie dieses ja überhaupt 
für den ganzen Buntsandstein gilt”. Sonst gleicht er auch jenen 
in Korn und Farbe, doch walten recht häufig braunrote Farbentöne 
vor, weiße Färbung tritt in manchen Gegenden stark in den Vorder- 
grund, um wiederum in anderen Lagen und Gebieten gänzlich zu 
fehlen®. Der Hauptsache nach dürfte das Bindemittel der Sand- 
steine der einzig wesentliche Faktor sein, der die eintönige Aus- 
bildung dieser großen Sandsteinmassen etwas modifiziert, indem er 
es ist, der Sandsteine von wechselndem Charakter und Beschaffen- 
heit schafft. Er tritt auch hier* in kieseliger, kieselig-toniger, 
manganhaltiger, eisenschüssiger, kalkiger und besonders nach der 


1! Vergl. Chelius. Führer Vogelsberg. S. 46: Bornemann, 1. c. S. 40 
und Erläuterung zur geol. Sp.-Karte von Preußen: Blatt Witzenhausen, S. 18; 
Sondershausen, S. 3: Gerstungen. S. 9; Grobalmerode, S. 8; Gerode, S. 3 etc. 

2? Vergl. v. Koenen, Über Buntsandstein des Solling. Jahrb. d. Kgl. 
preuß. geol. Landesanst. 1902. XXIII. S. 612. | 

> Vergl. Erl. zu Bl. Fridewald, Wasungen, Sondershausen, Schillingstedt, 
Nörten, Lindau und Göttingen. 

4 Verel. Erl. zu Bl. Ludwigseck S. 9: Langenburg S. 12: Roda S. 5; 
Sondershausen S. 2: Göttingen S. 11: Ermschweida S. 11. 


— 41 — 


Grenze zum Röt hin in dolomitischer Form auf, trägt manchmal bei 
letzterer Ausbildung einen an die Rogensteinbildung erinnernden 
Charakter und kann auch schließlich mehr oder weniger ganz fehlen 
und dann zuweilen durch Lagen von Ton vertreten werden. Schiefer- 
tone und Mergel wechseln mancherorts mit den Sandsteinen im Auf- 
bau ab und genießen gleichfalls eine mehr oder minder starke Ver- 
breitung und Mächtigkeit (z. B. Thüringen). Bückına beschreibt den 
mittleren Buntsandstein auf Blatt Gelnhausen als einen in der Regel 
braunroten oder auch weißen, grobkörnigen und feinkörnigen, z. T. 
auch konglomeratischen Sandstein, der teilweise einen großen Reich- 
tum an Tongallen aufweist und auch eine Lage von rotem Schieferton 
besitzt. „Die Hauptmasse der unteren Stufe des mittleren Bunt- 
sandsteins, der vorherrschend grobkörnige Sandstein, setzt sich aus 
abwechselnden fein- und grobkörnigen, auch ungleichkörnigen, teil- 
weise recht kaolinreichen, teilweise auch kaolinarmen, bald leicht 
zerfallenden, bald durch kieseliges Bindemittel sehr festen Sand- 
steinen zusammen. Die groben Sandsteine bestehen bald aus wohl- 
gerundeten Körnern von Quarz und weißem kaolinisierten Feldspat, 
bald enthalten sie, häufig in ein kieseliges Bindemittel eingebettet, 
Quarzkörner mit Kristalllächen, welche im Sonnenlichte lebhaft 
glitzern. Hin und wieder schließen sie auch einzelne bis erbsen- 
große Körner von wasserhellem oder milchweißem Quarz, seltener 
solche von Feldspat ein. Glimmerblättchen treten nur sparsam auf. 
Auch Tongallen sind, von der unteren Grenzzone abgesehen, im 
ganzen selten. 

„In den tieferen Lagen herrschen braunrote und kirschrote bis 
violette Farbentöne, während weiter nach oben lichtere, zuletzt vor- 
wiegend weiße Sandsteine auftreten. Im allgemeinen walten die 
feinkörnigen Sandsteine in den unteren Lagen vor. Es ist deshalb 
da, wo die konglomeratischen Bänke an der unteren Grenze durch 
Gehängeschutt verdeckt sind oder vielleicht ganz fehlen, nicht mög- 
lich, eine scharfe Grenze gegen den unteren Buntsandstein zu ziehen. 

„Die mittlere Stufe des mittleren Buntsandsteins, der kon- 
glomeratische Sandstein, wird gebildet von heller gefärbten fein- und 
grobkörnigen, oft konglomeratisch entwickelten Bänken, in welchen 
Gerölle von Quarz und auch von Quarzit und Kieselschiefern bis zu 
Faustgröße nicht selten sind. Besonders an der Basis dieser Zone 
finden sich ziemlich regelmäßig Konglomerate, welche große Neigung 
zur Bildung von zusammenhängenden Felsmassen besitzen und durch 
einen oft 20 m hohen, steil ansteigenden Absatz topographisch ge- 


— 4⁄2 — 


kennzeichnet sind. Oft ist die Ähnlichkeit dieser Bänke mit dem 
in demselben geologischen Niveau gelegenen Hauptkonglomerat der 
Vogesen eine sehr große. An anderen Stellen können die Gerölle 
spärlicher auftreten, die Mächtigkeit der Grenzkonglomerate kann 
eine geringere sein, und es zerfallen auch wohl, indem das Binde- 
mittel ganz zurücktritt, die Konglomerate zu grobem Kies, der sich 
weithin über die Abhänge verbreitet. 

„Über den eben erwähnten, ein tieferes Niveau einnehmenden 
Konglomeratbänken folgen feine bis mittelkörnige, weiße und gelb- 
lichweiße, auch braungetigerte Sandsteine mit vereinzelten größeren 
Quarzgeröllen, im allgemeinen ohne Tongallen und nur spärlich etwas 
hellen Glimmer auf den Schichtflächen führend. Sie besitzen eine 
beträchtliche Festigkeit und Widerstandsfähigkeit gegen Verwitterung 
und treten in mächtigen Quadern abgesondert auf. 

„Als oberste Stufe des mittleren Buntsandsteins erscheint der 
wenig mächtige, sogenannte „Chirotheriensandstein“, ein dünnplat- 
tiger, feinkörniger brauner oder rötlicher Sandstein '.“ 

Es treten in dieser Beschreibung unverkennbar große Ähnlich- 
keiten zwischen den Sandsteinen der südlichen und nördlichen Ver- 
breitungszone auf. Auch die Konglomerate, die nördlich des Mains 
an Bedeutung verlieren, sehen wir als integrierende Bestandteile der 
Sandsteine hier wieder deutlich hervortreten, obgleich sich ihre Be- 
deutung als stratigraphischer Horizont vermindert hat. Auf den 
eigentlichen Chirotheriensandstein werden wir später noch aus- 
führlicher zurückzukommen haben, da er bezüglich seiner strati- 
graphischen Zugehörigkeit verschieden aufgefaßt wird, unzweifelhaft 
werden jedoch mit seinem Namen meist Grenzschichten gegen den 
Röt bezeichnet, so daß dadurch die Auffassung seiner Zugehörigkeit 
zu beiden Hauptabteilungen unserer Formation gegeben ist. 

Folgen wir einer weiteren Darstellung von KoEneEN’s und 
G. MÜLLers der Sandsteine auf Blatt Nörten, so erhalten wir nach- 
stehendes Bild derselben, wobei jedoch zu bemerken ist, daß die 
dargelegte Ausbildung nur wiederum eine der vielen, sich jedoch 
nahestehenden Formen ist. „Die Quarzkörner der Sandsteine sind 
meist abgerundet und etwa 0,1—0,5 mm dick, haben aber in 
manchen Schichten auch bis zu 1 mm Durchmesser, außerdem ent- 
halten die Sandsteine durchweg kleine weiße Kaolinkörnchen und 
kleine Glimmerblättchen, letztere oft in dünnen Lagen angeordnet, 


1 H. Bücking, Erl. zu Bl. Gelnhausen. S. 10 u. 11, 


— 43 — 


so daß sie eine Spaltbarkeit des Sandsteins bedingen ...... Der 
Sandstein hat zum Teil ein kieselig-toniges Bindemittel, ist aber 
meist nicht sonderlich fest, z. T. aber auch ein dolomitisches, welches 
dann oft in größeren oder kleineren rundlichen Knollen angehäuft 
ist .“ Sehr anschaulich beschreibt derselbe Autor (v. Korxex) die 
sogenannte „Bausandsteinzone“, die in der Rhön, in Kurliessen, im 
südlichen Hannover und Braunschweig eine 40—50 m mächtige 
Schichtenfolge im obersten Anteil des mittleren Buntsandsteins bildet, 
den „Reibsandstein“ Emmerichs, den „Chirotheriumsandstein® der 
Thüringer Geologen in sich einschließt. Wir folgen seinen Auf- 
zeichnungen, um eine andere etwas abweichendere Ausbildung kennen 
zu lernen, die jedoch im großen und ganzen wieder dasselbe ein- 
tönıge Bild des Sandsteins, abgesehen von einigen besonderen Unter- 
schieden liefert. „Die Gesteine der Bausandsteinzone sind nun, 
ebenso wie die des ganzen sonstigen Buntsandsteins, in verschiedenen 
Gegenden sehr verschieden entwickelt, sowohl in ‚der Gestalt und 
Größe ihrer Körner, als auch in dem Bindemittel und endlich in 
der Struktur der Gesteine und deren Farbe.“ 

„Helle, gelbliche bis graue Sandsteine sind in der Gegend 
von Marburg, am Lichtküppel, an den Wehrdauer Steinbrüchen ete., 
südlich und nördlich von Kassel, bei Münden etc. verbreitet, dürften 
Ihre helle Farbe aber größtenteils einer Auslaugung von Eisenoxyd 
verdanken. Ist doch oft in ganz geringer Entfernung der Sandstein 
noch rot an solchen Stellen, wo er von Röt bedeckt ist, oder wo 
Röt noch in der Nähe vorhanden ist. Immerhin kommen gelegent- 
lich zwischen roten Bänken auch hellere vor. Häufig findet sich 
eine diskordante Parallelstruktur in den dickeren Bänken, doch 
kann sie auch ganz fehlen und auch wohl durch eine ebenschichtige 
oder selbst dünnplattige Absonderung ersetzt werden, zumal wenn 
Lager parallel-liegender Glimmerblättchen auftreten, die dann eine 
Spaltbarkeit des Sandsteins bedinzen, wie bei den sogenannten 
Sollingplatten. Zuweilen ist der Glimmergehalt dünner Schichten 
so groß, daß sie fast wie Glimmerschiefer aussehen und auch wohl 
eine gewisse Biegsamkeit erlangen, ähnlich, wenn auch weit schwächer, 
wie der Itacolumit. Mitunter sind die Glimmerblättchen aber nicht 
parallel, sondern unregelmäßig im Gestein zerstreut, und häufig 
fehlen sie ganz oder fast ganz..... In der Gegend von Göttingen 
und im südlichen Solling, bis in die Gegend von Markoldendorf 


1 v, Koenen und G. Müller, Erl. zu Bl. Nörten S. 6. 


— 414 — 


und Dassel, kann man auch noch einzelne ziemlich grobkörnige 
Lagen im Buntsandstein beobachten, während etwas weiter nörd- 
lich, in der Umgebung von Vorwohle-Stadtoldendorf Grtre solche 
nicht mehr fand. 


„Das Bindemittel ist nicht selten kieselig zumal in der Gegend 
von Marburg und Münden, wo poröse, kieselige Sandsteine gute 
Mühlsteine liefern, an der Stoffelskuppe bei Neukirchen südlich von 
Hersfeld, wo gewaltige Quadern gewonnen werden, während in ge- 
ringer Entfernung von diesen Stellen der Sandstein ziemlich mürbe 
oder selbst zerreiblich wird, aber auch wohl ein knollig verteiltes, 
dolomitisches Bindemittel besitzt, wie bei Rheinhausen etc. ın der 
Gegend von Göttingen. ..... 


„Besonders fest sind wohl oft gerade die untersten Bänke der 
Bausandsteinzone, an deren ausgehendem zuweilen lange Streifen 
von Blockhaufen herumliegen, wie in der Gegend von Adelebsen— 
Lauenburg—Stadtoldendorf, während höhere Bänke wohl gar als Streu- 
oder Mörtel-Sand gewonnen werden..... Im obersten Teile des 
Bausandsteins finden sich öfters rote Kieselausscheidungen, die 
Karneolbank Frantzen’s, in mehr oder minder zerfressenem Gestein.“ 


Von einer weiteren detaillierten Besprechung der Sandsteine 
mag nunmehr abgesehen werden, da im großen und ganzen doch 
stets das nämliche Bild gewahrt bleibt. 


Nur noch besonders seien die Tonsandsteine des mittleren 
Buntsandsteins erwähnt, welche meist helle Farben besitzen und auf- 
geschlämmt einen zu Porzellan- und Chamottefabrikation geeig- 
neten Ton bezw. Kaolin ergeben. Hier mögen als bauptsäch- 
lichste Fundorte’, wo solche Tonsandsteine eingeschlossen im ge- 
wöhnlichen Sandstein vorkommen, Eisenberg, Osterfeld, Weißen- 
fels, Uhlstedt und Martinrode in Thüringen genannt werden. Eine 
nähere Besprechung dieser wichtigen Kaolınvorkommnisse wird 
bei der Betrachtung der stofflichen Zusammensetzung der Ge- 
steine des mittleren Buntsandsteins erfolgen. In den oberen Ab- 
teilungen stellen sich in vielen Gegenden untergeordnet auch 
Dolomiteinlagerungen ein, so am südlichen Harzrande, im Rhein- 
land u. a. O. mehr. 


1 A. v. Koenen, „Über Buntsandstein des Solling.“ Jahrb. d. Kgl. preu£. 
geol. Landesanstalt. 1902. Bd. XXIII. S. 611 u. 612--613. 

? Vergl. Erl. zu Bl. Eisenberg und E. E. Schmidt, „Die Kaoline des 
thüringischen Buntsandsteins“. Zeitschrift d. deutsch. geol. Ges. XXVII. 1876. S. S9. 


— 475 — 


Eine Zusammenfassung des petrographischen Materials des 
mittleren Buntsandsteins ergibt vier für die Bodenbildung in Be- 
tracht kommende Hauptgesteinstypen, nämlich Sandsteine, Konglo- 
merate, Schiefertone und Dolomite. Es wird daher zunächst unsere 
Aufgabe sein, die stoffliche Natur derselben zu betrachten und dann 
weiter an der Hand dieser zu untersuchen, wie sich die einzelnen 
Gesteinstypen bei der Verwitterung verhalten. 

Da wir es in petrographischer Hinsicht mit fast gleichem Ma- 
terial, wie im unteren Buntsandstein, zu tun haben, so deckt sich 
im großen und ganzen auch die stoffliche Beschaffenheit der Ge- 
steine beider Formationsabteilungen. Doch kann wohl ganz allge- 
mein behauptet werden, daß in den Sandsteinen der mittleren Ab- 
teilung neben anderen unverkennbaren Unterschieden, der rein 
kieselige bezw. sandige Charakter bei weitem vorwiegt. Daß durch 
die geröllführenden Schichten des südlichen und südwestlichen Ver- 
breitungsgebietes vielleicht noch eine größere Konzentration von 
Kieselsäure und auch andererseits von Silikaten (in den Porphyr- 
und Granitgeröllen) herbeigeführt wird, versteht sich von selbst, 
jedoch kommen diese Verhältnisse als lokale Faziesentwicklung in 
Beziehung auf die Gesamtheit nur untergeordnet in Betracht. Denn 
stofflich bleibt dennoch, sowohl für den Sandstein wie für die Konglo- 
merate, der gleiche Charakter bestehen. Nur in der Wirkung der 
Verwitterung auf diese Gesteinsvarietäten werden wir später bei der 
Betrachtung dieser Erscheinungen einen gewissen Unterschied wahr- 
nehmen, der aber lediglich durch physikalische und strukturelle 
Verhältnisse bedingt erscheint und unabhängig von ihrer chemischen 
Natur erfolgt. Auf die chemische Zusammensetzung der Tonsand- 
steine und Tone, die zwar auch nur eine lokale Verbreitung ge- 
nießen, müssen wir jedoch näher eingehen, schon allein aus dem 
Grunde, weil uns in den Arbeiten von E. E. Scunmr' und Herroup! 
ein vorzügliches mineralogisches und analytisches Material vorliegt, 
das für die bodenbildenden Faktoren dieser Bildungen wichtige Auf- 
schlüsse liefert. Selbstverständlich ist es auch hier die chemische 
Beschaffenheit des Bindemittels, die das ausschlaggebende Moment 
für die abweichende stoffliche Natur dieser Sandsteine liefert und 
dadurch die Aufbereitungsart derselben bestimmt. Ohne uns aber 
vorläufig über diese in Beziehung zum Gesamtcharakter doch nur 


1 Vergl. Anmerkung S. 474 und Herold, „Über die Kaoline des mittleren 
Buntsandsteins in Thüringen.“ Dissertation Jena. 1875. 


— 476 — 


relativ geringen abweichenden Verhältnisse näher zu verbreiten, 
wollen wir direkt auf das analytische Material, und zwar zunächst 
der Sandsteine selbst, übergehen, in welchem uns jene Unter- 
schiede ohne weiteres entgegentreten, verständlicher, als bei einer 
eingehenden Beschreibung der chemischen Natur einer jeden Ge- 
steinsvarietät. 


Nachstehende Tabelle gibt eine Übersicht der mir bisher be- 
kannten Sandgesteinsanalysen des mittleren Buntsandsteins wieder. 
Sie zeigt die, schon bei der Besprechung der Sandsteinanalysen der 
unteren Formationsabteilung, vorweggenommenen wesentlichen Ver- 
schiedenheiten im höheren Gehalt von SiO, und geringeren Gehalt 
von Al,O,, ausgenommen desjenigen des sandigen Lettens, der 
überhaupt als solcher aus dieser Gruppe der reinen Sandsteine 
herausfällt, desgleichen eine Verminderung des Kali gegenüber dem 
teilweise hohen Kaligehalt der unteren Abteilung. (Vergl. Analysen 
auf Seite 435— 437.) 


No. 1. Sandiger Letten von Haberich ! (Erl. zu Blatt König der 
geol. Spezialkarte des Großherzogtums Hessen); 

No. 2. Kieseliger Sandstein vom Kugelhorizont bei Wörth! 
(ebenda); 

No. 3. Oberer Pseudomorphosensandstein von Seckmauern' 
(ebenda); 

No. 4. Pseudomorphosensandstein von der Molkenkur bei Heidel- 
berg ' (Erl. zur geol. Spezialkarte des Großherzogtums Baden, Blatt 
Heidelberg); 

No. 5. Mittlerer Buntsandstein, der unteren Abteilung ange- 
hörend, vom „Harzofen“ bei Kaiserslautern !; 

No. 6. Eck’sches Konglomerat (Sme,), Mosesbrunnen (Murg- 
brunnen ); 

No. 7. Eck'sches Konglomerat (Smc,), Unterer Sand (Buhl- 
bach °); 

No. 8. Mittlerer Hauptbuntsandstein (Sm), Ruhstein, alter (würt- 
tembergischer) Steinbruch °; 

No. 9. Mittlerer Hauptbuntsandstein (Sm), weicher Sandstein, 
Rulstein, badischer Steinbruch ?. 


1 Die ersten vier Analysen sind bei Luedecke, 1. c. S. 178 zusammen- 
gestellt, ebenso und No.5 bei Blanck, Landw. Versuchs-Station. Bd. 65. S. 192. 

”K. Regelmann, Erl. zu Bl. Obertal-Kniebis. S. 133 u. 134. Analysen 
von Hundeshagen u. Philipp. 


No. 1. 2. 3. 4. 5. 6. T. 8. 9, 
SiO, -» ... . 770 94,5 86,9 90,72 90,82 90,00 88,55 95,05 90,60 
Al O; :... 9,1 19 66 464 410 560 645 2,95 4,94 
Fe,0, -œ 33 20 13 036 225 074 085 0,45 0,94 
Re; peas — — — 010° — — — — — 
CaO ..... 05 01 00 011 011 012 0,25 kaum Sp. 0,13 
MgO. .... 06 02 03 0,11 014 014 023 0.095 0,105 
KO asa 19 02 34 28 133 220 1,68 0.80 2,04 
NaO .... 20 02 02 049 064 040 1.02 0,20 0.34 
P,;R0O,:.:.:.... 00 — — 008 Sp. — — — — 
HO mech... — 07 02 — — — — — — 
Chem. geb. . . — 02 07 — — — — — — 
Glühverlust . . 52 —  — 042 063 0,60 095 0,50 0.70 
SS #08. 99,6 99,0 99,6 99,83 100,02 99,80 99,98 100,045 99,795 


In konz. Salzsäure waren, von dem, von mir untersuchten 
Sandstein des „Harzofens“ bei Kaiserslautern folgende Mengen 
chemischer Bestandteile löslich: 


In 100 g karbonatlösl. SiO, . 0,3161 g 


Lösl. in HCI:SIO, ..... 0.0297 . 
AUS. 25 ar. ee 0.2921 , 
FO, Sau de kr 0.1577 , 
Ca a. rare 0,0145 „ 
MIO. re ee 0,0290 „ 
RE 2.2: Er 0,0733 ,„ 
NaO 2 i ad 0,1165 „ 
POr Hei he er 0,0166 „ 
SO u er Sr ae 0,0404 , 
HO e t a 0,2105 . 


Vergleicht man diese Zahlen mit denjenigen, welche DIETRICH 
durch gleiche Operation für unteren Buntsandstein ermittelte, so 
zeigen sich auch hier wesentliche Unterschiede in der Löslichkeit 
der Sandsteine beider Abteilungen. 

Während im unteren Buntsandstein größere Mengen von Al,O,, 
Fe,0,, CaO, MgO, K,O und P,O,, also fast alle Bestandteile, ge- 
löst werden, gibt der mittlere Buntsandstein weit geringere Quanti- 
täten von diesen Stoffen an HCl ab. Nur SiO, und Na,0 fand ich 
im mittleren Buntsandstein stärker gelöst, da aber meine Werte 
nicht nach ganz gleicher Methode wie diejenigen Dierricn’s gefunden 
wurden, so sind, genau genommen, die Zahlen beider Befunde nicht 
völlig vergleichbar. Aber auch Dietrich, Heidelberg, bestimmte die 
durch Salzsäure, und zwar nach gleicher Methode wie beim unteren 
Buntsandstein, in Lösung gegangenen Stoffe seines Pseudomorphosen- 
sandsteins und fand in 100 g: 


SiO u Sur 0.107 
ALOE wa 0,199 
FrE0.: ei 0,381 
CN: u; a 0,022 
MgO 485.04, % 0,022 
RE u u... 0,071 
Na:0 roya 0,008 
PRO; # = 38.54 Sp. gelöst 


Also ebenfalls höheren Gehalt an SiO,, niedrigeren Gehalt an 
Al,O,, Fe,O,, Ca O, MgO, K, O und P,O,, aber auch weit geringeren 
Na, O-Gehalt. 

Dietrich faßt infolgedessen seine Resultate mit nachstehenden 
Worten zusammen: „Die Analysen ergeben ein ziemliches Abbild 
des ursprünglichen Gesteins; man beobachtet aber auch in den Aus- 
zügen allein einige wesentliche Verschiedenheiten. In beiden Fällen 
überwiegt, wie auch im Gestein, bei den Alkalien das Kali, während 
das Natron ganz zurücktritt; jedoch ist die Auslaugung aus unterem 
Buntsandstein zirka um das Doppelte größer als aus mittlerem. Ebenso 
ist dem unteren Buntsandstein verhältnismäßig mehr Kalk und noch 
mehr Magnesia entzogen worden. Von Eisen ist aus Pseudomor- 
phosensandstein, die ganze darin enthaltene Menge, aus unterem 
Buntsandstein nur zirka die Hälfte in Lösung gegangen. Interessant 
ist ebenfalls der verhältnismäßig erhebliche Gehalt des Auszuges 
des unteren Buntsandsteins an Mangan, von dem im Gestein relativ 
wenig nachgewiesen war'.“ 

Ob die von DIETRICH ausgesprochenen Löslichkeitsbeziehungen 
der einzelnen Gesteinsbestandteile im salzsauren Auszug unter sich 
und in Beziehung zum bezüglichen chemischen Gesteinsanteil eine 
allgemeine Anwendung auf die Sandgesteine beider Abteilungen be- 
anspruchen können, läßt sich aus Mangel an einschlägigem Material 
nicht sagen, jedoch dürfte als sicher festgestellt zu betrachten sein, 
daß dem unteren Buntsandstein weit größere Mengen Substanz als 
dem mittleren durch Lösungsmittel entzogen werden, was indirekt 
mit der Menge der unlöslichen Kieselsäure im Gestein im Zusammen- 
hang steht. 

Hierfür spricht auch die durch A. BAvEr aus Sandsteinen ver- 
mittels CO,-gesättigten Wassers in Lösung gebrachte Menge von 
Mineralstoffen. Denn er fand ebenfalls, daß diese im Zusammenhang 


ı M. Dietrich. „Das Wasser der Heidelberger Wasserleitung in geol. etc, 
Beziehung.“ Habilitationsschrift. Heidelberg 1897. S. 22, 


— 419 — 


mit der Menge der im Gestein befindlichen Kieselsäure steht und 
zugleich einen Ausdruck für die Intensität des Verwitterungspro- 
zesses abgibt. Seine Zahlen geben daher eine willkommene Er- 
gänzung der soeben besprochenen Lösungsverhältnisse der Sandsteine 
in Salzsäure und mögen daher an dieser Stelle Platz finden. 

Die Herkunft und Beschaffenheit der von Bauer untersuchten 
Gesteine wird von ihm folgendermaßen angegeben', 1. und 2. rote, 
grobkörnige Sandsteine aus dem Odenwald, 3. roter, feinkörniger 
Sandstein aus dem Elsaß, 4. ebensolcher vom Main, 5. und 6. eben- 
solcher vom Neckar. 


Chemische Zusammensetzung der Menge der in mit Co,-gesättigtem 
Gesteine. Wasser gelösten Substanz. 
Si O, Fe, 0, + Al0O0, CaO 
1. 92,66 4,15 0,32 1,57 
2 92.87 4,38 0,39 1,38 
3. 86,29—86,30 9,48—9,73 0,87—0,33 2,06 
4 86,65 8,87—9,05  0.51—0,54 1,83 
5. 73,61 10,52 4,72—4,71 8,93 
6. 73,42 — 73,61 10,23 4,71—4,88 | 8,72. 


Jedoch noch deutlicher treten diese Verhältnisse in den Quell- 
wasseranalysen jener Gesteine zutage. So fand z.B. M. Dierricn” 
in der oberen Rombachquelle bei Heidelberg, die ihr Wasser aus 
dem Gebiet des mittleren Buntsandsteins bezieht, 1,8777 g, in der 
Küchenquelle bei Heidelberg, deren Wasserversorgungsgebiet im 
unteren Buntsandstein liegt, dagegen die fast doppelte Substanz- 
menge, nämlich 3,2731g, in 100 | gelöst. 

Von den einzelnen Stoffen der Gesteine konnte er folgende 
als in Lösung gegangane nachweisen: 


Obere Rombachquelle Kichenquelle im 
im mittleren Buntsandsteingebiet. unteren Buntsandsteingebiet. 
SIO e era 0,7054 1,0720 
Al O + Fe2O0, 0,0320 0,0544 
CaO. .. .. 0,7240 1,3844 
MgO ... . 0,0961 0,3157 
RO... 4 35% 0,1253 0,1417 
NaO ... . 0,1849 0,3049 


1 A. Bauer, „Sandsteinanalysen“ Schweiz. Pharm, Wochenschrift 1895. 
33. S. 105. Jahresber. u. Agr. Chemie. Neue Folge XVIII. 95. S. 63. 

2 M. Dietrich, „Die Quellen des Neckartales bei Heidelberg in geol.- 
chem. Beziehung.“ Mittlg. d. Großherzogl. bad. geol. Landesanstalt IV. 1, 1900. 
S. 79 u. 80. 


— 480 — 


Ja, nach Dietrich, ist der Unterschied in der Menge der ge- 
lösten Bestandteile im Quellwasser stark genug. um als Erkennungs- 
mittel zu dienen, aus welchem Gesteinsgebiet eine Quelle ihr Wasser 
entnımmt. „Vergleicht man mit diesen beiden Wassern,“ schreibt 
Dietrich, „die nach ihrem Ursprung nicht ganz sichere Stiftsquelle. 
so springt eine große Ähnlichkeit mit der oberen Rombachqueile 
in die Augen. Sie unterscheidet sich nur durch einen freilich 
wesentlich höheren Natrongehalt; vom chemischen Standpunkt dürfte 
man daher wohl berechtigt sein, auch diese Quelle dem aus mitt- 
lerem Buntsandstein entspringenden zuzuzählen'.“ 

Der gelöste Anteil beträgt für diese in Summa 2,0710 g für 
100 l. Nachstehende Bestandteile beteiligen sich daran in fol- 
gender Quantität: 


SE EEE 0,9100 
Al D, 4 FeO 2... 0,0500 
GO ra e a 0,5350 
MEO a ae fe 0,0790 
E 0,1200 
ER Bee 0,3770 


Ein ähnliches Verhältnis geht auch aus den Quellwasseranalysen 
hervor, welche HaseLnorr gelegentlich der Untersuchung hessischer 
Böden mitteilt. Er fand auf ein Liter Wasser berechnet im Quell- 
wasser des unteren Buntsandsteins 72,0—116,0mg, in denjenigen des 
mittleren dagegen nur 90,0—97,0 mg Substanz gelöst. Es zeigen 
auch diese Angaben, daß das Wasser des mittleren Buntsandsteins 
mit 90,0—97,0 mg gelöster Bestandteile den höchsten Wert von 
116,0 mg in Quellwasser des unteren Buntsandsteins nicht zu er- 
reichen vermag, wenn auch der niedrigste Wert desselben mit 72,0 
unter den Werten des Quellwassers aus dem mittleren Sandstein 
liegt. Von diesen Gesamtmengen kamen auf die einzelnen Be- 


standteile: 
Im Quellwasser 


des unteren des mittleren 
Buntsandsteins 
Cadi on aie i 11,5—35.1 mg 21,0—23,5 mg 
NO»... 4,3—14,9 , 5,3— 76 , 
RN paaa = 20— 46 „ ? 


