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OF
COMPARATIVE ZOOLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jFountfetJ öl) j)rfbate sufiscrfptfon, fit 1861.
JAHRE SHE FTE
des
Vereins für vaterländische Naturkunde
in
Württemberg.
Herausgegeben von dessen Redactienscommission
Prof. Dr. Schwendener in Tübingen, Prof. Dr. H. y. Feh-
ling, Prof. Dr. 0. Fraas, Prof. Dr. F. v. Krauss,
Prof. Dr. P. V. Zech in Stuttgart.
VIERUNDDREISSIGSTEK JAHRGANG.
Mit 8 Tafeln und 9 Holzschnitten.
STUTTGART.
E. Schweizerbarfsche Verlagshandlung (E. Koch).
' 1878.
K. Hofbuohdruckerei Zu Guttenberg (Carl Grüninger) in Stuttgart.
Inhalt.
Seite
I. Angelegenheiten des Vereins.
I Bericht über die zweiunddreissigste Generalversammlung den
24. Juni 1877 in Reutlingen. Von Oberstudienrath Dr.
F. V. Krauss 1
1. Rechenschaftsbericht über das Jahr 1876/77. Von Ober-
studienrath Dr. F. V. Krauss 6
2. Zuwachs der Vereins-Naturaliensammlung.
A. Zoologische Sammlung, von Dr. F. v. Krauss . . . 11
B. Botanische Sammlung, von Prof. Dr. Ahles . . . . 18
3. Zuwachs der Vereinsbibliothek, von Dr. F. v. Krauss . . 21
4. Rechnungs-Abschluss für das Jahr 1876/77. Von Hofrath
Ed. Seyffardt in Stuttgart 35
5. Wahl der Beamten 41
6. Nekrolog des Dr. Emil Schüz in Calw. Von Dr. Wurm
in Teinach 43
7. Nekrolog des Gustav Walz, Direktors in Hohenheim.
Von Prof. Dr. Weber in Tübingen 52
8. Nekrolog des Carl Deffner in Esslingen. Von Prof.
Dr. 0. Fraas in Stuttgart 61
II. Vorträge und Abhandlungen.
1. Mineralogie, Geognosie und Petrefactenkunde.
Ueber einige fossile Harze vom Libanon. Von Prof. Dr.
Bronner in Stuttgart 81
Ueber Asphalt und Graphit aus den Pfahlbauten von Schus-
senried. Von Hüttendirektor Dr. Dorn in Tübingen . . 95
Ueber die Rheincorrection von Ragatz bis zum Bodensee und
über eine Karte des Pegelstandes und der Wasserabfluss-
mengen aller Schweizer Flüsse. Von Bauinspektor Hoch-
eisen in Balingen 100
Beitrage zur Kenntniss der fossilen Fische aus d.r M . ^°"°
von Baltringeu. Hayfische. Von PWr Br P ^ ''
Essendorf. (Hie™ Tafel I) ^'- ^'"^^^ '"
in Reutiingen. (SrÄr™"'- "^^ '"" ^'"^
Geologisches aus de. lÜ" ^f ^T o" Fraa ' ^ "'
Stuttgart. (Hiea, Tafel III-VIII) ^*' '"
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393
2. Botanik,
alt Sit:- «— VonProf.Br. Sch.en-
üeber die sogenannten insektenfressenden' Pflanzen ' ^n^ ^^
Garteninspektor W. Hochstetter in Tübingen .
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Wüm Naturw Jahresli Jahrg XXX1V(1878.)
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68 69
I
I. Angelegenheiten des Vereins.
Bericlt der zweiDiiiidreissigsten eeiieralTersammlniig
den 24. Juni 1877 in Reutlingen.
Von Oberstudienrath Dr. v. Krauss.
Nach dem Vorbild des Oberschwäbiscben und Schwarzwälder
Zweigvereins und einiger Naturfreunde in Neuenstadt a. L. haben
sich auch in Reutlingen mehrere Männer aus verschiedenen Kreisen
vereinigt, um sich in periodischen Zusammenkünften über natur-
wissenschaftliche Forschungen, insbesondere über die des Heimath-
landes zu besprechen und damit die Zwecke unseres Vereins zu
fördern.
Eine von diesen Mitgliedern an die vorjährige General-
versammlung in Stuttgart ergangene Einladung, das diessjährige
Fest in der alten Reichsstadt abzuhalten, wurde desshalb mit
grosser Freude aufgenommen. Die städtischen Behörden haben
hiezu ihre schönen Räume mit sehr anerkennenswerther Bereit-
willigkeit zur Verfügung gestellt. Der Rathhaussaal, durch
Herrn Dr. Lucas mit gut kultivirten und seltenen Pflanzen des
pomologischen Instituts geschmackvoll dekorirt, war für die Ver-
handlungen bestimmt und in dem Nebensaal waren interessante
naturhistorische und ethnographische Sammlungen zur Besich-
tigung ausgestellt.
Auch die Freunde der Botanik hatten diessmal Gelegenheit,
sich an dem Anblick mehrerer eigenthümlicher Pflanzen zu er-
Württemlj. naturw. Jahreshet'te. 1878. 1
— 2 —
freuen. Herr Universitätsgärtuer W. Hoch st et ter in Tübingen
hatte die Gefälligkeit aus dem botanischen Garten die so-
genannten insektenfressenden Pflanzen Sarracenia, Cephalotus<)
Nepanfhes, Utricularia, Aldrovanda, Dionaea, Drosera, Bro-
sophyllum in schön kultivirten Topfpflanzen mitzubringen. Herr
Reallehrer F e t s c h e r in Altshausen legte einige seltene Sumpf-
pflanzen, darunter eine blühende Stratiotes aloides Lin. aus
dem Altshauser Weiher in frischen Exemi^laren vor; ebenso war
die Flora der Schwäbischen Alb vertreten, indem Herr Apotheker
Fehl eisen in Reutlingen eine Anzahl blühender Orchideen der
Glemerwiese herbeibrachte.
Besonders dankbare Anerkennung fand Herr Geognost
Hildenbrand in Ohmenhausen für die grosse Mühe, mit der
er neben vielen anderen Liasversteinerungen mehrere wohl-
präparirte Saurier zur Ausstellung lieferte, unter welchen als
Seltenheit ein Ichthyosaurus mit ß Embryonen hervorzuheben
ist. Auch die Herren Gerichtsnotar El wert von Balingen und
Rechtsanwalt Hahn in Reutlingen hatten seltene Petrefacten
aus dem Jura zur Ansicht vorgelegt.
Ferner waren noch Schmetterlinge ^ und Käfer von Herrn
Adolph Keller in Reutlingen und von Herrn Dr. E. Hof-
mann in Stuttgart eine Sammlung nützlicher Insekten in den
verschiedenen Entwicklungsstufen vorhanden.
Von ethnographischen Gegenständen hatte Herr Carlos
Majer aus Reutlingen eine sehr reiche und kostbare Sammlung
insbesondere von Waffen und Geräthschaften aus den Fidji-Inseln
auszustellen die Güte.
Nach 10^2 Uhr begrüsste der Geschäftsführer Herr Rechts-
anwalt 0. Hahn in Reutlingen die Versammlung mit folgen-
der Rede:
Ich heisse Sie willkommen, meine Herren , in den Mauern
der alten Reichsstadt Reutlingen, deren Dank ich zugleich aus-
zusprechen habe dafür, dass Sie ihrer Einladung so zahlreich
gefolgt sind.
- 3 —
Es ist meine Pflicht, Sie in der Stadt, wo Ihre Ver-
sammlung- tagt, etwas herumzuführen.
Ich beginne, wie ja alle Deutsche thun, mit der Geschichte.
Es ist eine Erfahrung, dass die älteste Kultur sich in den
Seitenthälern der Ströme und Flüsse, in den hinteren Berg-
schluchten länger erhalten hat, als in den grossen Thälern selbst.
So finden Sie hier in den Namen der Gewände, der Berge
eine Fülle von Wörtern, welche nur aus der heidnischen Zeit
stammen können : ja es ist wohl der beste Beweis hohen Alters,
wenn ein Name, wie z. B. der der Achalm gar nicht oder
kaum mehr erklärt werden kann. Ich darf hier an unseren
verstorbenen Landsmann Dr. Theo ph il Rupp erinnern, welcher
in seiner „Vorzeit Reutlingens", Reutlingen - Stuttgart 1869,
gezeigt hat, wie man mit fleissigem Forschen jeden Ort zum
Ausgangspunkt wissenschaftlicher Forschungen machen kann.
Hier sehen Sie an der Spitalkirche das Bild einer Gans mit
einem Mädchenkopf und herausgestreckter Zunge, welches als
ein Bild einer der Frau Nerthus verwandten Gottheit gedeutet
wurde. Hier wurde ein Stein mit der Sonne und Runenschrift
gefunden. Nicht weit von hier ist Belsen mit dem Bilde des
Bei (frö). Bekanntlich sollten diese Götzenbilder durch Ein-
mauerung in die Kirchen unschädlich gemacht werden. In der
Nähe von Reutlingen am Opferstein wurden keltische Gold-
münzen (Regenbogenschüsselchen) gefunden, ebenso bei Ohmen-
hausen, wovon ich hier einige vorlege.
Die bedeutendsten Spuren früherer Niederlassung finden wir
aber in Pfullingen, wo östlich von der Laiblen'schen Fabrik
seit Jahren immer wieder alemannische Reihengräber aufgedeckt
wurden. Eine grosse Zahl der schönsten Schmuckgegenstände
unserer Sammlungen stammen dorther. Auch von diesen sind
einige aufgelegt.
Doch wir wollen nicht zu lange in diesen Zeiten verweilen.
Wer sich die Sache selbst ansehen will, hat die beste Gelegen-
heit. Versetzen wir uns in eine spätere Zeit Reutlingens, in
die Zeit, welche durch unsern U hl and wohl für immer mit der
Glorie der Dichtung umgeben ist. Wer kennt nicht das Wahr-
__ 4 —
zeichen Reutlingens, welches das Lied der Reutlinger Schlacht
so trefflich darstellt:
,Wie haben da die Gerber so meisterlich gegerbt,
wie haben da die Färber so purpurroth gefärbt!"
Ja, meine Herren, Sie sind heute in der Stadt der Gerber
und Färber: in der Stadt, die immer kampfbereit dastand, trotz-
dem dass sie nie reich und gross war, wie ihre Schwesterstädte
Ulm und Augsburg. Vielleicht trug gerade dieser Umstand die
Schuld, dass die Stadt es zu keiner grossen Blüthe brachte.
Nur Eines bitte ich, die Stimmung, das Gefühl aus jenem Liede,
das Gefühl einer gewissen Bangigkeit und Unsicherheit nicht
auf die Gegenwart zu übertragen.
Reutlingen war es, welches im Jahr 1247 eine mehr-
raonatliche Belagerung Heinrich Raspe's aushielt und zum
Dank dafür, in Ausführung eines Gelübdes, die Marienkirche
baute, deren Schiff so lang sein soll, als der von Raspe zurück-
gelassene Sturmbock.
In der Reformation war Reutlingen die zweite Stadt, welche
die Augsburgische Confession durch die Hand ihres damaligen
Bürgermeisters, eines Wein^ärtners Jos ua Weiss, unterzeichnete,
wesshalb Sie das Wappen Reutlingens im Luther-Denkmal in
Worms finden.
Im (Zoll-) Kampf mit dem ihr Gebiet umschliessenden
Württemberg hatte die Stadt stets zu leiden. Die württem-
bergische Burg Achalm schaute wie ein drohendes Gespenst auf
sie herab, und zu allem Aerger musste Reutlingen noch die
Gebäude derselben erhalten. Da in einer schönen Nacht er-
glühte eine Röthe über der Burg — sie brannte ab — mau
sagte, nicht ganz ohne Vorwissen des löblichen Magistrats von
Reutlingen.
Im Jahr 1726 brannte die Stadt fast ganz ab, woraus
sich manche Eilfertigkeit in den Bauten der Stadt erklärt.
Im Jahr 1806 kam Reutlingen an Württemberg und wurde
für eine der sieben guten Städte erklärt.
Die seitherige Geschiclite ist zu bekannt, als dass ich sie
besonders aufzuführen hätte. De^- Geist der alten Reichsstadt
ist nicht sobald aus ihrem AVeichbild gewichen. Die Kedner-
bühne, von welclier ich spreche, hat schon ganz andere Reden
gehört als diejenigen, welche heute von hier aus gesprochen
werden werden, sie stammt aus dem Jahre 1848 und heisst im
Volksmunde „die Krautstande".
Nun, meine Herren, genug hievon. Nur von einem wilden
Most ist ein kräftiger AVein zu erwarten.
Doch da spreche ich eben ein grosses Wort gelassen aus,
ein Wort, das uns aus der Geschichte in die Natur, deren
Erforschung ja unsere heutige, die Aufgabe unseres Vereines ist,
führt. Ein jeder Ort hat gewisse Worte, welche man dort nicht
leicht hört, ohne als Folge einen mehr oder minder grossen
Grad von Aufregung zu sehen. Wenn ein Fremder in Reut-
lingen von dem Wein spricht, wird er immer gewisse Unruhe in
den Mienen seiner eingesessenen Nachbarn bemerken. Spricht
man von Prinz Eugen und Belgrad, so geschieht diess nicht
ohne einige Gefahr. Ein Nichteingeweihter kann sich die
Flammenröthe auf den Gesichtern bei solchen unschuldigen
Worten nicht erklären.
Meine Herren, Sie wissen das Geheimniss und der heutige
Tag wäre sicher nicht unter den unbedeutenden in der Geschichte
Reutlingens zu verzeichnen, wenn es ihm gelänge, durch recht
eifrige und vielseitige Proben und Versuche einen geschichtlichen
Mythus zu zerstören. Ich bitte Sie also, diesem Gegenstand nach
Sohluss Ihrer Versammlung Ihre volle Theilnahme zu schenken.
üeber weitere botanische Merkwürdigkeiten Mittheilang zu
machen, überlasse ich den ausgezeichneten Männern vom Fach,
welche wir heute in unserer Mitte sehen.
Ich gehe über auf den Theil der Naturwissenscliaft, in
welchem ich mich besser zu Hause fühle, die Geologie von
Reutlingen.
Sie wissen, dass diese Gegend es war, welche Leopold
von Buch die ersten Aufschlüsse über die Lagerung der
Gebiigsschichten gab. Sie wissen, dass eine Schule von Männern
von hier oder wenigstens aus unserer nächsten Nähe ausging,
welche die Wissenschaft der Geologie zu einem grundlegenden
— 6 —
Abschluss brachte. Hiezii lieferten eben die Berge von Reut-
liogen das Material.
Meine Herren, Sie stehen hier auf urheiligem Boden, dem
Boden der Riesen-Saurier, der Ammoniten (von welchen Sie
einige Prachtexemplare ausgestellt finden), der Belemniteu,
Terebrateln, ja, wenn Sie aus unserem Kalke einen Dünnschliff
für das Mikroskop fertigen, so sehen Sie statt der homogenen
Masse nichts als jene unendlich kleinen Wesen, welche nach
den neuen Forschungen die Bausteine zu den Gebirgen hergeben
mussten, so dass nur ein Theil der Masse noch als Mörtel er-
scheint. Sie wandeln hier buchstäblich auf dem Rücken der
Saurier, Sie wandeln im Urschleim, im Bathybius des Jura-Meeres,
noch schwimmt auf unserem Wasser der Thran der Fische aus
jener Zeit.
Doch genug hievon, das sind bekannte Dinge. Es wird
auch wohl kaum nothwendig sein, Ihnen alle die Naturschön-
heiten unserer näheren und nächsten Umgebung vorzuführen.
Sie sind eingeladen, letztere nach Tische auf einem Spaziergang
über das pomologische Institut selbst anzusehen.
Möge der heutige Tag in der Geschichte unseres Vereins,
wie im Leben seiner Mitglieder nicht zu den verlorenen gezählt
werden, was in unserer geringen Macht liegt, wollen wir dazu
beitragen und damit noch einmal willkommen, herzlich will-
kommen !
Zum Vorsitzenden für die heutigen Verhandlungen wird
Oberstudienrath Dr. v. Krauss gewählt.
Oberstudienrath Dr. v. Krauss trug folgenden
Rechenschafts-Bericht für das Jahr 1876—1877
vor.
Meine Herren! Im Auftrag Ihres Ausschusses habe ich die
Ehre, Ihnen über die Vorkommnisse im verflossenen 33. Jahre
unseres Vereins Bericht zn erstatten.
Es ist bisher eine allseitig anerkannte Sitte gewesen, dass der
Verein den auswärtigen naturwissenschaftlichen Gesellschaften,
— .7 —
mit welchen er in Verbindung steht, zur Feier eines grösseren
Zeitabschnittes ihres Bestehens und ihrer Wirksamkeit seine
Glückwünsche dargebracht hat.
Um so viel mehr darf Ihr Vorstand hoffen, im Einver-
nehmen aller Mitglieder gehandelt zu haben, wenn er die Ein-
leitung getroffen hat, dass unser Verein sich auch seinerseits an
der im ganzen Vaterlande freudig begrüssten 400jährigen Jubel-
feier der Eberhard-Karls- Universität in Tübingen in würdiger
Weise betheiligen wird. Mit Stimmeneinhelligkeit hat auch Ihr
Ausschuss seinen Antrag gutgeheissen und beschlossen, dass an
der im August dieses Jahres stattfindenden Feier vom Verein
eine für dieses seltene Ereigniss entsprechend ausgestattete
Festschrift überreicht werden soll.
Hiezu bot sich in der durch das K. Naturalien-Kabinet von
Oberkriegsrath Dr. v. Kapff erworbenen prachtvollen Gruppe
von 24 gepanzerten Vogelechsen (Aetosaurus ferratus Fraas)
aus dem Stuttgarter Stubensand, die für die Wissenschaft ganz
neu sind, der geeignetste Gegenstand, dessen Bearbeitung mit
künstlerisch ausgeführter .bildlicher Darstellung Professor Dr.
0. Fraas vorgeschlagen und mit aller Bereitwilligkeit über-
nommen hat.
Da die in Quartformat hergestellte Festschrift mit drei
grossen Tafeln und mit Holzschnitten die Vereinskasse trotz
ihres günstigen Standes in ausserordentlicher Weise in Anspruch
nelimen wird, so unterzog Ihr Ausschuss die Frage einer ein-
gehenden Berathung, ob sie zur Ersparung der Kosten nur den-
jenigen Mitgliedern übergeben werden soll, welche sich für
diesen Gegenstand besonders interessiren und die Zusendung
unter Betheiliguug an einem entsprechenden Kostenersatz
wünschen, oder ob sie alle Mitglieder erhalten sollen. In An-
betracht, dass wohl allen Mitgliedern diese Festgabe als ein
dauerndes Erinnerungszeichen an die seltene Feier erwünscht
sein werde, wurde die Frage in letzterwähnter Eichtung durch
einstimmigen Beschluss entschieden und es wird somit dieselbe
als drittes Heft des laufenden Jahrganges ausgegeben.
Der Verein hat auch im verflossenen Jahr durch den Bei-
— 8 —
tritt von 86 Mitgliedern wieder einen bedeutenden Zuwachs
erhalten, was hauptsiichlich den unermüdlichen Bemühungen des
Oberschwäbischen und Schwarzwälder Zweigvereins und der Ver-
einigung eifriger Freunde in Reutlingen und Neuenstadt a. L.,
sowie dem steigenden Interesse für die vaterländische Naturkunde
überhaupt zu danken ist. Nur der nordöstliche und fränkische
Kreis unseres engeren Vaterlandes hat sich den schon in der
vorjährigen Versammlung ausgedrückten Wünschen immer noch
nicht angeschlossen. Seine Betheiligung würde unseren Bestre-
bungen sehr fördernd sein, zumal unseren Sammlungen aus jenen
Gegenden noch die meisten Belege aus dem Naturreiche fehlen,
die zur Vergleichung mit den vorhandenen der übrigen Kreise
unseres Landes von hohem Interesse sein würden.
üeber den Zuwachs der Naturalie n -Sa m mlu ng bin
ich in der angenehmen Lage, Ihnen erfreuliche Mittheilungen
machen zu können. Es sind als Geschenke übergeben worden:
16 Säugethiere, 152 Vögel mit 24 Nestern und 39 Eiern,
18 Reptilien, 16 Fische, über 7000 Insekten, 10 Krustenthiere,
6 Entozoen, etwa 1800 Mollusken, 2 Gebirgsarten und 9 Petre-
facten, 11 Spec. Phanerogamen und 65 Cryptogamen, 31 Hölzer.
Die reiche Vermehrung von Vögeln und Insekten verdankt
der Vereiu hauptsächlich dem rastlosen und uneigennützigen
Sammeleifer des Herrn Kaufmann Hans Simon in Stuttgart.
Wie er die Vögel während eines längeren Aufenthalts in Heilig-
kreuzthal in vollständigen Familien mit Nestern, Eiern, Jungen
und Alten in allen Altersstufen zu sammeln verstand, so ist es
ihm mit grosser Geschicklichkeit und Pünktlichkeit gelungen,
auch die kleinsten und seltenen Käferchen aus dem Moos, den
Riedgräsern und den angeschwemmten Pflanzenresten der Flüsse
aufzufinden und aufs Zierlichste für die Sammlung zu präpariren.
Und diess hat Herr Simon so emsig betrieben, dass er in diesem
und in dem vergangenen Jahr nahezu 10,000 Insekten zum
Geschenk übergab, worunter über 100 für Württemberg neue
Arten sich finden.
Was die vorhandene Insekten-Sammlung betrifft, so hat Ihr
Conservator Dr. E. Hof mann nun auch die Käfer, Cicadeu und
— 9 —
Wanzen iu neuer Aufstellung vollendet und ferner zur Belehrung
der Besucher eine instructive Sammlung der nützlichen wie der
schädlichen Insekten mit Darstellung ihrer Naturgeschichte und
Lebensweise aufgestellt.
Durch die Aufstellung von zwei neuen Sammlungskästen
war es Ihrem Berichterstatter möglich, die in Folge des starken
Zuwachses dicht zusammengedrängten Fleischfresser und Nage-
thiere sowie die Raubvögelgruppen nunmehr in übersichtlicher,
gefälliger Anordnung ausbreiten zu können, dessgleichen hat der-
selbe die lehrreiche morphologische Sammluug der Bäume und
Gesträuche sowie die württembergischen Holzarten in Quer-
scheiben und Stammstücken, die durch seine Bemühungen nahezu
vollständig vorhanden sind, neu geordnet.
Die Vereinsbibliothek liat um 451 Bände und
Schriften und 7 Karten zugenommen. Dieser werthvoUe Zu-
wachs, der wie bisher im 1. Heft des Jahrganges verzeichnet
wird, ist den Schenkungen einiger Mitglieder und Gönner, vor
Allem aber den durch Ihren Bibliothekar eingeleiteten Tausch-
verbindungen mit 109 Universitäten, Akademien und gelehrten
Gesellschaften des Auslandes zu danken. Diess wird gewiss von
allen freudig begrüsst werden, die sich mit naturwissenschaft-
lichen Studien beschäftigen, um so mehr als die meisten Schriften
in den einheimischen Bibliotheken nicht zu finden sind.
Die Bibliothek kann von den Mitgliedern gegen Einsendung
einer Quittung an den Bibliothekar Oberstudienrath Dr. v. Krauss
jederzeit benutzt werden. '
Der Verein hat durch Austausch seiner Jahreshefte neue
Verbindungen angeknüpft mit der
Accademia delle scienze fisiche e matematiche di
Napoli,
Stazione zoologica di Napoli,
Accademia delle scienze dell instituto di Bologna,
Societä entomologica italiana di Firenze,
Reale accademia dei Lincei di Roma,
Accademia Pontificia de'nuovi Lincei di Roma,
Reale comitato geologico d'Italia di Roma,
— 10 —
Societa Veneto-trentina di scienze naturali residenta
iu P a d 0 V a,
Societa adriatica di scienze naturali in Trieste,
Royal Society of New South Wales at Sydney,
New Zealand Institute at Wellington,
K. Universität in Chris tiania,
Archiv for Mathematik og Naturvidenskab inChristi an ia.
Naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig.
Von der Vereinsschrift haben 'Sie schon vor einiger Zeit
das erste und zweite Heft des 33. Jahrganges zugeschickt er-
halten. Aus dem Inlialt dieses Doppelheftes werden Sie mit
Befriedigung entnommen haben, dass zur Kenntniss der vater-
ländischen Naturgeschichte wieder wichtige Arbeiten veröffent-
licht worden sind. Das 3. Heft mit der Festschrift zur
Stiftungsfeier der Universität in Tübingen ist unter der Presse
und wird im August in Ihre Hände gelangen.
