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Full text of "Jahreshefte des Vereins f©r vaterl©Þndische Naturkunde in W©rttemberg"

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OF 


COMPARATIVE    ZOOLOGY, 

AT  HARVARD  COLLEGE,  CAMBRIDGE,  MASS. 
jFountfetJ  öl)  j)rfbate  sufiscrfptfon,  fit  1861. 


JAHRE SHE  FTE 

des 

Vereins  für  vaterländische  Naturkunde 

in 


Württemberg. 


Herausgegeben  von  dessen  Redactienscommission 

Prof.  Dr.  Schwendener  in  Tübingen,  Prof.  Dr.  H.  y.  Feh- 

ling,   Prof.   Dr.   0.  Fraas,  Prof.  Dr.  F.   v.  Krauss, 

Prof.  Dr.  P.  V.  Zech  in  Stuttgart. 


VIERUNDDREISSIGSTEK  JAHRGANG. 

Mit  8  Tafeln  und  9  Holzschnitten. 


STUTTGART. 

E.  Schweizerbarfsche  Verlagshandlung  (E.  Koch). 

'     1878. 


K.  Hofbuohdruckerei  Zu  Guttenberg  (Carl  Grüninger)    in  Stuttgart. 


Inhalt. 


Seite 

I.  Angelegenheiten  des  Vereins. 

I Bericht  über  die  zweiunddreissigste  Generalversammlung  den 
24.  Juni  1877  in  Reutlingen.  Von  Oberstudienrath  Dr. 
F.  V.  Krauss 1 

1.  Rechenschaftsbericht  über  das  Jahr  1876/77.  Von  Ober- 
studienrath Dr.  F.  V.  Krauss 6 

2.  Zuwachs  der  Vereins-Naturaliensammlung. 

A.  Zoologische  Sammlung,  von  Dr.  F.  v.  Krauss    .     .     .  11 

B.  Botanische  Sammlung,  von  Prof.  Dr.  Ahles    .     .     .     .  18 

3.  Zuwachs  der  Vereinsbibliothek,  von  Dr.  F.  v.  Krauss  .    .  21 

4.  Rechnungs-Abschluss  für  das  Jahr  1876/77.  Von  Hofrath 
Ed.  Seyffardt  in  Stuttgart 35 

5.  Wahl  der  Beamten 41 

6.  Nekrolog  des  Dr.  Emil  Schüz  in  Calw.    Von  Dr.  Wurm 

in  Teinach       43 

7.  Nekrolog  des  Gustav  Walz,  Direktors  in  Hohenheim. 
Von  Prof.  Dr.  Weber  in  Tübingen       52 

8.  Nekrolog  des  Carl  Deffner  in  Esslingen.  Von  Prof. 
Dr.  0.  Fraas  in  Stuttgart       61 

II.  Vorträge  und  Abhandlungen. 

1.  Mineralogie,  Geognosie  und  Petrefactenkunde. 

Ueber  einige  fossile  Harze  vom  Libanon.  Von  Prof.  Dr. 
Bronner  in  Stuttgart 81 

Ueber  Asphalt  und  Graphit  aus  den  Pfahlbauten  von  Schus- 
senried.    Von  Hüttendirektor  Dr.  Dorn  in  Tübingen      .    .    95 

Ueber  die  Rheincorrection  von  Ragatz  bis  zum  Bodensee  und 
über  eine  Karte  des  Pegelstandes  und  der  Wasserabfluss- 
mengen aller  Schweizer  Flüsse.  Von  Bauinspektor  Hoch- 
eisen in  Balingen 100 


Beitrage  zur  Kenntniss   der  fossilen  Fische  aus  d.r  M  .  ^°"° 

von  Baltringeu.    Hayfische.    Von   PWr  Br   P    ^      '' 
Essendorf.    (Hie™  Tafel  I)  ^'-  ^'"^^^  '" 

in  Reutiingen.    (SrÄr™"'-    "^^  '""  ^'"^ 

Geologisches   aus  de.  lÜ"  ^f  ^T   o"  Fraa  '    ^    "' 
Stuttgart.    (Hiea,  Tafel  III-VIII)  ^*'  '" 

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393 

2.  Botanik, 
alt  Sit:-  «—   VonProf.Br.  Sch.en- 

üeber    die    sogenannten   insektenfressenden'  Pflanzen  '    ^n^      ^^ 
Garteninspektor  W.  Hochstetter  in  Tübingen       . 


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Wüm  Naturw  Jahresli  Jahrg  XXX1V(1878.) 


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I 


I.  Angelegenheiten  des  Vereins. 


Bericlt  der  zweiDiiiidreissigsten  eeiieralTersammlniig 

den  24.  Juni   1877  in  Reutlingen. 
Von  Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss. 

Nach  dem  Vorbild  des  Oberschwäbiscben  und  Schwarzwälder 
Zweigvereins  und  einiger  Naturfreunde  in  Neuenstadt  a.  L.  haben 
sich  auch  in  Reutlingen  mehrere  Männer  aus  verschiedenen  Kreisen 
vereinigt,  um  sich  in  periodischen  Zusammenkünften  über  natur- 
wissenschaftliche Forschungen,  insbesondere  über  die  des  Heimath- 
landes zu  besprechen  und  damit  die  Zwecke  unseres  Vereins  zu 
fördern. 

Eine  von  diesen  Mitgliedern  an  die  vorjährige  General- 
versammlung in  Stuttgart  ergangene  Einladung,  das  diessjährige 
Fest  in  der  alten  Reichsstadt  abzuhalten,  wurde  desshalb  mit 
grosser  Freude  aufgenommen.  Die  städtischen  Behörden  haben 
hiezu  ihre  schönen  Räume  mit  sehr  anerkennenswerther  Bereit- 
willigkeit zur  Verfügung  gestellt.  Der  Rathhaussaal,  durch 
Herrn  Dr.  Lucas  mit  gut  kultivirten  und  seltenen  Pflanzen  des 
pomologischen  Instituts  geschmackvoll  dekorirt,  war  für  die  Ver- 
handlungen bestimmt  und  in  dem  Nebensaal  waren  interessante 
naturhistorische  und  ethnographische  Sammlungen  zur  Besich- 
tigung ausgestellt. 

Auch  die  Freunde  der  Botanik  hatten  diessmal  Gelegenheit, 
sich  an  dem  Anblick   mehrerer   eigenthümlicher    Pflanzen    zu  er- 

Württemlj.  naturw.  Jahreshet'te.     1878.  1 


—      2      — 

freuen.  Herr  Universitätsgärtuer  W.  Hoch  st  et  ter  in  Tübingen 
hatte  die  Gefälligkeit  aus  dem  botanischen  Garten  die  so- 
genannten insektenfressenden  Pflanzen  Sarracenia,  Cephalotus<) 
Nepanfhes,  Utricularia,  Aldrovanda,  Dionaea,  Drosera,  Bro- 
sophyllum  in  schön  kultivirten  Topfpflanzen  mitzubringen.  Herr 
Reallehrer  F  e  t  s  c  h  e  r  in  Altshausen  legte  einige  seltene  Sumpf- 
pflanzen, darunter  eine  blühende  Stratiotes  aloides  Lin.  aus 
dem  Altshauser  Weiher  in  frischen  Exemi^laren  vor;  ebenso  war 
die  Flora  der  Schwäbischen  Alb  vertreten,  indem  Herr  Apotheker 
Fehl  eisen  in  Reutlingen  eine  Anzahl  blühender  Orchideen  der 
Glemerwiese  herbeibrachte. 

Besonders  dankbare  Anerkennung  fand  Herr  Geognost 
Hildenbrand  in  Ohmenhausen  für  die  grosse  Mühe,  mit  der 
er  neben  vielen  anderen  Liasversteinerungen  mehrere  wohl- 
präparirte  Saurier  zur  Ausstellung  lieferte,  unter  welchen  als 
Seltenheit  ein  Ichthyosaurus  mit  ß  Embryonen  hervorzuheben 
ist.  Auch  die  Herren  Gerichtsnotar  El  wert  von  Balingen  und 
Rechtsanwalt  Hahn  in  Reutlingen  hatten  seltene  Petrefacten 
aus  dem  Jura  zur  Ansicht  vorgelegt. 

Ferner  waren  noch  Schmetterlinge  ^  und  Käfer  von  Herrn 
Adolph  Keller  in  Reutlingen  und  von  Herrn  Dr.  E.  Hof- 
mann in  Stuttgart  eine  Sammlung  nützlicher  Insekten  in  den 
verschiedenen  Entwicklungsstufen  vorhanden. 

Von  ethnographischen  Gegenständen  hatte  Herr  Carlos 
Majer  aus  Reutlingen  eine  sehr  reiche  und  kostbare  Sammlung 
insbesondere  von  Waffen  und  Geräthschaften  aus  den  Fidji-Inseln 
auszustellen  die  Güte. 

Nach  10^2  Uhr  begrüsste  der  Geschäftsführer  Herr  Rechts- 
anwalt 0.  Hahn  in  Reutlingen  die  Versammlung  mit  folgen- 
der Rede: 

Ich  heisse  Sie  willkommen,  meine  Herren ,  in  den  Mauern 
der  alten  Reichsstadt  Reutlingen,  deren  Dank  ich  zugleich  aus- 
zusprechen habe  dafür,  dass  Sie  ihrer  Einladung  so  zahlreich 
gefolgt  sind. 


-      3      — 

Es  ist  meine  Pflicht,  Sie  in  der  Stadt,  wo  Ihre  Ver- 
sammlung- tagt,  etwas  herumzuführen. 

Ich  beginne,  wie  ja  alle  Deutsche  thun,  mit  der  Geschichte. 
Es  ist  eine  Erfahrung,  dass  die  älteste  Kultur  sich  in  den 
Seitenthälern  der  Ströme  und  Flüsse,  in  den  hinteren  Berg- 
schluchten länger  erhalten  hat,  als  in  den  grossen  Thälern  selbst. 

So  finden  Sie  hier  in  den  Namen  der  Gewände,  der  Berge 
eine  Fülle  von  Wörtern,  welche  nur  aus  der  heidnischen  Zeit 
stammen  können :  ja  es  ist  wohl  der  beste  Beweis  hohen  Alters, 
wenn  ein  Name,  wie  z.  B.  der  der  Achalm  gar  nicht  oder 
kaum  mehr  erklärt  werden  kann.  Ich  darf  hier  an  unseren 
verstorbenen  Landsmann  Dr.  Theo ph  il  Rupp  erinnern,  welcher 
in  seiner  „Vorzeit  Reutlingens",  Reutlingen  -  Stuttgart  1869, 
gezeigt  hat,  wie  man  mit  fleissigem  Forschen  jeden  Ort  zum 
Ausgangspunkt  wissenschaftlicher  Forschungen  machen  kann. 
Hier  sehen  Sie  an  der  Spitalkirche  das  Bild  einer  Gans  mit 
einem  Mädchenkopf  und  herausgestreckter  Zunge,  welches  als 
ein  Bild  einer  der  Frau  Nerthus  verwandten  Gottheit  gedeutet 
wurde.  Hier  wurde  ein  Stein  mit  der  Sonne  und  Runenschrift 
gefunden.  Nicht  weit  von  hier  ist  Belsen  mit  dem  Bilde  des 
Bei  (frö).  Bekanntlich  sollten  diese  Götzenbilder  durch  Ein- 
mauerung  in  die  Kirchen  unschädlich  gemacht  werden.  In  der 
Nähe  von  Reutlingen  am  Opferstein  wurden  keltische  Gold- 
münzen (Regenbogenschüsselchen)  gefunden,  ebenso  bei  Ohmen- 
hausen, wovon  ich  hier  einige  vorlege. 

Die  bedeutendsten  Spuren  früherer  Niederlassung  finden  wir 
aber  in  Pfullingen,  wo  östlich  von  der  Laiblen'schen  Fabrik 
seit  Jahren  immer  wieder  alemannische  Reihengräber  aufgedeckt 
wurden.  Eine  grosse  Zahl  der  schönsten  Schmuckgegenstände 
unserer  Sammlungen  stammen  dorther.  Auch  von  diesen  sind 
einige  aufgelegt. 

Doch  wir  wollen  nicht  zu  lange  in  diesen  Zeiten  verweilen. 
Wer  sich  die  Sache  selbst  ansehen  will,  hat  die  beste  Gelegen- 
heit. Versetzen  wir  uns  in  eine  spätere  Zeit  Reutlingens,  in 
die  Zeit,  welche  durch  unsern  U hl  and  wohl  für  immer  mit  der 
Glorie  der  Dichtung  umgeben  ist.     Wer  kennt  nicht  das  Wahr- 


__     4     — 

zeichen  Reutlingens,  welches  das  Lied  der  Reutlinger  Schlacht 
so  trefflich  darstellt: 

,Wie   haben    da    die    Gerber    so    meisterlich  gegerbt, 

wie  haben  da  die  Färber  so  purpurroth  gefärbt!" 

Ja,  meine  Herren,  Sie  sind  heute  in  der  Stadt  der  Gerber 
und  Färber:  in  der  Stadt,  die  immer  kampfbereit  dastand,  trotz- 
dem dass  sie  nie  reich  und  gross  war,  wie  ihre  Schwesterstädte 
Ulm  und  Augsburg.  Vielleicht  trug  gerade  dieser  Umstand  die 
Schuld,  dass  die  Stadt  es  zu  keiner  grossen  Blüthe  brachte. 
Nur  Eines  bitte  ich,  die  Stimmung,  das  Gefühl  aus  jenem  Liede, 
das  Gefühl  einer  gewissen  Bangigkeit  und  Unsicherheit  nicht 
auf  die  Gegenwart  zu  übertragen. 

Reutlingen  war  es,  welches  im  Jahr  1247  eine  mehr- 
raonatliche  Belagerung  Heinrich  Raspe's  aushielt  und  zum 
Dank  dafür,  in  Ausführung  eines  Gelübdes,  die  Marienkirche 
baute,  deren  Schiff  so  lang  sein  soll,  als  der  von  Raspe  zurück- 
gelassene Sturmbock. 

In  der  Reformation  war  Reutlingen  die  zweite  Stadt,  welche 
die  Augsburgische  Confession  durch  die  Hand  ihres  damaligen 
Bürgermeisters,  eines  Wein^ärtners  Jos ua  Weiss,  unterzeichnete, 
wesshalb  Sie  das  Wappen  Reutlingens  im  Luther-Denkmal  in 
Worms  finden. 

Im  (Zoll-)  Kampf  mit  dem  ihr  Gebiet  umschliessenden 
Württemberg  hatte  die  Stadt  stets  zu  leiden.  Die  württem- 
bergische Burg  Achalm  schaute  wie  ein  drohendes  Gespenst  auf 
sie  herab,  und  zu  allem  Aerger  musste  Reutlingen  noch  die 
Gebäude  derselben  erhalten.  Da  in  einer  schönen  Nacht  er- 
glühte eine  Röthe  über  der  Burg  —  sie  brannte  ab  —  mau 
sagte,  nicht  ganz  ohne  Vorwissen  des  löblichen  Magistrats  von 
Reutlingen. 

Im  Jahr  1726  brannte  die  Stadt  fast  ganz  ab,  woraus 
sich  manche  Eilfertigkeit  in  den  Bauten  der  Stadt  erklärt. 

Im  Jahr  1806  kam  Reutlingen  an  Württemberg  und  wurde 
für  eine  der  sieben  guten  Städte  erklärt. 

Die  seitherige  Geschiclite  ist  zu  bekannt,  als  dass  ich  sie 
besonders    aufzuführen    hätte.      De^-  Geist  der  alten    Reichsstadt 


ist  nicht  sobald  aus  ihrem  AVeichbild  gewichen.  Die  Kedner- 
bühne,  von  welclier  ich  spreche,  hat  schon  ganz  andere  Reden 
gehört  als  diejenigen,  welche  heute  von  hier  aus  gesprochen 
werden  werden,  sie  stammt  aus  dem  Jahre  1848  und  heisst  im 
Volksmunde   „die  Krautstande". 

Nun,  meine  Herren,  genug  hievon.  Nur  von  einem  wilden 
Most  ist  ein  kräftiger  AVein  zu  erwarten. 

Doch  da  spreche  ich  eben  ein  grosses  Wort  gelassen  aus, 
ein  Wort,  das  uns  aus  der  Geschichte  in  die  Natur,  deren 
Erforschung  ja  unsere  heutige,  die  Aufgabe  unseres  Vereines  ist, 
führt.  Ein  jeder  Ort  hat  gewisse  Worte,  welche  man  dort  nicht 
leicht  hört,  ohne  als  Folge  einen  mehr  oder  minder  grossen 
Grad  von  Aufregung  zu  sehen.  Wenn  ein  Fremder  in  Reut- 
lingen von  dem  Wein  spricht,  wird  er  immer  gewisse  Unruhe  in 
den  Mienen  seiner  eingesessenen  Nachbarn  bemerken.  Spricht 
man  von  Prinz  Eugen  und  Belgrad,  so  geschieht  diess  nicht 
ohne  einige  Gefahr.  Ein  Nichteingeweihter  kann  sich  die 
Flammenröthe  auf  den  Gesichtern  bei  solchen  unschuldigen 
Worten  nicht  erklären. 

Meine  Herren,  Sie  wissen  das  Geheimniss  und  der  heutige 
Tag  wäre  sicher  nicht  unter  den  unbedeutenden  in  der  Geschichte 
Reutlingens  zu  verzeichnen,  wenn  es  ihm  gelänge,  durch  recht 
eifrige  und  vielseitige  Proben  und  Versuche  einen  geschichtlichen 
Mythus  zu  zerstören.  Ich  bitte  Sie  also,  diesem  Gegenstand  nach 
Sohluss  Ihrer  Versammlung   Ihre  volle  Theilnahme  zu  schenken. 

üeber  weitere  botanische  Merkwürdigkeiten  Mittheilang  zu 
machen,  überlasse  ich  den  ausgezeichneten  Männern  vom  Fach, 
welche  wir  heute  in  unserer  Mitte  sehen. 

Ich  gehe  über  auf  den  Theil  der  Naturwissenscliaft,  in 
welchem  ich  mich  besser  zu  Hause  fühle,  die  Geologie  von 
Reutlingen. 

Sie  wissen,  dass  diese  Gegend  es  war,  welche  Leopold 
von  Buch  die  ersten  Aufschlüsse  über  die  Lagerung  der 
Gebiigsschichten  gab.  Sie  wissen,  dass  eine  Schule  von  Männern 
von  hier  oder  wenigstens  aus  unserer  nächsten  Nähe  ausging, 
welche  die  Wissenschaft  der  Geologie  zu    einem    grundlegenden 


—      6      — 

Abschluss  brachte.  Hiezii  lieferten  eben  die  Berge  von  Reut- 
liogen  das  Material. 

Meine  Herren,  Sie  stehen  hier  auf  urheiligem  Boden,  dem 
Boden  der  Riesen-Saurier,  der  Ammoniten  (von  welchen  Sie 
einige  Prachtexemplare  ausgestellt  finden),  der  Belemniteu, 
Terebrateln,  ja,  wenn  Sie  aus  unserem  Kalke  einen  Dünnschliff 
für  das  Mikroskop  fertigen,  so  sehen  Sie  statt  der  homogenen 
Masse  nichts  als  jene  unendlich  kleinen  Wesen,  welche  nach 
den  neuen  Forschungen  die  Bausteine  zu  den  Gebirgen  hergeben 
mussten,  so  dass  nur  ein  Theil  der  Masse  noch  als  Mörtel  er- 
scheint. Sie  wandeln  hier  buchstäblich  auf  dem  Rücken  der 
Saurier,  Sie  wandeln  im  Urschleim,  im  Bathybius  des  Jura-Meeres, 
noch  schwimmt  auf  unserem  Wasser  der  Thran  der  Fische  aus 
jener  Zeit. 

Doch  genug  hievon,  das  sind  bekannte  Dinge.  Es  wird 
auch  wohl  kaum  nothwendig  sein,  Ihnen  alle  die  Naturschön- 
heiten unserer  näheren  und  nächsten  Umgebung  vorzuführen. 
Sie  sind  eingeladen,  letztere  nach  Tische  auf  einem  Spaziergang 
über  das  pomologische  Institut  selbst  anzusehen. 

Möge  der  heutige  Tag  in  der  Geschichte  unseres  Vereins, 
wie  im  Leben  seiner  Mitglieder  nicht  zu  den  verlorenen  gezählt 
werden,  was  in  unserer  geringen  Macht  liegt,  wollen  wir  dazu 
beitragen  und  damit  noch  einmal  willkommen,  herzlich  will- 
kommen ! 

Zum  Vorsitzenden  für  die  heutigen  Verhandlungen  wird 
Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss  gewählt. 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss  trug  folgenden 

Rechenschafts-Bericht  für  das  Jahr  1876—1877 

vor. 

Meine  Herren!  Im  Auftrag  Ihres  Ausschusses  habe  ich  die 
Ehre,  Ihnen  über  die  Vorkommnisse  im  verflossenen  33.  Jahre 
unseres  Vereins  Bericht  zn  erstatten. 

Es  ist  bisher  eine  allseitig  anerkannte  Sitte  gewesen,  dass  der 
Verein    den    auswärtigen    naturwissenschaftlichen    Gesellschaften, 


—    .7     — 

mit  welchen  er  in  Verbindung  steht,  zur  Feier  eines  grösseren 
Zeitabschnittes  ihres  Bestehens  und  ihrer  Wirksamkeit  seine 
Glückwünsche  dargebracht  hat. 

Um  so  viel  mehr  darf  Ihr  Vorstand  hoffen,  im  Einver- 
nehmen aller  Mitglieder  gehandelt  zu  haben,  wenn  er  die  Ein- 
leitung getroffen  hat,  dass  unser  Verein  sich  auch  seinerseits  an 
der  im  ganzen  Vaterlande  freudig  begrüssten  400jährigen  Jubel- 
feier der  Eberhard-Karls- Universität  in  Tübingen  in  würdiger 
Weise  betheiligen  wird.  Mit  Stimmeneinhelligkeit  hat  auch  Ihr 
Ausschuss  seinen  Antrag  gutgeheissen  und  beschlossen,  dass  an 
der  im  August  dieses  Jahres  stattfindenden  Feier  vom  Verein 
eine  für  dieses  seltene  Ereigniss  entsprechend  ausgestattete 
Festschrift  überreicht  werden  soll. 

Hiezu  bot  sich  in  der  durch  das  K.  Naturalien-Kabinet  von 
Oberkriegsrath  Dr.  v.  Kapff  erworbenen  prachtvollen  Gruppe 
von  24  gepanzerten  Vogelechsen  (Aetosaurus  ferratus  Fraas) 
aus  dem  Stuttgarter  Stubensand,  die  für  die  Wissenschaft  ganz 
neu  sind,  der  geeignetste  Gegenstand,  dessen  Bearbeitung  mit 
künstlerisch  ausgeführter  .bildlicher  Darstellung  Professor  Dr. 
0.  Fraas  vorgeschlagen  und  mit  aller  Bereitwilligkeit  über- 
nommen hat. 

Da  die  in  Quartformat  hergestellte  Festschrift  mit  drei 
grossen  Tafeln  und  mit  Holzschnitten  die  Vereinskasse  trotz 
ihres  günstigen  Standes  in  ausserordentlicher  Weise  in  Anspruch 
nelimen  wird,  so  unterzog  Ihr  Ausschuss  die  Frage  einer  ein- 
gehenden Berathung,  ob  sie  zur  Ersparung  der  Kosten  nur  den- 
jenigen Mitgliedern  übergeben  werden  soll,  welche  sich  für 
diesen  Gegenstand  besonders  interessiren  und  die  Zusendung 
unter  Betheiliguug  an  einem  entsprechenden  Kostenersatz 
wünschen,  oder  ob  sie  alle  Mitglieder  erhalten  sollen.  In  An- 
betracht, dass  wohl  allen  Mitgliedern  diese  Festgabe  als  ein 
dauerndes  Erinnerungszeichen  an  die  seltene  Feier  erwünscht 
sein  werde,  wurde  die  Frage  in  letzterwähnter  Eichtung  durch 
einstimmigen  Beschluss  entschieden  und  es  wird  somit  dieselbe 
als  drittes  Heft  des  laufenden  Jahrganges  ausgegeben. 

Der  Verein  hat  auch  im  verflossenen  Jahr    durch  den  Bei- 


—      8     — 

tritt  von  86  Mitgliedern  wieder  einen  bedeutenden  Zuwachs 
erhalten,  was  hauptsiichlich  den  unermüdlichen  Bemühungen  des 
Oberschwäbischen  und  Schwarzwälder  Zweigvereins  und  der  Ver- 
einigung eifriger  Freunde  in  Reutlingen  und  Neuenstadt  a.  L., 
sowie  dem  steigenden  Interesse  für  die  vaterländische  Naturkunde 
überhaupt  zu  danken  ist.  Nur  der  nordöstliche  und  fränkische 
Kreis  unseres  engeren  Vaterlandes  hat  sich  den  schon  in  der 
vorjährigen  Versammlung  ausgedrückten  Wünschen  immer  noch 
nicht  angeschlossen.  Seine  Betheiligung  würde  unseren  Bestre- 
bungen sehr  fördernd  sein,  zumal  unseren  Sammlungen  aus  jenen 
Gegenden  noch  die  meisten  Belege  aus  dem  Naturreiche  fehlen, 
die  zur  Vergleichung  mit  den  vorhandenen  der  übrigen  Kreise 
unseres  Landes  von  hohem  Interesse  sein  würden. 

üeber  den  Zuwachs  der  Naturalie  n -Sa  m  mlu  ng  bin 
ich  in  der  angenehmen  Lage,  Ihnen  erfreuliche  Mittheilungen 
machen  zu  können.  Es  sind  als  Geschenke  übergeben  worden: 
16  Säugethiere,  152  Vögel  mit  24  Nestern  und  39  Eiern, 
18  Reptilien,  16  Fische,  über  7000  Insekten,  10  Krustenthiere, 
6  Entozoen,  etwa  1800  Mollusken,  2  Gebirgsarten  und  9  Petre- 
facten,   11  Spec.  Phanerogamen  und  65  Cryptogamen,  31  Hölzer. 

Die  reiche  Vermehrung  von  Vögeln  und  Insekten  verdankt 
der  Vereiu  hauptsächlich  dem  rastlosen  und  uneigennützigen 
Sammeleifer  des  Herrn  Kaufmann  Hans  Simon  in  Stuttgart. 
Wie  er  die  Vögel  während  eines  längeren  Aufenthalts  in  Heilig- 
kreuzthal in  vollständigen  Familien  mit  Nestern,  Eiern,  Jungen 
und  Alten  in  allen  Altersstufen  zu  sammeln  verstand,  so  ist  es 
ihm  mit  grosser  Geschicklichkeit  und  Pünktlichkeit  gelungen, 
auch  die  kleinsten  und  seltenen  Käferchen  aus  dem  Moos,  den 
Riedgräsern  und  den  angeschwemmten  Pflanzenresten  der  Flüsse 
aufzufinden  und  aufs  Zierlichste  für  die  Sammlung  zu  präpariren. 
Und  diess  hat  Herr  Simon  so  emsig  betrieben,  dass  er  in  diesem 
und  in  dem  vergangenen  Jahr  nahezu  10,000  Insekten  zum 
Geschenk  übergab,  worunter  über  100  für  Württemberg  neue 
Arten  sich  finden. 

Was  die  vorhandene  Insekten-Sammlung  betrifft,  so  hat  Ihr 
Conservator  Dr.  E.  Hof  mann  nun  auch  die  Käfer,  Cicadeu  und 


—      9      — 

Wanzen  iu  neuer  Aufstellung  vollendet  und  ferner  zur  Belehrung 
der  Besucher  eine  instructive  Sammlung  der  nützlichen  wie  der 
schädlichen  Insekten  mit  Darstellung  ihrer  Naturgeschichte  und 
Lebensweise  aufgestellt. 

Durch  die  Aufstellung  von  zwei  neuen  Sammlungskästen 
war  es  Ihrem  Berichterstatter  möglich,  die  in  Folge  des  starken 
Zuwachses  dicht  zusammengedrängten  Fleischfresser  und  Nage- 
thiere  sowie  die  Raubvögelgruppen  nunmehr  in  übersichtlicher, 
gefälliger  Anordnung  ausbreiten  zu  können,  dessgleichen  hat  der- 
selbe die  lehrreiche  morphologische  Sammluug  der  Bäume  und 
Gesträuche  sowie  die  württembergischen  Holzarten  in  Quer- 
scheiben und  Stammstücken,  die  durch  seine  Bemühungen  nahezu 
vollständig  vorhanden  sind,  neu  geordnet. 

Die  Vereinsbibliothek  liat  um  451  Bände  und 
Schriften  und  7  Karten  zugenommen.  Dieser  werthvoUe  Zu- 
wachs, der  wie  bisher  im  1.  Heft  des  Jahrganges  verzeichnet 
wird,  ist  den  Schenkungen  einiger  Mitglieder  und  Gönner,  vor 
Allem  aber  den  durch  Ihren  Bibliothekar  eingeleiteten  Tausch- 
verbindungen mit  109  Universitäten,  Akademien  und  gelehrten 
Gesellschaften  des  Auslandes  zu  danken.  Diess  wird  gewiss  von 
allen  freudig  begrüsst  werden,  die  sich  mit  naturwissenschaft- 
lichen Studien  beschäftigen,  um  so  mehr  als  die  meisten  Schriften 
in  den  einheimischen  Bibliotheken  nicht  zu  finden  sind. 

Die  Bibliothek  kann  von  den  Mitgliedern  gegen  Einsendung 
einer  Quittung  an  den  Bibliothekar  Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss 
jederzeit  benutzt  werden.     ' 

Der  Verein  hat  durch  Austausch  seiner  Jahreshefte  neue 
Verbindungen  angeknüpft  mit  der 

Accademia     delle     scienze    fisiche    e    matematiche     di 

Napoli, 
Stazione  zoologica  di  Napoli, 
Accademia  delle  scienze  dell  instituto  di  Bologna, 
Societä  entomologica  italiana  di  Firenze, 
Reale  accademia  dei  Lincei  di  Roma, 
Accademia  Pontificia  de'nuovi  Lincei  di  Roma, 
Reale  comitato  geologico  d'Italia  di  Roma, 


—     10     — 

Societa    Veneto-trentina    di    scienze    naturali   residenta 

iu  P  a  d  0  V  a, 
Societa  adriatica  di  scienze  naturali  in  Trieste, 
Royal  Society  of  New  South  Wales  at  Sydney, 
New  Zealand  Institute  at  Wellington, 
K.  Universität  in  Chris tiania, 
Archiv  for  Mathematik  og  Naturvidenskab  inChristi  an  ia. 
Naturforschenden  Gesellschaft  zu  Leipzig. 
Von   der   Vereinsschrift   haben  'Sie    schon  vor    einiger   Zeit 
das  erste  und  zweite  Heft  des  33.   Jahrganges   zugeschickt    er- 
halten.     Aus    dem   Inlialt  dieses    Doppelheftes    werden   Sie    mit 
Befriedigung  entnommen  haben,  dass    zur   Kenntniss    der    vater- 
ländischen  Naturgeschichte   wieder   wichtige    Arbeiten   veröffent- 
licht   worden    sind.      Das    3.    Heft    mit     der    Festschrift    zur 
Stiftungsfeier  der  Universität  in  Tübingen  ist   unter   der    Presse 
und  wird  im  August  in  Ihre  Hände  gelangen. 

Für  die  Vorträge,  welche  auch  im  vergangenen  Winter 
wieder  den  Vereinsmitgliedern  gehalten  worden  sind,  ist  folgenden 
stets  hiezu  bereitwilligen  Herren  der  Dank  auszudrücken.  Es 
sprachen*. 

Prof.  Dr.  V.  Zech  über  die  Grösse  der  Atome, 
Prof.  Dr.  0.  Köstlin  über  Luftdruck  und  Höhenklima. 
Unter  den  gestorbenen  Mitgliedern  hat  der  Verein  im  ver- 
flossenen Jahre   mehrere   zu    beklagen,    die    ihm    von    Anfang 
seines  Bestehens  angehört  haben  und  mit  warmem  Interesse  zu- 
gethan  waren.     Es  sind; 

Staatsminister  Freiherr  v.  Neu  rat  h, 
Obermedicinalrath  Dr.  v.  Ei  ecke, 
Oberstudienrath  Dr.  v.  Riecke, 
Medicinalrath  Dr.  Mülle  r, 
Oberbauratli  Binder, 
Director  v.  Walz 
Dr.  Emil  Schüz, 
Fabrikant  Carl  Deffner. 
Ueber  die  letzteren,  die  für  die  Bestrebungen  des   Vereins 
in  hervorragender  Weise  gewirkt  und  für  Erforschung  der  vater- 


—    n    — 

läüdisclien  Naturkunde  wichtige  Dienste  geleistet  haben,  werden 
Ihnen  in  der  Vereinsschrift  aus  der  Feder  ihrer  Freunde  noch 
eingehendere  Worte  der  Erinnerung  mitgetheilt  werden. 

Endlich  habe  ich  noch  die  Aufgabe,  allen  Mitgliedern  und 
Gönnern,  welche  die  Sammlungen  und  Bibliothek  mit  Geschenken 
bedacht  haben,  im  Namen  des  Vereins  den  wärmsten  Dank  aus- 
zudrücken. Die  Schenker  und  Geschenke  sind  in  den  nachfol- 
genden Verzeichnissen  aufgeführt. 

Die  Vereins-Naturaliensammlung  hat  vom  24.  Juni 
1876  bis   1877  folgenden  Zuwachs  erhalten: 

A,    Zoologische  Sammlung. 

(Zusammengestellt  von  Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss.) 

I.  Säiigetliiere. 

Als  Geschenke: 

Bhinolophus  hipposideros  Bechst.,  Männchen, 

von  Herrn  Forstmeister  Probst  in  Zwiefalten; 
Yesi^erugo  noctula  Schreb.,  altes  Männchen, 

von  Herrn  Eevierförster  Frank  in  Schussenried; 
Meles  Taxus  Fall.,  2 — 3  Tage  altes,  noch  blindes  Weibchen, 

von  Herrn  Hofbüchsenspauner  Rein  hold; 
Canis  vtilpes  L.,  2  noch  blinde  männliche  Junge, 

von  Herrn  Revierförster  H  e  p  p  in  Hirsau  ; 
Canis  viilpes  L.,  etwa  4  Wochen  altes  Männchen, 

von  Herrn  Dr.  W.  Wurm  in  Teinach; 
Sus  scrofa  L.  ferus,  etwa  4  Wochen  altes  Weibchen, 

vom  Park  Solitude; 
Cervus  capreolus  L.,  3  Embryonen, 

von  Dr.  E.  Schüz  in  Calw; 
Sciuncs  vulgaris  L.  var.  nigra,  junges  Männchen  aus  dem  Neste, 
Arvicola  glareolus  Sund.,  junges  Männchen, 

von  Freiherrn  Richard  König- Warthausen; 


—      12      — 

Aroicola   amphihius    K.  &    Bl.,    Männchen    und    Weibchen,    von 
Heiligkreiizthal, 

von  Herrn  Kaufmann  H.  Simon  in  Stuttgart; 
Arvicola  amphihius  K.  &  Bl.,    Männchen    und  Weibchen,    durch 
Benagen  einer  Fichtenkultur  bei  Klotzenhofen  geschadet, 
von  Herrn  Forstmeister  Paulus  in  Lorch. 

IL  Vögel. 

Als   Geschenke: 

Tetrao  urogallus  L.,  Fötus  aus  einem  am  5.  Juni   bei  Wildbad 
gefundenen  Ei, 

von  Herrn  L.  Linck  juu.  in  Heilbronn. 
Tetrao  urogdllas  L.,    drei    5 — 7  tägige  Junge    und    zwei  junge 
Männchen    von  4  und  5  W^ochen,    aus   bei  Naislach    aufge- 
fundenen Eiern  durch  eine  Henne  ausgebrütet, 
von  Herrn  Joh.  Nill  in  Stuttgart; 
Sylvia  rufa  Lath.,  Männchen    und  Weibchen   mit    5  Jungen   im 

Nest, 
Sylvia  Bonelli  VieilL,    Männchen    und  W^eibchen   mit   5  Jungen 

im  Nest, 
Calamodyta  locustella  Penn.,  Männchen 

von  Herrn  Forstcandidat  Ebert  in  Blaubeuren; 
üpupa  Epops  Ia,  altes  Männchen  von  Vaihingen, 

von  Herrn  ührenmacher  Grein  er  in  Stuttgart; 
Turdus  musicus  L.,  Nest  mit  5  Eiern, 
Turdus  merula,  L.,  Nest  mit  3  Eiern, 
Fringilla  coelehs  L.,  Nest, 
Turtur  auritus  Ray,  2  Nester, 

von  Herrn  Forstmeister  Herdegen  in  Altensteig; 
Corvus  frugilegus  C.  L.,  Männchen  mit  einer  weissen  Feder  im 
Flügel, 
von  Herrn  Revierförster  Die  m  and  in  Mochenthal; 
Äccipenser  Nistis  Fall.,  altes  Männchen  in  der  Mauser, 
Astur  palumharius  Bechst.,  Weibchen  mit  3  Eiern, 

von  Herrn  Major  Graf  Dillen -Spi  e ring  in  Däzingeu; 
Buteo  vulgaris,  Sechst.,  Männchen,  weissliche  Varietät, 


—      13     — 

Mareca  Penelope  Goiüd,  junges  Mäunchen, 

von  Herrn  Oberbüchsenspanner  Rein  hold; 
Otus  hrachyotus  Boie',  Weibchen, 
Sylvia  turdoides  Meyer,  alt, 

von  Herrn  Stationsmeister  Schneider  in  Schemmerberg; 
Milviis  regalis  Briss.,   2  zweitägige  Junge  und  ein  Embrj'o, 

von  Herrn  Revierförster  Frank  in  Schussenried ; 
Haliaefus  albicilla  L.,   20.  Nov.   1873  bei  Laupheim  erlegt, 

von  Herrn  Apotheker  Bayer  in  Laupheim; 
GalUmäa  cMoropus  Lath.,  Weibchen  von  Berg, 
von  Herrn  Prof.  Dr.  0.  Fr  aas; 
Stercorarius  parasiticus  Br.,  junges  Weibchen, 

von  Herrn  Staatsminister  Freiherrn  v.  Varnbüler; 
Oedicnemus  crepifans  Temm.,  altes  Männchen  bei  Eglosheim, 
von  Herrn  Hauptmann  Freih.  v.  Wagner  in   Ludwigsburg; 
ErytJiacus  rubecüla  Cuv.,  Nest  mit  3  Eiern  und  einem  Kuckucksei, 

von  Herrn  Reallehrer  L  ö  r  c  h  e  r  in  Schorndorf; 
Fernis  apivorus  L.,  altes  Weibchen  mit  Nest   und  2  Eiern    auf 

einem  Fichtenzweig, 
Pyrrhula  rubicilla  Fall.,  junges  Männchen, 
FringiUa  coelehs  L.,  Männchen,  Weibchen  und  2  Junge  mit  Nest 

auf  einer  Forclie, 
FringiUa  cannahina  L.,  Männchen,  W^eibchen   mit  5  Jungen  im 

Nest  und  2  Nester  mit  Eiern, 
Emherim  citrinella  L.,  3  Nester  mit  Eiern  auf  Schwarzdorn  und 

einem  Fichtenast, 
Älauda  arvensis  L.,  jung  und  Nest  mit  5  Eiern, 
Änthus    arhoreus   Bechst.,   Männchen,    Weibchen,    ausgeflogenes 

Junges  und  4  Junge  im  Nest, 
Sylvia  sylvicola  Lath.,  Männchen  und   7  verschiedene  Junge, 
Sylvia  cinerea  Bechst.,  Weibchen  und  3   ausgeflogene  Junge, 
Sylvia  hypolais  Lath.,  Weibchen  mit  3  Jungen  im  Nest, 
Sylvia  curruca  Lath.,  in  der  Mauser, 
Sylvia  rufa  Latli.,  2  Junge, 
Calamodyta  aquatica  Latli.,  altes  Männchen, 
Cyanecula  suecica  Brehm,  junges  Männchen, 


—      14      — 

Muticilla   tithys    Brehm,     Männchen,    Weibchen   und    5    Junge 

im  Nest, 
Pratincöla  ruhetra  Koch,  Männchen,  Weibchen  mit  Nest   und  7 

Jungen, 
Erythacus  ruheciila  Cuv.,  Männchen,  Weibchen  und  5  Junge, 
JRegulus  cristatus  Koch,  Männchen,  Weibchen  und   3  Junge, 
Regulus  ignicainUtis  Licht.,  altes  Weibchen, 
Certhia  familiaris  L.,  Nest  mit  3  Eiern, 
Sitta  europaea  L.,  junges  Männchen  und  Weibchen, 
Hirundo  rustica  L.,  Männchen,  Weibchen,  6  Junge  und  Nest, 
Chelidon  urbica  Boie,  Männchen,  Weibchen,    5  Junge,   Eier  und 

Nester, 
Turdus  musiciis  L.,  3  junge  Männchen, 
Oriolus  galbula  L.,  Nest, 
Favus  coeruleus  L.,  2  Junge, 
Parus  cristatus^  L.,  jung, 
Muscicapa  grisola  L.,   Männchen,   Weibchen    mit   4  Jungen   im 

Nest  und  2  ausgeflogene  Junge, 
Lanius  exciibitor  L.,  Weibchen  mit  3  ausgeflogenen  Jungen, 
Enneoctonus  coUurio  Boie,  3  Männchen,  Weibchen  mit  10  Jungen 

und  Nestern  auf  Schwarzdorn,    2  Nester   mit    7  Eiern    auf 

Apfelbaum, 
Gecinus  canus  Boie',  Männchen,  Weibchen  mit  3  Jungen  in  einem 

Birkenstamm, 

von  Herrn  Kaufmann  Hans  Simon  in  Stuttgart. 

III.     Reptilien. 

Als  Geschenke: 

Lacerta  murälis  Aldrov.,  vom  Hohenlupfen, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Fr  aas; 
Tropidonotus  natrix  Kühl,  Weibchen  mit  24  Eiern, 
Salamandra  maculosa  Laur.,  Junge, 

von  Herrn  Thiermaler  C.  G.  Specht; 
Pelias  berus  Merr.,  Männchen  und  Weibchen, 

von  Herrn  Revierförster  Frank  in  Schussenried ; 


—      15      — 

Felias  berus  Merr.,  Weibchen  mit  6  in  der  Gefangenschaft  ge- 
bornen  Jungen, 

von  Herrn  Geometer  Gerst  in  Schussenried ; 
Salamandra   atra   Laur.,    Weibchen,   von   Eisenbach,    mit    1    in 
Warthausen  gebornen  Jungen, 

von  Freiherrn  Richard  König-Warthausen; 

Triton  cristatus  Laur.,   12  Jahre  in  der  Gefangenschaft  gehalten, 

von  Herrn  Hans  Gmelin  in  Stuttgart. 

IV.  Fische. 
Als  Geschenke: 

Lota  vulgaris  Cuv.,  sehr  selten, 

Trutta  fario  L.,  sehr  selten, 

Tinea  vulgaris  Cuv.,  alle  3  Arten  aus  der  ßiess, 

von  Herrn  August  Angele  in  Warthausen; 
Gohio  fluviatilis  Cuv., 
Phoxinus  laevis  Ag.,   aus  den  Riedgräben, 

von  Herrn  Gutsbesitzer  Hess  in  Pfrungen. 

V.  Insecten. 
Als  Geschenke: 

Coccus  mali  Schrank,  auf  Celastrus  scandens, 

von  Herrn  Forstmeister  Herdegen  in  Altensteig; 
Lepidopteren,  46  Arten  in  112  Stücken  mit  biologischen  Gegen- 
ständen, 

von  Herrn  Dr.  E.  Hof  mann; 
Coleopteren,  4  Arten  in   16  Stücken  vom  Schwarzen  Grat, 
Äcarus  domesticus  de  Gee'r,  aus  neuen  Möbeln, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  G.  Jaeger; 
Raupen  von  CälUgenia  rosea  Fabr.  und  Hy]oocam]pa  3Iilhauseri  Fab. 
Ichneumoniden,  3  Arten  in  6  Stücken, 

von  Herrn  Xylograph  Michael; 
Larven  von  Cetonia  marmorafa  Fabr., 

von  Herrn  Decorateur  Scheiffele; 
Carabus  nodulosus  Creutz.,  von  Wolfegg, 

von  Herrn  Apotheker  Duke  in  Biberach; 


—      16     — 

Hymenopteren,   16  Arten  in  26  Stücken, 
Lepidopteren,      10       „       n    16        „ 

von  Herrn  Stadtdirectionswundarzt  Dr.  Steudel; 
Luperiis  rufipes  Fabr.,  den  Früchten  und  Blättern  der  Birnbäume 
schädlich, 

von  Herrn  Theodor  Lind  au  er; 
Galleruca  nympliaeae   L.,    Männchen   und  Weibchen   in   der  Be- 
gattung, auf  Nymphäen  im  Federsee, 

von  Herrn  Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss; 
Ichneumoniden,  4  Arten  in  8  Stücken, 

von  Herrn  Xylograph  Bauer; 
Coleopteren,  etwa  100  Arten  in  300  Stücken,  nach  einem  Wolken- 
bruch aus  angeschwemmten  Pflanzenresten  gesammelt, 
von  Herrn  Kaufmann  Hermann  Reichert  in  Nagold  und 
durch  Herrn  H.  Simon  präparirt; 
Nester  mit  Eiern  von  Gryllotdlpa  vulgaris  L., 
Hylaeus  grandis  XU.  mit  Larven, 

von  Herrn  Apotheker  Valet  sen.  in  Schussenried ; 
Coleopteren,  etwa  600  Arten  in  5396  Stücken, 
Hemipteren,  15  Arten  in  37  Stücken, 

von  Herrn  Kaufmann  Hans  Simon. 

VL     Criistaceen. 
Als  Geschenke: 
Astaciis  saxaülis  Koch,  4  alte  Männchen, 

von  Herrn  August  Angele  in  Warthausen; 
Apus  cancriformis  Latr.,  6  Weibchen    aus  Eiern    aus  Wien  er- 
zogen, 

von  Herrn  Dr.  E.  Zell  er  in  Winnenthal; 

VIL     Eiitozoen. 
Als  Geschenke: 
Taenia  cucumenna  Bloch,   ohne  Kopf,   von   einem   halbjährigen 
Kinde,  das  nie  Fleisch  gegessen, 

von  Herrn  Dr.  Salz  manu  in  Esslingen; 


—     17     — 

Taenia  solium  L.,  4  Meter  lang  mit  Kopf,  aus  einem  42jälirigen 
Mann  abgetrieben, 

von  Herrn  Prof.  Dr.  Fraas. 

VIII.    Mollusken. 
Als  Geschenke: 

Helix  edenhila  Drap.,  R.  villosa  Drap.,  H.  Cohresiana  v.  Alten, 
H.  arhustorum  L.  var.  straminea,  Bulimus  montamis  Drap., 
ClausiUa  Uneölata  Held,  (neu  für  Würt.)  und  Gl.  orthostoma 
Mke.,  zusammen  in  etwa  160  Stücken,  aus  dem  AUgäu, 
von  Freiherrn  Richard  König-Warthausen; 
Helix  pomatia  L.  var.  turrita  aus  dem  Schneckengarten  in 
Streichen, 

von  Herrn  Pfarrer  Hart  mann  in  Frommern; 
Heliceen,   10  Arten,  darunter   Vifrina  pellucida  Müller,    F.  dia- 
phana    Drap.,  Helix  aculeata  Müller,    in   etwa  80  Stücken, 
von  Herrn  Kaufmann  H.  Simon; 
Limax  laevis  Müll,  (hrunneus  Drap.),  Helix  personata  Lk.,  Clau- 
siUa 5  Arten,  Limnaeus  4  Arten,  Planorbis  2  Arten,  Cyclas 
2  Arten,  zusammen  in  269  Stücken, 

von  Herrn  Reallehrer  Lörcher  in  Schorndorf; 
Yitrina  diapJiana  Dr.,  Helix  2  Arten,  Pupa  2  Arten,  1  ClausiUa 

aus  Wiesensteig,  in  180  Stücken, 
ClausiUa  5  Arten,  darunter  Cl.  lineolata  Held  aus  Oberschwaben, 
in  90  Stücken, 
von  Herrn  Unterlehrer  Mangold  in  Wiesensteig; 
26  ClausiUa  Braunii  Charp.,  vom  Kriegsberg, 

von  Herrn  Otto  Buchner  in  Stuttgart; 
Landconchylien  38  Arten  in  etwa  1000  Stücken,  aus  der  Wald- 
ach angeschwemmt, 
von  Herrn  Kaufmann  Herm.  Reichert  in  Nagold. 

IX.     Spongien. 
Als  Geschenk: 
Spongilla  fluviaUUs  Lieberk.,  auf  Anodonta  cellensis  Pfeiff., 
von  Herrn  Kaufmann  Fr.  Drautz  in  Heilbronn. 

Wiirttemb.  riaturw.  Jahreshefte.     1878.  2 


—      18      — 


X.  Gebirgsarten. 


Als  Gesche  nke  : 

Gletschergeschiebe  aus  dem  Bromberg, 
Bonebed-Block  von  Bebenbausen, 

von  Herrn  Forstratb  Dr.  Tscher ning  in  Bebenhausen. 

XL  Petrefacten. 
Als  Geschenke: 

Dryopithecus  Zahn  von  Salmendingen, 

von  Herrn  Professor  Dr.  v.  Fleischer  in  Hohenheim, 
Leptaena  liasica  Bouch.,  von  Geislingen  (Balingen), 
Serpüla  socialis  arietis  Qu.,  von  Ostdorf, 
AmmonUes  planulatus  Uasicus  Qu,,  von  Engsthatt, 

von  Herrn  Gerichtsnotar  El  wert  in  Balingen. 

B.    Botanische  Sammlung. 

(Zusammengestellt  von  Prof.  Dr.  Ahles.) 

Von  Phanerogamen  sind  drei  Sendungen  zu  verzeichnen: 
Herr  Apotheker  Ducke  und  Herr  Lehrer  Sey  er  len  von  Biber- 
ach schickten  30  verschiedene  Pflanzen,  deren  Vorkommen  theils 
in  Oberschwaben  theils  überhaupt  in  der  Flora  von  Württemberg 
nicht  gedacht  ist.  Und  nur  aus  der  Gmünder  Gegend  sind  von 
Herrn  stud.  Lor.  Herter  einige  Pflanzen  eingelaufen. 

Herr  Pfarrer  Sautermeister,  Bezirksschulinspector,  be- 
reicherte das  Vereinsherbarium  mit  folgenden  K  r  y  p  t  o  g  a  m  e  n : 

Tetraplodon  angustatus  L.  vom  Plattenberg, 

Barhula  inclinata  Schwgr.  vom  Oberhohenberg, 

Ceratitium  laceratum  und  cornutum  Fuckel  Symb., 

Phelonites  strobilina  Alb.,  Schörzingen, 

Exidia  recisa  Fr.,  Schörzingen, 

Sparassis  laminosa  Fr.,  Schörzingen, 

Collema  hyssinmn  Hoffm. 
«         conchilohum  Fw. 


—     19     — 

Synechohlastus   Vespertilio  Ligbtf. 

„  Laureri  Fw. 

Pannaria    hrunnea    Fw.     Ebenfalls     aus    der    Schörzinger 

Gegend. 
Bhizoclonium   fluitans   Kg.  Aus  Wassergräben  b.  Kisslegg., 

Director  Dr.  v.  Zelle  r. 
Herr  Ingenieur  E.  K  o  1  b  von  hier  überreichte  wie  alljährlich 
seine  neuesten  Funde,  darunter: 

Sphaerangium  mtiticum,  Stuttgart,  Bothnanger  Heide, 
Hymenostomum  microstomum  Stuttgart,  Feuerbacher  Heide, 

y,  tortile,  Wenzelstein  bei  Balingen, 

Eudadium  verticillatum,  Frommern  bei  Balingen, 
Trichostomum  cordatum,  Bietigheim, 
CincUdotus  fontinaloides,  Blaubeuren, 

„  aquaticus  c.  fruct.,  Blaubeuren, 

Grimmia  tergestina  c.  fruct.,   Wenzelstein  bei  Balingen, 
Neckerei  pumila,  Lochen  bei  Balingen, 

„        complanata  c.  fruct.,  Lochen  bei  Balingen, 
Webera  cruda,  Wenzelstein  bei  Balingen, 
Bypnuyn  cordifoliuyn,  Kornthal, 
Jungermannia  corcyraea,  Cannstatt, 
Tridiocolea  tomentella,  Lochen  bei  Balingen, 
Bartramia  ithyphylla,  Stuttgart:  Feuerbacher  Heide, 
Hydnum   Auriscalpium   L.,    auf   Kiefernzapfen    im   Zuffen- 

hauser  Wald. 
Herr  Dr.  Mülb  erge  r,    pract.    Arzt  sandte  für  die  Samm- 
lung   folgende    bis   jetzt  gefundene    Farne  aus  der  Umgebung 
Herrenalb's  : 

1.  Pölypodium  vulgare  L. 

2.  Fhegopteris  polypodioides  Fic. 

3.  Fhegopteris  Dryopteris  Fic. 

4.  Cystopteris  fragilis  Bernh. 

5.  Aspidium  aculeatum  Sw. 

6.  „  Füix  mas.  Sw. 
T.  „  spinulosum  Sw. 
8.         „  Oreopteris  Sw. 

2* 


-      20     — 

9.  Äspidiurn  Filix  femina  Sw. 

10.  Äsplenium  Buta  muraria  L. 

11.  ^  septentrionale  Sw. 

12.  r,  TricJiomanes  L. 

13.  Scolopendriiim  officinarum  Sw.,  neu  für   den   Württem- 

berg.   Schwarzwald. 

14.  Blechmim  Spicant  ßotn. 

15.  Fteris  aqiiilina  L. 
Lycopodium  Selago  L. 

Professor  Ahles  von  hier  sammelte  eine  Menge  Ceterach 
officinarum  an  den  Weinbergsmauern  um  den  Schönbühl  im 
Remsthal  nebst  einer  Anzahl  Lichenen. 

Zur  Vermehrung  der  Holz  Sammlung  sind  folgende 
Beiträge  geliefert  worden:  vom  K.  Forstamt  in  Schorndorf, 
von  den  Herren  Forstrath  Kapp  in  Schorndorf,  Revierförster 
Frank  in  Schussenried,  Forstmeister  Paulus  in  Lorch,  Forst- 
meister H  e  r  d  e  g  e  n  in  Altensteig,  Forstamtsassistent  v.  Biber- 
stein in  Blaubeuren ,  Kaufmann  H.  Simon  und  Garten- 
inspector  Wagner  von  hier. 

1.  Stammstücke  von:  Sorhiis  iorminalis,  Bhammis  cathartica, 
Prunus  Mahaleb,  Bosa  canina,  Pimis  Pumilio  (200  J.) 
Pinus  silvestris  vom  Grünspecht  angehackt,  jugendliche 
Pinus  Picea  von  Scheermäusen  benagt,  Stengel  von 
Viscum  älhum. 

2.  Querscheiben  von:  Carpinus  hetidus  (130  J.),  Betula  alba 
(120  J.),  Pinus  silvestris  mit  eigenthümlichen  Ein- 
kerbungen. 

3.  Missbildungen:  Fasciationen  an  Alnus  glufinoea  und 
Berberis  vulgaris  ^  Auswüchse  und  Kropf bildung  an  Po- 
piäus  tremula,  Betula  alba,  Fagus  silvatica,  Quercus 
sessiliflora,  Pyrus  malus]  Knospenwucherungen  (Maser- 
bildung) an  Zweigen  und  Wurzeln  von  Prunus  spinosa, 
Betida  alba,  Fagus  silvatica,  Pinus  Picea;  krumm- 
gewachsener Gipfel  von  Pinus  silvatica. 


—      21      — 

Die  V  e  r  e  i  11  s  -  B  i  b  1  i  0  t  h  e  k   hat    folgenden  Zuwachs 
erhalten: 

a)  Durch  Geschenke: 

Das  öffentliche  Wasserversorgungswesen  im  Königreich  Württem- 
berg unter  Hervorhebung  der  Versorgung  der  wasserarmen 
rauhen  Alb  mit  fliessenden  Trink-  und  Nutzwassern.  Denk- 
schrift aus  Anlass  der  internationalen  Ausstellung  für 
Gesundheitspflege  und  Rettungswesen  in  Brüssel  im  Auf- 
trag des  K.  württb.  Ministeriums  des  Innern  verfasst  von 
Oberbaurath  Dr.  v.  Eh  mann.  Stuttgart  1875.  i^. 
Von  Herrn  Staatsminister  v.  Sick. 
Württb.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte.  Jahrg.  23  —  31. 
1867—75.     Stuttgart.     8«. 

Von  Frau  Kaufmann  Julie  Klett. 
Dieselben.     13  Hefte  aus    Jahrg.  26  —  31.     1870—75    (unvoll- 
ständig). 

Von  Frau  Staatsrath  Goppelt. 
Photographieen    der   in    Württemberg    vorkommenden    Schädel- 
formen  von    Obermedizinalrath    Dr.  v.  Holder.     Stuttgart 
1876.  40. 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Württb.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte.     Jahrg.   24.  Heft  3. 
Jahrg.  25.  Heft  1.     Jahrg.  26.  Heft  1.     Stuttgart.     8^. 
Von  Herrn  Vicedirector  von  Köstlin. 
Giebel,  thesaurus  ornithologiae.     Repertorium    der   gesammten 
ornithologischen    Literatur     und    Nomenclatur    sämmtlicher 
Gattungen    und   Arten   der    Vögel.      5.  Halbband.  Leipzig, 
F.  A.  Brockhaus.     1876.     8«. 

Vom  Herrn  Verleger  zur  Recension. 

Fragmenta   phytographiae   Australiae,   contulit   liber  Baro   Ferd. 

de  Müller.     Vol.  IX.     Melbourne  1875.     8». 

Vom  Herrn  Verfasser. 

Zoologische  Briefe.   Von  Prof.  Dr.  Gustav  Jäger.    3.  (Schluss-) 

Lieferung.     Wien  1876.     8». 
Ueber  die  Bedeutung  der  Geschmacks-    und  Geruchsstoffe.     Von 


22      

Prof.  Dr.  Gu>t.   Jäger.      (Sep.-Abdr.    aus    der    Zeitschrift 
für  wissenscli.  Zoologie  Bd.  27.) 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Das  Pflanzenreich.     Anleitung  zur  Kenntniss  desselben  nach  dem 
Linne'schen   System.      Nebst    einem    Abriss    der    Pflanzen- 
geschichte und  Pflanzengeographie.    Von  Dr.  Fr.  Wimmer. 
12.  Bearbeitung.     Breslau,  Ferd.  Hirt.   1876.     8^ 
Vom  Herrn  Verleger  zur  Eecension. 
Studien    über     das    Drehungsvermögen    der    wichtigeren    China- 
Alkaloide    von   Dr.    0.    Hesse.     (Sep.-Abdr.    aus   Liebigs 
Annalen  der  Chemie).     1876.     8^. 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Bericht  des  hydrotechnischen  Comite  über  die  Wasserabnahme  in 
den    Quellen,    Flüssen    und    Strömen    von    J.    Deutsch. 
(Sep.  -  Abdr.    aus    der    Zeitschrift    des     östr.    Ingen.-    und 
Archii-Vereins  1875).     Wien.    8^. 

Vom  Herrn  Verfasser. 

5.    Bericht   des    botanischen    Vereins   in   Landshut    über   die 

Vereinsjahre  1874/75.     Landshut  1876.     8^. 

Vom  Verein. 

Jahresbericht    des   Vereins    für    Naturkunde    zu    Zwickau   für 

1875.     80.| 

Vom  Verein. 
5.  Bericht  der  naturwissenschaftlichen  Gesellschaft  zu  Chemnitz, 
umfassend  die  Zeit  vom    1.  Jan.  1873  bis  31.  Dec.  1874. 
Chemnitz   1875.     8». 
Phanerogamen-Flora   von   Chemnitz  und    Umgegend.     Bearbeitet 
von  Fr.  Kramer.     Chemnitz  1875.     4°. 
Von  der  Gesellschaft. 
GeognostischeSpecialkarte  von  Württemberg  im  Massstab  1:  50>000, 
hg.    V.  statistisch  -  topogr.  Bureau.       Enth.   die   Atlasblätter 
Ehingen,    Biberach,    Laupheim,    Ochsenhausen    mit    einem 
Quartheft  Begleitworte,    geognostisch    aufgenommen    durch 
J.  Hildenbrand,  beschrieben  von  Prof.  v.  Quenstedt. 
Stuttg.  1876. 

Vom  K.  Finanzministerium. 


—     23     — 

Der  medicinische  Maximalthermometer,  angegeben  von  Dr.  Karl 
Ehrle  in  Isny.  (Sep.-Abdr.  aus  dem  deutschen  Archiv  für 
klin.  Med.)     1876.     S». 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Monthly  notices  of  papers  and  proceedings  of  the  ß.  society  of 
Tasmania  for  1870.   1871.    1873.   1874.      Tasmania  S». 
Von  der  R.  Society. 
Ueber  Schnabelmissbildungeu  von  Dr.  C.  S  t  ö  1  k  e  r  in  St.  Fiden. 
Ornithologische  Beobachtungen  (IIL  Eeihenfolge)  von  C.  Stoiker. 
St.  Gallen   1873/75. 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Heber  den  Bau  und  die  Verbreitung  der  Corallen-ßiffe  von 
Ch.  Darwin,  Nach  der  2.  Ausg.  übers,  v.  V.  Carus.  Stutt- 
gart, E.  Schweizerbart.  1876.  8^ 
Die  Bewegungen  und  Lebensweise  der  kletternden  Pflanzen  von 
Ch.  Darwin,  übers,  v.  V.  Carus.  Mit  13  Holzschnitten. 
Stuttgart,  E.  Schweizerbart.   1876.     8^. 

Vom  Verleger  Herrn  E.  Koch. 
Annual  report  of  the   TJ.  St.  geological  and  geographica!  survey 
of  the  territories,  ambracing  Colorado  and  parts  of  adjacent 
territories,    for  the   year    1874   by   F.  V.  Hayden.      Wa- 
shington 1876.     80. 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Further   notes   of    „Inclusions"     in    gems    etc.    by    Isaac  Lea. 

Philad.  1876.     8^. 
Catalogue  of  the  published  works  of  Isaac  Lea,  from  1817  — 1876. 
Philad.  1876.  8». 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Annual    report   of  the    director    of  the  mint   to  the  secretary  of 
the   treasury    for   the    fiscal   year    ended    June    30.    1875. 
Washington   1875.     8«. 

Von  der  Smithsonian  Institution. 

Ueber  Testudo   praeceps,    die    erste   fossile    Landschildkröte   des 

Wiener  Beckens,  von  G-.  Haberlandt.     (Sep.-Abdr.    a.  d. 

Jahrbuch  der  geol.  Reichsanstalt).     Wien  1876.     8^. 

Vom  Herrn  Verfasser. 


24     ~ 

C.     G.     Calwer's     Käferbuch.       Naturgeschichte      der     Käfer 
Europa's.     Zum  Handgebrauch   für    Sammler.     Herausg.  v. 
Prof.   Dr.   G.  Jäger.  3.  Aufl.     Stuttgart  1876.  8^. 
Von  Herrn  Dr.  E.  H  o  f  m  a  n  n. 

Vergleichende  Untersuchungen  über  den  Bau  der  Vegetations- 
organe der  Monocotyledonen  von  Dr.  P.  Falkenberg. 
Stuttgart,  F.  Enke   1876.     8». 

Vom  Herrn  Verleger  zur  Recension. 

Select  plants    readily    eligible   for    industrial    culture  or    natura- 
lisation  by  Baron    F.    v.  Müller.     Melbourne   1876.     8^ 
Vom  Herrn  Verfasser. 

Mittheilungendes  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Aussig  a./E. 
Aussig   1877.     8^. 

Vom  Verein. 

G.  E.  ß  u  m  p  h's  Amboinische  Raritätenkammer  oder  Abhandlung 

von  den  steinschaalichten  Thieren,    welche    mau   Schnecken 

und  Muscheln  nennt.    A.  d.  Holland,  von  Ph.  L.  St.  Müller, 

mit  Zusätzen  vermehrt  von  J.  H.  Chemnitz.   Wien  1766.  Fol. 

Von  Herrn  Revierförster  Frank  in  Heidenheim. 

Die  Flora  des  Hohenzollers.  Von  Reallehrer  Fr.  Reiser.  Als 
Programm  der  höheren  Bürgerschule  zu  Hechingen,  für 
1871.     40. 

Von  Herrn  Oberamtsarzt  Dr.  F  i  n  c  k  in  Urach. 

Das  Molassemeer  in  der  Bodenseegegend.    Von  Dr.  K.  Miller 
in  Essendorf.    (Sep.-Abdr.  a.  d.   Schriften   des    Vereins    für 
Geschichte  des  Bodensees.)     Lindau   1877.     4^. 
Vom  Herrn  Verfasser. 

The  Plants  indigenous  to  the  colony  of  Victoria  described  by 
Ferd.  Müller.     Lithograms.     Melbourne  1864/65.     4^. 

Fragmenta  phytographiae  Australiae,  contulit  liber  Baro  Ferd. 
de  Müller.  Vol.  I.  1858/59.  VI— VIII.  1867/74. 
Melbourne.     8°. 

A  contribution  to  the  Flora  of  Australia  by  William  WooUs. 
Sydney  1867.     8». 

On  practical  geodesy.  By  M.  Gardiner.  (Extr.  R.  Soc.  of 
Victoria,  May  1876).     8^. 


—     25     — 

The  minerals  of  New  South  Wales  by  A.  Liversidge.    (Extr. 

R.  Sog.  N.  S.  Wales.     Dec.   1874.)     8». 
Geological  survey  of  Victoria.     Report  of  progress  by  R.  Brough 

Smyth.     Melbourne  1876.     8». 
Reports  of  the  mining  surveyors  and  registrars.    Quarter  endend 

30.  June   1875  —  76.     Victoria   1875/76.     Fol. 
Mineral  statistics  of  Victoria  for  1875.     Victoria  1876.  Fol. 
Report  of  the  cliief  inspector  of  mines  for  the  hon.  the  minister 

of  mines.     Victoria   1876.     Fol. 
The  Australian  handbook  and    almanac    and    shippers'    and    ira- 

porters'  directory  for  1876.     Melbourne   1876.     S^. 
Philadelphia  centennial  exhibition  on   1876.     Melbourne. 
New    South    Wales    iutercolonial   and    Philadelphia    international 

Exhibition.      Mines    and    mineral    statistics    of   New    South 

Wales    and  notes   of  the    geological    collection  of   the    de- 

partment    of  mines,    compiled     by    direction    of   the   Hon. 

J.  Lucas.     Also    remarks    of   the   sedimentary    formations 

of  N.  S.  Wales  by  W.  B.  Clarke,  and  notes  on  the  iron 

and  coal  deposits  Wallerawang,  and  on  the   diamond  fields 

hy  Prof.  Liversidge.     Sydney    1875.     8^. 
Mineral    map    and    general    statistics     of    New    South    Wales, 

Australia.     Sydney  1876.     8^. 
Results   of    meteorological    observations    made    in    New    South 

Wales  during  1873,  under  the  direction  of  H.  C.  Rüssel. 

Sydney  1875.     8». 
Von  Herrn  Baron  Dr.  Ferd.  v.  Müller  in  Melbourne. 
Die  Pfahlbaustation  Schussenried  von  E.  Frank.  Lindau  1877.  8^. 

(Sep.-Abdr.  a.  d.  Schriften  des  Vereins   für  Geschichte  des 

Bodensees.) 

Vom  Herrn  Verfasser. 
Deutsche Excursions-Mollusken-Fauna  von  S.  Clessin.  Lief.  1 — 4. 

Nürnberg,  Bauer  und  Raspe  (E.  Küster). 
Vom  Herrn  Verleger. 
Windrosen  des  südlichen  Norwegens  von    C.  deSeue.  Univers.- 

Programm.     Kristiania   1876.     4^. 


—      26      — 

Etudes  sur  le  mouveraants  de  Tatmosphere  par  C.  M.  Guldberig 
et  H.  Mohr.  Part.  I.  Progr.  de  Puniv.  Christiania 
1876.     40. 

Enumeratio  insectoruin  norvegicorum.  Fase.  III,  lY.  Auetore 
H.  Siebke  defuneto  ed.  J.  Sparre  Schneider,  (üniv.- 
Progr.)     ChristiaDiae  1876/77.     8«. 

Von  der  K.  Universität  in  Christiania. 

Wandkarte  von  Südwestdeutsehland ,  umfassend  Württemberg, 
Baiern,  Baden,  Hessen,  Hohenzollern  und  Elsass-Lothringen. 
Bearb.  v.  Dr.  Heinr.  M  ö  h  1.  Kaiserslautern,  J.  J.  Tascher. 
1877. 

Von  Herrn  Dr.  Möhl  in  Cassel. 

Meteorologische  Beobachtungen,  angestellt  in  Dorpat  i.  J.   1875, 
red.  und  bearb.  von  A.  v.  0  e  tti  ng  e  n  und  K.  Vv'  e  i  h  r  a  u  c h. 
.Jahrg.  X.     Bd.  II.     Heft  5.     Dorpat  1877.     8«. 
Vom  Herrn  Verfasser. 

H.  G.  B  r  0  n  n  's  Klassen  und  Ordnungen  des  Thierreichs,  wissen- 
schaftlich dargestellt  in  Wort  und  Bild.  Fortgesetzt  von 
A.  G-e  rst  ä  cke  r.  Bd.  5.  Arthropoda.  Lief.  21  —  24. 
Bd.  6.  Abth.  1.  Pisees.  Lief.  2.  Bd.  6.  Abth.  2.  Am- 
phibien. Lief.  12 — 17.  Bd.  6.  Abth.  5.  Mammalia. 
Lief.  11  — 14.  Leipzig  und  Heidelberg,  C.  E.  Winter'sche 
Verlagshandlung.   1876/77.     8». 

Vom  Herrn  Verleger  zur  Keeension. 

The  geological  magazine;  or  monthly  Journal  of  Geology. 
Edited  by  H.  Woodward,  J.  Morris  and  ß.  Etheridge. 
Vol.  VIII,  11  —  Vol.  X.,  1  —  12.  (NO.  89  — 114).  New 
Series.  Decade  IL  Vol.  I  —  Vol.  IV,  6.  (N».  116—156). 
London   1871  —  1877.     8*^. 

Von  Herrn  Oberreallehrer  Zink. 

b)   Durch  Ankauf: 

Festschrift  zur  Feier  des  25jährigen  Bestehens  der  K.  K. 
zoologisch  -  botanischen  Gesellschaft  in  Wie  n.  Wien 
1876.     40. 


—      27      — 

Württ.  naturwissenschaftliche  Jahreshefte.  Jahrg.  1 — 31,  1 — 19. 
10—29.     15.   16. 

Annales  de  la  societe  entomologique  de  France.  V.  Serie. 
T.  VI.   1876.     Trimestre   1—4.     Paris    1876/77.     8^'. 

Die  Kleinschraetterlinge  Deutschlands  und  der  Schweiz  syste- 
matisch bearbeitet  von  H.  v.  Heinemann.  Zweite  Ab- 
theilung.    Bd.  IL  Heft  2.     Braunschweig   1877.     8». 

Die  wichtigsten  essbaren,  verdächtigen  und  giftigen  Schwämme 
mit  naturgetreuen  Abbildungen  von  F.  W.  L  o  r  i  n  s  e  r. 
Wien   1876.     8«  und  Fol. 

Stettin  er  entomologische  Zeitung.  37.  Jahrg.  1876.  N^.  1—10. 
38.  Jahrg.   1877.     N».   1-6.     8». 

Mittheilungen  der  natnrforschenden  Gesellschaft  in  Bern. 
NO.  144—330.  Bern  1849—1854.  N».  440-552. 
Bern  1860—1863.     8^. 

c)  Durch  Austausch  unserer  Jahreshefte, 
als  Fortsetzung: 

Abhandlungen  der  natnrforschenden  Gesellschaft  zu  Halle. 
Bd.  XIII.  Heft  3.     Halle   1875.     4^. 

Abhandlungen  aus  dem  Gebiete  der  Naturwissenschaften,  herausg. 
V.  d.  naturwiss.  Verein  zu  Ham  bürg  -  Alto  n  a.  Bd.  VI. 
Abth.  2.   3.     Hamburg   1876.     4^ 

Archiv  des  Vereins  der  Freunde  der  Naturgeschichte  in  Mecklen- 
burg.    30.  Jahr.     Neubrandenburg  1876.     8^. 

Beiträge  zur  geologischen  Karte  der  Schweiz.  Geologische 
Karte.  Blatt  24  (Lugano,  Como).  Bern  1876.  Blatt  3 
(Schaff hausen-Liestall).  2.  Aufl.  1876.  Lief.  24.  Geo- 
logische Beschreibung  des  Kantons  St.  Gallen  und  seiner 
Umgebungen.     1877. 

11.  Bericht  des  naturforschenden  Vereins  zu  Bamberg.  Für 
die  .Jahre  1875  und   1876.     Bamberg.     8^. 

1 5 .  Bericht  der  Ober  hessischen  Gesellschaft  für  Natur- 
und  Heilkunde.     Giessen  1876.     8^. 

Correspondenzblatt  des  zoologisch-mineralogischen  Vereins  in 
ßegensburg.     Jahrg.    29.     1875.     Regensburg.     8^. 


Neue  Denkscliriften  der  allgemeinen  Schweizer isc heu  Ge- 
sellschaften für  die  gesammten  Naturwissenschaften.  Bd.  27, 
oder   3.  Dekade  Bd.  7.  Abth.   1.     1876. 

Der  zoologische  Garten.  Organ  der  zoologischen  Gesellschaft  in 
Frankfurt  a.  M.,  herausg.  v.  Dr.  F.  E.  Neil.  Jahrg.  17. 
Frankfurt  a.  M.   1876.     8». 

Naturwissenschaftliche  Dissertationen  der  Universität  Tübingen: 
22  chemische,  3  anatomische,  2  geognostische,  2  phy- 
sikalische. 

Systemat.  -  alphabetischer  Hauptcatalog  der  K.  Univ.-Bibliothek 
zu  Tübingen.  E.  Philologie.  1.  u.  2.  Hälfte.  Tübingen 
1873/76.     40. 

Jahrbuch  der  K.  K.  geologischen  Reichsanstalt  in  Wien. 
Jahrg.  1876.  Bd.  26.  Heft  2.  3.  4.  Jahrg.  1877.  Bd.  27. 
Heft  1.     Wien  8^. 

Württembergische  Jahrbücher  für  Statistik  und  Landes- 
kunde. Herausg.  v.  d.  K.  stat.-topogr.  Bureau.  Jahrg.  1875. 
Theil   1.   2  und  Anhang.     Stuttgart  gr.  8«. 

Jahresbericht  über  die  Fortschritte  der  Chemie  und  verwandter 
Theile  anderer  Wissenschaften.  Herausg.  von  F.  Fittica. 
Für  1874.  Heft  3,  für  1875.  Heft  1—3.  Gi essen 
1876/77.     80. 

Jahresbericht  des  naturhistorischen  Vereins  „Lotos".  26.  Jahrg. 
für  1876.     Prag.     8^. 

53.  Jahresbericht  der  !S  chl  esisch  en  Gesellschaft  für  vater- 
ländische Kultur.     1875.     Breslau.     8°. 

Leopoldina.  Amtliches  Organ  der  K.  Leopoldinisch  -  Caro- 
linischen Deutschen  Akademie  der  Naturforscher.  Heft.  XII. 
Jahrg.  1876.     Dresden.     4». 

Mittheilungen  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  für  Steier- 
mark.    Jahrg.   1876.     Graz.     8^ 

Mittheilungen  aus  dem  naturwissenschaftlichen  Verein  von  Neu- 
Vorpommern  und  Rügen  in  Greifswald.  8.  Jahrg.  1876. 
Berlin.      S^. 

Mineralogische  Mittheilungen,  gesammelt  von  Gust.  Tschermak. 
Jahrg.   1876.     Wien.     8«. 


—     29     — 

Mittheilungen  der  K.  K.  geographischen  Gesellschaft   in  Wien. 

Bd.   18.  =  K  Folge.     Bd.  8.     Wien   1875.     S^. 
Beschreibung  des  Oberamts  Spaichingen.     Hg.  vom  k.  statist.- 

topogr.  Bureau.     Stuttgart  1876.     8«. 
Monatsberichte  der  K.  preussischen  Akademie  der  Wissenschaften 

zu  Berlin.     1876.     April  bis  Decbr.     1877.    Januar  bis 

April.     Berlin  8". 
Schriften  der  naturforschenden  Gesellschaft   in  Banz  ig.     N.  F. 

Bd.  IV.     Heft   1.     Danzig   1876.     8». 
Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Wien. 

Mathem. -naturwissenschaftliche   Klasse.      Abth.  I.     Bd.  72. 

Hft.  1—5.     Jahrg.  1875.     Abth.  II.    Bd.  72.    Hft.  1—5. 

73.  Hft.  1— 3.    Jahrg.  1875.  1876.    Abth.  III.   Bd.65— 72. 

Jahrg.  1872/75.     W^ien.     8». 
Tübinger  (Jniversitätsschriften.  Aus  dem  J.  1873.  1875.   1876. 

Tübingen.     4^. 
Schriften  derK.  physikalisch- ökonomischen  Gesellschaft  zu  König s- 

berg.     Jahrg.   16.     Königsberg  1875/76.     4^. 
Sitzungsberichte  der   naturwissenschaftlichen    Gesellschaft    „Isis** 

zu  Dresden.     Jahrg.  1876.     Dresden  1877.     S^. 
Schriften    des    Vereins    zur   Verbreitung     naturwissenschaftlicher 

Kenntnisse  in  Wien.     Bd.  17.     Wien  1876/77.     S«. 
Sitzungsberichte    der   physikalisch-medicinischen   Societät   zu  Er- 
langen.    Heft  8.     1875/76.     Erlangen.     8«. 
Verhandlungen  des  naturforschenden  Vereins  in  Brunn.    Bd.  14. 

1875.     Brunn.     8». 
Verhandlungen  des  naturhistorisch-medicinischen  Vereins  zu  Hei- 
delberg. K  F.  Bd.  I.  Heft4.  5.   Heidelberg  1876/77.  8». 
Verhandlungen  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  in  Carls  ruhe. 

Heft  7.     Carlsruhe   1876.     8^. 
Verhandlungen    der    K.   K.    geologischen    Reichsanstalt.      1876. 

Nr.   1  —  17.     1877.    Nr.   1  —  6.     Wien.     8«. 
Verhandlungen    der  physik.-medicinischen  Gesellschaft  in  Würz- 
burg.    N.  F.     Bd.  7.  9.  10.     Würzburg  1874/76.     8«. 
Verhandlungen  der  Schweizerischen  naturforschenden  Gesell- 
schaft.    58.  Versammlung  in  Andermatt. 


—     30      — 

Verhandlungen    des    naturhistorischen   Vereins    der   preussischen 

Rheinlande  und  Westphalens.     Jg.  32.  =  4.  Folge 

Jg.  2.     2.    Hälfte.     1875.      Jg.   33    =    4.  Folge.    Jg.  3. 

1.  Hälfte.     1876.     Bonn.     8«. 
Verhandlungen  der  K.   K.   zoologisch-botanischen  Gesellschaft   in 

Wien.     Jg.    1875.     Bd.    25.      Wien    1876.      Jg.    1876. 

Bd.  26.     Wien  1877.     8». 
Vierteljahrsschrift  der  naturforschenden  Gesellschaft  in  Zürich. 

Jahrg.   19.  20.     1874/75.     Zürich.     8«. 
Zeitschrift  der  deutschen    geologischen  Gesellschaft.     Bd.  28. 

Heft  1—4.     Berlin  1876.     8«. 
Zeitschrift   für    die    gesammten    Naturwissenschaften.     Hg.  v.  d. 

naturwiss.  Verein  für  Sachsen  und  Thüringen  in  Halle. 

Bd.  47,  =  N.  F.  13.     1876.    Bd.  48.  =  K  F.  14.    1877. 

Berlin.     8<>. 
Deutsche  entomologische  Zeitschrift.    Bd.  20.    Heft  2.   Bd.  21. 

Heft  1.     Berlin  1876/77.     8«. 
21.   und   22.    Zuwachsverzeichniss    der   K.   Universitätsbibliothek 

zu  Tübingen.     Tübingen   1873/75.     4*^. 
Öfversigt  af  kongl.  Vetenskaps-Akademiens  Förhandlingar.   19 — 21. 

Argängen.     1862-64.     32.     Argängen.     1875.    Stock- 
holm.    8«. 
Bihang  tili  kon.    Svenska   Vetenskaps-Akademiens    Handlingar. 

Bandet  III,   1.     1875.     Stockholm.     8«. 
Kon.  Svenska  Vetenskaps-Akademiens  Handlingar.     Ny  Följd. 

Bd.   11.     1872.     Stockholm.     4». 
Meteoroiogiska  Jakttagelser  Sverige,  uitg.  af  K.  Svenska  Vetens- 

kaps-Akademien.     Bd.  15  (=  2.  Serie  Vol.  I).    1873.  Fol. 
Archives  Neerlandaises    des  sciences  exactes  et  naturelles,    publ. 

p.  la  societe  holl.  des  sciences  ä  Harlem.     T.  X.  livr.  4. 

5.     1875.     T.  XL    livr.   1—5.      1876.      T.  XII.     livr.   1. 

1877.     La  Haye.     8^ 
Archives  du  Musee  Teyler.     Vol.  I.     Fase.  1.     2.  ed.    Vol.  IV. 

Fase.   1.     1876.     Harlem.     8^\ 
Annali  del  Museo    civico    di    storia  naturale    di    Genova.    Vol. 

VIL  VIIL     1875/76.     Genova.     8^. 


-      31     — 

Amiales  de    la    societe    entomologique    de  Belgique.      T.   19. 

Bruxelles   1876.     8». 
Annual  report   of  the   trustees    of  the   Museum    of  comparative 

Zoology    at  Harvard  College   in  Cambridge.     For    1876. 

Boston   1877.     8». 
Annual  report  of  the  board    of  regents  of  the    Smithsonian  In- 
stitution.    For  the  year  1875.     Washington  1876.     8». 
Annales    de  la  socie'te    d'agriculture,    histoire  naturelle    et    arts 

utiles  de  Lyon.     4eme  Serie.     T.  VIT.     1874.     Paris.    S^- 
Annalen  des  physikalischen  Centralobservatoriums,  hg.  v.  H.Wild. 

Jahrg.  1874.   1875.     St.  Petersburg  1876.     4«. 
Annais  of  the  Lyceum  of  natural  history  of  New- York.     Vol.  X. 

N».  12  — 14.    Vol.  XL    N»   1  — 8.    Ne w- York  1873/76.  8 ». 
Atti  della   societä    Toscana    di    scienze   naturali    residente    in 

Pisa.     Vol.  L    Fase.  3.    VoL  IL    Fase.  2.     Pisa  1876.  8^. 
Annuaire  de  l'academie   royale   des  sciences,    des  lettres    et   des 

beaux- arts  de  Belgique.     Anne'e  37.     1871.  —  41.   1875. 

—   42.   1876.  —   Bruxelles.     8^. 
Bulletin    of  the    United  States   geological    and   geographical 

Survey  of  the  territories.      Vol.  IL      N«.  2—4.      Vol.  III. 

N«.   1.     Washington   1876/77.     8». 
Hayden,  catalogue  of  the  publications  of  the  U.  St.  geol.  and 

geogr.  Survey  of  the  territories.     2e  ed.     Wash.   1877. 
Bulletin  de  l'acade'mie  royale    des    sciences,    des  lettres    et   des 

beaux-arts  de  Belgique.     Annee  39.  =  2e  Serie.     T.  29. 

30.     Annee  43  =  2e  Serie.      T.   38.      Annee  44.  =   2e 

Serie.     T.  39.  40.     Bruxelles   1870/75.     8". 
Bulletin  de  la  societe  geologique  de  France.     3.  Serie.    T.  III. 

IV.  V.,   1—3.     Paris   1875/77.     8^. 
Bulletin  de  la  socie'te   imperiale    des    naturalistes    de    Moscou. 

Annee  1876.     N^.  2—4.     Moscou   1876.     8^. 
Bulletin  de  la  societe    des  sciences    naturelles    de   Neuchatel. 

T.  X.     Cahier  3.     Neuchatel  1876.     8«. 
Bulletin  des  se'ances  de  la  societe  Vaudoise    des   sciences    na- 
turelles.    2eme  serie.     Vol.  XIV.     N^  76.  77.     Lausanne 

1876/77.     8». 


—      32      — 

Bulletin  of  tbe  Museum  of  comparative  zoology  at  Harvard  Col- 
lege.     Yol.    III.      NO.    11  —  16.      1876.       Cambridge, 

Mass.     8°. 
Bulletin  de  la  societe    d'histoire   naturelle    de   Co  1  mar.     Annee 

16  et  17.     Colmar  1875/76.     8«. 
Bulletin  de  la  socie'te'  d'histoire  naturelle    du  de'partement  de  la 

Moselle.     Cahier  13.   U.     Metz   1874/75.     8«. 
Bulletin  of  tlie  Buffalo  society  of  natural  sciences.      Vol.  III. 

NO.  2.  8.     Buffalo   1876.     8«. 
Catalogue  illustrated  of  the  Museum    of  comparative   zoology   in 

Cambridge.     N».  4—7.     1871/74.     4«. 
Jaarboekje  van  het  zoologisch  genootschap  Natura  artis  magistra 

te  Amsterdam.     Jaarg.   1875.     Amst.  8^. 
Jaarboek  van  de  K.  akademie   van  Wetenschappen   gevestigd   te 

Amsterdam.     Voor  1875.     Amst.     8^. 
The  Quarterly  Journal   of  the   geological    society    in   London. 

Vol.XXXII.  Part  2—4.  =  N«.  126  — 128.  Londonl876.  8«. 
The  Journal  of  the  Eoyal   Dublin   society.     Vol.  VI.     N».  42. 

43.     Dublin   1874/75.     8». 
Journal  of  the  L  i n  n  e a n  society  of  L  o  u do  n.    Botany.  Vol.  XV. 

NO.  81—84.      1876.      Zoology.     Vol.   XII.     N».    60—63. 

1876.     Lond.     8^. 
Memoires  de   la  societe   des  sciences  physiques   et  naturelles   de 

Bordeaux.     2e  Serie.     T.  I.     Cah.  3.     1876.     8^. 
Memoirs    read    before    the  Boston    society    of   natural    history. 

Vol.  IL     Part  4.     N».  2—4.     1875/76.     Boston.     4^. 
Memoires  de  la  societe  des  sciences  naturelles  de  Cherbourg. 

T.  XIX  =  2e  Serie.     T.  IX.     1875.     Cherbourg.     8«. 
Compte-rendu    de  la  se'ance    extraord.  tenue   par    la  soc.  nation. 

des  sc.  nat.  de  Cherbourg  le  30.  Dec.   1876,  ä  l'occas. 

du  25.  anniversaire  de  la  fondation.     Cherbourg  1877.    8^. 
Memoires  de  la  soc.  de  physique  et  d'histoire  naturelle  de  Geneve. 

T.  XXIV.     Part.  2.     1875/76.     Geneve.     4^. 
Memoires  de  l'academie    des  sciences,   belles-lettres    et   arts    de 

Lyon.     Classe  des  sciences.    T.  21.     1875/76.     Lyon  und 

Paris.     80. 


—     33     — 

Nouveaux  memoires  de  la  societe  imperiale  des  naturalistes  de 
Moscou.  Seconde  e'dition.  T.  I.  1811.  —  III.  1812. 
—  IV.  1812—13.  -  V.  1817.  Nouv.  Serie.  T.  XIIL 
livr.  4.  5.     1874—76.     Moscou.     4°. 

Memoirs  of  the  Museum  of  comparative  zoology  at  Harvard  Col- 
lege in  Cambridge.  Vol.  IV.  N°.  10.  The  american 
Bisons.     Cambridge   1876.     4^. 

Proceedings  of  the  American  philosophical  society,  held  at  Phi- 
ladelphia. Vol.  XIV.  NO.  95.  XV.  NO.  96.  XVI. 
NO.  97.  98.     Philadelphia  1875/76.     8^. 

Proceedings  of  the  American  academy  of  arts  and  sciences  at 
Boston.  Vol.  XL  =  New  Series  Vol.  III.  1875/76. 
Boston  and  Cambridge.     8^. 

Proceedings  of  the  Bo  ston  society  of  natural  history.  Vol.  XVII. 
Part  1  —  4.     Boston  1874/75.     8«. 

Proceedings  of  the  zoological  society  of  London.  For  the  year 
1876.     Part  1—4.     London.     8«. 

Proceedings  of  the  Lyceum  of  natural  history  in  the  city  of  New 
York.  Second  series.  10  March  —  2  June  1873.  Se- 
cond  series.     N^.  3.  4.  (6  Oct.  1873  —  1  June  1874).   8». 

Proceedings  of  the  Academy  of  natural  sciences  of  Philadel- 
phia.    1875.      Part    1  —  3.     Jan.  —  Dec.     Philad.     8«. 

Eepertorium  für  Meteorologie,  hg.  v.  d.  Kais.  Akademie  der 
Wissenschaften  in  St.  Petersburg.  Bd.  V.  Heft  1. 
1876.     St.  Petersb.     4«. 

Report  of  the  United  States  geological  survey  of  the  terri- 
tories  by  F.  v.  Hayden.    Vol.  IX.  X.    Washington  1876.  4». 

Smithsonian  contributions  to  knowledge.  Vol.  XX.  XXI.  Wa- 
shington 1876.     4«. 

Natuurkundig  Tydschrift  voor  Ned  erl  andsche  Indie.  Mitg. 
door  de  natuurkund.  Vereeniging  in  Nederl.-Iudie.  Deel 
XXXIV.  =  7.  Serie  Deel  IV.     Batavia    1874.      4«. 

Transactions  of  the  zoological  society  of  London.  Vol.  IX. 
Part  8  —  11.     1876  —  77.     London.     4«. 

Transactions  of  the  Connecticut  Academy  of  arts  and  sciences 
in  New  Haven.     Vol.  IIL     Part  1.     1876.     8«. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  3 


—      34      — 

The  transactions  of  the  academy  of  science  of  St.  Louis.    Vol. 

III.     Nr.  3.     1876.     St.  Louis.     8». 
Verhandelingen  der  kon.  Akademie  van  wetenschappen.  Deel  XVI. 

1876.     Amsterdam.     4^. 
Katuurkundige  verhandelingen    der  Hollands  che  maatschappy 

der  Wetenschappen  te  Harlem.    Deel  IL     N«.  5.     1875. 

Haarlem  u.  Amst.     8^. 
Verslagen  en  mededeelingen  der  kon.  Akademie  van  wetenschappen. 

Afdeel.    Natuurkunde.      Tweede    Kecks.      Deel  X.       1877. 

Amsterdam.    8^. 

d.    Durch  erst  in  diesem  Jahre  eingeleiteten 
Tauschverkehr: 

1.  Jahresbericht   der  zoologischen  Station   in  Neapel.     Leipzig 

1876.     80. 
Sitzungsberichte  der  naturforschenden  Gesellschaft  zu  Leipzig. 

Jahrg.   1—3.     1874  —  76.     Leipzig.     8». 
Archiv   for  Mathematik    og  Naturvidenskab ,  udg.  af  S.  Cie,    W. 
Müller  og  G.  0.  Sars,  in  Christiania.    L  Bind.   1876.  8». 
Atti  della  E.  Accademia   delle  scienze  fisiche    e  matematiche   di 

Napoli.     VoL  I-VL     Napoli  1863/75.     4». 
Kendiconto    delP  Accademia    delle  scienze    fisiche    e  matematiche 
di    Napoli    (sezione    della    societä    reale).      Anno   1—14. 
1872—75.     Napoli  4^. 
Atti  della  societä  Veneto -Trentina    di  scienze  naturali  resi- 
dente in  Padova.  Vol.  I— V.  Fase.  1.  Padova  1872/76.  8^. 
Atti  deir  accademia  Pontificia  de  nuovi  Lincei  di  Roma.  Anno 

XXIX.     Sess.  1  —  7.     Roma  1875/76.     4». 
Atti  della    R.  Accademia   dei  Lincei    di  Roma.     Serie  2.     Vol. 
1—3.     Serie  3.     Vol.  1.    Fase.  1—4.    Roma  1873/76.   4». 
Bolletino  della  societä  entomologica  italiana.     Anno  I— IX,  1. 

Firenze  1869/77.     8». 
Bolletino    del   R.   comitato    geologico   d'Italia.      Vol.  I— VIL 

Roma  1870/76.     8^. 
Bolletino  della  societä  Adriatica  di  scienze  naturali  in  Trieste. 
Vol.  III,  1.     Trieste   1877.     8«. 


—     35     — 

Bulletin  trimestriel  de  la  socie'te'  Khediviale  de  geographie  du 
Caire.     N^.  1—4.     Le  Caire  1876/77.     8«. 

Memorie  dell'  Accademia  delle  scienze  delP  iustituto  di  Bologna. 
Serie  III.  Tomo  VI.  Fase.  1—4.  1875—76.  Bo- 
logna.    4°. 

Eendiconto  delle  sessioni  dell'  Accademia  delle  scienze  delP 
instituto  di  Bologna.  Anuo  accademico  1875 — 76.  Bo- 
logna.    80. 

Miscellaneous  publications  of  the  ü.  St.  geological  and  geogra- 
phical  survey  of  the  territories  by  F.  v.  Hayden.  N".  1. 
4.  edit.  by  Gannett.     Wash.   1877.     8». 

Transactions  and  proceedings  of  the  New  Zealand  Institute. 
Vol.  I— VII.     Wellington  1869—75.     S». 

Transactions  and  proceedings  of  the  Royal  society  of  N  ew 
South  Wales.  Vol.  I— IX.  1867  —  75.  Sydney 
1868—76.     8». 


Vereinskassier  Hofrath  Eduard  Seyffardt   trug  folgenden 

Hechnungs-Abschluss   für  das  Jahr  1876—77 

vor: 

Meine  Herren  I 

Nach  der  abgeschlossenen  33.  Rechnung,   die   den  Zeitraum 
1.  Juli  1876/77  umfasst,  betragen 

die  Einnahmen: 

A.  Reste.  —     0       — 

B.  Grrundstock.  Heimbezahlte  Kapitalien       600  M.  — Pf 

C.  Laufendes. 
Activ-Kapital-Zinse  .     .     .     .     509  M.  49  Pf. 
Beiträge  von  den  Mitgliedern  3485  M.   —  Pf. 
Ausserordentliches    .     .     .     .        10  M.  —  Pf. 


Hauptsumme  der  Einnahmen 
—  *•    4604  M.  49  Pf. 


4004  M.  49  Pf. 


3* 


—     36     — 

Die  Ausgaben: 

A.  Keste.     Guthaben    des   Kechners    auf 

30.  Juni  1876 559  M.  65  Pf. 

B.  Grundstock.  __     0      — 

C.  Laufendes. 

Pur   Vermehrung   der    Samm- 
lungen     282  M.  94  Pf. 

,     Buchdrucker-  u.  Buchbin- 
derkosten      2284  M.  55  Pf. 

„     Schreibmaterialien,  Copi^i- 

lien,  Porti  etc.      ...     389  M.  36  Pf. 
y,     Bedienung,    Reinigungs- 
kosten, Saalmiethe      .     .     235  M.   —  Pf. 

„     Steuern 31  M.     4  Pf. 

„     Ausserordentliches     .     .         3  M.  —  Pf. 

3225  M.  89  Pf> 
Hauptsumme  der  Ausgaben 
—  ;.    3785  M.  54  Pf. 
Die  Einnahmen  betragen  hiernach      ....    4604  M.  49  Pf. 
„    Ausgaben  ,  ,  ...     .    3785  M.  54  Pf. 

es  erscheint  somit  am  Schlüsse  des  Rechnungs- 
jahrs ein  KassenYorrath  von      818  M.  95  Pf. 

Vermögens-Berechnung. 

Kapitalien 11300  M.     6  Pf. 

Kassenvorrath        818  M.  95  Tt 

das  Vermögen  des  Vereins  beträgt   nun      .     .   12119  M.     1  Pf. 

Da  dasselbe  am  30.  Juni   1876 11340  M.  41  Pf. 

betrug,  so  stellt  sich  gegenüber  dem  Vorjahre 

eine  Zunahme  von 778  M.  60  Pf. 

heraus. 

Nach  der  vorhergehenden  Rechnung    war  die  Zahl   Aktien 

der  Vereinsmitglieder  639  mit 642. 

Hiezu  die  neu  eingetretenen  Mitglieder,  nämlich  die  Herren: 

Erbgraf  Otto  v.  Rechberg-Rothenlöwen,  Erlaucht 
in  Donzdorf, 


—     37      — 

Aktien 

Uebertrag     .     .     642 
Dr.  Häberle  in  Stetten  i.  R., 
Kaufmann  C.  Lang  in  Reutlingen, 
Staatsminister  des  Innern  v.  Sick,  Excellenz,  Stuttgart, 
Professor  Dr.  v.  Vischer  daselbst, 
Hofmaler  C.  Mayer  daselbst, 
Fabrikant  Fr.  Kutter  in  Höll, 
Dr.  S  t  i  e  g  e  1  e  in  Weingarten, 
C.  L  u  p  b  e  r  g  e  r  in  Ziegelbach, 
A.  Schiele  in  Schemmerberg, 
M.  Fet scher  in  Altshausen, 
Präceptor  Dr.  K  h  u  e  n  in  Saulgau, 
Dr.  Lampart  er  in  Reutlingen, 
Hevierförster  K  u  1 1 1  e  r  in  Biberach, 
Apotheker  Romerio  in  Zeil, 
C.  Mayer  in  Aulendorf, 
Apotheker  Luib  in  Mengen, 
A.  Linng  in  Assmannshardt, 
C.  Majer  iu  Reutlingen, 
Pfarrer  Findeisen  in  Bürg, 
Kanzleirath  Widmann  in  Stuttgart, 
A.  Weinland  in  Waldsee, 
Kaufmann  F.  Schiele  daselbst, 
€.  Liebel  daselbst, 
Chirurg  J.  Ott  daselbst, 

Kameralverwalter  Schickhardt  in  Neuenstadt, 
A.  Engelbrecht  daselbst, 
L.  Henninger  daselbst, 
Revierförster  Fischer  daselbst, 
Stadtschultheiss  Leitz  daselbst, 
Dr.  Bilfinger  daselbst, 
Dr.  Adae  daselbst, 
Oberförster  v.  Killinger  daselbst, 
Oberamtsarzt  Dr.  Heller  in  Sulz  a.  N., 

Uebertrag     .     .     642 


—     38     — 

Aktien^ 

Uebertrag     .     .     642 
Oberamts-Wundarzt  Dr.  Vöhringer  in  Sulz  a.  N., 
Studiosus  Herter  in  Dürren waldstetten, 
Revierförster  Stock  zu  Hofstett, 
Apotheker  Clesser  in  Plieningen, 
Eisenbahnbauinspector  Schraid  in  Wangen, 
Professor  Dr.  Eimer  in  Tübingen, 
Pfarrer  Staiger  in  Gutenzell, 
Dr.  Mayer  in  Blaubeuren, 
Posthalter  Linder  in  Ehingen, 
Oberstabsarzt  Dr.  Hell  in  Ulm, 
Stadtpfleger  Geiger  daselbst, 
Apotheker  Fischer  in  Rottweil, 
Oberamtspfleger  Maulbetsch  in  Nagold, 
Kaufmann  A.  Reichert  daselbst, 
Fabrikant  Mast  in  Ebhausen, 
Caplau  Fieseier  in  Eberhardszell, 
Caplan  Rieg  in  Warthausen, 
Betriebs-Bauinspector  Wundt  in  Schorndorf, 
Oberamtsarzt  Fischer  in  Neuenbürg, 
Dr.  Mülberger  in  Herrenalb, 
Apotheker  Um  gelter  sr.  in  Stuttgart, 
Studiosus  Eisenlohr  in  Tübingen, 
Otto  Esenwein  in  Backnang, 
Xylograph  Michael  in  Stuttgart, 
Apotheker  Keppler  in  Liebenzell, 
Oekonomierath  Rahm  er  zu  Schäferhof, 
Steuercommissär  Hailer  in  Leutkirch, 
Apotheker  Hodrus  in  Altshausen, 
Commerzienrath  Springer  in  Isny, 
Stadtschultheiss  Münz  daselbst. 
Kaufmann  Klinke  rfus  in  Stuttgart, 
Forstmeister  Hopfengärtner  in  Wildberg, 
Apotheker  Oeffinger  in  Nagold, 

Uebertrag     .     .     642 


39 


Aktien 

Uebertrag     .     .     642 
Kaufmann  Const.  Reichert  in  Nagold, 
Professor  H  e  r  1 1  e  r  in  Calw, 
Dr.  Schlosser  in  Stuttgart, 
Oberamtsarzt  Dr.  Lechler  in  Böblingen, 
Dr.  Zeller  in  Reutlingen, 
Apotheker  Kachel  daselbst, 
Fabrikant  Roth  daselbst, 
Fabrikant  Wandel  jr.  daselbst, 
Werkmeister  Kieferle  daselbst, 
Director  Dr.  Flamm  in  PfuUingen, 
Rector  Bo eklen  in  Reutlingen, 
Fabrikant  C.  Poeppel  daselbst, 
Kaufmann  W.  Y o  tt  e  1  e r  daselbst, 
Oberamtsarzt  Dr.  Beitter  in  Calw, 
Kaufmann  F.  Lang  in  Waldsee, 
Präceptor  Rief  daselbst, 
Director  Dr.  Ast  in  Schussenried, 
Privatier  Kaess  daselbst, 
Zeichnungslehrer  Schmid  in  Reutlingen. 

86  Mitglieder  mit     .     .       86 


728 

Aktien. 


Hievon  die  ausgetretenen  Mitglieder  ,  und  zwar  die 
Herren : 

Apotheker  Morstatt  in  Cannstatt, 

Dr,  Klunzinger  in  Berlin, 

Regierungsrath  Schott  v.  Schottenstein 

in  Reutlingen, 
Obermedicinalrath  Dr.  v.  Cless,  in  Stuttgart, 
Revierförster  Geyer  in  Berraaringen, 
Collaborator  W  i  e  1  a  n  d  in  Nagold, 
Chemiker  Dittmann  in  Hohenheim, 

Uebertrag     .     .     728 


—     40      — 

üebertrag     .     .     728 
Privatier  L.  Sautter  sr.  in  Nagold, 
Buchhalter  Sellner  in  Stuttgart, 
Dr.  Widenmann  in  Stuttgart, 
Professor  Eeu sohle  daselbst, 
Dr.  Frech  in  Cannstatt, 
Apotheker  Wechsler  in  Metzingen, 
Präceptor  Schöpfer  in  Ludvvigsburg, 
Apotheker  Reinhard  daselbst, 

16  Mitglieder  mit     .     16 

Die  gestorbenen  Mitglieder,  nämlich  die  Herren 
Freiherr  v.  R  ei  seh  ach  in  Stuttgart, 
Oberstudienrath  Dr.  v.  Rieke  daselbst, 
Kanzleirath  Redwitz  daselbst, 
Schullehrer  Eitle  in  Strumpf elbach, 
Obermedicinalrath  Dr.  v.  Rieke  in  Stuttgart, 
Staatsminister  a.  D.  v.  Neurath,  Excelleuz, 

daselbst, 
Forstrath  F  r  o  m  m  a  u  n  in  Bönnigheim, 
Director  a.  D.  v.  Walz  in  Stuttgart, 
Dr.  Fr  öl  ich  daselbst, 
Apotheker  Dietrich  daselbst, 
Medicinalrath  Dr.  Müller  in  Calw, 
Professor  Dr.  Hofmeister  in  Tübingen, 
Stadtförster  S  c  h  ü  r  1  e  in  Nagold, 
Oberbaurath  Binder  in  Stuttgart, 
Salineninspector  S  c  h  1  ö  n  b  a  c  h  in  Salzgitter, 

15  Mitglieder  mit     .     .     15 

31  Mitglieder  31 

über  deren  Abzug  die  Mitgliederzahl  am   Ende  des  Rechnungs- 
jahres beträgt 

—  ;.    694  mit  697  Aktien, 

somit  Zunahme  der  Mitglieder  55  mit  gleicher  Aktienzahl. 


—     41      — 

Wahl  der  Beamten. 
Die  Generalversammlung  erwählte   nach  §.13  der  Statuten 
durch  Acclamation 

zum   ersten  Vorstand: 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss  in  Stuttgart, 
zum  zweiten  Vorstand: 

Professor  Dr.  0.  Fr  aas  in  Stuttgart, 
und  für  diejenige  Hälfte  des  Ausschusses,  welche  nach  §.  12 
der  Statuten  auszutreten  hat: 

Professor  Dr.  Ahles  in  Stuttgart, 

Geheimer  Hofrath  Dr.  v.  Fehlin g  in  Stuttgart, 

Öbermedicinalrath  Dr.  v.  Hering  in  Stuttgart, 

Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein  in  Stuttgart, 

Director  v.  Schmid  in  Stuttgart, 

Hofrath  Eduard  Seyffardt  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  v.  Zech  in  Stuttgart  und 

Stadtdirections Wundarzt  Dr.  Steudel  in  Stuttgart, 
welcher  für  den  verstorbenen  Oberbaurath  Binder  eingetreten  ist» 
Im  Ausschuss  bleiben  zurück: 

Professor  C.  W.  v.  Bauer  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  Blum  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  0.  Fr  aas  in  Stuttgart, 

Obertribunalrath  W.  v.  Gmelin  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  0.  Köstlin  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  v.  Marx  in  Stuttgart, 

Apotheker  M.  Reihlen  in  Stuttgart, 

Director  Dr.  v.  Zell  er  in  Stuttgart. 
Zur  Verstärkung  des  Ausschusses  wurden  in  der  Aus- 
schuss-Sitzung  vom  9.  November  nach  §.14  der  Statuten  gewählt: 

Dr.  Fr.  Ammermüller  in  Stuttgart, 

Bergrath  Dr.  Baur  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  Bronner  in  Stuttgart, 

Oberforstrath  Dorr  er  in  Stuttgart, 
als  Secretäre: 

Generalstabsarzt  Dr.  v.  Klein  in  Stuttgart, 

Professor  Dr.  v.  Zech  in  Stuttgart, 


_     42     — 

als  Kassier: 

Hofrath  Eduard  Seyffardt  in  Stuttgart, 
als  Bibliothekar: 

Oberstudienrath  Dr.  v.  Krauss  in  Stuttgart. 

Für  die  nächste  Gener  alvers  a  mmlu  ng  am  Johannes- 
feiertag  den  24.  Juni  1878  schlug  Herr  Hüttendirector  Dr.  Dorn 
Tübingen  vor.  Da  der  Verein  seit  seiner  Gründung  die  Ge- 
neralversammlung nur  zweimal,  184  6  und  1852  in  der  Univer- 
sitätsstadt gefeiert  hat  und  seit  dieser  Zeit  nicht  wieder  dahin 
eingeladen  worden  ist,  so  wurde  die  Einladung  gerne  unterstützt 
und  ungeachtet  einer  Bemerkung,  dass  nach  bisherigem  Gebrauch 
Stuttgart  an  der  Reihe  sein  würde,  durch  Stimmenmehrheit  Tü- 
bingen und  hierauf  Dr.  Dorn  als  Geschäftsführer  gewählt. 

Die  Verhandlungen  schlössen  um  halb  2  Uhr,  nachdem  der 
Vorsitzende  noch  den  städtischen  Behörden,  den  Ausstellern  der 
Sammlungen  und  dem  Geschäftsführer  für  ihre  Bereitwilligkeit 
und  Bemühungen  zum  gelungenen  Fest  den  Dank  ausgedrückt 
hatte. 

Nach  dem  Mittagsmahl  führte  Herr  Dr.  Lucas,  Director 
des  pomologischen  Instituts,  einen  Theil  der  Mitglieder  in  seine 
Gartenanlagen,  ein  anderer  besichtigte  unter  der  Leitung  des 
Herrn  Dr.  Dorn  eine  Verwerfung  der  Gebirgsschichten  in  der 
Nähe  des  Bahnhofs.  Bis  zum  Abgang  der  Bahnzüge  verweilten 
die  auswärtigen  Mitglieder  im  Museumsgarten  in  heiterer  Unter- 
haltung mit  den  neu  gewonnenen  Reutlinger  Freunden. 


Nekrolog 

des 

Dr.  Emil  Schüz  von  Calw, 

Von  Dr.  Wurm  in  Teinach. 


„Multis  ille  bonis  flebilis  occidit." 
Am  Morgen  des  6.  April  heurigen  Jahres  verbreitete  sich 
In  der  Stadt  Calw  und  Umgegend  die  Nachricht,  dass  Dr.  Schüz 
soeben,  zwar  nach  längerem  Leiden,  aber  doch  unvermuthet  plötz- 
lich gestorben  sei.  Und  weiter  und  weiter  schlug  die  nur  allzu 
bestätigte  Trauerkunde  ihre  Wellen,  überall  die  schmerzlichste 
Theilnahme  erweckend.  Hatte  ja  doch  der  Dahingegangene  eine 
sehr  beträchtliche  Zahl  von  Verbindungen  mit  Ländern  und 
Menschen  unseres  ganzen  Planeten  in  seinem,  dem  Staate,  der 
Heimathgemeinde,  der  Wissenschaft  und  der  Humanität  gewid- 
meten Leben  und  Streben  angeknüpft  und  lebendig  erhalten  I 

Indem  ich,  der  ich  mich  des  Verstorbenen  intimer  Freund- 
scha,ft  eine  lange  Reihe  von  Jahren  hindurch  erfreuen  durfte, 
und  der  ich  aus  diesem  Umgange  die  angenehmsten  und  vielsei- 
tigsten Anregungen  zog,  hier  einen  kurzen  Ueberblick  über  Lebens- 
verhältnisse und  Wirksamkeit  desselben  gebe,  berühre  ich  wohl 
eine  mich  allezeit  schmerzende  Wunde ;  ich  zögere  jedoch  damit 
nicht,  da  eben  die  genannten  Beziehungen,  sowie  freundliche 
Mittheilungen  aus  den  hinterlassenen  Papieren  von  Seite  seiner 
Angehörigen  mich  zu  möglichst  vollständigen  und  correcten  Mit- 
theilungen befähigen. 


—     44     — 

Georg  Emil  Karl  Christoph  Schüz  ist  zu  Calw,  als 
:Sohn  des  Dr.  med.  J.  Chr.  Schüz  und  dessen  Gattin  Emilie 
Louise,  geb.  Zahn,  am  12.  August  1828  geboren.  Der  Gross- 
vater von  väterlicher  Seite  war  J.  G.  Chr.  Schüz,  zuletzt  Pfarrer 
in  Hildrizhausen,  0/A.  Herrenberg,  der  von  mütterlicher  Seite 
der  bekanntere  Calwer  Arzt  Dr.  J.  G.  Zahn,  geb.  in  Altheng- 
stett  1789,  gest.  in  Calw  1831.  Dr.  Zahn  erwarb  sich  nament- 
lich durch  die  Beförderung  der  Einführung  der  Schutzpockenimpfung, 
des  Galvanismus  als  Heilmittel  und  der  Blitzableiter  in  Württemberg 
bleibende  Verdienste.  Von  diesem  Letzteren  ging  die  ärztliche 
Praxis,  sowie  die  Pflege  der  Naturwissenschaften  nicht  nur  auf 
Dr.  Schüz' s  Vater,  desselben  Schwiegersohn,  sondern  auch  auf 
diesen  selbst  über,  wie  er  denn  oftmals  erzählte,  dass  die  ehr- 
würdige Gestalt,  das  gewinnende  Wesen,  die  reichen  Kenntnisse 
•des  Grossvaters  bereits  auf  das  zarte  Kindesgemüth  den  bleibend- 
sten Eindruck  gemacht  und  zur  Nacheiferung  in  allen  Stücken 
angespornt  hätten.  So  kam  es,  dass  der  junge  Schüz  schon 
frühzeitig  und  spielend  von  Vater  und  Grossvater  in  die  Natur- 
wissenschaften eingeführt  wurde;  die  Unterhaltung,  Beobachtung 
und  Zergliederung  verschiedener  Thiere,  das  Sammeln  von  Mine- 
ralien, die  Begleitung  des  pflanzenkundigen  Vaters  auf  botanischen 
Excursionen  vertieften  und  erleuchteten  jene  Eindrücke  der  Natur 
auf  den  heranwachsenden,  ungemein  begabten  und  lernbegierigen 
Knaben.  Vom  sechsten  Lebensjahre  an  besuchte  er  die  Elementar- 
schule, dann  die  Lateinschule  seiner  Vaterstadt,  und  hierauf,  nach 
seiner  Confirmation,  im  Mai  1842  das  Gymnasium  in  Stuttgart, 
wo  er  den  möglichsten  Ersatz  für  das  glückliche  Familienleben, 
dem  er  sich  entreissen  rausste,  in  dem  neuerrichteten  Pensionate 
von  Benneder  und  im  bildenden  Umgange  mit  treff"lichen 
Männern,  Freunden  seines  Vaters,  fand.  Dort  eignete  er  sich 
nicht  allein  die  alten  Sprachen  mit  Eifer  und  Erfolg  an,  sondern 
setzte  auch  seine  Naturaliensammlungen  (bes.  Schnecken,  Schmetter- 
linge, Herbarien)  rastlos  fort,  ja  bei  dem  vortrefflichen  Unter- 
richte von  Fräulein  Emilie  Zumsteg  betrieb  er  noch  musika- 
lische Studien,  welche  ihn  tiefer  in  das  Wesen  und  Verständnissder 
Musik  einführten,   als    die  gewöhnlichen  Dilettanten  einzudringen 


—     45     — 

pflegen.  Oftmals  erwähnte  er  mir  gegenüber  dankbar  diese  seine* 
Lehrerin,  oftmals  erfreute  er  Familien-  und  Freundeskreise  durch 
sein  Clavierspiel  und  er  pflanzte  die  Pflege  der  classischen 
Musik  auch  bei  seinen  Söhnen.  Schon  1835  hatte  er  seine 
Mutter  verloren,  in  Marie  Heermann  aber,  einer  Tochter  des 
Kaufmannes  H.  in  Calw,  eine  liebevolle  zweite  Mutter  finden 
dürfen.  Förmlich  als  selbstverständlich  widmete  er  sich  nach 
im  Herbste  1846  abgelegtem  Maturitätsexamen  dem  Lebens- 
berufe seines  Vaters  und  Gross vaters,  der  Arzneiwissenschaft,  der 
schliesslichen  Blume  und  Frucht  aller  Disciplinen,  der  Naturlehre, 
welche  ja  die  allein  sichere  Basis  der  Medizin  bildet.  Schliz 
bezog  daher  im  October  die  Universität  Tübingen,  wo  er,  mit 
Ausnahme  eines  in  Heidelberg  verbrachten  Semesters,  bis  zum 
Herbste  1851  verblieb  nnd  neben  den  eigentlichen  Fachstudien 
mit  stets  offenem  Auge,  lerneifrigem  Sinne  und  warmem  Herzen 
besonders  Zoologie  und  Botanik,  und  zwar  letztere  mit  Vorliebe^ 
fortbetrieb.  Später  benützte  er  seine  fast  alltäglichen  Praxis- 
fahrten zugleich  zu  gelegentlichen  botanischen  Excursionen.  Seinem 
angelegentlichen  Wunsche,  nach  bestandenem  Examen  die  Spitäler 
von  AVien,  Prag,  Paris  zu  besuchen,  trat  der  leidende  Zustand 
des  Vaters,  welcher  sicli  die  Unterstützung  des  Sohnes  in  seiner 
äusserst  anstrengenden  und  in  hiesiger  Gebirgsgegend  doppelt 
beschwerlichen  Praxis  dringend  wünschte,  zumal,  da  eben  eine 
Typhus-  und  Pockenepidemie  den  Bezirk  heimsuchte,  unbedingt 
entgegen,  und  so  kelirte  er  in  das  elterliche  Haus  zurück,  um 
noch  im  gleichen  Jaln-e  (1851)  als  Referendar  beim  Physikate 
Calw  seine  ärztliche  Wirksamkeit  zu  beginnen.  Später,  und 
vielleicht  mit  mehr  Nutzen,  da  des  Mannes  gereifter  Blick  ihn 
begleitete,  hat  er  auf  zahlreichen  wissenschaftlichen  Reisen  im 
In-  und  Auslande  jenes  erzwungene  Versäum-niss  reichlichst  ein- 
geholt, während  eine  ungemein  ausgedehnte  ärztliche  Praxis  — ■ 
welche  ihn  z.  B.  im  Jahre  durchschnittlich  364  Mal  auf  das 
Land  und  allwöchentlich  einige  Mal  aus  dem  Bette  rief,  — 
ihm,  der  immer  strebsam  alle  theoretischen  und  praktischen  Fort- 
schritte seines  Faches  für  seine  Patienten  verwerthete,  und  letz- 
teren jederzeit  ein  liebevoller,  vertrauenerweckender  Berather  und 


—      46      — 

Helfer  war,  eine  Fülle  interessanter  Beobachtung-en  und  Erinne- 
rung-en  lieforte.  Am  23.  Dezember  1852  war  der  erst  49jährige 
Vater  nach  langen  Leiden  gestorben,  und  hatte  von  da  ab  der 
Sohn  die  Praxis  allein  zu  besorgen,  nachdem  er  im  Juli  1853 
■das  Staatsexamen  erfolgreich  bestanden.  Im  October  desselben 
Jahres  begründete  er  seinen  eigenen  Herd  im  väterlichen  Hanse 
am  Marktplatze  durch  Verehelichung  mit  Marie  Schauber,  der 
Tochter  des  Fabrikanten  Friedrich  Seh.  und  seiner  Gattin 
Marie,  geb.  Zahn.  Im  Juni  1875  hatte  er  den  Schmerz,  seine 
Lebensgefährtin  durch  den  Tod  zu  verlieren.  Von  den  vier, 
dieser  Ehe  entsprossenen  Söhnen  starben  zwei  bereits  im  zarte- 
sten Alter,  von  den  beiden  Ueberlebenden  liegt  der  Aeltere 
gegenwärtig  dem  Studium  des  Bergwesens  am  Stuttgarter  Poly- 
technikum ob.  Ihre  Erziehung  leitete  Dr.  Schüz  mit  inniger 
Liebe  und  Sorgfalt  und  durfte  sich  dafür  ihres  körperlichen  und 
geistigen  Gedeihens  erfreuen.  Mit  grosser  Bestimmtheit  wünschte 
«r,  wie  er  mir  öfter  wiederholte,  dass  keiner  seiner  Söhne  Me- 
diziner werde,  einzig  nur ,  um  ihnen  die  verantwortungsvollen 
Mühen  zu  ersparen,  welche  er  selbst  in  einer  rauhen  Landpraxis 
so  reichlich  durchgekostet.  Auch  ihn  bestimmte  ein  Kniegelenks- 
und Leberleiden,  gegen  welche  er  in  Wildbad  und  Carlsbad 
wiederholt  Hilfe  suchte,  die  ärztliche  Praxis  im  Winter  1870/71 
aufzugeben,  um  fortan  mit  mehr  Müsse  seinen  Sammlungen  und 
Vereinen,  grösseren  (darunter  einigen  historischen)  schriftstelle- 
rischen Arbeiten  und  seinen  ausgedehnten  Bürgerpflichten  zu 
leben.  Leider  sollte  das  „otium  cum  dignitate"  von  kurzer 
Dauer  sein! 

Schon  seit  Jahren  an  Herzverfettung  und  Bright'scher  Nieren- 
krankheit leidend,  erfuhr  er,  da  er  eben  an  der  Geburtsfeier  des 
Deutschen  Kaisers  (22.  März  1877)  den  gewohnten  Antheil  zu 
nehmen  im  Begriffe  stand,  eine  bedenkliche  Verschlimmerung 
seines  Zustandes,  welche  ihn  ~  mit  bald  hoffnunggebenden,  bald 
ungünstigen  Schwankungen  —  bis  zu  seinem  am  6.  April  1877 
früh  l^/i  Uhr  beim  Ankleiden  in  Folge  einer  Herzlälimung 
plötzlich  eingetretenen  Tode,  in  das  Krankenzimmer  bannte.  Im 
letzten  Lebensjahre  hatte  ihn  eine  mit  dem  Grundleiden  zusammen- 


—      47      — 

hängeude,  ernste  Störung  des  Sehvermögens  sehr  gedrückt  und 
in  seinen  Arbeiten  gehindert.  Am  8.  April  geleitete  ihn  eine 
zahlreiche  und  schmerzlich  ergriffene  Trauerversammlung  aus  Nah 
und  Fern  zum  Grabe. 

Was  der  Freund  dem  Freunde,  ja  der  ganzen,  mit  Güte  und 
Wohlwollen  umfassten  Menschheit  war,  was  er  als  Bürger,  Stadt- 
rath,  Schöffe,  Geschworner,  Kirchenconventsmitglied,  Schriftsteller 
u.  s.  w.  für  seine  Vaterstadt  und  selbst  für  das  Land  leistete, 
seine  Verdienste  als  Arzt  —  all'  Dieses  zu  schildern,  kann  nicht 
hier  meine  Aufgabe  sein.  Ich  möchte,  ehe  ich  seiner  speziell 
naturforschenden  Thätigkeit  gedenke,  lediglich  zur  Ergänzung 
seines  Charakterbildes  hervorheben,  dass  er  einem  positiven 
Christenthume,  jedoch  ferne  von  Intoleranz  gegen  andere  Ueber- 
zeugungen  und  von  Neigung  zum  Pietismus,  ebenfalls  überzeu- 
gungstreu und  activ  anhing,  dass  er  seine  deutsch-nationale  und 
seine  durch  reiche  Lebenserfahrung  gemässigte  liberale  politische 
Gesinnung  stets  bethätigte,  dass  er  endlich  von  seinem  namhaften 
Vermögen  den  edelsten  Gebrauch  zur  Erziehung  seiner  Kinder, 
zur  eigenen  Ausbildung,  zur  Forderung  der  Wissenschaften  und 
Künste,  sowie  zu  stillen  Wohlthaten  und  zu  gemeinnützigen  Unter- 
nehmungen machte.  Seine  ansprechende,  behäbige  Erscheinung, 
seine  Herzensgüte,  sein  reiches  Wissen  auf  den  mannichfaltigsten 
Gebieten,  das  sicli  keineswegs  in  Geschwätzigkeit  breit  machte, 
sondern  erst  allmählich  im  Laufe  der  Gespräche  hervortrat,  seine 
grosse  Anspruchslosigkeit  nahmen  sofort  und  dauernd  für  ihn, 
als  einen  bedeutenden  Mann,  ein. 

Nur  eine  grosse  Ordnungsliebe  und  eine  präcise  Eintheilung 
der  freilich  oft  bis  nach  Mitternacht  verlängerten  Arbeitszeit  er- 
möglichte es  Dr.  Schüz,  neben  all'  den  genannten  Leistungen 
auch  den  Naturwissenschaften  eine  fördernde  Thätigkeit  fort  und 
fort  zuzuwenden,  durch  welche  er  namentlich  in  der  Mitglieder- 
zahl des  „Vereins  für  vaterländische  Naturkunde  in  Württemberg" 
und  in  dessen  „Schwarzwälder  Zweigvereine "  eine  hervorragende 
und  wohl  stets  unvergessene  Stelle  einnahm.  Die  Versammlungen 
deutscher  Aerzte  und  Naturforscher  besuchte  er  wenn  nur  immer 
möglich,    so    1853    die    zu    Tübingen,     1857     zu    Bonn,     1865 


—     48     — 

zu  Hannover,  1868  zu  Dresden,  1869  zu  Innsbruck,  1872^ 
zu  Leipzig,  1873  zu  Wiesbaden,  1875  zu  Graz,  1876  zu 
Hamburg,  1874  eine  Versammlung  von  Botanikern  zu  Florenz^ 
endlich  die  Kunst-  und  Industrieausstellungen  zu  Paris,  Wien, 
München,  Ulm  u.  a.,  den  Gärtnercongress  in  Erfurt  (1865), 
überall,  wie  auch  auf  seinen  Erholungsreisen,  stets  reichen 
wissenschaftlichen  Gewinn  erntend  und  zu  den  gepflegten  alten 
Bekanntschaften  mit  Spezialforschern  immer  neue  anknüpfend. 
Solche  zu  unterstützen  war  er  stets  bereit,  wie  z.  B.  die  Samm- 
lung von  Sagen,  Aberglauben,  Sitten,  Sprüchwörtern,  Mundarten 
etc.  „Aus  Schwaben"  von  Prof.  Dr.  Birlinger  in  Bonn  durch 
ihn  wesentlich  bereichert  worden  ist.  Seine  äusserst  bunte  und 
belebte  Voliere,  seine  Alpenpflanzenkultur,  seine  Herbarien  und 
Mineralien,  manche  ethnologische  Seltenheiten  und  allerlei  Curio- 
sitäten,  endlich  seine  stattliche  Bibliothek  führten  oft  Besucher 
nach  Calw.  Ganz  hervorragend  ist  seine,  24  grosse  Pappekästen 
umfassende  Sammlung  von  Portraits  und  Autographen  von  Natur- 
forschern und  Aerzten,  welche,  wenn  ich  recht  unterrichtet  bin,, 
lediglich  von  der  Berliner  Staatssammlung  an  Reichhaltigkeit 
übertroffen  wird.  Testamentarisch  ward  bestimmt,  dass  alle  diese 
Gegenstände  bis  zur  Mündigkeit  seiner  Söhne  unverändert  in 
seinem  Hause  aufbewahrt  bleiben  sollen.  Eine  im  Januar  186^ 
angetretene  SOtägige  Orientreise  über  Triest,  Alexandrien,  Cairo, 
Jerusalem,  Athen,  Konstantinopel  etc.  hat  Dr.  Schüz  in  einer 
höchst  anziehenden  und  lehrreichen  Weise  beschrieben. 

Ausser  dieser  Reisebeschreibuug    hat   derselbe  nur   kleinere 

Arbeiten   veröfi'entlicht ;    von    den   bei    freierer  Zeit    der    letzten 

Jahre  unternommenen  grösseren  Arbeiten  hat  ihn  der  unerbittliche 

Tod  abgerufen.  Hier  das  Verzeichniss  seiner  literarischen  Producte  r 

lieber  den  Krebs  der  Schilddrüse  mit  Perforation  des 

Kehlkopfes.     Zeitschr.  f.  Wundärzte  u.  Geburtshelfer.   1854. 

VII.     S.  238  ff. 
AYurstvergiftung  an  12  Personen.  Württ.  med. Corresp.- 

Bl.   1855.     XXV.     S.   161   ff. 
Plora    des    nördlichen    Scliwarzwalde  s,    I.    Phanero- 

gamen.     Inauguraldissertation.     Calw  1858. 


—      49      — 

A  t  r  0  p  a  b  e  1 1  a  d  0  n  n  a  lutea,  Scliiiz :  Württ.  naturw.  Jahresb. 
1859.     XV.     S.  45. 

K a i s  e r s c b  11  i 1 1  an  einer  Lebenden:  in  der  Inang-Dissert. 
V.  E.  Fries:  Ueber  d.  Erfolg-  der  Kaiserschnitte  in  Württem- 
berg.    Tübingen   1868.     S.  22  ff. 

Lebenszähigkeit  der  Bachforelle:  Württ.  naturw. 
Jahresh.   1866.     XXIL     S.   128. 

Vom  Schwarzwald  in's  Morgenland,  ßeiseskizzen  etc. 
Calw  1870.  8«.  168  S.  (Verlier  im  „Unterhaltnngsblatt 
des  Calwer  Wochenblattes"   i3riblicirt.) 

Dasselbe^,  zweite  verm.  n.  verb.  Aufl.,  Stuttgart   1875. 

Flora  von  Wildbad,  in  Dr.  v.  Renz's  „Wildbad^  Wild- 
bad  1874.     S.   198—211. 

Die  S  c  h  w  a  r  z  w  a  1  d  b  a h  n ,  beschrieben  von  Pfarrer  Hoch- 
stetter  u.  Dr.  Schüz.     Stuttgart   1872. 

Fortwährende  Fliege  nlar  v  enzucht  (für  Vogelzucht, 
Aquarien  etc.):    Gefiederte  Welt,   1873.  TL  a.   16.  S.  139. 

F  ü  h  r  e  r  d  u  r  c  h  C  a  1  w  und  Umgegend  (für  den  Verschöne- 
rungsverein gearbeitet),  mit  Stadtplan,  Stuttgart  1876. 
In  Arbeit  dagegen  befanden  sich: 

Biographisches  Lexikon  der  Aerzte  und  Natur- 
forscher aller  Zeiten, 

B  i  og'  r  a  p  h i  s  c  h  e  s  C  a  1  e  n  d  a  r  i  u  m  , 

Chronik  der  Stadt  Calw, 

Was   bis    jetzt    in    der    Erforschung    des    Schwarz- 
waldes geleistet  worden,  Vortrag  zur  Eröffnung  des 
Schw.  Zweigvereins  am  6.  Januar   1875*. 
Dr.  Schüz  gehörte  folgenden  Vereinen  (abgesehen  von  zahl- 
reichen wohltliätigen  Gesellschaften)  an: 


*  Diese  letztere  Abhandlung  fand  sich  unter  des  Verstorbenen 
Papieren  nicht  mehr  vor.  Veimuthlich  hatte  derselbe  sie  an  ein  Ver- 
einsraitglied  ausgeliehen.  Da  nicht  nur  mir,  sondern  auch  den  Erben 
an  der  Wiedererlangung  dieses  Manuscriptes  sehr  viel  liegt,  so  bitte  ich 
den  augenblicklichen  Inhaber  um  gefällige  Zusendung. 

Dr.  Wnrm, 

WUrttemb.   Daturw.  Jahvoshefte.     1878.  4 


—     50     — 

seit   1852:    dorn  Calwer  ärztlichen   Gauvereinc, 
„  „        wiiTidärztlicheii  Vereine, 

,     1853:    dem  Vereine  für  vaterl.  Naturkunde, 

„      württ.  ärztl.  Vereine, 
„     1859:    der    Oberliessiscben    Gesellschaft     für    Natur-    und 
Heilkunde, 
1861:    dem  Kunstvereiue, 
^     1862:    dem  württ.  Thierschutzvereine, 
„     1864:    der  Weinverbesserung-sgesellschaft, 
„     1865:    Pfleger  des  Germanischen  Museums  in  Nürnberg. 
-     1868:    dem  württ.  Alterthumsverein, 
,,     1869:      „     deutschen  Alpenverein, 
„     1872:    der  anthropologischen  Gesellschaft, 
y,     1873:    der  zoolog.-botan.  Gesellschaft  in  Wien, 
„      1875:    der   K.   Leopoldinisch  -  Carolinisch  -  deutschen     Aka- 
demie   der  Naturforscher, 
dem    III.  ärztlichen  Bezirksvereine   und 
dem    Schwarzwälder    Zweigverein    des    Vereins    für 
vaterl.  Naturkunde. 
Was  den  letztgenannten  Verein  betrifl't,  so  hatte  ich  während 
zweier   Jahre   mit    dem  Vorstand   des    „Badischen   Schwarzwald- 
vereins"  (in  Waldkirch)  correspondirt,  um  denselben  zu  bewegen, 
aus    dem    engen  Kreise    des  Nachbarlandes    herauszutreten,   und 
auch  die  wissenschaftliche  und  industrielle  Erforschung  und  Aus- 
beutung   des    Schwarzwaldes    in    das    Programm    aufzunehmen. 
Allein    ohne    Erfolg,    denn    jene    Gesellschaft    verfolgte   andere 
Zwecke.      Als    ich     nun    Dr.    Schüz    und    Apotheker    Kober 
Kenntniss  von   den    gescheiterten   Verhandlungen  gab,    war    Er- 
sterer  sogleich  bereit,  dem  Plane  eine  andere,  erfolgverheissende 
Richtung    nach    dem    Vorgange     des    „Oberscliwäbischen    Zweig- 
vereines"  zu  geben,    und    es    gelang   ihm,    den    „Schwarzwälder 
Zweigverein "  unter    zahlreicher  Betheiligung  zu    begründen.     In 
dessen  erster  Versammlung    ward  er    einstimmig    zum  Vorstande 
erwählt,  und  wusste  durch  seine  Thätigkeit  in  Vorführung  inter- 
essanter Themata  und  Objecte  die  an  jene  Wahl  geknüpften  Er- 
wartungen völlig  zu  erfüllen.     Leider  liat  der  Verein  schon  ietzt 


—     51     — 

seinen  Verlust  zu  betrauern.  Die  Mitglieder  desselben  gelobten 
jedoch  in  der  letzten  Versammlung,  das  Vermäclitniss  des  Ge- 
schiedenen hochzuhalten  und  durch  eifriges  und  einträchtiges  Zu- 
sammenwirken im  Vereine  sein  Andenken  zu  ehren  und  fortleben 
zu  lassen. 

Und  so  ruhe  denn  der  treue  Freund  und  Mitarbeiter  an  der 
Seite  seiner  vorangegangenen  Gattin  friedlich  in  der  heimath- 
lichen  Schwarzwalderde,   die  er  im  Leben    so  warm  geliebt  hat! 


Nekrolog 

des 

Gustav    Walz, 

vormaligen  Directors  der  A  ka  demi  e  H  ohe  nh  e  i  m. 

Von  Prof.  Dr.  v.  Weber  in  Tübingen. 


Am  30.  Oktober  1876  starb  zu  Stuttgart  ein  langjähriges 
Mitglied  des  Vereins  für  vaterländische  Naturkunde,  der  vor- 
malige Director  der  Akademie  Hohenheim,  Gustav  W  a  1  z.  Der- 
selbe hatte  es  sich  zu  seiner  Lebensaufgabe  gemacht,  die  Land- 
wirthschaft  in  möglichst  innige  Verbindung  mit  den  Natur- 
wissenschaften zu  bringen ,  dieselben  zur  Grundlage  für  diesen 
wichtigen  Zweig  der  Volkswirthschaft  zu  machen  und  auf  diese 
Weise  zur  weiteren  Entwicklung  des  Landbaues  beizutragen. 

Wenn  daher  in  diese  Blätter  ein  kurzer  Lebensabriss  des 
Verstorbenen  niedergelegt  wird,  so  bedarf  es  keiner  Recht- 
fertigung und  wird  es,  wie  ich  hoffe,  von  den  vielen  Freunden, 
welche  Walz  innerhalb  dieses  Vereins  zählte,  mit  Genugthuung 
aufgenommen  werden,  dass  seiner  in  diesen  Blättern  gedacht 
wird. 

Gustav  Walz  wurde  den  30.  Dezember  1804  in  Stuttgart 
geboren;  seine  Eltern  waren  der  Apotheker  Walz  und  Sophie, 
geb.  Nagel,  beide  alten  Stuttgarter  Familien  angehörend.  Er 
verlor  beide  sehr  früh;  von  näheren  Verwandten  blieben  ihm 
nur    zwei    Brüder,    von   welchen   der    10    .Tahre    ältere    Rechts- 


—     53     — 

cousulent  Friedrich  Walz  stets  einen  grossen  und  wobltliätigen 
Einfluss  auf  seine  geistige  Entwicklung  ausübte. 

Walz  wurde  für  einige  Jahre  einer  befreundeten  Familie 
in  Freudenstadt  zur  Erziehung  übergeben;  dieselbe  musste  aber 
kein  Verständniss  für  das  eigenthümliche  Wesen  des  elternlosen 
Knaben  gehabt  haben,  denn  stets  gedachte  er  dieser  Zeit  als 
der  unglücklichsten  seines  Lebens. 

Freudig  kehrte  er  deshalb  wieder  nach  Stuttgart  zurück, 
um  daselbst  das  Gymnasium  zu  besuchen.  Schon  hier  zeigte 
sich  entschieden,  welche  Richtung  sein  Lebensgang  nehmen 
sollte.  —  Er  vernachlässigte  zwar  in  keiner  Weise  die  philo- 
logischen Studien,  doch  wendete  er  sich  vorzugsweise  mit  sicht- 
barer Vorliebe  naturwissenschaftlichen  Beschäftigungen  zu,  ob- 
gleich das  Studium  der  Naturwissenschaften  damals  noch  eine 
untergeordnete  Rolle  unter  den  Lehrgegenständen  des  Gymnasiums 
einnahm. 

Häufige  botanische  und  geognostische  Exkursionen,  welche 
er  in  der  Umgebung  Stuttgarts  machte,  übten  seinen  Blick  sich 
auf  diese  Gegenstände  zu  richten,  lehrten  ihn  beobachten  und 
bestärkten  ihn  immer  mehr  in  seiner  Liebe  zur  Natur  und  zur 
Erkenntniss  ihrer  Ersclieinungen. 

Auch  mit  chemischen  Untersuchungen,  wenn  gleich  noch 
mit  mangelhaften  Mitteln  und  unzureichenden  Kenntnissen  aus- 
gestattet, fing  er  au  sich  in  seiner  freien  Zeit  ernstlich  zu  be- 
schäftigen, was  ihm  von  seinen  Freunden  den  Namen  „  Salzkoch " 
eintrug. 

Sein  ältester  Bruder  Friedrich,  ein  vielseitig  gebildeter  und 
intelligenter  Mann  beobachtete  genau  die  so  bestimmt  aus- 
gesprochene Neigungen  des  jungen  Bruders  und  lenkte  ihn  auf 
einen  Lebensberuf  hin,  welcher  denselben  entsprach. 

Am  liebsten  hätte  Walz  sich  ganz  den  Naturwissen- 
schaften gewidmet,  allein  die  Zeit  war  noch  nicht  gekommen, 
wo  man  sich  dadurch  eine  sichere  Lebensstellung  erwerben 
konnte,  denn  dieselben  wurden  gewöhnlich  nur  als  Nebenfächer 
der  Medizin  behandelt.  Aber  die  gebildeten  Kreise  der  Gesell- 
schaft begannen  ihre  Aufmerksamkeit  einem  Berufe  zuzuwenden. 


—     54     — 

dessen  grosse  volkswirthscliaftliche  Bedeutung  immer  mehr  ein- 
gesehen wurde,  und  welcher  eine  ausschliessliche  Beschäftigung 
mit  der  Natur  und  ihrer  Erkenntniss  erforderte,  nämlich  der 
Landwirthschaft.  Diese  Verhältnisse,  so  wie  der  Umstand,  dass 
es  auf  diesem  Gebiete  noch  sehr  an  intelligenten  Kräften  fehlte, 
und  daher  für  einen  strebsamen  einsichtsvollen  Mann  ein  weites 
Feld  der  Thätigkeit  offen  stand,  bestimmten  den  älteren  Bruder, 
seinen  jüngeren  für  die  Natur  begeisterten  und  mit  einem 
kräftigen  Körper  ausgestatteten  Bruder  darin  zu  bestärken,  dass 
er  das  Fach  der  Landwirthschaft  ergreife. 

Walz  bezog  nun  zu  diesem  Zwecke  im  Jahre  1821  die 
von  König  Wilhelm  gegründete  landwirthschaftliche  Lehranstalt 
Hohenheim.  Der  Vorstand  dieser  Anstalt  war  Nepomuk 
Schwerz,  ein  Mann,  welcher  sich  durch  seltene  landwirth- 
schaftliche Detailkenntnisse  auszeichnete  und  seine  Srhüler  ge- 
wöhnte ,  auch  die  scheinbar  kleinsten  Dinge  zu  beachten ,  um 
durch  deren  Erkenntniss  zum  Einblick  in  den  Zusammenhang 
des  Ganzen  zu  gelangen.  Hier  erwarb  sich  Walz  in  hohem 
Grade  diejenige  Eigenschaft,  welche  man  im  gewöhnlichen  Leben 
einen  „praktischen  Blick"  nennt,  d.  h.  die  Gabe,  schnell  zu 
beobachten  und  aus  den  Beobachtungen  zutreffende  Schlüsse  zu 
ziehen. 

Diese  Eigenschaft  kam  ihm  in  seinem  zukünftigen  Beruf 
als  praktischer  Landwirth  ausserordentlich  zu  statten,  und  machten 
seinen  Rath  und  seine  Anordnungen  später  so  werthvoll  und 
zweckmässig.  Der  Aufenthalt  in  Hohenheim  förderte  Walz 
sehr  in  seinen  Kenntnissen  und  Fähigkeiten,  und  bot  ihm  auch 
Gelegenheit,  unter  den  Besten  seiner  Studiengenossen,  welche 
noch  aus  einer  verhältnissmässig  kleinen  Zahl  bestand,  sich 
gleich  strebsame  Freunde  zu  erwerben,  welche  sich  sein  für 
Freundschaft  besonders  treues  und  empfängliches  Gemüth  bis  an 
sein  Lebensende  zu  erhalten  wusste. 

Der  wissensdurstige  junge  Mann  fühlte  nun  aber  das  Be- 
dürfniss,  da  der  Unterricht  in  den  Naturwissenschaften  zu 
Hohenheim  damals  noch  kein  sehr  eingehender  war,  die  vielen 
Lücken    in    diesen    Fächern    zu    ergänzen   und    sich    noch    eine 


—     55     — 

giündlicliere  wissenschaftliche  Erkenntüiss  anzueignen.  Er  be- 
zog zu  diesem  Zwecke  im  Jahr  1823  die  Universität  Tübingen, 
wo  er  vorzugsweise  die  Vorlesungen  von  Gmelin  über  Chemie 
und  von  Schübler  über  Geognosie  besuchte  und  beide  Fächer 
studirte,  welche  er  auch  fernerhin  mit|  besonderer  Vorliebe 
behandelte  und  in  seiner  Berufsthätigkeit  als  Landwirth  zu  ver- 
werthen  bemüht  war.  Da  er  schon  damals  das  Wissen  mit  der 
Praxis  zu  verbinden  trachtete ,  so  übernahm  er  während  seiner 
Studieiizeit  gerne  die  ihm  übertragene  Verwaltung  des  benacli- 
barten  Gutes  Rosek. 

Nach  Absolvirung  der  Universitätsstudien  ging  Walz  auf 
Reisen,  ein  Bildungsmittel,  welches  auch  bei  ihm  seine  Wirkung 
nicht  verfehlte.  Indem  er  die  grössern  wirthschaftlichen  Ver- 
hältnisse im  Norden  Deutschlands  kennen  lernte,  erweiterte  sich 
sein  Blick.  Durch  den  renommirten  schlesischen  Landwirth 
Biok  wurde  er  in  das  landwirthschaftliche  Versuchswesen  ein- 
geführt und  die  Verwaltung  eines  grösseren  Gutes,  Siebeneichen, 
welches  er  für  2  Jahre  übernommen  hatte,  gewöhnte  ihn  an 
ein  selbständiges  und  umsichtiges  Handeln  in  wirthschaftlichen 
Dingen. 

Im  Jahre  1826  kehrte  Walz  reich  an  Erfahrungen  und 
Kenntnissen  in  die  Heimath  zurück  mit  der  Absicht,  sich  durch 
Pachtung  oder  Kauf  eines  Gutes  als  selbständiger  Landwirth 
niederzulassen,  um  sich  damit  nicht  nur  einen  eigenen  Herd  zu 
gründen,  sondern  auch  durch  Beispiel  und  Wort  zur  Hebung  der 
in  Württemberg  damals  noch  darniederliegenden  Landwirthschaft 
beizutragen. 

Nach  längerem  Suchen  erwarb  er  sich  den  240  Morgen 
grossen  Schweizerhof  bei  Ellwangen,  ein  Besitz,  welcher  weder 
nach  seinen  klimatischen  noch  nach  seinen  Bodenverhältnissen 
viel  versprach,  aber  gerade  desshalb  für  Walz  einen  gewissen 
Reiz  hatte,  um  auf  demselben  seine  Kenntnisse  und  Fälligkeiten 
zu  erproben.  Wirklicii  gelang  es  ihm  auch  glänzend,  allmählich 
das  Gut  zu  seinem  Vortlieil  zu  verändern  und  seinen  Ertrag  zu 
erhöhen. 

Hier     gründete     er     auch     seinen    Hausstand    durch    Vor- 


—      50      — 

heiratliuiig  mit 'seiner  Jugendliebe,  Sopliie  S  c  lui  ir  aus  Wangen, 
mit  welcher  er  41  Jahre  lang  in  glücklichster  durch  4  Kinder 
gesegneter  Ehe  lebte.  Die  Eltern  hatten  ihre  Kinder  nicht  nur 
zu  erziehen,  sondern  sie  mussten  sich  auch  noch  in  die  Aufgabe 
theilen,  ihnen  sänimtlichen  Schulunterricht  zu  ertheilen,  da  keine 
passende  Schule  in  der  Nähe  des  einsamen  Gutes  war.  Walz 
musste  zu  diesem  Zwecke  das  württembergische  Schullehrer- 
examen bestehen,  um  die  Erlaubniss  zum  Privatunterricht  zu 
erhalten. 