2 Mitteilung der Großherzogl. bad. geol. Landesanstalt. IV. Heft 1. 1900. 
S. 79 u. 80. 

2? E. Haselhoff, „Das Düngungsbedürfnis einiger typischer hessischer 
Böden und Versuche zur Ermittelung desselben“, Fühlings Landw. Ztg. 1906. 
S. 75. 


— 48l — 


Anhangsweise möge die Beschaffenheit weiterer Quellen aus 
dem mittleren und unteren Buntsandstein angegeben sein. Die 
Angaben sind nach den Untersuchungen M. Dietrich’s über die Quellen 
des Neckartales zusammengestellt. 

In 11 H,O sind in mg gelöst: 


N olog. ampf- lüh- ie. Mi 

ve Berka Kückseend Rückstand CPO MgO Härte 
Gartenquelle W. . Su 2,19 1,66 0,22 Sp. 0,9 
Sae le Minter: Sem Su 245 1,89 022 Sp. 042 

kleinen Sammler 

Laichgraben. . . . Su 2,89 2,18 — — 043 
Gartenquelle S . . Su 3,11 2,49 0,44 Sp. 08 
Lange Stollenquelle Su 5,33 4,20 1,20 0,2 1,58 
Strahlquelle . . . Su 58,37 4,19 1,40 0,22 1,98 
Lucienquelle . . . Su 5,86 5,56 1,00 0,26 2,27 
Küchenguaelle . . . Su 6,19 4,30 1,48 0,34 1,85 
Kellerqyuelle. . . . Su 6,61 4,67 1,56 0,10 1,99 
Felsenmeerquelle . Sm 2,41 1,64 — Sp. 0,50 
Mambachquelle . . Sm 2,44 2.24 — — 0,67 
Untere Rombachquelle Sm 2,69 1.97 — Sp. 0,50 
Obere Rombachquelle Sm 3,13 2,82 0,68 0,08 1,04 
Rauschbrunmen . . Sm 3.20 2,32 — — 1,09 
Wirtschaftsquelle . Sm 3,42 2,85 — 0,07 O84 
Stiftsquelle . . . . Sm? 3,82 3.30 051 007 1,19 
Michelsbrunnen . . Sm u. So? 3,76 2.91 — — 0,59 
Robbrunnen ... Sm u. So? 2,64 2.05 — —- 0,50 


Bei diesen Untersuchungen machte Diıerrica zugleich die inter- 
essante, für die Verwitterung der Gesteine wichtige Beobachtung, 
nach welcher eine „auffallende Umkehrung der Verhältnisse von Ca O 
zu MgO und von K,O zu Na,0“ bezüglich ihrer Mengen im Gestein 
und Quellwasser vorhanden ist. Während die Menge von CaO im 
Gestein gleich groß oder geringer der Menge an Magnesia ist, ist 
dieses im Quellwasser umgekehrt der Fall, und während das Kali 
im Gestein das Natron überwiegt, herrscht im Quellwasser das Natron 
vor. Er gibt dieser Erscheinung durch Aufstellung folgender Pro- 
portionen Ausdruck. 

Mittlerer Buntsandstein : 


Gestein Wasser: Obere Rombachquelle Stiftsquelle 
Ca0O:MeO.... 1:1 75:1 68:1 
K,O:N,.0.:... 5:1 06:1 0.3:1 
Unterer Buntsandstein : 
Gestein Wasser : Küchenquelle 
Ca0:ME0. 2.2... O,15:1 43:1 
KO: NO; 8.20%,“ 20:1 05:1 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 3l 


— 482 — 


Auch für den Granit fand er dieses bestätigt: 


Gestein Wasser: Löwenbrunnen 
(KO: MED: % 0% 3% 1,2:1 3:1 
KO: Aa 0 ee 1:1 0.2:1? 


Da nun selbstverständlich die im Quellwasser gelösten Stoffe 
nur aus dem Bindemittel der Sandsteine stammen können, weil die 
Quarzkörner, der Hauptbestandteil des Gesteins, aus nahezu unangreif- 
barer Kieselsäure bestehen, so ist vor allen Dingen eine eingehende 
Betrachtung des Bindemittels in stofflicher Hinsicht für unseren 
Gegenstand erforderlich. Bevor wir jedoch hierzu übergehen, soll 
die Begriffsbestimmung dessen, was wir unter Bindemittel zu ver- 
stehen haben, vorausgeschickt werden. Denn das Bindemittel ist 
nicht allein für die Petrographie des Sandsteins von größter Wichtig- 
keit, sondern auch bodenkundlich ist sein Wert nicht zu unter- 
schätzen. Er bestimmt namentlich den Gang der Aufbereitung des 
Sandsteins und die Natur seines Verwitterungsproduktes, wie wir 
dieses ja auch schon gelegentlich der Besprechung der Sandsteine 
der unteren Abteilung erkannt haben. Wenn wir hier an dieser 
Stelle nun nochmals und zwar ausführlicher auf diesen Gegenstand 
zurückkommen, so geschieht es um seine Wichtigkeit ganz besonders 
zum Ausdruck zu bringen. 

Fassen wir die Quarzsandsteine, und mit solchen haben wir 
es hier fast ausschließlich zu tun, als Trümmergesteine auf, welche 
aus einzelnen unter sich gleichen oder verschiedenen bis Erbsengröße 
erreichenden Quarzindividuen bestehen, die durch ein Bindemittel mehr 
oder minder fest verkittet sind, so setzt diese Begriffsbestimmung des 
Sandsteins zwei wesentliche Bedingungen für sein Zustandekommen 
voraus. Zugleich entnehmen wir aber auch dieser Auffassung, daß 
die Konglomerate oder konglomeratischen Sandsteine nur als Spezial- 
fälle des in vorstehender Form definierten Gesteins zu betrachten 
sind, indem ihre Quarzindividuen zum Teil außerordentlich große 
Dimensionen annehmen. Die vorgenannten Bedingungen sind erstens 
die Gegenwart fester Quarzindividuen. die als Hauptmaterial gleich- 
sam das Gerippe des Sandsteins bilden und zweitens das Hinzutreten 
eines die Quarzkörner vereinigenden Mittels, durch welches der sonst 
lose Sand zu einem Gestein verfestigt wird. Die Quarzkörner stellen 
demnach sowohl quantitativ wie qualitativ den wesentlichen Bestand" 


1 Vergl. Dietrich, Mitteilung d. Großherzogl, bad. geol. Landesanstalt. 
IV. 1990. S. 81. 


— 483 — 


teil des Sandsteins dar und sind von einheitlicher chemischer Be- 
schaffenheit ; das mineralische Bindemittel oder Zement ist von stoff- 
licher Verschiedenheit, gibt daher nicht allein die Veranlassung zu 
einer systematischen Gruppierung der Sandgesteine, sondern bildet 
das ausschlaggebende Moment für den Verlauf der vielen Prozesse, 
die durch äußere Einflüsse auf das Gestein ausgeübt werden können. 
Es ist aber nur in geringer Menge vorhanden. Da nun, wie wir ge- 
sehen haben, die chemische Natur der Quarze konstanter Art ist 
nämlich aus schwer bis unangreifbarer Kieselsäure besteht, so wird 
für die Umwandlung des Gesteins nur das Bindemittel bezw. Zement 
infolge seiner chemischen Verschiedenheit und Angreifbarkeit in Frage 
kommen!. Daß aber das Bindemittel nicht allein durch seine chemische 
Zusammensetzung, sondern auch durch die Art seiner sonstigen Be- 
schaffenheit bezüglich seiner Bildung äußerst günstig befähigt ist, sein 
Material an die Quellwasser abzugeben, geht aus nachstehender Über- 
legung hervor. Desgleichen würden die später zu betrachtenden Pflanzen- 
kulturversuche auf ursprünglichem Buntsandsteinboden kaum erklärbar 
sein, wenn dem nicht so wäre. Denn stoffliche Körper, welche von 
Natur lösliche Verbindungen zu bilden vermögen und sich vorzugs- 
weise in dieser Form befinden, jedoch zeitweise durch Einflüsse, die 
ihre löslichen Eigenschaften behindern, festgelegt sind oder denen 
quasi das Lösungsmittel entzogen wurde, haben stets die Tendenz, 
leicht in ihren ursprünglichen löslichen Zustand überzugehen, sobald 
die hierfür günstigen Bedingungen eintreten. Dagegen vermögen andere 
Körper infolge ihrer starren Verbindung erst starken Einflüssen gegen- 
über in die lösliche Form überführt zu werden. Bindemittel in Gesteinen 
gehören nun stets zu ersterer Körperklasse, da sie selbst sekundär 
in gelöster Form in das Gestein (bezw. Mineralaggregat) eindrangen, 
dort, ihren löslichen Eigenschaften beraubt, sich absetzten und mit 
dem vorgefundenen Material Verbindungen eingingen, welche meist 
leicht löslicher Art sind. Den lösenden Gewässern und Atmosphärilien, 
wie der zersetzenden Tätigkeit der Pflanzenwurzeln sind sie daher 
leicht zugänglich. 

Um die chemische Zusammensetzung des Bindemittels zu er- 
fahren, bietet sich nach Bıgra und Biscnor ê ein Weg in der Ermittlung 


! Vergl. Braumgart, „Die Wissenschaft in der Bodenkunde.* Berlin u. 
Leipzig 1876. Küster, l. c. S. 74. Detmer. „Grundlagen der Bodenkunde.“ 
S. 124 u. 125. 

? Bischof, „Chemische und Physikalische Geologie.“ Bd. III. 2. Aufl. 
S. 137—138 und Bibra, Journal für prakt. Chemie. Bd. XXVI. S. 523, 

31* 


— 484 — 


der in Salzsäure löslichen Bestandteile der Sandsteine und in Be- 
stimmung der karbonatlöslichen Kieselsäure nach Extraktion des 
Materials mit Salzsäure. Doch dürfte diese Methode aus gewissen 
Gründen nicht ganz einwandfreie Resultate liefern, was auch schon 
Biıschor selbst Veranlassung zu den Worten gab: „Es hält schwer. 
auf diesem Wege die wahre Zusammensetzung des Bindemittels zu 
erfahren.“ Immerhin geben sie eine Vorstellung von dem Aufbau 
der die Quarzkörner verkittenden Substanz. Die nachstehende Tabelle 
gibt die Angaben genannten Autors wieder, doch ist zu bemerken, 
daß sie sich nicht ausschließlich auf Sandsteine des mittleren 
Buntsandsteins beziehen dürften, sondern auf Lagen der gesamten 
Formation. Leider ist ihnen von Biscnor eine nähere Bezeich- 
nung nicht beigegeben, als daß die Bindemittel aus Buntsandsteinen 
aus der Umgebung von Schweinfurt, Oppenheim und aus der Rhön 
herstammen. 


ll. m m mW. vv VL VIE VOR IX 
SiO... . 274 16,67 — 1764 526 2,44 16.67 13,24 76,86 


AlO, ©.. 13,70). 16,67 Dane; 13.88) „. 14.95 
FeO, . . . 64,38 we 23.33 ER 16.67 f we 4,99 
CaO...’ . 10,00 | : 22,22 \ 3,20 
MgO ...J 8,22 16,67 20.00 | 29,42 31,58 12,19 13,89 | 20,00 ` 


HO... . 10,96 33,33 30,00 29,32 26,32 48,78 16.67 3333 — 


und der prozentische Gehalt des zugehörigen Gesteins an Bindemittel 
betrug: 
1,3 0,6 3.0 1,7 1,9 0.82 3,6 1,5 -— 


Aus diesen Bestimmungen geht der Reichtum des Bindemittels 
an Al,O,, Fe, O, CaO und MgO und teilweise auch an SiO, hervor, 
außerdem aber sprechen sie auch für eine große Variabilität in den 
Mengen dieser Stoffe. Hiernach scheint das Bindemittel der Bunt- 
sandsteine im wesentlichen ein eisenschüssig-toniges mit mehr oder 
minder basischer Silikat-Vermengung zu sein, oder auch fast gänzlich 
aus Eisenoxydliydrat, wie bei I, bezw. Kieselsäure, wie bei IX, zu 
bestehen. 


Die gleichartig gefundenen Werte berechnet auf das Binde- 
mittel des Sandsteins vom Harzofen bei Kaiserslautern, sowie diejenigen 
von M. Dietrich ermittelten für die Heidelberger Sandsteine, Pseudo- 
morphosensandstein von der Molkenkur und unterer Buntsandstein 
von der Kellerquelle ergeben dementsprechend folgende Zusammen- 
setzung ihrer Bindemittel berechnet auf wasserfreie Substanz: 


— 485 — 


Sm Harzoten Sm Molkenkur Su Kellerquelle 

(bei Kaiserslautern) (bei Heidelberg) (bei Heidelberg) 
SE, aas . . 20,59 13,21 2,81 
AlO, .... . 17,06 24,57 21,89 
FeO, ... . . . 44,70 47,04 59.41 
Mn O, p a p — 2.14 
ER ee IS 2.72 1,60 
MgO....... 176 2,12 3,20 
K;,O.:....... 412 8,77 7,01 
Nas). ie et 7.06 0,99 0,67 
Ps. a a e alB — 0,77 
SO, 22 — = 

Prozentischer Gehalt des Gesteins an Bindcmitteln: 

1,691 0,81 3.13 


In der chemischen Zusammensetzung dieser Bindemittel und 
der von Biscuor angegebenen fallen zunächst gewisse Unterschiede, 
wie der Kalk- und Magnesiagehalt derselben, stark auf, sie dürften 
darin zu suchen sein, daß die kalk- und Magnesiareichen Bindemittel 
der Gesteine Bıscnor’s nicht analogen Gesteinen des mittleren und 
unteren Buntsandsteins zugehören. Andererseits unterscheiden sich 
die drei letzten Bindemittel durch die Angabe ihrer Mengen an 
K,O, Na,0, P,O, und SO, schon so wie so von jenen. Doch außer 
dieser Ungleichheit springt eine nicht zu unterschätzende Tatsache 
bei der Betrachtung der Bindemittelzusammensetzung sofort ins Auge, 
das ist die prozentualische Beteiligung des Bindemittels selbst am 
Aufbau des Gesteins. 

Sehen wir von den Werten in der Biscnor' schen Tabelle ab 
und wenden wir uns zu den Daten der drei zuletzt verzeichneten 
Bindemittel, so finden wir dort 1,69? und 0,81 für den mittleren 
Buntsandstein verzeichnet und 3,13 für den unteren, nehmen wir 
dazu noch den Wert 5,4, der das Mittel der von Oswarp unter- 
suchten unteren Sandsteine für das Bindemittel repräsentiert, so 
beträgt danach der Gehalt der unteren Buntsandsteine an Binde- 
mittel das Doppelte oder sogar Mehrfache von dem der mittleren 
Buntsandsteine. Es ist nun ohne weiteres klar, daß ein derartiges 
Verhältnis von weit einschneidender Bedeutung für die lösende Wirkung 
des Wassers auf das Gestein sein muß, denn indem es das mehr- 
fache Material im unteren Buntsandstein vorfindet, das seinen Ein- 
flüssen tributär ist, so wird es auch das Mehrfache in Lösung zu 
bringen vermögen. Dürfte man diese Zahlen zugrunde legen, so 


1 Die in Natron lösliche Kieselsänre wurde nicht berücksichtigt. 

? Da von mir zur Gewinnung des salzsauren Auszuges grüßere Hitze und 
stärkeres Lösungsmittel als von Dietrich angewandt wurde, so dürfte diese 
Zahl etwas höher gegen die anderen ausgefallen sein. 


— 486 — 


ergäbe sich aus ihnen, daß um dieselbe Menge löslicher Stoffe zu 
erhalten, für den mittleren Buntsandstein die doppelte oder vielfache 
Gesteinsmasse ausgelaugt werden müßte, um die gleiche Quantität, 
wie sie im unteren Buntsandstein disponibel ist, zu erhalten. Doch 
muß daran erinnert werden, daß Wasser und Salzsäure sehr differente 
Lösungsmittel in ihrer Wirkungsweise darstellen. 

Es drängt sich uns aber naturgemäß eine weitere Frage auf. 
Ist denn der in Salzsäure lösliche Anteil dasjenige, was man Binde- 
mittel nennt, oder haben wir als ein solches noch eine andere Substanz- 
menge aufzufassen ? 

Aus der petrographischen Beschreibung des Sandsteins wie 
seiner empirischen Definition hatte sich ergeben, daß der Sandstein 
aus Quarzkörnern und aus einer dieselben verbindenden Masse besteht, 
daß die Quarzindividuen eine gewisse Größe erreichen, und daß schließ- 
lich die bindende Masse oder das Zement von recht wechselnder 
Beschaffenheit nach Quantität und Qualität sein kann. Siebt man 
nun einen oberflächlich zerstoßenen, d. h. nur seines festen Gefüges 
beraubten Sandstein durch Maschennetze von bekanntem Durchmesser, 
so erkennt man bald, daß eine Zerlegung seiner Gesteinstrümmer und 
zwar nicht solcher, die durch den mechanischen Eingriff geschaffen 
wurden, sondern lediglich durch die Lockerung des Gesteinsgefüges 
hervorgegangen sind, in verschiedene Fraktionen vorgenommen werden 
kann. Und man fragt sich, wo nun eigentlich die Grenze zwischen 
beiden Komponenten, den Quarzkörnern und der verbindenden Masse. 
liegt? Mineralogisch zeigt sich jede Fraktion aus Quarz bestehend. 
nur die, die geringsten Dimensionen aufweisende, zeigt mehr den 
Charakter eines sandig-tonigen Gemenges. Deutlicher wird dieses. 
wenn man die Analysen des Gesamtgesteins mit einer solchen Fraktion 
vergleicht. So fand ich eine solche Fraktion unter 0,11 mm Durch- 
messer gegenüber seinem Gestein wie folgt zusammengesetzt. Das 
Material lieferte der schon wiederholt angeführte Buntsandstein vom 
Harzofen bei Kaiserslautern. 


Bauschanalyse Partialanalyse des Anteils 
des Gesteins unter 0,11 mm 

SiO; 08%: 5.2 90,820 66,125 

Aleena erin 2 4.100 14.465 

Fe Opta o a 2,239 5,360 

CaF 2 a a 0.108 0.415 

MEO a 0.135 0.335 

0: 2 22 1.334 6.015 

NO. a... 0641 1,735 

PO. 5 &.2% Sp. 0.955 


Glühverlust . . . 0.033 2.620 


-e e nur BEER: men a EEE 


Es geht hieraus hervor, und die mikroskopische Untersuchung 
bestätigt es (siehe Seite 468), daß der Sandstein neben der Anwesen- 
heit verschieden großer Quarzkörner, die in Gruppen gleicher Größe 
zerlegt werden können, noch eine Substanzmasse besitzt, welche die 
Zwischenräume der einzelnen Quarzindividuen einnimmt und dadurch 
einen Zusammenhang dieser herbeiführt. Diese Masse erscheint nun 
ihrerseits wiederum mit jenen durch eine umhüllende und verkittende 
mineralische Substanz verbunden zu sein, welche sämtliche Teile 
des Sandsteins zu einem festen Gefüge vereint. 

Es dürfte daher zweckmäßig sein, zwischen Bindemittel und 
Zement zu unterscheiden. Zement würde dann die zwischen den 
Quarzindividuen liegende Masse kleinster Teilchen inkl. des Binde- 
mittels sein, während dieses selbst resp. die verkittende Substanz 
die aus einer Lösung chemisch abgeschiedene Mineralsubstanz dar- 
stellt, welche ihrerseits das Ganze umhüllt und durchzieht. Letztere 
dürfte hauptsächlich als der in Salzsäure lösliche Anteil des Gesteins 
aufzufassen sein. 

Eine Bestätigung der oben ausgeführten Anschauungen bezüg- 
lich des Verhaltens des „Bindemittels“ gegenüber lösenden Agentien 
findet sich in der Aufnahme mineralischer Snbstanz durch die Pflanzen 
aus ursprünglichem, unverwittertem Gestein. Hier sind vor allen 
Dingen die Versuche HaseELHorrs und DiETricH's, die diese Verhält- 
nisse klar erkennen lassen, anzuführen. HAsELnuorr bestimmte zunächst 
diejenige Menge Substanz, welche sich löst, wenn eine bekannte 
Gesteinsmenge den Einflüssen der Atmosphärilien ausgesetzt wird. 
Diese Quanten ermittelte er derartig, daß er das während 21/2 Jahren 
gefallene und durch gleiche Mengen verschiedener Gesteine hindurch 
filtrierte Regenwasser auffing und im Filtrat die „Nährstoffe bestimmte, 
welche durch die Einwirkung der Atmosphärilien verfügbar werden 
können“. Zu seinen Versuchen dienten außer Buntsandstein, Basalt, 
Grauwacke und Muschelkalk, welche drei letzteren Gesteine als Ver- 
gleichsmaterial auch von uns ‚zu berücksichtigen sind. HASELHOFF 
fand während des genannten Zeitraums der Einwirkung durch die 
 Atmosphärilien gelöst: 


in g aus Gesamtmenge Ca O MgO K:0 
Buntsandstein . . . ... 3.85 0.1884 0,0414 0.0219 
Basalt 2 2.8 2 & 2.4 3,40 0.1618 0,2612 0.0407 
Grauwacke . .... .. 54 0,5760 0.0733 0,0018 
Muschelkalk. . . .... 5,33 0,7579 0.0154 0,0109 ! 


ı Haselhoff, -Das Düngebedürfnis einiger typischer hessischer Böden 
und Versuche zur Ermittlung derselben.“ Fühlings Landw. Ztg. 1906. Bd. 55. 
S. 15—76. 


— 488 — 


Der Gesamtgehalt an diesen Stoffen beträgt in diesen Gesteinen 
im unverwitterten Zustande etwa im Mittel wie folgt: 


CaO MgO K,O 


für Buntsandstein! . ... 2 20. s u a OO 0,38 2,56 
„ Basalt (Nephelinbasalt)? . . . .... . .. 12,24 9,36 2,15 
- Grauwacke? . . 2 2 2 2 2 2 22. .. 0,62 1,50 0.87 


- Muschelkalk (Trochiten- oder Wellenkalk)4. 49,80 1,69 0,21 


Nach HaseLHorF waren nun in den von ihm zu seinen Unter- 
suchungen benutzten Gesteinen durch eine heiße 10 °/oige Salzsäure 
folgende Mengen in Lösung gebracht worden: 


CaO MgO K,0 
aus dem Buntsandstein . . . 0,160 0,146 0,034 
s e Basalt, <c e a 1,797 0,524 1.610 
„ der Grauwack . . . . 3,206 0,666 0,101 
„ dem Muschelkalk . . . . 50,562 0,044 0,067 


Betrachten wir an der Hand nachstehender Tabelle alle Zahlen 
gemeinsam, so bemerken wir bald, daß die an die Lösungsmittel, 
Salzsäure und Wasser, abgegebenen Mengen von CaO, MgO und K,O 
durchaus nicht immer im gleichen Verhältnis zu ihren Gesamtmengen 
ım Gestein stehen. 


Birksauästei; Gesamtegehalt in 10° HCl in H,O lüslich 


im Gestein löslich 
CaO .. .. 0,16 0,160 0,188 g 
MgO... . 0,38 0,146 0,041 , 
K,O .... 256 0.034 0,022 „ 
Basalt 
CaO ... . 1224 1,797 0,162 „ 
MgO... . 936 0.524 0,261 „ 
Ko 4.02 22.18 1,610 0,041 , 


1 Als Mittel aus 5 Analysen (vergl. Luedecke, I, c. S. 174) berechnet. 
und zwar gemeinsam für mittleren und unteren Buntsandstein, da Haselhoff 
wahrscheinlich seinen Sandstein aus dieser Abteilung und nicht aus dem oberen 
Buntsandstein genommen hat. 

? Als Mittel aus 9 Analysen (nach H. Roesenbusch, Elemente der 
Gesteinslehre, S. 357) von Nephelinbasalt, weil die meisten hessischen Basalte 
solche sind. und 1,61%% in H Cl lösliches Kali nach Haselhoff’s Analyse kaum 
bei einem Feldspatbasalt vorkommen dürfte. 

* Als Mittel aus 3 Analysen (nach Rosenbusch, 1. c. S. 391). 

* Als Mittel aus 6 Analysen von Luedecke (Untersuchungen über Ge- 
steine und Böden der Muschelkalkformation in der Gegend von Göttingen. Zeit- 
schrift für Naturwissenschaft. Bd. 65. 1892. S. 324 u. 325) und zwar von Trochiten- 
oler Wellenkalk, da 50,56°o in HC] löslicher CaO, wie dieses Haselhoff für 
sein Gestein angibt, im mittleren Muschelkalk nicht vorkommen dürfte, 


— 489 — 


(resamtgehalt in 10% HCI 


Buntsandstein In Gestein löslich in H,O löslich 
Grauwacke 
CaO .... 0,62 3,206 0,576 g 
MgO... . 150 0,666 0,073 , 
K,O .... 0,87 0,101 0,002 .„ 
Muschelkalk 
CaO . . . . 49.80 50.562 0.758 „ 
MgO.... 169 0,041 0015 . 
K.O .... 021 0.067 0.011 


Der Gesamtgehalt an Kalk ist im Buntsandstein 0,16°/o und 
der in HCl lösliche Anteil ist der gleiche, d. h. der Kalk geht durch 
die Säure völlig in Lösung, durch die Einwirkung der Atmosphärilien 
werden ebenfalls nicht unbedeutende Mengen von Kalk ausgewaschen, 
nämlich 0,188 g, also weit mehr als aus dem kalkreichen Basalt 
unter gleichen Verhältnissen. Denn dieser gibt bei einem Gesamt- 
gehalt von 12,24°/o nur 1,797°/o an Salzsäure ab und nur 0,162 g 
CaO werden durch die Verwitterung gelöst. Bei der Grauwacke 
liegen die Verhältnisse ähnlich wie beim Sandstein, dort übt die 
Salzsäure ein großes Lösungsvermögen auf ihren Kalkgehalt aus. 
Beim Muschelkalk kommt zwar der hohe Gesamtkalkgehalt auch im 
Salzsäureauszug zum Ausdruck, denn er wird durch diese vollkommen 
aufgelöst, dennoch steht der an das Wasser abgegebene Anteil in 
keinem Verhältnis zu jenen Mengen. 

Die Magnesia ist in allen vier Gesteinen mit Ausnahme des 
Basaltes nur gering zugegen und ihre Löslichkeit auch nur eine 
geringe, doch zeigt die Magnesia des Buntsandsteins das relativ 
größte Lösungsvermögen sowohl der Salzsäure als auch den Atmo- 
sphärilien gegenüber. Die Grauwacke steht auch hierin dem Bunt- 
sandstein nahe. 

Wenden wir uns nun zum Kali, so ist es der Buntsandstein, 
der den höchsten Gesamtgehalt hieran aufzuweisen hat, aber nur 
ein verschwindend kleiner Anteil geht hiervon in Lösung und bei 
der Grauwacke ist dieses Verhältnis sogar noch ungünstiger. Der 
Basalt steht dem Buntsandstein in der Gesamtmenge an Kalı nahe- 
zu gleich, aber die Löslichkeit seines Kalis ist eine weit größere. 
Der Muschelkalk gibt dagegen bei seinem geringen Gesamtgehalt 
an Kalı relativ große Mengen an die Lösungsmittel ab. 

Die Erklärung dieses Sachverhältnisses liegt einzig in dem Um- 
stand, daß die Stoffe in den Gesteinen in wesentlich verschiedenen 
Verbindungsformen vorhanden sind. Wenn aber z. B. so große 


— 4% — 


Mengen Kalk wie bei dem Buntsandstein durch die Atmosphärilien 
in Lösung gebracht werden, so liegt dieses daran, daß der Kalk ım 
Bindemittel enthalten ist, und auch aus gleichen Ursachen tritt der 
Kalk dar Grauwacke aus dem Gestein aus. Im Basalt ist der Kalk 
jedoch im Silikatverband zugegen, was daher weit andere Löslich- 
keitsverhältnisse bedingt. Bei dem Muschelkalk ist jedoch wohl 
als sicher anzunehmen, daß hier bei der Löslichkeit des Kalkes 
Massenwirkungen zur Geltung kommen müssen, denn, um so enorm 
große Mengen von kohlensaurem Kalk in Lösung zu bringen, wie 
sie derselbe besitzt, sind auch große Mengen mit Kohlensäure ge- 
sättigten Wassers unbedingt notwendig. 

Finden wir das Kali des Buntsandsteins schwerer in Wasser 
löslich wie das des Basaltes, so ist auch hier wiederum die Ursache 
in der Gegenwart des Kalis als Feldspatsubstanz einerseits und als 
Zeolithsubstanz andererseits zu suchen, was auch besonders deutlich 
durch die in Salzsäure lösliche Kalimenge des Basaltes zum Aus- 
druck kommt. 