Für die Vorträge, welche auch im vergangenen Winter
wieder den Vereinsmitgliedern gehalten worden sind, ist folgenden
stets hiezu bereitwilligen Herren der Dank auszudrücken. Es
sprachen*.
Prof. Dr. V. Zech über die Grösse der Atome,
Prof. Dr. 0. Köstlin über Luftdruck und Höhenklima.
Unter den gestorbenen Mitgliedern hat der Verein im ver-
flossenen Jahre mehrere zu beklagen, die ihm von Anfang
seines Bestehens angehört haben und mit warmem Interesse zu-
gethan waren. Es sind;
Staatsminister Freiherr v. Neu rat h,
Obermedicinalrath Dr. v. Ei ecke,
Oberstudienrath Dr. v. Riecke,
Medicinalrath Dr. Mülle r,
Oberbauratli Binder,
Director v. Walz
Dr. Emil Schüz,
Fabrikant Carl Deffner.
Ueber die letzteren, die für die Bestrebungen des Vereins
in hervorragender Weise gewirkt und für Erforschung der vater-
— n —
läüdisclien Naturkunde wichtige Dienste geleistet haben, werden
Ihnen in der Vereinsschrift aus der Feder ihrer Freunde noch
eingehendere Worte der Erinnerung mitgetheilt werden.
Endlich habe ich noch die Aufgabe, allen Mitgliedern und
Gönnern, welche die Sammlungen und Bibliothek mit Geschenken
bedacht haben, im Namen des Vereins den wärmsten Dank aus-
zudrücken. Die Schenker und Geschenke sind in den nachfol-
genden Verzeichnissen aufgeführt.
Die Vereins-Naturaliensammlung hat vom 24. Juni
1876 bis 1877 folgenden Zuwachs erhalten:
A, Zoologische Sammlung.
(Zusammengestellt von Oberstudienrath Dr. v. Krauss.)
I. Säiigetliiere.
Als Geschenke:
Bhinolophus hipposideros Bechst., Männchen,
von Herrn Forstmeister Probst in Zwiefalten;
Yesi^erugo noctula Schreb., altes Männchen,
von Herrn Eevierförster Frank in Schussenried;
Meles Taxus Fall., 2 — 3 Tage altes, noch blindes Weibchen,
von Herrn Hofbüchsenspauner Rein hold;
Canis vtilpes L., 2 noch blinde männliche Junge,
von Herrn Revierförster H e p p in Hirsau ;
Canis viilpes L., etwa 4 Wochen altes Männchen,
von Herrn Dr. W. Wurm in Teinach;
Sus scrofa L. ferus, etwa 4 Wochen altes Weibchen,
vom Park Solitude;
Cervus capreolus L., 3 Embryonen,
von Dr. E. Schüz in Calw;
Sciuncs vulgaris L. var. nigra, junges Männchen aus dem Neste,
Arvicola glareolus Sund., junges Männchen,
von Freiherrn Richard König- Warthausen;
— 12 —
Aroicola amphihius K. & Bl., Männchen und Weibchen, von
Heiligkreiizthal,
von Herrn Kaufmann H. Simon in Stuttgart;
Arvicola amphihius K. & Bl., Männchen und Weibchen, durch
Benagen einer Fichtenkultur bei Klotzenhofen geschadet,
von Herrn Forstmeister Paulus in Lorch.
IL Vögel.
Als Geschenke:
Tetrao urogallus L., Fötus aus einem am 5. Juni bei Wildbad
gefundenen Ei,
von Herrn L. Linck juu. in Heilbronn.
Tetrao urogdllas L., drei 5 — 7 tägige Junge und zwei junge
Männchen von 4 und 5 W^ochen, aus bei Naislach aufge-
fundenen Eiern durch eine Henne ausgebrütet,
von Herrn Joh. Nill in Stuttgart;
Sylvia rufa Lath., Männchen und Weibchen mit 5 Jungen im
Nest,
Sylvia Bonelli VieilL, Männchen und W^eibchen mit 5 Jungen
im Nest,
Calamodyta locustella Penn., Männchen
von Herrn Forstcandidat Ebert in Blaubeuren;
üpupa Epops Ia, altes Männchen von Vaihingen,
von Herrn ührenmacher Grein er in Stuttgart;
Turdus musicus L., Nest mit 5 Eiern,
Turdus merula, L., Nest mit 3 Eiern,
Fringilla coelehs L., Nest,
Turtur auritus Ray, 2 Nester,
von Herrn Forstmeister Herdegen in Altensteig;
Corvus frugilegus C. L., Männchen mit einer weissen Feder im
Flügel,
von Herrn Revierförster Die m and in Mochenthal;
Äccipenser Nistis Fall., altes Männchen in der Mauser,
Astur palumharius Bechst., Weibchen mit 3 Eiern,
von Herrn Major Graf Dillen -Spi e ring in Däzingeu;
Buteo vulgaris, Sechst., Männchen, weissliche Varietät,
— 13 —
Mareca Penelope Goiüd, junges Mäunchen,
von Herrn Oberbüchsenspanner Rein hold;
Otus hrachyotus Boie', Weibchen,
Sylvia turdoides Meyer, alt,
von Herrn Stationsmeister Schneider in Schemmerberg;
Milviis regalis Briss., 2 zweitägige Junge und ein Embrj'o,
von Herrn Revierförster Frank in Schussenried ;
Haliaefus albicilla L., 20. Nov. 1873 bei Laupheim erlegt,
von Herrn Apotheker Bayer in Laupheim;
GalUmäa cMoropus Lath., Weibchen von Berg,
von Herrn Prof. Dr. 0. Fr aas;
Stercorarius parasiticus Br., junges Weibchen,
von Herrn Staatsminister Freiherrn v. Varnbüler;
Oedicnemus crepifans Temm., altes Männchen bei Eglosheim,
von Herrn Hauptmann Freih. v. Wagner in Ludwigsburg;
ErytJiacus rubecüla Cuv., Nest mit 3 Eiern und einem Kuckucksei,
von Herrn Reallehrer L ö r c h e r in Schorndorf;
Fernis apivorus L., altes Weibchen mit Nest und 2 Eiern auf
einem Fichtenzweig,
Pyrrhula rubicilla Fall., junges Männchen,
FringiUa coelehs L., Männchen, Weibchen und 2 Junge mit Nest
auf einer Forclie,
FringiUa cannahina L., Männchen, W^eibchen mit 5 Jungen im
Nest und 2 Nester mit Eiern,
Emherim citrinella L., 3 Nester mit Eiern auf Schwarzdorn und
einem Fichtenast,
Älauda arvensis L., jung und Nest mit 5 Eiern,
Änthus arhoreus Bechst., Männchen, Weibchen, ausgeflogenes
Junges und 4 Junge im Nest,
Sylvia sylvicola Lath., Männchen und 7 verschiedene Junge,
Sylvia cinerea Bechst., Weibchen und 3 ausgeflogene Junge,
Sylvia hypolais Lath., Weibchen mit 3 Jungen im Nest,
Sylvia curruca Lath., in der Mauser,
Sylvia rufa Latli., 2 Junge,
Calamodyta aquatica Latli., altes Männchen,
Cyanecula suecica Brehm, junges Männchen,
— 14 —
Muticilla tithys Brehm, Männchen, Weibchen und 5 Junge
im Nest,
Pratincöla ruhetra Koch, Männchen, Weibchen mit Nest und 7
Jungen,
Erythacus ruheciila Cuv., Männchen, Weibchen und 5 Junge,
JRegulus cristatus Koch, Männchen, Weibchen und 3 Junge,
Regulus ignicainUtis Licht., altes Weibchen,
Certhia familiaris L., Nest mit 3 Eiern,
Sitta europaea L., junges Männchen und Weibchen,
Hirundo rustica L., Männchen, Weibchen, 6 Junge und Nest,
Chelidon urbica Boie, Männchen, Weibchen, 5 Junge, Eier und
Nester,
Turdus musiciis L., 3 junge Männchen,
Oriolus galbula L., Nest,
Favus coeruleus L., 2 Junge,
Parus cristatus^ L., jung,
Muscicapa grisola L., Männchen, Weibchen mit 4 Jungen im
Nest und 2 ausgeflogene Junge,
Lanius exciibitor L., Weibchen mit 3 ausgeflogenen Jungen,
Enneoctonus coUurio Boie, 3 Männchen, Weibchen mit 10 Jungen
und Nestern auf Schwarzdorn, 2 Nester mit 7 Eiern auf
Apfelbaum,
Gecinus canus Boie', Männchen, Weibchen mit 3 Jungen in einem
Birkenstamm,
von Herrn Kaufmann Hans Simon in Stuttgart.
III. Reptilien.
Als Geschenke:
Lacerta murälis Aldrov., vom Hohenlupfen,
von Herrn Prof. Dr. Fr aas;
Tropidonotus natrix Kühl, Weibchen mit 24 Eiern,
Salamandra maculosa Laur., Junge,
von Herrn Thiermaler C. G. Specht;
Pelias berus Merr., Männchen und Weibchen,
von Herrn Revierförster Frank in Schussenried ;
— 15 —
Felias berus Merr., Weibchen mit 6 in der Gefangenschaft ge-
bornen Jungen,
von Herrn Geometer Gerst in Schussenried ;
Salamandra atra Laur., Weibchen, von Eisenbach, mit 1 in
Warthausen gebornen Jungen,
von Freiherrn Richard König-Warthausen;
Triton cristatus Laur., 12 Jahre in der Gefangenschaft gehalten,
von Herrn Hans Gmelin in Stuttgart.
IV. Fische.
Als Geschenke:
Lota vulgaris Cuv., sehr selten,
Trutta fario L., sehr selten,
Tinea vulgaris Cuv., alle 3 Arten aus der ßiess,
von Herrn August Angele in Warthausen;
Gohio fluviatilis Cuv.,
Phoxinus laevis Ag., aus den Riedgräben,
von Herrn Gutsbesitzer Hess in Pfrungen.
V. Insecten.
Als Geschenke:
Coccus mali Schrank, auf Celastrus scandens,
von Herrn Forstmeister Herdegen in Altensteig;
Lepidopteren, 46 Arten in 112 Stücken mit biologischen Gegen-
ständen,
von Herrn Dr. E. Hof mann;
Coleopteren, 4 Arten in 16 Stücken vom Schwarzen Grat,
Äcarus domesticus de Gee'r, aus neuen Möbeln,
von Herrn Prof. Dr. G. Jaeger;
Raupen von CälUgenia rosea Fabr. und Hy]oocam]pa 3Iilhauseri Fab.
Ichneumoniden, 3 Arten in 6 Stücken,
von Herrn Xylograph Michael;
Larven von Cetonia marmorafa Fabr.,
von Herrn Decorateur Scheiffele;
Carabus nodulosus Creutz., von Wolfegg,
von Herrn Apotheker Duke in Biberach;
— 16 —
Hymenopteren, 16 Arten in 26 Stücken,
Lepidopteren, 10 „ n 16 „
von Herrn Stadtdirectionswundarzt Dr. Steudel;
Luperiis rufipes Fabr., den Früchten und Blättern der Birnbäume
schädlich,
von Herrn Theodor Lind au er;
Galleruca nympliaeae L., Männchen und Weibchen in der Be-
gattung, auf Nymphäen im Federsee,
von Herrn Oberstudienrath Dr. v. Krauss;
Ichneumoniden, 4 Arten in 8 Stücken,
von Herrn Xylograph Bauer;
Coleopteren, etwa 100 Arten in 300 Stücken, nach einem Wolken-
bruch aus angeschwemmten Pflanzenresten gesammelt,
von Herrn Kaufmann Hermann Reichert in Nagold und
durch Herrn H. Simon präparirt;
Nester mit Eiern von Gryllotdlpa vulgaris L.,
Hylaeus grandis XU. mit Larven,
von Herrn Apotheker Valet sen. in Schussenried ;
Coleopteren, etwa 600 Arten in 5396 Stücken,
Hemipteren, 15 Arten in 37 Stücken,
von Herrn Kaufmann Hans Simon.
VL Criistaceen.
Als Geschenke:
Astaciis saxaülis Koch, 4 alte Männchen,
von Herrn August Angele in Warthausen;
Apus cancriformis Latr., 6 Weibchen aus Eiern aus Wien er-
zogen,
von Herrn Dr. E. Zell er in Winnenthal;
VIL Eiitozoen.
Als Geschenke:
Taenia cucumenna Bloch, ohne Kopf, von einem halbjährigen
Kinde, das nie Fleisch gegessen,
von Herrn Dr. Salz manu in Esslingen;
— 17 —
Taenia solium L., 4 Meter lang mit Kopf, aus einem 42jälirigen
Mann abgetrieben,
von Herrn Prof. Dr. Fraas.
VIII. Mollusken.
Als Geschenke:
Helix edenhila Drap., R. villosa Drap., H. Cohresiana v. Alten,
H. arhustorum L. var. straminea, Bulimus montamis Drap.,
ClausiUa Uneölata Held, (neu für Würt.) und Gl. orthostoma
Mke., zusammen in etwa 160 Stücken, aus dem AUgäu,
von Freiherrn Richard König-Warthausen;
Helix pomatia L. var. turrita aus dem Schneckengarten in
Streichen,
von Herrn Pfarrer Hart mann in Frommern;
Heliceen, 10 Arten, darunter Vifrina pellucida Müller, F. dia-
phana Drap., Helix aculeata Müller, in etwa 80 Stücken,
von Herrn Kaufmann H. Simon;
Limax laevis Müll, (hrunneus Drap.), Helix personata Lk., Clau-
siUa 5 Arten, Limnaeus 4 Arten, Planorbis 2 Arten, Cyclas
2 Arten, zusammen in 269 Stücken,
von Herrn Reallehrer Lörcher in Schorndorf;
Yitrina diapJiana Dr., Helix 2 Arten, Pupa 2 Arten, 1 ClausiUa
aus Wiesensteig, in 180 Stücken,
ClausiUa 5 Arten, darunter Cl. lineolata Held aus Oberschwaben,
in 90 Stücken,
von Herrn Unterlehrer Mangold in Wiesensteig;
26 ClausiUa Braunii Charp., vom Kriegsberg,
von Herrn Otto Buchner in Stuttgart;
Landconchylien 38 Arten in etwa 1000 Stücken, aus der Wald-
ach angeschwemmt,
von Herrn Kaufmann Herm. Reichert in Nagold.
IX. Spongien.
Als Geschenk:
Spongilla fluviaUUs Lieberk., auf Anodonta cellensis Pfeiff.,
von Herrn Kaufmann Fr. Drautz in Heilbronn.
Wiirttemb. riaturw. Jahreshefte. 1878. 2
— 18 —
X. Gebirgsarten.
Als Gesche nke :
Gletschergeschiebe aus dem Bromberg,
Bonebed-Block von Bebenbausen,
von Herrn Forstratb Dr. Tscher ning in Bebenhausen.
XL Petrefacten.
Als Geschenke:
Dryopithecus Zahn von Salmendingen,
von Herrn Professor Dr. v. Fleischer in Hohenheim,
Leptaena liasica Bouch., von Geislingen (Balingen),
Serpüla socialis arietis Qu., von Ostdorf,
AmmonUes planulatus Uasicus Qu,, von Engsthatt,
von Herrn Gerichtsnotar El wert in Balingen.
B. Botanische Sammlung.
(Zusammengestellt von Prof. Dr. Ahles.)
Von Phanerogamen sind drei Sendungen zu verzeichnen:
Herr Apotheker Ducke und Herr Lehrer Sey er len von Biber-
ach schickten 30 verschiedene Pflanzen, deren Vorkommen theils
in Oberschwaben theils überhaupt in der Flora von Württemberg
nicht gedacht ist. Und nur aus der Gmünder Gegend sind von
Herrn stud. Lor. Herter einige Pflanzen eingelaufen.
Herr Pfarrer Sautermeister, Bezirksschulinspector, be-
reicherte das Vereinsherbarium mit folgenden K r y p t o g a m e n :
Tetraplodon angustatus L. vom Plattenberg,
Barhula inclinata Schwgr. vom Oberhohenberg,
Ceratitium laceratum und cornutum Fuckel Symb.,
Phelonites strobilina Alb., Schörzingen,
Exidia recisa Fr., Schörzingen,
Sparassis laminosa Fr., Schörzingen,
Collema hyssinmn Hoffm.
« conchilohum Fw.
— 19 —
Synechohlastus Vespertilio Ligbtf.
„ Laureri Fw.
Pannaria hrunnea Fw. Ebenfalls aus der Schörzinger
Gegend.
Bhizoclonium fluitans Kg. Aus Wassergräben b. Kisslegg.,
Director Dr. v. Zelle r.
Herr Ingenieur E. K o 1 b von hier überreichte wie alljährlich
seine neuesten Funde, darunter:
Sphaerangium mtiticum, Stuttgart, Bothnanger Heide,
Hymenostomum microstomum Stuttgart, Feuerbacher Heide,
y, tortile, Wenzelstein bei Balingen,
Eudadium verticillatum, Frommern bei Balingen,
Trichostomum cordatum, Bietigheim,
CincUdotus fontinaloides, Blaubeuren,
„ aquaticus c. fruct., Blaubeuren,
Grimmia tergestina c. fruct., Wenzelstein bei Balingen,
Neckerei pumila, Lochen bei Balingen,
„ complanata c. fruct., Lochen bei Balingen,
Webera cruda, Wenzelstein bei Balingen,
Bypnuyn cordifoliuyn, Kornthal,
Jungermannia corcyraea, Cannstatt,
Tridiocolea tomentella, Lochen bei Balingen,
Bartramia ithyphylla, Stuttgart: Feuerbacher Heide,
Hydnum Auriscalpium L., auf Kiefernzapfen im Zuffen-
hauser Wald.
Herr Dr. Mülb erge r, pract. Arzt sandte für die Samm-
lung folgende bis jetzt gefundene Farne aus der Umgebung
Herrenalb's :
1. Pölypodium vulgare L.
2. Fhegopteris polypodioides Fic.
3. Fhegopteris Dryopteris Fic.
4. Cystopteris fragilis Bernh.
5. Aspidium aculeatum Sw.
6. „ Füix mas. Sw.
T. „ spinulosum Sw.
8. „ Oreopteris Sw.
2*
- 20 —
9. Äspidiurn Filix femina Sw.
10. Äsplenium Buta muraria L.
11. ^ septentrionale Sw.
12. r, TricJiomanes L.
13. Scolopendriiim officinarum Sw., neu für den Württem-
berg. Schwarzwald.
14. Blechmim Spicant ßotn.
15. Fteris aqiiilina L.
Lycopodium Selago L.
Professor Ahles von hier sammelte eine Menge Ceterach
officinarum an den Weinbergsmauern um den Schönbühl im
Remsthal nebst einer Anzahl Lichenen.
Zur Vermehrung der Holz Sammlung sind folgende
Beiträge geliefert worden: vom K. Forstamt in Schorndorf,
von den Herren Forstrath Kapp in Schorndorf, Revierförster
Frank in Schussenried, Forstmeister Paulus in Lorch, Forst-
meister H e r d e g e n in Altensteig, Forstamtsassistent v. Biber-
stein in Blaubeuren , Kaufmann H. Simon und Garten-
inspector Wagner von hier.
1. Stammstücke von: Sorhiis iorminalis, Bhammis cathartica,
Prunus Mahaleb, Bosa canina, Pimis Pumilio (200 J.)
Pinus silvestris vom Grünspecht angehackt, jugendliche
Pinus Picea von Scheermäusen benagt, Stengel von
Viscum älhum.
2. Querscheiben von: Carpinus hetidus (130 J.), Betula alba
(120 J.), Pinus silvestris mit eigenthümlichen Ein-
kerbungen.
3. Missbildungen: Fasciationen an Alnus glufinoea und
Berberis vulgaris ^ Auswüchse und Kropf bildung an Po-
piäus tremula, Betula alba, Fagus silvatica, Quercus
sessiliflora, Pyrus malus] Knospenwucherungen (Maser-
bildung) an Zweigen und Wurzeln von Prunus spinosa,
Betida alba, Fagus silvatica, Pinus Picea; krumm-
gewachsener Gipfel von Pinus silvatica.
— 21 —
Die V e r e i 11 s - B i b 1 i 0 t h e k hat folgenden Zuwachs
erhalten:
a) Durch Geschenke:
Das öffentliche Wasserversorgungswesen im Königreich Württem-
berg unter Hervorhebung der Versorgung der wasserarmen
rauhen Alb mit fliessenden Trink- und Nutzwassern. Denk-
schrift aus Anlass der internationalen Ausstellung für
Gesundheitspflege und Rettungswesen in Brüssel im Auf-
trag des K. württb. Ministeriums des Innern verfasst von
Oberbaurath Dr. v. Eh mann. Stuttgart 1875. i^.
Von Herrn Staatsminister v. Sick.
Württb. naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 23 — 31.
1867—75. Stuttgart. 8«.
Von Frau Kaufmann Julie Klett.
Dieselben. 13 Hefte aus Jahrg. 26 — 31. 1870—75 (unvoll-
ständig).
Von Frau Staatsrath Goppelt.
Photographieen der in Württemberg vorkommenden Schädel-
formen von Obermedizinalrath Dr. v. Holder. Stuttgart
1876. 40.
Vom Herrn Verfasser.
Württb. naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 24. Heft 3.
Jahrg. 25. Heft 1. Jahrg. 26. Heft 1. Stuttgart. 8^.
Von Herrn Vicedirector von Köstlin.
Giebel, thesaurus ornithologiae. Repertorium der gesammten
ornithologischen Literatur und Nomenclatur sämmtlicher
Gattungen und Arten der Vögel. 5. Halbband. Leipzig,
F. A. Brockhaus. 1876. 8«.
Vom Herrn Verleger zur Recension.
Fragmenta phytographiae Australiae, contulit liber Baro Ferd.
de Müller. Vol. IX. Melbourne 1875. 8».
Vom Herrn Verfasser.
Zoologische Briefe. Von Prof. Dr. Gustav Jäger. 3. (Schluss-)
Lieferung. Wien 1876. 8».
Ueber die Bedeutung der Geschmacks- und Geruchsstoffe. Von
22
Prof. Dr. Gu>t. Jäger. (Sep.-Abdr. aus der Zeitschrift
für wissenscli. Zoologie Bd. 27.)
Vom Herrn Verfasser.
Das Pflanzenreich. Anleitung zur Kenntniss desselben nach dem
Linne'schen System. Nebst einem Abriss der Pflanzen-
geschichte und Pflanzengeographie. Von Dr. Fr. Wimmer.
12. Bearbeitung. Breslau, Ferd. Hirt. 1876. 8^
Vom Herrn Verleger zur Eecension.
Studien über das Drehungsvermögen der wichtigeren China-
Alkaloide von Dr. 0. Hesse. (Sep.-Abdr. aus Liebigs
Annalen der Chemie). 1876. 8^.
Vom Herrn Verfasser.
Bericht des hydrotechnischen Comite über die Wasserabnahme in
den Quellen, Flüssen und Strömen von J. Deutsch.
(Sep. - Abdr. aus der Zeitschrift des östr. Ingen.- und
Archii-Vereins 1875). Wien. 8^.
Vom Herrn Verfasser.
5. Bericht des botanischen Vereins in Landshut über die
Vereinsjahre 1874/75. Landshut 1876. 8^.
Vom Verein.
Jahresbericht des Vereins für Naturkunde zu Zwickau für
1875. 80.|
Vom Verein.
5. Bericht der naturwissenschaftlichen Gesellschaft zu Chemnitz,
umfassend die Zeit vom 1. Jan. 1873 bis 31. Dec. 1874.
Chemnitz 1875. 8».
Phanerogamen-Flora von Chemnitz und Umgegend. Bearbeitet
von Fr. Kramer. Chemnitz 1875. 4°.
Von der Gesellschaft.
GeognostischeSpecialkarte von Württemberg im Massstab 1: 50>000,
hg. V. statistisch - topogr. Bureau. Enth. die Atlasblätter
Ehingen, Biberach, Laupheim, Ochsenhausen mit einem
Quartheft Begleitworte, geognostisch aufgenommen durch
J. Hildenbrand, beschrieben von Prof. v. Quenstedt.
Stuttg. 1876.
Vom K. Finanzministerium.