Die  mancherlei  Schwierigkeiten,  mit  welchen  Walz  auf 
dem  Schweizerhofe  zu  kämpfen  hatte,  und  welche  er  glücklich 
überwand ,  waren  es ,  die  ihn  vollends  zu  einem  tüclitigen 
charaktervollen  Manne  heranreiften,  und  so  wurde  dieser  Auf- 
enthalt eine  Schule,  welche  ihn  für  seine  künftige  Laufbahn  so 
geeignet  machte.  Bald  wurde  er  auch  in  weiteren  Kreisen  als 
ein  Landwirth  bekannt,  welcher  mit  praktischer  Tüchtigkeit  ein 
aussergewöhnlich  eifriges,  wissenschaftliches  Streben  verband. 
Vielfach  wurde  er  daher  als  Sachverständiger  zu  den  ver- 
schiedensten Arbeiten  herbeigezogen,  welche  dazu  beitrugen,  seine 
Umsicht  zu  befördern. 

Neben  dieser  vielseitigen  Thätigkeit,  welche  die  Bewirth- 
schaftung  des  Gutes,  die  Ausarbeitung  aller  möglichen  Gut- 
achten und  Taxationen  eti-.  erforderte,  unterrichtete  er  junge 
Männer,  welche  bei  ihm  die  Landwirthschaft  erlernen  wollten 
und  beschäftigte  sich  eifrig  mit  naturwissenschaftlichen  Studien, 
von  welchen  ihn  namentlich  die  Geognosie  anzog,  in  welchem 
Fache  er  seine  Kenntnisse  auf  vielen  kleineren  und  grösseren 
Reisen  zu  erweitern  Gelegenheit  fand.  Zeugniss  von  seinen 
eingehenden  geognostischen  Studien  geben  die  im  württem- 
bergischen Correspondenzblatt  erschienenen  Aufsätze  und  Beiträge 
zur  Geognosie  des  Kieses,  sowie  seine  Betheiligung  an  dem 
Werke  „die  Vegetations  -  Verhältnisse  der  Jura-  und  Keuper- 
formation  in  den  Flussgebieten  der  AYörnitz  und  Altmühl"  von 
Dr.  A.  Schnizlein  in  Erlangen  und  A.  Frickhinger  in 
Nördlingen.      1848. 

Diese  geognostisciie    Kenntnisse    verwerthete    er   aber    auch 


—     57     -- 

bei  seinem  praktischen  Berufe;  es  gelang  ihm,  auf  seinem  Gute 
einen  Mergel  aufzufinden,  durch  dessen  ausgedehnte  Anwendung 
er  die  Ertragsfähigkeit  desselben  auf  eine  ungeahnte  Höhe  er- 
hob. Wie  langsam  bei  der  landwirthschaftlichen  Bevölkerung 
selbst  Beispiele  anregend  wirken,  zeigte  sich  auch  hier;  erst 
nachdem  Walz  die  Gegend  verlassen  hatte,  fingen  die  um- 
liegenden Besitzer  an,  den  Mergel  zu  gebrauchen  und  häufig 
hörte  man  von  ihnen  den  Ausspruch,  „hätten  wir  schon  vor 
15  Jahren  wie  Walz  angefangen  unsere  Felder  zu  mergeln,  so 
wären  wir  jetzt  reiche  Leute". 

Als  im  Jahre  1842  in  Folge  einer  bei  dem  25jährigen 
Eegierungsjubiläum  des  Königs  Wilhelm  gemachten  Stiftung 
auch  auf  dem  Schlossgute  Ellwangen  eine  landwirthschaftliche 
Lehranstalt  für  junge  Leute  aus  dem  Bauernstande  errichtet 
wurde,  konnte  kein  Mann  gefunden  werden,  welcher  zum  Vor- 
stände dieser  Anstalt  geeigneter  gewesen  wäre,  als  W^alz. 
Seine  ausgezeichnete  Lehrgabe,  durch  welche  er  so  anregend 
auf  die  Jugend  wirkte,  fand  hier  ein  Material  vor,  welches  ganz 
unbebaut  war,  aber  gerade  desshalb  einen  um  so  fruchtbareren 
Erfolg  versprach.  Es  gelang  ihm  auch,  seinen  Schülern  Ver- 
ständniss  und  Neigung  für  die  Naturwissenschaften  einzupflanzen, 
welche  er  stets  als  die  Grundlage  für  den  Fortschritt  auf  dem 
Gebiete  der  Landwirthschaft  betrachtete. 

Das  in  den  günstigsten  Verhältnissen  gelegene  Schlüssgut 
wandelte  er  in  eine  Musterwirthschaft  um;  als  Berather  in 
wirthschaftlichen  Dingen  wirkte  er  in  einem  weiten  Umkreise: 
auch  seine  wissenschaftlichen  Kenntnisse  suchte  er  dui-ch  Studien 
und  Reisen  immer  mehr  zu  erweitern.  Die  Resultate  derselben 
legte  er  theils  in  einer  Reihe  von  Aufsätzen,  tlieils  in  Vorträgen, 
welclie  er  im  Kreise  gleichgesinnter  Männer  oder  in  landwirth- 
schaftlichen Vereinen  hielt,  nieder.  Besonders  liebte  er  es,  sich 
eine  möglichst  genaue  Kenntniss  der  topographischen  und 
geognostischen  Verhältnisse  des  Landes  anzueignen.  Es  wird 
nicht  leicht  eine  Gegend  Württembergs  zu  finden  sein ,  über 
welche  er  nicht  die  genaueste  Aufkunft  geben  konnte.  Die 
Aufsätze,  welche  er  während  dieser    Zeit    veröffentlichte,    hatten 


—      58     — 

zwar  landwirtliscliaftliche  Fragen  zu  ihrem  Gegenstände ,  gingen 
aber  in  ihren  Ausführungen  immer  auch  von  naturwissenschaft- 
lichen Gesichtspunkten  aus;  von  denselben  sind  hier  zu  nennen 
„über  die  Hagelversicherung  in  Württemberg,  über  Kalkdüngung, 
Erfahrungen  über  Drainaganlagen  u.   s.   w". 

So  verlebte  er  8  Jahre  in  diesen  glückliclien  Verhältnissen, 
und  als  ihm  im  Jahr  1850  die  Directorsstellc  der  Akademie 
Hohenheim  angeboten  wurde,  kostete  es  ihn  viele  Ueberwindung, 
diesem  Rufe  zu  folgen,  und  nur  unter  Vorbehalt  seines  Kück- 
trittes  nach  Ellwangen  übernahm  er  diese  Stelle. 

Hier  fand  nun  der  vollgereifte  Mann  den  weitesten 
Wirkungskreis  für  seine  Thatkraft.  Unter  seiner  Leitung  er- 
reichte die  Akademie  eine  nie  zuvor  dagewesene  Frequenz  von 
Schülern,  und  seine  anregende  Thätigkeit  erstreckte  sich,  da  er 
zugleich  Mitglied  der  Centralstelle  war,  auf  das  ganze  Land, 
und  verfehlte  nicht,  ihre  Wirkung  auf  die  Hebung  der  Land- 
wirthschaft  auszuüben. 

Die  Richtung  für  die  wissenschaftliche  Entwicklung  der 
Landwirthschaftslehre,  welche  er  seit  lange  für  die  einzig  richtige 
erkannt  hatte,  hielt  er  auch  hier  fest.  Eine  seiner  ersten 
Sorgen  war  die  Erriclitung  eines  besonderen  Lehrstuhls  für  Agri- 
kulturchemie, für  welehe  er  eine  ausgezeichnete  Kraft  gewann; 
er  lenkte  das  landwirthschaftliche  Versuchswesen  in  feste,  ein 
bestimmtes  Ziel  ins  Auge  fassende  Bahnen,  und  noch  gegen  das 
Ende  seines  Hohenheimer  Aufenthalts  veranlasste  er  die  Er- 
richtung einer  agrikulturchemischen  Versuchsstation. 

Wenn  gleich  diese  Stellung  seine  Arbeitskraft  in  der  viel- 
fältigsten Weise  in  Anspruch  nahm,  fand  er  doch  noch  Zeit, 
sich  auch  literarisch  zu  beschäftigen ;  neben  einer  Reihe  kleiner 
Aufsätze,  welche  in  landwirthschaftlichen  Journalen  erschienen, 
gab  er  in  Verbindung  mit  den  Lehrern  der  Akademie  eine 
Zeitschrift  unter  dem  Titel  „Mittheilungen  aus  Hohenheim" 
heraus,  in  welchen  die  Resultate  des  Gutsbetriebos  und  der  an- 
gestellten Versuche  veröfientlicht  wurden.  Besonderen  Antheil 
nahm  Walz  an  der  Bewegung,  welche  in  der  Landwirthschaft 
durch  Liebig\s  Epoche  machendes  Werk  „die  Chemie  in  ihrer  An- 


~      59      — 

Wendung'  auf  Agrikultur  und  Physiologie"  veranlasst  wurde. 
Er  konnte  sich  nach  seinen  gemachten  Erfahrungen  nicht  ent- 
schliessen,  die  Lehre  Liebig's  in  ihren  Consequenzen  als  durch- 
aus richtig  zu  betrachten,  und  neigte  sich  bei  dem  damaligen, 
nun  überwundenen,  wissenschaftlichen  Kampfe  zwischen  den  so- 
genannten „Mineralstöffler  und  Stickstöffler"  den  letzteren  zu, 
indem  er  von  der  Ansicht  ausging,  dass  die  dem  Boden  durch 
den  Pflanzenbau  entzogene  löslichen  Mineralverbindungen  durch 
die  Verwitterung  wieder  ersetzt  werden  können.  Seine  An.-dchten 
über  diesen  wissenschaftlilhen  Streit,  welche  er  nach  reiflicher 
Ueberlegung  und  in  eingehender  Weise  in  den  genannten  „Mit- 
theilungen aus  Hohenheim"  veröffentlichte,  zogen  ihm  von  ent- 
gegengesetzter Seite  nicht  immer  sachlich  gehaltene  Erwiderungen 
zu,  und  wenn  gleich  zugegeben  werden  muss,  dass  die  von  Walz 
veröffentlichte  Ansichten  nicht  frei  von  einseitigen  Anschauungen 
sind,  so  haben  sie  doch  wesentlich  zur  Aufklärung  darüber  bei- 
getragen, in  wie  weit  die  Lehre  Liebig's  auf  die  praktische 
Landwirthschaft  in  gegebenem  Falle  Anwendung  finden  kann. 

Fünfzehn  Jahre  lang  bis  zum  Herbste  1865  entwickelte 
Walz  in  dieser  Stellung  eine  nach  allen  Seiten  hin  fruchtbare 
Thätigkeit.  Ein  Herzleiden,  welches  seinen  kräftigen  Körper 
ergriffen  hatte,  trat  stärker  auf  und  nöthigte  ihn  nach  dem  Rath 
der  Aerzte  dieses  aufreibende  Amt  aufzugeben  und  sich  nach 
seiner  alten  Heimath  Stuttgart  zurückzuziehen.  Allein  sein  leb- 
hafter Trieb  zur  Arbeit  verlangte  nach  einem  W^irkungskreis; 
eine  Reihe  von  Jahren  machte  er  sich  als  Mitglied  der  Central- 
stelle  für  Landwirthschaft  durch  seine  genaue  Kenntniss  der 
wirthschaftlichen  Verhältnisse  W^ürttembergs  nützlich ;  er  ver- 
öffentlichte seine  in  Hohenheim  gehaltene  Vorlesungen  über  land- 
wirthschaftliche  Betiiebslehre  in  einem  werthvollen  Werke,  und 
seine  letzten  Jahre  füllte  noch  die  Beschäftigung  mit  den  Vor- 
arbeiten für  die  neue  Katastrirung  zum  Zwecke  der  Grund- 
besteuerung aus. 

In  seinen  von  diesen  Arbeiten  freien  Stunden  beschäftigte 
sich  der  noch  im  Alter  so  strebsame  Mann  mit  naturwissen- 
schaftlichen Studien  und  zu  seinen  schönsten  Tagen  rechnete  er 


—     60      - 

stets  diejenigen,  au  welchen  die  regelmässigen  Abendversammlungen 
der  Mitglieder  des  naturwissenschaftliclien  Vereins,  der  „Schnecken- 
kranz "  bevorstand.  Diese  Freude  an  der  Natur  und  der  Drang 
zu  ihrer  Erkenntniss  erheiterte  sein  Alter  und  begleitete  ihn 
bis  zum  letzten  Augenblick,  denn  auf  dem  abendlichen  Gange 
zur  Versammlung  des  naturwissenschaftlichen  Vereins  ereilte  ihn 
am  30.  Oktober  1876  der  Tod,  welcher  dem  72jährigen  Manne 
ein  schnelles  und  schmerzloses  Lebensende  bereitete. 

So  endete  ein  thätiges  von  geistigem  Streben  durchwebtes 
Leben,  welches  auf  dem  ihm  vom  Schicksal  angewiesenen  Gebiete 
dauernde  Wirkungen  zurücklässt;  seine  Freunde  werden  dem 
äusserlich  einfachen,  aber  cliaraktervollen  und  intelligenten  Mann 
ein  treues  Gedächtniss  bewahren  und  seine  zahlreichen  Schüler 
den  anregenden  Lehrer  in  dankbarer  Erinnerung  behalten. 


Nekrolog 

des 

Carl   Deffner. 

Von    Dr.   Oscar    Fr  aas. 


Ist  es  an  sich  schon  eine  Ausnahme  von  der  gewöhnlichen 
Menschenregel,  wenn  eines  Mannes  Geist  mehr  als  ein  Lebens- 
gebiet beherrscht,  so  finden  sich  noch  viel  seltener  Männer,  welche 
wie  Carl  Deffner  in  drei  Gebieten  des  menschlichen  Geistes 
nicht  blos  bewandert  sind,  sondern  in  Wahrheit  und  Wirklichkeit 
in  denselben  sich  auszeichnen  und  hervorragen.  Die  Industrie, 
die  Politik,  die  Naturwissenschaft  nannte  Deffner  jede  den 
Ihrigen.  In  jedem  dieser  3  Gebiete  galt  er  als  eine  bedeutende 
Persönlichkeit,  welche  das  Zutrauen  seiner  Genossen  um  so  lieber 
ehrend  und  auszeichnend  voranstellte,  als  er  fern  von  aller  Schroff- 
heit in  seinem  Umgang  der  angenehmste  und  liebenswürdigste 
Gesellschafter  war  und  Jedermann  ihm  anfühlte,  dass  man  bei 
ihm  nicht  mit  blosser  Form,  sondern  mit  dem  innersten  Wesen 
eines  vortrefflichen  Charakters  zu  thun  habe. 

Das  äussere  Leben  Deffners,  der  am  8.  Juli  1817  ge- 
boren am  11.  Juni  d.  J.  verstarb,  seine  industrielle  und  poli- 
tische Thätigkeit,  ist  von  Andern  gezeichnet  worden.  Diese  Blätter 
gelten  nur  dem  Geologen  Deffner,  dessen  Bild  ich  in  ein- 
fachen Zügen  hier  entwerfen  möchte. 


—      62      — 

Wohl  liatte  D  offner  unter  Leitung  des  vortrefflichen  Vaters 
eine  vollständige  akademische  Bildung  genossen  und  war  in  Berlin 
zu  den  Füssen  Gustav  Rose's  gesessen,  dem  er  bis  zu  dessen 
Ende  ein  freundliches  Andenken  bewahrte,  aber  wie  das  gewöhn- 
lich im  menschlichen  Leben  geht,  dass  vor  der  Praxis  die  wissen- 
schaftlichen Studien  in  den  Hindergrund  treten  und  die  Früchte 
des  akademischen  Lebens  einschrumpfen,  so  nahm  auch  die  Lei- 
tung der  Fabrik,  die  mit  jedem  Jahr  sich  mehr  ausdehnte,  den 
Chef  der  Firma  C.  Deffner  dermassen  in  Anspruch,  dass  er 
seine  ganze  Thätigkeit,  sei  es  auf  sein  Walzwerk  und  die  best- 
mögliche Ausnutzung  seiner  Wasserkraft,  sei  es  auf  das  Studium 
der  Bleche,  der  Kupfer  oder  der  Lackfarben  verwenden  musste. 
Volle  Aktenstösse  aus  jener  Zeit  zeugen  von  der  rastlosen  Thä- 
tigkeit des  Fabrikanten.  In  den  40er  Jahren  war  Deffner 
durch  und  durch  Industrieller.  Er  dachte  kaum  an  Geologie  und 
Petrefaktenkunde.  Da  brauchte  er  wieder  einmal  Formsand  für 
seine  Gelbgiesser'ei,  der  seit  Jahren  aus  dem  braunen  Beta  von 
Giengen  bezogen  wurde.  Dass  er  denselben  nach  seinem  Vor- 
kommen und  seiner  Qualität  mit  allen  seinen  Fehlern  und  Vor- 
zügen genau  zu  untersuchen  anfing,  um  ihn  gründlichst  kennen 
zu  lernen,  war  von  Deffner  nicht  anders  zu  erwarten.  Wider- 
stritt es  doch  jeder  Zeit  dem  innersten  Wesen  unseres  Freundes 
etwas  oberflächlich  zu  nehmen.  Alles  was  er  that,  that  er  gründ- 
lich, was  er  las  untersuchte  er,  «schlug  alle  Citate  und  Quellen  nach 
und  arbeitete  sich  grundsätzlich  in  die  Literatur  eines  zu  unter- 
suchenden Gegenstandes  ein.  So  führte  ihn  der  Formsand  seiner 
Fabrik  zur  Untersuchung  anderer  Sande,  zur  örientirung  über 
deren  Vorkommen  und  Lagerung,  und  weiterhin  zu  dem  Ursprung 
der  Sande  und  deren  Bilduugs weise  überhaupt,  womit  er  plötzlich 
mitten  in  der  Geognosie  stund. 

Der  alte  Naumann,  der  von  Berlin  her  etwas  verstaubt  in 
seiner  Bibliothek  stand,  war  wieder  vorgenommen,  speziell  für 
schwäbische  Geognosie  diente  das  „Flözgebirge"  zum  Führer.  Bald 
aber  erkannte  Deffner 's  klarer  Verstand,  dass  in  der  Geo- 
gnosie die  Bücherweisheit  wenig  nütze  ist,  dass  vielmehr  die  Natur 
selbst  befragt  werden  muss,  um  Aufschluss   über  die  Berge  und 


—      63      — 

Tliäler  und  das  verborgene  Schiclitengebilde  zu  erhalten.  So 
war  denn  unser  Freund  rascli  entschlossen,  mit  dem  Hammer  in 
der  Hand  draussen  im  Freien  seine  Untersui  hungen  anzustellen, 
auf  welclien  ihn  anfänglich  vielfach  sein  Freund  Ammermüller 
begleitete.  Bald  war  ihm  das  Profil  von  seinem  heimischen  Neckar- 
thal bis  zur  Höhe  des  Srhurwaldes  bekannt,  hierauf  stieg  er  am 
andern  Flussgehäng  zu  den  Fildern  hinan.  Seinem  klar  blickenden 
Auge  entging  die  Diskordanz  der  Lagerung  nicht,  die  zwischen 
dem  unteren  Lias  auf  der  Höhe  der  Filder  einerseits  und  dem- 
selben Lias  auf  der  Schurwaldhöhe  existirt.  Die  Erklärung  dieser 
Thatsache  nach  der  herrschenden  Anschauung  über  die  Bildung 
unserer  Erdoberfläche  befriedigte  ihn  nicht,  er  ahnte  es  anfäng- 
lich nur,  was  ihm  später  zur  eigensten  Wahrheit  wurde,  dass 
lange  nach  der  Bildung  der  Flöze  und  der  Schichtenablagerung 
Schichtenstörungen  eintraten,  denen  erst  die  Erde  ilire  jetzige 
Oberflächegestalt  verdankt.  Zum  Oefteren  hatte  mir  später  der 
Freund  vertraut,  wie  wundersam  ihm  zu  Muthe  geworden,  als 
ihm  zum  ersten  Mal  der  Gedanke  aufdämmerte,  dass  die  Lage- 
rung der  Schichten  denselben  Gesetzen  der  Mechanik  sich  fügen, 
die  er  heute  überall  beobachte.  Es  gab  für  ihn  jetzt  keine 
Kluft  des  Gedankens  mehr  zwischen  der  Vorwelt  und  Jetztwelt 
und  mit  der  ganzen  Kraft  seines  Geistes  suchte  er  jene  als  einen 
ihm  nahe  gerückten  Gegenstand  zu  erfassen.  Wie  schon  für 
Viele  der  Jura  ein  Lehrbuch  geworden,  so  lernte  auch  Deffner 
an  seinem  Jura,  wie  er  vor  den  Thoren  Esslingens  liegt.  An  Arbeiten 
über  den  Jura  lag,  ausser  Quenstedts  Flözgebirge  und  Mandelslohes 
Profile  der  schwäbischen  Alb,  die  Arbeit  Leop  old  von  Buch's 
vor.  Dessen  grosser,  umfassender  Geist  hatte  ein  Bedürfniss  der 
übersichtlichen  Darstellung  und  zugleich  in  dem  richtigen  Ge- 
danken, die  geologischen  Verhältnisse  an  Erscheinungen  der  Jetzt- 
zeit anzupassen,  in  seiner  classisch  gewordenen  Abhandlung  über 
den  deutscheu  Jura*  nicht  nur  den  deutschen,  sondern  den  ganzen 
damals  bekannten  centraleuropäischen  Jura  als  grosses  hufeisen- 


*  Rede  über  den  deutschen  Jura   am  23.  Februar   1837   in   der 
K.  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  aelesen.     Breslau  1839. 


—  ei- 
förmiges Koi-allenriff  aufgefasst,  das  vom  Ficlitelgebir^-e  au  sicli 
südwärts  bis  Schaffliaiisen  und  Basel  erstrecke  und  von  da 
über  Yesoul  durch  den  französischen  Jura  bis  nacli  Luxemburg 
wieder  heraufziehe.  In  das  Innere  dieses  Korallen- Atolls,  dessen 
Analogien  er  in  Neuholland  findet,  erstrecken  sich  die  Jiira-Rilfe 
nur  sporadisch,  vielmehr  „legen  sich  die  Jurabildungen  mit  dem 
„Steilabfall  nach  innen,  mit  dem  Sanflabfall  nach  aussen  an 
^das  ältere  Gebirge.  In  das  Innere  des  Jurakessels  dringen  die 
„Jurabildungen  fast  nicht,  oder  nur  ausnahmsweise,  wie  bei  Strass- 
.,burg  und  zwischen  Bruchsal  und  Heidelberg  bei  Langeubrücken". 
Zudem  ist  es  nur  der  Lias,  der  hier  eine  Ausnahme  macht. 
„Schwerlich  dürfte  sich  darum  wahrscheinlich  machen  lassen,  dass 
fl nicht  spätere  Umwälzungen  einen  über  das  Innere  des  Kessels 
fl  einst  fortsetzenden  Theil  des  Juras  zerstört  hätten.  Von  Anfang* 
„an  führten  tiefe  Spalten,  die  im  Kies  bis  auf  den  Granit  nieder- 
„ gehen,  durch  die  Kesselwand  hindurch,  welchen  Weg  die  Flüsse, 
„wie  Wörnitz,  Altmühl,  Pegnitz  u.  s.  w.  benutzen".  —  Diese 
Anschauungen  des  berühmten  Geologen  speziell  über  unsere  süd- 
deutsche Jura,  galt  zur  Zeit,  als  Deffner  den  Jura  seiner 
väterlichen  Reichsstadt  zum  ersten  Mal  ansah,  als  herrschende 
Ansicht.  Namentlich  war  auch  der  schwäbische  Meister  des  Juras, 
Quenstedt,  in  Wort  und  Schrift  der  treue  Interprete  L.  v.  Buch's, 
dessen  Anschauung  er  ausbildete  und  durch  Aufstellung  der  so- 
genannten Inseltheorie  erweiterte.  Die  diskordanten  Lagerungen  in 
nächster  Nähe  von  Esslingen,  auf  den  Fildern  und  im  Schönbuch 
sollten  ursprüngliche  xAnlagerungen  zur  Zeit  der  Jurabildung  ge- 
wesen sein.  Mit  dieser  herrschenden  Ansicht,  die  sich  traditionell 
zum  Dogma  ausgebildet  hatte,  konnte  sich  Deffners  klarer, 
konstruirender  Geist  nicht  befreunden.  Jahrelang  Uef  er  die  Grenz- 
gebiete seines  Schurwaldes  und  der  Filder  ab,  mass,  zeichnete 
malte,  profilirte  und  konstruirte  er  und  trat  1854  schüchtern, 
aber  sicher  in  seiner  Anschauung  zum  ersten  Mal  in  die  Oeffent- 
lichkeit.  Er  trat  nicht  etwa  mit  einer  Theorie  auf,  sondern  mit 
der  Thatsache  der  genau  gezeichneten  Profile.  Die  exakte  Zeich- 
nung des  Gebirgsdurchschnittes  war  die  Waffe,  mit  der  er  kämpfte 
und  gegen  welche  kein  Einwand  mehr  aufkam,  wenn   auch   seine 


—     65      — 

Gegner  es  mit  viel  Scharfsinn  versuchten,  die  Inseltheorie  und 
TTfertheorie  aufrecht  zu  halten.  Nie  vergesse  ich,  wie  eines  Tags 
Deffner  auf  einem  Gang  mit  Quenstedt  in  der  Nähe  von 
St.  Bernhard  bei  Esslingen  die  Worte  aussprach  „jede  gute  geolo- 
gische Theorie  muss  man  auch  zeichnen  können".  Es  war  daher  sein 
Hauptbestreben  Überalk  auf  Profilirung  und  Kartographie  gerichtet. 
Sieben  volle  Jahre  stund  es  an,  bis  Deffner  seinen  Vortrag  vom 
24.  Juni  1854  in  einer  ausführlichen  Abhandlung  unter  dem 
Titel  „die  Lagerungsverhältnisse  zwischen  Schönbuch  und  Schur- 
wald" (1861)  veröffentlichte.  Eine  Detailkarte  mit  eingezeich- 
neten Spalten  und  Kluftrichtungen,  sowie  eine  Reihe  von  Profilen 
zeugen  von  dem  eingehenden,  Alles  beachtenden  Studium.  Die 
Karte  kann  man  geradezu  als  eine  mustergiltige  Arbeit  bezeichnen, 
namentlich  wenn  man  weiss,  mit  welcher  Sorgfalt  jede  Formationy- 
grenze  durchlaufen  und  mit  welcher  Gewissenhaftigkeit  die  mass- 
gebenden Punkte  eingetragen  wurden.  Bleistiftpunkte  und  Blei- 
stiftstriche auf  der  Aufnahmekarte  widerstrebten  Deffners  durch 
Maschinenzeichnen  an  solidere  Arbeit  gewöhntem  Auge.  Hier 
war  es  die  englische  Nähnadel,  mit  welcher  er  durch  Einstechen 
der  fixen  Punkte  arbeitete.  Die  Rückseite  der  Karte  war  mit 
weissem  Papier  überzogen,  auf  welcher  sofort  der  Eintrag  mit 
einer  Journalnummer  geschah,  denn  er  trug  alle  seine  Beobach- 
tungen aufs  gewissenhafteste  in  sein  Journal  ein,  das  eine  fort- 
laufende Reihe  von  Nummern  enthält,  welche  den  Ziffern  auf 
der  Rückseite  des  Kartenblatts  rechts  vom  Nadelstich  entsprechen. 
Als  im  Jahr  1860  die  Kommission  für  Herstellung  der  geognostischen 
Landeskarte  sich  bildete,  nahm  sie  keinen  Anstand,  dieses  Princip 
der  Einträge  in  den  Aufnahmekarten  zu  dem  ihrigen  zu  machen 
und  haben  in  der  Folge  die  aufnehmenden  Geognosten,  nament- 
lich Hildenbrand,  auf  dieselbe  Weise  gearbeitet. 

Nach  jenem  ersten  Vortrage  Deffners  über  die  Gebirgs- 
verhältnisse  der  mittleren  Neckargegend  (Jahresh.XI,  20)  lernte  ihn 
der  Verfasser  dieser  Zeilen  kennen  und  fühlte  sich  gleich  beim  ersten 
Zusammentreffen  von  ihm  als  einer  sympathischen  Natur  ange- 
zogen. Sie  schlössen  damals  einen  Bund  der  Freundschaft,  der 
in  der  Wissenschaft  fusste  und  bis  zu  Deffners  Tod  ungetrübt 

"Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878,  5 


—      66      — 

fortbestund.  Gemeinsames  Arbeiten  zur  Erforschung  der  ver- 
wickelten Lagerungsverhältnisse  der  Erdrinde  hiess  die  Loo- 
sung.  Dieses  gemeinsame  Arbeiten  hub  nach  verschiedenen  Ex- 
cursioneu  im  Gebiet  des  Hohenstaufens  an  jenem  abgegrenzten 
Jurafleck  an,  auf  welchen  v.  Buch  schon  als  auf  eine  Abweichung 
von  der  Jura-Regel  hingewiesen  liatte,  mit  Langenbrüclien** 

Im  April  1856  wurden  die  Aufnahmen  gemacht,  im  Herbst 
des  folgenden  Jahres  controlirt  und  abgeschlossen  und  entstund 
im  Winter  die  Arbeit:  Deffner  und  Fr  aas,  die  Jura-Yer- 
senkung  von  Langenbrücken.  Neues  Jahrbuch  1859,  p.  1  und 
513,  mit  Karte  und  Profilen.  Der  geognostisch- paläontologi- 
sche Theil  hatte  Fraas ,  der  stratigraphisch  -  geologische 
Theil  Deffner  zum  Verfasser.  Die  Resultate,  auf  welche  sie 
kamen,  liefen  darauf  hinaus,  dass  der  Langenbrücker  Jura  eine 
direkte  Fortsetzung  des  schwäbischen  Juras  ist,  an  den  er  sich 
in  allen  seinen  Gliedern  anschliesst  und  mit  dem  er  nach  seinen 
Petrefakten  übereinstimmt.  Die  bestehende  Dislokation  desLangen- 
brückeuer  Juras  lässt  sich  durch  Annahme  einer  Hebung  nicht 
erklären,  sie  ist  vielmehr  das  Resultat  einer  Versenkung  in  Folge 
eines  Spaltensystems,  das  von  NO.  nach  SW.  sich  zieht.  Die  Zeit 
dieser  Spaltenbildung  fällt  ungefähr  in  die  Anfangszeit  derMiocäne. 

In  die  Zeit  von  1857—58  fällt  eine  private  Studie  cbemisch- 
geognostischer  Natur  über  die  B  ohnerzgeb  ilde**.  Sie  ward 
hervorgerufen  eines  Theils  durch  die  grossartigen  Entdeckungen 
der  Paläotheriumlager  in  den  Bohnerzgebilden  von  Froustetten 
(Jahreshefte  VIII  und  IX.  Fraas,  Beiträge  zur  Paläotherien- 
formation),  andererseits  durch  den  Versuch  von  Alberti  (IX,  76), 
die  Bohnerze  in  den  Bereich  des  Vulkanismus  herbeizuziehen. 
War  doch  der  Vulkanismus  gerade  das  gesattelte  Pferd,  das 
Deffner  mit  Freuden  bestiegen  hätte,  wenn  er  auch  nur 
entfernte  Anhaltspunkte  für  vulkanische  Entstehung  der  Bohnerze 
gefunden    hätte.      Mit    der    nüchternsten    Logik    weist    dagegen 


*  In  der  Rede  L.  v.  Buchs   steht  der  entstellende  Druckfehlerj 
,,Langenberg"  statt  Langenbrücken. 

**  „Erklärung  der  Bohnerzgebilde",  Jahreshefte  XV,  pag.  258. 


—     67     — 

Deffner  den  pseudomorphosen  Charakter  dieser  Gebilde  nach  und 
sieht  ihre  Bildungsstätte  nicht  etwa  in  Eisensäuerlingen  oder  son- 
stigen Quellgebilden,  sondern  in  einem  grossen  süssen  oder  bracki- 
schen Wasserbecken  an  seichtem  lagunenartigem  Ufer,  wie  solches 
auf  der  schwäbischen  Alb  zu  Anfang  der  Tertiärzeit  bestanden 
haben  muss. 

Welch  frisches,  fröhliches  Arbeiten  fiel  doch  in  jene  Zeit 
der  letzten  Jahre  des  fünften  Decenniums!  Von  Langenbrücken 
aus  wurde  das  Elsass  besucht,  hernach  ging  es  in  das  Hegau  und 
das  westliche  Ende  der  Alb,  nach  der  Göppinger,  Reutlinger 
Gegend  aber  führte  fast  jeder  freie  Tag  von  Esslingen  aus.  Im 
Mai  1857  wurde  der  erste  Besuch  im  Ries  gemacht.  An  diesen 
Besuch  knüpfte  sich  eine  geologische  Bekanntschaft,  die  sich  zur 
wirklichen  Freundschaft  gestaltete,  mit  dem  Nördlinger  Eathsherrn 
Albert  Frick hing  er,  dem  für  sein  Eies  begeisterten,  unermüdlichen 
Forscher  und  Kenner  der  dortigen  Verhältnisse.  Eine  14tägige 
Excursion  von  Deffner  und  Fraas  bot  die  gemeinsame  Ueberzeu- 
gung,  dass  im  Eies  der  Schlüssel  liege  zum  Verständniss  der 
verwickeisten  geologischen  Fragen,  deren  Lösung  übrigens  von 
so  langer  Hand  sind,  dass  kaum  eine  volle  Lebenskraft  sie  be- 
friedigen kann.  1868  schrieb  Deffner  hierüber  die  Worte 
nieder:  „10  Jahre  sammelten  wir  im  Eies  die  Thatsachen,  ohne 
fl  einen  Leitfaden  in  dem  Labyrinth  derselben  aufzufinden.  Erst 
^als  wir  einmal  an  den  Trachyten  des  Heerhofs  erkannt  hatten, 
„dass  dieselben  in  gangartiger  Spalte  auftreten,  dann  ordnete 
<„sich  allmählig  eine  Erscheinung  um  die  andere."  Es  gibt  in  der 
That  Nichts  überraschenderes  für  den  schwäbischen  Jurageologen, 
der  auf  der  Höhe  seiner  regelrecht  geschichteten  Alb  wandelt 
und  auf  dem  ganzen  langen  Körper  derselben  von  Tuttlingen  bis  zum 
Herdtfeld  kaum  eine  Spur  unterirdischer  Gewaltstörungen  gewahrt, 
als  der  Anblick,  der  sich  ihm  auf  einer  der  vom  Albplateau  ins 
Eies  führenden  Strasse  eröffnet,  indem  er  eingesenkt  in  das  ring- 
förmig umgebende,  wallartig  hoch  vorstehende,  Eandgebirge  plötz- 
lich eine  weite  Ebene  von  12  y2  DMeilen,  500  Fuss  tief  unter 
sich  erblickt,  gegen  Süden  in  schönem  regelmässigem  Amphi- 
theater sich  trennend  von  der  steilen  waldigen  Jurawand,  gegen 


—      68     — 

0.,  W.  und  N.  aber  in  breiten,  radial  auslaufenden  Tliälern  sich 
zwischen  den  weniger  schroffen  Seitenbergen  des  Keupers  und 
Lias  vorlegend.  Sind  nun  vulkanische  Gebiete  an  und  für  sich 
schon  die  verwickeiteren,  construktiv  schwierigeren  Gebiete  der 
Geologie,  so  treten  im  Ries  hiezu  noch  die  Alles  vertragenden 
und  verschiebenden  Gletscher,  welche  das  ohnehin  durch  die 
Eruptionen  zerrüttete  Schichtengebirge  als  Moränenschübe  dislo- 
cirten,  so  dass  in  der  That  das  bunteste  Trümmerbild  zerstörter 
und  über  und  unter  einander  geworfener  Gesteine  im  Ries  sich 
darbietet.  Die  Aufgabe  war  nun  zu  untersuchen,  was  auf  Rech- 
nung der  vulkanischen  Störungen  zu  schreiben  und  was  der  Wir- 
kung der  Gletscher  zuzuweisen  wäre. 

Hiemit  that  Deffner  zum  ersten  Mal  einen  Schritt  auf 
ein  Feld,  auf  dem  er  sich,  wie  wir  zum  Oeftern  in  der  Unter- 
haltung uns  besprachen,  doch  nicht  ganz  sicher  fühlte.  Fehlte 
es  ihm  doch  hiefür  an  einem  direkten  und  positiven  Beweis. 
Hier  war  vielmehr  seine  Beweisführung  eine  negative.  Er  fand 
für  die  erratischen  Erscheinungen  keine  andere  Er- 
klärung als  die  Wirkung  des  Eises,  welche  er  im  Jahre 
1864  auf  einer  mit  der  ältesten  Tochter  Beitha  ausgeführten 
Schweizer  Reise  mit  eigenen  Augen  am  Morteratsch-Gletscher 
sich  ansah.  Er  erkannte  jedoch  dort,  dass  ein  einfacher  Besuch 
eines  Gletschers  ihm  noch  lange  keinen  Aufschluss  über  dessen 
Aktionen  gewähren  könne  und  studirte  um  so  eifriger  Mühlbergs 
„erratische  Erscheinungen  im  Aargau *.  Dieses  Studium  bestärkte 
ihn  je  länger  je  mehr  in  seiner  Ansicht,  dass  er  zur  Deutung 
der  erratischen  Erscheinungen  nicht  blos  im  Ries,  sondern  am 
ganzen  Nordgehäng  der  schwäbischen  Alb  und  bis  tief  hinab  ins 
Neckarland  die  Aktion  der  Gletscher  nicht  entbehren  könne. 
Namentlich  fand  er  im  basaltischen  Gebiet  zwischen  Boll  und 
Pfulliugen  die  Bestätigung  seiner  Ansicht,  dass  Gletscher  die 
vulkanischen  Auswürflinge  zusammen  mit  dem  zertrümmerten  Ge- 
steinsschutt erfasst  und  in  eigenen  Schutthügeln,  den  „Bollen'' 
wieder  niedergelegt  haben.  Im  Uebrigen  nahmDeffner  doch 
immer  wieder  einigen  Anstand  sich  rückhaltslos  dem  Gletscher 
als  dem  Erklärungsgrund  aller  verschütteten  Gesteinslager  in  die 


—     69     - 

Arme  zu  werfen.  Am  ausführlichsten  hatDeffner  hierüber  im 
XXVI.  Jahrgang  unserer  Hefte,  pag.  95 — 145  in  dem  Aufsatz: 
,der  Buchberg  bei  Bopfingen"  sich  ausgesprochen. 

Mit  Vorliebe  wurde  immer  wieder  die  vulkanische 
Albgegend  besucht  und  untersucht,  wozu  ihm  die  Einrichtung 
einer  Spinnerei  in  Betzingen,  die  er  gemeinschaftlich  mit  seinem 
Schwager  gründete,  den  gewünschten  Anlass  gab.  So  oft  seine 
persönliche  Anwesenheit  an  Ort  und  Stelle  nicht  dringend  nöthig 
war,  entwich  er  nach  dem  nahen  Jörgenberg,  dem  Florian, 
Orafenberg,  Metzinger  Weinberg  und  Hofbühl,  um  die  dortigen 
Eruptivgesteine  zu  prüfen.  Ein  Vortrag  über  die  Granite  in 
den  vulkanischen  Tuffen  der  schwäbischen  Alb  bei  der  XXVII. 
Jahresversammlung  und  die  entsprechende  schriftliche  Arbeit  im 
XXIX.  Jahrgang,  pag.  212,  beweist,  wie  eingehend  zu  dieser  Unter- 
suchung die  G-esteinsmetamorphose  studirt  und  chemische  Arbeit 
getrieben  wurde. 

So  leicht  im  Grunde  unserem  Freund  das  wissenschaftliche 
Arbeiten  fiel,  in  Folge  eines  vortrefflichen  Gedächtnisses,  vor 
Allem  aber  in  Folge  der  Gabe  seine  Gedanken  rasch  zu  ordnen 
und  den  zutreffenden  Gedanken  am  rechten  Orte  wiederzubringen, 
so  schwer  entschloss  er  sich  zu  Publikationen.  Er  musste  hiezu 
förmlich  genöthigt  werden,  nur  um  wenigstens  das  bekannte 
nomim  premafur  in  annum  zu  verwirklichen.  Nichts  hasste  er 
mehr  als  eine  verfrühte,  unreife  Publikation,  um  so  sicherer  darf 
man  daher  sein,  in  den  allerdings  wenigen  Arbeiten,  die  von 
ihm  zum  Drucke  kamen,  eine  ebenso  gediegene  und  gründliche 
Behandlung  des  Stoffes  als  eine  vollendete  Form  der  Sprache  zu 
finden. 

Welche  Mühe  Deffner  darauf  verwandte,  in  der  wissen- 
schaftlichen Sprache  sich  mit  möglichster  Präcision  auszudrücken 
und  den  reichen  Schatz  unserer  deutschen  Sprache  sich  hiezu 
zurecht  zu  legen,  beweist  unter  Anderem  die  Anlage  eines 
Vocabulariums,  das  ich  in  seinem  Nachlass  fand.  Ein  Beispiel 
möge  hier  seinen  Platz  finden.  Unter  der  Ueberschrift  „Be- 
zeichnung von  Terrainformen"  hat  er  die  Worte  zusammen- 
gestellt für  1.  Vertiefungen:     Niederung  —  Neigung  —  Gang, 


—     70      — 

Abbaug    —    Abfall ,   Steilabfall ,  Absatz ,   Absturz     —  Abgrund 

—  Jähe  Wand  —  Loch,  Trichter,  Grube  —  Spalte,  Kluft, 
Schlitz  —  Rinne,  Kunze,  Kerbe,  Furche ,  Ravine ,  Hohlweg  — 
Klinge,  Tobel,  Schlucht  —  Wasserriss  —  Einschnitt  —  Kehle, 
Auskehlung  eines  Abhangs  —  Mulde  —  Thal,  Thalspalte,  Thal- 
einschnitt —  Thalzinken  —  Gabel  —  Wanne.  2.  Flächen: 
Fläche  —  Ebene,  Hochebene  —  Plateau  —  Terrasse,  Vorterrasse 

—  Bergleiste  —  Absatzfläche,  Bergabsatz  —  Brühl.  3.  Er- 
höhungen: Berg  —  Bergstock,  Bergzug  —  Wand  —  Rand, 
Steilrand ,  Kante  —  Säule  —  Spitz  —  Hörn  —  Bühl  — 
Höcker  —  Wange  —  Kuppe  —  Hügel  —  Wall,  Welle,  Ge- 
wölbe —  Sattel,  Joch,  Gehre,  Scheide,  Wasserscheide  —  Eck  — 
Kegel  —  Pyramide. 

In  ähnlicher  Weise  schuf  er  einen  Wortvorrath  für  geolo- 
gische Begrifl'e,  z.  B. :  Gebiet,  Abschnitt,  Region  —  Formation, 
Schichtenbau,  Etage,  Gebirgsglied  —  Niederschlag,  Absatz  — 
Störung,  Dislocation,  Unregelmässigkeit  der  Lagerung,  Pertur- 
bation,  Abweichung  —  Verrückung,  Verrenkung  —  Entblössung, 
Erosion,  Denudation  —  Aenderung  des  Schichtenbaus  —  Um- 
wälzung, Revolution  —  Formenreich  —  Vielbewegt  —  Viel- 
kuppig  —  Vielrückig  u.  s.  w. 

Deffners  grösste  und  ausführlichste  Arbeit  sind  seine 
Begleitworte  zur  geognostischen  Specialkarte  von  Württemberg: 
Atlasblatt  Kirchheim  mit  den  Umgebungen  von  Esslingen, 
Plochingen,  Kirchheim,  Nürtingen,  Metziugen  u.  s.  w.  Heraus- 
gegeben vom  K.  stat. - topogr.  Bureau  1872.  Diese  Beschreibung 
der  Karte,  an  welcher  er  freilich  13  Jahre  lang  arbeitete,  wird 
von  jedem  unparteiischen  Beurtheiler  des  grossen  vom  topogra- 
phischen Bureau  herausgegebenen  Werkes  der  geognostischen  Be- 
schreibung Württembergs  für  die  gründlichste  und  erschöpfendste 
Arbeit  unter  allen  bis  jetzt  erschienenen  24  Begleitworten  an- 
gesehen, in  welcher  er  namentlich  auch  den  quartären  Erscheinungen, 
die  anderwärts  sehr  kurz  als  „Diluviales"  abgespeist  werden, 
gehörige  Rechnung  getragen  hat.  Um  sich  einen  Begriff  von 
der  Klarheit  seiner  Darstellungsweise  gerade  der  complicirtesten 
geologischen    Verhältnisse   machen    zu   können ,    lese   man    den 


—      71      — 

Abschnitt  über  die  Lagerungsverhältnisse  pag.  51,  die  durch  ein 
Schichtenprofil  und  ein  Flussnetz  auf  pag.  60  veranschaulicht 
werden.  Im  ISTachlass  aber  befindet  sich  noch  ein  starker  Fas- 
cikel  Notizen  zu  Blatt  Kirchheim,  in  welchem  alle  Markungen 
des  Blattes  im  Detail  beschrieben  und  geordnet  sind. 

Eine  ähnliche  Arbeit  wie  die  Begleitworte  zu  Kirchheim 
hätten  die  Be  gleit  wo  rte  zum  Blatt  Bopfingen  und 
Ellenberg  gegeben,  wenn  es  Deffner  vergönnt  gewesen 
wäre,  die  vor  20  Jahren  begonnene  Arbeit  zu  vollenden. 

Wohl  machte  er  sich,  vom  topographischen  Bureau  dringend 
ersucht,  im  Laufe  des  letzten  Winters  mit  aller  Energie  an  die 
Zusammenstellung  seiner  Noten  für  den  engeren  Rahmen  der 
Begleitworte,  aber  schon  war  sein  Ziel  ihm  gesteckt.  Wohl 
fühlte  in  den  letzten  Monaten  der  immer  kränker  werdende 
Freund  das  nahende  Ende,  arbeitete  aber  dessen  ungeachtet, 
schliesslich  der  treuen  Gattin  und  Nichte  diktirend,  an  seinem 
lieben  Riese  fort.  Als  sich  das  Auge  für  immer  scbloss,  dafj 
dort  so  manchen  Granit  und  Trachyt  erkannt  und  ans  Licht  ge- 
zogen, lag  ihm  der  Tisch  noch  mit  Riesgestein  belegt  und  die 
Rieskarte  ausgebreitet  im  Zimmer. 

Li  seinem  Nachlass  aber,  welchen  die  Vereinsbibliothek  auf- 
bewahren wird,  liegt  wohlgeordnet  ein  Stoss  von  Fascikeln ,  die 
uns  noch  Kunde  geben  von  der  wirklich  erstaunlichen  Arbeits- 
kraft des  Verewigten,  der  so  Vieles  und  so  Verschiedenartiges 
in  seinem  Geist  zu  bewegen  verstand.  Denn  nicht  minder  um- 
fangreich als  die  geologischen  Fascikel  sind  die  techno- 
logischen und  die  handelspolitischen,  welch  letztere  sein  Freund 
und  politischer  Gesinnungsgenosse  Dr.  Ammermüller  über- 
nommen hat. 

Der  dickleibigste  Bündel  aber  ist  und  bleibt,  der  die  üeber- 
schrift  des  Rieses  trägt.  Hienach  kommt  „die  vulkanischen 
Erscheinungen  der  Alb",  jede  Localität,  jedes  Gestein  hat  hier 
seinen  eigenen  Umschlag.  Ein  eigener  Fascikel  heist:  „dunkle 
Lagerungspunkte  in  Württemberg",  ein  anderer  behandelt  die 
»Denudation",  wobei  ihn  namentlich  die  Bildung  des  Steilrandes 
der   Alb  beschäftigte    und   die   Frage    der   Entfernung    all    der 


—      72      — 

Gesteinsmassen,  welche  nicht  über  der  im  schwäbischen  Unter- 
land denudirten  Trias  lagerten.  In  dieser  Hinsicht  schreibt  er: 
%Eine  specielle  Aufgabe  der  süddeutschen  Geologie  wäre  die 
^Behandlung  der  Frage  :  durch  welche  Umstände  ist  die  De- 
^nudation  des  Triasbeckens  zwischen  Schwarzwald  und  Thüringer- 
,wald  bedingt  worden  und  in  welchem  horizontalen  und  vertikalen 
„Mass  und  Umfang  hat  dieselbe  stattgefunden?  Meine  Ansicht 
„ist    hierüber: 

„1.  Die  Denudation,  welche  ich  von  der  Erosion  trenne, 
^  sucht  im  grossen  Ganzen  Horizontal  -  Ebenen  von  gleicher 
, Meereshöhe  zu  bilden,  wo  solches  wegen  gar  zu  ungleicher 
„Widerstandskraft  des  zu  entfernenden  Gesteine  nicht  möglich 
„ist,  schafft  sie  statt  dessen  wenigstens  Schichtenebenen,  mehr 
„oder  weniger  geneigte  Flächen,  Plateaus.  In  diesem  Fall  sind 
„die  vorderen  Ränder  jeder  Formation  im  Niveau  mit  der  nächsten 
„Reihe  der  folgenden  Formation,  daraus  folgern  z.B.  die  Terrassen 
„der    Formationen   in   Schwaben   und    dem  Elsass. 

„2.  Aus  dem  1.  Gesetz,  dem  der  gleichen  Niveaubildung, 
„leitet  sich  eine  Erscheinung  ab,  die  zwar  streng  logisch  aus 
„dem  ersten  Gesetze  folgt,  aber  als  abgeleitetes  zweites  Gesetz 
„formulirt  werden  kann.  Es  lautet:  bei  muldenförmiger  Lagerung 
„erhalten  sich  die  in  der  Muldentiefe  lagernden  Gebirgstheile  am 
„längsten.  Vergleiche  z.  B.  die  Mulde  von  Langenbrücken,  Gail- 
„  dorfer  Liasmulde,  Pforzheim,  Wimpfen,  Hesseiberg,  Saargemünd, 
„Zweibrücken  etc.  Die  Consequenzen  dieses  Gesetzes  haben  wohl 
„die  meisten  Unrichtigkeiten  in  den  Anschauungen  der  Geologen 
„wachgerufen,  indem  man  die  genannte  Form  des  Abbruchs  für 
„die  des  Aufbaus  genommen  hat.  So  nahm  man  dasjenige,  was 
„nur  der  letzte  conservirte  Rest  einer  früheren  weiten  Verbreitung 
„ist,  für  einen  blos  in  der  Mulde  abgesetzten  Niederschlag  und 
„wollte  hienach  die  Grenzen  der  einstigen  Formationsmeere  be- 
„  stimmen. 

„3.  Durch  Umkehrung  des  2.  Gesetzes  erhält  mau  das  3.: 
„Bei  sattelförmiger  und  gewölbeartiger  Lagerung  werden  die  in 
„der  Höhe  liegenden  Schichten  mehr  abgewaschen,  als  die  in  der 
„Tiefe  am  Rand  des  Sattels  liegenden. 


~      73      — 

„  Diese  Sätze  beziehen  sich  allerdings  nur  auf  Beobachtungen 
„am  Fuss  des  schwäbisch-fränkischen  Jura's,  ob  sie  auch  ander- 
„wärts  anzuwenden  sind,  entzieht  sich  meiner  Beurtheilung. " 

Zu  ganz  besonderer  Freude  gereichte  Deffner  der  zu 
Anfang  des  Jahrs  1871  aufsein  Anregen  gestiftete  Steigen- 
klubb,  dessen  Stiftungsurkunde  er  eigenhändig  in  das  Protokoll- 
buch niederschrieb  und  das  AVappen  des  Steigenklubbs  malte. 
Die  Urkunde,  die  er  verfasst,  ist  zwar  den  Klubbmitgliedern 
wohl  bekannt,  darf  aber  auch  weitere  Verbreitung  niclit  scheuen, 
sie  lautet  wie  folgt: 

„Nachdeme  im  Jahre  1871  der  Friede  wieder  hergestellet, 
„auch  das  deutsche  Reich  aufs  Neue  wieder  aufgerichtet  und  der 
^deutsche  Boden  gegen  allen  Feind  sicher  gestellet  worden, 
„haben  sich  etlich  Männer,  so  diesem  ihrem  heimathlichen  Boden 
,mit  mehrerer  Inclination  zugethan  sind  und  denselben  mit  etz- 
„lichem  judicio  auskundschaften  wollen,  zusammengethan  und  einen 
„Steigenklubb  gebildet. 

„Und  soll  dieser  Steigenklubb  die  Steigen,  so  aus  dem  Vor- 
„land  der  Alb  auf  deren  Höhe  führen,  genau  untersuchen,  Alles 
„wie  es  bei  Erschaffung  deren  Gebirgslager  hergegangen,  er- 
„  künden,  absonderlich  aber  die  Ordnung  die  da  herrschet,  pünkt- 
„lich  erforschen  und  feststellen,  auf  dass  alle  Zweifel  über  die 
„Reihenfolge  gelöset,  und  dieselbe  sicher  gestellet  sei  gegen  alle 
„Ungläubige  und  Ketzer,  Falschgläubige  und  Schismatiker  und 
„alle  Pharisäer  und  Schriftgelehrten.  Und  soll  ein  Protokoll 
„über  jede  Steige  aufgesetst  werden  zu  Nutz  und  Frommen  der 
,  Mitglieder,  worinnen  zu  lesen,  was  da  gefunden  worden  und  wie 
„es  ist  festgestellet  worden  an  jedem  Ort  von  wegen  der  Grenzen 
„und  der  Mächtigkeit. 

„Im  Wappen  aber  soll  der  Klubb  führen  die  Farben  des 
„schwarzen,  braunen  und  weissen  Jura,  als  des  edelsten  Gebirgs, 
.„das  da  im  Lande  Schwaben  erfunden  werden  mag.  Das  soll, 
„mit  Gold  eingefasset,  ruhen  auf  einem  Schildgrund,  der  gebändert 
„ist  mit  roth,  blau  und  braun,  wie  auch  der  Jura  ruht  auf  den 
„Lagen  des  Keupers,  des  Muschelkalks  und  des  bunten  Sand- 
„ Steins  und   von   denselben   getrennt  ist   durch   das  gelbe  Band 


—      74      — 

,des  Bonebedsaiidsteius.  Als  Wappenzeichen  aber  soll  dienen 
,der  Hammer,  mit  dem  eröffnet  werden  die  Geheimnisse  der 
T  Gebirge  und  die  ludicia  der  Querköpfe  und  der  Korapass,  der 
„da  dienet  als  Eichtschnur  für  die  Gänge  der  Natur  und  des 
»Menschen. 

,TJnd  so  möge  besagter  Klubb  fröhlich  gedeihen,  und  ein 
„frisches  Leben  führen  und  aufdecken  was  noch  verdecket  ist  in 
„Dunkelheit,  auf  dass  das  helle  Tageslicht  scheine  ins  Innere  der 
„Gebirge  und  der  Köpfe  und  in  das  Gesetz  unserer  Berge  und 
„Niemand  mehr  sei,  der  da  Widerreden  könne  dem,  was  der  Klubb 
,  aufgerichtet. 

„Dazu  möge  uns  ein  fröhliches  Glückauf  geschenket  sein 
„bis  zum  letzten  Hammerschlage!  dess  zum  ewigen  Gedächtniss 
„ist  diese  Urkund  errichtet  und  von  den  Stiftern  eigenhändig 
„unterzeichnet  worden. 

„Im  Hornung  des  Jahrs  1871.     Binder,  Deffuer,  Fraas." 

Mit  Einschluss  der  Stifter,  unter  welchen  Binder  zuerst 
(am  9.  Februar  d.  J.)  rasch  verstarb,  zählte  der  Klubb  21  Mit- 
glieder im  In-  und  Ausland.  Im  Laufe  seines  Bestandes  hat 
derselbe  40  Excursionen  gemacht  und  ebenso  viele  weiss  Jura- 
Profile  in  seinem  Protokoll  niedergelegt.  An  37  Excursionen 
hatte  sich  unser  Freund  betheiligt.  Zum  letzten  Mal  bestieg 
er  die  Alb  bei  Spaichingen  am  26.  Juni  v.  J.,  an  welchem  Tag 
er,  sich  bereits  nicht  mehr  kräftig  genug  fühlend,  seine  Be- 
gleiter verliess.  An  den  Gammafelsen  von  Mahlstetten  hat  er 
seinen  letzten  Hammerschlag  gethan. 

Unter  den  5  Generalversammlungen,  welche  der  Steigen- 
klubb  gehalten,  erinnert  sich  sicher  jedes  Mitglied  mit  auf- 
richtiger Freude  an  die  festliche  Versammlung  im  Jahr  1875 
im  D  e  f  f  n  e  r'schen  Hause  zu  Esslingen.  An  der  diessjährigen 
im  Schloss  zu  Eybach  abgehaltenen  Versammlung  sich  zu  be- 
theiligen, war  er  leider  verhindert. 

Im  August  V.  J.  besuchte  D  e  f  f  n  e  r  noch  zusammen  mit  F  r  a  a  s 
die  AUg.  Versammlung  der  Schweizer  Naturforscher-Gesellschaft 
in  Basel,  alter  Bekannter  gerne  sich  freuend,  neue  Bekannt- 
schaften schliessend.     Unter  den  letzteren    war   ihm    die   liebste 


—     75     — 

die  von  Cb.  Martins  aus  Montpellier,  der  im  gleichen  Alter 
wie  Deffner  dessen  Bekanntschaft  mit  Befriedigung  hinnahm. 
Die  letzte  geologische  Freude  endlich,  die  Deffner  er- 
lebte, war  im  April  d.  J.  die  Nachricht  von  der  Excursion  der 
oberrheinischen  geologischen  Gesellschaft  nach  der  Filderspalte 
bei  Eohr  auf  den  Fildern.  Eine  glückliche  Trassirung  der 
Eisenbahnlinie  schneidet  dort  in  einem  10  M.  tiefen  Einschnitt, 
die  von  Deffner  schon  in  den  50ger  Jahren  beobachtete 
und  auf  seiner  Karte  verzeichnete  Spalte  an,  welche  den  Schön- 
buch und  die  Filder  aneinander  verwirft  und  deckte  vor  Jeder- 
manns Augen  auf,  was  einst  Deffner  durch  Construktion  ge- 
funden. Die  Anerkennung,  die  er  durch  die  Versammlung 
gefunden,  welche  mit  seiner  Anschauung  sich  einverstanden  er- 
klärte, that  ihm  sichtlich  wohl;  gab  sie  ihm  doch  den  Beweis, 
dass  die  geologische  Arbeit  seines  Lebens  nicht  vergeblich  war 
und  die  Gedanken,  die  er  für  schwäbische  Verhältnisse  zuerst 
ausgesprochen  und  der  herrschenden  Meinung  gegenüber  festge- 
halten, auch  bei  den  Fachmännern  nunmehr  Eingang 
gefunden  haben.  Die  Trauer  dieser  um  den  trefflichen 
Mann  verbindet  sich  jetzt  mit  der  unseres  Vereines,  dem  er 
25  Jahre  lang  so  wohl  angestanden  hatte. 


IL  Vorträge. 


I.  Prof.  Dr.  Seil  wen  den  er  in  Tübingen  sprach  über  die 
Festigkeit  der  Gewächse. 

Indem  ich  diesen  Gegenstand  hier  zur  Sprache  bringe,  ist 
es  meine  Absicht,  denselben  nach  drei  verschiedenen  Seiten 
kurz  zu  besprechen,  zunächst  mit  Eücksicht  auf  die  Frage,  ob 
die  'Pflanzen  bestimmte  Gewebe  besitzen,  welche  vorzugsweise 
oder  ausschliesslich  die  erforderliche  Festigkeit  bedingen  und 
desshalb  in  ihrer  Gesammtheit  mit  gleichem  Recht,  wie  das 
Knochengerüste  der  Wirbelthiere  oder  der  Chitinpanzer  der  In- 
sekten, als  Skelett  bezeichnet  werden  könnten.  Kommen  solche 
Gewebe  vor,  was  ich  zum  Voraus  bestätigen  kann,  so  führt  die 
weitere  Untersuchung  naturgemäss  zur  Betrachtung  ihres  anato- 
mischen Baues  und  ihrer  physikalischen  Eigenschaften.  Wir 
werden  festzustellen  haben,  durch  welche  Merkmale  sich  diese 
skelettbildenden  Gewebe  von  den  übrigen  unterscheiden  und 
welche  Abstufungen  sie  unter  sich  selbst  darbieten.  Endlich 
bleibt  der  Nachweis  zu  leisten  übrig,  dass  die  Architectur  der 
fraglichen  Gewebe  denselben  mechanischen  Regeln  entspricht, 
nach  denen  die  moderne  Technik  ihre  Holz-  und  Eisenconstruc- 
tionen  ausführt. 

Was  zunächst  die  Frage  betrifft,  ob  ein  Skelett  in  dem 
eben  bezeichneten  Sinn  den  höheren  Pflanzen  zukomme,  so  kann 
die  Antwort  hierauf,  wie  bereits  angedeutet,  nur  eine  bejahende 
sein.     Denn  in   der  That,  alle   grösseren,    fester   gebauten   Ge- 


—      77      — 

wachse,  wie  die  Farnkräuter  und  Schaclitelhalme,  die  Gräser 
und  Lilien  etc.,  überhaupt  alle  Gefässpflanzen  verdanken  ihre 
Festigkeit  einem  bestimmten,  anatomisch  wohl  charakterisirten 
Gewebe,  das  bald  nur  einen  kleinen,  bald  einen  sehr  erheblichen 
Theil  des  ganzen  Pflanzenkörpers  bildet.  Es  ist  dasselbe  Ge- 
webe, welches  an  abgestorbenen  Pflanzentheilen  am  längsten  der 
Zersetzung  widersteht  und  dadurch  oft  vollständig  isolirt  wird, 
dasselbe ,  welches  auch  den  Hauptbestandtheil  der  Laub  -  und 
Nadelhölzer  bildet  und  deren  technische  Verwerthbarkeit  bedingt. 
Die  Elemente,  aus  denen  dieses  Gewebe  zusammengesetzt  ist 
sind  in  ihrer  äussern  Erscheinung  längst  bekannt;  es  gehören 
dahin  die  ßastzellen  des  Hanfes,  der  Linde,  die  faserförmigen 
Zellen  des  Holzes  u.  s.  w.  Betrachten  wir  diese  Elementarorgane 
unter  dem  Mikroskop,  so  erscheinen  sie  als  langgestreckte,  an 
den  Enden  pfriemeuförmig  zugespitzte  Zellen,  deren  Wandung 
meist  ziemlich  stark,  oft  bis  zum  Verschwinden  der  Höhlung 
verdickt  ist.  Im  ausgebildeten  Zustande  führen  diese  Zellen 
gewöhnlich  Luft;  eine  Ausnahme  hievon  machen  nur  die  so- 
genannten CoUenchymzellen,  welche  als  die  am  wenigsten  aus- 
geprägten mechanischen  Elemente  zu  betrachten  sind  und  darum 
nebenbei  noch  andern  Funktionen  dienen;  diese  enthalten  zeit- 
lebens Plasma  und  wässerigen  Zellsaft,  zuweilen  auch  ChlorophylL 
Als  eine  constante  Eigenthümlichkeit  der  mechanisch  wirksamen 
Zellen  verdient  ferner  hervorgehoben  zu  werden,  dass  sie  kleine, 
spaltenf  örmige  Poren  besitzen,  welche  einer  linksläufigen  Schrauben- 
linie entsprechend  gestellt  sind.  Die  Neigung  dieser  Poren  zur 
Längsrichtung  variirt  zwischen  0  und  circa  45  Grad. 

Die  Festigkeit  der  skelettbildenden  Gewebesysteme  ist  zu- 
nächst abhängig  von  der  Widerstandskraft  der  Zellmembranen, 
d.  h.  der  Substanz,  welche  allein  die  Cohäsion  der  Gewebe  be- 
dingt, in  zweiter  Linie  aber  auch  von  der  Art  und  Weise,  wie 
die  einzelnen  Theile  mit  einander  verbunden,  und  insbesondere, 
wie  sie  über  die  Querschnittsfläche  vertheilt  sind.  In  gleicher 
Weise  ist  ja  auch  die  Festigkeit  einer  Brücke,  eines  Thurmes 
oder  Pfeilers  etc.  nicht  bloss  von  der  Beschaffenheit  des  Ma- 
terials, sondern  auch  von  der  Coustruktionsweise  abhängig.     Die 


—     78     — 

Cohäsion  oder  das  Tragvermügeu  der  Gewebe  lässt  sich  nun 
direct  bestimmen.  Man  befestigt  zu  diesem  Behufe  einen 
30 — 50  Centimeter  langen  Strang  skelettbildender  Zellen  am 
einen  Ende  durch  Einspannen  in  den  Schraubstock  und  belastet 
alsdann  das  frei  herabhängende  untere  Ende  mit  einem  ent- 
sprechenden Gewicht,  dessen  Grösse  man  allmälig  steigert,  bis 
der  Strang  dasselbe  gerade  noch  zu  tragen  vermag,  ohne  eine 
bleibende  Verlängerung  zu  erfahren.  Dividirt  man  alsdann  die  so 
erhaltene  Maximalbelastung  durch  den  Querschnitt  des  Stranges, 
so  erhält  man  das  Tragvermögen  per  Quadratmillimeter,  oder 
wenn  man  lieber  will,  per  Quadratcentimeter.  Wie  vorauszusehen, 
ist  dieses  Tragvermögen  je  nach  der  Beschaffenheit  der  mecha- 
nischen Elemente  grösser  oder  kleiner;  es  erreicht  jedoch  für 
die  festern  Gewebe  jedenfalls  10  bis  15  Kilo  per  Quadrat- 
millimeter und  für  die  stärksten  Bastsorten  sogar  20  Kilo  und 
darüber.  Um  ein  Maass  für  die  Vergleichung  zu  haben,  füge 
ich  bei,  dass  das  Schmiedeeisen  innerhalb  der  Elasticitätsgrenze 
circa  13  Kilo  per  Quadratmillimeter  zu  tragen  im  Stande  ist, 
dass  jedoch  bei  schmiedeeisernen  Constructionen,  wie  z.  B.  beim 
Brückenbau ,  nur  eine  Inanspruchnahme  von  7  bis  8  Kilo  per 
Quadratmillimeter  als  praktisch  zulässig  erachtet  wird.  Hienach 
sind  die  besseren  Bastsorten  hinsichtlich  ihres  Tragvermögens 
dem  Schmiedeeisen  ungefähr  ebenbürtig.  Sie  unterscheiden  sich 
aber  in  einem  nicht  unwichtigen  Punkte,  wesentlich  vom  Eisen. 
Während  nämlich  das  letztere  durch  die  Maximalbelastung  inner- 
halb der  Elasticitätsgrenze  nur  etwa  um  '/iooo  ausgedehnt  wird, 
zeigen  die  Bastzellen  eine  Dehnung  von  mindestens  1  Prozent. 
Ein  Bastriemen  von  400  Millimeter  Länge  erfährt  z.  B.  durch 
die  zulässige  Belastung  eine  Streckung  von  5  Millimeter  und 
nimmt  nach  Wegnahme  des  Gewichts  genau  wieder  die  ursprüng- 
liche Länge  an.  Auf  diesem  Unterschied  in  der  Dehnbarkeit 
beruht  die  Biegsamkeit  der  vegetabilischen  Gerüste  im  Gegen- 
satz zu  den  starren  Constructionen  aus  Guss-  oder  Schmiede- 
eisen. Zwar  geben  auch  diese  bei  jedem  Druck,  der  auf  sie 
einwirkt,  elastisch  nach;  allein  die  hiebei  stattfindende  Bewegung 
ist  so  geringfügig,  dass  sie  sich  der  Wahrnehmung  leicht  ganz- 


—     79      — 

lieh  entzieht.  Wie  augenfällig  spielen  dagegen  die  Halme  der 
Oräser  in  bewegter  Luft,  wie  leicht  schwingen  die  Zweige  am 
Baume,  und  welch'  ein  Leben  ergreift  den  Wald,  wenn  der 
Sturm  in  die  mächtigen  Kronen  fährt! 

Neben  dieser  relativ  grossen  Dehnbarkeit  des  Pflanzen- 
skelettes bleibt  noch  eine  andere  physikalische  Eigenschaft  zu 
erwähnen  übrig,  welche  dasselbe  im  Gegensatz  zu  den  Metallen 
kennzeichnet:  es  ist  das  geringe  spezifische  Gewicht  der  Substanz 
(Cellulose),  aus  welcher  das  Skelett  bestellt.  Diese  Substanz 
ist  höchstens  um  die  Hälfte  schwerer  als  Wasser,  während  das 
Eisen  bekanntlich  mehr  als  7 mal  so  schwer  ist;  die  spezifischen 
Gewichte  verhalten  sich  also  annährend  wie  1  zu  5.  Daraus 
erklärt  sich  die  ausserordentliche  Schlankheit  der  pflanzlichen 
Constructionsformen.  Der  leichteste  schmiedeeiserne  Pfeiler  er- 
scheint plump  gegenüber  dem  schlank  aufstrebenden  ßohr  der 
Bambusen  oder  dem  spitz -kegelförmigen  Stamm  der  Nadelhölzer 
und  anderer  Bäume.  Wäre  die  Pflanze  darauf  angewiesen,  ihr 
Skelett  aus  einer  Substanz  vom  spezifischen  Gewicht  des  Eisens 
herzustellen,  so  müsste  sie  ihre  Längendimensionen  verkürzen 
und  alle  ihre  Ausladungen  mehr  oder  weniger  zurückziehen, 
wodurch  die  ganze  äussere  Erscheinung  eine  viel  gedrungenere 
würde. 

Fragen  wir  endlich  nach  der  Art  und  Weise,  wie  die  festen 
Theile  der  Gewächse  unter  sich  verbunden  sind,  so  mag  es 
genügen,  die  vorkommenden  Verschiedenheiten  durch  einige  Bei- 
spiele anzudeuten.  Es  ist  zunächst  einleuchtend,  dass  die  Con- 
structionsform  sich  nach  den  mechanischen  Anforderungen  richten 
muss,  welche  an  die  Pflanze  gestellt  werden.  Aufrechte,  frei- 
stehende Organe,  wie  z.  B.  die  Halme  der  Gräser,  die  Blüthen- 
schäfte  u.  dgl.,  weiche  einer  gewissen  Biegungsfestigkeit  bedürfen, 
um  Blüthen  und  Früchte  tragen  und  dem  Winde  Widerstand 
leisten  zu  können,  sind  voraussichtlich  nach  einem  andern  Plan 
gebaut,  als  die  auf  Zug  in  Anspruch  genommenen  Wurzeln  oder 
als  die  schlingenden  und  die  untergetauchten  Stengelorgane. 
In  der  That  führt  die  mikroskopische  Untersuchung  der  ver- 
schiedenen Organe  zu  dem  Ergebniss,  dass    die    skelettbildenden 


—     80     — 

Gewebe  in  bieguiigsfesten  Pflanzentheileii  im  Allgemeinen  eine 
möglichst  peripherische,  in  zugfesten  eine  mehr  centrale  1  An- 
ordnung zeigen.  Die  Halme  der  Gräser  verdanken  z.  B.  ihre 
Biegungsfestigkeit  einem  aus  Skelettzellen  gebildeten  Hohl- 
cylinder,  dessen  nach  aussen  vorspringende  Rippen  sich  un- 
mittelbar an  die  Epidermis  anlegen.  Viele  Cyperaceen  und 
Juncaceen  besitzen  dagegen  isolirte  peripherische  Pfosten  oder 
zusammengesetzte  Träger,  welche  durch  parenchymatische  Ge- 
webe, zuweilen  überdies  noch  durch  besondere  Anastomosen  in 
tangentialer  Richtung  verbunden  sind.  Sind  die  Organe  breit 
und  flach,  wie  die  Blätter,  so  bedürfen  sie  bloss  für  die  zur 
Breitseite  rechtwinklige  Richtung  besonderer  Stützgewebe.  In 
dieser  Eigenschaft  fungiren  alsdann  die  sogenannten  Adern  oder 
Blattrippen,  deren  Bau  im  Wesentlichen  mit  dem  der  Brücken- 
träger übereinstimmt.  Die  spezifisch  mechanischen  Zellen  bilden 
hier  die  obere  und  die  untere  Gurtung,  indess  das  schwächere 
Parenchym  und  andere  Gewebe  die  Verbindung  herstellen.  Zur 
Erhöhung  des  Widerstandes  ragen  diese  Träger  überdies  nicht, 
selten  über  die  untere  Blattoberfläche  hervor. 

Die  Biegungsfestigkeit  bedingt  also,  wenn  ich  mich  so  aus- 
drücken darf,  eine  centrifugale  Tendenz  der  festen  Elementar- 
organe; diese  rücken  soweit  als  möglich  nach  aussen.  Um- 
gekehrt die  Zugfestigkeit.  Die  zugfesten  Wurzeln  und  die  da- 
mit übereinstimmenden  kriechenden  Rhizome  sind  gewissermassen 
nach  dem  Schema  eines  Telegraphenkabels  gebaut.  Im  Centrum 
liegen  die  zu  einem  Strang  verbundenen  festen  Skelettzellen,  an 
der  Peripherie  die  weichen  parenchymatischen  Elemente,  velche 
ernährungsphysiologischen  Zwecken  dienen.  Ebenso  verhalten 
sich  die  untergetauchten  Stengel  von  Najas,  Myriophyllum,  Pota- 
mogeton  etc.,  welche  in  Folge  ihres  Luftgehaltes  einem  con- 
tinuirlichen  Zug  nach  oben  unterworfen  sind.  Dagegen  nehmen 
die  schlingenden  Gewächse  insofern  eine  besondere  Stellung  ein, 
als  sie  in  der  Jugend,  so  lange  sie  noch  keine  Stütze  gefunden 
haben,  der  Biegungsfestigkeit  bedürfen  und  dementsprechend 
gebaut  sind;  erst  ihr  späteres  Verhalten  entspricht  der  In- 
anspruchnahme auf  Zug. 


—     81      — 

So  sehr  übrigens    das    raechaiiische  Princip    die  Aiiordnung" 
der  festen  Theile  belierrscbt,  so  dürfen  wir  uns  doch  nicht  vor- 
stellen, dass  dasselbe  immer  voll  und  ganz  zur  Geltung  komme. 
Denn    die  Pflanze    hat   nicht   bloss    meclianischen,    sondern   auch 
verschiedenartigen    ernährungsphysiologischen    Anforderungen    zu 
genügen.     So  ist  es  z.  B.  wichtig,  dass  die  grünen  Zellen  eben- 
falls in  die  Mhe  der  Oberfläche   zu    liegen    kommen,    weil    der 
Assimilationsprocess,  der  sich  in  diesen  Zellen  vollzieht,  von  der 
Einwirkung  des  Lichtes  abhängig  ist,    dessen  Intensität   mit  der 
Entfernung  von  der  Oberfläche  nothwendig  abnehmen    muss.     In 
biegungsfesten  Organen  machen  desshalb    die  grünen  Zellen  den 
mechanischen  Elementen  den  Platz  zunächst  der  Epidermis  streitig, 
und  es  kommt  häufig  vor,   dass  sie    die   letztere,    entgegen  den 
Forderungen    des    mechanischen   Princips,    etwas    zurückdrängen. 
So  z.  B.  im  Blüthenschaft  der  Liliaceen  und  Irideen,  im  Stengel 
vieler   Dicotylen    etc.,    wo    das    hohlcylindrische    Skelett   von   der 
grünen   Rinde    umliüllt   wird.      Aehnliche   Conflicte   mögen   auch 
sonst  noch  hin  und  wieder  vorkommen;    doch   würde  es  zu  weit 
führen,    auf  diese  zum    Theil   noch   dunkeln   Beziehungen   näher 
einzutreten. 

IL  Prof.  Dr.  Bronner  in  Stuttgart  sprach  über  einige 
fossile  Harze  vom  Libanon. 

Diese  Harze,  durch  Herrn  Prof.  Dr.  Fraas  vom  Libanon* 
mitgebracht,  bildeten  honiggelbe,  goldgelbe,  tief  orangefarbige 
hyacinth-  bis  braunrothe  Stückchen,  meistens  durchsichtig,  sämmt- 
lich  glasglänzend,  sehr  spröde  und  leicht  zerreiblich.  An  manchen, 
namentlich  den  honiggelben  Stückchen  sassen  noch  Reste  ihrer 
Lagerstätte,  einer  Braunkohle,  gemischt  mit  sehr  glänzendem, 
tief  schwarzem  Gagat.  Diese  Harze  zeigen  sämmtlich  beim  Reiben 
mit  Wolle  oder  Seide  nur  so  geringe  Spuren  von  Electricität, 
dass  diese  nur  durch  einen  sehr  empfindlichen  Goldblattconden- 
sator  nachgewiesen  werden  konnte. 

Das  specifische  Gewicht  schwankt  beträchtlich,   je  nach  der 

*  Der  Fundort  ist  Djebäa,  Provinz  Djezzin,  im  südlichen  Libanon. 

Wurtteml).  naturw.  Jahreshefte.     1878.  c 


—     82     — 

Farbe;  die  lionig--  bis  goldgelben  Stücke  besitzen  eine  Dichtig- 
keit von  1,055  bis  1,058,  die  orangefarbigen  von  1,088  und 
die  nur  unvollkommen  durchsichtigen  braunrothen  von  1,118. 
Dem  Aussehen  und  dem  specifischen  Gewicht  nach  stehen  diese 
Harze  dem  gewöhnlichen  Bernstein  vom  Ostseestrande  ziemlich  nahe. 

Zur  Vergleichung  folgen  hier  die  für  samländischen  Bern- 
stein ermittelten  Zahlen:  hellgelb  opalisirend  1,077 ;  citron-  bis 
goldgelb  durchsichtig  1,080;  braunroth  mit  erdigem  mattem 
Ueberzug  1,092. 

Aber  in  Bezug  auf  Festigkeit  ist  ein  grosser  Unterschied 
zwischen  den  Libanonharzen  und  dem  Bernstein;  denn  wenn  erstere 
in  hohem  Grad  spröde  und  so  leicht  zerbrechlich  sind,  dass  sie 
bei  der  Prüfung  auf  ihr  elektrisches  Verhalten  leicht  in  Stücke 
zerspringen,  so  ist  der  letztere  ungemein  fest  und  ganz  aus- 
nehmend schwer  zu  pulvern;  auch  eignet  er  sich  bekanntlich 
vorzüglich  zur  Bearbeitung  auf  der  Drehbank. 

Im  Platinlöffel  bei  Luftzutritt  erhitzt  verbrennen  die  Harze, 
wie  der  Bernstein,  indem  sie  zuerst  unter  heftigem  Aufschäumen 
schmelzen  und  eine  grosse  Menge  von  Gasen  und  Dämpfen  ent- 
wickeln, die  mit  stark  leuchtender,  gelber,  russender  Flamme 
brennen.  Es  bleibt  nur  sehr  wenig  einer  röthlichen  Asche  zurück, 
in  welcher  sich  Eisenoxyd  und  Kalk  deutlich  nachweisen  lassen- 
Zur  genaueren  Bestimmung  der  Aschenmenge  reichten  die  mir 
zu  Gebote  stehenden  kleinen  Quantitäten  der  Libanonharze  nicht  hin. 

Da  der  Bernstein  bei  der  trocknen  Destillation  eine  gewisse 
Menge  Bernsteinsäure  liefert  und  da  bekannt  ist,  dass  er  einen 
geringen  Antheil  dieser  Säure  schon  fertig  gebildet  enthält,  so 
habe  ich  in  dieser  Beziehung  die  braunrothe  Varietät  der  Liba- 
nonharze untersucht,  und  zwar  habe  ich  diese  deshalb  gewählt, 
weil  ich  von  derselben  die  relativ  grösste  Menge,  gegen  30 
Gramm,  zur  Verfügung  gehabt  habe.  Durch  Auskochen  des  fein 
gepulverten  Harzes  mit  einer  Lösung  von  Natriumcarbonat  und 
Filtriren  erhält  man  eine  gelbliche  Flüssigkeit,  die,  mit  reiner 
Salpetersäure  schwach  übersättigt  und  im  Wasserbad  zur  Trocken- 
heit abgedampft,  einen  braunen  Rückstand  lässt,  der  mit  Wasser 
ausgezogen   wurde.      Diese   Lösung    wurde    verdunstet   und    der 

i 


—      83     — 

Rückstand  mit  absolutem  Alkohol  extrahirt;  es  resiiltirte  eine 
gelbliche  sauer  reagirende  Lösung,  die  nach  dem  Behandeln  mit 
gereinigter  Knochenkohle  und  Eindunsten  einen  krystallinischeu, 
nicht  ganz  farblosen  Eückstand  gab,  völlig  sublimirbar,  durch 
Eindunsten  mit  Salpetersäure  sich  nicht  verändernd,  in  Alkohol 
und  Aether  löslich  und  mit  Kalkwasser  keinen  Niederschlag  gebend. 
Bleizucker-,  Silbernitrat-  und  Eisenchloridlösungen  gaben  eben- 
falls unmittelbar  keine  Füllungen,  wohl  aber  nach  dem  Neutra- 
lisiren  mit  Ammoniak.  Dieses  Verhalten  ist  charakteristisch  für 
Bernsteinsäure.  Obgleich  ich  wegen  Mangels  an  Material  keine 
Elementaranalyse  vornehmen  konnte,  nicht  einmal  die  Silber- 
bestimmung im  Silbersalz  zu  machen  im  Staude  war,  so  glaube  ich, 
auf  die  angegebeneu  Reactionen  gestützt,  doch  aussprechen  zu 
dürfen,  dass  in  dem  braunrothen  Libanonharz  Bernsteinsäure 
fertig  gebildet  enthalten  ist. 

Das  beim  Auskochen  mit  Sodalösung  ungelöst  gebliebene 
Pulver  gab  bei  der  trocknen  Destillation  eine  kleine  Menge  einer 
farblosen  sauren  Flüssigkeit,  ein  gelbbraunes,  in  Alkohol  lösliches 
Oel  und  einen  braunen  Rückstand,  der  sich  nicht  in  Alkohol, 
aber  leicht  in  erwärmtem  Terpentinöl  löste  und  damit  einen 
dunkelbraunen  Firniss  lieferte.  Die  wässrige  saure  Flüssigkeit 
wurde  mit  Soda  beinahe  neutralisirt  und  eingedunstet.  Ein  Theil 
des  Rückstandes  gab  beim  Uebersättigen  mit  Schwefelsäure  einen 
Geruch  ähnlich  dem  von  Essigsäure;  aber  derselbe  rührte  von 
Ameisensäure  her,  denn  die  Lösung  des  trocknen  Salzes  gab 
beim  Mischen  mit  Silbernitrat  und  Erwärmen  neben  einem  weissen 
Niederschlag  (bernsteinsaurem  Silber)  auch  eine  Reduction  von 
metallischem  Silber.  Nach  Entfernung  der  Ameisensäure  durch 
Eindampfen  Hess  sich  wie  oben  die  Gegenwart  der  Bernsteinsäure 
nachweisen. 

Es  zeigt  sich  somit  zwischen  dem  braunrothen  Harz  vom 
Libanon  und  dem  Bernstein  insofern  eine  grosse  Aehnlichkeit, 
als  in  beiden  Bernsteinsäure  fertig  gebildet  vorhanden  ist  und 
als  bei  der  trocknen  Destillation  diese  Säure  (neben  Ameisen- 
säure) auftritt.  Daraus  aber  sofort  den  Schluss  ziehen  zu  wollen, 
dass  das  syrische  Harz  wirklicher  Bernstein  sei,  wäre  wohl  kaum 

6* 


—     84      — 

zulässig,    weil   sich  Bernsteiusäure    bei   sehr    verschiedeuen  Zer- 
setzungsprocessen  organischer  Körper  bildet. 

Bei  dem  Versuch,  die  Schmelzpunkte  der  Harze  zu  bestim- 
men, zeigte  es  sich,  dass  dieselben  sich  zersetzen,  stark 
riechende  und  sauer  reagirende  Dämpfe  entwickeln  und  sich 
dunkler  färben,  noch  ehe  sie  schmelzen.  Wenn  also  end- 
lich das  Schmelzen  wirklich  eintritt,  so  hat  man  es  nicht  mehr 
mit  dem  ursprünglichen  Harz,  sondern  mit  einem  seiner  Zer- 
setzungsprodukte zu  thuu.     (Vergl.  unten.) 

Concentrirte  Schwefelsäure  löst  die  Harze,  falls  sie  nur  fein 
gepulvert  sind,  schon  bei  gewöhnlicher  Temperatur  nach  und  nach 
zu  einer  klaren  braunen  Flüssigkeit  auf,  die  auf  Zusatz  von 
Wasser  einen  mehr  oder  weniger  gefärbten  flockigen  Körper 
fallen  lässt. 

Salpetersäure,  sowie  Aetzkali,  auch  schmelzendes,  greifen 
die  Harze  wenig  an;  verhältnissmässig  am  leichtesten  werden 
die  dunklen  Varietäten  verändert.  Das  Verhalten  des  Bernsteins 
zu  diesen  drei  Agentien  ist  genau  das  nämliche. 

Um  aber  über  die  vermeintliche  oder  wirkliche  Identität  der 
Libanonharze  mit  dem  Bernstein  ein  Urtheil  zu  haben,  erschien 
es  nöthig,  auch  die  Elementaranalyse  vorzunehmen  und  zugleich 
das  Verhalten  dieser  Harze  zu  Lösungsmitteln  zu  untersuchen, 
um  durch  letztere  zu  erfahren,  ob  die  Harze  vielleicht  Gemenge 
seien. 

Das  br  aunrothe  H  arz  und  ebenso  das  hy  acinthrothe 
löst  sich  beim  Kochen  mit  absolutem  Alkohol  nur  zum  Theil 
und  gibt  eine  tief  gelbe  Lösung,  aus  welcher  Wasser  einen 
schmutzig  gelblichweissen  Körper  in  grossen  Flocken  fällt.  In 
der  Lösung  lässt  sich  Bernsteinsäure  nachweisen. 

Der  in  Alkohol  lösliche  Antheil  wurde  mit  Kupferoxyd  ver- 
brannt. 0,2845  Grm.  gaben  0,782  Grm.  Kohlensäure  und  0,317 
Grm.  Wasser.     Hieraus  berechnen  sich 

Kohlenstoff  74,8  %. 
Wasserstoff  12,3   „ 
Sauerstoff     12,9   „ 

Diese  Zahlen  führen  zu  der  Formel  CsHieO,  welche  fordert 


I 


—     85     — 

C  75,0 
H  12,5 
0   12,5. 
Der  in  Alkohol  lösliche  Antheil  löst  sich  auch  leicht  in  Aether, 
Chloroform,  Aceton,Holzgeist,  Benzol,  Terpentinöl  und  Schwefelkohlen- 
stoff; die  alkoholische  Lösung  des  reinen  Körpers  reagirt  völlig*  neutral. 
Der    in   absolutem  Alkohol    unlösliche  Antheil   ist   auch   in 
Aether,    sogar  in  kochendem,    unlöslich.      Die   Elementaranalyse 
führte  zu  den  Zahlen 

Kohlenstoff  65,3 

Wasserstoff  13,0 

Sauerstoff     21,7 

Eine  gut    passende  und   wahrscheinliche  Formel   lässt   sich 

hieraus  nicht  ableiten.     Ziemlich   nahe  kommt  dem  Kesultat  der 

Analyse  die  Formel  C8H20O2,  denn  diese  verlangt 

C  64,8 
H  13,5 
0  21,6. 
Aber  bekanntlich  wird  bei  der  Elementaranalyse,  namentlich 
bei  Anwendung  von  Kupferoxyd,  immer  etwas  zu  viel  Wasserstoff 
und  häufig    etwas   zu  wenig  Kohlenstoff  gefunden,    während   ich 
0,5  Procent  weniger  Wasserstoff  und  0,5  Procent  mehr  Kohlen- 
stoff gefunden  habe,  als  der  Formel   entspricht.     Um  dieses  Re- 
sultat erklären  und  docli  letztere  T^'ormel  beibehalten  zu  können, 
müsste   man    annehmen,    dass    eine    kleine   Menge   des   löslichen 
Körpers  durch  den  Alkohol   nicht  ganz  ausgezogen   worc^en    sei. 
Von  dem  Harz  lösen  sich,    je  nach   dessen  Farbe,    36  bis 
43  Procent  in  kochendem   absolutem  Alkohol    auf   und    gilt  die 
erstere  Zahl  für  die  hyacinthrothen  Stücke. 

Der  unlösliche  Antheil  des  Harzes  ist  somit  bedeutend  kohlen- 
stoffärmer und  sauerstoffreicher  als  der  lösliche.  Diess  führt  auf 
die  Vermuthung,  dass  das  lösliche  Harz  durch  einen  Oxydations- 
process  (und  unter  Aufnahme  der  Elemente  des  Wassers)  unter 
Ausscheidung  von  Kohlenstoff  in  Form  von  Kohlensäure  (oder 
vielleicht  auch  von  Bernsteinsäure)  unlöslich  geworden  sei;  z.  B. 
nach  dem  Schema 


—     86     — 

8Mol.C8Hl60  =  C64Hl2808     7M0I.C8H20O2     =::^C56Hl400l4 

4- 12  Mol.  Wasser  =       H12   Oe  8Mol.Kohlensäure=:C8  O16 

-f-  8Mol.Saiierstoff  = _0i6  CelHi  4ÖÖ30 

Ce  4  Hl  40  030 
Oder  auch  uach  dem  Schema: 

4M0l.C8Hl6  0  =  C32H64  04    3M0I.C8H20Ö2  =C24H60  06 

4- 4  Mol.  Wasser  =        Hs  O4  2Mol.Bernsteinsäiire=  Cs   H12O8 

4-  SMoLSauerstoff  = 06_  C32H7TO14 

C32H72O14 
Es  wird  wohl  kaum  uöthig  sein,  zu  betoneu,  dass  ich  nicht 
eutfernt  behaupten  will,  der  Yorg-ang  sei  durch  eine  dieser  For- 
meln ausgedrückt;  sondern  ich  will  durch  vorstehende  Aufstel- 
lung nur  angeben,  dass  man  sich  denselben  so  vorstellen  könne. 
Es  war  von  Interesse,  dieses  Harz  mit  dem  aus  der  Buko- 
wina stammenden  Schraufit  zu  vergleichen.  Eine  kleine  Probe 
(beinahe  3  Grm.)  ächter  Schraufit,  durch  Herrn  Prof.  Tschermak 
an  Herrn  Prof.  Fraas  übersendet,  war  hyacinthroth,  durchsichtig, 
wachs-  bis  glasglänzend,  leicht  pulverisirbar,  besass  ein  specifi- 
sches  Gewicht  von  1,086.  Beim  Erhitzen  bräunt  er  sich  bei 
270  ^  schmilzt  aber  noch  nicht  bei  300 '^  C.  In  concentrirter 
Schwefelsäure  löst  er  sich  nur  theilweise  mit  brauner  Farbe. 
Durch  mehrmaliges  Auskochen  mit  absolutem  Alkohol  lassen  sich 
15  Procent  Lösliches  ausziehen.  Die  alkoholische  gelbe  Lösung 
wird  durch  Zusatz  von  Wasser  nur  opalisirend,  giebt  aber  keinen 
Niederschlag.  Nachdem  Alkohol  und  Wasser  durch  Abdampfen 
entfernt  waren,  wurde  das  rückständige  gelblichgraue  Harz,  dessen 
Menge  zu  einer  Elementaranalyse  unzureichend  war,  mit  Salpeter- 
säure behandelt;  es  wurde  leicht  angegriffen  und  lieferte  eine 
feste  krystallinische  Säure,  die  mit  Kalkwasser  keinen  Nieder- 
schlag gab  (also  keine  Oxalsäure,  vielleicht  Bernsteinsäure).  Der 
in  Alkohol  unlösliche  Antheil  wurde  mit  Kupferoxyd  verbrannt. 
0,334  Grm.  Substanz  gaben  0,968  Grm.  Kohlensäure  und  0.321 
Grm.  Wasser,  woraus  folgt 

Kohlenstoff  79,0  > 

Wasserstoff  10,6   „ 

Sauerstoff     10,4.  „ 


—      87      — 

Diese  Zahlen  stimmen  gut  mit  der  Formel  Cio  Hi6  0,  welche 
verlangt  C  78,9 

H  10,5 
0  10,5. 
Diess  ist  dieselbe  Zusammensetzung,  welche  Schrötter  seiner 
Analyse*   zufolge  dem  Bernstein  beilegt,    aber  auch  dem  daraus 
mit  Aether  ausgezogenen  Harz.     (Vergl,  dagegen  unten.) 
Der  rohe  Schraufit  gab  mir:    Kohlenstoff  76,2 

Wasserstoff  8,9 
Sauerstoff  14,9. 
Daraus  folgt,  dass  die  in  Alkohol  lösliche  Substanz  weniger 
als  76  %  Kohlenstoff  und  weniger  als  8,9  ^o  Wasserstoff  ent- 
halten muss,  dass  es  also  nicht  derjenige  Körper  sein  kann,  der 
den  in  Alkohol  löslichen  Antheil  des  braunen  Libanonharzes  aus- 
macht. Aber,  wie  mau  sieht,  weicht  auch  der  in  Alkohol  un- 
lösliche Antheil  des  Schraufits  von  dem  unlöslichen  Antheil  des 
braunen  Libanonharzes  sehr  wesentlich  ab.  Obgleich  also  dieses 
Harz  und  Schraufit  in  manchen,  namentlich  äusseren  Eigen- 
schaften viel  Aehnlichkeit  zeigen,  sind  es  doch  verschiedene 
Körper. 

Das  honiggelbe  bis  wachsgelbe  Harz   vom  Liba- 
non.    Das  rohe  Harz  gab 

dunklere  Sorte         hellere  Sorte 
Kohlenstoff     80,5  «o  82,6 

Wasserstoff     10,7  10,7 

Sauerstoff         8,8  6,7 

Die    Zusammensetzung    der    helleren    Sorte    entspricht   der 
Formel  C16H24O,  denn  diese  erfordert  C  82,7 

H  10,3 

0  7,0.  Allein  hierauf 
ist  kein  Werth  zu  legen,  denn  die  Behandlung  mit  Lösungsmitteln 
hat  ausgewiesen,  dass  auch  dieses  Harz  nur  ein  Gemenge  zweier 
verschiedener  Körper  ist.  In  absolutem  Alkohol  lösen  sich  beim 
Kochen  nur  ca.  6  Procent.     Die  Zusammensetzung  des  löslichen 


*  Jahresbericht  von  Berzelius,  24.  Jahrgang  (1845).    Seite  593. 


—     88     — 

Antheils  konnte  aus  Mangel  an  Substanz  nicht  ermittelt  werden; 
diejenige  des  unlöslichen  aber  gab 

Kohlenstoff  74,8  \ 

Wasserstoff  10,5 

Sauerstoff  14,7. 
Man  erkennt,  dass  der  Kohlenstoffgehalt  genau  mit  dem- 
jenigen des  in  Alkohol  löslichen  Antheils  des  braunrothen  Harzes 
übereinstimmt,  dass  aber  der  Wasserstoffgehalt  geringer,  der 
Sauerstoffgehalt  grösser  ist;  man  könnte  sich  daher  diesen  Körper 
durch  directe  Oxydation  aus  jenem  entstanden  denken,  wobei  nur 
ein  Theil  des  Wasserstoffs  als  Wasser  ausgetreten  wäre.  Die 
Formel  C14H23O2  verlangt  die  Zal'.len 

Kohlenstoff    75,3 

Wasserstoff  10,3 

Sauerstoff      14,3 
und  diese  stimmen  ziemlich   genau   mit    den  obigen.      Die    eben 
angedeutete  Beziehung  wird  dann  ausgedrückt  durch  die  Gleichung: 
7  CsHieO  +  11  0  oder  C56H112O18  —  10H2  0  =  C56H92O8 

=  4  C14H23  O2. 
Da  dieses  Harz  in  seinem  Aussehen  mit  dem  Bernstein  am 
Ostseestrande  völlig  übereinstimmt  und  von  demselben  nur  durch 
seine  grosse  Sprödigkeit  verschieden  zu  sein  scheint,  so  hielt  es 
nicht  für  überflüssig,  auch  den  wirklichen  Bernstein  einer 
vergleichenden  Untersuchung  zu  unterwerfen. 

Eine  Sorte  derselben,  die  in  der  Farbe  mit  derjenigen  des 
Libanonharzes,  die  80,5  "/^  Kohlenstoff  geliefert  hatte,  völlig  über- 
einstimmte, gab  bei  der  Elementaranalyse 

Kohlenstoff   77,8  V^ 

Wasserstoff   10,2 

Sauerstoff      12,0. 
Diese  Zahlen  weichen    von  denjenigen  Schrötter's    (s.  oben) 
im  Wasserstoffgehalt  nicht    erheblich,   im  Kohlenstoffgehalt   aber 
um  ein  ganzes  Procent  ab. 

Von  diesem  Bernstein  lösten  sich  in  kochendem  Alkohol 
25,3  Procent.  Die  alkoholische  Lösung  wurde  mit  Wasser,  dem 
einige  Tropfen  Salpetersäure    zugesetzt   waren,    vermischt,   weil 


-     89      — 

sich  gezeigt  hatte,  dass  dieser  Zusatz  das  Zusammenballen  der 
ausgeschiedenen  Harztheilchen  beförderte.  Der  Niederschlag 
wurde  im  luftleeren  Raum  über  Schwefelsäure  getrocknet  und 
erschien  dann  völlig  weiss.  Dieser  lösliche  Antheil  sintert  bei 
etwas  über  80^  C.  zusammen,  wird  bei  86^  durchscheinend, 
schmilzt  aber  erst  bei  102  ^  zu  einem  gelbbräunlichen  Liquidum, 
das  beim  Erstarren  durchsichtig  bleibt,  weshalb  der  Erstarrungs- 
punkt nicht  beobachtet  werden  kann.  Bei  198^  bräunt  es  sich 
und  entwickelt  wenige  Grade  darüber  saure  Dämpfe.  Die  Ele- 
mentaranalyse* ergab  die  Zusammensetzung 

Kohlenstoff   76,5 

Wasserstoff  10,0 

Sauerstoff     13,5. 
Diese    Zahlen   passen    gut    auf   die   Formel  C15H23O2,    welche 
verlangt  C  76,6 

H  9,8 
0  13,6. 
Der  in  absolutem  Alkohol  unlösliche  Rückstand  bräunte  sich 
bei  dem  Versuch,  seinen  Schmelzpunkt  zu  bestimmen,  in  der 
oberen  mit  der  Luft  in  Berührung  befindlichen  Schicht  des  Röhr- 
chens bei  260  ^  C,  schmolz  aber  noch  nicht  bei  300  ^  C.  Es 
ist  also  klar,  dass  wenn  der  rohe  Bernstein  bis  zum  wirklichen 
Schmelzen  erhitzt  wird,  der  in  Alkohol  lösliche  Antheil  desselben 
bereits  in  voller  Zersetzung  begriffen  sein  muss. 

Der  in  absolutem  Alkohol  unlösliche  Rückstand  lieferte  die 
Zahlen**: 

Kohlenstoff  79,2 

Wasserstoff  10,5 

Sauerstoff      10.3,  entsprechend  der  Formel  Cio  H16  0      C  78,9 

H  10,5 
0   10,5. 


*  0,809  Grni.  des  nicht  geschmolzeuen  Harzes  lieferten  0,8675  Grm. 
Kohlensäure  und  0,280  Grm.  Wasser. 

**  0,409  Grm.    gaben   1,188  Grm.  Kohlensäure    und  0,387  Grm. 
Wasser. 


—     90     — 

Diess  sind,  wie  mau  sieht,  dieselben  Zahlen  wie  bei  der 
entsprechenden  Substanz  aus  Schraufit.  Es  ist  also  bewiesen, 
dass  der  in  Alkohol  unlösliche  Antheil  des  Bernsteins  —  und 
diess  ist  dessen  Hauptmenge  —  und  die  entsprechende  Substanz 
aus  Schraufit  identisch  sind. 

Bei  der  Elementaranalyse  der  obigen  Harze  vom  Libanon 
und  des  Bernsteins  habe  ich  auf  den  Schwefelgehalt  dieser 
Körper  keine  Rücksicht  genommen.  Nach  Baudrimont  beträgt 
derselbe  in  Bernstein  0,25  bis  0,5  Procent.*  Nach  Bestimmungen 
von  John,  die  in  den  Verhandlungen  der  K.  K.  geologischen 
Reichsanstalt  vom  Jahre  1876,  N^.  11,  veröffentlicht  worden  sind, 
beträgt  der  Schwefelgehalt  in  einem  gelben  durchsichtigen  Harz 
vom  Libanon  0,36  und  in  einer  rothbraunen  bis  hyacinthrothen 
Varietät  ebendaher  0,56  Procent.  Die  mir  zu  Gebote  stehenden 
beschränkten  Mengen  dieser  Harze  erlaubten  eine  derartige  Be- 
stimmung nicht;  auch  wäre  sie  augenscheinlich  auf  das  Resultat 
der  Analyse  von  keinem  Einfluss  gewesen.  Im  TJebrigen  stimmen 
die  Resultate  John's  mit  den  meinigen  wenig  überein. 

IIL  Prof.  Hegelmaier  aus  Tübingen  trug  beiiGelegenheit 
der  Vorzeigung  frischer  Exemplare  von  Euphorbia  verrucosa  Lam., 
welche  durch  einen  sie  bewohnenden,  massenhaft  Teleutosporen- 
lager  nebst  Spermogonien  bildenden  Uromi/ces  deformirt  werden, 
einige  Bemerkungen  über  Rostpilze  der  JEuphorbia- 
Arten  vor. 

Unsere  Kenntnisse  von  den  dieser  Gruppe  angehörigen,  die 
genannte  Gattung  heimsuchenden  Schmarotzern  sind  zur  Zeit 
sehr  fragmentarisch  und  müssen  aus  verschiedenen,  einstweilen 
vereinzelt  vorliegenden  Daten  combinirt  werden;  wie  sich  aber 
aus  dem  seither  Bekannten  zu  ergeben  scheint,  sind  die  Euphorbien 
die  Wirthe  einer  ganzen  Reihe  von  Uredineen,  welche  zwar  als 
solche  unter  einander  verwandt  sind,  aber  nicht  bloss  spezifisch 
unterschieden  werden  müssen,  sondern  auch  rücksichtlich  ihrer 
speziellen    Lebensweise     und     Entwicklungsgeschichte    sich   ver- 


*  Jahresbericht  von  Will  für  1864.    Seite  538. 


—     91     — 

schieden  verhalten,  indem  sie  sich  den  biologischen  Verhält- 
nissen verschiedener,  theils  ausdauernder,  theils  einjähriger  Nähr- 
species  angepasst  haben  mögen. 

Der  fragliche  TJromyces  ist  mit  "Wahrscheinlichkeit  als 
V.  excavatus  (DC.)  zu  bestimmen,  indem  er  mit  einer  Form 
identisch  zu  sein  scheint,  die  von  Decandolle  (üuby  botan. 
gall.  I.  896)  als  Uredo  excavata  benannt  wurde  und  deren  Be- 
schreibung („hypophylla,  acervalis  fuscis  parvulis  eumerosis  .  .  .  . ; 
acervuli  frequentes  totam  paginam  occupant,  sed  non  deformant .... 
ad  Euphorbias  varias  praesertim  in  provinciis  australibus")  gut 
zu  der  vorliegenden  Form  passt.  Das  ungeheuer  massenhafte 
Auftreten  dieses  Pilzes  auf  den  Bergwiesen  der  Alb  in  der  Um- 
gebung Reutlingens  (z.  B.  auf  den  Holzwiesen,  der  Wanne,  den 
Glemser  Hochwiesen)  bildet  eine  der  auffälligsten  Erscheinungen 
für  den  Besucher  dieser  Lokalitäten,  indem  man  alljährlich  die 
Mehrzahl  der  Stauden  der  daselbst  gemeinen  Euphorbia  ver- 
rucosa von  ihm  befallen  und  in  characteristischer  Weise  etwas 
verändert  findet.  Die  Triebe  entwickeln  keine  Tnflorescenzen, 
werden  höher,  und  die  —  übrigens  in  ihrer  Form  und  Grösse 
kaum  alterirten  —  Blätter  zeigen  ein  lebhaft  gelbes  Colorit. 
Auf  der  oberen  Fläche  der  letzteren  erscheinen  gegen  Ende  des 
Frühjahrs  zahlreiche  Spermogonien  von  orangerother  Farbe, 
etliche  Wochen  später  durchbrechen  auf  der  Rückseite  die  eben 
so  zahlreichen  Teleutosporenlager  als  kleine  kreisrunde  dunkel- 
braune Fleckchen  die  Epidermis,  doch  so,  dass,  wie  dies  auch 
ein  Theil  der  vorliegenden  lebenden  Stengel,  sowie  die  vor- 
gelegten Präparate  zeigten,  ältere  Spermogonien  in  einem  ge- 
wissen Stadium  noch  gleichzeitig  mit  jungen  Teleutosporenlagern 
auf  demselben  Blatt  zusammen  vorkommen.  Ueber  den  Bau  der 
beiderlei  Gebilde  und  ihrer  Produkte  ist  dem  allgemein  Be- 
kannten nichts  beizufügen. 

Wie  Jedermann  weiss,  ist  die  gemeine  EiqyJiorlia  Gy- 
parissias  L.  (und  wohl  auch  etliche  Verwandte  wie  E.  Esula 
L.)  einer  äusserst  gemeinen  Verunstaltung  unterworfen .  be- 
ruhend auf  dem  Vorhandensein  eines  Schmarotzers,  welcher 
auf    ihren    Blättern     in    Form    eines    von     Spermogonien     be- 


-     92      ~ 

gleiteten  Schüsselrostes  fructificirt,  der  sonst  insgemein  unter 
dem  Namen  des  Aecidium  Eupherhiae  Pers.  bekannt  war. 
Die  stattfindende  Verunstaltung  ist  in  diesem  Fall  eine  beträcht- 
lichere als  die,  welche  die  E.  verrucosa  durch  ihren  Schmarotzer 
erfährt,  indem  ausser  dem  veränderten  Wachsthum  der  Stengel 
auch  die  Blätter  der  betreffenden  Stöcke  in  ihrer  Form  wesent- 
lich beeinflusst  werden,  kürzer  und  breiter  als  die  normalen  sich 
entwickeln.  Auf  derselben  Wolfsmilch  kommt  aber  auch  eine 
Rostform  vor,  welche  der  Formgattung  TJromyces  angehört 
und  unter  dem  Namen  des  TJ.  scutellatus  Lev.  bekannt  ist; 
dieser  Uromyces  ist  schon  durch  gewisse  morphologische  Merk- 
male —  eine  unregelmässig-höckerige  Sculptur  des  Exospors 
seiner  Teleutosporen  —  von  dem  Uromyces  der  E.  verrucosa^ 
welcher  glatte  Sporen  hat,  spezifisch  zu  unterscheiden,  abgesehen 
von  der  Frage  nach  etwaigen  Verschiedenheiten  des  biologischen 
Verhaltens  der  beiden  Formen. 

Man  war  bis  vor  Kurzem  überzeugt  und  hielt  es  eigentlich 
für  selbstverständlich,  dass  das  Aecidium  der  E.  Ci/parissias  mit 
seinen  Spermogonien  und  der  Uromyces  derselben  Pflanze  in 
den  Entwicklungskreis  einer  und  derselben  —  autöcischen  — 
üredineenspecies  zusammengehören,  nach  Analogie  verschiedener 
anderer,  sich  gleich  verhaltender  Eostpilze.  Allein  vor  zwei 
Jahren  (Hedwigia  1875,  Nr.  7)  wurde  von  Dr.  Schröter  die 
überraschende  Beobachtung  veröffentlicht,  dass  das  Aecidium 
EupJiorhiae  Pers.  vielmehr  Sporen  bildet,  welche  einen  auf 
Erbsen  und  andere  Leguminosen  (z.  B.  Lathyrus-kTten)  vor- 
kommenden Uromyces  erzeugen  in  ähnlicher  Weise,  wie  die 
Aecidien  der  andern,  schon  nach  seitherigen  Kenntnissen  ziemlich 
zahlreichen  sogenannten  heteröcischen  üredineen,  und  dass  daher 
jenes  Aecidium  Euphorhiae  einem  heteröcischen  Parasiten  an- 
gehört, welcher  seinen  Scliüsselrost  auf  Euphorbia  Cyparissias 
bildet,  seine  Teleutosporenlager  dagegen  aus  einem  in  den 
Erbsenpflanzen  entwickelten  Mycel  hervorgehen  lässt,  und  in 
dieser  letztern  Form  den  Uromyces  Pisi  Strauss  darstellt. 
So  auffallend  auch  diese  Angabe  ist,  so  ist  doch  bei  den 
sonstigen    Analogieen    und    bei    der  Gewissenhaftigkeit   des  ge- 


—      93     — 

nannten  Beobachters  kein  Grund  vorbanden,  ihre  Kiclitigkeit  in 
Zweifel  zu  ziehen.  Es  mag  biezu  etwa  bemerkt  werden,  dass 
in  den  Umgebungen  von  Tübingen  nicht  bloss  das  allbekannte 
Aecidium  EiipJiorhiae  ^  sondern  auch  der  üroini/ces  Pisi  ver- 
breitet ist,  dagegen  der  Uromyces  scutellatus  mindestens  selten 
sein  muss,  da  es  wenigstens  seither  dem  Vortragenden  nicht 
gelungen  ist  ihn  hier  wahrzunehmen,  obwohl  er  auf  sein  etwaiges 
Vorkommen  nicht  unachtsam  gewesen  ist.  Wie  es  sich  unter 
diesen  Umständen  mit  der  Lebensgeschichte  des  übrigbleibenden 
Uromyces  scutellatus  verhält,  muss  freilich  einstweilen  gänzlich 
dahingestellt  bleiben.  Die  Möglichkeit  ist  ja  immerhin  nicht 
ausgeschlossen,  dass  dieser  Pilz  doch  eine  autöcische  Entwicklung 
haben  und  das  zu  ihm  gehörige  Aecidium  in  einem  Tbeil  der 
auf  E.  Gyparissias  vorkommenden  Aecidien  zu  suchen  sein 
könnte. 

Was  nun  aber  den  Uromyces  der  E.  verrucosa  betrifft,  so 
haben  wir  allen  Grund,  ihn  nicht  bloss  als  eine  Form  zu  be- 
trachten, welche  sowohl  mit  dem  Aecidium  Euphorbiae  Pers. 
als  mit  dem  Uromyces  E.  Lev.  nichts  zu  thun  hat,  sondern 
welche  auch  durchaus  keine  heteröcische  Lebensweise  führt,  viel- 
mehr ganz  an  dieselbe  Nährpflanze  gebunden  ist.  Es  dürfte 
kaum  einem  Zweifel  unterliegen,  dass  das  Mycel  in  der  peren- 
nirenden  Wirthpflanze  ebenfalls  ausdauert  und  alljährlich  in  die 
oberirdischen  Triebe  gelangt,  um  auf  ihnen  zu  fructificireu. 
Dass  es  sich  aber  um  einen  streng  autöcischen  Parasiten  handelt, 
dies  wird  durch  zweierlei  Gründe   sehr    wahrscheinlich    gemacht. 

Einmal  ist  die  Frage  nach  der  etwa  zugehörigen  Aecidium- 
form  in  Betracht  zu  ziehen.  Der  Vortragende  hat  in  hiesiger 
Umgebung  bei  passenden  Gelegenheiten  nicht  versäumt,  auf  das 
etwaige  Vorkommen  eines  Aecidium  auf  E.  verrucosa  an  solchen 
Lokalitäten  zu  achten,  wo  dieselbe  mit  dem  Uromyces  massen- 
haft behaftet  vorkommt,  muss  aber  gestehen,  dass  er  noch  nicht 
so  glücklich  gewesen  ist,  einen  Schüsselrost  zu  finden.  Dennoch 
scheint  eine  solche  Rostform  auf  der  gleichen  Nährpflanze  zu 
existiren  nach  einer  literarischen  Nachricht,  welche  im  vorigen 
Jahr  von  einem  österreichischen  Beobachter  (Voss,  österr.   bot. 


—     94     — 

Zeitsclir.  1876,  N*^.  9)  gegeben  worden  ist.  Derselbe  sah  den 
Uronif/ces  der  E.  verrucosa  in  der  Umgebung  von  Laibach  auf- 
treten in  unmittelbarer  Verbindung  mit  einem  Aecidium,  derart, 
dass  an  demselben  Stock  die  Aecidiumbecher  und  kurz  darauf 
noch  zwischen  diesen  die  Teleutosporenlager  erschienen  in  einer 
Combination,  welche  nicht  wohl  einen  Zweifel  an  der  Zusammen- 
gehörigkeit beider  in  einem  Entwicklungskreis  erlaubte.  Es 
existirt  überdies  eine  Angabe  von  Oudemans,  nach  welcher  in 
den  Niederlanden  ein  Uromyces  auf  der  in  hiesiger  Gegend 
nicht  vorkommenden  Euphorbia  Gerardiana  Jacq. ,  welcher 
möglicherweise  mit  dem  der  E,  verrucosa  identisch  ist,  eben- 
falls mit  einem  Äecidium  combinirt  gefunden  wurde. 

Der  zweite  hieher  gehörige  Punkt  betrifft  die  Spermogouien 
des  Pilzes.  Diese  gehen  jedenfalls  den  Teleutosporenlagern  auf 
E.  verrucosa  regelmässig  unmittelbar  voraus.  Nach  sonstigen 
mycetologischen  Erfahrungen  begleiten  die  Spermogouien  so 
regelmässig  die  Aecidienfrüchte ,  dass  sogar  die  —  allerdings 
bis  jetzt  für  die  vorliegende  Pilzgruppe  nicht  näher  erhärtete  — 
Vermuthung  besteht,  die  Aecidienfrüchte  kommen  unter  Mit- 
wirkung der  Spermatien  als  männlicher  Befruchtungskörper  zur 
Entwicklung.  Es  lässt  sich  daher  auch  in  unserem  Fall  mit 
Sicherheit  annehmen,  dass,  wofern  Aecidien  sich  überhaupt  ent- 
wickeln, sie  dieselben  Wirthpflanzen  bewohnen  müssen.  Solche 
Aecidien  scheinen  aber  eben  verhältnissmässig  selten  und  viel- 
leicht nur  in  gewissen  Gegenden  sich  zu  bilden,  so  dass  ander- 
wärts die  Spermogouien,  wofern  überliaupt  sie  eine  befruchtende 
Funktion  ausüben,  die  Rolle  überflüssiger  Organe  spielen  würden. 
Der  Vortragende  würde  es  immerhin  als  eine  dankenswerthe 
Aufgabe  für  hiesige  Beobachter  ansehen,  dem  etwaigen  Vor- 
kommen von  Aecidien,  welche  ja  auch  in  hiesiger  Gegend  vor- 
handen sein  könnten,  auf  E.  verrucosa  nachzuspüren ,  da  nicht 
leicht  irgendwo  der  Uromyces  dieser  Pflanze  massenhafter  vor- 
kommen dürfte  als  in  der  hiesigen,  überhaupt  für  Beobachtungen 
auf  diesem  Gebiet  nicht  ungünstigen  Umgebung.  Der  Vor- 
tragende hob  in  letzterer  Beziehung  aus  der  Eeihe  der  Rostpilze 
der   Euphorbien   noch   das   in    den    hiesigen    Bergwäldern   nicht 


—     95     — 

seltene  Aecidium  hervor,  welches  die  Euphorbia  amygdaloides  L. 
bewohnt,  und  welches  nach  den  Angaben  von  de  Bary  zu  den 
wenigen  bekannten  Aecidien  gehört,  die  sich  ausschliesslich 
in  gleichartiger  Form  reproduciren,  d.  h.  bei  autöcischer  Lebens- 
weise sich  auf  die  Hervorbringung  von  Aecidiumfrüchten  nebst 
Spermogonien  beschränken,  dagegen  Teleutosporenlager  so  wenig 
als  eine  Uredo  bilden.  Die  Aecidiensporen  dieses  Pilzes  (des 
Endophyllum  Euphorhiae)  entwickeln,  ähnlich  denen  des  E.  Sem- 
pervivi,  durch  Vermittlung  eines  sporidientragenden  Promycels 
ein  Mycel,  welches  unmittelbar  wieder  Aecidien  trägt. 

Derselbe  Vortragende  zeigte  einen  Spross  des  gewöhn- 
lichen Tannenwedels  {Hippuris  vulgaris  L.)  vor,  welcher  die 
seltene,  in  ähnlicher  Weise  bei  etlichen  andern  Gattungen  mit 
mehrgliedrigen  Blattwirteln,  wie  Gasuarina,  Equisetum,  mitunter 
beobachtete  Abnormität  darbot,  dass  die  Wirtelstelluug  der 
Blätter  von  einer  gewissen  Höhe  an  durch  eine  fortlaufende 
Schraubenstellung  ersetzt  wurde. 

IV.  Hüttendirector  Dr.  Dorn  in  Tübingen  sprach  über 
Asphalt  und  Graphit  aus  den  Pfahlbauten  in  Schussen- 
ried,  die  ältesten,  vorhistorischen  Produkte  chemischer  Thätigkeit 
in  Schwaben : 

Der  schätzbare  Bericht  des  Herrn  Eevierfürsters  E.  Frank 
in  Schussenried  (naturwissenschaftliche  Jahreshefte  von  1876), 
macht  uns  mit  den  sehr  interessanten  Kunstprodukten  aus  der 
schwäbischen  Pfahlbauzeit  bekannt,  indem  er  uns  die  Geräthe 
und  Waffen  aus  Stein,  Thon,  Holz,  Knochen  u.  s.  w.  aufzählt 
und  beschreibt,  welche  bis  jetzt  in  den  Pfahlbauten  von 
Schussenried  aufgefunden  worden  sind. 

Dieser  Bericht  spricht  auf  Seite  66  von  einem  Feuerstein- 
messer, welches  vermittelst  Asphalt  in  seine  Fassung  ein- 
gekittet war,  und  Seite  70  enthält  folgende  Mittheilung: 

„ein  anderes  höchst  interessantes  Fundstück  ist  ein  nieren- 
förmiger  14  Cm.  langer,  10  Cm.  breiten  und  5  Cm. 
dicker,  330  Grm.  schwerer  noch  völlig  unversehrter 
Klumpen  Asphalt,  der  wohl  unwiderleglich   den  Beweis 


—     96     — 

liefert,  dass  unsere  Pfahlbaubewoliuer  Handelsverbindungen 
besassen." 

Ferner  ist  auf  Seite  69  von  einem  pulverförmigen  Körper 
die  Rede,  der  sich  in  einem  zerbrochenen  Krügchen  gefunden 
habe,   „und  der  äusserlich  dem  Graphit  vollständig  ähnelt." 

Beim  Lesen  des  angeführten  Berichts  stieg  in  mir  die 
Vermuthung  auf,  dass  der  gefundene  Asphalt  vrohl  mit  den 
, Mengen  aufgerollter  Birkenrinde"  in  Verbindung 
stehen  könnte,  von  denen  auf  Seite  62  und  63  die  Rede  ist. 

Diese  aufgerollte  Birkenrinde  rief  mir  die  Verwendung  ins 
Gedächtniss,  welche  in  einem  grossen  Theile  von  Russland  von 
der  Birkenrinde  gemacht  wird.  Sie  dient  nämlich  als  Rohstoff 
für  Gewinnung  eines  der  ersten  Lebensbedürfnisse  der  russischen 
Bevölkerung,  des  Birkentheers  (djogot).  Der  Birkentheer  ist 
dort  in  der  Menschen-  und  Thierbeilkunde  äusserlich  und  inner- 
lich vielfach  im  Gebrauch,  wie  er  ja  auch  in  unsern  Officineu 
als  Oleum  rusci  gehalten  wurde.  Der  Birkentheer  dient  als 
bestes  Schmiermittel  und  ganz  besonders  auch  zu  Geschmeidig- 
machung  des  Leders;  der  reine  aus  Birkenrinde  gewonnene 
Theer  ist  aus  diesem  Grunde  der  begehrteste  und  höchst  be- 
zahlte von  allen  aus  verschiedenen  Hölzern  und  Wurzeln  ge- 
wonnenen Theerarten. 

Dass  die  Birkenrinde  der  Pfahlbaubewohner  zu  demselben 
Zweck,  zur  Theergewinnung  gedient  haben  könnte,  diess  machte 
mir  schon  die  Form  der  gefundenen  Mengen  in  Rollen 
wahrscheinlich.  Die  Birkenrinde  ladet  nämlich  durch  ihre  aus- 
gezeichneten Eigenschaften  allerdings  zu  ehier  Menge  von  Ver- 
wendungen ein,  z.  B.  zum  Schutz  gegen  Wasser  von  oben  oder 
unten.  Ich  selbst  habe  daraus  Dächer  für  leichte  Bauten  aus- 
geführt, die  an  Leichtigkeit  und  Dauerhaftigkeit  unsere  Dach- 
pappendächer weit  übertreffen,  und  die  Russen  schützen  ihre 
Holzhäuser  gegen  die  aus  dem  Erdboden  aufsteigende  Feuchtig- 
keit dadurch,  dass  sie  unter  die  unterste  Holzlage  ihrer  Block- 
häuser Birkenrindenblätter  legen,  wie  wir  gegenwärtig  manchmal 
Bleiblätter  zu  dem  gleichen  Zweck  anwenden. 

Zu  Fertigung  von  Behältnissen,  die  unsern  Schachteln  ent- 


—     i)7     — 

spreclieii,  zu  der  Pfahlbau-Papeterie  war  die  Birkenrinde  ^^ewiss 
ebenso  häufig"  in  Anwendung,  wie  in  den  Häusern  der  russischen 
ländlichen  Bevölkerung.  In  allen  Fällen  aber,  wo  die  Birken- 
rinde für  derartige  Zwecke  verwendet  wird,  hält  man  sie  nicht 
im  Vorratli,  sondern  man  nimmt  sie  frisch  vom  Baum  und  be- 
nützt ihre  einladende  Geschmeidigkeit  und  Biegsamkeit.  Nur 
für  Theergewinnung  wird  sie  in  Eollen  oder  Packe  gebunden 
und  getrocknet.  Sie  bildet  in  diesem  Zustand  einen  stehenden 
Handelsartikel  (berest)  und  einen  nicht  unbedeutenden  Theil 
des  Ertrags  mancher  Waldungen  in  Russland.  Die  Rinde 
wird  dort  auf  den  lebenden  Bäumen  verkauft,  von  denen  dann 
aus  Veranlassung  der  Abnahme  der  äusseren  Rinde  etwa  V4 
abstirbt. 

Durch  einen  Schwelprocess,  der  vor  Zeiten  in  mit  Erde  ge- 
deckten Haufen ,  ähnlich  unsern  Kohlenmeilern,  neuerlich  aber 
in  geschlossenen  blechernen  Gefässen  vorgenommen  wird ,  ge- 
^  gewinnen  die  Russen  den  Birkentheer,  dieses  Material,  dessen 
Geruch  man  in  Russland  überall  wahrnimmt;  denn  sämmtliches 
Lederwerk  riecht  darnach:  Sattel  und  Zaum  und  alles  was  damit 
in  Berührung  kommt,  Koffer  und  alle  Kleider  nehmen  mehr  oder 
weniger  von  dem  angenehmen  Juchtengeruch  an,  der  ganz  Russ- 
land parfümirt. 

Dieser  charakteristische  Geruch  unterscheidet  aber  den 
Birkentheer  von  allen  aus  andern  Holzarten  gewonnenen  Theer- 
arten,  am  meisten  jedoch  von  dem  natürlichen  oder  künstlichen 
Min  eralthe  er.  Alle  Theerarten  haben  aber  die  Eigenschaft 
mit  einander  gemein  beim  Erhitzen  die  Kohlenwasserstoffe,  aus 
denen  sie  bestehen,  nach  der  Höhe  der  Kochpunkte  derselben 
abzugeben,  dabei  immer  dickflüssiger  zu  werden,  bis  sie  selbst 
die  Eigenschaft  verlieren,  bei  gewöhnlicher  Temperatur  flüssig 
zu  sein.  So  eingedickter  Theer  aus  irgend  einer  organischen 
Substanz  erstarrt  beim  Erkalten  zu  einer  schwarzen  Siegellack 
ähnlichen  Masse :     Asphalt  auch  Schwarzpech  genannt. 

Der  Name  Asphalt  (Gummi-Asphalt)  kam  ursprünglich  nur 
dem  natürlichen  Asphalt  vom  schwarzen    Meere   und  andern 

Wärt t (-mit.  naturw.  Jahrcsliefte.     1878  7 


—     98     — 

Fundorten  zu.  Dieser  lässt  sich  von  dem  künstlichen  aus  Stein- 
kohlentheer  gewonnenen  Asphalt  schwerlich  unterscheiden,  mit 
dem  aus  Holz  erzeugten  aber  nicht  verwechseln,  am  aller- 
wenigsten mit  dem  aus  dem  duftigen  Birkentheer  gewonnenen. 

Wird  die  Erhitzung  des  geschmolzenen  Asphalts  irgend  eines 
Ursprungs  fortgesetzt  und  gesteigert,  so  gehen  Produkte  immer 
höherer  Siedpunkte  über,  bis  zuletzt  eine  cokesartige  poröse 
Masse  mit  dem  halbraetallischen  Cokesglanz  zurückbleibt.  Dieser 
Glanz  ist  das  einzige,  worin  dieser  Rückstand  dem  Graphit 
ähnelt. 

Herr  Eevierförster  Frank  hatte 'die  Güte  mir  von  den 
Rindenrollen,dem  aufgefundenen  „Asphalt"  und  „Graphit"  Musterehen 
zu  geben,  mit  denen  ich  Destillationsversuche  anstellen  konnte, 
die  meine  Vermuthung  hinsichtlich  des  Ursprungs  des  Pfahlbau- 
asphalts bestätigten.  Dabei  kann  ich  nicht  umhin  auf  die  in- 
teressante Thatsache  aufmerksam  zu  machen,  dass  die  Birkenrinde 
aus  den  Pfahlbauten  so  wenig  chemische  Veränderung  erlitten 
zu  haben  scheint,  dass  sie  bei  der  trockenen  Destillation  wesent- 
lich dieselben  Produkte  liefert  wie  frische. 

Bei  den  geringen  Mengen,  die  mir  von  den  verschiedenen 
Materialien  zu  Gebot  standen,  die  aber  zu  Erreichung  eines 
sicheren  Resultats  vollständig  genügten,  vollzog  ich  die  trockene 
Destillation  in  kleinen  Glaskölbchen  vor  dem  Löthrohr: 

Bruchstücke  der  Pfahlbaubirkenrinde  erfüllten  beim  Er- 
hitzen den  Hals  des  Kölbchens  mit  Theerdämpfen ,  die  sich  zu 
Theer  condensirten  mit  allen  Eigenschaften,  namentlich  dem 
specifischen  Geruch  des  aus  frischer  Birkenrinde  gewonnenen 
Birkentheers. 

Das  Asphaltpulver,  welches  Herr  Revierförster  Frank  von 
dem  gefundenen  Asphaltklampen  abgeschabt  hatte,  schmolz  als 
ich  es  auf  ähnliche  Weise  im  Glaskölbchen  erhitzte,  und  gab 
Dämpfe  und  Condensationsprodukte,  welche  in  allen  Stücken  mit. 
den  aus  der  Birkenrinde  erhaltenen  so  vollständig  überein- 
stimmten, namentlich  in  dem  carakteristischen  Juchtengeruch,, 
dass  nicht  der  geringste  Zweifel  bleibt,  dass  der  Asphalt  der 
Schussenrieder     Pfahlbauten     eingekochter   Birkentheer  ist,    der 


—     99     — 

aber  seiner  flüchtigeu  Bestandtbeile  soweit  beraubt  wurde,  dass 
der  Kückstand  noch  Müdigkeit  genug  behielt,  um  zum  Fest- 
kitten von  Werkzeugen  nicht  zu  spröde  zu  sein. 

Ob  die  Pfahlbaubewohner  das  Einkochen  ihres  Birken- 
rindentheers  blos  behufs  Gewinnung  des  Asphaltrückstands  be- 
trieben, oder  ob  sie  die  leichten  flüchtigen  Oele  zu  andern  tech- 
nischen oder  medicinischen  Zwecken  auch  auffingen,  bleibt  vorerst 
als  zweifelhaft  dahingestellt.  Ihre  unglasirten  Thongeschirre 
waren  jedenfalls  wenig  geeignet  zur  Aufbewahrung  von  recti- 
ficirtem  Oleum  rusci. 

Wie  oben  angegeben,  ist  der  letzte  Rückstand,  den  Asphalt 
bei  fortgesetztem  und  gesteigertem  Erhitzen  ergibt,  eine  cokes- 
artig  glänzende  poröse  Masse,  welche,  wie  es  scheint,  die  Pfahl- 
baubewohner durch  ihren  halbmetallischen  Glanz  einlud,  sie 
zu  Verschönerung  der  Oberfläche  ihrer  Thongeschirre  zu  benützen, 
zu  welchen  Zweck  sie  diese  Masse  pulverisirten  und  mit  dem 
Wiesenkalk  ihrer  Sümpfe  als  Bindemittel  zusamraenrieben.  Diese 
Vermuthung  wurde  wenigstens  durch  die  mikroskopische  und 
chemische  Untersuchung  des  Inhalts  des  Kölbchens  mit  dem 
, graphitähnlichen  Körper"  in  mir  hervorgerufen. 

Fassen  wir  das  Vorgetragene  zusammen,  so  scheint  un- 
zweifelhaft: 

1)  dass  der  Asphalt  der  Schussenrieder  Pfahlbauten  Birken- 
theerasphalt  ist; 

2)  dass  die  Pfahlbaubewohner  ihren  Birkentheer  selbst  er- 
zeugten wird  durch  die  „Mengen  aufgerollter  Birken- 
rinde", welche  in  den  Pfahlbauten  aufgefunden  wurden, 
sehr  nahe  gelegt; 

3)  der  in  den  Pfahlbauten  gefundene  Körper  ,der  äusserlich 
dem  Graphit  vollständig  ähnelt",  ist  von  den  Pfahlbau- 
bewohnern selbst  künstlich  erzeugt;  er  musste  bei  dem 
wiederholten  Aufwärmen  des  Theers  oder  Asphalts  als 
letzter  Rückstand  verbleiben. 

Wir  haben  also  in  den  genannten  Gegenständen  die  ersten 
Spuren  vorhistorischer  chemischer  Thätigkeit  in  Schwaben. 


-f 


-      100 


V.  Baiiinspector  Hoclieisen  aus  Balingen  legte  'geo- 
gnos  tische  Längenprofile  einzelner  Strecken  der  Linie  Ba- 
lingen-Ehingen in  grösserem  Maassstabe  vor,  dieselben  einer 
eingehenderen  Besprechung  unterziehend,  behielt  sich  aber  vor, 
wenn  das  ganze  Profil  der  Linie  erschlossen  sein  wird,  hierüber 
in  den  Vereinsraittheilungen  eingehender  zu  roferiren. 

Von  demselben  ist  ferner   ein  grösserer    Plan    der   Rhem- 
correction  von  Ra'gatz  abwärts  bis  zumBodensee  (zunächst 
St    Margarethen)  mit  Angabe   der  Colmationsarbeiten  auf  dieser 
Strecke,  welche  letztere  im  Jahr  1874  ihren  Anfang  genommen 
haben,   ausgestellt.     In  seinen  früheren  Mittheilungen  über  Allu- 
vionen   der  neuesten  Zeit  (Württ.  nat.  Jahreshefte  1872  Heft  1) 
wurde    von  dem  Verfasser  darauf  hingewiesen,   wie    eme   Keihe 
unserer  heimischen  Flüsse  mittelst  der  in  denselben  zur  Zeit  der 
Hochwasserstände  enthaltenen  Suspensionen  zu  Meliorationen  ver- 
sumpfter oder  vom  Hochwasser  zerstörter  Ufer  und  Landstrecken 
benutzt  werden  könnten,  dass  sich  ganz  besonders    günstige  Re- 
sultate an  der  Hier  und  den  in  denBodensee  ausmündenden  Gewässern, 
die  Argen,  Bregenzer  Ach  und  vorzüglich  am  Rhein  mittelst  des 
Colmationsverfahrens  erzielen  Hessen,   und  dabei  in  sichere  Aus- 
sicht gestellt,  dass  die  durch  die  Hochgewässer  der  60er  und  70er 
Jahre  ruinirten  Ländereien  zwischen  Ragatz  und  St.  Margarethen 
der  mehr  und  mehr  drohenden  Verarmung  entrissen    und  neuem 
Wohlstände    hiedurch    entgegengeführt    werden    könnten.     Auch 
hatte  er  Gelegenheit  gefunden,  seine  Arbeit  seinem  früheren  ver- 
ehrten Vorgesetzten  der  Rorschach- St.  Galler  Bahn,  dem  nach- 
maligen Ober-Ingenieur  der  Rheincorrectionsarbeiten  des  Cantons 
St  Gallen,  Herrn  Hartmann,  zuzustellen,  und  mit  demselben  m  der 
Sache  weiter  zu  verkehren,  der  kurz  vor  seinem  leider  schon  im 
Winter   1873174  erfolgten  Tode  noch  die  ersten  Einleitungen  zu 
Colmationen  bei  Ragatz  traf,  die  nunmehr   in  den  Jahren   1874 
und  1875  auch   bei  Buchs    und  Trübbach   im    oberen   Rhemthal^ 
weitere  Nachahmungen    gefunden,    und    bereits    zu    den    über- 
raschendsten Erfolgen  geführt  haben. 

Von    den  überaus    günstigen   Erfolgen  dieser  Arbeiten   hat 
sich  der  Schreiber  dieser  Zeilen   bei  einer  Begehung  der  gross-  , 


—     101      — 

artigen  Rheincorrectioiisarbeiten,  die  zur  Zeit  zwischen  Ragatz 
und  St.  Margarethen  im  Gange  sind,  persönlich  überzeugt.  Der 
die  Arbeiten  zur  Zeit  leitende  höchst  eifrige  junge  Ingenieur, 
Herr  Wey  hatte  sich  dort  zunächst  die  Aufgabe  gestellt ,  eine 
Strecke  Landes  zwischen  Ragatz  und  Sargans  zwischen  dem  neuen 
Hochwasserdamm  und  dem  alten  Schutzdamme,  das  meist  nur 
aus  Strandboden  (Sand  und  Gerolle)  besteht,  auf  dem  nur  der 
Sanddorn  (HippopJiae  rhamnoides),  und  hie  und  da  spärliche  Erlen 
fortkommen,  mittelst  der  Suspensionen  des  in  den  Sommermonaten 
hochgehenden  Rheines  aufzuhöhen,  der  in  dieser  Zeit  eine  Masse 
fruchtbaren  Schlammes,  der  hauptsächlich  aus  der  Nolla  und 
Landquart  kommt,  mit  sich  führt.  Nach  genauen  Messungen 
enthält  das  Rheinwasser  bis  zu  42  pro  Mille,  im  Mittel  16  pro 
Mille  feste  Bestandtheile.  Es  wurden  zu  obigem  Behufe  zwischen 
dem  alten  und  neuen  Hochwasserdamm  eine  Reihe  kleinerer 
Querdämme  aus  Kies  und  Sand  erstellt,  die  mit  der  fortschreiten- 
den Colmation  erhöht  werden  sollen,  und  eine  Ein-  und  Auslauf- 
schleuse erbaut,  die  das  Wasser  des  Rheines  in  einen  Zuleitungs- 
graben längs  des  alten  Hochwasserdammes  führt,  von  dem  aus 
dasselbe  in  die  durch  die  Querdämme  gebildeten  Abtheilungen 
nach  Erforderniss  eingeleitet  wird,  und  sodann  das  vom  Schlamme 
befreite  Wasser  am  Ende  der  Strecke  wieder  in  den  Rhein  abführt. 

Nach  den  vorgenommenen  Messungen  über  die  eingeflossene 
W^assermenge  und  den  Schlammgehalt  derselben  ergab  sich,  dass 
von  Anfang  Juli  bis  Mitte  August  gegen  3  Millionen  Cubikfuss 
=  80,000  Cubikmeter  Schlamm  eingeführt  und  auf  das  dem 
Rheinbett  abgenommene  Hinterland  (Strandboden;  deponirt  worden 
waren,  was  auf  eine  Ausdehnung  von  circa  90  Hectaren  eine 
Durchschnittserhöhung  von  9  Centimetern  (3  Zoll  Schw.  M.)  ergibt. 

Man  beabsichtigt  aber  nicht  blos  das  zwischen  dem  neuen 
Hochwasserdamm  und  dem  nunmehrigen  Binnendamm  liegende 
ausgedehnte  Terrain  aufzuhöhen,  sondern  man  wird  auch  das 
innerhalb  des  Binnendammes  liegende  Gemeindeland  partienweise 
abgrenzen,  und  auf  die  oben  bezeichnete  Weise  colmiren,  ja  es 
ist  möglich,  das  Hinterland  in  einer  vom  Gefälle  abhängigen 
Entfernung  von  der  Schleuse   bis  auf  die  Höhe  des  Hochwasser- 


—     102     — 

dammes  aufzulanden,  wodurch  die  inzwischen  ausgeführten  üfer- 
schutzbauten  an  Widerstandskraft  bedeutend  gewinnen,  das  ver- 
heerte Hinterland  aber  auf  weite  Ausdehnung  der  Kultur  zurück- 
gegeben werden  kann. 

Nach  den  inzwischen  gemachten  Erfahrungen  wird  eine  jähr- 
liche Erhöhung  des  Hinterlandes  von  20 — 25  Centimeter  erzielt. 
Unter  Berücksichtigung,  dass  die  Auflandung  mit  ihrem  Fort- 
schreiten stets  langsamer  von  Statten  geht,  kann  mit  Sicherheit 
angenommen  werden,  dass  in  20 — 25  Jahren  die  Flächen  zwischen 
dem  neuen  Damm  und  dem  Binnendamm  auf  die  Höhe  des  letz- 
teren aufgelandet  sein  werden. 

Der  Einwurf  aber,  dass  derartige  Arbeiten  bei  uns  nicht 
möglich  wären,  ist  durchaus  nicht  stichhaltig.  Eine  Reihe  unserer 
Bergwasser,  namentlich  unserem  Alptrauf  entlang,  und  insbesondere 
wieder  diejenigen,  die  längere  Strecken  in  den  thonreichen  Schicht- 
gebilden des  weissen  Jura  a,  wie  des  braunen  und  schwarzen  Jura  ein- 
schneiden, wälzen  zur  Zeit  der  Schneeschmelze  oder  bei  heftigen  Ge- 
wittern eine  Menge  Schlamm  zu  Thale,  welcher  zur  rechten  Zeit 
und  am  rechten  Orte  benutzt,  zur  Verbesserung  verheerter  oder 
steriler  Grundstücke   mit  bestem  Erfolg   benützt   werden  könnte. 

Ein  nicht  uninteressantes  Beispiel  liegt  an  der  Hohenzollern- 
bahn  vor.  Unterhalb  des  Ortes  Bisingen  zwischen  Hechingen 
und  Balingen  kreuzt  der  sogenannte  Klingenbach  die  Bahn  bei 
Kilom.  34  Nr.  9,  beschreibt  unterhalb  der  Bahnachse  einen  weiten 
Bogen,  kehrt  eine  kurze  Strecke  weiter  abwärts  wieder  unter 
die  Bahntrace  zurück  und  verfolgt  in  fortgesetzten  Mäanderzügen 
das  enge  Thalgerinne,  das  allenthalben  durch  das  Wildwasser 
verheert  ist.  An  der  Stelle  nun,  wo  der  Bach,  der  zur  Zeit 
hoher  Wasserstände  eine  Menge  feinen  Schlammes  mit  sich  führt, 
die  Bahnachse  wieder  berührt,  wurde  demselben  ein  neues  Bett 
gegraben  und  das  ausgegrabene  Land  zwischen  Correction  und 
Bahndamm  aufgefüllt,  so  dass  gegen  den  erwähnten  Bogen  zu, 
den  der  Bach  beim  Passiren  der  Bahn  macht,  eine  Art  Quer- 
damm erstellt  wurde.  Die  Feld-  und  Wiesenfläche  zwischen 
Bach  und  Querdamm  war  vor  dem  Bahnbau  total  verheert,  und 
bestand  nur  noch  aus  Sand  und  Gerolle.     In  Folge  der  Ausfüh- 


—      103      — 

rung  der  Bache orrectioii  fliesst  nunmehr  nur  noch  das  höchste 
Hochwasser  über  und  stösst  sich  an  dem  Querdamm;  während 
nun  das  Gerolle  in  dem  Flussschlauche  fortgewälzt  wird,  setzt 
das  Hochwasser  die  feineren  suspendirten  Bestandtheile  in  dem 
durch  den  Bahndamm  und  Querdamm  gebildeten  Bassin  ab,  und 
es  hat  sich  in  der  kurzen  Zeit  vom  Herbst  1873,  in  der  die 
den  Querdamm  bildende  Fläche  aufgefüllt  wurde,  bis  diesen 
Sommer  (1877)  die  verheerte  Feld-  und  Wiesenfläche  schon  so 
hoch  aufgehöht  (au  einzelnen  Strecken  30 — 40  Centimeter  hoch), 
dass  der  Besitzer  der  Fläche  (ohne  all  sein  Zuthun)  im  Sommer 
1875  schon  Streugras  abzumähen  im  Stande  war  und  in  diesem 
Sommer  auf  den  höheren  Stellen  schon  ganz  gesundes  Futter 
einheimste. 

Welche  Menge  von  erdigen  Bestandtheilen  aber  auch  die 
Wasserläufe  aus  unsern  Keuperbergen  herabführen,  ist  nur  zu 
bekannt.  Ein  interessantes  Beispiel  lieferte  die  bei  Rottweil  in 
den  Neckar  sich  ergiessende  Prim,  die  früher  in  den  verzerrtesten 
Zickzackwendungen  in  den  Neckar  einmündete,  zur  Zeit  des  Bahn- 
baues aber  mit  dem  Neckar  in  der  ganzen  Längenausdehnung 
des  Bahnhofes  Rottweil  corrigirt  wurde.  Bei  der  Ausführung 
der  Correctionsarbeiten  fand  sich  das  Terrain  in  der  regel- 
mässigsten  Weise  (Schicht  für  Schicht)  mit  feinstem  Keuperboden 
aufgehöht,  und  in  einer  Tiefe  von  mehreren  Metern  unter  der 
Wiesenfläche  vis-ä-vis  der  nordöstlichen  Ecke  des  Römischen 
Castrum's  eine  alte  Lagerstelle  mit  Aschen-  und  Kohlenresten, 
mit  Gefässscherben  und  verschiedenen  Broncefunden,  unter  anderen 
eine  interessante  Fibula  (Bärengestalt  mit  groteskem  Menschenkopf), 
die  sich  heute  im  württembergischen  Alterthumskabinete,  nebst  einer 
noch  tiefer  gelegenen  vortrefl'lich  erhaltenen  Bronce- Lanzenspitze 
befindet.  Seit  jener  Zeit  hatte  sich  die  Aufhöhung  unter  un- 
günstigen Verhältnissen  gebildet  und  liefert  den  Beweis,  wieviel 
geleistet  werden  könnte,  wenn  das  bei  den  leider  zu  häufig 
wiederkehrenden  für  das  Primthal  verderblichen  Hochgewässern 
chocoladefarbige  mit  Senkstoff'en  überreich  gesättigte  Wasser  in 
sachverständiger  Weise  ausgenützt  würde. 


104     — 


Bauiuspector  Hoch  eisen  aus  Balingen  legte  sodann  eine 
vom  Eidgenössischen  Baubureau  ausgegebene  Karte  der  Schweiz 
vor,  welche  die  Pegelstände  und  Wasserabflussmengen 
aller  Flüsse  und  grösseren  Gewässer  der  Schweiz,  sowie  das 
Witterungsstationennetz  in  anschaulicher  Darstellung  enthält. 

Die  Karte  im  Maassstab  1  :  600,000  gefertigt,  welche  von 
Zeit  zu  Zeit  neu  ausgegeben  wird,  enthält  in  besonderem  Farben- 
druck alle  Flussgebiete  und  Hauptwasserscheiden  für  Rhein,  Aare, 
Eeuss,  Limmat,  Rhone,  Inn  und  Tessin,  sowie  die  Flussgebiete 
und  Wasserscheiden  zweiter  Ordnung  aller  grösseren  Wasserläufe 
in  Quadrat-Kilometern  angegeben. 

Ferner  sind  von  einer  grösseren  Anzahl  Beobachtungsorteu 
die  Wasserabflussmengen,  sowie  die  Niederschlagshöhen  verzeichnet, 
indem  bei  jedem  meteorologischen  Beobachtungsort  in  einem  etwa 
8  Millimeter  haltenden  Quadrat  die  oberste  Zahl  das  arithmetische 
Mittel  der  jährlichen  Niederschlagshöhen  seit  1863/64  in  Milli- 
metern, die  mittlere  die  grösste  tägliche  Niederschlagshöhe  seit 
1863/64  in  Millimetern,  die  unterste  das  Datum  dieser  Nieder- 
schlagshöhen in  grünen  Zahlen  angibt,  wogegen  in  einem  daneben 
stehenden  Quadrat  in  rothen  Zahlen  die  mit  einem  rothen  Pfeil 
bezeichneten  Flusspegelstationen  die  daselbst  pro  Secunde  durch- 
fliessende  Wassermasse  zur  Darstellung  kommt  und  zwar  die 
oberste  Zahl  den  maximalen,  die  mittlere  den  mittleren  und  die 
unterste  den  minimalen  Durchfluss  in  Cubikmetern  mit  Ausschluss 
der  ausserordentlichen  Maxima  und  Minima  angibt. 