Auch das Verhalten der Magnesia läßt sich ebenfalls in den 
oben genannten Richtungen ungezwungen deuten, so daß sich ein 
näheres Eingehen auf diesen Gegenstand erübrigt. 

Es scheint also auch aus diesen Betrachtungen hervorzugehen, 
daß den Gesteinen in ihrem Bindemittel ein Faktor erwächst, der 
für die Löslichkeit der Gesteinsbestandteile von großer Bedeutung 
ist und dadurch wiederum günstige Bedingungen für die Aufnahme 
von Nährstoffen durch die Pflanzen schafft. 

Letzteres Vermögen tritt uns namentlich in den im frisch ge- 
brochenen und zerkleinerten Gestein gezogenen Pflanzenkulturen 
und ihrer Ernteprodukte entgegen, wie sie uns HAseLnorr dergestalt 
mitteilt. 

Derselbe erntete ohne Zugabe irgend welchen Düngers folgende 
Mengen Erntesubstanz in g bei Anwendung nachstehender unver- 
witterter Gesteinsart und Pflanzen. 


Buntsandstein Basalt Grauwacke Muschelkalk 
Pflanzenart: 
Bohne . ..... 31,4 8.3 14,7 10.0 
Erbse ..... . 356 19,3 23,3 17,6 
Lupine. ..... 47,7 7.4 15,0 3,6 
Gerste . 2 20. 1.6 1.6 1.9 3.1 
Weizen . . 2... 2,5 1,9 2.8 3,8 


Man sieht, daß der „Puntsandsteinboden® durchweg eine 
bessere Ernte erzielt hat als die drei übrigen Versuchsgesteine in 


— 491 — 


der Leguminosenernte erreicht er weitaus die höchsten Werte und in der- 
jenigen der Gramineen steht er den übrigen mit Ausnahme des 
Muschelkalkes keineswegs nach. Auch die Grauwacke zeigt hier 
die nämliche, für die Leguminosen allerdings etwas verminderte Er- 
scheinung. 

In den durch die Ernte den Gesteinen entzogenen Nährstoff- 
mengen für die oben genannten Pflanzen geht jedoch noch instruk- 
tiver das Verhältnis dieser Pflanzen zu den Gesteinen hervor. Es 
seien daher auch diese Ergebnisse mitgeteilt, doch bestimmte Haser- 
HOFF nur die von den Pflanzen aufgenommenen Mengen von Kalk 
und Kali, die Magnesia blieb unberücksichtigt. | 

Aufnahme an Ca: 


aus dem Bunt- Basalt Grauwacke Muschelkalk 


sandstein 

Bohne . . ..... 0,478 0,130 0,380 0,397 
Erbse .. % » 225% 0,572 0,336 0,547 0,548 
Lupine. . . 2... 0,984 0,224 0,539 0,114 
Gerste . . » 2.2. 0,019 0,095 0,129 0,031 
Weizen . ..... 0,026 0,010 0,010 0,027 
Aufnahme an K,O: 

Bohne . . ..... 0,197 0,115 0,175 0,012 
Erbse . . ..... 0,247 0,253 0,189 0,114 
Lupine. . ..... 0,410 0,084 0,118 0,019 
Gerste . . 2 2 2.0. 0,019 0,017 0,020 0,003 
Weizen . ..... 0,034 0,021 0,032 0,027 


Die aus diesen Befunden ableitbaren Schlüsse fassen wir am 
besten mit den eigenen Worten HAsELHoFF’s zusammen: 

„Nach obigen Untersuchungen ist der Buntsandstein das kalk- 
ärmste aller vier Gesteine, der Basalt ist zehnmal reicher daran 
(dieses bezieht sich natürlich nur auf den in Salzsäure löslichen 
Anteil d. Verf.). Grauwacke steht noch höher und der Muschelkalk 
am höchsten im Kalkgehalt. Vergleichen wir die durch die Bohne 
den Gesteinen entzogenen Mengen an CaO, so finden wir, daß hie 
in bezug auf die Kalkmenge eher das umgekehrte Verhältnis statt- 
findet, als wie beim Kalkvorrat im Boden, daß nämlich aus dem 
Buntsandstein die Bohnen den meisten Kalk entnommen haben, 
weniger aus dem Muschelkalk, dann aus der Grauwacke und am 
wenigsten aus dem Basalt. Darin liegt ein Beweis dafür, daß die 
Bohne sich den Kalk des Buntsandsteins hat leichter aneignen 
können, als den Kalk anderer Gesteine. Auch beim Kalı bestehen 
solche Unterschiede, wenn auch nicht in so erheblichem Maße wie 


beim Kalk.“ 


— 492 — 


Ähnliche Versuche wie diese werden auch schon früher von 
Tu. Dietrich angestellt. Er zog in frisch gebrochenem, noch völlig 
unverwittertem Sand, hergestellt aus Buntsandstein, Buchweizen, 
Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen und Lupinen. Durch die drei ersten 
Pflanzen erhielt er zwar fast gar keine Pflanzenproduktion, dagegen 
gaben Erbsen und Lupinen gute Erträge. Ein Resultat, was mit 
den Untersuchungen HaseLHorrs im allgemeinen übereinstimmt. 
10 Buchweizenpflanzen ergaben ein Trockensubstanzgewicht von nur 
0,5g, die Erbsen dagegen 5,7 g und die Lupinen 9,5 g, dabei führten 
die Erbsen 5°/o, die Lupinen 4°/o Mineralstoffe. Dietrich verglich 
die durch Erbsen und Lupinen aus dem Gestein löslich gemachten 
Mengen von Mineralstoffen mit denjenigen Bestandteilen, welche 
durch den Verwitterungsprozeß unter gleichen Verhältnissen inner- 
halb eines Jahres (in Wasser mit 0,3 Salpetersäure) frei geworden 
waren und fand, daß die vegetierenden Erbsen und Lupinen 
größere Quanten Mineralbestandteile löslich zu machen vermocht 
hatten als der Verwitterungsprozeß selbst, denn es wurden nach 
ihm gelöst: 


K,O CaO MgO P,O, 
durch die Verwitterung 
0,0388 0,4516 0.0892 0,0356 
unter dem Einfluß der Erbsen 
0,0684 0,5218 0,1230 0.0868 
desgl. Lupinen 
0,0920 0,4625 0,1332 0,0971 1 


Weiter fand er bei vergleichenden Pflanzenkulturversuchen auf 
grobgepulvertem Buntsandstein und Basalt eine beträchtliche Menge 
von Mineralstoffen durch die Pflanzen nicht nur leicht löslich ge- 
macht und aufgenommen, sondern auch noch im „Boden“ als solche 
vorhanden. 


Er verzeichnet hierfür nachstehende Werte, welche er dadurch 
erhielt, daß er von der Summe der in der Ernte enthaltenen und 
im Boden löslich gewordenen Mineralstoffe, diejenige Menge der 
Mineralbestandteile in Abzug brachte, welche durch den Samen in 
den Boden gelangte und welche lediglich durch den Einfluß der 
Atmosphäre löslich geworden war. 


1 Vergl. Th. Dietrich, Centralbl. f. Agr. Chem. VIII. 1875. S. 4—8. 


— 493 — 


So betrug die Menge der löslich gewordenen Mineralstoffe 


durch im Buntsandstein im Basalt 
3 Lupinen-Pflanzen. . .... . 0,6080 g 0,7492 g 
3 Erbsen- in a Bee 0,4807 „ 0,7132 „ 
20 Spörgel- Fe eani 0.2678 , 0,3649. „ 
10 Buchweizen--. . 22.2.0. 0,2322 , 0,3274 . 
4 Wicken- E a E rar 0.2212 , 0,2514 „ 
8 Weizen- a aE R 0,0272 „ 0,1958 „ 
8 Roggen- a a a E 0,0137 „ 0,1316 „! 


Zwar ist der Basalt von allen Pflanzen hiernach stärker ange- 
griffen worden als der Buntsandstein, dennoch war ein umgekehrtes 
Verhalten in den Erträgen zu erkennen. Die Pflanzenmasse war 
auf dem Buntsandstein-Standort eine kräftigere gewesen, auch war 
ihr prozentischer Mineralstoffgehalt ein höherer. Daraus schließt 
Dietrich, daß „das Verhältnis der Bestandteile des Sandsteins, in 
welchen diese löslich werden, der Aufnahme in die Pflanzenwurzeln 
günstiger ist“. 

Inzwischen — 2 Jahre nach diesen Aufzeichnungen — ist eine 
interessante Arbeit von HaseLuorr erschienen, welche sich ganz be- 
sonders eingehend mit diesen Verhältnissen beschäftigt. Aus dem 
umfangreichen Material entnehme ich nur das für meine Ausführungen 
wesentlichste und verweise im übrigen auf das Original? selbst. 

In seinen Versuchen bediente sich diesmal HAsSELHOFF un- 
zweifelhaft des unteren Buntsandsteins, wie aus der Bauschanalyse 
des Gesteins ersichtlich ist, denn Sandsteine mit nur 80,80°o SiO, 
und dagegen mit 7,10°o Al O, sowie 0,5°/ CaO, 3,67°%0 K,O und 
0,15% P,O, dürften nur der unteren Abteilung zuzurechnen sein. 
Sehr wünschenswert wäre es daher, wenn stets eine genaue An- 
gabe des geologischen Horizontes bei derartigen Untersuchungen bei- 
gegeben würde, denn wie aus dieser Arbeit hervorgehen dürfte, ge- 
nügt es keinesfalls, als Herkunftsquelle schlechthin Buntsandstein 
anzugeben, gleiches gilt auch für die übrigen Gesteine. Infolge 
solcher allgemeinen Angaben erhalten die sich darauf beziehenden 
Schlüsse, wie im vorstehenden Fall, eine Unsicherheit und Un- 
genauigkeit, die zu den schwersten Irrtümern führen können. Denn 
auch aus den neuen Angaben Hasrruorr's ist leider nicht zu erfahren, 
ob seine früheren Untersuchungen vom unteren oder mittleren Bunt- 


1 Vergl. Th. Dietrich, „Wirkung der Pflanzen auf die Zersetzung der 
Gesteine.“ I. Ber. aus Heidau S. 83 und Jahresber. Agr. Chem, 1864 S. 1—3. 

? E. Haselhoff, „Untersuchungen über die Zersetzung bodenbildender 
Gesteine.“ Landw. Versuchsstationen 1909, Bd. LXX. S. 53—143. 


— 492 — 


Ähnliche Versuche wie diese werden auch schon früher von 
Tu. Dietrich angestellt. Er zog in frisch gebrochenem, noch völlig 
unverwittertem Sand, hergestellt aus Buntsandstein, Buchweizen, 
Gerste, Hafer, Bohnen, Erbsen und Lupinen. Durch die drei ersten 
Pflanzen erhielt er zwar fast gar keine Pflanzenproduktion, dagegen 
gaben Erbsen und Lupinen gute Erträge. Ein Resultat, was mit 
den Untersuchungen HaseLHorr's im allgemeinen übereinstimmt. 
10 Buchweizenpflanzen ergaben ein Trockensubstanzgewicht von nur 
0,5g, die Erbsen dagegen 5,7 g und die Lupinen 9,5 g, dabei führten 
die Erbsen 5°/o, die Lupinen 4°/o Mineralstoffe. DiETRicH verglich 
die durch Erbsen und Lupinen aus dem Gestein löslich gemachten 
Mengen von Mineralstoffen mit denjenigen Bestandteilen, welche 
durch den Verwitterungsprozeß unter gleichen Verhältnissen inner- 
halb eines Jahres (in Wasser mit 0,3 Salpetersäure) frei geworden 
waren und fand, daß die vegetierenden Erbsen und Laupinen 
größere Quanten Mineralbestandteile löslich zu machen vermocht 
hatten als der Verwitterungsprozeß selbst, denn es wurden nach 
ihm gelöst: 


K,O Cao MgO P0; 
durch die Verwitterung 

0,0388 0,4516 0,0892 0,0356 
unter dem Einfluß der Erbsen 

0,0684 0.5218 0,1230 0.0868 
desgl. Lupinen 

0,0920 0.4625 0.1332 0,0971 1 


Weiter fand er bei vergleichenden Pfanzenkulturversuchen auf 
grobgepulvertem Buntsandstein und Basalt eine beträchtliche Menge 
von Mineralstoffen durch die Pflanzen nicht nur leicht löslich ge 
macht und aufgenommen, sondern auch noch im „Boden“ als solche 
vorhanden. 


Er verzeichnet hierfür nachstehende Werte, welche er dadurch 
erhielt, daß er von der Summe der in der Ernte enthaltenen und 
im Boden löslich gewordenen Mineralstoffe, diejenige Menge der 
Mineralbestandteile in Abzug brachte, welche durch den Samen in 
den Boden gelangte und welche lediglich durch den Einfluß der 
Atmosphäre löslich geworden war. 


1 Vergi. Th. Dietrich, tentralbl. f. Agr. Chem. VIII. 1875. S. 4—8. 


— 493 — 


So betrug die Menge der löslich gewordenen Mineralstoffe 


durch im Buntsandstein im Basalt 
3 Lupinen-Pflanzen. . . .. . . 0,6080 g 0,7492 g 
3 Erbsen- E E a E E 0,4807 „ 0,7132 . 
20 Spörgel- a ne 0,2678 „ 0,3649. „ 
10 Buchweizen-. . .. 2... 0,2322 ,„ 0,3274 „ 
4 Wicken- Re en 0,2212 „ 0,2514 „ 
8 Weizen- DEE Er ee N 0,0272 „ 0,1958 „ 
8 Roggen- RE Sr eN 0,0137 „ 0,1316 „! 


Zwar ist der Basalt von allen Pflanzen hiernach stärker ange- 
griffen worden als der Buntsandstein, dennoch war ein umgekehrtes 
Verhalten in den Erträgen zu erkennen. Die Pflanzenmasse war 
auf dem Buntsandstein-Standort eine kräftigere gewesen, auch war 
ihr prozentischer Mineralstoffgehalt ein höherer. Daraus schließt 
Dietrich, daß „das Verhältnis der Bestandteile des Sandsteins, in 
welchen diese löslich werden, der Aufnahme in die Pflanzenwurzeln 
günstiger ist“. 

Inzwischen — 2 Jahre nach diesen Aufzeichnungen — ist eine 
interessante Arbeit von Haszrnorr erschienen, welche sich ganz be- 
sonders eingehend mit diesen Verhältnissen beschäftigt. Aus dem 
umfangreichen Material entnehme ich nur das für meine Ausführungen 
wesentlichste und verweise im übrigen auf das Original? selbst. 

In seinen Versuchen bediente sich diesmal HASELHoFF un- 
zweifelhaft des unteren Buntsandsteins, wie aus der Bauschanalyse 
des Gesteins ersichtlich ist, denn Sandsteine mit nur 80,80°0 SiO, 
und dagegen mit 7,10°o Al,O, sowie 0,5°/, CaO, 3,67% K,O und 
0,15% P,O, dürften nur der unteren Abteilung zuzurechnen sein. 
Sehr wünschenswert wäre es daher, wenn stets eine genaue An- 
gabe des geologischen Horizontes bei derartigen Untersuchungen bei- 
gegeben würde, denn: wie aus dieser Arbeit hervorgehen dürfte, ge- 
nügt es keinesfalls, als Herkunftsquelle schlechthin Buntsandstein 
anzugeben, gleiches gilt auch für die übrigen Gesteine. Infolge 
solcher allgemeinen Angaben erhalten die sich darauf beziehenden 
Schlüsse, wie im vorstehenden Fall, eine Unsicherheit und Un- 
genauigkeit, die zu den schwersten Irrtümern führen können. Denn 
auch aus den neuen Angaben Haskriorr's ist leider nicht zu erfahren, 
ob seine früheren Untersuchungen vom unteren oder mittleren Bunt- 


mee 


! Vergl. Th. Dietrich, „Wirkung der Ptlanzen auf die Zersetzung der 
Gesteine.“ J, Ber. aus Heidau S. 83 und Jahresber. Agr. Chem. 1864 S. 1—3. 

? E. Haselhoff, „Untersuchungen über die Zersetzung bodenbildender 
Gesteine.“ Landw. Versuchsstationen 1909. Bd. LXX. S. 58—143. 


— 494 — 


sandstein ausgingen, so daß ich die auf Seite 488 angeführte Tabelle 
des Gesamtgehaltes seiner früheren Versuchsgesteine in ihrer Fassung 
belassen habe. 

HaseLHorrs Versuchsgesteine waren in seiner neuen Arbeit 
Buntsandstein von Gisselberg, Grauwacke von Cyriaxweimar, Muschel- 
kalk von Altmorschen und Basalt von Dreihausen. Die chemische 
Zusammensetzung dieser Gesteine war die folgende: 


Buntsandstein Grauwacke Muschelkalk Basalt 


o'o °o o'o 0o 
SiO, >... . . 80,80 66,40 1,80 41,90 
Ah O a mi 7,10 11,60 0,50 11,50 
Fez Oge... . 240 6,40 0,80 14,33 
Oron ae 0,50 3,30 52,90 11,00 
MO. yeus 0,65 2,47 0,64 13.17 
KOs er 3,67 1,74 0,34 1,90 
A a o ER i 1,21 3,75 0,19 3.60 
PO. aeee h 0,15 0,38 0,20 0,77 
SO ar aea 9049 0,31 0,39 0,58 


Nach vierjähriger Versuchsdauer waren aus diesen Gesteinen 
durch die Atmosphärilien gelöst worden. Die angewandte Korn- 
größe der Gesteinsbruchstücke betrug dabei 7,5—10,0 mm Durch- 
messer. 


Sidkénvanier a gelöste Mengen in g 

j er gelösten . Al, O; $ 
ii Bestandteile: SiO2 + Fe,0, CaO 
Buntsandstein . . . 0,8172 0,0182 0,0044 0,1800 
Grauwacke . . . . 2.9227 0,0235 — 1,0345 
Muschelkalk . . . . 2.9697 0.0015 — 1,3993 
Basalt s -ioa d- %-% 1.4282 0,0455 — 0,1339 


gelöste Mengen in g 
MgO K,0 Nas O SO, P,0, 


Buntsandstein . . . 0,0368 0,0173 0.0474 0.0148 0.0043 
Grauwacke. .. . . 0.1155 0,0104 0,0161 — 0,0011 
Muschelkalk . . . . 0,0393 0.0057 0.0037 — — 
Basalt 8 2% &% 0.4510 0,0540 0,1400 — — 


Der Verlauf dieses Vorganges ist durch nachstehende Tabelle 
gegeben, welche den gelösten Gesteinsanteil nach etwa 2 Jahren 
und zum Schluß der Versuchsdauer angibt. Hiernach nimmt die 
Auswaschung von Kalk und Phosphorsäure mit der Zeit zu, wo 
gegen Kali und Magnesia in der zweiten Periode weniger gelöst zu 
sein scheinen. Hiervon macht der Muschelkalk eine Ausnahme. 

Auswaschung in der I. Periode vom 2. Juni 1902 bis 
15. Oktober 1904: 


In g: Ca O MgO K,O P, O; 
Buntsandstein . 0,0725 0,0205 0,0110 0,0015 
Grauwacke . 0,5125 0,0600 0,0135 — 
Muschelkalk . . . . 0,6825 0,0020 0,0175 — 
Basalto . ...-.. 0,0500 0,2410 0,0305 — 

Auswaschung in der lI. Periode vom 15. Oktober 1904 bis 
2. Juni 1906. 
Buntsandstein . . . 0,1077 0,0163 0,0063 0,0027 
Grauwacke 0,5220 0,0555 — 0,0031 
Muschelkalk . . . . 0,7168 0,0373 — 0,0018 
Basalt ...... 0,0839 0,2160 0,0235 0,0015 
Da die Gesamtmenge in den Versuchsgesteinen betrug 
In g: Ca 0O Mg O K.O P,O, 
Buntsandstein . . ... 41,6 46.4 10,9 5,0 
Grauwacke . . 2... 369,0 230,4 12,2 17,3 
Muschelkalk . . ... . 5852,0 55,1 6,5 Sp. 
Basalt . . en aaa‘. 262.5 98,7 237,3 37,8 


so werden durch die Atmosphärilien folgende Mengen in Prozenten 
der Gesamtmenge gelöst. 


in °/o CaO MgO K,O P: 0; 
Buntsandstein . .... 0,433 0,073 0,159 0,086 
Grauwacke . .. a.a. 0,280 0,050 0,085 0,006 
Muschelkalk . ..... 0,024 0,071 0.088 — 
Basalt scans sce u % 0,051 0,463 0,023 — 


Auch hier fällt wieder die größere Löslichkeit des Buntsand- 
steins auf und die geringe Löslichkeit des Muschelkalkes und 
Basaltes. Die Gauwacke steht in diesem Verhalten dazwischen. 
Auch HaseLnorr spricht sich bezüglich der geringen Löslichkeit des 
Kalkes im Muschelkalk im Verhältnis besonders zum Buntsandstein 
dahin aus, daß „sie im wesentlichen darin begründet sein“ wird, 
„daß ım Muschelkalk derselben Menge des Lösungsmittels eine er- 
heblich größere Menge Kalk entgegenwirkt, als im Buntsandstein.“ 

Die mit den Gesteinen ausgeführten Vegetationsversuche lassen 
ebenfalls die „leichtere Aufschließbarkeit des Buntsandsteins im Ver- 
gleich mit den übrigen Gesteinen“ erkennen und stimmen damit 
mit den Resultaten der früheren Versuche HaseLnorr’s und DIETRICH'S 
überein. Zu seinen Vegetationsversuchen verwandte HaseLHOFF dies- 
mal die Gesteine in zwei verschiedenen Korngrößen und konnte zu- 
folge dessen feststellen, daß das feinkörnigere Gestein durchweg 
günstiger als das grobkörnige gewirkt hat, was wahrscheinlich da- 
durch zu erklären ist, daß „den Pflanzenwurzeln in den feineren 
Gesteinskörnern eine größere und leichtere Angriffsläche geboten 


— 496 — 


ist, als in den gröberen Gesteinsstücken.“ Das Mittel der Ernte- 
erträge aus je 3 Töpfen in g gibt folgende Tabelle an: 


Grobkörniges Gestein 5.0--7,5 m 


Buntsandstein Grauwacke Muschelkalk Basalt 
Ackerbohne. . . . 31,0 8,5 7,3 6.9 
Erbse + 2 uw &% 36.4 24,0 14,2 18,1 
Lupine 46,6 12,7 3,1 6,4 
Gerste . . 2.2... 1.5 1.8 2,5 1,0 
Weizen . ...» 2,4 2,5 2,1 2.3 

Feinkörniges Gestein 0,5—5,0 mm 

Buntsandstein Grauwacke Muschelkalk Basalt 
Ackerbohne . 31,8 20,9 12,6 97 
Erbse . . .... 34,7 22,7 21,0 20,5 
Lupine. ..... 48,8 17,3 4,0 8.4 
Gerste . ..... 1,7 2,0 3,6 2.1 
Weizen ..... 2,5 3,1 3,4 3,5 


Und zwar waren durch die Ernten den Gesteinen an Nähr- 


stoffen entzogen worden in g pro Topf: 


durch: Erbse Ackerhbohne Lupine Gerste Weizen 
aus dem Buntsandstein: 
IN. 0. er 1,033 0,957 1,266 0.026 0,033 
Ca O 0,668 0,536 1.116 0,023 0,030 
Mg O 0,215 0,152 0.326 0,015 0,010 
K.O 0,310 0.264 0,475 0,025 0,043 
P, 0; . 0,324 0,259 0,427 0,023 0,053 
aus der Grauwacke: 
N! Bee 0,437 0.394 0,286 0,015 0,020 
Cal)... . 0,626 0,428 0585 0,014 0,015 
Mg Oo 0,102 0.072 0.093 0,023 0.013 
K,O 0.239 0,235 0,140 0,027 0,040 
POs - 0,053 0,034 0,034 0.007 0,008 
aus dem Muschelkalk: 
N: ad 0.319 0,254 0,060 0,024 0,032 
Ca 0 0,863 0,808 0.256 0.039 0,027 
MgO 0.102 0.044 0.289 0.016 0.014 
K,0 0.159 0.053 0.036 0,034 0.035 
P,O... . 0078 0,038 0.020 0,009 0.008 
aus dem Basalt: 
Narahı 0.378 0.213 0,122 0,014 0.021 
CaO... . 0401 0,152 0.267 0,021 0.019 
Mg oO 0,197 0.149 0.148 0.016 0,019 
K,0 0,313 0,176 0,112 0,024 0,045 
PO.. 0,048 0.033 0.023 0,006 0.007 


Noch schärfer wie in obigen Zahlen tritt die dem Gestein durch 
die Pflanzen entnommene Nährstoffmenge hervor, wenn man diese 


— 49 — 


mit der im Gestein enthaltenen Menge in Vergleich setzt und angibt, 
wie viel Prozent sie von jener ausmacht. Für den Kalk ergibt sich 
in dieser Weise berechnet folgendes Bild: 


Erbse Bohne Lupine 
haben entzogen o/o alo o'o 


des in des in des in 
der Gesamt- HCI lösl. der Gesamt- HCI lösl. der Gesamt- HCI lösl. 


menge Anteils ar Anteils menge Anteils 
Buntsandstein . 1,473 2,833 1,175 2,261 2,469 4,748 


Grauwacke . . 0,179 0,289 0,121 0,196 0,167 0,269 
Muschelkalk . . 0,015 0,025 0,014 0,024 0.004 0.008 
Basalt . . . . 0,029 0,260 0,016 0,144 0,009 0,081 
Gerste Weizen 
haben entzogen lo % 
der (resamt- ne un der Gesamt- no li 
MENER Anteils menes Anteils 
Buntsandstein . . 0,047 ` 0,090 0,062 0.119 
Grauwacke . . . 0,003 0,006 0,004 0,006 
Muschelkalk . . . 0,001 0,001 0.004 0,001 
Basalt . .... 0,001 0,008 0,002 0,013 


Fassen wir die Ergebnisse dieser Untersuchungen zusammen, 
so lehren sie ebenfalls, daß von den untersuchten Gesteinen der 
Buntsandstein seine Bestandteile am leichtesten an die Pflanzen ab- 
gibt. Auch vermochte Hasetnorr ferner nachzuweisen, daß „die 
Mengen der von den Pflanzen aufgenommenen Gesteinsbestandteile 
ähnliche Beziehungen zeigen, ‘wie die durch die Atmosphärilien ge- 
lösten Bestandteile“. Die vielen und eingehenden Vegetations- 
versuche, welche HaseLHorr außerdem mit den vier Versuchsgesteinen 
ausführte und welche hauptsächlich den Einfluß des Fruchtwechsels 
auf die Zersetzung der Gesteine klarstellen sollten, ergaben gleich- 
falls das in der nämlichen Richtung liegende Resultat, nämlich, daß 
der Buntsandstein auch hier am günstigsten gewirkt hat. Es dürfte 
sich also auch aus den neuen Arbeiten Hasenorr's die leichtere 
Zugänglichkeit der im Buntsandstein enthaltenen Nährstoffe gegen- 
über denjenigen in den drei anderen Versuchsgesteinen ergeben. 


1 Es möge an dieser Stelle erlaubt sein zu bemerken, daß die seiner- 
zeit von mir zur Feststellung der „verkittenden Bindemittelsubstanz* beim Bunt- 
sandstein angewandte Methode (Auszug eines bestimmten Gesteinsanteils mit 
Salzsäure etc.) nicht auf andere Gesteine, wie dieses von Haselhoff geschehen 
ist, übertragen werden kann. Denn weder beim Basalt noch beim Muschelkalk 
kann von einem Bindemittel gesprochen werden. 

Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 32 


— 499 — 


die schnelle Verarmung solcher Böden an Nährstoffen leichter be- 
greifen können, da, wenn der Nährgehalt der Bindemittel erschöpft 
ist, keine weitere Substanz diesen Verlust zu decken vermag. Nur 
das Kali kann in unserem Fall eine Ausnahme machen und „nach- 
wachsend“ wirken, weil es in den zuweilen recht häufig auftretenden 
Feldspatbrocken der Sandsteine zum Teil seinen Sitz hat. Betrachtet 
man von diesem Gesichtspunkt aus die von WOHLTMANN' mitgeteilten 
Untersuchungsergebnisse über das Verhältnis der geologischen Her- 
kunft eines Bodens und der von ihm aufgestellten chemischen Bonität 
zur Katasterbonität, so fällt namentlich die Tatsache auf, daß die 
bindemittelführenden Sandsteine, wie Grünsandstein, Kohlensandstein 
und Buntsandstein Böden von weit höherer Katasterbonität erzeugen, 
als nach ihrer petrographischen Beschaffenheit wie chemischen Bonität 
zu erwarten ist. Es dürfte nach dem Voraufgegangenen als sicher 
anzunehmen sein, daß diese Erscheinung eng mit dem Vorhandensein 
eines Bindemittels der Muttergesteine im Zusammenhang steht. 
Aber auch in der Natur selbst sehen wir einen Vorgang vor 
unseren Augen sich vollziehen, der gleichfalls für die leichte Lösbar- 
keit der Nährstoffe unseres Sandsteins spricht. Das Auftreten 
des Ortsteins in den tieferen Schichten des Buntsandsteinbodens 
läßt uns die leichte Lösung und Wanderung der aus dem Binde- 
mittel stammenden Stoffe erkennen. Nun ist zwar die Ortstein- 


Pflanzen ermöglichte ein nachfolgendes besseres Wachstum des oberirdischen 
Teils, welches durch die immer mehr fortschreitende Entwicklung des Wurzel- 
systems begünstigt wurde. Bei dem Buntsandsteinboden war also eine grüßere 
Wurzelhaaroberfläche vorhanden als bei dem Lehm, und es war deswegen bei 
dem Buntsandstein eine größere Zahl der Bodenpartikel unmittelbar in Berührung 
mit den Wurzelbaaren, durch deren Tätigkeit ein Teil der in dem Bodenwasser 
` unlöslichen Bodenbestandteile für die Pflanzen nutzbar gemacht werden kann.“ 
Diese Erklärung dürfte aus dem Grunde schon nicht ganz zureichend sein, weil 
der zu ihren Versuchen dienende Muschelkalkhoden ebenfalls eine bessere Nähr- 
stoffausnutzung durch die gleichen Pflanzen gezeigt hat wie der Lehiboden, 
und der Muschelkalkboden wohl kaum auch eine „porüse“ Bodenbeschaffenheit 
gleich dem des Buntsandsteins aufgewiesen haben dürfte, Sodann teilen die Ver- 
fasser mit, und dieses dürfte wiederum für das Bindemittel sprechen, daß „ob- 
gleich der Muschelkalk mehr „Gesamt-P, 0,“ als der Buntsandstein enthält, sein 
Gehalt an leicht löslicher P,O; nur ungefähr ein Drittel von dem des Bunt- 
sandsteins“ beträgt, „und während der Lehm 2!/2mal soviel „Gesamt-K, O“ als 
der Buntsandstein enthält, ist sein Gehalt an leicht löslichem K,O nur *'4 von 
dem des Buntsandsteins.“ (J. H. Pettit, Ref. B. Tollens) „Beiträge zur 
Bodenanalyse“ Journal für Landwirtschaft. Bd. 17. 1909. S. 261 u. 262. 