— 23 —
Der medicinische Maximalthermometer, angegeben von Dr. Karl
Ehrle in Isny. (Sep.-Abdr. aus dem deutschen Archiv für
klin. Med.) 1876. S».
Vom Herrn Verfasser.
Monthly notices of papers and proceedings of the ß. society of
Tasmania for 1870. 1871. 1873. 1874. Tasmania S».
Von der R. Society.
Ueber Schnabelmissbildungeu von Dr. C. S t ö 1 k e r in St. Fiden.
Ornithologische Beobachtungen (IIL Eeihenfolge) von C. Stoiker.
St. Gallen 1873/75.
Vom Herrn Verfasser.
Heber den Bau und die Verbreitung der Corallen-ßiffe von
Ch. Darwin, Nach der 2. Ausg. übers, v. V. Carus. Stutt-
gart, E. Schweizerbart. 1876. 8^
Die Bewegungen und Lebensweise der kletternden Pflanzen von
Ch. Darwin, übers, v. V. Carus. Mit 13 Holzschnitten.
Stuttgart, E. Schweizerbart. 1876. 8^.
Vom Verleger Herrn E. Koch.
Annual report of the TJ. St. geological and geographica! survey
of the territories, ambracing Colorado and parts of adjacent
territories, for the year 1874 by F. V. Hayden. Wa-
shington 1876. 80.
Vom Herrn Verfasser.
Further notes of „Inclusions" in gems etc. by Isaac Lea.
Philad. 1876. 8^.
Catalogue of the published works of Isaac Lea, from 1817 — 1876.
Philad. 1876. 8».
Vom Herrn Verfasser.
Annual report of the director of the mint to the secretary of
the treasury for the fiscal year ended June 30. 1875.
Washington 1875. 8«.
Von der Smithsonian Institution.
Ueber Testudo praeceps, die erste fossile Landschildkröte des
Wiener Beckens, von G-. Haberlandt. (Sep.-Abdr. a. d.
Jahrbuch der geol. Reichsanstalt). Wien 1876. 8^.
Vom Herrn Verfasser.
24 ~
C. G. Calwer's Käferbuch. Naturgeschichte der Käfer
Europa's. Zum Handgebrauch für Sammler. Herausg. v.
Prof. Dr. G. Jäger. 3. Aufl. Stuttgart 1876. 8^.
Von Herrn Dr. E. H o f m a n n.
Vergleichende Untersuchungen über den Bau der Vegetations-
organe der Monocotyledonen von Dr. P. Falkenberg.
Stuttgart, F. Enke 1876. 8».
Vom Herrn Verleger zur Recension.
Select plants readily eligible for industrial culture or natura-
lisation by Baron F. v. Müller. Melbourne 1876. 8^
Vom Herrn Verfasser.
Mittheilungendes naturwissenschaftlichen Vereins in Aussig a./E.
Aussig 1877. 8^.
Vom Verein.
G. E. ß u m p h's Amboinische Raritätenkammer oder Abhandlung
von den steinschaalichten Thieren, welche mau Schnecken
und Muscheln nennt. A. d. Holland, von Ph. L. St. Müller,
mit Zusätzen vermehrt von J. H. Chemnitz. Wien 1766. Fol.
Von Herrn Revierförster Frank in Heidenheim.
Die Flora des Hohenzollers. Von Reallehrer Fr. Reiser. Als
Programm der höheren Bürgerschule zu Hechingen, für
1871. 40.
Von Herrn Oberamtsarzt Dr. F i n c k in Urach.
Das Molassemeer in der Bodenseegegend. Von Dr. K. Miller
in Essendorf. (Sep.-Abdr. a. d. Schriften des Vereins für
Geschichte des Bodensees.) Lindau 1877. 4^.
Vom Herrn Verfasser.
The Plants indigenous to the colony of Victoria described by
Ferd. Müller. Lithograms. Melbourne 1864/65. 4^.
Fragmenta phytographiae Australiae, contulit liber Baro Ferd.
de Müller. Vol. I. 1858/59. VI— VIII. 1867/74.
Melbourne. 8°.
A contribution to the Flora of Australia by William WooUs.
Sydney 1867. 8».
On practical geodesy. By M. Gardiner. (Extr. R. Soc. of
Victoria, May 1876). 8^.
— 25 —
The minerals of New South Wales by A. Liversidge. (Extr.
R. Sog. N. S. Wales. Dec. 1874.) 8».
Geological survey of Victoria. Report of progress by R. Brough
Smyth. Melbourne 1876. 8».
Reports of the mining surveyors and registrars. Quarter endend
30. June 1875 — 76. Victoria 1875/76. Fol.
Mineral statistics of Victoria for 1875. Victoria 1876. Fol.
Report of the cliief inspector of mines for the hon. the minister
of mines. Victoria 1876. Fol.
The Australian handbook and almanac and shippers' and ira-
porters' directory for 1876. Melbourne 1876. S^.
Philadelphia centennial exhibition on 1876. Melbourne.
New South Wales iutercolonial and Philadelphia international
Exhibition. Mines and mineral statistics of New South
Wales and notes of the geological collection of the de-
partment of mines, compiled by direction of the Hon.
J. Lucas. Also remarks of the sedimentary formations
of N. S. Wales by W. B. Clarke, and notes on the iron
and coal deposits Wallerawang, and on the diamond fields
hy Prof. Liversidge. Sydney 1875. 8^.
Mineral map and general statistics of New South Wales,
Australia. Sydney 1876. 8^.
Results of meteorological observations made in New South
Wales during 1873, under the direction of H. C. Rüssel.
Sydney 1875. 8».
Von Herrn Baron Dr. Ferd. v. Müller in Melbourne.
Die Pfahlbaustation Schussenried von E. Frank. Lindau 1877. 8^.
(Sep.-Abdr. a. d. Schriften des Vereins für Geschichte des
Bodensees.)
Vom Herrn Verfasser.
Deutsche Excursions-Mollusken-Fauna von S. Clessin. Lief. 1 — 4.
Nürnberg, Bauer und Raspe (E. Küster).
Vom Herrn Verleger.
Windrosen des südlichen Norwegens von C. deSeue. Univers.-
Programm. Kristiania 1876. 4^.
— 26 —
Etudes sur le mouveraants de Tatmosphere par C. M. Guldberig
et H. Mohr. Part. I. Progr. de Puniv. Christiania
1876. 40.
Enumeratio insectoruin norvegicorum. Fase. III, lY. Auetore
H. Siebke defuneto ed. J. Sparre Schneider, (üniv.-
Progr.) ChristiaDiae 1876/77. 8«.
Von der K. Universität in Christiania.
Wandkarte von Südwestdeutsehland , umfassend Württemberg,
Baiern, Baden, Hessen, Hohenzollern und Elsass-Lothringen.
Bearb. v. Dr. Heinr. M ö h 1. Kaiserslautern, J. J. Tascher.
1877.
Von Herrn Dr. Möhl in Cassel.
Meteorologische Beobachtungen, angestellt in Dorpat i. J. 1875,
red. und bearb. von A. v. 0 e tti ng e n und K. Vv' e i h r a u c h.
.Jahrg. X. Bd. II. Heft 5. Dorpat 1877. 8«.
Vom Herrn Verfasser.
H. G. B r 0 n n 's Klassen und Ordnungen des Thierreichs, wissen-
schaftlich dargestellt in Wort und Bild. Fortgesetzt von
A. G-e rst ä cke r. Bd. 5. Arthropoda. Lief. 21 — 24.
Bd. 6. Abth. 1. Pisees. Lief. 2. Bd. 6. Abth. 2. Am-
phibien. Lief. 12 — 17. Bd. 6. Abth. 5. Mammalia.
Lief. 11 — 14. Leipzig und Heidelberg, C. E. Winter'sche
Verlagshandlung. 1876/77. 8».
Vom Herrn Verleger zur Keeension.
The geological magazine; or monthly Journal of Geology.
Edited by H. Woodward, J. Morris and ß. Etheridge.
Vol. VIII, 11 — Vol. X., 1 — 12. (NO. 89 — 114). New
Series. Decade IL Vol. I — Vol. IV, 6. (N». 116—156).
London 1871 — 1877. 8*^.
Von Herrn Oberreallehrer Zink.
b) Durch Ankauf:
Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens der K. K.
zoologisch - botanischen Gesellschaft in Wie n. Wien
1876. 40.
— 27 —
Württ. naturwissenschaftliche Jahreshefte. Jahrg. 1 — 31, 1 — 19.
10—29. 15. 16.
Annales de la societe entomologique de France. V. Serie.
T. VI. 1876. Trimestre 1—4. Paris 1876/77. 8^'.
Die Kleinschraetterlinge Deutschlands und der Schweiz syste-
matisch bearbeitet von H. v. Heinemann. Zweite Ab-
theilung. Bd. IL Heft 2. Braunschweig 1877. 8».
Die wichtigsten essbaren, verdächtigen und giftigen Schwämme
mit naturgetreuen Abbildungen von F. W. L o r i n s e r.
Wien 1876. 8« und Fol.
Stettin er entomologische Zeitung. 37. Jahrg. 1876. N^. 1—10.
38. Jahrg. 1877. N». 1-6. 8».
Mittheilungen der natnrforschenden Gesellschaft in Bern.
NO. 144—330. Bern 1849—1854. N». 440-552.
Bern 1860—1863. 8^.
c) Durch Austausch unserer Jahreshefte,
als Fortsetzung:
Abhandlungen der natnrforschenden Gesellschaft zu Halle.
Bd. XIII. Heft 3. Halle 1875. 4^.
Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften, herausg.
V. d. naturwiss. Verein zu Ham bürg - Alto n a. Bd. VI.
Abth. 2. 3. Hamburg 1876. 4^
Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklen-
burg. 30. Jahr. Neubrandenburg 1876. 8^.
Beiträge zur geologischen Karte der Schweiz. Geologische
Karte. Blatt 24 (Lugano, Como). Bern 1876. Blatt 3
(Schaff hausen-Liestall). 2. Aufl. 1876. Lief. 24. Geo-
logische Beschreibung des Kantons St. Gallen und seiner
Umgebungen. 1877.
11. Bericht des naturforschenden Vereins zu Bamberg. Für
die .Jahre 1875 und 1876. Bamberg. 8^.
1 5 . Bericht der Ober hessischen Gesellschaft für Natur-
und Heilkunde. Giessen 1876. 8^.
Correspondenzblatt des zoologisch-mineralogischen Vereins in
ßegensburg. Jahrg. 29. 1875. Regensburg. 8^.
Neue Denkscliriften der allgemeinen Schweizer isc heu Ge-
sellschaften für die gesammten Naturwissenschaften. Bd. 27,
oder 3. Dekade Bd. 7. Abth. 1. 1876.
Der zoologische Garten. Organ der zoologischen Gesellschaft in
Frankfurt a. M., herausg. v. Dr. F. E. Neil. Jahrg. 17.
Frankfurt a. M. 1876. 8».
Naturwissenschaftliche Dissertationen der Universität Tübingen:
22 chemische, 3 anatomische, 2 geognostische, 2 phy-
sikalische.
Systemat. - alphabetischer Hauptcatalog der K. Univ.-Bibliothek
zu Tübingen. E. Philologie. 1. u. 2. Hälfte. Tübingen
1873/76. 40.
Jahrbuch der K. K. geologischen Reichsanstalt in Wien.
Jahrg. 1876. Bd. 26. Heft 2. 3. 4. Jahrg. 1877. Bd. 27.
Heft 1. Wien 8^.
Württembergische Jahrbücher für Statistik und Landes-
kunde. Herausg. v. d. K. stat.-topogr. Bureau. Jahrg. 1875.
Theil 1. 2 und Anhang. Stuttgart gr. 8«.
Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie und verwandter
Theile anderer Wissenschaften. Herausg. von F. Fittica.
Für 1874. Heft 3, für 1875. Heft 1—3. Gi essen
1876/77. 80.
Jahresbericht des naturhistorischen Vereins „Lotos". 26. Jahrg.
für 1876. Prag. 8^.
53. Jahresbericht der !S chl esisch en Gesellschaft für vater-
ländische Kultur. 1875. Breslau. 8°.
Leopoldina. Amtliches Organ der K. Leopoldinisch - Caro-
linischen Deutschen Akademie der Naturforscher. Heft. XII.
Jahrg. 1876. Dresden. 4».
Mittheilungen des naturwissenschaftlichen Vereins für Steier-
mark. Jahrg. 1876. Graz. 8^
Mittheilungen aus dem naturwissenschaftlichen Verein von Neu-
Vorpommern und Rügen in Greifswald. 8. Jahrg. 1876.
Berlin. S^.
Mineralogische Mittheilungen, gesammelt von Gust. Tschermak.
Jahrg. 1876. Wien. 8«.
— 29 —
Mittheilungen der K. K. geographischen Gesellschaft in Wien.
Bd. 18. = K Folge. Bd. 8. Wien 1875. S^.
Beschreibung des Oberamts Spaichingen. Hg. vom k. statist.-
topogr. Bureau. Stuttgart 1876. 8«.
Monatsberichte der K. preussischen Akademie der Wissenschaften
zu Berlin. 1876. April bis Decbr. 1877. Januar bis
April. Berlin 8".
Schriften der naturforschenden Gesellschaft in Banz ig. N. F.
Bd. IV. Heft 1. Danzig 1876. 8».
Sitzungsberichte der K. K. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Mathem. -naturwissenschaftliche Klasse. Abth. I. Bd. 72.
Hft. 1—5. Jahrg. 1875. Abth. II. Bd. 72. Hft. 1—5.
73. Hft. 1— 3. Jahrg. 1875. 1876. Abth. III. Bd.65— 72.
Jahrg. 1872/75. W^ien. 8».
Tübinger (Jniversitätsschriften. Aus dem J. 1873. 1875. 1876.
Tübingen. 4^.
Schriften derK. physikalisch- ökonomischen Gesellschaft zu König s-
berg. Jahrg. 16. Königsberg 1875/76. 4^.
Sitzungsberichte der naturwissenschaftlichen Gesellschaft „Isis**
zu Dresden. Jahrg. 1876. Dresden 1877. S^.
Schriften des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher
Kenntnisse in Wien. Bd. 17. Wien 1876/77. S«.
Sitzungsberichte der physikalisch-medicinischen Societät zu Er-
langen. Heft 8. 1875/76. Erlangen. 8«.
Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brunn. Bd. 14.
1875. Brunn. 8».
Verhandlungen des naturhistorisch-medicinischen Vereins zu Hei-
delberg. K F. Bd. I. Heft4. 5. Heidelberg 1876/77. 8».
Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereins in Carls ruhe.
Heft 7. Carlsruhe 1876. 8^.
Verhandlungen der K. K. geologischen Reichsanstalt. 1876.
Nr. 1 — 17. 1877. Nr. 1 — 6. Wien. 8«.
Verhandlungen der physik.-medicinischen Gesellschaft in Würz-
burg. N. F. Bd. 7. 9. 10. Würzburg 1874/76. 8«.
Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden Gesell-
schaft. 58. Versammlung in Andermatt.
— 30 —
Verhandlungen des naturhistorischen Vereins der preussischen
Rheinlande und Westphalens. Jg. 32. = 4. Folge
Jg. 2. 2. Hälfte. 1875. Jg. 33 = 4. Folge. Jg. 3.
1. Hälfte. 1876. Bonn. 8«.
Verhandlungen der K. K. zoologisch-botanischen Gesellschaft in
Wien. Jg. 1875. Bd. 25. Wien 1876. Jg. 1876.
Bd. 26. Wien 1877. 8».
Vierteljahrsschrift der naturforschenden Gesellschaft in Zürich.
Jahrg. 19. 20. 1874/75. Zürich. 8«.
Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft. Bd. 28.
Heft 1—4. Berlin 1876. 8«.
Zeitschrift für die gesammten Naturwissenschaften. Hg. v. d.
naturwiss. Verein für Sachsen und Thüringen in Halle.
Bd. 47, = N. F. 13. 1876. Bd. 48. = K F. 14. 1877.
Berlin. 8<>.
Deutsche entomologische Zeitschrift. Bd. 20. Heft 2. Bd. 21.
Heft 1. Berlin 1876/77. 8«.
21. und 22. Zuwachsverzeichniss der K. Universitätsbibliothek
zu Tübingen. Tübingen 1873/75. 4*^.
Öfversigt af kongl. Vetenskaps-Akademiens Förhandlingar. 19 — 21.
Argängen. 1862-64. 32. Argängen. 1875. Stock-
holm. 8«.
Bihang tili kon. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar.
Bandet III, 1. 1875. Stockholm. 8«.
Kon. Svenska Vetenskaps-Akademiens Handlingar. Ny Följd.
Bd. 11. 1872. Stockholm. 4».
Meteoroiogiska Jakttagelser Sverige, uitg. af K. Svenska Vetens-
kaps-Akademien. Bd. 15 (= 2. Serie Vol. I). 1873. Fol.
Archives Neerlandaises des sciences exactes et naturelles, publ.
p. la societe holl. des sciences ä Harlem. T. X. livr. 4.
5. 1875. T. XL livr. 1—5. 1876. T. XII. livr. 1.
1877. La Haye. 8^
Archives du Musee Teyler. Vol. I. Fase. 1. 2. ed. Vol. IV.
Fase. 1. 1876. Harlem. 8^\
Annali del Museo civico di storia naturale di Genova. Vol.
VIL VIIL 1875/76. Genova. 8^.
- 31 —
Amiales de la societe entomologique de Belgique. T. 19.
Bruxelles 1876. 8».
Annual report of the trustees of the Museum of comparative
Zoology at Harvard College in Cambridge. For 1876.
Boston 1877. 8».
Annual report of the board of regents of the Smithsonian In-
stitution. For the year 1875. Washington 1876. 8».
Annales de la socie'te d'agriculture, histoire naturelle et arts
utiles de Lyon. 4eme Serie. T. VIT. 1874. Paris. S^-
Annalen des physikalischen Centralobservatoriums, hg. v. H.Wild.
Jahrg. 1874. 1875. St. Petersburg 1876. 4«.
Annais of the Lyceum of natural history of New- York. Vol. X.
N». 12 — 14. Vol. XL N» 1 — 8. Ne w- York 1873/76. 8 ».
Atti della societä Toscana di scienze naturali residente in
Pisa. Vol. L Fase. 3. VoL IL Fase. 2. Pisa 1876. 8^.
Annuaire de l'academie royale des sciences, des lettres et des
beaux- arts de Belgique. Anne'e 37. 1871. — 41. 1875.
— 42. 1876. — Bruxelles. 8^.
Bulletin of the United States geological and geographical
Survey of the territories. Vol. IL N«. 2—4. Vol. III.
N«. 1. Washington 1876/77. 8».
Hayden, catalogue of the publications of the U. St. geol. and
geogr. Survey of the territories. 2e ed. Wash. 1877.
Bulletin de l'acade'mie royale des sciences, des lettres et des
beaux-arts de Belgique. Annee 39. = 2e Serie. T. 29.
30. Annee 43 = 2e Serie. T. 38. Annee 44. = 2e
Serie. T. 39. 40. Bruxelles 1870/75. 8".
Bulletin de la societe geologique de France. 3. Serie. T. III.
IV. V., 1—3. Paris 1875/77. 8^.
Bulletin de la socie'te imperiale des naturalistes de Moscou.
Annee 1876. N^. 2—4. Moscou 1876. 8^.
Bulletin de la societe des sciences naturelles de Neuchatel.
T. X. Cahier 3. Neuchatel 1876. 8«.
Bulletin des se'ances de la societe Vaudoise des sciences na-
turelles. 2eme serie. Vol. XIV. N^ 76. 77. Lausanne
1876/77. 8».
— 32 —
Bulletin of tbe Museum of comparative zoology at Harvard Col-
lege. Yol. III. NO. 11 — 16. 1876. Cambridge,
Mass. 8°.
Bulletin de la societe d'histoire naturelle de Co 1 mar. Annee
16 et 17. Colmar 1875/76. 8«.
Bulletin de la socie'te' d'histoire naturelle du de'partement de la
Moselle. Cahier 13. U. Metz 1874/75. 8«.
Bulletin of tlie Buffalo society of natural sciences. Vol. III.
NO. 2. 8. Buffalo 1876. 8«.
Catalogue illustrated of the Museum of comparative zoology in
Cambridge. N». 4—7. 1871/74. 4«.
Jaarboekje van het zoologisch genootschap Natura artis magistra
te Amsterdam. Jaarg. 1875. Amst. 8^.
Jaarboek van de K. akademie van Wetenschappen gevestigd te
Amsterdam. Voor 1875. Amst. 8^.
The Quarterly Journal of the geological society in London.
Vol.XXXII. Part 2—4. = N«. 126 — 128. Londonl876. 8«.
The Journal of the Eoyal Dublin society. Vol. VI. N». 42.
43. Dublin 1874/75. 8».
Journal of the L i n n e a n society of L o u do n. Botany. Vol. XV.
NO. 81—84. 1876. Zoology. Vol. XII. N». 60—63.
1876. Lond. 8^.
Memoires de la societe des sciences physiques et naturelles de
Bordeaux. 2e Serie. T. I. Cah. 3. 1876. 8^.
Memoirs read before the Boston society of natural history.
Vol. IL Part 4. N». 2—4. 1875/76. Boston. 4^.
Memoires de la societe des sciences naturelles de Cherbourg.
T. XIX = 2e Serie. T. IX. 1875. Cherbourg. 8«.
Compte-rendu de la se'ance extraord. tenue par la soc. nation.
des sc. nat. de Cherbourg le 30. Dec. 1876, ä l'occas.
du 25. anniversaire de la fondation. Cherbourg 1877. 8^.
Memoires de la soc. de physique et d'histoire naturelle de Geneve.
T. XXIV. Part. 2. 1875/76. Geneve. 4^.
Memoires de l'academie des sciences, belles-lettres et arts de
Lyon. Classe des sciences. T. 21. 1875/76. Lyon und
Paris. 80.
— 33 —
Nouveaux memoires de la societe imperiale des naturalistes de
Moscou. Seconde e'dition. T. I. 1811. — III. 1812.
— IV. 1812—13. - V. 1817. Nouv. Serie. T. XIIL
livr. 4. 5. 1874—76. Moscou. 4°.
Memoirs of the Museum of comparative zoology at Harvard Col-
lege in Cambridge. Vol. IV. N°. 10. The american
Bisons. Cambridge 1876. 4^.
Proceedings of the American philosophical society, held at Phi-
ladelphia. Vol. XIV. NO. 95. XV. NO. 96. XVI.
NO. 97. 98. Philadelphia 1875/76. 8^.
Proceedings of the American academy of arts and sciences at
Boston. Vol. XL = New Series Vol. III. 1875/76.
Boston and Cambridge. 8^.
Proceedings of the Bo ston society of natural history. Vol. XVII.
Part 1 — 4. Boston 1874/75. 8«.
Proceedings of the zoological society of London. For the year
1876. Part 1—4. London. 8«.
Proceedings of the Lyceum of natural history in the city of New
York. Second series. 10 March — 2 June 1873. Se-
cond series. N^. 3. 4. (6 Oct. 1873 — 1 June 1874). 8».
Proceedings of the Academy of natural sciences of Philadel-
phia. 1875. Part 1 — 3. Jan. — Dec. Philad. 8«.
Eepertorium für Meteorologie, hg. v. d. Kais. Akademie der
Wissenschaften in St. Petersburg. Bd. V. Heft 1.
1876. St. Petersb. 4«.
Report of the United States geological survey of the terri-
tories by F. v. Hayden. Vol. IX. X. Washington 1876. 4».
Smithsonian contributions to knowledge. Vol. XX. XXI. Wa-
shington 1876. 4«.
Natuurkundig Tydschrift voor Ned erl andsche Indie. Mitg.
door de natuurkund. Vereeniging in Nederl.-Iudie. Deel
XXXIV. = 7. Serie Deel IV. Batavia 1874. 4«.
Transactions of the zoological society of London. Vol. IX.
Part 8 — 11. 1876 — 77. London. 4«.
Transactions of the Connecticut Academy of arts and sciences
in New Haven. Vol. IIL Part 1. 1876. 8«.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 3
— 34 —
The transactions of the academy of science of St. Louis. Vol.
III. Nr. 3. 1876. St. Louis. 8».
Verhandelingen der kon. Akademie van wetenschappen. Deel XVI.
1876. Amsterdam. 4^.
Katuurkundige verhandelingen der Hollands che maatschappy
der Wetenschappen te Harlem. Deel IL N«. 5. 1875.