Bei  den  Seepegelstationon  bezeichnet  die  oberste  rothe  Zahl  die 
höchst  bekannte,  die  mittlere  die  gewöhnliche  und  die  unterste 
die  niedrigste  bekannte  Seespiegelhöhe  in  Metern  über  Meer. 

Hieran  anreihend  drückt  der  Vortragende  den  Wunsch  aus, 
es  möchte  eine  ähnliche  Karte  für  Württemberg  sobald 
als  thunlich  ausgegeben  werden.  Die  meteorologischen  Beobach- 
tungen werden  sehr  eingehend  seit  Jahren  von  der  Centralstation 
Stuttgart  in  den  Württembergischen  Jahrbüchern  veröffentlicht. 
Beobachtungen  der  Pegelstände  des  Bodensees  werden  in  Friedrichs- 
hafen seit  längerer  Zeit  angestellt  und  von  der  meteorologischen 


—      105      — 

Centralstation  gleichfalls  mitgetlieilt,  und  soviel  bekannt,  werden 
auch  in  Tübingen,  am  Hafen  zu  Cannstatt,  in  Heilbronn,  sowie 
in  Ulm  Pegelbeobachtungen  gemacht. 

Es  wäre  daher,  um  die  Karte  anfertigen  zu  können,  von 
grossem  Werthe,  wenn  die  Pegelbeobachtungen  auf  sämmtliche 
grössere  Wasseriäufe  des  Landes  ausgedehnt  würden,  wozu  das 
Ministerium  des  Innern,  Abtheilung  für  Strassen  und  Wasserbau- 
wesen, sowie  die  K.  Eisenbahndirection  und  Eisenbahnbaukomraission 
wohl  gerne  die  Hand  bieten  würden,  in  deren  Registraturen  wohl 
sicher  auch  schon  eine  grosse  Zahl  wertlivoUer  Beobachtungen 
und  Notizen  vorhanden  sind,  die  im  allgemeinen  Interesse  in  der 
oben  bezeichneten  Weise  nutzbar  gemacht  werden  könnten.  Die 
meteorologische  Centralstation  Stuttgart  wäre  aber  wohl  am  ehesten 
in  der  Lage,  die  von  den  bezeichneten  Collegien  mitzutheilendeu 
Notizen  über  Pegelstände  und  Wasserabflussmengen  unserer  Flüsse 
zu  sammeln  und  auf  diese  Art  die  Frage  zur  Lösung  zu  bringen, 
welcher  Theil  der  mittleren  jährlichen  und  monatlichen  Nieder- 
schlagsmengen in  unseren  verschiedenen  Flussgebieten  durch  die 
grösseren  Wasserläufe  und  Flüsse  abgeführt  werden,  die  für  Auf- 
gaben der  Wasserbautechnik,  bei  Flusscorrectionen,  Canalanlagen, 
Ent-  und  Bewässerungen,  Wasserversorgungen  etc.  von  grossem 
Werthe  wären.  Der  Vortragende  reiht  hieran  den  weitereu 
Wunsch,  es  möchten  ausser  dem  Zustandekommen  der  für  die 
Wasserbautechnik  höchst  praktischen  Karte,  von  der  meteorolo- 
gischen Centralstation  für  die  Folge  auch  Mittheilungen  in  perio- 
disch wiederkehrender  tabellarischer  Form  erscheinen,  welche 
enthalten  sollten: 

1)  die  mittleren  monatlichen  Regenhöheu  und  die  daraus 
sich  ergebenden  mittleren  Niederschlagshöhen  und  Niederschlags- 
mengen im  Monat  und  Jahr  für  die  Wasserabflussgebiete  unserer 
Flüsse,  sowie  die  Verdunstungshöhen  und  Verdunstungsmengen 
in  den  einzelnen  Beobachtungsbezirken. 

2)  Die  mittleren  monatlichen  Wasserstände  nach  den  an 
unseren  Haupt-  und  Nebenflüssen  anzustellenden  (womöglich  täg- 
lichen) Wasserstandsbeobachtungen. 

3)  Eine    Uebersicht    der    in     unseren    Flüssen    abgeführten 


—      106      — 

mittleren  Wassermengen  in  der  Secunde  für  die  verschiedenen 
Monate,  sowie  der  mittleren  Wassermenge  für  den  Monat  und 
der  auf  die  Fläche  des  Flussgebietes  reducirten  Abflussböhe. 

4)  Eine  üebersicht  der  mittleren  monatlichen  und  jährlichen 
Abflussmengen  unserer  Flüsse  nach  Prozenten  der  in  den  ver- 
schiedenen Flussgebieten  gefallenen  mittleren  Niederschlags- 
mengen. 

Anfänge  liiezu  sind  von  dem  so  verdienstvollen  Herausgeber 
der  meteorologischen  Mittheilungen  Herrn  Professor  Schoder  bereits 
gemacht,  möchte  es  unsern  höheren  technischen  Behörden  ge- 
fallen, die  noch  fehlenden  Pegelstationen  zu  ergänzen,  die  für 
die  bezeichnete  Aufgabe  nöthigen  Notizen  sammeln  zu  lassen 
und  zur  Verfügung  zu  stellen,  um  mit  dem  gesammelten  Material 
eine  Frage  zu  lösen,  die  in  andern  Ländern,  wie  in  Frankreich, 
in  der  Schweiz,  wie  auch  für  einzelne  Flussgebiete  in  Nord- 
deutschland längst  im  Vollzuge  und  für  die  verschiedensten  hydro- 
technischen Arbeiten   von  nicht  zu  unterschätzendem  Werthe  ist. 

VI.  W,  Hochstetter,  K.  Garteninspector  in  Tübingen, 
trug  über  die  sogenannten  insektenfressenden  Pflanzen 
Folgendes  vor. 

Die  Fragen  in  Bezug  auf  die  Insektenfangenden  Pflanzen 
erregen  mehr  als  je  das  Interesse  der  Naturforscher,  seit  der  be- 
rühmte englische  Gelehrte  Charles  Darwin  diese  merkwürdigen 
Pflanzengebilde  auch  zu  fleischfressenden  gemacht  hat  —  nämlich 
Darwin  hat  die  Theorie  aufgestellt,  dnss  diese  Pflanzen  das  Fleisch 
der  Insekten  verdauen  —  ganz  ähnlich  wie  das  der  Magen  eines 
Thieres  thut. 

Es  gibt  insektenfangende  Pflanzen  verschiedener  Art: 

1)  Solche,  Vielehe  an  Stengel,  Blätter  oder  Blumen  eine 
Menge  zähen,  klebrigen  Schleimes  aussondern,  von  dem  kleine 
Insekten  gleich  wie  vom  sogenannten  Vogelleim  festgehalten 
werden  und  in  Folge  dessen  den  Hungertod  sterben  müssen. 
Diese  bilden  die  zahlreichste  Gruppe:  z.  B.  viele  Li/chnis-, 
Gypsophüa-kxiQw,  Apocynum  androsaemifolmm  und  eine  Legion 
anderer  Pflanzen. 


—      107     — 

2)  Pflanzen,  welche  besondere  Orgaue  besitzen,  die  so  ge- 
staltet sind,  dass,  wenn  Insekten  in  diese  hinein  gerathen,  sie 
in  Folge  der  Construktion  dieser  Organe  oder  wegen  der  Stellung 
der  Haare  nicht  wieder  heraus  können  oder  in  Folge  einer  im 
Innern  dieser  Organe  vorhandenen  Feuchtigkeit,  welche  von  den- 
selben genossen  wird,  halbbetäubt  zurückgehalten  werden.  Hieher 
gehören  die  sogenannten  Schlauchpflanzen,  nämlich  Sarracenia, 
Cephalotus^  Nepenthes,   Utricularia  und  Äldrovanda. 

3)  Pflanzen,  die  durch  reizbare  Blatttheile  oder  drüsige 
Borsten  Insekten  fangen  und  so  lange  diese  sich  noch  bewegen, 
dieselben  festhalten  und  erst  nach  dem  Tode  wieder  frei  lassen. 
Dahin  gehören:  Bionaea,  Drosera^  Brosophyllum  und  Pingiii- 
cula.  Von  den  zu  Gruppe  1  gehörenden  Pflanzen  ist  noch  von 
Niemanden  behauptet  worden,  dass  die  an  ihnen  wie  an  einer 
Leimruthe  kleben  bleibenden  Insekten  auch  von  den  Pflanzen 
selbst  als  Extraleckerbissen  verspeist  würden. 

Die  zweite  Gruppe  wird  von  Darwin  schon  zu  Insekten- 
fressern gestempelt.  Das  in  den  Schläuchen  von  Nepenthes^ 
Cephalotus  und  Sarracenia  ausgeschiedene  Wasser  ist  nach  dem- 
selben keine  gewöhnliche  Absonderung,  sondern  findet  mit  dem 
besonderen  Zwecke  statt,  die  Insekten  anzulocken,  damit  sie  dann 
von  dem  süssen  Gifte  halb  betäubt  in  den  Schläuchen  grausam 
umkommen  müssen,  um  ihre  Leichen  als  Futter  von  den  betreffenden 
Pflanzen  benutzen  zu  lassen. 

Wasserausscheidung  findet  bekanntlich  bei  allen  Pflanzen  in 
Dunstform  statt,  ausserdem  ist  solche  bei  einer  Masse  von  Pflanzen 
aus  den  Blattspitzen  und  Blatträndern  in  Tropfenform  nachge- 
wiesen, z.  B.  bei  den  Blättern  von  Ganna. 

Auf  welche  Weise  diese  Thierleichen  in  den  Schläuchen 
von  den  Pflanzen  verspeist  werden,  darüber  ist  meines  Wissens 
Näheres  bis  jetzt  noch  nicht  mitgetheilt  worden.  Meine  Erfah- 
rungen bei  der  Cultur  von  Nepenthes^  Sarracenia  und  Cephalotus 
gehen  aufs  Bestimmteste  dahin,  dass  die  Schläuche  dieser  Pflanzen, 
in  denen  viele  Insektenleichen  aufgehäuft  liegen,  weit  früher  ab- 
sterben, als  solche,  in  denen  diess  nicht  der  Fall  ist! 

Von  der  dritten  Gruppe  endlich  wird  die  direkte  Behauptung 


—      108      — 

aufgestellt,  dass,  nachdem  die  lusekten  gefangen,  die  Pflanzen 
da,  wo  sie  mit  denselben  in  Berührung  sind,  eine  säuerliche 
Flüssigkeit  ausscheiden,  welche  mit  der  Propionsäure  verwandt 
sei,  ja  selbst  das  verdauende  Prinzip  des  thierischen  Magens, 
nämlich  Pepsin  enthalten  soll  und  mit  Hülfe  dessen  die  Thier- 
leichen,  soweit  das  die  hornartige  Körperbedeckung  zulasse,  zer- 
lege und  als  Nahrung  mit  den  anliegenden  Zellen  des  Blattes 
aufnehme  —  oder  wie  man  zu  sagen  beliebt,  gleich  dem  thierischen 
Magen  verdaue. 

Zu  dieser  letzteren  Abtheilung  gehören  vorzugsweise  drei 
Pflanzengattungen,  mit  denen  man  manipulirt  hat:  das  ist  unser 
einheimischer  Sonnenthau  (Drosera),  der  portugiesische  Sonnen- 
thau  (Brosophyllum)  und  die  Fliegenialle  (Dionaea).  Bei  Drosera 
finden  sich  am  Rande  des  Blattes  lange,  drüsentragende  Borsten, 
mit  einem  wasserhellen  Inhalt  gefüllt.  Bei  Drosophyllum  stehen 
in  zwei  Reihen  gestellte  und  gestielte,  klebrige,  durchsichtige 
Drüsen.  Die  Insekten  bleiben  an  der  ausgeschiedenen,  zälien 
Flüssigkeit  kleben  und  durch  den  fortwährenden  Reiz,  den  das 
Insekt  bei  seinen  Bemühungen,  sich  zu  befreien,  ausübt,  krümmen 
sich  die  drüsentragenden  Borsten  nach  Innen  und  tragen  mit 
dazu  bei,  das  Insekt  festzuhalten,  zu  umspannen  und  zu  tödten. 
Diese  Drüsenborsten  werden  von  den  Anhängern  der  Fleisch- 
fresser-Theorie Fühlhörner  oder  Fangarme  genannt.  Dionaea 
zeichnet  sich  bekanntlich  durch  das  runde  mit  langen,  wimper- 
förmigen  Borsten  besetzte  Vorderstück  des  Blattes  aus.  Reizt 
man  die  Mittelnerven  oder  vielmehr  die  auf  der  inneren  Fläche 
der  Klai3pen  befindlichen  3  Borsten  zur  Zeit  der  Vegetation  der 
Pflanze  mit  einem  anderen  Gegenstande,  so  legen  sich  die  beiden 
Klappen  fest  aufeinander.  Ein  Insekt  bedingt  die  gleiche  Be- 
wegung des  Blattes,  wird  dabei  gefangen  und  nicht  früher  los- 
gelassen, als  bis  es  todt  ist,  d.  h.  keine  Bewegung  mehr  zeigt. 
Seit  mehr  als  100  Jahren  ist  das  bekannt;  denn  im  September 
1769  schrieb  John  EUis,  ein  englischer  Botaniker,  an  Linne: 
„Der  Bau  der  Blätter  der  Dionaea  gibt  zu  erkennen,  dass  die 
Natur  vielleicht  einiges  Absehen  auf  ihre  (der  Pflanze)  Ernährung 
bei  der  Bildung  ihrer  Blätter  gehabt  haben  möge  u.  s.  w." 


—      109      — 

Darwin  hat  das  unleugbare  Verdienst,  die  Reihe  der  Ee- 
wegungserscheinungen,  die  bei  diesen  insektenfangenden  Pflanzen 
stattfinden,  in  der  neuesten  Zeit  besonders  genau  studirt  und  in 
seiner  neuesten  Schrift  „Insectivorous  Plauts"  veröffentlicht  zu 
haben.  Er  hat  ganz  besonders  die  Drosera  studirt.  Zugleich 
hat  Darwin  als  Erster  die  Ansicht  ausgesprochen,  dass  die  ge- 
fangenen Insekten  den  betreffenden  Pflanzen  zur  Nahrung  dienen 
und  glaubt  je  an  den  Blättern,  die  ein  Insekt  gefangen,  ein 
kräftigeres  Wachsthum  konstatiren  zu  können. 

Gegen  diese  Ernährung  der  Pflanzen  durch  solche  gefange- 
nen Insekten  sprechen  nach  meiner  Ansicht  folgende  Thatsachen: 

1)  Die  Blätter  der  Pflanzen  sind  als  keine  die  flüssige 
Nahrung  aufnehmenden  Organe,  sondern  nur  als  die  aufgenom- 
menen Organe  verarbeitende  und  dabei  Feuchtigkeit  und  Gase 
ausscheidenden  und  nur  gasförmige  Körper,  d.  h.  Sauerstoff  oder 
Kohlensäure  aufnehmenden  Organe  bekannt.  Hier  aber  sollten 
mit  vollkommenen  Wurzeln  ausgerüstete  Pflanzen  plötzlich  eine 
sehr  concentrirte  Nahrung  aufnehmen,  welche  Annahme  schon 
von  vornherein  an  innerer  Unwahrscheinlichkeit  leidet. 

2)  Die  von  den  Blättern  gefangenen  Insekten  trocknen  ent- 
weder aus  oder  sie  faulen  und  in  letzterem  Falle  bedingen  sie 
nach  meiner  Erfahrung  nicht  etwa  bessere  Vegetation,  sondern 
gerade  Verderbniss  der  betreffenden  Blattgewebe,  wie  ich  das  bei 
Bionaea  und  Nepenthes  häufig  beobachtet  habe.  Die  Theoretiker 
hingegen,  welche  die  Blätter  Insekten  fressen  lassen,  sagen  ein- 
fach, dass  das  Blattgewebe  durch  Indigestion  verderbe.  Bei 
Drosera  findet  allerdings  zuweilen  stärkeres  Wachsthum  der  zu- 
nächst liegenden  Partieen  des  Blattes,  vielleicht  auch  zuweilen 
des  ganzen  Blattes  statt. 

Ist  das  aber  etwa  eine  einzeln  dastehende,  wunderbare  Er- 
scheinung ?  Wissen  wir  doch,  dass  überall  da,  wo  an  Pflanzen- 
geweben Reibungen  stattfinden,  wo  ferner  Blätter  von  Insekten 
angestochen  oder  Eier  in  deren  Zellgewebe  gelegt  werden,  sofort 
Zellwucherungen  stattfinden.  Eine  solche  Zellwucherung  in  Folge 
der  durch  die  beständige  Bewegung  des  Insektes  entstehenden 
Reibung  findet   um  so  wahrscheinlicher   statt;    denn   gerade  bei 


—      110     — 

JJrosera  entstehen    an  der  Stelle,   wo  das  Insekt   liegt,    blasen- 
förniige  Aussenkungen  an  den  Blättern. 

Den  wichtigsten  Beweis  für  das  Auffressen  der  gefangenen 
Insekten  suchen  die  Vertreter  dieser  Theorie  darin,  dass  eine 
vermehrte  Ausscheidung  von  Flüssigkeit  aus  den  Drüsen  des 
Blattes  stattlinde   und  der  Inhalt  dieser  Drüsen    sich   verändere. 

Ist  das  aber  ein  Zeichen  der  Ernährung?  Ist  das  nicht 
vielmehr  ein  Zeichen  gerade  schädlicher  Einwirkung,  wie  ihn  für 
das  Pflanzenleben  schädliche  Säuren  und  Gase  ausüben.  Stelle 
man  Pflanzen  in  ein  frisch  angelegtes  Mistbeet,  schliesse  man 
die  Fenster  und  betrachte  dann  die  schädliche  Einwirkung  des 
Ammoniaks  und  findet  solche  schädliche  Einwirkung  bei  ver- 
wesenden Thierleichen,  die  in  unmittelbarer  Berührung  mit  dem 
Blatte  sind,  nicht  viel  eher  statt,  als  eine  Nalirungsaufnahme 
behufs  der  Ernährung?  Ist  ferner  die  zuckerhaltige  Ausscheidung 
der  Blätter  in  Folge  der  Angriffe  von  Blattläusen  nicht  eine 
analoge  Krankheitserscheinung  mit  der  Vermehrung  der  wässerigen 
Ausscheidung  unserer  in  Rede  stehenden  Pflanzen? 

3)  Es  ist  Thatsache,  dass  unter  Glasglocken  kultivirte  Dionaea, 
mit  denen  keine  Insekten  in  Berührung  kommen,  viel  kräftiger 
und  gesunder  gedeihen,  als  frei  kultivirte,  die  mau  Insekten 
fangen  lässt  und  dadurch  gerade  deren  Blätter  zum  Absterben 
bringt. 

Fassen  wir  dieses  Alles  zusammen,  so  kommen  wir  zu  dem 
Schlüsse,  dass  die  Nothwendigkeit  oder  auch  nur  Nütz- 
lichkeit der  Insektenverdauung  durch  Pflanzen 
noch  lange  nicht  unwiderleglich  bewiesen  ist  —  oder 
sollte  die  Theorie  richtig  sein,  die  alle  die  verschiedenen  Organe 
der  Pflanze  im  Laufe  der  Jahrtausende  ganz  allmälig,  je  nach 
dem  Bedarf  der  Pflanze,  also  aus  innerer  Nothwendigkeit  ent- 
stehen lässt  —  also  in  diesem  Falle  aus  dem  Bedürfniss,  lebendige 
Insekten  zu  fressen,  ein  Bedürfniss,  das  vor  der  Ausbildung  dieser 
Organe  wahrscheinlich  schon  vorhanden  war,  aber  zum  Entsetzen 
der  betreffenden  Pflanzen  nicht  befriedigt  werden  konnte,  denn 
die  sehr  zu  bedauernden  Blätter  mussten  ihre  leckeren,  in  der 
Nähe  umherfliegenden   oder   auf  ihnen   umherkriechenden  Braten 


—    111    — 

ungenützt  und  uugekostet  entlassen.  So  bat  nun  das  innere, 
heftige  Verlangen  bis  jetzt  nur  die  Fangarme  herauswachsen 
lassen.  Wenn  nun  die  Fortentwicklung  in  dieser  Beziehung 
Millionen  von  Jahren  noch  so  fortgeht,  dann  werden  die  Wimpern 
zu  Zähnen,  die  Blätter  zu  wirklichen  Mägen,  die  Wurzeln  wahr- 
scheinlich zu  Darmkanälen  werden  und  dann  wehe  der  Insekten- 
weit!  -—  Bis  jetzt  durch  die  Pflanzenwelt  ernährt,  werden  die 
Eollen  wechseln  und  die  Pflanzen  werden  sich  von  den  Insekten 
nähren  und  die  Insekten  und  überhaupt  die  Thierwelt  die  Nah- 
rung direkt  aus  Luft  und  Erde  aufnehmen. 

VII.  Apotheker  Fehleisen  in  Reutlingen  sprach  über 
„einige  alte  Probleme  in  neuem  Gewände."  Ersuchte 
nachzuweisen,  dass  die  heutige  Wissenschaft  vielfach  noch  mit 
denselben  Problemen  beschäftigt  sei,  wegen  deren  Lösung  die 
Gelehrten  des  Mittelalters  sich  abmühten,  wenn  auch  die  Art 
und  Weise,  wie  und  die  Gründe,  warum  man  diese  Probleme 
heute  noch  zu  lösen  sucht,  ganz  andere  sind,  als  damals. 

Wenn  man  z.  B.  bedenkt,  dass  für  ernste  und  gewissenhafte 
Forscher,  wie:  Albertus  Magnus,  Roger  Bacon,  Geber,  Basilius 
Valentinus  u.  A.  die  Erzeugung  des  Goldes  blos  um  seines 
Werthes  willen  erst  in  zweiter  Linie  oder  auch  gar  nicht  in 
Betracht  kam,  sondern  lediglich  die  Frage,  ob  man  ein  Metall 
in  ein  anderes  verwandeln  könne,  so  springt  die  Analogie  sofort 
in  die  Augen,  wenn  man  weiss,  dass  die  moderne  Chemie  die 
Frage:  was  ist  ein  Element?  noch  so  wenig  beantworten  kann, 
als  die  Alchemisten  die  von  ihnen  aufgeworfene  Frage  nach  der 
Möglichkeit  Metalle  umzuwandeln.  Es  ist  nämlich  eine  gegen- 
wärtig ziemlich  unbestrittene  Annahme,  dass  die  sogenannten 
chemischen  Elemente,  d.  h.  diejenigen  Stoffe,  welche  nach  dem 
gegenwärtigen  Stande  unserer  chemischen  und  physikalischen 
Hilfsmittel  nicht  weiter  zerlegt  werden  können,  noch  nicht  jene 
letzten  Elemente  der  Materie  sind,  welche  die  heutige  Atomistik 
ihren  Deductionen  zu  Grunde  legt,  sondern  dass  sie  sich  vielmehr 
nur  als  verschiedene  Verdichtungszustände  eines  und  desselben 
Stoffes  erweisen  möchten,  welche  Annahme   von  der  Einheit   des 


—      112      — 

Stoffes  in  schönstem  Einklänge  stellt  mit  der  längst  erkannten 
Einheit  der  Kraft. 

Als  zweites  Problem  behandelte  Redner  die  Darstellung  des 
ho m Line  u Ins,  d.  h.  heute  die  Erforschung  des  Uebergaugs 
von  der  unbelebten  zur  belebten  Natur.  Der  Unterschied  zwischen 
der  Herstellung  eines  homuneulus  und  dem  Auffinden  des  Punktes, 
wo  die  Atome  zum  lebenden  Protoplasma  sich  gruppiren,  ist 
nicht  so  gross,  wenn  man  die  Ansicht  vieler  hervorragender 
Naturforscher  theilt,  dass  sämmtliche  heute  die  Erde  bevölkernde 
Organismen  aus  einer  oder  einigen  wenigen  solcher  protoplasma- 
tischer  Urformen  hervorgegangen  sind. 

Ein  drittes  Problem  ist  die  Herstellung  eines  Lebens- 
elixirs  —  heute:  die  Bestrebungen  der  Hygiene.  Wenn  es 
uns  gelingt,  die  richtige  Methode  der  Ernährung  aufzufinden, 
nach  welcher  regelmässig  die  durch  das  Leben  selbst  absorbirten 
Kräfte  des  Körpers  in  vollkommener  Weise  wieder  ersetzt  werden, 
so  haben  wir  unzweifelhaft  ein  Mittel  zur  Verlängerung  des 
Lebens  über  das  jetzige  Durchschnittsalter  hinaus;  die  Kenntniss 
über  den  Einfluss  der  einzelnen  Nahrungsmittel  auf  den  Organis- 
mus, über  ihre  Assimilirbarkeit  und  über  die  Art  und  Weise, 
wie  durch  sie  der  Verlust  an  Kraft  ersetzt  wird,  ist  namentlich 
seit  Liebig  bedeutend  fortgeschritten  und  wir  dürfen  hoffen,  das 
Greheimniss  der  rationellsten  Ernährung  bald  enthüllt  zu  sehen, 
bis  zu  welcher  Zeit  es  dann  hoffentlich  auch  gelungen  sein  wird, 
dem  frechen  und  schamlosen  Treiben  der  Lebensmittelverfälscher 
ein  Ziel  zu  setzen. 


III.  Abhandlungen. 


Beiträge  zur  Kenntniss  der  fossilen  Fische  ans  der  Molasse  m 

Baltrinpn. 

Von  Pfarrer  Dr.  J.  Probst  in  Essendorf. 

(Hiezu  Tafel  I.) 

Hayflsehe*  (Selachoidei  A.  Grünther). 

Die  Reste,  die  sich  von  Hayen  fossil  zu  erhalten  vermoch- 
ten, sind  hauptsächlich  die  Zähne  und  die  Wirbel.  Die  kleinen 
Placoidschuppen,  welche  die  Haut  derselben  bedecken,  lassen  sich 
wegen  allzu  geringer  Grösse  nicht  auffinden,  und  Flossenstacheln 
kommen  nur  vereinzelt  bei  einer  einzigen  Familie  (Spmacidae)  vor. 

Die  Wirbel,  welche  in  beträchtlicher  Anzahl  bei  Baltringen 
von  dem  Verf.  gesammelt  wurden,  sind  erst  in  neuester  Zeit 
vom  Herrn  Professor  Dr.  Hasse  in  Breslau  zur  Bestimmung 
übernommen  worden;  doch  ist  die  nähere  Untersuchung  bislang 
noch  nicht  ausführbar  gewesen.  Nach  brieflicher  Mittheilung 
ergibt  sich  jedoch   schon    aus    der  ersten    Durchsicht,  das.9   das 


*  Nach  dem  Wunsche  der  Ptodaction  werden  die  Reste  der 
fossilen  Haye  in  HI  Abtheilungen  in  diesen  Heften  veröffentlicht  wer- 
den, wovon  die  gegenwärtige  die  Familie  der  Carcharidae  A.  Günther 
vorführt.  In  der  H.  Abtheihing  werden  die  Lamnidae  und  in  der  HI. 
die  Notidanidae,  Scylliidae,  Spinacidae  und  Sqiiatinidae  nachfolgen.  — 
Frühere  Beiträge  finden  sich  in  diesen  Heften  im  Jahrgang  1874  und  1877. 

Württpmb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  ö 


1 


—      114 


Material  eine  erfreuliche  und  seltene  Mannigfaltigkeit  von  Hay- 
fisch-  und  Rochenwirbeln  darbietet.  Es  wird  constatirt  die 
Anwesenheit    der   Geschlechter,    theilweise    in    mehreren     Arten 

von: 

Oxyrhina, 

Gäleocerdo, 

Galeus, 

Hemigaleus, 

ScylUum, 

Acanthias, 

Scpnnus, 

Squafina, 
und    von    den    Rochengeschlechtern: 

Fristis, 

Bhinobafes, 

Raja, 
Torpedo, 
Myliobates. 
Wir  werden  wohl  Gelegenheit  haben,  auf  die  Wirbel  später 
zurückzukommen. 

Das  reichste  und   ohne  Zweifel    wichtigste    Material   bieten 
jedoch  die  Zähne  der  Squaliden  dar.   Die  oberschwäbische  Molasse 
(helvetische  Stufe)  weist  mehrere  Localitäten  auf,  in  denen  eine 
grössere    oder    geringere     Anzahl    derselben    gefunden    wurden. 
Die  Zähne  von  Ursendorf,  0/A.  Saulgau,  erhielt  ich  zur  Ansicht 
von   den    Herren    Steudel,   Elwert  und   Peter.     Von    Siessen, 
0  A.   Saulgau,  besitze  ich  selbst   ein  nicht   unbeträchtliches   Ma- 
terial.  VonErmingen,  St  otzingen,  Ramminge  n  ,  sämmt- 
lich  am  Südabhang  der  Alb,  stand  dem  Verfasser,  ausser  den  in 
seinem   Besitz   befindlichen   Stücken,    die    Sammlung    des    Herrn 
Wetzler  zu  Gebot.    Auch  das  in  den  öffentlichen  Sammlungen 
zu  Stuttgart  und  Tübingen  befindliche  Material  konnte  untersucht 
werden,  wobei  besonders  hervorzuheben  ist,    dass  mir    durch   die 
Ereundschaft   des    Herrn    Professor    Eraas    auch    die  Originale 
jener  Zähne  mitgetheilt  wurden,  welche  Agassiz  zur  Aufstellung 
und  Begründung  seiner  Bestimmungen  aus  der  oberschwäbischen 


—     115     — 

Meeresmolasse    gedient   hatten.      Der    Verfasser    stattet    hiemit 
sämmtlichen  Herren  seinen  Dank  ab. 

Ein  sehr  reichhaltiges  Material  (circa  60,000  Zähne)  sam- 
melte der  Verfasser  während  reichlich  25  Jahren  in  den  Stein- 
brüchen von  Baltringen  und  Umgegend,  0/A.  Laupheim,  sowie  in 
Warthausen,  Eöhrwangen,  Alberweiler,  Langen- 
schemmern,  S  chemmerb  e  rg,  Altheim  und  Inger- 
kingen,  O'A.  Biberach. 

Was  die  Bearbeitung  des  fossilen    Materials   anbelangt,   so 
wurden,    soweit   ausführbar,   die  lebenden   Haye   einlässlich  und 
sorgfältig  nach  ihrem  Gebiss    verglichen    und    habe  ich  der   Zu- 
vorkommenheit des  Herrn  Oberstudienraths  Dr.  v.  K  r  a  u  s  s  hie- 
für   meinen  öffentlichen  Dank  auszusprechen.     Die  Vergleichung 
ist  dadurch  wesentlich  erleichtert,   dass   die    lebenden    und   mio- 
cenen  Squalidengeschlechter    einander   sehr    nahe    stehen.      Die 
benützte    Literatur    wird     im    Context    angeführt.      Die    syste- 
matische Eintheilung  wurde  nach  Albert  Günther  geordnet.    Die 
für  die  lebenden  Haye  wichtigsten  Werke  von  Müller  und  Henle, 
Aug.  Dumeril  und  Klunzinger  wurden  sorgfältig  beigezogen.    Die 
besondere    Rücksichtnahme     auf   letzteres    Werk    (Synopsis    der 
Fische  des  rothen  Meers)   rechtfertigt  sich  aus  der  mannigfachen 
VerwandtscJiaft  der  Fischfauna  des  Molassemeers  und  des  rothen 
Meers.     Zur  unmittelbaren  Bestimmung    der    schon   bekannt   ge- 
machten   fossilen    Zähne    dienten    die    Werke    von   Agassiz    (Re- 
cherches  sur  les  poisson  fossiles  Tom.  III);    sodann    von  Gibbes 
(Monograph  of  the  fossil  Squalidae  of  the  United  States);  ferner 
die  Abhandlungen   in  Graf  Münsters  Beiträgen   und  andere    Ab- 
handlungen von  Winkler  und  Neugeboren. 

Der  Verfasser  richtete  sein  Hauptaugenmerk  darauf,  die 
Zahnreihen  der  fossilen  Haye,  nicht  blos  vereinzelte  Zähne, 
soweit  möglich  nachzuweisen  oder  doch  mit  annehmbaren  Gründen 
zu  unterstützen;  bei  jenen  Geschlechtern,  deren  lebende  Re- 
präsentanten in  den  verschiedenen  Theilen  des  Rachens  sehr 
wenig  abweichende  Zahnformen  besitzen,  genügte  es  selbst- 
verständlich, einen  einzigen  Zahn  zu  beschreiben  und  abzubilden. 
Em  Blick  auf  die   vorhandenen  paläontologischen    Arbeiten   gibt 

8* 


—     116     — 

hinreichende  Belehrung,  wieviel  hier  noch  zu  tlmn  ist.  Die 
Schwierigkeit  dieses  Unternehmens  ist,  da  die  Zähne  fast  über- 
all nur  vereinzelt  vorkommen,  gross  und  muss  hier  vielfach  auf 
Nachsicht  gerechnet  werden.  Der  Umstand  jedoch,  dass  an 
einer  und  derselben  Localität  oder  an  sehr  nahe  bei  einander 
liegenden  fast  zusammenhängenden  Plätzen  durch  lange  Jahre 
hindurch  sorgfältig  ein  sehr  grosses  Material  gesammelt  wurde, 
möchte  immerhin  einige  Gewähr  dafür  bieten,  dass  bis  auf  einen 
gewissen  Grad  eine  Vollständigkeit,  wenn  auch  nicht  Lücken- 
losigkeit  des  Materials  erzielt  worden  sein  dürfte  und  damit  die 
Möglichkeit  einer  theilweisen  ßekonstruction  der  Zahnreihen. 

Sehr  werthvoll  und  für  den  definitiven  Abschluss  der  Arbeit 
entscheidend  war  eine  persönliche  Zusammenkunft  und  Berathuug 
mit  Herrn  Dr.  Klunzinger  im  Späthherbst  1875  zu  Stuttgart. 
Der  langjährige  Erforscher  des  rothen  Meers  und  Verfasser  der 
Synopsis  der  Fische  dieses  Meeres  unterzog  gemeinschaftlich 
mit  dem  Verf.  das  fossile  Material  der  oberschwäbischen  Molasse 
einer  eingehenden  Untersuchung  und  Prüfung,  wofür  ich  dem- 
selben meinen  Dank  auszusprechen  mich  gedrungen  fühle. 

Familie  Carchariidae  A.  Günther. 

Diese  grosse  Familie  zerfällt  nach  A.  Günther  in  drei 
lebende  Gruppen,  die  Carcharinen,  Zygaeninen  und  Mustelinen. 
Von  den  zwei  erstgenannten  Gruppen  kommen  auch  fossile  Ver- 
treter in  der  oberschwäbischen  Molasse  vor;  ob  auch  von  der 
dritten  Gruppe,  ist  zweifelhaft. 

Im  Gegensatz  zu  der  später  abzuhandelnden  Familie  der 
Lamniden,  die  in  fossilem  Zustande,  besonders  im  Tertiär,  so 
zahlreich  und  mannigfaltig  zur  Erscheinung  kommen,  sind  nur 
einige  wenige  Geschlechter  aus  der  Familie  der  Carchariiden 
häufig  und  weit  verbreitet,  namentlich  die  Geschlechter  Ga- 
leocerdo,  Sphyrna  und  aucli  Hemipristis.  Das  Geschlecht  Car- 
charias  selbst  im  engern  Sinn,  welches  in  der  Lebewelt  zu  so 
reicher  Entwicklung  gelangt  ist,  ist  im  fossilen  Zustande  bisher  nur 
sehr  spärlich  gefunden  worden.  Es  scheint  ein  Vorzug  der  ober- 
schwäbischen  Molasse  vor  anderwärtigen  gleichzeitigen  Schichten- 


—     117     — 

complexen  zu  sein,  dass  dieselbe  auch  von  dieser  Familie  eine 
grössere  Anzahl  von  Geschlechtern  und  Arten  aufweist.  Sie 
mögen  wohl  anderwärts  auch  nicht  ganz  fehlen,  lassen  sich  aber 
nur  durch  anhaltendes  aufmerksames  Suchen  in  so  grosser  An- 
zahl finden,  dass  man  sich  von  ihrer  Anwesenheit  voll  über- 
zeugen kann.  Die  Zähne  sind  nicht  nur  mehr  oder  weniger 
oft  sehr  selten,  sondern  vielfach  auch  klein,  so  dass  sie  leicht 
übersehen  werden. 

Gruppe  A.  Caracharini  A.  Günther. 

Die  Eigenschaften  der  Zähne  dieser  Gruppe  sind  wegen 
ihrer  Mannigfaltigkeit  erst  bei  den  einzelnen  Geschlechtern  und 
Arten  zu  beschreiben;  nur  einer  gemeinsamen  Eigenschaft  mag 
Erwähnung  geschehen,  der  innerlichen  Hohlheit  der  Basis 
dieser  Zähne.  Agassiz  hat  in  seinem  Werke  Tom.  III,  Seite  300, 
bei  Untersuchung  der  Innern  Structur  der  Squaliden-Zähne  seine 
Aufmerksamkeit  auch  auf  die  innere  Hohlheit  oder  Massivität* 
derselben  gerichtet  und  bezeichnet  als  Fische  mit  hohlen 
Zähnen : 

Hemipristis, 

Galeiis, 

Galeocerdo, 

Sphyrnüj 

Carcharias, 

Pristiurus, 

Spinax, 

Centrina^ 

Scymnus^ 

Mustelus ; 


*  Neue  Untersuchungen  über  die  innere  Structur  der  Squaliden- 
zähne  wurden  von  Dr.  0.  Hertwig  (Jenaische  Zeitschrift  1874,  S.  331) 
gepflogen.  Die  Untersuchungen  beziehen  sich  jedoch  mehr  auf  die 
Entwicklungen  im  fötalen  Zustande  als  auf  die  reifen  Zähne,  so  dass 
für  die  Untersuchung  des  fossilen  Materials  kein  besonderer  Gewinn 
sich  ergiebt. 


—      118     — 

mit  massiven  Zähnen: 

Notidanus, 

Corax, 

Carclmrodon, 

Lamna, 

Oxyrhina^ 

OdoyitaspiSf 

Otodus^ 
an  welche  sich  auch  die  Hybodonteu  anschliessen. 

Diese  Eigenschaft  ist  für  die  richtige  Unterbringung  der 
einzelnen  fossilen  Zähne  unter  die  Geschlechter  von  grosser  Be- 
deutung. Die  Hohlheit  ist  kemeswegs  nur  das  Merkmal  eines 
jugendlichen  Zustandes  der  Zähne.  Ich  besitze  nicht  wenige 
Zähne,  die  durch  den  Gebrauch  so  tief  abgenützt  sind,  dass 
die  innere  Höhlung  ihrer  Basis  von  oben  herab  blossgelegt 
wurde;  so  bei  Zähnen  von  Galeocerdo,  Hemipristis,  Carcharias 
Aprion.  Andrerseits  kann  man  sich  bei  jungen  Zähnen  anderer 
Geschlechter,  z.  B.  von  Oxyrhina  hastalis,  welche  zahlreich  und 
leicht  als  junge  zu  erkennen  sind ,  überzeugen ,  dass  sie  von 
Jugend  an  massiv  sind.  Es  will  hiemit  keineswegs  in  Abrede 
gezogen  werden,  dass  bei  den  allerersten  Anfängen  der  Zahn- 
bildung sich  überall  der  Zustand  der  Hohlheit  vorfindet.  Allein 
während  bei  den  Zähneu  der  Carchariiden-Familie  sich  die 
Höhlung  zeitlebens  erhält,  so  verwächst  dieselbe  bei  der  Familie 
der  Lamniden  so  frühzeitig,  dass  wegen  Mangels  an  minera- 
lischer Substanz  eine  Erhaltung  solcher  Zähne  im  fossilen  Zu- 
stande ausgeschlossen  ist.  Wenn  in  den  nachfolgenden  Be- 
schreibungen die  Eigenschaft  der  Hohlheit  oder  Massivität  an- 
geführt wird,  so  beruht  unsere  Angabe  auf  directer  Beobach- 
tung an  zerbrochenen  Exemplaren. 

1.  Geschlecht:  C archarias.  Cuv. 

cf.  Müller  und  Henle :  Systemat.  Beschreibung  der  Plagiostomen 
S.  28  —  49.  Die  Tafeln  der  Abbildungen  sind  in  diesem 
Werke    nicht    mit    Nummern    versehen.      Albert  Günther: 


~     119     — 

Catalogue    S.     357.     Kluüzinger:      Synopsis   II,    S.    655. 

(215.) 

Das  Geschlecht  Garcharias  wird  von  Müller  und  Henle, 
■wie  auch  von  A.  Günther  in  fünf  Untergeschlechter  abgetheilt 
und  zum  Eintheilungsgrund  derselben  die  Gestalt  der  Zähne 
verwerthet,  so  dass  es  möglich  ist,  auch  das  fossile  Material 
unter  die  lebenden  Uutergeschlechter  zu  vertheilen.  Die  Cha- 
rakterisirung  der  Zähne  ist  desshalb  bei  den  einzelnen  Unter- 
geschlechtern vorzubringen  und  sind  nur  wenige  Bemerkungen 
voranzuschicken.  Die  bei  allen  Arten  dieses  Geschlechts  vor- 
handenen Mittelzähne  (Symphysenzäline)  können  fossil  nur  bei 
wenigen  Arten  mit  Grund  nachgewiesen  werden ;  dieselben  sind 
theils  der  Natur  der  Sache  nach  zu  selten,  theils  aber  auch  so 
klein  und  so  wenig  charakteristisch,  dass  man  in  den  meisten 
Fällen  nicht  erwarten  kann,  sie  fossil  zu  finden  und  zu  deuten. 
Bei  den  bekannten  Arten  dieses  Geschlechts  kommt  es  oft  vor, 
dass  die  Zähne  des  Ober-  und  Unterkiefers  in  den  Umrissen 
wesentlich  von  einander  verschieden  sind.  Wenn  dieser  Fall, 
was  leicht  möglich  ist,  auch  bei  den  fossilen  Thieren  vorkommt, 
so  wird  es  schwer,  sogar  unmöglich  sein,  dem  Irrthum  zu  ent- 
gehen, dass  man  die  sehr  verschiedenen  Zahnformen  auch  ver- 
schiedenen Arten  zuweist.  Doch  kann  das  Vorkommen  hier 
einigermassen  Licht  geben.  Wenn  die  Formen  der  Zähne  des 
Ober-  und  Unterkiefers  nicht  allzu  sehr  verschieden  sind  und 
zudem  in  ungefähr  gleicher  Häufigkeit  sich  vorfinden,  so  wird 
es  nicht  allzu  gewagt  sein,  dieselben  zu  einer  Art  zu  ver- 
binden. Wenn  aber  die  eine  Form  beträchtlich  häufiger  oder 
seltener  ist,  als  die  andere,  so  wird  man  davon  abstehen  müssen, 
sie  miteinander  zu  verbinden.  Dagegen  sind  bei  diesem  Ge- 
schlechte die  Zähne  eines  jeden  Kiefers  unter  sich  selbst,  vorn 
und  hinten,  in  ihrer  Form  meist  gut  übereinstimmend,  so  dass 
bei  vielen  Arten  es  genügt,  einen  einzigen  Zahn  als  Reprä- 
sentanten des  Gebisses  zu  fixiren.  Eine  auffallende  Ausnahme 
kommt  nur  vor  bei  jenen  Zähnen  des  Untergeschlechts  Frio- 
nodon,  welche  an  den  Typus  des  lebenden  C.  (Frionodon) 
glyphis  sich  anschliesen. 


—      120      — 

a)  Subgenus  Scoliodon  M.  H. 
Wie  der  Name  besagt,  sind  die  Zahnspitzen  zu  ihrer  Basis 
schief  gestellt  (mit  Ausnahme    des  Symphysenzahns);    an    den 
Rändern  sind  dieselben    ohne  Zähnelung    (cf.  M.  H.  1.  c.  S.  28. 
A.  Günther  S.  357,  Klunzinger  S.  215). 

1.  Art:  C.  Scoliodon  Kraussi  n.  sp. 

Tafel  1.    Figur  7—11. 

Die  Abbildung  und  Beschreibung  der  Zähne  dieses  Unter- 
geschlechts  bei  Müller  und  Henle  lässt  die  Anwesenheit  des- 
selben in  der  oberschwäbischen  Molasse  mit  Bestimmtheit  er- 
kennen. Die  in  Figur  8  (von  aussen)  und  9  (von  innen)  ab- 
gebildeten Zähne  fassen  wir  als  Unterkieferzähne  auf;  dieselben 
sind  hohl,  au  den  Rändern  ungezähnelt  und  schief  gegen  die 
Basis  gestellt.  Auch  die  Grösse,  die  je  nach  der  Stellung  im 
Kiefer  zwischen  0,01  m  und  0,005  m  schwankt,  stimmt  gut  mit 
dem  von  Müller  und  Henle  abgebildeten  Sc.  laticaudus  überein. 
Als  sehr  wahrscheinliche  Oberkieferzähne  ziehen  wir  hinzu  die 
Fig.  10  von  aussen  und  Fig.  11  von  innen  abgebildeten  Stücke. 
Sie  sind  etwas  weniger  schief  gegen  die  Basis  geneigt  und  die 
Hauptspitze  ist  mehr  breitlich.  Man  könnte  auf  Grund  dieser  Ab- 
weichung eine  eigene  Art  aufstellen;  allein  auch  bei  den  lebenden 
Arten  sind  Ober-  und  Unterkieferzähne  etwas  verschieden,  z.  B. 
Scoliodon  acutus  nach  Klunzinger.  Die  von  Müller  und 
Henle  abgebildeten  Zahnreihen  des  lebenden  Sc.  laticaudus 
lassen  gleichfalls  erkennen,  dass  die  Oberkieferzähne  etwas 
weniger  schief  geneigt  sind  und  ihre  Spitze  etwas  breiter  ist, 
als  bei  den  Unterkieferzähnen.  Zudem  sind  beide  Zahnformen 
in  Bezug  auf  ihre  Häufigkeit,  besser  in  Bezug  auf  ihre  Selten- 
heit, unter  sich  ganz  gut  im  Gleichgewichte.  Die  Deutung  des 
in  Figur  7  abgebildeten  Zahnes  als  Symphysenzahn  rechtfertigt 
sich  durch  die  schmale  und  aufrechte  Gestalt  und  seine  glatt- 
randige  Beschaffenheit.  Von  den  Symphysenzähnen  der  Sphyma 
serrata  (wovon  unten)  unterscheidet  er  sich  durch  den  Mangel  an 
jeder  Zähnelung;  von  den  Zähnen  der  C,  Aprion  stellatus 
(wovon  uuten)  trennt  ihn  die  kurze  schmale  Basis. 


—      121      — 

Ob  der  Scoliodon-ZikUj  den  Keuss  aus  der  Kreide  Böhmens 
anführt,  zu  diesem  Subgenus  gehört,  müsste  noch  besonders 
durch  den  Nachweis  der  innern  Höhlung  erhärtet  werden.  Eine 
schiefe  Neigung  der  ungezähnelten  Spitze  kommt  noch  bei  so 
manchen  Arten,  besonders  auch  aus  der  Familie  der  Lamniden 
vor,  dass  dieses  Merkmal  allein  nicht  entscheidend  ist. 

Wir  erlauben  uns,  diese  Art  dem  Herrn  Oberstudienrath 
V.  Krauss  zu  widmen  in  dankbarer  Anerkennung  seines  zuvor- 
kommenden Beistandes  bei  Benützung  des  lebenden  Materials 
der  Squaliden  in  der  Stuttgarter  öffentlichen  Sammlung. 

b)  Subgenus  Aprion.  M.  H. 
Die  fossilen  Zähne  haben  wie  die  lebenden  die  Form  eines 
„ dreistrahligen  Sterns"  nach  der  Bezeichnung  von  Müller  und 
Henle  ungezähnelte,  auf  der  horizontal  sich  erstreckenden  hohlen 
Basis  senkrecht  stehende,  in  beiden  Kiefern  unter  sich  gleich- 
artige Spitzen,   (cf.  M.  H.  1.  c.  S.  31,  Klunzinger  1.  c.  S.  217.) 

2.  Art:  C.  Aprion  stellatus  n.  sp. 

Taf.  1,  Fig  1—3. 

Die  Zähnchen  sind  unter  sich,  wie  bei  den  lebenden  Arten, 
so  übereinstimmend  und  dabei  von  so  einfacher  und  sym- 
metrischer Form,  dass  ausser  des  Grösseunterschieds  wenige 
Unterschiede  zu  bemerken  sind.  Fig.  1  (von  aussen)  ist  eines 
der  kleinsten  Exemplare,  die  ich  gefunden  habe,  die  gewöhnliche 
Grösse  ist  die  in  Fig.  2,  3  (von  aussen)  dargestellte,  somit 
circa  0,007  m.  Kleinere  Zähne  (Fig.  1) ,  welche  nur  die 
Hälfte  dieser  Grösse  erreichen,  mögen  theils  ganz  vorn  in  der 
Symphyse,  wo  auch  bei  lebenden  Arten  kleine  Zähne  sitzen, 
theils  ganz  hinten  im  Winkel  des  Kiefers  ihren  Platz  gehabt 
haben.  Auf  ein  einziges  Merkmal,  das  jedoch  nicht  ausreichend 
ist,  um  einen  Art-Unterschied  zu  begründen,  ist  aufmerksam  zu 
machen.  Während  sich  bei  Fig.  1  und  2  der  Schmelz  an  der 
Basis  mit  bräunlicher  Farbe  in  langgezogener  Linie  hinzieht, 
setzt  derselbe  bei  Fig.  3  am  Grund  der  Spitze  scharf  ab.  Es 
kommen    jedoch   Uebergänge  vor  in  der  Weise,  dass  der  Schmelz 


—     122     — 

weder  scharf  absetzt,  noch  das  äusserste  Ende  der  Basis  erreicht, 
sondern  sich  allmälig  verliert. 

Diese  Art  hat  die  häufigsten  Zähne  unter  allen  zum  Ge- 
schlecht Carcharias  zu  ziehenden  in  der  oberschwäbischen  Molasse 
hinterlassen;  ich  besitze  davon  mehrere  Hundert.  Die  Häufig- 
keit dieses  Vorkommens  und  die  augenfällige  üebereinstimmung 
mit  den  lebenden  Aprion- Arten  war  vorzüglich  entscheidend,  von 
der  Ansicht  Agassiz's  abzugehen,  dass  kaum  fossile  Garcharias- 
Zähne  erwartet  werden  durften.  Es  ist  nicht  zu  zweifeln,  dass 
diese  Zähnchen  auch  anderwärts  in  miocenen  Schichten  sich 
finden  lassen  und  schon  gefunden  sein  werden.  Ich  glaube, 
dass  der  Grund,  wesshalb  sie  nicht  schon  längst  erkannt  sind, 
wohl  nur  darin  liegt,  dass  ihre  sehr  einfache  Form  nicht  genug 
augenfällige  Merkmale  darzubieten  schien  (zumal  wenn  die  Basis, 
was  oft  vorkommt,  zerbrochen  ist),  um  dieselben  von  andern 
kleinen  Zähnen  zu  unterscheiden.  Aber  schon  die  innere  Höhlung 
weist  darauf  hin,  dass  ihnen  eine  besondere  Stellung  zukommt. 
Viel  seltener  sind  die  folgenden  Zähne,  welche  mit  den  eben 
beschriebenen  nicht  in  Einklang  gebracht  werden  können. 

3.  Art:    0.  Aprion  brevis  n.  sp. 

Taf.  I,    Fig.  4. 

Der  Zahn  ist  gleichfalls  senkrecht  auf  der  Basis  stehend, 
ungezähnelt  und  hohl,  aber  die  Basis  ist  viel  kürzer,  so  dass 
die  Gestalt  des  dreistrahligen  Sterns  verwischt  ist,  dabei  ist  der 
ganze  Zahn  mit  Einschluss  der  Basis  dicker  und  gedrungener. 
Wir  stellen  ihn  nach  diesen  Eigenschaften  als  eine  Art  des 
Untergeschleclits  Aprion  dar,  womit  jedoch  die  Möglichkeit,  dass 
er  zum  nächstfolgenden  Subgenus  gehören  könnte,  nicht  aus- 
geschlossen ist. 

Die  Unterkieferzähne  des  Carcharias  (Frionodon)  alhimar- 
ginatus  kommen  in  ihren  sämmtlichen  Eigenschaften  mit  dem 
Typus  der  Zähne  des  Subgenus  Aprion  überein,  während  die  Ober- 
kieferzähne nach  dem  Typus  der  Prionodonten  gebaut  sind.  Es  ist 
ohne  Anstand  zuzugeben,  dass  irgend  einer  der  unten  aufzuführen- 
den Arten  von  Frionodon  solche  Zähne  des  Unterkiefers  zugehört 


—     123      — 

haben  könnten ;  man  wird  jedoch  kaum  im  Stande  sein,  dieselben 
mit  Sicherheit  auszuscheiden.  Ebenso  sind  die  ünterkieferzähne 
des  Untergeschlechts  Hyjpoprion  in  ihren  Umrissen  von  dem 
Charakter  der  Zähne  des  Untergeschlechts  Äprion  nicht  zu  unter- 
scheiden, worauf  wir  sogleich  zu  sprechen  kommen.  Diese  Un- 
sicherheit der  Bestimmung  betrifft  jedoch  nur  die  Species 
A.  brevis,  nicht  auch  die  Art  Ä.  stellatus.  Letztere  Zähne  sind 
in  so  grosser  Anzahl  vorhanden,  dass  sie  durchaus  nicht  als 
Unterkieferzähne  irgend  einer  andern  Carcharias-Art  aufgefasst 
werden  können,  da  sämmtliche  fossile  Arten  von  Carcharias  au 
Häufigkeit  des  Vorkommens  entschieden  nachstehen. 

c)  Subgenus  HypopHon  M.  H. 
Die  Oberkieferzähne  haben  glatte  schiefsteJiende  Spitzen; 
die  Basis  zeigt  eine  grobe  Zähuelung  ,  bestehend  in  zwei  bis 
drei  grossen  Zacken.  Die  Unterkieferzähne  weichen  beträchtlich 
ab,  sind  gerade,  schmal,  ungezähuelt  auch  an  ihrer  Basis. 
(M.  H.  1.  c.  S.  34.) 

I  4.  Art:   G.  Hi/poprion  singularis   n.  sp. 

i,  Taf.  r,  Fig.  5,  6. 

Die  in  Fig.  5"  von  der  Innenseite  und  in  Fig.  6  von  der 
Aussenseite  dargestellten  Zähne  zeigen  die  schiefgestellte  glatte 
Spitze  und  grobe  Zähnelung  ihrer  Basis,  und  stimmen  mit  den 
Oberkieferzähnen  des  lebenden  H.  Macloti  und  hemioäon  gut 
überein;  nur  besitzen  die  lebenden  eine  um  das  Doppelte  be- 
trächtlichere Höhe.  Durch  die  grobe  Zähnelung  an  der  Basis 
erinnern  sie  auch  an  eine  später  zu  beschreibende  Art  von 
Notidanus,  unterscheiden  sich  aber  von  letzteren  ganz  bestimmt 
durch  ihre  innerliche  Höhlung ,  den  scharfen  Ausschnitt  des 
Schmelzes  an  der  Innenseite  und  durch  die  ganz  anders  gebaute 
Wurzelbasis.  Schon  das  Vorhandensein  eines  Nährloches  auf 
der  Innenseite  der  Wurzel  (Fig.  5)  schliesst  sie  mit  Bestimmt- 
heit von  dem  Geschlecht  Notidamis  aus.  Einige  Aehnlichkeit 
mit  dem  Geschlecht  Galeus  ist  vorhanden;  aber  die  Ueber- 
einstimmung  mit  dem  Untergeschlecht  Hypoprion  ist  weit  äugen- 


—     124     — 

fälliger.  Die  ünterkieferzähne  sind  bei  den  lebenden  Arten 
stark  von  der  Form  der  Oberkieferzähne  abweichend,  wie  oben 
angegeben.  "Wenn  sie  bei  den  fossilen  auch  so  beschaffen 
waren,  was  leicht  möglich  ist,  so  tragen  sie  den  Typus  des 
TJntergeschlechts  Aprion  und  werden  sich  von  demselben  im 
vereinzelten  Zustande  nicht  unterscheiden  lassen.  Wir  weisen 
ausdrücklich  auf  die  Zähne  der  fossilen  Art  Aprion  hrevis  hin. 
Auch  nach  der  Seltenheit  des  Vorkommens  wäre  es  leicht  mög- 
lich, dass  dieselben  nichts  anderes  sind,  als  die  ünterkiefer- 
zähne von  Hypoprion  singularis,  welche  zu  den  ganz  seltenen 
Erfunden  der  oberschwäbischen  Molasse  gehören. 

d)  Subgenus  Frionodon  M.  H. 
(cf.  1.  c.  S.  36—49.  Klunzinger  S.  218.) 
Dieses  Untergeschlecht  zählt  unter  den  lebenden  weitaus 
die  meisten  Arten.  Müller  und  Henle  beschreiben  deren  19, 
A.  Günther  22  Species.  Fossil  sind  dieselben  nach  den  bis- 
herigen Veröffentlicliungen  auffallend  selten;  die  schwäbische 
Molasse  weist  jedoch  eine  nicht  unbeträchtliche  Anzahl  auf.  Es 
mag  leicht  sein,  dass  einzelne  Zähne  mit  den  allerdings  sehr 
benachbarten  Formen  des  Geschlechts  Galeocerdo  einerseits  und 
Sphyrjia  andrerseits  zusammengeworfen  wurden;  erst  dadurch, 
dass  man  in  den  Besitz  einer  grösseren  Anzahl  von  unter  sich 
übereinstimmenden  Zahnformen  gelangt,  vermag  man  sich  von 
dem  wirklichen  Vorhandensein  dieses  üntergeschlechts  zu  über- 
zeugen, besonders,  wenn  auch  solche  Zähne  sich  vorfinden,  die 
den  lebenden  Arten  sehr  nahe  stehen,  wie  dies  in  der  That  der 
Fall  ist.  Wie  der  Name  besagt,  sind  die  Zähne  dieses  ünter- 
geschlechts an  den  Rändern  gezähnelt.  Das  gilt  jedoch  nicht 
ganz  ausnahmslos;  besonders  bei  dem  lebenden  C.  Prionodon 
Glyphis  sind  die  Zahnformeu  gemischt;  die  Oberkieferzähne 
dieser  Art  sind  an  den  Rändern  gezähnelt,  von  dreiseitiger 
etwas  schief  stehender  Form;  bei  den  ünterkieferzähnen  stehen 
die  drei  bis  vier  vorderen  Zähne  aufrecht,  sind  spiessförraig 
ungezähnelt,  an  der  Spitze  scharf  schneidend  und  meisselförmig 
sich  ausbreitend ;  in  ihren  unteren  Theilen  gegen  die  Basis  sind 


—      125     — 

diese  Zähne  im  Querschnitt  rundlich.  Die  weiter  nach  liinten 
stehenden  Zähne  des  Unterkiefers  nähern  sich  sodann  der  Form 
der  Oberkieferzähne.  Während  jedoch  die  Bezahnung  mit  so 
beträchtlich  abweichenden  Formen  bei  dem  C.  Prionodon  Gly- 
phis  ganz  vereinzelt  in  der  Jetztwelt  dasteht ,  war  sie  in  der 
Vorwelt  viel  häufiger.  Agassiz  sah  sicli  veranlasst  ein  eigenes 
Geschlecht  Glyphis  zu  bilden  und  demselben  Zähne  aus  dem 
Londonthon  von  Bristol  (Glyphis  hastalis  Ag.)  zuzutheilen. 
Graf  Münster  stellte  eine  Glyphis  tingulata  nach  Zähnen  aus 
dem  Wiener  Becken  auf;  Gibbes  eine  Glyphis  suhulata  nach 
amerikanischen  Zähneu.  Wir  werden  finden,  dass  in  der  ober- 
schwäbischen Molasse  dieser  Typus  ebenfalls  gut  vertreten  ist. 
Wir  halten  jedoch  nicht  für  nöthig,  geradezu  ein  neues  Ge- 
schlecht aus  ihnen  zu  machen,  sondern  möchten  in  dem  umfang- 
reichen Untergeschlecht  Prionodon  zwei  Typen  untersclieiden, 
nämlich  den  Typus  der  gewöhnlichen,  in  der  Jetztwelt  am  zahl- 
reichsten vertretenen  Zähne,  den  wir  den  Typus  von  C.  Prio- 
nodon Lamia  nennen;  und  den  Typus  von  C.  Prionodon 
Glyphis. 

a.    Typus  von  Carcharias  Prionodon  Lamia. 
Zähne    hohl,    ziemlich   flach ,    dreieckig  mit    sanftem    oder 
schärferem  Einschnitt   an  der   Hinterseite,    gezähnelt,  gegen   die 
Basis  geneigt  oder  aufrecht  stehend. 

5.  Art:  Prionodon  similis  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  12—19. 

Während  die  Fische  der  bisher  abgehandelten  lebenden 
Untergeschlechter  nur  in  ganz  grossen  Sammlungen  sich  finden 
und  man  sich  zur  Vergleichung  mit  den  Abbildungen  begnügen 
muss,  steht  überall  für  die  Prionodonten  der  weit  verbreitete,  im 
Mittelmeer  lebende  Carcharias  Prionodon  Lamia  zu  Gebot.  Eine 
Vergleichung  dem  den  Zeichnungen  bei  Müller  und  Henle  und  noch 
mehr  mit  dem  Stuttgarter  Exemplar  liess  erkennen,  dass  ein  sehr 
ähnlicher  Fisch,  wenigstens  was  die  Zähne  anbelangt,  Inder  schwä- 
bischen Molasse  gelebt  und  nach  der  nicht  unbeträchtlichen  Zahl 


—     126     — 

der  Zäline,  die  hier  abgelagert  sind,  keineswegs  z5  den  Seltenheiten 
gehört  habe.  Der  Symphysenzahn,  Fig.  12,  stimmt  mit  dem  ent- 
sprechenden Zahn  des  Stuttgarter  Cabinets  selbst  in  seiner  etwas 
unregelmässig  und  verkrümmt  aussehenden  Form  ganz  gut  überein. 
Dann  folgen  im  Oberkiefer  zunächst  minder  grosse  Zähne,  Fig.  13, 
die  auch  beim  lebenden  Fische  am  Vorder-  und  Hinterrand  eine 
sanftwinklige  Einbuchtung  zeigen ;  dann  grössere  Zähne,  die  bis 
gegen  0,02  m  gross  werden  (Fig.  14  von  aussen  und  Fig.  15 
von  innen);  am  Vorderrand  fehlt  jede  Einbuchtung,  am  Hinter- 
rand ist  ein  seichter  Bogenausschnitt  vorhanden;  ganz  nach 
hinten  werden  die  Zähne  wieder  kleiner,  Fig.  16,  und  der  Winkel- 
ausschnitt wieder  schärfer.  Die  Zähnelung  erstreckt  sich  bei 
allen  Zähnen  über  den  ganzen  Umfang,  ist  jedoch  gegen  die 
Basis  etwas  gröber,  als  gegen  die  Spitze  zu.  An  keinem  Zahn 
kann  bemerkt  werden,  dass,  was  bei  Galeocerdo  gewöhnlich  ist. 
die  grösseren  Zacken  der  Basis  für  sich  wieder  mit  Zähnelung 
versehen  sind. 

Die  Beschreibung  und  Abbildung  der  von  Agassiz  unter  der 
Bezeichnung  Galeocerdo  Egertoni  aus  dem  Tertiär  von  Maryland 
untersuchten  Zähne,  stimmt  in  den  Umrissen  gut  mit  unseren 
Fig.  14,  15  überein.  Allein  Gibbes,  dem  eine  grosse  Anzahl 
dieser  Zähne  aus  der  nämlichen  Localität  zu  Gebote  stand,  hebt 
ausdrücklich  hervor  (1.  c.  S.  13),  dass  ihre  Wurzel  sehr  dick 
und  tief  sei,  was  auf  unsere  Art  durchaus  nicht  passt.  Die 
Wurzeln  der  Zähne  von  Baltringen  sind  eher  dünn  als  dick  zu 
nennen  und  stimmen  auch  in  dieser  Beziehung  mit  dem  lebenden 
C.  Lamia  überein.  Sie  sind  hohl,  gehören  desshalb  nicht  zum 
Geschlecht  Corax,  wo  Agassiz  den  amerikanischen  Zähnen  even- 
tuell eine  Stellung  offen  hält. 

Besondere  Beachtung  verdienen  die  Zähne  Fig.  17—19. 
Sie  stehen  auf  der  Wurzelbasis  aufrecht,  sind  symmetrisch,  ge- 
zähnelt,  gegen  die  Basis  verliert  sich  die  Zähnelung.  Man  möchte 
geneigt  sein,  dieselben  als  eigene  Art  zu  betrachten,  zumal  eine 
lebende  Art  C.  Pr.  limhatus  ganz  ähnliche  nur  etwas  schmälere 
Zähne  besitzt.  Allein  es  liegt  noch  näher,  sie  mit  C.  simüis 
zu  verbinden.    Bei  dem  lebenden  sehr  analogen  Thiere  (C.  Lamia) 


—     127     — 

sind  die  Zähne  des  Unterkiefers  gleichfalls  fast  ganz  aufrecht 
gestellt  und  schmäler,  als  die  Oberkieferzähne.  Der  kleine  Zahn, 
Fig.  17,  könnte  von  einem  jungen  Individuum  herrühren,  könnte 
jedoch  auch  ein  Symphysenzahn  des  Unterkiefers  sein.  Mit  Aus- 
nahme der  verminderten  Grösse  stimmt  er  mit  den  in  Fig.  18  von 
aussenundFig.  19  von  innen  abgebildeten  Zähnen  in  allweg  überein. 

6.  Art:    Prionodon  speciosus  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  20,  21. 

Zähne  von  ansehnlicher  Grösse,  0,02  m  hoch  und  0,015  m 
lang  (in  der  Längenachse  des  Thieres);  die  Spitze  steht  etwas 
schief  auf  der  Basis;  Vorderrand  und  Aussenseite  sind  wellig 
gebogen;  Hiuterrand  in  stumpfem  sanftem  Winkel  ausgeschnitten; 
Zähnelung  an  der  breitlichen  Spitze  fein,  an  der  Basis  des  Hinter- 
randes etwas  gröber,  aber  nicht  doppelt  gezähnelt. 

Die  Entscheidung  fällt  nicht  ganz  leicht,  ob  man  diese 
seltenen  Zähne,  Fig.  20  von  aussen,  Fig.  21  von  innen  darge- 
stellt, zu  dem  Geschlechte  Galeocerdo  oder  zu  dem  Untergeschlecht 
Prionodon  ziehen  soll,  da  nach  beiden  Seiten  hin  Verwandt- 
schaften vorhanden  sind.  Die  lebenden  und  fossilen  Arten  des 
Geschlechts  Galeocerdo  zeigen  jedoch  einen  sehr  beschränkten 
Formenkreis  in  Betreff  ihrer  Zähne  und  bei  allen  ist  der  Winkel 
des  Ausschnitts  am  Hinterrand  scharf  und  zugleich  die  Länge 
der  Zähne  gegenüber  der  Höhe  überwiegend,  oder  wenigstens 
das  Gleichgewicht  haltend.  Beides  trifft  bei  unsern  Zähnen  nicht 
zu.  Dagegen  ist  der  Formenkreis  der  Prionodonten-Zähne  ein 
sehr  weiter  und  insbesondere  kommen  Zähne  mit  einem  stumpfen 
Ausschnitt  an  der  Hinterseite  bei  überwiegender  Höhe  gegenüber 
der  Länge,  bei  mehreren,  den  fossilen  Zähnen  auch  im  Umriss 
ziemlich  nahe  stehenden  Arten  vor,  z.  B.  bei  Pr.  Dussumieri^ 
sorraJi  und  andern.  Auch  die  Basis  der  Zähne  ist  kräftiger, 
als  sie  bei  G^a?eocerdo-Zähnen  gleichen  Umfangs  zu  sein  pflegt 
und  der  Schmelz  auf  der  Innenseite  (Fig.  21)  in  ziemlich  hoch 
hinaufreichenden  Bogen  ausgeschnitten;  eine  Eigenschaft,  die  wir 
nicht  bei  allen,  aber  doch  bei  vielen  Zähnen  des  Untergeschlechts 
Prionodon    finden.      Doch    erreicht   die  Basis   nicht   die  Stärke, 


—      128     ~ 

wie    bei    den   hintern   Zähnen   von    C.  Prionodon  ungulatm,    wo 
von  unten  die  Rede  sein  wird. 

7.  Art:    C.  Prionodon  deformis  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  22  von  aussen,  22b  von  innen. 

Zähne  sehr  in  die  Länge  gezogen,  Spitze  niedrig  und  abge- 
stumpft. Auf  der  langsam  ansteigenden  Vorderseite  erhebt  sich  eine 
durchscheinende,  scharfe,  schwach  gezähnelte  Kante ;  die  Hiuter- 
seite  in  etwas  mehr  als  einem  rechten  Winkel  ausgeschnitten, 
ist  gröber  gezähnelt  an  der  Basis,  übrigens  bei  allen  Exemplaren 
abgebrochen.  Basis  mittelraässig  kräftig,  hohl.  Der  Schmelz 
ist  auf  der  Aussenseite  breit  aufgetragen,  auf  der  Innenseite 
stellt  er  nur  ein  schmales  Band  dar. 

Diese  sehr  seltenen  Zähne  (ich  besitze  nur  drei  mehr  oder 
weniger  zerbrochene  Stücke)  verdienen  wegen  ihrer  ausgezeich- 
neten Eigenschaften  immerhin  hervorgehoben  zu  werden;  mög- 
lich, dass  anderswo  besser  erhaltene  Exemplare  gefunden  sind,  oder 
gefunden  werden.  Wenn  auch  der  hintere  Theil  der  Basis  des  Zahns 
abgebrochen  ist,  so  erkennt  man  aus  der  ganzen  Anlage  desselben^ 
dass  hier  die  Entwicklung  in  der  Länge  (Breite)  besonders  zur 
Geltung  kommt.  Als  eine  anomale  Verkrüppelung  lässt  sich  der 
Zahn  nicht  auffassen,  weil  auch  die  andern  Exemplare  überein- 
stimmend diesen  Bau  zeigen.  Eine  Verbindung  mit  den  Zähnen 
von  Galeocerdo  latidens  Ag.,  die  auch  sehr  in  die  Länge  gezogen 
sind,  geht  nicht  an  wegen  der  Form  und  Stellung  der  Spitze; 
dort  ist  die  Spitze  scharf,  lang,  sehr  schief  nach  hinten  geneigt, 
der  Winkelausschnitt  der  Hinterseite  spitz;  hier  die  Spitze  abge- 
stumpf  kurz,  fast  aufrecht,  wenige  Linien  hoch  und  der  Winkel- 
ausschnitt an  der  Hinterseite  niclit  spitz.  Fast  noch  sonderbarer 
gestaltet  sich  der  Zahn  von  der  Innenseite  (Fig.  22b);  der 
Schmelz  ist  der  ganzen  Basis  entlang  auf  ein  schmales  Band 
redu'cirt  und  die  kurze  niedrige  Spitze  noch  unansehnlicher,  als 
von  der  Aussenseite  betrachtet.  In  dem  weiten  Rahmen  der 
Prionodonten  lassen  sie  sich  am  besten  unterbringen,  obwohl  unter 
den  lebenden  Arten  keine  nahestehende  Form  bekannt  ist. 


—      129      — 
8.  Art:    0.  Prionodon  modestus  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  23,  24. 

Zähne,  an  den  Rändern  bis  zur  Spitze  hinauf  mit,  für  die 
geringe  Grösse  derselben  (0,006  m.),  starken  und  dichtgedrängten 
Zahneinschnitten  versehen,  die  an  dem  hintern  Basalrand  noch 
schärfer  hervortreten.  Auf  der  Innenseite  bildet  der  Schmelz 
einen  hohen  steilen  Bogen  (Fig.  23).  Die  Zähne  sind  mehr  platt 
als  dick,  auch  die  Basis  nur  massig  stark.  Der  Hinterrand  ist 
bei  den  zwei  abgebildeten  Exemplaren  in  wenig  scharfem  Winkel 
ausgeschnitten,  bei  andern  Exemplaren  noch  sanfter;  der  Vorder- 
rand ohne  Ausschnitt. 

Die  Zähne  erinnern  in  vielen  Merkmalen,  in  den  Umrissen 
und  in  der  Grösse,  wie  auch  in  der  reichlichen  Zähnelung  der 
Spitze,  an  den  lebenden  C.  Prionodon  melanopterus  und  unter- 
scheiden sich  eben  dadurch  von  Sphyrna  serrata^  mit  welcher 
sie  in  der  Grösse  übereinkommen. 


9.  Art;    C.  Prionodon  angustidens  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  25,  26. 

Die  Aehnlichkeit  dieser  Zähne  mit  den  in  Figur  20  und  21 
dargestellten  des  C.  Prionodon  speciosus  ist  nicht  zu  verkennen.  Die 
geringere  Grösse  würde  zu  einer  Artabtrennung  für  sich  allein 
durchaus  nicht  genügen.  Allein  der  Vorderrand  steigt  bei  unserer 
Art  fast  in  ganz  gleichmässig  schiefer  Flucht  auf,  während  er 
bei  Prionodon  speciosus  verschiedenartige  Krümmungen  zeigt.  Die 
Aussenseite  von  Fig.  25  hat  nicht  die  welligen  Unebenheiten 
der  letztgenannten  Art;  der  Winkelausschnitt  an  der  Hinterseite 
ist  nicht  so  stumpf  und  die  Zähnelung  an  der  Basis  der  Hinter- 
seite merklich  gröber  und  die  Spitze  gegen  die  Basis  schiefer 
gestellt.  Die  Basis  selbst  ist  nur  massig  verdickt,  auch  die 
Spitzen  sind  merklich  schwächer  und  dünner,  als  bei  den  später 
zu  beschreibenden,  zu  Prionodon  ungulatus  gehörigen  hinteren 
Zähnen.  Die  Höhe  verhält  sich  zur  Länge  der  Zähne  so,  dass 
sie  mehr  Uebereinstimmung  mit  dem  Untergeschlecht  Prionodon 
als  mit  dem  Geschlecht  Galeocerdo  haben.     Sie   sind  nicht  sehr 

Württeml).  naturw.  Jahreshefte.     1878.  9 


-      130      - 

selten.     Die  näcbstverwaiidten  Formen  unter  den   lebenden  sind 
Carcharias  sorrah  und  hemisorrah  M.  H. 

ß,    Zähne  vom  Typus  des  lebenden   C.  Prionodon  glyphis. 

Das  Vorbaudensein  der  von  Graf  Münster  als  GlyxMs  ungu- 
lata  bestimmten  Zähne  aus  dem  Wiener  Becken  ist  nach  der 
Bescbreibung  und  guten  Abbildung  desselben  (Heft  VII  der  Bei- 
träge, S.  22,  Taf.  II,  Fig.  19)  für  die  oberschwäbische  Molasse 
gesichert.  Die  Bestimmung  des  Grafen  Münster  fixirt  jedoch  nur 
einen  einzigen  Zahn,  ohne  über  die  Beschaffenheit  der  übrigen 
Zähne  eine  Andeutung  zu  geben.  Halten  wir  an  der  von  ihm  mit 
Eecbt  angenommenen  Analogie  mit  dem  lebenden  Carcharias  glyphis 
fest,  so  sind  bei  diesem,  nach  der  Beschreibung  und  Abbildung 
von  Müller  u.  Henle,  nur  die  3 — 4  vordem  Zähne  des  Unterkiefers 
von  einigermassen  unter  sich  und  mit  den  beschriebenen  fossilen 
Zähnen  übereinstimmender  Form ;  der  Rest  der  Zähne  des  Unter- 
kiefers und  die  sämmtlichen  Oberkieferzähne  weichen  in  ihren 
Formen  ab  und  müssen  abweichen;  denn  solche  nach  innen 
geneigten  Zähne  können  nur  an  der  Spitze  des  Kiefers  ihren 
Platz  gehabt  haben.  Die  weiter  zurück  an  den  Seiten  des  Kiefers 
befindlichen  müssen  anders  geformt  und  gestellt  gewesen  sein. 
So  finden  wir  es  auch  bei  andern  Hayfischgeschlechtern.  Die 
Geschlechter  Lamna,  Oxyrhina^  Odontaspis  haben  zum  Theil  sehr 
ähnliche  Zähne,  wie  diejenigen,  die  hQi  dem  Carcharias  glyphis  ander 
Spitze  des  Unterkiefers  stehen,  so  ähnlich,  dass  eine  gewisse 
Aufmerksamkeit  dazu  gehört,  um  unter  der  erdrückend  grossen  Zahl 
der  ersteren,  die  letzteren  nicbt  zu  übersehen.  Allein  nur  die  2 — 3 
Zähne  an  der  Spitze  des  Unter-  und  Oberkiefers  zeigen  diese 
Form,  die  seitlich  im  Kiefer  stehenden  nehmen  auch  bei  ihnen 
eine  seitliche  platte  Gestalt  an  mit  einer  Neigung  nicht  nach 
innen,  sondern  nach  hinten. 

In  der  Zahnreihe  dieslebQnden  Carcharias  glyphis  folgen  a.uf  die 
vordem  Zähne  des  Unterkiefers,  welche  die  Gestalt  des  „Meisseis" 
zeigen,  ebenfalls  seitlich  geneigte,  schwach  gezähnelte  Zähne; 
der  Oberkiefer  hat  lauter  §chief  stehende,  gezähnelte  im  Umriss 


—      131      ~ 

dreiseitige  Zähue,  wie  Carcharias  gangeticus  imd  Lamia  (M.  H. 
1.  c.  S.  40).  Wir  dürfen  desshalb  wohl  mit  Bestimmtheit  erwarten, 
dass  sich  an  die  wenigen,  nur  im  vordem  Theil  des  Unterkiefers 
befindlichen  Zähne,  die  bisher  von  dem  tertiären  Fische  bekannt 
gemacht  worden  sind,  ebenfalls  eine  ganze  Keihe  anders  ge- 
formter Zähne  angeschlossen  haben,  welche  der  Form  der  Car- 
charias-Z'dhxiQ  in  ihren  Umrissen  im  Allgemeinen  entsprochen 
haben  werden.  Wenn  wir  nun  unter  dem  fossilen  Material  uns 
nach  solchen  Zähnen  umsehen,  so  kann  man,  nach  unserem  Dafür- 
halten, nicht  fehlgreifen.  Sie  finden  sich  fossil  in  der  That  vor 
und  zwar  in  einer  Anzahl,  die  der  Analogie  mit  den  lebenden 
recht  gut  entspricht  und  hiemit  eine  erwünschte  Stütze  für  die 
Richtigkeit  der  Aufi'assung  darbietet.  Es  ist  jedoch  unausweich- 
lich für  die  Molasse  Schwabens  einige  weitere  Arten  noch  auf- 
zustellen. Wir  bemerken  nur,  dass  alle  diese  Zähne,  auch  die 
spiess-  oder  meisselförmigen,  innerlich  hohl  sind,  wie  unser  Ma- 
terial an  nicht  wenigen  Stücken  zeigt.  Das  ist  ein  neuer  Beleg 
für  die  Richtigkeit  der  Münster'schen  Bestimmung. 

10.  Art:    C.  Prionodon  ungulatus  Münster, 
(cf.  Beiträge  Heft  VIT,  S.  22,  Taf.  II,  Fig.  19.) 

Taf.  I,  Fig.  27-31. 

Die  Basis  der  vorderen  Zähne  des  Unterkiefers  (Fig.  27) 
hat  eine  dreifach  abgetheilte  „klauenförmige"  Gestalt;  über  der 
Basis  ist  der  Zahn  im  Querschnitt  rundlich  plump.  Auf  beiden 
Seiten  der  breitlichen  Spitze  zieht  sich  eine  scharfe  Schneide 
eine  Strecke  weit  herab,  die  sich  vom  Zahn  deutlich  abhebt. 
Sie  ist  nicht  bei  allen  Exemplaren  gleich  lang;  an  dem  abge- 
bildeten ist  sie  länger,  an  andern  gleich  lang,  wie  an  dem  von 
Graf  Münster  abgebildeten  Zahn  von  Neudörfl.  Der  Schmelz 
reicht  auf  der  Aussenseite  weit  herab,  legt  sich  noch  ein  Stück 
weit  auf  die  divergirenden  oft  ungleich  langen  Aeste  der  Basis; 
an  der  Innenseite  dagegen  reicht  er  nicht  weit  herab  und  erreicht 
nicht  den  nach  innen  stark  vorspringenden  angeschwollenen  Theil 
der  Basis.     An  zerbrochenen  Exemplaren  tritt  die  innere  Höhlung 

9* 


—      132     — 

hervor,    die    umfangreich    ist    und    ziemlich   hoch    in   die  Spitze 
hinaufreicht. 

An  diese  Zähne  schliesst  sich  zunächst  als  Uebergangszahn 
die  Form   Fig.  28    (von  innen)   an.      Der    Zahn   ist   nicht   nach 
innen  geneigt,  sondern  nach  hinten.     Die  scharfe  Schneide  zieht 
sich  bei  ihm  vorn  und  hinten  von  der  Spitze  bis  zur  Basis  hinab; 
bei  andern  Exemplaren  reicht  sie  jedoch  nur  bis  zur  Hälfte.  Die 
Basis  ist  verletzt  und  zeigt   die  Höhlung;   wenn    sie   unversehrt 
ist,    zeigt   sie  eine  starke  Anschwellung  nach  innen,    aber  keine 
beträchtliche  Ausdehnung   von  vorn   nach  hinten.     Da   sich   von 
dieser  Zahnform  nur  drei  Exemplare    gefunden   haben,    während 
von  der  vorhergehenden  elf,    so  kann  man  daraus  einigermassen 
das  Zahlenverhältniss  bei  den  Zahnformen   im  Kiefer    abnehmen, 
zumal  sich  auch  bei  der  nächstfolgenden  Art  das  gleiche  Zahlen- 
verhältniss herausstellt.     Da  die  Zahnform  Fig.  27  weit  vorn  im 
Unterkiefer   stehen    musste    und    die    spärlichen   Zähne  Fig.  28, 
von  deren  Form  keine  kleineren  niedrigeren  Exemplare  sich  vor- 
finden, durchaus    nicht  zureichen,    um  die  Zahnreihe    auszufüllen, 
so  müssen  nach  Analogie  des  lebenden  Carcharias  glyphis  die  wei- 
teren Zähne  des  Unterkiefers  und  die  Oberkieferzähne   noch  ge- 
sucht werden.     Nach  dem  Vorkommen  in  Baltringen    kann    kein 
Zweifel  bestehen,    dass  die  in  Fig.  29—31    abgebildeten  Zähne 
hieher  gehören.     Diese    kräftigen  Zähne,    welche    in    ihren  drei- 
seitigen Umrissen  die  Form    der  Prionodonten   tragen    und    dem 
lebenden  Carcharias  glyphis  nicht  ferne  stehen,  sind  rings  gezähnelt ; 
die  hintere  Seite  ist  winklig  ausgeschnitten;    auf  der  Basis   der 
hintern  Seite  wird  die  Zähnelung  merklich  gröber.    An  der  Innen- 
seite (Fig.  29,  31)  reicht  der  Schmelz  viel  weniger  weit  herab, 
als   auf   der  Aussenseite    (Fig.  30).     Die   Wurzel   springt   nach 
innen  in  sehr  starker  Wölbung  vor  und  birgt   eine  entsprechend 
grosse  Höhlung.     Diese  beträchtliche  Verdickung   der  Basis,   an 
welcher  auch   die  Spitze    des  Zahns  theilnimmt,   ist   das  augen- 
fälligste   Merkmal,    welches    diese    Zähne    von    dem    Geschlecht 
Galeocerdo    unterscheidet.     Auch   bei    den    schon   beschriebenen 
Arten  Prionodon  speciosus  und  angustidens  erreicht  sie  diese  Dicke 
nicht.    Die  Spitze  ist  wellig  geschwungen.    Das  Zahlenverhältniss 


—      133      — 

der  aufgefundenen  Zähne  ist  so  beschaffen,  dass  der  Combination 
sämmtlicher  drei  Zahnformen  zum  Gesammtgebiss  keine  Schwierig- 
keit im  Wege  steht.  Gegentiber  der  Zahl  der  fossilen  Vorder- 
zähne sollte  die  Form  der  fossilen  hinteren  Zähne  des  Unterkiefers 
und  der  Oberkieferzähne  allerdings  noch  etwas  zahlreicher  sich 
vorfinden.  Allein  auch  bei  den  Geschlechtern  Lamna,  Odontaspis 
und  Oxyrhina  ist  unverkennbar  eine  relative  Ueberzahl  der  fossil 
gefundenen  Vorderzähne  gegenüber  den  hinteren  vorhanden.  Der 
Grund  mag  darin  liegen,  dass  den  Vorderzähnen  die  meiste 
Arbeit  obliegt,  dieselben  sich  desshalb  rascher  ersetzen,  rascher 
zum  Ausfall  und  damit  auch  relativ  zahlreicher  zur  Ablagerung 
in  den  Meeresschichten  gelangen,  als  die  im  Kiefer  weiter  zurück- 
stehenden Zähne. 

11.  Art:    C.  Prionodon  armafus  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  32—36. 

Diese  Art  darf  mit  der  vorhergehenden,  trotz  vieler  Ueber- 
einstimmung,  nicht  zusammengeworfen  werden. 

Der  vordere  Zahn  (Fig.  32)  hat  zwar  an  seiner  Basis  die 
ähnliche  dreigetheilte  Gestalt  wie  die  vorhergehende  Art,  ist 
jedoch  schlanker;  auch  die  Spitze,  an  welcher  die  schneidige 
Kante  am  obern  Theil  nicht  fehlt,  ist  schlanker.  Diese  Eigen- 
schaft ist  durchgreifend;  sie  findet  sich  nicht  blos  bei  allen 
9  Exemplaren,  die  ich  habe,  sondern  auch  bei  den  andern  Zahn- 
formen, welche  mit  diesen  vorderen  Zähnen  zu  verbinden  sind. 
So  entspricht  der  den  Uebergang  vermittelnde  Zahn  (Fig.  33) 
(von  innen)  ganz  gut  dem  an  gleicher  Stelle  befindlichen  von 
Fig.  28,  ist  jedoch  sichtlich  schlanker.  Die  schneidende  Kante 
auf  der  Vorder-  und  Hinterseite  der  Spitze  reicht  hier  nur  bis 
zur  Hälfte  des  Zahns  herab ;  die  Basis  springt,  stark  anschwellend, 
nach  innen  vor.  Ich  besitze  von  Baltringen  drei  Stücke  von 
dieser  Zahnform.  Als  Zähne  des  Oberkiefers  und  des  Restes 
des  Unterkiefers  lassen  sich  in  Verbindung  bringen  die  Fig.  34 — 36. 
Sie  weichen  bei  sonst  ähnlichen  Formen  von  den  entsprechenden 
der  vorhergehenden  Art  dadurch  ab,  dass  sie  zierlicher,  weniger 
kräftig  sind;    sodann    dass    die  Zähnelung,   wie   über    die   ganze 


—      134      — 

Spitze  hin,  so  iiucli  um  biiitern  Ausschnitt  g^leichmässig  fein  ist 
Doch  soll  nicht  verschwiegen  werden,  dass  Uebergänge  von  der 
feineren  gleichmässigen  Zähuelung  zu  einer  gröberen,  wenigstens 
an  der  Basis,  vorhanden  sind.  Auch  bei  ihnen  springt  die  AVurzel 
stark  nach  innen  vor  und  zieht  sich  der  Schmelz  auf  der  Innen- 
seite hoch  hinauf  zurück  (Fig.  35),  wie  auch  die  Spitze  wellig 
geschwungen  ist.  Alle  drei  Zahnformen  sind  an  der  Basis  bohl. 
Das  Zalilenverbfiltniss  sämmtlicher  Zfibne  ist  in  absoluten  und 
relativen  Ziffern  fast  ganz  übereinstimmend  mit  der  vorhergehenden 
Art.  Wegen  des  numerischen  Gleichgewichts  und  entsprechender 
Grösse  könnte  man  geneigt  sein,  dieselben  mit  Prionodon  ungulatus 
in  der  Weise  zu  verbinden,  dass  sie  einem  andern  Kiefer  ange- 
hören. Damit  würde  man  jedoch  die  Analogie  der  lebenden 
Fische  verlassen;  denn  diese  besitzen  die  spiessförmigen  Zäline 
nur  in  dem  Unterkiefer  allein. 

Viel  spärlicher  ist  das  fossile  Material  gefunden  bei  einigen 
weiteren  Arten,  die  aber  dessungeachtet  zu  dieser  Gruppe  zu 
ziehen  genügender  Grund  vorhanden  ist. 

12.  Art:    C.  Prionodon  tumidus  n.  sp. 

Taf    I,  Fig.  37—39. 

Diese  Zähne  sind  ganz  ausgezeichnet  durch  ihre  geringe 
Grösse  bei  ganz  auffallender  Entwickelung  der  Dicke. 

Die  aufrechte  an  den  Rändern  schneidende  sturapfliche  Spitze 
Fig.  37  (von  innen)  zeigt  die  angeschwollene  Basis,  die  im  Ver- 
hältnisse zu  seiner  geringen  Grösse  dicker  ist,  als  bei  irgend 
einem  andern  Squaliden.  An  der  Aussenseite  zieht  sich  der 
Schmelz  viel  weiter  herab,  als  an  der  innern.  Ein  anderes  zer- 
brochenes Exemplar,  das  um  weniges  grösser  ist,  zeigt  die  starke 
Höhlung;  hiedurch  wird  die  Unterbringung  unter  das  Geschlecht 
Carcharias  gerechtfertigt;  es  finden  sich  aber  auch  die  damit 
zu  verbindenden  seitlichen  Zähne,  Fig.  38  von  innen,  Fig.  89 
von  aussen.  Es  ist  die  gleiche  Entwickelung  in  die  Dicke  vor- 
handen, das  gleiche  Vorspringen  der  Basis  nach  innen;  die  Zähne 
sind  rings  zart  gezähnelt,  am  Basalausschnitt  wenig  stärker,  als 
an  den  übrigen  Tlieilen  der  Krone. 


—      135     — 

So    lang   ich    im   Besitz    nur    eines    einzigen   Zahns   dieser 
Form  war,  glaubte  ich  denselben  als   einen   Symphysenzahn    am 
liebsten    einer   Galeocerdo- Art   auffassen  zu   sollen.     Galeocerdo 
arcticus    besitzt  einen    sehr  dicken   und   stumpfen   Zahn    in    der 
Symphyse,     Allein  als  mehrere  Exemplare   sich  gefunden  hatten, 
zeigte  sich  diese  Annahme  als  unstatthaft;    denn  die  Symphysen- 
zähne    des  lebenden  Galeocerdo   sind  im  Oberkiefer   und  Unter- 
kiefer verschieden  gestaltet,    richten   sich   aber   in   jedem  Kiefer 
immer  nach  einer  Seite,  entweder  nach  rechts  oder  nach  links, 
so   dass,    wenn   unsere   fossilen   Zähne  wirklich   Syraphysenzähne 
wären,  dieselben  alle  entweder  nach  rechts  oder  alle  nach  links 
sich  wenden  müssten.     Das  ist  aber  in  der  That  nicht  der  Fall. 
Die  beiden  abgebildeten  Zähne  haben  verschiedene  Richtung,  ob- 
gleich sie  scheinbar  nach  einer  Seite  schauen ;    denn  der  eine  ist 
von  innen,  der  andere  von  aussen  abgebildet.     Sie   können  auch 
nicht  als  solche  Zähne  aufgefasst  werden,   die  in  der  hintersten 
Ecke  des  Kiefers  ihren  Platz  gehabt  haben  (wo  allerdings  kleine 
Zähne  vielfach  sitzen)  aus  dem  Grunde,    weil  sie,   wie    Fig.  39 
und  einige  andere  Exemplare  zeigen,    die  Spuren    eines   starken 
Gebrauchs  aufweisen.      Das    kommt   bei    den  Squaliden    nur    bei 
Zähnen  vor,  die  weiter  vorn  ihren  Sitz  haben;    kommt  auch  nicht 
bei  Symphysenzähnen  vor,  welche  an  der  Arbeit  sich  am  wenig- 
sten betheiligen.      Den  Ausschlag   aber,    dass   hier   eine  selbst- 
ständige Art  von  Prionodonten  vorliege,   gibt  das  Mitvorkommen 
der  Form   Fig.  37,   welche  diesen  Zähnen   zugleich   ihren   Platz 
bei  jenen  Prionodonten  anweist,  die  nach  dem  Typus  von  GlypJiis 
gebaut  sind. 

13.  Art:    C.  Prionodon  BaUringensis  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  40-42. 

Die  gleichen  Gründe,  welche  für  die  vorhergehende  Art  an- 
geführt wurden,  sind  auch  für  die  Selbstständigkeit  dieser  Art 
giltig.  Die  in  Fig.  41  von  aussen  und  Fig.  42  von  innen  dar- 
gestellten Zähne  können  aus  den  schon  angeführten  Gründen 
nicht  als  Symphysenzähne  irgend  einer  andern  Art  oder  eines 
andern  Geschlechts  gelten,   können   auch   nicht   im   Winkel   des 


—     136     — 

Kiefers  ihren  Platz  geliabt  haben.  Auch  bei  dieser  Art  lässt 
sich  die  aufrecht  stehende  Zahnform,  die  mit  Wahrscheinlichkeit 
an  der  Spitze  des  Kiefers  ihren  Platz  hatte,  ausfindig  machen 
(Fig.  40).  Die  gesammte  Gestalt  spricht  bestimmt  für  die  Zu- 
sammengehörigkeit mit  den  mehr  seitlich  stehenden  Zähnen,  Fig.  41, 
42.  Alle  drei  Zähne  haben  ausser  der  gleichen  sehr  massigen 
Grösse  von  0,01  m.  eine  gleichartig  entwickelte  Basis;  sie 
springt  nach  innen  vor,  aber  immerhin  nicht  so  stark  wie  bei 
der  vorhergehenden  Art,  ist  jedoch  kräftig  und  lässt  nicht  zu, 
dass  man  sie  mit  den  nur  in  der  Grösse  mit  ihnen  überein- 
kommenden Zähnen  der  SpJujrna  serrafa  Münster  zusammenbringt. 
Von  letzteren  unterscheidet  sie  auch  die  Eigenschaft,  dass  der 
Vorderrand  keinen  Ausschnitt  zeigt,  sondern  in  ziemlich  gerader 
Flucht  ansteigt.  Die  Spitze  und  der  Vorderrand  sind  schwach, 
die  Basis  des  Ausschnittes  am  Hinterrand  grob  gezähnelt.  Der 
Schmelz  reicht  auf  der  Aussenseite  viel  weiter  herab,  als  auf  der 
innern,  wodurch  sie  wieder  von  Si^hyma  serrata  sich  unter- 
scheiden, aber  in  guter  Uebereinstimmung  sich  befinden  mit  den 
andern  von  uns  beschriebenen  Prionodontenzähnen  aus  der  Gruppe 
der  nach  dem  Typus  von  Glyphis  gebildeten.  Der  Zahn  Fig.  40 
ist  an  seiner  Spitze  glatt  und  schneidend,  an  der  Basis  lässt 
sich  eine  schwache  Zähnelung  wahrnehmen.  Die  Zähne  sind 
etwas  häufiger,  als  die  der  vorigen  Art  und  hohl. 

Schliesslich  müssen  wir  noch  eines  leider  zerbrochenen  Zahns 
Erwähnung  thun,  der  wohl  zu  den  seltensten  der  Molasse  gehört. 
Ein  Bruch  an  seiner  untern  Seite  lässt  die  innere  Höhlung  wahr- 
nehmen. Diese  Eigenschaft  schliesst  ihn  von  den  JDamwa-Zähnen 
aus  und  weist  ihn  zu  den  Carchariiden.  Die  Spitze  ist  gerade 
gestreckt,  nicht  schief  nach  hinten  gerichtet,  ehi  Anzeichen,  dass 
er  vorn  im  Kiefer  seinen  Platz  hatte;  eine  scharfe.  Schneide, 
wie  wir  sie  bei  Prionodon  ungulatus  und  armatus  kennen 
gelernt  haben,  zieht  sich  an  beiden  Seiten  der  schlanken  Spitze 
herunter,  etwas  tiefer,  als  bei  den  angeführten  zwei  Arten,  aber 
nicht  bis  zur  Basis.  Das  auffallendste  Merkmal  des  Zahns  ist 
jedoch  eine  Anschwellung  ungefähr  in  seiner  Mitte,  soviel  der 
fragmentäre    Zustand   zu   erkennen   gestattet;    sie   erstreckt  sich 


-      137      — 

rings  um  den  Zahn  herum  auf  eine  Länge  von  c.  0,004  m.,  auf 
der  Innenseite  am  stärksten,  aber  auch  deutlich  auf  der  Aussen- 
seite.  Eine  Verkrüppelung  oder  Missbildung  ist  nicht  wahrzu- 
nehmen. Wir  wagen  jedoch  niclit  andere  Zähne  mit  ihm  in 
Verbindung  zu  bringen,  da  alle  Anhaltspunkte  dazu  fehlen;  müssen 
uns  auch  enthalten,  ihn  zu  benennen  und  abzubilden. 

Mit  Vorführung  dieser  Arten  ist  das  Geschlecht  Carcharias, 
soweit  sich  Reste  in  der  schwäbischen  Meeres -Molasse  bisher 
gefunden  haben,  erschöpft.  Von  dem  Subgenus  Fhysodon,  das 
auch  in  der  Lebewelt  nur  in  einer  einzigen  Art  vertreten  ist, 
Hessen  sich  entsprechende  Zähne  nicht  auffinden.  Manche  Zähne 
haben  sich  noch  gefunden,  die  nicht  gut  unter  die  vorstehenden 
13  Arten  untergebracht  werden  können,  die  aber  theils  zu  spär- 
lich gefunden  sind,  zum  Theil  zu  wenig  charakteristische  Merk- 
male erkennen  Hessen,  um  sie  zu  berücksichtigen. 

2.  Geschlecht:    Galeocerdo.     MüHer  u.  Henle  S.  59. 
(A.  Günther  1.  c.  S.  377;    Khmzinger  1,  c.  S.  223.) 

Taf.  I,  Fig.  43,  44. 

Zähne:  hohl,  rings  gezähnelt;  Hinterrand  scharf  ausge- 
schnitten, die  Basis  am  Hinterrand  grob  und  doppelt  gezähnelt; 
Spitze  stark  nach  hinten  geneigt;  Basis  nur  mittelmässig  stark, 
wie  auch  der  Zahn ;  die  Länge  über  die  Höhe  vorherrschend 
oder  derselben  gleich,  unter  sich  sehr  ähnlich  geformt  sowohl 
im  Unterkiefer  als  im  Oberkiefer,  nur  der  Symphysenzahn  zeichnet 
sich  durch  geringere  Grösse  und  abweichende  Form  aus. 

Wir  begnügen  uns,  zu  constatireu,  dass  die  beiden  von 
Agassiz  aufgestellten  fossilen  Arten  dieses  Geschlechts: 

1.  Galeocerdo  aduncus  Ag., 

2.  „  latidens  Ag. 

(cf.  1.  c.  S.  231,  Taf.  26,  Fig.  24—28), 
auch  in  der  oberschwäbischen  Molasse,  und  zwar  zahlreich  «ich 
vorfinden.  Den  Unterschied  zwischen  beiden  Arten  scharf  fest- 
zuhalten und  jeden  einzelnen  Zahn  mit  Bestimmtheit  der  einen 
oder  andern  zuzutheilen,  wird  kaum  möglich  sein.  Der  Unter- 
schied besteht  hauptsächlich  in  der  Verschiedenheit  des  Verhält- 


—      138     — 

nisses  zwischen  Höhe  und  Länge  der  Zähne.  Dieses  Verhältniss 
ist  jedoch  schwankend  und  finden  allmählige  Uebergänge  statt. 
Die  Unterscheidung  ist  aber  dessungeachtet  zweckmässig,  sofern 
die  Endpunkte  der  Zahnformen  hiemit  bezeichnet  werden.  Die 
Grösse  der  Zähne  ist  sehr  variabel.  Ausser  den  stattlichen  Zähnen, 
die  wir  als  bekannt  voraussetzen  können  (cf.  (^uenstedt,  Petre- 
factenkunde,  Taf.  XV,  Fig.  2.  Gibbes  1.  c.  Tab.  XXV,  Fig.  54—62), 
kommen  auch  solche  vor,  die  nur  die  Hälfte,  oder  nur  ein  Drittel 
der  Grösse  erreichen.  Sie  sind  jedoch  in  gleichen  Proportionen 
wie  die  grossen  gebaut  und  stammen  ohne  Zweifel  von  jungen 
Exemplaren.  Auch  von  Galeocerdo  latidens  finden  sich  kleine 
sehr  in  die  Länge  gezogene  Zähne,  die  in  Grösse  und  Umrissen 
dem  Geschlechte  Loxodon  M.  H.  (cf.  1.  c.  S.  61)  gleichen;  aber 
sie  sind  nicht  glatt  wie  letztere,  sondern  an  den  Rändern  ge- 
zähnelt.  Eine  Zahnform  schien  sich  bei  den  beiden  Arten  nicht 
einreihen  lassen  zu  wollen.  Es  kommen,  wiewohl  selten,  Zähne 
vor,  die  ganz  die  Eigenschaften  dieses  Geschlechts  haben,  aber 
auf  ihrer  vordem,  nicht  winklig  ausgeschnittenen  Seite  auffallend 
verkürzt,  abgestutzt  sind,  so  dass  der  Vorderrand  fast  senkrecht 
abfällt;  sie  haben  dadurch  ein  auffallend  unsymmetrisches  Aus- 
sehen (Taf.  I,  Fig.  43).  Allein  ich  überzeugte  mich  an  einem 
recenten  Kiefer  des  Galeocerdo  arcticus  in  der  Stuttgarter  Sammlung, 
dass  die  in  der  hintersten  Ecke  des  Kiefers  stehenden  Zähne 
ganz  dieselbe  Gestalt  haben,  somit  kein  Grund  zur  Artabtrennung 
vorliege.  In  Fig.  44  stellen  wir  ein  ganz  anomal  aussehendes 
Zähnchen  dar,  das  durch  Vergleichung  mit  dem  lebenden  Galeo- 
cerdo tigrinus  sich  als  Symphysenzahn  einer  Galeocerdo- kvi  zu 
erkennen  gibt,  wobei  wir  unentschieden  lassen,  welcher  Art  das- 
selbe zugehören  möchte.  Der  Winkelausschnitt  ist  bei  demselben 
ganz  so  stumpf  wie  bei  dem  lebenden  Thier;  die  Dicke  bei 
letzterem  bedeutender. 

3.  Geschlecht:    Galeus  Cuv. 
(cf.  Müller  u.  Henle.    S.  57,  58.)    A.  Günther  1.  c.  S.  379. 
Im  Unterschied  von  Galeocerdo   ist   bei   diesem  Geschlecht 
die  Spitze  der  Zähne  glatt  und  befindet  sich  nur  gegen  die  Basis, 


—     139     — 

besonders  auf  der  Hinterseite  eine  meist  ausgezeichnete  Zäline- 
lung.  Die  lebenden  und  fossilen  Zähne  sind  von  geringer 
Grösse  und  hohl. 

1.  Art:  Gäleus  affinis  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  64-70. 

Von  dieser  Art  Hessen  sich  die  Unter-  und  Oberkieferzähne 
erkennen;  die  Symphysenzähne,  welche  unzweifelhaft  nicht  ge- 
fehlt haben,  aufzufinden,  ist  mir  nicht  gelungen. 

Die  Zahnformen  des  Unterkiefers,  w^elche  nach  Vergleichung 
mit  dem  lebenden  Galeus  canis  in  der  Stuttgarter  Sammlung 
diesem  sehr  ähnlich  ist,  ist  abgebildet  in  Fig.  66  von  aussen 
und  Fig.  67  von  innen.  Nur  wenige  Exemplare  erreichen  eine 
bedeutendere  Grösse  und  Stärke;  die  gewöhnliche  Grösse  ist  die 
in  den  beiden  Figuren  dargestellte  0,005  m;  es  kommen  aber 
auch  noch  beträchtlich  kleinere  Zähnchen  vor,  die  ohne  Zweifel, 
wie  bei  dem  lebenden  Fische  weit  hinten  in  der  Ecke  des 
Kiefers  ihren  Platz  hatten.  Diese  sehr  zierlichen  Zähne,  die 
trotz  ihrer  Kleinheit  keineswegs  sehr  spärlich  zu  finden  sind, 
(ich  besitze  deren  mehrere  Dutzend)  sind  auf  der  Vorderseite 
glatt  und  stehen  ziemlich  schief  auf  ihrer  Basis;  die  hintere 
Seite  weist  einen  starken  Winkelausschnitt;  da,  wo  der  Aus- 
schnitt beginnt,  starren  3  bis  6  scharfe,  für  die  geringe  Grösse 
des  Zahns  sehr  ansehnliche  Nebenspitzen ,  deren  Zahl  sich  bei 
den  kleinsten  (und  hintersten)  Zähnen  auf  2  reducirt.  Die  am 
weitesten  oben  stehende  Nebenspitze  ist  zugleich  die  grösste; 
die  andern  werden  nach  unten  allmälig  kleiner.  Die  Basis  ist 
massig  stark  und  hohl.  Beim  lebenden  Galeus  canis  sind  die 
vordem  Zähne  des  Oberkiefers  von  den  übrigen  etwas  abweichend 
gebaut;  ganz  entsprechende  Formen  finden  sich  auch  fossil,  die 
mit  allem  Rechte  als  die  vorderen  oberen  Zähne  des  fossilen 
Fisches  angesehen  werden  dürfen,  cf.  Fig.  64  von  innen,  65  von 
aussen.  Diese  Zähnchen  stehen  mehr  aufrecht  auf  ihrer  Basis, 
als  die  zuvor  beschriebenen ;  der  Ausschnitt  am  Hinterrand 
bildet  einen  stumpferen  Winkel  und  es  finden  sich  auch,  wie  bei 
den  lebenden,  an  der  Basis  der  Vorderseite  einige  kleine,    aber 


—      140     — 

scharfe  Zäckcheii.  Die  weiter  zurückstehenden  Zähne  des  Ober- 
kiefers gehen  dann  allmählich  in  die  Form  der  ünterkieferzähne 
über.  Winklers  Galeus  Malzani  von  Sternberg  in  Mecklenburg 
(cf.  Archiv  des  Vereins,  1875  S.  110,  Taf.  II,  Fig.  6—9)  ist 
deutlich  unterschieden  von  unserer  Species  besonders  dadurch, 
dass  bei  ersterer  die  Zäckchen  des  Hinterrandes  nicht  gegen 
die  Hauptspitze  sich  hinaufziehen,  sondern  nur  dem  Basalrand 
zukommen. 

2.  Art:  Galeus  tenuis  n.  sp. 

Taf.  1,  Fig.  68-70. 

Die  Zähnchen  sind  kleiner  und  seltener  als  die  vorige  Art; 
in  ihrer  allgemeinen  Erscheinung  stimmen  sie  am  besten  mit 
dem  Geschlecht  Galeus.  Der  Ausschnitt  an  der  Hinterseite 
schneidet  tiefer  ein,  die  Spitze  ist  desshalb  noch  dünner,  als  bei 
Galeus  affinis.  Die  Zähnchen  au  der  Basis,  deren  nur  wenige, 
2 — 3  sind,  (Fig.  68  von  aussen,  69  von  innen),  reichen  nicht 
so  hoch  hinauf,  sind  überhaupt  wenig  entwickelt.  Als  einen 
Repräsentanten  der  etwas  abweichenden  Form  der  vorderen  Ober- 
kieferzähne betrachten  wir  Fig.  70.  Die  Spitze  steht  aufrechter 
auf  der  Basis;  die  Zähnelung  am  hintern  Theil  entspricht  den 
Merkmalen  dieser  Art  gut;  am  Vorderrand  der  Basis  ist  keine 
Zähnelung  zu  bemerken,  doch  ist  hier  ein  kleines  Stück  der  Basis 
weggebrochen. 

3.  Art:   Galeus  cristatus  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  71. 

Der  einzige  an  der  Basis  verletzte  und  seine  Höhlung 
zeigende  Zahn  gibt  sich  durch  die  Zähnelung  des  Hinterrandes 
bei  glatter  Spitze  als  zum  Geschlecht  Galeus  gehörig  zu  er- 
kennen. Aber  derselbe  ist  viel  grösser  und  überhaupt  robuster 
gebaut  als  irgend  ein  Zahn  der  beiden  vorhergehenden  Arten, 
besonders  an  seiner  Basis  dick.  Die  Zähnelung  am  Hinterrand 
zählt  9  Zäckchen,  welche  unter  sich  nicht  so  frei  von  einander 
abstehen,  wie  bei  Galeus  affinis  sondern  dicht  zusammengedrängt 
sind.    Sie  erinnern  durch  diese  Zähnelung  an  das  zur  Familie  der 


—      141      — 

Scyllien  gehörige  Geschlecht  Ginglymostoma ;  aber  hier  ist 
Hinterseite  und  Vorderseite  gleichmässig  gezähnelt;  auch  ist  an 
unserem  Zahn  nicht  das  erste,  sondern  das  zweite  Zäckchen  das 
stärkste. 

4.   Geschlecht  Hemipristis  Ag.  =  Dirhizodon 

Klunzinger. 

cf.  Agassiz  1.  c.  S.  237.    Fig.  18—30  und  Klunzinger  1.  c.  II  S.  224  (664). 

Agassiz  hat  für  die  miocenen  Squaliden  das  Geschlecht 
Hemipristis  als  das  einzige  ausgestorbene  dieser  Formation  auf- 
gestellt und  zwei  Arten  als  Hemipristis  serra  und  paucidens  be- 
zeichnet; die  letztere  Art  wurde  jedoch  (nach  Gibbes  1.  c. 
S.  14)  von  ihrem  Urheber  selbst  zurückgenommen. 

Dem  Herrn  Dr.  Klunzinger  in  Coseir  gelang  es  in  ganz 
neuer  Zeit  eines  Hayes  aus  dem  rothen  Meer  habhaft  zu  werden, 
bisher  in  einem  einzigen  Exemplar,  dessen  Gebiss  auffallende 
Aehnlichkeit  und  tJebereinstimmung  mit  den  fossilen  Zähnen  von 
Hemipristis  zeigt.  Das  ünicum  befindet  sich  in  der  Stuttgarter 
Sammlung  N^.  1640  unter  dem  Namen  Birhisodon  elongatus 
Klunzinger,  das  wegen  seiner  Flossenstellung  und  der  Spritz- 
löcher in  die  unmittelbare  Nähe  von  Gäleus^  jedoch  als  be- 
sonderes Geschlecht  eingereiht  wurde.  Sobald  ich  das  Gebiss 
dieses  Fisches  im  Herbst  1873  zu  Gesicht  bekam,  erkannte  ich 
die  überraschende  Aehnlichkeit  mit  den  Zähnen  von  Hemipristis^ 
die  in  Europa  und  Amerika  so  weit  verbreitet  sind,  und  durch 
ihre  Gestalt  so  sehr  in  die  Augen  fallen;  es  war  mir  sofort 
klar,  dass  ein  lebender  Repräsentant  des  für  ausgestorben  ge- 
haltenen Geschlechts,  wenn  auch  als  grösste  Seltenheit,  sich  vor- 
gefunden hatte. 

Vor  der  Kenntniss  dieses  Fisches  war  ich  geneigt,  die 
Zähne  des  Geschlechts  Hemipristis  mit  dem  Jugendgebiss  des 
Carcharias  (Prionodon)  glaucus  in  nähere  Verbindung  zu  bringen. 
Müller  und  Henle  stellen  das  Gebiss  dieses  Hayes  dar,  sowohl 
im  ausgewachsenen  Zustand  (in  welchem  er  sich  von  dem 
Typus  der  Prionodontenzähne  mit  seiner  Zähnelung  über  die 
ganze    Spitze    hin  nicht    unterscheidet),    als    auch    im   Jugend- 


—      142      - 

zustand  (puUus  und  juvenis).  Im  Stadium  des  juvenis  findet 
bei  einer  Anzahl  von  Zähnen,  besonders  bei  den  Oberkiefer- 
zähnen gute  Uebereinstimmung  statt  mit  Hemipristis  serra  und 
im  Stadium  des  pullus  mit  denen  von  Hemipristis paucidens.  Andere 
Zähne  dieser  Jugendzustände  weichen  jedoch  ab  und  lassen  mit 
den  fossilen  nur  eine  entferntere  Aehnlichkeit  wahrnehmen.  Es 
ist  immerhin  nicht  an  sich  zu  verwerfen ,  dass  Zahnformen,  die 
in  der  Lebewelt  in  einem  vorübergehenden  Stadium  des  Lebens 
auftreten,  in  früheren  Erdperioden  selbstständige  Arten  gewesen 
sein  könnten.  Allein  durch  die  Auffindung  des  Dirhisodon 
elongatus  ist  eine  viel  augenfälligere  Analogie  zu  Tage  ge- 
kommen, die  sich  nicht  blos  auf  einzelne  Zahnformen  erstreckt, 
sondern  auf  alle. 

Die  genauere  Betrachtung  und  Untersuchung  Hess  beobachten, 
dass  in  dem  Rachen  dieses  Fisches  sehr  verschiedenartige  Zähne 
nebeneinander  vorkommen.  In  geringerem  Grade  besteht  ein 
Unterschied  zwischen  Ober-  und  Unterkieferzähnen,  in  weit 
grösserem  Grade  aber  zwischen  den  vordem  und  hintern  Zähnen 
der  Kieferäste.  Der  Contrast  zwischen  den  vordersten  und 
den  hintern  Zähnen  wird  durch  eine  Anzahl  unter  sich  selbst 
verschieden  geformter  Uebergangsformen  ausgeglichen.  Die  von 
Agassiz  unter  dem  '^simen  Hemipristis  paucidens  begriffenen  Zähne 
sind  nichts  anderes,  als  diese  Uebergangsformen  und  wurde 
desshalb  diese  Species  mit  Recht  zurückgezogen,  wenn  man  die 
Art  serra,  auf  welche  die  zahlreichsten  Zähne  entfallen,  auf- 
recht erhalten  will.  Gibbes  glaubt  nun  (1.  c.  S.  14),  dass  die 
Zähne  von  der  Form  diQ&Heynipristis  paucidens  dem  Unterkiefer,  die- 
jenigen von  der  Form  des//empns#is  serra,  dem  Oberkiefer  zugehören; 
allein  das  Gebiss  des  lebenden  Thiers  legt  eine  andere  Com- 
bination  nahe.  Die  Zahnform  {Hemipristis  serra  Ag.)  stellt  sich 
nämlich  etwas  vor  der  Mitte  des  Kieferastes  bei  dem  lebenden 
Fische  ein.  Die  vordersten  Zähne  mit  den  Zahnformen  in  Ver- 
bindung zu  bringen,  welche  den  Typus  von  Hemipristis  tragen, 
und  als  solche  zu  erkennen,  war  ohne  das  lebende  Thier  ver- 
gleichen zu  können,  unmöglich,  weil  sie  zu  sehr  abweichend  ge- 
baut   sind.      Nachdem   aber   die    ganze    Zahnreihe    am  lebenden 


-      143     — 

Thiere  vor  Augen  lag,  konnte  es  nur  angenehm  überraschen, 
dass  unter  dem  Material,  das  die  oberschwäbische  Molasse  dar- 
bietet, auch  diese  Formen  sich  unzweifelhaft  vorfanden.  Bei  Be- 
schreibung der  Species  werden  die  einzelnen  Zähne  berück- 
sichtigt werden.  Die  Uebereinstimmung  der  fossilen  Erfunde 
und  des  lebenden  Fisches  ist,  was  das  Gebiss  anbelangt,  eine  so 
grosse,  dass  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig  bleibt,  ohne  dass 
jedoch  eine  Identität  der  Art  ausgesprochen  werden  könnte. 

Was  die  Benennung  des  Geschlechts  anbelangt,  so  glauben 
wir  den  alten  von  Agassiz  aufgestellten  Namen  beibehalten  zu 
sollen,  womit  auch  Dr.  Klunzinger  sich  einverstanden  erklärte. 

1.  Art:  Hemipristis  serra  Ag. 
cf.  Ag.  S.  237  Taf.  XXVII,  Fig.  18-30. 

Taf.  I,  Fig.  49-57. 

Der  vorderste  Zahn  jedes  Kieferrastes,  den  wir  in  Fig.  49 
darstellen,  ist  klein ,  mehr  nadeiförmig  als  spiessförmig  oder 
halbkegelförmig  und  von  andern  kleinen  Zähnen,  besonders  auch 
aus  dem  Geschlecht  Lamna,  hauptsächlich  dadurch  zu  unter- 
scheiden, dass  er  schief  nach  innen  auf  seiner  Basis  steht, 
wie  auch  beim  lebenden  Thiere  diese  kleinen  Zähne  sich  stark 
nach  innen  gegen  den  Rachen  neigen.  Es  ist  übrigens  kein 
Symphysenzahn;  diese  ist,  wie  auch  Dr.  Klunzinger  bemerkt, 
zahnlos.  Der  Schmelz  zieht  sich  an  derAussenseite  viel  weiter 
hinab,  als  an  der  Innern. 

Der  nächstfolgende  Zahn  ist  sowohl  grösser  als  auch  cha- 
racteristischer,  Fig.  50.  Er  steht  auf  seiner  Basis  sehr  scliief 
nach  einwärts  gekrümmt.  Die  Hörner  seiner  Basis  sind  wenig 
entwickelt,  wodurch  er  sich  von  glt/pMs-^vÜgen  Zähnen  unter- 
scheidet;  nach  innen  springt  die  Basis  zwar  vor,  aber  nicht 
plump,  sondern  zusammengedrückt  schmal,  wieder  im  Gegensatz 
zu  den  letzgenannten  Zähnen.  Die  Spitze  ist  ähnlich  wie  bei 
Prionodon  armatus  im  Querdurchschnitt  rundlich;  auch  die 
Schneide,  die  von  der  Spitze  an  ein  Stück  abwärts  zieht,  fehlt 
nicht.  An  der  Aussenseite  zieht  sich  der  Schmelz  viel  weiter 
hniab,  als  an  der  innern  Seite;    eine  Nebenspitze  ist  an   diesem 


I 


—      144     — 

Zahn  nicht  zu  bemerken.  Die  innere  Höhlung ,  welche  auch 
diesen  Zähnen  zukommt,  ist  dreiseitig.  Die  zusaramengepresste 
Basis  und  starke  Neigung  nach  innen  schliesst  eine  Ver- 
wechslung mit  Prionodon  ungulatus  und  armatus,  die  gleichen 
Eigenschaften  und  die  innere  Höhlung,  sowie  der  rundliche 
Querdurchschnitt,  mit  Lamna-Z'dhnen,  aus. 

Der  Zahn,  Fig.  51,  ist  durch  den  Gebrauch  abgenützt  und 
lässt  desshalb  die  Höhe  und  nähere  Beschaffenheit  der  Spitze 
selbst  nur  theilweise  erkennen.  Er  bildet  aber  sichtlich  einen 
Uebergang  von  Fig.  50  zu  Fig.  52.  Seine  Basis  wird  etwas 
breiter  und  wendet  sich  nicht  mehr  rein  nach  innen,  sondern 
schon  etwas  schief  nach  hinten  und  besonders  befinden  sich 
unten  an  der  Seite  des  Zahns  zwei  übereinander,  nicht  neben- 
einander stehende  Zäckchen.  Schon  damit,  wie  durch  die  ander- 
weitige Form  des  Zahns  gibt  sich  zu  erkennen,  dass  derselbe 
nicht  zu  Lamna  gehört.  Das  obere  Nebenzäckchen  ist  etwas 
grösser,  als  das  ganz  leichte  untere.  Die  Schneide,  die  sich 
von  der  Spitze  eine  Strecke  weit  nach  unten  zieht,  ist  noch  zu 
einem  guten  Theil  an  dem  abgebildeten  Exemplar  erhalten. 
Entsprechende  Zähne  finden  sich  auch  bei  dem  lebenden 
Hay  vor. 

Fig.  52  (von  der  Seite)  zeigt  schon  eine  seitlich  gewendete 
Form.  Die  Spitze  wird  mehr  breitlich.  Eine  scharfe  Schneide 
zieht  sich  hinten  und  vorne  an  den  Rändern  weit ,  aber  nicht 
ganz  bis  zur  Basis  herab.  Am  untern  Theil  des  Zahns  stehen 
hinten  und  vorn  je  drei  Zäckchen  über  einander,  wovon  das 
oberste  das  grösste  ist,  die  beiden  andern  kleiner  werden.  Die 
Basis  springt  kräftig  nach  innen  vor  und  der  Schmelz  ist  auf 
der  Innenseite  in  ziemlich  hohem  Bogen  ausgeschnitten.  Die 
Zahnform,  die  Agassiz  ehemals  mit  (iQm^^.mQ\\Hemii)nstispaucideus 
fixirte,  tritt  hier  schon  unverkennbar  heraus  und  setzt  sich  in 
dem  nächstfolgenden  Zahn,  den  wir  beschreiben  werden,  noch 
weiter  fort.  Von  einer  Verwechslung  mit  Lamna  kann  hier 
keine  Rede  mehr  sein.  Fig.  53  (von  innen)  hat  im  Umriss  nach 
die  ähnliche  Gestalt  wie  die  vorhergehende  Figur,  aber  an  der 
Hinterseite    befinden    sich    7    Zäckchen:     auf    der    Vorderseite 


—      145     — 

beginnen  die  Zäckchen  ebenfalls  in  ungefähr  gleicher  Höhe ;  dann 
kommt  eine  Stelle  die  glatt  ist,  dann  ganz  unten  noch  einmal 
einige  Zäckchen.  Die  Unterbrechung  in  der  Zähnelung  der 
Vorderseite  kann  wohl  individuell  sein;  überhaupt  kommen  bei 
diesen  Uebergangszähnen,  wie  ich  aus  weiteren  fossilen  Zähnen 
ersehe,  manche  kleinere  Differenzen  vor,  wie  das  wohl  in  der 
Natur  der  Sache,  d.  h.  der  Stellung,  welche  die  Zähne  ein- 
nehmen, liegt.  Der  hervorstehende  glatte  Theil  der  Spitze  ist 
noch  ziemlich  gross.  Wenn  die  Figuren  49 — 51  die  vorderen 
Zähne  darstellen  und  Fig.  52  und  53  die  TJebergangszähne,  so  be- 
ginnt mit  Fig.  54  die  Reihe  der  unter  dem  Namen  Hcmipristis  serra 
längst  bekannten  fossilen  Zähne.  Mit  Ausnahme  der  hier  nicht 
mehr  umfangreichen  obersten  glatten  Spitze  ist  der  Zahn  hinten 
und  vorn  kräftig  gezähnelt,  hinten  gröber  als  vorn.  Der  Zahn 
ist  im  Umrisse  schlank,  dreiseitig  und  gegenüber  den  vorher- 
gehenden Formen  platt;  doch  springt  die  Basis  an  der  Innen- 
seite einigermassen  noch  hervor.  Die  Unterkieferzähne  des 
lebenden  Hayes  bewegen  sich  nun  von  hier  an,  somit  etwas  vor 
der  Mitte  des  Kiefers  bis  an  den  Winkel  desselben,  in  diesem 
Formenkreise,  nur  dass  sie  etwas  grösser  und  erst  gegen  hinten 
niedriger  werden.  Auch  die  Mehrzahl  der  fossilen  Zähne  weist 
diese  Gestalt  auf,  wobei  sie  theilweise  noch  etwas  platter  und 
breitlicher  (länger)  werden,  wie  die  Figuren  55,  56  und  57  dar- 
stellen (sämmtlich  von  aussen).  Die  0  b  e  r kieferzähne  weichen 
von  den  Unterkieferzähnen  einigermassen  ab,  wenn  auch  nicht 
sehr  bedeutend.  Sie  werden  merklich  breiter,  wie  Fig.  55,  b 
(von  innen)  zeigt,  sowohl  bei  dem  lebenden  Hay,  als  bei  den 
gefundenen  fossilen  Zähnen. 

Die  noch  folgenden  Figuren  56,  b  (von  aussen)  und  57,  b 
(von  innen)  stehen  gegen  das  Ende  des  Winkels  des  Ober- 
kiefers, was  insofern  mit  einer  gewissen  Bestimmtheit  gesagt 
werden  kann,  als  auch  bei  dem  lebenden  Hay  die  Oberkiefer- 
zähne in  dieser  Region  die  gleiche  Eigenthümlichkeit  zeigen. 
Die  hervorstehende  glatte  Spitze  nimmt  nämlich  eine  andere 
Richtung  an;  anstatt  in  der   Achsenrichtung    des  Zahns    gerade- 

Württemb.  naturw.  Jahroshefte.     1878.  10 


—      146      — 

aus  zu  gehen,  neigt  sie  sich  nach  hinten;  in  Fig.  57,  b  nimmt 
der  ganze  Zahn  diese  gebückte  Form  an ;  er  stand  ohne  Zweifel 
weit  hinten  in  der  Ecke  des  Kiefers.  Sämmtliche  Zähne  sind  hohl. 
Wie  wir  schon  im  Verlauf  der  Beschreibung  bemerkt  haben, 
sind  mit  Vorführung  der  fossilen  Zahnformen  zugleich  die  haupt- 
sächlichsten Zahnformen  des  lebenden  Fisches  characterisirt.  * 
Bei  den  letzteren  finden  sich  allerdings  noch  manche  feinere 
Nuancirungen  vor  in  den  Uebergängen  von  einem  Zahn  zu  dem 
andern,  die  wir  in  fossilem  Zustande  nur  theilweise  vor  Augen 
führen  konnten,  was  nicht  auffallen  kann.  Doch  möchte  die 
vorgeführte  Serie  einen  genügenden  Einblick  in  die  Mannig- 
faltigkeit der  Formen  geben.  Im  Oberkiefer  des  lebenden 
Fisches  kommen  nicht  so  vielerlei  Mittelformen  vor;  auf  die 
Form  Fig.  50  folgt  alsbald  ein  Zahn,  der  nahezu  die  Form 
Fig.  54  hat.  Der  lebende  Hay  zählt  13  functionirende 
Zähne  in  jedem  Kieferast  und  sind  die  Eeservereihen  zahlreich 
vorhanden.  Die  meisten  fossilen  Zähne  sind  grösser  und  stärker 
als  die  des  lebenden  Thiers.  Doch  kommen  auch  im  fossilen 
Zustande  kleinere  und  zarter  gebaute  Zähne  vor,  die  wir  jungen 
Thieren  ohne  Anstand  zuzuschreiben  haben.  Sie  weichen  in 
ihren  Umrissen  und  Proportionen  gar  nicht  von  den  grössern 
ab.  Aber  eben  desswegen,  weil  diese  jungen  Thiere  in  ihrer 
Bezahnung  von  den  ganz  erwachsenen  ihrer  Form  nach  nicht 
abweichend  erscheinen,  ist  es  nothwendig,  noch  eine  weitere  Art 
des  Geschlechtes  Bemipristis  aufzustellen. 

2.  Art:   Hemipristis  Klunsingeri  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  58—63. 

'Die  vorderen  Zähne  Fig.  58,  59  unterscheiden  sich  von 
den  entsprechenden  der  vorhergehenden  Art  kaum  anders,  als 
durch  die  geringere  Grösse  und  würden  für  sich  noch  durchaus 
keine  Berechtigung  geben,  einen  Artunterschied  auf  dieselben 
zu  gründen.  Von  Uebergangszähnen  habe  ich  nur  zwei  ge- 
funden, Fig.  59,  b  und  Fig.  60.     An  der  Basis  des  erstem  sind 


*  cf.  Klunzinger  1.  c.  II.  S.  224  (664). 


—     147     — 

zwei  über  einanderstehende  Knötchen  zu  erkennen  und  ent- 
spricht auch  die  nach  innen  gerichtete  Seite  der  Basis  ganz  der 
Beschaffenheit  des  Geschlechts  Hemipristis.  Der  schlanke  Zahn 
Fig.  60  entspricht  den  analogen  Zähnen  Fig.  52  und  53  und 
hält  gewissermassen  die  Mitte  zwischen  beiden.  An  seiner  Vorder- 
seite findet  sich  eine  Zähnelung  nur  tief  unten  an  der  Basis, 
die  theil weise  abgebrochen  ist;  es  können  nicht  mehr  als  nur 
ein  paar  Zäckchen  sich  vorgefunden  haben,  wovon  wenigstens 
eines  noch  sich  erhalten  hat.  Die  Hinterseite  zeigt  6  Zacken. 
Jedoch  erst  die  eigentlichen  Backenzähne,  wenn  dieser  Ausdruck 
erlaubt  ist,  lassen  deutlich  die  Eigenschaften  erkennen,  welche 
dieser  neuen  Art  zukommen.  Wir  bilden  einen  solchen  Zahn  in 
Fig.  61  (von  aussen)  ab.  Sie  nehmen  die  gleiche  Stelle  ein, 
wie  bei  der  vorhergehenden  Art  die  Fig.  54  und  55  und  lassen 
sich  auch  am  zahlreichsten  finden  (ich  besitze  ein  Dutzend),  so 
dass  man  sich  über  die  Beständigkeit  ihrer  hervorragenden  Eigen- 
schaften durch  Vergleichung  mehrerer  gut  erhaltener  Exemplare 
Sicherheit  verschaffen  kann.  Die  Grösse  dieser  Zähne  ist  im 
Mittel  nur  0,014  m  hoch  und  0,010  m  lang  (breit);  sie  bleiben 
somit  hinter  den  analogen  Zähnen  von  Hemipristis  serra  sehr  merk- 
lich zurück.  Ferner  ist  die  Aussenseite  derselben  (vergl.  Fig.  61) 
deutlich  gewölbt;  bei  Fig.  54  und  55  aber  plan.  Sodann  ist 
die  glatte  Spitze  ins  Auge  zu  fassen.  Sie  ist  bei  allen  Exem- 
plaren in  Anbetracht  der  geringeren  Grösse  der  Zähne  merklich 
länger,  dagegen  aber  der  gezähnelte  Theil  des  Zahns  merklich 
kürzer,  als  bei  Hemipristis  serra.  Boi  letzteren  verhält  sich  die 
Länge  der  glatten  Spitze  zum  gezähnelten  Theil  des  Zahns  wie  1 :  3 
oder  4;  bei  der  neuen  Species  aber  wie  1:  2.  Die  Zahl  der 
groben  Zacken  auf  der  Innenseite  von  Hemipristis  serra  ist  12 
und  darüber,  wenn  man  die  ganz  kleinen  Zäckchen  an  der  Basis 
mitzählt;  bei  unserer  neuen  Art  aber  nur  6—8.  Die  zwei  nächst- 
folgenden Fig.  62  und  63  stellen  etwas  abgeschliffene  Zähne 
dar,  wie  sie  in  abnehmender  Grosse  gegen  die  Ecke  des  Eachens 
im  Unterkiefer  sich  eingestellt  haben  mögen.  Die  wesentlichen 
Eigenschaften  der  Zahnform  Fig.  61  sind  erhalten  ganz   in    ähn- 

10* 


—     148     — 

lieber  Weise,  wie  in  den  analogen  Zähnen  Fig.  56  und  57. 
Hiezu  kommt  nun,  dass  auch  Oberkieferzähne  sich  vorgefunden 
haben,  welche  ganz  gut  die  spezifischen  Eigenschaften  erkennen 
lassen.  Wir  stellen  in  Figur  62  b  und  63b  zwei  wohlerhaltene 
Zähne  dar.  Die  Neigung  der  glatten  Spitze  in  stark  schiefer 
Richtung  entspricht  der  Eigenthümlichkeit  der  Oberkieferzähne 
dieses  Geschlechts,  aber  nicht  bloss  die  geringere  Grösse,  sondern . 
der  Gesammthabitus  derselben  schliesst  sie  ebenso  von  der  Serie 
Fig.  49  —  57  aus,  als  er  dieselben  mit  der  Reihe  Fig.  58—63 
verbindet. 

Wir  haben  schon  bemerkt,  dass  man  keinen  Grund  hat, 
diese  Zähne  für  einen  Jugendzustand  von  RemiprisUs  serra  Ag.  zu 
halten,  da  sich  die  kleinen  zarteren  Zähne  dieser  Art  in  Balt- 
ringen zugleich  mit  den  grossen  vorfinden.  Aber  gerade  bei 
diesen  ist  eine  Abweichung  der  Form  gegenüber  den  grossen 
Zähnen  lediglich  nicht  wahrzunehmen.  Es  kann  desshalb  auch 
die  Abbildung  dieser  jungen  Thieren  zugehörigen  Zähne  unter- 
bleiben. Um  der  grösseren  Bestimmtheit  willen  heben  wir  her- 
vor, dass  ein  Jugendzahn  you  Hemipristis  serra,  welcher  die  Grösse, 
von  Fig.  61  nicht  übersteigt,  somit  beträchtlich  hinter  der  gewöhn- 
lichen Grösse  zurückbleibt  und  sich  auch  sonst  durch  seine  Dünn- 
heit als  jugendlichen  Zahn  kund  gibt,  doch  13  Zäckchen  au  der 
Hinterseite  zeigt.  Seine  glatte  Spitze  ist  in  der  Ausdehnung 
des  gezackten  Theils  seiner  Seite  reichlich  dreimal,  fast  viermal 
enthalten;  seine  Aussenseite  ist  nicht  gewölbt,  sondern  so  plan 
wie  bei  Fig.  55,  so  dass  an  der  Selbständigkeit  unserer  neuen 
Art  nicht  zu  zweifeln  ist.  Die  Zähne  der  neuen  Art  sind 
jedoch  merklich  seltener,  als  die  von  serra.  Auch  aus  den 
oberschwäbischen  Localitäten  ist  sie  mir  nur  aus  Baltringen  und 
Warthausen  bekannt,  während  Hemiprisüs  serra  in  fast  allen  ober- 
schwäbischen Plätzen  vorkommt  und  auch  sonst  eine  sehr  weite 
Verbreitung  in  der  alten  und  neuen  Welt  besitzt. 

Wir  haben  vollen  Grund,  die  neue  Art  dem  Entdecker  des 
ersten  Exemplars  dieses  interessanten  Geschlechts  in  der  Lebe- 
welt, Herrn  Dr.  Klunzinger  zu  widmen. 


—      149     — 

Es  möge  gestattet  sein,  hier  eine  vergleichende  allgemeine 
Bemerkung  über  gewisse  Eigenthümlichkeiten  in  den  Zahnformen 
tertiärer  Thiere  im  Gegensatz  zu  jetzt  lebenden  einzuschalten. 
Trotz  der  allgemeinen  Uebereinstimmung  der  fossilen  tertiären 
Hayfische  mit  den  lebenden  macht  sich  doch  ein  eigenthümlicher 
Zug  bei  ersteren  geltend.  Wir  haben  eine  Anzahl  fossiler  Haye 
vorgeführt,  welche  ungleichartige  Zähne  in  der  Kieferreihe 
trugen,  so  dass  man  vordere  Zähne,  Uebergangszähne  und  hintere 
oder  Backenzähne  unterscheiden  kann  und  muss.  Wir  finden  diess 
beim  Geschlecht  Hemipristis  in  ausgezeichneter  Weise.  Die 
Prionodonten  nach  dem  Typus  von  Carcharias  GlypJiis  zeigen  das 
gleiche  Verhältniss.  Es  ist  auffallend,  dass  in  der  Molassezeit  diese 
Geschlechter  sehr  weit  verbreitet,  keineswegs  selten  und  in  ver- 
schiedenen Arten  entwickelt  waren,  während  sie  in  der  Jetztzeit 
zu  den  grössten  Seltenheiten  gehören  und  je  nur  in  einer  Art 
vorkommen.  Dazu  kommt,  dass  die  Geschlechter  Lamna,  Odon- 
taspis  und  Oxyrhina^  die  ebenfalls  alle  drei  Zahnarten  in  ihren 
Kiefern  tragen,  zwar  auch  heutzutage  keineswegs  selten  sind, 
dass  aber  in  der  Molassezeit  sowohl  die  Zahl  ihrer  Arten  als 
ihrer  Individuen  eine  bei  weitem  grössere  war,  als  heutzutage. 
Der  so  grosse  Reichthum  der  mesozoischen  Formationen  au 
Cestraciontiden  {Ptychodus^  Acrodus  etc.)  gibt  zu  gleichen  Be- 
trachtungen Veranlassung. 

Ferner  treten  in  der  Tertiärzeit  Meer  säuge  thiere 
auf,  die  von  den  lebenden  abweichend  ebenfalls  dreierlei  Zahn- 
formen in  ihren  Kiefern  tragen.*  Durch  Johannes  Müller, 
van  Beneden  und  von  Brandt  ist  nachgewiesen ,  dass  das 
Geschlecht  Zeuglodon  mit  zwei  Arten  die  amerikanischen,  das 
Geschlecht  Ä^waZoc^on  mit  wenigstens  vier,  wahrscheinlich  noch  mehr 
Arten  die  europäischen  Meere  bevölkert  haben,  welche  sämmtlich 
diese  auifallende  Eigenthümlichkeit  des  Gebisses  zeigen.  Bei 
den   Meersäugethieren    ist   das    so    auffallend    und    unerwartet. 


*  Von  den  lebenden  Cetaceen  besitzt  nur  der  Schnabeldelphin 
des  Ganges  (Platanista  gangeticus)  einigermassen  unter  sich  ver- 
,schieden  gebaute  Zähne. 


—     150     — 

dass  vor  Auffindung  von  zusammenhängenden  Kieferstücken 
darüber  gar  keine  Ahnung  bestand.  Hermann  von  Meyer, 
dieser  tüchtigste  Kenner  fossiler  Wirbelthierreste,  stellte  für 
die  Vorderzähl  e  das  Geschlecht  Ärionius  und  für  die  hin- 
teren Zähne  das  Geschlecht  Pachyodon  auf.  Diese  Squalo- 
donten  lebten  mit  den  Hayen  (Hemipristis  etc.)  zusammen; 
so  in  der  Molasse  von  Baltringen  und  nach  van  Beneden  auch 
in  Frankreich. 

Hiezu  kommt  eine  analoge  Beobachtung  bei  den  Land- 
säugethieren  der  tertiären  Zeit.  Die  domiuirenden  Ge- 
schlechter der  eocänen  Zeit,  Palaeotherium  und  Äno^Jlotherium, 
besassen  alle  drei  Zahnarten.  In  der  miocänen  Zeit  schwächt 
sich  zwar  diese  Erscheinung  schon  ab;  aber  immerhin  hat  dcs 
dominirende  miocäne  Wiederkäuergeschlecht  Palaeomeryx  starke, 
nicht  verkümmerte  Eckzähne,  die  ihm  zur  Waffe  dienten,  wie 
heutzutage  noch  den  Moschiden;  während  die  in  der  Lebewelt 
herrschenden  Ruminanten  -  Geschlechter,  Rind  und  Antilope  der- 
selben ganz  entbehren,  und  die  Hirsche,  mit  Ausnahme  des 
Cervus  MuntjaCj  dieselben  nur  in  verkümmertem  Zustande  be- 
sitzen. Herr  Prof.  Rütimeyer  weist  in  seiner  Schrift  über 
die  Herkunft  unsrer  Thierwelt  S.  33  auf  diese  »Verarmung  des 
Gebisses"  beziehungsweise  auf  die  Umbildung  desselben  zu  einem 
„  Spezialgebiss "  hin. 

Als  ein  durchgreifendes  Entwicklungsgesetz  kann  diese  Er- 
scheinung wohl  nicht  aufgefasst  werden,  weil  auch  in  der  Tertiär- 
zeit Thiere  mit  allen  drei  Zahnarten  nur  einen  Bruchtheil  der 
Fauna  ausmachen  und  daneben  Fische,  Meersäugethiere  und 
Landsäugethiere  mit  dem  gewöhnlichen  Zahnbau  der  lebenden 
Fauna  vorkommen.  Allein  immerhin  wäre  möglich,  dass  dieser 
Erscheinung  doch  irgend  eine  tiefer  gehende  Bedeutung  zu 
Grunde  liegt. 

Noch  viel  auffallender  sind  die  neuesten  Funde  aus  der 
afrikanischen  Trias,  in  welcher  eine  Reihe  von  Sauriern  ge- 
funden wurden,  die  das  differenzirte  Gebiss  von  Carnivoren  be- 
sitzen. 


—     151     — 

Gruppe  B.  Zygaenini  A.  Günther. 

1.  Geschlecht:    Sphyrna  Raf. 

cf.   Müller  u.  Henle    1.  c.    S.  51  —  54.      Günther   1.  c.    S.  380. 
Klunzinger:    1.  c.  S.  665  (225). 

Die  Hammerfische  tragen   in  ihren  Kiefern   auf  ihrer  Basis 
schief   stehende  hohle   Zähne ,     die   theils   gezähnelt,    theils    bei 
andern  Arten  glatt  sind.     Die   Symphysenzähne  stehen   aufrecht. 
Unter-  und  Oberkieferzähne  sind  nur  wenig  oder  gar  nicht  ver- 
schieden; ebenso  hintere  und  vordere  Zähne. 

1.  Art:     Sphyrna  serrata  Münster, 
(cf.  1.  c.  Taf.  II,  Fig.  18  S.  20.) 

Taf.  I,  Fig.  45. 

Wie  im  Wiener  Becken  (Neudörfl),  so  ist  auch  in  der  ober- 
schwäbischen Molasse  diese  Art  sehr  zahlreich.  Beschreibung 
und  Abbildung  der  von  Graf  Münster  bestimmten  Zähne  passt 
sehr  gut  auf  die  oberschwäbischen  Erfunde.  Wir  glauben  dess- 
halb  auf  dieselben  nicht  näher  eingehen  zu  müssen.  Der  auf- 
recht stehende  Zahn  Fig.  45,  der  eine  ziemlich  stark  gezähnelte 
Basis  hat,  wie  die  übrigen  Zähne,  ist  ohne  Zweifel  als  Symphysen- 
zahn  zu  deuten,  da  die  lebenden  Hammerfische  in  beiden  Kiefern 
solche  besitzen.  Diese  Zähne  sind  etwas  kleiner,  was  ganz  für 
ihre  Eigenschaft  als  Mittelzähne  spricht.  Wir  müssen  nur  noch 
die  Unterschiede  gegenüber  von  einigen  Prionodonten  -  Zähnen, 
besonders  Taf.  I,  Fig.  40 — 42,  begründen.  Letztere  Zähne,  be- 
sonders von  Prionodon  Bältringensis  und  tumidus  haben 
eine  sehr  kräftige  Basis,  die  nach  innen  stark  vorspringt,  an 
der  Aussenseite  aber  zurückweicht,  so  dass  der  Schmelz  und  die 
unbeschmelzte  Basis  nicht  in  einer  Flucht  liegen.  Bei  Sphyrna 
tritt  die  Basis  an  der  Innenseite  wenig  hervor,  befindet  sich 
aber  an  der  Aussenseite  in  gleicher  Flucht  mit  dem  Schmelze; 
sodann  zieht  sich  bei  den  Prionodontenzähnen  der  Schmelz  an 
der  Innenseite  in  einem  scharfen  Winkel  hinauf  gegen  die 
Spitze    (Fig.  42  und  38);    bei   den    Zähnen    des   Hammerfisches 


—      152      — 

ist    der    Winkel,    den  der  Schmelz  bildet,     ein    sanfter  niedriger 
Bogen. 

Bei  der  sehr  grossen  Anzahl  von  Zähnen  (meine  Sammlung 
zählt  einige  Tausende)  lassen  sich  wohl  Unterschiede  nicht  blos 
in  Bezug  auf  die  Grösse,  sondern  auch  in  andern  Punkten  wahr- 
nehmen, aber  sie  scheinen  nicht  constant  zu  sein,  so  dass  wir 
alle  am  Rand  sehr  schwach  und  an  der  Basis  stark  gezähnelten 
Zähne  aus  der  oberschwäbischen  Molasse  als  eine  einzige  Art 
auffassen.  Wir  bemerken  nur  noch,  dass  Münsters  Sphyrna  siib- 
serrata  aus  der  Kreide  von  Aachen  nach  allen  Eigenschaften 
ein  Zahn  von  einer  Squatina  ist. 