! Vergl. F. Wohltmann, „Das Nährstoffkapital West-Dentscher Böden.“ 
Bonn 1901. 


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die schnelle Verarmung solcher Böden an Nahrtelten bachtor hm 
greifen können, da, wenn der Nährgehnlt der Bindert ere hopt 
ist, keine weitere Substanz diesen Verlunt zu decken vermag Nin 
das Kali kann in unserem Fall eine Ausnahme machen nnd onh 
wachsend“ wirken, weil es in den zuwerlen recht Bunnlige suhtsetenden 
Feldspatbrocken der Sandateine zum Tel seinen Sitz hat Fatini hitet 
man von diesem Gesichtspunkt ans die von Wanna wart" mty hellen 
Untersuchungsergehnisse über das Verhaltnis der gerloyiehen Wei 
kunft eines Bodens und der von ihin aufgestellten chemszchen Bintal 
zur Katasterbonität, so fallt namentlich de Tatsache and. dah hun 
bindemittelführenden Sand-teine. wie Grunzandatern, Vornlenzanmdettin 
und Buntsandstein Böden von weit hunerer Vataste tiems ar srp unn, 
ala nach ihrer petrographischen Bezenatter test nu ent ton Siit at 
zn erwarten let. Fa dürfe nach dem weorantyezans seh na siwr 
anzanebLisen sen. dab dere Beate arg er y nr Hein Wrrbarnthen? N 
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— 498 — 


Vom pflanzenphysiologischen Standpunkte könnte man gewiß 
mit diesem Erfolg zufrieden sein, doch scheinen die Ergebnisse der 
Pflanzenkulturversuche im unverwitterten Gestein noch von größerer 
Tragweite zu sein, wenn man ihre Resultate in kausale Beziehung 
zur Petrographie der Gesteine selbst zu setzen versucht. Denn es 
scheint nicht reiner Zufall zu sein, wie es die Beobachtungen zeigen, 
daß gerade die mit einem Bindemittel versehenen Gesteine ihre Nähr- 
stoffe leicht abzugeben vermögen. Buntsandstein und Grauwacke., 
zwei klastische Gesteine, deren Pflanzennährstoffreichtum, als allge- 
mein anerkannt, für gering gilt, vermögen den Pflanzen mehr Nahrung 
darzubieten, wie der an Nährstoffen so reiche Basalt, der als eruptives 
Magma von homogener Beschaffenheit eines Bindemittels entbehrt 
und als der Muschelkalk, der als zoogenes Seaiment ebenfalls kein 
solches aufzuweisen hat. Die im allgemeinen etwas geringer ge- 
fundenen Werte der Nährstoffaufnahme für Kalk und Kalı aus der 
Grauwacke gegenüber Buntsandstein (nach HaseLnorr) lassen sich 
ungezwungen aus der größeren Bindemittelarmut der ersteren er- 
klären und dürften auch darin eine Stütze finden, daß das Binde- 
mittel der Grauwacken teilweise in kristalliner Ausscheidung fest- 
gelegt ist!. Gewiß gehören die Buntsanasteinböden nicht zu den 
kräftigsten, doch müßte, wenn allein der Gehalt an Nährstoffen der 
Quantität nach hierfür ausschlaggebend wäre, ihr Verhältnis zur 
Pflanzenwelt noch ein weit unbefriedigenderes sein, als es tatsäch- 
lich ıst. Daß dem aber nicht so ist, kann nur seine Ursache in 
der leichteren Zugänglichkeit der Nährstoffe für die Pflanzen, bedingt 
durch den stofflichen Aufbau und Anordnung der Muttergesteine in 
dieser Richtung, haben. Durch die Auffassung aber, daß die leichtere 
Zugänglichkeit der Nährstoffe in an Nährstoffen armen Gesteinen 
mit reichlichem Bindemittel eine Folge der Natur dieses Bindemittels 
ist, glaube ich, dem Verständnis dieser Erscheinung etwas näher zu 
kommen®. Andererseits wird man aber auch nach diesem Vorgange 


! Vergl. H. Rosenbusch, 1. c. S. 393 und Credner, Elemente der 
Geologie. S. 115. 

2 Pettit und Tollens, die in einer ganz nenen Arbeit die leichtere 
Nährstoffaufnahme der Pflanzen aus Buntsandsteinboden gegenüber Lehmboden 
ebenfalls beobachten konnten, glauben diesen Unterschied auf die mechanische 
Zusammensetzung dieser Böden zurückführen zu müssen. „Bei dem porösen 
Buntsandsteinboden begegnen die empfindlichen Wurzelhaare der Keimlinge 
nicht einem so großen Widerstand wie bei dem dicht zusammengedrängten 
Lehmboden, folglich war ihre Entwicklung eine vollkonmenere auf dem Bunt- 
sandstein als auf dem Lehm. Die stärkere Wurzelentwickluug der jungen 


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— 499 — 


die schnelle Verarmung solcher Böden an Nährstoffen leichter be- 
greifen können, da, wenn der Nährgehalt der Bindemittel erschöpft 
ist, keine weitere Substanz diesen Verlust zu decken vermag. Nur 
das Kali kann in unserem Fall eine Ausnahme machen und „nach- 
wachsend“ wirken, weil es in den zuweilen recht häufig auftretenden 
Feldspatbrocken der Sandsteine zum Teil seinen Sitz hat. Betrachtet 
man von diesem Gesichtspunkt aus die von WoHLTMANN' mitgeteilten 
Untersuchungsergebnisse über das Verhältnis der geologischen Her- 
kunft eines Bodens und der von ıhm aufgestellten chemischen Bonität 
zur Katasterbonität, so fällt namentlich die Tatsache auf, daß die 
bindemittelführenden Sandsteine, wie Grünsandstein, Kohlensandstein 
und Buntsandstein Böden von weit höherer Katasterbonität erzeugen, 
als nach ihrer petrographischen Beschaffenheit wie chemischen Bonität 
zu erwarten ist. Es dürfte nach dem Voraufgegangenen als sicher 
anzunehmen sein, daß diese Erscheinung eng mit dem Vorhandensein 
eines Bindemittels der Muttergesteine im Zusammenhang steht. 
Aber auch in der Natur selbst sehen wir einen Vorgang vor 
unseren Augen sich vollziehen, der gleichfalls für die leichte Lösbar- 
keit der Nährstoffe unseres Sandsteins spricht. Das Auftreten 
des Ortsteins in den tieferen Schichten des Buntsandsteinbodens 
läßt uns die leichte Lösung und Wanderung der aus dem Binde- 
mittel stammenden Stoffe erkennen. Nun ist zwar die Ortstein- 


Pflanzen ermöglichte ein nachfolgendes besseres Wachstum des oberirdischen 
Teils, welches durch die immer mehr fortschreitende Entwicklung des Wurzel- 
systems begünstigt wurde Bei dem Buntsandsteinboden war also eine grüßere 
Wurzelhaarobertläche vorhanden als bei dem Lehm, und es war deswegen bei 
dem Buntsandstein eine größere Zahl der Bodenpartikel unmittelbar in Berührung 
mit den Wurzelbaaren, durch deren Tätigkeit ein Teil der in dem Bodenwasser 
unlöslichen Bodenbestandteile für die Pflanzen nutzbar gemacht werden kann.“ 
Diese Erklärung dürfte aus dem Grunde schon nicht ganz zureichend sein, weil 
der zu ihren Versuchen dienende Muschelkalkboden ebenfalls eine bessere Nähr- 
stoffausnutzung durch die gleichen Pflanzen gezeigt bat wie der Lehmboden, 
und der Muschelkalkboden wohl kaum auch eine „poröse* Bodenbeschaffenheit 
gleich dem des Buntsandsteins aufgewiesen haben dürfte. Sodann teilen die Ver- 
fasser mit, und dieses dürfte wiederum für das Bindemittel sprechen, dab „ob- 
gleich der Muschelkalk mehr „Gesamt-P, O,“ als der Buntsandstein enthält, sein 
Gehalt an leicht löslicher P,O; nur ungefähr ein Drittel von dem des Bunt- 
sandsteins“ beträgt, „und während der Lehm 2!’ mal soviel „Gesamt-K, O“ als 
der Buntsandstein enthält, ist sein Gehalt an leicht löslichem K,O nur °'s von 
dem des Puntsandsteins.*“ (J. H. Pettit, Ref. B. Tollens) „Beiträge zur 
Bodenanalyse“ Journal für Landwirtschaft. Bd. 17. 1909. S. 261 u. 262. 

1 Vergl. F, Wohltmann, „Das Nährstoffkapital West-Dentscher Böden.“ 
Bonn 1901. 

32% 


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— 500 wur ae 


bildung! nicht ausschließlich auf bindemittelführende Sandsteine be- 
schränkt, denn wie schon das Auftreten desselben lehrt, sind seine 
häufigsten Vorkommnisse im norddeutschen Diluvium bekannt, in 
welchem von Sandsteinen überhaupt keine Rede sein kann. Hier 
sind es aber doch auch fast nur Sande allein, die diese für den 
Waldbau so unangenehme Erscheinung zeitigen, und ihr hoher Ge- 
halt an leicht löslichen Eisenverbindungen, der aus dem bei ihrer 
Bildung entstandenen Aufbereitungsschutt primärer Gesteine stammt, 
gibt der Hauptsache nach die Veranlassung zur Entstehung des Ort- 
steins. Hier wie dort spielt aber die lösende Eigenschaft der Humus- 
säuren die Hauptrolle. Nämlich überall dort, wo sich der Wald- 
boden des Buntsandsteins mit einer Schicht von Rohhumus bedeckt, 
was unter gewissen Verhältnissen namentlich im Gebiete des mittleren 
Buntsandsteins der Fall ist, dort sind auch die Bedingungen zur 
Bildung des Ortsteins gegeben. Die sich aus dem Rohhumus bil- 
denden Humussäuren wirken in Gemeinschaft mit Kohlensäure und 
Wasser energisch lösend auf die den Rohhumus direkt unterlagernden 
Gesteins- oder Bodenschichten ein, wodurch eine rasch fortschrei- 
tende Verwitterung derselben eingeleitet wird und eine beschleunigte 
Auswaschung des Bodens bezw. Gesteins erfolgt. Die lösende Ein- 
wirkung auf die Eisenverbindungen der oberen Lagen ist namentlich 
auf den Abschluß der Luft durch die Humusschicht zurückzuführen. 
denn da das Eisen des Bodens zunächst durch die Humussubstanzen 
zu leichtlöslichen Ferrosalzen reduziert wird und aus Mangel an oxy- 
dierender Luft nicht sogleich wieder in schwerlösliche Ferriverbin- 
dungen überführt werden kann, so geht dasselbe zunächst gelöst in 
den Untergrund, wo es erst später festgelegt wird. Denn nach dem 
Vorgang von A. Meyrer? dringt in den trockenen Jahreszeiten der 
Luftsauerstoff ungehindert. in die unteren Schichten ein und bringt 
dann die gelösten Stoffe zur Ausscheidung und Absatz, indem er 
die Humussäure durch Oxydation als unlösliches Ferrihumat ausfällt 
und dadurch die bis dahin lockeren Sande verkittet. Bei diesem 
Vorgang ist die geringe Menge von Feinerde, wie sie der mittlere 


‘ E. Ramann, „Bodenkunde.“ S. 162—168, E. Ramann, Jahrb. d. 
preuß. geol. Landesanstalt 1885. K.v. Zimmermann. „Über die Bildung von 
Ortstein im Gebiet des nordböhmischen Wuadersandsteins.“* Leipa 1904 und Graf 
Leiningen, „Bleisand und Ortstein am Peißenberg.*“ Naturw, Zeitschrift f. 
Land- u. Forstwirtschaft. 1906. S. 214—217. 

? Vergel. A. Meyer, „Bleisand und Ortstein.* Landwirtschaftliche Versuchs- 
station. Bd. LVIII. S. 88. 


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Buntsandsteinboden führt, von ganz besonderer Bedeutung’, und 
durch ihn erklärt es sich, daß die eigentliche Ortsteinbildung auch 
nur in seinem Gebiete und nicht im oberen und unteren Sandstein 
vorkommt. Wie das Eisen, so werden auch die übrigen leichter 
Aöslichen Stoffe, wie Kali, Kalk, Magnesia und Phosphorsäure, in die 
unteren Schichten geführt und dortselbst ausgeschieden. Wir haben 
es demnach bei der Ortsteinbildung mit vier charakteristischen 
Schichten zu tun, erstens der Rohhumusschicht, zweitens der ver- 
witternden und ausgewaschenen Schicht, die als Bleisand wegen 
ihrer hellen Färbung benannt wird, drittens der Schicht, in welcher 
die Ausscheidung stattfindet, dem Ortstein, und viertens, wenn man 
will, der unter diesem befindlichen normalen, von den genannten 
Einflüssen unberührten Schicht. 

Ein solches typisches Profil für den mittleren Buntsandstein 
schildern Scaumiptr und Rau vom „Heinzelbergsträßle“ im östlichen 
Schwarzwald. „Unter einem lichten, über 100jährigen Mischbestand 
von Forchen und Fichten breitet sich die bekannte Bodendecke des 
Schwarzwaldes aus: Heidekraut, Heidelbeerstauden, Adlerfarn und 
Moos. Solche Stellen des Waldes bezeichnet der Einheimische als 
hardtig. Im wesentlichen aus abgestorbenen Teilen dieser Pflanzen, 
daneben auch aus den abgefallenen Nadeln, Zweigen, Zäpfchen und 
Rindefetzen der Bäume setzt sich eine 10—20 cm dicke dunkel- 
braune Rohhumusschicht zusammen, welche gegen unten weiße Sand- 
körner beigemischt enthält. Darunter folgt eine 20—45 cm mächtige 
lockere, ziemlich reine Sandschichte von ausgesprochen weißgrauer 
Farbe mit nur wenig rötlicher Tönung. Hierunter, also in einer 
Tiefe von 40—60 cm, ändert sich plötzlich die Farbe und Festigkeit 
des Bodens vollständig. Es kommt eine 20—50 cm umfassende 
rostrote bis rostbraune Lage von steinhart verkittetem Sandschutt, 
welcher nach der Tiefe allmählich an Härte abnimmt. Auch die 
Farbe ändert sich von oben gegen unten aus ihrem tiefen Rostrot 
in ein weniger auffallendes Braunrot und geht schließlich nach etwa 
lja bis 1 m in die mehr rosarote ursprüngliche Farbe des Buntsand- 
steinschuttes über.“ ” 

Die Mächtigkeit der Bleisandzone beträgt nach K. REGELMANN 
im Schwarzwald im Gebiet des mittleren Buntsandsteins 30—60 cm, 
kann jedoch auch mitunter bis auf 80 und 100 cm anwachsen. Die 

ı Vergl. Regelmann, Erl. zu Bl. Obertal-Kniebis. S. 138. 


2 Schmidt und Rau, Erl. zu Bl. Freudenstadt. S. 76. 
3 Vergl. K. Regelmann, Erl. zu Bl. Obertal-Kniebis. 


— 502 — 


Ortsteinschicht erreicht dagegen meist nur eine solche von 10—20 x 
schwillt aber wohl manchmal auch bis zu 50, ja 80 cm an. 

Die chemische Seite des Vorganges erfahren wir u. a. du: 
Analysen von Ortstein nebst Bleisand und Untergrund aus dem Bur 
sandstein des Schwarzwaldes von M. Heısic', welcher den in Sal: 
säure löslichen Anteil dieser Schichten bestimmte. 


Bleisand Örtstein Untergrund 
K,O... 0,0244 0,0843 0,0746 
(61:7 0 s a me 0,0360 0,1110 0.0400 
MgO... .. . 0,0229 0,1856 0,0465 
26.0. 2.205 0,1610 1,2575 0,2414 
AlO. ©... 0,3387 3,7219 0,5634 
PO,» 0,0153 0,0636 0,0340 
Gesamtmenge . . 0,5983 5,1329 0,9999 
Organ. Stotte . . 2,2300 7,5200 1,1500 


Die durch diesen Vorgang hervorgerufene physikalische Ver- 
änderung der Schichten erfahren wir aus diesbezüglichen Angaben 
REGELMANN’S ®. 

Vorkommen: Sesterteich, nördlich Mitteltal. 


Bleisand Ortstein Normaler mittlerer Buntsand- 
Aus einer Tiefe von: 20—35 40—50 steinschutt 80 cm 
über 2 mm 6,8 5,6 4,6 
Ed ; 4.4 7,6 3,8 
> MD: 4 9,0 12,0 16,4 
. 01. 71,6 63,2 64,2 
„ 005 . 5,0 6,0 5,6 
.. 001., 2.4 4,2 3,8 
unter 0,01 „ 0.8 14 1,6 


Ferner teilt HorxßErGEr® eingehende Untersuchungen über die 
Zusammensetzung von Bleisand- und Ortsteinbildungen im Bunt- 
sandsteingebiet des Kaufunger Waldes mit, die zur Ergänzung des 
bisher Mitgeteilten an dieser Stelle Platz finden mögen. 

Die von ihm untersuchten Bildungen gehören ebenfalls dem 
mittleren Buntsandstein an und entstammen der nordöstlichen Ab- 
dachung des Kaufunger Waldes in etwa 300 m Höhe im Revier 


1 Vergl. M. Helbig, „Örtsteinbildung im trebiete des Buntsandsteins.” 
Zeitschr. f. Forst- und Jagdwesen. 1903. S, 273 und Graf Leiningen, 1. c. 8.210. 

= Vergl. Regelmann, Erl. zu Bl. Obertal-Kniebis. S. 148. „Der Bleisand 
ist graulichweiß und reagiert mit NH, nicht auf Humusstoffe. Die Analyse 
des Ortsteins bezieht sich auf eine mit NH, behandelte Probe.. 

* Hornberger, „Ein Beitrag zur Kenntnis der Zusammensetzung V ` 
Buntsandsteinböden.“ Zeitschr, für Forst- u. Jagdwesen, Jahrg. 40. 1908. S. 9%- 


— 503 — 


Kattenbühl. Sein Boden I war mit 10—15 cm Rohhumus und Moos 
bedeckt, unter welcher Schicht bis zu einer Tiefe von etwa 45 cm 
„ausgebleichter weißgrauer Sand mit z. T. großen Gesteinsbrocken“ 
folgte, „dann eine mechanisch ebenso beschaffene 15—20 cm mäch- 
tige Schicht mit braunen Ortsteineinlagerungen, darunter gelber Sand 
mit Steinen.“ Der Boden selbst trug zur Zeit der Probeentnahme 
90jäh rigen Fichtenbestand. Sein Boden II war einer abgeholzten, 
kahl liegenden Fichtenfläche entnommen, er war von bindiger sandig- 
toniger Beschaffenheit, gemengt mit vielen und z. T. großen Ge- 
steinsfragmenten. | 
Da die Ortsteinschicht nicht nur aus Ortsteinmaterial, sondern 
auch aus unveränderten Sandsteinbrocken und nicht durch Humus 
verkittetem, gelben Sand bestand, so wurden zu ihrer Untersuchung 
nur die braunen Brocken und Bröckchen herausgelesen, und die sie 
teils führenden braunen Steinkerne von ursprünglicher Härte des 
Sandsteins ebenfalls ausgeschieden, so daß nur braunes, mürbes 
Material, das durch das Feinerdesieb (2,7 mm) hindurchgeschlagen 
werden konnte, zur Analyse verwandt wurde. Für die mechanische 
Analyse wurde der Ortstein durch Ammoniak von seinen störenden 
Humussubstanzen befreit. Die chemische Analyse wurde derartig 
ausgeführt, daß die in kalter konzentrierter Salzsäure vom spez. 
Gew. 1,15, in heißer konzentrierter Salzsäure, in heißer konzen- 
trierter Schwefelsäure und in Fluorwasserstoftsäure sich lösenden 
Teile der Stoffe einzeln nacheinander bestimmt wurden. 
HoRNBERGER's mechanische Analyse ergab folgende Resultate, 
das Schlämmen geschah im Scnöxe schen Apparat: 


In °/, der Feinerde: 


Steine Fein- Sand Tonbaltige Teile 

und erde sehr mittel- sehr feinste 

Kies unter grober grober feiner feiner feiner Staub Teile 

über 2,7 mm 2,7mm 2,7--] 1—0,5 0,5—1,2 0,2—0,1 0,1—-0.05 0,05—0,01 unter 
0/0 0/0 mm mm mm mın mm mın 0—0,1] mm 


Boden I, 
Bleichsand 21,75 7825 6.30 18,92 38.46 593 296 14.56 12,86 
Ortstein — z 3,88 19,06 38.29 776 769 9,93 13.38 
Untergrund 26,83 73,17 6,40 26,73 35.65 4.43 2,83 13,40 10,55 

Boden II. 

Oberboden 46,70 53.30 5,73 13,32 15,05 7,97 10,06 23,82- 2404 
Untergrund 54,10 45,90 5,37 8,22 11,18 9,04 11,92 22.46 31,81 


In °/o des lufttrockenen Bodens: 
Boden I, 
Bleichsand 21.75 7825 4,93 14,80 30.09 464 2.32 11,39 10,06 
Untergrund 26,83 73,17 4,68 19,56 26,08 3.24 2,07 9,80 1,12 
Boden II. 
Oberhoden 46,70 5310 305 710 802 425 536 1270 12,81 
Untergrund 54,10 45,90 2,46 3,77 513 415 547 1031 14.60 


504 


Je 100 Teile der lufttrockenen Feinerde enthalten: 


Boden I, Boden Il. 
Bleichsand Ortstein Untergrund Oberboden Untergrund 
Glühverlust . . . . 4,433 10,669 2,366 4,434 3L 8 
Chem. geb. H,O. . 0,003 0,843 0,768 1,542 2.317 
Hygr. geb. H,O. . 0,805 2,990 0,690 1,080 1,200 
Humussubstanz 3,625 6,836 0,908 1,812 0,35 
Stickstoff... . . . 0,063 0,123 0,023 0,050 0,021 
a) in kalter konzentrierter Salzsäure wurden gelöst: 
KO wie 0,008 0,012 0,011 0,015 0,037 
NaO 222.2. 0,007 0,008 0,006 0,011 0,013 
Oaea aias 0.011 0,012 0,011 0,012 0,020 
MgO. oaaae. 0,004 0,024 0,048 0,048 0,097 
Mnp Oo o eaa 0,002 0,032 0,010 0,115 0,050 
Be; 0 iaa 0,060 1,435 0.513 0,995 1,624 
Be 0,045 1,134 0,714 0,914 0.899 
0 RE 0.008 0,035 0.011 0.039 0.020 
EEEE 0,011 0.020 0,019 0,024 0,013 
SOSE re 0,010 0,006 0,005 0,007 0.008 
0,166 2,718 1,348 2,180 2,081 
b) in heißer konzentrierter Salzsäure wurden gelöst: 
KO 0,054 0,049 0,052 0,067 0.162 
NO: warn 0,062 0,026 0,024 0,014 0.012 
BO. 0,014 0,022 0,034 0.046 0.059 
MgO. o 2.2... 0,013 0,076 0,090 0,124 0,224 
Mn, O,» >se’. 0,002 0,030 0.038 0,140 0,050 
Fe, O, nei 0,162 1,662 0,642 1.331 1,895 
AO, au a west 0,207 1,560 1,245 2.075 2.738 
PO puta 0.014 0,047 0.026 0,052 0,031 
SO 0,013 0,037 0.026 0,031 0,016 
SEN. re ce 0.030 0.164 0,023 0,054 0,078 
0,571 3.673 2,200 3.934 5,265 
c) durch heiße konzentrierte Schwefelsäure wurden aufge- 
schlossen : 
Keane 0.057 0,140 0,097 0.136 0,318 
N8,0: 5 as 0.030 0,053 0,024 0.032 0,041 
CaO eaaa aa 0,018 0.038 0.043 0,047 0,043 
MgO 0,020 0.052 0,038 0.058 0,157 
AO. u a 1,077 2.528 1.680 3,383 6.093 
SI EEE TERN 2,207 5.856 3,555 7.477 11,369 
3,409 8,649 5.437 11,133 18,021 


— 505 — 


d) durch Flußsäure wurden aufgeschlossen: 


KO dedica 0,267 0,390 0,400 0,640 0,875 
NoU oaei 0,340 0,225 0,165 0,300 0,390 
La ge = 0,040 0,030 = = 
MO: 2.0 4 — 0,035 — — — 
N EEEE . 0,627 0,865 1,000 1.940 1,610 
nee 90,552 75.719 88,282 78.068 70,291 
91,789 77.274 89,877 80,948 73,166 
SIEGE 100,199 100,265 99,880 100,49 100,360 


Folglich stellt sich die prozentische Gesamtmenge der einzelnen 
Bestandteile wie folgt: 


SEE 92,789 81,739 91.860 85,599 81,748 
Ne 1,911 4,953 3,925 7,398 10,441 
O ARER 0,162 1,662 0.642 1,331 1,895 
Io Op Su an 0,002 0.050 0,038 0,140 0,050 
T EENET 0.032 0,100 0,107 0,093 0,102 
MgO. ooa 0,033 0.163 0,128 0,182 0,381 
KOLAT Bun 0,378 0.579 0,54 0,843 1,355 
NaO soaadih 0,432 0,286 0.213 0,346 0,443 
P,O. o OOH 0.047 0.026 0,052 0,031 
TTOTTE 0,013 0.037 0.026 0,031 0.016 
Glühverlust ©: 4833 10669 2.366 4,134 3,908 
SS ee 100,199 100.265 99,880 100,449 100,360 - 


Soweit überhaupt Schlüsse aus den mechanischen Analysen in 
der Richtung zu ziehen sind, lassen es dieselben als wahrscheinlich 
erkennen, daß sowohl Bleisand wie Untergrund bezw. normaler zu- 
gehöriger Boden dem Ortstein gegenüber reicher an gröberen Be- 
standteilen und ärmer an feineren Teilchen sind. Der „Boden II“ 
zeigt, daß er infolge seines hohen Gehaltes an Staub und feinsten 
Teilen überhaupt nicht zur Ortsteinbildung befähigt ist. Die che- 
‘mischen Analysen HeELsie’s wie HORNBERGER’S zeigen dagegen eine 
starke Anhäufung von organischer Substanz im Ortstein und gleich- 
zeitig eine hiermit im Zusammenhang stehende erhebliche Ver- 
mehrung fast aller anderen Stoffe, was sowohl dem Bleisand als 
dem Untergrund gegenüber gilt. Der Untergrund führt selbstverständ- 
lich weniger organische Bestandteile als der Bleisand, doch die Menge 
seiner Mineralteile übertrifft die des Bleisandes ganz beträchtlich, 
steht aber der des Ortsteins andererseits nach, so daß bei der Gegen- 
überstellung dieser Befunde die Auslaugung des Bleisandes und die 
Anhäufung der gelösten Stoffe im Ortstein deutlich sichtbar wird. 
Ganz besonders interessant ist die leichte Lösbarkeit der Mineral- 


— 506 — 


stoffe im Ortstein, wie es die kalten und heißen Salzsäureauszüge 
dartun, denn sie sprechen für die leichte Löslichkeit sekundärer 
Bindemittel ein gewichtiges Wort. 

Daß gerade in der mächtigen geröllfreien Zone und im oberen 
Geröllhorizont des mittleren Buntsandsteins die meisten Ortstein- 
bildungen innerhalb der Formation anzutreffen sind, dürfte einerseits 
mit der Tonarmut dieser Schichten im Zusammenhang stehen, anderer- 
seits damit, daß durch den geringen Nährstoffgehalt der Böden dieser 
Abteilungen, namentlich an Kalk, eine Bindung der freien Humus- 
säuren nicht zu erwarten ist. 


(Schluß folgt.) 


Fig. 1. 


Erklärung der Tatel I. 


Aufschluß an der Nordseite der „Roten Wand“ bei Stuttgart 
(vergl. Profil XV No. 3—25). Unten Mergel- und Tonbänder der Lehr- 
bergschichte und Lehrbergbank (a). Darüber Kieselsandstein 
in fast vollständiger Mächtigkeit, von zahlreichen Mergel- und Ton- 
lagen durchzogen; oben Pseudomorphosenbank (b). Gesamthöhe der 
abgebildeten Schichten ca. 8 m. 