Haarlem u. Amst. 8^.
Verslagen en mededeelingen der kon. Akademie van wetenschappen.
Afdeel. Natuurkunde. Tweede Kecks. Deel X. 1877.
Amsterdam. 8^.
d. Durch erst in diesem Jahre eingeleiteten
Tauschverkehr:
1. Jahresbericht der zoologischen Station in Neapel. Leipzig
1876. 80.
Sitzungsberichte der naturforschenden Gesellschaft zu Leipzig.
Jahrg. 1—3. 1874 — 76. Leipzig. 8».
Archiv for Mathematik og Naturvidenskab , udg. af S. Cie, W.
Müller og G. 0. Sars, in Christiania. L Bind. 1876. 8».
Atti della E. Accademia delle scienze fisiche e matematiche di
Napoli. VoL I-VL Napoli 1863/75. 4».
Kendiconto delP Accademia delle scienze fisiche e matematiche
di Napoli (sezione della societä reale). Anno 1—14.
1872—75. Napoli 4^.
Atti della societä Veneto -Trentina di scienze naturali resi-
dente in Padova. Vol. I— V. Fase. 1. Padova 1872/76. 8^.
Atti deir accademia Pontificia de nuovi Lincei di Roma. Anno
XXIX. Sess. 1 — 7. Roma 1875/76. 4».
Atti della R. Accademia dei Lincei di Roma. Serie 2. Vol.
1—3. Serie 3. Vol. 1. Fase. 1—4. Roma 1873/76. 4».
Bolletino della societä entomologica italiana. Anno I— IX, 1.
Firenze 1869/77. 8».
Bolletino del R. comitato geologico d'Italia. Vol. I— VIL
Roma 1870/76. 8^.
Bolletino della societä Adriatica di scienze naturali in Trieste.
Vol. III, 1. Trieste 1877. 8«.
— 35 —
Bulletin trimestriel de la socie'te' Khediviale de geographie du
Caire. N^. 1—4. Le Caire 1876/77. 8«.
Memorie dell' Accademia delle scienze delP iustituto di Bologna.
Serie III. Tomo VI. Fase. 1—4. 1875—76. Bo-
logna. 4°.
Eendiconto delle sessioni dell' Accademia delle scienze delP
instituto di Bologna. Anuo accademico 1875 — 76. Bo-
logna. 80.
Miscellaneous publications of the ü. St. geological and geogra-
phical survey of the territories by F. v. Hayden. N". 1.
4. edit. by Gannett. Wash. 1877. 8».
Transactions and proceedings of the New Zealand Institute.
Vol. I— VII. Wellington 1869—75. S».
Transactions and proceedings of the Royal society of N ew
South Wales. Vol. I— IX. 1867 — 75. Sydney
1868—76. 8».
Vereinskassier Hofrath Eduard Seyffardt trug folgenden
Hechnungs-Abschluss für das Jahr 1876—77
vor:
Meine Herren I
Nach der abgeschlossenen 33. Rechnung, die den Zeitraum
1. Juli 1876/77 umfasst, betragen
die Einnahmen:
A. Reste. — 0 —
B. Grrundstock. Heimbezahlte Kapitalien 600 M. — Pf
C. Laufendes.
Activ-Kapital-Zinse . . . . 509 M. 49 Pf.
Beiträge von den Mitgliedern 3485 M. — Pf.
Ausserordentliches . . . . 10 M. — Pf.
Hauptsumme der Einnahmen
— *• 4604 M. 49 Pf.
4004 M. 49 Pf.
3*
— 36 —
Die Ausgaben:
A. Keste. Guthaben des Kechners auf
30. Juni 1876 559 M. 65 Pf.
B. Grundstock. __ 0 —
C. Laufendes.
Pur Vermehrung der Samm-
lungen 282 M. 94 Pf.
, Buchdrucker- u. Buchbin-
derkosten 2284 M. 55 Pf.
„ Schreibmaterialien, Copi^i-
lien, Porti etc. ... 389 M. 36 Pf.
y, Bedienung, Reinigungs-
kosten, Saalmiethe . . 235 M. — Pf.
„ Steuern 31 M. 4 Pf.
„ Ausserordentliches . . 3 M. — Pf.
3225 M. 89 Pf>
Hauptsumme der Ausgaben
— ;. 3785 M. 54 Pf.
Die Einnahmen betragen hiernach .... 4604 M. 49 Pf.
„ Ausgaben , , ... . 3785 M. 54 Pf.
es erscheint somit am Schlüsse des Rechnungs-
jahrs ein KassenYorrath von 818 M. 95 Pf.
Vermögens-Berechnung.
Kapitalien 11300 M. 6 Pf.
Kassenvorrath 818 M. 95 Tt
das Vermögen des Vereins beträgt nun . . 12119 M. 1 Pf.
Da dasselbe am 30. Juni 1876 11340 M. 41 Pf.
betrug, so stellt sich gegenüber dem Vorjahre
eine Zunahme von 778 M. 60 Pf.
heraus.
Nach der vorhergehenden Rechnung war die Zahl Aktien
der Vereinsmitglieder 639 mit 642.
Hiezu die neu eingetretenen Mitglieder, nämlich die Herren:
Erbgraf Otto v. Rechberg-Rothenlöwen, Erlaucht
in Donzdorf,
— 37 —
Aktien
Uebertrag . . 642
Dr. Häberle in Stetten i. R.,
Kaufmann C. Lang in Reutlingen,
Staatsminister des Innern v. Sick, Excellenz, Stuttgart,
Professor Dr. v. Vischer daselbst,
Hofmaler C. Mayer daselbst,
Fabrikant Fr. Kutter in Höll,
Dr. S t i e g e 1 e in Weingarten,
C. L u p b e r g e r in Ziegelbach,
A. Schiele in Schemmerberg,
M. Fet scher in Altshausen,
Präceptor Dr. K h u e n in Saulgau,
Dr. Lampart er in Reutlingen,
Hevierförster K u 1 1 1 e r in Biberach,
Apotheker Romerio in Zeil,
C. Mayer in Aulendorf,
Apotheker Luib in Mengen,
A. Linng in Assmannshardt,
C. Majer iu Reutlingen,
Pfarrer Findeisen in Bürg,
Kanzleirath Widmann in Stuttgart,
A. Weinland in Waldsee,
Kaufmann F. Schiele daselbst,
€. Liebel daselbst,
Chirurg J. Ott daselbst,
Kameralverwalter Schickhardt in Neuenstadt,
A. Engelbrecht daselbst,
L. Henninger daselbst,
Revierförster Fischer daselbst,
Stadtschultheiss Leitz daselbst,
Dr. Bilfinger daselbst,
Dr. Adae daselbst,
Oberförster v. Killinger daselbst,
Oberamtsarzt Dr. Heller in Sulz a. N.,
Uebertrag . . 642
— 38 —
Aktien^
Uebertrag . . 642
Oberamts-Wundarzt Dr. Vöhringer in Sulz a. N.,
Studiosus Herter in Dürren waldstetten,
Revierförster Stock zu Hofstett,
Apotheker Clesser in Plieningen,
Eisenbahnbauinspector Schraid in Wangen,
Professor Dr. Eimer in Tübingen,
Pfarrer Staiger in Gutenzell,
Dr. Mayer in Blaubeuren,
Posthalter Linder in Ehingen,
Oberstabsarzt Dr. Hell in Ulm,
Stadtpfleger Geiger daselbst,
Apotheker Fischer in Rottweil,
Oberamtspfleger Maulbetsch in Nagold,
Kaufmann A. Reichert daselbst,
Fabrikant Mast in Ebhausen,
Caplau Fieseier in Eberhardszell,
Caplan Rieg in Warthausen,
Betriebs-Bauinspector Wundt in Schorndorf,
Oberamtsarzt Fischer in Neuenbürg,
Dr. Mülberger in Herrenalb,
Apotheker Um gelter sr. in Stuttgart,
Studiosus Eisenlohr in Tübingen,
Otto Esenwein in Backnang,
Xylograph Michael in Stuttgart,
Apotheker Keppler in Liebenzell,
Oekonomierath Rahm er zu Schäferhof,
Steuercommissär Hailer in Leutkirch,
Apotheker Hodrus in Altshausen,
Commerzienrath Springer in Isny,
Stadtschultheiss Münz daselbst.
Kaufmann Klinke rfus in Stuttgart,
Forstmeister Hopfengärtner in Wildberg,
Apotheker Oeffinger in Nagold,
Uebertrag . . 642
39
Aktien
Uebertrag . . 642
Kaufmann Const. Reichert in Nagold,
Professor H e r 1 1 e r in Calw,
Dr. Schlosser in Stuttgart,
Oberamtsarzt Dr. Lechler in Böblingen,
Dr. Zeller in Reutlingen,
Apotheker Kachel daselbst,
Fabrikant Roth daselbst,
Fabrikant Wandel jr. daselbst,
Werkmeister Kieferle daselbst,
Director Dr. Flamm in PfuUingen,
Rector Bo eklen in Reutlingen,
Fabrikant C. Poeppel daselbst,
Kaufmann W. Y o tt e 1 e r daselbst,
Oberamtsarzt Dr. Beitter in Calw,
Kaufmann F. Lang in Waldsee,
Präceptor Rief daselbst,
Director Dr. Ast in Schussenried,
Privatier Kaess daselbst,
Zeichnungslehrer Schmid in Reutlingen.
86 Mitglieder mit . . 86
728
Aktien.
Hievon die ausgetretenen Mitglieder , und zwar die
Herren :
Apotheker Morstatt in Cannstatt,
Dr, Klunzinger in Berlin,
Regierungsrath Schott v. Schottenstein
in Reutlingen,
Obermedicinalrath Dr. v. Cless, in Stuttgart,
Revierförster Geyer in Berraaringen,
Collaborator W i e 1 a n d in Nagold,
Chemiker Dittmann in Hohenheim,
Uebertrag . . 728
— 40 —
üebertrag . . 728
Privatier L. Sautter sr. in Nagold,
Buchhalter Sellner in Stuttgart,
Dr. Widenmann in Stuttgart,
Professor Eeu sohle daselbst,
Dr. Frech in Cannstatt,
Apotheker Wechsler in Metzingen,
Präceptor Schöpfer in Ludvvigsburg,
Apotheker Reinhard daselbst,
16 Mitglieder mit . 16
Die gestorbenen Mitglieder, nämlich die Herren
Freiherr v. R ei seh ach in Stuttgart,
Oberstudienrath Dr. v. Rieke daselbst,
Kanzleirath Redwitz daselbst,
Schullehrer Eitle in Strumpf elbach,
Obermedicinalrath Dr. v. Rieke in Stuttgart,
Staatsminister a. D. v. Neurath, Excelleuz,
daselbst,
Forstrath F r o m m a u n in Bönnigheim,
Director a. D. v. Walz in Stuttgart,
Dr. Fr öl ich daselbst,
Apotheker Dietrich daselbst,
Medicinalrath Dr. Müller in Calw,
Professor Dr. Hofmeister in Tübingen,
Stadtförster S c h ü r 1 e in Nagold,
Oberbaurath Binder in Stuttgart,
Salineninspector S c h 1 ö n b a c h in Salzgitter,
15 Mitglieder mit . . 15
31 Mitglieder 31
über deren Abzug die Mitgliederzahl am Ende des Rechnungs-
jahres beträgt
— ;. 694 mit 697 Aktien,
somit Zunahme der Mitglieder 55 mit gleicher Aktienzahl.
— 41 —
Wahl der Beamten.
Die Generalversammlung erwählte nach §.13 der Statuten
durch Acclamation
zum ersten Vorstand:
Oberstudienrath Dr. v. Krauss in Stuttgart,
zum zweiten Vorstand:
Professor Dr. 0. Fr aas in Stuttgart,
und für diejenige Hälfte des Ausschusses, welche nach §. 12
der Statuten auszutreten hat:
Professor Dr. Ahles in Stuttgart,
Geheimer Hofrath Dr. v. Fehlin g in Stuttgart,
Öbermedicinalrath Dr. v. Hering in Stuttgart,
Generalstabsarzt Dr. v. Klein in Stuttgart,
Director v. Schmid in Stuttgart,
Hofrath Eduard Seyffardt in Stuttgart,
Professor Dr. v. Zech in Stuttgart und
Stadtdirections Wundarzt Dr. Steudel in Stuttgart,
welcher für den verstorbenen Oberbaurath Binder eingetreten ist»
Im Ausschuss bleiben zurück:
Professor C. W. v. Bauer in Stuttgart,
Professor Dr. Blum in Stuttgart,
Professor Dr. 0. Fr aas in Stuttgart,
Obertribunalrath W. v. Gmelin in Stuttgart,
Professor Dr. 0. Köstlin in Stuttgart,
Professor Dr. v. Marx in Stuttgart,
Apotheker M. Reihlen in Stuttgart,
Director Dr. v. Zell er in Stuttgart.
Zur Verstärkung des Ausschusses wurden in der Aus-
schuss-Sitzung vom 9. November nach §.14 der Statuten gewählt:
Dr. Fr. Ammermüller in Stuttgart,
Bergrath Dr. Baur in Stuttgart,
Professor Dr. Bronner in Stuttgart,
Oberforstrath Dorr er in Stuttgart,
als Secretäre:
Generalstabsarzt Dr. v. Klein in Stuttgart,
Professor Dr. v. Zech in Stuttgart,
_ 42 —
als Kassier:
Hofrath Eduard Seyffardt in Stuttgart,
als Bibliothekar:
Oberstudienrath Dr. v. Krauss in Stuttgart.
Für die nächste Gener alvers a mmlu ng am Johannes-
feiertag den 24. Juni 1878 schlug Herr Hüttendirector Dr. Dorn
Tübingen vor. Da der Verein seit seiner Gründung die Ge-
neralversammlung nur zweimal, 184 6 und 1852 in der Univer-
sitätsstadt gefeiert hat und seit dieser Zeit nicht wieder dahin
eingeladen worden ist, so wurde die Einladung gerne unterstützt
und ungeachtet einer Bemerkung, dass nach bisherigem Gebrauch
Stuttgart an der Reihe sein würde, durch Stimmenmehrheit Tü-
bingen und hierauf Dr. Dorn als Geschäftsführer gewählt.
Die Verhandlungen schlössen um halb 2 Uhr, nachdem der
Vorsitzende noch den städtischen Behörden, den Ausstellern der
Sammlungen und dem Geschäftsführer für ihre Bereitwilligkeit
und Bemühungen zum gelungenen Fest den Dank ausgedrückt
hatte.
Nach dem Mittagsmahl führte Herr Dr. Lucas, Director
des pomologischen Instituts, einen Theil der Mitglieder in seine
Gartenanlagen, ein anderer besichtigte unter der Leitung des
Herrn Dr. Dorn eine Verwerfung der Gebirgsschichten in der
Nähe des Bahnhofs. Bis zum Abgang der Bahnzüge verweilten
die auswärtigen Mitglieder im Museumsgarten in heiterer Unter-
haltung mit den neu gewonnenen Reutlinger Freunden.
Nekrolog
des
Dr. Emil Schüz von Calw,
Von Dr. Wurm in Teinach.
„Multis ille bonis flebilis occidit."
Am Morgen des 6. April heurigen Jahres verbreitete sich
In der Stadt Calw und Umgegend die Nachricht, dass Dr. Schüz
soeben, zwar nach längerem Leiden, aber doch unvermuthet plötz-
lich gestorben sei. Und weiter und weiter schlug die nur allzu
bestätigte Trauerkunde ihre Wellen, überall die schmerzlichste
Theilnahme erweckend. Hatte ja doch der Dahingegangene eine
sehr beträchtliche Zahl von Verbindungen mit Ländern und
Menschen unseres ganzen Planeten in seinem, dem Staate, der
Heimathgemeinde, der Wissenschaft und der Humanität gewid-
meten Leben und Streben angeknüpft und lebendig erhalten I
Indem ich, der ich mich des Verstorbenen intimer Freund-
scha,ft eine lange Reihe von Jahren hindurch erfreuen durfte,
und der ich aus diesem Umgange die angenehmsten und vielsei-
tigsten Anregungen zog, hier einen kurzen Ueberblick über Lebens-
verhältnisse und Wirksamkeit desselben gebe, berühre ich wohl
eine mich allezeit schmerzende Wunde ; ich zögere jedoch damit
nicht, da eben die genannten Beziehungen, sowie freundliche
Mittheilungen aus den hinterlassenen Papieren von Seite seiner
Angehörigen mich zu möglichst vollständigen und correcten Mit-
theilungen befähigen.
— 44 —
Georg Emil Karl Christoph Schüz ist zu Calw, als
:Sohn des Dr. med. J. Chr. Schüz und dessen Gattin Emilie
Louise, geb. Zahn, am 12. August 1828 geboren. Der Gross-
vater von väterlicher Seite war J. G. Chr. Schüz, zuletzt Pfarrer
in Hildrizhausen, 0/A. Herrenberg, der von mütterlicher Seite
der bekanntere Calwer Arzt Dr. J. G. Zahn, geb. in Altheng-
stett 1789, gest. in Calw 1831. Dr. Zahn erwarb sich nament-
lich durch die Beförderung der Einführung der Schutzpockenimpfung,
des Galvanismus als Heilmittel und der Blitzableiter in Württemberg
bleibende Verdienste. Von diesem Letzteren ging die ärztliche
Praxis, sowie die Pflege der Naturwissenschaften nicht nur auf
Dr. Schüz' s Vater, desselben Schwiegersohn, sondern auch auf
diesen selbst über, wie er denn oftmals erzählte, dass die ehr-
würdige Gestalt, das gewinnende Wesen, die reichen Kenntnisse
•des Grossvaters bereits auf das zarte Kindesgemüth den bleibend-
sten Eindruck gemacht und zur Nacheiferung in allen Stücken
angespornt hätten. So kam es, dass der junge Schüz schon
frühzeitig und spielend von Vater und Grossvater in die Natur-
wissenschaften eingeführt wurde; die Unterhaltung, Beobachtung
und Zergliederung verschiedener Thiere, das Sammeln von Mine-
ralien, die Begleitung des pflanzenkundigen Vaters auf botanischen
Excursionen vertieften und erleuchteten jene Eindrücke der Natur
auf den heranwachsenden, ungemein begabten und lernbegierigen
Knaben. Vom sechsten Lebensjahre an besuchte er die Elementar-
schule, dann die Lateinschule seiner Vaterstadt, und hierauf, nach
seiner Confirmation, im Mai 1842 das Gymnasium in Stuttgart,
wo er den möglichsten Ersatz für das glückliche Familienleben,
dem er sich entreissen rausste, in dem neuerrichteten Pensionate
von Benneder und im bildenden Umgange mit treff"lichen
Männern, Freunden seines Vaters, fand. Dort eignete er sich
nicht allein die alten Sprachen mit Eifer und Erfolg an, sondern
setzte auch seine Naturaliensammlungen (bes. Schnecken, Schmetter-
linge, Herbarien) rastlos fort, ja bei dem vortrefflichen Unter-
richte von Fräulein Emilie Zumsteg betrieb er noch musika-
lische Studien, welche ihn tiefer in das Wesen und Verständnissder
Musik einführten, als die gewöhnlichen Dilettanten einzudringen
— 45 —
pflegen. Oftmals erwähnte er mir gegenüber dankbar diese seine*
Lehrerin, oftmals erfreute er Familien- und Freundeskreise durch
sein Clavierspiel und er pflanzte die Pflege der classischen
Musik auch bei seinen Söhnen. Schon 1835 hatte er seine
Mutter verloren, in Marie Heermann aber, einer Tochter des
Kaufmannes H. in Calw, eine liebevolle zweite Mutter finden
dürfen. Förmlich als selbstverständlich widmete er sich nach
im Herbste 1846 abgelegtem Maturitätsexamen dem Lebens-
berufe seines Vaters und Gross vaters, der Arzneiwissenschaft, der
schliesslichen Blume und Frucht aller Disciplinen, der Naturlehre,
welche ja die allein sichere Basis der Medizin bildet. Schliz
bezog daher im October die Universität Tübingen, wo er, mit
Ausnahme eines in Heidelberg verbrachten Semesters, bis zum
Herbste 1851 verblieb nnd neben den eigentlichen Fachstudien
mit stets offenem Auge, lerneifrigem Sinne und warmem Herzen
besonders Zoologie und Botanik, und zwar letztere mit Vorliebe^
fortbetrieb. Später benützte er seine fast alltäglichen Praxis-
fahrten zugleich zu gelegentlichen botanischen Excursionen. Seinem
angelegentlichen Wunsche, nach bestandenem Examen die Spitäler
von AVien, Prag, Paris zu besuchen, trat der leidende Zustand
des Vaters, welcher sicli die Unterstützung des Sohnes in seiner
äusserst anstrengenden und in hiesiger Gebirgsgegend doppelt
beschwerlichen Praxis dringend wünschte, zumal, da eben eine
Typhus- und Pockenepidemie den Bezirk heimsuchte, unbedingt
entgegen, und so kelirte er in das elterliche Haus zurück, um
noch im gleichen Jaln-e (1851) als Referendar beim Physikate
Calw seine ärztliche Wirksamkeit zu beginnen. Später, und
vielleicht mit mehr Nutzen, da des Mannes gereifter Blick ihn
begleitete, hat er auf zahlreichen wissenschaftlichen Reisen im
In- und Auslande jenes erzwungene Versäum-niss reichlichst ein-
geholt, während eine ungemein ausgedehnte ärztliche Praxis — ■
welche ihn z. B. im Jahre durchschnittlich 364 Mal auf das
Land und allwöchentlich einige Mal aus dem Bette rief, —
ihm, der immer strebsam alle theoretischen und praktischen Fort-
schritte seines Faches für seine Patienten verwerthete, und letz-
teren jederzeit ein liebevoller, vertrauenerweckender Berather und
— 46 —
Helfer war, eine Fülle interessanter Beobachtung-en und Erinne-
rung-en lieforte. Am 23. Dezember 1852 war der erst 49jährige
Vater nach langen Leiden gestorben, und hatte von da ab der
Sohn die Praxis allein zu besorgen, nachdem er im Juli 1853
■das Staatsexamen erfolgreich bestanden. Im October desselben
Jahres begründete er seinen eigenen Herd im väterlichen Hanse
am Marktplatze durch Verehelichung mit Marie Schauber, der
Tochter des Fabrikanten Friedrich Seh. und seiner Gattin
Marie, geb. Zahn. Im Juni 1875 hatte er den Schmerz, seine
Lebensgefährtin durch den Tod zu verlieren. Von den vier,
dieser Ehe entsprossenen Söhnen starben zwei bereits im zarte-
sten Alter, von den beiden Ueberlebenden liegt der Aeltere
gegenwärtig dem Studium des Bergwesens am Stuttgarter Poly-
technikum ob. Ihre Erziehung leitete Dr. Schüz mit inniger
Liebe und Sorgfalt und durfte sich dafür ihres körperlichen und
geistigen Gedeihens erfreuen. Mit grosser Bestimmtheit wünschte
«r, wie er mir öfter wiederholte, dass keiner seiner Söhne Me-
diziner werde, einzig nur , um ihnen die verantwortungsvollen
Mühen zu ersparen, welche er selbst in einer rauhen Landpraxis
so reichlich durchgekostet. Auch ihn bestimmte ein Kniegelenks-
und Leberleiden, gegen welche er in Wildbad und Carlsbad
wiederholt Hilfe suchte, die ärztliche Praxis im Winter 1870/71
aufzugeben, um fortan mit mehr Müsse seinen Sammlungen und
Vereinen, grösseren (darunter einigen historischen) schriftstelle-
rischen Arbeiten und seinen ausgedehnten Bürgerpflichten zu
leben. Leider sollte das „otium cum dignitate" von kurzer
Dauer sein!
Schon seit Jahren an Herzverfettung und Bright'scher Nieren-
krankheit leidend, erfuhr er, da er eben an der Geburtsfeier des
Deutschen Kaisers (22. März 1877) den gewohnten Antheil zu
nehmen im Begriffe stand, eine bedenkliche Verschlimmerung
seines Zustandes, welche ihn ~ mit bald hoffnunggebenden, bald
ungünstigen Schwankungen — bis zu seinem am 6. April 1877
früh l^/i Uhr beim Ankleiden in Folge einer Herzlälimung
plötzlich eingetretenen Tode, in das Krankenzimmer bannte. Im
letzten Lebensjahre hatte ihn eine mit dem Grundleiden zusammen-
— 47 —
hängeude, ernste Störung des Sehvermögens sehr gedrückt und
in seinen Arbeiten gehindert. Am 8. April geleitete ihn eine
zahlreiche und schmerzlich ergriffene Trauerversammlung aus Nah
und Fern zum Grabe.