2.  Art:    Sphyrna  integra  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  46,  47. 

Wie  bei  den  lebenden  Hammerfischen  Arten  mit  gezähnelten 
und  Arten  mit  ungezähnelten  Zähnen  (Sphyrna  tiides)  vorkommen, 
so  auch  in  der  oberschwäbischen  Molasse;  letztere  sind  jedoch 
sehr  viel  seltener,  als  erstere.  In  Fig.  46  und  47  geben  wir 
solche  Zähnchen.  Sie  bleiben  immer  etwas  kleiner,  als  Sphyrna 
serrata  und  stehen  auf  der  Basis  schief.  Fig.  46  zeigt  einen 
winkligen  Ausschnitt,  sowohl  an  der  hinteren  Seite  als  an  der 
vorderen,  woselbst  der  Winkel  etwas  stumpfer  ist.  Fig.  47 
hat  einen  Winkelausschnitt  nur  an  seiner  hinteren  Seite,  während 
die  vordere  Seite  in  gerader  Flucht  verläuft.  Dieser  kleine 
Unterschied  wird  nicht  zu  einer  Abtrennung  der  Art  berechtigen. 
Da  ungefähr  die  Hälfte  der  Zähne,  die  ich  besitze,  mit  Fig.  46, 
die  andere  Hälfte  mit  Fig.  47  übereinkommt,  so  wird  man 
eher  berechtigt  sein,  die  eine  als  Ober-,  die  ander  als  Unter- 
kieferzähne aufzufassen.  Die  Symphysenzähne,  die  ohne  Zweifel 
vorhanden  waren,  werden  sich  nicht  leicht  nachweisen  lassen. 
Sie  werden  so  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  kleineren  Zähnen 
von  Aprion  stellatus  haben,  dass  sie,  auch  wenn  sie  gefunden 
wären,  schwer  von  ihnen  zu  unterscheiden  wären.  Die  Zähnchen 
sind  hohl. 


—     153     — 

3.  Art:    Sphyrna  laevis  n.  sp. 

Taf.  I,  Fig.  48. 

Unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  Art,  mit  welcher 
sie  die  Grösse  und  die  ungezähnelten  Ränder,  auch  die  geringe 
Häufigkeit  gemein  hat,  dadurch,  dass  die  Spitze  weniger  schief 
auf  der  Basis  steht,  die  Basis  selbst  etwas  kürzer  ist  und  be- 
sonders, dass  selbst  am  Hinterrand  der  Zahn  nicht  in  einem 
scharfen  Winkel  ausgeschnitten  ist,  sondern  nur  in  einem  sanften 
Bogen.  Der  Vorderrand  ist  bei  allen  Exemplaren  ohne  Ein- 
knickung.  In  Bezug  auf  die  Symphysenzähne  ist  das  näm- 
liche zu  bemerken,  wie  bei  der  vorhergehenden  Art.  Auch  an 
diesen  Zähnchen  lässt  sich  die  Höhlung  wahrnehmen. 


—     154      — 


Erklärung   der   Abbildungen. 
Tafel  I. 


^ig.  1- 

-3 

Garcharias  (Aprion) 

stellatus  u.  sp. 

,     4 

11 

» 

5rem  n.  sp. 

y,      5, 

6 

V 

(Hi/poprion) 

singularis  n.  sp. 

V      7- 

-11 

V 

(Scoliodon) 

Kraussi  n.  sp. 

,    12- 

-19 

w 

{Prionodon) 

5mi?t5  n.  sp. 

,   20. 

21 

T) 

n 

speeiosus  n.  sp. 

.   22 

JJ 

?» 

deformis  n.  sp. 

.   23. 

24 

» 

» 

modestus  n.  sp. 

,   25. 

26 

» 

ff 

angustidens  u.  sp. 

.  27- 

-31 

n 

» 

ungulatus  Münster,  sp. 

,   32- 

-36 

» 

ff 

armatus  n.  sp. 

.   37- 

-39 

« 

» 

tumidus  n.  sp. 

.   40- 

-42 

r) 

ff 

Baltringensis  n.  sp. 

«    43 

(raZeocercio-Zahn. 

44  Symphysenzahn  einer  Gdleocerdo- Art 

45  Sphyrna  serrata  Münster,  Symphysenzahn. 

46  —  47  „        integra  n.  sp. 
48  „       Zaem  n.  sp. 
49 — 57  Hemipristis  serra  Ag. 

58 — 63  »  Klunzingeri  n.  sp. 

64 — 67  Galeus  affinis  n.  sp. 
68 — 70       „       tenuis  n  sp. 
71  „       cristatus  n.  sp. 


GiM  es  ein  Eozooii  canaileiise? 

Erwiderung 
auf  Dr.  C.  W.  Gumbels  und  Dr.  Carpenters  Entgegnung 
von  Otto  Hahn  in  Reutlingen. 
(Hiezii  Taf.  II.) 

Icli  habe  in  den  W.  naturwissenschaftlichen  Jahresheften  1876, 
S.  132,  eine  Abhandlung  über  das  JEozoon-Gestem  veröffent- 
licht, in  welcher  ich  auf  Grund  mineralogischer  That- 
sachen  dessen  von  W.  Logan,  J.  W.  Dawson  in  Montreal, 
W.  Carpenter  in  London  und  schliesslich  auch  von  Max  Schulte 
und  Anderen  behauptete  organische  Natur  bestritt.  Ich  begrün- 
dete meine  Ansicht  ausdrücklich  mit  mineralogischen  Thatsachen. 

Der  Beweis  organischer  Natur  ist  von  den  genannten  Ge- 
lehrten angetreten  und  nach  ihrer  Meinung  erbracht  worden. 
Die  Stimmführer  erklärten  sich,  und  das  sollte  die  Lücken  und 
Schwächen  des  Beweises  ergänzen,  für  die  ersten  Foraminiferen- 
Kenner  und  Mikroskopiker,  setzten  also  ihre  Autorität  dem  Be- 
weise voran. 

Aus  der  Zahl  der  Mineralogen  haben  Einige  zugestimmt, 
nämlich  Dr.  C.  W.  Gümbel  in  München  und  Dr.  Hochstetter  in 
Wien;  sehr  entschieden  entgegen  getreten  sind  die  Professoren 
King  und  ßowney  in  Dublin;  als  zweifelhaft  hat  die  Sache  ge- 
lassen unter  Anderen  Professor  Dr.  Zirkel  in  Leipzig;  derselbe 
neigt  sich  übrigens  aus  schwerwiegenden  Gründen  eher  zu  den 
Gegnern  der  organischen  Natur  des  Eozoongesteins;  derer,  welche 
einfach  nachschreiben,  brauche  ich  nicht  zu  erwähnen. 


—     156     — 

Gerade  als  ein  gewisser  Stillstand  in  dem  Kampf  um  das 
Eo0oon  canadense  eingetreten  war,  fasste  ich  die  Sache  aufs 
Neue  an  und  überzeugte  mich,  dass  das,  was  ^Eosoon  canadense^ 
genannt  wurde,  als  Wesen  nicht  existirt  habe,  sondern  immer 
eben  nur  Stein  war.  Das  Resultat  meiner  Untersuchungen  ist 
in  der  genannten  Zeitschrift  niedergelegt.  Diese  Abhandlung  ist 
auch  in  England  veröffentlicht  worden. 

Ich  musste  nun  auf  eine  Entgegnung  gefasst  sein;  aber 
freilich  nicht  auf  eine  solche,  wie  sie  sowohl  von  Dr.  Gümbel  in 
dem  Regensburger  Correspondenzblatt  1876,  als  von  Dr.  William 
Carpenter  in  „The  Annais  and  Magazine  of  natural  history" 
Nr.  102,  S.  407  erfolgt  ist. 

Diese  Entgegnungen  nöthigen  mich,  die  weiteren  seitdem 
gefundenen  Beweise  für  die  entgegengesetzte  Ansicht  anzu- 
führen. 

Vor  Allem  nun  habe  ich  bezüglich  der  Art  der  Beweis- 
führung der  Gegner  aufs  Neue  Einiges  zu  bemerken. 

Eine  Autorität  erkenne  ich  nicht  an,  sondern  nur 
Beweise.  Allerdings  musste  man  eben  in  der  Beweisführung,  wo  die 
Thatsachen  nicht  mehr  ausreichen  wollten,  immer  wieder  (ich  prophe- 
zeite richtig  das  Brennus-Schwert  der  Autorität)  das  Wort  hören 
„die  ersten  Kenner  der  Foraminiferen  haben  sich  für  die  orga- 
nische Natur  desselben  entschieden";  dieser  Glaubens-Eid  ergänzt 
in  der  Wissenschaft  den  Beweis  nicht.  Er  kann  blos  Solche, 
welche  eben  wissenschaftlich  nicht  prüfen,  zu  einem  gewissen 
Glauben  verführen,  also  blinde  Anhänger  gewinnen.  Gerade  in 
der  vorliegenden  Frage,  welche  von  Anfang  an  zu  Allem  noch 
eine  Parteisache  war,  konnte  weder  die  Autorität  der  Führer, 
noch  der  Beifallssturm  einer  gewissen  Menge  entscheiden;  diese 
Menge  hätte  Allem  geklatscht,  was  in  den  Kram  passte.  Ich 
habe  mich  aber  auch  überzeugt,  dass  Gelehrte,  welche  darüber 
schrieben  und  sich  für  die  organische  Natur  mit  einer  Entschieden- 
heit aussprachen,  welche  nichts  zu  wünschen  übrig  liess,  nicht 
einmal  ein  Präparat  gesehen  hatten,  viel  weniger  eines  besassen. 
Solche  Erfahrungen  machen  in  dem  Glauben  an  schreibselige 
, Autoritäten"  vorsichtig. 


—     157     — 

Ich  komme  zu  einem  weiteren  Punkt  formeller  Natur  in  der 
Beweisführung  hinsichtlich  des  Eozoon. 

Es  ist  offenbar  nicht  genügend,  wenn  irgend  eine  zoologi- 
sche, und  wäre  es  auch  die  grösste  Autorität,  den  Beweis  führte, 
dass  in  einem  Gesteine  vorkommende  Formen  von  Theilen  dieses 
Gesteins  einem  Thiere  ähnlich  seien,  gleich  konnte  ja  Niemand 
behaupten.  Völlig  nichtssagend  ist  die  Behauptung,  sobald  der 
Mineraloge  nachweist,  dass  dieselben  Formen  in  einer  andern 
Anordnung  vorkommen ,  wo  anerkannter  Massen  von  einem  or- 
ganischen Wesen  keine  Rede  sein  kann. 

Dies  war  mein  Beweissatz  und  ich  glaube  diesen  Beweis 
auch  geführt  zu  haben,  mit  dem  Folgenden  jedenfalls  ihn  bis 
zur  vollen  Evidenz  zu  führen. 

Nun  sagt  aber  Dr.  Carpenter  in  seiner  Entgegnung:  „die 
mineralogischen  Details  liegen  ganz  ausserhalb  des  Beweises 
seiner  Untersuchungen,  die  nur  auf  die  organische  Structur  Bezug 
haben."  Das  heisst  mit  andern  Worten:  Was  die  Mineralogen 
für  die  unorganische  Natur  des  Eozoon  bewiesen  haben,  das 
existirt  für  mich  nicht:  ich  kenne  blos  Organismen  und  finde 
ich,  dass  ein  organisches  Wesen  da  ist,  so  giebt  es  überhaupt 
keinen  Gegenbeweis.  Die  Mineralogen  werden  einfach  für  nicht 
stimmberechtigt  erklärt. 

Diese  Schlussfolgerung  möchte  richtig  sein,  wenn  es  sich 
etwa  darum  handelte,  ein  schon  vorhandenes  Wesen  als  fossil 
nachzuweisen,  oder  darum,  bestimmt  festgestellte  Merkmale  eines 
Wesens  an  einem  andern  wiederzufinden,  sowohl  im  Einzelnen 
als  in  ihrer  Zusammenstellung.  Allein  die  Sache  liegt  anders. 
Es  handelt  sich  in  der  Frage  des  Eozoon  um  ein  neues  Wesen, 
es  handelt  sich  um  Formen,  von  denen  es  eben  von  Anfang  an 
zweifelhaft  ist,  ob  sie  nicht  an  einem  andern  Ort  rein  unorga- 
nischen Ursprungs  sich  wieder  finden,  wobei  natürlich,  wenn  sie 
sich  so  finden,  alle  Beweiskraft  des  Schlusses  wegfällt. 

Bei  der  Beweisführung  sind  die  allgemeinen  Regeln  der 
Logik  anzuwenden.  Nun  hat  aber  jede  Wissenschaft  noch  eine 
besondere  Logik,  d.  h.  festgestellte    Thatsachen,    aus   denen    die 


—     158     — 

sichersten  Schlüsse  abgeleitet  werden  können.  Ich  führe  eine 
solche  hieher  bezügliche  Thatsache  an. 

Es  steht  fest,  dass  Serpentin  nie  ein  ursprüngliches 
Mineral,  sondern  stets  ein  Zersetzungs-Erzeugniss  aus  Olivin, 
Augit,  Hornblende  etc.  ist;  es  steht  ferner  fest,  dass  der  Ser- 
pentin in  ein  anderes  Mineral  wie  Augit,  Hornblende,  Olivin  auf 
nassem  A¥ege  nie  und  blos  bei  Schmelzhitze  in  Olivin  sich  zurück- 
verwandelt*; es  steht  endlich  fest,  dass  die  vorliegenden  Eozoon- 
Kalke  reine  Wassergebilde  sind.  Ist  dies  Alles  gewiss,  so  ist 
die  geringste  Partikel  eines  Olivin-  oder  Augitcrystalls  in  einer 
sogenannten  Kammer  zum  vollen  Beweis  hinreichend,  dass  der 
Serpentin    derselben   eben   von   diesem  Mineral   herrühre. 

Eine  weitere  solche  Thatsache  ist  folgende:  Liegt  Serpentin 
von  2 — 3  mm.  Durchmesser  in  einer  Kalkhöhle,  in  welche  ein 
Crystall  nicht  eindaingeu  kann,  und  enthält  Serpentin  noch  unzer- 
setzte  (Crystall-)  Mineraltheile,  welche  nicht  eindringen  und  sich 
dort  nicht  bilden  konnten,  so  ist  kraft  mineralogischer  Logik  der 
unumstössliche  Beweis  geführt,  dass  die  ganze  Ausfüllung  der 
Kalkhöhlung  von  nichts  anderem  herrührt,  als  von  dem  ursprüng- 
lichen jetzt  in  Serpentin  verwandelten  Mineral.  Ist  der  Serpentin 
aber  blos  an  die  Stelle  des  Minerals  getreten,  so  kann  an 
dieser   Stelle    von  Anfang    an  keine  Höhlung  gewesen  sein**. 

Nicht  minder  strict  beweisend  ist  die  dritte  Thatsache,  dass 
in  der  Zwischenmasse  (intermediate  skeleton)  noch  unzersetzte 
Augit- Gry  stalle  und  Glimmerblättcheu  sich  finden;  wie  sollten 
diese  in  den  „Knochen"   kommen? 

Und  nicht  minder  beweisend  ist  die  vierte  Thatsache,  dass 
umgekehrt  Kalkstücke  in  der  Füllmasse  sind. 

Eine    fünfte    solche    Thatsache    der    mineralogischen  Logik, 


*  Quenstedt,  Mineralogie.  3.  Aufl.  S,  299. 
**  Dr.  Zirkel,  Mikroskopische  Beschaffenheit  der  Mineralien,  S.811 
sagt  darüber:  ,, Durch  die  Anwesenheit  auch  nur  geringer  Mengen  von 
Olivin  und  durch  das  Auftreten  seiner  Begleiter  ist  der  Nachweis,  dass 
eine  Serpentinmasse  aus  Olivinfels  hervorgegangen,  mit  Sicherheit  zu 
führen." 


—      159     — 

welche  bis  jetzt  von  allen  Forscliern  übersehen  worden  ist,  ist 
folgende: 

Dr.  Carpenter  behauptet,  und  es  ist  dies  der  Stützpunkt 
seiner  Ansicht,  der  Serpentin  sei  mittelst  Infiltration  in  die 
Kammern  der  Foraminifere  gedrungen;  auf  diese  Weise  allein 
konnte  ja  die  Anwesenheit  dieser  „Schlange"  an  solch  verdäch- 
tigem Ort  von  Anfang  an  erklärt  werden. 

Ist  der  Serpentin  der  Kammern  eine  Infiltrationsmasse,  so 
muss  er  nothwendig  völlig  amorph  gewesen  und  muss  es  noch 
sein.  Alle  die  Serpentinarten,  welche  nach  ihrer  äusseren  Ge- 
stalt in  dieses  Stadium  der  Wandlung  gelangt  sind,  sind  amorph. 
Ich  nenne  hier  besonders  den  Pikrolith.  Es  ist  der  flüssige  Zu- 
stand, der  letzte  Grad  der  Zersetzung  des  ursprünglichen  Gesteins. 
Das  Gestein  in  diesem  Zustand  polarisirt  nichtmehr. 
Aller  Serpentin  in  den  Eo0oon-Ka,mmern  aber  zeigt  die  Bänder 
und  Netze,  die  Adern.  Dies  ist  aber,  wenn  man  die  Sprünge 
als  das  erste  Stadium  der  Serpentinbildung  annehmen  will,  das 
zweite  Stadium  der  Zersetzung  desOlivins,  und  nun 
erst  beginnt  das  dritte  mit  der  Auflösung  der  zuletzt  übrig  geblie- 
benen Körner  und  damit  aller  Einzeltheile.  (Zirkel  1.  c.  S.  216, 
Rosenbusch,  mikroscopische  Physiographie,  I.  Bd.  S.  371,  372.) 
Letzterer  Zustand  findet  sich  auch  im  Eozoongestein;  aber  nie  in 
den  Kammern,  sondern  blos  in  den  Bändern  und  in  Höhlungen  von 
regelloser  Form,  dort  das  Gestein  ausfüllend;  dort  sind  insbe- 
sondere die  Maschen  gänzlich  verschwunden. 

Im  canadischen  Gestein  der  Kammern  sehen  wir  den  Ser- 
pentin durchaus  noch  im  zweiten  Stadium  des  Zersetzungszustands. 
Hiermit  ist  der  Nachweiss,  dass  das  Mutter gestein  gerade 
an  der  Stelle  des  Serpentins  gelegen  habe,  wieder 
bis  zur  Evidenz  geführt,  denn  halbzersetzter  Olivin  kann  nicht 
durch  mikroscopisch  kleine  Poren  in  Foraminiferen  -  Kammern 
dringen.  Der  Glauconit  ist  kein  Beweis,  denn  dieser  ist  un- 
zweifelhaft ein  Niederschlag  aus  wässriger  Lösung.  Eine  solche 
aber  kann  jede,  auch  die  kleinste  Röhre  durchdringen. 

Dies  Alles  sind  mineralogische  Thatsachen,  welche  in  der 
mineralogischen  Logik  einen  unumstösslichen  Beweis  liefern;   hier 


—      160      — 

also  Gewissheit,  bei  den  Gegnern  blose  Wahrscheinlichkeit  aus 
der  Form,  und  man  weiss,  wie  diese  trügt. 

Man  braucht  keiner  der  hervorragenden  Mineralogen  zu 
sein,  auf  deren  Zeugniss  Dr.  Carpenter  sich  beruft,  um  das 
ganze  Gewicht  solchen  Beweises  zu  verstehen;  er  ist  für  den 
Laien  schon  völlig  verständlich,  sobald  nur  die  zwei  Thatsachen 
gegeben  sind :  1)  der  Serpentin  ist  immer  ein  Zersetzungs-Product 
und  zwar  ein  Wasser-Zersetzungsproduct ;  2)  es  liegt  ein  Krystall- 
stück  in  einem  Eaum,  in  welchen  es,  so  wie  es'ist,  von  aussen 
nicht  eindringen  kann ;  das  Mineral  selbst  ist  kein  Wasserprodukt. 

Nun  glaube  ich  aber,  wer  überhaupt  einmal  mit  Gesteinen 
sich  beschäftigt,  übernimmt  damit  eben  auch  die  Verpflichtung,  mit 
den  mineralogischen  Thatsachen  wenigstens  einigermassen  sich  be- 
kannt zu  machen.  Man  muthet  dem  Mineralogen  zu,  dies  bezüg- 
lich der  Foraminiferen,  der  zoologischen  Thatsachen  zu  thun, 
also  ist  das  Umgekehrte  nicht  mehr  als  billig.  Ich  gebe  daher 
den  Vorwurf,  als  habe  ich  mich  mit  den  Foraminiferen  nicht 
beschäftigt,  zunächst  auf  dem  andern  Gebiete  zurück,  werde  ihm 
aber  auch  auf  dem  Gebiete  der  Foraminiferen  selbst  antworten. 

Von  Anfang  an  nicht  so  günstig  als  für  den  Mineralogen 
liegt  die  Sache  des  Eo0oon  freilich  für  den  Zoologen,  voraus- 
gesetzt natürlich,  dass  nicht  die  Autorität  der  Hauptbeweis 
sein  soll. 

Ich  stehe  aber  nicht  an,  auch  eine  zoologische  Logik  anzu- 
erkennen. 

Gerade  aber  die  allgemeine  sowohl  als  die  zoologische  Logik 
fordern,  dass  eine  Erscheinung  nicht  als  zoologische  That- 
sache  angenommen  werde,  wenn  dieselbe  Erscheinung  im  Gebiete 
der  unorganischen  sich  findet. 

Nun  muss  der  Zoologe  unbedingt  einräumen,  dass  diejenigen 
Merkmale,  welche  er  als  Beweise  für  die  organische  Natur  des 
Eozoon  anführt,  in  keinem  andern  bekannten,  organischen  Wesen 
zusammen  sich  finden.  Er  gesteht  also  zu,  es  sei  blos  eine 
Aehnlichkeit  im  Ganzen  da.  So  bleibt  seine  Beweisführung  auf  die 
Aehnlichkeit  der  einzelnen  Theile  beschränkt.  Ist  im  Ganzen 
blos    eine    Aehnlichkeit,   so   muss,    soll    irgend   von    einem   Er- 


—     161      — 

gebniss  die  Rede  seiu,  völlige  Gleichheit  der  einzelnen  Theile 
mit  Theileu  anerkannt  organischer  Wesen  dargethan  werden. 

So  nachsichtig  man  also  auch  in  dem  ersten  Theil  der 
Beweisführung,  in  der  Beurtheilung  im  Ganzen  sein  kann: 
so  streng  muss  man  in  dem  zweiten  Theil,  nämlich  in  dem 
Nachweis  der  vollen  Uebereinstimmung  der  einzelnen  Theile  mit 
Theilen  anerkannter  Organismen  sein;  hier  darf  man  sich  mit 
blosser  Aehnlichkeit  nicht  mehr  begnügen  oder  die  ganze  Sache  ist 
nur  Hypothese  auf  Hypothese,  an  welchen  freilich  unsere  Zeit 
reicher  ist,  als  im  Interesse  der  Wissenschaft  zu  wünschen  wäre. 

Wie  fatal  es  schon  im  ersten  Theil  des  Beweises  aussieht, 
das  bezeugt  die  Thatsache,  dass  man  stets  von  einer  Analogie 
zur  andern  springt,  immer  wird  ein  Neues  gesucht  und  gesagt : 
mit  diesem  stimmt  Eosoon,  dann  mit  dem  andern,  und  endlich 
sagt  ein  „guter  Kenner  der  Foraminiferen",  es  sei  doch  mehr 
Coralle  als  Foraminifere. 

Nun,  wäre  auch  wirklich  eine  grosse  Aehnlichkeit  des 
Ganzen  mit  andern  Organismen,  ist  auch  Aehnlichkeit  im  Ein- 
zelnen nachgewiesen,  so  ist  bei  den  Einzelmerkmalen  immer  vor- 
her zu  fragen:  Existirt  nicht  dieselbe  Erscheinung  im  un- 
organischen Eeich?  Trifft  dies  zu,  so  schwindet  auch  hier  alle 
Beweiskraft,  und  wenn  zuletzt  nur  ein  einziges  wesentliches 
Merkmal  einer  Foraminifere  auf  solche  Weise  wegfiele,  so  fällt 
damit  wenigstens  der  ganze  wissenschaftliche  Beweis  zusammen. 

Diese  allgemeinen  Sätze  und  Thatsachen  sind  geltend  ge- 
macht, sind  aber  von  der  Kritik  theils  übergangen,  theils 
durch  völlig  nichtssagende  Entgegnungen  zu  beseitigen  versucht 
worden.  Hier  zeigt  Dr.  Carpenter,  dass  er  eben  ganz  und 
gar  nichts  von  Mineralogie  versteht;  denn  wenn  er  der  ersten 
oben  angeführten  Thatsache,  nämlich  dem  Vorhandensein  von 
Olivin-Partikeln  in  den  Kammern  des  Eoßoon,  die  Kalkspath- 
krystalle  in  den  Ammoniten  entgegen  hält,  so  weiss  man  wirk- 
lich nicht,  was  man  denken  soll.  Jeder  Anfänger  in  der  Mi- 
neralogie weiss,  dass  jeder  Kalkspath  aus  einer  wässerigen 
Lösung,  niemals  aber    ein  Olivin  oder  Augit  aus  Serpentinmasse 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  11 


—     162     — 

auf  wässerigem  Wege  krystallinisch  sich  niederschlagen  kann. 
Solche  Dinge  sind  also  selbst  einem  blossen  Zoologen  nicht  zu 
verzeihen,  sobald  er  nämlich  in  das  Gebiet  der  Palaeontologie 
sich  begibt. 

Die  Entgegnungen  Carpenters  lassen  sich  nur  mit  grasser 
Unkenntuiss  eben  des  Gebiets,  auf  dem  er  arbeitet,  erklären, 
ob  entschuldigen,  ist  eine  andere  Frage.  '   m 

Ehe  ich  auf  den  zoologischen  Gegenbeweis  eingehe,  soll 
der  mineralogische  Beweis  noch  ergänzt  werden. 

Hier  kann  man  sich  auf  längst  erwiesene  mineralogische 
Thatsachen  berufen,  es  lassen  sich  aber  auch  noch  neue  bei- 
fügen. 

1)  Wie  schon  früher  angeführt  wurde,    muss   zunächst   der 
Serpentinkalk  in  allen    seinen  Vorkommnissen   erforscht   werden. 
Da  früher  kein  besonderes  Interesse  dahin  zog,    so  wurden   ge- 
naue Untersuchungen  unterlassen  und    daraus  erklärt   sich   auch, 
dass  „bedeutende  Mineralogen"  zugaben,  dass  das  canadische  Vor- 
kommen   des    Serpentinkalks    nirgends    sich    wiederfinde,    was 
übrigens  durchaus  unrichtig  ist,  denn  es  glauben  ja  Dr.  Gümbel 
und  Dr.  v.   Hochstetter   wirkliches    Eo0Oon-GcQstem   entdeckt    zu 
haben    und    zwar    ersterer    bei    Passau,    letzterer    in   Böhmen. 
Dieser  Kalk  soll  auch  Eoraminiferen-Structur  haben,  er  wäre  also 
dem  canadischen    sehr  ähnlich.      Weil    es    eine  Bestätigung   der 
Ansicht   war,    so   acceptirte    man    diese   Widersprüche   natürlich 
sofort  als  Beweise.     Es  ist  jedoch  sicher,  dass  eben  diese  Funde 
doch   mit  den  canadischen  nicht  völlig   übereinstimmen,   ja   dass 
ihnen  gerade   das    fehlt,   was    allein   als   Merkmal   einer   Fora- 
minifere  im  canadischen  Gestein  angesehen  werden  könnte.     Ich 
habe  die  Gesteine  von  Bayern    und    Böhmen   auch   geprüft    und 
nichts    an  ihnen  gefunden ,    als    eben   Serpentin    und   Kalk   ver- 
gesellschaftet,   einige    Chrysotil-Fasern    und    die    Structur    des 
Kalkes,  wie  er  in  aller  Welt   vorkommt.   Aber  andere  Serpentin- 
kalke habe  ich  gefunden,  welche  eben  die  charakteristische  Form 
des  canadischen  Gesteins  zeigen,  nur  mit  einer  solchen  Anordnung  der 
für   sich    völlig    gleichen   Theile,    dass    von    einem    organischen 
Wesen  keine  Rede  mehr  sein  kann. 


—     163     — 

Zunächst  desshalb  einige  allgemeine  Bemerkungen  bezüglich 
des  Serpentiukalks. 

Serpentin  und  Kalk  finden  sich  überall  zusammen  vor. 
Wo  nur  Serpentin  vorkommt,  finden  sich  zum  mindesten  Kalk- 
wände, daher  auch  Serpentinkammern.  Das  ist  eine  minera- 
logische Thatsache;  ich  führe  als  Beispiel  den  prachtvollen  von 
Elba  an. 

Aber  es  finden  sich  beide  Mineralien,  Kalk  und  Serpentin, 
ganz  gewöhnlich  schichtenförmig  und  zwar  Serpentin  und  Kalk 
regelmässig  wechsellagernd.  Ein  solcher  Serpentin,  und  zwar 
ein  mit  dem  canadischen  in  Structur  und  Zusammensetzung 
gleicher,  ist  der  von  Lissiz,  wovon  eine  ganze  Reihe  von  Hand- 
stücken mir  vorliegen.  Dieser  unterscheidet  sich  auch  mikro- 
skopisch kaum  von  dem  canadischen. 

Diese  allgemeine  Aehnlichkeit  zwischen  den  Ser- 
pentinkalken tritt  überall  auf.  Wir  haben  also  zunächst  einmal 
beide  Mineralien  ganz  regelmässig  vergesellschaftet 
und  zwar  sowohl  geschichtet  in  Wechsellagern  als  in  der  „Acer- 
vulinen-Forra*.  Diese  Vergesellschaftung  spricht  dafür,  dass 
Serpentin  und  Kalcit  einen  gemeinschaftlichen  Stammvater  haben, 
nämlich  ein  kalk-  und  magnesiahaltiges  Mineral.  Augit  z.  B. 
enthält  nach  der  Analyse  (bei  Blum  S.  370)  bis  20  Theile 
Kalk-,  bis  18  Theile  Talkerde.  Zersetzt  sich  das  Gestein,  so 
erklärt  es  sich  sehr  leicht,  dass  wir  Dolomit,  Kalk  und  Serpentin 
zusammen  finden. 

Hier  ist  also  kein  organisches  Wunder,  im  Gegentheil  würde 
es  schon  mit  den  Untersuchungen  von  Prof.  King  und  Eowney 
ganz  gut  stimmen,  welche  in  dem  Serpentinkalk  das  ursprüng- 
liche noch  unzersetzte  Mineral,  das  sie  für  Augit  ansahen,  ge- 
funden haben,  wie  dies  ja  auch  bei  allen  Serpentinkalken  aus 
Olivin  von  mir  nachgewiesen  wird. 

Aber  auch  der  Olivin  enthält  Kalk,  wie  das  Zersetzungs- 
product  desselben,  der  Ophit  von  Snarum,  ergibt. 

2)  Es  kann  schon  desshalb  eine  Kalkwand  für  sich  keines- 
wegs aus  dem  Vorhandensein  einer  Thierschale  erklärt  werden, 
sie    müsste    jedenfalls    nach    Formen    zeigen.      Bei    der    Zer- 

11* 


—     164     — 

Setzung  des  Augits  und  Olivins  zu  Serpentin  bilden  sich  zuerst  fast 
parallele  Adern,  dann  Queradern,  also  Maschen;  in  die  einen 
dieser  Maschen  setzt  sich  der  Kalk  ab,  in  die  anderen  die  durch- 
sichtige Serpentinmasse  mit  Bändern,  welche  feine  Faserstructur 
zeigen.  Häufig  findet  sich  das  unzersetzte  Mineral  als  Kern  in 
Form  der  Maschen,  in  anderen  Theilen  des  Kalks  finden  sich 
noch  die  ganzen  (unzersetzten)  Crystalle.  Dass  ein  Theil  der  Aus- 
füllungsmasse wirklich  kohlensaurer  Kalk  ist,  sieht  man  sofort 
daraus ,  dass  sie  mit  Salzsäure  Kohlensäure  entwickelt.  Man 
sieht  also  hier  die  Scheidung  des  ursprünglichen  Minerals  in 
zwei  Bestandtheile.  Es  bedarf  nun  nur  des  Hinzutritts  von 
Wasser,  das  Mineral  zersetzt  sich  in  seine  Bestandtheile  und 
das  eine  wie  das  andere  lagert  sich  nach  den  bekannten  Ge- 
setzen ab.  Ist  die  ganze  Masse  noch  ('wie  man  bei  der  Ser- 
pentinbildung annehmen  muss)  flüssig,  so  wird  die  Lösung  in 
durchgehenden  Lagern  und  Schichten  sich  absetzen,  die  halb- 
zersetzten Crystalle  in  gallertartigen  Klumpen  werden  sich  auf  den 
Kalk  auflagern  und  dort  je  nach  den  äusseren  Bedingungen  in 
ihrer  Zersetzung  fortfahren.  Die  Zersetzung  hat  eine  Aus- 
dehnung des  Volumens  zur  Folge  und  dadurch  werden  immer 
runde  Formen  und  später  Sprünge  entstehen,  wie  wir  sie  bei 
canadischen  Gesteinen  sehen.  Es  ist  aber  leicht  möglich,  dass 
sich  einzelne  Crystalle  und  Körner  nicht  weiter  zersetzen  (weil 
der  Wasserzutritt  durch  die  Erhärtung  des  Kalks  gehindert  ist), 
dann  enthält  dieser  noch  unzersetzte  Theile,  ja  ganze  Körner, 
während  ein  anderer  Theil  des  Gesteins  bis  zur  völligen  Auf- 
lösung fortschreiten  kann  und  dann  regelmässige  ebene  Lagen 
bildet.     So  erklärt  sich  das  canadische  Gestein  ganz  natürlich. 

3)  Das  ursprüngliche  Canada-Gestein  enthält  ein  Magnesia- 
Silicat,  eingebettet  in  Kalk ,  so  wie  wir  sie  heute  noch 
finden,  ähnlich  also  wie  Spinell,  Choudrodit,  Coccolit  im  Kalk 
vorkommen.  Es  bleiben  nun  zwei  Möglichkeiten,  die  eine,  dass 
zuvor  die  mit  Kalk  vergesellschaften  Minerale  in  ihrer  jetzigen 
Form  in  die  Kalkschichten  auf  irgend  eine  Weise  gekommen, 
der  andere,  dass  sie  nachher  dort  zersetzt  worden  sind.  Bei 
letzterer  Annahme  allein  erklärt   sich   aber  die  Abwesenheit  von 


—     165     ~ 

reinen  Serpentinmassen  an  anderen  Stellen  der  Kalkschichten ;  für 
letztere  Annahme  spricht  auch  der  Zustand  des  Serpentins  im 
zweiten  Stadium  der  Zersetzung.  Die  eigenthümliche  Form  erhalten 
die  Stücke  und  dann  auch  der  Serpentin  selbst  durch  den  Druck 
des  sie  umgebenden  und  überlagernden  Gesteins  im  Zustand  der 
Erweichung.  Legt  man  Massen  von  annährend  gleicher  Dicht- 
heit auf  einander  und  drückt  und  knetet  sie,  so  dehnen  sich 
die  weichen  Stücke  gleichmässig  aus.  Ist  die  einschliessende 
Masse  noch  weich,  wie  das  bei  den  Eosoon-Stücken  unzweifelhaft 
der  Fall  sein  musste  und  tritt  ein  Druck  Seitens  der  umgebenden 
Masse  hinzu,  worauf  die  ganze  Lagerung  hinweist:  so  müssen 
die  Stücke  Fluidalstructur  annehmen,  wie  wir  dies  auch  bei 
einem  Theil  des  canadischen  Gesteins  sehen. 

Wo  irgend  unzersetztes  Gestein  ist,  hat  es  seine  Form, 
Sprünge,  Brüche  beibehalten,  der  beste  Beweis,  dass  unsere 
Deutung  die  richtige  ist.  Es  finden  sich  aber  auch  eckige 
Kalkstücke  in  der  Serpentinmasse,  also  in  den  sogenannten 
Kammern  wieder,  ein  Beweis,  dass  der  Serpentin  nicht  in- 
filtrirt  ist,  denn  solche  Stücke  könnten  nicht  durch  Tubuli, 
nicht  durch  Zwischengänge  eindringen. 

Nun  hat  Dr.  Carpenter  die  Hypothese  der  Kalkbildung 
überhaupt,  sowie  insbesondere  auch  die  von  der  Umwandlung 
des  cararischen  Marmors  hereingeworfen.  Diese  Hypothese  ist 
aber  eben  eine  und  zwar  schon  längst  aufgegebene.  Ich 
verweise  hier  einfach  auf  Quenstedt  „Epochen  der  Natur* 
S.  91  ff.  Mit  solchen  Dingen  lässt  sich  also  nichts  machen, 
Hj^othesen  aber  kann  man  nicht  mit  und  besonders  nicht  mit 
schon  widerlegten  Hypothesen  stützen.  Eben  der  Serpentin  von 
Snarum  zeigt,  dass  es  zu  Kalkausscheidungen  keiner  organischen 
Wesen  braucht. 

4.  Ehe  ich  weiter  gehe,  soll  die  Lagerung  des  Serpentin- 
kalks  im  Kalkstein  und  dieses  Gesteins  im  Gneis  erwähnt 
sein.  Ich  habe  die  Lagerung  in  Canada  nicht  selbst  gesehen, 
ich  glaube  Dr.  Carpenter  hat  es  auch  nicht;  Dawson's  Mit- 
theilungen  ist   nur    so    viel   zu    entnehmen,    dass  Serpentinkalk- 


—      166     — 

stücke  im  Kalk  und  dieser  im  Gneis  eingebettet  liegen,  von 
Serpentinlagern  im  Gneis  oder  Kalk  ist  nichts  gesagt. 

Dass  Gneis,  das  erste  geschichtete  Gestein  ist,  ist  sicher. 
Eine  Schichtung,  wie  wir  sie  finden,  kann  nicht  ohne  Wasser 
gedacht  werden.  Da  nämlich  die  Bestandtheile  des  (ungeschich- 
teten) Granits  völlig  gleich  sind  mit  denen  des  aufgelagerten 
Gneises,  so  muss  als  höchst  wahrscheinlich  angenommen  werden, 
dass  letztere,  aus  denselben  Baustoffen  gewonnen,  nur  hinsicht- 
lich der  Anordnung  der  Theile  eine  weitere  Aenderung  erlitten 
haben.  Die  Aenderung  erfolgte  am  natürlichsten  durch  das 
Wasser.  Ich  habe  Gneisstücke  von  Villingen  (Baden),  deren 
Spaltungsflächen  so  eben  sind,  als  die  Schichten  des  Thon- 
oder  Lithographenschiefers.  Die  Bestandtheile  stimmen  mit  dem 
Syenit,  in  welchem  der  Gneis  eingelagert  ist,  völlig  überein. 

Schon  die  Profile  Dawson's  ergeben  sofort  einen  sedimen- 
tären Ursprung  der  Gesteinbildung.  Die  Folgerungen  hieraus 
mögen  nun  ebenso  für  als  wider  verwendet  werden.  Nur  muss 
man  mit  gleichem  Maasse  messen.  Sagt  man  auch  mit 
voller  Wahrscheinlichkeit,  das  erste  organische  Wesen  muss  in 
einem  Sedimentgestein  sein,  so  ist  damit  das  Wo?  im  Sediment- 
gestein noch  nicht  bestimmt. 

Dass  die  organische  Schöpfung  irgendwo  anfangen  muss, 
ist  ebenso  gewiss,  als  es  ungewiss  ist,  wo  sie  anfängt. 

Dr.  Dawson  bildet  zu  Kap.  3  seines  Werkes  ,Life's  Dawn 
onEarth"  ein  herausgewittertes  Stück  Eo^oon-Gesteiu  ab  und  sagt» 
dass  diese  Stücke  zerstreut  im  Kalke  liegen.  Warum  man  hierin 
gerade  die  Form  eines  Korallenriffs  sieht,  weiss  ich  nicht.  Die 
Form  könnte  ebenso  gut  Alles  andere  sein.  So  viel  ist  also 
gewiss,  dass  diese  Serpentinstücke  blos  als  Knollen  im  Kalk  vor- 
kommen. 

Gerade  aber  diese  Lagerung  fordert  sofort  einen  sehr  ge- 
wichtigen Einwurf  gegen  den  organischen  Ursprung  heraus. 

Ein  Korallenriff  besteht  aus  Korallen,  diese  müssen  auf 
einem  anderen  Gegenstand,  in  der  Regel  auf  einem  Gestein,  auf- 
sitzen,   sie  können  nicht    schweben.     Nun   kann   aber    der   Kalk, 


—      167     — 

in  welchem  die  Eozoon-Siücke  liegen,  kaum  anders  als  flüssig 
gedacht  werden.  Es  muss  also  das  Gestein,  auf  welchem  die 
Koralle  sitzt,  weil  viel  älter,  also  auch  eine  andere  Masse  ge- 
wesen sein,  als  diejenige,  auf  welcher  später  die  Koralle  sich 
aufsetzte. 

Warum  sollen  blos  die  „Kammern"  Serpentin  enthalten? 
Wenn  der  Vorgang  der  von  Dr.  Carpenter  behauptete  wäre,  so 
müssten,  da  im  Kalk  auch  sonst  Höhlungen  sich  befinden,  diese 
mit  Serpentin  ausgefüllt  sein,  ja,  es  müsste  überhaupt  Serpentin 
im  Kalk  ausserhalb  der  Eo^oon-Stücke  sich  finden. 

Es  wäre  nämlich  ein  durchaus  unbegreiflicher  Vorgang, 
dass  der  Serpentin,  als  wäre  er  gerade  nur  zur  Ausfüllung  der 
Eo0oon-Ka.mmeni  bestimmt  gewesen,  durch  die  dicken  Kalklager 
dorthin  gezogen  und  dort  etwa  wie  ein  Vogel  sich  eingenistet 
hätte,  um  einige  Millionen  Jahre  später  den  Zoologen  das  „ganz 
getreue  Modell  des  Eozoon  zu  erhalten". 

Diese  Thatsache,  d.  h.  das  Fehlen  des  Serpentins  an 
anderen  Stellen  des  Kalks,  spricht  ganz  entschieden  für  die  Ent- 
stehung des  Serpentins  (aus  Olivin,  Augit)  anOrtund  Stelle, 
also  aus  einem  im  Kalk  eingebetteten  Minerale,  es  stellen 
sich  diese  ^o^oow  -  Kalkstücke  eben  als  Brocken  eines 
Oesteins  dar,  in  welchem  wahrscheinlich  erst  nach  ihrer  Ab- 
lagerung im  Kalk  die  Zersetzung  und  dabei  die  Kammerbildung 
vorging.  Nur  Eine  Möglichkeit  bleibt  übrig:  die  an  einem 
andern  Ort  schon  fertigen  „^o^oow-Schalen  mit  Serpentin-In- 
filtration" wären  auf  irgend  eine  Weise  in  die  flüssige  Kalk- 
masse gefallen. 

5)  Man  beruft  sich  so  gern  auf  das  Vorkommen  von 
Glauconit  in  den  Nummuliten.  Allein  dieser  Glauconit  ist  nicht 
blos  in  den  Nummuliten,  sondern  auch  im  Muttergestein  derselben. 
Hierdurch  unterscheiden  sich  also  die  Nummuliten  gerade  wesent- 
lich vom  jEo^oon-Gestein. 

6)  Noch  eines  weiteren  nicht  minder  gewichtigen  Einwurfs 
muss  hier  Erwähnung  gethan  werden. 

So  bequem  es  der  Serpentin  der  künftigen  Forschung  ge- 
macht,  indem    er  für    Herstellung   von   ganz   genauen   Modellen 


—     168     — 

gesorgt  hätte,  so  wenig  war  er  doch  eigentlich  dazu  nothwendig, 
jedenfalls  trug  er  nichts  zur  Erhaltung  der  Kalkschale  des 
Morgenröthe-Thierchens  bei. 

Wie  kommt  es  nun,  muss  man  sich  fragen,  dass  während 
in  Einem  Stücke  die  zartesten  Theile  des  «Thiers"  im  Kalk  er- 
halten sind,  nämlich  die  Astsysteme,  diese  mit  der  Kalk- 
schale (dem  proper  wall,  dem  eigentlichen  Thierknochen)  sich 
nicht  sonst  im  Kalk  (ohne  Serpentin-Ausfüllung)  erhalten  haben, 
für  die  oberflächliche  Beobachtung  wohl  weniger  deutlich,  aber 
natürlich  im  Dünnschliff  sofort  erkennbar? 

7)  Aus  dem  Bericht  W.  Dawson's,  Quarterly  Journal  1.  c.  228 
geht  hervor,  dass  sicli  die  „Kanalsysteme"  im  blosen  Kalk 
finden,  aber  auch  nur  diese  und  ohne  die  „Schale".  Also  Ast- 
systeme und  keine  Schale,  folglich  Astsyst^me  wie  im  Chon- 
drodit-  und  Spinellkalk! 

8.  Betrachtet  man  den  Durchschnitt,  welchen  W.  Dawson 
in  seinem  „Life's  Dawn"  S.  13  giebt,  so  ist  gewiss,  dass  die 
Kalklager  sehr  erhebliche  Pressungen  erlitten  haben.  Sie  sind 
wellenförmig  gelagert,  dies  ist  ohne  starke  Massenbewegung 
fast  nicht  denkbar.  Man  muss  also  die  Wirkungen  eines  Drucks 
mit  aller  Nothwendigkeit  in  Eechnung  nehmen,  wobei  der  Druck 
sich  auch  auf  blose  Einschlüsse  erstreckte.  Im  Durchschnitt 
S.  22  stehen  die  Schichten  sogar  auf  den  Köpfen.  Dies  genügt 
vollständig,  um  alle  Erscheinungen  zu  erklären. 

9)  Einen  eigenthümlichen  Eindruck  macht  es,  wenn  Dr.  Car- 
penter  aus  diesen  Thatsachen  völlig  widersprechende  Folgerungen 
und  beide  zieht,  um  dasselbe  zu  beweisen. 

Das  eine  Mal  nämlich  beruft  er  sich  auf  die  gewaltigen 
Veränderungen,  welche  das  Eozoon-Gestem  erlitten  habe  und 
entschuldigt  damit  das  Fehlen  gewisser  organischer  Bildungen; 
das  andere  Mal  wird  hervorgehoben,  wie  unendlich  feine  Structur- 
verhältnisse,  welche  die  organische  Natur  beweisen,  erhalten 
seien.  Ueberall,  wo  das  Eosoon  in  der  „Acervulinenform"  auf- 
tritt, fehlen  die  Schalen,  fehlen  die  Zwischengänge,  fehlen  die 
Astsysteme.  Nun  lässt  sich  aber  dafür  kein  vernünftiger  Grund 
denken,    warum  in    demselben    Handstücke    3   cm    entfernt    die 


—     169     — 

feinsten    Structuren    des   Eosoon    sich    erhalten    haben    sollten, 
3  cm  davon  entfernt  aber  nicht. 

10)  Professor  King  und  Kowley  schon  haben  nachgewiesen, 
dass  ganz  dieselben  Erscheinungen,  wie  im  iJo^ooii-Gestein,  in 
verschiedenen  anderen  Gesteinen  sich  finden,  z.  B.  im  Chon- 
droditkalk,  im  Kalk  und  Spinell,  im  Coccolith. 

In  der  That  habe  ich  in  diesen  Gesteinen  und  neuerdings 
auch  in  einem  Serpentinkalk  von  Euston,  worin  die  Crystalle 
selbst  noch  ganz  unzweifelhaft  erhalten  waren,  die  Kammern, 
die  Schale,  die  Astsysteme  und  „zahnsubstanzartige"  Bildung  in 
derselben  Weise  wie  in  dem  canadischen  Gestein  beobachtet. 

Die  Astsysteme  selbst  sind  von  Dr.  Dawson  ohne  die  übrigen 
JKo^oow-Theile  im  Kalk  (ohne  Serpentin)  beobachtet  worden. 
Dr.  Dawson  hat  wohl  nicht  gefühlt,  dass  hiemit  das  Todes- 
urtheil  des  Eosoon  gesprochen  war.  Denn  Astsysteme  ohne 
Schale  und  Kammern!  Das  Allerfeinste  wäre  erhalten,  das  Grobe 
untergegangen. 

Freilich,  Dendriten  von  Lithographenkalk ,  Kupfer-,  Silber^ 
Dendriten  möchte  ich  nicht  als  Analogien  anführen.  Letzteres 
sind  Crystallbildungen. 

Ich  habe  aber  auch  in  einem  reinen  Marmor  Astsysteme 
beobachtet.  Diese  bilden  also  auch  durchaus  keine  Besonderheit 
des  canadischen  Gesteins. 

11)  Zur  Erklärung  des  canadischen  Gesteins  ist  nur  Eine 
Annahme  nothwendig:  dass  wie  in  hundert  anderen  geschichteten 
Gesteinen  eine  (in  regelmässigen  Zeitzwischenräumen  vor  sich 
gegangene)  gleichmässige  Einlagerung  von  Olivin-  oder  Augit- 
körnern  im  Kalk  sich  vollzog.  Damit  sind  die  Serpentinlagen 
erklärt.  Die  Schale,  sowie  die  Zwischengänge  und  Astsysteme 
waren  Folge  der  Zersetzung  (Anschwellung  und  Ausscheidung), 
dabei  war  Druck  von  aussen. 

Ich  werde  nun  in  Folgendem  die  einzelnen  T heile 
der  „ßiesen-Foraminifere"  erörtern  und  die  hierauf  be- 
züglichen Thatsachen  zusammenstellen. 


—     170     — 

1)  Die  Kammer  (Chamber)   und  ihre  Füllung. 

Es  ist  nachgewiesen,  dass  in  diesen  Kammern  unzersetztes 
Mineral  sich  .findet,  welches  auf  wässerigem  Wege  sich  nicht 
bilden  kann  und  nicht  gebildet  hat,  welches  aber  ebensowenig 
auf  mechanischem  Wege  in  die  Kammern  gelangen  konnte. 
Der  Serpentin  ist  ein  Zersetzungsproduct  und  kann  von  den 
verschiedensten  Mineralien  kommen.  Wo  sich  unzersetztes  Mi- 
neral findet,  kommt  es  selbstredend  von  diesem.  Hier  muss 
aber  aller  Serpentin  als  aus  diesem  Mineral  entstanden  an- 
genommen werden.  Oben  ist  schon  erwähnt,  wie  es  doch  ein 
Wunder  sondergleichen  wäre,  wenn  der  Serpentin  durch  grosse 
Kalklager  hindurch  durch  mikroskopisch  kleine  Canäle  einzig  in 
Foraminiferen-Kammern  sich  abgelagert  hätte,  sonst  aber  nicht 
vorhanden  wäre.  Also  ist  die  umgekehrte  Annahme  die  richtige: 
der  Serpentin  hat  sich  an  Ort  und  Stelle  aus  dem 
Mineral  gebildet,  dann  ist  er  an  die  Stelle  des  Minerals 
und  nicht  an  die  Stelle  einer  Sarcode  in  die  nun  leere  Kammer 
eingedrungen. 

Was  die  Form  dieser  Kammern  betrifft,  so  erklärt  sie  sich 
einfach  durch  die  Einlagerung  von  Olivin-  oder  Augitkörnern  im 
Kalk.  Von  Chondrodit  sieht  man  sie  ebenso.  Bei  der  Ver- 
wandlung in  Serpentin,  velche  blos  durch  Hinzutritt  von  Wasser 
sich  denken  lässt,  quollen  die  nebeneinander  in  Schichten  liegen- 
den Crystalle  auf  und  reihten  sich  so  an  einander.  Hierdurch 
entstanden: 

2)  die  Zwischengänge  (Stolons). 
Diese  sind  von  äusserst  unregelmässiger  Form.  Wohl  zu 
unterscheiden  sind  die  Zwischengänge,  welche  nicht  von  Ser- 
pentin, sondern  von  einem  anderen  Mineral  ausgefüllt  sind. 
Wäre  nämlich  der  Serpentin  blose  Füllmasse  der  Zwischen- 
räume ,  so  müsste  er  alle  Hohlräume  gleichmässig  ausgefüllt 
haben.  Diese  sind  aber  eben  nicht  von  Serpentin,  sondern  von 
einer  anderen  Masse  ausgefüllt.  Wir  werden  hierauf  bei  den 
Astsystemen  kommen.  Diese  Zwischengänge  sind  völlig  unregel- 
mässig. 


__     171     — 

Folglich  ist  das,  was  in  den  Zwischengängen  abgelagert  ist, 
ein  Ausscheidungsproduct  bei  der  Zersetzung  des  Olivins  oder 
Augits  und  in  der  That  unterscheidet  sich  diese  Füllmasse  ganz 
deutlich  von  der  der  Kammer.  Sie  ist  also  ein  Ausscheidungs- 
produkt und  suchte  sich  einen  Ausweg,  nachdem  der  Raum 
für  sie  nicht  mehr  hinreichte. 

Aber  es  finden  sich  in  jedem  Handstücke  eine  grosse  Zahl 
von  Kammern,  welche  durchaus  kein  e  Zwischengänge  haben 
und  gerade  diese  zeigen  noch  crystallinische  Structur  mit  Pola- 
risationserscheinung von  doppelt  b  rechenden  Mineralien.  Je 
weniger  die  Zersetzung  vorgeschritten,  um  so  mehr  haben  die 
Umrisse  noch  gerade  Linien  und  nicht  runde,  wie  die  Kammern. 
Beide  Erscheinungen  zusammen  beweisen,  dass  die  Zwischengäuge 
nur  bei  der  Zersetzung  des  Serpentin-Gesteins  entstanden  sind. 
Ich  zeige  dies  an  einer  Abbildung,  Taf.  II,  Fig.  2,  eines  Dünn- 
schliffs von  einem  Serpentinkalk,  in  welchem  sowohl  Olivinkörner 
als  Serpentinkammern,  und  in  welchen  Aragonit,  Flocculit  und  die 
Astsysteme  vorkommen,  wie  im  canadischen. 

Wo  aber  die  Täuschung  Dr.  Carpenter's  am  bedeutendsten 
hervortritt,  das  ist 

3)  in  der  Schale  (original  cell- wall,  proper  wall). 

Dr.  Carpenter  nimmt  es  als  ausgemacht  an,  dass  die  Kam- 
mern von  einer  Schale  umgeben  seien.  Ich  habe  eine  grosse 
Anzahl  Schliffe  durchgesehen  und  habe  um  den  grössten 
Theil  der  „Kammern"  keine  Spur  einer  Schale  gefunden,  obgleich 
die  Erhaltung  unter  den  ganz  gleichen  Bedingungen  stand,  wie 
die,  wo  man  etwas  der  Art  bemerken  konnte. 

Allerdings  ist  überall  fast  das  Bild  einer  Schale  da,  dies 
ist  aber,  wie  ich  schon  früher  zeigte,  eine  unverzeihliche  optische 
Täuschung.  Die  „Kammern"  sind  rund.  Wird  eine  Platte  daraus 
geschliffen,  so  erscheint  die  Seiten-Oberfläche  des  Serpentins 
(zwischen  beiden  Schnittflächen)  als  Schale.  Die  Sache  klärt  sich 
sofort,  wenn  man  beobachtet,  wie  die  „Schale"  dicker  und  dünner 
wird  je  nach  der  Rundung  und  der  Schnittfläche.  So  stellen  z.  B. 
die  schraffirten  Linien  2,  der  Tafel  14  im  Quarterly  Journal  of 
the  geological  Society  nichts   dar    als    die  Berührungsfläche   des 


—     172     — 

Serpentins  mit  dem  Kalk.  Sie  sind  das  Bild  der  runden  Ser- 
pentin-Oberfläche (der  Seiten)  auf  der  Ebene  des  Glases  projicirt. 

In  denselben  Irrthum  verfiel  Dr.  Dawson.  Nun  ist  aller- 
dings an  manchen  Stellen  noch  eine  Parallellinie  zu  bemerken, 
welche  eine  Schale  andeuten  könnte  und  sind  Nadeln  in  diesem 
Theile. 

Die  ganze  Masse  der  „Schale"  polarisirt  nicht,  ist  also 
Kalk.  Sie  unterscheidet  sich  von  der  sonstigen  Masse  nur  durch 
Chrysotil'Nadeln.  Diese  polarisiren,  liegen  unmittelbar  am  Serpentin 
an  und  stehen  in  unregelmässigen  Abständen  von  einander.  Nur 
selten  steht  eine  ganze  Ader  von  Chrysotil  unmittelbar  am  Ser- 
pentin an. 

Was  hier  sofort  jedem  Foraminiferenkenuer  in  die  Augen 
springen  muss,  ist  die  Thatsache,  dass  diese  Nadeln  nicht  senk- 
recht auf  der  Kammer  stehen. 

Esgiebt  nämlich  keine  Foraminifere,  keinen  Nummuliten,  über- 
haupt keine  Muschelschale,  in  welcher  die  Tubuli  der  Schale  nicht 
in  der  Richtung  des  Eadius,  sei  es  des  Kreises  oder  der  Elipse 
und  zwar  fast  mathematisch  genau  lägen.  Diese  Thatsache  ist  der 
allersicherste  zoologische  Gegenbeweis  gegen  eine  organische 
Schale.  Die  Nadeln  liegen  sogar  horizontal  an  der  "Wand  an,  was  nie 
in  einer  organischen  Schale  vorkommt.  Dr.  Carpenter  braucht 
nur  seine  Abbildung  von  NummuUtes  lavigata,  Fig.  258  seines 
Werkes  „The  Mikroscop  etc."  genau  anzusehen,  um  sofort  von 
dem  Nichtvorhandensein  einer  Analogie  zwischen  Schale  einer 
Foraminifere  und  der  ,  Schale  des  Eozoons"  sich  zu  überzeugen. 

Ich  habe  hunderte  von  Nummuliten  und  Foraminiferenschliffen 
(gemacht  und)  gesehen  und  überall  dieses  Gesetz  bestätigt 
gefunden. 

Allein  die  Tubuli  sind  und  waren  nie  Röhren,  sondern  sind 
Crystallnadeln. 

Freilich  wenn  die  Zeichnungen  Dr.  Dawson's  auf  S.  106 
„Life's  Dawn  on  Earth"  richtig  wären,  müssten  es  Röhren  sein: 
diese  Zeichnungen  sind  aber  geradezu  falsch.  Ich  habe  diese 
Nadeln  mit  dem  Immersions-Objectivsystem  10  von  Hartnack 
(Ocular  3),  untersucht. 


173 


Die  Tubuli  der  Nummuliten,  auch  der  nur  mikroskopisch  sicht- 
baren Nummuliten,  enthielten  immer  die  Füllmasse  der  Kammern: 
wo  diese  Glauconit  ist,  ebenfalls  Glauconit.  Die  Füllmasse  der 
^Tubuli«  im  Eo0oon-Gestem  ist,  wie  die  Beobachtung  bei  pola- 
risirtem  Licht  ergiebt,  eine  andere  als  die  der  Kammern,  es  ist 
crystallisirtes  Mineral,  denn  es  polarisirt,  und  zwar  Chrysotil. 

Wenn  Dr.  Dawson  Eöhren  abbildet  (Life's  Dawn  on  Earth 
S.  106),  so  sind  die  Abbildungen  auch  in  diesem  Theil  falsch. 
Diese  finden  sich  nirgends  in  der  „Schale.«  Die  Abbildung  des 
daneben  stehenden  Chrysotils  kann  nicht  mit  der  , Schale«  ver- 
glichen werden,  weil  hier  blos  eingesprengte  Nadeln  sind,  dort 
reiner  dichter  Chrysotil  ist,  welcher  natürlich  ein  ganz  anderes 
Bild  giebt,  als  einige  Chrysotil-Nadeln. 

Die   Zeichnung  S.   106    giebt,   was   die   Dicke   der  Nadeln 
betrifft,  ein  sehr  schlagendes  Beispiel,  wie  wenig  zuverlässig  die 
Zeichnungen    sind.      Ich   habe    die    „Schale«    des    Eo0oon    mit 
llOOfacherVergrösserung  beobachtet,  aber  nie  auch  nur  annähernd 
das  Bild,  wie  Dawson  Fig.  27  1.  c.  es  darstellt,    erhalten,    nur 
Fig.  49  c   ist  richtig.     Die  /rubuli«  meiner  Präparate  sind  alle 
mcht   messbar:    es    sind   bei    der   höchsten   Vergrösserung   stets 
Linien.  Das  ist  eben  die  Folge  ihrer  Eigenschaft   als  Crystall- 
aggiegate,  welche  sich  bekanntlich  ins^Unendliche  theilen lassen 
Die    Tubuli   von  Ämphistegina  messen  0,0075  mm,  von  üotalia 
und  Cälcarina  0,0075  mm,  von  Tinoporus  haculatus  0,0018  mm. 
Diese  Tubuli  stehen  ferner  alle  in  regelmässigen  Entfernungen  von 
einander  ab  und  geben  wirklich  das  Bild  von  runden  Hohlräumen. 
Ebenso  die  Tubuli  der  Nummuliten.     Hier  ist  aber  noch    etwas, 
was    sich    bei    dem    Eozoon   nicht   findet,    eine   Horizontal- 
streifung, von  den  Schalenschichten  herrührend,  wie  sie'Dr.Car- 
penter  richtig  abbildet. 

Nimmt  man  dazu,  dass  der  Chrysotil  ganz  regelmässig  sich 
an  den  Bändern  des  Serpentins  oder  Pikroliths  ablagert,  dass  in 
allen  ^o^öo?^-Stücken  ganze  Chrysotiladern  sind,  was  durch  den 
Polarisationsapparat  leicht  festzustellen  ist,  so  ist  es  sicher,  dass 
man  es  hier  nicht  mit  den  Eöhren  von  Nummulitenschalen,  sondern 
mit  Nadeln  im  Kalk  an  der  Grenze  des  Serpentins  zu  thun  hat. 


—      174     ~ 

Es  liegen  mir  Dutzende  Yon  Serpentinen  vor,  wo  überall 
eine  solche  Chrysotilscliichte  den  Serpentin  umlagert.  Ich  habe 
ein  solches,  worin  ein  Kalkstück  eingebettet  ist,  und  richtig 
ist  der  Kalk  mit  einer  ganz  vollkommen  gleich  dicken  Schichte 
von  Chrysotil  umgeben,  welcher  in  concentrischen  Nadeln  liegt 
nnd  doch  ist  es  sicher  keine  Nummulitenschale. 

Die  angebliche  Schale   der   Riesen-Foraminifere    (die    Seite 
horizontal  projicirt)   ist  also  nichts    als    in    der  Hauptsache   eine 
optische  Täuschung;  wo  etwas  einer  Schale  Aehnliches  zu  finden 
ist,  ist  dasselbe  in  jedem  Serpentinkalk.     Ich    erinnere  hier  nur 
an  die  Beobachtungen,  welche  Eosenbusch  (I.e.  S.  163)  mittheilt 
„Wie  V.  Draschke  um  den  Almandin  der  Eklogit  regel- 
mässig eine  Zone  von  strahliger  Hornblende  fand,   so    be- 
merkt man  an  den  Pyropen  im  Serpentin  von  Löblitz  unter 
dem  Mikroskop   fast  ausnahmslos  eine  deutliche  Zone    von 
Chrysotil,    dessen   Fasern  (sogar)   senkrecht   auf  den  Um- 
rissen des  Pyrops  stehen  (Fig.  66)." 

Diesen  Kranz  von  Chrysotilnadeln  habe  ich  in  allen  Ser- 
pentin-Kalken  gefunden. 

4)  Die  Canäle  in  der  Z wischen masse  (Astsysteme) 
hätten  offenbar  nur  den  einen  Zweck,  die  Verbindung  der  Sarcode  der 
Kammer  mit  der  Aussenwelt  herzustellen.  In  den  von  Dr.  Car- 
penter  als  analog  angeführten  Foraminiferen  finden  sich  grössere 
Gänge,  welche  alle  Schalen  durchsetzen,  und  kleinere,  welche 
offenbar  die  Verbindung  von  einer  Schale  zur  nächsten  Kammer 
herstellen.  Alle  aber  sind  symmetrisch  geordnet,  die  feinen 
Canäle  ihrer  Bestimmung  zufolge  gleichmässig  vertheilt. 

Die  Canäle  des  Eozoon  aber  lassen  sich  mit  jenen  gar 
nicht  vergleichen.  Einmal  fehlen  sie  überhaupt  in  dem  grössten 
Theile  eines  jeden  Stücks.  Sodann  treten  sie  mit  grösster  Un- 
regelmässigkeit auf,  das  eine  Mal  rund,  das  andere  Mal  eckig, 
was  nie  in  einer  organischen  Schale  vorkommt;  wie  Dawson  sie 
abbildet,  wird  sie  nie  ein  Mikroskopiker  gesehen  haben.  Ferner 
kommen  sie  vor  in  allen  Durchmessern,  gross  und  "fein  neben- 
einander; der  „Flocculit",  welcher  sie  ausfüllt,  kommt  daneben 
in  völlig  unregelmässigen  Formen  vor. 


—      175     — 

Noch  stärkerer  Zweifel  erhebt  sich,  wenn  man  sieht,  dass 
diese  Canäle  in  ganz  ungleicher  Richtung  verlaufen  und  der 
schlimmste  endlich  ist  der  von  mir  schon  früher  hervorgehobene, 
dass  sie  nur  in  gewissen  Kalkpartikeln  vorkommen,  offenbar  also' 
durch  das  Gestein  bedingt  waren. 

Finden  sich  aber  solche  Canäle  in  anderen  Gesteinen,  wie 
im  Chondrodit-  und  in  Serpentin-Kalken,  welche  nicht  als  Eozoon- 
haltig  behauptet  werden  können,  so  stehen  sie  in  keinem  Zu- 
sammenhang mit  den  übrigen  „Foraminiferentheilen"  und  fällt 
ihr  Beweiswerth  für  das  Dasein  einer  Foraminifere  zusammen. 
Mögen  sie  für  sich  allein  der  Rest  irgend  eines  Thieres  sein, 
das  wäre  möglich.  Mit  der  Kammer  und  Schale  haben  sie  nichts 
zu  schaffen. 

In  seinem  Musterstück  PL  XVII  zeichnet  sie  Dr.  Carpenter, 
als  liefen  sie  alle,  eine  wie  die  andere,  von  der  untern  Schale 
der  Kammer  nach  der  obern.  Wenn  ich  gesagt  habe,  die  Zeich- 
nungen seien  unzuverlässig,  so  wird  das  nächste  beste  Präparat 
von  ^o^oow-Gestein  dies  bestätigen.  Denn  die  Astsysteme  gehen 
nach  allen  Eichtungen  in  Kalk,  folglich  besteht  auch  hier  keine 
Uebereinstimmung  mit  Organismen. 

Und  nun  also  Kammer,  Schale,  Zwischengänge,  Astsysteme, 
alles,  einzeln  und  zusammen,  in  anderen  Gesteinen  vorkommend,' 
folglich  keine  Foraminiferentheile  —  und  die  ganze  Foraminifere,' 
wenn  sie  aus  dem  canadischen  Gestein  mit  Mühe  construirt 
werden  könnte,  doch  in  den  wesentlichsten  Theilen  von  allen  be- 
kannten verschieden!  Für  die  allerwesentlichste  Verschiedenheit 
halte  ich  die  horizontale  Stellung  der  angeblichen  Tubuli  zu  den 
Kammern.  Das  erlaubt  sich  die  Natur  in  der  Muschelschale  nicht, 
denn  die  radiale  Strahlung  der  Sarcode-Organe  ist  ein  durch- 
gehendes Gesetz  im  Foraminiferen-Typus :  es  ist  nämlich  diese 
Richtung  der  geradeste  Weg  des  Thieres  zu  seinem  Lebens- 
element. 

Das  ist  eine  Thatsache  der  Logik  der  Natur,  welche  der 
Zoologe  am  wenigsten  übersehen  sollte.  Wir  haben  hienach  im 
canadischen  Gestein   nichts  als  einen  Serpentinkalk,  ein  Gestein, 


—     176     — 

das  hundertmal  vorkommt,    in  einem  Zersetzungszustand,  wie   er 
ebenfalls  überall  vorkommt. 

Alle  Erscheinungen  desselben  sind  mineralogisch  vollständig 

erklärt. 

Haben  also  Dr.  Carpenter  und  Dr.  Gümbel  den  Todten  auch 
ausgegraben,  lebendig  machen  konnten  sie  ihn  damit  nicht.  Möge 
ernun,;zum  zweiten  Mal  begraben,  die  Ruhe  finden,  welche  er  verdient. 

Erklärung  zu  Tafel  IL 
Serpentinkalk  von  Euston,  Pensylvanien.  Handstück  der  Tü- 
binger Universität,  noch  deutliche  Olivincrystalle  halb  in  Serpentin 
verwandelt;  Kerne  des  ursprünglichen  Minerals  erhalten:  die 
Olivine  liegen  lagerweise.  Von  einem  Lager  zum  andern  ziehen 
sich  durch  den  Kalk  gerade  verlaufende  durchsichtige  Linien, 
welche  u.  d.  M.  sich  als  Canäle  mit  einer  durchsichtigen  Masse 
erfüllt  ergeben  und  von  dem  grauen  Kalke  deutlich  abstechen.  Der 
Kalk  enthält  bei  100 f acher  Vergrösserung  eine  Menge  schwarz- 
brauner Körner,  völlig  wie  der  canadische. 

Was  nun  insbesondere  den  Serpentin  betrifft,  so  ist  er  im 
Kalk  zerstreut,  die  Körner  zeigen  noch  Crystallform,  viele  Kerne 
sind  noch  unzersetzter  Olivin.  Wo  die  Zersetzung  vorgeschritten 
ist,  schmelzen  die  Kerne  zusammen.  U.  d.  M.  hat  der  Serpentin 
vollständig  das  Bild  von  Kammern  wie  im  canadischen  Gestein, 
nur  sind  die  Serpentinkörner  nicht  so  häufig  aneinander  gelagert. 
Dagegen  zeigt 

Fig.  1  überaus  klar  eine  Chrysotilschale  um  den  Serpentm, 
die  in  den  Kalk  eindringt.  Die  Umrisse  des  Serpentins  sind  aber 
statt  rund,  wie  im  canadischen  Gestein ,  hier  oblong.    Die  Ecken 

fehlen. 

Dieselben  unregelmässigen  Umrisse  zeigen  Fig.  3  und  4. 

Fig.  2  zeigt  3  „Stolons"  aus  einer  halbzersetzten  Oli  vi n- 
masse.  Die  dunklere  Farbe  der  Kerne  bezeichnet  den  noch 
unzersetzten  Olivin.  Von  demselben  aus  gehen  diese  Ströme 
einer  durchsichtigen  Masse,  also  offenbar  wie  bei  der  Zersetzung  ab- 
gesondert und  nach  dem  Gesetz  der  Schwere  einen  Ausweg  viel- 
leicht suchend.     Wo  sie  seitwärts  gingen,  erklärt  sich  dies  em- 


Wurtt.Naturw.  Jahresh.  Jahrg.  XXXIV. 


Taf.ll. 


ith.v.  Baumann, Tübingen. 


—      177     — 

fach  durcli  eiueu  leichten  Druck  auf  die  weiche  Masse  oder  durch 
das  Aufquellen  der  Masse  in  der  Zersetzung.  Dasselbe  Gestein 
zeigt  alle  Formen  der  Astsysteme  wie  das  canadische,  insbeson- 
dere schön  die  sog.  Zahnsubstanz. 

Man  hat  also  alle  hier  Eozonal-Bestandtheile  des  canadischen 
Gesteins  beisammen,  aber  in  einer  Zusammenstellung,  dass 
Niemand  auf  ein  organisches  Wesen  mehr  rathen  wird. 

Ist  aber  dies  Alles  in  Form  und  auf  sicher  unorganischem 
AVege  möglich,  so  ist  auch  das  canadische  Gestein  so  entstanden, 
und  es  bedürfte  ganz  anderer  Beweise,  um  doch  noch  eine  Ver- 
schiedenheit im  Ursprung  nachzuweisen.  Dieses  einzige  Hand- 
stück nebst  den  beiden  Dünnschliffen  sind  der  augenscheinliche 
Gegenbeweis;  ich  werde  letztere  in  der  Tübinger  Universitäts- 
sammlung niederlegen.  Sicher  wäre  der  Strom  der  Eosoon- 
Litteratur  nicht  so  hoch  angeschwollen,  wenn  man  solche  Beweis- 
stücke früher  gehabt  hätte.  Diese  ans  Licht  gezogen  zu  haben, 
ist  das  einzige  Verdienst,  welches  ich  mir  zuschreibe;  denn  einer 
Erklärung  bedarf  es  kaum,  wo  ein  einziger  Blick  schon  ein  voller 
Beweis  ist. 

Zur  Erläuterung  der  Abbildungen  füge  ich  noch  bei: 

Zu  Fig.  1.  Die  gekörnte  Fläche  ist  Kalk.  Die  weisse  mit 
breiten   Streifen    Serpentin,    die   Bänder   im  Kalk   Chrysotil. 

Zu  Fig.  2  gilt  dasselbe.  Die  3  Gänge  gehen  von  der  Ser- 
pentinkamraer  durch  den  Kalk.  Die  dunklen  Stellen  im  Serpentin 
sind  Olivinkerne. 

Fig.  3  und  4  zeigen  die  Chrysotilbänder  von  andern  Theilen 
des  Dünnschliffs. 


"Württemb.  naturw.  Jabreshefte.     1878.  12 


Die  wicMigereii  (lesteine  Wflrtteinljergs,  deren  Verwitternnp- 
protolfte  nnd  die  darans  eiitstaiideiien  Ackererden. 

IV. 

Der  weisse  Jura. 

Der  Krebsscheeren-Kalkstein  und  die  Marmorkalke, 

chemisch  untersucht  von 

Professor  Dr.  E.  WolfF  und  Dr.  H.  Troschke. 

(Referent:  Dr.  E.  Wolf  f.) 


Die  bisher  veröffentlichten  Gesteins-  und  Boden -Unter- 
suchungen, welche  im  Auftrage  der  Königl.  Centralstelle  für  die 
Landwirthschaft  unternommen  wurden,  bezogen  sich  auf  die  oberen 
dolomitischen  Schichten  des  Hauptmuschelkalkes  (s.  Jahreshefte 
des  Vereins  für  vaterl.  Naturkunde,  Jahrg.  1866,  S.  70 — 103), 
ferner  auf  den  bunten  Sandstein  in  dessen  oberen  plattenförmigen 
Ablagerungen  (ebendas.  Jahrgang  1867,  S.  78—107)  und  end- 
lich auf  den  grobsandigen  Liaskalkstein  von  Ellwangen  (ebendas. 
Jahrg.  1871,  S.  66  -110).  Ich  lasse  jetzt  weitere,  nach  gleicher 
Methode  und  ebenso  umfassend ,  wie  die  früheren ,  ausgeführte 
chemische  Analysen  folgen  von  Gesteinen  und  Verwitterungsböden 
aus  dem  Gebiete  des  weissen  Jura.  Es  kommen  hierbei 
Formationen  in  Betracht,  welche  auf  der  schwäbischen  Alb  haupt- 
sächlich das  Material  zur  Bildung  des  Kulturbodens  geliefert 
haben,  nämlich  der  Krebsscli  eeren-Kalkstein,  sowohl  in 
seinen  unteren  thonigen,  wie  in  den  oberen  Feuerstein  führenden 
Schichten,  und  ausserdem  die  Ma  rmor -Kai  ke,  sog.  Epsilon- 
Schichten. 


—     179 


Auf  einer  zu  diesem  Zweck  gemachten  Exkursion  habe  ich, 
gemeinschaftlich  mit  den  Herren  Professor  Dr.  0.  Fraas  und 
Professor  0.  Vossler  die  zu  den  Analysen  erforderlichen  und  ge- 
eigneten Proben  der  betreffenden  Gesteine  und  Erdarten  aufge- 
nommen. Der  obere  Krebsscheeren-Kalkstein  mit  Feuersteinknollen 
wurde  auf  der  Höhe  bei  Böhmenkirch  in  dem  grossen  Steinbruch 
und  auf  den  anstossenden  Feldern  gesammelt,  das  Material  da- 
gegen zur  Untersuchung  der  beiden  anderen  Kalksteine  und  deren 
Verwitterungsböden  neben  der  Poststrasse  gefunden,  die  von 
Böhmenkirch  nach  Heidenheim  führt.  Die  Proben  der  unteren 
thonigen  Schichten  des  Krebsscheeren-Kalksteins  entnahmen  wir 
einem  Ackerfelde,  links  von  der  genannten  Strasse  hinter  Söhn- 
stetten,  nahe  dem  Fusswege  nach  Steinheim,  und  die  Proben  aus 
der  Formation  des  Marmor-Kalkes,  einem  kleinen  Steinbruch  auf 
der  anderen  Seite  der  Strasse,  zwischen  Böhmenkirch  und  Söhn- 
stetten,  näher  dem  ersteren  Ort,  nicht  weit  von  der  dort  befind- 
lichen grossen  Linde. 

Von  den  Analysen  habe  ich  die  auf  das  Gestien  des  unteren 
Krebsscheeren-Kalkes  bezüglichen  allein  ausgeführt,  ausserdem 
die  Extrakte  mit  kalter  Salzsäure  aus  der  Ackererde  und  dem 
Untergrunde  derselben  Formation  auf  die  Bestandtheile  unter- 
sucht,  endlich  die  Menge  der  Alkalien  in  den  salzsauren  und 
schwefelsauren  Auszügen  der  Ackererde  und  der  Thonmasse  des 
oberen  Krebsscheeren-Kalkes,  in  einigen  Fällen  auch  die  Kiesel- 
säure durch  wiederholte  Bestimmungen  kontrolirt.  Alle  übrigen 
analytischen  Arbeiten  sind  von  dem  Assistenten  am  akademischen 
Laboratorium  in  Hohenheim,  Dr.  H.  Troschke,  nach  meiner  An- 
leitung vorgenommen  worden;  nur  die  Untersuchungen  nach  der 
Knop'schen  Methode  der  Bodenanalyse,  von  denen  beiläufig  die 
Eede  sein  wird,  habe  ich  schon  von  einem  früheren  Assistenten, 
Herrn  Gantter,  ausführen  lassen. 

1.  Untere  thonige  Schichten   des  Krebsscheeren- 
Kalkes. 

Das  Material  zur  Untersuchung  wurde  einem  Ackerfelde  ent- 
nommen, wo  an  der  betreffenden  Stelle  in  einer  Tiefe  von  kaum 

12* 


—     180     — 

40  Cm.  schon  das  feste  Gestein  anstand,  wenigstens  sehr  grosse 
Gesteinsbrocken  mit  nur  wenig  thonigem  Boden  sich  vorfanden. 
Aehnliche  Gesteinstrümmer  waren  auch  in  der  obersten,  etwa 
15  Cm.  mächtigen  Ackerschicht  und  in  dem  darunter  befindlichen 
Untergrunde  vorhanden,  in  dem  letzteren  jedoch  reichlicher  als 
in  der  eigentlichen  Ackerkrume,  in  welcher  das  Gestein  schon 
mehr  zu  einer  feinpulverigen  Erde  zerfallen  war.  Gleichwohl 
hatte  der  Untergrund  in  seiner  krümeligen  Bodenmasse,  also  ab- 
gesehen von  den  Gesteinstrümmern,  eine  mehr  thonige  Beschaffen- 
heit und  einen  geringeren  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk,  als 
die  Ackererde. 

Aus  dem  Untergrund  und  der  Ackerkrume  suchte  man  die 
grösseren  Gesteinsstücke  aus,  spülte  dieselben  mit  Wasser  gut 
ab  und  benützte  die  gleichförmig  gepulverte  Masse  zur  Analyse 
(Gestein).  Der  Untergrund  und  die  Ackererde  wurden  sodann 
im  lufttrocknen  Zustande,  beziehungsweise  unter  gelindem  Druck 
durch  ein  Blechsieb  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  hindurch 
geschüttelt,  die  auf  dem  Siebe  zurückbleibenden  Steinchen  mit 
TVasser  abgespült  und  lufttrocken  gewogen.  Auf  diese  Weise 
fand  man  in  2380  Grm.  der  Ackerkrume  und  in  2490  Grm.  des 
Untergrundes  560  und  530  Grm.  oder  23,53  und  21,28  Proc. 
an  Steinchen.  Nur  die  eigentliche  Bodenmasse,  welche  also 
durch  das  Blechsieb  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  hindurch- 
gegangen war,  diente  als  Material  zur  chemischen  Analyse:  die 
Steinchen  konnten  als  ebenso  zusammengesetzt  angesehen  werden, 
wie  die  grösseren  Gesteinstrümraer.  Hiernach  wurde  einer  aus- 
führlichen chemischen  Untersuchung  unterworfen:  1.  das  gepul- 
verte Gestein,  2.  die  abgesiebte  Bodenmasse  der  Ackerkrume 
und  3.  des  Untergrundes. 

Ueber  die  Methode  der  Analyse  und  über  die  Mengen  der 
in  Untersuchung  genommenen  Substanz  geben  die  im  x\nhang 
mitgetheilten  analytischen  Belege  Auskunft;  es  ist  daraus  zu 
ersehen,  dass  auch  bezüglich  der  in  procentig  geringer  Menge 
vorkommenden,  aber  gleichwohl  wichtigen  Bestandtheile  ein  ge- 
naues Resultat  erzielt  werden  konnte.  Bei  der  Ackerkrume  und 
dem  Untergrunde  musste    für    den  Extrakt  mit   heisser    konzen- 


—     181     — 

trirter  Saksäure  und  für  die  weitere  Untersuchung  eine  neue 
Portion  der  ursprüngliclien  Substanz  in  Angriff  genommen  werden, 
während  bei  dem  Gesteinspulver  der  ausgewaschene  Rückstand 
von  dem  Auszug  mit  kalter  Salzsäure  auch  noch  für  die  weitere 
Analyse  Verwendung  finden  konnte.  Jedoch  habe  ich  der  besseren 
Uebersicht  und  Vergleichbarkeit  wegen  auch  bei  dem  Gestein 
unter  „Auszug  mit  heisser  Salzsäure*  die  Gesammtmenge  der 
in  kalter  und  heisser  Salzsäure  löslichen  Bestandtheile  aufgeführt 
Die  Resultate  der  Analysen,  auf  Procente  der  luft trocknen 
Substanz  berechnet,  ersieht  man  aus  der  folgenden  Zusammen- 
stellung. 


A.     Auszug  mit  kalter 

Kieselsäure  in  d.  Lösung 
Schwefelsäure      .     .     . 
Phosphorsäure      .     .     . 
Kohlensaurer  Kalk   .     . 

Kalk 

Magnesia 

Eisenoxyd 

Thonerde 

Manganoxyduloxyd    .     . 

Kali 

Natron 


Kieselsäure,  löslich  in  kohlen- 
saurem Natron     .     .     . 
Rückstand,  geglüht  .     .     . 
Glühverlust  d.lufttr.Substanz 


Salzsäure. 


Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

Proc. 

Proc. 

Proc. 

0,0253 

0,0065 

0,0081 

0,0264 

0,0453 

0,0319 

0,0448 

0,1652 

0,0997 

75,8244 

54,5684 

27,3600 

0,4177 

0,3313 

0,1800 

0,3533 

1,1177 

2,0948 

0,1766 

0,3714 

0,9596 

0,0267 

0,0676 

0,0400 

0,0264 

0,0861 

0,0613 

0,0183 

0,0271 

0,0228 

76,9399 

56,7866 

30,8572 

0,3727 

1,0780 

1,2125 

18,3400 

i       3,7185 

99,3711 


B.     Auszug  mit  heisser  Salzsäure. 
Kieselsäure  in  d.  Lösung  .       0,0769         0,0321         0,1389 


Schwefelsäure 


0,0998         0,0712 


—     182     — 


Phosphorsäure      .... 
Kohlensaurer  Kalk   .     .     . 

Kalk 

Magnesia 

Eisenoxyd 

Thonerde 

Manganoxyduloxyd   .     .     . 

Kali 

Natron 

Kieselsäure, löslich  in  kohlen- 
saurem Natron     .     .     . 
Rückstand  geglüht  .     .     . 
Glühverlust  d.lufttr. Substanz 


Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

Proc. 

Proc. 

Proc. 

0,0480 

0,2240 

0,1291 

75,8244 

53,5000 

27,6883 

0,1405 

— 

— 

0,5713 

0,4394 

0,3888 

0,3839 

0,9920 

2,1955 

1,2277 

3,1440 

5,7914 

0,0267 

0,1667 

0,1523 

0,1916 

0,3027 

0,5165 

0,0225 

0,0490 

0,0307 

78,5399 

58,9497 

37,1027 

2,2901 

3,5878 

7,1559 

14,8047 

26,8182 

42,5927 

3,7185 

12,0585 

14,0563 

99,3532     101,4142     100,9076 


C.     Rückstand  von  B.   mit  Schw 

Kieselsäure  in  d.  Lösung  .       0,0557 

Kalk 0,0185 

Magnesia 0,1029 

Eisenoxyd 0,0921 

Thonerde 1,2804 

Kali 0,0954 

Natron 0,0197 

1,6647 
Kieselsäure,  löslich  in  kohlen- 
saurem Natron     .     .     .       2,4130 
Rückstand  geglüht  .     .     .     10,9690 

15,0467 


efelsäure  behandelt. 


Spar 

0,0512 

0,0380 

0,2747 

0,1683 

0,2958 

3,2117 

6,4880 

0,2851 

0,5288 

0,0532 

0,1507 

3,7563 

7,7892 

5,5907 

11,1426 

17,0696 

23,3580 

26,4166       42,2898 


D.   Rückstand  von  C.  mit  Flusssäure  aufgeschlossen. 

Kalk Spur  —  — 

Magnesia 0,0170  —  — 


—     183 


Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

Proc. 

Proc. 

Proc. 

Thonerde 

0,2583 

0,4620 

1,2235 

Kali 

0,1649 

0,2644 

0,3203 

Natron 

0,0358 

0,1155 

0,1037 

Kieselsäure     .... 

10,4930 

16,2277 

21,7105 

10,9690 

17,0696 

23,3580 

Hiernach  ergeben  sich  als  procentige  Verhältnisse   der  Be- 

standtheile  der  lufttrocknen  Substanz  für  alle  Lösungen  zusammen- 

genommen: 

Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

Proc. 

Proc. 

Proc 

Kieselsäure,  unlöslich  * 

10,4930 

16,2277 

21,7105 

„           löslich  .     . 

4,8357 

9,2106 

18,4374 

Thonerde,  löslich      .     . 

.        2,5081 

6,3557 

12,2794 

„         unlöslich**  . 

0,2583 

0,4620 

1,2235 

Eisenoxyd 

0,4760 

1,1603 

2,4913 

Mangan oxyduloxyd    .     . 

.       0,0267 

0,1667 

0,1523 

Kohlensaurer  Kalk  .     . 

75,8244 

53,5000 

27,6883 

Kalk 

0,1590 

Spur 

0,0512 

Magnesia 

0,6912 

0,4774 

0,6635 

Phosphorsäure      .     .     . 

.       0,0480 

0,2240 

0,1291 

Schwefelsäure      .     .     . 

0,0264 

0,0998 

0,0712 

Kali 

0,4519 

0,8522 

1,3656 

Natron 

0,0780 

0,2177 

0,2851 

Griüh  Verlust     .... 

.       3,7185 

12,0585 

14,0563 

99,5952     101,0126     100,6047 

Stickstoff —  0,2495         0,1780 

Wenn  man  ferner  die  Summe  der  „löslichen"  Thonerde  und 
Kieselsäure  als  reinen  Thon  annimmt  und  aus  der  Zusammen- 
setzung  der   mit  Flusssäure  aufgeschlossenen  Masse   den  Gehalt 


*  D.  h.  unlöslich  bei  Behandlung  der  Rückstände  des  Salzsäure- 
und  Schwefelsäure-Auszuges  mit  kohlensaurem  Natron. 

**  Unlöslich  iu  Salzsäure  und  Schwefelsäure  als  Bestandtheil  der 
mit  Flusssäure  aufgeschlossenen  sandigen  Masse. 


—     184     — 


an  Quarzsand,    sowie    an  Kali-   und  Natron-Feldspath   berechnet, 
so  erhält  man  in  Procenten  der  lufttrocknen  Substanz: 

Gestein.     Ackerkrume.  Untergrund. 
Proc. 

Quarzsand 9,6275 

Thon 7,4041 

Kalif  eldspath 0,9741 

Natronfeldspath  .     .     .     .       0,3071 


Proc. 

14,5194 

15,5663 

1,5670 

0,9832 


Proc. 

18,6701 

32,6205 

1,8943 

0,8899 


18,3128  32,6359  54,0748 

Um  die  untersuchten  Materialien  noch  besser  mit  einander 

vergleichen  zu  können,  berechnen  wir  die  Zusammensetzung  der- 
selben auf  den  geglühten,  also  wasser-  und  humusfreien  Zustand. 

Gestein.  Ackerkrume.  Untergrund. 

Proc.  Proc.  Proc. 

15,9881  28,5871  46,3881 

2,8854  7,6643  15,6018 

0,4965  1,3044  2,8785 

0,0279  0,1874  0,1760 

79,0851  60,1434  31,9923 

0,1658  Spur  0,0592 

0,7209  0,5367  0,7666 

0,0501  0,2518  0,1492 

0,0275  0,1122  0,0822 

0,4713  0,9580  1,5767 

0,0814  0,2447  0,3294 


Kieselsäure     .     . 
Thonerde  .     .     . 
Eisenoxyd       .     . 
Manganoxyduloxyd 
Kohlensaurer  Kalk 
Kalk     .... 
Magnesia  .     .     . 
Phosphorsäure 
Schwefelsäure 
Kali     .... 
Natron      .     .     . 


100,0000 

10,0415 

7,7225 

1,0160 

0,3203 


100,0000 

16,3026 

17,4993 

1,7594 

1,1039 


100,0000 

21,5722 

37,6886 

2,1996 

1,0282 


Quarzsand       .     . 
Thon    .... 
Kalifeldspath 
Natronfeldspath  . 

19,1013       36,6652       62,4886 
Nach  Abzug  ferner  des  kohlensauren  Kalkes  gestaltet   sich 
die  procentige  Zusammensetzung  des  Restes  folgend ermasset: 

Gesteiu.     Ackerkrume.  Untergrund. 

Kieselsäure 76,443         71,749         68,209 

Thonerde     ...      ...     13,796  19,230         22,941 


—     185      — 

Gestein.  Ackerkrume.  Untergrund. 

Eisenoxyd 2,374  3,273  4,233 

Manganoxyduloxyd      .     .     .       0,133  0,470  0,259 

Kalk 0,793  —  0,087 

Magnesia 3,447  1,346  1,127 

Phosphorsäure 0,239  0,632  0,219 

Schwefelsäure 0,132  0,282  0,121 

Kali 2,254  2,404  2,320 

Natron 0,389  0,614  0,484 

100,000  100,000  100,000 

Quarzsand 48,011         40,903         31,720 

Thon 36,924         43,906         55,418 

Kalifeldspath 4,858  4,414  3,234 

Natronfeld&path    .     .     .  1,531  2,770  1,512 

91,324  91,993  91,884 

Aus  den  obigen  Uebersichten  über  die  analytischen  Kesultate 
ergiebt  sich  schon  deutlich  der  Zusammenhang,  in  welchem  das 
untersuchte  Gestein  zu  dem  betreffenden  Boden  steht ;  derselbe 
tritt  noch  bestimmter  hervor,  wenn  wir  die  gegenseitigen  Mengen- 
verhältnisse einzelner  Bestandtheile  etwas  näher  betrachten  und 
zunächst  einen  Blick  werfen  auf  die  Zusammensetzung  der  durch 
Salzsäure  und  durch  Schwefelsäure  aufschliessbaren  Thonsub- 
stanz;  es  wurde  gefunden: 

1.  Gesteine.         Salzsäure-Auszug.  Schwefelsäure- Auszug. 
Thonerde   .     .     1,2277=    34,15  Proc.  1,2804=    34,21  Proc. 
Kieselsäure     .     2,3670=    65,85       „       2,4687=    65,79     ^ 

3,5947  =:  100,00  3,7491  =  100,00 

2.  Ackerkrume. 

Thonerde    .     .     3,1440=    46,48  Proc.  3,2117=    36,47   Proc. 
Kieselsäure     .   _3^199=^53^^^  ^^^J^^^'^." 
6,7639  =  100,00  8,8024  =  100,00 

3.  Untergrund. 

Thonerde    .     .     5,7914=   44,26  Proc.  6,4880=    36,80  Proc. 
Kieselsäure      .     7,2948=    55,74     „      11,1426=   63,20     „ 
13,0862  =  100,00  17,6306  =  100,00 


—     186     — 

Hier  bemerkt  man  ein  entschieden  übereinstimmendes  Ver- 
halten;  nur  die  im  Gestein  durch  Salzsäure  zersetzte  Thonsub- 
stanz  ist  an  Kieselsäure  reicher,  als  die  entsprechende  Masse  in 
der  Ackerkrume  und  im  Untergrunde.  Jedoch  kommt  dies  bei 
der  dort  geringeren  absoluten  Thonmenge  wenig  in  Betracht  und 
erklärt  sich  auch  aus  dem  überhaupt  relativ  grossen  Kieselsäure- 
gehalt des  Gesteins.  Dagegen  ist  es  bemerkenswerth,  dass 
überall  die  Einwirkung  der  Salzsäure  und  Schwefelsäure  auf  die 
vorhandene  Thonsubstanz  die  gleiche  gewesen  ist,  von  der  letzteren 
nämlich  durch  die  kochende  Salzsäure  stets  etwas  weniger  als 
die  Hälfte  der  Gesammtmenge  zersetzt  wurde. 

Das  Verhältniss  von  Kali  zum  Thon  oder  vielmehr  zu  der  in 
letzterem  enthaltenen  Thonerde  ist ,  wie  wir  aus  früheren  Unter- 
suchungen wissen,  charakteristisch  für  die  einzelnen  Bodenarten 
und  auch  wichtig  für  die  Beurtheilung  der  natürlichen  Frucht- 
barkeit derselben.  In  den  hier  vorliegenden  Analysen  wurde 
das  betreffende  Verhältniss  folgendermassen  gefunden: 

Gestein.        Ackerkrume.     Untergrund. 
Salzsäure-Auszug     .     .     1  :    6,41         1  :  10,39        1  :  11,21 
Schwefelsäure-Auszug  .     1  :  13,42         1  :  11,26        1  :  12,27 
Im  Mittel     .     1:    8,74         1:10,81        1:  11,74 

In  dem  Salzsäure  -  Auszug  des  Gesteins  ist  das  erwähnte 
Verhältniss  ein  engeres,  übereinstimmend  mit  der  ganz  gewöhn- 
lichen Erscheinung,  dass  bei  der  Verwitterung  der  Kalksteine 
das  darin  enthaltene  Kali  anfangs  rascher,  später  immer  lang- 
samer dem  Auswaschen  unterliegt,  während  die  Thonerde  voll- 
ständig auf  primärer  Lagerstätte  zurückbleibt. 

Wenn  man  zu  der  thonigen,  durch  Salz-  und  Schwefelsäure 
aufschliessbaren  Substanz  ausser  dem  Kali  auch  noch  das  Eisen- 
oxyd hinzurechnet,  so  ergeben  sich  nach  den  obigen  Analysen 
in  100  Theilen  dieser  Gegammtmasse : 

Ackerkrume.  Untergrund. 
Thonerde  .  .  36,71  Proc.  35,84  Proc. 
Eisenoxyd.     .       6,70      «  7,56      „ 


187 


Ackerkrume. 

Untergrund. 

Kali      .     . 

.       3,40      , 

3,05  Proc. 

Kieselsäure 

.     53,19      , 

53,37      „ 

100,00  100,00 

Die    Uebereinstimmung   der  beiderseitigen   Zahlen  ist,    wie 
man  sieht,  eine  sehr  grosse  und  dasselbe  ist  auch  bezüglich  der 
durch  Flusssäure  aufgeschlossenen  s  a  n  d  i  g  e  n  Substanz  der  Fall 
die  letztere  nämlich  enthielt   in   100  Theilen,    nach   Abzug    der 
in  kohlensaurem  Natron  löslichen  Kieselsäure: 


Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

Magnesia   . 

0,16  Proc. 

—    Proc. 

--    Proc. 

Thonerde    . 

2,36      „ 

2,71      , 

5,24      „ 

Kali      .     . 

1,50              y, 

1,55      , 

1,37      „ 

Natron  .     . 

0,33      , 

0,68      „ 

0,45      , 

Kieselsäure 

95,65      „ 

95,06      y, 

92,94      „ 

100,00       100,00     100,00 

In  dem  Untergrunde  ergab  sich  für  die  betreffende  Masse 
ein  etwas  grösserer  Thonerdegehalt,  was  aber  offenbar  durch  den 
zufälligen  Umstand  bedingt  ist,  dass  die  Einwirkung  der  konzen- 
trirten  Schwefelsäure  keine  ganz  vollständige  war  und  daher  in 
dem  Rückstande  vom  Schwefelsäure-Auszug  eine  kleine  Menge 
von  unzersetztem  Thon  zurückblieb. 

Jeder  Zweifel  über  die  Zusammengehörigkeit  der  hier  unter- 
suchten Materialien  wird  wohl  völlig  verschwinden,  wTnn  man 
sieht,  wie  leicht  und  ungezwungen  die  Entstehung  der  Acker- 
krume aus  Gestein  und  Untergrund  unter  deren  zusammen- 
wirkendem Einfluss  sich  erklären  lässt.  Man  braucht  nur  die 
Summe  der  einzelnen  Bestandtheile  von  100  Gewichtstheilen  des 
Gesteins  und  von  70  Gewichtstheilen  des  Untergrundes  auf  pro- 
centige  Verhältnisse  zu  berechnen  und  die  so  erhaltenen  Zahlen 
mit  den  bei  der  Analyse  der  Ackerkrume  direkt  gefundenen  zu 
vergleichen ;  nämlich 


188     — 


100  Theile  70  Theile  In  Ackerkrume. 

Gestein.  Untergrund.    Summa.  Berechnet. Gefunden- 


Kieselsäure .  .  . 
Thonerde  .  .  . 
Eisenoxyd  .  .  . 
Manganoxyduloxyd 
Kohlensaurer  Kalk 
Kalk  .  .  . 
Magnesia 
Phosphorsäure 
Schwefelsäure 
Kali  .  .  . 
Natron     .    . 


15,9881  +  32,4717=  48,4598 
2,8854 -f  19,9213=  13,8067 
0,4965+  2,0150=  2,5115 
0.0279+  0,1232=  0,1511 
79,0851  +  22,3946  =  101,4797 
0,1658-1-  0,0414=  0,2072 
0,7209-+-  0,5366=  1,2575 
0,0501+  0,1044=  0,1545 
0,0275+  0,0575=  0,0850 
0,4713+  1,1037=  1,5750 
0,0814 -h  0,2306=     0,3120 


Proc. 

28,5058 
8,1216 
1,4773 
0,0889 

59,6939 
0,1219 
0,7397 
0,0909 
0,0500 
0,9265 
0,1835 


Proc. 

28,5971 
7,6643 
1,3044 
0,1874 

60,1434 
Spur 
0,5367 
0,2518 
0,1122 
0,9580 
0.2447 


100,0000  +  70,0000  =  170,0000  100,0000  100,0000 
Für  die  durchaus  vorherrschenden  Bestandtheile  der  Acker- 
krume ergiebt  sich  also  eine  fast   völlige   Uebereinstimmung  der 

betreffenden  Zahlen: 

Berechnet.  Gefunden. 

.     28,5058  Proc.  28,5971  Proc. 


Kieselsäure  .  .  . 
Thonerde  .  .  . 
Eisenoxyd  .  .  . 
Kohlensaurer  Kalk 
Magnesia     .     .     . 

Kali 

Natron  .  .  .  . 


8,1216 
1,4773 
59,6939 
0,7397 
0,9265 
0,1835 


7,6643 
1,3044 
60,1434 
0,5367 
0,9580 
0,2447 


99,6683  99,4486 

Von  den  weiteren  Bestandtheilen  kommt  nur  noch  die  Phos- 
phorsäure und  allenfalls  die  Schwefelsäure  in  Betracht,  für  welche 
beiden  Stoffe  die  Berechnung  um  über  die  Hälfte  niedrigere 
Zahlen  ergab,  als  die  direkte  Analyse  der  Ackerkrume.  Diese 
Differenz  gleicht  sich  aber  vollständig  aus,  wenn  wir  jetzt  eben- 
falls näher  untersuchen,  auf  welche  Weise  die  erdige  Masse 
des  Untergrundes  aus  dem  ursprünglichen  Gestein  durch 
Verwitterung  entstanden  ist. 

In  dem  hier  untersuchten  Gestein,  sowie  in  der  Acker- 
krume und  im  Untergrunde   ist  das  VerhHtniss   zwischen   Thon- 


—     189     ~ 

erde  und  Kieselsäure  kein  konstantes ;   es  wird  vielmehr    in   der 
angegebenen  Keihenfolge  ein  immer  engeres ,  nämlich : 

Thonerde.    Kieselsäure. 
Gestein       .       2,8854  :   15,9881    --=    1  :  5,54 
Ackerkrume       7,6643  :  28,5871  =   1  :  3,73 
Untergrund     15,6018  :  46,3881   =    1  :  2,97 

Hieraus  ergiebt  sich  mit  aller  Bestimmtheit,  dass  die  Acker- 
krume und  der  Untergrund  nicht  direkt  aus  dem  darin  noch  vor- 
handenen und  zur  Analyse  benutzten  Gestein  entstanden  sind, 
also  nicht  etwa  verschiedene  Verwitterungsstufen  desselben  dar- 
stellen, dass  vielmehr  die  erdige  Masse  zunächst  des  Unter- 
grundes aus  einem  schon  ursprünglich  an  Kieselsäure  ärmeren 
Kalkstein  gebildet  worden  ist.  Es  haben  nämlich  von  dem  Ge- 
stein zuerst  die  an  Kieselsäure  ärmeren  und  also  an  Thon 
reicheren  Parthien  sich  abgelöst  oder  aus  einer  derartigen 
Schicht  ist  durch  Verwitterung,  unter  Auslaugen  von  kohlen- 
saurem Kalk,  die  erdige  Masse  des  Untergrundes  entstanden, 
während  später  auch  das  zurückgebliebene  und  theilweise  jetzt 
noch  als  Trümmerstücke  vorhandene,  an  Kieselsäure  reichere 
Gestein  ebenfalls  der  Verwitterung  unterlag  und  in  seinem  Zer- 
fall vermischt  mit  der  erdigen  Masse  des  Untergrundes,  wie 
wir  gesehen  haben,  das  Material  zur  Bildung  der  jetzigen  Acker- 
krume lieferte.  Wenn  die  im  Untergrunde  noch  vorhandenen 
Gesteinstrümmer  nach  und  nach  zu  einem  erdigen  Pulver  zer- 
fallen, so  muss  also  allmählich  immer  mehr  von  einer  Masse 
sich  bilden,  welche  eine  ganz  ähnliche  und  schliesslich  dieselbe 
Zusammensetzung  haben  wird,  wie  sie  in  der  obersten  Boden- 
schicht, in  der  eigentlichen  Ackerkrume  wirklich  gefunden  wor- 
den ist. 

Um  die  Entstehung  der  erdigen  Masse  des  Untergrundes 
zu  erklären,  muss  man  von  den  Bestandtheilen  des  cliemisch 
untersuchten  Kalksteins  7  V2  Proc.  Kieselsäure  in  Abzug  bringen 
und  den  Rest  (92^2  Proc.)  nach  Massgabe  der  direkt  gefundenen 
Zusammensetzung  wieder  auf  100  reduciren;  500  GewJchtstheile 
eines    solchen    Gesteins    würden    alsdann    bei    der   Verwitterung 


—     190      - 

ziemlich    genau    100    Gewichtstheile   des  Uutergrundes   geliefert 
haben,  wie  folgende  Rechnung  zeigt: 

Ursprüngl.  ÖÖGTheile.  lOOTheile.         Differenz. 
Gestein.      Gestein,    Untergrund. 

9,1763       45,8815  —  46,3881  =  -t-      0,5066 

8,1194       15,5970  -  15,6018  =  -h      0,0048 

0,5368        2,6840  —  2,8785  =  +       0,1945 

0,0302        0,1510  —  0,1760  =  -4-      0,0250 

85,4974    427,4870  -  31,9923  =  —  395,4947 

0,1792        0,8960  —  0,0592  =  —       0,8368 

0,7793        3,8965  —  0,7666  =  —      3,1299 

0,0542        0,2710   -  0,1492  =  —      0,1218 

0,0297        0,1485  —  0,0822  ^  —       0,0663 

0,5095        2,5475  -  1,5767  =  -       0,9708 

0,0880        0,4400  —  0,3294  =  -       0,1106 


Kieselsäure     .    . 
Thonerde     .     .     . 
Eisenoxyd  .    .    . 
Manganoxyduloxyd 
Kohlensaurer  Kalk 

Kalk 

Magnesia  .  .  . 
Phosphorsäure  . 
Schwefelsäure  .    . 

Kali 

Natron    .... 


100,0000    500,0000        100,0000  400,0000 

Dass  bei  der  Verwitterung  des  Kalksteins  besonders  viel 
kohlensaurer  Kalk  und  ebenso  verhältnissmässig  viel  Magnesia 
ausgewaschen  wird,  ist  selbstverständlich ;  ferner  wird  dabei  bis 
zu  einem  gewissen  Stadium  immer  ein  grösserer  oder  geringerer 
Theil  der  ursprünglich  vorhandenen  Alkalien  und  meist  auch 
von  Eisenoxyd  entfernt.  Im  vorliegenden  Falle  war  im  Unter- 
grund ebenso  viel  und  sogar  noch  ein  wenig  mehr  an  Eisen- 
und  Manganoxyd  vorhanden,  als  in  der  betreffenden  Gesteins- 
masse sich  berechnet  und  dies  scheint  anzudeuten,  dass  das 
ursprüngliche  Gestein  vielleicht  etwas  mehr  von  diesen  Metall- 
oxyden enthielt,  als  hier  angenommen  wurde;  jedoch  handelt  es 
sich  dabei  jedenfalls  nur  um  sehr  geringe  Differenzen.  Ein  be- 
sonderes Interesse  gewährt  es,  dass  die  bei  der  Entstehung  des 
Untergrundes  gleichsam  disponibel  werdende  Schwefelsäure  und 
namentlich  die  Phosphorsäure  in  der  Ackerkrume  sich  an- 
gesammelt hat  oder  vielmehr,  dass  durch  eine  vielleicht  viel- 
tausendjährige wilde  Vegetation,  in  neuerer  Zeit  möglicherweise 
auch  in  Folge  der  Kultur  die  Phosphorsäure  nach  und  nach  dem 
Untergrund  entzogen  und  in  der  obersten  Schicht  des  Bodens 
angehäuft  wurde.  Es  ist  dies  eine  Erscheinung,  wie  ich  sie 
auch   bei    der    Untersuchung    der    oberen    plattenförmigen    Ab- 


—      191      — 

lageiuugen  des  buuteu  Sandsteins  beobachtete*  und  nicht  selten 
bei  einem  Verwitterungsboden  vorkommt,  auf  welchen  die  Vege- 
tation lange  Zeit  hindurch  eingewirkt  hat,  während  in  vielen 
anderen  Fällen,  wenn  nämlich  die  Verwitterungsmasse  noch  mehr 
ihre  ursprüngliche  Beschaffenheit  beibehalten  hat,  der  Unter- 
grund ebenso  reich  und  selbst  noch  reicher  ist  an  Phosphor- 
säure, als  die  oberste  Schicht  des  Bodens,  welche  vielleicht  erst 
seit  kurzer  Zeit  der  Vegetation  zugänglich  wurde. 

Aus  dem  Obigen  ist  ersichtlich,  wesshalb  die  Ackerkrume 
bedeutend  reicher  an  kohlensaurem  Kalk  gefunden  wurde,  als 
der  Untergrund.  Es  ist  dies  nämlich  auf  den  ersten  Blick  auf- 
fallend, da  der  Untergrund  auf  dem  noch  kalkreicheren  Gestein 
auflagert,  dem  letzteren  also  näher  sicli  befindet  als  die  Acker- 
krume. Hierbei  ist  jedoch  zu  beachten,  dass  der  Untergrund 
aus  einer  grossen  Masse  von  groben  Gesteinstrümmern  und  aus 
wenig  pulverigem  Boden  besteht,  die  Ackerkrume  dagegen  mehr 
an  pulveriger  Substanz  und  weniger  Steine  enthält.  Offenbar 
hat  es  eine  Zeit  gegeben,  wo  die  ganze,  damals  noch  in  ge- 
ringerer Menge  vorhandene  Verwitterungsmasse  ziemlich  die 
gleiche  mechanische  Beschaffenheit  und  chemische  Zusammen- 
setzung hatte ,  wie  der  jetzige  Untergrund.  Indem  aber  die 
Gesteinstrümmer,  zunächst  ohne  wesentliche  Veränderung  in  den 
gegenseitigen  Verhältnissen  ihrer  Bestandtheile,  in  immer  kleinere 
Stücke  und  schliesslich  zu  einem  feinen  Pulver  zerfallen ,  muss 
die  eigentliche  Bodenmasse  an  Menge  zunehmen  und  procentig 
immer  reicher  werden  an  kohlensaurem  Kalk,  in  dem  Grade  als 
die  Verwitterung  von  oben  nach  unten  fortschreitet.  Es  ist 
eben  charakteristisch  für  die  thonreichen  Kalksteine,  dass  sie 
leicht  mürbe  werden  und  zu  Pulver  zerfallen,  ehe  noch  eine  be- 
trächtliche Menge  von  kohlensaurem  Kalk  durch  Auswaschen 
entfernt  worden  ist,  dass  sie  also  einen  oft  sehr  kalkreichen 
Kulturboden  liefern,  während  die  thonarmen  Kalksteine  fast  voll- 
ständig vom  Kalk  befreit   werden,    bevor    sie  eine   entsprechend 


*  S.  meine  Abhandlung  in  den  Jahreshefteu  des  Vereins  von  1867, 
S.  78  ff. 


—      192     — 

geringe  Menge  von  bodenbildendem  Material  abgeben ;  im  letzteren 
Falle  sind   häutig   gar  keine  deutlichen  üebergangsstufen  aufzu- 
finden zwischen  dem  ursprünglichen  sehr  kalkreichen  Gestein  und 
dem    daraus    entstandenen    meist   kalkarmen  Verwitterungsboden. 
In    agrikulturchemischer  Hinsicht  verdient   die  Phosphor- 
säure   als    Bodenbestandtheil   in    erster    Linie    Beachtung.     Es 
wurde  davon  gefunden  in  Procenten  des  lufttrocknen  Materiales: 
Löslich  in                     Gestein.             Untergrund.         Ackerkrume 
kalter  Salzsäure  a.     .     0,0423  Proc.     0,0906  Proc.     0,1736 
^'     •     Q>Q473      ^         0,1088 y^  _     0,1568 

Mittel     0,0448  Proc.     0,0997  Proc.     0,1652 
heisser  Salzsäure*      .     0,0480      „         0,1291      „        0,2240 

Aus  dem  Gesteinspulver  kann  schon  mit  kalter  Salzsäure 
fast  die  ganze  Menge  der  Phosphorsäure,  nämlich  93,5  Proc. 
extrahirt  werden,  während  von  der  im  Untergrund  und  in  der 
Ackerkrume  vorhandenen  Phosphorsäure  relativ  etwas  weniger  in 
kalter  Salzsäure  auflöslich  ist,  nur  77,2  und  73,7  Proc.  Die 
Gesammtmenge  der  Phosphorsäure  ist  eine  beträchtliche,  zunächst 
in  der  Ackererde,  wie  man  besonders  deutlich  erkennt,  wenn  man 
dieselbe  auf  Procente  der  geglühten  Substanz  (a),  sowie  auf 
Procente  des  nach  Abzug  des  kohlensauren  Kalkes  verbleibenden 
Restes  berechnet  (b). 

Gestein.    Ackerki^ume.    Untergrund, 
a     .     .     .     0,0501        0,1492  0,2518 

b      .     .     .     0,2390        0,2190  0,6320 

Ueber  das  Verhalten  des  Kali  geben  die  folgenden  Zahlen 
Auskunft.  In  Procenten  der  lufttrocknen  Gesteins-  und  Boden- 
masse ist  an  Kali  zugegen: 


Löslich  in 

Gestein. 

Ackerkrume. 

Untergrund. 

1. 

kalter  Salzsäure 

0,0264 

0,0861 

0,0613 

2. 

heisser       „ 

0,1652 

0,2166 

0,4552 

3. 

Schwefelsäure     .     . 

0,0954 

0,2851 

0,5288 

4. 

Flusssäure     .     .     . 
Im  Ganzen 

0,1649 

0,2644 

0,3203 

0,4519 

0,8522 

1,3656 

*  Die  in  heisser  Salzsäure  lösliche  Phosphorsäure  wurde  als  Ge- 
sammtmenge der  letzteren  im  Boden  angenommen. 


—     193     — 

Also  in  Procenten  der  gesammten  Kalimenge  war  auflöslicli  in 

1.  kalter  Salzsäure      .       5,84  10,10  4,50 

2.  heisser       „  .     36,56  25,42  33,33 

3.  Schwefelsäure     .     .     21,11  33,45  38,72 

4.  Flusssäure     .     .     .     36,49  31,03  23,45 


100,00  100,00  100,00 


Es  betrug  ferner 


Gestein.  Ackerfirume.  Untergrund. 
1  in  Proc.  von   1  +  2      .     .     .     13,8  28,4  11,9 

1  +  2  in  Proc.  von   1+2+3       66,8  51,5  49,4 

1+2+3  in  Proc.  von  1+2+3+4  63,5  69,0  76,5 

Im  Ganzen  war  an  Kali  vorhanden  in  Procenten  der 
geglühten  Substanz     ....     0,4713     0,9580  1,5767 

do.  nach  Abzug  von  kohlens.  Kalk     2,254       2,404  2,320 

Endlich  war  das  Verhältniss  von 
Kali  :  Natron,  wie      ....   1:0,173     0,255  0,209 

Wir  haben  oben  nachgewiesen,  dass  das  Bodenpulver  des 
Untergrundes  aus  einem  an  Kieselsäure  ärmeren  und  also  ent- 
sprechend thonreicheren  Kalkstein,  als  derjenige  ist,  von  welchem 
gegenwärtig  noch  grössere  oder  geringere  Trümmer  im  Boden 
vorkommen,  entstanden  sein  muss  und  dass  ferner  die  Acker- 
krume als  ein  Gemenge  der  weiter  zerfallenen  Gesteinstrümmer 
und  der  pulverigen  Masse  des  Untergrundes  anzusehen  ist.  Hier- 
mit übereinstimmend  musste  in  der  Eeihenfolge  von  Gestein, 
Ackerkrume  und  Untergrund  das  durch  Flusssäure  gelöste,  also 
in  den  sandigen  Theileu  der  untersuchten  Materialien  enthaltene 
Kali  im  Verhältniss  zur  Gesammtmenge  des  letzteren  stetig  ab- 
nehmen, während  das  Quantum  des  durch  Schwefelsäure  gelösten 
Kali  mit  dem  steigenden  Thongehalt  sich  erhöhte.  Die  Summe 
des  in  kalter  und  heisser  Salzsäure  löslichen  Kali  in  Procenten 
der  Gesammtmenge  desselben  ist  überall  eine  ziemlich  gleiche, 
nur  dass  in  der  Ackerkrume,  unabhängig  von  deren  Entstehung, 
hauptsächlich  durch  den  kräftiger  eingreifenden  Verwitterungs- 
process  und  vielleicht  auch  durch  langjährige  Kultur  bedingt,  die 
Menge  des  in  kalter  Salzsäure  löslichen  Kali  relativ  und  auch 
absolut  grösser  ist,  als  im  Gestein  und  im  Untergrunde. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  13 


—     194     — 


Im  Ganzen  ist  die  procentige  Menge  des  Kali,  zunächst  in 
der  lufttrocknen  Substanz  der  kalkreichen  Ackerkrume  nicht  sehr 
beträchtlich;  sie  erhebt  sich  aber  wenigstens  zu  dem  mittleren 
Gehalt  anderer  Kulturböden,  wenn  man  dieselbe  nach  Abzug  des 
kohlensauren  Kalkes  auf  den  alsdann  bleibenden  Rest  des  Bodens 
allein  bezieht.  Das  Natron  kommt  als  Bestandtheil  des  Kultur- 
bodens nicht  wesentlich  in  Betracht  und  es  ist  auch  die  Be- 
stimmungsmethode weniger  zuverlässig  als  bei  dem  Kali  und 
anderen    Stoffen;    das  Verhältniss   von  Kali   zum  Natron   wurde 

gefunden  im  Auszug  mit 

Gestein.     Untergrund.  Ackerkrume. 

kalter  Salzsäure    .     .     1  :  0,693     1  :  0,372      1  :  0,315 
heisser        ,  •     •     1:0,024     1:0,017      1:0,162 

Schwefelsäure        .     .     1:0,206     1:0,285      1:0,187 
Flusssäure    .     .     .     .  _l^^,2^7^_1^324_jLj^,383^_ 

Im  Ganzen  1  :  0,173  1  :  0,209  1  :  0,255 
Die  Gesammtmenge  des  Kali  im  Untergrund  und  in  der 
Ackerkrume  ist  die  vier-  bis  fünffache  von  derjenigen  des  Natron; 
durch  kalte  Salzsäure  wird  von  dem  letzteren,  wie  es  auch  sonst 
oft  zu  beobachten  ist,  verhältnissmässig  weit  mehr  extrahirt  als 
'  bei  der  darauf  folgenden  Behandlung  mit  heisser  Salzsäure, 
während  im  Schwefelsäure-Auszug  und  noch  mehr  in  der  mit 
Flusssäure  aufgeschlossenen  Masse  die  Menge  des  Natrons  im 
Verhältniss  zum  Kali  wiederum  zunimmt. 

Bei  der  Analyse  des  sandigen  Rückstandes,  welcher 
mit  Flusssäure  aufgeschlossen  wurde,  ergaben  sich  solche  Ver- 
hältnisse der  Bestandtheile,  dass  daraus,  nach  Abzug  der  m 
kohlensaurem  Natron  löslichen  Kieselsäure  und  einer  kleinen 
Menge  von  Thon,  welche  durch  die  vorausgehende  Behandlung 
mit  Schwefelsäure  unzersetzt  geblieben  war,  in  100  Theilen  dieser 
sandigen  Masse  durch  Rechnung  gefunden  wurde: 

Gestein.    Ackerkrume.  Untergrund. 
Kalifeldspath  .     .       8,93  9,18  8,83 

Natronfeldspath    .       2,81  5,76  4,15 

Quarzsand  .     .     .  _^8^26____^M6____87,02_ 
100,00  100,00  100,00 


195     — 


Es  ist  dies,  gegenüber  von  anderen  Bodenarten  ein  an- 
näliernd  mittlerer  Gehalt  der  sandigen  Masse  an  feldspathartigen 
Verbnidungen;  derselbe  ist  jedoch  sehr  unbedeutend,  wenn  man 
Ihn  auf  die  gesammte  lufttroclcene  Masse  des  Gesteins  oder  Bodens 
bezieht,  nämlich  in  Procenten: 

■  Gestein.     Ackerkrume,   üntergroid. 

Kahfeldspath  ....     o,974:  1,5670         1  8943 

Natronfeldspath  .     .     .     0,3071         0,9832         o'8899 

^'"''•^«''»'i 9,6275        14,5194         3,6701 

Der  in  Rede   stehende  Verwitterungsboden    hat   bei   seinem 
grossen  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk   und  bei   dem   reichlichen 
Vorkommen  von  grösseren  oder  kleineren  Gesteinstrümmern  eine 
ziemlich  unfertige  Beschaffenheit,  während  eine  fahlgraue  Farbe 
d.e  theilweise  mit  der  relativ  geringen  Menge  von  Eisenoxyd  im' 
Zusammenhange  steht,  ihm  den  Anschein  einer  gewissen  Trägheit 
und  Unthätigkeit  giebt.     Die   letztere   ist  jedoch    nur   scheinbar 
vorhanden;    allerdings    würde  die  Ackerkrume    und   mehr  noch 
der   Untergiund    bei   abnehmendem    Kalkgehalt   und   schliesslich 
voUigem  Verschwinden  desselben  immer  mehr  den  Charakter  eines 
zahthomgen  Bodens  annehmen,  da  der  Thon  theilweise  über  die  sandi- 
gen Gemengtheile  vorherrscht.    Wenn  man  zu  dem  Quarzsand  die 
feldspathartigen  Verbindungen  hinzurechnet,  so  würde  in  Procenten 
der  ganz  kalkfreien  geglühten  Masse  vorhanden  sein: 

o     ,.       „  Gestein.     Äckerkrume.  Untergrund. 

Sandige  Gemengtheile      .     .     54,400        48,087  36  466 

^'™'-'^'^''" 36,924         43,906  55,'418 

Jedoch  kann  bei  dem  grossen  Kalkgehalt   des  Bodens    von 
emer  zähthonigen  und  somit  unthätigen  Beschaffenheit  desselben 
nicht  die  Rede  sein;   höchstens  wird  eine  solche  bei  der  erdigen 
Masse  des  Untergrundes   sich  einigermassen  bemerkbar    machen 
fcs  enthielt  nämlich  im  lufttrocknen  Zustande: 

■.^  ,,  Ackerkrume.  Untergrund. 

Kohlensaurer  Kalk     ....  53,5000  Proc.  27,6888  Proc. 

Sandige  Gemengtheile     .     .     .  17,0696      ,  214543 

^''"'^''^0- 15,5663      ,  32,6205     ! 


13 


—     196     — 

An  den  Stellen,  wo  der  Boden  in  seiner  krümeligen  Masse 
eine  genügende  Tiefe  besitzt,  muss  er  für  die  Kultur  als  brauch- 
bar bezeichnet  werden;  für  seine  Güte  und  natürliche  Frucht- 
barkeit spricht  namentlich  auch  der  relativ  hohe  Phosphorsäure- 
gehalt, sowie  der  Umstand,  dass  das  Verhältniss  von  Thonerde 
und  Kali  kein  ungünstiges,  vielmehr  ein  mittleres  ist,  wenn  auch 
die  Gesammtmenge  des  Kali,  auf  Procente  des  lufttrocknen  Bodens 
bezogen,  gerade  nicht  als  eine  reichliche  erscheint.  Wir  werden 
später  auf  diese  Verhältnisse  zurückkommen,  wenn  wir  die  aus 
verschiedenen  Kalksteinen  hervorgegangenen  Bodenarten  hin- 
sichtlich der  Menge  und  Löslichkeit  ihrer  Bestandtheile  einer 
vergleichenden  Betrachtung  unterwerfen. 

2.    Obere  Schichten  des  Krebsscheerenkalkes 
mit  Feuersteinknollen. 
In   der  Nähe   von  Böhmerkirch   sind    die   oberen  Schichten 
des  Krebsscheerenkalkes  in  einem  grossen  Steinbruch  gut  aufge- 
schlossen und  man  findet  dort  auch  Gesteinsstücke,    an  welchen 
die  Art  und  Weise    der  Verwitterung  deutüch   zu   erkennen  ist. 
Es  sind  nämlich  grössere   und    kleinere,   plattenförmig   abgeson- 
derte  oder    massige  Gesteinsstücke  vorhanden,    an   welchen    die 
äusserste  Kruste  ganz  mürbe  und  leicht  zerreiblich  ist,   das  un- 
verwitterte Innere  aber  eine  noch  feste  und  harte  Beschaffenheit 
hat.     Diese   mürbe  Kruste  bildet  immer  nur  eine  schwache,  kaum 
5  —  6  Millimeter  dicke  Schicht;    dieselbe   bröckelt  leicht   ab  und 
zerfällt  zu  einem  zarten  Pulver,    aus  welchem    alsdann,   wie    es 
scheint,    der  kohlensaure    Kalk  ausserordentlich   rasch    aufgelöst 
und  ausgewaschen  wird.     Wenigstens   findet  mau   ein  derartiges 
kalkreiches    Pulver    nirgends    in    grösserer  Menge    augesammelt, 
dasselbe  dient  in  keiner  Weise  als  bodenbildendes  Material;    da- 
gegen ist    nicht  selten  eine    sehr   thonige,    fast   ganz    kalkfreie 
Masse  anzutreffen,    welche    von    oben    her   die    Spalten    des  an- 
stehenden Gesteins   ausfüllt  oder  zwischen  den  obersten  platteu- 
förmigen  Absonderungen  eingelagert  ist.     Wu'   haben    also  hier- 
nach zunächst  dreierlei  zur  chemischen  Untersuchung  geeignetes 
und  derselben  bedürftiges  Material,  nämlich  1.  das  ursprüngliche 


—     197     — 

feste  Gestein,  2.  die  mürbe  Verwitterungsschicht, 
welche  oft  die  der  Luft  ausgesetzten  Flächen  des  Gesteins  über- 
zieht und  3.  die  erwähnte  thonige  Masse  als  vielleicht  letztes 
Produkt  der  Verwitterung. 

Die  zerreibliche  und  ganz  verwitterte  Kalkmasse  liess  sich 
leicht  von  den  betreffenden  Gesteinsstücken  ablösen  und  indem 
man  den  inneren  festen  Kern  der  letzteren  ebenfalls  der  che- 
mischen Analyse  unterwarf,  konnte  man  also  die  Veränderungen 
ermitteln,  welche  das  Gestein  auf  seiner  ersten  Verwitterungs- 
stufe erleidet,  bis  zum  Zerfallen  zu  einer  lockeren  pulverigen 
Masse.  Diese  zuerst  gebildete,  noch  sehr  kalkreiche  Substanz 
verschwindet,  wie  schon  erwähnt  wurde,  sehr  rasch;  zwischen 
derselben  und  der  fast  kalkfreien  thonigen  Masse  habe  ich  keine 
Zwischenstufen  auffinden  können.  Die  thonige  Masse  ist  mehr 
oder  weniger  mit  Feuerstein  (Hornsteinen)  vermischt ;  sie  kommt 
aber  in  kleineren  Partieen  auch  fast  ganz  ohne  die  letzteren 
vor.  Das  zur  Analyse  benutzte  Material  hinterliess  in  2430  Grm. 
auf  einem  Siebe  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  nur  43  Grm 
oder  1,8  Proc.  von  kleinen  Feuersteinstückchen. 

Fast  überall,  wo  die  oberen  Schichten  des  Krebsscheeren- 
kalkes  einen  meist  flachgründigen  Verwitterungsboden  gebildet 
haben,  sind  die  Felder  und  Weiden  von  magerer  Beschaffenheit; 
sie  erscheinen  oft  sogar  ganz  öde  und  unfruchtbar,  was  aber 
weniger,  wie  wir  sehen  werden,  durch  die  mangelhafte  Zusammen- 
setzung des  eigentlichen  Bodenpulvers  bedingt  ist,  als  vielmehr 
mit  dem  massenhaften  Vorkommen  von  Feuersteiuknollen  im  Zu- 
sammenhange 8teht.  Die  Flächen  sind  oftmals  wie  übersäet  oder 
förmlich  wie  gepflastert  mit  faustgrossen  und  noch  grösseren 
Feuersteinknollen  oder  zersplitterten  Stücken  derselben  und  einer 
einigermassen  lohnenden  Kultur  muss  das  mühsame  und  umständ- 
liche Absammeln  dieser  Steine  vorausgehen,  während  bei  der 
Bestellung  des  Feldes  davon  immer  neue  Exemplare  zum  Vor- 
schein kommen.  Ausserdem  sind  kleinere,  mehr  oder  weniger 
rundliche  Stücke  in  unzähliger  Menge  vorhanden;  in  5530  Grm. 
einer  Bodenprobe,  aus  welcher  alle  grösseren  Knollen  schon  ent- 
fernt waren,    fand  man  solche  von  Erbsen-  bis  Nussgrösse,    die 


—      198     — 

also  auf  einem  Siebe  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  zurück- 
blieben, 1520  Grm  oder  27,5  Proc.  Von  der  abgesiebten  Acker- 
erde, sowie  von  den  Feuersteinknollen  mussten  geeignete  Proben 
ausführlich  analysirt  werden,  so  dass  also  aus  dem  Gebiete  der 
in  Rede  stehenden  Gebirgsformation  5  verschiedene,  mit  einander 
gleichsam  ein  Ganzes  bildende  oder  sich  gegenseitig  ergänzende 
Materialien  zur  chemischen  Untersuchung  gelangten.  Die  Resul- 
tate dieser  Untersuchungen  stelle  ich  hier  zunächst  übersichtlich 
in  derselben  Weise  zusammen,  wie  es  auch  bei  den  anderen,  in 
der  vorliegenden  Abhandlung  oder  schon  früher  von  mir  ver- 
öffentlichten Boden-  und  Gesteiusanalysen  geschehen  ist. 

Das  feste  ursprüngliche  und  auch  das  schon  verwitterte 
mürbe  Gestein  war  so  reich  an  kohlensaurem  Kalk,  dass  es  als 
unnöthig  erscheinen  musste,  diese  beiden  Materialien  einer  ebenso 
ausführlichen  Untersuchung  zu  unterwerfen,  wie  die  Thonmasse 
und  die  Ackererde.  Es  war  genügend,  die  Menge  der  in  heisser 
Salzsäure  löslichen  Bestandtheile  zu  ermitteln  und  ausserdem  den 
darin  unlöslichen  Rückstand  mit  Flusssäure  aufzuschliessen.  Es 
ergaben  sich  für  die  betreffenden  Materialien  folgende  Resultate 
in  Procenten  der  völlig  lufttrocknen  Substanz: 

A.     Auszug  mit  kalter  Salzsäure. 

Thonmasse.  Ackererde. 

Kieselsäure  in  der  Lösung 0,0147  0,0078 

Schwefelsäure 0,0272  0,0235 

Phosphorsäure 0,1478  0,0732 

Kohlensaurer  Kalk 1,1912  2,1418 

Kalk -  — 

Magnesia 0,0805  0,1089 

Eisenoxyd 3,8125  1.8740 

Thonerde 2,3562  1,3353 

Manganoxyduloxyd 0,1250  0,1665 

Kali 0,0487  0,0560 

Natron 0,0241  0,0147 


6,8279  5,8017 

Kieselsäure,  löslich  in  kohlensaurem  Natron    2,2320         1,1120 


—      199     — 


B.     Auszug  mit  heisser  Salzsäure. 
Hierzu  wurden  bei  dem  festen  und   verwitterten  Gestein  je 
100    Grm.,    bei   Thonmasse    und    Ackererde   je    150   Grm.   der 
frischen    lufttrocknen,     entsprechend    vorbereiteten   Substanz    in 
Arbeit  genommen. 


Festes 
Gestein. 


Mürbes 
Gestein. 


Kieselsäure  in  d.  Lösung 
Schwefelsäure 
Phosphorsäure 
Kohlensaurer  Kalk 
Kalk      .     .     . 
Magnesia    .     . 
Eisenoxyd  .     . 
Thonerde    .     . 
Manganoxyduloxyd 
Kali       .     .     . 
Natron  .     .     . 


0,0410  0,0509 
93.4000  89,7000 


1,5200 

0,0313 
0,1419 


Spur 

1,9200 

0,0296 
0,0443 


Thon- 
masse. 
0,1470 
0,0338 
0,1700 
1,2582 

0,2238 
5,3775 
8,8025 
0,3475 
0,2863 
0,0383 


Acker- 
erde. 
0,1046 
0,0183 
0,0875 
2,3187 

0,1134 
2,0386 
2,9552 
0,4467 
0,1510 
0,0228 


95,1342  91,7448  16,6649  8,2568 


Kieselsäure ,    löslich    in 

kohlensaurem   Natron 

Eil '.kstand,  geglüht  .     . 

Glühverlust      .     .     .     . 


5,0595     7,7775 


11,6907  3,9971 
57,2918  78,0504 
13,9799     8,7041 


100,1937  99,5223     99,6273  99,0084 


C.    Rückstand  von  B.  mit   Schwefelsäure  behandelt. 

Thonmasse.  Ackererde. 


1 


Kalk 0,0138 

Magnesia 0,2124 

Eisenoxyd 0,5223 

Thonerde 8,5237 

Kali 0,3047 

Natron 0,0649 

~9,6418~ 
Kieselsäure,  löslich  in  kohlensaurem  Natron  11,5908 
Rückstand,  geglüht 36,9180 


0,0811 
0,2130 
0,3153 
4,0417 
0,3448 
0,0615 
'  5,0574 
5,6076 
67,2886 
58,1506  77,^9536 


200 


D.     Rückstand  mit  Flusssäure  aufgeschlossen. 
Bei  dem  festen  und  mürben  Gestein  wurde  der  Rückstand 
von  dem  Salzsäure-Auszug  (B) ,    bei  Thonmasse   und   Ackererde 
der  Rückstand  von  dem  Schwefelsäure-Auszug  (C)  mit  Flusssäure 
behandelt. 

Festes 
Gestein. 

Kalk 0,0080 

Magnesia 0,0190 

Thonerde 0,3655 

Kali 0,0512 

Natron 0,0254 

Kieselsäure      ....     4,5904 

5,0595     7J775     3679180     67,2886 
Die  Gesammtmenge  der    einzelnen  Bestandtheile,   auf   Pro- 
cente  der  lufttrockenen  Substanz  berechnet,  beträgt  hiernach: 


Mürbes 

Thon- 

Acker- 

Gestein. 

masse. 

erde. 

0,0103 

0,0886 

0,1211 

0,0318 

— 

Spur 

0,4642 

0,2843 

2,5099 

0,0683 

0,3766 

0,6527 

0,0333 

0,5242 

0,8209 

7,1696 

35,6443 

63,1840 

Festes 

Gestein. 

Proc. 


Kieselsäure,  unlöslich' 
„  löslich 

Thonerde,  löslich     . 
„  unlöslich  * 

Eisenoxyd      .     . 

Mangauoxyduloxyd 

Kohlensaurer  Kalk 

Kalk    .... 

Magnesia  ,     .     . 

Phosphorsäure     . 

Schwefelsäure     . 

Kali     .... 

Natron      .     .     . 

Glühverlust    .     . 

Stickstoff       .     . 


Mürbes 
Gestein. 
Proc. 


4,5904  7,1696 

1,8855  2,3842 

93,4000  89,7000 
0,0080  0,0103 


Thon-        Acker- 
masse,        erde. 

Pros.     Proc. 
35,6443  63,1840 
23,4285  9,7093 


0,0190 
0,0410 

0,0825 
0,1673 


0,0318 
0,0509 

0,0979 
0,0776 


17,3262 
0,2843 
5,8998 
0,3475 
1,2582 
0,1024 
0,4362 
0,1700 
0,0338 
0,9676 
0,6274 

13,9799 


6,9969 
2,5068 
2,3539 
0,4467 
2,3187 
0,2022 
0,3264 
0,0875 
0,0183 
1,1485 
0,9052 
8,7041 


100,1937  99,5223  100,5061  98,9116 
—     —    '  0,1716  0,1491 


*  Vgl.  S.  183,  Anmerkung. 


—     201      — 

In  Procenten  der  geglühten,   also  wasser-   und  humnsfreien 
Substanz  erhält  man: 


Thonmasse. 

Ackererde. 

Kieselsäure .     .     . 

68,2736 

80,8063 

Thonerde     .     .     . 

20,3528 

10,5388 

Eisenoxyd    .     .     . 

6,8185 

2,6094 

Manganoxyduloxyd 

0,4016 

0,4952 

Kohlensaurer  Kalk 

1,4541 

2,5704 

Kalk 

0,1183 

0,2241 

Magnesia     .     . 

0,5041 

0,3618 

Phosphorsäure  . 

0,1965 

0,0970 

Schwefelsäure  .     , 

0,0391 

0,0203 

Kali  .... 

1,1181 

1,2732 

Natron    .     .     . 

0,7251 

1,0035 

100,0000 

100,0000 

Quarzsand   .     . 

.       34,8568 

61,2931 

Reiner  Thon    . 

47,1010 

19,6908 

Kalifeld  spath    . 

2,5771 

4,2816 

Natroufeldspath    . 

5,1328 

7,7129 

89,6677       92,9784 


Es  ist  selbstverständlich,  dass  die  mürbe,  leicht  zerreibliche 
und  abfärbende  Gesteinsmasse  durch  Verwitterung  aus  dem  festen 
Gestein  hervorgegangen  sein  muss,  denn  die  erstere  haftet  noch 
an  der  Oberfläche  des  letzteren  an  und  bildet  eine  meistens 
dünne  Schicht  um  den  festen  Kern.  Ebenso  lässt  das  oben  an- 
gedeutete Vorkommen  der  „Thonmasse"  einen  nahen  Zusammen- 
hang derselben  mit  dem  anstehenden  Gestein  vermuthen.  In- 
wiefern dieses  wirklich  der  Fall  ist,  wird  aus  der  folgenden  Zu- 
sammenstellung und  den  daran  sich  anschliessenden  weiteren  Er- 
örterungen sich  ergeben.  Wir  gehen  hierbei  aus  von  dem  Kiesel- 
säuregehalt der  untersuchten  Materialien ,  da  die  Menge  der 
Thonerde  in  dem  Gestein  nicht  für  sich  allein,  sondern  nur  ge- 
meinschaftlich mit  dem  Eisenoxyd  bestimmt  worden  ist.  Die 
Rechnung  ergiebt,  dass  zunächst  100  Gewichtstheile  des  „mürben" 


—     202 


Gesteins    aus    156,2    Gewichtstheilen    der  ursprünglichen    festen 
Masse  gebildet  worden  sind,  nämlich: 

Mürbes 

Gestein  Differenz. 

Theilen.        100  Theile. 

7,1696  — 


Ursprüngliches  Gestein 
in  100        in  156,2 


Theilen. 
4,5904 

1,8855 


2,9452 


7,1696  =   — 
2,3842  =  0,5610 


93,4000  145,8908  —  89,7000  =  56,1908 


Kieselsäure 
Thonerde  j 
Eisenoxyd  j  ' 
Kohlensaurer  Kalk 
Kalk      .     .     . 
Magnesia     .     . 
Phosphorsäuve  . 
Kali  .... 
Natron   ... 

Ferner    können     1487    Gewichtstheile    des    festen    Gesteins 
nach  vollständiger  Verwitterung  desselben,  resp.  nach  Auslaugung 


0,0080 
0,0190 
0,0410 
0,0825 
0,1673 


0,0125  — 
0,0297  — 
0,0640  — 
0,1289  — 
0,2613  — 


0,0103  = 
0,0318  = 
0,0509  = 
0,0979  =r 
0,0776  = 


0,0022 

0,0131 
0,0310 
0,1837 


des  kohlensauren  Kalkes 
geliefert  haben: 


100   Gewichtstheile    der   „Thonmasse'' 


Festes  Gestein    Thonmasse 
in  1487        in  100  Theilen 
Theilen.  gefunden. 


Differenz. 


Kieselsäure  .     .     . 

68,2736  — 

68,2736   =          — 

Thonerde                 ) 

Eisenoxyd                > 

28,0374  — 

27,5729   =         0,4645 

Manganoxyduloxyd  ) 

Kohlensaurer  Kalk 

1388,8580  — 

1,4541  =  1387,4039 

Kalk 

0,1189  — 

0,1183  =          0,0006 

Magnesia      .     .     .     . 

0,2825   - 

0,5041  =  +  0,2216 

Phosphorsäure    .     . 

0,6097  — 

0,1965  =         0,4132 

Kali 

1,2268  — 

1,1183  =         0,1085 

Natron     .... 

2,4878  — 

0,7251   =          1,7627 

Vorstehende  Zahlen  lassen  den  Zusammenhang  zwischen  dem 
ursprünglichen  Gestein  und  seinen  Verwitterungeprodukten  er- 
kennen. Die  Differenz  zwischen  dem  berechneten  und  gefundenen 
Gehalt    an  Eisenoxyd   nebst  Thonerde   ist  bei    dem   mürben  Ge- 


—      203      — 

stein  eine  verhältnissmässig  grössere  als  bei  der  Thonmasse  und 
dasselbe  bemerkt  man  auch  hinsichtlich  des  Kali's.  Dies  ist 
freilich  an  sich  nichts  Auffallendes,  sondern  stimmt  vielmehr 
mit  anderweitigen  Beobachtungen  überein,  dass  nämlich  ein 
Kalkstein  in  dem  ersten  Stadium  der  Verwitterung  verhältniss- 
mp^sig  mehr  Eisenoxyd  und  Alkali  durch  Auswaschen  verliert, 
als  bei  der  später  immer  vollständiger  erfolgenden  Entfernung 
des  kohlensauren  Kalkes;  aber  dennoch  scheint  das  hier  unter- 
suchte mürbe  Gestein  zufällig  etwas  weniger  an  Thonerde  nebst 
Eisenoxyd,  sowie  an  Kali,  überhauj^t  an  kalihaltigem  Thon  ent- 
halten zu  haben,  als  der  mittleren  Beschaffenheit  dieser  Masse 
entsprechen  möchte. 

In  der  eigentlichen  Ackererde  oder  überhaupt  in  dem 
meist  nur  flachgründigen  Verwitterungsboden  findet  man  eine 
Unmasse  von  Feuersteinen,  in  grösseren  oder  kleineren  Stücken, 
gewöhnlich  knollenförmig  abgerundet,  oft  auch  durch  mechanische 
Ursachen  zersplittert.  Der  Bruch  ist  muschelig,  die  Masse  sehr 
hart  und  fest;  nur  ausnahmsweise  kommen  Stückchen  vor  mit 
erdigem  Bruch  und  von  mürber  Beschaffenheit,  so  dass  daran 
eine  Verwitterung  oder  ein  allmähliges,  wenn  auch  sehr  lang- 
sames Zerfallen  der  Feuersteine  zu  erkennen  ist.  Die  einzelnen 
Stücke  sind  auf  dem  frischen  Bruch  entweder  weiss  oder  grau, 
gelb  bis  braun  gefärbt,  an  der  Aussenfläche  meistens  dunkler 
und  zuweilen  wie  mit  einer  an  Eisen-  und  Manganoxyd  reichen 
Kruste  umgeben,  während  der  Kern  fast  farblos  ist. 

Zunächst  wurde  der  ganz  feste  und  harte,  weitaus  in 
grösster  Masse  vorkommende  Feuerstein  auf  seine  Bestand- 
theile  untersucht.  Man  fand  in  der  gepulverten  lufttrocknen 
Substanz  1,038  Proc.  Feuchtigkeit  (Glühverlust)  und  1,348  Proc. 
von  solchen  Stoffen,  welche  in  konzentrirter  kochender  Salzsäure 
auflöslich  waren  und  vorherrschend  aus  Eisen-  und  Manganoxyd 
nebst  wenig  Thonerde  bestanden,  während  kaum  Spuren  von 
Kalk  und  Magnesia  nachgewiesen  werden  konnten.  Von  der  in 
Salzsäure  unlöslichen  Masse  (97,614  Proc.  der  ursprünglichen 
lufttrockneu  Substanz)  wurde    ein  Theil  nach  dem   Aufschliessen 


—     204     — 

mit   Flusssäure   analysirt;    im  Ganzen    war    nach   dieser   Unter- 
suchung in  dem  lufttrocknen  Feuerstein  enthalten; 

Feuchtigkeit   .     .     .     .  1,0380  Proc. 

Eisenoxyd  und  Thonerde  1,9694  , 

Kalk 0,1329  „ 

Magnesia Spur 

Kali 0,1069  „ 

Natron 0,2168  , 

Kieselsäure     ....  96,5360  „ 
100,0000 

Anscheinend  etwas  verwitterte,  leichter  zerreibliche  Stücke 
ergaben  beim  Aufschliessen  mit  Flusssäure  einen  Gehalt  an 
Kalk  von  0,156  Proc.  und  an  Eisenoxyd  und  Thonerde  im 
Ganzen  von  2,483  Proc;  die  Zusammensetzung  war  offenbar  eine 
ganz  ähnliche  wie  die  des  gewöhnlichen  festen  Feuersteins. 
Endlich  einige  kleine,  nussgrosse  Knollen,  welche  mit  einer 
dunkelbraunen  Kruste  umgeben  waren  und  sich  leicht  pulvern 
Hessen,  enthielten  an  in  Salzsäure  löslicher  Substanz  nicht 
weniger  als  9,09  Proc,  fast  ausschliesslich  aus  Eisen  und 
Manganoxyd  bestehend ;  in  dem  Eest  fand  man  nach  dem  Auf- 
schliessen mit  Flusssäure  0,064  Proc  Kalk  und  1,194  Proc. 
Thonerde  und  Eisenoxyd,  also  wiederum  ziemlich  entsprechend 
der  obigen  Zusammensetzung  des  gewöhnlichen  Feuersteins. 

Es  erscheint  nun  als  die  einfachste  und  natürlichste  An- 
nahme, dass  die  erdige  Masse  der  Ackerkrume,  die  eigentliche 
Fein  er  de  des  Kulturbodens  aus  der  weiter  oben  be- 
schriebenen thonigen  Substanz  im  Gemenge  mit  einem  gewissen 
Theil  von  verwittertem  und  zu  Pulver  zerfallenem  Feuerstein  be- 
steht. Wenn  man  die  Summe  der  Bestandttheile  von  100  Ge- 
wichtstheilen  der  Thonmasse  und  von  75  Gewichtstheilen  des 
Feuersteins  wiederum  auf  Procente  berechnet ,  so  erhält  man  in 
der  That  eine  Zusammensetzung,  welche  derjenigen  in  mancher 
Hinsicht  ähnlich  ist,  welche  bei  direkter  Analyse  für  die  Acker- 
erde gefunden  wurde,  nämlich: 


205 


lOOTheile    75Theile 

.       InlOOTh. 
in 

Acker- 

Thon-        Feuer- 

Summa. 

be- 

erde ge- 

masse,         stein. 

rechnet. 

funden. 