Aufschluß in der Diebesklinge bei Y’ıochingen (vergl. Profil XVII 
No. 3a—63). Unten einförmig ausgebildeter Kieselsandstein (Gegen- 
satz zu Fig. 1). Darüber obere bunte Mergel (bis ca. c): Wechsel 
von Mergeln und Tonen mit zahlreichen zwischengelagerten Steinmergel- 
bänken (ca. 12 m). Oben Stubensan.lstein mit Kalksandsteinfels- 
stücken, weicheren Sandsteinen und wenigen Mergellagen, zumeist ver- 
rutscht. Gesamthöhe bis zur Waldgren.e (bei d) iiber 30 m. 


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Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. 


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Fig. 1. 


Erklärung der Tafel Il. 


Kalksandsteinbruch im Schurwald nördlich Obertal bei Eßlingen 
(vergl. Profil XVII No. 1—12); unterster Stubensandstein. Unten 
Kalksandsteinfels, darüber unregelmäßiger Wechsel von Sandsteinen 
verschiedenartiger Zusammensetzung mit Dolomitlagen, Mergeln und 
Tonen. Gegenseitiges Auskeilen! 


Sandbruch auf dem Raichberg bei Gaisburg-Stuttgart (vergl. 
Protil XVI No. 4a—17); mittlerer Stubensandstein. Vorwiegend 
weicher, kaoliniger Sandstein mit vereinzelten dünnen, sandigen Stein- 
mergelschichten und dunkelfarbigen Mergelbändern. Unbedeutende. je- 
doch deutliche Mächtigkeitsänderungen der einzelnen Schichten auf 
geringe Entfernung. Gesamthöhe der abgebildeten Schichten ca. 16 m. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ, 1910. Taf. II. 


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Erklärung der Tafel Ill. 


Fig. 1—6. Acanthorhina Jaekeli E. Fr. Posidonienschiefer (Lias £) von Holz- 


maden. 
Fig. 1. 
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PEN 7 
. £ 

D. 


> 0, 


Junges männliches Exemplar mit Schädel und vorderem Rumpf- 
teil. '/z nat. Größe. 

Nasenstachel eines älteren Individums. ',ı nat. Gr. 

(sebiß und Stirnstachel von Fig. 1 in nat. Gr. 
Zusammenstellung des Gebisses, ?/s nat. Gr. 


Vom. = Zahnplatte des Vomer. 
Pal. = x „ Palatoquadratum. 
Npl. = supplementärer Zahn des Palatoquadratum. 


Mand. — Mandibularzahn. 

Rekonstruktion des Schädels und vorderen Rumpfteiles. ! 4 nat. 
Gr. (Die auf der Platte erhaltenen Teile sind dunkel gehalten.) 
Schädel mit Nasenstachel von unten. !2 nat. Gr. 


Fig. 7. Myriacanthus Bollensis E. Fr. Flossenstachel in ';» nat. Gr. Posidonien- 
schiefer (Lias e) von Holzmaden. 


Jahreshefte d. Vereins f. Taf. IH. 


Unter- Kiefer 


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Erklärung der Tafel IV. 


Die Abbildungen sind nach Handzeichnungen des Verf. ausgeführt. — Sie 
betreffen ausnahmslos die einsprenglingsarmen Varietäten. 

Abb. 1. Quarzneubildungen mit verkieselten Feldspatsphärokristallen. Die strich- 
punktierte Linie umgrenzt eine Fläche einheitlicher Auslöschung bei ge- 
kreuzten Nicol. Höllenbach. (Siehe S. 84 u. ff., 92 u. ff.) Vergr. 1:90. 

2. Einsprenglinge von Quarz und Feldspat. Feldspatsphärokristalle und 
bänderförmig angeordnete, trübe felsitische Substanz. (Siehe S. 87, 92 
u. ff.) Vergr. 1:75. 

„ 3. Dasselbe, zwischen gekreuzten Nicols. (Siehe S. 87, 92 u. ff.) 

4. Schnitt durch die fluidalen Lamellen der Varietät vom Höllenbach. 
(Siehe S. 88.) Vergr. 1:40. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. Taf. IV. 


Abb. 3. 1:75. Abb. 4. 1:40. 


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Erklärung der Tafel V. 


% a "guent angedeutete Fluidalstruktur der Varietät von Petersul 
2 um.4raiferte Teil zwischen den Lamellen soll Wuarzsubstanı 


“eaeh Nebe X. 90.) Vergr. 1:75. 

 @zerWfualar ler Mikrolithen mit eingelagerten Mikrofelsitkügelchr. 
a /ossenbeim. Die linke Hälfte ist bei gewöhnlichem Li. 
-e "wimden gekreuzten Nicols gezeichnet. (Siehe S. 94 u In 


- ->t un vine ca. 0.5 cm große Kugel (siehe S. 9 u. 10. 
siehe S 98 u ff.), fragmentartige Fluidalstruktir. 


„a Dossenheim. Vergr. 1:10. 


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leunca Sachsen. ‘Siehe S. 112.) Verer. 1:90. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910, 


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Abb. 8. 1:10. 


Taf. V. 


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Abb. 10. 1:90. 


Abb. 


10. 


Erklärung der Tafel V. 


Durch Pigment angedeutete Fluidalstruktur der Varietät von Peterstal. 
Der unschraffierte Teil zwischen den Lamellen soll Quarzsubstanz 
bedeuten. (Siehe S. 90.) Vergr. 1:75. 


. Fluidalstruktur der Mikrolithen mit eingelagerten Mikrofelsitkügelchen. 


Varietät von Dossenheim. Die linke Hälfte ist bei gewöhnlichem Licht. 
die rechte zwischen gekreuzten Nicols gezeichnet. (Siehe S. 94 u. 100.) 
Vergr. 1:75. 

Durchschnitt durch eine ca. 0,5 cm große Kugel (siehe S. 94 u. 100), 
sphärische Gebilde (siehe S. 98 u. ff.), fragmentartige Fluidalstruktur. 
Kugelige Varietät von Dossenheim. Vergr. 1:10. 


5 „ Mohorn (Sachsen). (Siehe S. 112.) Vergr. 1:90. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910, Taf. V. 


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Abb. 10. 1:90. 


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Abb. 7. 


Erklärung der Tafel VI. 


Mikrofelsitsphärolithe, dazwischen kleine Mikrofelsitkügelchen. Quarz 
mit Kontraktionsspuren. Die schwarzen Flächen stellen dunkelbraunes 
Eisenhydroxyd dar. Dossenheim. (Siehe S. 95 u. 103.) Vergr. 1:95. 


(slasbreccie von Dossenheim. (Siehe S. 109 u. ff.) Vergr. 1:90. 


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Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. Taf. VI. 


Abb. 7 1:95. 


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Erklärung der Tafel VII. 


Abb. 11, 12, 13. Große Lithophysen vom Höllenbach in !/: natürlicher Größe (aus 
dem mir von Herrn Prof. Saver zur Verfügung gestellten Material). 
Zur besseren Darstellung wurde bei Abb. 12 das Handstück senkrecht 
aufgestellt. Die fluidalen Lamellen verlaufen in natürlicher Lage hori- 
zontal wie in Abb. 11. (Siehe S. 77 u. ff.) 


„ 14. Kleine ca. 1 cm große Lithophysen am angeschliffenen Stück. Ver- 
witterungszone an den Wänden der Lithophysen. (Siehe S. 77 u. ff.) 

- 15. Lithophysen in nat. Größe. (Siehe S. 77 u. ff.) 

- 16a, b. Lithophysen im Liparit von der Obsidiancliff. a von der Seite, b von 
oben: nat. Größe. (Aus der Sammlung des Mineral. Instituts der Kgl. 
Techn. Hochschule: siehe A. SAUER. Porphyrstudien.) 


Jahreshefte d. Vereins f. vater. Naturkunde in Württ. 1910. Taf. VII. 


Abb. 11. 1:2. 


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Abb. 14. 1:2. 


Abb. 16b. 1:1. 


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Abb. 16a. 1:1. 


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Jahreshefte d. Vereins f. vateri. Naturkunde in Württ. 1910. Taf. VIII. 


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| Jahreshette Taf. X. 


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a. Restauration. 
è. Konzertsaal. 

c. Musikpavillon 
d. Kasse 


e Dienstgebäude u 


Hof. 
/ Volkerwiese 


Reitbahn (kunsti. 


Eisbahn). 
g Zeit, 
h Kiosk. 


* Aborte für Herren 


bei 10 und 28 


+e Aborte für Damen 


bei W. 


. Alte Affenkafige 
. Raubvogelkafige. 
. Straussenhaus. 

. Warmhaus für 


Schimpanse etc. 


. Elefantenhaus. 

. Antilopenhaus. 
. Rehhof. 

. Marderkäfige. 

. Fuchskäfige. 

. Kleines Raubtier 


haus. 


. Schweinepark. 


Singvögelkäfige. 
Grosses Kafig 


. Fasanerie 


Afenhaus. 


3. Stelzvogelwiese 


mit gross. Reiher- 
Volière. 


PEPA 
. Unt. Teich. 

. Grosser Teich. 

. Bärengraben, 

. Winterhaus. 

. Taubenkäfige 

. Fischotterkafig. 
. Eichhornkafig. 

. Seehundbassin 

. Zierententeich 

. Ziegenpark. 

. Kleines Bazsin. 
. Hirschpark. 

. Stachelschwein 

. Grosses Raubtier- 


haus. 


2. Ponyhof 
3. Hühnerhof. 


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Jahreshefte d. Vereins f. 


vaterl. Näiurkunde in Wirtt. 1919. 


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Erklärung der Tafel XI. 
Abbildungen in natürlicher Größe. 


Fig. 1. Unio pictorum L. var. ponderosus Spitzi, aus einem Altwasser der Donau 


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bei Munderkingen. Länge: 117 mm. Höhe (Breite): 53 mm. 

Unio pictorum L. var. grandis Rossw., aus der Jll (wahrscheinlich aus 
einem Altwasser) bei Mülhausen i. Elsaß. Länge: 136 mm. Höhe 
(Breite): 63 mm. Die größte der bisher bekannten Formen von Uns 
pietorum L. 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1910. 


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Erklärung der Tatel XII. 


Fig. 1. Geweih von Alce alces L. aus dem alluvialen Torf von Schussenried. 
Ansicht von oben. Seite 323. Im K. Nat.-Kab. No. 12681. 

2, Geweih (I) eines großen altdiluvialen Edelhirsches (Cervus elaphus L.). 
Aus dem liegenden Sand der Hochterrasse von Murr. Ansicht von oben. 
S. 333. Im K. Nat.-Kab. No. 12585. 


7 


Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ, 1910. Taf. XII. 


Fig. 1. 


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Jahreshefte d. 


Taf. XIII. 


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Jahreshefte d. Taf. XIII. 


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Jahreshefte d.. Taf. XIV. 


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Beilage | 


JAHRESHEFTE DES VEREINS FÜR VATERLÄNDISCHE 
NATURKUNDE IN WÜRTTEMBERG. 


66. Jahrg. 1910. 


| Mitteilungen 
Geologischen Abteilung 


K. Württembergischen Statistischen Landesamts, 


herausgegeben von dem 


K. Württ. Statistischen Landesamt. 


No. T. 


Axel Schmidt: Ueber Fossilhorizonte im Buntsandstein des öst- 
lichen Schwarzwaldes. 

M. Bräuhäuser: Beiträge zur Kenntnis des Rotliegenden an der 
oberen Kinzig. Mit 1 Textfigur. ` 


Stuttgart. 
1910. 


Mitteilungen der Geologischen Abteilung des K. Statistischen Landesamtes. 
No. 7, 1910. 


Ueber Fossilhorizonte im Buntsandstein des östlichen 
Schwarzwaldes. 


Von Axel Schmidt. 


Tierische Reste, abgesehen von den „Chirotherium-Fährten“, 
gehören im allgemeinen zu den seltenen Funden im Buntsandstein 
Deutschlands. Im Norden’ treten neben Wirbeltieren außerdem 
auch Muscheln und Schnecken auf und sind nach Süden zu im 
Odenwald, in der Gegend von Neckargerach * nochmals beobachtet 
worden. Dagegen beschränken sich die Funde weiter nach Süden 
zu, im eigentlichen Schwarzwald, fast ausschließlich auf wenige 
Stegocephalenreste. So sind im Buntsandstein des württembergi- 
schen östlichen Schwarzwaldes, wenn wir von den Estherien ab- 
sehen, die vornehmlich in den hangendsten tonigen Schichten des 
oberen Buntsandsteins —- Röthton der neuen württembergischen 
Spezialkarte, Symbol sor — an mehreren Stellen beobachtet sind, 
aber auch tiefer auftreten, bisher nur Stegocephalen-, und zwar Laby- 
rinthodontidenreste, sowie ein Zahn von Ceratodus priscus E. Fraas °® 
gefunden worden. Selbst diese Funde sind außerordentlich spär- 
lich bisher gewesen. Denn wenn sie das Dutzend noch nicht er- 
reichen, so darf diese geringe Zahl in einem Lande wie Württem- 
berg, das schon seit alters sich mit Geologie beschäftigt und in 
dem seit QuexstTEDT die Zahl der Sammler und Liebhaber so ge- 
stiegen ist, tatsächlich als Maßstab für die Seltenheit derartiger 
Funde gelten. 


! Vergl. E. Wüst, Fossilführung des mittleren Buntsandsteins der Mans- 
felder Mulde. Zeitschr. f. Naturwiss,. Bd. 79. 1907. l 
? Vergl. die Erläuterungen von ScuaLca zu den badischen Blättern Mos- 
bach (1894) S. 8 und ErFeENBAacH (1898) S. 16. 
3 Ceratodus priscus E. Fraas aus dem Hauptbuntsandstein. Berichte d. 
oberrhein. geol. Vereins. Offenbacher (37.) Versammlung. Stuttgart 1904. 
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Es war daher sehr auffallend, als 1907 bei den Aufnahme- 
arbeiten für die neue geologische Spezialkarte im Norden auf Blatt 
Stammheim durch den Verfasser und nur wenig später im Süden, in 
der Schramberger Gegend, durch Manrreo BRÄUHÄCSER eine knochen- 
führende Schicht, eine Art Bonebed, nachgewiesen wurde. Da 
die Schicht an beiden Orten in demselben geologischen Horizont 
liegt und auch in ihrer petrographischen Ausbildung, die von der 
der normalen Buntsandsteinbildungen erheblich abweicht, auffallende 
Ähnlichkeit aufweist, so hat schon damals der Gedanke nahegelegen, 
in ihr eine horizontbeständige durchgehende Schicht zu er- 
blicken. Mit Rücksicht aber darauf, daß sie bei den sorgfältigen 
Kartierungen der vorher erschienenen Blätter Freudenstadt, Alten- 
steig und Simmersfeld nicht beobachtet worden ist, schien es ge- 
boten, erst die dazwischen liegenden Blätter Nagold, Dornstetten, 
Sulz und Alpirsbach zur Beurteilung mit heranzuziehen. 

Nachdem nun diese Blätter in der Aufnahme fertiggestellt sind, 
seien die Beobachtungen, über die der Verfasser schon in aller Kürze 
auf der letzten — 21. Dezember — Versammlung der Schwarzwälder 
Sektion des „Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg“ 
in Tübingen berichtet hat, hier in erweiterter Form mitgeteilt. 

Diese knochenführende Schicht ist jetzt in völliger Horizont- 
beständigkeit und genau der gleichen petrographischen Aus- 
bildung aus der Gegend von Liebenzell bis nach Schramberg 
nachgewiesen worden, also auf eine Entfernung von etwa 70 km 
Luftlinie. Sie liegt an der Grenze des mittleren und oberen Bunt- 
sandsteins, also zwischen dem oberen oder „Haupt“konglomerat 
(smez der Karte) und dem Plattensandstein (so). 

In ihrer petrographischen Zusammensetzung weicht sie 
erheblich von dem normalen Buntsandstein ab. Dolomitische Bei- 
mengungen walten in der Regel vor und besitzen im frischen Bruch 
eine kristallinisch glitzernde Oberfläche, im angewitterten Zustande 
erscheinen sie sandig-porös. Daneben treten noch in wechselndem 
Verhältnis stark manganfleckige Sandsteinbrocken auf, die 
ebenfalls ein carbonatisches Bindemittel haben. Endlich ist noch 
die Beteiligung von Tongallen, die etwa Pfennig- bis über 5 Mk.- 
Stückgröße besitzen, eine ziemlich reichliche, die von weißen Quarz- 
geröllen änßerst spärlich. 

Diese abwechslungsreiche Zusammensetzung bedingt eine recht 
bunte Färbung des Gesteines. Die dolomitischen Partien sind 
fahlgelb bis rehbraun, die Sandsteine im allgemeinen lebhafter 


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rot gefärbt, als in den benachbarten Gesteinsschichten. Die Mangan- 
und Eisenhydroxydflecken besitzen rostig braunrote oder die 
üblichen schwärzlichbraunen, gelegentlich auch weißbläu- 
liche Farbentöne. Die Tongallen haben graugrüne, graublaue, 
blaugrüne, violette bis tief violettbraune Farben. Da die benach- 
barten Gesteinsschichten im allgemeinen nur blaßrötliche 
Tönungen aufweisen, so fällt diese Schicht außerordentlich auf, zu- 
mal auch ihre Verwitterungsweise abweicht. 

Die reichliche Beteiligung dolomitischen Materiales bedingt zu- 
nächst eine chemische Lösung dieses Bindemittels, der sehr bald 
dann eine mechanische Auswaschung der gelockerten Teile folgt. 
So geht eine locker poröse, zu Hohlkehlenbildung neigende 
Schicht hervor, die um so leichter erkannt wird, als sonst an der 
smca/so-Grenze die Sandsteinschichten eine mehr oder weniger 
intensive Verkieselung aufweisen. 

Die Schicht besitzt in normalem Zustande eine Mächtig- 
keit von etwa Handhöhe, schwillt aber lokal zu Linsen von 
0,7—0,8 m Dicke an. 

Namentlich in diesen, aber auch in der normal mächtigen 
Schicht sind Knochenreste in wechselnder Häufigkeit verstreut. 
Sie heben sich infolge ihrer meist vivianitischen Erhaltung 
leicht auch aus dem bunten Farbenbilde ab. Entweder zeigen die 
Knochen noch ihre natürliche Umgrenzung oder besitzen scharf- 
kantige Bruchränder. Irgendwelche auf Abrollung zu deutende 
Erscheinungen sind bisher an ihnen nicht beobachtet worden. 

Bisher sind Kieferfragmente mit Zähnen, amphizöle Wirbel- 
körper, Rippenbruchstücke, Reste von Hautpanzerplatten und 
mehrere kleine Knöchelchen gefunden worden, die ich als Tarsalia 
oder Karpalıa deute. 

Die Schicht stellt also ein Bonebed dar und bildet so ein 
Analogon zu den Bonebedbildungen an der unteren und oberen 
Keupergrenze. Da dieses hier beschriebene Bonebed an einer gleich- 
falls wichtigen geologisch-stratigraphischen Grenze liegt, so könnte 
es als „Buntsandsteinbonebed” bezeichnet werden. 

Durch die Kartierung ist nachgewiesen, daß es höchstens 2 m 
unter bis 1 m über den letzten Quarzgeröllen sich einschiebt, nach 
denen bisher die smca2/so-Grenze bestimmt und festgelegt wird. In- 
folgedessen würde sich die Schicht vorzüglich als Grenzschicht 
eignen und die Auszeichnung mit einem besonderen Symbol in der 


geologischen Karte rechtfertigen. Es hat sich aber gezeigt, daß es 
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unmöglich ist, diese Schicht auch unter dem dünnsten Schleier einer 
Verwitterungsrinde zu erkennen. Daher hat ihre besondere Kenn- 
zeichnung in der Karte unterbleiben müssen. In jedem Aufschluß 
des oben umgrenzten Gebietes, sei er natürlich oder künstlich ge- 
schaffen, ist sie aber beobachtet worden. 

Diese Tatsache, daß die Schicht im verwitterten Zustande sich 
durch nichts verrät, erklärt es auch, daß sie auf den früher aus- 
gegebenen Blättern Freudenstadt, Altensteig und Simmersfeld nicht 
zur Beobachtung gelangt ist, da diese Blätter an natürlichen Auf- 
schlüssen an der smca/so-Grenze außerordentlich arm sind. Künst- 
liche fehlen aber ebenso, denn auf den Blättern sind so reichlich - 
andere für Werksteine geeignete Sandsteine vorhanden, und noch 
dazu meist in einer für die Abfuhr bequemeren Lage, daß Stein- 
brüche gerade in den Grenzschichten fehlen. Reichliche Wald- 
bedeckung und Schuttbildung haben ebenso dazu beigetragen, daß 
die Schicht nicht entdeckt worden ist. 


Die vielen Funde, die in der kurzen Zeit seit 1907 in dieser 
Schicht gemacht worden sind, haben den Gedanken nahegelegt, die 
älteren in der Literatur erwähnten Fundpunkte daraufhin zu 
prüfen, ob bezw. wieviel von ihnen diesem knochenführenden 
Horizont angehören. Dabei hat sich feststellen lassen, daß die 
Mehrzahl ihm zuzurechnen ist!. Nur zwei Funde, darunter 
der von Eperuarn Fraas? beschriebene Teinacher Fund, haben sich 
teils infolge Fehlens genaueren Angaben, teils weil sie, wie der 
Teinacher, aus dem Abhangschutt aufgesammelt sind, nicht hori- 
zontieren lassen. Ebenfalls nur zwei Fundstellen liegen in sicher 
tieferen Schichten, darunter die ergiebige, aus der der Labyrintho- 
dontenkiefer von Altensteig? stammt. Wir sehen also, daß zwar 


! Der schon vorher erwähnte Zahn von Ceratodus priscus E. Fraas von 
Höfen bei Wildbad — vergl. Zitat auf S. 1 — ist auch hier mitgezählt, frei- 
lich mit einigem Vorbehalt, da der Zahn aus einem Block des Abhangschuttes, 
einem sogen. „Findling“ stammt. Die petrographische Beschreibung des Fundes 
und die Beobachtungen im Felde deuten darauf hin, daß der Block mit dem 
Zahn höchstwahrscheinlich dem unmittelbaren Liegenden, keinesfalls viel tieferen 
Schichten des mittleren Buntsandsteins entstammt. 

2 E. Fraas, Labyrinthodon aus dem Buntsandstein von Teinach. Jahresh 
d. Ver. f. vaterl. Naturk. in Württemberg. Bd. LVII. 1901. S. 318—320. 

® Über diesen Fund vergl. Marrın Scnuivt, Labyrinthodontenreste aus 
dem Hauptkonglomerat von Altensteig im württembergischen Schwarzwald. 
Mitteil. d. geol. Abt. d. kgl. württ. stat. Landesamtes. No. 2. 1907. 


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der übrige Buntsandstein nicht vollkommen frei ist von 
Knochenresten, daß aber die weitaus überwiegende Zahl 
aller Funde bisher in dem knochenführenden Grenzhorizont ge- 
macht worden ist. Die vorzügliche Erhaltung, die reichen Funde 
lassen mich hoffen, daß es nur erhöhter Aufmerksamkeit seitens der 
Sammler bedarf und nicht bloß eines glücklichen Zufalles, um eine 
größere Anzahl zusammengehöriger Labyrinthodontidenknochen aus 
dem Buntsandstein unseres Schwarzwaldes zu erbeuten. 

Es sollen daher auch diese Zeilen unsere schwäbischen Sammler 
anregen, bei Sammeltouren im Schwarzwalde ihr besonderes Augen- 
merk der Grenzschicht des Hauptkonglomerates gegen den Platten- 
sandstein zu schenken, da dem Gesagten zufolge hier die größte Aus- 
sicht vorhanden ist, gute Funde zu machen. 


Die folgende Zusammenstellung der Orte, an denen diese 
knochenführende Schicht bisher nachgewiesen ist, macht naturgemäß 
keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Insbesondere wird sich die 
Zahl der Fundorte im Norden, im Bereiche des Blattes Calw, bei 
dessen Bearbeitung zweifellos vermehren. Sie will vielmehr nur den 
Beweis des ununterbrochenen Durchstreichens der Schicht vom 
Norden bis nach Süden erbringen und durch wenige Stichworte den 
einzelnen Fundplatz so charakterisieren, daß man an ihm die Schicht 
mit einiger Aufmerksamkeit erkennen kann. 


Auf Blatt Calw: , 

Liebenzell. Steinbruch im „Mannsteig“ unweit der Straße von Lieben- 
zell nach Unter-Haugstett. Die Knochenschicht ist in typischer Entwicklung im 
Haldenschutt nachgewiesen. Infolge Steilheit der Steinbrachwände beim Besuch 
des Bruches in situ unzugänglich. 

Calw. An der Straßenböschung der Straße nach Speßhardt, nahe am 
Kilometerstein 2, außerdem an der „Hafnersteige“ von Calw nach Altburg 
(schon von QUENSTEDT genannt). Diese und vielleicht noch andere Fundpunkte 
der näheren Umgebung von Calw werden durch Herrn Bergrat Senüz-Calw 
ausgebeutet, in dessen Privatsammlung sich reichliches und gutes Mate- 
rial, dessen paläontologische Bearbeitung von anderer Seite in 
Aussicht steht, vorfindet. Bach! kennt und erwähnt diesen Fundpunkt be- 
reits 1869, O. Fraas ? schon 1863. 


Auf Blatt Stammheim: 
Sommenhardt-Lützenhardt. In Lesesteinen am Waldrande am Wege 


? O. Fraas in: „Das Königreich Württemberg etc.“ 1863. S. 221, hier 
sind die Reste als Trematosaurus Brauni Burm. bezeichnet. 


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von Sommenhardt zum Zavelsteiner Brückle nahe an der nördlichen Blattgrenze, 
etwa bei Punkt 558,1 des Blattes 1 : 25000. 

Zavelstein. In Lesesteinen (Wegrandmauern) in den „Dorräckern‘. 

Stammheim. In Lesesteinen am Waldrande westlich der Ölmühle und 
z. T. verstürzt im Schlittenbachtälchen bei der Ölmühle selbst, ferner im Beginn 
der vom Wege Stammheim — Bahnhof Teinach zum Bahnwarthause von SCHNECKEN- 
BURGER herunterziehenden Klinge und an der Kehre der von dem ebengenannten 
Wege oben abzweigenden Waldwege in den „Florsack* („Dickemer Ebene‘ 
der Karte). 

Liebelsberg. In Lesesteinen nahe Punkt 583,9 und in der oberen 
„Reutenbergklinge“, hier meist entblößt und anstehend. 

Neu-Bulach. Anstehend im oberen Dürrbachbett, etwa 75 m vom Weg- 
kreuz gegen NO. In Lesesteinen am „Wenzler-Brunnen-Weg‘. 

Alt-Bulach. Anstehend und häufiger in Lesesteinen in der oberen 
Geringshalde. 

Effringen-Trölleshof. Bei der Neu-Bulacher Säge, auch in Lesesteinen 
gegenüber in den höchsten nicht zugänglichen Wänden des Steinbruches (infolge 
Rutschung am Gehänge) gelegentlich zu beobachten. 

Einen besonders guten Aufschluß, der viele Knochen geliefert hat und die 
petrographische Ausbildung vorzüglich zu studieren gestattet, bietet der Bach- 
tobel und der gelegentlich betriebene Steinbruch an der Grenze der Markungen 
Effringen und Schönbronn am Westrande des „Hasenmärklen“-Waldes dar. 

Wildberg. An der Furt im Zuge des Weges von Wildberg in den 
„Dolching*-Wald, im oberen „Heiligenbach“, ferner in der oberen „Lützental‘- 
Schlucht anstehend, ebenso in dem kleinen Steinbruch an der Straße Wildberg— 
Effringen, wo der Weg auf den Käppflensberg zur alten Brücke abzweigt. 

Wildberg, rechte Nagoldseite. Anstehend in mehreren der kleinen 
Steinbrüche an der Hauptstraße von Wildberg über die Papierfabriken nach 
Unter-Sulz im Agenbachtale. Außerdem teilweise schon zugewachsen an beiden 
Ausgängen des Bettenbergtunnels. Vergl. Bach, Erl. z. Bl. Calw. 1869. S. 8. 

Rotfelden. Anstehend in dem Steinbruch über der Rotfeldener Mühle 
im Schwarzenbachtal und — schwer zugänglich — in der Götzenbachklinge. 


Auf Blatt Nagold: 

Emmingen. Anstehend in der normalen, etwa handhoch mächtigen 
Entwicklung in den Bahn-An- und Einschnitten nördlich und südlich vom Bahn- 
hof Emmingen (leicht zugänglich und ziemlich knochenreich !). 

Mindersbach. Anstehend in dem Steinbruch im Nagoldtale. Die zu 
einer Linse anschwellende Schicht kann an ihrer abweichenden Farbe und Ver- 


witterung schon vom Zuge aus erkannt werden, außerdem an dem Steinbruch 
an der Eisenbahnbrücke. 


Blatt Altensteig: 

An der Grenze dieses und des ebengenannten Blattes Nagold liegt der 
große Steinbruch an der Straße westlich Ebhausen— Wöllhausen, der in 
seinen obersten, häufig nicht leicht oder überhaupt nicht zugänglichen Teilen die 
Schicht in normalem handhohem, oder auch in der linsenförmigen Ausbildung 
zeigt. Beim Absuchen der Halden wird man stets einige Stücke mit Knochen 


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unter gewöhnlichen Umständen erbeuten. Dieser Fundpunkt ist auch schon 
QuensTEept bekannt gewesen, siehe Erl. z. Bl. Schwenningen. 1881. S. 10 und 
Handb. d. Petrefaktenkunde. III. Aufl. 1882. S. 249, 

Im übrigen sind im Bereiche von Blatt Altensteig die Aufschlüsse in der 
Grenzregion gegen den Plattensandstein außerordentlich selten, und vielfach 
hindert auch Waldbestand oder reichliche Schuttbildung in. den oberen Teilen 
der den Haupttälern sich zuwendenden Bachrisse, Tobel oder Klingen die un- 
mittelbare Beobachtung, so daß die scheinbaren Unterbrechungen des Knochen- 
horizontes nach allen bisherigen Ergebnissen nicht auf sein Fehlen, sondern 
nur auf sein Nichtaufgeschlossensein zu deuten sein dürften. 