Was der Freund dem Freunde, ja der ganzen, mit Güte und
Wohlwollen umfassten Menschheit war, was er als Bürger, Stadt-
rath, Schöffe, Geschworner, Kirchenconventsmitglied, Schriftsteller
u. s. w. für seine Vaterstadt und selbst für das Land leistete,
seine Verdienste als Arzt — all' Dieses zu schildern, kann nicht
hier meine Aufgabe sein. Ich möchte, ehe ich seiner speziell
naturforschenden Thätigkeit gedenke, lediglich zur Ergänzung
seines Charakterbildes hervorheben, dass er einem positiven
Christenthume, jedoch ferne von Intoleranz gegen andere Ueber-
zeugungen und von Neigung zum Pietismus, ebenfalls überzeu-
gungstreu und activ anhing, dass er seine deutsch-nationale und
seine durch reiche Lebenserfahrung gemässigte liberale politische
Gesinnung stets bethätigte, dass er endlich von seinem namhaften
Vermögen den edelsten Gebrauch zur Erziehung seiner Kinder,
zur eigenen Ausbildung, zur Forderung der Wissenschaften und
Künste, sowie zu stillen Wohlthaten und zu gemeinnützigen Unter-
nehmungen machte. Seine ansprechende, behäbige Erscheinung,
seine Herzensgüte, sein reiches Wissen auf den mannichfaltigsten
Gebieten, das sicli keineswegs in Geschwätzigkeit breit machte,
sondern erst allmählich im Laufe der Gespräche hervortrat, seine
grosse Anspruchslosigkeit nahmen sofort und dauernd für ihn,
als einen bedeutenden Mann, ein.
Nur eine grosse Ordnungsliebe und eine präcise Eintheilung
der freilich oft bis nach Mitternacht verlängerten Arbeitszeit er-
möglichte es Dr. Schüz, neben all' den genannten Leistungen
auch den Naturwissenschaften eine fördernde Thätigkeit fort und
fort zuzuwenden, durch welche er namentlich in der Mitglieder-
zahl des „Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg"
und in dessen „Schwarzwälder Zweigvereine " eine hervorragende
und wohl stets unvergessene Stelle einnahm. Die Versammlungen
deutscher Aerzte und Naturforscher besuchte er wenn nur immer
möglich, so 1853 die zu Tübingen, 1857 zu Bonn, 1865
— 48 —
zu Hannover, 1868 zu Dresden, 1869 zu Innsbruck, 1872^
zu Leipzig, 1873 zu Wiesbaden, 1875 zu Graz, 1876 zu
Hamburg, 1874 eine Versammlung von Botanikern zu Florenz^
endlich die Kunst- und Industrieausstellungen zu Paris, Wien,
München, Ulm u. a., den Gärtnercongress in Erfurt (1865),
überall, wie auch auf seinen Erholungsreisen, stets reichen
wissenschaftlichen Gewinn erntend und zu den gepflegten alten
Bekanntschaften mit Spezialforschern immer neue anknüpfend.
Solche zu unterstützen war er stets bereit, wie z. B. die Samm-
lung von Sagen, Aberglauben, Sitten, Sprüchwörtern, Mundarten
etc. „Aus Schwaben" von Prof. Dr. Birlinger in Bonn durch
ihn wesentlich bereichert worden ist. Seine äusserst bunte und
belebte Voliere, seine Alpenpflanzenkultur, seine Herbarien und
Mineralien, manche ethnologische Seltenheiten und allerlei Curio-
sitäten, endlich seine stattliche Bibliothek führten oft Besucher
nach Calw. Ganz hervorragend ist seine, 24 grosse Pappekästen
umfassende Sammlung von Portraits und Autographen von Natur-
forschern und Aerzten, welche, wenn ich recht unterrichtet bin,,
lediglich von der Berliner Staatssammlung an Reichhaltigkeit
übertroffen wird. Testamentarisch ward bestimmt, dass alle diese
Gegenstände bis zur Mündigkeit seiner Söhne unverändert in
seinem Hause aufbewahrt bleiben sollen. Eine im Januar 186^
angetretene SOtägige Orientreise über Triest, Alexandrien, Cairo,
Jerusalem, Athen, Konstantinopel etc. hat Dr. Schüz in einer
höchst anziehenden und lehrreichen Weise beschrieben.
Ausser dieser Reisebeschreibuug hat derselbe nur kleinere
Arbeiten veröfi'entlicht ; von den bei freierer Zeit der letzten
Jahre unternommenen grösseren Arbeiten hat ihn der unerbittliche
Tod abgerufen. Hier das Verzeichniss seiner literarischen Producte r
lieber den Krebs der Schilddrüse mit Perforation des
Kehlkopfes. Zeitschr. f. Wundärzte u. Geburtshelfer. 1854.
VII. S. 238 ff.
AYurstvergiftung an 12 Personen. Württ. med. Corresp.-
Bl. 1855. XXV. S. 161 ff.
Plora des nördlichen Scliwarzwalde s, I. Phanero-
gamen. Inauguraldissertation. Calw 1858.
— 49 —
A t r 0 p a b e 1 1 a d 0 n n a lutea, Scliiiz : Württ. naturw. Jahresb.
1859. XV. S. 45.
K a i s e r s c b 11 i 1 1 an einer Lebenden: in der Inang-Dissert.
V. E. Fries: Ueber d. Erfolg- der Kaiserschnitte in Württem-
berg. Tübingen 1868. S. 22 ff.
Lebenszähigkeit der Bachforelle: Württ. naturw.
Jahresh. 1866. XXIL S. 128.
Vom Schwarzwald in's Morgenland, ßeiseskizzen etc.
Calw 1870. 8«. 168 S. (Verlier im „Unterhaltnngsblatt
des Calwer Wochenblattes" i3riblicirt.)
Dasselbe^, zweite verm. n. verb. Aufl., Stuttgart 1875.
Flora von Wildbad, in Dr. v. Renz's „Wildbad^ Wild-
bad 1874. S. 198—211.
Die S c h w a r z w a 1 d b a h n , beschrieben von Pfarrer Hoch-
stetter u. Dr. Schüz. Stuttgart 1872.
Fortwährende Fliege nlar v enzucht (für Vogelzucht,
Aquarien etc.): Gefiederte Welt, 1873. TL a. 16. S. 139.
F ü h r e r d u r c h C a 1 w und Umgegend (für den Verschöne-
rungsverein gearbeitet), mit Stadtplan, Stuttgart 1876.
In Arbeit dagegen befanden sich:
Biographisches Lexikon der Aerzte und Natur-
forscher aller Zeiten,
B i og' r a p h i s c h e s C a 1 e n d a r i u m ,
Chronik der Stadt Calw,
Was bis jetzt in der Erforschung des Schwarz-
waldes geleistet worden, Vortrag zur Eröffnung des
Schw. Zweigvereins am 6. Januar 1875*.
Dr. Schüz gehörte folgenden Vereinen (abgesehen von zahl-
reichen wohltliätigen Gesellschaften) an:
* Diese letztere Abhandlung fand sich unter des Verstorbenen
Papieren nicht mehr vor. Veimuthlich hatte derselbe sie an ein Ver-
einsraitglied ausgeliehen. Da nicht nur mir, sondern auch den Erben
an der Wiedererlangung dieses Manuscriptes sehr viel liegt, so bitte ich
den augenblicklichen Inhaber um gefällige Zusendung.
Dr. Wnrm,
WUrttemb. Daturw. Jahvoshefte. 1878. 4
— 50 —
seit 1852: dorn Calwer ärztlichen Gauvereinc,
„ „ wiiTidärztlicheii Vereine,
, 1853: dem Vereine für vaterl. Naturkunde,
„ württ. ärztl. Vereine,
„ 1859: der Oberliessiscben Gesellschaft für Natur- und
Heilkunde,
1861: dem Kunstvereiue,
^ 1862: dem württ. Thierschutzvereine,
„ 1864: der Weinverbesserung-sgesellschaft,
„ 1865: Pfleger des Germanischen Museums in Nürnberg.
- 1868: dem württ. Alterthumsverein,
,, 1869: „ deutschen Alpenverein,
„ 1872: der anthropologischen Gesellschaft,
y, 1873: der zoolog.-botan. Gesellschaft in Wien,
„ 1875: der K. Leopoldinisch - Carolinisch - deutschen Aka-
demie der Naturforscher,
dem III. ärztlichen Bezirksvereine und
dem Schwarzwälder Zweigverein des Vereins für
vaterl. Naturkunde.
Was den letztgenannten Verein betrifl't, so hatte ich während
zweier Jahre mit dem Vorstand des „Badischen Schwarzwald-
vereins" (in Waldkirch) correspondirt, um denselben zu bewegen,
aus dem engen Kreise des Nachbarlandes herauszutreten, und
auch die wissenschaftliche und industrielle Erforschung und Aus-
beutung des Schwarzwaldes in das Programm aufzunehmen.
Allein ohne Erfolg, denn jene Gesellschaft verfolgte andere
Zwecke. Als ich nun Dr. Schüz und Apotheker Kober
Kenntniss von den gescheiterten Verhandlungen gab, war Er-
sterer sogleich bereit, dem Plane eine andere, erfolgverheissende
Richtung nach dem Vorgange des „Oberscliwäbischen Zweig-
vereines" zu geben, und es gelang ihm, den „Schwarzwälder
Zweigverein " unter zahlreicher Betheiligung zu begründen. In
dessen erster Versammlung ward er einstimmig zum Vorstande
erwählt, und wusste durch seine Thätigkeit in Vorführung inter-
essanter Themata und Objecte die an jene Wahl geknüpften Er-
wartungen völlig zu erfüllen. Leider liat der Verein schon ietzt
— 51 —
seinen Verlust zu betrauern. Die Mitglieder desselben gelobten
jedoch in der letzten Versammlung, das Vermäclitniss des Ge-
schiedenen hochzuhalten und durch eifriges und einträchtiges Zu-
sammenwirken im Vereine sein Andenken zu ehren und fortleben
zu lassen.
Und so ruhe denn der treue Freund und Mitarbeiter an der
Seite seiner vorangegangenen Gattin friedlich in der heimath-
lichen Schwarzwalderde, die er im Leben so warm geliebt hat!
Nekrolog
des
Gustav Walz,
vormaligen Directors der A ka demi e H ohe nh e i m.
Von Prof. Dr. v. Weber in Tübingen.
Am 30. Oktober 1876 starb zu Stuttgart ein langjähriges
Mitglied des Vereins für vaterländische Naturkunde, der vor-
malige Director der Akademie Hohenheim, Gustav W a 1 z. Der-
selbe hatte es sich zu seiner Lebensaufgabe gemacht, die Land-
wirthschaft in möglichst innige Verbindung mit den Natur-
wissenschaften zu bringen , dieselben zur Grundlage für diesen
wichtigen Zweig der Volkswirthschaft zu machen und auf diese
Weise zur weiteren Entwicklung des Landbaues beizutragen.
Wenn daher in diese Blätter ein kurzer Lebensabriss des
Verstorbenen niedergelegt wird, so bedarf es keiner Recht-
fertigung und wird es, wie ich hoffe, von den vielen Freunden,
welche Walz innerhalb dieses Vereins zählte, mit Genugthuung
aufgenommen werden, dass seiner in diesen Blättern gedacht
wird.
Gustav Walz wurde den 30. Dezember 1804 in Stuttgart
geboren; seine Eltern waren der Apotheker Walz und Sophie,
geb. Nagel, beide alten Stuttgarter Familien angehörend. Er
verlor beide sehr früh; von näheren Verwandten blieben ihm
nur zwei Brüder, von welchen der 10 .Tahre ältere Rechts-
— 53 —
cousulent Friedrich Walz stets einen grossen und wobltliätigen
Einfluss auf seine geistige Entwicklung ausübte.
Walz wurde für einige Jahre einer befreundeten Familie
in Freudenstadt zur Erziehung übergeben; dieselbe musste aber
kein Verständniss für das eigenthümliche Wesen des elternlosen
Knaben gehabt haben, denn stets gedachte er dieser Zeit als
der unglücklichsten seines Lebens.
Freudig kehrte er deshalb wieder nach Stuttgart zurück,
um daselbst das Gymnasium zu besuchen. Schon hier zeigte
sich entschieden, welche Richtung sein Lebensgang nehmen
sollte. — Er vernachlässigte zwar in keiner Weise die philo-
logischen Studien, doch wendete er sich vorzugsweise mit sicht-
barer Vorliebe naturwissenschaftlichen Beschäftigungen zu, ob-
gleich das Studium der Naturwissenschaften damals noch eine
untergeordnete Rolle unter den Lehrgegenständen des Gymnasiums
einnahm.
Häufige botanische und geognostische Exkursionen, welche
er in der Umgebung Stuttgarts machte, übten seinen Blick sich
auf diese Gegenstände zu richten, lehrten ihn beobachten und
bestärkten ihn immer mehr in seiner Liebe zur Natur und zur
Erkenntniss ihrer Ersclieinungen.
Auch mit chemischen Untersuchungen, wenn gleich noch
mit mangelhaften Mitteln und unzureichenden Kenntnissen aus-
gestattet, fing er au sich in seiner freien Zeit ernstlich zu be-
schäftigen, was ihm von seinen Freunden den Namen „ Salzkoch "
eintrug.
Sein ältester Bruder Friedrich, ein vielseitig gebildeter und
intelligenter Mann beobachtete genau die so bestimmt aus-
gesprochene Neigungen des jungen Bruders und lenkte ihn auf
einen Lebensberuf hin, welcher denselben entsprach.
Am liebsten hätte Walz sich ganz den Naturwissen-
schaften gewidmet, allein die Zeit war noch nicht gekommen,
wo man sich dadurch eine sichere Lebensstellung erwerben
konnte, denn dieselben wurden gewöhnlich nur als Nebenfächer
der Medizin behandelt. Aber die gebildeten Kreise der Gesell-
schaft begannen ihre Aufmerksamkeit einem Berufe zuzuwenden.
— 54 —
dessen grosse volkswirthscliaftliche Bedeutung immer mehr ein-
gesehen wurde, und welcher eine ausschliessliche Beschäftigung
mit der Natur und ihrer Erkenntniss erforderte, nämlich der
Landwirthschaft. Diese Verhältnisse, so wie der Umstand, dass
es auf diesem Gebiete noch sehr an intelligenten Kräften fehlte,
und daher für einen strebsamen einsichtsvollen Mann ein weites
Feld der Thätigkeit offen stand, bestimmten den älteren Bruder,
seinen jüngeren für die Natur begeisterten und mit einem
kräftigen Körper ausgestatteten Bruder darin zu bestärken, dass
er das Fach der Landwirthschaft ergreife.
Walz bezog nun zu diesem Zwecke im Jahre 1821 die
von König Wilhelm gegründete landwirthschaftliche Lehranstalt
Hohenheim. Der Vorstand dieser Anstalt war Nepomuk
Schwerz, ein Mann, welcher sich durch seltene landwirth-
schaftliche Detailkenntnisse auszeichnete und seine Srhüler ge-
wöhnte , auch die scheinbar kleinsten Dinge zu beachten , um
durch deren Erkenntniss zum Einblick in den Zusammenhang
des Ganzen zu gelangen. Hier erwarb sich Walz in hohem
Grade diejenige Eigenschaft, welche man im gewöhnlichen Leben
einen „praktischen Blick" nennt, d. h. die Gabe, schnell zu
beobachten und aus den Beobachtungen zutreffende Schlüsse zu
ziehen.
Diese Eigenschaft kam ihm in seinem zukünftigen Beruf
als praktischer Landwirth ausserordentlich zu statten, und machten
seinen Rath und seine Anordnungen später so werthvoll und
zweckmässig. Der Aufenthalt in Hohenheim förderte Walz
sehr in seinen Kenntnissen und Fähigkeiten, und bot ihm auch
Gelegenheit, unter den Besten seiner Studiengenossen, welche
noch aus einer verhältnissmässig kleinen Zahl bestand, sich
gleich strebsame Freunde zu erwerben, welche sich sein für
Freundschaft besonders treues und empfängliches Gemüth bis an
sein Lebensende zu erhalten wusste.
Der wissensdurstige junge Mann fühlte nun aber das Be-
dürfniss, da der Unterricht in den Naturwissenschaften zu
Hohenheim damals noch kein sehr eingehender war, die vielen
Lücken in diesen Fächern zu ergänzen und sich noch eine
— 55 —
giündlicliere wissenschaftliche Erkenntüiss anzueignen. Er be-
zog zu diesem Zwecke im Jahr 1823 die Universität Tübingen,
wo er vorzugsweise die Vorlesungen von Gmelin über Chemie
und von Schübler über Geognosie besuchte und beide Fächer
studirte, welche er auch fernerhin mit| besonderer Vorliebe
behandelte und in seiner Berufsthätigkeit als Landwirth zu ver-
werthen bemüht war. Da er schon damals das Wissen mit der
Praxis zu verbinden trachtete , so übernahm er während seiner
Studieiizeit gerne die ihm übertragene Verwaltung des benacli-
barten Gutes Rosek.
Nach Absolvirung der Universitätsstudien ging Walz auf
Reisen, ein Bildungsmittel, welches auch bei ihm seine Wirkung
nicht verfehlte. Indem er die grössern wirthschaftlichen Ver-
hältnisse im Norden Deutschlands kennen lernte, erweiterte sich
sein Blick. Durch den renommirten schlesischen Landwirth
Biok wurde er in das landwirthschaftliche Versuchswesen ein-
geführt und die Verwaltung eines grösseren Gutes, Siebeneichen,
welches er für 2 Jahre übernommen hatte, gewöhnte ihn an
ein selbständiges und umsichtiges Handeln in wirthschaftlichen
Dingen.
Im Jahre 1826 kehrte Walz reich an Erfahrungen und
Kenntnissen in die Heimath zurück mit der Absicht, sich durch
Pachtung oder Kauf eines Gutes als selbständiger Landwirth
niederzulassen, um sich damit nicht nur einen eigenen Herd zu
gründen, sondern auch durch Beispiel und Wort zur Hebung der
in Württemberg damals noch darniederliegenden Landwirthschaft
beizutragen.
Nach längerem Suchen erwarb er sich den 240 Morgen
grossen Schweizerhof bei Ellwangen, ein Besitz, welcher weder
nach seinen klimatischen noch nach seinen Bodenverhältnissen
viel versprach, aber gerade desshalb für Walz einen gewissen
Reiz hatte, um auf demselben seine Kenntnisse und Fälligkeiten
zu erproben. Wirklicii gelang es ihm auch glänzend, allmählich
das Gut zu seinem Vortlieil zu verändern und seinen Ertrag zu
erhöhen.
Hier gründete er auch seinen Hausstand durch Vor-
— 50 —
heiratliuiig mit 'seiner Jugendliebe, Sopliie S c lui ir aus Wangen,
mit welcher er 41 Jahre lang in glücklichster durch 4 Kinder
gesegneter Ehe lebte. Die Eltern hatten ihre Kinder nicht nur
zu erziehen, sondern sie mussten sich auch noch in die Aufgabe
theilen, ihnen sänimtlichen Schulunterricht zu ertheilen, da keine
passende Schule in der Nähe des einsamen Gutes war. Walz
musste zu diesem Zwecke das württembergische Schullehrer-
examen bestehen, um die Erlaubniss zum Privatunterricht zu
erhalten.
Die mancherlei Schwierigkeiten, mit welchen Walz auf
dem Schweizerhofe zu kämpfen hatte, und welche er glücklich
überwand , waren es , die ihn vollends zu einem tüclitigen
charaktervollen Manne heranreiften, und so wurde dieser Auf-
enthalt eine Schule, welche ihn für seine künftige Laufbahn so
geeignet machte. Bald wurde er auch in weiteren Kreisen als
ein Landwirth bekannt, welcher mit praktischer Tüchtigkeit ein
aussergewöhnlich eifriges, wissenschaftliches Streben verband.
Vielfach wurde er daher als Sachverständiger zu den ver-
schiedensten Arbeiten herbeigezogen, welche dazu beitrugen, seine
Umsicht zu befördern.
Neben dieser vielseitigen Thätigkeit, welche die Bewirth-
schaftung des Gutes, die Ausarbeitung aller möglichen Gut-
achten und Taxationen eti-. erforderte, unterrichtete er junge
Männer, welche bei ihm die Landwirthschaft erlernen wollten
und beschäftigte sich eifrig mit naturwissenschaftlichen Studien,
von welchen ihn namentlich die Geognosie anzog, in welchem
Fache er seine Kenntnisse auf vielen kleineren und grösseren
Reisen zu erweitern Gelegenheit fand. Zeugniss von seinen
eingehenden geognostischen Studien geben die im württem-
bergischen Correspondenzblatt erschienenen Aufsätze und Beiträge
zur Geognosie des Kieses, sowie seine Betheiligung an dem
Werke „die Vegetations - Verhältnisse der Jura- und Keuper-
formation in den Flussgebieten der AYörnitz und Altmühl" von
Dr. A. Schnizlein in Erlangen und A. Frickhinger in
Nördlingen. 1848.
Diese geognostisciie Kenntnisse verwerthete er aber auch
— 57 --
bei seinem praktischen Berufe; es gelang ihm, auf seinem Gute
einen Mergel aufzufinden, durch dessen ausgedehnte Anwendung
er die Ertragsfähigkeit desselben auf eine ungeahnte Höhe er-
hob. Wie langsam bei der landwirthschaftlichen Bevölkerung
selbst Beispiele anregend wirken, zeigte sich auch hier; erst
nachdem Walz die Gegend verlassen hatte, fingen die um-
liegenden Besitzer an, den Mergel zu gebrauchen und häufig
hörte man von ihnen den Ausspruch, „hätten wir schon vor
15 Jahren wie Walz angefangen unsere Felder zu mergeln, so
wären wir jetzt reiche Leute".
Als im Jahre 1842 in Folge einer bei dem 25jährigen
Eegierungsjubiläum des Königs Wilhelm gemachten Stiftung
auch auf dem Schlossgute Ellwangen eine landwirthschaftliche
Lehranstalt für junge Leute aus dem Bauernstande errichtet
wurde, konnte kein Mann gefunden werden, welcher zum Vor-
stände dieser Anstalt geeigneter gewesen wäre, als W^alz.
Seine ausgezeichnete Lehrgabe, durch welche er so anregend
auf die Jugend wirkte, fand hier ein Material vor, welches ganz
unbebaut war, aber gerade desshalb einen um so fruchtbareren
Erfolg versprach. Es gelang ihm auch, seinen Schülern Ver-
ständniss und Neigung für die Naturwissenschaften einzupflanzen,
welche er stets als die Grundlage für den Fortschritt auf dem
Gebiete der Landwirthschaft betrachtete.
Das in den günstigsten Verhältnissen gelegene Schlüssgut
wandelte er in eine Musterwirthschaft um; als Berather in
wirthschaftlichen Dingen wirkte er in einem weiten Umkreise:
auch seine wissenschaftlichen Kenntnisse suchte er dui-ch Studien
und Reisen immer mehr zu erweitern. Die Resultate derselben
legte er theils in einer Reihe von Aufsätzen, tlieils in Vorträgen,
welclie er im Kreise gleichgesinnter Männer oder in landwirth-
schaftlichen Vereinen hielt, nieder. Besonders liebte er es, sich
eine möglichst genaue Kenntniss der topographischen und
geognostischen Verhältnisse des Landes anzueignen. Es wird
nicht leicht eine Gegend Württembergs zu finden sein , über
welche er nicht die genaueste Aufkunft geben konnte. Die
Aufsätze, welche er während dieser Zeit veröffentlichte, hatten
— 58 —
zwar landwirtliscliaftliche Fragen zu ihrem Gegenstände , gingen
aber in ihren Ausführungen immer auch von naturwissenschaft-
lichen Gesichtspunkten aus; von denselben sind hier zu nennen
„über die Hagelversicherung in Württemberg, über Kalkdüngung,
Erfahrungen über Drainaganlagen u. s. w".
So verlebte er 8 Jahre in diesen glückliclien Verhältnissen,
und als ihm im Jahr 1850 die Directorsstellc der Akademie
Hohenheim angeboten wurde, kostete es ihn viele Ueberwindung,
diesem Rufe zu folgen, und nur unter Vorbehalt seines Kück-
trittes nach Ellwangen übernahm er diese Stelle.