Kieselsäure     .    .    . 

68,274  -h  73,161  = 

141,435 

80,819 

80,803 

Thonerde   .    .    .    . 

20,353 

Eiseaoxyd  .     .     .    . 

6,819     -h  1,493  = 

29,066 

16,609 

13,633 

Manganoxyduloxyd  . 

0,402 

Kohlensaurer  Kalk. 

1,454            —      = 

1,454 

0,831 

2,571 

Kalk 

0,118  ■+-    0,101  = 

0,219 

0,125 

0,224 

Magnesia  .    .    .    . 

0,504            -       = 

0,504 

0,288 

0,362 

Phosphorsäure    .    . 

0,197            —       = 

0,197 

0,112 

0,097 

Schwefelsäure     .    . 

0,039            —      = 

0,039 

0,022 

0,020 

Kali 

1,118  -H    0,081  ^ 

1,199 

0,686 

1,273 

Natron 

0,725  -h    0,164  = 

0,889 

0,508 

1,004 

100,000  -f-  75,000  =  175,000  100,000  100,000 
Wie  man  sieht,  stimmt  die  durch  Rechnung  und  die  durch 
direkte  Analyse  für  die  Ackererde  gefundene  procentige  Menge 
der  Kieselsäure  vollkommen  überein  und  auch  die  Differenzen 
im  Gehalt  an  Thonerde  nebst  Eisen-  und  Manganoxyd  erklären 
sich  grossentheils  aus  dem  Umstände,  dass  in  der  Ackererde 
verhältnissmässig  weniger  Eisenoxyd  vorhanden  ist,  als  in  der 
Thonmasse ,  wie  es  schon  mehrfach  in  anderen  Untersuchungen 
bezüglich  der  oberen  Schichten  des  Kulturbodens  gegenüber  dem 
Untergrunde  konstatirt  worden  ist.  Die  Differenzen  für  kohlen- 
sauren Kalk,  Kalk  und  Magnesia  kommen  natürlich  gar  nicht  in 
Betracht;  die  für  Phosphorsäure  und  Schwefelsäure  sind  sehr 
gering,  während  dagegen  an  Kali  und  Natron  fast  genau 
doppelt  so  viel  durch  direkte  Analyse  gefunden  wurde,  als 
nach  der  angestellten  Rechnung  sich  ergeben  würde.  Die  zu- 
letzt erwähnte  grosse  Verschiedenheit  der  betreffenden  Zahlen 
zeigt  deutlich  genug,  dass  die  Ackererde  nicht  einfach  als  ein 
Gemenge  der  Thonmasse  und  des  zu  Pulver  zerfallenen  Feuer- 
steins aufgefasst  werden  kann.  Dies  wird  auch  bestätigt  durch 
die  sehr  übereinstimmende  Zusammensetzung  der  „sandigen  Sub- 
stanz", welche  sowohl  bei  der  Thonmasse  als  bei  der  Acker- 
erde nach  Behandlung  derselben  mit  Salzsäure  und  Schwefel- 
säure zurückblieb,  also  zur  Auf  Schliessung  mit  Flusssäure  ge- 
langte.    Diese  saudige  Substanz  nämlich  enthielt  in  100  Theilen: 


206 


Thonmasse. 

Ackererde. 

Mittel. 

Kalk 

0,24  Proc. 

0,18  Proc. 

0,21  Proc. 

Thonerde      .     .     . 

•       0,77      „ 

3,73      „ 

2,25     , 

Kali 

.       1,02      „ 

0,97      „ 

1,00     , 

Natron    .... 

.        1,42       „ 

1,22       „ 

1,32      , 

Kieselsäure .     .     . 

.     96,55       „ 

93,90       „ 

95,22      „ 

100,00     100,00     100,00 

Die  Menge  der  Thonerde  in  der  zuerst  aufgeführten  Analyse 
ist  auffallend  niedrig,  während  dieselbe  in  der  zweiten  Analyse 
etwas  mehr  beträgt,  als  dem  auf  Grund  des  Alkaligehalts  berech- 
neten Quantum  von  Kali-  und  Natronfeldspath  entspricht.* 
Dagegen  ist  im  Uebrigen  die  Zusammensetzung  und  namentlich 
das  absolute  und  gegenseitige  Verhältniss  der  Alkalien  in  beiden 
Analysen  sehr  übereinstimmend  gefunden  worden  und  daraus  er- 
sichtlich, dass  zur  Bildung  der  sandigen  Substanz  in  der  Acker- 
erde der  Feuerstein  nicht  wesentlich  mehr  beigetragen  hat,  als 
in  der  Thonmasse ;  nur  die  Gesammtmenge  der  sandigen  Sub- 
stanz ist  im  ersteren  Falle  bedeutend  grösser  als  in  dem  letzteren. 
Auch  der  reine  Thon,  wie  derselbe  auf  chemischem  Wege  er- 
mittelt worden  ist,  zeigt  hinsichtlich  seiner  Hauptbestandtheile 
in  den  beiderlei  untersuchten  Materialien  fast  völlig  gleiche 
procentige  Mengenverhältnisse.     Man  fand  nämlich: 

.   ,         j  Salzsäure-     Schwefelsäure-       m\ho] 

a.  Ackererde.  .  .  iViittei. 

Auszug.  Auszug. 

Thonerde 41,88  Proc.  41,88  Proc.  41,88  Proc. 

Kieselsäure      ....     58,12      „      58,12      „      58,12     „ 

b.  Thonmasse. 

Thonerde 42,65  Proc.  42,38  Proc.  42,52  Proc. 

Kieselsäure       ....     57,35      „      57,62      „      57,48     r> 


*  Eine  nachträglich  wiederholte  iVualyse  der  sandigen  Substanz 
von  beiderlei  Materialien  ergab  bei  der  Ackererde  fast  dieselbe  Zu- 
sammensetzung, wie  sie  oben  angegeben  ist,  bei  der  Thonmasse  da- 
gegen etwas  mehr  an  Thonerde  und  eine  geringere  Menge  von  Al- 
kalien. Die  Differenzen  sind  jedoch  nicht  von  der  Art,  dass  sie  die 
hier  angestellten  Berechnungen  und  Betrachtungen  wesentlich  zu 
modificiren  vermöchten. 


—      207      — 

Hiernach  unterscheidet  sich  die  Ackererde  nur  dadurch  von 
der  „Thonmasse",  dass  sie  entsprechend  mehr  an  sandiger  Sub- 
stanz enthält,  und  in  der  That,  wenn  man  zu  100  Gewichts- 
theilen  der  Thonmasse  100  Gewichtstheile  der  sandigen  Substanz 
von  der  oben  angegebenen  mittleren  Zusammensetzung  hinzu- 
addirt  und  das  Ganze  wiederum  auf  Proceute  berechnet,  so  ge 
langt  man  auf  diese  Weise  fast  zu  denselben  Mengenverhältnisseiii 
der  Bestandtheile,  wie  sie  für  die  Ackererde  durch  die  direkte 
Analyse  sich  ergeben  haben.  In  dem  Folgenden  ist  die  pro- 
centige  Zusammensetzung  der  Thonmasse  und  der  Ackererde  an- 
gegeben, wie  dieselbe  nach  Abzug  des  kohlensauren  Kalkes  (be- 
ziehungsweise 1,45  und  2,57  Proc.)  sich  gestaltet. 

lOOTheile  lOOTheile  j^  In  100  Th.  Acker- 
Thon-  sandige  g^jj^j^^^  be-  erde  ge- 
masse.      Substanz.  '    rechnet,  fanden- 

Kieselsäure ....  69,280  +  95,22  =  164,500  82,250  82,934 
Thonerde  ....  20,653  +  2,25  =  22,903  11,451  10,823 
Eisenoxyd    ....       6,919  —     =      6,919       3,459       2,678 

Manganoxyduloxyd    .      0,407  -     =      0,407      0,204      0,508 

Kalk 0,120  -h      0,21  =      0,330      0,165      0,230 

Magnesia      ....      0,512  —     =      0,512      0,256      0,371 

Phosphorsäure  .     .     .      0,199  —    =      0,199      0,099      0,098 

Schwefelsäure  .     .     .      0,039  —     =      0,039      0,020      0,021 

Kali 1,135  -h      1,00  =      2,135      1,068       1,307 

Natron  ....  .  0,736  -f  1,32  —  2,056  1,028  1,030 
100,000  -h  100,00  -=  200,000  100,000  100,000 
Die  üebereinstimmung  der  betreffenden  Zahlen  lässt  jetzt, 
wie  man  sieht,  kaum  etwas  zu  wünschen  übrig,  namentlich  wenn 
man  Eisen-  und  Manganoxyd  zusammenrechnet,  was  im  vor- 
liegenden Falle  wohl  um  so  mehr  gestattet  ist,  als  wirklich  die 
Abscheidung  des  Mangans  nach  der  gewöhnlichen  Methode  bei 
der  Analyse  der  hier  in  Eede  stehenden  Materialien  auffallend 
schwierig  erfolgte.  Sogar  für  Phosphorsäure  und  Schwefelsäure 
ergiebt  die  Rechnung  fast  genau  dieselben  Zahlen  wie  die 
direkte  Analyse  und  dass  bei  der  letzteren  etwas  mehr  Kali, 
gleichsam  ein  kleiner  Ueberschuss  von  dieser  Substanz  gefunden 
wurde,  befindet  sich  im  Einklang  mit  der  bekannten  Erscheinung, 


—     208     — 

wonach  sehr  häufig  in  der  obersten  Schicht  des  Kulturbodens 
nach  und  nach  eine  gewisse  Menge  von  Kali  sich  angesammelt 
hat  und  zwar  hauptsächlich  in  einem  relativ  leicht,  d.  h.  in  Salz- 
säure und  in  Schwefelsäure  löslichen  Zustande. 

Nach  allen  im  Vorhergehenden  angestellten  Erörterungen 
hat  es  den  Anschein,  als  ob  die  „Thonmasse"  nicht,  wie  weiter 
oben  angenommen  wurde,  ein  einfaches  und  direktes  Ver- 
witterungsprodukt des  anstehenden  Gesteins  ist,  sondern  dass 
erst  nachträglich  ein  Ausschlämmen  dieser  Masse 
aus  der  „Ackererde"  stattgefunden  hat,  womit  auch 
das  Vorkommen  der  ersteren  an  dem  oberen  Rande  des  Stein- 
bruches, in  kleineren  Parthien  die  vorhandenen  Spalten  aus- 
füllend und  zwischen  Bruchstücken  von  Kalkstein  eingelagert, 
keineswegs  im  Widerspruche  steht.  Es  ist  nämlich  diese  Thon- 
masse  nicht  etwa  durch  Aufgraben  des  Bodens  auf  dem  Acker- 
felde aus  dem  Untergründe  aufgenommen  worden,  wie  es  be- 
züglich der  Materialien  aus  den  unteren  thonigen  Schichten  des 
Krebsscheerenkalkes  der  Fall  war.  Es  scheint  daher  die  erdige 
Masse  als  Ganzes  aus  der  anstehenden  Kalkformation  hervor- 
gegangen zu  sein,  vermuthlich  unter  Mitwirkung  des  allmählig^ 
verwitterten  und  zu  Pulver  zerfallenen  Feuersteins;  in  welchem 
Grade  und  Mengenverhältniss  der  letztere  an  der  Bildung 
der  Feinerde  des  Kulturbodens  theilgenommen  hat,  lässt  sich 
auf  Grund  der  vorliegenden  Untersuchungen  niclit  mit  Genauig- 
keit ermitteln.  Jedenfalls  aber  haben  wir  es  auch  hier  wiederum 
mit  einem  reinen  Verwitterungsboden  zu  thun,  mit  Materialien, 
die  im  Wesentlichen  auf  völlig  primärer  Lagerstätte  sich  be- 
finden. 

Der  Boden  des  oberen  Krebsscheeren-Kalksteins  zeigt  im 
Allgemeinen,  wie  schon  erwähnt  wurde,  als  Ackerland  oder 
Weide  eine  nur  geringe  natürliche  Fruchtbarkeit  und  ist  einer 
lohnenden  Kultur  wenig  zugänglich.  Dies  ist  zunächst  und  haupt- 
sächlich bedingt  durch  die  vielen  Feuersteine  oder  Hornsteine, 
die  in  grösseren  und  kleinereu  Knollen  wohl  mehr  als  50  Pro- 
cent von  dem  Gesammtgewicht  des  Bodens  ausmachen.  Aber 
auch    die  Feinerde   des   Bodens   ist  ziemlich    arm   an  wichtigen 


/ 


•    —     209 


Pflanzennälirstoffen,  wenn  auch  nicht  gerade  absolut,  so  doch 
entschieden  gegenüber  den  Verwitterungsböden  anderer  Kalk- 
steinformationen, besonders  wenn  man  beachtet,  dass  es  sich  hier 
um  eine  kalkarme  Ackererde  handelt.  An  Phosphorsäure 
wurde  gefunden  in  der  völlig  lufttrocknen  Substanz: 

Löslich  in  Thonmasse.  Ackererde, 

kalter  Salzsäure  a    .     .  0,1473  Proc.  0,0725  Proc. 

b    .     .  0,1483     „  0,0738 ^ 

Mittel  0,1478  Proc.  0,0732  Proc. 

heisser  Salzsäure      .     .  0,1700     „  0,0875      „ 

In  der  Ackererde  ist  dieser  Gehalt  zwei  bis  drei  Mal  ge- 
ringer, als  in  der  sehr  kalkreichen  Ackerkrume  aus  dem  Gebiete 
der  unteren  thonigen  Schichten  des  Krebsscheerenkalkes,  während 
das  Verhältniss  der  in  kalter  Salzsäure  löslichen  Phosphorsäure 
zu  der  Gesammtmenge  derselben  ein  günstiges  ist,  nämlich 
=  83,6  Proc.  in  der  Ackererde  und  86,9  Proc.  in  der  Thon- 
masse. 

An  Kali  fand  man  in  Procenten  der  lufttrocknen  Substanz: 

Thonmasse.  Ackererde. 


1.  löslich  in  kalter  Salzsäure 

.     0,0487 

0,0560 

2.       j,        y,  heisser       „ 

.     0,2376 

0,0950 

3.       „        „   Schwefelsäure    . 

.     0,3047 

0,3448 

4.       „        „   Flusssäure     .     . 

.     0,3766 

0,6527 

Im  Ganzen     0,9676         1,1485 
In  Procenten  der  gesammten  Kalimenge  waren  auflöslich  in 

1.  kalter  Salzsäure       ... 

2.  heisser       „  ... 

3.  Schwefelsäure      .... 

4.  Flusssäure 


Ferner  betrug 
1  in  Proc.  von  1  +  2  . 
1  +  2  in  Proc.  von   1+2  +  3 
l  +  2  +  3inProc.  vonl  +  2  +  3  +  4 

"Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878. 


5,03 

4,88 

24,55 

8,27 

31,49 

30,02 

38,93 

56,83 

100,00 

100,00 

16,7 

37,1 

48,4 

30,5 

t    61,1 

43,2 

14 

—     210     —  • 

Die  gesammte  Menge  des  Kali  betrug  in  Procenten  der 

Thonmasse.  Ackererde, 
geglühten  Substanz       .     .     .     .     1,1181         1,2732 
do.  nach  Abzug  von  kohlens.  Kalk     1,1350         1,3070 
Endlich  wurde  das  Verhältniss  von  Kali  zur  Thonerde  ge- 
funden im 

Salzsäure-Auszug 1  :  30,75     1  :  19,57 

Schwefelsäure- Auszug  .  .  .  1  :  27,97  1  ;  11,43 
Mittel  1  :  29,32  1  :  14,11 
Die  Gesammtmenge  des  Kali  war  keine  beträchtliche  und 
die  Art  der  Löslichkeit  dieses  Bestandtheiles  deutet  einen  noch 
ziemlich  rohen  Zustand  des  Bodens  an.  Das  Verhältniss  von 
Kali  zur  Thonerde  ist  ein  weniger  günstiges,  als  z.  B.  in  dem 
Kulturboden  der  unteren  Schichten  des  Krebsscheerenkalkes,  und 
das  betreffende  Verhältniss  in  dem  Salzsäure-Auszug  nicht,  wie 
gewöhnlich,  ein  engeres,  als  im  Schwefelsäure- Auszug,  sondern 
im  Gegentheil  ein  weiteres,  bei  der  Ackererde  sogar  ein  bedeu- 
tend weiteres.  Diese  Verhältnisse  von  Kali  zur  Thonerde  sind 
in  der  „Thonmasse"  noch  viel  ungünstiger,  als  in  der  „Acker- 
erde", woraus  man  entnehmen  muss,  dass  die  Verwitterung  der 
Silikate  in  der  letzteren  weiter  vorgeschritten  ist,  als  in  der 
ersteren,  obgleich  die  absolute  Menge  des  in  heisser  Salzsäure 
löslichen  Kali  in  der  Ackererde  eine  geringere  ist. 

Wir  haben  es  hier  mit  einem  Verwitteruugsboden  zu  thun, 
der  relativ  reich  ist  an  Natron.  Dieser  Eeichthum  an  Natron 
zeigt  sich  noch  weit  entschiedener  bei  dem  ursprünglichen  Kalk- 
stein, worin  0,0825  Proc.  an  Kali  und  0,1673  Proc.  an  Natron 
gefunden  wurde,  das  gegenseitige  Verhältniss  also  wie  1  :  2,028 
war.  In  dem  mürben  Kalkstein  dagegen,  in  welchem  der  Gehalt 
an  kohlensaurem  Kalk  von  ursprünglich  93,4  nur  bis  auf  89,7  Proc. 
gesunken  war,  fand  man  das  betreffende  Verhältniss  sehr  bedeu- 
tend vermindert,  nämlich  wie  0,0979  :  0,0776  =  1  :  0,793,  d.h. 
fast  genau  ebenso  wie  in  der  Ackererde  (1,1485  :  0,9052 
=  1  :  0,788)  und  nur  etwas  weiter,  als  in  der  Thonmasse 
(0,9676  :  0,7251  =  1  :  0,648).  Es  nimmt  also  das  Natron  bei 
der  Verwitterung  des  festen  Kalksteins  sehr  rasch  an  Menge  ab, 


—     211     — 

und  zwar  um  reichlich  die  Hälfte  bis  auf  ein  fortan  ziemlich 
konstantes  Verhältniss  gegenüber  dem  Kali;  es  muss  in  dem 
ursprünglichen  Gestein  eine  gewisse  Menge  des  Natrons  in  be- 
sonders leicht  löslicher  Form,  vielleicht  als  Chlornatrium  vorhan- 
den sein.  Jedoch  wurde  hierauf  bei  der  Analyse  nicht  direkt  geprüft. 
Die  Löslichkeitsverhältnisse  des  Natrons  im  Kulturboden 
sind  ganz  gewöhnlich  von  der  Art,  dass  in  der  kalten  Salzsäure 
sich  relativ,  d.  h.  gegenüber  dem  Kali  weit  mehr  Natron  auf- 
löst, als  bei  der  nachträglichen  Behandlung  des  Bodens  mit 
kochender  Salzsäure,  während  dagegen  der  Auszug  mit  Schwefel- 
säure und  besonders  der  letzte  mit  Flusssäure  aufgeschlossene 
Kückstand  wiederum  mehr  Natron  enthält.  Diese  Verhältnisse 
treten  auch  bei  der  hier  untersuchten  Ackererde  und  Thonmasse 
sehr  deutlich  hervor;  es  verhielt  sich  nämlich  die  Menge  des 
gefundenen  Kali  zu  derjenigen  des  Natrons  in  dem  Auszug  mit 


Thonmasse, 

Ackererde. 

kalter  Salzsäure      .     1  :  0,495 

1  :  0,262 

heisser       „        .     .     1  :  0,060 

1  :  0,085 

Schwefelsäure     .     .     1  :  0,213 

1  :  0,178 

Flusssäure     .     .     .     1  :  1,392 

1  :  1,258 

Im  vorliegenden  Falle  ist  im  sandigen  Rückstand  das  Natron 

vorherrschend  über  das  Kali  und  es  berechnet  sich  der  procentige 

Gehalt  dieser  Masse  folgendermassen: 

Thonmasse. 

Ackererde. 

Kalifeldspath      .       6,07  Proc. 

5,84  Proc. 

Natronfeldspath       12,06     , 

10,53     „ 

Quarzsand      .     .     81,87      „ 

83,63    ., 

100,00  Proc.     100,00  Proc. 
Oder  in  lOOTheilen  der  ursprünglichen  lufttrocknen  Substanz: 
Kalifeldspath  2,236  Proc.         3,861  Proc. 

Natronfeldspath      4,442     „  6,961     „ 

Quarzsand  .     .     30,152     ,  55,283     „ 

36,830  Proc.      66,105  Proc. 
Auch  das   gegenseitige  Mengenverhältniss,    in   welchem  die 
beiden  feldspathartigen  Verbindungen  unter  den  sandigen  Gemeng- 
theilen  vertreten  sind,  beweist,  dass  der  Verwitterungsboden  der 

14* 


—      212     — 

oberen  Schichten  des  Krebsscheeren-Kalksteins    eine  nur  geringe 
natürliche  Fruchtbarkeit  entwickeln  wird. 

3.   Die  Marmorkalke. 

Unter  dem  Namen  der  Marmorkalke  ist  ein  Gebilde  des 
weissen  Jura  bekannt,  welches  meistens  einen  festen  und  dichten 
Kalkstein  darstellt  mit  muschligem  Bruch,  aber  auch  mit  zahl- 
reichen Adern  und  Drusen  von  Kalkspathkrystallen  versehen  oder 
mit  derartigen  kleinen  glänzenden  Krystallen  durchsetzt  ist.  Das 
Gestein  ist  auf  dem  frischen  Bruch  entweder  fast  ganz  farblos 
oder  schwach  röthlich  gelb,  auf  den  Absonderungsflächen  der 
Bruchstücke  dunkler  gefärbt;  der  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk 
ist  ein  so  hoher,  dass  die  übrigen  Bestandtheile  nur  schwierig 
quantitativ  genau  sich  bestimmen  lassen  und  namentlich  ist  die 
Menge  der  in  Salzsäure  unlöslichen  thonigen  und  sandigen  Sub- 
stanz eine  überaus  kleine,  weshalb  auch  auf  die  nähere  Unter- 
suchung dieses  unlöslichen  Rückstandes  verzichtet  wurde.  Bei 
der  Untersuchung  der  mit  Salzsäure  dargestellten  Lösung  ergab 
sich  folgender  Gehalt  in  Procenten  der  lufttrocknen  Substanz: 
Kohlensaurer  Kalk  ....  98,5000 
'  Eisenoxyd  und  Thonerde  .     .       0,6400 

Phosphorsäure 0,0134 

Kali 0,0065 

Natron 0,0141 

Unlöslicher  Rückstand,  geglüht     0,2460 

Jg'euchtigkeit 0,5700 

99,9900 
Die  Formation  ist,  wo  sie  zu  Tage  ausgeht,  in  ziemlich 
beträchtlicher  Ausdehnung  überlagert  von  einem  Yerwitteruugs- 
boden,  welcher  durch  eine  lebhaft  rothbraune  Farbe  schon  aus 
einiger  Entfernung  sich  zu  erkennen  giebt  und  für  das  Auge 
angenehm  absticht  gegen  die  fahlgraue  Ackererde  im  Gebiete  der 
unteren  thonigen  Schichten  des  Krebsscheeren-Kalksteins.  Der 
Verwitterungsboden  des  Marmorkalkes  scheint  für  die  Kultur 
ganz  geeignet  zu  sein,    überall  wenigstens  wo  derselbe  eine  ge- 


—     213     — 

iiügende  Tiefe  hat  und  nicht  zu  sehr  mit  grösseren  oder  kleineren 
Trümmern  des  festen  Gesteins  vermischt  ist.  Die  vorherrschend 
thonige  Beschaffenheit  des  Bodens  ist  in  der  eigentlichen  Acker- 
erde wesentlich  gemässigt  durch  einen  ziemlich  beträchtlichen 
Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk,  welcher  Bestandtheil  aber  weniger 
im  feinzertheilten  Zustande  als  in  der  Form  von  Kalksand  vor- 
kommt. 

Ueberall  findet  man  in  dem  Ackerboden  Trümmer  und  Stück- 
chen von  dem  ursprünglichen  Kalkstein,  meistens  an  den  Kanten 
nur  wenig  abgerundet,  häufig  in  kleinen  Splittern  scharfkantig 
und  ohne  eine  Spur  von  Verwitterung.  Die  letztere  erfolgt  über- 
haupt bei  diesem  Gestein  auf  die  Weise,  dass  die  atmosphärischen 
Wasser  immer  nur  die  Aussenfläche  der  Trümmer  annagen,  nicht 
im  Geringsten  aber  lösend  und  verändernd  in  das  Innere  einzu- 
dringen und  dadurch  zunächst  einen  mürben  Zustand  derselben 
herbeizuführen  vermögen.  Es  giebt  daher  auch  gar  keine  ver- 
schiedene Verwitterungsstufen,  sondern  nur  ursprüngliches  Gestein 
und  eine  erdige  Bodenmasse;  selbst  der  kleinste  Gesteinssplitter, 
welcher  in  der  Ackererde  vorkommt,  hat  immer  noch  fast  dieselbe 
Zusammensetzung  wie  der  anstehende  Kalkstein.  Der  letztere 
verwittert  sehr  langsam  und  bei  seinem  überaus  niedrigen  Gehalt 
an  thoniger  und  sandiger  Substanz  ist  es  auch  gar  nicht  mög- 
lich, die  Entstehung  des  Bodens  quantitativ  zu  verfolgen,  wie 
wir  solches  bei  anderen  Kalksteinformationen,  manchmal  mit 
grosser  Schärfe  vermochten.  Wir  müssen  uns  darauf  beschränken, 
den  Verwitterungsboden  des  Marmorkalkes  nach  seiner  chemischen 
Zusammensetzung  näher  zu  charakterisireu,  ohne  dieselbe  mit 
der  Beschaffenheit  des  Muttergesteins  in  eine  ganz  bestimmte 
Relation  bringen  zu  können. 

In  einem  kleinen  Steinbruch  nahe  der  Strasse  zwischen 
Böhmerkirch  und  Söhnstetten  sind  die  Marmorkalke  aufgeschlossen 
und  dort  wurde  auch  die  „Thonmasse"  aufgenommen,  welche 
von  oben  her  die  Spalten  des  Gesteins  ausgefüllt  und  auf  den 
Absonderungsflächen  der  Trümmerstücke  sich  abgelagert  hat. 
Diese  Thonmasse  ist  nicht  etwa  als  der  Untergrund  des  Ver- 
witterungsbodeus  zu  betrachten,  sondern  scheint  zu  demselben  in 


—     2U     — 

einem  ganz  ähnlichen  Verhältniss  zu  stehen,  wie  Thonmasse  und 
Ackererde,  also  die  beiden  erdigen  Materialien,  von  denen  bei 
den  oberen  Schichten  des  Krebsscheerenkalkes  die  Rede  war. 

Die  im  Folgenden  als  „Ackererde"  aufgeführte  Bodenart 
wurde  einem  Felde  entnommen,  welches  dem  erwähnten  kleinen 
Steinbruch  ganz  nahe  gelegen  war;  eine  genaue  Unterscheidung 
zwischen  Ackerkrume  und  Untergrund  war  bei  dem  meist  seichten 
Verwitterungsboden  nicht  wohl  möglich.  Nachdem  man  die 
grösseren  Gesteinsstücke  aus  der  betreffenden  Probe  entfernt 
hatte,  enthielt  die  Ackererde  in  2910  Grm.  Substanz  noch  440  Grm. 
oder  15,12  Proc.  von  solchen  Steinchen,  welche  auf  einem  Siebe 
mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  zurückblieben,  während  in  2740  Grm. 
der  Thonmasse  nur  30  Grm.  oder  1,1  Proc.  von  derartigen 
Steinchen  sich  vorfanden.  Zur  chemischen  Analyse  wurde  nur 
die  von  diesen  Steinchen  abgesiebte  Masse  benutzt  und  darin 
bei  der  Behandlung  mit  den  verschiedenen  Lösungsmitteln  folgende, 
auf  Procente  der  lufttrocknen  Substanz  berechnete  Zusammen- 
setzung gefunden. 

A.     Auszug  mit  kalter  Salzsäure. 

Thonmasse.  Ackererde. 

Kieselsäure  in  der  Lösung     .  0,0091  0,0052 

Schwefelsäure 0,0297  0,0461 

Phosphorsänre 0,1090  0,1153 

Kohlensaurer  Kalk  ....  4,5667  15,7175 

Kalk —                — 

Magnesia 0,2020  0,2111 

Eisenoxyd 6,1320         3,1600 

Thonerde 2,9765          1,6167 

Manganoxyduloxyd   ....  0,2117  0,2787 

Kali 0,0415  0,0563 

Natron 0,0182  0,0136 

14,2964  21,2205 
Kieselsäure,  löslich  in  kohlen- 
saurem Natron    ....  2,3700         1,3625 


—     215     — 

B.     Auszug  mit  heisser  Salzsäure. 

Thonmasse.  Ackererde. 

Kieselsäure  in  der  Lösung     .       0,0513  0,0553 

Schwefelsäure 0,0491  0,0711 

Phosphorsäure      .     .     .     .     .       0,1269  0,1567 

Kohlensaurer  Kalk  ....       5,0650  15,5370 

Kalk —  — 

Magnesia ,     .       0,3390  0,2090 

Eisenoxyd 8,8160  5,4267 

Thonerde 8,5583  3,9246 

Manganoxyduloxyd    ....       0,2933  0,3346 

Kali 0,4669  0,2380 

Natron 0,0320  0,0573 

23,7978  26,0103 
Kieselsäure,  löslich  in  kohlen- 
saurem Natron    ....       9,0343  5,8771 

Rückstand  geglüht   ....     47,1697  53,1496 

Glühverlust     ......     20,1723  15,9498 

100,1741  100,9868 

C.  Rückstand  von  B.  mit   Schwefelsäure  behandelt. 

Kalk 0,0350  0,0601 

Magnesia 0,0743  0,1440 

Eisenoxyd 1,2434  0,8353 

Thonerde 9,0983  7,8871 

Kali 0,2280  0,3279 

Natron 0,0940  0,0612 

10,7730  9,3156 
Kieselsäure,  löslich  in  kohlen- 
saurem Natron    .     .     .     ,     10,1975  8,8727 
Rückstand  geglüht  ....     26,4021  34,9093 

47,3726  53,0976 

D.  Rückstand  von  C.  mit  Flusssäure  aufgeschlossen, 

Kalk 0,7077  1,3623 

Magnesia 0,0523  0,0660 


—     216     — 

Thonmasse.       Ackererde. 

Thonerde 0,2378  0,9694 

Kali 0,2484  0,3662 

Natron 0,1268  0,2930 

Kieselsäure 25,0291  31,8524 

26,4021  34,9093 

In  Summa  der  einzelneu  Bestandtheile  erhält  man  hier- 
nach, wiederum  auf  Procente  der  lufttrocknen  Substanz  be- 
rechnet : 

Kieselsäure,  unlöslich*      .     .     25,0291  31,8524 

„          ,  löslich.     .     .     .     19,2831  14,8051 

Thonerde,  löslich      ....     17,6566  11,8117 

unlöslich*     .     .     .        0,2378  0,9694 

Eisenoxyd 10,0594  6,2620 

Manganoxyduloxyd   ....       0.2933  0,3346 

Kohlensaurer  Kalk   ....       5,0650  15,5370 

Kalk 0,7427  1,4224 

Magnesia 0,4656  0.4190 

Phosphorsäure 0,1269  0,1567 

Schwefelsäure 0,0491  0,0711 

Kali 0,9433  0,9321 

Natron 0,2528  0,4115 

Glühverlust 20,1723  15,9498 

100,3770  '100,9850 

Stickstoff 0,2349  0,3127 

Im  geglühten,  also  wasser-  und  humusfreien  Zustande  er- 
gab sich  als  procentige  Zusammensetzung  der  untersuchten 
Substanz : 

Kieselsäure 55,2489  54,9009 

Thonerde 22,3109  15,0393 

Eisenoxyd 12,5422  7,3684 

Manganoxyduloxyd.     .     .     .          0,3657  0,3937 

Kohlensaurer  Kalk      .     .     .          6,3151  18,2821 

*  Vgl.  S.  183,  Anmerkung. 


—     217 


Thonmasse.  Ackererde. 


Kalk  .  .  . 
Magnesia  .  . 
Phosphorsäure 
Schwefelsäure 
Kali  .  .  . 
Natron .     .     . 


Quarzsand .  . 
ßeiner  Thon  . 
Kalifeldspath  . 
Natronfeldspath 

Da   ferner   der  Gehalt  der 


0,9260 

1,6737 

0,5805 

0,4930 

0,1582 

0,1844 

0,0612 

0,0837 

1,1761 

1,0968 

0,3152 

0,4840 

100,0000  100,0000 

28,5926  33,9502 

46,0568  31,3194 

1,8368   2,5221 

1,3398   2,9247 

beiderlei  untersuchten  Materia- 


lien an  Kalk  und  namentlich  an  kolilensaurem  Kalk  sehr  ver- 
schieden ist,  so  ist  es  auch  von  Interesse  den  nach  Abzug  jener 
Stoffe  bleibenden  Kest  ebenfalls  auf  die  procentigen  Verhältnisse 
der  Bestandtheile  zu  berechnen  ;  man  gelangt  alsdann  zu  folgen- 
den Zahlen: 


Kieselsäure    .     .     . 

59,5619 

68,5787 

Thonerde  .... 

.        24,0526 

18,7961 

Eisenoxyd  .... 

13,5212 

9,2114 

Manganoxyduloxyd    . 

0,3942 

0,4913 

Magnesia  .... 

0,6258 

0,6152 

Phosphorsäure      .     . 

0,1706 

0,2301 

Schwefelsäure      .     . 

0,0660 

0,1044 

Kali 

1,2679 

1,3686 

Natron 

0,3398 

0,6042 

100,0000 

iöö^ööo 

Quarzsand  .... 

.        30,8249 

42,4143 

Reiner  Thon  .     .     . 

49,6521 

39,0463 

Kalifeldspath  .     .     . 

1,9802 

3,1509 

Natronfeldspath  .     . 

1,4444 

3,6538 

Thonmasse  und  Ackererde  sind  nach  den  obigen  Zusammen- 
stellungen Materialien,  die  im  Gehalt  an  Kieselsäure,  Thonerde 
und  Eisenoxyd,  also  überhaupt  an  sandigen  und  thonigen  Gemeng- 


—     218     — 

theilen  sich  wesentlich  verschieden  verhalten,  während  das  ur- 
sprüngliche Gestein  anscheinend  eine  ziemlich  gleichartige  Be- 
schaffenheit hat  und  daher  auch  wohl  in  allen  Schichten  des 
gebildeten  Kulturbodens  ein  entsprechend  gleichartiges  Ver- 
witterungsprodukt liefern  muss.  Betrachten  wir  zunächst  die 
sandigen,  also  die  mit  Flusssäure  aufgeschlossenen  Gemengtheile 
des  Bodens  für  sich  allein,  so  hat  die  Analyse  folgende  pro- 
centige  Zusammensetzung  derselben  ergeben : 


Thonmasse. 

Ackererde. 

Mittel. 

Kalk     .     .     . 

.     .         2,68 

Proc. 

3,90 

Proc. 

3,29  Proc. 

Magnesia  .     .     . 

0,20 

w 

0,19 

n 

0,20     „ 

Thonerde  .     . 

0,90 

» 

2,77 

5» 

1,83     „ 

Kali      .     .     . 

0,94 

n 

1,05 

w 

1,00     , 

Natron      .     .     . 

0,48 

» 

0,84 

11 

0,66     , 

Kieselsäure    .     . 

.       94,80 

» 

91,25 

n 

93,02     „ 

100,00      100,00     100,00 

Es  enthält  hier  wiederum,  ebenso  wie  bei  dem  Verwitte- 
rungsbodeu  des  oberen  Krebsscheeren  -  Kalksteins  beobachtet 
wurde,  die  sandige  Substanz  in  der  Thonmasse  beträchtlich  weniger 
Thonerde,  als  in  der  eigentlichen  Ackererde ;  es  muss  daher 
in  beiden  Fällen  bei  der  vorausgehenden  Behandlung  mit  Schwefel- 
säure die  letztere  auf  die  Thonmasse  eine  etwas  kräftigere  Ein- 
wirkung geäussert  haben  als  auf  die  Ackererde.  Auffallend  ist 
ferner  der  hier  gefundene  nicht  unbedeutende  Gehalt  an  Kalk; 
im  Uebrigen  ist  der  übereinstimmende  Charakter  in  der  Zusammen- 
setzung der  sandigen  Gemengtheile  bei  Thonmasse  und  Acker- 
erde nicht  zu  verkennen.  Der  reine  Thon,  wie  derselbe  auf 
chemischem  Wege,  theils  nach  Behandlung  der  Masse  mit  heisser 
Salzsäure,  theils  nach  der  darauf  folgenden  Einwirkung  der 
Schwefelsäure  ermittelt  wurde,  enthielt  an  Kieselsäure  und 
Thonerde : 

™,  Salzsäure-     Schwefelsäure-       ,^.     , 

a.  Thonmasse.  .  .  Mittel. 

Auszug.  Auszug. 

Thonerde 48,56  Proc.  47,10  Proc.  47,83  Proc. 

Kieselsäure      ....     51,44      „      52,90      „      52,17     „ 


J 


—     219     — 

,   ,         -  Salzsäure-     Schwefelsäure-      ,,.     , 

b.  Ackererde.  .  .  Mittel. 

Auszug.  Auszug. 

Thonerde 40,04  Proc.  47,06  Proc.  44,47  Proc. 

Kieselsäure      ....     59,96      „       52,94       ,      55,53     , 

Hiernach  ist  freilich  der  durch  heisse  Salzsäure  zersetzte 
Thon  in  der  Ackererde  gegenüber  den  anderen  hier  angegebenen 
Bestimmungen  an  Kieselsäure  reicher  gefunden  worden;  jedoch 
ist  darauf  wohl  nicht  viel  Gewicht  zu  legen,  da  es  in  dem  be- 
treffenden Falle  sich  um  eine  geringere  absolute  Menge  von 
Thon  handelt  und  es  überhaupt  schwierig  ist,  bei  derartigen 
Analysen  zu  ganz  genauen  Resultaten  zu  gelangen.  Obgleich 
also  die  direkte  Analyse  für  die  sandige  Substanz  einerseits  und 
den  reinen  Thon  andererseits  bei  Ackererde  und  Thonmasse  keine 
ganz  übereinstimmende  Zusammensetzung  ergeben  hat,  so  sind 
die  Differenzen  doch  nicht  von  der  Art,  dass  dadurch  der  nahe 
Zusammenhang  zwischen  den  beiderlei  Erdarten  unwahrscheinlich 
würde.  Vielmehr  wird  dieser  Zusammenhang  dadurch  bestätigt, 
dass  man  für  die  vorherrschenden  Bestandtheile  der  Ackererde 
auf  einfache  Weise  durch  Rechnung  aus  der  »Thonmasse*  fast 
genau  dieselben  procentigen  Mengenverhältnisse  ableiten  kann, 
wie  sie  durch  direkte  Analyse  gefunden  worden  sind.  Dies  ist 
nämlich  der  Fall,  wenn  man  35  Gewichtstheile  der  „sandigen 
Substanz"  nach  dem  Mittel  der  beiden  Analysen  und  100  Ge- 
wichtstheile der  Thonmasse  zusammenaddirt,  und  das  Ganze  wie- 
der auf  Procente  der  Bestandtheile  berechnet,  überall  nach  Abzug 
des  Glühverlustes,  sowie  des  Kalkes  und  kohlensauren  Kalkes: 

100  Th.         35  Th.  ,        I"  100  Th.  Acker- 

in _ 

Thon-  sandige         Summa        ^^'      ^       ^®" 

masse.        Substanz.  *  rechnet,   funden. 

Kieselsäure  .  .  59,561  -j-  32,557  —  92,118  68,236  68,579 
Thonerde  .  .  .  24,053  +  0,641  =  24,694  18,292  18,796 
Eisenoxyd   .     .     .  13,521  —    =    13,521  10,015     9,211 

Manganoxyduloxyd     0,394  —    =      0,394    0,292     0.491 

Magnesia   .     .     .     0,626+     0,070:=:=      0,696     0,516    0,615 
Kali      ....     1,268+    0,350=       1,618     1,199     1,369 
Natron  .     .     .     .     0,340 -f    0,231=       0,571     0,423     0,604 
99,763  +  33,849  =  133,612  98,973  99,665 


—     220      — 

Nach  vorstebenden  Zahlen  ist  die  Annahme  gewiss  gerecht- 
fertigt, dass  die  „Thonmasse"  nicht  sowohl  ein  direktes  Ver- 
witteruugsprodukt  des  anstehenden  Kalksteins,  sondern  vielmehr 
eine  aus  dem  gebildeten  Ackerboden  mechanisch 
ausgeschlämmte  Substanz  ist,  womit  auch  das  Vorkommen 
derselben,  sowie  der  weit  geringere  Gehalt  an  Gesteinsbröckeln 
und  kohlensaurem  Kalk  vollkommen  übereinstimmt.  Ferner  liefert 
die  Rechnung  zwar  für  Kieselsäure  und  Thonerde  völlig  dieselben 
Eesultate  wie  die  direkte  Analyse,  dagegen  für  das  Eisenoxyd 
einen  etwas  höheren  und  für  die  Alkalien  einen  etwas  niedrigeren 
Gehalt;  ausserdem  ist  die  gefundene  Menge  der  Phosphorsäure 
und  der  Schwefelsäure  in  der  Ackererde  ein  wenig  grösser  als 
in  der  Thonmasse.  Alle  diese  kleinen  Differenzen  sind  leicht 
erklärlich,  wenn  mau  annimmt,  dass  die  Thonmasse  durch  Aus- 
schlämmen aus  dem  Ackerboden  und  zwar  aus  den  unteren 
Schichten  desselben  abgeschieden  worden  ist  und  in  kleineren 
Partien  von  oben  her  in  den  Spalten  und  an  den  Absonderungs- 
flächen des  Gesteins  sich  angesammelt  hat. 

Der  Verwitterungsboden  des  Marmorkalkes  ist  ziemlich  reich 
an  Eisenoxyd  und  daher,  wie  schon  erwähnt,  von  tief  roth- 
brauner Farbe,  in  der  eigentlichen  Ackererde  durch  Beimischung 
von  Humussubstanz  etwas  dunkler  als  in  der  Thonmasse.  Das 
Eisenoxyd  ist  als  solches  isolirt,  nicht  etwa  in  Verbindung  mit 
Kieselsäure  vorhanden,  wie  aus  dem  Verhalten  der  letzteren  und 
der  Thonerde  gegen  die  verschiedenen  Lösungsmittel  deutlich 
sich  ergiebt.  Von  der  Gesammtmenge  des  Eisenoxyd  wurde  durch 
Schütteln  mit  kalter  Salzsäure  in  der  Ackererde  50,5  und  in 
der  Thonmasse  61,0  Proc.  gelöst,  im  ersteren  Falle  also  ver- 
hältnissmässig  weniger  als  in  dem  letzteren,  was  jedenfalls  mit 
der  geringeren  absoluten  Menge  von  Eisenoxyd  und  wohl  auch 
mit  dem  grösseren  Hurausgehalt  der  Ackererde  im  Zusammen- 
hange steht.  Das  Mangan  war  etwas  reichlicher  vorhanden  als 
in  dem  Verwitterungsboden  der  unteren  thouigen  Schichten,  aber 
kaum  so  reichlich,  wie  in  dem  Boden  der  oberen  Schichten  des 
Krebsscheerenkalkes. 

Der  Boden  des  Marmorkalkes  enthielt  ferner  viel  Stickstoff 


—     221     — 

chemisch  gebunden  und  auch  die  Menge  der  Phosphor  säure 
war  eine  ziemlich  beträchtliche.  An  Phosphorsäure  nämlich  fand 
man  in  Procenten  der  lufttrocknen  Substanz: 

Löslich  in  Thonmasse.  Ackererde, 

kalter  Salzsäure   a      .     0,1090  Proc.     0,1135  Proc. 

b  -  0,1170     . 

Mittel     0,1090  Proc.     0,1153  Proc. 
heisser  Salzsäure  a     .     0,1248      „         0,1567     , 
b     .     0,1291      ^  — 

Mittel  0,1269  Proc.  0,1567  Proc. 
Bei  der  Thonmasse  betrug  also  die  in  kalter  Salzsäure  lös- 
liche Phosphorsäure  85,9  Proc.  der  Gesammtmenge,  bei  der 
Ackererde  nur  73,6  Proc.  Das  gegenseitige  Lösungsverhältniss 
ist  ein  ähnliches,  wie  bei  dem  Eisenoxyd,  jedoch  in  Procenten 
der  Gesammtmenge  für  das  letztere  ein  niedrigeres,  als  für  die 
Phosphorsäure. 

Ueber  die  Löslichkeit  des  Kali  und  dessen  Verhältuiss  zur 
Thonerde  geben  die  folgenden  Zahlen  Auskunft.  Es  betrug  die 
Menge   des    Kali    in  Procenten    der   ursprünglichen  lufttrocknen 

Substanz : 

Thonmasse.    Ackererde. 

1.  Löslich  in  kalter  Salzsäure    .     0,0415         0,0563 

2.  „         „    heisser       „  .     0,4254         0,1817 

3.  ,        „    Schwefelsäure    .     .     0,2280         0,3279 

4.  „         „    Flusssäure    .     .     .     0,2484  0,3662 

0,9433  0,9321 

In  Procenten  der  Gesammtmenge  des  Kali  waren  auflöslich  in 

1.  kalter  Salzsäure 4,40  6,04 

2.  heisser       ,  45,10  19,50 

3.  Schwefelsäure 24,17  35,18 

4.  Flusssäure 26,33  39,28 

100,00  100,00 

1  in  Procenten  von   1  +  2    ...     .           8,9  23,7 

1    „          «            ,      1  +  2  +  3  ...            6,0  10,0 

1+2  in  Procenten  von  l-j-2+3 .     .         67,2  42,1 

1  +  2  +  3  in  Procenten  von  1  +  2  +  3  +  4      73,3  60,7 


~     222     — . 

Das  Verhältniss  von  Kali  zur  Thonerde  war  im 

Salzsäure- Auszug 1  :  18,33     1  :  16,49 

Schwefelsäure-Auszug  ....  1  :  39,88  1  :  24,06 
Im  Ganzen  1  :  25,41  1  :  20,87 
Bei  dem  sehr  verschiedenen  Gehalt  der  Thonmasse  und  der 
Acliererde  an  reinem  Thon  und  an  sandigen  Gemengtheilen  musste 
auch  die  Löslichkeit  des  Kali  in  den  beiderlei  Materialien  we- 
sentlich differiren.  Mau  sieht  jedoch,  dass  durch  kalte  Salzsäure 
aus  der  Ackererde  absolut  und  relativ  mehr  an  Kali  extrahirt 
worden  ist  als  aus  der  Thonmasse  und  dass  die  betreffenden 
Verhältnisse  hier  ganz  ähnliche  sind,  wie  sie  bei  der  Ackererde 
und  Thonmasse  aus  den  oberen  Schichten  des  Krebsscheeren- 
Kalksteius  beobachtet  wurden.  Auffallend  ist  das  weite  Verhält- 
niss zwischen  Kali  und  Thonerde,  ganz  besonders  im  Schwefel- 
säure-Auszug; man  wird  wohl  daraus  entnehmen  können,  dass 
das  Kali  im  Verwitterungsboden  des  Marmorkalkes  überhaupt 
schwer  löslich  und  also  auch  den  Pflanzen  entsprechend  schwer 
zugänglich  ist.  Man  bemerkt,  dass  die  Thonmasse  in  dieser 
Hinsicht  die  Ackererde  übertrifft,  ganz  ebenso  wie  dieses,  nur 
in  einem  noch  höheren  Grade  bei  dem  Verwitterungsboden  des 
oberen  Krebsscheeren-Kalksteins  stattfindet.  Das  Verhältniss  von 
Kali  und  Natron  ist  in  den  beiderlei  hier  untersuchten  Materialien 
ein  ziemlich  wechselndes  und  befindet  sich  zunächst  bei  der 
Ackererde  nicht  ganz  im  Einklänge  mit  den  Ergebnissen  anderer 
Bodenanalysen.  Was  endlich  den  Gehalt  an  kohlensaurem  Kalk 
betrifft,  so  ist  der  Boden  des  Marmorkalkes  immer  noch  als 
ziemlich  kalkreich  zu  bezeichnen,  während  die  Menge  der  Magnesia 
eine  geringe  ist  und  davon  höchstens  die  Hälfte  in  kalter  Salz- 
säure sich  auflöst,  also  in  einem  leichtlöslichen  Zustande  sich 
befindet.  Ein  gleiches  Verhalten  der  Magnesia  wurde  bezüglich 
der  beiden  Verwitterungsböden  des  Krebsscheerenkalkes  beobachtet. 


Im  Folgenden  stelle  ich  noch  die  analytischen  Resultate 
zusammen,  welche  bei  der  Untersuchung  der  in  dieser  Abhand- 
lung erwähnten  erdigen  Materialien  nach  der  Knop'schen  Methode 


—     223 


der  Bodeiiaualyse  erzielt  worden  sind.  Zur  m  eclianischeu 
Analyse  wurde  die  Substanz  benutzt,  welche  im  lufttrocknen  Zu- 
stande durch  ein  Blechsieb  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern 
hindurchgeschüttelt  und  auf  diese  Weise  von  den  beigemischten 
gröberen  Steinchen  und  Gesteinssplittern  befreit  war.  Bei  An- 
wendung der  feineren  Siebe  wurde  die  Trennung  der  Gemeng- 
theile  mit  Hülfe  des  Wassers  bewirkt,  der  »Feinsand"  ferner  im 
Knop'schen  Schlämmcylinder,  wie  vorgeschrieben  ist,  abgeschieden 
und  endlich  der  „Staub"  des  Bodens  aus  dem  Gewichtsverlust, 
also  durch  eine  Differenz-Rechnung  ermittelt.  Zu  diesen  Unter- 
suchungen dienten  jedesmal  30  Grm.  der  lufttrocknen  Substanz, 
während  die  einzelnen,  nach  der  Feinheit  des  Kornes  von  einander 
getrennten  Portionen  bei  100^  C.  getrocknet  und  die  Mengen 
derselben  auch  in  Procenten  des  bei  dieser  Temperatur  getrock- 
neten Bodens  berechnet  wurden.  Hierbei  fand  man: 
Krebsscheeren-Kalk. 

Untere  Schicht.      Obere  Schicht.        Marmorkalk. 


Rückstand 

Unter- 

Acker- 

Thon- 

Acker- 

Thon- 

Acker- 

auf 

grund. 

erde. 

masse. 

erde. 

masse. 

erde. 

2  Mm  =  Sieb 

.    3,26 

4,04 

— 

0,85 

0,53 

2,53 

0,8  Mm  =  Sieb 

.  10,47 

18,17 

2,69 

3,31 

2,18 

7,66 

0,3  Mm  =  Sieb 

.    3,96 

8,19 

4,70 

20,75 

3,66 

4,06 

Feinsand  .    .    . 

.  28,25 

36,77 

28,88 

26,69 

16,90 

34,99 

Staub  .... 

.  54,06 

32,83 

63,73 

48,40 

76,73 

50,76 

Die  Menge  des  Feinsandes  und  namentlich  des  Staubes  ist 
im  Allgemeinen  eine  um  so  grössere,  je  mehr  auch  die  chemische 
Analyse  an  reinem  Thon  in  dem  betreffenden  Boden  nachgewiesen 
hat.  Die  chemische  Untersuchung  nach  Knop'scher  Methode 
bezieht  sich  auf  die  staubartige  Feinerde,  welche  im  lufttrocknen 
Zustande  mittelst  des  feinsten  Siebes  aus  den  verschiedenen 
Materialien  sich  gewinnen  Hess.  Es  war  also  diese  Masse  von 
etwas  anderer  Beschaffenheit,  als  die  unter  Anwendung  eines 
weit  gröberen  (3  Mm  =)  Siebes  erhaltene  Substanz,  welche  der 
ausführlichen  chemischen  Analyse  unterworfen  wurde.  Das  in 
der  folgenden  Zusammenstellung  aufgeführte  hygroskopische 
Wasser  ist  durch  Trocknen   des  Bodens  bei    100  ^  C.   ermittelt, 


—      224     — 

die  Menge  der  Humussubstanz  aus  dem  direkt  (mittelst  der 
Chromsäure-Methode)  bestimmten,  in  organischer  Verbindung  vor- 
handenen Kohlenstoff  bereclmet,  unter  Annahme  von  58  Proc» 
Kohlenstoff  im  Humus. 

Krebsscheeren-Kalk. 


Untere 

Schicht. 

Obere  Schiebt. 

Marniorkalk. 

^  - 

-  -    - 

-^  ,    -■  ■> 

'^— — — * 

Unter- 

Acker- 

Thon- 

Acker- 

Thou- 

Acker- 

grund. 

erde. 

masse. 

erde. 

masse. 

erde. 

Hygroskop.  Wasser 

.     3,88 

2,43 

4,42 

1,42 

4,30 

3,05 

Festergebund.   ,, 

9,77 

7,37 

7,01 

5,14 

12,77 

11,93 

Humussubstanz     .    , 

1,23 

2,17 

0,56 

1,39 

1,26 

1,07 

Glühverlust .    .    . 

14,88 

11,97 

11,99 

7,95 

18,33 

16,06 

Feinboden    .     .     . 

85,12 

88,03 

88,01 

92,05 

81,67 

83,94 

In  100  Theiler 

i  Feinboden: 

Kohlensaurer  Kalk  , 

,  34,01 

55,23 

1,12 

2,01 

9,51 

14,20 

Gesammt-Kieselsäure 

>  45,95 

33,71 

68,50 

81,65 

47,58 

61,27 

Sesquioxyde     .     .     . 

14,66 

8,60 

24,79 

15,29 

35,91 

23,46 

Monoxyde    .... 

5,38 

2,46 

5,59 

1,05 

7,00 

1,07 

Kieselsäure  U.Silikate  65,99 

44,77 

98,88 

97,99 

90,49 

85,80 

Kieselsäure-Thon 

57,64 

42,86 

81,12 

94,25 

77.14 

77,60 

Aufgeschl.  Basen 

,     8,35 

1,91 

17,76 

3,74 

13,35 

8,20 

Absorption  .... 

.      109 

66 

122 

58 

129 

99 

Da  die  Summe  der  Monoxyde  und  der  aufgeschlosseneu 
Basen  durch  Differenz-Rechnung  gefunden  wird,  so  kann  man 
hinsichtlich  der  betreffenden  Zahlen  kaum  eine  grosse  Genauigkeit 
erwarten;  auch  hat  in  einigen  Fällen  die  Summe  der  Monoxyde 
offenbar  zu  hoch  sich  ergeben,  obgleich  darunter  ausser  den  Al- 
kalien und  den  nicht  schon  durch  Behandlung  des  Bodens  mit 
verdünnter  Salzsäure  aufgelösten  alkalischen  Erden,  auch  noch 
etwas  Mangan  nebst  der  vorhandenen  Schwefelsäure  mit  einbe- 
griffen ist.  Einige  der  betreffenden  Zahlen  lassen  sich  auch  den 
Ergebnissen  der  ausführlicheren  chemische«  Analysen  entnehmen 
wie  in  der  folgenden  Zusammenstellung  geschehen  ist;  jedoch 
ist  daran  zu  erinnern,  dass  die  von  jedem  Boden  untersuchte 
Substanz  nicht  in  beiden  Fällen  durchaus  die  gleiche  war,  und 
dass  also  schon  aus  diesem  Grunde  mehr  oder  weniger  bedeutende 
Differenzen  vorhanden  sein  müssen. 


225 


Krebsscheeren-Kalk. 

Untere  Schicht.  Obere  Schicht.  Marmorkalk. 

Unter-    Acker-  Thon-  Acker-  Thon-  Acker- 
grund,    erde,  masse.  erde,  masse,  erde. 
Olühverlust      .     .     .  14,06       12,06  13,98  8,70  20,17  15,95 
Feinboden    ....  85,94      87,94  86,02  91,30  79,83  84,05 

In  100  Theilen  Feinboden: 

Kohlensaurer  Kalk  .  31,99       60,14  1,45  2,57  6,32  18,28 

KohlensaureMagnesia*  0,44         0,79  0,20  0,25  0,53  0,53 


Summe  der  Carbonate  32,43 

60,93 

1,65 

2,82 

6,85 

18,81 

Gesammt-Kieselsäure  46,39 

28,59 

68,27 

80,81 

55,25 

54,90 

Thonerde    ....  15,60 

7,66 

20,35 

10,54 

22,31 

15,04 

Eisenoxyd   ....    2,89 

1,30 

6,82 

2,60 

12,54 

7,37 

Monoxyde    ....     2,69 

1,52 

2,91 

3,23 

3,05 

3,88 

Kieselsäure  U.Silikate  67,57       39,07      98,35      97,18      93,15      81,19 

Wenn  man  die  weiter  oben  aufgeführten  Absorptionszahlen 
mit  den  Ergebnissen  der  chemischen  Analyse  vergleicht,  so  findet 
man,  dass  die  ersteren  gewöhnlich  um  so  grösser  sind,  je  reich- 
lichere Mengen  von  Sesquioxyden  nachgewiesen  wurden.  Ebenso 
scheint  die  Absorptionsfähigkeit  des  Bodens  mit  der  Menge  der 
„aufgeschlossenen  Basen"  in  einem  bestimmten  Zusammenhang 
zu  stehen;  wenn  man  nämlich  je  zwei  der  untersuchten  Mate- 
rialien zusammenfasst,  so  hat  man  einerseits  die  Zahlen  1,91 — 3,74, 
ferner  8,20  —  8,35  und  13,35  —  17,76,  andererseits  58—66, 
ferner  99 — 109  und  122 — 129.  Natürlich  kann  dieses  gegen- 
seitige Verhältniss  niemals  genau  zutreffen,  da  sehr  verschiedene 
Ursachen  auf  die  Gestaltung  der  Absorptionszahlen  einwirken, 
z.  B.  ausser  dem  ganzen  Verwitterungszustand  des  Bodens,  die 
Menge  und  Beschaffenheit  der  Humussubstanz,  der  Gehalt  an 
Thon  und  Eisenoxyd  etc.  Im  vorliegenden  Falle  sind  die  be- 
treffenden Zahlen  verhältnissmässig  hoch  und  wenn  man  nach  der 
Höhe  derselben  die  Güte  und  Fruchtbarkeit  des  Kulturbodens 
beurtheilen  will,  so  muss  man  dem  Ackerlande   im  Gebiete    des 


■"'  Als  kohlensaure  Magnesia  wurde  diejenige  Magnesia  berechnet, 
welche  neben  dem  kohlensauren  Kalk  schon  durch  Behandlung  des 
Bodens  mit  kalter  Salzsäure  gelöst  wurde. 

Wiirttemb.  naturw.  Jalireshefte.     1878.  15 


—     226     — 

Marmorkalkes  entschieden    den  Vorzug  geben  vor  den  Verwitte- 
rungsböden des  Krebsscheeren-Kalksteins. 


Es  wird  beabsichtigt,  vollständige  Gesteins-  und  Boden- 
analysen noch  von  dem  Posidonienschiefer,  dem  braunen  Jura- 
Sandstein  und  dem  Calamiten-Sandstein  auszuführen  und  damit 
die  ganze  Reihe  der  Untersuchungen  zu  einem  vorläufigen  Ab- 
schluss  zu  bringen.  Da  also  ein  weiteres  Kalksteingebilde  vor- 
aussichtlich meinerseits  nicht  mehr  Gegenstand  einer  näheren 
chemischen  Prüfung  sein  wird,  so  möchte  es  einiges  Interesse 
gewähren ,  die  bisher  untersuchten  fünf  verschiedeneu 
Kalksteinformationen  hinsichtlich  des  in  ihrem  Gebiete 
vorkommenden  und  ihnen  eigenthümlichen  Kulturbodens  einer 
vergleichenden  Betrachtung  zu  unterwerfen.  Ich  werde  mich  für 
jetzt  darauf  beschränken,  ausschliesslich  vom  agrikulturchemischen 
Standpunkte  aus  diese  Betrachtung  anzustellen,  nämlich  nur  den 
gleichsam  fertigen  Verwitterungsboden  nach  seiner  che- 
mischen Beschaffenheit,  nicht  aber  nach  seinem  Ursprung  und  in 
seiner  allmähligen  Heranbildung  ins  Auge  fassen.  Die  mehr- 
fach auch  in  geognostischer  Hinsicht  interessanten  Ergebnisse  der 
Untersuchungen  über  den  Gehalt  der  ursprünglichen  Gesteine, 
über  die  Art  und  Weise  ihres  Zerfalles  und  über  die  chemischen 
Veränderungen,  welche  sie  dabei  erleiden,  also  über  die  Be- 
schaffenheit der  einzelnen  Verwitterungsstufen  und  über  die  da- 
durch bedingten  Eigenthümlichkeiten  des  jedesmal  gebildeten 
Kulturbodens,  —  alles  dieses  werde  ich  übersichtlich  erörtern, 
wenn  erst  am  Schluss  der  ganzen  Arbeit  ausser  den  Kalkstein- 
formationen auch  allerlei  Sandstein-  und  Schiefergebilde  in  der 
angedeuteten  Richtung  mit  einander   verglichen   werden   können. 

Ueber  die  einzelnen  Verwitterungsböden,  deren  procentige 
Zusammensetzung  unten  angegeben  ist,  bemerke  ich  zunächst 
Folgendes : 

1.  Ein  Verwitterungsprodukt  des  oberen  dolomitischen 
Hauptmuschelkalkes  vom  Hühnerfeld  bei  Schwieberdingen, 
bezeichnet  als  „Untergrund  des  Fruchtbodens,   beim  Ausbiss  der 


—     227      — 

Schichten  aufgenommen",  —  besteht  zur  Hälfte  etwa  aus  einem 
feinen  Pulver  und  zur  Hälfte  aus  kleineren  und  grösseren,  sehr 
mürben  und  leicht  zu  zerreibenden  Gesteinsbröckeln.  Steine  und 
Pulver  hatten  gleiche  Zusammensetzung  und  wurden  daher  als 
Ganzes  behandelt  und  untersucht.  Die  Masse  bildete  den  Unter- 
grund des  Kulturbodens,  jedoch  wird  die  oberste  Schicht  des 
letzteren,  die  eigentliche  Ackererde,  eine  ganz  ähnliche  Beschaffen- 
heit gehabt  haben,  vielleicht  nur  etwas  ärmer  an  kohlensauren 
Erden  gewesen  sein. 

2.  Kulturboden  des  grobsandigen  Liaskalksteins  von 
Ellwangen.  Nach  Beseitigung  der  gröberen  Steine  und  Steinchen 
wurde,  ebenso  wie  bei  allen  folgenden  Bodenarten,  das  durch  ein 
Sieb  mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  hindurchgegangene  Pulver 
der  chemischen  Analyse  unterworfen.  Bei  der  letzteren  haben 
für  Ackererde  und  Untergrund  fast  ganz  gleiche  Mengenverhält- 
nisse der  Bestandtheile  sich  ergeben;  das  hier  berechnete  Mittel 
der  beiderlei  Analysen  entspricht  der  durchschnittlichen  Zusammen- 
setzung des  Bodens. 

3.  Bei  der  Verwitterung  der  untere  n  thonigen  Schich- 
ten des  Kreb  ssche  e  ren-K  alk  Steins  ist  ein  Boden  ent- 
standen, welcher  in  der  eigentlichen  Ackerkrume  reicher  ist  an 
kohlensaurem  Kalk,  ebenso  verhältnissmässig  an  Phosphorsäure 
und  Schwefelsäure,  als  im  Untergrund,  übrigens  noch  stark  ge- 
mischt ist  mit  Trümmern  des  anstehenden  Gesteins.  Ich  habe 
hier  ebenfalls  aus  den  Analysen  der  beiderlei  erdigen  Materialien 
die  mittlere  Zusammensetzung  des  Bodens  berechnet. 

4.  Die  oberen  Feuerstein  führenden  Schichten 
des  Krebsscheerenkalkes  liefern  einen  flachgründigen 
steinigten  Boden,  dessen  Zusammensetzung  nur  aus  der  Analyse 
der  Ackererde  hat  entnommen  werden  können,  da  die  sogenannte 
Thonmasse  nicht  etwa  als  Untergrund  des  betreffenden  Acker- 
landes anzusehen  ist,  sondern  wahrscheinlich  durch  nachträgliches 
Ausschlämmen  aus  dem  Verwitterungsboden  in  kleineren  Partien 
an  hierzu  geeigneten  Stellen  sich  angesammelt  hat.  In  einem 
ganz  ähnlichen  Verhältniss  stehen  die 

5.  im  Gebiete  der  Marmor  kalke  vorkommenden  erdigen 

15* 


228     — 


Materialien  zu  einander,    die    , 
Auch  liier  ist  nur  die  letztere 
Kulturlandes  anzusehen. 

Die  Menge  der  einzelnen 
des  völlig  lufttrocknen  Bodens 

Muschel- 
kalk. 
Kieselsäure .     .     •     .24,695 
Thonerde     .     .     • 
Eisenoxyd   .     .     • 
Manganoxyduloxyd 
Kohlensaurer  Kalk 


7,715 

2,149 

? 

35,200 


Kohlensaure  Magnesia    22,767 


Kalk  .  .  . 
Magnesia  , 
Phosphorsäure 
Schwefelsäure 
Kali  .  .  . 
Natron  .  . 
Glühverlust 


Reiner  Thon  . 
Quarzsand  .  . 
Kalifeldspath  . 
Natronfeldspath 


0,159 

0,359 

0,419 

0,033 

2,820 

0,124 

2,662 

99,101 

16,165 

8,049 

9,026 

^,402^ 

33,642 


,Thonmasse*'    und    die    Ackererde, 
als  Repräsentant  des  eigentlichen 

Bestandtheile  betrug  in  Procenten 

Lias-    Krebsscheerenkalk.  Marmor- 
kalk. Untere  Seh.  Obere  Seh.  kalk. 
66,471     32,793  72,893    46,657 
10,160    9,504 
1,826    2,354 
0,159     0,447 
40,594     2,319 
0,615     0,250 
0,026    0,202 
0,314    0,218 
0,177     0,088 
0,085    0,018 
1,109     1,149 
0,251     0,905 


8,517 
8,785 
0,710 
4,438 
0,382 

0,127 

0,381 

0,474 

0,054 

1,381 

0,292 

8,317 

1Ö0,329ML0M66T9,051  101,254 

19,084     24,093  17,763     26,632 

51,453     16,595  55.291     28,869 

3,541       1,731     3,862       2,145 

1,598       0,937     6,958       2,487 


13,057     8,704 


12,781 
6,262 
0,335 
15,537 
0,530 
1,422 
0,208 
0,157 
0,071 
0,932 
0,412 
15,950 


75^676"  43,356  83,874    60,133 

Wenn  man  überall  den  Glühverlust,  also  Wasser  und  Humus- 
substanz, und  ausserdem  die  kohlensauren  Erden  in  Abzug  bringt, 
den  Rest  aber  wiederum  auf  Procente  berechnet,  so  erhalt  man 
noch  eine  bessere  Uebersicht  über  die  gegenseitigen  Mengen- 
verhältnisse der  betreffenden  Bestandtheile.  Erst  wenn  die  kohlen- 
sauren Erden  fast  vollständig  ausgewaschen  sind,  kommt  der  Vei- 
witterungsboden  der  Kalksteine  gewissermassen  ins  Gleichgewicht, 
oder  die  weiteren  Veränderungen  sind  doch  nur  sehr  langsame 
und  verhältnissmässig  unbedeutende.    Auch  kann  man  annehmen, 


229     — 


dass  wenn  das  ursprüngliche  Gestein  zu  Pulver  zerfallen  ist  und 
der  gebildete  Boden  eine  zur  Kultur  geeignete  Beschaffenheit 
angenommen  hat,  dass  dann  bei  dem  weiteren  Auswaschen  der 
kohlensauren  Erden  von  den  übrigen  Bestandtheilen  nur  wenig 
entfernt  wird,  diese  vielmehr  nach  und  nach  in  ihren  procentigen 
Mengenverhältnissen  entsprechend  zunehmen.  Die  erwähnte  Rech- 
nung liefert  die  folgenden  Zahlen: 


Muschel- 

Lias- 

Krebsscheerenkalk. 

Marmor- 

kalk. 

kalk.   Untere  Seh.  Obere  Seh 

kalk. 

Kieselsäure .     .     . 

64,190 

76,222 

69,979 

83,041 

68,579 

Thonerde     .     .     . 

20,052 

9,764 

21,086 

10,826 

18,796 

Eisenoxyd    .     .     . 

5,585 

10,082 

3,753 

2,682 

9,212 

Manganoxyduloxyd 

? 

0,817 

0,364 

0,509 

0,491 

Kalk 

0,412 

0,145 

0,044 

0,230 

— 

Magnesia     .     .     . 

0,932 

0,443 

1,236 

0,248 

0,615 

Phosphorsäure  .     . 

1,089 

0,544 

0,425 

0,103 

0,230 

Schwefelsäure  .     . 

0,086 

0,061 

0,202 

0,021 

0,104 

Kali 

7,331 

1,588 

2,362 

1,309 

1,369 

Natron   .     .     .     . 

0,323 

0,334 

0,549 

1,031 

0,604 

100,000  100,000  100,000  100,000  100,000 

Reiner  Thon    .     . 

42,019 

21,993 

49,662 

20,236 

49,046 

Quarzsand   .     .     . 

20,922 

59,019 

36,312 

62,990 

42,414 

Kalifeldspath    .     . 

23,462 

4,054 

3,824 

4,400 

3,151 

Natronfeldspath     . 

1,045 

1,832 

2,141 

7,927 

3,654 

87,448  86,898  91,939  95,553  88,265 

Aus  der  letzten  Zusammenstellung  ersieht  man  besonders 
deutlich,  dass  die  Verwitterungböden  des  dolomitischen  Muschel- 
kalkes, des  unteren  Krebsscheeren-Kalksteins  und  des  Marmor- 
kalkes im  Verhältniss  zu  der  Menge  der  sandigen  Beimischungen 
sehr  reich  an  thoniger  Substanz  sind,  und  dass  sie  in  der 
That  eine  zähe  Beschaffenheit  haben  würden,  wenn  diese  Eigen- 
schaft nicht  durch  den  grossen  Gehalt  an  kohlensauren  Erden, 
theils  im  fein  zertheilten  Zustande ,  theils  als  Kalksand  oder  in 
der  Form  von  grösseren  und  kleineren  Gesteinstrümmern  be- 
deutend  gemässigt    wäre.      Dies  ist   vorzugsweise    der   Fall    bei 


—     230     — 

dem  Boden  des  Muschelkalkes  und  des  unteren  Krebsscheeren- 
kalkes,  in  geringerem  Grade  bei  dem  Boden  des  Marmorkalkes ; 
der  letztere  ist  daher  auch  in  seinem  natürlichen  Zustande  der 
„schwerste"  von  den  hier  betrachteten  Bodenarten,  aber  keines- 
wegs so  schwer,  dass  dadurch  dessen  Benutzung  als  Ackerland 
wesentlich  beeinträchtigt  wäre.  Vielmehr  ist  die  Beimischung 
von  etwa  15  Proc.  an  kohlensaurem  Kalk  schon  genügend,  um 
die  physikalische  Beschaffenheit  dieses  Bodens  im  Allgemeinen 
günstig  zu  gestalten,  wozu  noch  hinzu  kommt,  dass  die  Menge 
der  sandigen  Bestandtheile  gegenüber  der  thonigen  Substanz 
doch  etwas  mehr  vorherrscht,  als  bei  den  beiden  anderen,  soeben 
erwähnten  Bodenarten.  Ob  der  besonders  reichliche  G-ehalt  an 
Eisen  im  vollständig  oxydirten  Zustande  ebenfalls  zur  Verbesserung 
der  physikalischen  Beschaffenheit  beiträgt,  d.  h.  die  Zähigkeit  des 
Thones  vermindert,  lässt  sich  vorläufig  nicht  mit  Bestimmtheit 
entscheiden;  das  Eisen  bedingt  hier  eine  dunkle  eigenthümlich 
rothbraune  Farbe  des  betreffenden  Bodens,  womit  eine  um  so 
leichtere  Erwärmung  desselben  im  Zusammenhange  stehen  mag. 
Der  Boden  des  unteren  Krebsscheerenkalkes  ist  noch  sehr 
reich  an  grösseren  und  kleineren  Gesteinsstückchen,  welche  zwar 
nach  und  nach  zu  Pulver  zerfallen,  aber  doch  vorläufig  neben 
dem  grossen  Gehalt  an  fein  zertheiltem  kohlensaurem  Kalk  zur 
Auflockerung  des  Bodens  beitragen,  so  dass  von  einer  zu  zähen 
Beschaffenheit  desselben  in  keiner  Weise  die  Rede  sein  kann. 
Dasselbe  gilt  für  das  untersuchte  Verwitterungsprodukt  des 
Muschelkalkes,  obgleich  hier  die  vorhandenen  Steinchen  sehr 
mürbe  sind  und  daher  leicht  zerfallen ;  auch  bildet  die  betreffende 
Masse  den  Untergrund  des  Kulturbodens  und  es  ist  anzunehmen, 
dass  die  oberste  Schicht,  die  eigentliche  Ackerkrume  in  einem 
schon  mehr  fein  pulverigen  Zustande  sich  befindet  und  aus  der- 
selben die  kohlensauren  Erden  bereits  in  höherem  Grade  auf- 
gelöst und  ausgelaugt  worden  sind.  Jedoch  wird  jedenfalls  in 
Folge  der  Beschaffenheit  des  ursprünglichen  Gesteins  und  der 
dadurch  bedingten  Art  und  Weise  seiner  Verwitterung  auch  in 
der  Ackerkrume  noch  so  viel  Kalk  und  Magnesia  zurückgeblieben 
sein,    dass    dieselbe    in    einem  für    die  Kultur   geeigneten,   hin- 


—     231      - 

reichend  lockeren  Zustande  sich  befinden  muss.  Hierzu  kommt 
noch,  dass  die  thonige  Substanz  anscheinend  ungewöhnlich  reich 
■war  an  Kieselsäure  (s.  unten)  oder  dass  ein  Theil  der  letzteren 
im  fein  zertheilten  und  in  kohlensaurem  Natron  auf  löslichen  Zu- 
stande sich  befand  und  daher  vielleicht  als  mechanische  Bei- 
mischung die  etwaige  Zähigkeit  des  Thones  verminderte.  Der 
Boden  des  Muschelkalkes  enthielt  nach  vorliegender  Analyse 
noch  viel  kohlensaure  Magnesia;  ich  glaube  aber  nicht,  dass 
dies  uachtheilig  gewirkt  hat  für  die  Fruchtbarkeit  und  Ertrags- 
fähigkeit des  betreuenden  Bodens,  da  etwas  derartiges  höchstens 
beobachtet  wird,  wenn  es  an  Kalk  fehlt,  nicht  aber  wenn,  wie 
im  vorliegenden  Falle,  gleichzeitig  eine  reichliche  Menge  von 
kohlensaurem  Kalk  vorhanden  ist. 

Von  den  oben  erwähnten  5  Verwitterungsböden  sind  zwei, 
nämlich  der  Boden  des  oberen  Krebsscheerenkalkes  und  der  des 
grobsandigen  Liaskalksteins  von  Ellwangen,  übereinstimmend  reich 
an  kieseligen  Beimischungen  und  arm  an  kohlensaurem  Kalk, 
daher  gleichsam  als  Endprodukte  der  Verwitterung  anzusehen,  an 
welchen  die  Atmosphärilien  in  ihrer  weiteren  Einwirkung  nur 
wenig  mehr  zu  ändern  vermögen.  Gleichwohl  sind  die  beiden 
Bodenarten  in  mechanischer  und  chemischer  Hinsicht  verschieden 
und  sehr  ungleich  in  ihrem  Verhalten  als  Kulturland.  Der 
Boden  des  Lias-  oder  Gryphiten  -  Kalksteins  ist  ausgezeichnet 
durch  hohe  natürliche  Fruchtbarkeit  und  hierbei  scheint  der 
günstige  physikalische  Zustand  eine  wichtige  Rolle  zu  spielen; 
es  ist  nämlich  ein  offenbar  glückliches  Verhältniss  zwischen  den 
feinerdigen  und  den  etwas  gröberen  Gemengtheilen  vorhanden. 
Die  letzteren  sind  vorherrschend  mehr  oder  weniger  abgerundete 
Quarzkörner,  welche  den  Boden  fortwährend  in  einem  hinreichend 
lockeren  Zustande  erhalten ,  so  dass  derselbe  fast  bei  jeder 
Witterung  ohne  Schwierigkeit  und  mit  gutem  Erfolge  bestellt 
werden  kann,  ohne  damit  irgendwie  extreme  Verhältnisse  in  den 
physikalischen  Eigenschaften  herbeizuführen.  Durch  Absieben 
der  feineren  Masse  von  den  gröberen  Sandkörnern  (1  Mm.-Sieb) 
und  durch  Schlämmen  der  ersteren  im  Nöbel'schen  Apparat  ge- 
langte man  zu  den  folgenden  Zahlen : 


—     232     — 


Eückstand  getrocknet. 

Untergrund. 

Ackerkrume. 

Mittel. 

1   Mm.- Sieb  .     .     . 

41,4  Proc. 

22,7  Proc. 

32,1   Proc. 

Trichter  II  .     .     . 

13,2     , 

19,1      , 

16,1      . 

.       III  ..     . 

4,8     , 

10,0      , 

7,4     , 

.       IV  .     .     . 

6,9      „ 

10,2      „ 

8,6     „ 

Feinste  Substanz     . 

33,7      „ 

38,0     „ 

35,8     „ 

100,0  100,0  100,0 

Auch  die  relativ  grosse  Menge  von  Eisenoxyd  bei  sonst 
geeigneter  Zusammensetzung  kann  nur  günstig  für  die  Gestaltung 
der  physikalischen  Verhältnisse  gewirkt  haben. 

Ganz  anders  ist  die  Beschaffenheit  des  Ackerbodens  im  Ge- 
biete der  oberen  Schichten  des  Krebsscheeren-Kalksteius,  ob- 
gleich nach  der  chemischen  Analyse  die  Menge  des  Thones  und 
Quarzsandes  fast  dieselbe  ist,  wie  im  Boden  des  grobsandigen 
Liaskalksteins  und  auch  der  Gehalt  an  Feldspath  -  Verbindungen 
zunächst  an  Kalifeldspath  ziemlich  übereinstimmt.  Dagegen  ist 
von  Eisenoxyd  ungleich  weniger  vorhanden  und  namentlich  wirkt 
die  grosse  Masse  von  Knollen,  sowie  von  scharfkantigen  splitterigen 
Stücken  des  Feuersteins  (Hornsteins)  nachtheilig  für  die  Kultur. 
Die  Bestellung  des  meist  flachgründigen  Bodens  ist  dadurch  sehr 
beeinträchtigt;  ausserdem  aber  sind,  wie  wir  sehen  werden,  einige 
der  wichtigeren  Pflanzennährstoffe  in  absolut  geringerer  Menge 
und  in  einem  weniger  leicht  löslichen  Zustande  zugegen,  als  in 
dem  Boden  des  Liaskalksteins. 

Durch  die  chemische  Analyse  kann  man  bekanntlich  die 
Menge  der  Thonerde  und  der  Kieselsäure  in  der  thonigen 
Substanz  des  Bodens  ermitteln;  wenn  man  die  letztere  als 
reines  Thonerde-Silikat  betrachtet,  so  ergiebt  sich  aus  den  vor- 
liegenden Untersuchungen  die  folgende  procentige  Zusammen- 
setzung: 


Muschel- 

Lias-        Krebsscheerenkalk. 

Marmor- 

kalk. 

kalk.      Untere  Seh.  Obere  Seh. 

kalk. 

1. 

2.                 3.                 4. 

5. 

Kieselsäure       65,15 

60,23         59,74         58,12 

55,62 

Thonerde           34,85 

39,77         40,26         41,88 

44,38 

In   dem   Boden 

des   Marmorkalkes   nähert   sich. 

wie   ma 

—      233      — 

sieht,  die  Zusammensetzung  der  tbonigen  Substanz  am  meisten 
derjenigen  des  reinen  Thones,  worin  man,  auf  den  wasserfreien 
Zustand  berechnet,  etwa  45  Proc.  Thonerde  und  55  Proc.  Kiesel- 
säure annehmen  kann;  in  dem  Thon  aller  anderen  Bodenarten 
ist  gleichsam  ein  Ueberschuss  von  Kieselsäure  vorhanden,  am 
meisten  in  dem  Thon  des  Muschelkalkbodens.  Bei  einem  kon- 
stanten Gehalt  von  45  Proc.  Thonerde  würde  die  gefundene 
Thonsubstanz  ein  Gemenge  darstellen  von  reinem  Thon  und  fein 
zertheilter,  in  kohlensaurem  Natron  auflöslicher  Kieselsäure,  und 
in  Procenten  des  lufttrocknen  Bodens  zugegen  sein: 

1.  2.  3.  4.  5. 

ßeiner  Thon  ....  12,519  17,138  21,553   16,529  26,246 
Beigemischte  Kieselsäure     3,646     1,918     2,540     1,234     0,371 
In  Summa     16,165   19,056  24,093  17,763  26,617 
Also  die  beigemischte  Kieselsäure  in  Procenten  des 
ganzen  Gemenges    .     .  22,5       10,1       10,5         6,9  1,4 

Hiermit  vergleichen  wir  den  Gehalt  an  Eisenoxyd  in  Pro- 
centen des  lufttrocknen  Bodens: 

2,149     8,785      1,826     2,354     6,262 
Davon  waren  in  Procenten  der  Gesammtmenge  löslich  schon  in 
kalter  Salzsäure     .     .     90,8       85,3       87,9       79,6       50,5 

Endlich  ergab  sich  das  Verhältniss  von  Kali  zur  Thonerde 
im  Salzsäure-  und  im  Schwefelsäure-Extrakt  des  Bodens  durch- 
schnittlich wie 

1:4,61  1:9,73  1:11,28  1:14,11  1:20,87 
und  das  Verhältniss  der  Summe  von  Natron  und  Kali  zur  Thonerde: 
1:4,36  1:8,47  1:9,72  1:12,06  1:17,26 
Zu  der  Menge  des  Eiseuoxyd  im  Boden  steht  der  grössere 
oder  geringere  Kieselsäuregehalt  der  thonigen  Substanz  entschieden 
in  gar  keinem  Zusammenhang;  es  ist  z.  ß.  im  Boden  des  Mar- 
morkalkes viel  Eisenoxyd  enthalten  und  zwar  in  einem  relativ 
schwer  löslichen  Zustande  und  dennoch  hat  gerade  in  diesem 
Falle  die  geringste  Menge  von  gleichsam  überschüssiger  Kiesel- 
säure sich  ergeben,  während  man  bezüglich  der  Yerwitterungs- 
produkte  des  Muschelkalkes  von  allem  diesem  ziemlich  das 
Gegentheil  bemerkt,    nämlich    wenig  Eisenoxyd,   Leichtlöslichkeit 


—     234     — 

desselben  und  grösserer  Ueberschuss  von  Kieselsäure  in  der 
tlionigen  Substanz.  Ebenso  wenig  wie  das  Eisenoxyd  hat  der 
Kalk  irgend  einen  Einfluss  auf  den  anscheinend  grösseren  oder 
geringeren  Kieselsäuregehalt  des  Thones.  Ausser  dem  kohlen- 
sauren Kalk,  welcher  unter  Einwirkung  der  kalten  Salzsäure 
sich  vollständig  auflöst,  ist  überall  nur  sehr  wenig  Kalk  vor- 
handen und  in  dem  Rückstand  von  dem  Extrakt  mit  kalter  Salz- 
säure wird  durch  kohlensaures  Natron  nicht  mehr  Kieselsäure 
gelöst,  als  der  im  betreffenden  Auszug  enthaltenen  Thonerde 
entspricht;  wenigstens  ist  dies  bei  den  folgenden  3  Bodenarten, 
welche  in  dieser  Hinsicht  näher  untersucht  worden  sind,  der  Fall 

Krebsscheerenkalk.        Marmor- 
Untere  Seh.    Obere  Seh.       kalk. 
Thonerde,  löslich  in  kalter  Salzsäure    0,9596        1,3353       1,6167 
LösL  Kieselsäure  in  d.  Rückstand     1,2125         1,1120        1,3625 

Es  ist  dies  also  eher  zu  wenig  als  zu  viel  Kieselsäure,  um 
mit  der  vorhandenen  Thonerde  eine  entsprechende  Menge  Thon 
von  normaler  Zusammensetzung  zu  bilden.  Aus  diesen  Zahlen 
ersieht  man  zugleich,  dass  die  obenerwähnte  „überschüssige'' 
Kieselsäure  nicht  etwa  dem  eigentlichen  Thon  nur  mechanisch 
beigemengt  ist  und  nicht  von  vornherein  oder  schon  nach  der 
Behandlung  des  Bodens  mit  kalter  Salzsäure  in  einem  in  kohlen- 
saurem Natron  auflöslichen  Zustande  sich  befindet,  sondern  erst 
durch  die  kräftigere  Einwirkung  der  kochenden  Salzsäure  und 
der  Schwefelsäure  aus  einer  chemischen  Verbindung  abgeschieden 
und  dadurch  löslich  wird  in  kohlensaurem  Natron.  Von  welcher 
Art  diese  Verbindung  ist,  darüber  kann  man  nicht  im  Zweifel 
sein,  wenn  man  das  oben  angegebene  Mengenverhältuiss  von  Kali 
oder  von  der  Summe  der  Alkalien  zur  Thonerde  betrachtet;  es 
ist  sofort  klar,  dass  je  enger  dieses  Verhältniss  wird,  der  be- 
treffende Thon  anscheinend  um  so  reicher  ist  an  Kieselsäure, 
also  um  so  mehr  den  Charakter  eines  Doppelsilikates  von  Thon- 
erde und  Alkali  annimmt. 

Menge  und  mechanische  Beschaffenheit  des  Thones  und  der 
sandigen  Substanz,  nebst  dem  Gehalt  an  kohlensauren  Erden, 
Humus  und  auch    wohl  Eisenoxyd  sind  besonders  wichtig  für  die 


—     235      — 

Crestaltung  der  physikalischen  Eigenschaften  eines  Bodens  und 
also  auch  zunächst  bedingend  für  eine  mehr  oder  weniger  loh- 
nende Kultur  desselben  unter  den  bei  uns  überall  vorherrschenden 
landwirthschaftlichen  Betriebsverhältnissen.  Als  direkte  Pflanzen- 
nährstoffe aber  und  als  Ursache  der  bleibenden,  grösseren  oder 
geringeren  natürlichen  Fruchtbarkeit  des  Bodens  kommen 
hauptsächlich  die  Phosphorsäure  und  das  Kali  in  Betracht,  ihrer 
absoluten  Menge  nach  und  nach  dem  Grad  ihrer  Löslichkeit. 
Je  mehr  nämlich  von  diesen  wichtigen  Nährstoffen  den  Pflanzen 
aus  der  natürlichen  Quelle  oder  Vorrathskammer  des  Bodens 
alljährlich  zugänglich  ist,  desto  grössere  Durchschnittserträge 
kann  man  erwarten,  desto  weniger  ist  es  nothwendig,  dem  Acker- 
lande oder  der  Wiese  häufig  beträchtliche  Mengen  jener  Stoffe 
im  Dünger  zuzuführen,  desto  langsamer  wird  der  betreffende 
Boden,  bei  genügendem  Humusgehalt,  in  einen  im  landwirth- 
schaftlichen Sinne  des  Wortes  erschöpften  Zustand  übergehen. 
Auf  die  genaue  Bestimmung  der  genannten  Bodenbestandtheile 
ist  bei  den  vorliegenden  Untersuchungen  grosse  Sorgfalt  ver- 
wendet worden,  und  wir  wollen  jetzt  sehen,  ob  aus  den  betreffenden 
Resultaten  der  Analyse  hinsichtlich  der  natürlichen  Fruchtbar- 
keit der  einzelnen  Bodenarten  sich  bestimmte  Folgerungen  ziehen 
lassen. 

Von  Phosphor  säure  war  in  Procenten  der  lufttrocknen 
Substanz  des  Bodens  vorhanden: 

Muschel-    Lias-        Krebsscheerenkalk.        Marmor- 
kalk,       kalk.    Untere  Seh.   Obere  Seh.       kalk. 
0,419      0,474        0,177  0,088  0,157 

oder  in  Procenten  des  Rückstandes  nach  Abzug  des  Glühverlustes 
und  der  kohlensauren  Erden: 

1,089      0,544       0,425  0,103  0,230 

Von  der  Phosphorsäure  war  in  Procenten  der  Gesammt- 
menge  derselben  in  kalter  Salzsäure,  also  verhältnissmässig  leicht 
auflöslich 

100        98,2  75,0  83,6  73,6 

Wenn  man  mit  dem  Phosphorsäuregehalt  des  Bodens  die 
Güte  und  Ertragsfähigkeit  vergleicht,  wie  dieselbe  in  der  Praxis 


—      236      — 

sich  herausgestellt  hat,  dann  scheint  beides  fast  in  einem  geraden 
und  direkten  Verhältniss  zu  einander  zu  stehen;  denn  die  Boden- 
arten des  Muschelkalkes  und  des  Liaskalkes  sind  ausgezeichnet 
durch  eine  besonders  hohe  natürliche  Fruchtbarkeit  und  das 
Ackerland  im  Gebiete  des  unteren  Krebsscheerenkalkes  und  der 
Marmorkalke  hat  in  seiner  mittleren  Ertragsfähigkeit  entschieden 
den  Vorzug  vor  den  Kulturflächen  in  der  Formation  des  oberen 
Krebscheerenkalkes.  Die  Ackererden  des  Muschelkalkes  und  des 
Liaskalkes  sind  in  der  That  enorm  reich  an  Phosphorsäure  und 
dabei  ist  fast  die  ganze  Menge  derselben  schon  in  kalter  Salz- 
säure auflöslich,  während  auf  diese  Weise  bei  den  anderen  Boden- 
arten von  dem  weit  geringeren  Gesammtquantum  nur  ^/4  bis 
höchstens  ^/s  sich  extrahiren  lassen.  Ob  die  Phosphorsäure  im 
Boden  mehr  oder  weniger  oder  vollständig  in  Verbindung  mit 
Kalk  oder  mit  Eisenoxyd  sich  befindet,  ist  nicht  mit  Bestimmt- 
heit zu  entscheiden;  jedoch  scheint  eher  das  Letztere  der  Fall 
zu  sein,  da  die  Löslichkeit  der  Phosphorsäure  in  kalter  Salzsäure 
durchaus  nicht  proportional  dem  Kalkgehalt  des  Bodens  sich 
gestaltet,  freilich  auch  durchschnittlich  eine  etwas  grössere  ist 
als  die  des  gleichzeitig  vorhandenen  Eisenoxyds. 

Auch  das  Verhalten  des  Kali  im  Boden  muss  als  ein 
wesentliches  Moment  für  die  Gestaltung  der  natürlichen  Frucht- 
barkeit desselben  angesehen  werden.  Das  Nähere  hierüber  be- 
züglich der  untersuchten  Bodenarten  ersieht  man  aus  der  folgenden 
Zusammenstellung;  in  Procenten  des  lufttrocknen  Bodens  war 
an  Kali  zugegen: 


T  ..  ,.  ,    .          Muschel- 
Loshch  m            ^^^^ 

Lias- 

Krebsscheerenkalk. 

Marmor- 

kalk. 

Untere  Seh. 

Obere  Seh. 

kalk. 

kalter  Salzsäure     0,053 

0,131 

0,074 

0,056 

0,056 

heisser  Salzsäure   0,295 

0,274 

0,335 

0,095 

0,182 

Schwefelsäure    .     0,951 

0,379 

0,407 

0,345 

0,328 

Flusssäure    .     .     1,522 

0,597 

0,292 

0,653 

0,366 

Im  Ganzen     2,821        1,381        1,108  1,149       0,932 

Nach  Abzug  des  Glühverlustes  und  der  kohlensauren  Erden 
beträgt  in  Procenten  des  Rückstandes  die  Gesammtmenge  des  Kali: 
7,331        1,588       2,362         1,309        1,369 


—      237      — 

Das  Verhältniss  ferner  von  Kali  zur  Thonerde  in  den  mit 
Salzsäure  und  Schwefelsäure  bewirkten  Auszügen  eines  jeden 
Bodens  war  durchschnittlich  wie 

1  :  4,61      1  :  9,73     1  :  11,28     1  :  14,11      1  :  20,87 

Von  der  Gesammtmenge  des  Kali  ist  der  in  Salzsäure  und 
Schwefelsäure  lösliche  Antheil  in  der  thonigen  Substanz  mehr 
oder  weniger  fest  gebunden,  die  letztere  daher  als  ein  Doppel- 
silikat von  Thonerde  und  Kali,  oder  als  ein  Gemenge  von  reinem 
Thon  mit  einem  derartigen  Doppelsilikat  zu  betrachten.  Wenn 
man  diesen  kalihaltigen  Thon  für  sich  auf  Procente  seiner  Be- 
standtheile  berechnet,  so  ergeben  sich  folgende  Zahlen: 
1.  2.  3.  4.  5. 


Kali      .     .       7,44 

3,97 

3,41        2,88       2,08 

Thonerde  .     32,26 

38,40 

38,89     40,67     43,45 

Kieselsäure     60,30 

57,63 

57,70     56,45     54,17 

Der   Rest   des    Kali 

ist   ein 

wesentlicher  Bestandtheil 

des 

mit  Flusssäure  aufgeschlossenen  sandigen  Rückstandes  oder  der 
darin  neben  dem  Quarzsand  enthaltenen  feldspathartigen  Ver- 
bindungen. Aus  den  bei  der  Analyse  gefundenen  Zahlenverhält- 
nissen lässt  sich  die  procentige  Zusammensetzung  dieses  sandigen 
Rückstandes  bezüglich  seiner  mineralischen  Gemengtheile  für 
jede  der  untersuchten  Bodenarten  berechnen,  nämlich: 


Muschel- 

Lias- 

Krebsscheerenkalk. 

Marmor- 

kalk. 

kalk. 

Untere  Seh.  Obere  Seh. 

kalk. 

Kalifeldspath    . 

51,59 

6,22 

9,01            5,84 

6,40 

Natronfeldspath 

2,31 

2,80 

4,95          10,53 

7,42 

Quarzsand    .     . 

46,10 

90,8 

86,04         83,63 

86,18 

Aus  den  vorstehenden  Zahlen  erkennt  man  deutlich  das  sehr 
ungleiche  Verhalten  des  Kali  in  den  betreffenden  Bodenarten. 
Das  untersuchte  Verwitterungsprodukt  des  Muschelkalkes,  obgleich 
es  wegen  des  hohen  Gehalts  an  kohlensauren  Erden  noch  nicht 
als  ein  fertiger  Kulturboden  betrachtet  werden  kann,  ist  beson- 
ders reich  an  Kali  und  übertrifft  darin  die  anderen  hier  erwähnten 
Verwitterungsböden  um  das  Doppelte  und  Dreifache;  dieser 
Reichthum  steigert  sich  aber  auf  das  Vier-  bis  Fünffache,  wenn 
man  überall  den  Kaligehalt  auf  Procente  des  geglühten  Bodens 


—     238     — 

und  nach  Abzug  der  kohlensauren  Erden  berechnet.  Zwar  ist 
bei  dem  Boden  des  Muschelkalkes  die  Löslichkeit  des  Kali  in 
kalter  Salzsäure  verhältnissmässig  gering  und  anscheinend  kaum 
halb  so  gross  wie  in  dem  Boden  des  Liaskalkes;  dies  wird  aber 
reichlich  wieder  ausgeglichen  durch  die  grosse  Gesammtmenge 
des  Kali.  Auch  ist  wohl  anzunehmen,  dass  das  relativ  leicht- 
lösliche Kali  in  grösserer  Menge  sich  angesammelt  hätte,  wenn 
es  sich  hier  um  eine  eigentliche  Ackererde  handelte  und  nicht 
um  die  fast  humusfreie,  gleichsam  noch  rohe  Masse  des  Unter- 
grundes; jedenfalls  wird  in  dem  betreffenden  Boden  das  etwa^ 
durch  Auswaschen  entfernte  oder  durch  die  wachsenden  Pflanzen 
entzogene  leichtlösliche  Kali  rasch  wieder  ersetzt  aus  der  reichen 
Quelle,  die  im  Thon  und  in  den  sandigen  Gemengtheileu  vor- 
handen ist.  In  den  Extrakten  nämlich  der  Verwitterungsprodukte 
mit  Salzsäure  und  Schwefelsäure  ist  das  Verhältniss  zwischen 
Kali  und  Thonerde  ein  ungewöhnlich  enges  (1  :  4,6),  die  thonige 
Substanz  daher  besonders  kalireich,  2-  bis  3-  und  4  mal  reicher, 
als  der  Thon  der  übrigen  Bodenarten.  Noch  auffallender  ist  die 
grosse  Masse  der  nach  Art  des  Kalif eldspaths  zusammengesetzten 
Verbindungen  unter  den  sandigen  Gemengtheileu;  es  beträgt 
dieselbe  in  Procenten  der  letzteren  etwa  8  mal,  in  Procenten  des 
lufttrocknen  Bodens  3 — 5  mal  (s.  S.  228)  und  in  Procenten  des 
Kückstandes  nach  Abzug  des  Glühverlustes  und  der  kohlensauren 
Erden  6 — 7  mal  so  viel,  wie  in  den  Böden  der  anderen  Kalk- 
steinformationen. Es  kann  daher  nicht  zweifelhaft  sein,  dass 
alljährlich  unter  dem  Einfluss  des  Verwitterungsprozesses  eine 
relativ  grosse  Menge  von  Kali  leichtlöslich,  für  die  Pflanzen  auf- 
nehmbar werden  muss. 

Nächst  dem  Boden  des  Muschelkalkes  gestaltet  sich  das 
Verhalten  des  Kali  am  günstigsten  in  dem  Boden  des  grob- 
sandigen  Liaskalksteins ;  der  letztere  ist  der  zweite  in  der  Reihe 
hinsichtlich  der  Gesammtmenge  des  Kali,  in  Procenten  des  luft- 
trocknen Bodens  berechnet,  und  hinsichtlich  des  Verhältnisses 
zwischen  Kali  und  Thonerde  in  dem  Salzsäure-  und  Schwefel- 
säure-Extrakt, obgleich  er  in  beiden  Punkten  vor  dem  zuerst 
genannten  Boden   beträchtlich  zurücksteht.     Ferner   ist    in    dem 


—     239     — 

Liaskalkboden  die  Menge  des  in  kalter  Salzsäure,  also  leicht 
löslichen  Kali  absolut  und  relativ  bedeutend  grösser  als  in  allen 
anderen  hier  untersuchten  Erdarten  und  daraus  wohl  zu  folgern, 
dass  dieser  Nährstoff  den  Pflanzen  aus  der  natürlichen  Quelle 
des  Bodens  ziemlich  leicht  zugänglich  sein  wird.  Aehnlich  ver- 
hält sich  auch  der  Verwitterungsboden  aus  dem  Gebiete  der 
unteren  thonigen  Schichten  des  Krebsscheerenkalks;  jedoch  ist 
hier  das  Verhältniss  zwischen  Kali  und  Thonerde  in  den  be- 
treffenden Extrakten  schon  merklich  erweitert,  =  1  :  11,3.  Ent- 
schieden am  wenigsten  ist  zu  Gunsten  der  Vegetation  von  dem 
Kali  zu  erwarten,  welches  in  der  Ackererde  des  oberen  Krebs- 
scheerenkalkes  und  des  Marmorkalkes  vorhanden  ist;  in  der 
ersteren  findet  man  das  Verhältniss  zwischen  Kali  und  Thonerde 
noch  wesentlich  enger  (1  :  14,1)  als  in  der  letzteren  (1  :  20,9), 
aber  dafür  ist  dort  die  absolute  Menge  des  in  Salzsäure  lös- 
lichen Kali  eine  sehr  geringe  und  ausserdem  bemerkenswerther 
Weise  jenes  Verhältniss  zwischen  Kali  und  Thonerde  in  dem 
Salzsäure-Extrakt  des  Bodens  viel  weiter  (1  :  19,6)  als  in  dem 
Schwefelsäure-Extrakt  (1  ;  11,4),  während  sonst  gewöhnlich  und 
ganz  besonders  bei  den  Bodenarten  von  grösserer  natürlicher 
Fruchtbarkeit  das  Umgekehrte  stattfindet. 

Das  Natron  ist  ein  ziemlich  unwesentlicher  Bestandtheil 
des  Kulturbodens;  es  findet  sich  hauptsächlich  in  der  sandigen 
Substanz  desselben  fest  gebunden  (als  Natronfeldspath)  und  wird 
in  Folge  der  Verwitterung  bekanntlich  viel  leichter  ausgewaschen 
als  das  Kali.  In  den  vorliegenden  Untersuchungen  ergab  sich, 
dass  die  Ackererde  des  oberen  Krebsscheerenkalkes  und  nächst- 
dem  des  Marmorkalkes  besonders  reich  war  an  Natron;  weniger 
enthielt  der  Boden  der  unteren  Schichten  des  Krebsscheerenkalkes 
und  des  Liaskalksteins,  am  wenigsten  das  Verwitterungsprodukt 
des  Muschelkalkes.  Das  Verhältniss  von  Kali  zum  Natron  war 
in  der  angegebenen Eeihenfolge  wie  1:0,787;  1:0,442;  1:0,226; 
1  :  0,211  und  1  :  0,044. 

Wenn  wir  absehen  von  der  grösseren  oder  geringeren  Tief- 
gründigkeit und  der  mechanischen  Beschaffenheit  des  Bodens, 
sowie    von  dem  Einfluss,  welchen   das  Klima   auf  die  Sicherheit 


—     240      — 

und  die  Höhe  der  Ernten  ausübt,  hier  vielmehr  nur  den  Gehalt 
an  vorzugsweise  wichtigen  Pflanzennährstoffen  und  deren  Lös- 
lichkeitsgrad  als  massgebend  gelten  lassen,  so  müssen  wir  auf 
Grund  unserer  Untersuchungen  und  Betrachtungen  das  Ver- 
witterungsprodukt des  oberen  Hauptmuschelkalkes  entschieden 
als  ein  ganz  besonders  gutes,  d.  h.  natürlich  fruchtbares  Boden- 
material bezeichnen.  Die  betreffenden  Ackererden  sind  unge- 
wöhnlich reich  an  Phosphorsäure  und  an  Kali,  an  diesen  beiden 
landwirthschaftlich  so  wichtigen  Nährstoffen  gleichsam  unerschöpf- 
lich, indem  sie  davon  den  Pflanzen  von  einem  Jahre  zum  andern 
immer  neue  und  reichliche  Mengen  zur  Aufnahme  darbieten.  Es 
erklärt  sich  wohl  hauptsächlich  hieraus,  dass  dieser  Boden  für 
den  häufigen  Anbau  der  Luzerne  als  vorzüglich  geeignet  sich 
beweist  und  zugleich  unter  Anwendung  der  geringsten  Menge 
von  Dünger  fortdauernd  reichliche  Körnerernten  liefert,  in  einigen 
Gegenden  sogar,  wie  behauptet  wird,  seit  undenklichen  Zeiten 
ohne  alle  Düngung  in  passendem  Wechsel  von  Luzerne  und 
Körnerfrüchten  kultivirt  wird. 

Auch  das  Ackerland  im  Gebiete  des  grobsandigen  Liaskalk- 
steins  ist  ausgezeichnet  durch  grosse  natürliche  Fruchtbarkeit 
und  in  der  That  haben  wir  gesehen,  dass  der  Verwitterungsboden 
dieser  Formation  in  Ackererde  und  Untergrund  fast  noch  reicher 
ist  an  Phosphorsäure,  als  das  chemisch  untersuchte  Verwitterungs- 
produkt des  Muschelkalkes;  die  absolute  Menge  des  Kali  ist 
allerdings  eine  weit  geringere  als  in  dem  zuletzt  erwähnten 
Bodenmaterial,  aber  dieser  Stoff  befindet  sich  offenbar  in  einem 
relativ  leicht  löslichen  Zustande  und  wird  alljährlich  bis  zu  einer 
gewissen  Grenze  aus  dieser  natürlichen  Quelle  von  der  Kultur- 
pflanze aufgenommen  werden,  wozu  auch  die  günstige  physikalische 
Beschaffenheit  des  Bodens  mitwirkt.  Weit  geringer  ist  die  Boden- 
qualität, soweit  diese  nach  der  Menge  und  Löslichkeit  der  wich- 
tigeren Pflanzennährstoffe  beurtheilt  werden  kann,  im  Gebiete  des 
weissen  Jura;  die  besseren  jedoch  von  den  hier  vorkommenden 
Ackererden  findet  man  in  der  Formation  des  unteren  Krebs- 
scheerenkalkes  und  des  Marmorkalkes.  Die  ersteren  enthalten 
etwas  mehr  Kali  und  dieses,    wie    es  scheint   in  einem   leichter 


~     241     — 

löslichen  Zustande,  während  die  letzteren  eine  günstigere  physi- 
kalische Beschaffenheit  haben,  da  sie  ein  mehr  gleichförmiges 
Pulver  bilden  und  wegen  ihrer  dunklen,  rothbraunen  Farbe  sich 
besser  erwärmen,  worauf  möglicherweise  in  dem  Klima  der  rauhen 
Alb  besonderes  Gewicht  zu  legen  ist;  im  Phosphorsäuregehalt 
sind  die  untersuchten  Ackererden  beider  Formationen  im  luft- 
trocknen Zustande  nahe  übereinstimmend.  Fast  in  jeder  Hinsicht 
ärmlich  ist  das  Verwitterungsprodukt  des  oberen  Krebsscheeren- 
kalkes  beschaffen,  auch  abgesehen  von  den  darin  vorkommenden 
Hornsteinen,  welche  wegen  ihrer  Zahl  und  Grösse  so  häufig  ein 
mechanisches  Hinderniss  bilden  für  die  lohnende  Kultur  des 
Bodens. 


Analytische  Methoden  und  Belege. 
1.  Krebsscheerenkalk.    Untere  thonige  Schichten. 

Von  dem  zur  Analyse  vorbereiteten  Gestein,  sowie  von 
Ackerkrume  und  Untergrund  wurden  jedesmal  450  Grm.  der  luft- 
trocknen Substanz  mit  1500  CG.  konzentrirter,  etwa  SOprocentiger 
Salzsäure  Übergossen  und  damit  unter  häufigem  Umschütteln 
48  Stunden  lang  bei  gewöhnlicher  Temperatur  behandelt.  Die 
Mischung  erfolgte,  natürlich  mit  der  nöthigen  Vorsicht,  in  einer 
geräumigen,  mit  Glasstöpsel  verschliessbaren  Flasche.  Der  Rück- 
stand von  dem  Gesteinspulver  wurde  auf  dem  Filter  zuerst  mit 
kaltem  und  schliesslich  mit  heissem  Wasser  ausgewaschen,  sowie 
später  einer  weiteren  Untersuchung  unterworfen;  bei  der  Acker- 
krume dagegen  und  dem  Untergrund  goss  man  von  dem  Boden- 
satz genau  1000  CG.  ab,  filtrirte  die  Flüssigkeit  und  verdampfte 
dieselbe  zuletzt  im  Wasserbade  zur  Trockne.  In  der  einge- 
trockneten Masse  ergab  sich  an 

Gestein.    Ackerkrume.    Untergrund. 
Grm.  Grm.  Grm. 

Kieselsäure 0,114         0,0195  0,027 

Württemb.  n»turw.  Jahreihefte.     1878.  16 


—     242     — 

Diese  Mengen  entsprechen  also  bei  dem  Gestein  450,  bei 
der  Ackerkrume  und  dem  Untergrund  je  300  Grm.  der  lufttrocknen 
ursprünglichen  Substanz;  die  nach  Abscheidung  der  Kieselsäure 
erhaltenen  Flüssigkeiten  wurden  verdünnt,  beziehungsweise  auf 
1060,  1050  und  1000  CC.  und  hiervon  geeignete  Volummengen 
für  die  Einzelbestimmungen  verwendet.  Die  Mengen  der  in 
kalter  Salzsäure  löslichen  Bestandtheile  des  Gesteins  und 
des  Bodens  ersieht  man  aus  der  folgenden  Zusammenstellung. 

Gestein.  Ackerkrume.   Untergrund, 

a.  Lösung 150  CC.  150  CC.       150  CC. 

Entsprechend lufttr.Substanz  63,679  Grm.  42,857  Grm.        45Grm. 

Darin  Mn304       ....     0,017    „  0,029    „       0,020    „ 

i/2Fe2  03,Al203U.P2  05  .     0,183    „  0,3545    „    0,7885    „ 

Hiervon  Theil  ....       V»  ^'s                 *  5 

Chamäleonlösung*      .     .      10,5  CC.  13,4  CC.      29,3  CC. 

VgFejOg 0,1125Grm.  0,2395Grm.0,5237Grm. 

V2AI2O3 0,0562    ,  0,0796    ,     0,2399    , 

VioCaC03       ....  4,8285    „  2,320      ,     1,3546    „ 

davon  abgewogen      .     .  0,289      „  0,295      „     0,255      « 

als  CaS04 0,393      „  0,4045    ,     0,3505    „ 

also  CaCOg**       .     .     .  4,8285    „  2,3388    „     1,3689    „ 

i/ioMggPgO,  ....  0,074      ,  0,0395    „     0,025      „ 


*  1  CC.  Chamäleonlösung  entsprach  0,0025  Grm.  Eisen. 
**  Die  obigen  Mengen  von  Calciumcarbonat  ergeben  einen  pro- 
centigen  Gehalt  der  lufttrockneu  Substanz  in  Gestein,  Ackerkrume  und 
Untergrund  =  resp.  75,8—54,6  und  30,4;  damit  nahe  übereinstimmend 
fand  Troschke  bei  der  Untersuchung  derselben  Lösungen  76,6—54,2 
und  30,0  %,  während  dagegen  bei  der  Analyse  des  Extraktes  mit  heisser 
Salzsäure  für  die  lufttrockene  Substanz  der  Ackerkrume  53,5  und  des 
Untergrundes  nur  27,7 >  (s.  unten)  ermittelt  wurden;  endlich  ist  zu 
erwähnen,  dass  Gantter  schon  früher  die  Menge  des  in  heisser  Salz- 
säure löslichen  Calciumcarbonats  in  der  Ackerkrume  zu  54,3  und  im 
Untergrunde  zu  27,4%  gefunden  hatte.  Alle  diese  Bestimmungen  be- 
weisen, dass  die  obigen  Extrakte  der  Ackerkrume,  besonders  aber  des 
Untergrundes  in  Folge  längerer  Aufbewahrung  in  der  That  eine  grössere 
Konzentration  erlangt  hatten,  als  hier  angenommen  wurde.  Es  mussten 
bei  der  Berechnung  der  procentigen  Verhältnisse  (s.  im  Text  der  Ab- 


—      243     — 

Gestein.      Ackerkrume.   Untergrund. 

b.  Lösung      ....     300  CC.  300  CC.         300  CC. 
Entsprecbendlufttr.Subst.  127,358Grm.  85,714   Grm.         90Grm. 
Darin  BaS04    ....     0,098    „        0,113      „     0,093       „ 

MggPaO,  ....  0,084  „  0,2325  ,  0,1415  „ 
alsoPgOs  ....  0,0538  „  0,1488  „  0,0906  , 
Chloralkaiien  .  .  .  0,098  „  0,164  „  0,139  „ 
(KCl)2PtCl4        .     .     .     0,179    „         0,399      „     0,319      , 

c.  Lösung    ....       300  CC.  300  CC.         300  CC. 
Entsprechend  Substanz       127,358 Grm.  85,714    Grm.         90 Grm. 

MggPaOy 2,094    „        0,210      „     0,170      „ 

also  P2O5  ....  0,0602  „  0,1344  „  0,1088  , 
Chloralkalien.  .  .  .  0,096  „  0,157  „  0,141  , 
(KCl)2,PtCU.  .  .  .0,1695  „  0,367  „  0,318  „ 
Der  Rückstand  des  Gesteins  von  der  Behandlung  mit  kalter 
Salzsäure  betrug  lufttrocken  93,543  Grm,;  davon  lieferten 
5,393  Grm.  einen  Glühverlust  von  0,538  Grm.  und  ferner  9,206  Grm. 
an  Kieselsäure  (löslich  durch  Kochen  mit  konzentrirter  Lösung 
von  kohlensaurem  Natrium  unter  Zusatz  von  etwas  Aetznatron) 
0,165  Grm.  Ferner  wurde  zum  Zweck  der  Kieselsäure-Bestim- 
mung eine  kleine  Portion  der  Ackerkrume  und  des  Untergrundes, 
je  20  Grm.  der  lufttrocknen  Substanz,  ebenso  wie  oben  die 
grössere  Portion  mit  kalter  Salzsäure  behandelt,  der  Rückstand 
auf  dem  Filter  zuerst  mit  kaltem  und  schliesslich  mit  heissem 
Wasser  ausgewaschen,  hierauf  mit  der  alkalischen  Flüssigkeit 
ausgekocht  etc.  Es  ergab  sich  hierbei  an  Kieselsäure  in  der 
Ackerkrume  0,2156  und  im  Untergrund  0,2425  Grm. 

Von  dem  lufttrocknen  Rückstand  des  Gesteiupulvers  nach 
Behandlung  mit  kalter  Salzsäure  wurden  78,944  Grm.  (als  ge- 
glüht berechnet  =  71,066  Grm.),  entsprechend  379,77  Grm.  des 
frischen  Gesteins,  mit  reiclilich  dem  doppelten  Gewicht  konzen- 
trirter Salzsäure  eine  Stunde  lang  ausgekocht,  die  Lösung  hierauf 


handlung)  die  Mengen  der  sämmtlichen  in  kalter  Salzsäure  gelösten 
Stoffe  bezüglich  des  Untergrundes  um  Vio  vermindert  werden.  Bezüg- 
lich der  Ackerkrume  erschien  eine  derartige  Reduktion  unnöthig,  da 
die  betreffende  Differenz  nur  unbedeutend  war. 

16* 


244     — 


mit  heissem  Wasser  verdünnt  und  abfiltrirt,  der  Rückstand  mehr- 
mals mit  Wasser  ausgekocht  und  schliesslich  auf  dem  Filter  gut 
ausgewaschen.  Von  der  Ackerkrume  und  dem  Untergrund  be- 
handelte man  150  Grm.  des  frischen  lufttrockuen  Bodens  m 
derselben  Weise.  Das  Filtrat  wurde,  zuletzt  unter  Zusatz  von 
etwas  Salpetersäure,  vorsichtig  zur  Trockene  verdampft  und  nach 
Abscheidung  der  Kieselsäure  die  Flüssigkeit  überall  bis  auf  1000  CC. 
verdünnt.     Bei  der  Untersuchung  ergab  sich: 

Gestein.      Ackerkrume.    Untergrund. 
Kieselsäure  in  Lösung      0,196  Grm.  0,0481  Grm.  0,2080  Grm. 

a   Lösung 200  CC.         200  CC.        200  CC. 

■  Darin  MnjO,      .     .     .     Spur.  Grm.  0,0500 Grm.  0,0457 Grm. 
VjFjO„A1j03U.  PjOs     0,412    ,      0,6540    ,      1,2174    , 
Hiervon  TheU     ...        Va  V3  /» 

Chamäleon»     .     .     .       M  CC.  5,6  CC.         12,4  CC. 

ii  f^  0  ■     0,058Grm.  0,1488Grm.  0,3293Grm. 

v!ai!o!'.     .     .     .     .0,3516    .      0,4716    ,      0,8687    , 
In  Lösung      ....       200  CC.         100  CC.         100  CC. 

CaCO 0,186Grm.  8,0250Grm.  4,1525Grm. 

CaSo!  '.     .     .     .     .     0,259    ,  -        ,     5-6^90    , 

Mg,P,0,   ....     0,324    ,       0,1831    ,     0,1620 

b.  Lösung  '.....       400  CC.         200  CC.        200  CC. 
U„  P  0  .  0,0075 Grm.  0,1050  Grm.  0,0605 Grm. 
alsop'o/.     .     .     .     .0,0048    ,      0,0672    ,      0,0387    , 

c.  Lösung *OOCC.         300  CC.         200  CC. 

Chloralkalien  .     .     .     .     0,409 Grm.  0,2590  Grm.  0,2626 Grm. 
(KCl)j,PtCU  ....  1,3016    .      0,7065    ,      0,8040    , 

Der  Rückstand  von  der  Behandlung  mit  heisser  Salzsäure  betrug 
Lufttrocken      ....     71,609Grm.  52,8506rm.  83,740Grm. 
Davon  Substanz    .     .     .       9,049    ,      3,9065    „         6,340    , 
Glühverlust.     .     .     .       0,845    ,      0,5355    ,         0,690    , 
Ferner  Substanz,  lufttr.         8,054    ,      9,4910    ,       10,372    . 
Kieselsäure.     .     .     .       0,977    „      0,9665    ,       1,3295    „ 
Von  dem  Rückstand    wurden  mit  dem  6fachen  Gewicht  von 
konzentrirter  Schwefelsäure  bis  zum  Eintrocknen  der  Masse  erhitzt 
•  1  CC.  der  Chamäleonlösung  entsprach  0,0062  Eisen. 


245     — 


Gestein.       Ackerkrume.    Untergrund. 
Lufttrockene  Substanz      12,529Grm.  10,007 Grm.  10,040Grm. 
DarinKieselsäure  aus  Lösung  0,037  „  —        „  —        » 

0,456    „      0,4800    ,         0,610    . 
.     .       3,6  CC.         2,7  CG.  3,0  CG. 

.     .  0,0306Grm.  0,0239Grm.  0,0266Grm. 
.     .     0,022    „         Spur      ,      0,016      „ 
.     .     0,190    „       0,030      „      0,1372    , 
.     .     0,126    „       0,1565    „      0,2015    , 
.     .     0,332    „       0,420       „      0,493       „ 
von  der  Behandlung  mit  Schwefelsäure  betrug 
10,9335Grm.  7,950  Grm.  8,3525 Grm. 
2,979      „       4,5135    «     4,6235    „ 
0,1415    y,      0,2810    „      0,4765    « 
4,420       ,      3,6900    ,      3,6855    „ 
1,262      „       1,2100    „      1,4520    „ 


VjFegOaU.  AI2O3 
Chamäleon  * 

CaCOa  .     . 
MgjPjO,   . 

Chloralkalien 
(KCl)2,PtCl4 
Der  Rückstand 
Lufttrocken  .     . 
Davon  Substanz 

Glüh  Verlust 
Ferner  Substanz,  lufttr 
Kieselsäure     .     .     . 


Von  dem  Rückstand  wurden  mit  Flusssäure  aufgeschlossen 
Substanz,  geglüht 
Darin  AU  0 


2^3 


.  .  0,044  , 
.  .  Spur  , 
.  .  0,008  , 
.  .  0,056  , 
.  .  0,146  , 

In  dem  frischen  lufttrocknen  Gestein  und  Boden  ergab  sich 
an  Glühverlust  (Wasser  nebst  humosen  Stoffen) : 

Substanz 5,755Grm.  8,8883Grm.   10,8670Grm. 


CaCOg      .     . 

MggPgOy  . 

Chloralkalien 
(KCl)2,PtCl4 


1,9885  Grm. 

3,6940Grm. 

0,0350    „ 

0,1085    „ 

Spur      „ 

7> 

Spur     „ 

W 

0,0482    „ 

0,0623    „ 

0,1040    , 

0,1475    , 

Glühverlust 


1,0718 


1,5275 


2.     Krebsscheerenkalk.     Obere  Schichten   mit 

Feuersteinen. 

Bei  dem  hohen  Gehalt  des  ursprünglichen  festen   und  auch 

des    durch  Verwitterung    mürbe   gewordenen  Kalksteines   an 

kohlensaurem  Calcium   genügte  es,    die   gepulverte  Substanz    mit 

heisser  Salzsäure  zu  behandeln    und    sodann  den  Rückstand    mit 

flusssauren    Dämpfen    aufzuschliessen.      Hierzu    wurden   jedesmal 

*  1  CC.  der  Chamäleonlösung  entsprach  0,0062  Eisen. 


—      246      — 

100  Grm.  von  dem  Gesteinspulver  verwendet.  Die  salzsaure 
Lösung  verdampfte  man  wie  gewölmlich  bis  zur  Trockene  und 
brachte  nach  dem  Filtriren  das  Volumen  der  Flüssigkeit  durch 
Zusatz  von  Wasser  auf  1000  CC. 

Festes  Gestein.    Mürbes  Gestein. 

a.  25  CC.  Lösung. 

FegOg  u.  AI2O3      0,0380  Grm.       0,0480  Grm. 
CaCOg    .     .     .     2,3350     ,  2,2425     „ 

b.  500  CC.  Lösung. 

MgaPgO,     .     .     0,0321  Grm.      0,0398  Grm. 
alsoPgOg    .     .     0,0205     ^         0,0255     „ 

c.  700  CC.  Lösung. 

Chloralkalien     .     0,2220  Grm.       0,0914  Grm. 
(KCl)2,PtCl4     .     0,1130      ,  0,1075     „ 

Der  in  Salzsäure  unlösliche  Rückstand  betrug 

Lufttrocken  .     .     5,0595  Grm.       7,7775  Grm. 
Davon  wurde  mit  Flusssäure  aufgeschlossen 

Substanz,  geglüht   3,1700  Grm.      2,5500  Grm. 
Darin  AI2  O3     .     0,2290     „  0,1522      „ 

CaCOa      .     .     0,0090     „  0,0060     „ 

MggPgOy      .     0,0330     „  0,0290     « 

Chloralkalien      0,0808      „  0,0561     „ 

(KCl)2,PtCl4.      0,1665     „  0,1165     „ 

Von  den  untersuchten  Feuerstein-Knollen  war  Nr.  1 
ganz  hart  und  splitterig,  fast  farblos,  Nr.  2  ebenfalls  farblos, 
aber  ziemlich  mürbe  und  leicht  zu  pulvern,  Nr.  3  noch  mürber 
und  dabei  in  der  äusseren  Schicht  mit  Eisen-  und  Manganoxyd 
stark  imprägnirt.  Nr.  1  und  3  wurden  erst  nach  der  Extraktion 
mit  heisser  Salzsäure,  Nr.  2  dagegen  sofort  im  gepulverten  Zu- 
stand mit  Flusssäure  aufgeschlossen.  Bei  Nr.  1  ergaben  7,1 75  Grm. 
der  frischen  Substanz  einen  Gltihverlust  von  0,0744Grm.=l, 038  *^/o, 
ferner  6,101  Grm.  des  Rückstandes  von  der  Behandlung  mit 
Salzsäure  einen  Glühverlust  von  0,0462  Grm.  =  0,757%. 

Nr.  1.  Nr.  2.  Nr.  3. 

Substanz,  lufttr.  .  .  .  20,0  Grm.  —  Grm.  12,097  Grm. 
In  Salzsäure  löslich    .     .     0,328  „  —     „  1,100     „ 


247 


Mit  Flusssäure  wurden  aufgeschlosseu 


3,3775  Grm.  3,4028  Grm.  2,638  Grm. 
0,0215     „       0,0845     „     0,0315    , 
0,0082     y,       0,0095     „     0,0030    , 
0,0200     „  —  — 

0,0190     y,  —  — 

des    Bodens,   sowie  die    „Thonmasse* 


Substanz,  geglüht. 
Darin  Al^Og    .     . 
CaCOg      .     . 
Chloralkalien 
(KCl)2,PtCl4 
Die  Ackerkrume 
wurde   in  derselben  Weise   untersucht,   wie   oben  bezüglich   der 
unteren  thonigen  Schichten    des  Krebsscheeren-Kalksteins   ange- 
geben ist;    nur  nahm  man  hierbei  für  die  Behandlung  mit  kalter 
konzentrirter  Salzsäure  jedesmal  300  Grm.  der  lufttrocknen  Sub- 
stanz in  Arbeit,   so  dass  die  zur   eigentlichen  Analyse    dienende 
und  auf  1000  CG.  verdünnte  Lösung  im  Ganzen  einem  Quantum 
von  200  Grm.  des  lufttrocknen  Bodens  entsprach.     Die  aus  der 
Lösung    abgeschiedene    Kieselsäure    betrug    bei    der  Ackerkrume 
0,0155  Grm.  und  bei  der  Thonmasse  0,0294  Grm.  Weiter  ergab  sich: 

Thonmasse. 
0,0500  Grm. 
1,2633  „ 
42,7  CG. 
0,7625  Grm. 
0,4712  „ 
0,4765  , 
0,0894  , 

0,0476  Grm. 
0,0735  „ 
0,1521   „ 
0,1381   „ 
0,0884  , 

0,1390  Grm. 
0,0890     „ 


200  CG.  Lösung.  Ackerkrume. 

Darin  MugO^ 0,0665  Grm. 

VaFegOa,  AI2O3U.  PjOg   .     .  0,6565     „ 
Chamäleon*  in  V5    •     •     •       21,05  CG. 

also  Va^^a^s     ....  0,3748  Grm. 

VaAlaOa 0,2671     , 

CaCOa 0,8567     „ 

MgaPaO, 0,1210     „ 

300  GG.  Lösung. 

Darin  BaS04. 0,0410  Grm. 

Ghloralkalien 0,0697      „ 

(KG1)2,  PtCl^ 0,1741      , 


MggPaO, 


0,0680 


c. 


alsoPgOg.     .....     0,0435      „ 

300  GG.  Lösung. 

Darin  MggPaOy 0,0692  Grm. 


also  Pg  O5 


0,0443 


Aus  je  20  Grm.  des  lufttrocknen  frischen  Bodens  wurde  in 
gleicher  Weise  der  Extrakt  mittelst  kalter  Salzsäure  dargestellt, 

*  1  CG.  Chamäleon  :=:  0,0025  Fe. 


—     248     — 


der  Rückstand  aber  auf  dem  Filter  zuerst  mit  kaltem  und  dann 
mit  heissem  Wasser  ausgewaschen  und  hierauf  nach  bekannter 
Methode  mit  Soda-Natronlauge  behandelt,  um  die  darin  lösliche 
Kieselsäure  zu  bestimmen ;  in  der  Ackerkrume  fand  man  0,2224  Grm, 
und  in  der  Thonmasse  0,4464  Grm. 

Zur  weiteren  Untersuchung  dienten  je  150  Grm.  des  be- 
treffenden Bodens,  welche  zunächst  mit  konzentrirter  Salzsäure 
ausgekocht  wurden.  Ackerkrume.        Thonmasse. 

Kieselsäure  in  Lösung      .     .     .     0,1570  Grrm.     0,2205  Grm, 

a.  300  CG.  Lösung. 

Darin  MngO^ 0,2010  Grm.     0,1563  Grm. 

V2Fe2  03,Al2  03U.  P2O5  .     .     1,1433     „        3,2288     , 

Chamäleon  zu      ....    (Vg)  42,8  CG.  (V5)  67,1  CG. 

alsoV2Fe203     ....     0,4587  Grm.     1,2100  Grm. 

V2AI2O3 0,6649      ,        1,9423     „ 

CaCOg 1,0434     „        0,5662     , 

MggPaOy 0,1417     ,        0,2799      „ 

b.  300  CG.  Lösung. 

Darin  BaSO^     ......     0,0240  Grm.     0,0444  Grm. 

Chloralkalien 0,1268      „        0,2363      „ 

(KG1)2,  PtCl4 0,3521      ,        0,6683     , 

MggPaOy. 0,0615     „        0,1184     „ 

alsoPaOg 0,0394     ,        0,0758     , 

c.  300  CG.  Lösung. 

Darin  MgaPgOy --  0,1207  Grm. 

also  P2O5 —  0,0772     „ 

Der  Eückstand  von  derBehandlung  mit  heisser  Salzsäure  betrug 

Lufttrocken 127,009  Grm.  109,380  Grm. 

Davon  Substanz 6,449      „  4,947     „ 

Glühverlust 0,200     ,  0,267      „ 

Ferner  Substanz,  lufttr.       .     .     11,2337     „  6,905      „ 

Kieselsäure 0,5301      „  1,107     „ 

Von  obigem  Rückstand  wurden   mit  konzentrirter  Schwefel- 
säure behandelt 

Lufttrockene  Substanz.     .     .     .     11,803  Grm.     10,610  Grm. 
V2  Peg  O3  u.  AI2  O3       .     .     .     0,3037     „        0,6581      « 


—     249     — 

Ackerkrume,         Thonmasse. 
Chamäleon  zu  %  •     •     •  4,1  CG.  7,1  CG. 

also  V2  Feg  O3.     .     .     .     0,02198  Grm.     0,0380  Grm. 

V,  AI2O3 0,28172      ,        0,6201      , 

GaGOg 0,0201        „        0,0035      , 

MggPgOy 0,0825        „        0,0859      , 

Chloralkalien 0,0924       ,        0,0880     , 

(KG1)2,  PtCl^ 0,2496        „         0,2296      „ 

Der  Rückstand  des  Schwefelsäure-Extraktes  betrug" 

Lufttrocken 11,012  Grm.       9,206  Grm. 

Davon  Substanz 3,010     „  3,481      „ 

Glühverlust 0,080     „  0,169     „ 

Ferner  Substanz,  lufttr 4,2450„  5,781      « 

Kieselsäure 0,5161   „  2,127      „ 

Von  diesem  Rückstand  wurden  mit  Flusssäure  aufgeschlossen 

Substanz,  geglüht 3,7200  Grm.     1,6990  Grm. 

Darin  AI2O3 0,1211      „        0,0080     , 

GaCOa 0,0102      „        0,0044     „ 

Mg2P2  07 Spur  - 

Ghloralkalien 0,1176      „        0,0446     , 

(KG1)2,  PtCl^ 0,1645      „        0,0550     , 

Bei  einer  anderen  Untersuchung  lieferten  3,012  Grm.  des 
betreffenden  Rückstandes  aus  der  Ackerkrume  0,1053  Grm.  Chlor- 
alkalien und  0,1295  Kaliumplatinchlorid. 

Als  Glühverlust  des  ganz  frischen  lufttrocknen  Bodens  fand 
man  bei  der  Ackerkrume  in  6,135  Grm.  =  0,534  Grm.  und  bei 
der  Thonmasse  in  7,120  Grm.  =  0,995  Grm. 

3.     Marmorkalk. 

Von  dem  festen  Gestein  wurde  ein  Quantum  von  100  Grm. 
im  gepulverten  Zustande  mit  Salzsäure  in  massiger  Wärme  dige- 
rirt  und  die  Lösung  nach  dem  Abfiltriren  des  Rückstandes  auf 
1000  CG.  verdünnt. 

Rückstand,  in  Salzsäure  unlöslich     .     0,246    Grm. 

CaCOo  aus  25  CG 2,4625     „ 

FegOaU.  A12  03  aus  25  CG.  .     .     .     0,0160     „ 


—     250     — 

MggPa^T  aus  500  CC 0,0105  Grm. 

also  PjOg 0,0067     „ 

Cbloralkalien  aus  700  CC.      .     .     .     0,0258     „ 

(KC1)2,  PtCl4 0,0237     „ 

Die  Ackerkrume  und  die  „Thonmasse*  behandelte  man  zu- 
nächst mit  kalter  konzentrirter  Salzsäure  ganz  in  derselben  Weise, 
■wie  bezüglich  des  Verwitterungsbodens  aus  den  oberen  Schichten 
des  Krebsscheerenkalkes  angegeben  ist.  Die  schliesslich  auf 
1000  CC.  verdünnte  Lösung  entsprach  im  Ganzen  wiederum 
200  Grm.  des  lufttrocknen  Bodens. 

Ackerkrume.        Thonmasse. 
Kieselsäure  in  Lösung     .     .     .     0,0104  Grm.     0,0181  Grm. 

a.  200  CC.  Lösung. 

MngO^ 0,1115  Grm.  0,0847  Grm. 

^AFegOg,  AI2O3U.  P2O5      .     .  0,9784     ,  1,8435     , 

Chamäleon*  zu  V5       ...         35,4  CC.  67,1  CC. 

also  V2  F2Ö3 0,6319  Grm.  1,2264  Grm. 

V2AI2O3.     ......  0,3234     ,  0,5953      „ 

CaCOg 6,2873     „  1,8266      „ 

Mg2P2  0, 0,2345      y,  0,2245      , 

b.  300  CC.  Lösung. 

BaSO^ 0,0806  Grm.  0,0520  Grm 

Chloralkalien 0,0790     „  0,0600     „    . 

(KC1)2,  PtCl^ 0,1750     „  0,1290     „ 

Mg2P2  0y 0,1064     ,  0,1022     . 

also  P2O5 0,0681      ,  0,0654     , 

c.  300  CC.  Lösung. 

MgjPaO, 0,1097  Grm.         — 

alsoPgOs 0,0702     „  — 

Aus  einer  kleineren  Portion  des  lufttrocknen  Bodens  von  je 
20  Grm.  erhielt  man  nach  der  Behandlung  mit  kalter  Salzsäure 
durch  Auskochen  des  Rückstandes  mit  Soda-Natronlauge  bei  der 
Ackerkrume  0,2725  und  bei  der  Thonmasse  0,4740  Grm.  Kiesel- 
säure. 

*  1  CC.  Chamäleon  =--  0,0025  Grm.  Fe. 


251     — 


Durch  Behandlung  von  150  Grm.   des   lufttrocknen  Bodens 
mit  heisser  Salzsäure  wurden  gelöst: 

Ackerkrume.        Thonmasae. 
Kieselsäure  in  Lösung      .     .     .     0,0830  Grm.     0,0770  Grm. 
a.  200  CC.  Lösung. 

MugO^ 0,1004  Grm 


Vi 


2  FegOg,  AI2O3U.  PoO« 


2^5 


Chamäleon  zu 


1,4262      „ 
45,6  CC 


alsoVaFeaOg 0,8140  Grm. 

V2AI2O3 0,5887      „ 

CaCOg 4,6611      „ 

MgjPjOy 0,1742     „ 

b.  300  CC.  Lösung. 

BaSO+ 0,0932  Grm. 

Chloralkalien 0,2181      „ 

(KC1)2,  PtCl^ 0,5555      , 

Mg2P2  0, 0,1102     „ 

also  P2  O5 0,0705     „ 

c.  300  CC.  Lösung. 


Mg2  P2  0, 
also  Pg  O5 


0,0880  Grm. 
2,6252  „ 
74,0  CC 
1,3224  Grm. 
1,2838  „ 
1,5195  . 
0,2825      „ 

0,0643  Grm. 
0,3596     „ 
1,0898     „ 
0,0878     „ 
0,0562      y, 

0,0907      „ 
0,0581     „ 


Der  Rückstand  von  der  Behandlung   mit   heisser  Salzsäure 
betrug 

Lufttrocken 96,607     Grm.  98,580    Grm. 

Davon  Substanz 8,3612     „  2,7521      „ 

Glühverlust 0,7769     „  0,3986     „ 

Ferner  Substanz,  lufttr.     .     .     .  11,6445     „  12,000     „ 

Kieselsäure 1,0520     „  2,6100     „ 


Mit  Schwefelsäure 

handelt 

Lufttrockene  Substanz 
V2F2O3U.  AI3O3 
Chamäleon  zu  Vs 
also  V?  FeoO 

3 


wurden  von    dem   obigen  Rückstand  be- 


2  ^»^2^3 

V2  AU  Oo 


2 

Ca  CO 


10,000    Grm. 
0,6704     „ 

3,6  CC. 
0,0643  Grm. 
0,6061      „ 
0,0165     „ 


10,000    Grm. 
0,7868     „ 

5,3  CC. 
0,0946  Grm. 
0,6922     „ 
0,0095     „ 


—     252     — 

Ackerkrume.        Thonmasse. 

MgjPgOy 0,0615  Grm.  0,0315  Grm. 

Chloralkalien 0,0975     „  0,0818     , 

(KC1)2,  PtCl+ 0,2617      „  0,1800     , 

Der  Rückstand  von  dem  Schwefelsäure-Extrakt  betrug 

Lufttrocken 8,1700  Grm.  8,9820  Grm. 

Davon  Substanz 2,5540     „  3,5740     „ 

Glühverlust 0,1740     ,  0,8112     „ 

Ferner  Substanz,  lufttr.    .     .     .     5,8335     „  6,2381*  „ 

Kieselsäure 1,6190     „  2,2905     „ 

Von  dem  Rückstand  wurden  mit  Flusssäure  aufgeschlossen: 

Substanz,  geglüht 2,2990  Grm.  1,7270  Grm 

Darin  Alg  O3 0,0450     „  0,0090     „ 

CaSO^ 0,1535     „  0,0650     „ 

MggPzOy 0,0085     „  0,0055     „ 

Chloralkalien 0,0525      „  0,0240     „ 

(KC1)2,  PtCl4 0,0882     „  0,0488     „ 

Endlich   ist  noch    zu  erwähnen,    dass   die  Bestimmung    des 

Glühverlustes    in    der    ganz    frischen    lutttrocknen  Substanz    des 
Bodens  ergab: 

Lufttrockene  Substanz  ....     9,4410  Grm.  6,6725  Grm. 

Glühverlust 1,5050     „  1,3460     , 

St  ick  Stoff  best  immun  gen. 
Der  lufttrockene  Boden  wurde  mit  Natronkalk  verbrannt,  das 
gebildete  Ammoniak  in  verdünnter  Salzsäure  aufgefangen,  mit 
Piatinalösung  gefällt  und  aus  dem  Gewicht  des  nach  dem  Glühen 
des  Platinsalmiaks  erhaltenen  metallischen  Rückstandes  der  Stick- 
stoff berechnet. 

Substanz.  Piatina,  Stickstoff. 

1.  Krebsscheeren-Kalk.     Untere  Schichten. 
Ackerkrume  a.     .     5,2166  Grm.     0,0830  Grm.     0,01174  Grm. 
b.     .     4,6187     „        0,0905     „         0,01280     „ 


*  Es  wurde  diese  Bestimmung  mit  einer  anderen  Portion  des 
entsprechend  behandelten  Bodens  vorgenommen;  in  4,1875  Grm.  des 
betreffenden  Rückstandes  ergaben  sich  0,5390  Grm.  Glühverlust. 


253     — 


Substanz. 

Piatina. 

Stickstoff. 

■Untergrund    a  .     .     5,2160  Grm. 

0,0603  Grm. 

0,00853  Grm. 

b  .     .     4,2657      „ 

0,0590      „ 

0,00835     „ 

2.  Krebsscheeren-Kalk.     Obere  Schichten. 

Ackerkrume  a  .     .     5,6624  Grm. 

0,0535  Grm. 

0,00759  Grm. 

b  .     .     4,1500     „ 

0,0496      „ 

0,00704     „ 

Thonmasse    a  .     .     5,0122     , 

0,0556      „ 

0,00789     , 

b  .     .     3,8740     , 

0,0519      „ 

0,00736      „ 

3.  Marmorkalk. 

Ackerkrume  a  .     .     5,2760  Grm. 

0,1077  Grm. 

0,01528  Grm. 

b  .     .     4,0567     , 

0,1025      , 

0,01454      , 

Thonmasse    a.     .     5,1825     „ 

0,0890     „ 

0,01262      , 

b.     .     5,3150     , 

0,0849     „ 

0,01204      , 

Untersuchung  der  Bodenarten  nach  Knop'scher 

Methode. 

A.     Mechanische  Analyse. 

Nachdem  die  grösseren  Steine  ausgelesen  waren,  wurde  das 
ganze  vorhandene  Bodenquantum  im  lufttrocknen,  beziehungsweise 
unter  gelindem  Druck  zerriebenen  Zustande  durch  ein  Blechsieb 
mit  3  Millimeter  weiten  Löchern  hindurchgeschüttelt,  der  Rück- 
stand auf  dem  Sieb  mit  Wasser  gut  abgespült  und  als  Steinchen 
in  Rechnung  gebracht. 

Boden.  Steinchen, 

Krebsscheerenkalk.     Untere  Schicht. 

Nr.  1.    Ackerkrume 1820  Grm.       560  Grm. 

„     2.    Untergrund 1960     „  530     „ 

Krebsscheerenkalk.     Obere  Schicht. 

Nr.  3.    Ackerkrume 4010  Grm.     1520  Grm. 

„     4.    Thonmasse 2387      „  43     , 

Marmorkalk. 

Nr.  5.    Ackerkrume 2470  Grm.       440  Grm. 

„     6.    Thonmasse 2810     „  30      , 

Je  30  Grm.  der  abgesiebten  Masse  hinterliesen  bei  100*^  C. 
an  Trockensubstanz: 


—     254      — 

Nr.  1.  Nr.  2.  Nr.  3.  Nr.  4.  Nr.  5.  Nr.  6. 
Grm.  29,174  28,161  29,137  27,544  28,421  27,067 
Es  betrug  der  mit  Wasser  abgespülte,  bei  100^  getrocknete 
Rückstand  auf  den  Sieben  mit  resp.  2  —  0,8  und  0,3  Millimeter 
weiten  Löchern,  ferner  der  „Feinsand"  im  Knop'schen  Schlämm- 
Cylinder  und  endlich  der  aus  der  Differenz  gefundene  „Staub'* 
des  Bodens,  überall  in  ursprünglich  30  Grm.  der  ziemlich  luft- 
trocknen Substanz: 


Krebsscheerenkalk.     2  Mm. 

0,8  Mm. 

0,3  Mm. 

Feinsand. 

Staub. 

Untere  Schichten.      Grm. 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

1.  Ackerkrume     .     1,179 

5,301 

2,389 

10,726 

9,580 

2.  Untergrund      .     0,918 

2,949 

1,114 

7,955 

15,225 

Obere  Schichten. 

3.  Ackerkrume      .     0,247 

0,965 

6,045 

7,775 

14,105 

4.  Thonmasse  .     .        — 

0,740 

1,294 

7,955 

17,555 

Marmorkalk. 

5.  Ackerkrume      .     0,720 

2,176 

1,153 

9,944 

14,628 

6.  Thonmasse  .     .     0,144 

0,592 

0,990 

4,571 

20,770 

B.     Chemis  che  Analyse. 
Die  Bestimmung  des  Kohlenstoffes  in  der  Feinerde  erfolgte 
auf  nassem  Wege  unter  Anwendung  von  Chromsäure*  und  ebenso 
die  Bestimmung  der  Bestandtheile  des  Feinbodens  nach  der  von 

Knop  gegebenen  Vorschrift**. 

Krebsscheeren-Kalk. 

Untere  Schichten.         Obere  Schichten. 

Ackerkr.  Untergrund,  Ackerkr.  Thonmasse. 

Lufttrockene  Feinerde  . 

Verlust  bei  100 <^      . 

Lufttrockene  Feinerde   . 

Glühverlust      .     .     . 

Feinerde  zur  C-Bestimraung  5, 000 

Kohlensäure  a 

b      . 

*  Vgl.  E.  Wolff  «Anleitung  zur  chemischen  Untersuchung  land- 
wirth schaftlich  wichtiger  Stoffe».    3.  Auflage,  S.  39.    Berlin,  1875. 
**  Ebds.  S.  85. 


Grm. 

Grm. 

Grm. 

Grm. 

2,224 

1,314 

1,760 

1,527 

0,054 

0,051 

0,025 

0,069 

1,688 

1,263 

2,464 

1,343 

0,202 

0,128 

0,196 

0,161 

5,000 

5,000 

5,000 

5,000 

0,225 

0,126 

0,145 

0,056 

0,235 

0,135 

0,151 

0,064 

-     255     - 

Grm.  Grm.  Grm.  Grm. 

Feinboden,  geglüht  .     .     1,163  1,310  1,177  1,073 

Gesammt-Kieselsäure      0,391  0,602  0,961  0^735 

Sesquioxyde     .     .     .     0,100  0,192  0,178  0,266 

Feinerde,  lufttr.  .     .     .     5,866  5,289  5,498  4,651 

entsprechend  Feinboden  5,164  4,752  5,058  4,093 

VgCaCOg.     .     .     1,426  0,808  0,054  0,023 

Feinerde,  lufttr.  .     .     .     2,012  2,031  2,039  2,028 

entsprechend  Feinboden  1,771  1,825  1,877  1,785 

Kieselsäure-Thon   .     0,758  1,052  1,768  1,548 

Marmorkalk. 

Ackerkrume.  Thonmasse. 

Grm.  Grm. 