Blatt Simmersfeld: 

Das gleiche ist auch von Blatt Simmersfeld zu sagen, wo auch nach- 
herige Begehungen nirgends das Anstehen der Schicht haben nachweisen können, 
Wir dürfen auch hier lediglich das Fehlen der künstlichen und natürlichen 
Aufschlüsse für das scheinbare Nichtvorhandensein der Schicht ver- 
antwortlich machen, zumal sie in Lesestücken an mehreren Stellen mit 
großer Wahrscheinlichkeit hat erkannt werden können. Solche Stellen sind: 

Schmieh. An dem Fuß- und Waldwege, die von den Maienäckern ins 
Lautenbachtälchen herabführen. 

Breitenberg. In den obersten Teilen der Fenchhalde und des linken 
(östlichen) Talhanges des Eitelesbächles. 

Neuweiler. Am Wege von Hofstett nach der Agenbacher Mühle. 

Berneck. In den „Bullenäckern“ und nördlich vom „Bruderhaus® , wo 
man besonders auch am Traufwege nach dem „Küblersfeld“, Markung Martins- 
moos, Handstücke des Gesteines zuweilen aus dem Waldboden herausziehen kann. 


Blatt Freudenstadt. 

Das Fehlen von natürlichen und künstlichen Aufschlüssen an der smc?2 -/so 
Grenze im Bereiche des Blattes macht es von vornherein höchst unwahrschein- 
lich, hier den „Knochenhorizont* aufzufinden. Übrigens sind gerade hier aus- 
gedehnte Waldtlächen vorhanden, die den Nachweis des Horizontes nicht leicht 
gestalten. Immerhin hat die Begehung der einzigen auf den ersten Blick Er- 
folg versprechenden Stelle diesen auch gezeitigt: In dem verlassenen Steinbruch 
im „Rodter Härdtle“ hat das Vorhandensein der Schicht zunächst mit großer 
Wahrscheinlichkeit im Abraum, dann auch ihre Lage in situ an der äußerst 
schwierig zugänglichen Partie der obersten Steinbruchwände festgestellt werden 
können. Eine baldige Zuschüttung der winzigen Stelle, die die Schicht zeigt, 
durch mit ihrem Wurzelwerk überhängende Forchen ist zu gewärtigen. 


Blatt Dornstetten: 

Bei Bearbeitung dieses Blattes ist das Vorhandensein der Schicht, sowie 
ihre petrographische Beschaffenheit schon bekannt gewesen. Es darf daher die 
Zahl der Funde bei der räumlich geringen Ausdehnung, die die smc2/su-Grenze 
hat, nicht auffallen. Sie ist nachgewiesen bei: 

Lützenhardt. Im „Töbele“ und auf dem oberen Wege von Lützen- 
hardt nach Hörschweiler und der Kirchsteige von Heiligenbronn nach Lützen- 
hardt, teils anstehend, teils in sicheren Lesesteinen. 


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Am „Schwal“. Auf dem Wege zur Ruine „Rockesberg“ und Unter- 
Iflingen und in dem Hohlwege zur Schellenberghütte, hier zeitweise 
infolge von Regengüssen verstürzt. 

Leinstetter Markung. In dem Steinbruch an der Straße zum „Schwal*. 


Auf Blatt Sulz (noch nicht fertig aufgenommen), 

bei dem sich der Buntsandstein auf den nordwestlichen Blattquadranten 
allein beschränkt, hat auch an 3 Stellen das Vorhandensein des Knochenhori- 
zontes durch Lesesteine — unterhalb Unter-Brändi, am Wege von der 
Fürnsaler Säge nach dem Dorfe und in der „Tauchhalde“ bei der Ruine 
Lichtenfels — sowie in situ an ebenfalls 3 Stellen in unmittelbarer Um- 
gebung von Bettenhausen ergeben. Wahrscheinlich ist ferner ihr Vorhanden- 
sein über der Fabrik Reinau. 


Für die Blätter Alpirsbach und Schramberg hat mein Kollege 
ManFRED BRÄUHÄUSER mir liebenswürdigst folgende Zusammenstellung 
zur Verfügung gestellt: 

Blatt Alpirsbach: 

Betzweiler. Anstehend in der normalen Entwicklung als handhohe 
Schicht in dem kleinen Steinbruch an der Staatsstraße Alpirsbach— Aischfeld 
da, wo die neue Vizinalstraße nach Betzweiler abzweigt. 

Betzweiler. In Lesestücken in der Klinge östlich vom Trollenberg — 
Schwenkenhof —, dicht neben der Verwerfung. 

Wälde-Breitenau. In eben aus dem Schichtverbande gelösten und 
nur wenig abgeglittenen Gesteinsplatten am Hang des Obelsbaches, südlich 
vom „Hallwang“ (bei dem „O“ von Obelsbach der Spezialkarte in 1:25000). 

Wälde-Breitenau. Lesestücke in der Schlucht des Weidenbrunnen- 
bächles, nördlich vom Vorderen Stuhlhof. 

Diese beiden ebengenannten Fundplätze sind räumlich von geringer Aus- 
dehnung, da die eben am tiefen Talgehänge ausstreichende Schicht durch eine Ver- 
werfung abgeschnitten wird, jenseits welcher Wellengebirge ansteht. 

Peterzell-Reuthiner Markung. In Lesestücken in den oberen 
Schliffen des Krebs- und Wäschbaches. 

Röütenberg. In Lesestücken am Steilhang des Kirnbächles, oberhalb 
der badischen Landesgrenze, 

Rötenberg. Anstehend, aber leicht verstürzt, östlich des Dorfes 
am Bachrande., etwa bei Punkt 619,7 der Spezialkarte 1:25000. 


Blatt Schramberg 

Rötenberg. In Lesestücken am Rande des Steilhanges beim „Zoll- 
haus“, nur wenige Schritte von den Landesgrenzpfählen an der Straße nach 
Schiltach. 

Aichhalden. Anstehend im Dorfe, durch Bangruben wiederholt, so 
auch im Herbst 1908 aufgedeckt. 

Aichhalden. In Lesestücken unweit nördlich vom „Riesenhof“ am 
Wealdtrauf. 

Sulgau-Sulgen. In dem sehr großen und guten Aufschluß (Stein- 
bruch) an der neuen Straße von Schramberg über Dunningen nach Rottweil. 


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Hier viele Knochenreste und charakteristisch ausgebildetes Gestein. Beim 
Sammeln hier ist aber zu beachten, daß infolge der nach Süden zu allgemein 
geringer werdenden Mächtigkeit des gesamten Buntsandsteins ein z. T. petro- 
graphisch ähnlich ausgebildeter Karneolhorizont des smc3 nur etwa 2 m tiefer 
liegt. Daher erscheinen hier auf den Halden infolge der Vermengung der 
beiden „faulen“, für den Steinmetzer unbrauchbaren und deshalb bei Seite ge- 
worfenen Gesteinsschichten die Knochen seltener zu sein, als sie es tatsäch- 
lich sind. 

Sulgau-Sulgen. In Lesestücken nachgewiesen, die bei einer Brunnen- 
grabung östlich im Dorfe unter Buntsandsteinschichten zutage gekommen sind. 


Über einen zweiten auffallenden Horizont, der freilich mit 
großen Lücken aus der südlichen Rhön bis nach Schramberg 
durchzugehen scheint, und der jene auffälligen, als Dinosaurier- 
Fährten gedeuteten Eindrücke enthält, über die BLANCKENHORN ' 
schon 1902 berichtet hat -— die dort auf S. 103 beigegebene Ab- 
bildung stimmt mit unseren württembergischen Stücken durchaus über- 
ein —, wird demnächst Manrkep BräÄunÄuser berichten. Es sei nur 
jetzt schon hervorgehoben, daß eine gewisse Horizontbeständig- 
keit auch dieser Schicht nach den bisherigen Funden vorhanden 
sein dürfte. 


Hinsichtlich einer dritten, ebenfalls vollkommen horizont- 
beständigen Schicht im Buntsandstein des östlichen Schwarzwaldes 
kann ich mich kurz fassen. 

Petrographisch ist sie von ihrem Nachbargestein wenig oder 
gar nicht verschieden. Denn in den obersten Metern des Platten- 
sandsteins, in denen sie sich einschaltet, und zwar meist etwa 5 m 
unterhalb der Röthtongrenze, kommen dieselben tonigen, feinkörnigen 
Sandsteine, die sie zusammensetzen, sehr reichlich vor. Auch die 
auffallende Anreicherung der hellen Glimmerschüppchen auf den 
Schichtflächen ist allen Bänken im obersten Plattensandstein ebenso 
durchgehend gemeinsam, wie die Tonbänkchen und Tonbestege, die 
die fossilführende Schicht begleiten. Sie enthält allerdings nur 
pflanzliche Fossilien, diese aber in reichlichster Menge und nicht 
selten in guten, bestimmbaren Stücken. Bisher sind aus dieser 
Schicht in Sammlungen vorhanden und durch die Aufnahmen der 
Landesanstalt nachgewiesen worden: 


1! Vergl. Zeitschr. d. deutsch. geol. Gesellsch. 1902. Protokolle S. 102—104. 


=. 40: == 


Anomopteris Mougeoti BRONGN. 

Pinites cf. ramosus BLANCKENHORN 

Equisetites (Equisetum) Brongniarti SCHIMPER 
Equisetites (Calamites) arenaceus (JÄGER) BRONN 
Calamites remotus BROoNGN. 

Megaphyton (Lepidodendron) Allani BRONGN. 


Besonders zahlreich haben sich die fertilen Wedel des erst- 
genannten Farnes in z. T. wirklich schönen Stücken in dem Stein- 
bruch des Steinhauermeisters W. ScHnEIDER in Schönbronn, OA. Nagold, 
gefunden, von denen einige in die Sammlungen der Landesanstalt über- 
gegangen sind. 

Auch für diesen Horizont haben die Aufnahmen der Landes- 
anstalt eine starke Vermehrung der Fundorte ergeben, und es hat 
sich dann bei Vergleich mit der älteren Literatur die gleiche Tat- 
sache ergeben wie für den Knochenhorizont, daß nämlich die Funde 
in ihm ungleich zahlreicher sind wie in den anderen Buntsand- 
steinschichten. Daher seien in erster Linie die schwäbischen Sammler 
unter Hinweis auf die in den geologischen Spezialkarten und ihren 
Erläuterungen genau angegebenen Aufschlüsse auf diese Schicht 
aufmerksam gemacht. Eine Aufzählung aller Fundorte und der 
weiteren Stücke sei erst später gegeben, wenn die noch ausstehen- 
den Blätter in der Nordwestecke des Königreiches mit ihren z. T. 
bedeutenden Buntsandsteinflächen — d. h. die Gegend um Calw, 
Herrenalb, Loffenau, Neuenbürg und Wildbad — aufgenommen sein 
werden. 

Unser Buntsandstein ist nach alledem in paläontologischer 
Hinsicht nicht so schlimm wie sein Ruf. Fossilarm bleibt er noch 
immer, aber fossilfrei ist er nie gewesen. Es verlohnt sich daher 
schon der Mühe, wenn der schwäbische Sammler bei Ausflügen in 
den Schwarzwald Hammer und Meißel nicht vergißt, und den Grenz- 
schichten des Hauptkonglomerates gegen den Plattensandstein und 
den obersten Metern dieses Horizontes, namentlich in künstlichen 
Aufschlüssen seine Aufmerksamkeit zuwendet. 

Stuttgart, im Januar 1910. 


Beiträge zur Kenntnis des Rotliegenden an der 
oberen Kinzig. 
Von M. Bräuhäuser. 
Mit 1 Textfigur. 


Rotliegendes tritt an der oberen Kinzig mehrfach zutage, ins- 
besondere in dem Gebiet der beiden Nachbarblätter Alpirsbach und 
Schramberg der neuen geologischen Spezialkarte des Königreichs 
Württemberg. 

Es ist eingeschaltet zwischen dem kristallinen Grundgebirge 
und dem Buntsandstein. Wie bei den andern Schwarzwälder 
Rotliegendvorkommen schwankt die Mächtigkeit in recht weiten 
Grenzen. So wird bei Schramberg mit einer mehr als 500 m durch- 
messenden Schichtfolge von dyadischen Gesteinen die größte, in 
Südwestdeutschland überhaupt beobachtete Mächtigkeit des Rot- 
liegenden erreicht, während schon beim nahen Aichhalden OA. Obern- 
dorf, ebenso wie bei Alpirsbach usw., der Buntsandstein nur durch 
wenige Meter Rotliegendes vom Granit getrennt ist. Die Erklärung 
ist bekanntlich dadurch gegeben, daß es sich beim Rotliegenden nicht 
um Schichten handelt, welche — wie Trias und Jura Schwabens — 
in gleichmäßiger Lagerung und ähnlich bleibender petrographischer 
Ausbildung über weiten flachen Gebieten abgesetzt wurden. Viel- 
mehr hat man es mit Ausfüllmassen zu tun, welche in Buchten 
und Senken einer einstigen Oberfläche, der Abtragungsfläche des 
kristallinen Grundgebirgs, angehäuft wurden. Diese wurden dadurch 
eingeebnet, aber ihr Verlauf blieb gekennzeichnet, und je nachdem 
die tiefer ins Grundgebirge einkerbende heutige Talbildung die Täler 
der einstigen dyadischen bezw. prädyadischen Landschaft kreuzt, 
läßt sich ein mehr oder weniger sicherer Überblick über deren topo- 
graphische Grundzüge gewinnen. Derartige Beobachtungen lassen 
sich bei Schramberg, bei Rötenbach, auch im Kaltbrunn und in der 
Reinerzau anstellen. Die besten Querprofile durch dyadische Mulden- 
füllungen liefert aber der Steilabfall, mit dem die Hochfläche des 


= 49 a 


Eschach—Heimbachgebiets gegen die Täler von Kinzig und Schiltach 
abschneidet. Hier treten an verschiedenen Stellen unter den hori- 
zontal ausstreichenden Schichtbänken des Buntsandsteins tiefe, sack- 
artige, mit Rotliegendem gefüllte Mulden, von der Erosion der neuen 
Zeit quer durchschnitten, zutage. Sie sind eingesenkt in den Granit 
‚des Triberg—Hornberg—Schiltacher Granitmassivs. Demnach muß 
zur Rotliegendzeit der vorher als Tiefengestein erstarrt: gewesene 
Granit bereits das Taggebirge gebildet haben ; es ergibt sich hieraus, 
daß nach der Zeit der Erstarrung des Granits große Massen über- 
lagernder Gesteine abgetragen wurden, bevor der Absatz des Rot- 
liegenden begann. Es liegt also hier ein großer zeitlicher Ab- 
stand vor. 

Leider streichen aber all diese Rotliegendschichten gleich unter 
der triadischen Schichtentafel ein, welche mit starkem östlichen Fall 
zum Neckartal hinüber einsinkt. Allerdings ist hier durch Bohrungen 
die unterirdische Fortsetzung der dyadischen Schichten erwiesen, 
nur daß sie tief und immer tiefer unter Tag zu liegen kommen. 
Im Westen dagegen ist das Alpirsbach—Schramberger Rotliegende 
durch die breiten, tief ins Grundgebirge eingesenkten Täler der 
Kinzig und ihrer Zuflüsse abgeschnitten. So ist sein Gebiet eng 
umgrenzt. Dennoch treten auf diesem kleinen Raum die verschieden- 
artigsten Gesteine auf: Weiße, violette und graue Arkosen mit sehr 
viel Kaolin, grünliche, schwarze und graue Schiefertone, z. T. mit 
Pflanzenabdrücken, rote Tonletten oder rote und weißliche Tonsteine, 
pisolithische vulkanische Aschentuffe, gelbe dickbankige Dolomite 
und grobschüttige Abraummassen, deren Material vorwiegend dem 
nahen Grundgebirge entstammt, endlich kristalline, Felsbänder bildende 
Dolomite, durchzogen von roten Schnüren von Karneol. Durch diese 
Gesteinsbeschaffenheit erweist das Alpirsbach—Schramberger Rot- 
liegende seine nahe Verwandtschaft mit den petrographisch sehr ähn- 
lichen andern Rotliegendschichten des Schwarzwalds, insbesondere 
mit denen des untern Kinziggebiets und der Triberger Gegend. Auch 
die Lagerungsweise ist dort wie hier eine ganz entsprechende, ob- 
gleich ein unmittelbarer räumlicher Zusammenhang nicht besteht. 

Die gewisse Verwandtschaft, welche alle carbonischen und rot- 
liegenden Schichten des Schwarzwalds miteinander besitzen, läßt 
eine umfassende Altersgliederung durchführen, welche sich natürlich 
zunächst auf die Bestimmung des erhaltenen fossilen Materials, ins- 
besondere der Pflanzenreste stützt. Dieser Einteilung lassen sich 
dann auch die fossilleeren Schichten nach stratigraphischen und 


ka 3, u 


petrographischen Gesichtspunkten leicht und sicher einreihen. Diese 
grundlegende und bahnbrechende Arbeit hat besonders Eck („Geo- 
gnostische Karte der Umgegend von Lahr mit Profilen und Er- 
läuterungen, 1884) durchgeführt und seiner bewährten Gliederung 
sind die späteren Arbeiten der Badischen Landesanstalt mit vollem 
Recht gefolgt. Die wichtigsten von diesen sind zur Vergleichung 
mit Alpirsbach—Schramberg die von A. Sauer verfaßten Begleit- 
worte zu den Blättern Gengenbach, Oberwolfach—Schenkenzell, 
Hornberg— Schiltach und Triberg. Außerdem sei auf die Erläu- 
terungen zu Blatt Peterstal—Reichenbach von F. SchaLch, sowie 
auf die Begleitworte zu den württembergischen Blättern Obertal— 
Kniebis und Baiersbronn von K. REGELMANnN, zu Freudenstadt von 
M. Scumior und K. Rau verwiesen. Für die Bestimmung des fossilen 
Materials sei unter Erwähnung der SannpgErGeEr’schen Arbeiten auf 
die neu erschienene Arbeit von J. T. SterzeL: „Das Carbon und die 
Rotliegendflora im Großherzogtum Baden“ aufmerksam gemacht. 
Sie ist veröffentlicht in den Mitteilungen der Badischen geologischen 
Landesanstalt, V. Bd. 2. Heft. Für die andern Arbeiten, insbesondere 
die von Eck, wird bei Erwähnung im folgenden je der Erscheinungs- 
ort genannt. sein. Vergl. außerdem die Literaturübersicht, die — 
ohne erschöpfend zu sein — die wichtigeren einschlägigen Belege 
aufzählt. 


Einteilung der Schwarzwälder Carbon- und Rotliegendschichten 
und Einreihung der Alpirsbach—Schramberger Vorkommen. 


Die rascheste, beste und klarste Übersicht über alle in Be- 
tracht kommenden Bildungen gibt die von Eck in den Jahresheften 
des Württembergischen Vereins für vaterländische Naturkunde nieder- 
gelegte Arbeit: Bemerkungen über die geognostischen Verhältnisse 
des Schwarzwalds im allgemeinen und über Bohrungen auf Stein- 
kohlen in demselben (Jahrg. XLII. 1887. S. 322 ff.). Eck teilt! 
hiebei die Gesamtheit der besprochenen Ablagerungen in fünf Ver- 
breitungsbezirke ein, welche „durch mehr oder weniger breite Zonen 
voneinander getrennt sind, in welchen auf kristallinen Gesteinen so- 
gleich Schichten des Buntsandsteins lagern, soweit dieselben nicht 
späterer Zerstörung anheimgefallen sind“. Der Bezirk, in welchen 
Alpirsbach— Schramberg eingewiesen werden, liegt zwischen Grenzen, 
welchen einerseits die Gneiszone vom Kandel nach Baiersbronn, 


1 Genaue und ausführliche Begründung findet die Altersteilung in Eck’s 
Bearbeitung der Umgegend von Lahr. 


eu; 44: ui 


anderseits eine vom Schauinsland bei Freiburg über den Steinsberg 
bei Waldau und den Kesselberg bei Triberg nach Königsfeld ge- 
zogene Linie darstellen. In diesen Landstreifen fallen außerdem die 
Ablagerungen von St. Peter, St. Märgen, östlich vom Ibichkopf, bei 
Altsimonswald am Brend, auf der Moos östlich vom Rohrhardts- 
berge, am Briglirain, zwischen dem Bahnhof Niederwasser und dem 
Kesselberg, sowie auf dem Hohnen nordöstlich von Triberg hüben, 
diejenigen zwischen Wittichen, Sulz bei Schapbach, dem Burgbacher 
Felsen und Friedrichstal drüben. 
Die Einteilung wird die folgende: 


Karneoldolomite und die erwähnten grobschüttigen 


Massen aus Grundgebirgsgesteinen der Kartenblätter Alpirs- 


| Oberrotliegendes (ro—rod 
bach und Schramberg). 


Dickbankige gelbe Dolomite, vulkanische Aschen- 
tuffe (anderwärts porphyrische Ergnbgesteine) | Mittelrotliegendes (rm). 
grünliche und rote Tonsteine, rote Tonletten 


Schwärzliche, grünliche und graue Schiefertone und | Unterrotliegendes (ru\, z. T. 
kaolinreiche Arkosen f auch Carbon. 


Es sei gleich vorausgeschickt, daß zwischen Mittelrotliegendem 
und ÖOberrotliegendem ein ziemlich klarer Unterschied herrscht, 
während zwischen Unterrotliegendem und Mittelrotliegendem eine 
enge Verknüpfung besteht. So erscheinen z. B. an der Basis der 
roten Tonsteine (rm) fast immer die kaolinreichen, ins Unterrot- 
liegende gerechneten Arkosen. Nicht stets bilden sie aber (wie am 
Rohrbach) eine eigens als ru kartierbare Unterschicht, vielmehr 
können sie auch als ganz dünne, nur 1 m erreichende Aufbereitungs- 
basis unter den Tonsteinen ' erscheinen (Rötenbachtal beim Dorf 
Rötenbach) oder in Wechsellagerung mit Tonsteinen treten (Wasser- 
riß bei „Auf der Staig“ über Schiltach), demnach bildet das Rot- 
liegende hier eigentlich zwei Stufen: 1. Karneoldolomite and Ober- 
rotliegendes, 2. Mittelrotliegendes und Unterrotliegendes. Dabei ist 
aber zu bemerken, daß das grobschüttige Oberrotliegende oft zu 
mächtigen Lagern anschwillt (Schramberg, Schapbach, Grüßgott-Tal 
im Kaltbrunn, Berneck in der Reinerzau), oft fast auskeilt (östlich von 
„Auf der Staig“ bei Schiltach, Adelsberg bei Rötenbach, in der Rein- 
erzau, am Berbhardt im Kaltbrunn), während die Karneoldolomite auf 


! Mit vollem Recht sagt daher Eck (Geognost. Karte der weiteren Um- 
gebung der Schwarzwaldbahn, Lahr 1884), daß östlich von Schiltach Mittelrot- 
liegendes unmittelbar auf Granit auflagert. Die betr. Vorkommen fallen auf 
Blatt Alpirsbach der neuen Spezialkarte, l 


us 13 á — 


weite Strecken (Hardt, Schramberg, Lehengericht, Bergzell, Rötenbach, 
Alpirsbach, Ehlenboger Tal, bezw. Schenkenzell, Kaltbrunn, Wittichen 
und Reinerzau, Berneck als gleichartiges Schichtband durchziehen, 
hiebei durchweg die Unterlage der Schichtfolge des Buntsandsteins 
bildend. Als dünne, aber weitverbreitete Schichtentafel überdecken 
sie, wie der folgende Buntsandstein, das weite Gelände nordöstlich 
einer von Tennenbronn nach Schapbach gehenden Linie und ruhen 
bald unmittelbar auf Granit und Gneis (Schapbach, Reinerzau, 
Ehlenboger Tal, Wittichen), bald ziehen sie über mächtige Lager 
von älterem Rotliegenden hinweg (Schramberg, Lehengericht, Fräu- 
linsberg, Berneck in der Reinerzau). Dies wird später zu der An- 
nahme führen, daß das grobschüttige Oberrotliegende (ohne die 
Karneoldolomite!) einstmals viel verbreiteter war, daß aber seine 
mächtigen Lager einer — wie im nachstehenden zu zeigen sein 
wird — prätriadischen Abtragungszeit zum Opfer fielen. Was 
damals verschont blieb, kam nach langer Überdeckung mit den 
später transgredierenden (vergl. das Blatt Schramberg!) Schichten 
der Karneoldolomite, der Trias und des Jura, im Tertiär wieder 
zutage, um von da ab, gemeinsam mit den noch erhaltenen Resten 
des Buntsandsteins und Teilen des unterlagernden Grundgebirgs der 
Erosion einer viel späteren geologischen Periode allmählich zu erliegen. 
Noch auffallender ist die Erscheinung, daß der Übergang zwischen 
Karneoldolomiten und unterem Buntsandstein ein ganz allmählicher, 
die Grenze eine völlig unscharfe ist und daß auch die besten Profile 
(z. B. dasjenige im Grezenbühl bei Alpirsbach) nicht erlauben, eine 
sichere Trennung der paläozoischen und mesozoischen Sedimente 
vorzunehmen. Dies ist um so unerwarteter, als zwischen Rot- 
liegendem und Buntsandstein ja eine ganze Formation, der Zechstein, 
fehlt, dessen Schichten sich schon bei Heidelberg den dort genau 
wie hier entwickelten Karneoldolomiten unmittelbar anschliessen '. 
Es bleibt nur der Ausweg, entweder eine Aufarbeitungsmasse im 
Buntsandstein anzunehmen, die natürlich dem selbst durch Auf- 
arbeitung zusammengeschafften ro-Gestein ähnlich bleiben mußte, 
oder die dolomitischen, manganhaltigen Schichten an der Basis des 
Buntsandsteins (unmittelbar übergehend in rod!) z. T. als Zechstein 
zu deuten (vergl. Erl. zu Bl. Schramberg). 

Ebenso wie die Oberstufe des Rotliegenden in enger Verbin- 
dung an die nächsthöheren Sedimente sich anschließt, verbindet 


' Erläuterungen zu Blatt Heidelberg. II. Aufl. S. 34 ff. 


sich die Unterstufe vielfach (unteres Kinzigtal) mit Carbon. So 
wurde auch bei Schramberg nach solchen Analogien die Arkose- 
schicht lange als „Kohlensandstein“ ! gedeutet, und dies, in Verbin- 
dung mit der richtigen Erkenntnis, daß hier die ältesten, nicht 
metamorphen Sedimente Württembergs zu finden waren, hat große 
Hoffnungen erweckt, produktives Carbon, Steinkohle, zu erschließen. 
Deshalb wurden hier und in der nahen Umgebung die vielen, leider 
ganz vergeblichen Bohrungen ausgeführt. Diese sind es aber, welche 
über die Lagerung der getroffenen Schichten, sowohl im Grund des 
Schramberger Talbeckens, als im östlichen Nachbarland (Neckar- 
gebiet) dem Geologen so viele wertvolle Aufschlüsse brachten ?. 
Übrigens wurde bei Schramberg, wie auch Eck a. a. O. sagt, Carbon 
erwiesen. Allerdings sind die Tone vom Hammerwerk nach STERZEL 
weder sicher als Unterrotliegendes noch als Carbon bestimmbar 
(STERZEL). Aber wenn auch nur Unterrotliegendes hier zutage geht, 
so muß doch die viel mächtigere, darunter in der Weihergasse er- 
bohrte Schichtfolge mit Kohleflözchen gewiß als Carbon ge- 
deutet werden. So bleibt auch nach SrerzeL Eck’s Ansicht zu Recht 
bestehen und der Fall liegt in der Tiefe der Schramberger Bucht 
ebenso, wie bei den gleichartigen Schichten von Hinterohlsbach bei 
Gengenbach, von denen A. Sauer (Erl. zu Bl. Gengenbach S. 40) 
ausspricht, daß sich Unterrotliegendschichten, die durch Pflanzen- 
reste als solche erwiesen sind, im Liegenden ein „weder durch petro- 
graphische Beschaffenheit noch durch Lagerung“ abweichender Kom- 
plex einschaltet „von weißlichgrauen, grob- bis mittelkörnigen 
Arkosen mit kohligen Zwischenschichten und einer kleinen, aber 
charakteristischen Flora, welche diese tiefsten Schichten dem Ober- 
carbon zuweist“. 


1. Das Unterrotliegende (ru)°. 


Das Unterrotliegende „ru“ besteht aus weißen, violetten und 
grauen Arkosen, grünlichen, selten rötlichen, mitunter grauen und 
schwärzlichen Schiefertonen. Die Arkosen sind einfach aufgearbei- 
tetes Verwitterungsmaterial! des unterlagernden Hauptgranits. Über 

! V, ALBERTI, Beiträge zu einer Monographie etc. S. 18, 

? Eingehend bearbeitet von Eck (Jahreshefte 1887. S. 322 fi.). 

3 Die eingeklammerten Buchstaben beziehen sich auf die betreffenden For- 
mationssymbole der neuen Spezialkarte 1: 25000. 