Hier fand nun der vollgereifte Mann den weitesten
Wirkungskreis für seine Thatkraft. Unter seiner Leitung er-
reichte die Akademie eine nie zuvor dagewesene Frequenz von
Schülern, und seine anregende Thätigkeit erstreckte sich, da er
zugleich Mitglied der Centralstelle war, auf das ganze Land,
und verfehlte nicht, ihre Wirkung auf die Hebung der Land-
wirthschaft auszuüben.
Die Richtung für die wissenschaftliche Entwicklung der
Landwirthschaftslehre, welche er seit lange für die einzig richtige
erkannt hatte, hielt er auch hier fest. Eine seiner ersten
Sorgen war die Erriclitung eines besonderen Lehrstuhls für Agri-
kulturchemie, für welehe er eine ausgezeichnete Kraft gewann;
er lenkte das landwirthschaftliche Versuchswesen in feste, ein
bestimmtes Ziel ins Auge fassende Bahnen, und noch gegen das
Ende seines Hohenheimer Aufenthalts veranlasste er die Er-
richtung einer agrikulturchemischen Versuchsstation.
Wenn gleich diese Stellung seine Arbeitskraft in der viel-
fältigsten Weise in Anspruch nahm, fand er doch noch Zeit,
sich auch literarisch zu beschäftigen ; neben einer Reihe kleiner
Aufsätze, welche in landwirthschaftlichen Journalen erschienen,
gab er in Verbindung mit den Lehrern der Akademie eine
Zeitschrift unter dem Titel „Mittheilungen aus Hohenheim"
heraus, in welchen die Resultate des Gutsbetriebos und der an-
gestellten Versuche veröfientlicht wurden. Besonderen Antheil
nahm Walz an der Bewegung, welche in der Landwirthschaft
durch Liebig\s Epoche machendes Werk „die Chemie in ihrer An-
~ 59 —
Wendung' auf Agrikultur und Physiologie" veranlasst wurde.
Er konnte sich nach seinen gemachten Erfahrungen nicht ent-
schliessen, die Lehre Liebig's in ihren Consequenzen als durch-
aus richtig zu betrachten, und neigte sich bei dem damaligen,
nun überwundenen, wissenschaftlichen Kampfe zwischen den so-
genannten „Mineralstöffler und Stickstöffler" den letzteren zu,
indem er von der Ansicht ausging, dass die dem Boden durch
den Pflanzenbau entzogene löslichen Mineralverbindungen durch
die Verwitterung wieder ersetzt werden können. Seine An.-dchten
über diesen wissenschaftlilhen Streit, welche er nach reiflicher
Ueberlegung und in eingehender Weise in den genannten „Mit-
theilungen aus Hohenheim" veröffentlichte, zogen ihm von ent-
gegengesetzter Seite nicht immer sachlich gehaltene Erwiderungen
zu, und wenn gleich zugegeben werden muss, dass die von Walz
veröffentlichte Ansichten nicht frei von einseitigen Anschauungen
sind, so haben sie doch wesentlich zur Aufklärung darüber bei-
getragen, in wie weit die Lehre Liebig's auf die praktische
Landwirthschaft in gegebenem Falle Anwendung finden kann.
Fünfzehn Jahre lang bis zum Herbste 1865 entwickelte
Walz in dieser Stellung eine nach allen Seiten hin fruchtbare
Thätigkeit. Ein Herzleiden, welches seinen kräftigen Körper
ergriffen hatte, trat stärker auf und nöthigte ihn nach dem Rath
der Aerzte dieses aufreibende Amt aufzugeben und sich nach
seiner alten Heimath Stuttgart zurückzuziehen. Allein sein leb-
hafter Trieb zur Arbeit verlangte nach einem W^irkungskreis;
eine Reihe von Jahren machte er sich als Mitglied der Central-
stelle für Landwirthschaft durch seine genaue Kenntniss der
wirthschaftlichen Verhältnisse W^ürttembergs nützlich ; er ver-
öffentlichte seine in Hohenheim gehaltene Vorlesungen über land-
wirthschaftliche Betiiebslehre in einem werthvollen Werke, und
seine letzten Jahre füllte noch die Beschäftigung mit den Vor-
arbeiten für die neue Katastrirung zum Zwecke der Grund-
besteuerung aus.
In seinen von diesen Arbeiten freien Stunden beschäftigte
sich der noch im Alter so strebsame Mann mit naturwissen-
schaftlichen Studien und zu seinen schönsten Tagen rechnete er
— 60 -
stets diejenigen, au welchen die regelmässigen Abendversammlungen
der Mitglieder des naturwissenschaftliclien Vereins, der „Schnecken-
kranz " bevorstand. Diese Freude an der Natur und der Drang
zu ihrer Erkenntniss erheiterte sein Alter und begleitete ihn
bis zum letzten Augenblick, denn auf dem abendlichen Gange
zur Versammlung des naturwissenschaftlichen Vereins ereilte ihn
am 30. Oktober 1876 der Tod, welcher dem 72jährigen Manne
ein schnelles und schmerzloses Lebensende bereitete.
So endete ein thätiges von geistigem Streben durchwebtes
Leben, welches auf dem ihm vom Schicksal angewiesenen Gebiete
dauernde Wirkungen zurücklässt; seine Freunde werden dem
äusserlich einfachen, aber cliaraktervollen und intelligenten Mann
ein treues Gedächtniss bewahren und seine zahlreichen Schüler
den anregenden Lehrer in dankbarer Erinnerung behalten.
Nekrolog
des
Carl Deffner.
Von Dr. Oscar Fr aas.
Ist es an sich schon eine Ausnahme von der gewöhnlichen
Menschenregel, wenn eines Mannes Geist mehr als ein Lebens-
gebiet beherrscht, so finden sich noch viel seltener Männer, welche
wie Carl Deffner in drei Gebieten des menschlichen Geistes
nicht blos bewandert sind, sondern in Wahrheit und Wirklichkeit
in denselben sich auszeichnen und hervorragen. Die Industrie,
die Politik, die Naturwissenschaft nannte Deffner jede den
Ihrigen. In jedem dieser 3 Gebiete galt er als eine bedeutende
Persönlichkeit, welche das Zutrauen seiner Genossen um so lieber
ehrend und auszeichnend voranstellte, als er fern von aller Schroff-
heit in seinem Umgang der angenehmste und liebenswürdigste
Gesellschafter war und Jedermann ihm anfühlte, dass man bei
ihm nicht mit blosser Form, sondern mit dem innersten Wesen
eines vortrefflichen Charakters zu thun habe.
Das äussere Leben Deffners, der am 8. Juli 1817 ge-
boren am 11. Juni d. J. verstarb, seine industrielle und poli-
tische Thätigkeit, ist von Andern gezeichnet worden. Diese Blätter
gelten nur dem Geologen Deffner, dessen Bild ich in ein-
fachen Zügen hier entwerfen möchte.
— 62 —
Wohl liatte D offner unter Leitung des vortrefflichen Vaters
eine vollständige akademische Bildung genossen und war in Berlin
zu den Füssen Gustav Rose's gesessen, dem er bis zu dessen
Ende ein freundliches Andenken bewahrte, aber wie das gewöhn-
lich im menschlichen Leben geht, dass vor der Praxis die wissen-
schaftlichen Studien in den Hindergrund treten und die Früchte
des akademischen Lebens einschrumpfen, so nahm auch die Lei-
tung der Fabrik, die mit jedem Jahr sich mehr ausdehnte, den
Chef der Firma C. Deffner dermassen in Anspruch, dass er
seine ganze Thätigkeit, sei es auf sein Walzwerk und die best-
mögliche Ausnutzung seiner Wasserkraft, sei es auf das Studium
der Bleche, der Kupfer oder der Lackfarben verwenden musste.
Volle Aktenstösse aus jener Zeit zeugen von der rastlosen Thä-
tigkeit des Fabrikanten. In den 40er Jahren war Deffner
durch und durch Industrieller. Er dachte kaum an Geologie und
Petrefaktenkunde. Da brauchte er wieder einmal Formsand für
seine Gelbgiesser'ei, der seit Jahren aus dem braunen Beta von
Giengen bezogen wurde. Dass er denselben nach seinem Vor-
kommen und seiner Qualität mit allen seinen Fehlern und Vor-
zügen genau zu untersuchen anfing, um ihn gründlichst kennen
zu lernen, war von Deffner nicht anders zu erwarten. Wider-
stritt es doch jeder Zeit dem innersten Wesen unseres Freundes
etwas oberflächlich zu nehmen. Alles was er that, that er gründ-
lich, was er las untersuchte er, «schlug alle Citate und Quellen nach
und arbeitete sich grundsätzlich in die Literatur eines zu unter-
suchenden Gegenstandes ein. So führte ihn der Formsand seiner
Fabrik zur Untersuchung anderer Sande, zur örientirung über
deren Vorkommen und Lagerung, und weiterhin zu dem Ursprung
der Sande und deren Bilduugs weise überhaupt, womit er plötzlich
mitten in der Geognosie stund.
Der alte Naumann, der von Berlin her etwas verstaubt in
seiner Bibliothek stand, war wieder vorgenommen, speziell für
schwäbische Geognosie diente das „Flözgebirge" zum Führer. Bald
aber erkannte Deffner 's klarer Verstand, dass in der Geo-
gnosie die Bücherweisheit wenig nütze ist, dass vielmehr die Natur
selbst befragt werden muss, um Aufschluss über die Berge und
— 63 —
Tliäler und das verborgene Schiclitengebilde zu erhalten. So
war denn unser Freund rascli entschlossen, mit dem Hammer in
der Hand draussen im Freien seine Untersui hungen anzustellen,
auf welclien ihn anfänglich vielfach sein Freund Ammermüller
begleitete. Bald war ihm das Profil von seinem heimischen Neckar-
thal bis zur Höhe des Srhurwaldes bekannt, hierauf stieg er am
andern Flussgehäng zu den Fildern hinan. Seinem klar blickenden
Auge entging die Diskordanz der Lagerung nicht, die zwischen
dem unteren Lias auf der Höhe der Filder einerseits und dem-
selben Lias auf der Schurwaldhöhe existirt. Die Erklärung dieser
Thatsache nach der herrschenden Anschauung über die Bildung
unserer Erdoberfläche befriedigte ihn nicht, er ahnte es anfäng-
lich nur, was ihm später zur eigensten Wahrheit wurde, dass
lange nach der Bildung der Flöze und der Schichtenablagerung
Schichtenstörungen eintraten, denen erst die Erde ilire jetzige
Oberflächegestalt verdankt. Zum Oefteren hatte mir später der
Freund vertraut, wie wundersam ihm zu Muthe geworden, als
ihm zum ersten Mal der Gedanke aufdämmerte, dass die Lage-
rung der Schichten denselben Gesetzen der Mechanik sich fügen,
die er heute überall beobachte. Es gab für ihn jetzt keine
Kluft des Gedankens mehr zwischen der Vorwelt und Jetztwelt
und mit der ganzen Kraft seines Geistes suchte er jene als einen
ihm nahe gerückten Gegenstand zu erfassen. Wie schon für
Viele der Jura ein Lehrbuch geworden, so lernte auch Deffner
an seinem Jura, wie er vor den Thoren Esslingens liegt. An Arbeiten
über den Jura lag, ausser Quenstedts Flözgebirge und Mandelslohes
Profile der schwäbischen Alb, die Arbeit Leop old von Buch's
vor. Dessen grosser, umfassender Geist hatte ein Bedürfniss der
übersichtlichen Darstellung und zugleich in dem richtigen Ge-
danken, die geologischen Verhältnisse an Erscheinungen der Jetzt-
zeit anzupassen, in seiner classisch gewordenen Abhandlung über
den deutscheu Jura* nicht nur den deutschen, sondern den ganzen
damals bekannten centraleuropäischen Jura als grosses hufeisen-
* Rede über den deutschen Jura am 23. Februar 1837 in der
K. Akademie der Wissenschaften zu Berlin aelesen. Breslau 1839.
— ei-
förmiges Koi-allenriff aufgefasst, das vom Ficlitelgebir^-e au sicli
südwärts bis Schaffliaiisen und Basel erstrecke und von da
über Yesoul durch den französischen Jura bis nacli Luxemburg
wieder heraufziehe. In das Innere dieses Korallen- Atolls, dessen
Analogien er in Neuholland findet, erstrecken sich die Jiira-Rilfe
nur sporadisch, vielmehr „legen sich die Jurabildungen mit dem
„Steilabfall nach innen, mit dem Sanflabfall nach aussen an
^das ältere Gebirge. In das Innere des Jurakessels dringen die
„Jurabildungen fast nicht, oder nur ausnahmsweise, wie bei Strass-
.,burg und zwischen Bruchsal und Heidelberg bei Langeubrücken".
Zudem ist es nur der Lias, der hier eine Ausnahme macht.
„Schwerlich dürfte sich darum wahrscheinlich machen lassen, dass
fl nicht spätere Umwälzungen einen über das Innere des Kessels
fl einst fortsetzenden Theil des Juras zerstört hätten. Von Anfang*
„an führten tiefe Spalten, die im Kies bis auf den Granit nieder-
„ gehen, durch die Kesselwand hindurch, welchen Weg die Flüsse,
„wie Wörnitz, Altmühl, Pegnitz u. s. w. benutzen". — Diese
Anschauungen des berühmten Geologen speziell über unsere süd-
deutsche Jura, galt zur Zeit, als Deffner den Jura seiner
väterlichen Reichsstadt zum ersten Mal ansah, als herrschende
Ansicht. Namentlich war auch der schwäbische Meister des Juras,
Quenstedt, in Wort und Schrift der treue Interprete L. v. Buch's,
dessen Anschauung er ausbildete und durch Aufstellung der so-
genannten Inseltheorie erweiterte. Die diskordanten Lagerungen in
nächster Nähe von Esslingen, auf den Fildern und im Schönbuch
sollten ursprüngliche xAnlagerungen zur Zeit der Jurabildung ge-
wesen sein. Mit dieser herrschenden Ansicht, die sich traditionell
zum Dogma ausgebildet hatte, konnte sich Deffners klarer,
konstruirender Geist nicht befreunden. Jahrelang Uef er die Grenz-
gebiete seines Schurwaldes und der Filder ab, mass, zeichnete
malte, profilirte und konstruirte er und trat 1854 schüchtern,
aber sicher in seiner Anschauung zum ersten Mal in die Oeffent-
lichkeit. Er trat nicht etwa mit einer Theorie auf, sondern mit
der Thatsache der genau gezeichneten Profile. Die exakte Zeich-
nung des Gebirgsdurchschnittes war die Waffe, mit der er kämpfte
und gegen welche kein Einwand mehr aufkam, wenn auch seine
— 65 —
Gegner es mit viel Scharfsinn versuchten, die Inseltheorie und
TTfertheorie aufrecht zu halten. Nie vergesse ich, wie eines Tags
Deffner auf einem Gang mit Quenstedt in der Nähe von
St. Bernhard bei Esslingen die Worte aussprach „jede gute geolo-
gische Theorie muss man auch zeichnen können". Es war daher sein
Hauptbestreben Überalk auf Profilirung und Kartographie gerichtet.
Sieben volle Jahre stund es an, bis Deffner seinen Vortrag vom
24. Juni 1854 in einer ausführlichen Abhandlung unter dem
Titel „die Lagerungsverhältnisse zwischen Schönbuch und Schur-
wald" (1861) veröffentlichte. Eine Detailkarte mit eingezeich-
neten Spalten und Kluftrichtungen, sowie eine Reihe von Profilen
zeugen von dem eingehenden, Alles beachtenden Studium. Die
Karte kann man geradezu als eine mustergiltige Arbeit bezeichnen,
namentlich wenn man weiss, mit welcher Sorgfalt jede Formationy-
grenze durchlaufen und mit welcher Gewissenhaftigkeit die mass-
gebenden Punkte eingetragen wurden. Bleistiftpunkte und Blei-
stiftstriche auf der Aufnahmekarte widerstrebten Deffners durch
Maschinenzeichnen an solidere Arbeit gewöhntem Auge. Hier
war es die englische Nähnadel, mit welcher er durch Einstechen
der fixen Punkte arbeitete. Die Rückseite der Karte war mit
weissem Papier überzogen, auf welcher sofort der Eintrag mit
einer Journalnummer geschah, denn er trug alle seine Beobach-
tungen aufs gewissenhafteste in sein Journal ein, das eine fort-
laufende Reihe von Nummern enthält, welche den Ziffern auf
der Rückseite des Kartenblatts rechts vom Nadelstich entsprechen.
Als im Jahr 1860 die Kommission für Herstellung der geognostischen
Landeskarte sich bildete, nahm sie keinen Anstand, dieses Princip
der Einträge in den Aufnahmekarten zu dem ihrigen zu machen
und haben in der Folge die aufnehmenden Geognosten, nament-
lich Hildenbrand, auf dieselbe Weise gearbeitet.
Nach jenem ersten Vortrage Deffners über die Gebirgs-
verhältnisse der mittleren Neckargegend (Jahresh.XI, 20) lernte ihn
der Verfasser dieser Zeilen kennen und fühlte sich gleich beim ersten
Zusammentreffen von ihm als einer sympathischen Natur ange-
zogen. Sie schlössen damals einen Bund der Freundschaft, der
in der Wissenschaft fusste und bis zu Deffners Tod ungetrübt
"Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878, 5
— 66 —
fortbestund. Gemeinsames Arbeiten zur Erforschung der ver-
wickelten Lagerungsverhältnisse der Erdrinde hiess die Loo-
sung. Dieses gemeinsame Arbeiten hub nach verschiedenen Ex-
cursioneu im Gebiet des Hohenstaufens an jenem abgegrenzten
Jurafleck an, auf welchen v. Buch schon als auf eine Abweichung
von der Jura-Regel hingewiesen liatte, mit Langenbrüclien**
Im April 1856 wurden die Aufnahmen gemacht, im Herbst
des folgenden Jahres controlirt und abgeschlossen und entstund
im Winter die Arbeit: Deffner und Fr aas, die Jura-Yer-
senkung von Langenbrücken. Neues Jahrbuch 1859, p. 1 und
513, mit Karte und Profilen. Der geognostisch- paläontologi-
sche Theil hatte Fraas , der stratigraphisch - geologische
Theil Deffner zum Verfasser. Die Resultate, auf welche sie
kamen, liefen darauf hinaus, dass der Langenbrücker Jura eine
direkte Fortsetzung des schwäbischen Juras ist, an den er sich
in allen seinen Gliedern anschliesst und mit dem er nach seinen
Petrefakten übereinstimmt. Die bestehende Dislokation desLangen-
brückeuer Juras lässt sich durch Annahme einer Hebung nicht
erklären, sie ist vielmehr das Resultat einer Versenkung in Folge
eines Spaltensystems, das von NO. nach SW. sich zieht. Die Zeit
dieser Spaltenbildung fällt ungefähr in die Anfangszeit derMiocäne.
In die Zeit von 1857—58 fällt eine private Studie cbemisch-
geognostischer Natur über die B ohnerzgeb ilde**. Sie ward
hervorgerufen eines Theils durch die grossartigen Entdeckungen
der Paläotheriumlager in den Bohnerzgebilden von Froustetten
(Jahreshefte VIII und IX. Fraas, Beiträge zur Paläotherien-
formation), andererseits durch den Versuch von Alberti (IX, 76),
die Bohnerze in den Bereich des Vulkanismus herbeizuziehen.
War doch der Vulkanismus gerade das gesattelte Pferd, das
Deffner mit Freuden bestiegen hätte, wenn er auch nur
entfernte Anhaltspunkte für vulkanische Entstehung der Bohnerze
gefunden hätte. Mit der nüchternsten Logik weist dagegen
* In der Rede L. v. Buchs steht der entstellende Druckfehlerj
,,Langenberg" statt Langenbrücken.
** „Erklärung der Bohnerzgebilde", Jahreshefte XV, pag. 258.
— 67 —
Deffner den pseudomorphosen Charakter dieser Gebilde nach und
sieht ihre Bildungsstätte nicht etwa in Eisensäuerlingen oder son-
stigen Quellgebilden, sondern in einem grossen süssen oder bracki-
schen Wasserbecken an seichtem lagunenartigem Ufer, wie solches
auf der schwäbischen Alb zu Anfang der Tertiärzeit bestanden
haben muss.
Welch frisches, fröhliches Arbeiten fiel doch in jene Zeit
der letzten Jahre des fünften Decenniums! Von Langenbrücken
aus wurde das Elsass besucht, hernach ging es in das Hegau und
das westliche Ende der Alb, nach der Göppinger, Reutlinger
Gegend aber führte fast jeder freie Tag von Esslingen aus. Im
Mai 1857 wurde der erste Besuch im Ries gemacht. An diesen
Besuch knüpfte sich eine geologische Bekanntschaft, die sich zur
wirklichen Freundschaft gestaltete, mit dem Nördlinger Eathsherrn
Albert Frick hing er, dem für sein Eies begeisterten, unermüdlichen
Forscher und Kenner der dortigen Verhältnisse. Eine 14tägige
Excursion von Deffner und Fraas bot die gemeinsame Ueberzeu-
gung, dass im Eies der Schlüssel liege zum Verständniss der
verwickeisten geologischen Fragen, deren Lösung übrigens von
so langer Hand sind, dass kaum eine volle Lebenskraft sie be-
friedigen kann. 1868 schrieb Deffner hierüber die Worte
nieder: „10 Jahre sammelten wir im Eies die Thatsachen, ohne
fl einen Leitfaden in dem Labyrinth derselben aufzufinden. Erst
^als wir einmal an den Trachyten des Heerhofs erkannt hatten,
„dass dieselben in gangartiger Spalte auftreten, dann ordnete
<„sich allmählig eine Erscheinung um die andere." Es gibt in der
That Nichts überraschenderes für den schwäbischen Jurageologen,
der auf der Höhe seiner regelrecht geschichteten Alb wandelt
und auf dem ganzen langen Körper derselben von Tuttlingen bis zum
Herdtfeld kaum eine Spur unterirdischer Gewaltstörungen gewahrt,
als der Anblick, der sich ihm auf einer der vom Albplateau ins
Eies führenden Strasse eröffnet, indem er eingesenkt in das ring-
förmig umgebende, wallartig hoch vorstehende, Eandgebirge plötz-
lich eine weite Ebene von 12 y2 DMeilen, 500 Fuss tief unter
sich erblickt, gegen Süden in schönem regelmässigem Amphi-
theater sich trennend von der steilen waldigen Jurawand, gegen
— 68 —
0., W. und N. aber in breiten, radial auslaufenden Tliälern sich
zwischen den weniger schroffen Seitenbergen des Keupers und
Lias vorlegend. Sind nun vulkanische Gebiete an und für sich
schon die verwickeiteren, construktiv schwierigeren Gebiete der
Geologie, so treten im Ries hiezu noch die Alles vertragenden
und verschiebenden Gletscher, welche das ohnehin durch die
Eruptionen zerrüttete Schichtengebirge als Moränenschübe dislo-
cirten, so dass in der That das bunteste Trümmerbild zerstörter
und über und unter einander geworfener Gesteine im Ries sich
darbietet. Die Aufgabe war nun zu untersuchen, was auf Rech-
nung der vulkanischen Störungen zu schreiben und was der Wir-
kung der Gletscher zuzuweisen wäre.
Hiemit that Deffner zum ersten Mal einen Schritt auf
ein Feld, auf dem er sich, wie wir zum Oeftern in der Unter-
haltung uns besprachen, doch nicht ganz sicher fühlte. Fehlte
es ihm doch hiefür an einem direkten und positiven Beweis.
Hier war vielmehr seine Beweisführung eine negative. Er fand
für die erratischen Erscheinungen keine andere Er-
klärung als die Wirkung des Eises, welche er im Jahre
1864 auf einer mit der ältesten Tochter Beitha ausgeführten
Schweizer Reise mit eigenen Augen am Morteratsch-Gletscher
sich ansah. Er erkannte jedoch dort, dass ein einfacher Besuch
eines Gletschers ihm noch lange keinen Aufschluss über dessen
Aktionen gewähren könne und studirte um so eifriger Mühlbergs
„erratische Erscheinungen im Aargau *. Dieses Studium bestärkte
ihn je länger je mehr in seiner Ansicht, dass er zur Deutung
der erratischen Erscheinungen nicht blos im Ries, sondern am
ganzen Nordgehäng der schwäbischen Alb und bis tief hinab ins
Neckarland die Aktion der Gletscher nicht entbehren könne.