Lufttrockene  Feinerde    ,     .     2,030         1,406 

Verlust  bei  100 »      .     .     0,062         0,060 

Lufttrockene  Feinerde    .     .     2,167         2,177 

Glühverlust 0,348         0,399 

Feinerde  zur  C-Bestimmung     5,000         5,000 

Kohlensäure  a  .     .     .     .     0,110         0,130 

b  .     .     .     .     0,118         0,135 

Feinboden,  geglüht   .     .     .     1,100         1,448 

Gesammt-Kieselsäure      .     0,674         0,689 

Sesquioxyde      ....     0,258         0,520 

Feinerde,  lufttr 5,370         5,359 

entsprechend  Feinboden.     4,507         4,377 

VgCaCOg 0,320         0,208 

Feinerde,  lufttr 2,027         2,026 

entsprechend  Feinboden  .     1,701  1,655 

Kieselsäure-Thon    .     .     1,320  1,277 

Zur  Bestimmung  der  Absorptionsfähigkeit  des  Bodens  wurden 
vorschriftsgemäss  50  Grm.  Feinerde  mit  5  Grm.  Kreidepulver 
gemischt  und  hierauf  mit  100  CC.  einer  Salmiaklösung  behandelt, 
welche  bei  der  Zersetzung  mittelst  bromirter  Natronlauge  aus 
1  CC.  der  Flüssigkeit  genau  1  CC.  Stickgas  lieferte  (auf  mittleren 
Barometerdruck  und  0^  berechnet).  Die  Differenz  bei  der  Stick- 
stoffbestimmung in  jedesmal  10  CC.    der   vom  Boden  abfiltrirten 


—     256      - 

Flüssigkeit  ergab,  nach  der  Berechnung  auf  100  Grm.  Feinerde 
und    200  CC.    der    Salmiaklösung,    die  Absorptionsfähigkeit   dea 

Bodens. 

Krebsscheeren-        Ent-        Tempe-  Baro-  Volumen  Diffe-  Absorption 

Kalk.             wickelt.        ratur.  meter.  bei  0»  etc.  renz.  für  200  CC. 

UntereSchichten.      CC.  Mm.  CC.        CC. 

Ackerkrume  a  7,20  +  0,21    13«  734  6,681    3,319  66,4 

b  7,10  +  0,21    13<>  734  6,676    3,324  66,5 

Untergrund    a  4,80  +  0,16    13«  734  4,501    5,499  109,9 

b  4,90  +  0,16    13«  734  4,592    5,408  108,1 
Obere  Schichten. 

Ackerkrume  a  7,70  +  0,23    14«  731  7,128    2,872  57,4 

b  7,60  +  0,23    14«  731  7,044    2,956  59,1 

Thonmasse        4,20  +  0,13    14«  731  3,895    6,105  122,0 

Marmorkalk. 

Ackerkrume      5,40  +  0,16    13«  734  5,046    4,954  99,1 

Thonmasse        3,80  +  0,11    13«  734  3,555    6,445  128,9 


Ausgegeben  am  15.  Februar  1878. 


Geologisches  aus  dem  Libanon 

von  Dr.  Oscar  Fraas. 


Eundschau  im  Libanon. 

Der  Blick  auf  eine  jede  Karte  von  Syrien  zeigt  schon  die 
Gleichartigkeit  der  Terrainbildung  von  der  pelusischen  Ecke  an 
bis  zum  Vorgebirge  von  Tripolis  (Taräbulüs)  gegenüber  der 
kyprischen  Insel.  Genau  15  ^  östlich  von  dem  magnetischen 
Meridian  *  ist  in  nahezu  gerader  Linie  das  Festland  gegen  das 
Meer  abgeschnitten.  Diese  Gerade  macht  nur  2  kleine  hacken- 
förmige  Absätze,  den  ersten  am  Eas  Karmel,  hinter  dem  die 
geschützte  Bai  von  Haifa  liegt  und  am  Ras  Beirut  mit  der 
*St.  Georges-Bai  und  dem  Hafen  von  Beirut.  Eine  kleine  Unter- 
brechung der  geraden  Küstenlinie  bildet  ausserdem  die  Bucht 
von   Djüni   mit   dem  Hafen   des   Mont   Liban  ^.     Das    natürliche 


^  Gegenwärtig  ist  an  der  ganzen  syrischen  Küste  keine  Abweichung 
der  Magnetnadel  mehr  zu  beobachten,  der  astronomische  und  der  mag- 
netische Meridian  decken  sich,  1876  hatte  die  Abweichung  noch  vier 
Minuten  betragen.  Alle  früheren  nach  dem  magnetischen  Meridian 
angestellten  Kartenaufnahmen  sind  daher  heutzutage  ungenau  geworden. 

^  Um  den  Libanon  vom  Verkehr  mit  der  Welt  abzuschneiden, 
volkswirthschaftlich  zu  isoliren  und  in  faktischer  Abhängigkeit  von  der 
Pforte  zu  erhalten,  blieben  die  Hafenstädte  Taräbulüs,  Beirut  und  Saida 
vom  Vertrag  des  Jahres  1862  ausgeschlossen.  Gerade  die  wichtigsten 
Plätze  des  Landes  blieben  mit  türkischen  Paschas  besetzt,  türkische 

Württemb.  naturyr.  Jahreshefte.     1878.  17 


—     258 


Nord-Ende  der  syrischen  Küste  bildet  das  alte  dsov-nQdaconov, 
italienisch  das  Kap  „Madonna^  arabisch  Ras  esch-Schakka,  von 
wo  das  Streichen  der  Küste  in  ein  nordöstliches  übergeht',  bis 
nördlich  Taräbulüs  mit  der  Bai  von  Akkar  ein  neues  Land  beginnt, 
das  zum  System  Kleinasiens  gehört. 

Parallel  mit  der  syrischen  Küste  streicht  das  syrische  Gebirge 
und  die  Bekäa,  wobei  jedoch  das  libanesische  Gebirge  vom  hohen 
Sannin  au  eine  nordostnördliche  Richtung  einhält,  welcher  Richtung 
auch  die  Bekäa  folgt,  das  weite  Thal  von  Baalbek,  welches  in 
alten  Zeiten  das  zusammenhängende  Gebirgsmassiv  in  Libanon 
und  Antilibanos  gespalten  hat.  Geologisch  ist  die  Bildung 
der  Meeresküste  und  der  Jordanspalte  und  die  Bildung 
des  syrischen  und  transjordanischen  Gebirges  nur  Eine  That", 
welche,  wie  ich  unten  zeigen  werde,  in  die  Zeiten  nach  Ab- 
lagerung des  Eocängebirges  und  der  älteren  Miocäne  fällt, 
d.  h.  in  die  Zeit  der  jüngeren  Miocäne. 

Der  Blick  auf  das  Land  selbst  lässt  den  Zureisenden  schon 
vom  Bord  des  Dampfers  aus  erkennen,  dass  das  Gebirge  vom 
pelusischen  Winkel  an,  wo  seine  tiefste  Erniedrigung  ist,  nach 
Norden  sich  erhebt.  Auch  hier  wieder  sind  Unterbrechungen 
durch  das  Tiefland  des  Kison  und  des  Litäni.  Von  deren 
Niederungen  an  erhebt  sich  wieder  das  Gebirge,  bis  es  im  hohen 
Sannin  und  Akkar  seine  höchste  Entwickelung  erreicht.  Im  Laude 
selbst  gewährt  die  beste  Umschau  zur  oberflächlichen  Orientirung 
der  Nebi  Säfi  im  Süden  des  Libanon.  (1346  m  ü.  d.  M.)  Mit 
Ausnahme  des  östlichen  Ausblicks  ist  die  Fernsicht  nach  allen 
Himmelsrichtungen  offen.  Gegen  Morgen  zwar  legt  sich  der 
schneebedeckte  Hermon  (Djebel  esch  Schech)  in  seiner  ganzen 
massigen  Grösse  vor  das  Auge.    Unvergleichlich  dagegen  ist  der 

Douanen  erheben  die  Zölle  und  chikaniren  nicht  blos  die  Fremden 
sondern  selbst  den  Pascha  vom  Libanon,  der  sich  oft  genug  über  die 
Impertmenz  der  türkischen  Beamten  zu  beklagen  hat.  Um  diesen 
unwürdigen  Zuständen  zu  entgehen,  haben  die  Libanesen  angefangen 
m  der  Bucht  von  Djüni  eine  eigene  libanesiche  >Marine.  zu  schaffen. 
JedenfaUs  em  freudiger  Beweis  der  nationalen  Kräftigung  dieses  Ge- 


—     259     — 

Ausblick  nach  Süden  und  Westen.  Im  Süden  schaut  man  zu- 
nächst in  die  Tiefebene  des  Hule  und  die  wilden  Schluchten 
des  Litäni,  begränzt  Vön  dem  Karmelzug,  der  über  den  Tabor 
zu  den  Höhen  von  Tiberias  sich  hinzieht  und  drüben  über  dem 
spiegelnden  See  in  den  zackigen  Höhen  des  Haurans  sich  fort- 
setzt. In  bläulichem  Duft  liegen  in  der  Ferne  die  Berge  von 
Juda.  Soweit  man  die  Meeresküste  überblickt,  d.  h.  vom  Karmel 
bis  zum  Eas  Beirut,  überzeugt  man  sich  vom  abrupten 
Einbruch  der  Berge,  der  sich  untermeerisch  ebenso 
fortsetzt,  wie  er  zu  Tage  beobachtet  wird.  Ein  schmales  roth- 
gelbes Band  legt  sich  zwischen  den  fahlen  Kreideboden  und  das 
grüne  Meer.  Der  Blick  nach  Norden  führt  in  den  eigentlichen 
Libanon  hinein,  dessen  Berge  riesigen  Maulwurfshügeln  gleichen, 
die  nebeneinander  und  hintereinander  hingeworfen  sind  und  sich 
je  nach  ihrer  Zusammensetzung  aus  Kalkfelsen,  Sandstein  oder 
Mergel  bald  steiler,  bald  flacher  legen.  Jeder  dieser  Hügel 
besteht  aus  einem  System  vieler  Schichten,  die  sich  wie  Bänder 
durch  den  Berg  ziehen.  Doch  ist  der  nächste  Hügel 
wieder  ausser  Zusammenhang  mit  dem  ersten,  so 
dass  man  denselben  Eindruck  bekommt,  den  im  Kleinen  bei  einem 
Eisgang  gestrandete  Schollen  auf  uns  machen.  Jede  der  Berg- 
schollen hing  einst  mit  der  Schichtentafel  zusammen,  was  die 
regelmässigen  Schichtenlager  beweisen,  die  im  Querprofil  wie 
Bänder  sich  uns  vorstellen.  Bei  der  Gebirgsbildung  ging  die  bis 
dahin  horizontal  lagernde  Gebirgstafel  in  Trümmer,  die  Trümmer 
aber,  gehoben  und  geschoben,  legten  sich  neben  und  hinter 
einander,  wobei  jedoch  die  Richtung  von  N  nach  S  und  recht- 
winklig darauf  von  0  nach  W  die  herrschende  bleibt.  Was  den 
Blick  auf  die  Schichtenbänder  besonders  anmuthig  macht,  ist  der 
Wechsel  der  Farben  dieser  Bänder.  Ein  Maler  z.  B.,  der 
die  Landschaft  malen  wollte,  hätte  sich  davor  zu  hüten,  dass  er 
die  oft  wirklich  grellen  Farbenbänder,  die  sich  über  einen  Berg 
hinziehen,  nicht  in  ihrer  natürlichen  Farbe  darstellte.  Auf  dem 
Gemälde  wäre  das  kirschrothe  horizontale  Band  um  den  Berg 
entschieden  unschön,  in  Wirklichkeit  selbst  machen  auch  die  lang 
gestreckten  Geraden  die  Berge  monoton,  es  fehlt  dem  Auge  der 

17* 


—      260     — 

Ruhepunkt  eines  Wechsels,  um  so  mehr,  als  die  Entwald  ang^ 
der  libanesischen  Berge  auf  die  entsetzlichste  Weise  schon 
vorgeschritten  ist.  Erst  ein  Basaltgang,  eine  Verwerfung,  ein 
Hackenschlag  oder  wie  man  die  geologische  Störung  nennen  mag, 
macht  der  sedimentären  Langweile  ein  Ende  und  bringt  wieder 
einen  frischen  Wechsel  in  die  Landschaft. 

Ganz  besonders  verdanken  die  libanesischen  Landschaften 
nicht  blos  ihre  Schönheit,  sondern -auch  ihre  Fruchtbarkeit  und 
Fülle  dem  Basaltit,  der  an  zahllosen  Orten  zum  Ausbruch 
gekommen  ist.  Auf  der  meinen  Aufnahmen  zu  Grunde  liegenden 
ganz  vortrefflichen  Karte  ^  des  französischen  Expeditions-Korps 
in  Syrien  habe  ich  allein  72  Ausbruchspunkte  der  basaltischen 
Massen  verzeichnet,  die  theilweise  ganz  gewaltige  Ergüsse 
gemacht  haben.  Nirgends  aber  hatte  ich  Gelegenheit  irgend 
welche  Niveau- Störungen  kennen  zu  lernen,  welche  im  Gefolge 
der  Basalt-Ergüsse  wären.  Ein  Beispiel  für  viele  mag  genügen: 
Einen  der  fürchterlichsten  Felsschründe  des  Libanons  durchtost 
der  Kadischafluss ,  der  am  Fuss  des  Cedernwaldes  unter  altem 
Moränenschutt  seinen  Ursprung,  seine  reichen  Zuflüsse  von  allen 
Seiten  des  Felsenkessels  im  Bscherre  hat  und  nach  etwa  drei- 
stündigem Lauf  schon  so  gewaltige  Wassermassen  wälzt,  dass 
nur  halsbrecherische  Stege  noch  die  beiderseitigen  Ufer  ver- 
mitteln. In  der  Nähe  von  Kannobin  nun,  zu  unterst  im  Thal 
hart  am  tosenden  Strom,  ist  ein  basaltischer  Tuff  in  einer  Spalte 


^  Es  ist  ein  himmelschreiender  Frevel,  den  die  Einwohner  seit 
Jahren  durch  türkische  Wirthschaft  daran  gewöhnt,  an  ihrem  Wald 
begehen.  Ja,  könnte  man  etwa  von  Abholzung  im  Sinn  der  europäischen 
Forstverwaltung  zur  Gewinnung  von  Nutzholz  reden,  aber  es  ist  von 
einer  Nutzung  des  Waldes  überhaupt  gar  nicht  die  Rede.  Ueberall 
herrscht  die  muth willigste,  niederträchtigste  Verstümmelung  der  vom 
früheren  Wald  noch  übrig  gebliebenen  Bäume.  Es  ist  das  eine  wahr- 
haftige Selbstschändung,  eiue  nationalökonomische  Schädigung,  die 
man  nicht  genug  brandmarken  kann  vor  der  civilisirten  Welt. 

*  Carte  du  Liban,  d'apres  les  reconnaissances  de  la  brigade  topo- 
graphique  du  corps  expeditionnaire  de  Syrie  en  1860  —  1861,  dressee 
au  depot  de  la  guerre  etant  directeur  le  general  Blondel  sous  le 
miuistere  de  S.  E.  le  marechal  comte  Randon.  1862. 


d 


—     261     — 

aufgesetzt,  die  Spalte  streicht  rechtwinklig  auf  den  Kadischa, 
der  hör.  7  seinen  Lauf  hat,  sie  streicht  folglich  hör.  1.  Vom 
Kadischasteg  bis  auf  die  erste  Höhe  bei  Blauza  lässt  sich  der 
Tuffgang  verfolgen  über  eine  Höhendifferenz  von  450  m  hin. 
Der  Tuff  durchsetzt  die  Dolomite,  die  in  wilden  Formen  dem 
Kadischathai  seinen  Hauptreiz  verleihen,  und  weil  voll  Höhlen 
und  Löcher,  seit  ältester  Zeit  die  Anachoreten  anzogen.  In  halber 
Höhe  zwischen  Blauza  und  dem  Thal  liegt  das  alte  Heiligthum 
der  Libanesen,  das  379  von  Theodosius  gestiftete  Kloster  Kan- 
nöbin.  Ehe  man  an  die  Klosterpforte  kommt  trifft  man  die  kleine 
Felsenkapelle  der  heiligen  Jungfrau  neben  einer  der  wunder- 
barsten Eichen,  die  man  finden  mag.  Unter  dem  rohen  in  die 
Felsen  gemeisselten  Steinkreuz,  das  jeder  Libanese  küsst,  der  des 
Weges  geht,  drückt  sich  aus  dem  Basalttufif  der  frische  Quell, 
ohne  den  niemalen  eine  Ansiedlung  in  dem  Felsenneste  ent- 
standen wäre,  welches  später  zum  Kloster  Kannöbln  wurde. 

Ohne  jegliche  Verwerfung  der  beiderseitigen  Dolomitwände 
klafft  die  tufferfüllte  Spalte.  Wo  aber  die  Dolomitwände  auf- 
hören und  darüber  der  Sandstein  anfängt,  hat  sich  im  Liegen- 
den des  Sandes  der  basaltische  Erguss  ausgebreitet,  weithin 
Schichten  bildend,  welche  ein  sedimentäres  Gemenge  von  Sand, 
Thon  und  vulkanischem  Gestein  sind.  Solche  Stellen  geben  Auf- 
schluss  über  die  Bildung  von  Schichten,  deren  Ursprung  in  Gegen- 
den, denen  Basaltitergüsse  fehlen,  nahezu  unverständlich  ist.  Mitten 
in  der  libanesischen  Sandsteinbildung,  w^o  z.  B.  bei  dem  Metäwile- 
dorfe  Djebä  die  Mühle  steht  und  unter  herrlichen  Nussbäumen  der 
Gebetsplatz  der  Einwohner  ist,  steht  eine  Bank  glaukonitischen  Kalk- 
mergels an ,  die  man  in  Handstücken  von  europäischen  Grünsand- 
stücken nicht  unterscheiden  kann.  Verfolgt  man  diese  Bank  nach 
INorden  und  Nordosten,  so  schwillt  sie  zu  einer  Bank  Basaltittuffan, 
wobei  der  sedimentäre  Charakter  der  Bank  verloren  geht.  Die  Bank 
wird  zu  einem  ungeschichteten  massigen  Stock  von  Basaltit,  dessen 
Erguss,  wie  hier  deutlich  nachgewiesen  werden  kann,  zur  Bil- 
dung der  Grünsand-Schichten  der  mittleren  Kreide  geführt  hat. 
So  bunt  nun  auch  die  Landschaft  durch  die  Basaltit-Ergüsse 
wird    und    so    abwechselnd    die    Gegend   innerhalb    der    engeren 


—     262     — 

Grenzen  einer  GebirgsschoUe  ist,  so  treten  doch  keine  anderen 
Motive  bei  der  Oberflächegestaltung  hinzu.  In  jeder  Gegend 
des  Libanons,  in  jedem  der  Thäler,  deren  Wasser  raschesten 
Laufs  dem  Meer  zueilen,  in  jeder  Lichtung  oder  Weitung  auf  den 
Höhen,  wie  in  jeder  Bergschlucht  wiederholt  sich  stets  das  Be- 
kannte, d.  h.:  starre  Felsen  von  Dolomit  und  Marmor,  der  Sand- 
stein mit  seinem  Zugehör  und  vielgeschichtete,  bankdurchzogene 
Mergel  der  mittleren  Kreidezeit,  welche  als  Turon-Etage  bezeich- 
net wird.  Innerhalb  dieser  3  Factoren  unterscheiden  sich  die 
einzelnen  Gegenden  nur  dadurch,  dass  das  jüngste  zuweilen  zu 
Unterst  liegt  und  das  älteste  oben,  ein  anderesmal  ist  die  regel- 
richtige Lagerung  erhalten  worden,  nie  aber  hält  die  eine  oder 
andere  Schichte  einen  bestimmten  Horizont  über  dem  Meere  ein. 
Die  Felsen  des  Ras  Beirut,  an  welchen  das  Meer  brandet  und 
welche  zwischen  dem  Nähr  Beirut  und  dem  Meer  die  Unterlage 
für  die  Stadt  und  die  Gärten,  ebenso  wie  für  die  Sandwüste  im 
Süden  der  Stadt  bilden,  gehören  dem  oberen  Horizont  der  Rudisten- 
zone^  an.  Normaler  Weise  sollten  sie  über  dem  Sand  liegen,  trotz- 
dem liegen  sie  hier  unter  demselben,  denn  sobald  man  den  Nähr 
Beirut  überschritten  hat  und  auf  das  Gebirge  lossteuert,  fängt 
mit  der  ersten  Erhebung  der  gelbe  Sand  und  Sandstein  an. 
Man  steigt  zunächst  220  m  hinan  bis  zu  einer  Terrasse  im 
Gebirg,  die  übrigens  aus  demselben  Sandstein  besteht,  über  dessen 
schiefe  Ebene  man  bereits  hinangestiegen  war.  Abermals  steigt 
man  nach  kurzer  Unterbrechung  durch  einen  Terrassen-Absatz 
wieder  auf  abgerutschtem  Sandstein  154  m  weiter  hinan,  wo 
ein  zweiter  Absatz  ist,  der  immer  noch  Sandstein  hat,  wie 
der  erste.  100  m  höher  gelangt  man  auf  den  dritten  Absatz, 
der  durch  ein  Steinmeer  von  verstürzten  Kalkfelsen  bezeichnet 
wird.  Erst  von  hier  ab  gelangt  man  in  die  horizontale  Lagerung 
des  Sandsteins,  an  welchem  man  weitere  260  m  hoch  hinan- 
steigt, über  einen  Wechsel  von  dunkeln  Thonen,  farbigen  Sanden, 


*  Von  den  Felsen  bei  den  Gärten  am  Fusse  der  Wüste,  die  am 
weitesten  gegen  Westen  ins  Meer  reichen,  sammelte  ich  denselben 
Radiolites  radiosus  d'Orb.,  den  ich  später  1000  m  höher  bei  Kloster 
Meifük  in  grosser  Menge  traf. 


—     263     — 

lichten  Sandsteinen  u.  s.  w.,  bis  bei  710  m  ü.  d.  M.  der  reizende 
Ort  Betmere  erreicht  ist.  Ging  es  steil  hinan  bis  Betmere ,  so 
geht  es  noch  viel  steiler  hinab  zur  Salimaschlucht ,  einem  Auf- 
rissthal, in  welchem  die  normale  Aufeinanderfolge  der  Schichten 
beobachtet  werden  kann.  360  m  mächtig  erscheint  hier  die 
Sandformation,  unter  ihr  die  Glandiferen-Zone  und  die  Dolomit- 
felsen, in  welchen  der  Fluss  tost. 

Dasselbe  Profil,  das  der  Abstieg  gezeigt  hat,  trifft  man  beim 
Aufstieg  nach  dem  in  ziemlich  gleichem  Niveau  mit  Betmere 
gelegenen  Keseibe.  Mit  Ersteigung  dieser  Höhe  betritt  man  die 
grosse  fruchtbare  Einsenkung  der  Provinz  Metn,  welche  fast 
durchweg  aus  Sandformation  besteht,  aus  welcher  immer  nur 
einzelne  Klippen  feuersteinreicher  Kalke  und  Dolomite  in  male- 
rischen Formen  hervorschauen.  Sie  sind  ausnahmslos  nur  Trümmer, 
die  bei  dem  Einsturz  des  alten  Schichtengebäudes  sich  verloren. 
Innerhalb  der  Sandformation  begegnet  man  ferner  einer  beträcht- 
lichen Anzahl  basaltischer  Punkte,  theils  massigen  Ergüssen, 
theils  Verwitterungen  der  vulkanischen  Masse,  Thonen  und  Sand- 
mergeln^,  bis  der  nächste  Aufstieg  zu  den  festen  Muschelbänken 
der  Cardien  und  Austern  führt.  Die  Bänke  umgeben  mit  einem 
förmlichen  Felsenkranz  die  eingebrochene  Landschaft  von  Metn. 
An  der  Grenze  des  Sandes  und  der  Felsen  entspringt  bei  1110  m 
ü.  d.  M.  der  Nähr  el  Beirut.  Die  über  der  Quelle  senkrecht 
aufsteigenden  Felsen  bilden  einen  Ueberhang  von  nahezu  100  m. 
Mit  Mühe  ersteigt  man  die  Terrasse  und  steht  auf  einer  culti- 
virten  Hochfläche  mit  mergeligem  Untergrund ,  die  Höhe  beträgt 
1440  m.  lieber  der  Hochfläche  erhebt  sich  erst  der  die  Pro- 
vinz beherrschende  Keneise  (Kirche)  um  beiläufig  200  m 
höher.  Aber  wie  erstaunt  man ,  statt  neuer  jüngerer  Kreide- 
gebilde auf  einmal  wieder  im  Sandgebirge  sich  zu  befinden ,  das 
man  bei  1000  m  verlassen  hatte  und  vom  Fuss  des  Keneise  bis 
zu  dessen  Gipfel  nur  eine  Wiederholung  der  bereits  über- 
schrittenen Schichten.  Ebenso  wenig  begegnet  man  einem 
neuen  Formationsglied  vom  Keneise  ostwärts  bis  in  die  Bekäa 
überall  liegen  nurdie  abgesprengten  Schollen  der  drei  uns  bereits 
bekannten  Glieder. 


264 


Der  naclisteheiide  Holzschnitt  ist  ein  idealer  Gebirgsdurch- 
schnitt  (auf  Grund  der  neuesten  Petermann'schen  Karte)  von 
der  Mündung  des  Nähr  Beirut  über  den  Djebel  Keneise  nach 
der  Bekäa  und  dem  Djebel  Zebedäni  im  Antilibanos.  Dies 
bleibt  der  typische  Charakter  im  ganzen  syrischen  Lande. 
Irgend  ein  Gebirgsglied  liegt  im  Niveau  des  Meers  oder  wie 
im  el  Ghör  bis  zu  300  m  unter  dem  Meeresniveau,  dasselbe 
Glied  liegt  aber  auch  ebenso  2000  m.  über  dem  Meer  und  kann 
sich  zwischen  beiden  Extremen  finden,  wo  es  nur  will.  Stets 
ist  ein  Niveau  vom  andern  durch  Sprünge  und  Klüfte  getrennt, 
welche  allerdings  mit  Vorliebe  von  Nordsüd  und  Westost  das 
ganze  Gebirge  durchschneiden. 


Meer. 


Salimathal.   Metn 


Keneise. 


Litäni 


Dass  die  ganze  Oberflächegestaltung  von  dieser  Zerreissung 
des  Gebirgsmassivs  abhängt,  versteht  sich  von  selbst.  In  den 
Aufrissspalten  fliessen  die  Wasser ,  die  von  den  Niederschlägen 
auf  den  Höhen  und  namentlich  durch  den  schmelzenden  Schnee 
gespeist  werden.  Wie  sie  das  Land  durchfeuchten  und  es  zu  einem 
gesegneten  Fruchtland  machen,  dienen  sie  zugleich  zum  Schutz  der 
libanesischen  Bevölkerung,  welche  von  einem  äusseren  Feind 
nichts  zu  fürchten  hat,  denn  nie  ist  es  einem  Feinde  möglich, 
über  die  Felsschründe  weg  oder  durch  die  schauerlichen  Schluch- 
ten eine  Invasion  ins  Land  zu  machen.  Daher  auch  die  eigen- 
thümliche   Erscheinung,    dass    sich    das   Christenthum   seit   dem 


~     265     — 

5.  und  6.  Jahrhundert  in  den  Bergen  wahrscheinlich  ziemlich 
unverändert^  erhalten  hat,  trotzdem  dass  der  Islam  ringsum  alle 
Länder  besetzte  und  in  der  Christenheit  selbst  seit  jener  Zeit 
die  tiefgreifendsten  Wandlungen  im  Dogma  statt  gehabt  haben. 


^  Die  300000  Christen  im  Libanon  sind  weitaus  zum  grösseren  Theil 
Maroniten  (nach  dem  Einsiedler  Maron,  der  ums  Jahr  400  im  Libanon 
gelehrt  haben  soll).  Ihr  Dogma  ist  ein  ausgesprochen  monoteletiscbes 
während  die  gleichfalls  im  Libanon  lebenden  Jakobiten  (nach  Jacobus 
von  Baradai  um  540)  ausgesprochene  Monophysiten  sind.  Seit  dem 
5.  ökumenischen  Koncil  wurde  in  Folge  der  Besetzung  Syriens  durch 
den  Islam  der  Libanon  isolirt  und  seine  geistige  Entwicklung  durch 
Berührung  mit  dem  übrigen  Christenthum  gehemmt,  so  dass  die  Jahr- 
hunderte sozusagen  spurlos  wie  an  den  Felsen  des  Libanons  so  auch 
an  der  Religion,  den  Sitten  und  Bräuchen  seiner  Bewohner  vorüber- 
gingen. 


Die  einzelnen  Schichtenglieder. 

Weder  an  der  syrischen  Küste  zwischen  Ghazza  und  Ta- 
räbulüs,  noch  im  eigentlichen  syrischen  Hochland,  noch  auch  in 
Coelesyrien  und  dem  Jordanthale  bis  zur  Akäba,  ist  meines  Wissens 
bis  jetzt  die  Spur  eines  älteren  Gebirges  als  die  Kreide  beob- 
achtet worden.  Alle  die  lichten  Kalke,  Marmore  und  Dolomite» 
welche  frühere  Reisende  wegen  der  äussern  Aehnlichkeit  mit  den 
Felsen  des  weissen  Jura  als  jurassisch  angesehen  und  im  Abend- 
land für  jurassisch  ausgegeben  haben,  verwandelten  sich  bei 
genauerer  Prüfung  in  Gebirgsglieder,  welche  der  Kreidefor- 
mation  angehören. 

Man  weiss  in  der  That  nicht,  worüber  man  mehr  sich  wun- 
dern soll,  ob  über  die  Mächtigkeit  dieser  Formation  oder 
über  deren  räumliche  Verbreitung.  Ist  doch  von  Algier  an 
im  ganzen  Land  der  Moghrebin'^  die  weitaus  Alles  beherrschende 
Formation  als  Neokom,  Cenoman,  Turon  und  Senon  beschrieben. 
Zwischendieser  Kreide  und  dem  alten  crystallinischen  Gebirge  steckt 
noch  ein  Fetzen  von  unterem  Lias,  ähnlich  wie  auch  der  Felsen 
von  Gibraltar  nach  Höchste tters  Beobachtungen  aus  liasischem 
Kalk  mit  Terehratula  tetraedra  und  Spirifer  tumidus  be- 
steht. Weiterhin  dehnt  sich  dieselbe  Kreideformation  über  das 
ganze  tripolitanische  Gebiet,  wie  weit  hinein  in  die  Sahara  weiss 
gar  kein  Mensch,  in  die  lybische  Wüste  bis  zu  Oase  Siuha,  wo 


'  L.  Hardouin:   über  d.  Geologie    der  Provinz  Constantine,  bull 
d.  1.  soc.  geol.  d.  France,  1868,  T.  XXV.  p.  328. 


—     267      — 

die  Eohlfs'sche  Expedition  vom  Jahr  1874  in  der  Wüste  sowohl 
als  in  den  Oasen  allenthalben  die  ewig  gleiche  Formation  antraf. 

Die  einzelnen  Fossile,  welche  Overweg,  Nachtigal, 
Eohlfs  aus  den  weiten  Länderstrichen  zwischen  dem  1.  und  26. 
Längengrad  östlich  von  Greenwich  mitgebracht  haben,  die  überaus 
reichen  Sammlungen,  welche  Zittel  von  den  Oasen  Dachel,  Fara- 
fre  und  Siwa,  sowie  auf  dem  Wege  in  der  Wüste  zusammen- 
gebracht hat,  zeigen  keinen  anderen  Horizont  an ,  als  den  der 
Kreide.  Auch  Zittel  hat  in  dem  sog.  nubischen  Sandstein  nur 
eine  Etage  dieser  Formation  erkannt ,  die  beiläufig  dem  mittel- 
europäischen G-rünsand  zu  vergleichen  ist,  und  wir  können  die 
Anschauung  von  Dr.  Klein  ^  nur  billigen,  wenn  er  gerade  diese 
Abtheilung  der  Kreide  als  den  Hauptfactor  der  Wüstenbildung 
ansieht.  Die  immer  fortschreitende  Zersetzung  des  Kreidesand- 
steins durch  die  Extreme  der  Wüstentemperatur,  die  Bewegung 
des  gelösten  Quarzsandes  durch  die  herrschenden  West-  und  Süd- 
weststürme haben  ganz  wesentlich  das  Vorwärtsrücken  der  Wüsten- 
zone nach  Norden  und  Osten  zur  Folge. 

Wenn  im  eigentlichen  Nilthal  die  eocäne  Formation  eine 
kurze  Unterbrechung  bildet  und  auf  eine  noch  kürzere  Entfernung 
auf  der  Landenge  von  Suez  ^  sich  Miocän  und  Pliocän  einschiebt, 
so  fängt  mit  dem  Betreten  des  syrischen  Bodens  die  Kreide- 
formation wieder  an  und  hält  als  Küstengebirge  an  bis  Taräbulüs. 

In  Kleinasien  tritt  ein  ausgebildetes  Tertiär  an  die  Küste 
heran,  um  aber  am  Pontus  und  an  der  Donau  die  Kreide  wieder 
zu  Tage  treten  zu  lassen.  An  der  ganzen  Nordseite  des  Bal- 
kans herrscht  sie  nach  Höchst  et  ters  belehrender  Karte  und 
folgt  nun  dem  Lauf  der  Drave,  das  illyrische  Dreieck  erfüllend 
und  die  dalmatinischen  und  albanesischen  Berge  bildend. 


*  Die  Gesetze  der  Wüstenbildung  von  Dr.  Hermann  J.  Klein 
Gäa  Xin,  Heft  11  und  12. 

^  Herrn  Theodor  Fuchs  am  K.  K.  Hofmineralien-Cabinet  in 
Wien  bin  ich  zum  besonderen  Dank  verpflichtet,  dass  er  in  einer 
Vorlage  an  die  K.  Akademie  der  Wissenschaften  vom  1.  März  1877  über 
die  geologische  Beschaffenheit  der  Landenge  von  Suez  meine  Beob- 
achtungen am  Kanal  von  Schalüf  berichtigt  hat.    Ich  sah  im  Dezem- 


—     268     — 

So  wird  die  Kreide  mit  dera  darauf  liegenden  Eocäu 
recht  eigentlich  zum  Mittelme  er -Gebirge,  an  welchem  alle 


ber  1864  das  auf  pag.  171  in  „Aus  dem  Orient"  abgebildete  Profil 
von  Schalüf:  Es  war  gerade  am  Anfang  der  Kanal-Aushebungen. 
Weder  ich  noch  Einer  der  Ingenieure  hatte  damals  eine  Ahnung 
davon,  dass  die  raiocänen,  auf  Gips  aufsitzenden  Bänke  sich  nicht 
weiter  fortsetzen  sollten,  sondern,  wie  Herr  Fuchs  uns  belehrt,  nur 
einzelne  aus  höherem  Niveau  abgesunkene  Schollen  oder  „Tische"  sind. 
Wohl  theilte  mir  Herr  Dr.  Reil  später  (Mai  1866)  seine  Beobach- 
tungen mit,  nach  welchen  die  2,25  m  mächtige  miocäne  Kalkbank  nach 
oben  auskeile,  dachte  aber  so  wenig  als  ich  daran,  dass  das  Miocän  von 
Schalüf  nicht  an  Ort  und  Stelle  mehr  liege ,  sondern  als  losgetrennte 
Scholle  auf  secundärer  Lagerstätte  sich  befinde.    Der  beigefügte  Holz- 


schnitt ist  nach  einer  Zeichnung  des  H.  Dr.  Reil  gemacht,  die  er  mir 
nach  der  Kanalaushebung  im  Winter  1865/66  zugestellt  hat.  In 
dieser  Weise  hatte  sich  indessen  das  Profil  geändert,  das  übrigens, 
wie  mir  Jedermann  zugeben  wird,  im  Wesentlichen  vollständig  das- 
selbe blieb.  T  sind  dunkle  Thone ,  m  ist  ein  ächter  miocäner  Sand- 
stein, qu  ist  loser  Schutt  und  Sand.  Herr  Fuchs  hält  alles  für  Schutt 
und  die  Sandsteinbank  hergeschoben  etwa  vom  Djebel  Geneffe  aus,  wo 
Miocän  auch  ansteht.  Anders  kann  ich  die  Berichtigung  nicht  auffassen, 
dabei  aber  die  Bemerkung  nicht  unterdrücken,  dass  es  sich  immerhin 
etwas  eigenthümlich  ausnimmt,  wenn  H.  Fuchs  p.  1  schreibt:  „Prof. 
„Fraas  verfiel  auch  noch  in  den  Irrthum,  im  Schalüf  Miocänschichten 
„anzugeben  und  von  dort  miocäne  Fossilien  zu  beschreiben,  welche 
„sicher  nicht  von  dieser  Lokalität,  sondern  höchst  wahrscheinlich  von 
„Djebel  Genefi'e  herstammen."  Denn  Herr  Fuchs  wird  mit  diesen  Wor- 
ten nicht  etwa  sagen  wollen,  es  gebe  keine  Miocän  am  Schalüf  und 
ich  hätte  die  Fossile  von  Genefi'e  mit  denen  des  Schalüf  verwechselt, 
bestätigt  er  doch  selbst  meine  Beobachtung  des  Miocän  auf  pag.  10, 
nur  meint  er,  die  Miocänschichten  stammen  nicht  vom  Schalüf  selbst, 
sondern  vom  Fuss  des  Geneffe,  wo  sich  allerdings  eine  miocäne  Ab- 
lagerung von  zahlreichen  Austern  und  Pecten- Arten  etc.  vorfinde,  die 
sich  jedoch  auf  den  ersten  Blick   als  etwas  von  den  übrigen  Terrain- 


—     269     — 

Küstenländer  dieses  Binnenmeers  sich  mit  Vorliebe  betheiligen. 
Alles  ältere  Gebirge  des  Jura,  der  Trias,  der  Dyas  u.  s.  w. 
treten  zurück  und  sind  höchstens  in  einzelnen  Streifen  und  Fetzen 
zu  beobachten.  Wir  reden  daher  auch  von  dem  Jurastreifen 
am  Hermon  nur  gelegentlich,  ohne  diesen  Fleck  in  das  syrische 
Schichtensystem  "einzureihen,  in  das  er  wenigstens  nach  dem 
heutigen  Stand  unsres  Wissens  auch  nicht  passte.  Unsere  Kunde 
um  diesen  Jurastreifen  verdanken  wir  dem  Eev. ,  L.  E.  Lewis 
am  protestantischen  CoUeg  der  amerikanischen  Mission  zu  Beirut. 
Auf  der  höchsten  Spitze  des  Hermon,  Kasr  Antar  genannt,  sam- 
melte Herr    Lewis    Handstücke  mit  Bynchonella  lacunosa  und 


bildungen  des  Isthmus  Verschiedenes  darstelle.  Schliesslich  wird  aber 
Herr  Fuchs  doch  selbst  etwas  bedenklich  und  fügt  in  der  Note  bei: 
„es  wäre  allerdings  möglich,  dass  im  Schalüf  unter  den  jungen  Abla- 
„gerungen  einzelne  Klippen  von  Miocängestein  wären  angefahren  worden, 
„oberflächlich  ist  jedoch  nichts  von  denselben  zu  sehen. 

Worin  der  Irrthum  nun  eigentlich  besteht,  in  den  mich  HerrjF  u  c  h  s 
verfallen  lässt,  ist  mir  heute  noch  nicht  verständlich.  Wenn  ich  an 
einer  Stelle  eine  Schichte,  deren  Streichen  und  Fallen  ich  bestimmen 
kann,  mit  eigenen  Händen  anklopfe  und  einen  Sack  voll  Fossile,  über 
deren  miocänen  Karakter  gar  kein  Zweifel  obwalten  kann,  eigenhändig 
sammle  und  auf  dem  Rücken  meines  Esels  sicher  nach  Suez  bringe, 
so  bin  ich  gewiss  berechtigt,  von  anstehendem  Miocän,  das  nach  N 
einfalle,  zu  reden.  Ich  bin  gewiss ,  dass  jeder  meiner  Fachgenossen 
gerade  so  beobachtet  und  geurtheilt  hätte  und  habe  sogar  die  Satis- 
faction,  dass  Dr.  Laurent  in  seinem  essai  geologique  sur  les  terrains 
de  l'isthme  de  Suez  vom  Jahr  1870  mit  mir  übereinstimmt,  also  nach 
Herrn  Fuchs  gleich  mir  in  einen  Irrthum  verfällt. 

Bei  alle  dem  danke  ich  Herrn  Fuchs,  der  11  Jahre  nach  mir 
den  vollendeten  Kanalbau  sehen  durfte,  den  ich  nur  in  seinem  ersten 
Werden  geschaut  habe.  Ich  glaube  Herrn  Fuchs  auf  sein  Wort, 
dass  das  Miocän  von  Schalüf  weiter  hin  sich  nicht  mehr  findet  und 
acceptire  mit  Vergnügen  seine  Beobachtung  vom  Schollen-  oder 
Tisch-Charakter  dieses  Gebirgs,  das  sozusagen  erratisch  im  Qua- 
ternär  steckt.  Andrerseits  wäre  es  aber  wohl  besser  gewesen  ,  wenn 
Herr  Fuchs  das  gleiche  Zutrauen,  das  ich  in  seine  Beobachtungen 
setze,  auch  den  meinigen  entgegengebracht  hätte,  statt  mir  einen 
Irrthum  vorzuwerfen ,  über  den  er  selbst  schliesslich  sagt,  „möglicher" 
Weise  sei  es  auch  kein  Irrthum. 


—     270     — 

versicherte  mich,  der  ich  selbst  nicht  oben  war,  dieselben  dem 
anstehenden  Gebirge  entnommen  zu  haben.  Auf  der  kahlen 
Höhe  trifft  man  einige  wohlbehauene  Quadersteine  aus  marmo- 
rischem Dolomit,  die  oben  ausgebrochen  wurden,  der  noch  vor- 
handenen Vertiefung  nach  zu  urtheilen.  Diese  von  einem  Steinsatz 
umgebene  Vertiefung  wird  als  der  Eest  urältesten  Berg-Cultes 
angesehen,  der  auf  der  Höhe  des  „Heiligen,  Unnahbaren"  ge- 
trieben wurde. 

Am  Süd-Fusse  des  Berges,  auf  der  sehr  besuchten  Route 
von  Banias  nach  Damask  liegt  1340  m  hoch  das  von  Drusen 
und  Beduinen  bewohnte  Dorf  Medjdel  esch  Schems  (Sonnenthurm), 
in  welchem  die  amerikanische  Mission  seit  Jahren  eine  Station 
gegründet  hat,  die  für  die  Geologie  einer  der  wichtigsten  Orte 
werden  sollte,  denn  hier  ist  der  einzige  bis  jezt^^  bekannte  Fleck 
syrischer  Lande,  wo  steil  aufgerichtet  ein  Streifen  jurassischer 
Erde  innerhalb  der  Kreide  auftritt. 

Medjdel. 


Das  Dorf  selbst  liegt,  wie  unser  Holzschnitt  zeigt,  auf  einer 
gegen  20  m  mächtigen  Bank  weissen  Jura's,  die  eine  ganz 
unglaubliche  Menge  von  Bynchonella  lacunosa  führt.  Aus  grauem, 
leicht  verwitterbarem  Kalkmergel  schälen  sich  die  Muscheln  aus 
und  werden  auf  Anweisung  der  Missionare  von  den  Kindern  auf- 
gelesen und  den  Durchreisenden  angeboten;  bereits  ist  eine  Anzahl 
dieser  Muscheln  durch  Damaskus-Reisende  ins  Abendland  gekom- 


^"  Siehe  neues  Jahrb.  f.  Mineral.,  Geol.  und  Palaeontologie,  Jahr- 
gang 1877,  pag.  17. 


—     271     — 

men,  denn  Medjdel  ist  stets    eine  willkommene  Station    auf  der 
beschwerlichen  Route  von  Saida  nach  Damaskus. 

Die  Schichten  von  Medjdel  fallen  in  hora  2  gegen  SO  ein: 
ausser  der  Lacunosenbank  findet  sich  tiefer  eine  grauweisse  Thon- 
schichte  von  1  m  Mächtigkeit  mit  Ammoniten  aus  der  Gruppe 
der  Canaliculaten.  Oppel  würde  sie  Ammonites  aroUcus  nennen 
und  semifalcatus.  Darunter  1,5  m  grauschwarze  Thone  mit 
Ammonites  hecticus,  convolutus  und  andere  für  die  Ornatenthone 
des  obersten  braunen  Jura  bezeichnenden  Ammoniten,  10 m  grau- 
grüne Sand-  und  Thonmergel  mit  Eynchonella  concinna,  Tere- 
Iratula  perovalis  und  Fecten  subarmatus. 

Ohne  Zweifel  tritt  auch  sonst  noch  die  eine  oder  andere 
Juraschichte  auf,  was  einer  lokalen  Detailuntersuchung  dieses 
so  hochinteressanten  Punktes  vorbehalten  bleibt.  Es  gäbe  in  der 
That  keine  dankbarere  Aufgabe  für  einen  jungen  G-eognosten,  als 
die  monographische  Behandlung  des  Hermon  mit  seinen  so  wun- 
derlich zu  Tag  tretenden  Jurastreifen.  Kaum  hat  mich  je 
ein  geognostischer  Anblick  mächtiger  erregt,  als  der  Anblick  der 
Lacunosen  und  Ornaten,  die  nach  Form,  Gestalt  und  Art  der 
Versteinerung  genau  so  aussehen,  als  die  entsprechenden  Fossile 
der  schwäbischen  Heimat.  Schulkinder  sammeln  sie  auch  hier 
wie  dort  und  treten  sie  gerne  gegen  ein  kleines  Bakschisch 
dem  zuwandernden  Fremden  ab. 

Im  Nachstehenden  sei  das  Verzeichniss  der  häufigsten  Jura- 
fossile von  Medjdel  esch  Schems  gegeben,  die  nunmehr  in  der  hie- 
sigen Sammlung  des  K.  Naturalien-Kabinets  liegen.  Die  weit- 
aus grössere  Anzahl  von  Fossilen  von  theilweisse  ganz  ausge- 
zeichneter Schönheit  besitzt  das  protest.  syrian  College  zu  Beirut, 
das  unter  der  umsichtigen  Leitung  des  Rev.  Lewis  steht 

1.  Dem  weissen  Jura  gehören  an: 

Ammonites  planulatus  gigas  Quenst.  Jura  p.  592,  von 
schwäbischen  Exemplaren  nicht  zu  unterscheiden. 

Ammonites  plicatilis  Sow.  166,  genau  wie  die  schwäbischen 
Exemplaren  vom  hohen  Randen. 

Ammonites  AroUcus  Opp.  51,  1,  nicht  die  ganze  flache  Form, 


—      272     — 

die  Zieten  10,  6  als  complanatus  abbildet,  sondern  die  Form 
mit  den  flachen  Sicheln.     Der  Kiel  ist  deutlich  dreikantig. 

Ammonites  transversarius  Quenst.  Ceph.  15,  12,  diese  un- 
verkennbare Art,  nach  welcher  Mösch  einen  eigenen  Horizont 
des  Aargauer  Jura's  benannt  hat,  ist  am  Hermon  ebenso  selten 
als  in  Schwaben.  Ein  ganz  ausgezeichnetes  Exemplar  ist  in  der 
Beiruter  Sammlung. 

Hynchonella  lacunosa  v.  Buch  ist,  wie  schon  bemerkt,  die 
weitaus  verbreitetste  Muschel  vom  Medjdel  und  vom  Hermon. 
Die  silberglänzende  Schale,  die  „armatura  argentea",  wie  sie 
Lang  in  seiner  historia  lapidum  nennt,  der  mattglänzende  Stein- 
kern unter  der  abgesprengten  Schale  geben  der  Muschel  aus  den 
schwäbischen  Bergen  wie  aus  dem  fernen  Osten  genau  denselben 
Habitus.  Und  doch  hat  die  Hermonform  in  ihrer  constanten 
Grösse  und  Gestalt  etwas  Eigenthümliches,  dass  man  sie  aus  den 
schwäbischen  Stücken  wieder  herausfindet,  wenn  man  die  Stücke 
beider  Lokalitäten  zusammengelegt  hatte.  Namentlich  überrascht 
die  Thatsache,  dass  bei  all  der  Häufigkeit,  in  welcher  die  Muschel 
sich  findet,  keine  Spielarten  sich  zeigen,  sondern  immer  nur 
Ein  und  dieselbe  Form.  Wenn  wir  in  Schwaben  an  der  Lochen, 
der  Neidlinger  Staige,  bei  Eybach  oder  sonst  einem  klassischen 
Weiss-Jurapunkt  Lacunosen  sammeln,  so  tragen  wir  von  Einem  Ort 
gleich  auch  eine  Anzahl  Varietäten  davon,  bald  flache  oder  hohe 
Formen,  bald  vielgestreifte,  bald  selten  gestreifte  und  Exemplare 
von  verschiedener  Grösse.  So  viel  man  nun  aber  auch  Exemplare 
vom  Hermon  durch  die  Hände  laufen  lässt,  immer  ist  es  nur 
die  Eine  Form,  die  in  den  schwäbischen  Bergen  nichts  weniger 
als  häufig  ist.  4—8  Streifen  auf  dem  Sinus  und  auf  dem  Wulst 
machen  die  Muschel  zu  einer  y,muUistriata.^  Dabei  ist  sie  dick 
und  kugelig,  es  biegt  sich  der  Stirnwulst  gegen  die  Bauchseite 
ab  und  erinnert  dadurch  an  ^ decorat a"-.  In  Schwaben  findet 
sich  die  Form  am  Fuss  des  Böllart,  bei  Thieringen  und  Ober- 
digisheim  und  im  Aargau,  woher  sie  Mösch  als  Hynchonella 
Arolica  beschrieben  hat.  Man  kann  der  Form  zur  näheren  Be- 
zeichnung ihrer  Charakter-Eigenthümlichkeit  den  Namen  Lacunosa 
Hermonis  geben.    Dieser  Name  würde  auch  bei  den  schwäbischen 


—      273      — 

Exemplaren  gleicher  Gestalt  stets  an  die  merkwürdige  Tliatsaclie 
erinnern,  dass  die  Fossile  des  alten  heiligen  Berges  mit  denen 
der  schwäbischen  Höhen  übereinstimmen. 

Terebratula  bisuffarcinata  Zieten.  Wie  diese  Muschel  im 
ganzen  deutschen  Jura  die  getreue  Begleiterin  des  lacunosa  ist, 
so  auch  am  Hermen.  Sie  findet  sich  hier,  nicht  etwa  nur  in 
einer  Form  wie  die  lacunosa,  sondern  wie  auch  in  Schwaben 
bald  lang,  bald  kurz,  bald  schmal,  bald  breit,  bald  treten  die 
Falten  auseinander,  bald  zusammen,  wodurch  die  mannigfaltigsten 
Combinationen  entstehen.  Will  man  diesen  Formen  besondere 
Namen  geben,  so  kann  das  gescjiehen,  man  hat  dann  Terebratula 
GälUenei  d'Orb.,  Maltonensis  Opp.,  Delmontana  Opp.,  Birmens- 
dorfensis  Escher,  Stochari  Mösch,  jeder  Name  gilt  dann  einer 
besonderen  Form,  denen  allen  der  Typus  der  bisuffarcinata  zu 
Grunde  liegt. 

2.  Aus  den  Ornatenthonen  des  braunen  Jura's  stammen,  alle 
glänzend  verkiest,  im  grauschwarzen  Thone  liegend: 

Ammonites  hecticus  compressus  Quenst.  Ceph.  8,3,  von 
deutschen  Exemplaren  nicht  zu  unterscheiden. 

Ammonites  hecticus  lunula  Quenst.  Ceph.  8,2.  Die  Furche 
die  Rippen  und  Knoten  der  Schale  sind  vielfach  verwischt,  Exem- 
plare mit  ausgesprochener  Zeichnung  immerhin  selten. 

Ammonites  auritulus  Opp.  49,1,  immer  klein,  wie  auch  in 
Schwaben  mit  dem  charakteristischen  Ohr,  was  ihn  von  der  Brut 
der  ammonites  hecticus  unterscheidet. 

Ammonites  flexuosus  inflatus  Quenst.  Ceph.  9,7,  von  Oppel 
suevicus  genannt. 

Ammonites  heterophyllus  ornati  Quenst.  Ceph.  6,2,  wohl 
identisch  mit  tatricus  Pusch. 

Ammonites  dentatus  Eein  4,43,  von  Oppel  Benggeri  genannt 
und  audax,  je  nach  der  Schmalheit  der  Windungen  und  Zahl 
und  Grösse  der  ßückenzähne.  Namentlich  schön  erhalten  ist  die 
Kaputze  und  das  Ohr,  schöner  als  wir  es  von  Schwaben  kennen. 
Der  letzte  rundliche  Rückenzahn  sitzt  auf  der  Kaputze,  ehe  sie 
sich  nach  unten  schlägt. 

Ammonites  convolutus  Schloth»     Die   in  Cephalopoden   13,1 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  18 


—     274     — 

von  Quenstedt  abgebildete  Form  gewöbulicli.  Die  von  Oppel 
(Mittb.  49,4)  sulciferus  genannte  Varietät  ist  gleicbfalls  vor- 
banden, dessgleicben  die  Formen,  die  als  parahoUs  und  interrupüis 
gelten  und  nacb  Ammonites  anceps  und  coronatus  scbieleu. 

Ammonites  Backeriae  v.  Bucb  ist  bekanntlicb  im  eigent- 
licben  Scbwaben  ein  etwas  seltener  Gast,  um  so  zablreicher  im 
Basler  Jura  und  im  Depart.  Mt.  Jura.  Am  Hermon  ganz  ge- 
wöbnlicb. 

Ammonites  athleta  Phil.  Die  von  Quenst.  Jura  71,1 — 3 
abgebildete  Form  von   Lautlingen  stimmt  ganz  überein. 

Ammonites  perarmatus  Sow.  schwillt  zu  gewaltigen  Exem- 
plaren an,    wie    an  den  Vaches  noires  der  normannischen  Küste. 

Ammonites  flexicostatus  Phil.  6,20,  eine  in  Schwaben  seltene 
Form,  die  zwischen  Lamherti  und  hecticus  steht.  Am  Hermon 
gewöhnlich. 

Ammonites  tortisulcatus  d'Orb.  Jura  71,19,  in  Schwaben 
selten,  in  Medjdel  häufig. 

Ammonites  caprinus  Schi.  Quenst.  Jura  71,5,  nicht  gerade 
gemein. 

Ammonites  Arduennensis  pl.  185,  fällt  ohne  Zweifel  mit 
caprinus  zusammen. 

Auffallend  bleibt,  dass  bei  der  grossen  Uebereinstimmung 
deutscher  und  asiatischer  Arten  die  im  deutschen  braunen  Jura 
so  gewöhnlichen  Amm.  ornatus  und  die  für  französischen  Jura 
ganz  besonders  bezeichnenden  Amm.  Lamherti  fehlen.  Ob  sie 
wirklich  fehlen  oder  noch  nicht  gefunden  wurden,  wird  die  Zu- 
kunft lehren. 

Belemnites  semihastatus  BlvlJe.  Obgleich  nur  Bruchstücke, 
da  sich  die  Beduinenkinder  auf  das  Graben  der  vollständigen  Be- 
lemniten  noch  nicht  verstehen,  erkennt  man  doch  die  beiden  auch 
in  Schwaben  vertretenen  Formen  des  compressus  und  rotundus 
neben  den  tief  gefurchten  canäliculatus.  Besondere  Aufmerksam- 
keit der  Beduinenjugend  erregen  die  glänzend  verkiesten  Alveolar- 
stücke. 

Nucula  variahilis  Sow.  475,2.  Die  bekannten  3  Formen, 
der  mandelförmigen  Muschel  mit  dem  Wirbel  in  der  Mitte,  dem 


—      275     — 

excentrischen  Wirbel  und  der  geschwänzten  Schale  kehren  auch 
hier  wieder. 

Nucula  ornati  Quenst.  Jura  72,32  oder  caecüia  d'Orb. 

Nucula  lacrymae  Sow.  476,4. 

Area  sublaevigata  Morris,  prodr.   10,365. 

Area  suhtetragona  Morris,  vielleicht  identisch  mit  der  voran- 
gehenden Form. 

Astarte  undata  Quenst.  Jura  72,26,  liegt  in  Schwaben  in 
den  Irapressathonen. 

Pleurotomaria  ornata  Sow.  Quenst.  Jura  72. 

Pentaerinus  suhteres  Gf.  Jura  72,34,  sowohl  die  runde,  als 
die  5kantige  Form  vertreten. 

MiUericrimis  Stile,  stellen  sich  in  die  Nähe  des  M.  echinatus 

3.  Aelterem  braunen  Jura  zuzuweisen  sind  Fossile  wie 

Pecten  subarmatus  Gf.  90,8,  das  Vorkommen  ist  in  einem 
gelben  Kalk  und  ähnelt  dem  Vorkommen  im  Schweizer  Jura  und 
dem  Breisgau. 

Terehratula  perovalis  Quenst.  Jura  50,36,  eine  Form,  die 
Suess  dorsopUcata  nennt,  E.  Deslongchamp  aber  Perrieri  und 
SämannL  In  Medjdel  sehr  gewöhnlich;  der  Farbe  nach  stammt 
sie  aus  den  Thonen. 

Bynclionella  Steinheisii  Quenst  Jura  66,27,  möglicher  Weise 
auch  B.  Thurmamii  J.  Marcou,  je  nachdem  sie  aus  einem  tieferen 
oder  höheren  Horizonte  stammt. 

Bynclionella  Fischeri  Eichwald,  eine  der  B.  varians  sehr 
ähnliche  Muschel  aus  dem  russischen  braunen  Jura. 

Bynchonella  coneinna  v.  Buch  entstammt  höchst  wahr- 
scheinlich, nach  dem  anklebenden  Gestein  zu  urtheilen,  einem 
tieferen  Horizont,  aus  einer  blauen  Kalkbank. 

Ich  beschränke  mich  darauf,  hiermit  das  einfache  Verzeich- 
niss  der  Medjdel-Fossile  zu  geben.  W^elch  reiches  Feld  ver- 
gleichender Forschung  sich  am  Hermon  eröffnet,  brauche  ich  wohl 
kaum  zu  sagen.  Neue  unbekannte  Juraspecies  werden  allerdings 
wohl  kaum  am  Hermon  zu  erwarten  sein,  wenn  die  seitherigen 
Funde  so  merkwürdig  mit  den  bekannten  europäischen  Funden 
tibereinstimmen.     Doch  lässt  sich  die  Frage  aufwerfen,  ob  nicht 

18* 


—      276      — 

ein  grösseres  Interesse  darin  liegt,  in  so  entlegenen  Gegenden, 
wie  das  Hermongebiet  ist,  lauter  gute  alte  Bekannte  aus  dem 
Scliwabenland  zu  finden,  als  wenn  uns  dieser  Ort  mit  einem 
Heer  neuer  noch  nicht  beschriebener  und  benannter  Fossile  die 
ohnehin  schon  überreiche  Zahl  der  Juraarten  vergrösserte.  Rev. 
Lewis  hat  mir  versprochen,  sobald  Zeit  und  Kräfte  es  ihm  er- 
lauben, eine  Hermonexpedition  zu  veranstalten  und  das  noch  so 
dunkle  Gebiet  des  Anschlusses  zu  untersuchen,  in  welchem  die 
Kreideberge  auf  der  Westseite  des  Hermon  zu  dem  Jurastreifen 
auf  der  Südostseite  sich  verhalten.  Spielte  vielleicht  der  Basaltit- 
ausbruch, der  östlich  von  Medjdel  auftritt,  bei  der  merkwürdigen 
Schichtenverschiebung  eine  Rolle?  Und  doch  ist  Solches  kaum 
wahrscheinlich,  da  derselbe  nicht  nur  im  ganzen  Libanon,  sondern 
überall,  wo  auch  sonst  Basalt  auftritt,  sich  als  ein  höchst 
unschuldiger  und  geologisch  harmloser  Faktor  bei  der  Gebirgs- 
bildung  herausstellt. 

Die  Gliederung    der  syrischen  Kreideformatiou. 

Es  wäre  sehr  einfach,  die  syrische  Kreide  zu  gliedern,  wenn 
der  geologische  Satz  in  Syrien  feststünde,  dass  das  oberste  Ge- 
birge das  jüngste,  das  unterste  aber  das  älteste  sei.  Wir  haben 
aber  aus  dem  Vorangehenden  schon  uns  überzeugt,  dass  in 
Syrien,  als  dem  Durchgangspunkt  einer  planetaren  Spalte,  eine 
gründliche  Verschiebung  aller  Niveaus  stattgefunden  hat,  so  dass 
wir  einen  bestimmten  geologischen  Horizont,  wie  z.  B.  die  ceno- 
manen  Sandsteine,  ebenso  gut  bei  2000  m  über  dem  Meer  als 
im  Niveau  des  Meers  oder  bei  300  m  unter  dem  Meeresspiegel 
im  el  Ghör  antreffen  mögen.  Somit  fehlt  uns  in  Syrien  der 
anderswo  so  wichtige  Faktor  zur  Bestimmung  des  Schichtenalters, 
die  Aufeinanderfolge  der  Schichten.  Das  eine  Mal  stehen  sie 
auf  dem  Kopf,  das  andere  Mal  sind  sie  überkippt,  so  dass  man 
rathlos  vor  einer  derartigen  Schichtenwaud  steht,  unschlüssig,  was 
als  das  Aeltere  und  was  als  das  Jüngere  anzusehen  sei.  Es  bleibt 
daher  kein  anderes  Mittel,  als  die  einzelnen  Komplexe  für  sich 
zu    betrachten    und    eine  Gegend    stets   nur    aus   sich   selbst   zu 


—   ■ 277      — 

erklären.  Diess  soll  auch  in  dem  Nachfolgenden  geschehen  und 
wurden  hiebe!  auf  palaeontologischer  Basis  neun  Horizonte  gemacht. 

Selbstverständlich  tritt  das  Bedürfniss  an  uns,  diese  Horizonte 
in  das  allgemeine  geologische  System  einzureihen  und  entsteht 
die  Frage,  welchen  europäischen  Horizonten  die  syrischen  ent- 
sprechen. Legen  wir  die  allgemein  gültige  Eintheilung  zu  Grund 
in  1.  Neokom,  2.  Gault  (aptien  und  albien  d'Orb.),  3.  Cenoman- 
bildung,  4.  Turonbildung,  5.  Senonbildung  (senonien  und  danien 
d'Orb.),  so  handelt  es  sich  in  erster  Linie  darum,  ob  die  beiden 
Glieder  der  unteren  Kreide:  Neokom  und  Gault  in  Syrien  ver- 
treten sind.  Es  könnten  die  Vertreter  nur  die  ältesten,  beziehungs- 
weise untersten  Lager  der  syrischen  Kreide  s^n,  die  im  Liegen- 
den der  grossen  Sandsteinformation  sich  befinden.  Sie  bestehen 
aus  der  mächtigen  Gruppe  kieseliger  Dolomite  mit  dem  oberen 
Schlussglied  der  Glaudarienoolithe.  Der  beste  Kenner  syrischer 
Schichten,  mein  verehrter  Freund  L.  Lartet,  hat  noch  3  872 
den  Cidarites  glandiferus  als  jurassisches  Fossil  angesehen.  Die 
Fundorte  für  dieses  bekannteste  aller  syrischen  Fossile  waren 
ihm  unbekannt,  sonst  hätte  er  nicht  mehr  daran  gedacht,  die  alte 
Russegger'sche  Anschauung  von  der  Verbreitung  des  Jura's  in 
Syrien,  ob  auch  nur  noch  in  der  Glandarienzone,  festhalten  zu  wollen. 

Die  Glandarienzone  liegt  hart  unter  dem  Sandgebirge,  das 
zum  Mindesten  dem  Gault  (oder  unterem  Grünsand)  entspräche. 
In  dissem  Falle  würde  sie  in  das  obere  Neokom  zu  stellen  sein. 
Nun  sind  aber  die  Sandbildungen  mit  weit  mehr  Recht  eine  Etage 
höher  zu  rücken,  in  den  oberen  Grünsand,  wie  er  auch  um  le  Maus, 
als  dem  typischen  Lande  der  Cenomanbildung,  zu  treffen  ist.  Für 
Neokom  spräche  auch  nicht  Ein  Fossil,  namentlich  vermisst  man 
die  im  Süden  Frankreichs  so  weit  verbreitete  Leitmuschel  der 
Caprotinen.  Man  thut  daher  wohl  am  besten,  die  syrische  Sand- 
formation neben  „upper  greensand"  zu  stellen  und  der  Cenoman- 
bildung zuzuweisen,  wie  solches  mit  der  englischen  und  fran- 
zösischen Kreide  der  Fall  ist.  Es  wird  daher  wohl  das  Richtigste 
sein,  von  keiner  älteren  Kreide  in  Syrien  zu  sprechen  als  von 
cenomaner  Kreide  und  die  Dolomite  und  Oolithe  mit  sammt  der 
grossen  Sandsteinformation  in  diesen  Horizont  zu  verweisen. 


—     278     — 

Mit  dem  dritten  Horizont,  den  Gasteropodenmergeln  von 
Abeih  und  den  Cardiumbänken,  fängt  sofort  die  Turongruppe  an, 
über  deren  Identität  es  keinen  Zweifel  geben  kann.  Dagegen 
steht  man  wieder  ratblos  vor  der  Grenze  zur  Senongruppe.  Kein 
Belemnites  mucronatus ,  kein  Ananchytes,  nichts  von  den  seno- 
nischen  Leitfossilen  Central- Europa's,  dazu  ein  Einerlei  lichter 
Bänke,  aus  denen,  wenn  es  gut  geht,  Nerineen  und  Radioliten 
auswittern,  in  denen  aber  auch  unversehens  Nummuliten  sich  ein- 
stellen. Die  Dordogne  bietet  wohl  die  meisten  Anhaltspunkte 
zur  Vergleichung,  denn  auch  hier  spielen  die  grossen  ßadioliten 
eine  Hauptrolle  bei  der  Bildung  der  Felsen  und  bieten  Anlass, 
sogar  9  Gruppen  von  Horizonten  zu  unterscheiden,  wie  das  Co- 
quand  in  der  Charante  und  Dordogne  für  gut  befunden  hat. 

Bietet  hienach  schon  der  Anfang  der  Senongruppe  Schwierig- 
keit, so  noch  vielmehr  deren  Ende.  Denn  urplötzlich  und  ohne 
Vermittlung  stehen  wir  im  Suessonien,  ohne  im  Stande  zu  sein 
zu  entscheiden,  ob  wir  im  Kreidegebirge  stehen  oder  im  Eocän, 
Man  bleibt  daher  in  erster  Linie  darauf  angewiesen,  die  syrischen 
Schichten  zunächst  nur  unter  sich  zu  vergleichen  und  aus  sich 
selbst  zu  erklären.  Späteren  Forschern  wird  dann  die  Aufgabe 
zufallen,  den  weiteren  Verlauf  der  syrischen  Horizonte  im  Süden 
und  Südosten  Europa's  zu  verfolgen. 


Cenoman-Bildungen. 

1.  Die  Glandarien-Zone. 

Der  Name  der  Glandarienzone  für  die  älteste  Schichtenzone 
im  Libanon  nach  dem  leitenden  Fossil  des  Cidarites  glandarius 
rechtfertigt  sich  ebenso  durch  die  Menge  des  Vorkommens  der 
„radioli  glaudarii"  (Lang,  bist.  lap.  1708)  als  durch  den  alten 
Ruhm,  den  sich  diese  Steine  als  uralter  Gruss  des  Morgenlandes 
an  das  Abendland  seit  Jahrhunderten  erworben  haben.  So  tausend- 
fältig die  „lapides  judaici"  nach  dem  Abendland  kamen,  um  hier 
in  den  Apotheken  schon  des  XIII.  Jahrhunderts  eine  Rolle  zu 
spielen,  so  unbekannt  blieb   bis  in  die  neueste  Zeit   der  eigent- 


—     279      — 

liehe  Fundort.  Eben  daher  kommt  es  auch,  dass  selbst  Lartet 
noch  1872  vom  Cidarites  glandiferus  als  einem  jurassischen  Echi- 
niden  spricht.  Ich  fand  die  ersten  Glandarien  im  Geschieb  des 
Nähr  Beirut,  wo  sich  der  Salima  und  Hammäna,  beide  vom  hohen 
Keneise  herkommend,  vereinigen.  Wir  folgen  dem  Salimathal, 
einer  Felsenschlucht,  die  in  lichte  Marmore  400  m  tief  eingerissen 
ist.  Bald  auch  lassen  sich  die  Durchschnitte  der  Glandarien 
an  den  Felswänden  erkennen  und  einzelne  auswitternde  Exem- 
plare abschlagen,  aber  erst  wo  der  Bach  Hamäde  in  die  Salima 
mündet,  gelangen  wir  über  den  Dolomiten  und  Marmorfelsen  zu 
oolithichen  Schichten  mit  thonigen  Zwischenbänken,  aus  welchen 
nicht  nur  die  Glandarien  auswittern,  sondern  eine  reiche  Menge 
anderer  Fossile  zu  Tage  tritt,  welche  über  die  geologische 
Stellung  des  Horizontes  in  der  mittleren  Kreide  keinen  Zweifel 
lassen. 

Die  Salimabrücke,  über  welche  der  Weg  von  Betmere  nach 
Meten  führt,  liegt  275  m  ü.  d.  M.  Sie  steht  mitten  in  lichten 
Marmoren,  an  deren  Wänden  die  Glandarien  auswittern.  Bei 
490  m  ü.  d.  M.  liegt  Ain  Hamäde.  Wir  haben  somit  zum 
Mindesten  200  m  Mächtigkeit  für  die  Marmore,  die  nach  oben 
mit  einigen  Meter  mächtigen  Oolithbänken  abschliessen.  Der 
Oolith  ist  gelb  im  frischen  Bruch ,  an  den  Verwitterungsflächen 
braun  und  gleicht  in  seinem  Gefüge  gewissen  feinkörnigen  Schich- 
ten des  Gross-Ooliths  in  Europa.  Die  Oolithkörner  von  der  Grösse 
eines  halben  Millimeters  und  darunter  sind  concentrisch  schalig 
und  setzen  vollständig  das  Gestein  zusammen,  ohne  eines  weiteren 
Bindemittels  zu  bedürfen.  Nach  oben  werden  die  Oolithe  thonig, 
wo  die  günstigsten  Plätze  zum  Sammeln  der  auswitternden  Fossile 
sich  befinden. 

Sehr  häufig  findet  sich  Sparsispongia  varians  Fromeutel. 
Der  genannte  Schwamm  stammt  zwar  aus  dem  Neokom  von 
Champtonay  und  Germigney  in  Frankreich,  doch  hat  ihn  Geinitz^* 
im    sächsischen  Pläner  verzeichnet    und    hält    die  Plänerart    für 


'^  Das  Eibthalgebirge   in  Sachsen  von  Dr.  Hans  Bruno    Gei 
üitz  in  Palaeontoffr.  1871. 


—     280     — 

identisch  mit  jener  (Taf.  4,  Fig.  2).  Es  sind  kugelige  Gebilde 
von  5 — 6  mm  Durclimesser,  im  Inneren  hohl.  Das  gleichartige 
Gewebe  besteht  aus  einer  im  Querschnitt  faserigen  Masse,  die 
auf  der  Oberfläche  gedrängt  stehende  Poren  zeigt.  Weiter  zeigt 
die  Oberfläche  eine  Eeihe  Eindrücke,  wie  sie  etwa  an  zusammen- 
schrumpfenden Früchten  bemerklich  werden,  ebenso  beobachtet 
man  fast  an  jedem  Stück  die  Sprossung  von  Spitzen  und  Warzen 
aus  dem  Gewebe  heraus. 

Epitheles  rohusta  Geinitz  Taf.  8,  Fig.  1  eine  Art  aus  dem 
Pläner  von  Plauen,  welche  mit  der  zu  Ain  Hamäde  sich  finden- 
den übereinstimmt.  Der  Schwamm  hat  eine  breite  Basis,  aus 
welcher  sich  einzelne  stumpfe ,  halb  conische,  halb  walzenförmige 
Stämme  gruppenweise  erheben.  Das  in  einander  verlaufende 
Fasergewebe  umschliesst  vielgestaltige  grössere  und  kleinere  Po- 
ren, bald  rundlich,  bald  wurmförmig.  Die  Stärke  der  Schwamm - 
Wandung  beträgt  nur  2 — 3  mm ,  was  sowohl  an  der  Spitze  der 
einzelnen  Glieder  als  wie  an  der  Basis  des  Wurzelstocks  beobachtet 
werden  kann. 

Elasynostoma  consohrinum  d'Orb.  Geinitz  Taf.  6 ,  Fig.  8. 
Halbkugelige,  napfförmige,  dünnwandige  Schwämme,  der  Rand  ist 
nicht  gelappt  wie  bei  der  vorigen  Art,  nur  etwas  verbogen. 
Einzelne  grössere  Poren  treten  wohl  aus  einem  sehr  dünn- 
maschigen  Gewebe,  das  dem  blossen  Auge  fast  glatt  erscheint, 
hervor. 

Siphonia  pyriformis  Gf.  Geinitz  Taf.  9,  1—14.  Längliche, 
feigenförmige  Knollen  mit  grobem  Gewebe,  das  sich  wurmförmig 
verfasert.  Eine  eigentliche  centrale  Höhlung  fehlt  jedoch,  wess- 
halb  man  statt  an  Siphonia  auch  an  Epitheles  denken  kann; 
dagegen  vertheilt  sich  das  Gewebe  zu  einer  Anzahl  verschiedener 
Centren,  die  flache  Höhlungen  in  die  Spitze  und  an  die  Seiten- 
wände der  Knollen  eindrücken.  Eine  solche  Beschaffenheit  zeigt 
die  Oberfläche  von  Epitheles  nie.  Eher  noch  läge  der  Gedanke 
an  Amorphospongia  vola  Michelin  nahe  (Icon.  Taf.  7  ,  Fig.  2). 
In  Anbetracht  der  fast  regelmässigen  Birn-  oder  Feigengestalt 
des  Schwammes  ziehen  wir  den  Namen   Siphonia  vor. 


—     281      — 

Unter  den  zahlreichen  Korallen  nennen  wir  zuerst  Dimor- 
phastraea  Echvardsi  Bölsche  (Korallen  des  norddeutschen  Jura  und 
Kreidegebirges  Berlin  1867,  Taf.  3,  Fig.  8,  pag.  43).  Es  stimmt 
zwar  das  Vorkommen  der  deutschen  Art  im  Hilsconglomerat  von 
Berklingen  nicht  recht,  aber  in  so  nahe  liegenden  Schichtenhorizonten 
wie  der  Glandarien-Oolith  und  der  Hils  gehen  selbstverständlich 
auch  Fossile  über.  Es  ist  ein  rasch  sich  erbreiternder  Korallen- 
stock, die  Aussenseite  der  Höhe  nach  zart  gestreift.  Die  Septa 
liegen  V^  oam  auseinander.  Eine  Anzahl  kleinerer  Kelche,  nicht 
gerade  9  wie  am  Bölsche'schen  Exemplar,  sitzen  um  einen  Haupt- 
kelch herum.  Die  Septa  der  einen  Kelchgrube  sind  der  andern 
gegenüber  abgegrenzt,  fliessen  nicht  über  bei  JDimorphastraea, 
wesshalb  man  auch  an  Latomaeandra  d'Orb.  denken  kann.  Wie 
weit  dies  übrigens  auf  Rechnung  der  Abreibung  zu  setzen  ist, 
kann  ich  nicht  recht  beurtheilen.  Die  von  Bölsche  citirten 
Bimorphastraea  excelsa  und  grandiflora  aus  französischem  Neokom 
konnte  ich  nicht  vergleichen. 

Ästrocoenia  decaphylla  Michelin,  Reuss^^  Taf.  8,  4 — 6  ist 
eine  ganz  reizende  Sternkoralle ,  vorausgesetzt ,  dass  man  gute 
und  frische  Exemplare  unter  die  Hände  bekommt.  Unter 
20  Stücken  sind  freilich  15  so  abgerieben ,  dass  die  Struktur  der 
Zellen  nicht  mehr  sichtbar  ist.  Der  Korallenstock  bildet  unregel- 
mässige kleine  Korallen,  wie  Trüffeln,  von  2  —  3  cm  Durchmesser. 
Die  Sternöfifnungeu  mit  ihren  10  zierlichen  Zellen  sind  dicht- 
gedrängt. Die  Zwischenwand  zwischen  den  Zellen  erscheint  glatt 
oder  ist  jedenfalls  ganz  fein  gekörnt.  Diese  Art  aus  der  Gosau, 
welche  Reuss  beschreibt,  stimmt  genau  mit  den  zahlreichen 
Funden  von  Ain  Hamäde. 

Placocoenia  Orhignyana  Reuss  IX,  1  und  2,  bildet  einen 
3  cm  hohen  walzenförmigen  Korallenstock  über  und  über  mit 
Sternen  besät.  In  jedem  Stern  sind  24  Stern-Lamellen,  darun- 
ter 6  primäre.     Die  Lamellen  fliessen  in  einander  über  und  sind 


*"^  Reuss  A.  E.  Beiträge  zur  Charakteristik  der  Kreide  schichten  in 
den  Ostalpen.    Denkschriften  d.  K.  Ac.  d.  W.  Wien  1854. 


—     282     — 

somit  die  einzelnen  Sternfelder  nicht  von  einander  getrennt.  Auch 
diese  Art  stimmt  mit  der  Gosau. 

Stephanocoenia  formosa  Milne  Edw.  und  Haime,  Reuss  YIII, 
7 — 9  bildet  einen  gestilten,  kugeligen  Stock,  der  unregelmässig 
mit  grösseren  und  kleineren  Sternfeldern  besetzt  ist,  die  sich 
mittelst  eines  erhöhten  Randes  über  die  sonst  glatte ,  ob  auch 
fein  gekörnte  Oberfläche  erheben.  Der  Durchmesser  der  Kugel 
überschreitet  2  cm  nicht.     Auch  diese  Art  ist  eine  Gosau-Art. 

Sarcinula  Sdlimae  Fraas  Taf.  IV,  Fig.  6.  Aus  der  oberen 
Kreide  von  Nebi  Samwil  habe  ich  schon  im  I.  Theil  aus  dem 
Orient  pag.  84  Sarcinula  auleticon  angeführt.  S.  Salimae,  nach 
dem  Salimathal  so  genannt,  in  welchem  sie  gar  nicht  selten  sich 
findet,  ist  ein  Korallenstock,  der  aus  dicht  gedrängten  Zellen- 
büscheln besteht,  der  Durchmesser  jeder  Zelle  ist  nur  '/2  mm. 
An  der  Oberfläche  ordnen  sich  die  Bündel  reihenweise  und 
bilden  die  Reihen  einen  grossen  rundlichen  Stern.  Die  Länge 
der  einzelnen  Zellenbüschel  und  ebendamit  die  Dicke  des  Stocks 
beträgt  2 — 3  cm. 

Sarcinula  microstila  Fraas.  Auch  diese  zweite  Art  der 
Büschelkoralle  Sarcinula  ist  neu,  viel  seltener  noch  als  Salimae 
und  nur  einmal  aufgefunden.  Die  einzelnen  Zellen  messen 
nur  0,25  mm,  stehen  aber  ebenso  dichtgedrängt,  wie  bei  der 
vorigen  Art.  Auf  der  Oberfläche  des  höchstens  5  mm  dicken 
rindeartigen  Korallen- Stocks  stehen  die  Poren  nicht  reihen- 
weise wie  bei  Salimae^  sondern  dicht  gedrängt  wie  auf  der 
Aussenfläche  eines  Aptychus  latus  v.  M.  Doch  versenken  sich 
einzelne  sternförmige  Gruben  auf  der  Oberfläche. 

Äpiocrinus  cretaceus  Fraas.  Ueber  ein  Dutzend  Stilglieder, 
darunter  auch  ein  Basalstilglied  wurden  in  Ain  Hamäde  gesam- 
melt. Rev.  Lewis  in  Beirut  besitzt  sie  von  Ailäth  von  der 
Grenze  des  Grünsands.  Die  Stilglieder  sind  allerdings  den  juras- 
sischen zum  Verwechseln  ähnlich,  die  wir  im  oberen  Jura  zu 
Tausenden  finden  und  bald  zu  Äpiocr.  rosaceus,  bald  zu  mespili- 
formis  oder  Milleri  gehören.  Ich  bin  fest  überzeugt,  dass  man  bei 
längerem  Sammeln  auch  die  Kronen  dieses  Thiers  noch  finden  wird, 
aus  welchen  erst  der  massgebende  Name  geschöpft  werden  kann. 


—     283     — 

Cidarifes  glandarius  Lang  1708.  So  viele  tausend  und 
abertausend  „  Judensteiue"  schon  in  das  Abendland  auch  wan- 
derten, so  wenig  wusste  man  bis  jetzt  genau,  wo  sie  herstam- 
men, ja  nicht  einmal  der  Körper  des  Seeigels,  dem  sie  angehören, 
war  bekannt.  Diese  Lücken  unseres  Wissens  sind  jetzt  ausge- 
gefüllt  und  reden  wir  zunächst  von  dem 

Körper  (Taf.  III,  Fig.  1).  Sein  Durchmesser  beträgt 
45  mm,  seine  Höhe  30  mm.  In  einer  Eeihe  liegen  5  Asseln- 
paare, deren  letzte  rechte  Assel  stets  verkümmert,  da  sie  zwischen 
der  grossen  lezten  linken  Assel  keinen  Platz  mehr  hat.  In  der 
Mitte  jeder  Assel  ist  ein  dickes  rundes  Köpfchen  deutlich  durch- 
bohrt. Das  Köpfchen  sizt  auf  einem  glatten  Hals  und  in  glatter 
Area,  die  von  einfachen  gleichgrossen  Wärzchen  besetzt  ist. 
Neben  dem  Körper,  der  halb  aus  dem  Oolith  ausgewittert  ist, 
stecken  die  „radioli"  im  Gestein,  so  dass  an  der  Zusammen- 
gehörigkeit von  Körper  und  Stacheln  nicht  zu  zweifeln  ist.  Der 
im  Band  XVI  des  Quarterly  Journal  (1862)  auf  Taf.  XT,  Fig.  3 
und  4  abgebildete  Cid.  Dixoni  Whrigt  steht  unserem  glandarius 
am  nächsten. 

Die  Stäche  In,  die  in  beliebiger  Menge  sich  sammeln 
lassen,  sind  nach  ihren  wichtigsten  Formen  Taf.  III,  2 — 9  wieder- 
gegeben. Es  sind  durchweg  frische  Exemplare,  die  durch  gegen- 
seitige Abreibung  noch  nicht  gelitten  haben,  wie  die  meisten 
Exemplare  der  alten  Sammlungen  oder  die  Stücke,  welche  in  den 
Taschen  der  Beduinen  sich  abscheuern,  bis  sie  in  den  Magazinen 
von  Beirut  erst  noch  keine  Ruhe  finden.  Denn  die  Judeneichel 
oder  die  steinerne  Olive  wird  so  gut  als  die  Jerichorose  oder 
das  Oelbaumholz  von  jedem  Pilger  als  Andenken  an  das  heilige 
Land  mit  nach  Hause  genommen. 

Im  frischen  Zustand  sind  alle  die  feinen  Streifen,  welche, 
wie  Fig.  2  zeigt,  nicht  selten  in  einander  übergehen,  fein  punk- 
tirt.  Nicht  alle  Streifen  aber,  die  vom  Stil  ausgehen,  erreichen 
auch  die  Spitze,  unterwegs  lauft  ein  Streifen  zu  einem  zweiten 
über  oder  theilt  sich  auch  wieder    ein  Streifen  in  zwei. 

Am   ängstlichsten  hat  Lang  (historia  lapidum  p.   127)  un- 


—      284      - 

terschieden.  Er  hatte  sicher  eine  grosse  Anzahl  Stücke  vor 
Augen,  gewaschene  und  ungewaschene,  abgescheuerte  und  frische 
Exemplare.  Denn  er  spricht  von  1.  JRadiolus  glandarius  sub- 
flavescens  major  tenuissime  striatus  cum  pediculo  rugoso  (aus  den 
gelben  Thonen).  2.  Raäiohis  glandarius  suh flavescens  mediocris 
tenuissime  striatus  sine  pediculo  (abgeriebenes  Stück  aus  den 
gelben  Thonen).  3.  Badiolus  glandarius  subcinereus  major 
partim  tenuissime  striatus  partim  punctulatus  cum  et  sine  pe- 
diculo (frische  und  abgeriebene  Stücke  aus  den  lichten  Kalken). 
4.  JRadiolus  suhflavescens  mediocris  ventricosus  venire  pimctulato 
et  striata,  apice  vero  punctulato  tantum  ac  inter  ventrem  et 
apicem  tenuissime  striatus,  pedicido  crassiore  rupto  (ähnlich  wie 
Fig.  4  und  9  aus  den  gelben  Thonen).  Lang  ist  noch  zweifel- 
haft, ob  der  Badiolus  eine  Frucht  darstellt  oder  den  Stachel 
eines  Echiniden.  Er  sagt  ferner,  je  nach  seiner  verschiedenen 
Gestalt  habe  der  Stein  verschiedene  Namen,  si  enim  glandi  aut 
halano  similis  Bdlanites  et  Phenicites  dicitur,  si  olivae  Pyrene, 
(nvQ7]v  ein  Edelsteinname  bei  Plinius  wohl  für  Olivin),  a  Gällis 
vocatur  „olives  de  pierres"  a  Germanis  „Judenstein".  Auch  die 
medizinische  Wirkung  des  Steins  wird  noch  angegeben,  denn 
Plinius  nennt  ihn  nach  dieser  Eicrho'es ,  qiiod  urinam  pellat  et 
TecoUthus  (rriyco  auflösen)  quod  calculum  resolvat. 

Die  Gelehrten  des  XVI.  Jahrhunderts  wie  Conrad  Gesner 
(de  omni  Rerum  Fossilium  genere  Tiguri  1565),  Boetius  von 
Boodt  berufen  sich  auf  Aetius,  den  griechischen  Arzt,  der,  im 
3.  oder  4.  Jahrhundert  nach  Christus  lebend,  1542  wieder  auf- 
gelegt wird  (Aetii  medici  graeci  tetrabiblos,  Basileae  1542).  Ihre 
Angaben  bleiben  sich  alle  im  Wesentlichen  gleich,  dass  eine 
Verwechslung  nicht  denkbar  ist.  Nach  ihnen  heisst  der  Stein, 
der  bald  einer  Olive,  bald  einer  Dattel  verglichen  wird,  lapis 
judaicus,  lapis  si/riacus,  PJioenicites  u.  s.  w.  Die  dicken,  runden 
(etwa  Fig.  7,  8,  9)  sind  weiblichen  Geschlechts  und  besonders 
gut  gegen  den  Blasenstein,  die  grösseren  (etwa  Fig.  2 — 5)  sind 
masculi,  unter  diesen  gibt  es  einige  längere,  klein  Finger  dicke, 
diese  vertreiben  den  Nierenstein.  Hiemit  ist  der  Boden  der 
Naturanschauung    schon    ganz    verlassen    und    beginnt    der    der 


—      285      — 

Mystik,    welche    den  Stein    von  Alters    her    gross    gemacht    hat, 
berühmter  ^^  als  alle  andere  Steine  der  Welt. 

Ganz  dasselbe  sagt  Dioscorides,  der  hochgelehrte  Arzt 
von  Tarsus,  Altersgenosse  des  Plinius  ^^. 

Beide  griechischen  Aerzte  aber  beziehen  sich  auf  Nechep  - 
SOS,  den  ägyptischen  König  der  XXVI.  Dynastie,  der  im  Jahr  680 
als  zweiter  Vorgänger  des  Königs  Psametich  der  Verfasser  astro- 
logischer Bücher  und  ärztlicher  Schriften  war.  —  Gibt  es  wohl 
einen  zweiten  Stein  auf  Erden,  der  nachweislich  ein  gleich  hohes 
Alter  hat,  als  die  Glandarien  des  Libanons? 

Wir  haben  nur  noch  beizufügen,  dass  F.  11  einen  fast  ganz  ge- 
glätteten Stachel  wiedergibt,  den  Quenste  dt^^  daviphoenix  nennt 
und  Taf.  68,  46 — 48  abbildet.  Er  macht  auf  den  wohlerhaltenen 
Gelenkkopf  aufmerksam  mit  kurzem,  abgesetztem  Hals  und  Kerben 
am  Gelenkrand.  Eine  Reihe  von  Stücken  liegen  vor  mir,  die  von  der 
absoluten  Glätte  des  Stachels  (Fig.  1 1)  bis  zur  stärksten  Warzen- 
besetzung (z.  B.  Fig.  4)  Uebergänge  bilden  und  zwar  in  der 
Art,  dass  einzelne  Stücke  an  der  Basis  glatt  sind,  an  der  Spitze 
gerieft,  oder  auf  einer  Seite  glätter  als  auf  der  andern.  Da 
diese  Stücke  aber  ebenfalls  frisch  gesammelte,  dem  Gebirge  un- 
mittelbar entnommene  Stücke  sind,  so  fällt  die  Abreibung  und 
Glättung  in  die  Zeit  vor  der  Versteinerung,  da  die,  gelösten 
Stacheln    auf    dem    Seegrund    umhergetrieben   wurden.     Wer  je 


^•^  Salve  pelagiis  Arabiae 

Cladum  medelam  proferens 
Insigniter,  Tecolitum. 
Item  oleo  myrteo  dilutus 
Podagricis  commode  illinitur. 
Est  enim  Tecolithiis,  quem  et  Syriacum  vel  Judaicum  vocant,  lapis 
fortis  facultatis   in  Syria  Palaestinae  nascens   colore  albus  figura  con- 
cinnus  lineas  habens  velut  a  torno  ensculptas.     Confringit  calculos  in 
renibus  natos.     Verum  et  in  vesicae  lapidibus  nil  eximii  praestat. 

^*  nepi  iovöaiKov  "XiSov.  6  6e  iovöaiKOf  \i3os  yevvdtai  f-iev 
kv  rff  lov^aia  r(ä5  öxVj^iciTi  ßa\avon^i)f^  \evK6{,  ci5pf5//ö;  ^X^^' 
Kai  ypajiif.ias  napaWijXovf,  oos  dno  töpvov  dvie/tievos,  6  edtiv  cltzoioS 
€v  rff  yevdei  u.  s.  w. 

^^  Quenstedt,  die  Ecbiniden  1875  pag.  188. 


—     286     — 

einmal  ein  Meer  beobachtet  hat,  an  dessen  Ufer  Cidariten  leben, 
kennt  die  grosse  Menge  von  Stacheln,  welche  die  Meereswelle 
bewegt  und  kann  deutlich  beobachten,  wie  sich  die  Stücke  gegen- 
seitig sowohl  als  an  den  Steinen  des  Ufers  abscheuern. 

Nebenden  glatten  Stacheln  hat  Quenstedt  Taf.  68,  Fig. 
49  und  50  einen  clavimorus  genannt,  wegen  der  Aehnlichkeit  der 
Stacheln  mit  einer  Maulbeere,  ähnliche  beschreibt  Cotteau  als 
gibherula  aus  den  Cenomanien  von  Cassis.  Ich  bilde  in  Fig.  12 
und  13  zwei  ganz  frische  Exemplare  ab,  welche  noch  viel  mehr  als 
an  den  alten  Quenstedt'schen  Stücken  die  charakteristischen  Dornen 
zeigen,  zu  welchen  sich  die  Wärzchen  der  übrigen  Grlandarien 
erheben.  Nun  liegt  aber  auch  hier  wieder  eine  Anzahl  ächter 
Glandarien  vor,  an  welchen  sich  ganz  ähnliche  Dornen  wie  bei 
clavimorus  erheben,  und  denke  ich  viel  eher  an  individuelle  Ver- 
schiedenheit der  Stacheln.  Ist  es  doch  bei  lebenden  Cidariten 
ganz  gewöhnlich,  dass  um  den  Mund  herum  anders  gestaltete 
Stacheln  sitzen  als  um  den  After  oder  am  Aussenrand  des 
Körpers. 

Wh'  brauchen  wohl  kaum  dem  Abschnitt  über  die  Glan- 
darien beizufügen,  dass  die  „materia  medica"  der  lapides  judaici 
krystallisirter  kohlensaurer  Kalk  ist.  Zerschlägt  man  ein  Stück 
so  springt  mit  spiegelnder  Fläche,  aschgrau  von  Farbe,  das 
Hauptrhomboeder  des  Kalkspates  aus,  das  sich  aus  jedem  Stachel 
darstellen  lässt.  Wie  nun  aber,  wenn  die  Glandarien  des  Phiala- 
See's  sich  unter  die  des  Salimathals  mischten?  Am  Phiala-See, 
nur  wenige  Kilometer  von  dem  jurassischen  Medjdel  ech  Schems 
entfernt,  tritt  die  Glandarienzone  gleichfalls  zu  Tage:  aber  alle 
Glandarien  ohne  Ausnahme  sind  hier  verkieselt.  Auch  hier 
sammeln  die  Beduinenkinder  Körbe  voll  der  in  Feuerstein  ver- 
wandelten Stacheln,  die  heute  ebenso  zahlreich  nach  Beirut 
wandern,  wie  die  in  Kalkspat  versteinerten  des  Nähr  Beirut. 
Aeusserlich  aber  unterscheiden  sich  beide  in  keiner  Weise  von 
einander.  Zerschlägt  man  nun  die  Stücke  vom  Phiala,  so  sind 
die  meisten  hohl.  Ein  brauner  Staub,  der  letzte  Rest  des  Kalk- 
spates, fällt  aus  einer  Schale  von  Feuerstein.  In  der  Mitte  des 
Hohlraums  steht  vielfach   noch   ein  Stil    von  Feuerstein   als   ur- 


—      287      — 

sprüngliche  Axe  des  Stachels.  Sehr  häufig  ist  aber  auch  noch 
ein  Kern  von  Kalkspat  in  der  Hülle  des  Feuersteins,  je  nachdem 
ist  derselbe  schon  der  Metamorphose  verfallen,  durchlöchert,  aus- 
gelaugt, mehr  oder  minder  mit  erkennbarem  Kalkspatrhomboeder. 

Galerites  cylindrkus  Lamark  stimmt  am  besten  zu  den 
englischen  Exemplaren  von  Chardstock.  Die  Stücke  von  Ain 
Hamäde  übertreffen  jene  nur  um  weniges  an  Grösse,  wie  sie 
z.  B.  Quenstedt  Taf.   76,  Fig.  40  und  41   abgebildet  sind. 

Cyphosoma  cenomanense  Cotteau,  bei  Geinitz  Taf.   16,  Fig. 

3  — 10  vortrefflich  abgebildet,  mit  dessen  Figur  unser  Exemplar 
von  Salima  vollständig  übereinstimmt.  Das  Exemplar  hat  genau 
20  mmDurchmesser  bei  einer  Höhe  von  5  mm.  Die  Abplattung  ist 
unten  und  oben  gleich,  die  Warzen  ziemlich  gleich  gross,  die 
Poren  einfach. 

Ein  Cidarites  Delamarrei  wird  von  Desor  aus  dem  Hippuriten- 
kalk  von  Biskera  (Algier)  beschrieben,  er  scheint  mit  cenomanen 
aus  der  Sarthe  und  den  sächsischen  von  Plauen  identisch  zu  sein. 

Sdlenia  petalifera  Agass  Desor,  Synopsis  des  echinides, 
Taf.  XX,  Fig.   1.  Körperdurchmesser  7  mm  (Taf.  IV,  Fig.  4  und 

4  a).  Der  Schild,  der  übrigens  in  der  Zeichnung  etwas  ver- 
unglückt ist,  wurde  doppelt  vergrössert  in  Fig.  4  a  dargestellt. 
Die  5  Genitalienplatten  und  die  grosse  Centralplatte,  an  welcher 
der  After  sitzt,  sind  gar  zu  schön  erhalten,  als  dass  man  sie 
mit  ihrer  punktirten  Abgrenzung  nicht  gerne  gezeichnet  hätte, 
die  5  dreieckigen  Gesichtsplatten  zwischen  den  Genitalienplatten 
sind  auffallend  klein.  Ich  verdanke  das  zierliche  Stückchen  Herrn 
Rev.  Lewis,  der  es  um  Salima  gesammelt  hat. 

Terebratula  bipUcafa  Sow.  schliesst  die  Reihe  der  Fossile 
aus  der  Glandarienzone.  Wie  immer  bei  biplicaten  Terebrateln 
haben  wir  flache  Formen  ohne  Stirnfalten  und  die  mit  kräftig 
ausgeprägten  Stirnfalten.  Am  meisten  stimmen  unsere  Ain 
Hamäde-Formen  mit  hipUcafa  acuta  v.  Buch  (Quenst.  Brachiop. 
Taf.  48,  Fig.  70 — 74),  jener  Normalform,  die  bereits  Scheuchzer 
als  Musculus  anomius  von  Neocastrum  in  seinem  Museum  dilu- 
vianum  pag.  75  abgebildet  hat. 


283 


2.    Die  Sandsteinformation. 

Das  Auftreten  der  Sandsteine  und  Sande  ist  zunächst  der 
Anlass  für  die  Sammlung  der  AVasser  und  den  Ausbrucli  der 
Quellen.  Welche  Bedeutung  aber  eine  „Quelle"  für  jene  Länder 
hat,  in  welchen  es  vom  Monat  Mai  bis  September  nicht  regnet» 
braucht  nicht  näher  ausgeführt  zu  werden.  Der  trostlose  An- 
blick der  syrischen  Lande  in  den  Sommermonaten  bleibt  dem 
Reisenden  erspart,  wo  die  Formation  des  Sandes  sich  ausbreitet. 
Wenn  auf  den  Höhen  der  Kalkberge  im  Sommer  alles  Leben 
unter  der  glühenden  Sonne  erstirbt  und  die  ganze  Landschaft 
der  schattenlose  Wüste  gleicht,  so  fühlt  man  sich  mit  dem 
Wechsel  der  Formation  alsbald  in  ein  anderes  Land  versetzt. 
Der  Wald  —  soweit  überhaupt  dieses  Wort  gebraucht  werden 
darf  —  spendet  Schatten,  ein  Bach  rauscht  durch  die  Thal- 
schlucht, während  an  den  Gehängen  zahlreiche  Rinnen  und  Wasser- 
leitungen nach  allen  Richtungen  hin  auslaufen. 

Die  Sandsteinformation  im  Libanon  ist  der  Segen  des  Landes, 
dessen  Fehlen  in  Syrien  der  Grund  der  Unfruchtbarkeit  und 
Dürre  ist,  unter  welcher,  mit  wenigen  Ausnahmen,  das  ganze 
Land  leidet.  Ueber  die  früheren  und  neueren  falschen  An- 
schauungen dieses  Sandsteins,  als  ob  er  permisch  wäre,  oder 
triasisch,  gehen  wir  stillschweigend  weg.  Am  ausführlichsten  hatte 
L.  L artet  die  Frage  behandelt  (Traite  pag.  112  —  118)  und 
den  Kreide-Charakter  des  Sandsteins  als  höchst  wahrscheinlich 
festgestellt.  Wer  sich  im  Libanon  die  Mühe  gibt,  einige  Detail- 
profile aufzunehmen,  für  den  schwindet  bald  jeder  mögliche 
Zweifel,  denn  die  geognostische  Stellung  der  Sandsteinformation, 
wie  sie  freilich  schon  Botta^  als  erster  Beobachter  am  Libanon 
(1832)  angenommen  hatte,  steht  so  sicher,  dass  man  kein  Wort 
mehr  darüber  zu  verlieren  braucht. 

Ueber  den  Oolithbänken  von  Ain  Hamäde  und  des  Salima- 
thales  liegt,  wenn  auch  nicht  unmittelbar  der  Sandstein,  so  doch 
die  Formation  in  Gestalt  eines  Basaltit- Ergusses,  der  nach  kurzer 
Frist  in  den  Sandstein  übergeht.  Die  Wiederholung  der  basal- 
titischen  Ergüsse  im  Gebiet  des  Sandsteins  finden  wir  zum  Oefteren 


—      289     — 

wieder.  Das  Auftreten  des  Basaltits  und  Basaltittuffes  darf 
nicht  etwa  als  Störung  des  Profils  angesehen  werden,  denn 
Basaltit  und  Sandsteinformation  sind  2  Begrifi'e,  die  sich  decken. 
Der  Ausbruch  der  vulkanischen  Gebirgsarten  im 
Libanon  fällt  in  die  Periode  der  Sandsteinbild  ung 
und  zwar  gleich  in  den  Anfang  dieser  Periode,  indem  das  eruptive 
Material  sich  dem  Sandstein  beigesellt  und  eine  Keihenfolge  von 
Gebirgsarten  erzeugt  hat,  welche  aus  dem  reinsten  härtesten 
Basaltit  in  gelockerte  und  poröse  Basaltite,  weiter  in  Basaltittuffe 
und  in  basaltitische  Thone,  ferner  in  sandige  Tuffe  und  Thone,  in 
Sandmergel  und  schliesslich  in  reine  Sande  und  Sandsteine  Ueber- 
gänge  bilden. 

Auf    der    Karte    der    französischen    Expedition    habe     ich 
72  Punkte  notirt,  an  welchen  eruptives  Gestein  beobachtet  werden 
kann.     In   den   meisten  Fällen    liegt    es    klotzig    innerhalb    der 
Sandsteinformation,    umgeben   von   Basaltittuffen ,    die    sofort  in 
anderes  gleichaltriges  Gestein  übergehen.    An  einzelnen  Punkten 
durchbricht    der    Basaltit   gangförmig    die    alten    Marmore    und 
Dolomite,   um  dann    im  Gebiet  des   Sandsteins    zur  Verbreitung 
zu  kommen.    So  verschiedenartig  aber  auch  das  eruptive  Gestein 
auftritt,  namentlich  was  das  Farbenspiel  der  Verwitterungen  be- 
trifft, die  in  allen  Schattirungen  von  Schwarz  zu  Grün   und  von 
Grün  zu  Eoth  abwechseln,  so  bestehen  alle  von  mir  beobachteten 
Gesteine  im  Wesentlichen  aus  einem  Gemenge  von  Augit  und  Oligo- 
kläs  mit  Magnet-  und  Titan-Eisen,  Glasresiduen  und  porphyrischem 
Olivin  sowie  Augit,  scheinbar  frei  von  Apatit.     Die  Beschaffen- 
heit und  Aggregation  der  Gemengtheile  spricht  entschieden  dafür, 
sie  den   sog.  Melaphyren   und   nicht   den  Plagioklasbasalten  zu- 
zurechnen.    Da   aber    der  Name  Melaphyr  ursprünglich  auf  Ge- 
steine angewandt  wurde,    welche   gar   nicht  die  unterstellte  Zu- 
sammensetzung hatten  und  wohl  auch  mit  der  Zeit  vielfach  miss- 
braucht wurde,    so  wurde  auf  Mö  hl 's  Vorschlag  der  Name  Ba- 
saltit  aufgefrischt   und    zwar   Augitbasaltit    im    Gegensatz    zum 
Glimmerbasaltit   (Minette,   Kersanton    u.   a.).      Die    betreffenden 
Gesteine  bilden    als   die  Nachzügler   der  ächten  dyasischen    und 
triasischen  Augitbasaltite  die  Brücke  zu  den  tertiären  Plagioklas- 

Württeml).  natunr.  Jahreshefte.     1878.  -iq 


—      290     ~ 

basalten.  Wie  unter  den  letzteren  die  jüngeren  und  jüngsten 
Basalte  vorwiegend  anamesitisch  und  doleritisch  ausgebildet  sind, 
so  sind  auch  die  jüngeren  Augitbasaltite,  namentlich  die  des 
Libanons  deutlich  krystallinisch  entwickelt,  desshalb  aber  auch 
stets  stärker  angegriffen  als  die  kryptokrystallinischen. 

Herr  Professor  Möhl  in  Cassel  hatte  die  grosse  Freund- 
lichkeit, eine  Anzahl  Gesteinsproben  der  mikroskopischen  Unter- 
suchung zu  unterziehen.  Die  soeben  mitgetheilte  Charakteristik 
ist  im  Allgemeinen  das  Kesultat  seiner  Untersuchungen.  Im 
Speciellen  fand  er  Folgendes: 

1.  Das  Gestein  von  Hammäna*^  (Härte  6)  ist  ein  grob- 
krystallinisches  Gemenge  von  Oligoklas,  etwas  Orthoklas,  Augit, 
Titaneisen,  etwas  amorphem  Glasresiduum,  sowie  phorphyrischem 
Olivin  und  Augit. 

Der  Oligoklas  ist  grossentheils  wasserhell,  nur  stellen- 
weise wie  bestäubt,  fein  graugelb  getrübt  (bei  starker  Vergrösse- 
rung  wie  beregnet  ausgefressen,  wahrscheinlich  ausgelaugt),  in 
scharfrandigen,  reichlich,  oft  prachtvoll  triklin  gestreiften  Krystallen 
ausgebildet.  Diese,  von  1,2  mm  Länge,  0,5  mm  Breite  abwärts 
bis  zu  nur  0,18  mm  Länge,  0,03  mm  Breite,  liegen  grossentheils 
wirr  durcheinander,  während  stellenweise  die  kleineren  vorwalten 
und  innerhalb  solcher  Partien  die  grösseren  wie  mikroporphyrisch 
vereinzelt  eingelagert  hervorleuchten.  Recht  viele  Feldspat- 
leisten zeigen  keine  trikline  Streifung,  polarisiren  entweder  durch- 
aus einfarbig  oder  nach  Art  der  Karlsbader  Zwillinge  in  zwei 
scharf  getrennten  Hälften  abwechselnd  verschiedenfarbig,  so  dass 
sie  nur  als  einem  orthoklastischen  Feldspat  zugehörig 
zu  deuten  sind. 

Der  Augit  bildet  vorwiegend  gerundete  krystallinische 
Körner  von  0,2  bis  0,02  mm  Dicke  herab,  von  denen  nur  die 
kleineren  hin  und  wieder  scharfe  Krystallumrisse  haben.  Die 
Substanz   ist  bei   den  grösseren   rein,   licht  haarbraun,    bei  den 


*®  Hammäna ,  wohlhabendes  Dorf  in  dem  Distrikt  Metn  am  Fuss 
des  Djebel  Keneise.  Sitz  eines  Kaimakäms.  Vorwiegend  christliche 
Bevölkerung. 


—     291     — 

kleineren  dagegen  vielfach  staubig  getrübt  und  grünlich  grau- 
braun, stets  reichlich  unregelmässig  zersprungen. 

Die  kleinen  Körner  und  Krystalloide  bilden  oft  ganze  Hauf- 
werke, denen  kein  Feldspat  zwischengeklemmt  ist,  von  wo  aus 
dieselben  sich  zwischen  den  Feldspatlücken  zerstreuen. 

Da,  wo  Augit  reichlich  ist,  sind  auch  Titaneis enblättchen 
und  Körnchen  reichlich  eingemengt.  Die  grösseren  bis  0,08  mm 
breitenf  Lappen  haben  nicht  nur  häufig  scharf  hexagonalen  Umriss, 
sondern  sind  auch  im  auffallenden  Lichte  durch  die  rhombischen 
Spaltrisse  und  im  Querschnitt  als  Blätteraggregate  wohl  charak- 
terisirt.  Die  kleineren,  bis  0,02  mm  herabsinkenden,  sind  immer 
noch  mehr  verzerrt,  als  dies  bei  Magneteisen  vorkommt,  wogegen 
die  winzigen  Körnchen,  welche  oft  nur  bei  starker  Vergrösserung 
wie  Staub  im  Augit  und  Feldspat  liegen,  wohl  nur  Magnet- 
eisen sein  dürften. 

In  den  spärlichen  Lücken  tritt  etwas  amorpher  Glas- 
grund zwischen  den  grossentheils  eng  aneinanderschliessenden 
krystallinischen  Gemengtheilen  hervor.  Dieser  ist  theils  nur 
leicht  getrübt  und  wenig  verändert,  zum  Theil  aber  in  eine 
graugrüne,  vom  Eande  aus  sehr  fein  radialfasrige ,  büschelig 
fasrige  (mit  dunkleren  zwiebelschaligen  Anwachsringeu  ver- 
sehene) in  Salzsäure  leicht  lösliche,  dabei  schwach  gelatini- 
rende  Masse  verwandelt,  wogegen  Säure  die  Feldspäte  nicht 
angreift. 

Porphyrisch  tritt  hauptsächlich  nur  Olivin  in  wohlgebilde- 
ten bis  2  mm  grossen  Krystallen  hervor,  deren  Substanz  bis  auf 
geringe  Reste  theils  tief  schwarzgrün,  grösstentheils  aber  lebhaft 
und  ziemlich  pellucid  rost-  bis  honigbraun  von  den  Eändern  und 
Sprüngen  aus  umgewandelt  ist. 

Flüssigkeitsporen  und  niedliche  Zirkone  sind  in  den  frischen 
wasserklaren  Resten  nur  spärlich. 

Einige,  ebenwohl  bis  2  mm  grosse  braune,  stark  zersprun- 
gene Augitkrystalle  treten  als  porphyrische  Einlagerungen  gegen 
Olivin  sehr  zurück. 

Ueberall,  wo  Feldspat  vorwaltend  ist,  zeigen  sich  die 
Schliffe  recht  klar,   dagegen,  da   wo  die  Augit-Körner  mit   den 

19* 


—     292     — 

Titaneisen-Lamellen  und  -Fetzen  vorherrschen,  ist  das  Bild  äusserst 
wirr  und  unansehnlich. 

Die  procentische  Zusammensetzung  möchte  sein: 
Grundmasse  Oligoklas     40^/q 
,  Orthoklas       5  „ 

j,  Augit  35  „ 

^  Titaneisen     8  „ 

„  Glasgrund      4  „ 

Porphyrisch   Olivin  6  „ 

„  Augit  2  „ 

Das  mikroskopische  Bild  zeigt  ungefähr  das  Gefüge  der 
anamesitischen  Plagioklasbasalte ,  besser  aber  noch  das  einer 
ganzen  Anzahl  von  ziemlich  grob  krystallinischen  Augitbasaltiten 
(Melaphyr)  der  Umgegend  von  Tholey  und  Baumholder  des  Saar- 
Nahegebiets. 

2.  Das  Gestein  von  Kornäil^'''  (Härte  5)  unterscheidet 
sich  vom  vorigen  hauptsächlich  dadurch,  dass  der  auch  hier  recht 
klare  und  reich  triklin  gestreifte  Oligoklas,  nebst  dem  untergeord- 
neten Orthoklas,  nur  Krystalle  von  0,06  bis  0,2  mm  L.,  0,015 
bis  0,05  mm  Br.  bildet,  dass  der  Augit  in  reich  zersprungenen 
Krystallen  und  Krystallkörnern  von  0,06  mm  Dicke  im  Mittel 
und  klarer,  licht  chocoladebrauner  pellucider  Substanz  den  Feld- 
spat etwas  überwiegt,  und  das  Titaneisen  in  wie  zerhackten 
derben  Lamellen  und  Strichen  reichlicher  vorkommt. 

Der  porphyrische  Olivin  ist  in  eine  kaum  durchscheinende 
olivengrüne,  im  Innern  schwarzbraune  (Chlorophaeitartig)  büsche- 
lig fasrige  Substanz  verwandelt.  Glasresiduen  sind  sehr  versteckt, 
dagegen  fallen  0,03  mm  dicke  lebhaft  polarisirende  wasserhelle 
Quarzkörner  leicht  auf. 

Das  Gestein  ist  schon  recht  bröcklig  und  mürbe,  eine  Eigen- 
schaft, die  auch  die  Kerne  der  zu  Erde  zerfallenden  concentrisch- 
schaligen  Augitbasaltitmugeln  der  Gegend  um  Tholey  und  St. 
Wendel  in  hohem  Grade  auszeichnet. 


"  Kornäil,  kleines  Dorf  in   dem  Distrikt  Metn,  mit  einer  alten 
Emirsburg ,  von  der  R  u  s  s  e  g  g  e  r  eine  Abbildung  gegeben  hat. 


—     293     — 

3.  Das  Gestein  von  K  e  s  e  i  b  e  *^  (Härte  7)  enthält,  im  Mittel 
0,2  mm  lange,  0,03  mm  breite,  nur  aus  3  bis  6  Lamellen  gebil- 
dete Oligoklaskrystalle ,  die  nur  längs  der  scharfen  Känder  noch 
frisch  und  wasserhell,  in  der  Längsmittelzone  aber  stark  angegriffen, 
daher  hier  trüb  grau  (wie  bepudert)  sind.  Diese  liegen  in  einem 
theils  trüb  graugelben,  theils  grünlich  grauen,  von  Titan  eisenstücken, 
Lamellen  und  wie  zerhackten  Aggregirungen  reich  durchsetzten 
Grunde.  Die  einzelnen  Lamellen  der  Oligoklase  stehen  häufig 
an  den  schmalen  Seiten  zinnenartig  vor  und  zurück,  oder  bei  un- 
mittelbar aneinandergelagerten  Krystallen  macht  sich  ein  treppen- 
förmiger  An-  und  Aufbau  bemerkbar.  Eecht  viele  Krystalle  indess 
polarisiren  nur  einheitlich  oder  als  Karlsbader  Orthoklas-Zwillinge. 
Der  trübe  Grund  besteht  groseentheils  aus  verändertem 
Glas.  Theils  besteht  die  Veränderung  in  einem  blos  bepuderten 
Aussehen  mit  klein  mosaikartiger  Polarisation,  theils  in  einer 
wirren  Faserung,  immer  aber  sind  in  solchen  Partien  die  winzi- 
gen keulen-,  corallen-,  moosartig  oder  aus  feinen  Strichelchen 
rechenförmig  aggregirten  Trichitchen  noch  unversehrt  und  gehen 
kaum  merkbar  in  die  Titaneisenlamellen  der  Grundmasse  über. 
Da  wo  der  Glasgrund  mehr  hervortritt,  enthält  er  als  am  weitest 
vorgeschrittene  Veränderung  fast  wasserhelle,  unbestimmt  begrenzte 
von  rhombisch  kreuzenden  Rissen  durchzogene  bis  0,2  mm  grosse 
Flecke  von  Magnesitspat.  (Die  Flecke  brausen  mit  verdünnter 
Salzsäure  nur  schwach  und  werden  erst  nach  längerer  Zeit  aus- 
gefressen.) 

Der  Augit,  ursprünglich  schon  gegen  Feldspat  zurücktretend 
ist  theils  so  völlig  zerstört,  dass  nur  im  polarisirten  Lichte  die 
Unterscheidung  der  ehemaligen  Körner  innerhalb  des  trüben 
Grundes  noch  möglich  ist ;  da  wo  dies  weniger  der  Fall  ist,  er- 
blickt man  Körner  und  gerundeteckige ,  bis  0,08  mm  grosse  Kry- 
stalle, die  theils  in  eine  homogene,  lebhaft  grasgrüne,  fast  pellucide, 
theils  in  eine  graugrüne  erdige  trübe  Masse  (Chloropit)  umge- 
wandelt sind. 


1«  Keseibe,  kleines  Dorf  im  Distrikt  Metn,  auf  der  Höhe  über 
dem  Salimathal  .eizend  gelegen 


—     294      — 

Das  Titaneisen  bildet,  wie  bereits  bemerkt,  je  nach  dem 
Schnitt,  fetzenartige  Lamellen,  Striche  von  0,2  mm  Länge  und 
Aggregate  derselben,  die  durch  ihre  Menge  dem  Schliff  ein  zer- 
hacktes Ansehen  verleihen. 

Porphyrisch  reichlich  eingelagert  sind  schon  auf  der  ange- 
schliffenen Fläche  als  blinde  graue  Flecke  hervortretende  total 
zersetzte,  gut  umrandete  Olivinkrystalle.  Im  durchfallenden 
Lichte  sind  dieselben  blass  lehmgelb,  wenig  pellucid  mit  wasser- 
hellen Fleckchen,  längs  der  Ränder  und  Sprünge  aber  wie  dicht 
bepudert  bräunlich  grau  und  opak.  Wie  die  Aetzversuche  lehren, 
sind  die  Olivine  fast  gänzlich  in  Carbonat  und  zwar  Magnesit 
verwandelt,  der  im  reinen  Zustande  die  hellen  Centralpartien 
bildet. 

Die  procentische  Zusammensetzung  der  frischen  Gesteine 
dürfte  gewesen  sein: 

Grundmasse  Feldspat     55 

Glas  20 

„  Augit  7 

„  Titaneisen  10 

Porphyrisch    Olivin  8 

Handstück,  Schlifffläche,  Ansehen  des  Dünnschliffes,  Beschaf- 
fenheit und  Aggregation  der  Gemengtheile  ist  zum  Verwechseln 
einer  ganzen  Anzahl  kleinkrystallinischer  Augitbasaltite  des  Saar- 
Nahegebiets  ähnlich. 

4.  Das  Gestein  von  Snaia^^  (Härte  6)  ist  ein  kleinkrystalli- 
nisches  Gemenge  von  Oligoklas,  Augit,  Magnetit  und  lichtem,  stark 
hervortretendem  Glasgrund  mit  porphyrischem  Olivin    und  Augit. 

Der  Oligoklas  bildet  fast  wasserhelle,  nur  aus  3  bis  5 
Lamellen  Zusammengesetze  Leisten  von  0,06  bis  0,08  mm  L., 
0,015  bis  0,03  mm  Br.,  der  Augit  trüb  grünlich  braune,  nur 
0,03  mm  dicke  stark  zersprungene  Körner,  der  reichliche  Mag- 
netit scharfe  Kryställchen  von  0,02  bis  0,03  mm  Dicke. 

Augit  und  Magnetit  sind  vielfach  zusammengerottet,  so  dass 


'^  Snaia,    kleines    schmutziges    Dorf  in    dem   Distrikt   Djezzin. 
Gemischte  Bevölkerung. 


—     295     — 

die  Feldspathleisten  sicli  fluidal  angeordnet  zwiscbendurchschlän- 
geln  und  nebst  dem  nur  fleckig  getrübten  Glasgrund  die  lichten 
Partien  bilden. 

ßeichlich  porphyrisch  eingelagert  ist  Olivin  und  Augit,  beide 
in  theilweise  guten  Krystallen  von  0,5  bis  1,2  mm  Grösse,  letz- 
tere noch  in  bis  3  mm  Fläche  einnehmenden  sternförmigen  Ag- 
gregaten. 

Der  Olivin  ist  grossentheils  frisch,  wasserhell  nur  längs 
der  Quersprünge,  weniger  längs  der  Eänder  schmal  graugrün 
querfasrig  serpentinisirt. 

Winzige  Flüssigkeitsporen  und  kleine  Zirkone  enthalten  nur 
wenige  in  den  frischen  Partien. 

Der  Augit  ist  recht  pellucid,  in  einer  schmalen  zart  ver- 
waschenen Randzone  licht  chocoladebraun,  hier  zum  Theil  erfüllt 
mit  Dampf-,  Glas-  und  Steinporen.  Er  ist  nur  wenig  rissig,  oft 
ausgezeichnet  geradlinig,  der  Spaltbarkeit  entsprechend. 

Die  procentische  Zusammensetzung  möchte  sein : 

Grundmasse  Feldspath  30 

„  Augit         25 

„  Magnetit    10 

Glas  15 

Porphyrisch  Olivin         10 

,,  Augit  10 

Das  mikroskopische  Bild  der  Dünnschliffe,  sowie  das  Aus- 
sehen des  Gesteins  hat  zahlreiche  Analoga  unter  den  jüngeren 
Plagioklasbasalten  und  Augitbasaltiten. 

5.  Das  Gestein  von  B'kesin^*^  (Härte  7)  unterscheidet 
sich  vom  Gestein  von  Keseibe  nur  durch  grössere  Frische,  daher  in 
der  Grundmasse  der  Augit  in  Körnern  und  Kryställcheu  noch 
recht  pellucid  braun,  der  porphyrische  Olivin  noch  bis  auf  die 
schmalen  graugrünen  Zersetzungen  längs  der  Ränder  und  Sprünge 
rein  und  farblos  hervortritt. 

Hin  und  wieder  haften  an  den  Titaneisenlamellen  pellucide 


2"  B'kesiu,  kleines  unter  Obstbäumen  verstecktes  reizendes  Chri- 
stendörfchen  in  dem  Distrikt  Djezzia  (S.  297;. 


—     296     — 

krystallinisclie  Anhängsel  von  secundärem,  lebhaft  rostbraun  durch- 
scheinendem Eisenglanz. 

Die  Trichitchen  im  Glase  sind  oft  recht  niedlich  federig 
aggregirt  und  zum  Theil  schwach  braun  durchscheinend ,  also 
auch  wohl  in  der  Umwandlung  zu  Eisenglanz  begriffen. 

6.  Das  Gestein  von  Bauwirte-^  (Härte  5)  ist  ein  grob- 
krystallinisches  Gemenge  von  Oligoklas,  Augit,  Titaneisen  und 
Glas  mit  porphyrischem  Olivin. 

Im  Dünnschliff  ist  der  Augit  vorwaltend,  welcher  sehr 
pellucide,  licht  leder-  bis  chocoiadebraune  reine,  stark  unregel- 
mässig zersprungene  und  spaltrissige  Krystalle  von  im  Mittel 
0,2  mm  L.  bildet.  Der  in  einzelnen  oder  fächerig  aggregirten 
Leisten  vorhandene  Oligoklas  ist  theils  sehr  frisch,  prächtig 
fein  und  reich  gestreift,  theils  in  Läugslinien,  namentlich  in  den 
Aggregaten  angefressen,  graulich,  wie  bestäubt,  getrübt,  dem  Augit 
ein-  und  zwischengeklemmt.  Das  Titan  eisen  ist  in  derben 
vielgestaltigen,  doch  vorwiegend  scharf  krystallinisch  umrandeten 
bis  0,08  mm  1.  Lamellen  und  Strichen  nur  sparsam  eingelagert. 

Ein  nur  noch  an  wenig  Stellen  farbloser  oder  graulich- 
gelb getrübter,  grösstentheils  wirr  fächerstrahlig  (zeolithisirt) 
oder  endlich  nebenbei  graugrün  umgewandelter  (äusserst  bunt 
polarisirender)  Glasgrund  tritt  vielfach  und  oft  stark  hervor. 

Der  reichliche,  kaum  porphyrisch  hervortretende  Olivin  in 
Krystallen  von  0,2  bis  1,5  mm  Länge  ist  theils  blind  und  grau- 
gelb wie  im  Gestein  von  Keseibe ,  theils  brillant  grün  mit  dunk- 
leren Flecken  serpentinisirt ,  theils  sehr  pellucid  honigbraun 
durchscheinend  mit  dunkleren  opaken  Rändern  umgewandelt. 

Die  procentische  Zusammensetzung  dürfte  sein: 
Augit  =   40% 

Oligoklas  =  25  „ 
Glasgrund  =  20  „ 
Titaneisen  =  5  „ 
Olivin  =    10  „ 


*^  Bauwirte,  kleines  Christendorf   im  Distrikt  Schehar  zwischen 
Abeih  und  der  Meeresküste  gelegen. 


—     297     — 

7.  Das  Gestein  von  Bscherre  ^'-^,  zum  Scüieifen  zu  mürbe, 
ist  den  Balsatitmandelsteinen  der  Idargegend  sehr  ähnlich.  Das 
Pulver  zeigt  ein  feinkrystallinisches  Gemenge  von  Oligoklas,  trü- 
ben Augitkörnern  und  Titaneisenlamellen.  Ein  unzweifelhaft 
vorhanden  gewesener  Glasgrund  ist  carbonisirt,  wie  auch  das 
Gestein  von  Calcitmandeln ,  die ,  ebenso  wie  in  vielen  Basaltit- 
mandelsteinen,  einen  meergrünen  Eisenoxydulsilicatüberzug  haben, 
durchzogen  ist.  Der  reichliche  porphyrische  Olivin  in  Krystall- 
körnern  von  1 — 2  mm  Dicke  ist  fast  durchaus  tief  rostbraun 
umgewandelt. 

8.  Das  Gestein  von  Felügha^^  scheint  eine  tuffartig  zer- 
setzte graue  Masse  zu  sein,  die  durchaus  mit  Säure  braust  und 
reichlich  auch  noch  mandelsteinartige  Calcitbohnen  enthält. 

9.  Ebenso  und  noch  stärker  wird  das  von  Haidüra^^  zer- 
setzt. Das  mit  Salzsäure  stark  brausende,  sich  sofort  grün  fär- 
bende und  etwas  gelatinirende  Pulver  hinterlässt  farblose  Oligo- 
klasleisten  und  grünlichbraune  Augitkörnchen. 

10.  Der  Einschluss  im  Gestein  von  B'kesin  ist  eine  zum 
Theil  wieder  ausgelaugte  bezw.  ausgefressene  und  hier  mit  Sko- 
lecitnädelchen  ausgekleidete  Zeolithmandel  und  zwar  nach  der  Spalt- 
barkeit, dem  Verhalten  vor  dem  Löthrohre  und  nach  dem  Glühen  des 
in  Salzsäure  durch  Eisenoxyd  gelb  gefärbten  Materials  Prehnit. 

Alle  diese  vulkanischen  Ergüsse  haben  ganz  gewaltige 
Massen  zu  Tage  gebracht  und  dieselben  über  die  Dolomite  und 
Marmore  ausgegossen,  deren  Ende  wir  mit  den  Glaudarienooliten 
bezeichnen.  Die  ohne  Zweifel  submarinen  und  litoralen  Ergüsse 
wurden  alsbald  von  dem  Meer  zu  Sedimenten  verarbeitet  und 
zwar  in  den  meisten  Fällen  bis  zur  völligen  Unkenntlichkeit  ihres 
vulcanischen  Ursprungs.  Gewaltige  Thon-  und  Mergelmassen 
dürfen  wohl  geradezu  als  die  letzten  Produkte  des  Meeres  aus 
den  ausgeworfenen  Aschen  und  Tuffen  bezeichnet  werden,  welche 


-2  Bscherre,  grosses  Christendorf  in  dem  Distrikt  gleichen  Namens, 
Sitz  eines  Mudirs  und  Kaimakäms. 

^^  Felügha,  kleines  Dörfchen  im  Distrikt  Metn  zwischen  Hammäna 
und  Kornäil  tief  im  Thal  gelegen. 

^^  Haidüra,  kleines  Dorf  im  Djezzin,  in  der  Nähe  von  Snaia. 


-      298     — 

wie  tiberall  auch  anderwärts  und  zu  allen  Zeiten  den  Erguss 
des  Basaltits  begleiteten. 

In  unmittelbarem  Contakt  mit  den  Basaltiten  steht  zuweilen 
eine  wässerige  Kieselsinterbildung,  welche  laut  gefälliger  Mit- 
theilung meines  verehrten  Freundes ,  des  Professors  Fischer  in 
Freiburg  Sa moit^^  ist.  In  einer  fürchterlichen  Schlucht,  welche 
der  Awali  gerissen  hat  und  täglich  reisst,  nachdem  er  von  dem 
Felsenkranz  bei  Djezzin  gegen  40  m  tief  in  zwei  pracht- 
vollen Wasserfällen  niedergestürzt  ist.  Nach  seinem  Sturz  wühlt 
er  sich  im  Sande  und  Sandmergel  jnit  Kohlenschmitzen  ein.  Das 
weiche,  bewegliche  Gebirge  wird,  so  oft  ein  Regen  den  Strom 
schwillt,  unterwaschen,  schiebt  von  den  Steilgehängen  in  das  Bett 
nach,  als  ob  es  den  Fluss  in  seinem  Laufe  hemmen  wollte.  Dieser 
aber  überwindet  siegreich  alle  Dämme,  welche  er  sich  selber  in 
den  Weg  legt  und  schiebt  sie  klein  zertheilt  abwärts  in  das 
offene,  durch  seine  Fruchtbarkeit  berühmte  Thal,  wo  der  Baruk 
sich  mit  dem  Awali  verbindet.  Unterhalb  des  reizend  in  einem 
Wald  von  Nussbäumen,  Feigen  und  Maulbeerpflanzungen  ver- 
steckten Dorfes  B'kesin  ist  ein  Pinienwald,  von  dem  ein  Fuss- 
steig  durch  Buschwerk  von  Rhododendron,  wilden  Rosen,  Oleander 
und  mannshohen  Farren  zum  Awali  hinabführt.  In  der  Mitte 
des  Abstiegs  windet  sich  der  Weg  durch  Basalttuffe  hindurch,  durch 
welche  sich  in  bauchigen  Schichten  von  0,5  m  Mächtigkeit  viel- 
fach verrutscht  und  verstürzt  der  Samoit  als  Versteinerungs- 
material von  Pflanzenresten  findet.  Der  Samoit  sieht  genau  aus 
wie  Harz,  so  dass  mein  Erstes  war,  ein  Zündholz  zu  streichen 
um  das  vermeintliche  Harz  anzuzünden.  Die  Farbe  ist  weiss- 
gelb,  gelb  bis  lichtbraun,  haibdurchscheinend  und  klebt  nicht  an 
der  Zunge.  Das  spezif.  Gewicht  ist  1,7,  Härte  4  bis  4,5.  Un- 
schmelzbar, wird  mit  Kobaltlösung  blau  und  gibt  im  Kolben 
Wasser  ab.     Gelatinirt  in  Salpetersäure. 

Erstmals  wurde  das  Mineral  gefunden  und  nach  seinem 
Fundort  benannt  in  einer  Lavahöhle  eines  erloschenen  Vulkans 
auf  Upolu,    einer   Insel   der   Samoagruppe.     Die    einige    hundert 


2^  Dana,  J.  D.,  System  of  mineralogy.    London   1868.  p.  478. 


—     299      — 

Fuss  lange  Höhle  ist  auf  dem  Boden  und  an  den  Wänden  mit 
dem  tropfsteinartigen  Mineral  bedeckt,  augenscheinlicli  als  Pro- 
dukt durchsickernder  Wasser.  Im  frischen  Zustand,  fügt  Dana 
bei,  ist  das  Mineral  weich  genug,  um  es  mit  dem  Messer  zu 
schneiden,  erhärtet  aber  an  der  trockenen  Luft.  Das  Letztere 
ist  auch  mit  dem  Samoit  von  B'kesln  der  Fall,  der  bergfeucht 
wie  Speckstein  sich  schneiden  lässt.  Nach  Jahresfrist  vertrocknet 
er,  dass  er  selbst  leicht  zerbröckelt  beim  Drücken  mit  dem  Finger. 

Interessanter  fast  als  die  mineralogische  Seite  des  Vor- 
kommens ist  der  Umstand,  dass  der  Samoit  zugleich  ein  Ver- 
steinerungsmaterial für  eingeschlossene  Pflanzenreste  bildet,  in 
welchem  sich  Blätter,  Stängel,  Zweige,  Hölzer  und  Früchte  ganz 
vortrefflich  erhalten  haben.  Hocherfreut  über  den  Fund  sammelte 
ich  nach  Herzenslust  und  belud  mich  und  den  Begleiter  mit  den 
herrlichsten  Sammlungsstücken  dieses  mir  vollständig  unbekannten 
Minerals.  Leider  aber  ging  mir  fast  Alles  schon  auf  dem  Kitt 
nach  Beirut  und,  was  dort  etwa  noch  vollständig  war,  in  der  Kiste 
beim  Transport  in  die  Heimath  zu  Grunde.  Was  ich  nunmehr 
vor  Augen  habe,  sind  im  günstigsten  Falle  nussgrosse  Stücke, 
von  Blattresten  durchsetzt  und  überzogen.  An  dem  Netzwerk 
der  Blätter  erkennt  man  noch  Credneria  vielleicht  auch  Euca- 
lyptus, Sehr  schön  sind  auch  noch  einzelne  Fetzen  von  Gräsern 
und  Schilfen  und  deutliche  Hölzer  von  Palmen.? 

Bringen  wir  diese  Pflanzen  der  Kreidezeit  mit  den  ob  auch 
noch  so  spärlich  gefundenen  Besten  aus  den  Kohlenschiefern 
und  den  Dysodilen  in  Verbinduug,  so  haben  wir  doch  damit 
einen  Anhaltspunkt  über  die  Zeit  der  Bildung  des  Samoits,  welche 
gleich  dem  Ausbruch  des  Basaltits  in  die  mittlere  Epoche  der 
Kreidezeit  fällt. 

Das  jetzt  auftretende  Leitfossil  ist  die  Trigonia  syriaca 
Conr.  (ofi*.  Rep.  3,   19—23). 

Folgen  wird  Lycett's  Eintheilung  der  fossilen  Trigonien 
(Palaeontogr.  society  XXVI.  1872),  welcher  die  4  Familien:  sca- 
phoideae,  clavellatae^  undulatae  und  glabrae  unterscheidet,  so 
gehören  unsere  für  den  bezeichneten  Horizont  leitenden  Trigonien 
zur  3.  Familie  der  TJndulaten.    Diese  Familie  nimmt  bereits  im 


—     300     — 

Oolith  ihren  Anfang  und  setzt  sich  bis  zur  Kreide  fort  in  den  bis 
jetzt  bekannten  2  Arten  der  Tr.  distans  und  syriaca.  Die 
Häufigkeit  des  Vorkommens  im  Libanon,  der  sich  gleich  bleibende 
Charakter  der  Art  mit  den  eigenthümlichen  Schlosszähnen  recht- 
fertigt um  so  mehr  die  Publikation  der  Zeichnung,  als  Conrad 
in  seinem  Report  die  Zeichnungen  auf  die  mangelhafteste,  dürf- 
tigste Art  ausgeführt  hat.  Taf.  VI.,  Fig.  2—4  stellt  die  Muschel 
dar.  Ein  kräftiger  Eadialwulst  trennt  die  Lunula  auf  der  Schale 
ab,  die  selbst  wieder  durch  eine  Radialfurche  in  ein  inneres  und 
äusseres  Feld  abgetrennt  ist.  Concentrische  Schalenrippen  legen 
sich  um  die  Wirbel,  die  wie  bei  allen  Trigonien  nach  hinten 
schauen.  Mit  der  7. —  8.  Rippe  vom  Wirbel  ab  hört  die  ein- 
fach concentrische  Anlagerung  der  Rippen  auf,  denn  sie  biegen 
sich  gegen  die  Mitte  der  Stirne  auf.  Der  Winkel,  unter  welchem 
die  Rippen  ihre  Falte  schlagen,  wird  gegen  den  Schalenrand  hin 
immer  spitzer,  dabei  aber  verflachen  sich  die  Rippen  zugleich 
der  Art,  dass  sie  gegen  den  Rand  hin  eine  fast  platte  Schale 
hinterlassen  (Fig.  4).  Irgend  eine  specifische  Unterscheidung 
hierin  zu  begründen,  rechtfertigt  sich  nicht,  indem  vielfache 
Uebergänge  von  der  bis  zur  Stirn  gefalteten  und  der  gegen  die 
Stirn  hin  glatt  werdenden  Form  existiren.  Wer  Namen  liebt, 
kann   eine   Tr.  syriaca  nuäa  und  syriaca  plicata  unterscheiden. 

Das  Hauptmerkmal,  die  Undulaten  der  Kreide  gegenüber 
denen  des  Jura  zu  erkennen,  beruht  wesentlich  in  dem  Seh  los  s. 
Der  Leyerzahn  der  linken  Valve  ist  in  der  Mitte  gespalten, 
die  glatte  Furche  entspricht  einem  Kiel  in  der  Zahngrube  der 
rechten  Valve.  Beide  Seiten  des  kräftigen  Schlosszahns  sind 
mit  18 — 20  concentrisch  angelegten  Streifen  bedeckt,  mehr  als 
noch  einmal  so  viel  als  bei  jurassischen  Trigonien.  Dem  entspricht 
selbstverständlich  die  rechte  Valve  mit  der  tiefen  Schlossgrube. 
Auch  die  Muskeleindrücke  sind  viel  tiefer  und  kräftiger  als  bei 
jurassischen  Arten,  was  mit  der  Stärke  der  Schale  und  des 
ganzen  Schlossapparates  zusammenhängt. 

Sehen  wir  uns  nach  bekannten  ähnlichen  Formen  um,  so 
erinnern  die  Zahngruben  unserer  Trigonien  am  meisten  an  Lyrio- 
don  Herzogii  Hausm.,  die  schon  Goldf uss  (Petref.  Germ.  Taf.  137, 


—     301      — 

Fig.  5)  als  vom  Sonntagsfluss  bei  Enon  im  Capland  beschrieben 
hat,  ohne  jedoch  das  Schloss  näher  zu  kennen,  das  erst  F.  Krauss 
in  den  Nov.-Acta  Bd.  XXII,  P.  2  beschrieben  und  abgebildet 
hat.  Die  Originale  liegen  in  der  Sammlung  des  K.  Naturalien- 
kabinets.  Die  beiden  tiefen  Gruben  des  Leyerzahns  der  linken 
Valve  sind  von  ungleich  hohen  Steilwänden  eingeschlossen,  die 
auf  beiden  Seiten  mit  16 — 20  vertikalen,  parallel  laufenden 
Zähnen  versehen  sind.  Die  inneren  Wände  sind  höher  als  die 
äusseren  und  begränzen  den  starken  conisch  nach  hinten  zu- 
laufenden und  mit  einer  Rinne  versehenen  Schlosszahn,  der  in 
die  Grube  zwischen  beiden  Zähnen  der  rechten  Schale  eingreift 
Es  ist  richtig,  dass  der  Leisten  am  Zahn  bei  Tr,  syriaca  noch 
mehr  sind  als  bei  der  Trigonia  der  Algoabai,  bei  welcher  sie 
gedrängter  und  enger  bei  einander  stehen.  Sonst  aber,  nament- 
lich was  den  geognostischen  Charakter  betrifft,  stehen  beide  sich 
sehr  nahe.  Auf  ganz  immense  Erstreckung  hi^  zieht  sich  am 
Cap  von  der  Tafelbai  bis  zur  Algoabai  und  von  der  Küste  bis 
zur  Karroo  ein  Sandsteingebirge  hin,  dessen  Fortsetzung  an 
der  Küste  der  Algoabai  einen  Reichthum  von  Bivalven  einschliesst, 
unter  welchen  wir  in  erster  Linie  die  Trigonien  zu  verzeichnen 
haben. 

Astarte  lihanotica  Fr.  Taf.  V ,  Fig.  1  a  und  b ,  eine  der 
gemeinsten  Muscheln  im  Horizont  des  Sandsteins,  die  wohl  auch 
in  höhere  Horizonte  hinaufgeht,  wo  sie  jedoch  stets  nur  Stein- 
kerne bildet.  Im  Sandmergel  ist  sie  mit  ihrer  Schale  selbst 
noch  mit  dem  Ligament  versehen  und  treuer  Begleiter  der  Tri- 
gonia, während  allerdings  die  Trigoniasteinkerne  den  höheren 
Schichten  fehlen. 

Charakteristisch  an  Ästarte  lihanotica  sind  die  6 — 8  starken 
Astarterunzeln  zunächst  den  Wirbeln,  die  aber  weiterhin  auf  der 
Schale  sich  verflachen,  so  dass  die  Schale  nahezu  glatt  erscheint. 
Ohne  die  genannten,  dem  Geschlecht  Astarte  eigenthümlichen 
Rippen  würde  man  beim  Anblick  der  Muschel  eher  an  Venus 
und  deren  verwandte  Geschlechter  denken.  Ob  der  Rand  der 
Schale  gekerbt  ist  oder  glatt,  konnnte  ich  leider  an  keinem  der 
Exemplare  constatiren.     Auf  Veränderungen  der  ächten  Astarte- 


—     302     — 

Merkmale  darf  man  sich  schon  gefasst  machen,  wenn  man  z.  B. 
die  Astarten  der  Algoabai,  gleichfalls  die  zahlreichen  Begleiter 
der  dortigen  Trigonien,  sich  näher  ansieht.  Goldfuss  hatte 
dieselben  als  Cytherea  beschrieben,  Krauss  entschied  sich  für 
Astarte  wegen  der  zahlreichen  (30 — 45)  tief  in  die  Schale 
einschneidenden  Runzeln.  Dagegen  ist  der  Schlosszahn  der  von 
Cytlierea.  d'Orbigny  hat  p.  259  aus  dem  Neocom  eine  Astarte 
Moreausa  abgebildet,  die  unserer  A.  libanotica  jedenfalls  sehr 
nahe  steht,  der  aber  gerade  die  schönen  Eunzeln  fehlen.  Dage- 
gen ist  Astarte  gigantea  d'Orb.  pl.  258,  obgleich  in  Frankreich 
im  Neokom  vorkommend,  der  Begleiter  der  vorigen  Art.  Nähere 
Untersuchung  dürfte  vielleicht  die  beiden  Arten  Moreausa  und 
gigantea  in  Eine  verschmelzen.  Den  Unterschied  von  A.  gigantea 
und  libanotica  bildet  aber  jedenfalls  das  Fehlen  der  Astarterun- 
zeln.    Die  Höhe  dieser  Muschel  erreicht  73,  hre  Dicke  60  mm. 

Lutraria  sinuata  Fraas  Taf.  VII,  Fig.  3.  Nach  dem  glück- 
licher Weise  an  einem  Exemplar  blosgelegten  Schlosszahn  haben 
wir  es  mit  Lutraria  zu  thun.  In  dem  untern  Drittheil  lauft 
vom  Wirbel  aus  eine  Bucht  gegen  den  Rand  der  Schale.  Flache 
concentrische  Streifen  decken  die  Schale. 

Ostrea  succini  Fraas  Taf.  IV,  Fig.  3  ist  so  charakteristisch 
im  ganzen  südlichen  Libanon  als  Begleiter  des  Bernsteins ,  dass 
wir  die  Auster  nach  dem  mitvorkommenden  Mineral  benennen. 
Es  ist  eine  kleine  gerippte  Auster,  die  etwa  der  jurassischen 
0.  subserrata  oder  costata  ähnlich  wird  und  stets  mit  breiter 
Basis  angewachsen  ist.  Das  abgebildete  Exemplar  ist  eines  der 
grössten,  das  wir  in  der  Nähe  von  Djebäa  fanden.  Gewöhnlich 
ist  eine  ganze  Colonie  solcher  Austern  neben  und  aufeinander 
gewachsen. 


Die  Kohlen  des  Libanon. 

Wo  die  Auster  einmal  auftritt,  fängt  das  Gebirge  an  sich 
dunkel  zu  färben.  Kohle  und  Bitumen  stellt  sich  ein,  deren 
verführerisches   Schwarz   zum    zweiten   Mal   im   Lauf  des   Jahr- 


—     303      — 

hunderts  die  Hoffnungen  auf  Ausbeute  und  günstige  Verwendung 
der  Kohle  rege  gemacht  hat. 