4 Beim Unterrotliegenden, ebenso auch häufig beim Oberrotliegenden, ist 
der unterlagernde Granit an seiner Obergrenze deutlich und tief aufgewittert. 


zo IT g 


dessen mineralogisches und petrographisches Verhalten vergl. Erl. zu 
Blatt Triberg, Hornberg— Schiltach, Schramberg und Oberwolfach— 
Schenkenzell. Diese Arkosen definiert ScuaucH (Erl. zu Bl. Peters- 
tal—Reichenbach S. 40): Sie „stellen bald mehr, bald weniger grob- 
körnige bis feinkörnige, neben Feldspat gewöhnlich auch ziemlich 
reichlich weißen Glimmer führende psammitische Sedimente dar, die 
bei frischer Beschaffenheit der Feldspäte bisweilen eine beträchtliche 
Härte erlangen und dann einen gradezu granitartigen Habitus an- 
nehmen können“. Was hier vom Steinköpfle bei Oppenau gesagt 
ist, gilt genau ebenso für Schramberg und Schiltach. Am schönsten 
bestätigt dies das verkieselte Unterrotliegendvorkommen vom Käppele- 
berg östlich Schiltach. Das aus den einzelnen Mineralien des Granits 
zusammengesetzte Aufbereitungsprodukt, die ru-Arkose, ist hier 
durch nachträgliche Verkieselung zu einem splitterharten Gestein 
geworden, von dem A. Saver (Begleitworte zu Bl. Hornberg— 
Schiltach S. 32/33) sagt, „daß manche feinkörnig-glimmerreiche Ab- 
änderung dieser Arkosen geradezu schwer von Graniten entsprechender 
Korngröße zu unterscheiden sind“. Gerundet ist von dem Material 
wenig, nur mitunter erscheinen weiße, gerundete Kiesel, genau die- 
selben, wie sie Eck (Karte der Umgegend von Lahr) in den ru-Lagern 
der westlichen Landschaft oft beobachtet und bei der Aufzählung 
von Aufschlüssen mehrfach, erwähnt hat (a. a. O. S. 77 und 78), 
Dagegen sind Konglomerate, namentlich im badischen Schwarzwald, 
nicht selten im Unterrotliegenden und kommen noch in naher Nach- 
barschaft vor. So spricht A. SAUER in den Erläuterungen zu Blatt 
Gengenbach (S. 42 ff.) stets ausdrücklich von „Geröllen“ von pinit- 
führendem Porphyr und H. Tuürach beschreibt von Blatt Haslach 
(Erl. S. 23) reichlich nuß- bis kopfgroße, meist stark gerundete 
Geschiebe“. Dagegen stimmt das Triberger Unterrotliegende, wie 
Saver betont (Bl. Triberg, Erl. S. 25), mit dem hiesigen ganz überein 
und „grobe Konglomerate fehlen“. Dies ist auch dadurch erklärlich, 
daß das Unterrotliegende sein Material stets aus nächster Nähe ent- 


Diese alte Aufwitterungszone geht so unmerklich in das Unterrotliegende über, 
daß selbst im Aufschluß schwer zu entscheiden ist, wo die Grenze des nur auf- 
gewitterten und des aufgearbeiteten Materials liegt. Deutliche Klüftungsebenen 
im schon mürben Gestein kennzeichnen den noch nicht zerstörten Granit, leichte 
Schichtung das sicher umgeschwemmte Material. Ganz ähnliches läßt das Ober- 
rotliegende vom Wolfsbühl bei Schramberg beobachten. Vergl. hierzu W. SALOMON, 
Besichtigung des Manganbergwerks im Mausbachtal. Versammlungsbericht des 
Oberrheinischen geologischen Vereins, Heidelberg 1909, S. 33. 
2 


— 18 — 


nahm, daß nirgends ein weitgehender Gesteinstransport nachweisbar 
wurde. So sind die Konglomerate vom Nordrand der Moos (Bl. 
Gengenbach S. 43) durch lokale Aufarbeitung zusammengekommen, 
der betreffende Porphyr stand jedenfalls im Untergrund der nächsten 
Umgebung an; auf Blatt Haslach sind im ru-Konglomerat „nur von 
Gesteinen, die im mittleren Schwarzwald anstehend vorkommen“, 
Rollstücke beobachtet (Erl. S. 24). So kommt man beim Überblick 
zu der Überzeugung, daß die Unterrotliegendschichten „in ehemaligen 
muldenförmigen südwest-nordöstlich streichenden Vertiefungen der 
Oberfläche des Grundgebirgs zum Absatz kamen“, faßt Eck (Lahr) 
seine Resultate zusammen, und Sauer weist nach, daß die Rotliegend- 
areale vom Mooswald und von Brandeck— Durlach getrennte flache 
Mulden darstellen, denen von verschiedenen Seiten petrographisch 
verschiedenes Gesteinsmaterial in entgegengesetzten Richtungen zu- 
kam, wodurch ein einstiges Vorhandensein eines trennenden Rückens 
sicher gestellt ist. | 

Analog verhält es sich, dem ganzen Charakter der Ablagerungen 
zufolge, bei Schramberg und Schiltach. Der flachgemuldete Quer- 
schnitt der Ausbisse am Gehänge (Lehengericht) und die einzig mög- 
liche Rekonstruktion der Schramberger Mulde lassen im Verein mit 
der Zusammensetzung der Arkosen keinen Zweifel, daß es sich um 
Ablagerungen handelt, die in flachen Senkungen zusammenkamen, 
und die ihr Material dem Verwitterungsgrus des nächstgelegenen 
Grundgebirgs, dem Triberg—Schiltacher Granitmassiv entnahmen. 

Die eigenartige, starke Kaolınbildung läßt wohl auf ein etwas 
anderes, wärmeres und feuchteres Klima schließen. 

Kieselhölzer werden gegenwärtig seltener gefunden, doch waren 
sie früher häufig. In der Nachbarschaft, auf Blatt Peterstal, wurden 
(Erl. S. 43) „vereinzelte“ Exemplare gesammelt und auch vom 
übrigen Kinziggebiet sind mehrfach Belege für Kieselholz vorhanden. 
Aus den Schramberger Schiefertonen! werden sie erwähnt (Sauer) 
und die in späteren jüngeren Schichten (Oberrotliegendes und Bunt- 
sandstein) als Rollstücke erscheinenden, gerade hier recht häufigen 
Kieselhölzer dürften z. T. schon aus ru stammen, das nachträglich 
aufgearbeitet wurde. 

Die Schiefertone sind verschieden gefärbt. Am oberen 
Tierstein zeigt der Hohlweg grünliche und rötliche weiche Tone. 


! Eine Angabe von Kicselholz aus dem Schramberger Bohrzapfen bezeich- 
net Ecx als „nicht klar“. 


=. JO ee 


Beide Farbentöne erwähnt Eck mehrfach aus der Gegend von Lahr 
bei der Aufzählung der dortigen ru-Vorkommen. So z. B. von „nörd- 
lich vom Bürgerwald am Trettenbach, im Schönbachtal bei den Ge- 
höften an der Kapelle, an der Chaussee von Lahr nach Schönberg 
am Südabhange des Rebbergs und am Südostgehänge der Anhöhe 
westlich davon, südlich von Weiler, am Nordgehänge des Wolfers- 
bachtals, vom Rebio, von Hohengeroldseck und am Rauhkasten. 
Die meisten Schramberger Schiefertone aber sind grau bis schwärz- 
lich. Ebensolches Gestein enthält das ru „Auf der Staig“ bei 
Schiltach. Bezüglich der Pflanzenfunde sei als zeitlich letzte größere 
Veröffentlichung auf STERZEL verwiesen, wo aus den Citaten auch 
die älteren Arbeiten zu ersehen sind. Viel Literaturmaterial machen 
die älteren, bereits erwähnten Arbeiten von Eck namhaft, worin die 
reichen eigenen Feststellungen dieses Forschers unter genauester 
Quellenangabe mit denjenigen der vorhergehenden Autoren verbunden 
sind. Besondere Erwähnung verdient der Streit, den Eck mit Sann- 
BERGER führte und in welchem Eck vollständig Sieger blieb. Sann- 
BERGER hatte die Schramberger Tonschiefer 1864 zum Kohlengebirge, 
1876 zum Unterrotliegenden und 1890 zum Mittelrotliegenden 
(Lebacher Schichten) gestellt (vergl. Literaturverzeichnis), während 
sie Eck vornherein richtig gedeutet und eingereiht hatte. 

In stratigraphischer Hinsicht ist die sehr vielfache Wechsel- 
lagerung von Arkose und Schieferton beachtenswert, wie sie z. B. 
der Stollen der Steingutfabrik zeigte. Man vergleiche damit die 
ganz entsprechenden Verhältnisse im Bohrloch an der Rinkhalde, 
dessen Profil von K. ReceELMANN in den Begleitworten zu Blatt 
Obertal—Kniebis, S. 42, festgehalten ist. Dort scheinen die Schicht- 
bänder etwas mächtiger, während bei Schramberg schon auf 1 m 
Höhe ein drei- oder viermaliger Wechsel von Arkose und Schiefer- 
ton vorkommen kann. 


2. Das Mittelrotliegende (rm). 


Das Mittelrotliegende (rm) besteht aus basalen Arkosen, roten 
und grünlichen Tonsteinen, vulkanischen Aschentuffen, roten Ton- 
letten mit eingelagerten glimmerigen Sandsteinen und gelblichen 
Dolomiten. Wie erwähnt, stimmen die Arkosen ganz mit denen 
überein, welche im Verband von ru auftreten. Und an manchen 
Stellen (Rohrbach) schwellen diese Lager an und verbinden sich mit 
echtem Unterrotliegendem, an andern (Scheurenbühl und Diepolds- 
berg bei Rötenbach) stellen sie nur 30 cm bis 1 m starke Anf- 

2% 


>. SH; oe 


arbeitungsbreccien dar, welche die Auflagerungsfläche mächtiger 
roter Tone und Aschentuffe auf Granit überkleiden. 

Die Ungenauigkeit dieser Grenze hat A. Sacer erwähnt, wenn er empfiehlt 
(Erl. zu Hornberg—Schiltach S. 34) nicht außer acht zu lassen, daß „entgegen 


der kartographischen Darstellung die Grenze von rm gegen die liegenden ‘dem ru 
zugezühlten) Arkosen nicht scharf, sondern im Gegenteil sehr verschwommen ist“. 


Bei der Kartierung von Blatt Alpirsbach und Blatt Schram- 
berg wurde deshalb die Grenze von ru und rm höher gelegt, als die 
unmittelbar beobachtbare letzte Arkosebank erforderte. Grund hiezu 
war die Erwägung, daß häufig genug rote Tone noch im ru auf- 
treten (vergl. S. 18/19, Eck, Lahr S. 77). Der Fall ist nicht vereinzelt. 

So sagt Sacer (Erl. zu Bl, Gengenbach S. 44): „Während im Durbacher 
Gebiet Arkosen bis in die hangendsten Teile des Unterrotliegendprotiles ein vor- 
herrschender Bestandteil sind, stellen sich im Mooswaldareale bei Guckinsdorf 
und Grünberg oben als Hangendes der Arkosen mächtig entwickelte, bis 30 m 
mächtige Letten (rul) ein.“ Diese Gesteine werden also dort mit zum Unter- 
rotliegenden gezogen. Saver fährt fort: „Dieselben sind an erster Stelle klein- 
bröckelig, bald recht homogen. bald etwas sandig, bisweilen mit kreisrunden 
weißen Tupfen verschen. Unterhalb Holiswald bildet der obere Teil dieser 
Letten eine kleine, 8—10 m hohe Terrainstufe, über welche das Kuhbächle als 
kleiner Wasserfall herabfällt. Bei Grünberg besitzen diese hangenden Letten 
bald rote, bald grauviolette, selbst weißlichgraue Färbung und eine massige Be- 
schaffenheit , Festigkeit und Härte, um lebhaft an Tonsteine und Tuffe zu er- 
innern. Es mag gestattet sein, hier darauf hinzuweisen, daß den roten Letten 
am Langhärdle, die man als unteres Mittelrotliegendes deutet, bei petrographisch 
ähnlicher Ausbildung eine annähernd gleiche Stellung im Rotliegendprofil zu- 
kommt.“ 

Da auch bei Triberg rote Letten („le“) große Verbreitung haben 
und insbesondere den oberen Horizont des Unterrotliegenden kenn- 
zeichnen, so kann eine übereinstimmende Auffassung bei Schiltach— 
Schramberg nur dahin führen, die so unscharfe Grenze von ru gegen 
rm über den Arkosen in die roten Tone zu legen. 

Im Wasserriß nördlich „Auf der Staig“ kommt außerdem eine 
Wechsellagerung der Arkosen mit tiefroten Tonletten zustande. 

Die Hauptmasse dieser tiefroten Tonletten ist auf Blatt Alpirs- 
bach am Fräulinsberg und im Dachsloch, beim Conradsbauernhof 
und bei der Holzebene, auf Blatt Schramberg im Herrenwald und 
bei der Rotlach gut erschlossen zu sehen. Näheres über diese 
Schichten siehe in den Begleitworten zu Blatt Schramberg S. 32 ff. 
Eine chemische Analyse (s. a. a. O. S. 91) ergab den befriedigenden 
Gehalt an Pflanzennährstoffen und erklärt, warum diese Schichten 
überall von der Kultur herausgefunden und inmitten von steilem 


= Gi: as 


Waldgebirg zu Rodungen und Siedelungen benutzt wurden. — In 
Verbindung mit den mächtigen Lettenlagern stehen: 


1. Grüne bis graugrüne, kalkig-tonige Bänke, in welchen neue- 
stens auch Pflanzenabdrücke gefunden sind. Vielleicht gelingt 
es, hier zur Bestimmung brauchbares Material zu erlangen. 
Fundort: Unterhalb Diepoldsberg bei Rötenbach OA. Oberndorf. 
(Vergl. z. B. den bei einer Exkursion unter Leitung von Eck’s 
gemachten Fund eines Farns im rm vom obern Murgtal; der- 
selbe befindet sich in der Sammlung der Kgl. Technischen 
Hochschule in Stuttgart.) 

‘2. Rote und rotbraune Sandsteine mit reichlichem Glimmergehalt. 
Sie erscheinen mitten im rm sowohl „Auf der Staig“ als an 
der Rotlach im Lehengericht. 

3. Tonsteine. Dieselben werden mitunter als Material zu Wetz- 
steinen für Sensen und Sicheln ausgenützt. 

4. Echte pisolithische Aschentuffe von grauer oder grauroter Grund- 

farbe, bisweilen mit eingeknetetem eckigem (Zerspratzungs-?) 

Material. 

Dickbankige gelbe Dolomite, leider fossilfrei. 


Di 


Ähnliche sind weiter westlich beobachtet worden!. Auch die 
Neigung zu sekundärer Verkieselung (vergl. Erl. zu Bl. Oberwol- 
fach—Schenkenzell S. 49), welche im entsprechenden Horizont am 
Fräulinsberg zur Bildung dunkler Feuersteine geführt hat, scheint 
weiterhin verbreitet zu sein. So sagt Sauer von einem Bänkchen 
„vom Aussehen fast wie dichter Dolomit, jedoch völlig frei von 
Carbonaten® und bemerkt gleich nachher: „Es ist nicht unwahr- 
scheinlich, daß hier Karneol jetzt die Stelle von Dolomit einnimmt, 
da eine solche Umbildung”? eine sehr häufige, für Dolomit beinahe 
charakteristische Erscheinung ist“ (Erl. zu Bl. Gengenbach S. 46). 
Vergl. übrigens hiemit auch die Karneoldolomite des Oberrotliegenden 
und die Dolomit-Karneolhorizonte des Buntsandsteins. Das Mittel- 
rotliegende ist anderwärts die Periode der großen vulkanischen Aus- 


! Eck nennt sie (Württembergische Jahreshefte 1891. S. 225) von Sulzbach, 


Michelbach, CGraggenau, Rotenfels. Schwarzenberg, Langhärdtle und auch eben 


von Schiltach. 

? Über Verkieselungserscheinungen im Odenwälder Zechsteindolomit vergl. 
Erläuterungen zum hessischen Blatt Erbach S. 23. Über eine chemische Deutung 
vergl. M. Serpach: Über das Manganbergwerk im Mausbachtal bei Heidelberg. 
Bericht über die Tagung des Oberrheinischen geologischen Vereins in Heidel- 
berg 1903. 5. 112 ff., bes. S. 114, 


— 29 — 


brüche (vergl. die Arbeiten von Eck sowie Erl. zu Bl. Gengenbach 
S. 46 ff., BI. Zell a. H. S. 36, Bl. Haslach S. 24, Bl. Peterstal 
S. 44 ff., Bl. Obertal S. 46 ff.). Am anschaulichsten ist diese strati- 
graphische Einreihung der vulkanischen Ergußdecken dargestellt in 
den Profilen von Eck (Lahr), in den Querprofilen zu Blatt Obertal— 
Kniebis von K. REGELMANN (vergl. auch Erl. hiezu sowie zu Bl. 
Baiersbronn S. 36). Bei Obertal—Kniebis ist besonders schön der 
Nachweis des mächtigen Stils, der Durchbruchsstelle, von der aus 
die Ergußdecken der Quarzporphyre sich ausbreiten. Genau petro- 
graphisch wird erwiesen, wie von dieser zur Tiefe hinabsetzenden 
Füllmasse des einstigen Ausbruchweges nach den Rändern hin die 
Änderung des Gesteins fortschreitet, bis nach der Zerspratzungszone 
das Gebiet der Tuffe und Tonsteine kommt. Auch im vorliegenden 
Alpirsbach—Schramberger Gebiet finden sich Aschentuffe, und zwar 


1. südlich vom Adelsberg auf Markung Rötenbach, 
2. an der Rotlach im Lehengericht. 


An beiden Stellen streicht aber rm sofort unter ro und Buntsand- 
stein ein. Also liegt hier wahrscheinlich bergeinwärts mehr vul- 
kanisches Material verborgen. Überhaupt scheint hier sehr viel rm 
zu lagern, das allerdings bei Schiltach nach West hin an einer Ver- 
werfung abschneidet, während es weiter im Norden nur als Füll- 
masse einer, allerdings steil einfallenden Mulde auftritt. Diese ist 
schuld, daß im Gehänge des Rötenbachtals die Grundgebirgsober- 
grenze so steil nach Ost abfällt und statt der prächtigen Granophyr- 
gänge der Teufelsküche nur mehr Tonsteine am Hang gefunden 
werden. 

Es liegt nahe, wo vulkanisches Material sich findet, nach der 
Ausbruchsstelle zu fragen. SchatcH denkt (Erl. zu Bl. Königsfeld— 
Niederschach S. 27) an die aus der Nordwestecke dieses Blatt be- 
schriebenen Porphyre und sagt: „Die Deckenporphyre von Blatt 
Königsfeld stellen gewissermaßen die Verbindung der Ablagerungen 
des mittleren Rotliegenden mit den gleichalterigen Bildungen ober- 
halb Schiltach her. Sie lassen darauf schließen, daß das mittlere 
Rotliegende innerhalb des ganzen zwischenliegenden Gebietes! einst 
eine bedeutend größere Ausdehnung hatte und die jetzt noch vor- 


! Im Grundgebirge der Schiltach— Schraniberger Gegend finden sich nirgends 
Gesteine, welche eventuell als „Stile“ porphyrischer Masse erklärbar wären, wie 
Z. B. Saver bei „kristallreichen Porphyren® auf Blatt Gengenbach vermutet 
(Eri. zu Gengenbach S. 54). 


handenen Überreste nur die Reste einer einst eine beträchtliche 
Verbreitung besitzenden größeren Decke darstellen.“ Letzteres ist 
gewiß richtig, aber es wäre noch näherliegend, die vulkanischen 
Aschentuffe, die sich sicher bergeinwärts fortsetzen, mit den Quarz- 
porphyren in Verbindung zu bringen, welche nach Eck (Württ. Jahr- 
bücher, 1887. S. 346) bei Oberndorf, mit grauen und grünlichen 
(cf. Rötenbach!) Schiefertonen zusammenlagernd, erbohrt worden 
sind. Demnach wären die Schiltacher und Rötenbacher Aschentuffe 
und Mittelrotliegendgesteine zu deuten als äußerste westliche Teile 
eines größeren Verbandes von Mittelrotliegendem, der an Umfang 
vielleicht den großen bekannten rm-Vorkommen im badischen Schwarz- 
wald gleichkommt. Dessen Hauptmasse liegt aber mitsamt den — 
durch die Bohrung erwiesenen — porphyrischen Ergußdecken in der 
jetzigen geologischen Epoche noch unter den Triasschichten ver- 
borgen, während vereinzelte randliche Bildungen durch das tief ein- 
kerbende Talsystem der Kinzig erreicht und bloßgelegt worden sind. 
Vergl. auch die halbkreisförmige (Rötenbach—Schiltach—Lehen- 
gericht) Anordnung der zwischen Trias und Granit hervorstoßenden 
Mittelrotliegendlager. Mittelpunkt dieses Kreises wäre Oberndorf! 

Außer bei Schiltach ist das Mittelrotliegende in der Tiefe unter 
Schramberg erbohrt (vergl. Eck), geht aber hier nicht zutage, es 
sei denn, daß man einen Teil der tiefroten, tonreichen Lagen beim 
Bahnhof, welche hier tief im ro, nahe über ru hervorsehen oder die 
entsprechende Schicht über dem ru im Kirnbach als Mittelrotliegendes 
deuten will. 

Ein weit entferntes kleines Fleckchen mit echten Mittelrot- 
liegendtonsteinen liegt im Kaltbrunn, am Ausgang des Grüßgott- 
Tälchens; es verrät sich ähnlich wie die Rötenbacher, Bergzeller und 
Lehengerichter rm-Gebiete durch viel weichere Gehängeformen, die 
zwischen den Steilhängen des Grundgebirgs auffällig sind. Auch die 
Nässe über den schwer durchlässigen rm-Tonen ist überall bezeichnend. 

Rückbezüglich auf die Dolomitlager in rm sei bemerkt, daß 
nach Eck die Bohrung bei Rheinfelden (Schweiz) als Mittelrotliegen- 
des sogar folgende Gesteine traf: Rote, grünäugige Tone, z. T. mit 
Säuren brausend, hier und da mit Gipsspuren, spärliche schwache 
Sandsteinschichten einschließend (vergl. oben!) mehrfach mit Kalk- 
stein-Einlagerungen. 

Die Bezeichnung „rote, grünäugige Tone“ paßt auch auf alle 
roten Tonschichten des vorliegenden Gebiets, ebenso wie fürs untere 
Kinzigtal. Sogar größere „schmutzig-grünlichweiße Partieen zwischen 


= Di 2 


der roten Lettenmasse“ kommen hier wie dort vor. (Erl. zu Bl. 
Gengenbach S. 46.) 


3. Das grobschüttige Oberrotliegende (ro). 

Das grobschüttige Oberrotliegende besteht aus eckigem, nur 
z. T. kantengerundetem Schuttmaterial, das fast ausschließlich dem 
Grundgebirge der näheren Umgebung entnommen ist!. Verbunden 
ist das Material durch ein lettig-toniges, tiefrotes Bindemittel. Leicht 
dolomitische Verkittung ist selten und dann meistens durch be- 
ginnende Verkieselung ersetzt. Die betreffenden Stellen zeichnen sich 
dann durch licht-gelbe Verfärbung aus. Richtige Gerölle sind selten, 
nur bei reinen Quarzen kommt mitunter Rundung vor (vergl. ru!). 
Vielleicht handelt es sich um mehrfach umgelagerte, aus dem 
Unterrotliegenden aufgenommene Stücke. Bemerkenswert ist das 
reiche Vorkommen von windgeschliffenen Kantengeschieben, 
z. T. mit prächtiger glasiger Politurrinde?, die sich allerdings bei 
der Verwitterung rasch? verliert. Es liegt nahe, hieraus Schlüsse 
auf klimatische Verhältnisse jener Zeit anzuknüpfen, welche der 
Periode der dyadischen Ablagerungen Norddeutschlands (Staßfurt!) 
vorausging. Doch würde dies hier zu weit führen. Einer Lage riesiger, 
merkwürdigerweise wohlgerundeter Blöcke im ro vom „Höfle“ bei 
Schramberg sei auch nur kurze Erwähnung? getan. Ihr Material 
besteht aus Granit und Ganggranit der Nähe. Ob nicht auch noch 
andere Gesteine (Gneiß?) mit enthalten sind, ist beim jetzigen Stand 
des kleinen Aufschlusses nicht zu sagen. Mehrfach wurden Kiesel- 
hölzer, leicht abgerollt, gefunden. Sie sind aus älteren Sedimenten 
(wahrscheinlich ru) entnommen. Also legt sich ein Schluss auf alte 
Transportwege nahe. Dieser Schluß wird zur Gewißheit durch zahl- 
reiche Rollstücke von verkieseltem Porphyrtuff; die Vergleichung der 


1 Vergl. z. B. Erläuterungen zu Blatt Heidelberg, II. Aufl. 1909. S. 33, 
wo über das Oberrotliesendes gesagt wird: „Der vollständige Mangel an wohl- 
serundeten Geröllen deutet an, dab der Transport des Materials kein weiter war, 
ferner, daß eine Abrollung an «der Küste durch die Bewegung der Brandung 
nicht stattfand, Wir dürfen die Agglomerate daher wohl der Hauptmasse nach 
als subacrisch entstandene Trümmermassen ansprechen“, Letzteres trifft auch für 
Alpirsbach und Schramberg zu. 

2 Vergl. M. Schmidt, Kantengeschiebe im obern Rotliegenden von Schram- 
berg. Bericht über die 38. Versammlung des Öberrheinischen geologischen 
Vereins in Konstanz 1905. 

° Vergl, Erl. zu Bl. Schramberg S. 35. 

t Näheres s. Erl. zu Schramberg S. 34. 


Handstücke ergibt, daß er vom Kesselberg bei Triberg stammt, 
also in südwest-nordöstlicher Richtung herbeigeschafft 
wurde. Jetzt allerdings lagert zwischen hier und Triberg (Tennen- 
bronner und Lauterbacher Berge) Buntsandstein unmittelbar auf 
Granit auf, so daß die Deutung zunächst schwer scheint. Dieser 
Widerspruch löst sich indes einfach (cf. S. 15 u. 22/23). 

Wie ru, lagert auch ro offenbar in Talmulden der alten Land- 
schaft. Aber diese sind nicht mehr so flach. Vielmehr beweist eben 
Schramberg durch die mehrere hundert Meter mächtigen ro-Massen 
die Erfüllung einer tiefen Senke. Dieselbe Füllmasse schneidet das 
„Aichhalder Loch“ an, es handelt sich also um ein südwest-nord- 
östlich ziehendes dyadisches Tal, dessen Richtung auf Oberndorf 
deutet, wo auch wirklich 481,3° = 138 m ro erbohrt wurden! Ein 
zweites Tal dieser Art scheint vom Schapbachtal (Bl. Oberwolfach) 
über den Kaltbrunn gegen das sog. Strohloch zu laufen und wird 
von den Talzügen des Kaltbrunn und der Reinerzau geschnitten, 
wobei hüben (Grüßgott, Auf der Lai) und drüben (Berneckschlucht) 
der Granit plötzlich -abfällt, um gewaltigen ro-Lagern Platz zu 
machen. Auch dieses dyadische Tal läuft SW—NO und verschwindet 
hiedurch östlich unter dem Buntsandstein der Schömberger Höhen, 
während im Westen das Schapbachtal seine Muldung bloßlegt (s. Bl. 
Oberwolfach). 


4. Die Karneoldolomite (rod). 


Die Karneoldolomite sind in den Erläuterungen zu Blatt 
Schramberg (S. 36 ff.), ebenso in den sämtlichen Erläuterungen der 
badischen Nachbarlandschaft so eingehend beschrieben, daß hierauf 
verwiesen sei unter nochmaliger Betonung ihrer Eigenschaft, ganz 
gleichmäßig über rm, ro oder Gneißb und Granit hinwegzutrans- 
gredieren. Dabei scheint der Karneoldolomit „insofern überall mit 
dem Buntsandsteinprofil verbunden, als er durchweg dessen Basis 
bildet“. Außerdem besteht hier die vorerwähnte lückenlose Ver- 
knüpfung. Dagegen scheint der Karneoldolomit unter sich eine 
ziemlich eben abgehobelte Abtragungsfläche vorgefunden zu haben, 
die aus Granit und Gneiß bestand; die vorher vorhanden gewesenen 
Mulden waren mit älterem Rotliegendem erfüllt, das nach oben 
ebenfalls von der Abtragung eben abgestrichen war. Vergl. ganz 
einfach das geologische Blatt Schramberg, besonders das Durchlaufen 
des rod-Bandes über die Schramberger Bucht ins Lehengericht hin- 
über! Ein gleiches Bild bietet die Berneck (Bl. Alpirsbach). Aller- 


= I 


dings schwankt rod in seiner Mächtigkeit noch nach den Niveau- 
differenzen seiner Unterlage, aber die Beträge sind ganz andere als 
bei ro. Es steht nichts im Weg, die letzten vereinzelten Bildungen 


für die Beobachtung, daß die Transgression dieses Karneoldolomit- 
komplexes sicher nicht viel weiter nach Südwesten griff, als etwa die 
Linie Tennenbronn—Schapbach (vergl. oben S. 15, BI. Hornberg, 
Bl. Triberg, BI. Schramberg). Der petrographisch vollständigen Gleich- 
artigkeit der hiesigen Dolomite mit denen der Heidelberger Gegend 
sei ausdrücklich Erwähnung getan, sie stimmen nämlich genau mit 
denen überein, welche im Odenwald den Zechstein unterlagern. 
Allerdings besteht dort ein deutlicher petrographischer Unterschied 
zwischen den Rotliegenddolomiten und dem Zechsteindolomit. 