Namentlich fand er im basaltischen Gebiet zwischen Boll und
Pfulliugen die Bestätigung seiner Ansicht, dass Gletscher die
vulkanischen Auswürflinge zusammen mit dem zertrümmerten Ge-
steinsschutt erfasst und in eigenen Schutthügeln, den „Bollen''
wieder niedergelegt haben. Im Uebrigen nahmDeffner doch
immer wieder einigen Anstand sich rückhaltslos dem Gletscher
als dem Erklärungsgrund aller verschütteten Gesteinslager in die
— 69 -
Arme zu werfen. Am ausführlichsten hatDeffner hierüber im
XXVI. Jahrgang unserer Hefte, pag. 95 — 145 in dem Aufsatz:
,der Buchberg bei Bopfingen" sich ausgesprochen.
Mit Vorliebe wurde immer wieder die vulkanische
Albgegend besucht und untersucht, wozu ihm die Einrichtung
einer Spinnerei in Betzingen, die er gemeinschaftlich mit seinem
Schwager gründete, den gewünschten Anlass gab. So oft seine
persönliche Anwesenheit an Ort und Stelle nicht dringend nöthig
war, entwich er nach dem nahen Jörgenberg, dem Florian,
Orafenberg, Metzinger Weinberg und Hofbühl, um die dortigen
Eruptivgesteine zu prüfen. Ein Vortrag über die Granite in
den vulkanischen Tuffen der schwäbischen Alb bei der XXVII.
Jahresversammlung und die entsprechende schriftliche Arbeit im
XXIX. Jahrgang, pag. 212, beweist, wie eingehend zu dieser Unter-
suchung die G-esteinsmetamorphose studirt und chemische Arbeit
getrieben wurde.
So leicht im Grunde unserem Freund das wissenschaftliche
Arbeiten fiel, in Folge eines vortrefflichen Gedächtnisses, vor
Allem aber in Folge der Gabe seine Gedanken rasch zu ordnen
und den zutreffenden Gedanken am rechten Orte wiederzubringen,
so schwer entschloss er sich zu Publikationen. Er musste hiezu
förmlich genöthigt werden, nur um wenigstens das bekannte
nomim premafur in annum zu verwirklichen. Nichts hasste er
mehr als eine verfrühte, unreife Publikation, um so sicherer darf
man daher sein, in den allerdings wenigen Arbeiten, die von
ihm zum Drucke kamen, eine ebenso gediegene und gründliche
Behandlung des Stoffes als eine vollendete Form der Sprache zu
finden.
Welche Mühe Deffner darauf verwandte, in der wissen-
schaftlichen Sprache sich mit möglichster Präcision auszudrücken
und den reichen Schatz unserer deutschen Sprache sich hiezu
zurecht zu legen, beweist unter Anderem die Anlage eines
Vocabulariums, das ich in seinem Nachlass fand. Ein Beispiel
möge hier seinen Platz finden. Unter der Ueberschrift „Be-
zeichnung von Terrainformen" hat er die Worte zusammen-
gestellt für 1. Vertiefungen: Niederung — Neigung — Gang,
— 70 —
Abbaug — Abfall , Steilabfall , Absatz , Absturz — Abgrund
— Jähe Wand — Loch, Trichter, Grube — Spalte, Kluft,
Schlitz — Rinne, Kunze, Kerbe, Furche , Ravine , Hohlweg —
Klinge, Tobel, Schlucht — Wasserriss — Einschnitt — Kehle,
Auskehlung eines Abhangs — Mulde — Thal, Thalspalte, Thal-
einschnitt — Thalzinken — Gabel — Wanne. 2. Flächen:
Fläche — Ebene, Hochebene — Plateau — Terrasse, Vorterrasse
— Bergleiste — Absatzfläche, Bergabsatz — Brühl. 3. Er-
höhungen: Berg — Bergstock, Bergzug — Wand — Rand,
Steilrand , Kante — Säule — Spitz — Hörn — Bühl —
Höcker — Wange — Kuppe — Hügel — Wall, Welle, Ge-
wölbe — Sattel, Joch, Gehre, Scheide, Wasserscheide — Eck —
Kegel — Pyramide.
In ähnlicher Weise schuf er einen Wortvorrath für geolo-
gische Begrifl'e, z. B. : Gebiet, Abschnitt, Region — Formation,
Schichtenbau, Etage, Gebirgsglied — Niederschlag, Absatz —
Störung, Dislocation, Unregelmässigkeit der Lagerung, Pertur-
bation, Abweichung — Verrückung, Verrenkung — Entblössung,
Erosion, Denudation — Aenderung des Schichtenbaus — Um-
wälzung, Revolution — Formenreich — Vielbewegt — Viel-
kuppig — Vielrückig u. s. w.
Deffners grösste und ausführlichste Arbeit sind seine
Begleitworte zur geognostischen Specialkarte von Württemberg:
Atlasblatt Kirchheim mit den Umgebungen von Esslingen,
Plochingen, Kirchheim, Nürtingen, Metziugen u. s. w. Heraus-
gegeben vom K. stat. - topogr. Bureau 1872. Diese Beschreibung
der Karte, an welcher er freilich 13 Jahre lang arbeitete, wird
von jedem unparteiischen Beurtheiler des grossen vom topogra-
phischen Bureau herausgegebenen Werkes der geognostischen Be-
schreibung Württembergs für die gründlichste und erschöpfendste
Arbeit unter allen bis jetzt erschienenen 24 Begleitworten an-
gesehen, in welcher er namentlich auch den quartären Erscheinungen,
die anderwärts sehr kurz als „Diluviales" abgespeist werden,
gehörige Rechnung getragen hat. Um sich einen Begriff von
der Klarheit seiner Darstellungsweise gerade der complicirtesten
geologischen Verhältnisse machen zu können , lese man den
— 71 —
Abschnitt über die Lagerungsverhältnisse pag. 51, die durch ein
Schichtenprofil und ein Flussnetz auf pag. 60 veranschaulicht
werden. Im ISTachlass aber befindet sich noch ein starker Fas-
cikel Notizen zu Blatt Kirchheim, in welchem alle Markungen
des Blattes im Detail beschrieben und geordnet sind.
Eine ähnliche Arbeit wie die Begleitworte zu Kirchheim
hätten die Be gleit wo rte zum Blatt Bopfingen und
Ellenberg gegeben, wenn es Deffner vergönnt gewesen
wäre, die vor 20 Jahren begonnene Arbeit zu vollenden.
Wohl machte er sich, vom topographischen Bureau dringend
ersucht, im Laufe des letzten Winters mit aller Energie an die
Zusammenstellung seiner Noten für den engeren Rahmen der
Begleitworte, aber schon war sein Ziel ihm gesteckt. Wohl
fühlte in den letzten Monaten der immer kränker werdende
Freund das nahende Ende, arbeitete aber dessen ungeachtet,
schliesslich der treuen Gattin und Nichte diktirend, an seinem
lieben Riese fort. Als sich das Auge für immer scbloss, dafj
dort so manchen Granit und Trachyt erkannt und ans Licht ge-
zogen, lag ihm der Tisch noch mit Riesgestein belegt und die
Rieskarte ausgebreitet im Zimmer.
Li seinem Nachlass aber, welchen die Vereinsbibliothek auf-
bewahren wird, liegt wohlgeordnet ein Stoss von Fascikeln , die
uns noch Kunde geben von der wirklich erstaunlichen Arbeits-
kraft des Verewigten, der so Vieles und so Verschiedenartiges
in seinem Geist zu bewegen verstand. Denn nicht minder um-
fangreich als die geologischen Fascikel sind die techno-
logischen und die handelspolitischen, welch letztere sein Freund
und politischer Gesinnungsgenosse Dr. Ammermüller über-
nommen hat.
Der dickleibigste Bündel aber ist und bleibt, der die üeber-
schrift des Rieses trägt. Hienach kommt „die vulkanischen
Erscheinungen der Alb", jede Localität, jedes Gestein hat hier
seinen eigenen Umschlag. Ein eigener Fascikel heist: „dunkle
Lagerungspunkte in Württemberg", ein anderer behandelt die
»Denudation", wobei ihn namentlich die Bildung des Steilrandes
der Alb beschäftigte und die Frage der Entfernung all der
— 72 —
Gesteinsmassen, welche nicht über der im schwäbischen Unter-
land denudirten Trias lagerten. In dieser Hinsicht schreibt er:
%Eine specielle Aufgabe der süddeutschen Geologie wäre die
^Behandlung der Frage : durch welche Umstände ist die De-
^nudation des Triasbeckens zwischen Schwarzwald und Thüringer-
,wald bedingt worden und in welchem horizontalen und vertikalen
„Mass und Umfang hat dieselbe stattgefunden? Meine Ansicht
„ist hierüber:
„1. Die Denudation, welche ich von der Erosion trenne,
^ sucht im grossen Ganzen Horizontal - Ebenen von gleicher
, Meereshöhe zu bilden, wo solches wegen gar zu ungleicher
„Widerstandskraft des zu entfernenden Gesteine nicht möglich
„ist, schafft sie statt dessen wenigstens Schichtenebenen, mehr
„oder weniger geneigte Flächen, Plateaus. In diesem Fall sind
„die vorderen Ränder jeder Formation im Niveau mit der nächsten
„Reihe der folgenden Formation, daraus folgern z.B. die Terrassen
„der Formationen in Schwaben und dem Elsass.
„2. Aus dem 1. Gesetz, dem der gleichen Niveaubildung,
„leitet sich eine Erscheinung ab, die zwar streng logisch aus
„dem ersten Gesetze folgt, aber als abgeleitetes zweites Gesetz
„formulirt werden kann. Es lautet: bei muldenförmiger Lagerung
„erhalten sich die in der Muldentiefe lagernden Gebirgstheile am
„längsten. Vergleiche z. B. die Mulde von Langenbrücken, Gail-
„ dorfer Liasmulde, Pforzheim, Wimpfen, Hesseiberg, Saargemünd,
„Zweibrücken etc. Die Consequenzen dieses Gesetzes haben wohl
„die meisten Unrichtigkeiten in den Anschauungen der Geologen
„wachgerufen, indem man die genannte Form des Abbruchs für
„die des Aufbaus genommen hat. So nahm man dasjenige, was
„nur der letzte conservirte Rest einer früheren weiten Verbreitung
„ist, für einen blos in der Mulde abgesetzten Niederschlag und
„wollte hienach die Grenzen der einstigen Formationsmeere be-
„ stimmen.
„3. Durch Umkehrung des 2. Gesetzes erhält mau das 3.:
„Bei sattelförmiger und gewölbeartiger Lagerung werden die in
„der Höhe liegenden Schichten mehr abgewaschen, als die in der
„Tiefe am Rand des Sattels liegenden.
~ 73 —
„ Diese Sätze beziehen sich allerdings nur auf Beobachtungen
„am Fuss des schwäbisch-fränkischen Jura's, ob sie auch ander-
„wärts anzuwenden sind, entzieht sich meiner Beurtheilung. "
Zu ganz besonderer Freude gereichte Deffner der zu
Anfang des Jahrs 1871 aufsein Anregen gestiftete Steigen-
klubb, dessen Stiftungsurkunde er eigenhändig in das Protokoll-
buch niederschrieb und das AVappen des Steigenklubbs malte.
Die Urkunde, die er verfasst, ist zwar den Klubbmitgliedern
wohl bekannt, darf aber auch weitere Verbreitung niclit scheuen,
sie lautet wie folgt:
„Nachdeme im Jahre 1871 der Friede wieder hergestellet,
„auch das deutsche Reich aufs Neue wieder aufgerichtet und der
^deutsche Boden gegen allen Feind sicher gestellet worden,
„haben sich etlich Männer, so diesem ihrem heimathlichen Boden
,mit mehrerer Inclination zugethan sind und denselben mit etz-
„lichem judicio auskundschaften wollen, zusammengethan und einen
„Steigenklubb gebildet.
„Und soll dieser Steigenklubb die Steigen, so aus dem Vor-
„land der Alb auf deren Höhe führen, genau untersuchen, Alles
„wie es bei Erschaffung deren Gebirgslager hergegangen, er-
„ künden, absonderlich aber die Ordnung die da herrschet, pünkt-
„lich erforschen und feststellen, auf dass alle Zweifel über die
„Reihenfolge gelöset, und dieselbe sicher gestellet sei gegen alle
„Ungläubige und Ketzer, Falschgläubige und Schismatiker und
„alle Pharisäer und Schriftgelehrten. Und soll ein Protokoll
„über jede Steige aufgesetst werden zu Nutz und Frommen der
, Mitglieder, worinnen zu lesen, was da gefunden worden und wie
„es ist festgestellet worden an jedem Ort von wegen der Grenzen
„und der Mächtigkeit.
„Im Wappen aber soll der Klubb führen die Farben des
„schwarzen, braunen und weissen Jura, als des edelsten Gebirgs,
.„das da im Lande Schwaben erfunden werden mag. Das soll,
„mit Gold eingefasset, ruhen auf einem Schildgrund, der gebändert
„ist mit roth, blau und braun, wie auch der Jura ruht auf den
„Lagen des Keupers, des Muschelkalks und des bunten Sand-
„ Steins und von denselben getrennt ist durch das gelbe Band
— 74 —
,des Bonebedsaiidsteius. Als Wappenzeichen aber soll dienen
,der Hammer, mit dem eröffnet werden die Geheimnisse der
T Gebirge und die ludicia der Querköpfe und der Korapass, der
„da dienet als Eichtschnur für die Gänge der Natur und des
»Menschen.
,TJnd so möge besagter Klubb fröhlich gedeihen, und ein
„frisches Leben führen und aufdecken was noch verdecket ist in
„Dunkelheit, auf dass das helle Tageslicht scheine ins Innere der
„Gebirge und der Köpfe und in das Gesetz unserer Berge und
„Niemand mehr sei, der da Widerreden könne dem, was der Klubb
, aufgerichtet.
„Dazu möge uns ein fröhliches Glückauf geschenket sein
„bis zum letzten Hammerschlage! dess zum ewigen Gedächtniss
„ist diese Urkund errichtet und von den Stiftern eigenhändig
„unterzeichnet worden.
„Im Hornung des Jahrs 1871. Binder, Deffuer, Fraas."
Mit Einschluss der Stifter, unter welchen Binder zuerst
(am 9. Februar d. J.) rasch verstarb, zählte der Klubb 21 Mit-
glieder im In- und Ausland. Im Laufe seines Bestandes hat
derselbe 40 Excursionen gemacht und ebenso viele weiss Jura-
Profile in seinem Protokoll niedergelegt. An 37 Excursionen
hatte sich unser Freund betheiligt. Zum letzten Mal bestieg
er die Alb bei Spaichingen am 26. Juni v. J., an welchem Tag
er, sich bereits nicht mehr kräftig genug fühlend, seine Be-
gleiter verliess. An den Gammafelsen von Mahlstetten hat er
seinen letzten Hammerschlag gethan.
Unter den 5 Generalversammlungen, welche der Steigen-
klubb gehalten, erinnert sich sicher jedes Mitglied mit auf-
richtiger Freude an die festliche Versammlung im Jahr 1875
im D e f f n e r'schen Hause zu Esslingen. An der diessjährigen
im Schloss zu Eybach abgehaltenen Versammlung sich zu be-
theiligen, war er leider verhindert.
Im August V. J. besuchte D e f f n e r noch zusammen mit F r a a s
die AUg. Versammlung der Schweizer Naturforscher-Gesellschaft
in Basel, alter Bekannter gerne sich freuend, neue Bekannt-
schaften schliessend. Unter den letzteren war ihm die liebste
— 75 —
die von Cb. Martins aus Montpellier, der im gleichen Alter
wie Deffner dessen Bekanntschaft mit Befriedigung hinnahm.
Die letzte geologische Freude endlich, die Deffner er-
lebte, war im April d. J. die Nachricht von der Excursion der
oberrheinischen geologischen Gesellschaft nach der Filderspalte
bei Eohr auf den Fildern. Eine glückliche Trassirung der
Eisenbahnlinie schneidet dort in einem 10 M. tiefen Einschnitt,
die von Deffner schon in den 50ger Jahren beobachtete
und auf seiner Karte verzeichnete Spalte an, welche den Schön-
buch und die Filder aneinander verwirft und deckte vor Jeder-
manns Augen auf, was einst Deffner durch Construktion ge-
funden. Die Anerkennung, die er durch die Versammlung
gefunden, welche mit seiner Anschauung sich einverstanden er-
klärte, that ihm sichtlich wohl; gab sie ihm doch den Beweis,
dass die geologische Arbeit seines Lebens nicht vergeblich war
und die Gedanken, die er für schwäbische Verhältnisse zuerst
ausgesprochen und der herrschenden Meinung gegenüber festge-
halten, auch bei den Fachmännern nunmehr Eingang
gefunden haben. Die Trauer dieser um den trefflichen
Mann verbindet sich jetzt mit der unseres Vereines, dem er
25 Jahre lang so wohl angestanden hatte.
IL Vorträge.
I. Prof. Dr. Seil wen den er in Tübingen sprach über die
Festigkeit der Gewächse.
Indem ich diesen Gegenstand hier zur Sprache bringe, ist
es meine Absicht, denselben nach drei verschiedenen Seiten
kurz zu besprechen, zunächst mit Eücksicht auf die Frage, ob
die 'Pflanzen bestimmte Gewebe besitzen, welche vorzugsweise
oder ausschliesslich die erforderliche Festigkeit bedingen und
desshalb in ihrer Gesammtheit mit gleichem Recht, wie das
Knochengerüste der Wirbelthiere oder der Chitinpanzer der In-
sekten, als Skelett bezeichnet werden könnten. Kommen solche
Gewebe vor, was ich zum Voraus bestätigen kann, so führt die
weitere Untersuchung naturgemäss zur Betrachtung ihres anato-
mischen Baues und ihrer physikalischen Eigenschaften. Wir
werden festzustellen haben, durch welche Merkmale sich diese
skelettbildenden Gewebe von den übrigen unterscheiden und
welche Abstufungen sie unter sich selbst darbieten. Endlich
bleibt der Nachweis zu leisten übrig, dass die Architectur der
fraglichen Gewebe denselben mechanischen Regeln entspricht,
nach denen die moderne Technik ihre Holz- und Eisenconstruc-
tionen ausführt.
Was zunächst die Frage betrifft, ob ein Skelett in dem
eben bezeichneten Sinn den höheren Pflanzen zukomme, so kann
die Antwort hierauf, wie bereits angedeutet, nur eine bejahende
sein. Denn in der That, alle grösseren, fester gebauten Ge-
— 77 —
wachse, wie die Farnkräuter und Schaclitelhalme, die Gräser
und Lilien etc., überhaupt alle Gefässpflanzen verdanken ihre
Festigkeit einem bestimmten, anatomisch wohl charakterisirten
Gewebe, das bald nur einen kleinen, bald einen sehr erheblichen
Theil des ganzen Pflanzenkörpers bildet. Es ist dasselbe Ge-
webe, welches an abgestorbenen Pflanzentheilen am längsten der
Zersetzung widersteht und dadurch oft vollständig isolirt wird,
dasselbe , welches auch den Hauptbestandtheil der Laub - und
Nadelhölzer bildet und deren technische Verwerthbarkeit bedingt.
Die Elemente, aus denen dieses Gewebe zusammengesetzt ist
sind in ihrer äussern Erscheinung längst bekannt; es gehören
dahin die ßastzellen des Hanfes, der Linde, die faserförmigen
Zellen des Holzes u. s. w. Betrachten wir diese Elementarorgane
unter dem Mikroskop, so erscheinen sie als langgestreckte, an
den Enden pfriemeuförmig zugespitzte Zellen, deren Wandung
meist ziemlich stark, oft bis zum Verschwinden der Höhlung
verdickt ist. Im ausgebildeten Zustande führen diese Zellen
gewöhnlich Luft; eine Ausnahme hievon machen nur die so-
genannten CoUenchymzellen, welche als die am wenigsten aus-
geprägten mechanischen Elemente zu betrachten sind und darum
nebenbei noch andern Funktionen dienen; diese enthalten zeit-
lebens Plasma und wässerigen Zellsaft, zuweilen auch ChlorophylL
Als eine constante Eigenthümlichkeit der mechanisch wirksamen
Zellen verdient ferner hervorgehoben zu werden, dass sie kleine,
spaltenf örmige Poren besitzen, welche einer linksläufigen Schrauben-
linie entsprechend gestellt sind. Die Neigung dieser Poren zur
Längsrichtung variirt zwischen 0 und circa 45 Grad.
Die Festigkeit der skelettbildenden Gewebesysteme ist zu-
nächst abhängig von der Widerstandskraft der Zellmembranen,
d. h. der Substanz, welche allein die Cohäsion der Gewebe be-
dingt, in zweiter Linie aber auch von der Art und Weise, wie
die einzelnen Theile mit einander verbunden, und insbesondere,
wie sie über die Querschnittsfläche vertheilt sind. In gleicher
Weise ist ja auch die Festigkeit einer Brücke, eines Thurmes
oder Pfeilers etc. nicht bloss von der Beschaffenheit des Ma-
terials, sondern auch von der Coustruktionsweise abhängig. Die
— 78 —
Cohäsion oder das Tragvermügeu der Gewebe lässt sich nun
direct bestimmen. Man befestigt zu diesem Behufe einen
30 — 50 Centimeter langen Strang skelettbildender Zellen am
einen Ende durch Einspannen in den Schraubstock und belastet
alsdann das frei herabhängende untere Ende mit einem ent-
sprechenden Gewicht, dessen Grösse man allmälig steigert, bis
der Strang dasselbe gerade noch zu tragen vermag, ohne eine
bleibende Verlängerung zu erfahren. Dividirt man alsdann die so
erhaltene Maximalbelastung durch den Querschnitt des Stranges,
so erhält man das Tragvermögen per Quadratmillimeter, oder
wenn man lieber will, per Quadratcentimeter. Wie vorauszusehen,
ist dieses Tragvermögen je nach der Beschaffenheit der mecha-
nischen Elemente grösser oder kleiner; es erreicht jedoch für
die festern Gewebe jedenfalls 10 bis 15 Kilo per Quadrat-
millimeter und für die stärksten Bastsorten sogar 20 Kilo und
darüber. Um ein Maass für die Vergleichung zu haben, füge
ich bei, dass das Schmiedeeisen innerhalb der Elasticitätsgrenze
circa 13 Kilo per Quadratmillimeter zu tragen im Stande ist,
dass jedoch bei schmiedeeisernen Constructionen, wie z. B. beim
Brückenbau , nur eine Inanspruchnahme von 7 bis 8 Kilo per
Quadratmillimeter als praktisch zulässig erachtet wird. Hienach
sind die besseren Bastsorten hinsichtlich ihres Tragvermögens
dem Schmiedeeisen ungefähr ebenbürtig. Sie unterscheiden sich
aber in einem nicht unwichtigen Punkte, wesentlich vom Eisen.
Während nämlich das letztere durch die Maximalbelastung inner-
halb der Elasticitätsgrenze nur etwa um '/iooo ausgedehnt wird,
zeigen die Bastzellen eine Dehnung von mindestens 1 Prozent.
Ein Bastriemen von 400 Millimeter Länge erfährt z. B. durch
die zulässige Belastung eine Streckung von 5 Millimeter und
nimmt nach Wegnahme des Gewichts genau wieder die ursprüng-
liche Länge an. Auf diesem Unterschied in der Dehnbarkeit
beruht die Biegsamkeit der vegetabilischen Gerüste im Gegen-
satz zu den starren Constructionen aus Guss- oder Schmiede-
eisen. Zwar geben auch diese bei jedem Druck, der auf sie
einwirkt, elastisch nach; allein die hiebei stattfindende Bewegung
ist so geringfügig, dass sie sich der Wahrnehmung leicht ganz-
— 79 —
lieh entzieht. Wie augenfällig spielen dagegen die Halme der
Oräser in bewegter Luft, wie leicht schwingen die Zweige am
Baume, und welch' ein Leben ergreift den Wald, wenn der
Sturm in die mächtigen Kronen fährt!