Die  ersten  Kachrichten  von  Kohlengruben  gibt  uns  J.  Euss- 
egger,  der  im  Jahr  1834  im  Auftrag  Mehemet  Ali's  das 
grosse  egyptische  Reich,  zu  welchem  damals  auch  Syrien  und 
der  Libanon  gehörte,  auf  nutzbare  Mineralien  untersuchte.  Russ- 
egger  besuchte  am  12.  October  1836  die  Provinz  Metn,  wo 
er  unter  der  Leitung  des  englischen  Ingenieurs  Brattel  reges 
Leben  in  den  Gruben  fand.  Viele  Arbeiter  waren  hier  beschäf- 
tigt und  war  der  Betrieb  rationell  und  den  Anforderungen  der 
bergmännischen  Technik  entsprechend  eingerichtet.  Aber  trotz- 
dem waren  die  Resultate  die  kläglichsten,  die  man  sich  denken 
kann!  Zur  Zeit  des  höchsten  Schwungs  ungefähr  100  Centner 
Ausbeute,  wenn  die  Grube  mit  50  Arbeitern  belegt  warl  Der 
Grün sand  führt,  wie  sich  Russegger  ausdrückt,  auf  untergeord- 
neten Lagerstätten  eine  Braunkohle  der  ältesten  Gruppe,  in 
welcher  der  langsame  Verkohlungsprocess  bis  zum  gänzlichen 
Verschwinden  der  Holztextur  vorgeschritten  ist.  Sie  wird  als 
Pechkohle  und  Glanzkohle  bezeichnet,  die  obwohl  selten  durch 
blosse  Aenderung  der  Texturverhältnisse  in  sog.  Blattkohle,  Papier- 
kohle oder  Dysodil  übergeht,  ohne  aber  eine  nennenswerthe  lokale 
Ausdehnung  zu  zeigen.  Häufiger  sind  die  Uebergänge  der  Pech- 
kohle aus  bituminösem  Holz.  Die  Kohle  sowohl  als  das  bitu- 
minöse Holz'  zersetzen  sich  aber  schnell  in  Berührung  mit  der 
Luft  und  zerfallen  endlich  gänzlich  zu  Alaun-Erde.  Denn  die 
Kohle  hält  sehr  häufig  Schwefelkies  und  zwar  in  grosser  Quan- 
tität eingesprengt,  wodurch  sie  zum  technischen  Gebrauch  untaug- 
lich wird.  Zu  den  seltenern  Beimengungen  gehört  der  Bernstein, 
der  zum  Theil  in  beträchtlichen  Stücken  und  grosser  Reinheit 
der  Pechkohle  eingesprengt  ist. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  ich  bei  dem  Besuch  der 
Provinz  Metn  in  erster  Linie  die  3  Gruben  Ibrahim  Pascha's 
aufsuchte.  Die  Mühe,  sie  wieder  aufzufinden ,  war  nicht  gering. 
Im  Lauf  der  40  Jahre,  darunter  20  Jahre  der  aufreibendsten 
Bürgerkriege,  war  die  Erinnerung  an  die  bergmännischen  Arbeiten 
der  30er  Jahre  so  gut  wie  vergessen.     Möglich   auch,   dass  ich 


—     304     — 

absichtlich    getäuscht   oder    im    Dunkel   gelassen   werden    sollte, 
denn  die  Erinnerung  an  die  Arbeiten  war,  wie  ich  bald  zeigen 
werde,  nicht  die  angenehmste,  die  im  Volke  von  Metn  fortlebte. 
Die  erste  Grube  nennt  Eussegger  „Makla  ain  el  Bed^^ ;  der  der- 
malige Besitzer  der  Grube  ist  Herr  Mourgue,  der  Besitzer  der 
grossen  Filatur  von  Ain  Hamäde,  das  2  Stunden  von  der  Grube 
entfernt   liegt.     Weglos   und    steglos  gelangt  man,    dem   Bache 
von  Hamäde  folgend,  über  das  Drusen-Dörflein  Arsün  durch    die 
Sümpfe   von  Djourat   Arsün    steil     hinan    durch    Buschwerk    und 
Niederholz  an  eine  Seitenschlucht  des  Hamädethals,   in  welcher 
alte  vitriolisch  duftende  Halden  Zeugniss  von  der  früheren  berg- 
männischen Thätigkeit  ablegen.     Den  Anfang  der  Schlucht  bildet 
eine  Quelle,  Ain  el  bed  (Eierquelle)  „Makla",  bedeutet  Steinbruch 
oder  Grube,  ein  Name,    der  nicht   etwa,    wie   man  nach  Euss- 
egger vermuthen  könnte,  einem  Dorfe  oder  einer  Niederlassung 
eigen  ist,  sondern  in  Folge  der  bergmännischen  Arbeiten  Brattels 
dem  einsamen  Ort  in   der  Waldschlucht  gegeben   wurde.     Nach 
Angabe   von  Herrn   Mourgue    soll   das   HauptflÖtz,     das    bei 
761,5  m  ü.  d.  M.  ansteht,    im  Mittel    1  m  mächtig  sein;    vor 
einigen   Jahren   hatte    dieser    Herr    Piemontesen    kommen,     die 
verstürzten  Grubeneingänge  wieder  öffnen  lassen  und   war  durch 
alte   Gänge   bis  vor   Ort   vorgedrungen.     Indessen  ist  heute  der 
eine    der    beiden  Gänge    bereits    wieder  verstürzt,   denn  an  der 
steilen  Halde  sind  die  schmierigen  Sandmergel,  welche  das  Dach 
des  Stollens  bilden   in    steter  Bewegung   begriffen.     Der  andere 
der  Stolleingänge  besteht  noch,   ist   aber   zugemauert,    um  das 
eingebaute  Holz  vor  Diebstahl  zu  schützen.     Im  Uebrigen  führte 
auch  eine  Oeffnung  der  Mauer  zu  keinem  Eesultat:    im  Stollen, 
der   kein  richtiges  Gefälle  hat,   steht  fusshoch   das  Wasser  und 
der  Schlamm,    so    dass    es   nicht   gerathen  erschien  bis  vor  Ort 
vorzudringen.     4    m    unter    dem  Hangenden   ist    in    den    festen 
Sandstein    ein    Stollen    getrieben,    vollständig    nach    den   Eegeln 
europäischer  Technik.     Es   ist   der    von   Eussegger   genannte 
Erbstollen,    durch  den  die  Wasser    aus  den  Galerien    abgeleitet 
werden  sollten.     Es  genügte    auch  vollständig,    das  Ausgehende 


—     305     - 

der  Scliicbten   in   der  Bachschlucht   zu   beobachten,    in  welcher 
die  Lagerungs Verhältnisse  vollkommen  klar  zu  Tage  liegen. 

Wir  treffen  von  der  Thalsohle  an  (beiläufig  700  m  ü.  d.  M.) 
bis  in  die  Höhe  des  alten  Stollen  lichten,  gelben  Sandstein  ohne 
eine  Spur  von  Fossilen.  Der  Sandstein  ist  zart  von  Korn,  dem 
Ansehen  nach  dem  Personaten-Sandstein  des  schwäbischen  braunen 
Jura  zu  vergleichen,  seine  Mächtigkeit  beträgt  60  m.  Er  hört 
auf  mit  0,5  m  grauen,  sandigen  Mergeln,  vitriolisch  verwitternd 
Darüber  am  Ausgehenden  0,25  m  glänzend  schwarze  Pechkohle,  in 
welche  der  Stollen  getrieben  ist.  Die  0,25  m  Kohle  schwellen 
nach  Angabe  des  Herrn  Mourgue  im  Mittel  zu  1  m  an,  nach 
den  Aufzeichnungen  Kusseggers  bis  zu  4  und  5  Fuss.  Ueber 
dem  Flöz  folgen  alsbald  vulkanische  Tuffe  schwarzgrün  und 
schwarz  von  Farbe  mit  Einschlüssen  schwarzen  melaphyrischen 
Basaltits  von  der  oben  (Seite  292)  beschriebenen  Zusammensetzung. 
Das  vulkanische  Gebirge  misst  10  m.  Folgen  dann  25  m 
schwarzgraue  Sandmergel  mit  eingesprengten  Kohlenschmitzen, 
denen  an  verschiedenen  Punkten  durch  Schürfe  nachgegangen  ist. 
Ueber  diese  folgt  ein  kleiner  Absatz  im  Gebirge,  auf  welchem 
die  Quelle  Ain  el  bed  liegt. 

Hinter  dem  Absatz  im  Thalgehänge,  der  eine  kleine  Terrasse 
bildet,  steht  man  wieder  vor  dem  gelben  Sandstein ,  über  den 
ein  neuer  Aufsteig  beginnt.  Mit  Verwunderung  sieht  man  hier 
dasselbe  Profil  sich  wiederholen:  die  0,50  m  Sandmergel,  das 
Flöz  von  0,25 — 40  m,  darüber  graue  vulkanische  Tuffe  mit  schwar- 
zem Basaltit  und  darüber  im  Wechsel  graue,  schwarze  und  rothe 
Sandmergel.  Man  steigt  vollends  zur  Höhe  hinan  und  hat  bei 
836  m  ein  liebliches  Plateau,  mit  Pinien  besetzt,  erreicht  und 
mit  852  m  die  Höhe  des  Passes,  der  vom  Hamädethal  ins 
Salimathal  führt. 

Es  gehört  nicht  viel  Scharfsinn  dazu,  in  den  beiden  zu 
Tage  tretenden  Flözen  mit  dem  Dach  des  vulkanischen  Gesteins 
und  dem  Hangenden  des  Sandsteins  Ein  und  dasselbe  Flöz  zu 
erkennen,  das  hier  verworfen  ist.  Eine  Verwerfung  von 
3  5  m  Sprunghöhe  hat  das  obere  und  unt ere Flöz  ver- 
werfe n.    Damit  stimmt  die  Angabe  Herrn  Mourgue' s,  dass  er 

"Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  20 


—      306      — 

bei  Oeffnung  der  alten  Galerien  mit  30m  das  Flöz  vor  Ort  verloren 
und  den  Sandstein  angetroffen  habe.  Auch  Russegger  beklagt 
die  Senkungen  und  Hebungen  des  Flözes  von  einigen  Zollen  bis  zu 
12  Fuss  und  sagt  ausdrücklich,  dass  die  Gesteinslagen  des  Kohlen- 
schiefers (Sandmergel)  ohne  Unterbrechung  die  Biegungen  des 
Flözes  begleiten,  eine  Erscheinung,  die  ihren  Grund  in  herzu- 
setzenden Klüften  haben  müsse.  Die  Stürzungen,  welche  in  allen 
Richtungen  des  Flözes  vorkommen ,  erschweren  ungemein  den 
regelmässigen  Abbau.  Ausdrücklich  fügt  auch  Russegger  bei, 
ein  Blatt  d.  h.  ein  Gang  ohne  Mächtigkeit  durchsetze  das  Flöz 
der  unteren  Zeche  beinahe  rechtwinklich  und  verwerfe  es  ganz 
gesetzlich,  so  dass  seine  "Wiederausrichtung  jenseits  des  Ver- 
werfers  keine  Schwierigkeit  mache.  Es  entging  jedoch  seiner 
Beobachtung,  dass  die  obere  Zeche  im  nicht  verworfenen  Theil 
steht  und  dasselbe  Flöz  abbaut,  wie  die  untere  Zeche. 

Die  verschiedenen  Angaben  über  die  Mächtigkeit  der  Kohle 
sind  ohne  Zweifel  vollkommen  begründet,  beweisen  aber  nur  die 
Verschiedenheit  der  Mächtigkeit  selbst,  die  von  1  Fuss  bis  zu 
4  und  5  Fuss  schwankt  nach  Russegger,  nach  M o u r g u e 
beträgt  sie  1  m  im  Mittel ,  ich  beobachtete  am  Ausgehenden 
0,2 — 4  m.  "Wäre  die  Kohle  einigermassen  brauchbar,  so  Hesse 
sich  schliesslich  noch  ein  Bau  auf  diese  schwachen  Nester  zu 
lokaler  Verwendung  rechtfertigen,  aber  sie  ist  der  Art  mit  Schwe- 
felkies durchsetzt,  dass  eine  mechanische  Scheidung  nur  die 
groben  Kiesmassen  entfernen  kann,  den  zart  vertheilten  Schwefel- 
kies auszuscheiden  ist  nicht  möglich.  Den  schlagendsten  Beweis 
liefert  der  dermalige  Besitzer  der  Gruben ,  der  für  die  technischen 
Zwecke  seiner  Filatur  Steinkohle  aus  Marseille  oder  New-Castle 
bezieht.  Die  eigene  Kohle  von  Ain  el  bed  zu  brennen  ist  gar 
nicht  möglich. 

Es  ist  daher  ganz  und  gar  unbegreiflich,  wie  2  Jahre  lang 
ein  Abbau  dieser  Kohle  stattfinden  konnte.  So  etwas  kann  nur 
in  den  Zuständen  der  türkisch-egyptischen  Verwaltung  seine  Er- 
klärung finden.  Die  Geschichte  der  libanesischen  Kohle  ist  aber 
zu  charakteristisch  für  das  Land  und  jene  Zeit,  als  dass  wir  sie 
nicht  bis   zu   ihrem  Ende  erzählten.     2  bis  3  Centner  Kolile   zu 


—      307      — 

fördern  war  ein  Mann  im  Stande  (Russegger),  das  ganze  Quan- 
tum der  Gruben  ergab  circa  100  Centner  im  Tag.  Das  Nächste 
war  der  Transport  der  Kohle  nach  Beirut.  Derselbe  geschah  auf 
Maulthieren:  Der  Weg  führt  zuerst  in  das  Salimathal  hinab, 
d.  h.  von  760  m  ü.  d.  M.  bis  zu  275  m,  dies  ist  die  Höhe  der 
Salimabrücke.  Nun  ist  aber  das  Thal  weiter  hinab  nicht  mehr 
zu  passiren,  der  ordentliche  Weg  führt  vielmehr  von  der  Salima- 
brücke wieder  steil  hinauf  nach  Betmere  710  m  ü.  d.  M.,  erst 
von  hier  aus  gelangt  man  nach  Beirut.  Der  Weg  von  der  Grube 
nach  Beirut  erfordert  eine  volle  Tagreise  hin  und  eine  Tagreise 
zurück.  Da  ein  Thier  über  die  Berge  im  höchsten  Fall  3  Centner 
zu  tragen  im  Stande  ist,  so  waren  täglich  über  30  Thiere  und 
mindestens  5  Maulthiertreiber  erforderlich,  um  100  Centner  nach 
Beirut  zu  bringen.  In  Beirut  wurde  am  Hafen  abgeladen,  die 
Kohle  nachgewogen,  das  selbstverständliche  Gewichtsmanco  dem 
Eselstreiber  an  seinem  kümmerlichen  Verdienst  abgezogen  und 
blieb  die  Kohle  am  Ufer  liegen,  bis  sie  in  Barken  verladen  und 
nach  Cairo  verschifft  wurde.  Dort  sollte  sieden  Hochofen  speisen, 
den  Mehemet  Ali  zur  Hebung  der  einheimischen  Eisenindustrie 
hatte  bauen  lassen.  Ist  es  an  sich  zweifelhaft,  ob  je  libane- 
sische Kohle  nach  Cairo  kam,  so  steht  dagegen  fest,  dass  nie- 
mals mit  ihr  ein  Eisen  erblasen  wurde.  Der  ganze  libanesische 
Bergbau  und  die  egyptische  Hüttenindustrie  war  eine  der  gross- 
artigsten Schwindeleien,  mit  denen  habsüchtige  Abendländer  den 
morgenländischen  Despoten  beschwindelten.  Die  Zeche  dieses 
Schwindels  mussten  die  armen  Libanesen  zahlen.  In  den  Be- 
schwerden der  Libanesen  über  die  Bedrückungen,  denen  das  Land 
durch  Mehemet  Ali  ausgesetzt  sei,  steht  ausdrücklich  in  dem  an 
Soliman  Pascha  übergebenen  Memorandum  vom  5.  Juni  1839 
als  Artikel  5:  Les  mines  de  charbon  de  Corneile  nous  tuent  tous 
„les  ans  et  beaucoup  d'hommes;  le  gouvernement  ne  nous  paye 
»presque  pas.  On  nous  arrache  nos  betes,  ou  nous  force  ä  trans- 
„ porter  ce  charbon  ä  Beirout:  il  est  pese  au  de'part,  pese  ä  l'ar- 
„rivee,  et  on  a  l'injustice  de  nous  faire  payer  ä  chaque  voyage  le 
»deficit,  qui  existe  constamment,  nous  ne  savons  pourquoi." 

So  spielte  diese  Kohle  in  der  Geschichte  des  Libanons  eine 

20* 


—     308     — 

Bolle,  trug  sie  doch  zu  der  gährenden  Unzufriedenheit  mit  der 
egyptischen  Herrschaft  bei,  in  deren  Eolge  1840  der  blutige 
Aufstand  ausbrach,  dessen  Ende  die  Befreiung  des  Landes  von 
Egypten,  oder  richtiger  gesagt,  die  Eroberung  des  Landes  durch 
die  Westmächte  und  die  Eückgabe  an  die  türkische  Herr- 
schaft war.  Unter  ihr  hörte  allerdings  die  Qual  des  Bergbaues 
und  Kohlentransportes  auf,  aber  Qualen  anderer  Art  traten  an 
ihre  Stelle,  welche  20  Jahre  später  die  Libanesen  seufzen  Hessen 
nach  dem  abgeschüttelten  Joche  Egyptens. 

■Russegger  erlebte  übrigens  noch   das  kostbare  Ende  der 
Grube  Ain  el  bed  im  Jahr  1838.    Für  die  Zeit  der  Abwesenheit 
des  leitenden  Ingenieurs  Brattel,  der  zugleich  den  Hüttenbetrieb 
in  Cairo  zu  leiten  hatte,  wurde  ein  türkischer  Kaimakam  mit  dem 
Grubenbetrieb  beauftragt.     Er  sass    den  ganzen  Tag   vor   einem 
der  Stollenmundlöcher   und  rauchte,    oder   rannte    wie    ein    Be- 
sessener mit  seinem  Pferd  von  Grube  zu  Grube.    Eine  natürliche 
Folge  der  mangelnden  Aufsicht  war,  dass  die  Kohlenlieferungen 
im  Gegensatz  zu  der  früheren  Produktion  zurückblieben.    Da  liess 
Ibrahim  Pascha  den  Kaimakam  holen,   verwies   ihm  streng 
seine  Nachlässigkeit   und   befahl  ihm   gerade   so  viel  Kohle   zu 
liefern  als  der  „Inglese".    Der  Kaimakam  rannte  zur  Grube  zu- 
rück und  fuhr  zum   ersten  Mal  in   seinem  Leben   ein.     Da   sah 
er  gleich   am  Anfang    zu  seinem  Erstaunen  eine  Menge  Kohlen 
anstehen,    die    man  nach  seinem  Erachten  vergessen  hatte.     Es 
waren  die  Sicherheitspfeiler.    Keuchend  befiehlt  er  den  Arbeitern 
die  Kohlen   wegzunehmen.     Gesagt   gethan!   Die   Grube    stürzte 
zusammen    und   gerieth  in  Brand.     „Jahrelange  Mühe    und  An- 
strengung fiel  als  ein  Opfer  des  Unverstandes",  wie  sich  Russ- 
egger ausdrückt.    Wir  fügen  bei,  dass  nach  unserer  Anschauung, 
in  Anbetracht   der   vollständigen   Werthlosigkeit   der  Kohle   und 
der  schweren  Bedrückungen,  welche  in  Folge  der  Kohle  auf  dem 
armen  Landbewohner  lasteten,    die  Grube    auch    nichts   besseres 
verdiente,  als  einzustürzen  und  zu  verbrennen. 

Nach  alle  dem  sollte  man  es  kaum  für  möglich  halten, 
dass  die  libanesischen  Kohlen  noch  einmal  eine  Eolle  spielen 
sollten.     Allerdings  nur   als  Gegenstand   eines  Aktienschwiudels, 


—     309     — 

der  in  den  1870er  Jahren  auch  in  Europa  und  Amerika  nichts 
Ungewöhnliches  mehr  war.  Eine  Eisenbahn  von  Beirut  zu  den 
Gruben  wird  in  die  Felsen  des  Nähr  Beirut  eingehauen;  es  ist 
eine  Zahnradbahn,  denn  ohne  diese  bewältigt  man  die  Steigungen 
nicht,  die  Bahn  ist  einzig  nur  für  den  Kohlenbetrieb,  der  in  wenigen 
Jahren  die  Millionen  decken  wird,  welche  die  Eisenbahn  kostet. 
An  solchen  Projekten  erhitzte  sich  die  Phantasie  der  Abendländer 
und  Morgenländer,  als  ob  die  Geschichte  der  30er  Jahre  gar 
nicht  existirt  hätte. 

Doch  kehren  wir  von  diesem  Excurs  auf  dem  geschichtlichen 
Boden  zu  dem  Pinienwald  zurück  auf  dem  Pass  zwischen  dem 
Salimathal  und  Hamäde,  am  Fuss  des  hochgelegenen  Drusendorfs 
Kornäil  mit  seiner  alten  Emirsburg.  Steigt  man  vom  Passe 
wieder  abwärts,  so  wiederholt  sich  bei  dem  Dorfe  Bzebdin 
(Bseddin  bei  Eussegger)  dieselbe  Aufeinanderfolge  der  Schichten 
wie  im  Hamädethal.  Das  Kohlenflöz  über  dem  Sandstein  und 
unter  den  vulkanischen  Tuffen  und  rothen,  eisenschüssigen 
Mergeln  ist  nur  0,20  m  mächtig.  Seine  Höhenlage  beträgt 
699  m  ü.  d.  M.  Noch  mehr  als  bei  Ain  el  bed  sieht  man  hier 
die  Spuren  alter  bergmännischer  Thätigkeit.  Zunächst  sind  zwei 
Stollen  auf  das  Hauptflöz  von  0,2  m  eingetrieben,  die  Kohle  ist 
aber  wo  möglich  noch  unreiner  als  bei  Ain  el  bed  und  so 
schwefelkiesreich,  dass  sie  in  den  Galerien  vitriolisch  ausblüht 
und  die  Wasser,  welche  fusshoch  in  den  Strecken  stehen,  in  eine 
vitriolische  Jauche  verwandelt  haben.  Die  Pfeiler  sind  schach- 
brettförmig angelegt,  die  Stollen  1,2  m  hoch.  Um  1  Ctr.  Kohle 
zu  gewinnen,  mussten  hienach  5  Ctr.  todtes  Gebirge  zu  Tage 
gefördert  werden!  Lag  dann  die  Kohle  einige  Zeit  am  Tage, 
so  zerfiel  sie  zu  Staub  und  Kutter.  Ueber  dem  Hauptflöz  wieder- 
holen sich  noch  2  —  3  Flözchen  in  den  schwarzen  Mergeln, 
denen  gleichfalls  metertief  ins  Gebirge  nachgegangen  war.  Diese 
Gänge  sind  aber  jetzt  vollständig  verstürzt.  40  m  über  dem 
Flöz  werden  die  Mergel  tiefroth  und  bilden  verschiedene  Sphaero- 
sideritbänke,  welche  das  Eisen  hätten  liefern  sollen. 

Gegenüber  dem  alten  Grubenbetrieb  Ibrahim  Paschas 
stehen  auf  der  andern  Seite  der  Thalschlucht  mehrere  Mundlöcher 


—      310     — 

von  Stollen,  welche  die  Eingebornen  ausgewühlt  haben.  Das  Flöz 
war  hier  etwas  mächtiger,  die  Gänge  50  cm  hoch,  also  mühlich 
genug  zu  befahren.  Von  Zeit  zu  Zeit  ist  ein  Pfeiler  stehen 
gelassen  worden.  Die  Kohle  wird,  wie  ich  hörte,  vom  Schmid 
des  Dorfes  geholt,  der  in  Ermanglung  von  Holzkohle  mit  der 
Steinkohle  sich  behilft. 

Russegger  war  vom  Bzebdiner  Bergbau  weniger  entzückt 
als  von  dem  zu  Ain  el  bed,  doch  lobt  er  die  vorzügliche  Qua- 
lität der  Kohlen,  welche  das  obere  Flöz  von  Bzebdin  schütte. 
Welches  er  hierunter  verstund,  konnte  ich  nicht  mehr  erforschen, 
leider  soll  es  nur  l  Fuss  mächtig  im  Kohlenletten  zu  Tage 
treten.  Sonst  führe  der  Kohlenletten  noch  mehrere  unbauwürdige 
Flözchen,  welche  das  Hauptflöz  begleiten. 

Den  dritten  Punkt,  dessen  Russegger  Erwähnung  thut, 
nennt  er  Mar  Hanna  el  Kenise.  Er  liegt  in  der  Nähe  der 
Mündung  des  Hammänathals  in  den  Nähr  Beirut.  An  dem  Steil- 
gehänge des  Thaies  mit  seinem  beweglichen  Gebirge  sind  die 
alten  Erdarbeiten  heutzutage  überrutscht  und  nahezu  spurlos  ver- 
schwunden. Nach  Russeggers  Aufzeichnung  ist  Mar  Hanna 
geognostisch  von  derselben  Art  wie  Ain  el  bed ,  nur  ist  die 
Kohle  noch  mehr  durch  Schwefelkies  verunreinigt,  so  dass  sie 
zum  grossen  Theil  unbrauchbar  ist.  Besonders  schön  sollen  die 
in  Schwefelkies  versteinerten  Holzstücke  sein,  welche  theilweise 
halb  noch  bituminöses  Holz,  halb  vollständig  in  Schwefelkies 
verwandelt  sein  sollen.  Der  Grubenbau  war  hier  mittelst  acht 
parallel  und  unmittelbar  auf  dem  Flöz  eingetriebener  Stollen 
eröffnet  und  wurde  pfeilermässig  geführt,  doch  liegt  hier  der  das 
Flöz  abschneidende  Kalkstein  sehr  nahe  und  hatte  man  wenig  Feld 
vor  sich.  Das  Flöz  fällt  dem  von  Ain  el  bed  gerade  entgegen- 
gesetzt. Grünsteingänge  nach  Russegger  (d.  h.  der  Augitbasaltit 
s.  0.  Seite  292)  verwerfen  das  Flöz,  verändern  esaber  nicht.  Ich 
bemerke  hiezu  nur,  dass  hier  von  einer  ursprünglichen  Lagerung 
gar  keine  Rede  mehr  ist,  sondern  hier  als  am  Ende  des  Hammäna- 
thales  die  Oberfläche  ein  Bild  der  Verwüstungdurch  die  riesigsten 
Bergstürze   und  Verschiebungen  gewaltiger  Erdmassen  darbietet. 

Die  Geschichte  des  libanesischen  Kohlenbaus   berührt  glück- 


—     311     — 

lieber  Weise  nur  die  Provinz  Metn,  wohl  nur  wegen  der 
geographischen  Lage  in  der  Nähe  des  Hafens  von  Beirut.  Die 
Kohle  selbst  liegt  in  derselben  Weise  wie  in  Metn  auch  in  den 
Provinzen  von  Kesruwän,  Meneteri,  Bscherre,  Schehär  und  ganz 
besonders  Djezzin.  Meist  liegt  sie  zu  unterst  in  der  Sandstein- 
formation, öfter  unterhalb  der  Basaltit-Ergüsse ,  theilweise  auch 
über  denselben.  Am  mächtigsten  sind  die  Kohlenflöze  im  süd- 
lichen Libanon  in  der  Provinz  Djezzin,  wo  ich  sie  bei  den  Ort- 
schaften Zehalta,  Snaya,  Kerkaya  und  im  Thale  des  Awali  näher 
untersucht  habe.  Horizontale  Ueberlagerung  der  Schichten  sucht 
man  hier  vergebens,  der  Sandstein  ist  vielfach  aufgerichtet,  die 
Flöze  steil  einfallend.  So  liegen  z.  B.  bei  Kerkaya  über  einem 
in  hora  4'^/4  streichenden  Basal titlager  in  einer  absol.  Höhe 
von  994  m  von  oben  nach  unten. 

10  m  Sphaerosiderite  als  Zwischenbänke  sphärosideritischer 
Mergel  und  Thone 

0,5  m  gelber  und  rother  Sandstein, 

1—1,2  m  Kohle, 

3  m  graue  Mergel, 

0,3  m  Kohle. 
Die  Flöze  fallen  in  hora  9^2  gegen  das  Gebirge  ein,  und  im 
Liegenden  und  Hangenden  sind  sie  durch  Schwefelkies  verun- 
reinigt. In  der  Mitte  liefert  das  Flöz  eine  gute  Kohle ,  auch 
haben  Stücke,  welche  Herr  Götzlof  vor  Jahresfrist  dort  hatte 
ausbrechen  lassen,  trotz  ihrer  Aufbereitung  im  Freien  gar  nicht 
oder  nur  wenig  verloren.  Was  will  aber  selbst  1  m  Kohle  dort 
bedeuten,  die  20  Kilometer  von  Saida  entfernt  ist,  ohne  Weg 
und  Steg?  Dazu  kommt,  dass  in  Kerkaya  so  wenig  als  an  den 
andern  Orten  auf  eine  Nachhaltigkeit  des  Flözes  gerechnet 
werden  darf.  In  regelmässiger  horizontaler  Lagerung  ist  erst  der 
oenomane  Kalkstein,  der  als  ein  majestätischer  Felsenkranz  von 
Haidüra  bis  Attoli  über  5  km  sich  hinzieht  als  die  Krone  des 
Gebirgszugs  1170  m  ü.  d.  M.  Unter  dem  Felsenkalk  fällt  in 
fürchterlicher  Steilheit  das  Sandgebirge  schroff  ab  bis  zum  Nivean 
der  Dorfschaften.  Wohl  sieht  man  an  der  abgerutschten  durch- 
aus unzugänglichen  Steilwand  des  Gebirgs  die  schwarzen  Kohlen- 


—     312     — 

streifen  zu  Tage  treten,  aber  die  Steilwände  sind  unzugänglich 
für  den  menschlichen  Fuss.  Unten  aber  im  Thal  bei  den  ge- 
nannten Dörfern,  liegen  nur  die  einst  vom  Gebirgsmassiv  abge- 
trennten, losgerutschten  Riesenschollen  mit  den  Flözen.  Dass  auf 
solche  Trümmer  von  Gebirge  kein  geordneter  Bau  aufgerichtet 
werden  kann,  wird  Jedermann  einleuchten. 

Die  Bitumina  des  Libanon. 

Wichtiger  als  die  Kohle  ist  ohne  allen  Zweifel  das  Bitumen  , 
das  im  gleichen  Horizont  im  Liegenden  der  Sandsteinformation 
getroffen  wird,  wo  namentlich  im  Süden,  noch  mehr  im  Südosten 
das  Bitumen  sogar  noch  in  flüssiger  Gestalt  als  rohes  Petrol 
geschöpft  oder  als  erhärteter  pechbrüchiger  Asphalt  aus  der  Tiefe 
geholt  wird.  Die  Gruben  sind  am  Ostabhang  des  Djebel  ed  Dahr, 
eines  Gebirgs,  das  als  schmaler  Rücken  zwischen  Litäni  und 
Hasbäni  in  die  Bekäa  sich  verflacht.  Die  Thalsohlen  des  Has- 
bäni  sowohl  als  des  Litäni  gehören  der  Sandformation  an,  der 
Djebel  selbst  ist  cenomaner  Kalk.  An  dessen  Fuss  10  Minuten 
nördlich  von  Kaukaba,  20  Minuten  vom  Hasbäni  (Jordan)  ent- 
fernt, liegen  die  Gruben,  in  welchen  ohne  alles  System  ein  Raub- 
bau auf  Asphalt  getrieben  wird.  Die  Schächte  zerfallen,  sobald 
sie  eine  Zeit  lang  betrieben  wurden,  denn  auf  den  Einbau  ver- 
steht sich  kein  Araber.  Zur  Zeit  sind  2  Gruben  offen,  an  deren 
Schachtöffnung  2  Araber  einen  einfachen  Haspel  mit  einer  Strick- 
winde besorgen.  Die  Axe  des  Haspels  läuft  in  der  Gabel  eines 
Baumstrunkes.  Wer  Lust  hat  einzufahren,  hängt  sich  in  eine 
Schlinge  am  Strickende  und  wird  in  ziemlicher  Geschwindigkeit 
in  die  Tiefe  von  ca.  30  m  hinabgelassen.  Unten  steigt  man 
auf  abschüssiger  Bahn  in  unförmlichen  Gängen  noch  tiefer  hinab, 
sie  sind,  je  nachdem  Asphalt  hier  vorhanden  war,  bald  weit,  bald 
eng,  die  Wände  sind  glänzend  schwarz,  von  Pfeilern  oder  Stützen 
ist  keine  Spur.  Kommen  irgendwo  Grundwasser,  so  weicht  ihm 
die  Arbeit  aus  und  zieht  sich  einfach  den  grösseren  Massen  von 
Asphalt  nach.  Der  Araber  arbeitet  mit  der  Keilhaue  und  kurzen 
Schaufel,  schwatzt  mehr  als  er  arbeitet  und  gewinnt  etwa  25  k 


—     313     — 

in  der  Stunde ,  während  ein  europäischer  Knappe  leicht  das 
Zehnfache  ausbringen  könnte.  Unter  der  Schachtöffnung  steht 
ein  Petroleumfass,  das  sich  allmählig  füllt,  und  dann  heraufgezogen 
und  am  nahen  Jordan  von  Weibern  in  Empfang  genommen 
wird,  um  die  Stücke  zu  waschen.  Kreidefragraente  sind  in  Menge 
eingebacken,  von  welchen  der  Asphalt  durch  Schmelzen  der  Masse 
gereinigt  wird.  Das  Liegende  der  Gruben  istBasaltit  und  Sand- 
mergel,  das  Gebirge,  durch  welches  der  Schacht  getrieben  ist, 
besteht  aus  Schutt  des  im  Gebirge  el  Dahr  anstehenden  Kreide- 
mergels und  Kreidekalkes;  dasselbe  wiederholt  sich  weiter  südlich 
im  Jordanthal,  namentlich  an  den  Ufern  des  todten  Meeres,  woher 
die  „Pechbrunnen'*  seit  ältester  Zeit  bekannt  sind. 

Anders  vertheilt  sich  das  Bitumen  im  Hochgebirge  au  den 
schon  genannten  Orten  bei  Zehalta  und  Haidüra.  Auf  mehr  als 
1  km  Erstreckung  steht  hier  über  den  Basal tittuffen  und  unter  den 
sphaerosideritischen  Mergeln  eine  Dysodilbank  an,  welche  schwer 
verwitternd  wie  die  Posidonienschiefer  des  Lias  als  ein  dunkles 
Band  aus  den  Mergeln  hervorsteht  oder  wie  im  Dorfe  Haidüra 
selbst  als  elastischer  Boden  an  den  Häusern  des  oberen  Dorfes 
zu  Tage  tritt.  Wie  altes  Schweinsleder  oder  wie  dürre  Pappe 
steht  das  merkwürdige  Gestein  in  der  Mächtigkeit  von  1  m  an  und 
ladet  förmlich  den  Geognosten  ein,  sich  Fetzen  aus  dem  Gebirge 
herauszureissen.  Der  Hammer  versagt  hier  seine  Dienste,  denn 
er  springt  auf  der  elastischen  biegsamen  Masse  ab,  besser  geht 
es  mit  dem  Messer  oder  einem  arabischen  Dolch,  mit  dem  man 
sich  nach  Belieben  grosse  Stücke  abtrennt  oder  sie  in  Blätter 
spaltet  von  der  Dicke  eines  Kartenpapiers.  Mit  dem  Zündholz 
entzündet  flammt  der  Schiefer  wie  ein  Kienspahn  und  verbreitet 
einen  aromatischen  Geruch.  Organische  Körper  sind  zuweilen 
im  Dysodil  enthalten  und  würden  sicherer  bei  längerem  Suchen 
in  grösserer  Anzahl  gefunden,  was  in  verschiedenen,  wenn  auch 
undeutlich  erhaltenen,  Exemplaren  zu  Tage  trat;  es  waren  kleine 
Fische  und  Fischreste,  wie  Flossen  und  cycloide  Schuppen.  Bestimm- 
bare Eeste  sind  es  nicht,  aber  die  kleinen  Fischchen  sehen  am 
ehesten  den  Clu^jea  von  Hakel  gleich,  die  freilich  einem  höheren 
Horizont  angehören. 


—     314     — 

Am  mächtigsten  steht  wohl  eine  Dysodilbank,  aber  aller- 
dings nicht  auf  grosse  Entfernung,  zu  Tage  am  Anfang  des 
romantischen  Fidarthales  in  der  cultivirten  Ebene  Machäda.  Die 
Ebene  gehört  den  Bewohnern  von  Etschmetsch,  die  hier  Gerste 
und  Mais  bauen.  Das  Aneroid  zeigte  1269  m  ti.  d.  M.  Die 
Machäda-Ebene  bildet  einen  der  schönsten  Gebirgsaufrisse ,  den 
man  in  Libanon  sehen  kann,  zugleich  landschaftlich  von  unbe- 
schreiblicher Grossartigkeit.  Die  Dolomitberge  mit  ihren  kühnen 
Gestalten  sind  hier  förmlich  entzweigeborsten  (hora  IV2),  im 
Aufriss  zwischen  den  Gebirgsriesen  liegt  wieder  die  gelbe  Sand- 
formation mit  den  nie  fehlenden  Basaltiten  und  Tuffen.  Während 
das  Gebirge  ringsum  mit  uralten  Eichen  bestockt  ist,  die  wenig- 
stens im  Fidarthale  noch  nicht  alle  ausgerottet  sind  und  während 
hier  wilde  Gebirgsnatur  noch  herrscht ,  tritt  man  mit  der  Ma- 
chäda in  ein  fröhliches  Culturland. 

Die  Dysodilbank  in  den  Tuffen  ist  rabenschwarz ,  blättert 
sich  nicht  so  leicht  als  der  Dysodil  von  Djezzin.  Er  hat  das 
Aussehen  von  Boghead  und  nahezu  auch  dessen  Fettgehalt. 
Glänzend  schwarz  liegen  in  ihm  Fiederblättchen  von  Cycadeeu 
oder  Farren  und  C^wpea-ähnliche  Fische.  Leider  habe  ich  die 
dort  gesammelten  Hauptstücke  nicht  mit  nach  Europa  bringen 
können.     Sie  blieben  als  Belegstücke  in  Beirut. 

Es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dass  derartige  Dysodil- 
lager  in  Europa  ein  werthvolles  Objekt  wären.  Sie  bilden  ein 
Material,  das  ohne  grosse  Zubereitungen  an  Ort  und  Stelle  destil- 
lirt  werden  könnte.  Der  ebenso  kenntnissreiche  als  energische 
Ingenieur  Herr  H.  Götzlof,  dem  ich  eine  Reihe  von  Freund- 
schaftsbeweisen zu  danken  habe,  hat  auf  meinen  Eath  einige 
Versuche  mit  dem  Haidüra-Dysodil  gemacht,  die  zu  seiner  vollen 
Befriedigung  ausgefallen  sind.  Er  gewann  bei  8  in  einer  eisernen 
Retorte  gemachten  Versuchen  19%  flüssiges  Bitumen  vom  Aus- 
sehen des  Theers.  100  Theile  des  Theers  ergaben  ihm 
40  Theile  Paraffin  und  35  Theile  Solaröl.  Der  Paraffin  verhält 
sich  so,  dass  die  eine  Hälfte  bei  40—48^  C.  schmilzt,  die 
andere  bei  54  —  56^^. 

Herr  Götzlof  beabsichtigt  nun  —  die  Concessiou  Seitens 


—     315     — 

der  hohen  Pforte  immer  vorausgesetzt  —  in  loco  das  Dysodil  zu 
Theer  zu  verarbeiten,  wozu  die  in  unmittelbarer  Nähe  liegende 
Kohle,  die  auf  billigste  Weise  gewonnen  wird,  sich  vortrefflich 
eignen  würde.  Ob  die  weitere  Destillation  d.  h.  die  Scheidung 
des  Theers  in  Paraffin  und  Oel,  noch  im  Gebirge  oder  in  einer 
englischen  Fabrik  gemacht  würde,  dürfte  erst  später  je  nach  den 
Umständen  sich  entscheiden.  Der  Transport  des  Destillats  von 
Djezzin  nach  dem  20  km  entfernten  Saida,  der  allerdings  auf 
Maulthieren  stattzufinden  hätte,  dürfte  zwar  einige  Vertheurung 
des  Materials  herbeiführen,  aber  durch  die  Billigkeit  der  übrigen 
Faktoren  sich  ausgleichen. 

Die  Pflanzenreste,  die  zwar  nicht  unmittelbar  in  der  Kohle, 
aber  im  Kohlenschiefer  und  den  nahen  Sandmergeln  sich  finden, 
gehören  zu  Pterophyllum  cretosum  Gein.  Taf.  66,  4.  Aus  den 
Kohlenschiefern  von  Djebä  klopfen  sich  zum  Oeftern  einzelne 
Wedel  und  Stängel  heraus.  Das  Geschlecht  bestimmt  sich  sicher, 
ob  die  von  Geinitz  genannte  Art  genau  dieselbe  ist,  möchte  ich 
jedoch  mit  Sicherheit  nicht  behaupten.  Jedenfalls  gehört  der 
von  mir  ersammelte  Wedel  einem  jungen  Blatt  an,  das  die  Grösse 
des  sächsischen  Exemplars  noch  nicht  erreicht  hat. 

Neuropteris  recentior  Lindley,  so  nannte  Lindley  in 
seiner  Fossil-Flora  eine  Neuropteris- Art  aus  der  Kreide ,  mit 
welcher  unser  gleichfalls  aus  den  Kohlenmergeln  von  Djebä 
stammendes  Exemplar  übereinstimmt.  Das  Geschlecht  ist  bekannt 
als  ein  aus  der  alten  Steinkohlenzeit  in  die  mesozoische,  ja  selbst 
die  kainozoische  Zeit  übergreifendes.  Hat  doch  Sternberg 
selbst  aus  böhmischem  Tertiär  noch  Neuropteris  abgebildet. 

Von  den  grossen  Holzstämmen,  welche,  in  Schwefelkies  ver- 
wandelt, in  den  Gruben  von  Mar  Hanna  liegen,  war  oben  die  Rede. 
In  Kerkaya  und  Snaya,  noch  schöner  in  Felügha,  fand  ich  sie 
zahlreich  und  glaubte  mit  den  Nicolienstämmen  aus  Egypten  und 
Nubien  eine  Uebereinstimmung  zu  finden.  Leider  gehen  diese 
Fossile  durch  rascheste  Zersetzung  des  Schwefelkieses  einem 
unabwendbaren  Schicksal  des  Verderbens  entgegen.  Nur  ein 
einziges  Stück  aus  den    grauen  Sandmergeln,   das    mit  Bitumen 


—     316     — 

geschwängert  ist,  hat  sich  in  Kalkspat  verwandelt  und  könnte 
einer  näheren  Untersuchung  unterzogen  werden. 

Schliesslich  bleibt  noch  übrig,  der  zahlreichen  fossilen  Harze 
Erwähnung  zu  thun,  welche  mit  den  Kreidepflanzen  zusammen- 
hängen und  in  gleicher  Weise  wie  der  Bernstein  als  eine  Aus- 
schwitzung der  harzführenden  Hölzer  jener  Zeit   anzusehen  sind. 

Das  Vorkommen  ist  genau  folgendes:  In  einem  alten  Schürf, 
den  vor  Jahren  Engländer,  wie  man  sagt,  auf  Kohle  gemacht 
haben,  ist  eine  Wand  frisch  abgerutscht  und  hat  man  unversehrtes 
Gebirge  vor  sich.  Es  sind  graue  Sande,  die  nach  oben,  soweit 
die  Atmosphärilien    eindringen,    gelb    gefärbt   sind,    wie    Lehm- 


An  der  auf  4  m  entblössten  Wand  sieht  man  2  Schnüre  Sphaero- 
sideritknauer  in  unregelmässiger  Linie  sich  durchziehen.  Die 
Knauer  wechseln  in  einer  Stärke  von  5 — 20  cm.  Verwittern- 
der Schwefelkies  steckt  da  und  dort  in  den  Sphaerosideriten. 
Theils  in  den  Knauerbänken,  theils  unmittelbar  darüber  und 
darunter  stecken  in  einer  Hülle  von  Lignit  nussgrosse  bis  faust- 
grosse  Stücke  eines  Harzes,  das  genau  wie  Bernstein 
aussieht.  Zerschlägt  man  die  ohnehin  bröckeligen  Stücke,  so 
ist  man  über  die  Verschiedenheit  der  Farbe  und  Beschaffenheit 
überrascht,  in  welcher  der  Bernstein  auftritt.  Die  meisten  sind 
honiggelb,  glänzend  mit  Glasbruch,  andere  sind  lichtgelb,  schwefel- 
gelb, fast  weissgelb.  Die  letzteren  werden  am  liebsten  opak, 
wolkig,  schliesslich  ganz  undurchsichtig   wie  Bein.     Wie  zu  den 


—     317     — 

lichten  Farben  geht  das  Honiggelb  auch  zu  roth  und  braun  über, 
erhält  die  Farbe  von  Carneol  und  in  eigenthümlicher  Strahlen- 
brechung, die  mit  feinen  Rissen  im  Innern  zusammenhängen  mag, 
wie  von  Aventurin. 

Der  erste,  der  des  Bernsteins  Erwähnung  thut,  ist  Russ- 
egger  (II,  780),  er  sagt,  dass  Bernstein  unter  die  selteneren 
Beimengungen  der  Kohle  gehöre  und  zum  Theil  in  beträchtlichen 
Stücken  und  in  grosser  Reinheit  der  Pechkohle  eingesprengt  sei. 
Der  Ingenieur  Brattel  gab  ihm  ein  paar  schöne  Stücke  dieser 
Art.  Ohne  Zweifel  liegen  die  Stücke  heute  in  der  Russegger- 
schen  Sammlung  in  Wien. 

Ich  kann  dem  nur  beifügen,  dass  man  die  Beimengung  des 
Bernsteins  nicht  einmal  eine  seltene  nennen  darf.  Es  ist  ganz 
gewöhnlich,  so  dass  man,  wo  nur  gerade  der  Horizont  ansteht,  sich 
ohne  Mühe  die  Taschen  füllen  kann.  Stets  liegt  er  in  kleinen 
Geoden  oder  Kuchen.  Faustgrosse  Stücke  sind  allerdings  seltner, 
aber  kleinere  von  einigen  Centimeter  Durchmesser  um  so  häufiger. 

Die  chemische  Untersuchung  der  libanesichen  fossilen  Harze 
hat  bereits  verschiedene  Gelehrte  in  Bewegung  gesetzt.  Auf- 
fallender Weise  stehen  die  Resultate  einander  schroff  gegenüber. 
K.  John  (Verhandl.  der  K.  K.  geol.  Reichsanstalt  II,  1876) 
fand  1)  in  den  durchsichtigen  gelben  Harzen  die  ehem.  Formel 
für  Bernstein  C  10  H  16  0  nehmlich  C  80,75 

H  10,02 
0    9,23 
bei  trockenör  Destillation  erhielt  er  ein  wässeriges  Destillat,  das 
bei  weiterem  Erhitzen    ein   braunes   in  Alcohol  vollkommen  lös- 
liches Oel  und    als  Rückstand   ein  schwarzbraunes  Kolophonium, 
das  dem  Bernsteinkolophonium    sehr  ähnlich  sieht  und  mit   Ter- 
pentinöl einen  glänzenden  schön   schwarzen  Firniss  gibt.     Bern- 
steinsäure   wies   er  deutlich  nach,    Schwefel  0,36^/o.     Auch  das 
gelbbraune,  matte  und  an  den  Kanten  durchscheinende  Harz  ver- 
hielt sich  ebenso,  während  das  braunrothe  bis  hyacinthrothe  Harz 
sich  als  Schraufit  herausstellte  C  11  H16  02 
nehmlich  C  72,22 
H    8,73 
OJ9.05. 


—     318     — 

Von  Bernstein  unterscheidet  sich  Schraufit  durch  die  An- 
wesenheit von  Ameisensäure  neben  der  Bernsteinsäure  und 
0,560o  Schwefelgehalt. 

Ganz  verschieden  von  diesem  Resultat  ist  das  von  Ph.  Le- 
bert^^    aufgefundene,    das    er    mir    brieflich    mitzutheilen    die 


■^8  Ein  Stück  Ostseebernstein  wird  fein  gepulvert,  in  eine  Retorte 
gebracht  und  in  der  Gasflamme  trocken  destillirt.  Nach  einigen 
Minuten  entwickeln  sich  viele  Dämpfe,  welche  theils  an  den  Wänden 
des  Retortenhalses,  theils  an  denen  des  angesetzten  Kolbens  eine  gelbe 
Substanz  in  feinen  nadeiförmigen  Stücken  und  in  gelben  öligen  Flecken 
absetzen.  Das  Destillat  wird  gesammelt,  ein  Theil  wird  mit  Wasser 
verdünnt,  mit  etwas  Ammonik  neutralisirt  und  mit  Eisenchlorid  um- 
geschüttelt. Es  bildet  sich  ein  rothbrauner  Niederschlag,  welcher 
beim  Schütteln  an  den  Wänden  des  Reagensgläschens  viele  rothbraune 
Stückchen,  für  bernsteinsaures  Eisenoxyd  charakteristisch,  absetzt. 
Ein  anderer  Theil  des  Destillats  wird  mit  Wasser  verdünnt.  Eine 
hellgelbe  ölige  Flüssigkeit  tritt  in  der  Reagensröhre  an  die  Oberfläche. 
Die  Flüssigkeit  wird  nun  mit  Aether  umgeschüttelt.  Nur  langsam 
klärt  sich  die  weissliche  Emulsion,  und  das  obere  in  Aether  gelöste 
Bernsteinöl  wird  mit  einer  langen  Pipette  abgeschöpft.  Diese  Operation 
muss  zweimal  wiederholt  werden,  bis  sich  die  Emulsion  ganz  geklärt 
hat.  Die  Flüssigkeit  wird  nun  in  einer  Schale  rasch  verdunstet  und 
gibt  am  Ende  der  Verdunstung  den  der  Bernsteinsäure  eigenthümlichen, 
höchst  scharfen,  stechenden,  zum  Husten  reizenden  Geruch.  In  den 
letzten  Tropfen  sieht  man  Nadeln  schwimmen.  Das  nach  vollständiger 
Verdunstung  bleibende  weissgelbe  Pulver  wird  als  reine  Bernsteinsäure 
gesammelt  und  zeigt  unter  dem  Mikroskop  die  schönen  orthorhom- 
bischen  Krystalle  der  Bernsteinsäure. 

Der  Libanonbernstein  verhält  sich  bei  ganz  analoger  Behandlung 
verschieden.  Die  gelben  und  durchsichtigen,  äusserlich  dem  Bernstein 
ähnhchen  Stücke  werden  behufs  der  trockenen  Destillation  fein  ge- 
pulvert. Das  Pulver  ist  weissgrau.  Beim  Erhitzen  quoll  es  rasch 
auf,  so  dass  der  obere  Theil  der  Retorte  sich  verstopfte  und  erst  in 
Folge  starker  Erhitzung  an  dieser  Stelle  wieder  frei  wurde.  Bei 
starkem  Erhitzen  und  vollständigem  trockenen  Destilliren  entweichen 
zwar  auch  viele  Dämpfe,  aber  weder  die  hellen  krystalloiden  Frag- 
mente noch  die  ölartigen  Tropfen  setzten  ;sich  an  den  Wänden  an. 
Das  Destillat  ist  dunkler,  trüber,  harzartiger  als  beim  Ostseebernstein 
und  verbreitet  einen  eigenthümlichen  höchst  unangenehmen  Geruch, 
den  man  beim  Verbrennen  des  Ostseebernsteins  gar  nicht  wahrnimmt. 


—     319      ~ 

Freundlichkeit    hatte.     Hienach    wäre    das   Harz  ein  Harz    ohne 
Bernsteiusäure,  folglich  kein  Bernstein. 

Am  eingehendsten  hat  wohl  Prof.  Dr.  Bronn  er  von  hier 
seine  Untersuchungen  über  denselben  Gegenstand  gemacht  (Württ. 
naturw.  Jahreshefte  1878,  pag.  81).  Nach  H.  Bronner  ver- 
hält sich  in  erster  Linie  das  specifische  Gewicht  der  fossilen 
Harze  ähnlich  schwankend  wie  auch  das  des  Ostseebernsteins. 
Die  honiggelben  und  goldgelben  Stücke  zeigen  1,055  bis  1,058, 
die  orangefarbigen  1,088,  die  braunrothen  1,118.  Die  letztere 
Varietät  wurde  zunächst  der  Analyse  unterworfen  und  ergab 
etwas  abweichend  von  John  die  Formel  0  8  H  16  0  oder 
0  75,0  H  12,5  0  12,5.  Mit  Schraufit  hat  das  Libanonharz 
nur  äussere  Eigenschaften  gemein,  die  es  ihm  ähnlich  machen. 
Dagegen  fand  Bronn  er  bei  Untersuchung  der  honiggelben,  dem 
Ostseebernstein  ähnlichsten  Varietät  im  Kohlenstoffgehalt  eine 
Uebereinstimmung  mit  dem  braunrothen  Harz,  während  der  Wasser- 
stoffgehalt geringer,  der  Sauerstoffgehalt  aber  grösser  ist.  Man 
könnte  sich  daher  diesen  Körper  durch  direkte  Oxydation  aus 
jenem  entstanden  denken,  wobei  nur  ein  Theil  des  Wasser- 
stoffs als  Wasser  ausgetreten  wäre.  Obgleich  nun  aber  in  beiden 
Varietäten  Bernsteinsäure  sich  nachweisen  lässt,  so  weicht  doch 
der  Bernstein  der  Ostsee    in    seiner  Zusammensetzung  ab.     Der 


Die  Eisenchloridreaktion  mit  dem  Destillat  gibt  ein  durchaus  negatives 
Resultat:  Es  bildet  sich  nehmlich  kein  bernsteinsaures  Eisenoxyd. 
Ebenso  zeigt  das  Verbrennen  eines  Theils  des  Destillationsproduktes 
die  Abwesenheit  des  stechenden,  scharfen,  zum  Husten  reizenden  Ge- 
ruchs. Nun  wird  ein  anderer  Theil  des  Destillationsproduktes  mit 
Wasser  und  Aether  geschüttelt.  Die  aufsteigende  Flüssigkeit  ist  trübe, 
bräunlich  und  wird  mit  der  Pipette  abgeschöpft.  Nun  bleibt  eine 
wasserhelle  Flüssigkeit,  welche  rasch  verdunstet  weder  den  Geruch 
noch  die  Krystalle  von  Bernsteinsäure  bildet. 

Ein  anderer  Theil  neu  bereiteten  Destillats  wird  langsam  und 
mehrtägig  auf  Schwefelsäure  verdunstet,  ergibt  aber  auf  Bernstein- 
säure stets  ein  negatives  Resultat.  Die  Frage  nach  den  Bernsteinen 
der  alten  Phönizier  wird  engültig  nur  durch  chemische  Untersuchung 
der  alten  Bernsteinreste  entschieden  werden  können. 

Basel,  14.  August  1876.  Lebert. 


—     320     — 

grösste  Unterschied  aber  besteht  in  der  Sprödigkeit  und  Zer- 
brechlichkeit der  Libanonharze.  Sie  können  weder  gefeilt  noch 
gedreht  werden  wie  der  Ostseebernstein,  mit  Ausnahme  kleiner 
Stücke,  die  zu  Perlen  gedreht  oder  verschliffen  werden  könnten. 
Ob  diess  nicht  im  unverritzten  Gebirge  sich  ändert?  Gr.  Götzlof 
constatirte  zwar,  dass  er  beim  Nachgraben  festen  und  zusammen- 
hängenden Bernstein  gefunden  habe,  faustgrosse,  glasharte  Stücke, 
die  an  Dauerhaftigkeit  dem  baltischen  nichts  nachgeben,  aber  in 
Wahrheit  werden  nur  praktische  Versuche  hierüber  entscheiden. 
Es  liegt  natürlich  sehr  nahe,  die  uralte  phönizische  Bern- 
steinindustrie ihren  Anfang  im  phönizischen  Bernstein  machen  zu 
lassen.  Denn  es  geht  offenbar  zu  weit,  die  „kunsterfahrenen 
sidonischen  Männer'*,  welche  die  Bernstein-Colliers  den  Griechen 
brachten,  erst  durch  die  Strasse  von  Gibraltar  und  dann  durch 
den  Canal  und  das  Kattegat  zu  den  mitternächtlichen  Kimmeriern 
fahren  zu  lassen,  um  dort  ein  Material  zu  holen,  das  vor  den 
Thoren  von  Sidon  zu  finden  war. 


Turonbildungen. 

3.  Die  Gasteropodenzone  von  Abeih. 

So  nennen  wir  die  Zone  zwischen  den  Sauden  und  der 
harten  Hippuriten-Kreide,  welche  angefüllt  ist  mit  Gasteropoden. 
Tritt  die  Zone  in  harten  Kalkbänken  und  Dolomiten,  auf  wie  z.  B. 
am  Chan  Schamür,  so  ist  keine  Möglichkeit,  erkennbare  Fossile 
zu  erlangen.  Man  sieht  nur  an  den  der  Verwitterung  ausgesetzten 
Felswänden  den  Eeichthum  von  Schalthieren,  welche  den  Fels 
zusammensetzen.  Sobald  jedoch,  wie  zu  Abeih,  die  Fossile  in 
der  Mergelbank  liegen,  so  tritt  eine  Fülle  der  schönsten  Gastero- 
poden zu  Tag,  die  an  die  Apt-Mergel  Frankreichs  erinnern. 

Ein  Profil  beim  Chan  Schamür  zeigt   von  oben   nach  unten 

3  m  Nerineenmarmor,  verarbeitungsfähig, 

2  m  splitterge  Kalkbank  mit  Cerithien  und  Turritellen, 

3  m  Zwischenbank  von  gelben  Mergeln  mit  Austerntrümmern, 
.    3  m  gelber  harter  Dolomit, 


—     321      — 

1  m  gelbe  Mergel  mit  Austerntrümmern, 

4  m  gelber  Sand, 

44  m  rother  und  gelber  eisenschüssiger  Sandstein. 

Um  Abeih  ist  es  der  gleiche  Horizont,  wie  am  Khan. 
Nur  sind  es  hier  glücklicher  Weise  die  gelben  Mergel,  in  welchen 
die  Fossile  liegen,  aus  denen  durch  Verwitterung  die  wohlerhal- 
tenen Gasteropoden  zu  Tage  treten.  Die  amerikanische  Mission 
hat  eine  Filiale  in  Abeih  und  gibt  den  dortigen  Schulkindern 
Anleitung  zum  Sammeln ,  so  dass  im  College  in  Beirut  ein 
staunenswerther  ßeichthum  der  schönsten  Fossile  von  dort  gesehen 
werden  kann.     Wir  nennen  die  wichtigsten : 

Turritella  Seheni  Lartet  pl.  IX,  Fig.  9.  Lartet  hat  diese 
leicht  erkennbare,  an  miocäne  Turritellen  erinnernde  Art  im  Osten 
des  todten  Meers  im  moabitischen  Gebirge  gesammelt.  Da  auch 
dort  Sandstein  auftritt,  so  zweifle  ich  nicht,  dass  auch  derselbe 
Horizont  sich  findet.     Fundort  Abeih. 

Actaeonella  Ahsalonis  Fraas.    A.  d.  0.  pag.  96,  Taf.   1,3. 

Die  Muschel  wurde  damals  irriger  Weise  als  Phasianella 
betrachtet,  indem  an  dem  Exemplar  aus  dem  Wädi  el-djöz  bei 
Jerusalem  als  einem  blossen  Steinkern  keine  Spindelfalten  zu 
sehen  waren.  Die  Exemplare  von  Abeih,  siehe  Taf.  VIII,  Fig.  9 
welche  mit  der  Schale  ganz  vortrefflich  erhalten  sind,  zeigen 
deutlich  2  Spindelfalten.  Die  Grösse  der  Muschel  wechselt  zwischen 
30  und  50  mm  und  dürfte  keinen  weiteren  Arten-Unterschied 
begründen. 

Die  gewöhnlichste  Muschel  in  Abeih. 

Globiconcha  Lewisii  Fraas  Taf.  VIII,  Fig.  5  a  und  b. 

D '  0  r  b  ig  n  y  hat  dieses  Kreidegeschlecht  in  seiner  Palaeontol. 
franf.  pag.  143  aufgestellt  für  Gasteropoden,  die  zur  Gruppe 
der  Binguicula  und  Avellana  gehören.  Eine  Muschel  von  23  mm 
Länge  mit  zarten  Längsstreifen  und  noch  zarteren  Querstreifeu 
versehen  und  einem  inneren  Canal.  Die  Windungen,  3 — 4  an 
der  Zahl,  sind  vertieft  und  nabeiförmig  eingedrückt,  wodurch  die 
Muschel  ein  höchst  eigenthümliches  Aussehen  gewinnt. 

Ich  habe  die  Muschel  dem  um  Abeih  so  verdienten  Rev. 
Dr.  Lewis  zu  Ehren  benannt. 

WUrttemb.  naturw.  Jahreihefte.     1878.  21 


—     322     — 

Sehr  selten  zu  Abeih. 

Natica  syriaoa  Conrad  Off.  Rep.  12,70.  Eine  riesige  Art, 
die  schon  wegen  ihrer  Grösse  Niemand  entgehen  kann:  man 
glaubt  die  bekannte  AmpuUaria  gigas  Stromb.  vom  Kahlberg  in 
Braunschweig  vor  sich  zu  haben.  Es  gibt  Exemplare,  welche 
die  Grösse  von  20  cm  überschreiten,  die  von  mir  gesammelten 
messen  13  cm  D.,  die  an  sich  schon  dicke  Schale  und  die  aus- 
füllende Kalkmasse  empfehlen  sich  dem  Sammler  wegen  ihres 
Volums  sowohl  als  wegen  ihres  Gewichts  nicht  sehr,  zumal  wenn 
an  den  steilen  Berghalden  der  Steiusack  von  Menschen  getragen 
werden  muss.  Die  Muschel  ist  mit  groben  Anwachsfalten  ver- 
sehen, die  aber  nur  auf  dem  letzten  Umgang  zu  Tag  treten. 
Die  Windung  ist  mehr  oder  minder  erhaben.  Fundort:  Abeih, 
Hamäde,    BärükthaL     Vorkommen  gewöhnlich. 

Natica  patulaeformis  ¥rsi3LS  Ta.f.  Ylll,  Fig.,  7.  Eine  Natica, 
welche  der  tertiären  Natica  patuIa-T>ish.  aus  dem  Pariser  Eocaen 
so  nahe  steht ,  dass  sie  wegen  dieser  Aehnlichkeit  ihren  Namen 
erhielt.  Die  Länge  der  Muschel  beträgt  25  mm,  die  Breite  über 
den  Mundsaum  29  mm. 

Nach  d'Orbigny  sind  alle  Formen,  die  in  Sigaretus,  Crypto- 
Stoma  u.  a.  auseinander  gehalten  worden  sind ,  unter  dem  Genus 
Natica  vereinigt.  Andere  würden  für  diese  Art  vielleicht  den 
Geschlechtsnamen  Cryptostoma  vorziehen.    Fundort  Abeih. 

Natica  olivae  Frans  ist  länger  als  breit,  im  Gegensatz  zu 
der  voranstehenden  Muschel.  Ihre  Länge  beträgt  30,  ihre  Breite 
18  mm.  Dadurch  erhält  sie  die  Form  einer  reifen  Olive,  wess- 
halb  ihr  Name.  Nächst  verwandt  mit  olivae  sind  die  Arten 
extensa  Sow.  und  pungens  Sow.,  welche  Geinitz  auf  Taf.  54, 
Fig.  14  und  15  abgebildet  hat.     Fundort  Abeih. 

Nerita  ovoides  Geinitz  Taf.  57,  Fig.  4.  Ein  kleines  schiefes 
Ei  von  10 — 18  mm  stimmt  mit  dem  Vorkommen  im  unteren 
Pläner  bei  Plauen.     Fundort:  Abeih. 

Neritopsis  ornata  Fraas  Taf.  VIII,  Fig.  6.  Die  Art  würde 
mit  Neritopsis  nodosa  Geinitz  54,  19—23  stimmen,  wenn  auf 
dem  letzen  Umgang  die  charakteristische  Zeichnung  wahrzuneh- 
men wäre.     Statt  derselben  sieht  man  nur  eine    einfache  Zeich- 


—      323      — 

uuüg  von  Falten,  die  sich  auf  der  Nabtlinie  des  letzen  Umgangs 
selbst  bis  zu  kleinen  Knötchen  erhebt.     Fundort:  Abeih. 

Pileolus  pUcatus  Geinitz  57,11  ist  etwas  grösser  als  die 
von  Geinitz  beschriebene  Art  aus  dem  unteren  Pläner  von  Plauen, 
denn  sie  misst  bis  zu  10  mm,  während  die  sächsische  Art  nur 
4  mm  gross  werden  soll.     Fundort:  Abeih. 

Fhasianella  gaultiana  d'Orb.  pl.  187,3  zeigt  wie  die 
französische  Art  von  Maurepaire  im  Dep.  Aube  nur  eine  schwache 
Andeutung  von  Schalenstreifung.     Fundort:  Abeih. 

Turho  Ilartinianus  d'Orb.  pl.  184,  4 — 7,  charakteristisch 
durch  die  doppelte  Knotenreihe,  welche  über  die  Windung  lauft. 
Die  Form  stimmt  mit  der  französischen  Gaultform.  Fundort:  Abeih. 

Turho  Gaupilianus  d'Orb.  p.  185,  Fig.  7 — 10.  Die  franzö- 
sische Form  ist  aus  der  untern  chloritischen  Kreide  von  le  Maus 
(Sarthe)  und  stimmt  mit  der  libanesischen. 

Turho  Benauxianus  d'Orb.  pl.  186,4,  ist  mit  einer  Reihe 
Perlen  besetzt  und  stimmt  gleichfalls  mit  der  französischen  Art 
aus  der  Vaucluse  überein.     Fundort:  Abeih.     (Rev.  Dr.  Lewis.) 

Turho  Moreli  Fraas  Taf.  VIII.,  Fig.  8  zeichnet  sich  vor  den 
beiden  franz.  Arten  durch  einen  scharfen  Kiel  aus,  der  zwischen 
2  Knotenreihen  auf  der  letzten  Windung  hinläuft,  sonst  stimmt  die 
Art  in  Form  u.  Grösse  mit  T.  Martinianus.  Ich  verdanke  diese  schöne 
Muschel  Herrn  Morel  Effendi,  der  sie  von  Abeih  erhalten  hat. 

Pleurotomaria  Matheroniana  d'Orb.  201,1  eine  franzö- 
sische Art  aus  dem  chloritischen  Quarzsand  von  Cassis,  Bouches 
du  Rhone,  jeder  Umgang  ist  mit  4  zierlichen  Perlenbänderu  ver- 
sehen. Die  Uebereinstimmung  mit  dem  syrischen  Vorkommen 
ist  genau.     Fundort:  Abeih. 

Pleurotomaria  simplex  d'Orb.  pl.  194  nur  in  einem  Steinkern 
vorhanden,  den  mir  Herr  Lewis  übergeben  hat.  Ein  besonderer 
Werth  ist  übrigens  auf  diese  Art  nicht  zu  legen.   Fundort:  Abeih. 

JRostellaria  Bustemi  Fraas  Taf.  VIII.,  Fig.  4.  Diese  schöne 
und  charakteristische  Art  von  25  mm  Länge  zeigt  von  oben 
gesehen  7  tiefe  von  der  Spitze  auslaufende  Falten  über  die 
8  Umgänge.  10  zierliche  Perlenbänder  ziehen  sich  quer  über 
die   letzte   Windung,    die  Hälfte   derselben   ist  bei   den   voran- 

21* 


—     324      — 

gehenden  Windungen  je  durch  die  nächstfolgende  gedeckt.  Ich 
gebe  den  Namen  zu  Ehren  des  hochgebildeten  Gouverneurs  vom 
Libanon  Rustem  Pascha.  Fundort  Abeih. 

Bostellaria  Bequieniana  d'Orb.  pl.  209  Fig.  4,  eine  fran- 
zösische Art  aus  dem  Gault  der  Vaucluse,  welche  mit  dem  liba- 
nesischen Vorkommen  stimmt.     Fundort:  Abeih. 

Nerinea  longissima  Reuss  Taf.  VIII.,  Fig.  3.  Gehören  die 
Nerineen  an  und  für  sich  schon  zu  den  gemeinsten  und  verbrei- 
tetsten  Schnecken  Syriens,  so  ist  es  namentlich  die  vielgewundene 
schlanke  Nerinea  longissima^  die  ich  nach  Reuss  aus  dem  Hippu- 
riten-Marmor  von  Jerusalem  (A.  d.  Orient  I.  pag.  98)  genannt 
habe  zu  den  häufigsten  Funden  in  allen  über  dem  Sandstein 
liegenden  Schichten.  Auf  der  Tafel  wurde  die  gewöhnlichste  Form 
noch  einmal  abgebildet ,  die ,  sobald  über  dem  Sandgebirge 
Kalke  oder  Mergel  sich  einstellen,  nie  vergeblich  gesucht  wird. 
Ich  traf  Stellen,  z.  B.  bei  Etschmetsch  im  Fidarthal,  wo  die  erste 
gelbe  Bank  über  dem  Sandstein,  auf  welcher  das  Dorf  steht  und 
aus  dieser  Nerinea  besteht.  Höchstens,  dass  noch  etwa  Heter- 
aster  oblongus  daneben  sich  findet.  Auch  L artet  hat  die  Art 
(Geol.  d.  1.  Palestine  pag.  40)  angenommen.  Im  Uebrigen  fürchte 
ich  mich,  dem  grossen  Heer  schlanker,  vielfach  abgerollter  und 
glatt  gescheuerter  Nerineenschalen  Namen  zu  geben.  So  ist 
möglicher  Weise  Ner.  Schikii  Fraas  Taf.  1,  Fig.  11  (I.  Theil) 
von  Ner.  longissima  nicht  verschieden.  Eine  Reihe  der  schlanken 
Formen  sieht  zwar  glatt  aus  ,  aber  an  der  Spitze  der  Schnecke 
beobachtet  man  doch  wieder  Rippung  und  Knotuug.  Umgekehrt 
gibt  es  Nerineen,  die  wie  gemmifera  Lartet,  zu  welcher  L artet 
auch  Ner.  mammillae  zählt,  an  der  Spitze  wie  longissima  anfangen 
und  später  eingesenkte  Windungen  erhält.  Eine  dieser  Formen 
von  Abeih  habe  ich  Taf.  VIII.  Fig.  2  abgebildet. 

Sämmtliche  drei  Formen  zeigen  1  äussere  Falte  und  3 
schmale  innere  Falten,  woran  man  bei  durchgeschliffenen  Exem- 
plaren den  Typus  alsbald  wieder  erkennt. 

Nerinea  Bequieniana  d'Orb.  pl.  163,  Fig.  1 — 3,  eine  in 
der  chloritischen  Kreide  Frankreichs  ganz  gewöhnliche  Art, 
welche  wir  in  diesem  Horizonte  wieder  finden.    Fundort  Abeih. 


—     325     — 

Cerithium  jirovinciale  d'Orb.  pl.  233,  Fig.  3.  Auch  bei 
dem  Geschlecht  Cerithium  wiederholt  sich  Aehnliches  wie  bei 
Nerinea.  Es  existiren  vorherrschende  Typen  kurzer  stark  ko- 
nischer Schnecken,  die  in  verschiedenen  Formen  der  glatten, 
schwach  gerippten,  geperlten  und  schliesslich  mit  Dornen  be- 
waffneten Individuen  auftreten ,  alle  aber  dieselbe  Grösse  und 
denselben  Habitus  zeigen.  L artet  kennt  sie  auffälliger  Weise 
nicht.  Wir  nennen  den  Typus  nach  d'Orbigny  Cerithium  provin- 
ciale  und  bilden  4  Subspecies  ab,  Fig.  10 — 13.  Der  französische 
Typus  stammt  aus  der  Gegend  von  Marseille,  er  ist,  wie  es 
scheint,  bezeichnend  für  die  mittelmeerische  Kreideformation. 

1.  Fehlt  im  Libanon  die  ächte  französische  Form  nicht  mit 
starken  Falten,  die  auf  jeder  Windung  fast  zu  Knoten  an- 
schwellen. Die  Mundöffnung  ist  trorapetenförmig  erweitert  und 
zeigt  den  ächten  Cerithium-Mund. 

2.  Die  glatte  Form,  provinciale  nudum^  Taf.  VIII,  Fig.  13. 
Falten  und  Rippen  sind  so  gut  wie  verschwunden. 

3.  Das  nächste  ist,  dass  der  letzte  Umgang  zwar  glatt 
bleibt,  die  oberen  Windungen  dagegen  leichte  Falten  zeigen,  es 
wäre  provinciale  plicatum  Taf.  VIII,  Fig.  12. 

4.  Die  Falten  werden  zu  einer  Reihe  einzelner  unterscheid- 
barer Höcker  und  Knoten  provinciale  pustulosum  Taf.  VIII,  Fig.  11. 
Als  Cerithium  pustulosum  hat  d'Orbigny  pl.  233,4,  eine  seltene 
Form  aus  der  chloritischen  Kreide  von  Soolage  beschrieben,  die 
sich  auch  in  der  Gosau  finden  soll. 

5.  Die  extremste  Form  ist  Taf.  VIII,  Fig.  10  abgebildet, 
provinciale  armatum,  wobei  die  Knoten  zu  förmlichen  Dornen  an- 
schwellen und  der  Art  allerdings  eine  Gestalt  verleihen  unter  der 
man  die  glatte  Varietät  nicht  mehr  erkennt. 

Weitere  Cerithienformen  lassen  sich  grösstentheils  nach 
europäischen  Vorkommnissen  bestimmen,  so 

Cerithium  Cornouelianum  d'Orb.  pl.  228,10  aus  den  Apt- 
mergeln  von  Grange-au-Ru  in  der  Haute-Marue.     Abeih. 

Cerithium  exavatum  d'Orb.  230,12,  aus  dem  Gault  von 
Perte  du  Rhone.     Abeih. 


—     326     — 

Cerithium  ervynum  d'Orb.  230,1.  Im  oberen  Gault  von 
Ervy  (Aube).     Abeih. 

Cerithium  trimonile  d'Orb  230,10,  ist  bezeichnend  für  Gault, 
findet  sich  an  vielen  Orten  Frankreichs  häufig.     Abeih. 

Cerithium  Matheroni  d'Orb.  pl.  232,  Fig.  7,  aus  der  chlori- 
tischen  Kreide  von  Allauch  (Bouches  du  Rhone).     Abeih. 

Cerithium  margaretae  Geinitz  60,5,  aus  dem  unteren  Pläner 
von  Plauen.     Abeih. 

Cerithium  dbeihense  Fraas.  Mit  diesem  Xamen  nach  dem 
köstlichen  Fundplatz  Abeih  möchten  wir  schliesslich  eine  Cerithien- 
form  bezeichnen,  die  sich  an  die  beiden  vorangehenden  Species 
Matheroni  und  margaretae  anschliesst  und  durch  eine  doppelte 
Perlenreihe  auszeichnet,  am  oberen  und  am  unteren  Saum  der 
Windung.     Länge  der  Schnecke  32  mm.     Fundort  Abeih. 

Trigoma  crenulata  Lamk.  d'Orb.  pl.  295.  Während  von 
dem  Typus  des  Tr.  syriaca  in  unserem  Horizont  nichts  mehr 
gefunden  wird,  ist  dagegen  die  ächte  crenulata  hier  zu  Hause, 
von  einer  Uebereinstimmung  mit  den  europäischen  Formen,  dass 
sie  geradezu  als  Musterexemplare  dieser  Art  gelten  können. 
Sie  beschränkt  sich  jedoch  nicht  blos  auf  diesen  Horizont,  sondern 
zieht  sich  noch  weiter  hinauf  in  der  mittleren  Kreide. 
Astarte  formosa  d'Orb.  262,10.  Fundort  Abeih. 
Protoeardium  hillamim  Sow.  14,1.  Schon  im  I.  Theil, 
Aus  dem  Orient  pag.  91,  würde  auf  die  Wichtigkeit  dieser  ausser- 
ordentlich verbreiteten  Kreidemuschel  hingewiesen,  die  in  Texas 

ebenso  wie  in  Indien  (Anapaudy  in 
Südindien),  in  Europa  wie  in  Syrien 
zunächst  den  Horizont  der  ceno- 
manen  Kreide  festhielt.  Die  ge- 
i:\  wohnlichste  Form,  in  welcher  die 
*'J  Muschel  gefunden  wird,  haben  wir 
auf  dem  nebenstehenden  Holzschnitt 
mitgetheilt.  Nach  Sowerby  ist 
die  Muschel  ein  Cardium^  indessen  hat  Beyrich  den  rund- 
lichen Manteleinschlag,  der  auf  den  Steinkernen  zu  Tag  tritt, 
als  bezeichnend   für   das  Genus  Protoeardium  nachgewiesen  und 


—     327      — 

folgen  wir  hiernach  dieser  Bestimmung.  Auch  L.  L artet  (1.  c. 
pag.  53)  ist  mit  mir  einverstanden,  dass  die  vielerlei  Namen, 
welche  namentlich  im  offic.  Report  der  Muschel  gegeben  worden 
sind,  nur  als  Synonym  von  hillanum  anzusehen  sind.  Im  üebrigen 
findet  sich  die  Muschel  gleich  der  vorangehenden  Trigonia  crenu- 
lata  Lam.  in  sehr  verschiedenen  Horizonten.  Das  Vorkommen 
im  Osten  des  todten  Meeres  und  zu  Nebi  Müsa  im  Jordanthal, 
welches  L artet  erwähnt,  und  das  ich  durch  Zusendungen  des 
H.  Kersten  bestätigt  finde,  scheint  übrigens  dem  gleichen 
Horizont  wie  zu  Abeih  anzugehören.  Aus  der  weissen  Kreide 
von  Bethanien  und  dem  Mons  Scopus  hat  sie  Herr  Schick 
mehrfach  gefunden. 

Cardium  (Cardita)  crehri-echinatum  Conr.  Es  thut  Noth 
den  Conrad'schen  Namen,  unter  welchem  Steinkerne  ganz  ver- 
schiedener Art  zusammengefasst  sind,  zu  fixiren.  Wir  wählen 
hiefür  die  unter  off.  Rep.  41 — 43  aufgefasste  Form,  die,  ob  sie 
gleich  eher  eine  Cardita  zu  sein  scheint  als  ein  Cardium,  den 
Namen  crehri-echinatum  am  ehesten  verdient,  denn  die  Schale  ist 
gleich  der  eines  Echinus  mit  zahlreichen  Stachelwärzchen  über- 
deckt, cf,  I.  A.  d.  Orient,  pag.  91.     Fundort  Abeih. 

Von  Bivalven  erwähnen  wir  noch  Pinna  decussata  Gf.  128, 
1  und  2,  gleichbedeutend  mit  P.  compressa  Fig.  4.  Diese  Art, 
die  vom  untern  Quader  bis  in  den  Plänerkalk  reicht,  hat  Geinitz 
pag.  212  so  eingehend  beschrieben,  dass  Nichts  mehr  beizu- 
fügen bleibt. 

Gervilia  aviculoides  Defr.  d'Orb.  pl.  397,  mit  7  Schloss- 
rinnen von  Abeih. 

Panopaea  mandihula  d'Orb.  pl.  369,3.     Abeih. 

Astraea  corollaris  Reuss  IX,  1  und  2,  ist  sehr  bezeichnend 
und  erinnert  auf  den  ersten  Blick  an  die  Gosau.  Der  Polypen- 
stock bildet  eine  unregelmässige  Knolle  von  20  mm  Durchmesser. 
Die  Sterne  sind  mit  einem  erhabenen  runden  Rand  eingefasst, 
die  Zwischenräume  zwischen  den  ganz  unregelmässig  sitzenden 
Sternen  gestreift.     Fundort  Abeih. 

Endlich  theilte  mir  Rev.  R.  Lewis  noch  mit  Cladocora 
Simonyi  Reuss  XII,  5  und  Calamophyllia  fenestrata  Reuss  V,  20, 


—     328     — 

letztere  in   dicht  gedrängten  Büscheln  von    2    mm  Durchmesser. 
Beides  sind  Gosau-Corallen.     Fundort  Abeih. 


4.  Die  Cardiumbänke. 

Sobald  wir  über  die  Sande  und  Sandmergel  hinangestiegen 
sind,  stehen  wir  vor  einer  Bank,  mit  welcher  deutlich  eine  neue 
Formation  beginnt.  Wir  bezeichnen  am  entsprechendsten  die  nun 
folgende  Gruppe  als  die  braune  Kreide  des  Libanon, 
denn  unter  dieser  Farbe  tritt  sie  im  Norden  wie  im  Süden  auf. 
Die  erste  Bank,  die  in  der  Eegel  den  gewaltigen  in  die  Augen 
springenden  Gebirgsabsatz  bildet,  ist  eine  Bank  voll  Cardien, 
leider  nur  Steinkerne,  aber  diese  in  einer  Menge  und  Grösse, 
dass  man  mit  Fug  und  Recht  von  einer  Cardiumbank  redet, 
welche    die   neue  Stufe  der  grossen  Formation  ankündigt. 

Man  erkennt  die  Bank  sogleich,  mag  sie  in  der  normalen 
Aufeinanderlagerung  des  Gebirgs  auftreten  oder  in  dem  ver- 
stürzten, oftmals  auf  dem  Kopf  stehenden  Gebirge,  wie  es  nament- 
lich gegen  Westen  abfällt.  Im  letztern  Falle  steht  die  Bank 
wie  eine  Cyclopenmauer  vor  uns  und  lässt  in  der  That  auf  den 
ersten  Anblick  zweifelhaft,  ob  die  Mauer,  die  vor  uns  steht,  eine 
von  Natur  aufgerichtete  Bank,  oder  von  Menschenhand  also  ge- 
fügt sei. 

Die  Schichtenflächen  stehen  in  diesem  Fall  vertikal  aufge- 
richtet ,  die  Vertikalklüfte  aber  liegen  in  der  Horizontale.  •  An 
den  Eändern  abgewittert  sehen  sie  wie  roh  gefügte  Mauerblöcke 
aus.  Steigt  man  z.  B.  von  Baabda  an  gegen  Westen  aufwärts, 
so  gelangt  man  auf  der  ersten  Höhe,  die  man  erreicht,  in  der 
Nähe  des  Chans  Schamür,  vor  die  Cardienmauer.  Sie  steckt  voll 
Steinkerne,  unter  welchen  Cardnim  vorherrscht.  Seltener  sind 
Steinkerne  von  Pholadomyen  und  Trigonien  und  die  riesigen 
Kerne  einer  Natica  und  Pterocera,  Dieselbe  Beobachtung  macht 
man  bei  Dakün  und  Bawirte,  wenn  man  über  2  Terrassen  von 
löcheriger,  dolomitischer  Kreide  zur  dritten  Terrasse  gelangt  ist, 
auf  welcher  528  m  hoch  zwischen  Oelbäumen  und  Feigenbäumen 
das  freundliche   Dorf  Bawirte  liegt.     Die   Fläche   der    Terrasse 


—     329      — 

ist  mit  Getreide  angebaut;  deren  Ende  bildet  wieder  die  Cyclopen- 
mauer  mit  Cardium ,  von  wo  ein  Steilabfall  von  nahezu  400  m 
in  eine  Sandsteinschlucbt  führt,  gelb,  roth  und  grau,  reich  an 
Wasserquellen,  die  Oberfläche  mit  Pinien  bestockt.  Rothe  Schal- 
erze sind  an  der  Grenze  häufig,  theilweise  mit  Hohlräumen  von 
Protocardien  und  Trigonien.  Am  verbreitetsten  ist  der  Cardium- 
horizont  in  der  Provinz  Djurd  und  Arkiib;  als  aufgerichtete 
Steilwand  zieht  die  Bank  durch  das  Schuf  in  das  Djezzin,  um 
schliesslich  in  der  Gegend  von  Djebä  zu  verschwinden. 

Der    nachstehende    Holzschnitt    ist    ein    typisches    Bild   der 
Schichtenverhältnisse  zwischen  der  Saudformation  und  den  Cardium- 


Bänken.  Es  stellt  ein  Stück  Landschaft  dar  bei  dem  Dorf  Ker- 
kaia  im  Bezirk  Djezzin  mit  dem  Berg  Rümi  im  Hintergrund. 
Der  Aneroid  zeigte  994  m  ü.  d.  M.  Die  Sandformation  ist 
durch  die  Pinienbestände  bezeichnet,  die  sich,  ob  auch  mager 
genug,  hier  wie  allenthalben  nur  auf  dem  Sand  finden.  Die 
Cardium-Bänke  zeigen  einen  Aufriss  und  sind  rechts  und  links 
von  dem  Aufriss  dieselben.  An  Grotten  und  Höhlen  fehlt  es  auch 
hier  nicht 

Leider  stellen  sich  der  specifischen  Bestimmung  der  Car- 
dien,  die  nur  als  Steinkerne  vorkommen,  unüberwindliche 
Hindernisse  entgegen.     Tausende  solcher  Kerne  liegen  am  Weg 


—      330      - 

und  auf  den  Feldern,  dass  sich  Wagen  belasten  Hessen,  aber 
vergeblich  sieht  man  sich  nach  Stücken  um,  an  denen  noch  ein 
Schalenstück  oder  Schlosszahn  sichtbar  wäre.  Wir  sind  daher 
schliesslich  vom  Versuche,  die  Steinkerne  zu  nennen,  ganz  abge- 
standen. 

Protocardien  setzen  aus  dem  unteren  Horizont  (s.  d.  Holz- 
schnitt p.  326)  durch;  obgleich  die  Schaleneindrücke  auf  den 
Steinkernen  verschwinden,  sieht  man  doch  noch  an  dem  einen 
und  andern  Stück  die  radiale  und  concentrische  Streifung,  dess- 
gleichen  die  gestachelten  Cardien  {crehri-echinatum  Conr.),  obgleich 
die  Stacheln  fehlen.  Eine  grosse  Anzahl  Steinkerne  gehört  ferner 
zu  Isocardia,  die  man  an  den  Muskelansätzen  und  dem  schma- 
len randlaufigen  Muskel-Eindruck  erkennt.  Andere  gehören  zu 
Cardita,  wieder  andere  zu  Cyprina. 

Etwas  besser  ist  man  mit  den  Myen  daran,  deren  Stein- 
kerne stets  die  ausnehmend  zarte  und  dünne  Schale  wiedergeben. 
Fhöladomya  EsmarMW\\&.  hat  Mösch  (Monogr.  d.  Pholadomyn 
pag.  101)  als  einen  Haupttypus  für  Pläner  aufgestellt,  der  wohl 
allenthalben  im  entsprechenden  Horizonte  sich  findet.  Sie  ist 
im  Djurd  der  treue  Begleiter  der  Cardien  und  charakteristisch 
für  die  braune  Kreide  von  Bhamdün,  Btetir,  Kuweissät  u.  s.  w. 
Man  thut  vielleicht  wohl  daran,  Phol.  Marrotiana  d'Orb.  pl.  365,1 
und  Fhol.  eleganta  d'Orb.  pl.  362  mit  der  genannten  Art  zu 
vereinigen.  Auch  Phol,  pedernalis  Rom.,  zuerst  in  Texas  von 
Römer  gefunden,  erkennt  man  wieder.  Andere  Steinkerne  mögen 
einer  Gresslya  angehören.  Man  fasst  diese  und  eine  Reihe 
ähnlicher  Myenformen  am  einfachsten  zusammen  als  Myacites 
syriacus. 

Trigonia  sind  gleichfalls  zahlreich  im  Horizont  der  Cardien, 
aber  die  Art  wechselt.  Jetzt  ist  es  Trigonia  inornata  d'Orb., 
pl.  297,  Fig.  6 — 8  mit  sehr  schmaler  Area  und  einfachen  con- 
centrischen  Falten  statt  der  Rippen. 

Zugleich  treten  hier  zahlreicher  die  Rudisten  auf  und  zwar 
zunächst  Hippurites  Lewisii  Fraas  Taf.  VII,  Fig.  5  a  und  b. 
Wohl  hat  d'Orbigny  eine  sehr  ähnliche  Form  üadiolites  angu- 
losa  pl.  562,5  genannt,  doch  ist  das  Gefüge  der  Schale  und  deren 


—     331     — 

Struktur  ein  wesentlich  verschiedenes,  das  für  ächten  Hippuriten- 
charakter  spricht.  Man  erkennt  die  Muschel  alsbald  an  dem 
glatten  Aeusseren  im  Gegensatz  zu  den  späteren  ßudisten  mit 
krauser  Schale.  Die  Unterschale  ist  länger  als  breit,  2  grosse 
ovale  Schloss-Eindrücke  fallen  sogleich  in  die  Augen.  Exemplare 
mit  aufsitzender  Oberschale  sind  mir  leider  nicht  bei  der  Hand, 
2  tiefe  Falteneinschläge,  die  der  ganzen  Unterschale  entlang  gehen, 
falten  sich  einem  scharfen  Winkel  (5,  b).     Fundort:  Aiu  Anüb. 

Heteraster  d'Orbigny  (Toxaster)  oblongus  Ag.  Desor. 
Sgn.  XL,  Fig.  8  und  9  hat  in  dieser  Region  sein  Hauptlager. 
Milde  gelbe  Thone  liegen  im  Wädi  Andara  (östliches  Quellthal 
des  Damür)  über  den  linsenförmigen  Eisenerzen,  aus  denen 
tausende  dieser  zierlichen  Seeigel  ausgewittert  auf  dem  Felde  um- 
herliegen.    Palaeontologisch  ist  hier  nichts  beizufügen. 

Quenstedt  hat  (Taf.  87,  Fig.  22  —  24  und  pag.  640)  bereits 
Alles  erschöpft,  was  an  den  ungleichen  Porenreihen  der  Fühler- 
gänge und  an  den  Poren  um  den  Mund  beobachtet  werden  kann. 
Grösser  als  das  von  Desor  abgebildete  Exemplar  finden  sich 
die  Stücke  nicht,  wohl  aber  bis  zur  Hälfte  kleiner  mit  prachtvoll 
erhaltener  Schale.  Der  ausgezeichnetste  Fuudplatz  ist  das  Thal 
vor  Azunige. 

In  Europa  ist  der  Seeigel  am  bekanntesten  aus  den  Apt- 
mergeln  von  Perte  du  Rhone  und  aus  den  schwarzen  Schratten- 
kalken  des  Sentis  im  Appenzell.  Hier  wird  ihm  seine  geo- 
gnostische  Stellung  zwischem  Neocom  und  Gault  angewiesen.  Im 
Libanon  ist  es  eine  höhere  Etage. 

In  diesen  Horizont  fällt  beiläufig  ein  Gestein,  das  fast  aus- 
schliesslich aus  Trümmern  von  Rudisten  und  Foraminiferen  zu- 
sammengesetzt ist.  Gümbel  hat  darin,  gelegentlich  seiner  Unter- 
suchung meines  NummuUtes  cretacea  A.  d.  Orient  Taf.  1,8,  in 
den  Dünnschliffen  acht  cretacische  Formen  erkannt,  vorzüglich 
Globigerinen,  Textilarien,  Rotaliden  und  Cristellarideen,  welche 
durch  ihre  Häufigkeit  auffallen.  Ausserdem  finden  sich  kleine 
Formen  von  Nummulinen  und  trägt  das  Ganze  den  Typus  der 
dalmatinischen  Alveolinenkalke,  mit  denen  es  wohl  zu  einem  ge- 
meinsamen Verbreitungsgebiet  zusammengehört. 


—      332      — 


5.  Zone  des  Ammonites  syriaeus. 


Bei  der  erstmaligen  Erforschung  Palästinas  durch  Robinson 
hatte  der  amerikanische  protest.  Missionar  Smith  eine  Reihe 
Ammoniten  gesammelt,  die  1845  in  die  Hände  des  Bonner 
Mineralienhändlers  Cranz  kamen  und  von  da  in  verschiedene 
Museen  Europas  übergingen.  L.  v.  Buch  glaubte  zwar  in  An- 
betracht der  einfachen  Lobengänge  Ceratiten  vor  sich  zu  haben, 
gab  ihnen  aber  nichts  desto  weniger  ihre  richtige  Stellung  in 
der  Kreide  und  nannte  sie  Ammonites  syriaeus  (v.  Buch  über 
Ceratiten,  Berlin  1849).  Sie  stammten  sammt  und  sonders  von 
Bhamdün  im  Djurd,  sind  aber  nichts  weniger  als  an  diese  Stelle 

gebunden,  sondern  finden  sich 
in  einem  bestimmten  Horizont 
über  den  ganzen  Libanon  ver- 
breitet. Die  Buch 'sehe  Ab- 
bildung (VI,  Fig.  2,)  ist  das 
Beste,  was  man  sehen  kann, 
ebenso  wahr  als  schön  aus- 
geführt. 

Unser  Holzschnitt  von  Am- 
monites syriaeus  repräsen- 
tirt  die  gewöhnliche  Grösse 
der  Stücke,  das  grösste  Stück, 
misst  15  cm.  Mit  der  Grösse 
verlieren  aber  die  Stücke  an  Zierlichkeit  und  spielen  vielfach 
zu  den  d'Orbigny 'sehen  Arten  CatiUus  und  Vibrayeanus  hin- 
über. Dem  letzteren  hatte  auch  L.  v.  Buch  p.  27  seine  be- 
sondere Aufmerksamkeit  geschenkt. 

Mit  diesem  Ammonitenhorizont  beginnt  eine  neue  Ordnung 
der  Dinge:  Die  braune  Kreide  verschwindet  für  immer,  die  graue 
Kreide  beginnt  mit  derselben  eine  Felsbank,  die  weit  hin  den 
reizenden  Felsenkranz  in  die  Berge  legt,  welcher  den  Libanon- 
landschaften ihre  eigenthümliche  Schönheit  verleiht. 

Die  Ammoniten  stecken,  genau  betrachtet,  unter  dem  eigent- 


das  ich  im  Süden  fand  (Toula), 


—      333      — 

liehen  Felsenkranz  in  einem  Austernmergel;  über  der  Ammoniten- 
bank  folgt  dann  eine  Meter  mächtige  Orbitulitenbank,  über 
welcher  die  Pterocerasbank  als  Liegendes  der  Felsen  sich  auf- 
baut. Auch  die  Bryozoe,  die  so  massenhaft  vertreten  ist,  er- 
innert wieder  an  Perte  du  Ehöne,  es  sind  die  gleichen  linsen- 
förmigen Scheiben,  die  auf  den  ersten  Blick  mit  Nummuliten 
verwechselt  werden  könnten,  bis  man  die  Anordnung  der  Zellen 
und  Poren  entdeckt. 

Gegen  200  m  mächtig  erheben  sich  über  dem  Ammoniten- 
lager  die  Felsbänke  in  grosser  Einförmigkeit.  Hinter  der  Awali- 
quelle  bei  Djezzin  am  Weg  nach  dem  Niha  beobachtet  sich 
folgendes  Profil  von  unten  nach  oben : 

1,5  m  graue  Kalkbank  mit  riesigen  Fteroceras,  Unter 
dieser  Bank  bricht  die  Awaliquelle  aus  dem  Berg. 

3  m  graue  Mergel. 

1,5  m  harter,  leerer  Fels. 

1,5  m  derselbe  Fels  voll  Hippuriten,  dieselben  sind  aber 
so  innig  mit  dem  Gestein  verwachsen,  dass  von  einem  Ablösen 
der  Fossile  keine  Rede  sein  kann. 

1  m  Plattenkalk,  lichtgelb,  ähnlich  dem  Zeta  unseres 
weissen  Jura. 

3  m  Mergel. 

10  m  geschichtete  milde  Kalke  mit  Kalkspatdrusen.  Der 
Fels  wird  allgemein  als  Baustein  für  Djezzin  ausgebrochen, 

20  m  Massenkalk  mit  Feuersteinkuauern. 

20  m  lichtgelbe  Plattenkalke  mit  durchlaufenden  Schnüren 
von  Feuerstein  und  eingesprengten  Kieselknauern. 

30  m  Massenkalk. 

30  ra  Wechsel   von  zuckerkörnigen  Kalken   und  Dolomiten. 

30  m  schieferige,  lichte  Bänke,  zwischen  ein  wieder  feste 
harte  Felsbänke  mit  Hippuriten  an  den  Aussenflächen. 

1  m  Austernbank  mit  Janira. 

20  m  Kreidemergel,  in  welchen  die  Nlhaquelle  liegt,  am 
Fuss  der  eigentlichen  Erhebung  des  Gebirgs. 

Leider  haben  wir  bei  den  Fossilen  dieses  Horizontes  aber- 
mals  nur  mit  Steinkernen    zu  thun,    was   die  Bestimmung    aus- 


—     334     — 

nehmend  erschwert.    Wir  beschränken  uns  daher  auf  die  häufigsten 
Vorkommnisse  und  deren  Benennung: 

Ammonües  syriacus  v.  Buch  1849,  „über  Ceratiten",  p.  20, 
Taf.  VI,  1  —  3.  Die  Abbildung  ist  so  vortrefflich,  dass  nach 
dieser  erstmaligen  Abbildung  Niemand  mehr  eine  zweite  ver- 
sucht hat.     Fundort:  Nebi  Safe,  Muchtära,  Btetir,  Bhamdün. 

Ammonües  Yibrayeanus  d'Orb.  terr.  cret.  pl.  96.  Eine 
Anzahl  Stücke  existirt,  bei  denen  die  Wahl  schwer  wird,  ob 
man  sie  zu  syriacus  oder  zu  Yibrayeanus  zählen  soll.  Ohnehin 
besteht  zwischen  beiden  eine  ausgesprochene  Verwandtschaft.  Die 
Originalstücke  des  letzteren  stammen  aus  dem  Canton  von  Vibraye 
im  Depart.  Sarthe,  wo  sie  im  oberen  Grünsand  liegen. 

Fterocera  Beaumontiana  d'Orb.  pl.  213.  Die  französische 
Art,  welche  dem  d'Orbigny'schen  Namen  zu  Grunde  liegt, 
stammt  zwar  aus  dem  Neocom  der  Mittelmeergegend  mit  Capro- 
tina  ammonia^  theilt  aber  mit  der  libanesischen  Art  vollständig 
die  Art  der  Streifung,  dass  ich  kein  Bedenken  trage,  beide  zu 
vereinigen.  Die  Individuen  dieser  Art  sind  ausserordentlich 
gross,  so  dass  man  sich  ungerne  mit  ihnen  beschleppt.  An  der 
Awaliquelle  hinter  Djezzin  Hess  ich  ein  Stück  liegen,  das  min- 
destens 30   cm  Länge  hatte. 

Fterocera  incerta  d'Orb.  pl.  215,  wird  als  eine  Species  der 
chloritischen  Kreide  geschildert,  speciell  stammt  das  Original  aus 
der  unteren  chloritischen  Kreide  von  le  Mans  Die  Steinkerne, 
welche  in  Form  und  Grösse  dem  Original  von  d'Orbigny 
gleichen,  stammen  vom  Fuss  des  Nebi  Safe.  Finden  sich  übrigens 
sehr  häufig  auch  sonst. 

Pterocera  supracretacea  d'Orb.  216,3.  Auch  diese  Art  wird 
von  d'Orbigny  als  der  chloritischen  Kreide  von  Eoyan  (Charente 
inferieure)  angehörig  betrachtet.  Sie  stammt,  wie  die  vor- 
angehende vom  Fuss  des  Nebi  Safe  und  findet  sich  sehr 
häufig. 

Pterodonfa  ovata   d'Orb.  pl.  218,3,   aus   der    chloritischen 

Kreide    von  Marseille,    stimmt   mit   der  libanesischen   Art,    die 

häufig  genug  am  Nebi  Safe  und  vielen  andern  Orten  sich  findet. 

Natica  huUmoides  d'Orb.  pl.  172,  2 — 3,  gehört  zwar  nach 


—     335     — 

d'Orbigny  in  das  Neocom  des  Pariser  Beckens  (Aube,  Tonne 
Haute  Marne).  Die  Aehnliclikeit  mit  unseren  Steinkernen  ist 
aber  überraschend,  die  am  Nebi  Safe  und  bei  Djezzin  sieb  finden. 

Natica  lyrata  Sow.  d'Orb.  pl.  172,  Fig.  5.  Sowerby's 
Original  stammt  aus  der  Gosau,  die  d'Orbigny 'sehen  aus 
Ushaux  in  der  Vaucluse,  wo  sie  der  mittleren  chloritischen  Kreide 
angehören.  Unsere  Stücke  enstammen  der  Bachschlucht  von 
Bhamdün  und  dem  Dämürthale. 

Bostellaria  inornata  d'Orb.,  Steinkern  auf  den  Feldern  von 
Ruweisät. 

Bostellaria  simplex  d'Orb.  pl.  208,6,  kann  allenfalls  von 
der  vorigen  Art  noch  getrennt  werden.     Fundort:  Ruweisät. 

Phasianella  supracretacea  d'Orb.  pl.  187,  Fig.  4.  Diese 
Art  findet  sich  zwar  schon  in  den  Gasteropodenschichten  von 
Abeih,  aber  auch  höher  beim  Chan  Schamür  in  der  Cardiumbank 
und  am  Nebi  Safe  mit  den  Ammoniten.  Das  französische  Ori- 
ginal stammt  von  Royan  aus  der   obersten   chloritischen  Kreide. 

Nerinea  gigantea  d'Orb.  pl.  158,  1—2  sieht  allerdings  der 
jurassischen  Art  grandis  Voltz  viel  ähnlich,  wird  aber  doch  mit 
Recht  von  d'Orbigny  wegen  der  tiefen  Ausbuchtung  auf  der 
Mitte  des  Umgangs  unterschieden.  Allerdings  stammt  das  fran- 
zösische Original  aus  dem  Neocom  von  Gard,  Var  und  Vaucluse, 
stimmt  aber  mit  der  libanesischen  Art  so  überein,  dass  wir  kaum 
andere  Namen  geben  möchten. 

Ostrea  flabellata  d'Orb.  pl.  475.  Um  von  der  Menge  der 
Austern,  die  sich  allenthalben  in  dem  Horizont  des  Amm.  syria- 
cus  befinden,  nicht  erdrückt  zu  werden,  halten  wir  uns  nur  an 
einige  scharf  markirte  Formen,  wie  z.  B.  die  auf  pl.  475  gezeich- 
nete (im  Text  pag.  717  fälschlich  fldbella  genannt),  bemerken 
aber  zum  Voraus,  dass  alle  die  tausend  und  aber  tausend  Austern 
zu  nennen  eine  Sache  der  Unmöglichkeit  ist.  Wohl  knüpfen  die 
Autoren,  wie  d '  0  r  b  i  g  n  y  und  C  o  q  u  a  n  d  mit  „  rapports  et  diffe'- 
renees"  stets  an  andere  Formen  an,  wer  aber  ist  im  Stande 
die  Aehnliehkeiten  und  Unterschiede  gegen  einander  richtig 
abzuwägen  und  mit  Bestimmtheit  sich  für  einen  Namen  auszu- 
sprechen? So  liegen  vor  uns  0.  flabellata  Gf.  Tab.  87,6  und  d'Orb. 


—      B36      — 

475  vom  Nebi  Safe,  dessgleichen  von  Zerka  Main  am  Todten 
Meer  CO.  K  ersten  1875),  sie  stimmen  mit  den  europäischen 
Originalen  aus  dem  unteren  Turon,  wo  sie  zusammen  mit  Caprina 
tipartita  im  südlichen  Frankreich,  Spanien  und  Portugal  sich 
findet.  Das  Gold  fus  s'sche  Original  stammt  aus  Westfalen. 
Zarte  dichotomirende  Rippen  finden  sich  auf  der  Unterseite  der 
Schale.  Dieses  Kennzeichen  unterscheidet  wohl  allein  die  ge- 
nannte Art  von  0.  Matheroniana  d'Orb.  pl.  485,  über  welche 
I,  Aus  dem  Orient  pag.  86,  verglichen  werden  mag.  Conrad' s 
densata  gehört  hieher,  während  0.  Ovenvegi,  damals  von  mir  zu 
Matheroniana  gestellt,  indessen  von  L.  L  artet  Geol.  d.  1.  Palestine 
pag.  59  mit  0.  olisoponensis  Sharpe  vereinigt  worden  ist. 

Ostrea  olisoponensis  Sharpe  stammt  ursprünglich  aus  Lissa- 
bon (1849).  Später  erst  hat  v.  Buch  (1852)  die  Overweg'schen 
Austern  aus  Tunis  nach  dem  Reisenden  dieses  Namens  benannt, 
während  Overweg'sche  Originalstücke  in  Paris  befindlich  genau 
mit  der  portugiesischen  Muschel  von  Sharpe  übereinstimmen. 
Das  von  L  artet  Taf.  XI,  Pig.  1,  abgebildete  Exemplar  entstammt 
dem  Wädi  Mödjib  und  soll  mit  dem  Sharpe'schen  Original  voll- 
ständig übereinstimmen.  Ich  besitze  die  Muschel  vom  Nebi 
Safe,  wo  sie  sehr  häufig  ist,  von  Schamür  und  Baabda  u.  a.  0. 
durch  Herrn  K  e  r  s  t  e  n   vom  Kerak  und  vom  Todten  Meer ,  durch 

Herrn  Coquand  aus  Tenukla 
und  Batna  in  Algerien.  Die  ge- 
wöhnlichste Auster  ist  die  auf 
unserem  Holzschnitt  wiederge- 
gebene O.  afrieana  Lmk.  (Lartet 
p.  65.)  Die  alte  Lamark'sche 
Species  bezeichnet  eine  kleine 
glatte  Exogyre  mit  spiralförmig 
gedrehtem  Wirbel.  Lartet  zieht 
0.  Overwegi  und  densata  herbei, 
schreibt  aber  jeder  der  wechselnden  Formen  einen  eigenen  Ver- 
breitungsbezirk zu. 

Ostrea  acutirostris  Nils.  Eine  ganz  flache,  selten  mehr  als 
5  cm  lange,  einfache  Auster,  deren  kleiner  zarter  Wirbel  kaum 


—      337      — 

gekrümmt  ist,  hält  immer  seinen  bestimmten  Horizont  in  der 
mittleren  Rudistenzone  ein  und  bildet  am  oberen  Dämür  in  dem 
Bezirk  Arküb  am  Fuss  des  Bärük  ganze  weite  Felsenhorizonte. 
Am  Nebi  Säfi  liegen  die  Austernbänke  bei  den  Ammouiten, 
Conrad  bat  die  Muschel  theils  nach  Römer  0.  scapha  genannt, 
theils  auch  Unguloides ,  beide  stammen  ■  vom  Fuss  des  Bärük 
aus  dem  Drusenbezirk  von  Muchtära.  Wenn  L  artet  0.  biauri- 
culata  Lamk.,  welche  ich  I,  A.  d.  Orient  pag.  88  aus  dem  höheren 
Horizont  von  Mar  Säba  und  dem  Kidronthal  anführe,  mit  den 
Austern  von  Muchtära  zusammenwirft,  so  halte  ich  dies  nicht  für 
richtig.  Die  beiden  Horizonte  sind  zu  weit  auseinandergelegen. 
Auffallend  ist,  dass  0.  sijphax  Coqu.  eine  so  häufige  Muschel 
in  Algerien  und  demselben  Horizont  entstammend  am  Libanon 
noch  nicht  gefunden  wurde.  Ihr  ausgesprochener  Typus  Hesse 
sie  vor  allen  andern  wieder  erkennen. 

PUcatula  Flauer sü  Coqu.  Lartet  XII.  14,  eine  charakteri- 
stische Form,  die  von  PI.  aspera  Lmk.  etwas  abweicht  cf.  I,  A.  d. 
Orient  p.  88.  Ich  besitze  sie  vom  Nebi  Säfi  und  von  Zerka 
Main  am  todten  Meer  (K ersten). 

Janira  tricostata  d'Orb.  vom  Nebi  Säfi  und  von  Muchtära, 
während  Janira  quinqueccstata  d'Orb.  von  Euweisät  Naaman 
stammt. 

Lucina  syriaca  Conr.  Off.  rep.  9.  54  ein  häufiger  Steinkern 
bei  Bhamdün. 

Isocardia  carantonensis  d'Orb.  252,3  freilich  nur  Steinkern. 
Fundort:  Nebi  Säfi. 

Nucula  ovafa  Math.  d'Orb.  302,1.     Fundort:  Nebi  Säfi. 
Venus  Boyana  d'Orb  386,4.     Steinkern  von  Bhamdün. 
Opis    Querangeri    d'Orb.    pl.    249,     Fig.    3    u.   4.     Stein- 
kerne vor  Nebi  Säfi. 

Pholadomya  carantoniana  d'Orb.  pl.  365,1  vom  Nebi  Säfi. 
Gyroporella  vesicuUfera  Gümbel  über  Nulliporen  II,  50.  und 
E.  W.  Benecke,  ümgeb.  v.  Esino  und  der  Lombardei.  Stellen- 
weise wie  im  Dämürthale  bei  Abeih  steht  ein  förmlicher  Fels 
von  Gyroporellen  an,  Röhren  von  20  mm  Länge  und  5  mm 
Breite  an  der  Basis.     In  die  Röhre  münden  ringförmig   um  die 

Württemb.  n.aturw.  Jahreshefte.     1878.  22 


—     338     — 

Röhre  gestellten  Cylinderchen,  so  gedrängt  stehend,  dass  5  Ringe 
Cylinderchen  auf  1  mm  zu  stehen  kommen,  während  an  einem 
Ring  30—35  Cylinderchen  gezählt  werden.  In  Folge  ihrer 
gedrängten  Stellung  werden  sie  wie  Gwandige  Zellen,  jede 
Zelle  zeigt  auf  ihrer  Aussenfläche  eine  Vertiefung.  Ueber  diesem 
Röhrencylinder  liegt  noch  eine  Epidermis,  welche  von  noch  mehr 
Poren  durchbrochen  ist,  in  dem  nämlich  auf  3  Röhrencylinder 
4  Porenreihen  sich  legen.  Hienach  berechnen  sich  bei  einer 
Länge  der  Röhre  von  20  mm  circa  3000  Röhrencylinder,  die  sie 
umgebende  Kalkschale  aber  ist  von  circa  4000  Poren  durch- 
brochen. Die  Cylinderchen  sowohl  als  die  Hauptröhre  sind  mit 
krystallinischem  Quarz  erfüllt,  die  Röhren  und  Schalen  sämmtlich  in 
Silex  übergeführt. 

Es  kann  angesichts  der  genauen  Zeichnungen  Gümbels 
und  Ben  eck  es  über  die  Idendität  der  alpinen  Foraminifere  mit 
unseren  libanesischen  kein  Zweifel  sein.  Um  so  verwunderlicher 
ist,  dass  die  alpinen  Gyroporellen  in  triasischen  Formationen  sich 
finden,  während  sie  in  Syrien  in  die  Zeit  des  Cenoman's  fallen. 
Oder  sollte  vielleicht  das  syrische,  sicher  zur  Kreide  gehörige 
Fossil  dem  doch  immer  noch  etwas  zweifelhaften  geologischen 
Charakter  gewisser  alpinen  Schichten  eine  andere  Direktive  geben? 

Noch  verbreiteter  ist  im  südlichen  Libanon  ein  anderer 
Bryozoe  zu  treffen,  der  auch  in  Europa  vielfach  in  unserem 
Horizont  sich  findet:  OrhitoUtes  Lam.  Es  ist  nicht  etwa  das 
Fossil  von  Mastricht  {macropora  Lmk.),  sondern  eoncava  Lmk., 
denn  es  sind  flach  concave  Scheiben  mit  zarten  concentrisch 
gelagerten  Zellen.  Am  Nebi  Säfi  bildet  eine  Orbitolitenbank 
von  reichlich  1  m  Stärke  eine  über  mehrere  Kilometer  sich  hin- 
ziehende Grenzbank  zwischen  dem  Horizont  der  Ammoniten  und 
dem  Komplex  der  Radiolitenschichten. 

6.  Die  Badiolitenzone« 

Im  südlichen  Libanon  fallen  die  höchsten  Erhebungen  des 
Gebirgs  gerne  mit  dieser  Zone  zusammen,  doch  lassen  sich,  wie 
bereits  bemerkt,  keinerlei  Gesetze  nachweisen,  wornach  die  Bil- 


—     339     — 

düng  bestimmter  Höhen  und  Gebirgsgestaltungen  an  bestimmte 
Glieder  der  Kreide  gebunden  wären.  So  sind  die  Kadioliteufelsen 
ebenso  am  Ufer  des  Awali  in  der  Nähe  von  Saida,  als  auf  den 
Höhen  des  Niha  und  bei  Djezzin.  Hier  bilden  sie  in  der  That 
ein  System  von  Bänken  und  Zwischenmergeln  das  über  der  Awali- 
quelle  200  m  mächtig  ansteht.  Das  Profil  ist  hier  von  oben 
nach  unten 

30  m  kreidige,  graue  Mergel,  die  am  Fuss  des  Niha  an- 
stehen.    Ein  wohl  gefasster  Schöpfbrunnen  steht  am  Wege. 

1  m  Austernbank  besteht  fast  ausschliesslich  aus  einer 
glatten  Auster  und  Janira  fissicosta. 

50  m  Wechsel  von  krystallinischen  Kalken  und  Dolomiten 
mit  schieferigen  Bänken  und  Plattenkalken,  Die  festen  Bänke 
sind  sämmtlich  von  Hippuriten  durchzogen.  Das  ganze  Gehänge 
ist  Rebgelände:  in  den  Mergeln  stehen  die  Stöcke,  aus  den 
Hippuritenfelsen  sind  die  Terrassen  und  Weinbergmauern  ^^  auf- 
geführt. 

30  m  Massenkalke  mit  Feuersteinkugelu,  wie  sie  sonst  gern 
in  der  weissen  Kreide  getroffen  werden. 

30  m  Plattenkalk  mit  Schnüren  und  Knauern  von  Feuerstein. 

20  m  Massenkalk  mit  Feuersteinkugeln. 

10  m  milde,  geschichtete  Kalke  mit  Drusen  von  Kalkspat. 

3  m  graue  Mergel. 

3,5  m  harter,  plattiger  Fels  voll  Hippuriten. 

3  m  graue  Mergel. 

1,5  m  Pterocerasbank,  die  Schichte  mit  den  grossen,  fetten 
Gasteropoden  bilden  die  Hängebank  über  der  Awaliquelle ,  die  in 
hora  12  aus  dem  Berg  bricht,  um  dem  fleissigen  Industrie- 
städtchen Djezzin  allerlei  Wasserkraft  an  die  Hand  zu  geben. 


*'  Bei  der  jammerwürdigen  Holzarmuth  der  Gegend  ist  von  Holz- 
pfählen und  Holzstützen  für  die  Weinrehen  keine  Rede.  Die  Stelle 
der  Pfähle  vertreten  die  Mauern,  die  gerade  so  hoch  aufgeführt  werden 
als  die  Riithe  der  Rebe  lang  ist.  Die  Ruthe  wird  auf  die  Mauer 
gelegt,  dass  das  Tragholz  darauf  aufliegt.  Das  Tragholz  der  Rebe  selbst 
wird  sorgfältig  auf  3  —  4  Augen  zurückgeschnitten  und  die  Schnitt- 
wunde sogleich  mit  Petrol  aus  dem  nahen  Hasbeya  beschmiert. 

22* 


—     340     — 

Der  grösste  Eeichthuin  von  Rudisten  aber  findet  sich  wohl 
auf  den  Höhen  um  das  Kloster  Meifük.  Die  herrliche  Quelle 
des  Klosters  entspringt  aus  den  Kalkmergeln  mit  Holectypus  am 
Anfang  eines  fruchtbaren  von  einem  Felsenkranz  umsäumten 
Thaies.  Hoch  oben,  kaum  zugänglich,  liegt  in  schwindelnder 
Höhe  Sar  Meifük,  ein  in  den  Felsen  eingetriebenes  Nest  mit 
einem  Zugang  und  Schiessscharten ,  wohin  sich  die  Conven- 
tualen  in  Kriegszeiten  flüchteten.  Sar  Meifük  ist  eher  einem 
Adlerhorst  zu  vergleichen,  als  dem  ob  auch  nur  vorübergehenden 
Aufenthalt  von  Mönchen,  die  freilich  m  der  harmlosesten  Igno- 
ranz ^^  zu  30 — 40  im  Kloster  zusammenwohnen  und  deren  ein- 
ziges Geschäft  der  Ackerbau  und  Weinbau  ist.  Auf  der  Höhe 
nun  wittern  aus  den  Kreidekalken  Radioliten  in  erstaunlicher 
Menge  und  Pracht  aus,  was  namentlich  oben  am  Wege  nach 
Hakel  der  Fall  ist.  Die  Muscheln  sind  verkieselt,  der  Kalk  löst 
sich'  genau  wie  der  Korallenkalk  des  weissen  Jura  auf  der 
schwäbischen  Alb  in  einen  röthlichen  Lehm  auf,  der  mit  dem 
Pflug  bebaut  wird  und  in  welchem  die  Fossile  aufgelesen  wer- 
den.    Am  häufigsten  findet  sich 

BadioUtes  acuta  d'Orb.  Pal.  Univ.  Terr.  cre'tac.  pl.  571, 
Fig.  4  —  8.  Die  Figuren  4  und  5  stimmen  genau  mit  dem 
libanesischen  Vorkommen.  Ich  bilde  auf  Taf.  VII,  Fig.  1,  die 
Muschel  ab,  von  welcher  d'Orbigny  nur  den  Steinkern  kennt, 
den  er  wegen  seiner  abgerundeten  Kreiselgestillt  von  andern  Arten 
abtrennt.  Am  Libanon  findet  sich  die  Schale  noch  erhalten,  von 
welcher  der  Zeichner  auf  Fig.  1  ein  Bild  zu  geben  versuchte.  Sie 
besteht  aus  einer  Anzahl  über  einander  gelegter  Lamellen,  welche 
in  der  Längsachse  gestreift  das  Weichthier  wie  mit  einer  Hals- 
krause umgeben.  Auf  der  Schloss-Seite  sind  2  tiefe  Längseindrücke 
am  Steinkern  zu  beobachten.  Das  Unterende  des  Steinkerns  ist  ab- 
gestumpft, nicht  spitz  zulaufend  wie  bei  der  nächstfolgenden  Art. 


2^  Zu  schreiben  oder  zu  lesen  versteht  keiner  dieser  Glücklichen. 
Die  Tinte,  die  mir  auf  der  Reise  ausgegangen  war,  von  den  Mönchen 
zu  bekommen,  war  nicht  möglich.  Von  Büchern  und  Manuscripten 
ist  selbstverständlich  keine  Rede,  dagegen  erhielt  ich  einen  ganz  vor- 
treffliche Raki,  auf  dessen  Bereitung  das  Kloster  stolz  sein  darf. 


—     341     — 

RadioUtes  polt/conilites  d'Orb  1.  c.  pl.  547,  Taf.  YII,  Fig.  4. 
Die  Unterschale  besteht  gleichfalls  aus  einer  Keihe  krauser 
Falten,  die  nach  aussen  schuppenförmig  abstehen,  nach  innen 
einen  glatten  Trichter  zur  Aufnahme  des  Thiers  bilden.  An  der 
Oberschale  sitzen  bis  zu  6  und  mehr  lang  gezogener  Zähne  auf 
der  Schloss-Seite,  in  den  Trichter  hinab  eigentliche  Septa  bildend, 
deren  Zwischenräume  sich  im  Steinkern  mit  Gebirgsmasse  füllen. 
Auf  der  Oberschale  drückt  sich  eine  von  vorn  nach  hinten  ge- 
zogene hufeisenförmige  Falte  ab,  vorne  öffnete  sich  dieselbe  wie 
es  scheint  durch  zwei  Spalten,  welche  das  grosse  Septum  um- 
spannten. 

RadioUtes  Mortoni  nannte  ich  im  I.  Theil  A.  d.  Orient, 
pag.  86,  den  Eudisten,  aus  dessen  zertrümmerten  Schalen  ganze 
Felsen  des  Missi  in  der  Nähe  von  Jerusalem  bestehen,  das 
gleiche  Schalengefüge,  wie  es  auf  Taf.  1,15  dort  abgebildet  ist, 
findet  sich  bei  den  nächsten  3  Arten,  die  d'Orbigny  längst 
als  verschiedene  Arten  abgebildet  hat,  die  aber  nach  den  Funden 
auf  den  Höhen  von  Meifük  nur  durch  das  Verhältniss  der  Höhe 
und  Breite  sich  unterscheiden  und  einerlei  Art  anzugehören 
scheinen.     d'Orbigny 's  Arten  sind 

RadioUtes  Sauvagesii  1.  c.  pl.  553. 
„  radiosus  pl.  554. 

„  lumbricaUs  pl.  555. 

Wem  es  um  Namen  zu  thun  ist,  der  kann  die  langgestreckte, 
vielfach  etwas  breitgedrückte  Form  mit  Sauvagesii  bezeichnen, 
die  kurze,  konische  mit  radiosus^  die  schmale,  kleine,  die,  wie 
ich  glaube,  jungen  Exemplaren  angehört,  lumbricaUs  nennen. 

RadioUtes  radiosus  kehrt  auch  in  Algerien  (Batna)  wieder, 
woher  ich  das  Fossil  mit  gleichaltrigen  Echinodermen  durch 
Herrn  Coquand  erhalten  habe.  Die  Sammlung  des  protestan- 
tischen Collegs  in  Beirut  birgt  ausserdem  eine  Eeihe  der  ausge- 
zeichnetsten ßudisten,  die  vielfach  in  Kolonien  beieinander  sitzen 
und  für  eine  Monographie  der  Kudisten  das  werthvollste  Mate- 
rial enthalten. 

In  der  Nähe  der  Rudisten  finden  sich  noch  Austern,  die 
nicht  übersehen   werden    sollten.     Sie  gehören   zur  Gruppe   der 


—     342      — 

Ostrea  vesicularis  Lam.,  sie  sind  glatt  und  starkschalig ,  gerne 
von  Schmarotzern  zerwühlt  und  durchfressen.  Eine  kurze  ge- 
drungene Gestalt  hat  L  artet  (Taf.  XI,  10)  judaica  genannt, 
von  ihm  im  Wadi  Mojib  in  Schichten  unter  Ostrea  ölisoponensis 
gefunden.  Kerstan  hat  eine  ganze  Reihe  derselben  in  Zerka 
Main  gesammelt.  Neben  dieser  glatten,  bombirten  Gestalt  lauft 
eine  gefurchte  Form,  die  wie  ein  Ei  dem  andern  Gryphaea  Fit- 
cheri  gleicht.  Unter  diesem  Namen,  den  Morton  aufgestellt 
hat,  erhielt  ich  von  Jules  Marcou  das  Fossil,  das  er  am 
Eed  river  in  Texas  gefunden.  Ganz  ähnliche  sah  ich  auch  bei 
Zittel  aus  der  libyschen  Wüste. 

Ghryphaea  capuloides  Conrad  gehört  gleichfalls  in  die  Nähe. 
Ich  würde  sie  nicht  besonders  auszeichnen,  wenn  sie  nicht  einen 
bestimmten  Horizont  in  einzelnen  Gegenden  einhielte.  In  dem 
Thale  von  Hakel  unterteuft  sie  in  mächtigen  Bänken  die  Fisch- 
lager. Die  Bänke  bestehen  eigentlich  nur  aus  dieser  kleinen 
Auster,  die  in  der  Grösse  von  Mandeln  das  Gestein  zusammen- 
setzt. Ich  sehe  keinen  Unterschied  von  Ostrea  arietina  Rom. 
vom  Red  river  in  Texas  und  nenne  sie  um  so  lieber  mit  einem 
eigenen  Namen,  als  die  Grösse  der  Muschel  sich  merkwürdig 
gleich  bleibt.  Sonst  würde  ich  keinen  Anstand  nehmen,  mit 
E.  L artet  die  Muschel  mit  0.  judaica  zusammenzufassen. 

7.  Die  Schiefer  von  Hakel. 

Uralt  ^^  ist  die  Bekanntschaft  Europas  mit  den  Fischbänken 
von  Hakel    und  Sähil  Alma,    aber    trotzdem  bleibt    es  erst  der 


^^  On  lit  dans  l'histoire  de  Saint  Louis  du  sir  de  Joinville  en  1248 
a  cause  de  son  sejour  ä  Sayette:  on  apporta  au  roi  une  pierre  qui  se 
levait  par  ecailles  la  pkis  merveilleuse  du  monde,  car  quand  on  levait 
une  ecaille,  on  trouvait  entre  les  deux  pierres  la  forme  d'un  poisson 
de  mer.  Le  poisson  etait  en  pierre,  mais  il  ne  manquait  rien  ä  sa 
forme :  ni  yeux  ni  aretes  ni  couleur  ni  autre  chose,  qui  empecha  qu'il 
ne  füt  tel  que  s'il  füt  vivant.  Le  roi  demanda  une  pierre  et  trouva 
une  tauche  (Schleie)  dedans  de  couleur  brune  et  de  teile  fagon  qu'une 
tanche  doit  etre.  Hist.  d.  St.  Louis  publ.  par  Natalis  de  Wailly 
chez  Hachette  I,  18. 


—      343      — 

jüngsten  Wissenschaft  vorbehalten,  den  erstaunlichen  Eeichthum 
dieser  Schichten  an  Fossilen  aller  Art  zu  sichten  und  in  das 
System  einzureihen.  Wohl  haben  schon  die  Monographien  von 
Pictet^^  und  Pictet  und  Humbert ^^  schöne  Anfänge  ge- 
macht, aber  wie  vieles  Neue  und  Unbekannte  hier  noch  zu  Tage 
tritt,  zeigt  ein  Blick  auf  die  reichen  Sammlungen  der  Amerikaner 
in  Beirut,  welche  ein  Material  in  Händen  haben,  wie  kein  zweites 
im  Westen  existirt. 

Mir  lag  vor  Allem  an  der  geologischen  Feststellung  des 
Horizontes  der  beiden  Fundorte,  die  ich  anfänglich  als  gleich- 
altrig aufzufassen  und  nur  als  verschiedene  Facies  desselben 
Horizontes  betrachten  wollte.  Angesichts  der  Thatsache  aber, 
dass  auch  nicht  eine  Art  an  beiden  Orten  gemeinsam  sich  findet, 
dass  der  Horizont  von  Hakel  geognostisch  scharf  bestimmt  werden 
kann,  während  der  von  Sähil  Alma  genauerer  Erforschung  sich 
entzieht  und  nur  beiläufig  als  ein  jüngerer  und  obgleich  niederer 
gelegen  höherer  Horizont  zu  betrachten  ist,  sehe  ich  in  Hakel 
einen  älteren  an  die  Eudistenzone  der  Radioliten  sich  anschliessen- 
den Horizont  und  weise  Sähil  Alma  näher  an  das  Senongebirge, 
wohl  an  die  Grenze  der  oberen  chloritischen  Kreide,  über  welcher 
das  Senon  seinen  Anfang  nähme. 

Dass  die  Schiefer  von  Hakel  von  einer  leicht  erkennbaren 
Austernbank  unterteuft  sind,  habe  ich  bereits  angeführt.  Der 
Fels  gleicht  einem  wahren  Mandelberg,  denn  er  ist  nur  aus  den 
Schalen  der  Gryphaea  capuloides  nahezu  von  der  Gestalt  und 
Grösse  einer  Mandel  zusammengesetzt.  Das  Dorf  Hakel  zieht 
sich  malerisch  in  einer  engen  Felsschlucht  hin,  das  Zelt  war  in 
der  Mitte  des  Dorfs  unter  der  mehrhundertjährigen  Eiche  auf- 
geschlagen,  wo  das  Aneroid  598  m  ablesen  Hess.  Die  Quelle 
von  Hakel  entspringt  7  Kilometer  von  den  letzten  Häusern  des 


^^^  F.   J.   Pictet   description    de    quelques   poissons   fossiles   de 


Liban,  Geneve  1850. 


^^  Nouvelles  recherches  sus  les  poissons  fossiles  de  Liban  par 
F.  J.  Pictet  et  Alois  Humbert.  Geneve  1866.  In  diesem  Werk 
findet  sich  auch  die  vollständige  nicht  unbeträchthche  Literatur  über 
die  libanesischen  Fischfossile. 


—     344     — 

Dorfs  im  Hintergrund  der  engen  Schlucht  33  m  über  dem  Zelt- 
platz. Das  Wasser  entspringt  an  2  Punkten  der  feuerstein- 
reichen Kreidebänke  über  einer  Schatten  spendenden  Felsgrotte. 
Diese  Schicliten  liegen  vollständig  normal  in  regelrechter  üeber- 
lagerung  hör.  6  gegen  N.  einfallend  und  sind  ebenso  regelrecht 
abgeschlossen  durch  die  schon  erwähnte  kieselreiche  Gryphaen- 
bank  von  der  Stärke  eines  Meters,  üeber  dieser  Bank  liegen 
unter  einem  Winkel  von  40  ^  einschiessend  die  klingend  harten 
Schieferplatten  mit  den  alt  bekannten  Fischen,  Krebsen,  Sepien 
und  Echinodermen.  Die  Schiefer  schiessen  sowohl  auf  der  linken 
als  auf  der  rechten  Seite  der  Thalschlucht  gegen  die  Mitte  der- 
selben ein.  Die  Schichten,  vor  alten  Zeiten  in  höherem  Niveau, 
sind  augenscheinlich  durch  Unterwaschuug  des  Baches  einge- 
sunken. Auf  der  rechten  Thalseite  liegen  die  Schiefer  höher 
als  auf  der  linken.  Bis  zur  Höhe  des  Bergs  geht  es  noch  90  m 
hinan,  womit  wir  bereits  über  den  Horizont  der  Eadioliten  hinaus- 
gerathen. 

Die  Schiefer  von  Hakel  gehören  also  ganz  sicher  dem 
Eadioliten  -  Horizont  an,  wie  die  Solnhofer  Schiefer  dem  des 
obersten  weissen  Jura.  Und  wahrlich  man  glaubt  auch  auf  den 
ersten  Blick  sich  an  die  Ufer  der  Altmühl  versetzt,  wo  an  den 
Halden  der  Schieferbrüche  die  Platten  unter  dem  Schlag  des 
Hammers  klingelnd  in  metergrossen  Platten  ausbrechen  mit  einer 
Fülle  von  Fossilen,  die  auch  einen  bewanderten  Geognosten  in 
Staunen  versetzt.  Zähle  ich  doch  auf  einem  Plättchen  von 
40  Quadrat- Centimeter  nicht  weniger  als  85  Stücke  Leptosomus 
macrurus,  das  Plättchen  aber  schlug  ich  von  einer  mehr  als 
metergrossen  Platte  ab,  auf  welcher,  da  sie  gleichmässig  mit 
den  Fischchen  besetzt  war,  zum  mindesten  2500  Stücke  lagen. 
Dieses  ist  auf  der  abgesprungenen  Fläche  zu  sehen,  nun  sind 
aber  im  Querbruch  des  Schiefers  überall  die  papierdünnen  Quer- 
brüche der  gepressten  Fischleiber  sichtbar,  die  in  der  That  in 
fabelhafter  Menge  den  Schiefer  füllen. 

Man  kann  sich  bei  solcher  Fülle  organischen  Lebens,  das 
in  dem  Schlamm  der  nachmaligen  Schiefer  sein  Grab  fand,  die 
Frage   nach    dem    Ursprung    der    Menge    des    Bitumens    in    der 


—     345     -— 

Kreide  sehr  einfach  beantworten.  Ich  verweise  hiebei  auf  den 
I.  Tbeil  A.  d.  Oriejit  pag.  192  und  193,  wo  die  heute  noch  in 
den  Tümpeln  des  rothen  Meeres  vor  sich  gehende  Petrolbildung 
von  Djebel  Zeit  geschildert  ist.  Die  Hakelschiefer  riechen  auch 
vollkommen  bituminös  und  haben  die  grauliche  bis  lichtbraune 
Farbe  angenommen,  wie  wir  sie  im  Tertiär  z.  B.  vom  Mte. 
Bolka  kennen  oder  von  den  Oeninger  Schiefern. 

Ophiura  (Coynatula)  libanotica  Taf.  IV,  1,  von  Quenstedt 
irrthümlich  ins  Tertiär  versetzt,  erinnert  allerdings  an  die  jura- 
sische  Comatula  carinata.  Leider  ist  der  libanesische  Schiefer 
lange  nicht  so  zart  als  der  Solnhofer,  um  die  haarfeinen  Häkchen 
an  den  Armen  wiederzugeben.  Der  Kalkspat  als  Versteinerungs- 
material  lässt  die  feineren  zoologischen  Merkmale  nicht  mehr  er- 
kennen. Zu  vergleichen  wären  Dr.  Hellers  ^^  fossile  Stelleriden. 
Geocoma  (Pterocoma  Agass.  Comatula  Qu.)  pmnulata  Taf.  IV,  2. 
Es  ist  in  der  That  merkwürdig,  wie  übereinstimmend  das  Vor- 
kommen der  beiden  räumlich  und  zeitlich  so  weit  auseinander- 
liegenden Orte  Solnhofen  und  Hakel  bleibt,  sicherlich  ein  Beweis 
für  die  Gleichartigkeit  der  physikalischen  und  climatischen  Ver- 
hältnisse zur  Jura-  und  zur  Kreidezeit.  Wie  im  weissen  Jura 
neben  der  kleinen  zarten  Comatula  carinata,  die  „millionenweise" 
im  Schiefer  von  Eichstädt  liegt,  die  grossblumige,  langarmige 
C.  pinnata  sich  findet,  so  liegt  auch  in  Hakel  die  Fig.  2  ab- 
gebildete Art  in  zahllosen  Exemplaren  im  Schiefer.  Die  Ten- 
takeln sind  hier  noch  zarter  als  bei  pinnata,  daher  ich  sie  pin- 
nulata  nennen  möchte.  Das  abgebildete  Exemplar  ist  eines  der 
Stücke,  an  welchem  die  Arme  abgewickelt  sind.  Die  meisten 
sind  zusammengerollt,  wie  das  an  den  übrigen  Armen  der  Fall 
ist.  Die  haarfeinen,  gegliederten  Hilfsärmchen  treten  an  den 
abgewickelten  Armen  sehr  deutlich  zum  Vorschein. 

Geofheutis  libanotica  Taf.  VI,  Fig.  3.  Der  licht  gefärbte 
körnige  Schulp  und  die  federartige  Streifung  der  hornartigen, 
glänzenden  Aussenkörpers  lassen  über  die  Stellung  des  Fossils 
keinen  Zweifel.     Andere   grössere    Stücke   fanden    sich    in    nicht 


^2  Denkschrift  der  Wiener  Akademie  1858.   Band  28. 


—     346     — 

unbeträchtlicher  Zahl,  gingen  aber  beim  Ausbrechen  der  Platten 
leicht  in  Trümmer.  Ein  ganz  ausgezeichnetes  Stück  fand  Eev. 
-Lewis,  die  in  einem  Büschel  zusammenstehenden  8  Fangarme 
eines  Sepialites,  wie  wir  mit  Quenstedt  die  mit  besonderem 
Sepienschulp  versehenen  Loligoarten  des  Lias  zu  nennen  pflegen. 
(Lewis,  E.  R.  photographische  Platte  IX,  Fig.  3).  Früher  schon 
hatte  Sowerby  von  Herrn  Newbold  die  Reste  eines  Octopus 
erhalten,  dem  er  den  Namen  Calais  Newholdi  gegeben  hat. 

Sicherlich  bleibt  es  Herrn  Lewis  vorbehalten,  auch  sonst 
noch  unter  der  Gruppe  der  Cephalopoden  neue  Funde  der  Wissen- 
schaft an  die  Hand  zu  geben.  Humbert  bereits  erwähnt  (I.e. 
Introduct.  p.  12)  einen  Aptychus ,  der  die  Anwesenheit  von 
Ammoniten  voraussetzt,  wenn  sie  auch  noch  nicht  beachtet  worden 
sein  sollten.  Geht  es  doch  einem  Sammler  zu  Hakel,  wie  es 
wohl  auch  an  andern  Plätzen  ergeht,  dass  man  seine  Aufmerk- 
samkeit vorzugsweise  auf  die  höheren  Organismen  wendet  und 
neben  denselben  über  die  Fossile  niederer  Ordnung  gar  zu  leicht 
wegsieht. 

Crustaceen  sind  nicht  selten.  Zwei  der  gewöhnlichsten  habe 
ich  abgebildet.  Doch  schreibt  mir  Revr.  Lewis,  dass  er  ausser 
diesen  noch  weitere  Arten  gesammelt  habe. 

Fseudastacus  hahelensis  Taf.  VI,  Fig.  1  ist  die  eine  grössere 
Art.  Den  Namen  des  Genus  hat  Oppel  (Pal.  Mittheilungen  I, 
p.  43)  für  jurassische  Krebse  aus  den  Solnhofer  Schiefern  auf- 
gestellt, welche  bis  auf  wenige  Unterschiede  dem  lebenden 
Ästacus  gleichen.  Die  Unterschiede  bestehen  in  den  schmalen 
Scheeren  am  ersten  Fusspaar  und  die  langen,  dicken  Stile  der 
äusseren  Antennen.  Münster  und  PI  et  et  hatten  theilweise 
den  Namen  Bolina  diesem  Fossil  gegeben.  Die  Scheeren  unserer 
Art  sind  gleich  dem  Thorax  mit  einer  körnigen  Schale  überdeckt. 
Doch  fehlen  die  grösseren  körnigen  Punkte,  die  Oppel  (Taf  10,5) 
auf  den  Scheeren  der  jurassischen  Art  Pseud,  pustulosus  Münst. 
zeichnet;  auch  ist  bei  hahelensis  der  innere  Scheerenfinger  kleiner 
als  der  äussere. 

Fseudastacus  minor  Taf.  VI,  Fig.  2  ist  nicht  etwa  nur 
ein  jüngeres  Exemplar  von  haJcelensis,  denn  in  dieser  Grösse  des 


—     347     — 

abgebildeten  Stücks  findet  sich  eine  ganze  Reihe,  das  diese  Art 
zu  einem  der  häufiger  vorkommenden  Fossile  macht.  Der  innere 
Scheerenfinger  ist  verhältnissmässig  noch  kleiner  als  bei  der 
vorangehenden  Art. 

Von  den  Fischen  hat  Blainville  im  Jahr  1818  die  ersten 
beschrieben  und  zwar  gerade  die  schönsten  und  häufigsten  Fische 
von  Hakel,  die  Häringe. 

Clupea  hrevissima. 

Clupea  Beurardi. 
Agassi z  fügte  denselben  zwei  weitere  Arten  bei: 

Clupea  lata. 

Clupea  minima. 
Heckel  machte  gleichfalls  zwei  neue  Arten: 

Clupea  gigantea. 

Clupea  macropJithalma. 
Pictet  und  Humbert  endlich  fünf  weitere: 

Clupea  Bottae. 

Clupea  Sardinoides. 

Clupea  Gaudryi. 

Clupea  lata, 

Clupea  laticauda, 

Wie   weit   ein    zukünftiger  Monograph   der  Hakelfische    die 
Zahl  der  Arten    noch    erweitert,  oder   vielleicht  einen  Theil  der 
anstehenden  Arten  streicht,  lassen  wir  dahingestellt. 
Agassiz  stellte  ferner  auf: 

Sphyraena  Amici. 

Vomer  parvulus. 

Pagellus  leptosteus,  doch  ist  Agassiz  nicht  sicher,  ob  die 
Stücke  von  Hakel  stammen.  Ich  habe  sie  dort  nicht  gefunden. 
Dagegen  fügte  1845  Eg ertön  einen  ebenso  charakteristischen 
als  ausgezeichneten  Rochen   zu   der  Zahl  der  Fische  von  Hakel. 

Cyclobatis  oligodactylus  Egerton,  den  neuerdings  Herr  Lewis 
in  ganz  ausgezeichneten  Exemplaren  gefunden  hat  (Phot.  Taf.  IX,  2). 

Pictet  1850  und  Pictet  und  Humbert  1866  vervoll- 
ständigten die  Sammlungen  mit  neuen  Geschlechtern  und  Arten 
von  Barschen: 


—     348     — 

Beryx  vixillifer. 

Pseudoheryx  syriacus. 

Fseudoheryx  Bottae-, 
mit  Squamipennen  und  Makrelen: 

Platax  minor. 

Petalopteryx  syriacus. 

Scomhroclupea  macrophthälma. 

Cheirocentrites  Ubanicus ; 
mit  Stören  und  störartigen  Fischen: 

Leptotrachelus  haJcelensis. 

Eurypholis  Boissieri, 

Äspidopleurus  cataphractus  ; 
endlich  mit  Hairochen: 

Bhinohatus  maronita,  von  welchen  Kev.  Lewis  eine  Reihe 
ganz  neuer,  höchst  interessanter  Formen  gefunden  hat. 

Alle  bis  jetzt  genannten  Fische  sind  mit  Ausnahme  der 
Eochen  und  Haie  ächte  Knochenfische  (Teleostei  Müller).  Von 
Gauoiden  sind  jedoch  auch  Spuren  vorhanden.  Abgesehen  von 
Coccodus  armatus  Pict.,  einem  jedenfalls  sehr  mangelhaften 
Exemplar,  das  Pict  et  zu  den  Siluroiden  stellt,  das  aber  viel 
eher  zu  der  Gruppe  der  Pleurolepiden  gehört  und  an  der  Grenze 
der  Ganoiden  zu  suchen  wäre,  finden  sich  die  Zähne  und  Kiefer 
von  Gyrodus  syriacus  Taf.  VI,  Fig.  5  und  6.  Fig.  5  stellt 
eine  Gaumenplatte  vor,  die  von  dem  jurassischen  Gyrodus  umbi- 
litus  kaum  zu  unterscheiden  ist.  Der  Unterkiefer  (Fig.  6)  wäre 
etwa  der  Grösse  nach  entsprechend.  Ebenso  habe  ich  die 
Gaumenplatte  eines  ächten  Pyhnodus  erhalten,  wie  wir  sie  sonst 
aus  dem  weissen  Jura  von  Solothurn,  Schnaitheim,  Eichstädt  u.  a. 
Orten  wohl  kennen.  Auch  an  BJiomhus  erinnert  man  sich  den 
man  aus  den  Kreideschiefern  von  Torre  d'Orlando  bei  Neapel  kennt. 

Auch  Gasteropoden  füllen  gerne  einzelne  Schiebten  wie  Neri- 
nea  alhreviata  Conr.,  die  ich  schon  im  I.  Theil  A.  d.  Orient 
pag.  97  erwähnt  habe,  als  von  Ain  Anüb  stammend. 

Von  weitern  Zweischalern  nenne  ich  nur  noch  Cytherea 
syriaca  Conr.,  die  zu  Tausenden  auf  den  Feldern  von  Lahfed 
gesammelt  werden  könnte. 


—     349     — 

Echinodermen  finden  sich  vereinzelt  da  und  dort,  in  der- 
selben grossen  Menge,  wie  in  den  Cardiumbänken  von  Azunije 
habe  ich  sie  allerdings  nicht  wieder  gefunden.  Vor  Allem  mache 
ich  aufmerksam  auf 

Periaster  Foumelü  Desor.  XLII,  5,  sehr  gut  bei  Q  u  e  n  s  t. 
Echinod.  Taf.  88,  Fig.  36,  er  läuft  auch  als  Micraster  und 
Hemiaster.  Mit  Recht  hat  schon  L.  Lartet  (1.  c.  pag.  75) 
besondern  Werth  auf  diesen  Seeigel  gelegt,  den  er  an  den  ver- 
schiedensten Orten  Palästinas  gesammelt  hatte  und  den  ich 
neuerdings  in  wahren  Prachtstücken  von  Zerka  Main  am  Nord- 
west-Ende des  Todten  Meers  durch  Herrn  Kersten  erhalten 
habe.  Am  Libanon  fand  ich  ihn  bei  Baabda,  am  Chan  Schamür 
in  der  Nähe  der  Hauptroute  nach  Damaskus,  ebenso  im  Tannurin 
in  den  gleichaltrigen  Horizonten,  ob  sie  auch  mehr  als  1500  m 
auseinanderliegen.  Sie  unterscheiden  sich  in  keiner  Weise  von 
dem  Vorkommen  in  Tebessa  in  der  Provinz  Constantine,  Batna 
in  Algerien,  Tenukla  u.  a.  0.,  wie  sie  Sämann  vor  Zeiten 
mitgetheilt  erhielt.  Eev.  Lewis  hat  sehr  schöne  Charakter- 
Exemplare  von  Beinet  im  südlichen  Libanon. 

Micraster  pölygoniis  Deluc  Taf.  IV,  5.  Von  der  Unter- 
seite hat  Quenstedt  Tab.  88,16  abgebildet.  Unser  Stück 
stammt  von  Batrün  und  ist  verkieselt.  Durch  die  Verkieselung 
der  Schale  sind  nicht  nur  höchst  originelle  Silifikationsringe  und 
Streifen  auf  derselben  entstanden ,  sondern  ist  die  Schale  am 
Eand  geplatzt.  Aber  selbst  das  Platzen  geschah  mit  einer 
Kegelmässigkeit  nach  den  Fugen  der  Kalktafeln  in  der  Schale, 
dass  man  glauben  könnte,  die  Furchen  und  Falten  gehören  zur 
Ornamentik  der  Schale. 

Cyphosoma  cenomanense  Cotteau  haben  wir  schon  aus  dem 
unteren  Rudistenhorizont  von  der  Salima  kennen  gelernt.  Das 
Fossil  wiederholt  sich  am  Nebi  Säfi,  im  Gebirge  Tannurin  und 
andern  Orten. 

Toxaster  pentagonalis  Fr.  Taf  VII,  2  nach  d'Orbigny 
wäre  es  Holaster  (paleont.  fran^.  pl.  836 — 38)  hat  die  grösste 
Verwandtschaft  mit  Toxaster  complanatus  Quenst.  Tab.  87,  Fig.  12 
aus    dem  Neocom    von   Neufchatel.     Das   ganze  Genus    hat    die 


—     350     — 

Anlage  fünfeckig  zu  werden,  aber  so  ausgesprochen  wie  diese 
Form  bei  unserem  abgebildeten  Stück  der  Fall  ist,  finden  wir 
es  noch  bei  keiner  bekannten  Art.  Es  mag  dies  den  Namen 
pentagonalis  rechtfertigen.  Im  alpinen  Neocom  der  Provence 
findet  sich  eine,  statt  in  die  Breite,  in  die  Höhe  entwickelte 
Form,  welche  Quenstedt  Toxaster  altus  i^d.h.  8  7,  Fig.  14) 
genannt  hat.  Auch  diese  Form  finden  wir  in  Gesellschaft  des 
T.  pentagonalis  in  den  Cenomanmergeln  im  Thale  von  Hakel. 
Beide  aber  auch  schon  in  der  älteren  Glandarienzone  von  Ain 
Hamäde  im  Salimathal. 

Seltener  ist  Heterodiadema  libycum  Cotteau,  dessen  weite 
Verbreitung  durch  Syrien  bis  zum  Sinai  vonL.  L artet  (pag.  85) 
nachgewiesen  ist,  während  es  ebenso  in  Algerien  (Batna)  ver- 
breitet ist. 