Lagerungsweise und Tektonik. 


Schon beim Unterrotliegenden war erwähnt, daß es sich in 
flachen Mulden, Talzügen eingelagert habe, ebenso beim Oberrot- 
liegenden. Eck betont mit Recht, daß es sich auch beim Carbon 
und Unterrotliegenden meist um SW—NO streichende Vertiefungen 
handle (Lahr, S. 19). Dies gilt auch für die mit Carbon, Unterrot- 
liegendem, Mittelrotliegendem und Oberrotliegendem gefüllte Schram- 
berger Talbucht (vergl. oben). Beim Mittelrotliegenden ist der Fall, 
abgesehen von Schramberg, in vorliegendem Gebiet insofern weniger 
klar, als es sich um Gesteinsschichten handelt, welche zwar teil- 
weise als Querschnitte alter Talmulden ausbeißen, teilweise aber 
nach Westen unmittelbar nach dem Vorkommen unter der Trias an 
einer Verwerfungslinie gegen Granit abstoßen. Diese ziemlich genau 
S—N laufende Störung beginnt auf Blatt Schramberg und zieht bis 
gegen Rötenbach auf Blatt Alpirsbach. Sie schneidet so durchs 
Gehänge, daß immer der Hintergrund der tief eingerissenen Seiten- 
täler im rm liegt, während der Auslauf schluchtartig eng durch 
Granit geht. Das beste Beispiel bietet der Herrenwalder Grund, auf 
Blatt Schramberg, das Dachsloch auf Blatt Alpirsbach. Die weichen 
sanften Hänge in den Rotliegendtonen wechseln, besonders im 


Dachsloch, plötzlich in schroffe Granithalden, die wilde Szenerie hat 
diesem Teil des Tals den Namen „Teufelsküche“ verschafft. Gegen 
Rötenbach hin klingt diese Störung im Norden aus, im Rohrbach 
liegt im Süden ein anderer, gleichfalls rm gegen Granit legender 
Bruch, bei dem aber der Ostflügel abgesunken ist. Das Oberrot- 
liegende lagert wieder in deutlich nachweisbaren tiefen Talzügen 
der Dyaszeit. Auch diese ziehen SW— NO. 

Damit schließt sich der Grundriß der dyadischen Landschaft 
eng an die Tektonik des Grundgebirgs an. Denn die Faltenzüge 
des Gneis, die Verbandsgrenze Gneis-Granit und die Gänge der 
Granitporphyre im Granitmassiv folgen alle der SW—NO-Richtung, 
die auch als die variskische bezeichnet wird. So war der innere 
Bau des kristallinen Gebirgs, die darin vorhandenen Richtungslinien 
maßgebend für den Verlauf der einstigen Talbildung. Eck teilt 
(Württ. Jahrb. 1887, a. a. O.) die Gesamtheit der Schwarzwälder 
Schichten carbonischen und dyadischen Alters in fünf verschiedene 
Gruppen (vergl. dort u. oben S. 13/14). Wenn er dabei Alpirsbach— 
Schramberg in einen Bezirk einweist, der einen SW—NO ziehenden 
Geländestreifen bildet, und nachher sagt: '„Es ist gar kein Grund 
vorhanden, anzunehmen, daß die im Gebirge herrschenden Verhält- 
nisse sich nicht auch in dem nach Osten zunächst anliegenden 
württembergischen und badischen Gebiet noch eine Strecke weit fort- 
setzen sollen“, so hat er gewiß recht und alle Bohrversuche stimmen 
in ihren Ergebnissen mit diesen seinen Auffassungen bestens überein. 

Dies gilt auch beim negativen Ergebnis von der Bohrung bei der 
Stampfe. Man hat hier südlich des Schramberger Talzugs angesetzt, 
obgleich dessen Verbreitung in dieser Richtung unwahrscheinlich ist. 
Es ist ja schon (vergl. Eck) im untern Kirnbach sehr bald Grund- 
gebirg erbohrt worden. Dieser hochliegende Granitwall, der das dya- 
dische Schramberger Tal südlich begleitet, kam bei Dunningen wieder: 
nach Durchstoßung der „Jaspisdolomite“ stand die Bohrung im Granit. 

Sind diese Lagerungsverhältnisse eigentlich einfach, so er- 
schwert eine verwickelte Tektonik und der mangelnde Zusammenhang 
die Deutung zunächst sehr. Besonders das plötzliche Abschneiden 
der einzelnen Schichten an Verwerfungen, die teils gar nicht in den 
Buntsandstein weitersetzen, teils ihn mitverwerfen, aber jenseits des 
Sprungs ganz andere Verhältnisse im ro zeigen, lassen vieles rätsel- 
haft erscheinen, bevor eine weitergehende Vergleichung zur Deutung 
verhilft, durch die Annahme, daß prätriadische Verwerfungen und 
z. T. auch prätriadische Erosionsperioden vorkommen. 


HB — 


Faltungen nachcarbonischen Alters sind nirgends im Gebiet 
nachweisbar. Die früher bei Berghaupten angenommene Einfaltung 
hat sich nach A. Sauer als Überschiebung erwiesen; das hat sich 
später durch Schachtaufschlüsse und durch den Nachweis der spiegel- 
blanken Harnische der Überschiebungsfläche bestens bestätigt (vergl. 
A. Sater: das Steinkohlenvorkommen von Berghaupten — Diersburg. 
Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde, Jahrgang 58, 
1902. S. XCIV). Also sind, wie bemerkt, Überschiebungen 
bewiesen und damals wie später mögen sich die tektonischen Be- 
wegungen vielleicht mehr in horizontaler Richtung, als Ver- 
schiebungen geäußert haben. Verhält sich doch die Richtung, 
welche den meisten Rotliegendverwerfungen gemeinsam ist, SO—NW 
(Triberg, Schramberg, Schiltach) zur variskischen ungefähr wie die 
Gegenklüftung zur Klüftung im Grundgebirge.e Wenn der Gneis 
in SW—NW ziehende Falten geworfen ist (Erl. zu Bl. Ober- 
wolfach u. a.), so hat eine von SO gegen NW wirkende pressende 
Kraft eingewirkt. Eine solche mußte aber, wenn’s zur Zerreißung 
und horizontalen Verschiebung kam, solche SO—NW laufende 
Linien schaffen. So läßt sich die eine tektonische Richtung aus 
der andern herleiten. Auch wo kein Sprung nachweisbar ist infolge 
Felilens dislozierter Sedimentschichten, also im Grundgebirge, machen 
Ruschelungszonen, Erzgänge, Verkieselungsriffe u. dergl. wahrschein- 
lich, daß dort Störungen durchlaufen. Daß die Schollen in Be- 
wegung waren und jezt in ganz veränderter Lage sind, macht auclı 
die Wahrnehmung erklärlich, daß alle Rotliegendpunkte, besonders 
die mit ru, in ganz verschiedener Meereshöhe liegen. Von der tertiären 
Tektonik aus ist dies nicht zu erklären, fallen ja die Höhenzahlen 
meist schwarzwaldeinwärts, also dem Schichtfallen der triadischen 
Sedimente gerade entgegengesetzt! (Vergl. z. B. Bl. Triberg u. die 
Erl. dazu S. 32.) 

Schon die andern Unterrotliegendvorkommen des Schwarz- 
walds sind häufig disloziert. So sagt z. B. Saver (Erl. zu Gengen- 
bach S. 45): „Zu beachten ist, daß die Gerölle auffällige Pressungs- 
erscheinungen zeigen, insbesondere die Quarzgerölle, welche zer- 
borsten und zertrümmert, in ihren Bruchstücken bisweilen um weniges 
verschoben, aber durch Quarzsubstanz wieder fest verkittet wurden. 
Sehr wahrscheinlich hängen diese Druckerscheinungen mit dem keil- 
förmigen Einbruch zusammen, welcher diese kleine Unterrotliegend- 
parzelle mitsamt ihrer granitischen Unterlage in das gegenwärtig 
abweichend tiefe Niveau versetzte.“ Dasselbe gilt für alle die kleinen 


— 29 — 


ru-Parzellen in den Bergen östlich Schiltach, welche an Verwerfungen 
abschneiden. An die zugleich stark verkieselte Stelle am Käppele- 
berg sei besonders erinnert. 

Vom Mittelrotliegenden ist die Bergzell-Rötenbacher Verwerfung 
schon genannt. Sie scheint schon in der Mittelrotliegendzeit ent- 
standen, da dessen Schichten im Süden über sie zu transgredieren 
beginnen (Fräulinsberg). Es ist auch kein Grund abzusehen, warum 
in dieser Periode eifriger Betätigung der Erdgewalten — ringsum 
mächtige vulkanische Eruptionen! — nicht auch tektonische Span- 
nungen sich in den Brüchen und Schiebungen hätten auslösen sollen. 

Bei den Unterrotliegendfleckchen ist die Zeit ihrer Dislokation 
nicht bestimmt anzugeben. Dagegen um so besser beim Oberrot- 
liegenden. Bei Schramberg schließt die Talfüllung mit ro gegen 
Südwest plötzlich mit einer Verwerfung gegen Granit ab. Über ro 
liegen die rod-Karneoldolomite, über diesen Buntsandstein, der an der 
Nippenburg ein Profil bis zum oberen Buntsandstein entwickelt 
zeigt. 1 km weiter westlich zeigt sich an der Hochsteig über Granit 
ein nur wenige Meter mächtiges Bänkchen Karneoldolomit, dann folgt 
wieder der Buntsandstein. Zunächst liegt, wie Karte (Bl. Schram- 
berg) und Querprofil zeigen, der Buntsandstein hüben und drüben 
verschieden hoch. Ein nach seiner Ablagerung — nach Analogien 
ins Tertiär zu weisender — Bruch hat also stattgefunden. Aber 
warum sind östlich über 400 m Oberrotliegendes, westlich keine 
10 m Karneoldolomit? Die Erklärung kann nur so sein, wie schon 
angedeutet: das Oberrotliegende war — ebenso wohl auch z. T. ru 
und rm! — einst viel verbreiteter. Damals kam der Schramberger 
Talzug, erfüllt mit ro, von Triberg herüber. Da erfolgte der erste 
tiefe Einbruch bei Schramberg. Durch ihn kam die Füllmasse der 
ro-Senke so tief zu liegen, daß diese Gesteine, im Bruchfeld ein- 
gelassen, der Erosion entzogen blieben, welche später ringsum Grund- 
gebirge und Rotliegendes, soweit erreichbar, abtrug. Auch der west- 
liche, hochgebliebene Talzug mit samt seinen Granitwänden verschwand, 
Hernach transgredierte über die geschaffenen Abtragungsflächen Kar- 
neoldolomit und Buntsandstein, wohl auch Muschelkalk, Keuper und 
Jura ë”. Nach der Kreidezeit begann die Abtragung aller Sedimente. 
Im Tertiär erfolgte ein neuer Einbruch, aber diese Bewegung löste 


1 Schach, Erl. zu Königsfeld—Niedereschach. S. 27. 
3? Vergl. Branco, Schwabens 125 Vulkanembryonen. Württ. Jahresh, 1894. 
S. 537 ff, 


sich auf der alten Spalte, der alten Gleitfläche im Gebirgsinnern aus. 
Hierauf kam, durch den Rheintal-Einbruch stark geworden, die 
Erosion der von West angreifenden Gewässer, diese deckten die 
Jüngeren Schichten ab und brachten schließlich auch die dyadischen 
Gesteine und das kristalline Grundgebirge wieder ans Licht. Neben- 
stehende Skizze veranschaulicht den angenommenen Gang der Er- 
eignisse und ergibt als letzte Darstellung genau den heutigen geo- 
logischen Querschnitt durchs Schramberger Tal, ebendenselben, den 
die Karte 1:25000 im Querprofil zeigt. 


G.Gp. rm su V smsomm mo K 
ru ro mu 


G.Gp. = Granit, Granitporphyr (Grundgebirge); ru, rm = Unter- und Mittel- 


rotliegendes; ro = Oberrotliegendes, su = Unterer Buntsandstein; V = Ver- 
ruschelung'; sm{=— Mittlerer Buntsandstein, so = Oberer Buntsandstein; mu 


— Unterer, mm = Mittlerer, mo = Oberer Muschelkalk; K = Keuper. 
Schematische Darstellung des Schramberger Einbruchs. 


Die Annahme prätriadischer Verwerfungen und einer folgenden 
Erosionsperiorde vor der Buntsandsteinzeit ist berechtigt durch 
folgendes: 

1. Eine andere Erklärung ist bei Schramberg nicht durchführbar. 
2. A. Sauer wies bei Triberg eine einheitliche Überlagerung von 
sme1 über einer durch eine vortriadische Verwerfung geschaffenen, 
hälftig aus Granit, hälftig aus ru + rm bestehenden Unterlage- 


= Ah en 


fläche nach. Auch das bekannte dortige Quarzriff der Ver- 

werfung streicht unter smc 1 ein. 

3. Auf Blatt Schramberg wurden, ebenso wie auf den badischen 
Nachbarblättern!, unter den smc 1 Geröllen verkieselte Stücke 
alter Barytgänge aufgesammelt. 

4. Die Schiltacher Hauptverwerfung bringt ebenso, wie z. T. die 
Herrenwalder Verwerfung rm neben Granit + ro unter un- 
gestörtem smc!. 

Einige dieser Verwerfungen (Schramberg!) regten sich auch 
zur Tertiärzeit wieder”. Was im Odenwald früher beobachtet wurde, 
ist sehr wertvoll: hier ist auch der Nachweis” erfolgt, daß die 
Erosionsperiode vor die Zeit des Zechsteins fällt. Daß die 
dort wie hier gleich ausgebildeten Karneoldolomite, also die letzte 
Rotliegendschicht bei Schramberg in beschriebener Weise trans- 
grediert, stimmt hiemit bestens überein. Der vielfache Schuttgehalt 
derselben darf wohl als Aufarbeitungsbreccie gedeutet werden. Daher 
auch die unscharfe Grenze derselben über dem gleichartig ent- 
standenen ro. 


Ganz nebenbei sei noch erwähnt, daß auch die Gänge von Wittichen meist 
nur Granit und Rotliegendes durchsetzen, während einige wenige in den Bunt- 
sandstein weiterdringen*. Das Verwerfungssystem von Wittichen ist wohl 
ursprünglich älter als das Freudenstädter System®, das auch die Trias mitver- 
wirft, aber teilweise scheinen auch diese Bewegungslinien im Tertiär wieder be- 
lebt worden zu sein. Vergl. ihre Beziehungen mit den tertiären „Eschach- 
spalten“. (S. Begleitworte zu Bl. Schramberg.) 


1 S. Erl. zu Blatt Peterstal. S. 67. 

3 M. Brätuäuser, Tektonik der Schramberg—Schiltacher Gegend. Württ. 
Jahreshefte. 1908. S. LXXXVI. 

3 Erl. zum hessischen Blatt Erbach. S. 31: „Wenn auch an vielen Stellen 
der Zechstein das Rotliesende völlig konkordant zu überlagern scheint, so be- 
weisen duch anderseits viele Punkte, an denen er ohne Zwischenlagerung von 
Kotliegendem dem Grundgebirge direkt aufruht, daß auch nach dem Absatz des 
Rotliegenden und vor dem des Zechsteins in unserem Gebiet eine Zeit der Ero- 
sion herrschte, durch welche die Müchtigkeit des ersteren vielfach stark reduziert 
oder durch die es lokal ganz wieder entfernt wurde.“ 

* Vergl. die Arbeiten: Geognostisch-bergmännische Beschreibung des Kinzig- 
taler Bergbaus von VosELGEsanG (Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung 
des Großherzogtums Baden. Heft 61. Jahrgang 1865), sowie F. SANDBERGER, 
Uutersuchungen über Erzgänge, Wiesbaden 1882. 

° Vergl. Begleitworte zu Blatt Freudenstadt, sowie AxeL Sceumipt: Der 
Neubulacher und Freudenstädter Graben, Beiträge zur Tektonik und Verteilung 
der Erzgänge im Deckgebirge des östlichen Schwarzwaldes. Zeitschr. f. prakt. 
Geol., XVII. Jahrgang 1910. Heft 2. 


— 32 — 


Zusammenfassung der Ergebnisse. 


. Nach der Gneisfaltung und den Granitintrusionen muß sehr 
viel Zeit vergangen sein, bevor die ältesten nichtmetamorplhien 
Sedimente im Alpirsbach—Schramberger Gebiet zum Absatz 
kamen. 

. In dieser Zeit muß eine gewaltige Erosion geherrscht haben, 
welche den vorher als Tiefengestein erstarrten Granit freilegte 
und in Gneis und Granit als Taggebirgen eine Landschaft mit 
flachen Hügelwellen und größeren Talzügen ausarbeitete 
(vergl. Eck). 

3. Der Verlauf dieser Täler war, entsprechend den tektonischen 
Verhältnissen des Grundgebirgs, variskisch gerichtet. Er ging 
also parallel mit den Faltenzügen im Gneis, der Verbands- 
grenze Gmeis-Granit und den meisten Granophyrgängen im 
Granitmassiv. 

. Die alten Talzüge sind erkennbar geblieben durch ihre Aus- 
füllung mit Carbon und Rotliegendem (vergl. Eck). 

. Eine der tiefsten, prädyadısch vorgebildeteten Talbuchten muß 
diejenige gewesen sein, welche unter der heutigen Stadt Schram- 
berg durchlief, wo bis zum Niveau des Meeresspiegels hinab 
dyadische, zu unterst carbonische Sedimente erbohrt sind. In 
der nordöstlichen Fortsetzung dieses Talzugs sind bei Obern- 
dorf mächtige dyadısche Gesteine erbohrt worden. 

. Da die Bestimmung der Schramberger Pflanzenreste die Frage 
offen läßt, ob Carbon oder Unterrotliegendes vorliegt, kann 
Carbon nicht mit Sicherheit als Taggebirge bezeichnet werden. 
In der Tiefe aber ıst es sicher vorhanden (vergl. Eck), also 
verhält sich bei Schramberg die Sache ähnlich, wie bei Hinter- 
ohlsbach, wo dieselben Formationen, dort beide als Taggebirg 
sich unmittelbar aneinander anschließen. 

. Die Grenze von Unterrotliegendem und Mittelrotliegendem ist 
ganz unscharf. 


. Im Unterrotliegenden fehlen — in Übereinstimmung mit Tri- 
berg, aber im Gegensatz zum unteren Kinzigtal — grobe 
Konglomerate. 


. Das Mittelrotliegende enthält vulkanische Aschentuffe. Por- 
phyrische Ergußdecken oder Ausbruchsstellen („Stile“) solcher 
fehlen im beschriebenen Gebiet. Dagegen hat vielleicht eine 
Verbindung bestanden mit solchen Gesteinen von Tennenbronn 
und besteht wahrscheinlich noch jetzt eine solche unter der 


10. 


u. 


12. 


13. 


u 39. ze 


Triasdecke durch mit den porphyrischen Ergußdecken unter 
Oberndorf. | 
Im Oberrotliegenden sind Kantengeschiebe häufig. Sie zeigen 
z. T. schöne Politur und deuten auf Steppenklima oder Wüsten- 
klima. „Torrentielle“ Entstehung stimmt auch mit der ganzen 
Art der zusammengehäuften, kaum gerundeten oder noch ganz 
eckigen Schuttmassen. Die später (im Eck’schen Konglomerat 
des Buntsandsteins) vorkommenden, mehr zugerundeten Wind- 
kanter stammen vielleicht größtenteils urspünglich aus dem 
Rotliegenden. 
Im Schramberger Oberrotliegenden sind Stücke von verkiesel- 
tem Porphyrtuff gefunden, die auf einen einstigen, SW—NO 
gerichteten Transportweg deuten, da sie wohl aus dem, größten- 
teils vor der Buntsandsteinzeit wieder zerstörten Lager 
von verkieseltem Porphyrtuff vom Kesselberg bei Triberg ge- 
kommen sein müssen. 
Schon bald nach dem Unterrotliegenden, mehr während der 
Mittelrotliegendzeit, begannen Einbrüche in der heutigen Um- 
gebung von Schiltach. Ähnlich liegt’s vielleicht beim Mittel- 
rotliegenden, das unter Schramberg erbohrt wurde. Rings 
umher ist das Mittelrotliegende die Zeit gewaltiger Vulkan- 
ausbrüche (Gengenbacher Gegend, Bl. Obertal—Kniebis, Obern- 
dorf). Nachweisbar kamen aber nur Aschen bis hieher. Viel- 
leicht bedeuten die prätriadischen Thermalerscheinungen (Tri- 
berg, Falkenstein bei Schramberg, Lehengericht, Käppeleberg 
bei Schiltach, Wittichen und Reinerzau) das Abklingen jener 
Eruptionsperiode. 
Die Schramberger Talbucht wurde nach ihrer Erfüllung mit 
Oberrotliegendem durch tiefen Einbruch versenkt. Dadurch 
blieben ihre Füllmassen erhalten, während nachher hier wie 
anderwärts (Odenwald) eine lange Erosionszeit neben viel 
Grundgebirge auch vom Rotliegenden das meiste wieder zer- 
störte. Nur so erklärt sich das plötzliche Abschneiden von 
mächtigem ro an der Verwerfung, jenseits deren es zwischen 
Granit und Buntsandstein fast ganz fehlt. Einst mächtige 
Lager von Rotliegendem müssen jener Erosion zum Opfer ge- 
fallen sein. Was damals verschont blieb, kam nach langer 
Überdeckung mit Trias und Jura im Tertiär wieder ans Licht, 
um von da ab, gemeinsam mit den noch erhaltenen Resten 
von Buntsandstein und Teilen des unterlagernden Grundgebirgs 
-3 


= BR 


der Erosion einer viel späteren geologischen Periode allmählich 
zu erliegen. 

14. Daß auch Buntsandstein bei Schramberg mitverworfen ist, be- 
weist, daß viel spätere tektonische Spannungen sich auf den 
alten, im Gebirge vorgezeichneten Linien und Gleitflächen aus- 
gelöst haben. Das Wiedererwachen der Verwerfungen fällt 
wohl bier wie anderwärts (Schiltach, Wittichen—Eschachtal) 
ins Tertiär. 

Stuttgart, im Februar 1910. 


Literaturübersicht. . 


Die ältere Literatur meist nach Eck zitiert. Bezüglich des paläophytologischen 
Materials siehe das Literaturverzeichnis von STERZEL. 


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forscher Schwabens. Tübingen. S. 342, 

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1832. Hehl, Neues Jahrbuch für Mineralogie. S. 213. 

1834. v. Alberti, Beitrag zu einer Monographie des bunten Sandsteins, Muschel- 
kalks und Keupers. Stuttgart und Tübingen. S. 18. 

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1843. Quenstedt, Das Flözgebirge Württembergs. 

1845. Quenstedt, Über die Wahrscheinlichkeit, in Württemberg Steinkohlen 
zu entdecken. Vortragsbericht in den Jahreshetten des Vereins für vater- 
ländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. I. S. 145 ff. 

1847. Kurr, Vortrag über die Wahrscheinlichkeit des Vorkommens von Stein- 
kohlen in Württemberg. Bericht s. Jahreshefte des Vereins für vater- 
ländische Naturkunde in Württemberg. Jahrg. I. S. 170 ff. 

1847. Quenstedt, Über die Kohlenformation mit Bemerkungen zu den vor- 
stehenden (Kerr's) Einwendungen. Bericht s. Jahreshefte des Vereins für 
vaterländische Naturkunde in Württemberg. Band II. S. 173 ff. 

1849. Amtliche Mitteilung des Bergrats über die Bohrungen. Württembergische 
Jahrbücher. Jahrgang 1849 (ersch. Stuttgart und Tübingen 1851). 

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1853. Quenstedt. Mitteilung im Tageblatt der 30. Versammlung deutscher Natur- 
forscher und Ärzte in Tübingen. 

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Staate. Band IV. S. 79 ff. (Dettinger Bohrung.) Vergl. auch ebenda 
Band V. 1858. S. 69. Band VI. 1858. S. 99—100. Band VII. 1859. S, 91. 
Band VIII. 1860. S. 57. Band IX. 1861. S. 76. Band X. 1862. S. 86. 
Band XI. 1863. S. 131 und Band XII. 1864. S. 71. 

1859. O. Fraas. Vergleichendes Schichtprotil in den Bohrlöchern Dürrmenz- 
Mühlacker und Ingelfingen. Jahreshette des Vereins für vaterländische 
Naturkunde in Württemberg, S. 326. 


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1885. 
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F. v. Sandberger, Geologische Beschreibung der Umgebungen der Rench- 
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tums Baden. Herausgegeben von dem Handelsministerium, 

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tums Baden. Herausgegeben vom Handelsministerium. 

Quenstedt, Handbuch der Petretaktenkunde. II. Auflage. 


. Ph. Platz, Geognostische Beschreibung der Umgebungen von Lahr und 


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tums Baden. Herausgegeben vom Handelsministerium. Heft 25. 
O. Fraas, Die geognostische Sammlung Württembergs. I. Auflage, 


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Atlasblatt Oberndorf. 

F. v. Sandberger. Zur Urgeschichte des Schwarzwalds. Ausland. 1876. 
No. 47 und 48. 

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0. Fraas, Die geognostische Sammlung Württemberss. 2. Auflage. 

©. Fraas, s. Festschrift zur XXI. Hauptversammlung des Vereins 
deutscher Ingenieure zu Stuttgart 1881. S. 2. 


. F. v. Sandberger, Untersuchungen über Erzgänge. Wiesbaden. C. W. 


Kreidel’s Verlag. 


. Engel, Geognostischer Wegweiser durch Württemberg, I. Auflage. 
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Land, Volk und Staat. Herausgegeben von dem K. statistisch-topo- 

graphischen Bureaun. Band II. Abt. 1. Stuttgart 1884. 

Eck, Geognostische Karte der Umgebung von Lahr. Mit Profilen 

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Eck, Geognostische Karte der Umgebung der Schwarzwaldbahn. 

Lahr 1884. 

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Eck, Bemerkungen über die geognostischen Verhältnisse des 

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kohlen in demselben. Jahreshette des Vereins für vaterländische Natur- 

kunde in Württemberg. 1591. S. 119 ff, 

F. v. Sandberger, Über Steinkohlenformation und Rotliegendes im 
3* 


1891. 


1891. 


1891. 


1892. 


1908. 


1909. 


ï — 36 — 


Schwarzwald und deren Floren. Jahrb. der k. k. geologischen Reichs- 
anstalt. 1891, No. 4. | 
Eck, Bemerkungen zu Herrn v. SANDBERGER’s Abhandlung: Über 
Steinkohlenformation und Rotliegendes im Schwarzwald und 
deren Floren. Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in 
Württemberg. Band 47, S. 119 ff. 

Eck, Notiz über das Bohrloch bei Sulz. Jahreshefte des Vereins für 
vaterländische Naturkunde in Württemberg. Heft 47. S. 224 ff. 

F. v. Sandberger, Nachträgliche Bemerkungen zu meiner Abhandlung: 
„Über Steinkohlenformation und Rotliegendes im Schwarzwald“. Ver- 
handlungen der k. k. geologischen Reichsanstalt. 1891. No. 4. 

Eck, Geognostische Beschreibung der Gegend, von Baden-Baden, Roten- 
fels, Gernsbach und Herrenalb. Herausgegeben von der Kgl. preuß. geol. 
Landesanstalt. 1892. S. 319 ff. 


. A. Sauer, Erläuterungen zu Blatt Gengenbach der geologischen 


Spezialkarte des Großherzogtums Baden, 


. A. Sauer, Erläuterungen zu Blatt Oberwolfach—Schenkenzell der 


geologischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 


. F. Schalch, Erläuterungen zu Blatt Peterstal—Reichenbach der geo- 


logischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 


. A. Sauer. Erläuterungen zu Blatt Hornberg—Schiltach der geo- 


logischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 


. H. Thürach, Erläuterungen zu Blatt Zell am Harmersbach der geo- 


logischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 


. F. Schalch, Erläuterungen zu Blatt Königsfeld—Niedereschach 


der geologischen Spezialkarte des Großherzogtums Baden. 


. A. Sauer, Erläuterungen zu Blatt Triberg der geologischen Spezial- 


karte des (iroßherzogtums Baden. 


. H. Thürach, Erläuterungen zu Blatt Haslach der geologischen Spezial- 


karte des Großherzogtums Baden, 


. M. Schmidt, Kantengeschiebe im Oberen Rotliegenden von Schramberg. 


Bericht über die 38. Versammlung des Oberrheinischen geologischen Vereins. 


. M. Schmidt und K. Rau, Erläuterungen zu Blatt Freudenstadt der 


Neuen geologischen Spezialkarte des Königreichs Württemberg. 


- K. Regelmann, Erläuterungen zu Blatt Obertal—Kniebis der Neuen 


geologischen Spezialkarte des Königreichs Württemberg. 


. Sterzel, Über Carbon- und Rotliegendfloren im Großherzogtum Baden. 


Mitteilungen der Gr. badischen geologischen Landesanstalt. V. Band. 2. Heft. 


. M. Bräuhäuser, Über die Tektonik der Schramberg—Schiltacher Gegend. 


Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. 
64. Jahrg. S. LXXXVI. 

K. Regelmann, Erläuterungen zu Blatt Baiersbronn der Neuen geo- 
logischen Spezialkarte des Königreichs Württemberg. 

M. Bräuhäuser, Mit Beiträgen von A. Sauer. Erläuterungen zu Blatt 
Schramberg der Neuen geologischeu Spezialkarte des Königr. Württemberg. 


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