Holectypus  Larteüi  Gott,  wird  fast  noch  einen  höheren 
Horizont  einnehmen.  Herr  Missionar  Zeller  hat  mir  das  Stück 
von  Nazareth,  von  Osha  im  alten  Gilead  und  vom  Hermon  zuge- 
sandt. Auch  der  Beiruter  Sammlung  fehlt  das  Stück  nicht,  das 
ich  eigenhändig  zu  sammeln  das  Glück  nicht  hatte.  Dagegen 
habe  ich 

Diplopodia  Mälbosi  Desor  p.  XII,  Taf.  11 — 13  eigenhän- 
dig aus  den  oberen  Rudistenschichten  von  Lahfit  im  hohen 
Tannurin  und  aus  demselben  Horizont  bei  Hakel  gesammelt. 

Einer  besonderen  Merkwürdigkeit  geschehe  noch  Erwähnung, 
einer  Gypraea  marficensis  Math.  (Matheron,  catal.  method.  du 
Corps  foss.  du  depart.  des  Bouches  du  Rhone  Taf.  40,  Fig.  21) 
Matherons  Original  stammt  aus  der  chloritischen  Kreide  von 
Marbigues.  Ausserdem  kennt  man  nur  noch  fossile  Cypraeen  von 
Faxoe,  von  denen  Schlot  heim  die  Arten  beschrieben  hat.  Die 
von  Forbes  beschriebenen  Cypraeen  von  Pondicherry  erklärt 
d'Orbigny  für  Ovula.  Unser  beim  Graben  des  Wasserreser- 
voir für  Beirut  zugleich  mit  BadioUtes  gefundene  Exemplar  ist 
zwar  nur  ein  Steinkern,  aber  mit  deutlichen  Cypraeenzähnen, 
dass  hier  an  der  Identität  des  Genus  nicht  gezweifelt  wer- 
den kann. 

Heber   den    Mergeln    folgen    graue    Kreidekalke    und    bei 


—     351     — 

dem  Kirchlein  von  Djäse  (130  m  über  Lahfit)  wieder  Mergel, 
in  welchen  sich  Fischreste  bemerklich  machen.  Bei  weiterem 
Aufstieg  über  glatte  gegen  das  Meer  einschiessende  Schicliten, 
bei  welchen  mau  nur  über  wenige  Bänke  des  geognostischen 
Horizonts  hinansteigt,  ist  bei  1230  m  die  waldige  Höhe  erreicht 
und  stehen  wir  wieder  vor  einem  gewaltigen  Schichtenaufriss, 
auf  dessen  Grund  abermals  Sande,  eisenrothe  Mergel  und  basal- 
tische Tuffe  anstehen,  über  welchen  sich  die  bekannte  Cyclopen- 
mauer  der  Cardiumbänke  wieder  kenntlich  macht. 


8.  Die  Mergel  mit  den  Fischen  von  Sahil  Alma. 

Die  nächste  normale  Auflagerung  auf  den  Höhen  der  Ru- 
distenfelsen  sind  graue  Mergel,  die  nur  flach  ansteigende  Höhen 
bilden.  Man  nennt  diese  Mergel  wohl  am  richtigsten  Phola- 
domyenmergel  nach  der  gewöhnlichsten  dort  vorkommenden  Muschel, 
Fliöladomya  fdbrina.  Das  richtigste  Bild  von  diesen  Schichten 
erhielt  ich  auf  dem  Weg  von  Hakel  ins  hohe  Tannürln  über 
Lahfit.  Bis  zu  diesem  alten  von  einem  stattlichen  Kloster 
überragten  Gebirgsdorf  hin  herrschen  überall  noch  die  Radioliten- 
felsen.  Aus  den  splitterharten  Marmoren  ragen  überall  am  Wege 
wie  zur  Orientirung  des  Geognosten  die  Kuhhörner  der  Hippu- 
riten  und  die  Spitzen  der  Nerineen  und  Sternkorallen  heraus. 
Sie  bleiben  hier  wie  zum  ewigen  Gedächtniss  angesammelt  an 
den  Felsen  stehen.  Verkieselt  im  Marmor  steckend  trotzen  sie  den 
Jahrhunderten,  ein  Versuch  sie  loszuschlagen  endet  nur  mit  ihrer 
Zertrümmerung.  Man  darf  sie  daher  beruhigt  als  Wegweiser 
für  alle  dereinst  des  Weges  ziehende  Geognosten  in  ihrem  Lager 
lassen. 

Lahfit  rechts  lassend  steigen  wir  über  die  h.  6  abfallende 
Schichten.     Sie  sind  voll  von  PJioladomya  und  Cytherea. 

Im  I.  Theil  von  A.  d,  Orient  pag.  94  habe  ich  schon  der 
PJioladomya  fahrina  d'Orb.  Erwähnung  gethan.  Die  grosse  Be- 
deutung dieser  Muschel  zeigt  sich  aber  erst  recht  im  Libanon. 
In  hohen  Tannurin  bei  Lahfit   ist  sie  sehr  häufig  und   geht  in 


-^      352      — 

rundliche  aufgeblähte  Formen  über,  wie  sie  C.  Mö  seh  "^^  auf  Taf. 
XXXII,  Fig.  1  abgebildet  hat.  Herr  Mösch  ist  nach  pag.  95 
über  den  Fundort  seiner  abgebildeten  Muschel  in  Unkenntniss. 
Da  sie  Eigenthum  des  paläontol.  Museums  in  München  ist, 
welches  die  J.  Eo  th'schen  Sammlungen  aus  Palästina  übernom- 
men hat,  so  zweifle  ich  keinen  Augenblick,  dass  das  abgebildete 
Stück  aus  Syrien  stammt.  Stimmt  es  doch  aufs  Haar  mit  den 
von  mir  gesammelten  überein.  An  den  recht  aufgeblähten  For- 
men bilden  sich  selbst  schon  Knoten  aus ,  wo  die  radiale  und 
die  concentrische  Streifung  sich  kreuzt.  Dies  hat  Zittel  veran- 
lasst die  sehr  nahe  stehende  Muschel  aus  dem  Wegscheidgraben 
Pholad.  granulosa  zu  nennen.  Sehr  verwandt  'ist  PJiöladomya 
Ugeriensis  d'Orb.  363,  doch  hat  sie  bloss  concentrische  Streifen, 
keine  Spur  von  radialen.  Sie  stammt  von  Ailatha.  Nicht  weniger 
begegnen  wir  Formen  von  ar chiacana  d^Ovh.  364,  3 — 4.  Mösch 
p.  101.  Marrotiana  d'Orb.  365,  3 — 4  Mösch,  p.  109,  caran- 
toniana  d'Orb.  365,1.  und  decisa  Conr.  off.  rep.  7,44. 

Die  obersten  Schichten  der  Turonmergel  liegen  consequenter 
Weise  auch  am  tiefsten  und  so  werden  sie  denn  auch  an  der 
Küste  des  Meeres  zu  verschiedenen  Malen  getroffen.  Dies  fängt 
schon  bei  Saida  an,  dessen  Schichten  nach  der  normalen  Eeihen- 
folge  der  Formation  über  die  Schichten  des  Nebi  Säfi  hinauf- 
gehören. Bei  Maallaka  bildet  der  gleiche  Horizont  die  erste 
Barre  zwischen  dem  Meer  und  dem  Aufstieg  zum  Gebirge.  Der 
berühmteste  Ort  aber  wegen  seiner  fossilen  Fische  ist  Sähil 
Alma  187  m  über  der  Bai  von  Djüni  gelegen.  Leider  hat  sich 
die  Kultur  gar  zu  sehr  dieser  Schichten  bemächtigt,  welche  von 
Gärten  und  Aeckern  bedeckt  sind.  Der  Hauptfundort  ist  der 
Klostergarten  ^"^  von  Sähil  Alma ,  wenn  beim  Koden  oder  Baum- 


^*  Dr.  C.  Mösch,  Monographie  der  Pholadomyen  in  Abh.  d. 
schweizerischen  palaeoutologischen  Gesellschaft.  Vol.  I,  1874.  Basel 
und  Genf, 

3*  Früher  war  es  nicht  recht  geheuer  im  Klostergarten  zu  sam- 
meln. Im  Jahr  1836  noch  ward  Russegger,  obgleich  unter  dem 
Schutz  des  gewaltigen  Ibrahim  Pascha  reisend,  dort  von  Bewaff- 
neten angehalten  und  für  jeden  Fisch  um  1  Piaster  angegangen.    Er 


-     353     — 

setzen  oder  bei   der  Anlage    einer  Steinterrasse   der  Untergrund 
ansgehoben  wird. 

Die  Nähe  von  Ghazir,  das  vielfach  von  Fremden  besucht 
wird,  namentlich  aber  die  englische  Schöpfung  der  Beiruter 
Wasserversorgung  vom  Nähr  el  Kelb  aus,  welche  eine  Anzahl 
Ingenieure  in  die  Gegend  brachte,  hat  im  Laufe  der  letzten 
Jahre  zu  verschiedenen  Nachgrabungen  nach  den  Fischen  von 
Sähil  Alma  Anlass  gegeben.  Ueber  die  unmittelbare  Unter-  und 
Ueberlagerung  der  Fischmergel  zwar  haben  diese  Nachgrabungen 
Nichts  weiter  erschlossen,  aber  eine  Excursion  nach  dem  Wädi 
Delibta,  dem  Kloster  Antura  und  Ghazir  lässt  über  die  Eichtig- 
keit  der  Stellung  der  Mergel  kaum  einen  Zweifel.  Die  Mergel 
von  Sähil  Alma  enthalten 

Ammomtes  cultratus  d'Orb.  pag.  46.     Das  Original   d'Or- 
bignys  stammt  zwar  aus  tieferen  Schichten  der  unteren  Kreide, 
aber    die    Uebereinstimmung   ist   eine   so  vollständige,   dass    ich 
keinen   Anstand  nehme,   den   bekannten  Namen   auf   das   Fossil, 
ob  es  auch  von  jüngerem  Datum  ist,  zu  übertragen.    Das  Exem- 
plar, das  ich  aus  den  Schichten  grübelte,  hat  in  der  Wohnkammer 
des  Ammoniten  einen  Aptychus  mit  brauner  welliger  Oberfläche  sitzen. 
Ammonites    TrasUi   Gabb.    Palaeontography    of    California 
Taf.  19,7.     Anfänglich  wollte  ich  das  Stück,    dessen  Kippen  in 
der  Weise  der  Heterophyllen   über   den  Rücken    des  Ammoniten 
laufen  zu  Amm.  PaiUetanus  d'Orb.  Fol.   102  stellen,  fand  aber 
später,  dass  der  amerikanische  Kreide-Ammonit    von  Cottonwood 
Creak,    Shasta   groupp   vollständig  stimmt,    namentlich    was  die 
Stärke  der  Rippen  betrifft,  die  am  A.  paületanus  zu  grob  sind. 
Unter  den  Fischen   herrschen   in  Sähil   Alma  Barsche   und 
barschartige   Geschlechter   vor,    die    Häringe    von  Hakel    fehlen. 

wird  durch  Flintenschüsse,  die  hinter  seinem  Rücken  knallen,  erschreckt, 
eine  Menge  Volks  umringt  ihn,  und  kommt  schliesslich  der  Prior  des 
Klosters  mit  hochgeschwungenem  Stock  auf  ihn  losgerannt  und  droht 
ihn  zu  schlagen,  wenn  er  die  bezahlten  Fische  nicht  wieder  abgebe. 
Erst  als  Rus segger  seine  Pistolen  zieht,  wird  der  Prior  milder  ge- 
stimmt und  verkauft  schliesslich  eine  Anzahl  früher  gesammelter  Fische 
an  ihn.    Russ.  Reisen,  B.  III. 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  03 


—     354     — 
In  den  Monographien  von  Pictet  und  Humbert    werden  er- 

wäbnt : 

Beryx  synacus  Osmeroides  megapterus 

Pycnosterinx  discoides  Mesogaster  graciUs 

HecMii  Bhinellus  furcatus 

l  dorsalis  Spaniodon  BlondeUi 

\      .    Busseggeri  v         elongatus 

elongatus  «  ^»"ö^^s 

^Igßr  Bercetis  Unguifer 

FageUus  lihanicus  Leptotrachelus  triqueter 
Gheirotrix  lihanicus  v  ^^^^^^ 

Solenognathus  Uneolatus  EurypJioUs  longidens 

Leptosomus  macrurus  ScylUum  SäJiü  Almae 

crassicostatus  Spinax  primaevus 
Im  Jahr  1855  hatte  dazu  Costa ^^    noch  2  weitere  Arten 

beigefügt 

Imogaster  auratus  Omosoma  SaM  Almae. 

Weitaus  das  vollständigste  Material   von   Sähil  Alma   liegt 
im  College  von  Beirut,    von   dem   ich  nur  wenige,   theils   ganz 
ausgezeichnete,  theils  ganz  neue  Stücke  erwähne,   die  mir  Herr 
Lewis   auf   photographischen  Platten   mitgetheilt  hat.     Ich  er- 
wähne   Hoplopteryx   antiquus   Ag.,    ein    barschähnlicher    Fisch 
aus  den  Kreidemergeln  von  Westfalen,  ganz  vortrefflich  erhaltener 
Cheirotrix    und   Leptotrachelus.     Ganz   neu   scheinen   aalartige 
Thiere  (PI   X,  1.)  und  Siluroiden  (PI.  Yin,  1)   und  eine  Anzahl 
von  Kochen.     Herr  Lewis  hatte  noch  weiter  die  Freundlichkeit, 
mir  eine  Kiste  mit  Sähil  Alma  Fossilen  für  unsere  hiesige  Samm- 
lung zu  übersenden,  von  denen  ich  hier  nur  Otodus  lanceolatus 
Agass.  37,5  erwähne.     Bisher  kannte   man   von   dieser  Art  nur 
die  Zähne.   Um  so  grösser  war  meine  Freude,  unter  der  Sendung 
eine  Fischplatte  mit  einem  wohl  erhaltenen  0,38  m  langen  Hai- 
fisch zu  finden,  dessen  Maul  mit  einer  Doppelreihe  der  schönsten 
Otoduszähne  besetzt  ist,  genau  von  der  schlanken,  schmalen  Ge- 
stalt, wie  sie  auf  Taf.  37,5  von  Agassiz  abgebildet  ist.     Die 

35  Costa,  0.  G.  1855  descrizione  di  alcuni pesci fossili  delLibana 


—     355     — 

Schnauze  des  Fisches  ragt  noch  1  cm.  über  die  Zahnreihe  des 
Maules  hinaus.  Hinter  dem  Maul  sitzen  6  —  8  Kiemenstrahlen, 
an  dieselben  reihen  sich  die  Brustflossen,  die  aber  nur  klein  und 
spitz  sind  und  0,032  lang,  um  so  breiter  wird  die  Schwanzflosse, 
welche  als  breiter  Hautlappen  die  Wirbelsäule  umgibt.  Am 
Bauche  hängen  zwei  schmale  20  mm  lange  Genitalquasten.  — 
Ausserdem  wurde  ich  auf  ovale  Samenkapseln  ästliche  Gebilde 
aufmerksam,  welche  nur  als  die  Häute  von  Haifischeiern  an- 
gesehen werden  können. 

9.  Die  Senonmergel  oder  die  weisse  Kreide. 

An  der  oberen  Grenze  der  Touraine-Mergel  angelangt,  kann 
jezt  nur  noch  die  Frage  entstehen,  ob  und  wie  weit  das  nächst- 
folgende Glied  im  Alter  des  Kreidegebirgs,  das  Sennonien  Frank- 
reichs, der  Upper  chalk  Englands  oder  Deutschlands  Pläner  in 
Syrien  vertreten  ist.  Wohl  habe  ich  im  I.  Theil  A.  d.  Orient 
pag.  82  die  Kreidemergel  von  Latrün  oder  die  weisse  Fischzahn- 
Kreide  von  Abu  Tor  in  diesen  Horizont  versetzt,  aber  sicher 
war  ich  meiner  Sache  doch  nie.  Ich  werde  es  erst  dann  sein, 
wenn  die  ächten  Leitmuscheln  der  weissen  Kreide  gefunden  sein 
werden,  so  wie  sie  Freund  Zittel  z.  B.  aus  der  libyschen  Wüste 
mitgebracht  hat,  wo  über  den  Horizont  von  Mastricht  kein 
Zweifel  mehr  existiren  kann. 

Wohl  habe  ich  im  amerikanischen  College  von  Beirut  den 
ächten  und  gerechten  Galerites  vulgaris  getroffen,  ober  ohne 
Fundort.  Die  Etikette  zeigte  den  Namen  „Syria",  bis  solche 
Fundorte  genauer  untersucht  sind,  möchte  ich  mein  XJrtheil  mir 
vorbehalten.  Höchst  merkwürdig  bleibt  bis  jetzt  das  absolute 
Fehlen  von  Belemn.  mucronatus  und  die  unverhoffte  Einmischung 
von  Nummuliten  in  die  nächste  Nähe  der  Rudistenzone. 

Was  diese  letzere  Thatsache  betrifft,  so  verweise  ich  auf 
die  eingehende  Untersuchung  ^^  des  Herrn  Oberbergrath  G  um  bei, 
der  zwar  den  von  mir  im  Wädi  eldjöz  zugleich  mit  Kudisten  und 


^®  Neues   Jahrbuch  für  Mineralogie    u.  s.  w.     Jahrgang    1872 
Seite  241. 

23* 


—     356     — 

Ammoniten  gefundenen  Nummuliten  (A.  d.  Orient  I.  Th.  pag.  83) 
zu  dem  Geschlecht  der  ÄlveoUna  stellt,  in  Betreff  der  übrigen 
Nummuliten  vom  Berge  Garizim  und  einigen  Höhen  im  Lande 
Juda  aber  als  feststehende  Ansicht  ausspricht,  dass  es  an  form- 
ähnlichen Vorläufern  des  eocänen  Nummulitengeschlechts  nicht 
fehle.  G  ü  m  b  e  1  neigt  sich  zu  der  von  mir  ausgesprochenen 
Ansicht,  dass  in  den  Mittelmeergegenden  der  Nummulitenkalk 
sozusagen  fest  verwachsen ,  dicht  und  unmittelbar  dem  Rudisten- 
kalk  aufliege.  Denn  die  betreffenden  Nummuliten  dieser  Zone, 
die  ich  nach  Conrad  NummuUtes  arhiensis  genannt  habe, 
lassen  sich  nach  Gümbel  von  variolaria  und  biaritzensis  nicht 
trennen. 

Ebenso  getraue  ich  mir  kein  Urtheil  über  den  geognostischen 
Horizont  der  Fischzahnmergel  des  Abu  Tor  (A.  d.  Orient  I. 
pag.  109).  Von  diesen  ist  mir  seither  durch  die  freundliche 
Vermittlung  des  Herrn  Baurath  Schick  von  Jerusalem  noch 
eine  Anzahl  weiterer  Arten  übermittelt  worden,  welche  hiemit 
nachgetragen  werden. 

Otodus  lancedlatus  Ag.  Eech.  3.  37,  20,  sonst  eine  eocäne 
Art,  die  in  Europa  am  Kressenberg  gefunden  wird.  Fundort: 
Abu  Tor  am  Weg  nach  Bethlehem.  Das  Vorkommen  gerade 
dieses  Haifisches  auch  zu  Sähil  Alma  könnte  wohl  für  die  Verei- 
nigung des  Horizontes  von  Abu  Tor  mit  dem  von  Sähil  Alma 
sprechen.  Doch  können  erst  eingehendere  Untersuchungen  mittelst 
Nachgrabungen  auf  Abu  Tor  darüber  entscheiden,  ob  diese  Loka- 
lität von  der  zur  Zeit  nur  Haifischzähne  bekannt  sind,  die  ober- 
flächlich in  den  Mergeln  liegen,  nicht  auch  im  Innern  weitere 
Sähil  Alma-Fische  birgt. 

Otodus  appendiculafus  Ag.  ßech.  HL  32,  15,  aus  dem 
Speeton  Clay  von  Aachen ,  Cambridge ,  Dresden ,  Quedlinburg 
u.  a.  0.  Es  wäre  dies  eine  ächte  Kreidespecies,  aber  wir  legen 
darum  doch  nicht  zu  viel  Werth  auf  sie,  weil  es  eben  doch  nur 
einzelne  Zähne  von  Haien  sind,  deren  Veränderlichkeit  jeder 
Forscher  kennt.     Fundort:  Abu  Tor. 

OxyrJiina  MarteUi  Ag.  Rech  Taf.  33,  3—9,  ist  gleichfalls 
eine  ächte  Kreideart  aus  den  harten  Kalken    am  Mamillahteich. 


—     357     — 

Lamna  compressa  Ag.  Rech.  III.  Taf.  37,  Fig.  33,  findet 
sich  in  Europa  in  eocänen  Schichten  im  unteren  Grobkalk  von 
Paris  und  dem  Londonclay.     Fundort:  Abu  Tor. 

Lamna  acuminata  Ag. Rech.  III.  Taf.  37,  Fig.  54  ist  wieder 
eine  Kreideart  aus  Sachsen  und  Aachen  beschrieben.  Fundort: 
Abu  Tor. 

Enchodus  hdlocyon  Ag.  Rech.  V.  Taf.  25,  Fig.  1—7. 
Von  diesem  Knochenfisch,  dem  einzigen  bis  jetzt  in  dieser  Schichte 
gefundenen,  sind  nur  einzelne  spitze  Zähnchen  von  1 — 3  cm 
Länge  und  tiefgelber  Farbe  bekannt.  Man  teil  schrieb  sie  dem 
Hecht  zu  und  nannte  sie  Esox  Lewisiensis.  In  Amerika  kennt 
man  sie  von  der  Mündung  des  Potamak  aus  der  Kreide.  Fund- 
ort: Abu  Tor. 

Von  Gasteropoden  möchte  ich  eine  sehr  kenntliche  Leit- 
muschel nachholen,  welche  Lartet  pl.  IX,  11,  pag.  43,  Turri- 
tella  Maussi  Lart.  genannt  hat.  Das  Original  stammt  vom  Oel- 
berg  bei  Jerusalem  und  ist  in  durchscheinenden  Feuerstein  um- 
gewandelt. 

Den  oberen  Kreidefelsen  fehlen  in  Sonderheit  die  Nerineen 
nie,  aber  auch  nie  ist  es  mir  gelungen  aus  diesen  spUtterharten 
Felsen  irgend  ein  bestimmbares  Stück  herauszufinden,  das  über 
die  Species  dieser  tausendfach  den  Stein  bildenden  Muschel  Auf- 
schluss  geben  könnte.  Die  Muschel  wird  nicht  gross,  hat  an 
der  Mundöffnung  8 — 10  mm  Durchmesser.  Zwei  innere  Falten 
sieht  man  an  einzelnen  Exemplaren.  Wegen  der  Menge,  in 
welcher  die  Muschel  sich  findet,  möchte  ich  zu  ihrer  geognosti- 
schen  Bezeichnung  sie  Nerinea  atundans  nennen.  Es  ist  mög- 
lich, dass  es  die  gleiche  Schnecke  ist,  welche  Conrad  im  Off. 
Report  Ner.  abhreviata  genannt  hat.  Doch  ist  die  Abbildung 
und  Beschreibung  dort  so  ungenügend,  dass  man  seiner  Sache 
nie  sicher  ist.  Sie  ist  an  vielen  Orten  zu  beobachten,  z.  B.  am 
Nähr  el  Kelb,  beim  Chan  Schämür,  am  sichersten  am  Bardüni- 
quell  am  Fuss  des  hohen  Sannin  und  hinter  Baalbek.  Immer 
aber  ist  sie  eng  an  die  Nummulitenschichten  angeschlossen,  so 
dass  in  der  That  kaum  eine  Grenze  zu  den  Rudistenkalken 
existirt.     Nach   dem  Stande   unseres    heutigen   Wissens   fällt   es 


—     358     — 

in  der  That  schwer  die  Frage  zu  entscheiden,  ob  wir  An- 
gesichts der  Nummuliten  noch  im  Gebiet  der  Kreide  uns  befinden, 
zu  welcher  geognostisch  und  petrographisch  das  Gestein  hin- 
gewiesen wird,  oder  ob  wir  uns  schon  im  Eocängebirge  befinden, 
das  sich  bei  fehlendem  Sennon  unmittelbar  an  das  Turon  an- 
schlösse. Ein  sehr  lehrreicher  Platz  ist  das  Bardünithal  hinter 
Zachle,  aus  welchem  Jahr  aus  Jahr  ein  die  Schneewasser  vom 
hohen  Sannin  her  ins  Thal  niederrinnen,  in  der  wohlhabenden 
Stadt  Zachle  eine  erfreuliche  Industrie  veranlassen,  um  nach  zwei- 
stündigem Lauf  bei  Mar  Elias  in  den  natürlichen  Grenzstrom 
des  Libanon  den  Litani  zu  münden.  Zwei  Kilometer  von  Zachle 
entfernt  bricht  nun  das  genannte  Gebirgswasser  tosend  aus  einem 
Felsenthor,  das  durch  aufrecht,  fast  auf  den  Kopf  gestellte, 
in  hör.  1  streichende  Nummulitenfelsen  gebildet  wird.  Hart 
hinter  den  Numrauliten  stehen  in  gleicher  Lage  aufgerichtet 
schneeweisse  Kreidemergel,  wenige  Meter  mächtig  und  schnee- 
weisse  Marmore  mit  der  Nerinea  abunäans  und  mit  Korallen 
(Favosites),  die  gleich  geschwänzten  Federn  sich  durch  den 
Kalk  ziehen.  Hinter  der  Nerineenbank  steht  eine  Austernbank 
von  beträchtlicher  Ausdehnung  und  Mächtigkeit,  aus  dieser  bricht 
am  eigentlichen  Fuss  des  hier  uuersteiglich  sich  erhebenden 
Sannin  ein  Doppelquell  hervor,  der  in  einer  Temperatur  von 
8®  C.  nach  kurzem  Lauf  die  Mühlen  von  Aferain  treibt. 

Während  sich  nun  unmittelbar  an  die  steil  aufgerichteten 
Nummulitenbänke  ein  miocänes  Süsswassergebilde  horizontal  an- 
lagert, welches  ohne  Zweifel  den  Untergrund  der  Bekäa  bildet, 
sind  gegenüber  auf  der  Ostseite  der  Bekäa  die  Nummuliten- 
schichten  wieder  ganz  in  derselben  Weise  aufgerichtet  wie  am 
Bardünidurchbruch ,  was  jedenfalls  auf  eine  gleichartige  Bildung 
der  beiden  Gebirgszüge  des  Libanon  und  des  Antilibanon  hin- 
weist. 

Die  ganze  östliche  Umgebung  von  Baalbek  weist  so  weit 
mir  bekannt  wurde  nur  entweder  versteinerungslosen  Massenkalk 
bald  marmorischer  bald  dolomitischer  Art  auf,  oder  aber  den 
ächten  und  gerechten  Baustein  der  Nummuliten,  denselben,  aus 
welchem  auch  die  Pyramiden  von  Gizeh  erbaut  sind. 


—     359     — 


Tertiäres  Gebirge. 

Nammuliteu   gehen  ^^^''f^^  Fand  eines  Nummuliten 

uns  wirklich  auch  schon  in  ^''^ '"''j^a.^.^  Nachrichten, 
Mit  diese.  Yorbehalt  werden  anc^c^^^^^^^^^^  ^._^^^  ^^    ^ 

welche  L.  Lartet  über  den  ^""^ °"  Bellardi  vom  Carmel, 
,,,.  ,0.)  -^-— ,::;,rer'CabeirntodtenMeer, 
GaillardotvonSaida    Conra^  ^^^^„Medenen  Punkten  Sa- 

L artet,  ich  selber  und  Andere  von  ^.^ 

^aviens  und  Judaas  Nummulrten  — J^^^^-^^  Kreide 

wohl  sammt  und   sonders  ^enem  G.enzgetaet  ^^^ 

^"'  tri  £Ssr;:r:  r  d:  mgegend^en  büdet. 

r:r  rTlil.   pa.   -)   .eschMer.   -^^^^^^^ 
würde  das  Vermittluugsglied  zwischen  der  syrischen  üre 

urtheilen.    _  Dagegen    h  ^^^^       ^^   ^^   ^^^^^^   ^^ 

^''""  -rnardenii-Ende   des  Libanon   in   die  Gegend 
lernen,   sich  nacH  dem  ^^^    ^^^  ^^^^^^ 

von    Taräbulüs   -   — ^     ^^;    '^  ,,,,en    höchster  Spitze 

^^"    11?  ::  r   in'  ull-eiblicher   Klarheit   hberblickt. 

Z  d^n  s;te!  die  mit  Leichtigkeit  von  ^^^^^Z 

Hachmittag  erreicht  wird    sieht  man     ^^  ^^  «f^^ trbol 

bildungsprocess  des  Libanons  aurtiigc 

und    Mlen    des    eigentlichen    Libanonzugs    Hegen.      Dass 


360     — 


Eichtung  des  Streichens  in  die  des  Fallens  umschlägt  und  um- 
gekehrt  ,st  3a  auch  sonst  eine  häufige  Beobachtung  und  so \eir„ 

20     80      so  dass  einzelne  Schichten  fast  auf  dem  Kopfe  stehen 
üeberraschend  ,st  am  Terbol  die  Masse  tertiärer  Geschiebe    die 
Geschiebe  ausnahmslos  aus  den  Marmoren  und  Dolomiten  des  Edd 
gebirgs  bestehend.     Dies  wäre  eine  Kreidenagelfl    h7    'L 
Tsothe     "r'"?  -^'«^^^«^-^  gehabt  z!  haben  scLint 
r   h  t      "    ;  '"  '"  ""'''  ""'  ^°'='«  »»f  ^-  «"ersten  JurJ 
b  obachtet  werden    kann.     Löcherige,    zerfressene,   gelbe  Kalk' 
felsen  bilden  das  Liegende  der  Geschiebe,  die  hier  zu  s  hr  be- 
2n^er  Mächtigkeit  anschwellen    und  die  Spitze    des  TerboL 
biden.     TVie   ,m  Schweizer  Jura   führen  die  Geschiebe,  die  mit 
Bohnerzletten    gemengt    sind,     Wasser,     so    dass    menschliche 
Wohnungen  auf  der  Hohe  des  Berges  sich  befinden  und  üppige 
Ackerfeld  den  Berg  zur  Frühlingszeit  in  ein  saftiges  Grün  kSet 
üeber  den  Geschieben  folgt   ein   reiches   und    mächtiges  System 

Korallen  und  langgestreckte  Austern,  bei  denen  ich  gar  keinen 
Anstan  nehme,  sie  geradezu  Ostrea  lon.irostris  zu  nUnen  uS 
neben  das  deutsche  Vorkommen  zu  stellen. 

Ans  der  Reihe  der  sehr  zahlreichen  Fossile  erwähne  ich  nur 
wenige,    die    auf  einer  Excursion    nach   dem  Terbol   gesammelt 

rorn^^des   mittelmeerischen  Miocäns.     Sie  findet  sich   in  Gesell- 
schaft der  nächstfolgenden  Arten.   Fundort:  Taräbulüs.  k21 
Clypeaster  tauricus  ües.  (Syn.  pag.  240)  „ennt  Desor  die 
sehr   grosse  Form    des   granäiflorus,    der   im  CUjp.  aegyptiaZ 
eine  Formvarietät   gefunden    hat.     Tauncus  ist   L    df  Insel 
0^:  Talult"'^^*^"  ™'  '"^^*  ''-'  ^^  ganzen  Taurus.  Fund- 
Soutella  subrofmdata  Lam.  gleichfalls  eine  bekannte  Form 
von  Bordeaux,  welche  sie  jedoch  an  Grösse  wesentlich  übertrifft. 
Der  Durchmesser  von  13  und  11  cm    ist   den   kleineren  Exem- 


—     361     — 

plaren  eigen.     Doch  gibt  es  welche  von  20  und  17  cm.    Fund- 
ort: Taräbulüs. 

Von  Austern  nenne  ich  Ostrea  crassicosfata  Sow.  Börnes 
(69,4)  beschreibt  sie  aus  dem  Wiener  Becken.  Fundort :  Tarä- 
bulüs.    Lataklje. 

Ostrea  crassissima  Lam.     Fundort:  Terbol. 
Ostrea  virgata  Gf.  76,7.     Fundort:  Terbol. 
Fecten  Besseri  Hörnes  63,  1 — 4.      Fundort:   Terbol    und 
Lataklje. 

Pecten  aduncus  Eichw.  Hörnes  Taf.  59,  Fig.  7  u.  8.  Fund- 
ort: Terbol,  sehr  gewöhnlich. 

Pecten  elegans  Andrezowsky.  Hörnes  64,6.  Diese  Art 
findet  sich  ebenso  in  Nussdorf  wie  im  Ulmer  Miocän  bei 
Jungingen.     Fundort:  Taräbulüs. 

Unter  Bivalven  ist  die  häufigste  Cardium  hians  Brocc. 
Hörnes  26,  1—5,  eine  so  characteristische  Form,  dass  sie  nicht 
übersehen  werden  kann,  ob  wir  gleich  nur  Steinkerne  vor  uns 
haben.     Fundort:  Terbol. 

Tellina  planata  Linne.     Fundort:  Terbol. 

"Von  Gasteropoden  nennen  wir  die  Steinkerne  von 
Turritella  turris  Basterot. 
Strombus  Bonelli  Hörnes  17,  1—6. 
Haliotis  volhynica  Eichwald. 
Pyrula  geometra  Hörnes  28,7. 
Calyptraea  chinesis  Hörnes  59,17. 

Fundort  aller  dieser  Arten  und  noch  viel  anderer  unbestimm- 
baren Steinkerne:  Terbol  bei  Taräbulüs. 

Alle  diese  Fossile  gehören  unbestrittener  Massen  dem  älteren 
Miocängebirge  an  und  entsprechen  ungefähr  der  tongrischen  Stufe 
Mayers.  Sie  haben  die  ganze  Bewegung  des  Libanon  bei  der 
Gebirgsbildung  mitgemacht,  indem  sie  dem  Streichen  und  Fallen 
der  Nummulitenbänke  sich  anschliessen.  Nun  ist  aber  auch  noch 
ein  jüngeres  Tertiär  vorhanden ,  das  mit  der  Gebirgsbildung 
des  Libanon  in  keinerlei  Zusammenhang  steht,  das  sich  vielmehr 
erst  nach  der  Erhebung  des  Gebirgs  an  die  aufge- 
richteten Schichten  älterer  Formationen  angelagert 


—     362      — 

hat.  Wir  stossen  auf  diese  jungtertiären  Süsswassergebilde  im 
Osten  des  Libanon,  wo  die  Gehänge  der  Bekäa  und  wahr- 
scheinlich auch  der  Untergrund  dieser  merkwürdigen  Niederung 
lichte,  bituminös  berührte  Süsswassermergel  führt.  Das  Alter 
dieser  Ablagerung  bestimmt  sich  aus  'zwei  alten  guten  Bekann- 
ten, die  nachgerade  einen  internationalen  Character  bekommen, 
Planorhis  und  Litorinella. 

Flanorhis  cornu  Brogn.    Unter  diesem  Namen  hat  Noulet 
das  Gewirr  der  verschiedensten  Bezeichnungen  für  ein  und  den- 
selben Körper    zur  Ruhe  gebracht.     Zieten   hatte    den   Nameu 
pseudammonius  Schi,  auf  unsere  Muschel  angewandt,    Thomae 
und  nach  ihm  Sandberger  nannten  sie  solidus ,    andere  gaben 
wieder  andere  Namen,    so  dass  vom  Jahr  1810  bis  1870    eine 
lange  Eeihe  von  Synonymen    entstand.     Alle   Namen    aber   ver- 
stehen nur  ein   und    dieselbe  Schnecke,    die   in   den   für   junges 
Miocän    ausgegebenen  Schichten  Frankreichs,    Deutschlands    und 
Oestreichs   zum   wirklich   leitenden   Fossil    geworden   ist.      Herr 
Dr.  M.  Neumayr  hat  das  Fossil    in    den  dalmatinischen  Süss- 
wassermergeln  nachgewiesen,    A.  Gaudry   in  denen  von  Attica, 
so  dass    die    geographische  Brücke   zu   dem  Vorkommen  in    der 
Bekäa    jedenfalls    vorhanden    ist.     Wenn  Neumayr  ^"^    in  Dal- 
matien  die  jungtertiären  Süsswassergebilde  als  wenig  geneigt  den 
aufgerichteten  alttertiären  Schichten  oder  Kreidekalken  diskordant 
aufliegend  beschreibt,  so  bezeichnet  er  eben  damit  wörtlich  getreu 
das  libanesische  Vorkommen.    Das  industrielle  wohlhabende,  aus- 
schliesslich von  Christen  bewohnte  Zachle   liegt  bereits  ganz  auf 
Süsswassermergeln.    An  verschiedenen  Punkten  des  Bertün  (Burk- 
hardt)  oder  Bardüui,  (Bardauni  Aussprache  in  Zachle)  kann  man 


3'  Jahrb.  d.  K.  K.  geol.  Reichsanstalt  1869.  N.  3,  pag.  855. 
Südlich  Cattaro  ist  eine  Tertiärmulde  von  älterem  Kreidekalk  einge- 
schlossen. Die  Tertiärhügel  bestehen  aus  meist  hellgefärbten  reichen 
Mergeln  in  sanft  geneigten  Schichten,  die  vortrefflich  erhaltene  Süss- 
wasserschnecken  einschliessen.  Hin  und  wieder  beobachtet  man  dunkel- 
bräunlich gefärbte  Mergel  mit  Kohlenschnüren.  Am  ausgedehntesten 
ist  das  Tertiär  in  der  weiten  Cettina-Ebene  in  der  Umgebung  von  Sinj, 
das  sich  überall  an  Kreidegebilde  anlehnt. 


—     363     — 

Aufrisse  in  den  lichtgelben  Mergeln  beobachten,  die  schwach 
geneigt  in  einem  Winkel  von  höchstens  6 — 8  ^  an  die  fast  auf 
den  Kopf  gestellten  Nummulitenbänke  sich  anlehnen.  Hinter  Kerak 
Nüch  (Noah)  wiederholt  sich  das  Vorkommen  der  Planorbismergel, 
die  an  Nerineenfelsen  sich  anlehnen,  ebenso,  dessgleichen  auf  der 
linken  Seite  des  Litani  bei  Serain ,  wo  der  Yafüfe  aus  dem  Anti- 
Libanon hervorkommt,  d.  h.  wenn  es  zuvor  geregnet  hat  oder  der 
Schnee  schmilzt.    Mit  Planorhis  cornu  findet  sich  haufenweise. 

Litorinella  acutu  A.  Braun  und  Sandb.  (Mainz.  Tert.) 
Neuerdings  sind  dafür  neue  Namen  entstanden:  Hyärohia  ventrosa 
V.  Mart.  oder  Nematurella  für  Neumayr's  Litorinella  dal- 
matina.  Ich  bin  nicht  im  Stande  Unterschiede  zu  machen  zwischen 
den  kleinen  Schnecken,  die  längst  unter  dem  Namen  der  Litori- 
nella kursiren  und  zu  Millionen  in  Schwaben  gefunden  werden,  nach 
Neumayr  in  Dalmatien  wiederkehren  und  ebenso  zahllos  in  der 
Bekäa  liegen.  Trümmer  von  Lymnäen  und  Paludinenschalen, 
Schmitzen  von  Braunkohlen  stellen  sich  ein,  wodurch  diese  Mer- 
gel jene  charakteristische  Chocoladefarbe  erhalten,  welche  jedem 
Kenner  des  oberschwäbischen  Tertiärs  eine  bekannte  Erschei- 
nung ist. 

Wenn  Herr  Th.  Fuchs  in  seiner  geologischen  Uebersicht 
der  jüngeren  Tertiärbildungen  des  Wiener  Beckens  und  des 
ungarisch-steirischen  Tieflandes  (Zeitschr.  d.  deutsch,  geol.  Ge- 
sellsch.  XXIX.  Band,  4  Heft  1877)  eine  le  vantinische  Stufe 
aufstellt,  die  sich  als  reine  Süsswasserbildung  documentirt,  so 
bin  ich  um  so  mehr  mit  dieser  Aufstellung  einverstanden,  als 
sie  nicht  mehr  dem  oberen  Niveau,  sondern  dem  Pliocän  der 
Mittelmeerländer  entsprechen  soll.  Herr  Fuchs  führt  diese 
Stufe  auf  als  auf  der  Balkanhalbinsel,  in  Griechenland,  in  Klein- 
asien und  den  Inseln  des  griechischen  Archipels  vertreten. 

Quaternäre  Bildungen. 

Schon  im  I.  Theil  A.  d.  Orient  habe  ich  zum  Schluss  darauf 
hingewiesen,  dass  der  Charakter  der  ältesten  Kulturreste,  die  wir 
in  Egypten,  Arabien  und  Syrien  beobachten,  ebenso  wie  die  histo- 


—     364     — 

Tischen  Nachrichten,  die  uns  in  Bild  und  Schrift  überliefert  sind, 
mit  Nothwendigkeit  zur  Annahme  einer  vollständigen 
Umänderung  des  Klimas  führen.  Dasselbe  charakterisirt 
sich  namentlich  durch  das  Fehlen  der  Wüste,  um  deren 
Existenz  sich  das  ganze  Leben  der  Organismen  dreht.  Indessen 
häufte  sich  Jahr  um  Jahr  das  Beweismaterial  für  die  Existenz 
von  Culturländern  an  Stelle  der  heutigen  Wüste,  dass  es  fast 
einem  absichtlichen  Verschliessen  der  Augen  gleich  käme,  wollte 
man  die  Folgerungen  nicht  ziehen,  zu  welchen  die  Beweise  uns 
nöthigen.  Ich  rede  jetzt  nicht  mehr  von  den  historischen  Be- 
weisen, welche  für  das  Fehlen  der  Wüste  sprechen,  von  der 
dichten  Bevölkerung  der  sinaitischen  Halbinsel,  mit  welcher  Israel 
erst  blutige  Schlachten  zu  liefern  hatte,  bis  es  von  der  Gegend 
Besitz  ergriff,  nicht  von  den  viel  tausend  streitbaren  Männern  von 
Israel,  die  mit  Weib  und  Kind,  mit  ihren  Rindern,  Eseln  und 
Schafen  sich  Jahrzehnte  in  der  heutigen  Wüste  umhertrieben, 
nicht  von  der  Thatsache,  dass  assyrische  und  persische  Heer- 
säulen einst  von  Osten  her  nach  Syrien  einfallen  konnten,  während 
1799  im  Monat  März  die  kleine  Armee  Napoleons  auf  dem 
kurzen  Weg  von  St.  Jean  d'Acre  zum  pelusischen  Nilarm  in 
einer  Gegend  fast  zu  Grunde  ging,  die  mit  der  arabischen  und 
syrischen  Wüste  gar  nicht  zu  vergleichen  ist.  Ich  rede  hier 
blos  von  den  prähistorischen  Resten,  die  theils  in  quaternären 
Bildungen  Syriens,  theils  oberflächlich  im  Wüstengrund  Ara- 
biens und  Egyptens  sich  finden. 

Ohne  den  Werth  ihrer  Entdeckung  zu  beachten,  hatten  schon 
zu  Anfang  der  30er  Jahre  Hedenborg  und  Botta  der  Knochen- 
breccien  von  Ant-Elias  und  der  Grotte  am  Hundsfluss  Erwähnung 
gethan.  Erst  der  Expedition  des  Herzogs  von  Luynes  war 
es  vorbehalten,  in  diesen  Breccien  prähistorische  Statio- 
nen zu  erkennen,  was  L.  L artet  unterm  21.  März  1866  in 
einer  Vorlage  an  die  Akademie  der  Wissenschaften  der  Oeffent- 
lichkeit  übergab.  Dieser  in  den  Renthierstationen  des  Perigord 
wohl  bewanderte  Gelehrte  nahm  keinen  Anstand,  zwischen  der 
Huudsflussgrotte  und  dem  Perigord  eine  Parallele  zu  ziehen. 
Ohne  das  Alter   beider  Stationen   in   eine   und   dieselbe  Zeit   zu 


—     365     — 

verlegen,  erklärte  er  doch  beide  für  Ursitze  menschlicher  Kultur, 
an  welchen  Menschen  ihre  erstmaligen  Versuche  machten,  sich 
mit  Hilfe  des  Feuersteins  Handwerkszeuge  zu  schaffen  und  durch 
die  Jagd  auf  die  Thiere  des  Landes  ihren  Lebensunterhalt  zu 
gewinnen. 

Nur  wenige  Jahre  stand  es  an,  so  kamen  dieselben  über- 
raschenden Beobachtungen  aus  Egypten  (l'industrie  primitive 
en  Egypte  et  en  Syrie,  Juni  1869  par  Adrien  Arcelin  in: 
Materiaux  pour  l'histoire  primitive  und  ebendort  vom  Januar 
1870)  durch  die  Herrn  E.  Hamy  und  F.  Lenormant. 
Arcelin  hatte  bei  Abu  Mangar  auf  einem  Raum  von  2  Ar 
Ausdehnung  gestossen,  bedeckt  mit  Feuerstein-Instrumenten,  Häm- 
mern von  hartem  Gestein  mit  Spuren  von  Schlägen  und  einer 
geschliffenen  Axt  aus  Porphyr.  Dessgleichen  fand  er  bei  Bäb 
el  Melük  (Theben)  eine  sehr  grosse  Masse  künstlich  geschlagener 
Feuersteine  in  Form  von  Messern  und  Sägen  und  vereinzelte 
Stücke  in  Sakkära  beim  Serapium  und  bei  Gizeh.  Arcelins 
Beobachtung  von  Bab  el  Meluk  wurde  nunmehr  auch  von  den 
Herrn  Lenormant  und  Hamy  bestätigt,  welche  ebendort  auf 
den  Höhen  des  rechten  Nilufers  auf  einer  Fläche  von  mehr  als 
100  Dm  eine  unzählige  Menge  bearbeiteter  Feuersteine,  ächte 
„silex  tailles"  fanden  neben  Pfeil-  und  Lanzenspitzen,  Beilen  und 
den  Feuersteinkernen,  von  denen  die  Werkzeuge  abgeschlagen 
waren.  Zur  selben  Zeit  fanden  die  Doktoren  Keil  und  Sachs 
an  den  Quellen  von  Helwan,  wo  ein  Luftkurort  für]  Lungen- 
leidende etablirt  wurde,  in  zahlloser  Menge  dieselben  Werkzeuge 
und  Ebers  bei  El  Nüb  (Edfu)  Feuersteinstücke  in  jeglicher 
Gestalt.  Aber  dieser  Gelehrte  sowohl  als  Lepsius  (Zeitschrift 
für  egypt.  Sprache  1870  p.  95  und  1871  p.  17)  nehmen  an 
der  ungeheuren  Menge  der  Feuerstein-Gegenstände  Anstand. 
Lepsius  kann  sich  keine  Vorstellung  machen  von  einer  Industrie, 
welche  Tausende  ihrer  fertigen  Produkte  des  Aufhebens  nicht 
werth  hält ,  sondern  unbenutzt  liegen  lässt  und  er  sowohl  als 
Ebers  können  sich  mit  dem  Gedanken  nicht  aussöhnen,  dass  die 
Feuersteinfelder  so  unpassende,  gerade  den  glühendsten  Son- 
nenstrahlen   ausgesetzte   Wüstenfelder   sind,     während   es    doch 


—     366     — 

in  der  Nähe  an  geeigneteren,  schattigen  Plätzen  nicht  gefehlt 
hätte.  Die  ausgezeichneten  bis  zu  15  cm  langen  Feuerstein- 
messer, deren  photogr.  Abbildung  dem  Juliheft  der  betr.  Zeit- 
schrift beigegeben  ist,  sind  Gräbern  entnommen,  deren  eines  als 
das  Grab  des  Königl.  Oberbaumeisters  Mehä  aus  der  Mitte  des 
3ten  Jahrtausend  bezeichnet  werden  kann.  Daher  verlegen  die 
Herrn  Egyptologen  die  Feuersteingeräthe  als  chirurgische  Fabri- 
kate in  die  historische  Zeit  egyptischen  Staatenlebens  und  wollen 
eine  Steinzeit  im  Sinn  der  europäischen  nicht  anerkennen.  Ebers 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  die  Funde  verarbeiteten  Goldes 
auf  den  ältesten  Denkmälern  und  die  Darstellung  der  frühesten 
Erzeugnisse  egyptischer  Kunst,  die  ohne  Metall  Werkzeuge  gar 
nicht  möglich  war ,  zu  der  Annahme  führen ,  dass  die  Egypter 
als  ein  mit  der  Metallurgie  wohl  vertrautes  Volk  an  den  Nil 
kamen.  Beide  Egyptologen  sprechen  sich  daher  für  die  Ansicht 
aus,  dass  die  sogenannten  Feuersteinmesser  nur  zufällige  Gebilde 
der  Natur  wären,  lediglich  nur  entstanden  durch  das  natürliche 
Zerspringen  der  Feuersteinknollen  in  Folge  der  Extreme  der 
Temperatur.  Es  ist  dies  ein  wohl  zu  beachtender  Einwand,  denn 
jeder  Wüstenreisende  kennt  das  Zerspringen  der  Feuersteine  beim 
raschen  Temperaturwechsel;  habe  ich  doch  selbst  (A.  d.  Orient 
pag.  38  und  39)  durch  eigene  Beobachtung  die  Thatsache  con- 
statirt,  dagegen  ist  ebenso  sicher  darauf  hinzuweisen,  dass  die 
abspringenden  Splitter  nur  ganz  ausnahmsweise  Späne  abgeben, 
welche  etwa  einem  Messer  oder  Schaber  verglichen  werden  könn- 
ten. Vielmehr  sind  die  in  der  "Wüste  liegenden  Feuersteine 
der  Mehrzahl  nach  schalig  und  muschlig  ausgesprungene  Stücke, 
wie  sie  auch  bei  künstlicher  Erhitzung  eines  Feuersteins  aus- 
springen. Nun  kann  man  aber  über  tausend  solcher  Splitter 
hinwegschreiten,  bis  man  einem  Stück  begegnet,  das  man  wegen 
seiner  Aehulichkeit  mit  einem  Feuersteinmesser  des  Aufhebens  für 
werth  achtet.  Nie  aber  habe  ich  auch  nur  einen  einzigen  Split- 
ter gefunden,  der  wirklich  mit  einem  Werkzeug  aus  einer  prä- 
historischen Station  verglichen  werden  könnte,  d.  h.  der  die  breite 
Flachseite  (Innenseite),  die  schmälere  Aussenseite  und  die  2  Seiten- 
flächen (Facen)  zeigte,  wie  sie  entstehen,  wenn  man  von  einem 


—     367     — 

Stein  der  Reihe  nach  Späne  abspaltet,  bis  der  Nucleus  übrig  bleibt. 
Dagegen  sehen  die  bei  Bab  el  meluk,  Helwan,  Edfu  u.  s.  w. 
gefundenen  Stücke,  gleich  den  von  Lepsius  abgebildeten,  so 
ganz  zweifellos  als  von  Menschenhand  geschlagen  aus,  dass  der 
Gedanke  an  zufällige  Bildung  auf  das  entschiedenste  ausge- 
schlossen werden  muss.  Es  handelt  sich  hier  nicht  etwa  um 
subjektive  Ansichten  des  einen  oder  anderen  Gelehrten,  sondern 
um  den  allgemein  gültigen  Satz,  dass  ein  Stein  unter  der 
Hand  des  Menschen  durch  Schläge  mit  andern  Steinen  oder 
mit  Instrumenten  eine  bestimmte  Gestalt  erhält,  die 
er  ohne  dies  nicht  bekäme.  So  wenig  man  einen  be- 
hauenen  Quaderstein  mit  einem  möglicher  Weise  durch  Zufall 
viereckig  gesprungenen  Steinblock  verwechseln  wird,  so  wenig 
können  die  geschlagenen  Feuersteine  mit  Natursplittern  ver- 
wechselt werden. 

Hiebei  muss  ein  Hauptwerth  noch  weiter  darauf  gelegt 
werden,  dass  nicht  etwa  der  Fund  eines  einzelnen  Feuerstein- 
splitters in  Betracht  kommen  darf,  sondern  die  Zahl  der  Funde 
an  ein  und  derselben  Stelle,  während  in  der  nächsten  Nähe  die 
Splitter  ganz  fehlen.  Dessgleichen  ist  das  geognostische  Moment 
herbeizuziehen,  dass  der  Gedanke  an  natürliche  Bildung  der 
Splitter  nur  da  erwogen  werden  darf,  wo  wirkliche  Kreidebänke 
mit  den  Schnüren  und  Knauern  der  Feuersteine  an  Ort  und  Stelle 
anstehen. 

Ebers  und  Lepsius  wollen  sich  mit  dem  Gedanken  an 
menschlichen  Ursprung  der  Feuersteinmesser  aus  dem  Grund 
nicht  befreunden ,  weil  sie  dieselben  an  ganz  wasserlosen  Stellen 
des  steinigen  Arabiens  fanden,  -vro  sie  Hunderte  von  Quadratmetern 
bedecken.  Sie  hielten  es  für  widersinnig,  deren  menschlichen 
Ursprung  anzunehmen,  weil  alle  Bedingungen  der  Existenzmög- 
lichkeit für  eine  menschliche  Station  hier  fehlen.  Dabei  gehen 
sie  von  der  entschieden  unrichtigen  Voraussetzung  aus,  als  ob 
die  Wüste  von  jeher  Wüste  gewesen  wäre.  Eine  solche  Annahme 
könnte  nach  meiner  Ansicht  etwa  das  Resultat  einer  eingehenden, 
Alles  erschöpfenden  Untersuchung  sein,  sie  aber  als  einen  feststehen- 
den Satz  vorauszuschicken  und  darauf  Beweise  gegen  den  mensch- 


—      368     — 

liehen  Ursprung  der  Steinmesser  zu  gründen,  geht  sicherlich  nicht 
an.  Wir  finden,  schliessen  die  Egyptologen,  die  Steinmesser  in 
der  wasserlosen  Wüste,  in  der  sich  nach  gegenwärtigen  Verhält- 
nissen Menschen  nicht  aufgehalten  haben  können.  Wenn  nun 
Menschen  die  Messer  an  Ort  und  Stelle  nicht  geschlagen  hatten, 
so  bleibt  nur  der  natürliche  Ursprung  derselben,  durch  zufälliges 
Zersplittern  beim  Temperaturwechsel  übrig. 

Dagegen  schliesse  ich:  die  Steinmesser  in  der  Wüste  haben 
eine  Gestalt,  wie  sie  nach  allgemein  menschlicher  Erfahrung  und 
nach  den  unabänderlichen  physikalischen  Gesetzen  der  Kohäsions- 
verhältuisse  irdischer  Körper  nur  durch  einen  absichtlichen  Schlag 
entstehen  können.  Sie  sehen  ausserdem  den  Steinmessern  der 
europäischen  Höhlen  uud  Torfmoore,  wo  sie  stets  in  Verbindung 
mit  anderweitiger  menschlicher  Thätigkeit  gebracht  werden  können, 
so  aufs  Haar  ähnlich,  dass  nur  die  Etikettirung  jedes  einzelnen 
Stücks  Yor  Verwechslung  bewahren  kann.  Sind  die  Steinmesser 
wirklich  von  Menschenhand  gemacht,  so  müssen  einst  Menschen 
an  dem  Ort  gelebt  und  gearbeitet  haben,  wo  sie  in  so  erstaun- 
licher Menge  zu  finden  sind.  Da  diese  Orte  der  Steinmesser 
heutzutage  Wüste  sind,  so  müssen  diese  zu  einer  Zeit  geschlagen 
worden  sein,  in  welcher  es  noch  kein  egyptisches  Volk  gab  und 
die  heutige  Wüste  noch  keine  Wüste  war. 

Wohl  befreundet  sich  der  Geist  uugerne  mit  gewissen  neuen, 
in  unser  System  nicht  passenden  Ideen.  Es  ist  daher  auch  leicht 
zu  begreifen,  dass  Gelehrte,  denen  die  Wüste  sozusagen  präexi- 
stirt  von  einer  früheren  Bewohnung  und  Bevölkerung  der  Wüste 
Nichts  wissen  wollen.  Und  doch  mehren  sich  mit  jedem  Jahr 
die  Beweise  für  eine  frühere  Kultur  in  der  Wüste  zur  prä- 
historischen Zeit.  So  fand  Abbe  Eichard  Steinmesser  östlich 
Kairo  im  Mokattam,  in  der  Umgegend  von  Theben,  auf  Ele- 
phantine.  Die  grösste  Werkstätte  von  Steiniustrumenten  traf 
er  am  Fuss  des  Sinai  und  im  Centrum  des  Gebirgs  im  Wadi 
Färän.  Eben  hier  traf  Beurmann  im  Wadi  Meghära  in  der 
Nähe  der  Türkisminen,  welche  nach  vorhandenen  Felseninschriften 
zu  Manethos  Zeiten  ausgebeutet  wurden,  Steinwerkzeuge  jeder 
Art,    mit   denen,   wie   er    meint,    die   Felsenschrift     hergestellt 


—     369     — 

wurde.  Davon  kann  nun  freilich  entfernt  keine  Eede  sein,  denn 
die  Steinzeit  liegt  weit  vor  jeglicher  Kulturzeit  des  alten  Egyp- 
tens,  in  welcher  bereits  die  Steinwerkzeuge  als  alte  Tradition 
sich  nur  noch  im  Kult  (Beschneidung,  Oeffnung  der  Leichen  und 
Gräberbeigabe)  erhielten. 

Wir  besitzen  in  der  hiesigen  Staatssammlung  Feuerstein- 
messer aus  der  libyschen  Wüste,  welche  Professor  Zittel  fern 
von  den  Oasen  auf  seiner  Eoute  aufgelesen.  Die  Messerchen  sind 
acht  typische  Steinmesser,  wie  wir  sie  nur  aus  unsern  euro- 
päischen Höhlen  und  Mooren  kennen.  Sicherlich  sind  sie  auch 
nicht  die  einzigen,  die  Zittel  zufällig  am  Wege  auflas  und  wird 
eine  nähere  Untersuchung  der  Lokalität  constatiren,  dass  sie 
dort  ebenso  verbreitet  in  der  Wüste  zu  Tage  liegen,  wie  z.  B. 
zwischen  dem  Nil  und  rothen  Meer,  wo  sie  Schweinfurt 
gleichfalls  in  solcher  Menge  fand,  dass  er  an  menschlichen  Ur- 
sprung gar  nicht  denken  mag,  sondern  sie  gleich  L  epsius  und 
Ebers  für  zufällige  Sprenggebilde  ansieht. 

Liegen  in  der  egyptischen  und  arabischen  Wüste  die  Stein- 
messer offen  zu  Tage,  indem  im  Laufe  der  Wüstenbildung  der 
quaternäre  Boden  in  Staub  verwandelt  und  von  den  Wüsten- 
stürmen verweht  worden  war,  so  liegen  sie  in  Syrien  und  am  Libanon 
zum  öftern  in  den  Knochenbreccien  der  Höhlen  und  dem 
Kalkgebäckeder  sogenannten t e r r a  rossa.  Unter  diesem  Na- 
men, den  Hauer  aus  den  dalmatinischen  Bergen  (Jahrb.  d.  geoL 
Keichsanstalt  von  1868,  pag.  452)  in  die  wissenschaftliche  Sprache 
eingeführt  hat,  verstehen  wir  das  Conglomeratgestein,  das  wir  (A.  d. 
Orient  I,  pag.  202)  als  die  Decke  auf  den  Kreideschichten  bezeich- 
neten, die  sich  ohne  Unterschied  über  Höhen  und  Tiefen  ausbreitet. 

Am  Libanon  erst  lernte  ich  dieses  Gestein  recht  kennen 
und  verstehen,  wo  es  sich  von  den  höchsten  Bergen  herab  bis 
au  das  Meer  zieht  und  mit  Vorliebe  den  Thalgehängen  nachgeht. 
Es  ist  stets  auf  Kreidefelsen  aufgeklebt  und  die  fest  cementirte 
Breccie  aufs  innigste  mit  diesen  verwachsen.  Wie  sich  nur  ein 
Mörtel  an  alten  römischen  Bauten  mit  den  Mauersteinen  ver- 
bindet, so  fest  klebt  die  Breccie  am  Kreidekalk,  der  augen- 
scheinlich die  Wasser,  die  über  ihn  liefen,  mit  kohlensaurem  Kalk 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  ,     24 


—      370     — 

geschwängert  hat ,  also  dass  sie  in  den  Stand  gesetzt  wurden,  den 
Schutt  von  losem  Gestein,  Knochen,  Zähnen,  Feuersteinen,  Kohlen 
und  Aschen  zu  cementiren. 

Ueber  die  Zeit  der  Bildung  habe  ich  keinen  Zweifel  mehr :  es 
ist  die  Zeit  der  Gletscher  und  der  Schutt,  der  auf  dem  Rücken 
der  Gletscher   von   den  Höhen    zu  Thale  schob,  ist   glacialer 
S  c  hutt  der  Moräne.    Derselbe  ist  1.  wirklicher  Schutt,  d.  h.  eckige, 
wenig  entkantete  Marmore,   Dolomite,   Sandsteine  und  Basaltite, 
kurz  die  härteren  Steine,  die  es  überhaupt  im  Libanon  gibt,  nur 
wenig  gerollt  und  abgeschoben  in  allen  denkbaren  Grösseverhält- 
nissen,  von  der  Staubform    an    bis    zur  Grösse   mehrerer  Kubik- 
meter.     2.  Die    kleinst   zertrümmerten,   zu   Pulver    zermahlenen 
Theile  des  Kreidegebirgs,  namentlich  der   erzführenden  mittleren 
Formation.  Der  fein  vertheilte,  die  Kalke  durchsetzende  Schwefel- 
kies   färbte    die    ganze    Masse    braunroth;    daher    die    röthliche 
Erde,    die   über  Palästina   hin    auf   so  vielen  Höhen  liegt,    sie 
ist    der  „Erdenkloss"    aus  dem   der    erste  Mensch  gebildet  war. 
3.  Die  terra   rossa   bewahrt   in   sich   die    Spuren   prähistorischer 
Zeit,  Holzkohlen,  Aschen,  Steinmesser,   Scherben,   Knochen  und 
Zähne  der  Thiere,  die  dem  prähistorischen  Menschen  zur  Nahrung 
dienten.     4.  Die  Ebenen,  in  welchen  die  terra  rossa  den  Unter- 
grund bildend  sich  über  Meilen  ausdehnt,    ist   strichweise   über- 
säet  mit    erratischen   Blöcken.      In    der   Provinz    Küra,    die    zu 
den  fruchtbarsten  Provinzen    des  ganzen  Libanon  gehört,  ist  der 
Typus  einer  solchen  Landschaft   zu  beobachten,   die  ihre  Gestalt 
der   gewaltigen    Moräne    verdankt,   welche    von   den  Höhen    des 
eigentlichen  Libanon  aus  dem  Bezirk  Bscherre  durch  die  Kadischa- 
Schlucht  gegen  das  Meer  geschoben  wurde.    Aus  den  Engpässen 
der  Felsen  herausgetreten   breitete   sich  der  Gletscher    am  Fuss 
der  Gebirgserhebung  aus  und  schuf  hier  die  herrliche  Ebene,  in 
welcher   vor  Allem   gegenwärtig   der    Tabaksbau  blüht   und    die 
Kultur    der    feinsten    Orangen  '^^   und  Feigen.     Die    Blöcke    von 


^*  Der  edle  Assad  Karam  Bey  Mu4ir  von  Zgharta,  Neffe 
des  berühmten  Maronitenführers  Karam  Bey,  einer  der  reichsten 
Grundbesitzer  des  Libanon,  cultivirt  eine  RiesenoraDge  (Leimün 
Kubät)  und  verpachtet  seine  Bäume  von  dieser  Sorte  um  jährliche 
2—300  Frs. 


-      371      — 

lichtem  Marmor,  von  rothem,  weissem  und  gelbem  Sandstein  sind 
theilweise  von  solcher  Grösse,  dass  sich  eine  Wohnung*  daran  lehnt, 
liegen  in  demselben  fetten  rothen  Kulturgrund  mitten  zwischen 
üppigen  Gewächsen,  und  tragen  viel  zur  Schönheit  der  Land- 
schaft bei.  Am  häufigsten  liegen  sie  am  Rande  des  Kadischa- 
Grundes,  der  anfangs  tief  in  den  Schutt  eingewühlt  ist,  dann 
aber  immer  flacher  und  flacher  wird,  bis  er  auf  der  letzten 
Terrasse  über  dem  Meer  verschwindet,  wo  wieder  das  geschichtete 
Gebirge  heraustritt,  das  den  letzten  Abfall  zum  Meer  bildet. 
5.  Innerhalb  der  Engpässe  klebt  der  Schutt  an  den  Felswänden, 
völlig  mit  denselben  verwachsen,  namentlich  gerne  bei  Biegungen 
des  Thals,  in  Nischen  und  Löchern,  welche  damit  ausgefüllt  sind. 
Ein  ausgezeichneter,  sehr  leicht  erreichbarer  Punkt  ist  an  dem 
grossen  Völkerweg,  der  an  der  Mündung  des  Hundsflusses  auf 
einer  in  die  Felsen  gehauenen  Strasse  zwischen  dem  Meer  und 
dem  Gebirge  hinführt.  In  Spalten  der  Felsen,  auf  welche  die 
Egypter  unter  Sesostris  zu  Ende  des  14.  Jahrhunderts  vor 
Christus  ihre  Felseninschriften  dem  ammonischen  Gotte  Phtha 
zu  Ehren  eingemeisselt  und  die  Assyrer  den  Einfall  Sanheribs 
(701  a.  C.)  in  reizender  Keilschrift  auf  den  Gewändern  ihres 
Fürsten  verewigt,  auf  welchen  (180  p.  C.)  der  römische  Kaiser 
Marcus  Antoninus  und  letztmals  1860  die  französische  Ex- 
pedition Napoleons  III.  eine  Felsentafel  mit  den  Namen  der 
Generäle  und  Obristen  bedeckt  hatten,  liegen  die  noch  viel  älteren 
Zeugen  menschlicher  Spuren  der  Steinmesser  und  Thierknochen 
als  Zeugen  einer  Zeit  vor  der  Gletscherperiode  oder  der  Bildung 
der  terra  rossa.  Eev.  Lewis  gebührt  hier  das  Hauptverdienst, 
auf  diese  Funde  am  Hundsfluss  aufmerksam  geworden  zu  sein. 
Es  liegen  von  hier  in  der  Sammlung  des  protestantischen  Collegs 
von  Beirut  Knochen  und  Zähne  von  Nashorn  und  Wisent  und 
andere,  die  noch  auf  Entzifferung  harren. 

Sieben  Kilometer  oberhalb  des  englischen  Maschinenhauses, 
welches  die  Wasser  des  Flusses  in  26zölligen  eisernen  Röhren 
in  das  Hochreservoir  von  Beirut  treibt,  zwei  und  ein  halb  Kilo- 
meter oberhalb  des  Wehrs,  an  welchem  der  Fluss  für  die  Wasser- 
leitung abgegraben  ist,   liegt   auf  der  rechten  Seite  des  Flusses 

24* 


—     372     — 

eine  kühle  Grotte,  aus  welcher  ein  Hauptarm  des  Flusses  unter 
den  Felsbänken  hervorbricht.  Von  den  Felsen  hängen  die 
reizendsten  Büschel  und  Schnüre  von  Schlingpflanzen  nieder, 
herabgestürzte  Felsklötze,  über  welche  geklettert  werden  muss, 
geben  der  Grotte  ein  wildes  Aussehen;  dazu  das  Getöse  des 
tobenden  Wassers,  das  unter  den  Felsklötzen  herausbrechend  in 
das  nahe  Strombett  hinabstürzt  —  Niemand  wird  in  die  Felsgrotte 
treten  können,  ohne  die  Schrecken  der  Natur  im  vollsten  Masse 
zu  empfinden.  Während  der  Herstellung  des  Wasserwerks  wagten 
sich  englische  Ingenieure  in  das  Innere  der  Höhle,  aus  welcher 
der  Fluss  hervorbricht.  Durch  einen  seitlichen  Zugang  eintretend 
waren  sie  im  Stande  auf  eine  Entfernung  von  1200  m  dem 
unterirdischen  Flusslauf  zu  folgen.  Wundersame  Tropfstein- 
gebilde, Kammern,  Säle,  Kapellen,  die  alle  von  den  Ingenieuren 
Namen  erhielten  (Maxwellgrotte,  Rustemgrotte),  machen  diese 
Hundsflusshöhle  zu  einem  würdigen  Seitenstück  der  Adelsberger 
Grotten  im  Karst.  Viele  Besucher  wird  aber  dieser  unterirdische 
Flusslauf  nicht  finden,  denn  der  in  der  Tiefe  tosende  Strom 
mit  seinen  Kaskaden,  dazwischen  wieder  tiefe  unheimlich  stille 
Seen  bildend,  macht  den  Gang  auf  den  schlüpfrigen  Felsen  ebenso 
gefährlich  als  schauerlich  erhaben.  10  m  über  dem  Flussbett, 
einen  Steinwurf  von  der  Quelle  entfernt,  ist  eine  Grotte  mit 
dem  Gebäcke  von  Aschen,  Kohlen,  Steinmessern,  Schneckenschalen 
und  zahllosen  Knochen  und  Zähnen.  Die  Höhle  ist  mehrere 
Meter  hoch  mit  dem  Gebäck  angefüllt.  Aus  ihr  stammt  das 
Kieferstück  des  Bären,  den  ich  von  ürsus  arctos  nicht  unter- 
scheiden möchte. 

In  der  nahen  Anteliasgrotte ,  welche  die  Herren  Heden- 
borg und  Botta  noch  besucht  hatten,  sind  indessen  gewaltige 
Klötze  vom  Dach  der  Höhle  niedergestürzt  und  wurde  der  alte 
Grund  verschüttet,  dass  ohne  grossen  Aufwand  an  Zeit  und  Geld 
dort  nichts  mehr  zu  machen  ist. 

Um  so  erfreulicher  waren  dagegen  die  Nachforschungen 
im  Wadi  e  Djauz.  Auf  dem  Weg  von  Kafr  Hatta  nach  dem 
Kloster  Mar  Hanna  el  Märün  wird  über  eine  unendlich  kahle 
Kreidemergel-Landschaft   steil  zum  Djauzthal  abgestiegen.     Der 


—      373      — 

Unterschied  zwischen  der  Roth-Erde  an  dem  Thalgehäng  und  im 
Thahl  selbst  gegenüber  den  Schichtenböden  auf  der  Höhe,  die 
lediglich  nur  als  Waide  dienen,  tritt  hier  wieder  ganz  auffällig 
zu  Tage.  Nur  wenige  100  m  oberhalb  der  Brücke  ist  Bag- 
gadin  Djauz  neben  der  Mühle  von  Kafr  Hai.  Der  Holzschnitt  zeigt 


die  geräumige  Grotte  im  wohlgeschichteten  Ereidemarmor,  der  im 
Hintergrund  der  Grotte  sichtbar  ist,  der  Boden  der  Grotte  aber 
und  deren  Dach  ist  das  reinste  Gebäcke  aus  Kohlen  und  Aschen- 
trümmern, Knochen  und  Zahnfetzen  und  Feuersteinlamellen  jeder 
Art.  Die  Grotte  ist  augenscheinlich  jünger  als  das  Gebäck,  an 
der  hinteren  Felswand  zeigen  sich  Knochentrümmer  und  Feuer- 
steinlamellen angewachsen,  die  wie  es  scheint,  hängen  blieben, 
als  die  Grotte  wahrscheinlich  nur  durch  Menschenhände  aus- 
gegraben wurde.  In  der  Grotte  und  vor  der  Grotte  hat  ein 
schlaue  Müller  eine  üppige  Tabaksplantage  angebracht,  die 
vortrefflich  auf  dem  prähistorischen  Boden  gedeiht.  Auch  hat 
der  Müller  ohne  die  Phosphorsäure  in  der  Knochenbreccie 
analysirt  zu  haben,  es  für  zweckdienlich  zum  Gedeihen  seiner 
Maulbeerbäume  und  Feigen  erachtet,  seinen  Pflanzen  von  der 
Knochenerde  anzuschütten,  die  aus  dem  Grund  der  Grotte  geholt 
wird.     Die  Höhe    der  Grotte   ist   nicht   mehr    als    2  m    und    es 


—     374     ^ 

scheint,  dass  im  Lauf  der  Zeit  das  ganze  Loch  künstlich  aus 
der  Wand  ausgehoben  wurde,  um  die  Knochenmasse  als  Dünge- 
mittel zu  benützen. 

Endlich  ist  noch  einer  Grotte  bei  Faraiya  im  Kesruwän  Er- 
wähnung zu  thun,  aus  welcher  der  deutsche  Generalkonsul  Herr 
Dr.  Weber^^  , Geweihstücke,  Knochen  und  Zähne"  erhalten 
hatte,  um  sie  nach  Berlin  einzusenden.  Herr  Geh.-EathR.Virchow 
hatte  indessen  die  Freundlichkeit  mir  sämmtliche  Funde  dieser 
Lokalität,  welche  im  anatomischen  Museum  zu  Berlin  aufbewahrt 
werden,  zur  Untersuchung  anzuvertrauen.  Auf  meiner  Eeise  durchs 
Kesruwän  kam  ich  zwar  nach  Faraiya,  konnte  aber  die  betreffende 
Höhle  nicht  erfahren.  Sind  doch  der  Höhlen  so  viele,  dass  die 
einzelne  zu  finden  die  grösste  Schwierigkeit  besteht.  In  den 
meisten  aber  liegen  sicherlich  prähistorische  Eeste. 

In  erster  Linie  sind  Feuerstein-Instrumente  zu  nennen. 
Es  hat  aber  keinen  Werth  einzelne  Formen  zu  beschreiben  und 
führe  ich  nur  an,  dass  dieselben  dem  Hundert  nach  gesammelt 
werden  können  und  zwar  1.  die  ächten  Spaltsplitter  (lames)  mit 
der  breiten  inneren  Flachseite,  der  schmalen  Aussenseite  und  den 
schief  anliegenden  zwei  Seitenflächen;  2.  dieselben  zugespitzt 
oder  abgerundet  (grattoirs);  3.  gleichseitige  Dreiecke,  deren 
Kanten  zugeklöpfelt  sind;  4.  runde  oder  ovale  flache  Lamellen; 
5.  formlose  Splitter,  die  als  Abfall  angesehen  werden  können. 
Von  den  letztern  mögen  viele  auch  ohne  Beihilfe  des  Menschen 
durch  Felsenstürze  und  gelegentliche  Zersplitterung  der  Feuer- 
steinknollen entstanden  sein. 

Unter  den  Resten  der  quaternären  Säugethiere  steht  oben  an 
TJrsiis  arctos  Linne.  Unter  diesem  Namen  nur  getraue  ich  mir  eine 
auffallend  kleine  Varietät  des  Bären  zu  besprechen,  von  welcher 
ich  einen  vollständigen  Unterkiefer  eigenhändig  aus  der  Grotte  am 
Nähr  el  Kelb  herausgegraben  habe,  während  das  andere  Exem- 
plar, das  freilich  nur  in  der  vorderen  abgebrochenen  Hälfte  des 


'^  Berliner  Gesellsch.  für  Anthrop.  etc.  Sitzung  vom  20.  Febr.  1875. 
Herr  Konsul  Weber  hatte  die  Reste  vom  Schech  Däüd  el  Chazim 
erhalten,  dem  es  wohl  zu  verzeihen  war,  dass  er  das  Schädeldach 
eines  Löwen  für  ein  menschliches  ansah. 


—     375     — 

linken  Unterkieferastes  besteht,  der  Höhle  von  Faraiya  entstammt. 
Das  Stück  befindet  sich  im  anatomischen  Museum  in  Berlin  und 
wurde  mir  durch  Vermittlung  der  anthrop.  Gresellschaft  von  dort 
mitgetheilt. 

Die  Kieferlänge  beträgt  0,19  m,  dieselbe  vertheilt  sich 
genau  auf  drei  gleiche  Theile:  in  das  erste  Dritttheil  fällt  der 
kräftige  Eckzahn  und  die  Schneidezähne  nebst  der  Lücke  mit 
2  Lückenzähnen,  in  das  zweite  Dritttheil  fallen  die  4  Backen- 
zähne, in  das  dritte  Dritttheil  der  Kronenfortsatz  und  das  Ge- 
lenk. Die  Höhe  des  Kiefers  an  der  Lücke  und  am  1.  Prämolar 
beträgt  nicht  mehr  als  0,044  m.  Unser  Exemplar  gehörte  einem 
sehr  alten  Individuum  an,  daher  auch  die  tiefe  Abkauung  der 
Zähne,  welche  eine  nähere  Untersuchung  desselben  nicht  mehr 
zulässt.  Dagegen  ist  das  Berliner  Individuum  jünger  und  zeigt 
den  Prämolar  in  ganz  vortrefflicher  Erhaltung.  Derselbe  ist 
genau  wie  der  Pärmolar  des  TJ.  ardos  gebaut,  nur  ist  er  um 
1  mm  schmäler.  In  der  Lücke  befindet  sich  nur  ein  einziger 
Lückenzahn,  der  hart  hinter  dem  Eckzahn  steht  und  mit  TJ.  priscus 
stimmt.  Aber  auch  abgesehen  von  den  kleinen  Massverhältnissen 
darf  wegen  der  einwurzeligen  Lückenzähne  und  dem  zweiwurz- 
ligen schmalen  Prämolar  an  Höhlenbär  gar  nicht  gedacht  werden, 
vielmehr  scheint  in  der  Vorhistorie  schon  dieselbe  kleine  Varie- 
tät von  Ursus  arcfos  existirt  zu  haben,  welche  heute  noch  als 
TJrsus  isabellicus  oder  syriacus  für  den  Libanon  charakteristisch 
ist.  So  gerne  man  wegen  des  vorderen  einwurzeligen  Lücken- 
zahns an  TJ.  priscus  denken  möchte,  so  ist  dagegen  die  kleine, 
niedere  Gestalt  bezeichnend  für  den  Isabellenbär,  an  dem  ich 
um  so  lieber  festhalten  möchte,  als  er  nach  allen  bisherigen 
Untersuchungen  von  TJ.  ardos  sich  specifisch  nicht  unterscheidet, 
vielmehr  nur  als  eine  syrisch-kaukasische  Modification  der  Arctos- 
Art  angesehen  wird. 

Felis  spelaea  Cuv.  Zu  dieser  gewaltigen  Katze,  die  man  Löwe 
oder  Tiger  nennen  mag,  gehört  ein  ausgebrochenes  Stirnbein 
aus  Faraiya  (anat.  Mus.  in  Berlin).  Die  Wandung  des  Stirn- 
beins hat  1,5  cm  Dicke,  am  Ansatz  des  Os  ethmoideum  sogar 
noch    1    cm.     Die    Stirn-Nath    ist    vollständig   verwachsen ,    die 


—      376      — 

Aussenseite  gewölbt,  wodurch  sich  dieses  Stirnbein  von  dem  der 
Hyäne  unterscheidet. 

Bhinoceros  tichorhiniis  Cuv.  ist  wenigstens  durch  den  zweiten 
Molar  des  Unterkiefers  vertreten.  Wenn  auch  gerade  an  diesem 
Zahn  nur  wenig  Charakteristisches  auftritt,  so  scheint  der  Zahu 
nach  seiner  Höhe  und  Breite  und  nach  der  Dicke  des  Schmelzes 
keiner  andern  Art  anzugehören.  Man  ist  zur  Annahme  dieser 
Species  um  so  mehr  berechtigt,  als  auch  der  Begleiter  des  voll- 
haarigen Nashorns  nicht  fehlt  der  Wisent-Stier ,  der  für  die 
Jagdzwecke  des  russischen  Hofes  heute  noch  im  Norden  Europas 
gehegt  wird. 

Bos  priscus  Bojan.  {Bison  etiropaeus).  Wir  besitzen  drei 
Zähne  dieses  so  leicht  zu  erkennenden  gewaltigen  Ochsens.  Ein 
Oberkieferzahn  misst  55  mm  Kronenhöhe,  die  Breite  des  Zahns 
35  mm  von  aussen,  25  von  innen  gemessen,  der  kräftige  innere 
Schmelzhügel  ist  42  mm  hoch :  Vom  Unterkiefer  existirt  der 
erste  und  der  letzte  Backenzahn.  Der  erste  ist  24  mm  breit,  der 
letzte  dreicylindrige  40,  der  vordere  Cylinder  obgleich  schon  kräf- 
tig angekaut,  misst  55  mm.  Es  sind  das  genau  auch  die  Maasse 
der  in  den  schwäbischen  Höhlen  und  im  schwäbischen  Moränen- 
schutt sich  findenden  Wisentzähne.  Die  Zähne  stammen  vom 
Nähr  el  Kelb,  während  sich  in  der  Faraiya  -  Höhle  sehr  wohl 
erhaltene  Wirbel  fanden,  (anat.  Museum  in  Berlin)  welche  in  der 
Grösse  mit  den  Wirbelkörpern  stimmen,  die  im  Lehm  und  Tuff 
von  Canstatt  und  in  den  Höhlen  Schwabens  gefunden  wurden. 
In  der  Form,  namentlich  was  die  Gelenkfortsätze  der  Lenden- 
wirbel betrifft,  weichen  sie  von  Bison  europaeus  nicht  ab,  über- 
treffen jedoch  diesen  um  nahezu  25%,  der  Körper  des  3.  oder 
4.  Halswirbels  misst  0,096  m,  (von  vorne  nach  hinten  gemessen) 
der  Körper  des  3.  Lendenwirbels  0,070  m,  während  die  Länge 
desselben  über  den  Gelenkfortsätzen  0,102  m  beträgt.  Der 
letzte  6.  Lendenwirbel  ist  gleichfalls  erhaben  mit  0,070  m 
Länge  am  Körper  und  0,080  m  über  den  Gelenkfortsätzeu.  Ein 
grosses  Gefässloch  hat  den  Körper  dieses  Wirbels  von  unten 
durchbrochen,  was  auf  ein  älteres  Individuum  hinweist. 

Sus  priscus  Marcel  d.  Serres.     (Gervais  pal.  fr.  pag.  176). 


—      377      — 

Die  etwas  breitere  aber  kürzere  Gestalt  des  hinteren  Backenzahns 
liess  Gervais  die  Schweinszähne  aus  der  Höhle  von  Lunel  vieil 
(Herault)  von  Sus  scrofa  L.  unterscheiden.  Ohne  entscheiden 
zu  wollen ,  mit  welchem  Recht  ein  Unterschied  von  Sus  scrofa 
begründet  ist,  möchte  ich  nur  constatirt  wissen,  dass  die  erwähn- 
ten Schweinszähne  auch  in  der  Grotte  des  Nähr  el  Kelb  liegen. 

Equus  ist  vertreten  durch  einen  einzigen  Zahn  aus  Faraiya, 
dem  anatom.  Museum  in  Berlin  zugehörig.  Der  Zahn  ist  der 
Eckzahn  oder  sog.  Hengstzahn. 

Grössere  Schwierigkeit  bereiten  die  Ger  vi  den  wegen  der 
verschiedenen  Grössenverhältnisse  der  Zähne.  In  erster  Linie 
liegt  aus  der  Höhle  Faraiya  im  Kesruwän  ein  linkes  Geweihstück 
und  eine  linke  Tibia  vor,  die  mit  aller  Bestimmtheit  auf  den 
Edelhirsch  (Cervus  elaphus)  weisen.  Dem  Geweih  nach  war  der 
Hirsch  nur  von  mittlerer  Grösse,  indem  der  Durchmesser  des 
Geweihs  am  Eosenstock  0,05  —  06  m  misst.  Das  Geweih  ist 
kein  abgeworfenes  Stück,  sondern  ein  mit  Gewalt  abgeschlagenes 
und  aus  der  Hirnschale  gebrochenes.  Eigentliche  Spuren  von 
Bearbeitung  durch  Menschenhand  sind  zwar  nicht  daran  zu  er- 
kennen, indem  im  die  bekannte  Sägeschnitte  durch  Feuerstein 
fehlen,  dagegen  hat  es  vollkommen  dieselbe  Gestalt,  welche  die 
Geweihstummel  der  Pfahlbauten  haben,  die  zu  Heften  und  Schäften 
verarbeitet  werden  sollten.  Auch  die  vorhandene  Tibia  gehört 
einem  zwar  ausgewachsenen  aber  noch  jüngeren  Individuum  an; 
denn  die  obere  Epiphyse  ist  vom  Knochen  abgefallen.  Die  Länge 
des  Knochens  misst  0,38  m  genau  so  viel,  als  die  Tibia  eines 
aus  unsern  schwäbischen  Pfahlbau-Vorräthen  herausgegriffenen 
Individuums.  Hirschzähne  sind  aus  Faraiya  nicht  eingesandt 
worden.  Um  so  häufiger  liegen  sie  im  Wädi  e  Djauz  und  in  der 
Hundsflussgrotte.  Hier  begegnen  wir  zwei  Formen,  die  erste  Form 
derselben  weicht  im  Bau  ihrer  Molaren  des  Unterkiefers  von 
Cervus  elaphus  nicht  ab:  (innere  spitzige  Schmelzbüchsen,  an 
welche  sich  äusserlich  die  Halbmonde  anlehnen).  Aber  die  Zähne 
sind  nahmhaft  kleiner,  denn  sie  messen  in  der  Richtung  von 
vorne  nach  hinten  1,18,  2,20,  3,25  mm.  Die  entsprechenden 
Maasse  bei  elaphus  sind   1,20,  2,23,  3,30  mm.    Beide  Exemplare, 


—      378     — 

welche  diese  Maasse  liefern,  sind  ausgewachsen,  die  Zähne  zeigen 
auch  einen  gleichmässigen  Grad  der  Abnützung,  können  also  in 
Betreff  ihrer  Grösse  miteinander  verglichen  werden.  Untere  Prä- 
molaren von  der  entsprechenden  Grösse  fand  ich  nicht.  Die  Pro- 
portion der  Oberkieferzähne  ist  entsprechend:  die  3  Molare  messen 
17,  18,  20  mm,  bei  Cervus  elaphus  20,  25,  27  mm.  Die  Prämo- 
laren messen  je  11  mm  beim  syrischen  Hirsch,  15  mm  bei  Cervus 
elaphus.  Im  eigentlichen  Bau  der  Zähne  findet  sich  keinerlei 
Unterschied. 

Auch  die  zweite  kleinere  Form  zeigt  in  allen  Stücken  den 
Typus  ächter  Cerviden.  Für  Cervus  capreolus  sind  die  Zähne 
zu  gross,  für  C.  dama  zu  klein.  An  Damwild  möchte  man 
allerdings  am  liebsten  denken,  ja  L.  L artet  nimmt  keinen  An- 
stand, die  Hirschreste  vom  Hundsfluss  geradezu  als  C.  dama  zu 
bezeichnen.  Eine  vollständige  Uebereinstimmung  der  Zähne  oder 
sonst  einen  Beweis  für  die  Identität  mit  dama  habe  ich  jedoch 
nicht  gefunden.  Die  Molare  des  Unterkiefers  messen  14,  17,  20, 
die  des  Oberkiefers  15,  17,  18  mm.  Die  erste,  grössere  Form  der 
Libanonhirsche  ist  hienach  durchschnittlich  um  20%  grösser  als 
der  Damhirsch,  die  zweite  Form  dagegen  kleiner. 

Die  bis  jetzt  bekannten  Reste  sind  zu  mangelhaft,  um  ein 
Näheres  über  die  beiden  Hirsche  der  prähistorischen  Zeit  zu 
sagen,  ohne  Zweifel  finden  sich  bald  noch  bessere  Belege,  um 
ein  Näheres  zu  ermitteln.  Bis  dahin  enthalten  wir  uns  auch, 
mit  irgend  einem  Namen  die  Hirsche  zu  bezeichnen,  ob  es  gleich 
nahe  läge  die  beiden  Arten  mit  den  zwei  in  der  Schrift  ^^  ge- 
nannten 'Ajjäl  (1.  ßeg.  4,23)  und  jachmür  (5.  Mos.  14,5)  zu  ver- 
gleichen, zwei  Namen,  die  allerdings  als  Edelhirsch  und  Damhirsch 
gedeutet  werden,  ob  dies  gleich  nichts  weniger  als  feststeht. 

Die  andere  nicht  minder  interessante,  jedenfalls  auch  ebenso 
häufige  Thiergruppe  aus  der  Höhlenzeit  gehört  dem  Genus: 
Capra  an.  Auch  hier  haben  wir  2  Formen  zu  unterscheiden. 
Die  eine  trägt  so  sehr  den  Typus  des  Sinaibockes  Capra  sinai- 


^°  Vergleiche  hiemit  Dr.  E.  C.  A.  Hie  hm,  Handwörterbuch  des 
biblischen  Alterthums  pag.  619. 


—     379     — 

tica,  dass  ich  einen  Unterschied  nicht  machen  möchte,  die  andere 
ist  wesentlich  grösser.  Die  einzelnen  Zähne  verhalten  sich  zum 
Sinaibock  wie  25 :  20.  Ich  nenne  die  Art  Gapra  primigenia  unter 
dem  Vorbehalt  der  näheren  Vergleichung  weiterer  Funde  mit  den 
von  P.  G-ervais  genannten  Arten  Bozeti  Vomel  und  Aegagrus 
Cuvier,  die  als  Altersgenossen  des  Mammuth  bezeichnet  werden. 
Gerne  sehe  ich  in  Capra  primigenia  die  Stammrasse  der  Haus- 
ziege,  welche  wenigstens  in  den  deutschen  Höhlen  bis  jetzt  nicht 
gefunden  wurde  und  erst  in  der  verhältnissmässig  jungen  Zeit 
der  Pfahlbauten  auftritt.  Der  Gedanke  liegt  nun  sehr  nahe,  dass  im 
Land  der  Phöniken  die  so  werthvolle  Hausziege  zuerst  gezähmt 
wurde.  Haben  doch  die  Phöniken  nach  den  übereinstimmenden 
Zeugnissen  der  Griechen  zuerst  sich  Hausthiere  gezüchtet  und 
Gewächse  gebaut,  an  denen  beiden  sie  aus  dem  halbbarbarischen 
Zustand  der  Wandervölker  zu  einem  stationären,  Ackerbau  trei- 
benden Volk  sich  emporschwungen. 

Ausser  diesen  erwähnt  L artet  noch  eine  Antilope,  ein 
kleines  Geschöpf,  dessen  Zähne  nicht  selten  sind,  das  aber  einen 
Namen  noch  nicht  trägt.  Zur  näheren  Untersuchung  dieser 
Reste  gehört  überhaupt  noch  ein  ganz  anderes  reicheres  Material, 
als  das  mir  zu  Gebot  stehende ,  das  eben  gelegentlich  der  geo- 
gnostischen  Landesaufnahme  einfach  mit  dem  Hammer  von  mir 
ausgegraben  wurde.  Die  Einzigen,  die  hierüber  Aufklärung  zu 
verschaffen  vermögen,  sind  gegenwärtig  die  protestantischen 
Missionare  im  amerikanischen  College  zu  Beirut,  welche  mit 
Hilfe  ihrer  eingeborenen  Schüler  Ausgrabungen  veranstalten 
können.  Ich  möchte  denselben  die  Lösung  dieser  so  hoch  inter- 
essanten prähistorischen  Fragen  aufs  angelegentlichste  empfohlen 
haben. 

Der  Libanon  ist  das  Land  der  Höhlen.  In  Stunden 
langen  Höhlen  fliessen  Bäche  und  Flüsse,  hier  hervorbrechend, 
dort  wieder  verschwindend,  kein  Thalgehäng,  keine  Felswand,  wo 
nicht  Grotten  und  durchlöcherte  Felsen  zu  finden  wären,  Hunderte 
von  Wohnungen  sind  heute  noch  zur  Hälfte  natürliche  Höhlen, 
vor  welche  eine  Mauer  mit  Hausgang  und  Fenster  gesetzt  ist, 
das  berühmteste  aller  Libanonklöster,  das  alte  Kannobin,  an  die 


—     380     — 

steilabfallenden  Dolomitfelsen  des  Kadischathales  angeklebt,  ist 
halb  Höhle,  in  welcher  mit  wenig  künstlicher  Nachhilfe  Wohn- 
gelasse, Stallungen  und  Keller  angebracht  sind.  In  und  an  den 
meisten  dieser  Höhlen  ist  die  glaciale  Breccie  zu  beobachten. 
Ich  bin  der  festesten  Ueberzeugung,  dass  Ausgrabungen  im 
Innern  dieser  Klosterräume  überall  prähistorische  Data  uns  an 
die  Hand  liefern  würden. 

Nicht  minder  als  die  Höhlen-  und  Grottenfunde  und  die 
Ausbeute  in  der  terra  rossa  verdienen  die  älteren  Kalktuffe 
in  der  Nähe  der  Quellen  unsere  Aufmerksamkeit.  Eine  dieser 
Lokalitäten  wurde  von  mir  näher  untersucht,  sie  liegt  130  m 
unter  den  Cedern,  wo  die  Kadischa-Quelle  unterhalb  des  Moränen- 
schuttes wahrscheinlich  aus  dahinter  liegendem  Sandgebirge  durch 
einen  engen  Spalt  hervorbricht.  Tosend  bricht  der  starke  Quell  aus 
seiner  Höhle,  um  sich  sofort  in  Kaskaden  von  gegen  100  m  über 
die  Felsen  zu  stürzen  und  im  Sturz  sich  in  Staub  aufzulösen. 
Die  Felsen  gehören  alle  der  Moräne  an,  denn  sie  bestehen  aus 
einem  Felsenschutt,  der  dem  Machmel  entstammt,  wahre  Riesen- 
breccien  von  glatten,  rauhen,  weissen,  grauen,  löcherigen  Kalken, 
Dolomiten  und  Mergeln.  Der  Schutt  ist  durchgängig  durch 
Kalkwasser  cementirt  und  hat  nach  Massgabe  der  späteren  Erosion 
die  kühnsten  Gestalten  angenommen,  zu  welchen  sich  nur  eine 
Phantasie  aufschwingen  kann.  In  den  letzten  bis  gegen  Bscherre 
vorgeschobenen  Felsen  hat  sich  das  Kloster  Mar  Sarkis  ein- 
gegraben, von  welchem  nur  eine  schmale  weinumrankte  Terrasse 
sichtbar  ist.  Die  Kirche,  die  Wohnräume  und  Zellen  sind  alle 
im  Felsen.  Luft  und  Licht  fällt  durch  schmale  Luken  ein. 
Diese  Moräne,  die  von  ihrem  Anfang  bei  den  Cedern  bis  nach 
Bscherre  in  einer  Höhendifferenz  von  400  m  sich  erstreckt,  weist 
an  verschiedenen  Stellen  Kalktuffe  auf,  die  theilweise  mit  den 
Abdrücken  von  Pflanzenresten  erfüllt  und  von  Eöhren  durchzogen 
sind,  die  von  Schilfen  und  Gräsern  herrühren.  Am  bekanntesten 
aber  sehen  die  Abdrücke  von  Blättern  aus,  von  welchen  eine 
Anzahl  gesammelt  wurde.  Leider  gingen  die  meisten  Handstücke 
beim  Transport  schon  über  die  Berge  und  Schluchten  des  Liba- 
non   zu    Grund.      Der  Kalksinter,    in    welchem    die   Blätter   ab- 


—     381     — 

klatschten,  ist  in  einer  Weise  zerreiblich  und  bröckelig,  dass 
dessen  Fixirung  ohne  Leimwasser  nicht  möglich  ist.  Bis  diess 
geschah,  war  der  grössere  Theil  zerfallen.  Doch  Hessen  sich  noch 
bestimmen  die  Blätter  von  Eichen,  Buchen,  Ulmen  und 
Haselnuss.  Eichen  sind  zwar  noch  im  Libanon,  es  sind  aber 
andere  Arten,  als  die  Quercus  pedunculata  und  sessiliflora,  welche 
unsere  deutschen  Wälder  kennzeichnet.  Dagegen  weisen  die  bei 
Bscherre  ersamraelten  Stücke  auf  unsere  grossblätterige  Art,  welche 
mit  der  kleinblätterigen  Kermeseiche  oder  der  stachelblätterigeu, 
immergrünen  Art  des  Libanons  nicht  gemein  hat.  Der  gleiche 
Fall  ist  mit  der  Haselnuss,  man  sucht  sie  vergeblich  unter  den 
wildwachsenden  Sträuchern  des  Libanons.  Noch  weniger  sind 
Ulmen  und  Buchen  in  Syrien  zu  finden. 

Die  Funde  der  Blattabdrücke  genannter  Bäume  spricht  nach 
meiner  Ansicht  mit  grosser  Bestimmtheit  für  ein  wesentlich  ver- 
ändertesKlima,  in  welchem  annähernd  ein  Baumschlag  herrschte, 
wie  er  z.  B.  heutzutage  in  Deutschland  zu  treffen  ist  bei  einer 
Meereshöhe  bis  zu  400  m  Laubwald  deckte  die  Berge  in  prä- 
historischer Zeit,  bis  das  „feuerschnaubende  Ungeheuer  Aegis" 
(Diodor  3,70)  die  Wälder  anzündete.  Später  wurde  dessen  Fell 
zum  Schilde  des  Wolken  erschütternden  Zeus.  Sturm  und  Wetter, 
nicht  etwa  Menschenhand,  änderte  jedoch  dieses  Klima,  über 
dessen  Existenz  nur  noch  die  Abdrücke  der  Blattleichen  uns 
dunkle  Kunde  geben.  Eine  einzige  Art  nur  von  den  Bäumen  der 
prähistorischen  Zeit  hat  die  Wandlung  des  Klimas  mit  durch- 
gemacht, die  Cedern  des  Libanons,  von  denen  eine  kleine  An- 
zahl noch  übrig  ist. 

Für  die  weite  Verbreitung  der  Ceder,  Pinus  cedrus  in 
früherer  Zeit  sprechen  die  Zeugnisse  des  Alten  Testaments, 
wornach  nicht  bloss  zum  Bau  der  Tempel  und  der  Paläste  zu 
Jerusalem  Cederuholz  als  Bauholz  verwendet  wurde,  sondern  die 
Schiffe  (Mastbäume)  der  tyrischen  Flotte,  die  Yertäferung  der 
Wohnungen,  Schnitzwerke,  Götzenbilder  u.  dergl.  aus  dem  duften- 
den, harzreichen  Holz  hergestellt  wurden.  Wenn  ferner  die 
Schrift  gerade  die  Ceder  zum  Ideal  von  königlicher  Pracht, 
Schönheit  und  Majestät  macht,  und  sie  als  Urbild  der  Ehrwürdig- 


—     382     — 

keit  darstellt,  so  darf  man  wohl  annehmen,  dass  schon  in  den 
alttestamentlichen  Zeiten  solche  Riesenbäume  zu  schauen  waren, 
wie  heutzutage  nur  noch  5  Exemplare  existiren.  Eben  damit 
reichen  sie  schon  in  die  prähistorische  Zeit,  aus  welcher  sie  die 
historische  Zeit    ererbt    hat. 

Im  Jahr  1550  zählte  Bellonius  die  alten  Bäume  und 
fand  28  Stück,  1573  zählte  Dr,  ßauchwolf  24,  Pococke  im 
Jahr  1754  nur  noch  15,  Burckhardt  im  Jahr  1810  11—12, 
Eussegger  1836  7,  im  Jahr  1875  waren  es  noch  5.  Man 
kann  nach  diesem  stetigen  Abgang  der  alten  Bäume,  welche 
den  Stürmen  und  Gewittern  erliegen,  mit  grosser  Bestimmtheit 
voraussagen,  dass  ums  Jahr  1940  keiner  der  alten  salomonischen 
Bäume  mehr  am  Leben  sein  wird.  Dies  aber  ist  der  beste 
Beweis  dafür,  dass  die  Cedern  heutzutage  nicht  mehr  in  dem 
ihnen  zuträglichen  Klima  und  auf  dem  ihrem  Gedeihen  ent- 
sprechenden Standort  stehen.  Jetzt  gedeiht  bekanntlich  in  Mittel- 
europa, ja  sogar  am  Kanal,  der  Nordsee  und  Ostsee  die  Libanon- 
ceder  besser  als  am  Libanon.  Es  verhält  sich,  wie  es  scheint, 
mit  den  natürlichen  Zuständen  eines  Landes  nicht  anders,  als 
mit  den  Erzeugnissen  des  menschlichen  Geistes,  der  gewisse  Sitze 
des  Planeten  verlässt,  um  anderswo  Blüthen  und  Früchte  zu 
treiben. 

Wasser  und  Qellen  am  Libanon. 

Bei  Waldesdunkel  und  Wiesengrün  lernt  man  den  Werth 
einer  Quelle  niemals  schätzen.  Erst  wenn  der  Abendländer 
einmal  sich  nach  Osten  wendet  und  in  den  Bereich  des  grossen 
Wüstengürtels  kommt,  dessen  Grenze  die  syrischen  Lande  bilden, 
erst  wenn  man  selbst  Tage  lang  mit  vertrockneter  Zunge  den 
von  der  Sonne  durchglühten,  staubigen  Boden  durchmessen  hat, 
versteht  man  die  Begeisterung  der  arabischen  Dichter,  wenn  sie 
eine  frische  Gebirgsquelle  schildern  und  gewissermassen  die  ganze 
Fülle  menschlichen  Glückes  an  den  lebendigen  Born 
eines  fliessenden  Wassers  knüpfen.  Ist  doch  das  Paradies 
nach  dem  Koran  ein  Baumgarten  mit  fliessendem  Wasser  und  eine 


—     383     — 

Stadt  wie  Damaskus  der  Abglanz  des  Paradieses,  die  „Perle  des 
Orients",  die  zu  preisen  der  Dichter  nie  aufhört.  Der  Abend- 
länder freilich  begreift  das  schwer,  er  verlässt  als  vorsichtiger 
Mann,  sobald  es  Abend  wird  ,  die  Gartenhaine  (Ghüta)  von  Da- 
mask,  die  ihm  schliesslich  Wechselfieber  und  Dysenterie  eintrügen, 
und  kann  vom  Standpunkt  der  allgemeinen  Gesundheitspflege  die 
Berieselung  einer  Stadt  nicht  gut  heissen,  in  deren  Untergrund 
alles  Wasser  versinkt,  das  nicht  zuvor  an  der  Luft  verdunstet. 
Der  Wasserspender  für  Damaskus  aber  ist  der  Bärada  (der 
Kalte),  der  vom  Mittelpunkt  des  Antilibanos  her  (Djebel  Zebe- 
däni)  das  Gebirge  von  West  nach  Ost  durchbricht  und  zugleich 
mit  dem  Nähr  Awadj,  der  vom  Hermon  her  kommt,  die  syrische 
Hauptstadt  bewässert.  Eilenden  Laufes  kommen  die  Wasser  in 
der  Ebene  an,  frischer  und  besser  als  alle  Wasser  in  Israel 
(II  Könige  5,12),  um  aber  hinter  den  Gärten  der  Stadt  in  grossen 
Sümpfen  (sog.  Wiesenseen)  zu  verschwinden. 

Selbstredend  sind  die  hohen  Berge,  deren  Gipfel  in  den 
Wolken  thronen,  die  Sammler  der  meteorischen  Wasser.  Sie 
beschlagen  sich  mit  den  Wasser  dünsten,  die  dem  Meer  entsteigen 
und  vom  October  bis  zum  März  in  diesen  Höhen  als  Schnee 
niederfallen.  Während  nun  vom  Mai  an  bis  in  die  2te  Woche 
des  September  es  in  Syrien  in  der  Regel  nicht  mehr  regnet 
und  alle  Oberfläche  verdorrt,  die  nicht  berieselt  werden  kann 
oder  durch  den  Untergrund  befeuchtet  ist,  ist  der  unter  der 
Sonne  schmelzende  Schnee  des  Hochgebirgs  die  grosse  Vorraths- 
kammer,  aus  welcher  die  Gebirgsquellen  gespeist  werden. 

Die  Schichtung  des  Gebirgs  einerseits  mit  einem  Wechsel 
zahlloser  Bänke  und  die  Zerklüftung  des  Gebirgs  andererseits  ist 
der  Grund,  dass  die  niedersinkenden  Schneewasser  in  grösseren 
Quellen  zum  Ausbruch  kommen.  Dies  ist  ja  der  wohlbekannte 
Charakter  aller  ausgedehnten  Kalkgebirge,  wie  z.  B.  der  schwä- 
bischen Alb,  des  fränkischen  Juras,  des  hohen  Karst  u.  A. 
Entweder  treten  die  Wasser  in  Töpfen  und  Kesseln  aus,  wenn 
die  Quelle  am  Fuss  des  Gebirges  liegt,  oder  brechen  sie 
aus  Grotten  und  Höhlen,  wenn  innerhalb  des  Hochgebirgs. 
Die  Wassermenge  ist  vielfach   eine  ganz    gewaltige,    also    dass 


—      384      — 

40  Cubik  -  Fuss  in  der  Sekunde  und  darüber  zum  Ausguss 
kommen. 

Im  südlichen  Libanon  beginnend  kommen  wir  zuerst  in  das 
Quellgebiet  des  Awali,  der  einige  Kilometer  nördlich  Saida  ins 
Meer  schleicht.  Ehe  er  die  Ebene  erreicht,  zweigt  vor  ihm  die 
Wasserleitung  für  Saida  ab ,  hier  ist  auch  die  alte  Brücke  von 
Fachreddin,  die  aber  nur  zur  Regenzeit  benützt  wird,  wenn  der 
Awali  anschwillt.  Für  gewöhnlich  wird  der  Fluss  durchritten 
und  durchwatet.  20  km  von  seiner  Mündung  im  Distrikte  Schuf 
kommen  die  beiden  Quellarme,  der  eine  von  Nord-Ost-Nord 
(Arküb),  der  andere  von  Süd-Ost-Süd  (Djezzin)  zusammen.  Der 
nördliche  Arm  ist  der  Bärük,  der  nunmehr  seinen  Namen  ver- 
liert, der  südliche  heisst  Awali,  der  am  Fusse  des  Niha  hinter 
dem  freundlichen  Christenstädtchen  Djezzin  entspringt.  Die  Quelle 
bricht  bei  1000  m  ü.  d.  M.  am  Ende  des  engen  wasserlosen 
Trockenthals  unter  einer  Felsbank  hervor.  Genau  betrachtet  ist 
es  eine  Felsenecke,  durch  2  Klüfte  in  hora  12  und  hora  6 
gebildet.  Aus  der  hora  12  Fuge,  also  in  der  Richtung  des 
Trockenthals  quillt  das  Wasser,  das  nach  einer,  allerdings  nur 
flüchtig  gemachten  Messung  bei  der  Mühle  390  Liter  in 
der  Sekunde  schüttet.  Die  Temperatur  des  Wassers  beträgt 
13°   C. 

Die  Felsbank,  unter  welcher  die  Quelle  hervorbricht,  ist  die 
Gastropoden -(P^erocerös)  Bank,  über  welcher  sich  200  m  Ru- 
distenkalke  erheben  (s.  das  Profil  Seite  333).  In  dem  ganzen 
System  von  Kalk,  Schiefer  und  Mergel  haftet  das  Wasser  nir- 
gends, das  vielmehr  durch  die  schon  bezeichneten  Streich-  und 
Fallklüfte  in  die  Tiefe  geht,  in  einer  der  Hauptklüfte,  welche 
auch  das  Trockenthal  vorgezeichnet  haben,  sich  sammelt  und  am 
Ende  des  Thals  zu  Tage  kommt.  Unterhalb  des  Städtchens  stürzt 
sich  der  kaum  geborene  Awali  über  den  schauerlichen  Felsen- 
kranz, der  meilenweit  das  Thal  umsäumt,  in  die  Tiefe.  Sein 
Fall  beträgt  73  m,  bei  dem  er  übrigens  einmal  aufschlägt  um 
fast  ganz  zerstäubt  auf  den  Basaltiten  von  B'kessin  sich  wieder 
zu  sammeln  und  sich  von  da  immer  tiefer  und  tiefer  in  die 
Sandsteinformation  einzuwühlen.     Nach  5  km  direkter  Entfernung 


—     385     — 

erweitert  sich  das  enge  Thal  in  die  Lichtung  der  Bärükmimdung 
(543  m),  was  einem  Gefäll  von  1 :  10  entspricht. 

Der  Barük  entspringt  oberhalb  des  gleichnamigen  Drusen- 
dorfes im  gleichen  Horizont  wie  der  Awali  am  Fuss  des  Djebel 
el  Barük.  Diese  Gegend  ist  die  eigentliche  Heimat  der 
Drusen,  die  in  dem  wunderbar  schönen,  reichen  Drusensitz  Much- 
tära  in  der  Familie  der  Djombelät  ihren  politischen  Mittelpunkt 
haben.  Der  Fluss  lauft  von  Muchtära  an  im  Sandgebirge  in 
schmaler  Rinne  mit  unzugänglichen  Wänden,  die  sich  senkrecht 
zu  bis  200  Meter  erheben  und  eine  der  grausigsten  Fels- 
schluchten bilden,  die  im  südlichen  Libanon  zu  treffen  sind. 
Der  Barük  vereinigt  sich  mit  dem  Awali  in  einer  durch  üppigen 
Baumschlag  ausgezeichneten  reizenden  Niederung,  in  welcher 
Granitsäulen  und  Tempelreste  von  altphönizischer  Kultur  Zeug- 
niss  ablegen.  Von  hier  bricht  scliliesslich  der  Awali  durch  eine 
Querspalte  in  den  oberen  Kreidefelsen  zur  Küstenebene  durch, 
verliert  aber  dabei  nicht  unerheblich  von  seinem  Wasser,  das 
durch  Querklüfte  entweicht,  um  auf  näherem  unterirdischem  Wege 
in  der  Ebene  von  Saida  in  Gestalt  kleinerer  Quellen  zu  erscheinen, 
die  sozusagen  das  üebereich  der  Grundwasser  in  der  Ebene 
bilden. 

2.  Der  andere  Fluss,  der  nur  15  km  nördlich  vom  Awali 
in  nahezu  gleicher  Mächtigkeit  wie  dieser  sich  ins  Meer  ergiesst 
und  zwar  unmittelbar,  ohne  zuvor  ein  Küstenland  zu  durchfliessen, 
sobald  er  die  Querspalte  in  den  Kreidefelsen  verlässt,  ist  der 
Tamyras  der  Alten,  heute  Dämür  geheissen,  er  zeigt  wesentlich 
andere  Verhältnisse  als  der  Awali  und  unterscheidet  sich  dadurch, 
dass  alle  seine  Quellköpfe  in  das  Gebiet  der  Sandsteinformation 
fallen.  Seine  Quellen  sind  nicht  einzelne  grosse  Sammelquellen, 
die  vielleicht  Stunden  weit  in  unterirdischem  Lauf  zusammen- 
rinnen, sondern  eine  Menge  kleinerer  Quellen,  die  in  der  Wasser 
haltenden  Formation  ihren  Ursprung  haben.  Daher  kommt  es 
auch,  dass  der  Damür  nur  8  km  von  seiner  Mündung  entfernt, 
beim  Dorfe  el  Hadeth  seinen  Namen  verliert.  Kurz  vorher  hatte 
der  Nabr  el  Hamman  ihn  vergrössert.  Vier  bis  fünf  Zuflüsse 
kommen  von  Norden  her   aus  dem  Djurd,    wir    nennen   nur  Ain 

Württemb.  naturw.  Jahreshefte.     1878.  25 


—      386     — 

Sofar  (1369  m  ü.  d.  M.),  den  Gendarmerieposten  an  der  grossen 
Strasse,  wo  ein  köstliches  Wasser  von  12  ^  C  aus  der  braunen 
Kreide  quillt;  das  Hauptwasser  aber  kommt  aus  dem  Wädi 
Andtura,  wo  Ain  Sofar  bei  Ain  Zehalte  gleichfalls  ein  12  •^  R. 
haltendes  herrliches  Wasser  schüttet.  Aus  dieser  Quelle  Hess 
vor  50  Jahren  der  gewaltige  Emir  Beschir,  der  letzte  Bergfürst 
des  Libanon  aus  der  weitverzweigten  Familie  el  Schehäb  die 
Wasser  nach  Beteddin  leiten,  um  seinem  Fürstensitz  für  dessen 
zahlreiche  Springbrunnen,  Bäder  und  Seen  das  nöthige  Frisch- 
wasser zuzuführen.  Auch  die  Quelle  el  Audi  an  der  Grenze  der 
Kalk-  und  Sandformation  gibt  ihr  Wasser  in  das  Safathal  ab. 
Weiter  hin  gehören  die  Quellen  im  Gebirg  von  Gharb  und  Schehär 
samt  und  sonders  Weher,  die  beliebten  Sommersitze  der  Europäer 
und  Amerikaner  wie  Aleih,  Sük  el  gharb,  Arnüb,  Abeih,  Ara- 
mün,  Bawirte  u.  s.  w.  Allenthalben  quillt  frisches  Wasser  aus 
den  Sandschichten  und  rinnt  in  den  Schluchten  zusammen.  So- 
bald aber  die  Sandschichten  aufhören,  die  in  geraden  Spalten- 
linien gegen  die  Kalkformation  abschneidet,  verrinnen  die  W^asser 
im  Kalk,  die  Thalschlucht,  eben  noch  vom  lustigen  klaren  Bach 
durchströmt,  wird  zur  trockenen  Felsschlucht  und  der  Bach  er- 
reicht höchstens  zur  Zeit  der  starken  Regengüsse  das  Meer. 
Wenn  aber  in  der  Ebene  die  Quellen  wieder  zum  Vorschein 
kommen,  wie  zu  Schuweifät  und  Hadeth,  ist  die  Temperatur  erhöht, 
so  die  letztere  Quelle  auf  20^  C,  die  unter  harten  löcherigen 
Kalkfelsen  nicht  ohne  Beigeschmack  von  Schwefelwasserstoff 
ausbricht. 

3.  Wieder  anders  der  Nähr  el  Beirut,  der  die  heisse 
Küstenebene  zwischen  der  Stadt  und  dem  Gebirge  bewässert,  wobei 
er  gleich  den  andern  einen  beträchtlichen  Theil  seines  Wasser- 
quantums einbüsst.  Auch  er  durchbricht  in  enger  Felsenschlucht 
das  Gebirge,  hinter  welchem  er  in  seinen  zwei  Armen,  Hammäna 
und  Salima,  die  vielen  Sandsteinwasser  der  fruchtbaren  Provinz 
Metn  sammelt.  Während  der  Salima  bis  zu  seinem  eigentlichen 
entferntesten  Quellkopf  der  Neba  Beleihe  (1227  m)  sich  im 
Gebiet  des  Sandsteins  bewegt,  der  zu  den  Füssen  der  Sannin- 
ausläufer   das  Taggebirge   bildet,    entspringt   der  Hammäna   bei 


—     387     — 

1110  m  am  Keneise  unter  einer  2  m  mächtigen  Austern- 
bank und  einem  üeberhang  von  mindestens  100  m  hohen  Felsen. 
Senkrecht  abfallend  bilden  sie  einen  schauerlichen  Kranz  um  die 
Quelle.  In  dieser  Felsenöde  hört  man  keinen  andern  Laut  als 
das  Tosen  der  Quelle,  die  1  m  hoch  unter  der  Felsbank  auf- 
springt, um  alsbald  sich  40  m  tief  über  einen  Wechsel  von  Thonen 
und  Kalken  hinabzustürzen,  der  an  der  unzugänglichen  Wand 
ansteht.  Auf  den  Basaltiten  von  Hammana  sammelt  sich  das 
Wasser  wieder  und  laufen  ihm  von  allen  Seiten  aus  der  Sand- 
und  Basaltitformation  Zuflüsse  zu. 

4.  Der  Hundsfluss,  Nähr  el  Kelb  (Lykos  der  Griechen)  ist 
wegen  seien  Felseninschrift  (Seite  371)  der  bekannteste  Strom 
des  Libanon,  heutzutage  wegen  der  Wasserversorgung  der  grossen 
Stadt  Beirut  für  diese  vom  höchsten  Werth.  Geologisch  ist  er 
der  eigentliche  Felsenstrom,  der  an  den  Höhen  des  Sannins  viel- 
fach direkt  aus  den  Schneeschmelzen  sich  sammelt  und  in  lauter 
Wasserfällen  und  Katarakten  durch  die  Thäler  des  Wädi  Sannin, 
Wädi  el  Leben,  Wädi  Asal  der  Tiefe  zustürzt.  Wegen  der  Un- 
bändigkeit seiner  Wasser  gaben  ihm  die  Alten  seinen  Namen. 
Bei  der  Felsen-Natur  dieses  Wassergebietes  ist  es  begreiflich,  dass 
der  Lauf  des  Stroms  vielfach  auch  ein  unterirdischer  ist.  Abgesehen, 
dass  verschiedene  sog.  Naturbrücken  existiren,  unter  welchen 
Djisr  el  hadjar  die  bekannteste  ist,  welche  24  m  breit  den 
Milchfluss  (N.  el  Leben)  überbrückt,  wurde  bereits  der  Höhle  Er- 
wähnung gethan,  welche  die  englischen  Ingenieure  Maxwell 
und  Schäfer  in  einer  Längenerstreckung  von  1200  m  ver- 
folgt haben.  Die  Höhle  ist  auf  ilirem  Grund  zu  einer  grausigen 
Schlucht  verengt,  durch  welche  ein  Bach  tost,  der  am  Ende  der 
Höhle  in  der  Hundsgrotte  zum  Ausbruch  kommt.  Die  Höhle 
ist  reich  an  Abwechslung,  bald  enger  bald  weiter,  bald  höher 
bald  niedriger,  wie  das  auch  sonst  Höhlencharakter  ist  und  die 
Phantasie  findet  hier  ein  weites  Feld  bei  den  Schauern  der 
Unterwelt  sich  zu  ergehen.  Der  unterirdische  Höhlenlauf  des 
Nähr  el  Kelb  ist  genau  in  derselben  Richtung  wie  der  oberirdische 
Lauf,  d.  h.  beiden  liegen  die  Parallelspalten  zu  Grund,  welche 
einst  bei  der  Gebirgsbildung  entstanden.    Genaue  Messungen  des 

25* 


—     388      — 

Wassers  im  Oberlauf  des  Stroms  könnten  leicht  zu  der  Stelle 
führen,  wo  das  Tagewasser  sich  in  die  Tiefe  zieht,  um  eine  Zeit 
lang  unterirdisch  seinen  "Weg  zu  suchen. 

Namentlich  werden  es  Erdbeben  sein,  welche  das  Ver- 
schwinden von  Wassern  in  dieser  Felsengegend  veranlassen.  So 
sah  man  in  der  nur  wenige  Kilometer  entfernten  Anteliasgrotte 
vor  dem  Jahr  1837  in  dieser  noch  das  Wasser  des  Nähr 
Autelias  seinen  Ursprung  nehmen  (bei  44  m  ü.  d.  M.)  In  dem 
genannten  Erdbebenjahr  verschwand  die  Quelle  und  brach  an  der 
Stelle  ihres  heutigen  Ursprungs  nur  1  km  vom  Meer  entfernt 
in  einem  Niveau  von  20  m  ü.  d.  M.  aus.  Während  das  Wasser 
früher  von  der  Grotte  an  bis  zur  heutigen  Quelle  zu  Tage  lief, 
lauft  es  jetzt  unterirdisch  und  ist  die  alte  Grotte  in  sich  ver- 
stürzt. Auf  welche  Erstreckung  hin  mag  das  Wasser  weiter  her 
schon  im  unterirdischen  Lauf  sich  sammeln? 

5.  Wie  beim  Hundsfluss  gestaltet  sich  die  Sache  auch  beim 
Nähr  Ibrahim,  dem  Adonis  der  Alten,  der  vom  Djebel  Mneitri 
her  sich  sammelt  und  in  der  Grotte  von  Afka  seinen  Tageslauf 
beginnt.  Er  entspringt  an  der  Grenze  der  hier  tiefrothen  Sand- 
steinformation und  der  Mergel;  die  erstere  färbt  das  Wasser  zur 
Zeit  der  Schneeschmelze  und  der  ausserordentlichen  Regengüsse 
blutroth  und  hat  offenbar  die  Sage  vom  Blut  des  Adonis,  das 
den  Strom  färbe,  von  Aphrodite  aber  in  Rosen  (Adonisröschen 
blühen  hier  im  ersten  Frühling  in  Unzahl)  verwandelt  werde, 
hier  ihren  Sitz.  Von  Afka  stürzt  sich  der  Strom  in  die  tiefen 
Schrunde  der  Dolomite.  Keine  Möglichkeit  neben  dem  Strom 
noch  einen  Thalweg  anzubringen ,  hat  doch  oft  der  reissende 
Strom  selber  kaum  Platz  in  dem  Thal.  Erst  kurz  vor  seiner 
Mündung  erweitert  sich  das  Thal,  wo  der  Fluss  aus  dem  Gebiet 
der  Dolomite  mittelst  einer  gewaltigen  Verwerfung  in  das  der 
oberen  milden  Kreidemergel  gelangt,  die  hier  zu  unterst  liegen. 

6.  Zahmer  als  die  beiden  letztgenannten  Flüsse  ist  der  Nähr 
el  Djöz,  (Djauz)  der  nur  in  seinen  Quellflüssen  im  hohen  Tannurin 
in  unzugänglichen  wilden  Schluchten  sich  sammelt.  Seine  Wasser- 
sammler sind  die  Moränen,  hinter  welchen  die  Sandsteinformation 
liegt.     Sobald  er  aber  in  der  Breite   von  Duma  das  eigentliche 


—     389     — 

Djözthal  erreicht  hat,  bettet  er  sich  in  den  oberen  Turou-  und 
Sennonmergeln,  in  welchen  er  sanftere  Gehänge  geschaffen  hat. 
Er  bildet  hier  die  Grenze  zwischen  den  Distrikten  Batrün  und 
Küra,  bis  er  nördlich  der  Stadt  Batrün,  der  alten  phönikischen 
Feste  Botrys,  den  Weg  ins  Meer  findet. 

7.  Ganz  ähnlich  sind  die  Quellen  und  der  Lauf  des  „hei- 
ligen" Flusses  des  Nähr  Kadischa,  der  (Seite  380)  seine  Haupt- 
quelle in  der  Moräne  unterhalb  des  Cedernhaines  hat.  Auch 
hier  ist  die  Sandsteinformation  in  der  Höhe  von  Bscherre,  wo 
aus  jeder  Thalschlucht  frische  Wasser  niederrinnen,  um  sich 
unterhalb  Blöza  in  der  tiefen  Felsenschlucht,  an  welcher  das 
Kloster  Kannobin  klebt,  zu  sammeln.  Statt  nun  aber  nach  dem 
Verlassen  des  Felsengebiets  direkt  dem  Meer  zuzueilen,  wird 
der  Fluss  durch  seinen  eigenen  alten  Moränenschutt  in  der  un- 
teren Küra,  die  sich  vor  ihn  legt,  nach  Norden  getrieben.  Er 
durchfliesst  nun  die  fruchtbare  Ebene  des  Küra  und  Zäwiye. 
Unter  den  Zuflüssen  vom  Gebirge  her  erwähne  ich  nur  der  grossen 
Quelle  Raschln  hinter  Zgharta,  die  zum  mindesten  50  Cubikfuss 
in  der  Sekunde  schüttet,  als  eine  der  schönsten  Kesselquellen 
der  Ebene.  Eine  Reihe  solcher  Kesselquellen  wie  die  Engel- 
quelle und  die  Quelle  Mukattem  drückt  sich  hier  als  am  Aus- 
gehenden des  Kreidegebirgs  aus  dem  Schutt.  Bei  der  grossen 
Wassermasse,  welche  sie  liefern,  ist  ein  langer  unterirdischer 
Lauf  in  dem  durchhöhlten  Kalkgebirge  selbstverständlich. 

Die  Quellen  im  Ostabhang  des  Libanon  haben  weniger 
zu  bedeuten,  einmal  weil  sie  nur  unbedeutend  sind,  zum  Andern 
weil  ihnen  das  Charakteristische  fehlt,  das  den  westlichen  Quellen 
eigen  ist.  Nennenswerth  ist  nur  der  Ursprung  des  Bardüni, 
der  in  der  engen  Querschlucht  von  Zachle  eigentlich  noch  in  das 
System  der  westlibanesischen  Quellen  gehört.  Hinter  Aferain 
^brechen  zwei  Quellen  von  8  ^  C.  aus  einem  Felsenloch.  Die  Schich- 
ten stehen  unter  einem  Winkel  von  7  ^  auf  dem  Kopf.  Den 
Quellsammler  bildet  auch  hier  der  Sand,  der  sich  einige  100  m 
oberhalb  der  Quelle  von  Azirte  aus  am  Ostfuss  des  Sannin 
hinzieht. 

Die    anderen    Quellen   gehören    der   Moräne    an    und    dem 


—     390      — 

wahrscheinlich  glacialen  Schutt,  der  in  der  Bekäa  die  Hauptrolle 
spielt.  So  Ainäta  auf  dem  Weg  von  Der  el  achmar  zum 
Cedernpass  (Djebel  el  arz  2348  m),  deren  Wasser  in  den  Alpen- 
see Yammüne  läuft.  Ganz  in  der  Weise  der  Seen  in  den 
alpinen  Landschaften  oder  in  den  alten  glacialen  Landschaften 
Oberschwabens  verschüttete  einst  die  Moräne  den  Wasserlauf 
und  staute  die  Wasser,  die  theils  verdunsten,  theils  als  Grund- 
wasser sich  verziehen. 


Erklärung  der  Tafeln. 


Tafel  III. 

Fig.  1.     Cidarifes   glandarius     Lang.     Körper.     Ain   Ha- 

mäde.     pag.  283. 
Fig.  2 — 10.     Cidarites    glandarius  Lang.     Stacheln.     Ain 

Hamäde.     pag.  284. 
Fig.  11.    Cidarites  glandarius  Lang,    claviphoenix  Quenst. 

Ain  Hamäde.     pag.  284. 
Fig.  12.  13.    Cidarites  clavimorus  Quenst.     Ain  Hamäde. 

pag.  286. 

Tafel  IV. 
Fig.   1.     Ophiura  libanotica  König.     Hakel.     pag.  345. 
Fig.  2.     Geocoma  libanotica  König.     Hakel.     pag.  345. 
Fig.  3.     Ostrea  succini  Fraas.     Djebäa.     pag.  302. 
Fig.   4.     Salenia  petdlifera  Agass.    Ain  Hamäde.    pag.  287. 
Fig.  5.     Micrasfer  polygonus  de  Luc.     Batrün.     pag.   349. 
Fig.  6.     Sarcinula   Sälimae    Fraas.      Salimathal    bei    Ain 

Hamäde.     pag.  282. 
Tafel  V. 
Fig.   1  a  u.  b.    Astarte  libanotica  Fraas.    Dakün.    pag.  301. 
Fig.     2  —  5.     Trigonia  sijriaca  Conr.     Djebäa.     pag.  299. 


Fig. 

1. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

—     391     — 

Tafel  VI. 

Pseudastacus  Jiakelensis  Fraas.    Hakel.    pag.  346. 
Pseudastacus  minor  Fraas.     Hakel.     pag.  346. 
Geotheutis  Uhanotica  Fraas.     Hakel.     pag.  345. 
Ammonites  TrasMi  Gabb.    Sähil  Alma.    pag.  353. 
Gyrodus    syriacus   Fraas.     Gaumenplatte.     Hakel. 
pag  348. 
Fig.     6.     Ders.    Unterkiefer.     Quenst.     Hakel.     pag.  348. 

Tafel  VII. 

Badiolites  acuta  d'Orb.     Meifük.    pag.  340. 
Toxaster  pentagonalis  Fraas.     Salimathal.    p.  349, 
Lutraria  sinuata  Fraas.     Djebäa.     pag.  302. 
Badiolites  polyconilites  d'Orb.     Meifük.    pag.   341. 
Hippurites  Lewisit  Fraas.     Ain  Anüb.    pag.  330. 

Tafel  VIII. 
Nerinea  SchicJcii  Fraas.     Abeili.     pag.  324. 
Nerinea  gemmifera  Lart.     Abeih.     pag  324. 
Nerinea  longissima  ßeuss.     Abeili.     pag.  324. 
Mostellaria  Eustemi  Frass.     Abeih.     pag.  323. 
u.  b.     Globiconcha  Lewisii.     Abeih.  pag.  321. 
Neritopsis  ornata  Fraas.     Abeih.     pag.  322. 
Natica  patulaeformis  Fraas.     Abeih.     pag.  322. 
Turbo  Moreli  Fraas.     Abeih.     pag.  323. 
Actaeonella  Äbsalonis  Fraas.     Abeih.     pag.  321. 
Cerithium    provinciale    d'Orb.      Abeih,      variet. 

armatum  Fraas.     Abeih.     pag.  325. 
Cerithium  provinciale  pustulosum  Fraas.    Abeih. 

pag.  325. 
Cerithium  provinciale  plicatum,     Fraas.     Abeih. 

pag.  325. 
Fig.  13.     Cerithium    provinciale    niidum     Fraas.      Abeih. 

pag.  325. 


Fig. 

1. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig. 

1. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5 

Fig. 

6. 

Fig. 

7. 

Fig. 

8. 

Fig. 

9. 

Fig. 

10. 

Fig. 

11. 

Fig. 

12. 

üelier  den  HydroMmatit  yon  Nenenlilirg, 

Von  Professor   Dr.    Max   Bauer    in   Königsberg   i.   Pr. 


Als  ich  meine  im  Jahrgang"  1866,  pag.  168  ff.,  dieser  Jahres- 
hefte veröffentlichte  Dissertation  über:  „Die  Brauneisensteingänge 
von  Neuenbürg"  an  der  Enz  im  Schwarzwald  verfasste,  war 
meine  Aufmerksamkeit  noch  nicht  auf  das  oben  erwähnte  Mineral, 
Hydrohämatit,  gelenkt  worden,  ein  Eisenoxydhydrat,  das  sich  von 
anderen  ähnlich  zusammengesetzten  Mineralien,  Goethit,  Braun- 
eisenstein etc.,  wesentlich  durch  einen  geringeren  Wassergehalt 
unterscheidet,  den  geringsten,  der  in  dieser  Gruppe  beobachtet 
worden  ist,  der  5,3%  beträgt  und  der  auf  die  Formel  H2  0  . 
2  Fe2  O3  =  H2  Fe4  O7  führt. 

Ich  kannte  damals  bloss  die  Angabe  von  Hermann  ^  der 
von  den  Turginskischen  Kupfergruben  bei  Bogoslawsk  im  Ural 
den  nach  dem  benachbarten  Fluss  Turga  so  benannten  Turgit 
beschrieb,  ein  derbes  Mineral  mit  ebenem,  flachmuschligem,  matten 
Bruch,  das  in  splitterige,  scharfkantige  Bruchstücke  zerbricht, 
undurchsichtig  ist,  eine  braunrothe  Farbe  mit  braunrothem,  ins 
Ziegelrothe  gehenden  Strich,  eine  Härte  =  5  und  ein  spez.  Gewicht 
=  3,54  —  3,74  besitzt  und  dessen  Analyse  auf  die  oben  ange- 
gebene Formel  führt. 

Ich  kannte  aber  nicht  die  Stelle  in  dem  „Vollständigen 
Handbuch  der  Mineralogie"  von  Breithaupt  ^  mit  der  Be- 
schreibung des  Hydrohämatit  als  eines  dunkelrotben  ins  Graue 
fallenden,  faserigen  Minerals  von  oben  angegebener  Zusammen- 
setzung,   von  der  Härte  =  6^2 — 7^2    und    dem  spez.  Gewicht 


*  Journ.  für  prakt.  Chem.  33.  97.  1844. 
2  III.  486.  1847. 


—     393     — 

=  4,29 — 4,49  und  mit  blutrothem  Strich,  das  mit  Brauneisen- 
stein zusammen  bei  Siebensitz  im  Fichtelgebirge  und  mehrfach 
im  Siegen'schen  vorkommt. 

Aus  Unkenntniss  dieser  letzteren  Breithaupt'schen  An- 
gabe habe  ich  in  jener  Dissertation  den  Hydrohämatit  übersehen 
und  mit  Brauneisenstein  (braunem  Glaskopf)  verwechselt,  ein 
üebersehen  und  eine  Verwechslung,  die  wohl  auch  sonst  vielfach 
vorgekommen  sind,  da  dieses  Mineral  dem  braunen  Glaskopf  im 
Aussehen  und  besonders  im  Vorkommen  sehr  ähnlich  ist.  Nach 
meinen  Handstücken  zu  urtheilen  hat  es  in  den  Neuenbürger 
Gängen  eine  nicht  unbedeutende  Rolle  gespielt,  und  diess  ist  der 
Grund,  warum  ich  es  hier  gerne  noch  nachtragen  möchte. 

Beim  Auspacken  der  von  mir  seiner  Zeit  in  Neuenbürg  ge- 
sammelten Erzstufen  fiel  es  mir  bei  näherer  Betrachtung  derselben 
auf,  dass  an  den  meisten  Glaskopfstücken  die  charakteristische 
braune  Färbung  der  Fasern  auf  dem  Querbruch  nicht  ganz  bis 
zur  äusseren  nierenförmigrunden,  glänzend  schwarzen  Oberfläche 
gieng,  sondern  an  einem  Punkt  plötzlich  aufhört,  um  einer  dunkel- 
rothgrauen  Farbe  bis  zu  jener  Oberfläche  hin  Platz  zu  machen, 
derart,  dass  auf  dem  helleren  inneren  braunen  Glaskopfkern  eine 
ziemlich  viel  dunklere  mehr  oder  weniger  dicke,  scharf  nach 
innen  abgegränzte  Kruste  sass,  die  sich  bei  genauerer  Unter- 
suchung als  Hydrohämatit  ergab. 

Die  Farbe  des  Querbruchs  des  Hydrohämatit  ist  wie  erwähnt 
dunkel,  grauschwarz  mit  einem  deutlichen  Stich  ins  Roth,  und 
gleicht,  wie  das  Hermann  auch  bei  der  Beschreibung  des 
Turgits  hervorhebt,  sehr  der  Farbe  gewisser  dichter  Rothkupfer- 
erze. Diese  Farbe  weicht  sehr  ab  von  der  braunen  des  braunen 
Glaskopfs  und  es  ist  daran  die  auf  diesem  sitzende  Hydrohämatit- 
kruste  stets  leicht  zu  erkennen.  Die  Farbe  ist  aber  auch  trotz 
grosser  Aehnlichkeit  verschieden  von  der  Farbe  des  Hämatits,  der 
allerdings  in  den  faserigen  Abänderungen  häufig  sich  nur  wenig 
unterscheidet,  aber  doch  immer  einen  deutlicheren  Stich  ins 
Rothe  besitzt,  der  beim  Hydrohämatit  ziemlich  zurücktritt,  welcher 
Unterschied  auch  eine  Unterscheidung  dieser  beiden  Mineralien 
durch  den  blossen  Anblick  in  den  meisten  Fällen  gestattet. 


—     394     — 

Noch  deutlicher  und  sicher  ergiebt  sich  diese  Unterscheidung 
durch  den  Strich.  Dieser  ist  beim  Hydrohämatit  dunkelblutroth 
mit  einem  Stich  ins  Braune,  der  des  Eisenglanzes  in  allen  seinen 
Abänderungen  viel  heller  und  reiner  roth.  Besonders  wichtig  ist 
der  Strich  aber  zur  Unterscheidung  von  Brauneisenstein,  dessen 
Pulver  eine  mehr  oder  weniger  stark  ins  G-elbe  gehende  Farbe 
zeigt;  hier  ist  der  Unterschied  so  gross,  dass  keinesfalls  eine 
Verwechslung  möglich  ist.  Ein  Ritz  mit  dem  Messer  über  den 
Querbruch  eines  braunen  Glaskopfs  zeigt  sofort  die  An-  oder 
Abwesenheit  unseres  Minerals  und  die  Grenze  wo  beide  anein- 
anderstossen. 

Diese  Grenze  ist  bei  allen  beobachteten  Stücken  eine  sehr 
scharfe  und  deutliche.  Dieselbe  schwarze  Schicht,  die  alle  braunen 
Glasköpfe  nach  aussen  begrenzt,  thut  diess  nicht  nur  auch  stets 
beim  Hydrohämatit,  sondern  sie  scheidet  auch  diese  beiden  Minera- 
lien von  einander.  Die  Trennungsfläche  ist  ebenfalls  rund,  nieren- 
förmig,  der  Glanz  derselben  meist  nicht  so  bedeutend,  wie  bei 
der  äusseren  Begrenzungsfläche.  Aber  nicht  nur  die  äussere 
und  innere  Begrenzungsfläche  des  Hydrohämatits  zeigen  diese 
schwarze  Farbe  und  diese  nierenförmige  Gestalt,  sondern  es 
zeigt  sich  auch  im  Innern  eine  meist  sehr  deutliche  und  starke 
schalige  Absonderung  nach  solchen,  jenen  parallelen  Flächen, 
welche  zuweilen  sich  schon  durch  feine  Linien  auf  dem  Querbruch 
verrathen,  zuweilen  aber  auch  erst  beim  Zerschlagen  zum  Vor- 
schein kommen. 

Aber  auch  quer  gegen  die  Nierenflächen  ist  vielfach  eine 
starke  Absonderung  in  den  Krusten  des  Hydrohämatits  vorhanden 
und  die  einzelnen  Absonderungsstücke  begrenzen  sich  gegen- 
seitig durch  ziemlich  ebene  oder  wenig  gebogene  Flächen,  welche 
ebenfalls  die  glänzend  schwarze  Oberflächenschicht  zeigten,  so 
dass  auch  auf  dem  Querbruch  vielfach  die  eigentliche  ins  Roth 
spielende  Farbe  des  Minerals  gar  nicht  hervortritt. 

Diese  Absonderungsstückchen  nach  Flächen  senkrecht  zu 
den  Nierenflächen  sind  meist  sehr  klein  und  dünn  und  die  Ab- 
sonderungsflächen mit  etwas  excentrischen ,  ebenfalls  zu  den 
nierenförmigen    Flächen    nahezu    senkrechten    feinen   Linien    ge- 


—     395     — 

zeichnet.  Solche  ganz  ähnlich  verlaufende  feine  Linien  finden 
sich  auch  dicht  gedrängt  auf  den  eigentlichen  Querbruchflächen, 
und  es  entsteht  so  ein  Anschein  von  Faserigkeit,  die  in  Wirklich- 
keit wohl,  wie  ich  glaube,  nicht  existirt  oder  die  jedenfalls  sehr 
viel  mehr  zurücktritt,  als  man  das  nach  dem  ersten  Anschein 
denken  sollte.  Jedenfalls  gelang  es  nie  einzelne  so  feine  Fasern 
abzulösen,  wie  sie  sich  bei  vielen  braunen  und  rothen  Glas- 
knöpfen ablösen  lassen,  wo  sie  so  scharf  und  spitzig  sind,  dass 
man  sich  daran  erheblich  stechen  kann. 

Die  Härte  des  Minerals  fand  sich  ungefähr  =  6  —  7, 
einzelne  Stücke  ritzten  Quarz  merkbar. 

Alle  diese  Eigenschaften,  wie  sie  sich  aussen  schon  ohne 
Anwendung  speziellerer  Untersuchungen  zeigen,  führen  mit  Sicher- 
heit auf  Hydrohämatit.  Der  völligen  Sicherheit  wegen  aber  habe 
ich  auch  eine  chemische  Untersuchung  angestellt  und  dabei  einen 
Wassergehalt  von  5,6 7%  gefunden,  was  genau  auf  die  Hydro- 
hämatitformel  H20.2Fe203  =  H2Fe407  führt.  Ein  Theil 
des  Wassers  geht  schon  unter  Glühhitze  leicht  weg,  daher  geben 
grössere  Stückchen  schon  im  Kolben  grössere  Mengen  Wasser- 
tropfen und  zeigen  dabei  das  für  den  Hydrohämatit  zum  Unter- 
schied von  allen  anderen  ähnlich  aussehenden  Eisenerzen  charak- 
teristische starke  Zerknistern,  das  schon  Breithaupt^  als  unter- 
scheidendes Kennzeichen  angiebt.  Die  letzten  Antheile  des  Wassers 
gehen  erst  bei  starker  Glühhitze  weg. 

In  kalter  HCl  löst  sich  das  Pulver  schwer,  in  heisser  rasch 
und  leicht,  beidemal  unter  Erzeugung  starker,  Lakmus-bleichender 
Chlordämpfe,  was  auf  einen  grösseren  Mangangehalt  hinweist. 
Dabei  bleibt  nur  ein  kleinerer  unlöslicher  Rückstand. 

Ausser  dieser  scheinbar  faserigen  Varietät  des  Hydrohämatit 
scheint  nun  aber  noch  eine  zweite  pulverförmige  desselben  vor- 
handen zu  sein,  die  ich  auch  in  jener  Dissertation  schon  be- 
schrieben, aber  damals  für  Eisenoxyd  gehalten  habe.  Es  sind 
dies  ziegelrothe  Flecken  auf  der  schwarzen  Glaskopf  Oberfläche 
und  dünne,  dem  festen  Hydrohämatit  eingelagerte  Schnürchen, 
die  beim  Erhitzen  im  Kolben  Wasser  geben,  also  nicht  Eisen- 
»  1.  c. 


—     396      - 

oxyd  sein  können,  aber  wegen  der  rothen  Farbe  wohl  kein 
anderes  Hydrat  als  das  vorliegende.  Zu  einer  genaueren  Unter- 
suchung reichte  das  Material  nicht  aus. 

Um  nun  einen  Begriff  von  der  Bedeutung,  die  der  Hydro- 
hämatit  wahrscheinlich  in  den  Neuenbürger  Brauneisenerzlager- 
statten  gehabt  hat,  zu  geben,  will  ich  anführen,  in  welcher  re- 
lativen Menge  im  Verhältniss  zum  Brauneisenstein  er  sich  an 
meinen  Stücken  findet.  Da  diese  ziemlich  zahlreich  sind  und 
wie  aus  der  Einleitung  hervorgeht,  ganz  ohne  alle  Rücksicht  auf 
den  Hydrohämatitgehalt  gewählt  worden  sind,  da  mir  ja  damals 
dieses  Mineral  ganz  unbekannt  war,  so  lässt  sich  daraus  vielleicht 
mit  weniger  Sicherheit  schliessen,  in  welcher  Menge  es  sich 
überhaupt  im  Ganzen  dem  Brauneisenstein  gegenüber  gefunden 
hat.  An  wenigen  Stücken  fehlt  der  Hydrohämatit  ganz,  an  den 
meisten  ist  er  in  geringerer  Menge  vorhanden,  als  der  Braun- 
eisenstein, an  verschiedenen  hält  er  diesem  an  Menge  mindestens 
die  Wage  und  überwiegt  auch  an  einzelnen,  so  dass  im  Grossen 
und  Ganzen  er  sich  an  Menge  zum  Brauneisenstein  verhält,  wie 
1:5,  oder  so  dass  er  Vö  —  V^  <ier  ganzen  in  Neuenbürg  ge- 
förderten Erzmasse  ausgemacht  haben  würde.  Es  wäre  demnach 
wenigstens  für  unseren  Fundort  ein  Mineral  von  nicht  unerheb- 
licher technischer  Wichtigkeit.  Leider  lässt  sich  das  jetzt  nicht 
mehr  weiter  constatiren,  da  der  Neuenbürger  Bergbau  wohl  jetzt 
lange   schon    ganz    zum  Erliegen    gekommen   ist. 

Da  nun  das  Mineral  auch  anderorts  auf  Eisenerzlagerstätten 
mit  Brauneisenerz  zusammen  vorkommt,  so  im  Siegen'schen ,  bei 
Hof  im  Fichtelgebirge  in  Connecticut  etc.,  so  verdient  es  wohl  mit 
in  vorderer  Linie  unter  den  Eisenerzen  genannt  zu  werden.  Ist 
es  auch  nicht  so  verbreitet  und  massenhaft  und  also  nicht  so 
wichtig,  wie  Magneteisen,  Eisenglanz,  Brauneisenstein  und  Spat- 
eisenstein, so  ist  es  doch  wichtiger  und  verbreiteter  als  der  nie 
in  grösseren  Massen  sich  findende  Göethit.  Da  es  anderen 
Erzen  so  ähnlich  ist,  so  ist  wohl  auch  anzunehmen,  dass  es  bei 
genauerer  Beobachtung  sich  auch  noch  auf  anderen  Brauneisenerz- 
lagerstätten finden  und  sonach  weiter  an  Bedeutung  gewinnen  werde. 


WurIL.  Nat.  Jahreshefte.  Jahrg   XXXIV.  (18T8.)  |'a_f  Hj 


Württ.  Nat.  Jahreshefte.  Jahrg.  XXXIV.  (1878.) 


Taf.IV. 


4.a 


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Wüm,  Nat.  Jahreshefte.  Jahrg.  XXXIV.  (1878.J 


Taf.  V. 


Württ,  Nat.JahreshefLe.  Jahrg.  )(XX1V.  (1878.) 


Taf.VI. 


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Württ.  Nat.  Jahreshefte.  Jahrg.  XXXIV.  (1878.) 


Taf.vn. 


Würll.  Nat.  Jahreslipfte.  .lahr^.  XX>:iV  (1878.; 


TafVUl. 


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