Neben dieser relativ grossen Dehnbarkeit des Pflanzen-
skelettes bleibt noch eine andere physikalische Eigenschaft zu
erwähnen übrig, welche dasselbe im Gegensatz zu den Metallen
kennzeichnet: es ist das geringe spezifische Gewicht der Substanz
(Cellulose), aus welcher das Skelett bestellt. Diese Substanz
ist höchstens um die Hälfte schwerer als Wasser, während das
Eisen bekanntlich mehr als 7 mal so schwer ist; die spezifischen
Gewichte verhalten sich also annährend wie 1 zu 5. Daraus
erklärt sich die ausserordentliche Schlankheit der pflanzlichen
Constructionsformen. Der leichteste schmiedeeiserne Pfeiler er-
scheint plump gegenüber dem schlank aufstrebenden ßohr der
Bambusen oder dem spitz -kegelförmigen Stamm der Nadelhölzer
und anderer Bäume. Wäre die Pflanze darauf angewiesen, ihr
Skelett aus einer Substanz vom spezifischen Gewicht des Eisens
herzustellen, so müsste sie ihre Längendimensionen verkürzen
und alle ihre Ausladungen mehr oder weniger zurückziehen,
wodurch die ganze äussere Erscheinung eine viel gedrungenere
würde.
Fragen wir endlich nach der Art und Weise, wie die festen
Theile der Gewächse unter sich verbunden sind, so mag es
genügen, die vorkommenden Verschiedenheiten durch einige Bei-
spiele anzudeuten. Es ist zunächst einleuchtend, dass die Con-
structionsform sich nach den mechanischen Anforderungen richten
muss, welche an die Pflanze gestellt werden. Aufrechte, frei-
stehende Organe, wie z. B. die Halme der Gräser, die Blüthen-
schäfte u. dgl., weiche einer gewissen Biegungsfestigkeit bedürfen,
um Blüthen und Früchte tragen und dem Winde Widerstand
leisten zu können, sind voraussichtlich nach einem andern Plan
gebaut, als die auf Zug in Anspruch genommenen Wurzeln oder
als die schlingenden und die untergetauchten Stengelorgane.
In der That führt die mikroskopische Untersuchung der ver-
schiedenen Organe zu dem Ergebniss, dass die skelettbildenden
— 80 —
Gewebe in bieguiigsfesten Pflanzentheileii im Allgemeinen eine
möglichst peripherische, in zugfesten eine mehr centrale 1 An-
ordnung zeigen. Die Halme der Gräser verdanken z. B. ihre
Biegungsfestigkeit einem aus Skelettzellen gebildeten Hohl-
cylinder, dessen nach aussen vorspringende Rippen sich un-
mittelbar an die Epidermis anlegen. Viele Cyperaceen und
Juncaceen besitzen dagegen isolirte peripherische Pfosten oder
zusammengesetzte Träger, welche durch parenchymatische Ge-
webe, zuweilen überdies noch durch besondere Anastomosen in
tangentialer Richtung verbunden sind. Sind die Organe breit
und flach, wie die Blätter, so bedürfen sie bloss für die zur
Breitseite rechtwinklige Richtung besonderer Stützgewebe. In
dieser Eigenschaft fungiren alsdann die sogenannten Adern oder
Blattrippen, deren Bau im Wesentlichen mit dem der Brücken-
träger übereinstimmt. Die spezifisch mechanischen Zellen bilden
hier die obere und die untere Gurtung, indess das schwächere
Parenchym und andere Gewebe die Verbindung herstellen. Zur
Erhöhung des Widerstandes ragen diese Träger überdies nicht,
selten über die untere Blattoberfläche hervor.
Die Biegungsfestigkeit bedingt also, wenn ich mich so aus-
drücken darf, eine centrifugale Tendenz der festen Elementar-
organe; diese rücken soweit als möglich nach aussen. Um-
gekehrt die Zugfestigkeit. Die zugfesten Wurzeln und die da-
mit übereinstimmenden kriechenden Rhizome sind gewissermassen
nach dem Schema eines Telegraphenkabels gebaut. Im Centrum
liegen die zu einem Strang verbundenen festen Skelettzellen, an
der Peripherie die weichen parenchymatischen Elemente, velche
ernährungsphysiologischen Zwecken dienen. Ebenso verhalten
sich die untergetauchten Stengel von Najas, Myriophyllum, Pota-
mogeton etc., welche in Folge ihres Luftgehaltes einem con-
tinuirlichen Zug nach oben unterworfen sind. Dagegen nehmen
die schlingenden Gewächse insofern eine besondere Stellung ein,
als sie in der Jugend, so lange sie noch keine Stütze gefunden
haben, der Biegungsfestigkeit bedürfen und dementsprechend
gebaut sind; erst ihr späteres Verhalten entspricht der In-
anspruchnahme auf Zug.
— 81 —
So sehr übrigens das raechaiiische Princip die Aiiordnung"
der festen Theile belierrscbt, so dürfen wir uns doch nicht vor-
stellen, dass dasselbe immer voll und ganz zur Geltung komme.
Denn die Pflanze hat nicht bloss meclianischen, sondern auch
verschiedenartigen ernährungsphysiologischen Anforderungen zu
genügen. So ist es z. B. wichtig, dass die grünen Zellen eben-
falls in die Mhe der Oberfläche zu liegen kommen, weil der
Assimilationsprocess, der sich in diesen Zellen vollzieht, von der
Einwirkung des Lichtes abhängig ist, dessen Intensität mit der
Entfernung von der Oberfläche nothwendig abnehmen muss. In
biegungsfesten Organen machen desshalb die grünen Zellen den
mechanischen Elementen den Platz zunächst der Epidermis streitig,
und es kommt häufig vor, dass sie die letztere, entgegen den
Forderungen des mechanischen Princips, etwas zurückdrängen.
So z. B. im Blüthenschaft der Liliaceen und Irideen, im Stengel
vieler Dicotylen etc., wo das hohlcylindrische Skelett von der
grünen Rinde umliüllt wird. Aehnliche Conflicte mögen auch
sonst noch hin und wieder vorkommen; doch würde es zu weit
führen, auf diese zum Theil noch dunkeln Beziehungen näher
einzutreten.
IL Prof. Dr. Bronner in Stuttgart sprach über einige
fossile Harze vom Libanon.
Diese Harze, durch Herrn Prof. Dr. Fraas vom Libanon*
mitgebracht, bildeten honiggelbe, goldgelbe, tief orangefarbige
hyacinth- bis braunrothe Stückchen, meistens durchsichtig, sämmt-
lich glasglänzend, sehr spröde und leicht zerreiblich. An manchen,
namentlich den honiggelben Stückchen sassen noch Reste ihrer
Lagerstätte, einer Braunkohle, gemischt mit sehr glänzendem,
tief schwarzem Gagat. Diese Harze zeigen sämmtlich beim Reiben
mit Wolle oder Seide nur so geringe Spuren von Electricität,
dass diese nur durch einen sehr empfindlichen Goldblattconden-
sator nachgewiesen werden konnte.
Das specifische Gewicht schwankt beträchtlich, je nach der
* Der Fundort ist Djebäa, Provinz Djezzin, im südlichen Libanon.
Wurtteml). naturw. Jahreshefte. 1878. c
— 82 —
Farbe; die lionig-- bis goldgelben Stücke besitzen eine Dichtig-
keit von 1,055 bis 1,058, die orangefarbigen von 1,088 und
die nur unvollkommen durchsichtigen braunrothen von 1,118.
Dem Aussehen und dem specifischen Gewicht nach stehen diese
Harze dem gewöhnlichen Bernstein vom Ostseestrande ziemlich nahe.
Zur Vergleichung folgen hier die für samländischen Bern-
stein ermittelten Zahlen: hellgelb opalisirend 1,077 ; citron- bis
goldgelb durchsichtig 1,080; braunroth mit erdigem mattem
Ueberzug 1,092.
Aber in Bezug auf Festigkeit ist ein grosser Unterschied
zwischen den Libanonharzen und dem Bernstein; denn wenn erstere
in hohem Grad spröde und so leicht zerbrechlich sind, dass sie
bei der Prüfung auf ihr elektrisches Verhalten leicht in Stücke
zerspringen, so ist der letztere ungemein fest und ganz aus-
nehmend schwer zu pulvern; auch eignet er sich bekanntlich
vorzüglich zur Bearbeitung auf der Drehbank.
Im Platinlöffel bei Luftzutritt erhitzt verbrennen die Harze,
wie der Bernstein, indem sie zuerst unter heftigem Aufschäumen
schmelzen und eine grosse Menge von Gasen und Dämpfen ent-
wickeln, die mit stark leuchtender, gelber, russender Flamme
brennen. Es bleibt nur sehr wenig einer röthlichen Asche zurück,
in welcher sich Eisenoxyd und Kalk deutlich nachweisen lassen-
Zur genaueren Bestimmung der Aschenmenge reichten die mir
zu Gebote stehenden kleinen Quantitäten der Libanonharze nicht hin.
Da der Bernstein bei der trocknen Destillation eine gewisse
Menge Bernsteinsäure liefert und da bekannt ist, dass er einen
geringen Antheil dieser Säure schon fertig gebildet enthält, so
habe ich in dieser Beziehung die braunrothe Varietät der Liba-
nonharze untersucht, und zwar habe ich diese deshalb gewählt,
weil ich von derselben die relativ grösste Menge, gegen 30
Gramm, zur Verfügung gehabt habe. Durch Auskochen des fein
gepulverten Harzes mit einer Lösung von Natriumcarbonat und
Filtriren erhält man eine gelbliche Flüssigkeit, die, mit reiner
Salpetersäure schwach übersättigt und im Wasserbad zur Trocken-
heit abgedampft, einen braunen Rückstand lässt, der mit Wasser
ausgezogen wurde. Diese Lösung wurde verdunstet und der
i
— 83 —
Rückstand mit absolutem Alkohol extrahirt; es resiiltirte eine
gelbliche sauer reagirende Lösung, die nach dem Behandeln mit
gereinigter Knochenkohle und Eindunsten einen krystallinischeu,
nicht ganz farblosen Eückstand gab, völlig sublimirbar, durch
Eindunsten mit Salpetersäure sich nicht verändernd, in Alkohol
und Aether löslich und mit Kalkwasser keinen Niederschlag gebend.
Bleizucker-, Silbernitrat- und Eisenchloridlösungen gaben eben-
falls unmittelbar keine Füllungen, wohl aber nach dem Neutra-
lisiren mit Ammoniak. Dieses Verhalten ist charakteristisch für
Bernsteinsäure. Obgleich ich wegen Mangels an Material keine
Elementaranalyse vornehmen konnte, nicht einmal die Silber-
bestimmung im Silbersalz zu machen im Staude war, so glaube ich,
auf die angegebeneu Reactionen gestützt, doch aussprechen zu
dürfen, dass in dem braunrothen Libanonharz Bernsteinsäure
fertig gebildet enthalten ist.
Das beim Auskochen mit Sodalösung ungelöst gebliebene
Pulver gab bei der trocknen Destillation eine kleine Menge einer
farblosen sauren Flüssigkeit, ein gelbbraunes, in Alkohol lösliches
Oel und einen braunen Rückstand, der sich nicht in Alkohol,
aber leicht in erwärmtem Terpentinöl löste und damit einen
dunkelbraunen Firniss lieferte. Die wässrige saure Flüssigkeit
wurde mit Soda beinahe neutralisirt und eingedunstet. Ein Theil
des Rückstandes gab beim Uebersättigen mit Schwefelsäure einen
Geruch ähnlich dem von Essigsäure; aber derselbe rührte von
Ameisensäure her, denn die Lösung des trocknen Salzes gab
beim Mischen mit Silbernitrat und Erwärmen neben einem weissen
Niederschlag (bernsteinsaurem Silber) auch eine Reduction von
metallischem Silber. Nach Entfernung der Ameisensäure durch
Eindampfen Hess sich wie oben die Gegenwart der Bernsteinsäure
nachweisen.
Es zeigt sich somit zwischen dem braunrothen Harz vom
Libanon und dem Bernstein insofern eine grosse Aehnlichkeit,
als in beiden Bernsteinsäure fertig gebildet vorhanden ist und
als bei der trocknen Destillation diese Säure (neben Ameisen-
säure) auftritt. Daraus aber sofort den Schluss ziehen zu wollen,
dass das syrische Harz wirklicher Bernstein sei, wäre wohl kaum
6*
— 84 —
zulässig, weil sich Bernsteiusäure bei sehr verschiedeuen Zer-
setzungsprocessen organischer Körper bildet.
Bei dem Versuch, die Schmelzpunkte der Harze zu bestim-
men, zeigte es sich, dass dieselben sich zersetzen, stark
riechende und sauer reagirende Dämpfe entwickeln und sich
dunkler färben, noch ehe sie schmelzen. Wenn also end-
lich das Schmelzen wirklich eintritt, so hat man es nicht mehr
mit dem ursprünglichen Harz, sondern mit einem seiner Zer-
setzungsprodukte zu thuu. (Vergl. unten.)
Concentrirte Schwefelsäure löst die Harze, falls sie nur fein
gepulvert sind, schon bei gewöhnlicher Temperatur nach und nach
zu einer klaren braunen Flüssigkeit auf, die auf Zusatz von
Wasser einen mehr oder weniger gefärbten flockigen Körper
fallen lässt.
Salpetersäure, sowie Aetzkali, auch schmelzendes, greifen
die Harze wenig an; verhältnissmässig am leichtesten werden
die dunklen Varietäten verändert. Das Verhalten des Bernsteins
zu diesen drei Agentien ist genau das nämliche.
Um aber über die vermeintliche oder wirkliche Identität der
Libanonharze mit dem Bernstein ein Urtheil zu haben, erschien
es nöthig, auch die Elementaranalyse vorzunehmen und zugleich
das Verhalten dieser Harze zu Lösungsmitteln zu untersuchen,
um durch letztere zu erfahren, ob die Harze vielleicht Gemenge
seien.
Das br aunrothe H arz und ebenso das hy acinthrothe
löst sich beim Kochen mit absolutem Alkohol nur zum Theil
und gibt eine tief gelbe Lösung, aus welcher Wasser einen
schmutzig gelblichweissen Körper in grossen Flocken fällt. In
der Lösung lässt sich Bernsteinsäure nachweisen.
Der in Alkohol lösliche Antheil wurde mit Kupferoxyd ver-
brannt. 0,2845 Grm. gaben 0,782 Grm. Kohlensäure und 0,317
Grm. Wasser. Hieraus berechnen sich
Kohlenstoff 74,8 %.
Wasserstoff 12,3 „
Sauerstoff 12,9 „
Diese Zahlen führen zu der Formel CsHieO, welche fordert
I
— 85 —
C 75,0
H 12,5
0 12,5.
Der in Alkohol lösliche Antheil löst sich auch leicht in Aether,
Chloroform, Aceton,Holzgeist, Benzol, Terpentinöl und Schwefelkohlen-
stoff; die alkoholische Lösung des reinen Körpers reagirt völlig* neutral.
Der in absolutem Alkohol unlösliche Antheil ist auch in
Aether, sogar in kochendem, unlöslich. Die Elementaranalyse
führte zu den Zahlen
Kohlenstoff 65,3
Wasserstoff 13,0
Sauerstoff 21,7
Eine gut passende und wahrscheinliche Formel lässt sich
hieraus nicht ableiten. Ziemlich nahe kommt dem Kesultat der
Analyse die Formel C8H20O2, denn diese verlangt
C 64,8
H 13,5
0 21,6.
Aber bekanntlich wird bei der Elementaranalyse, namentlich
bei Anwendung von Kupferoxyd, immer etwas zu viel Wasserstoff
und häufig etwas zu wenig Kohlenstoff gefunden, während ich
0,5 Procent weniger Wasserstoff und 0,5 Procent mehr Kohlen-
stoff gefunden habe, als der Formel entspricht. Um dieses Re-
sultat erklären und docli letztere T^'ormel beibehalten zu können,
müsste man annehmen, dass eine kleine Menge des löslichen
Körpers durch den Alkohol nicht ganz ausgezogen worc^en sei.
Von dem Harz lösen sich, je nach dessen Farbe, 36 bis
43 Procent in kochendem absolutem Alkohol auf und gilt die
erstere Zahl für die hyacinthrothen Stücke.
Der unlösliche Antheil des Harzes ist somit bedeutend kohlen-
stoffärmer und sauerstoffreicher als der lösliche. Diess führt auf
die Vermuthung, dass das lösliche Harz durch einen Oxydations-
process (und unter Aufnahme der Elemente des Wassers) unter
Ausscheidung von Kohlenstoff in Form von Kohlensäure (oder
vielleicht auch von Bernsteinsäure) unlöslich geworden sei; z. B.
nach dem Schema
— 86 —
8Mol.C8Hl60 = C64Hl2808 7M0I.C8H20O2 =::^C56Hl400l4
4- 12 Mol. Wasser = H12 Oe 8Mol.Kohlensäure=:C8 O16
-f- 8Mol.Saiierstoff = _0i6 CelHi 4ÖÖ30
Ce 4 Hl 40 030
Oder auch uach dem Schema:
4M0l.C8Hl6 0 = C32H64 04 3M0I.C8H20Ö2 =C24H60 06
4- 4 Mol. Wasser = Hs O4 2Mol.Bernsteinsäiire= Cs H12O8
4- SMoLSauerstoff = 06_ C32H7TO14
C32H72O14
Es wird wohl kaum uöthig sein, zu betoneu, dass ich nicht
eutfernt behaupten will, der Yorg-ang sei durch eine dieser For-
meln ausgedrückt; sondern ich will durch vorstehende Aufstel-
lung nur angeben, dass man sich denselben so vorstellen könne.
Es war von Interesse, dieses Harz mit dem aus der Buko-
wina stammenden Schraufit zu vergleichen. Eine kleine Probe
(beinahe 3 Grm.) ächter Schraufit, durch Herrn Prof. Tschermak
an Herrn Prof. Fraas übersendet, war hyacinthroth, durchsichtig,
wachs- bis glasglänzend, leicht pulverisirbar, besass ein specifi-
sches Gewicht von 1,086. Beim Erhitzen bräunt er sich bei
270 ^ schmilzt aber noch nicht bei 300 '^ C. In concentrirter
Schwefelsäure löst er sich nur theilweise mit brauner Farbe.
Durch mehrmaliges Auskochen mit absolutem Alkohol lassen sich
15 Procent Lösliches ausziehen. Die alkoholische gelbe Lösung
wird durch Zusatz von Wasser nur opalisirend, giebt aber keinen
Niederschlag. Nachdem Alkohol und Wasser durch Abdampfen
entfernt waren, wurde das rückständige gelblichgraue Harz, dessen
Menge zu einer Elementaranalyse unzureichend war, mit Salpeter-
säure behandelt; es wurde leicht angegriffen und lieferte eine
feste krystallinische Säure, die mit Kalkwasser keinen Nieder-
schlag gab (also keine Oxalsäure, vielleicht Bernsteinsäure). Der
in Alkohol unlösliche Antheil wurde mit Kupferoxyd verbrannt.
0,334 Grm. Substanz gaben 0,968 Grm. Kohlensäure und 0.321
Grm. Wasser, woraus folgt
Kohlenstoff 79,0 >
Wasserstoff 10,6 „
Sauerstoff 10,4. „
— 87 —
Diese Zahlen stimmen gut mit der Formel Cio Hi6 0, welche
verlangt C 78,9
H 10,5
0 10,5.
Diess ist dieselbe Zusammensetzung, welche Schrötter seiner
Analyse* zufolge dem Bernstein beilegt, aber auch dem daraus
mit Aether ausgezogenen Harz. (Vergl, dagegen unten.)
Der rohe Schraufit gab mir: Kohlenstoff 76,2
Wasserstoff 8,9
Sauerstoff 14,9.
Daraus folgt, dass die in Alkohol lösliche Substanz weniger
als 76 % Kohlenstoff und weniger als 8,9 ^o Wasserstoff ent-
halten muss, dass es also nicht derjenige Körper sein kann, der
den in Alkohol löslichen Antheil des braunen Libanonharzes aus-
macht. Aber, wie mau sieht, weicht auch der in Alkohol un-
lösliche Antheil des Schraufits von dem unlöslichen Antheil des
braunen Libanonharzes sehr wesentlich ab. Obgleich also dieses
Harz und Schraufit in manchen, namentlich äusseren Eigen-
schaften viel Aehnlichkeit zeigen, sind es doch verschiedene
Körper.
Das honiggelbe bis wachsgelbe Harz vom Liba-
non. Das rohe Harz gab
dunklere Sorte hellere Sorte
Kohlenstoff 80,5 «o 82,6
Wasserstoff 10,7 10,7
Sauerstoff 8,8 6,7
Die Zusammensetzung der helleren Sorte entspricht der
Formel C16H24O, denn diese erfordert C 82,7
H 10,3
0 7,0. Allein hierauf
ist kein Werth zu legen, denn die Behandlung mit Lösungsmitteln
hat ausgewiesen, dass auch dieses Harz nur ein Gemenge zweier
verschiedener Körper ist. In absolutem Alkohol lösen sich beim
Kochen nur ca. 6 Procent. Die Zusammensetzung des löslichen
* Jahresbericht von Berzelius, 24. Jahrgang (1845). Seite 593.
— 88 —
Antheils konnte aus Mangel an Substanz nicht ermittelt werden;
diejenige des unlöslichen aber gab
Kohlenstoff 74,8 \
Wasserstoff 10,5
Sauerstoff 14,7.
Man erkennt, dass der Kohlenstoffgehalt genau mit dem-
jenigen des in Alkohol löslichen Antheils des braunrothen Harzes
übereinstimmt, dass aber der Wasserstoffgehalt geringer, der
Sauerstoffgehalt grösser ist; man könnte sich daher diesen Körper
durch directe Oxydation aus jenem entstanden denken, wobei nur
ein Theil des Wasserstoffs als Wasser ausgetreten wäre. Die
Formel C14H23O2 verlangt die Zal'.len
Kohlenstoff 75,3
Wasserstoff 10,3
Sauerstoff 14,3
und diese stimmen ziemlich genau mit den obigen. Die eben
angedeutete Beziehung wird dann ausgedrückt durch die Gleichung:
7 CsHieO + 11 0 oder C56H112O18 — 10H2 0 = C56H92O8
= 4 C14H23 O2.
Da dieses Harz in seinem Aussehen mit dem Bernstein am
Ostseestrande völlig übereinstimmt und von demselben nur durch
seine grosse Sprödigkeit verschieden zu sein scheint, so hielt es
nicht für überflüssig, auch den wirklichen Bernstein einer
vergleichenden Untersuchung zu unterwerfen.
Eine Sorte derselben, die in der Farbe mit derjenigen des
Libanonharzes, die 80,5 "/^ Kohlenstoff geliefert hatte, völlig über-
einstimmte, gab bei der Elementaranalyse
Kohlenstoff 77,8 V^
Wasserstoff 10,2
Sauerstoff 12,0.
Diese Zahlen weichen von denjenigen Schrötter's (s. oben)
im Wasserstoffgehalt nicht erheblich, im Kohlenstoffgehalt aber
um ein ganzes Procent ab.
Von diesem Bernstein lösten sich in kochendem Alkohol
25,3 Procent. Die alkoholische Lösung wurde mit Wasser, dem
einige Tropfen Salpetersäure zugesetzt waren, vermischt, weil
- 89 —
sich gezeigt hatte, dass dieser Zusatz das Zusammenballen der
ausgeschiedenen Harztheilchen beförderte. Der Niederschlag
wurde im luftleeren Raum über Schwefelsäure getrocknet und
erschien dann völlig weiss. Dieser lösliche Antheil sintert bei
etwas über 80^ C. zusammen, wird bei 86^ durchscheinend,
schmilzt aber erst bei 102 ^ zu einem gelbbräunlichen Liquidum,
das beim Erstarren durchsichtig bleibt, weshalb der Erstarrungs-
punkt nicht beobachtet werden kann. Bei 198^ bräunt es sich
und entwickelt wenige Grade darüber saure Dämpfe. Die Ele-
mentaranalyse* ergab die Zusammensetzung
Kohlenstoff 76,5
Wasserstoff 10,0
Sauerstoff 13,5.
Diese Zahlen passen gut auf die Formel C15H23O2, welche
verlangt C 76,6
H 9,8
0 13,6.
Der in absolutem Alkohol unlösliche Rückstand bräunte sich
bei dem Versuch, seinen Schmelzpunkt zu bestimmen, in der
oberen mit der Luft in Berührung befindlichen Schicht des Röhr-
chens bei 260 ^ C, schmolz aber noch nicht bei 300 ^ C. Es
ist also klar, dass wenn der rohe Bernstein bis zum wirklichen
Schmelzen erhitzt wird, der in Alkohol lösliche Antheil desselben
bereits in voller Zersetzung begriffen sein muss.
Der in absolutem Alkohol unlösliche Rückstand lieferte die
Zahlen**:
Kohlenstoff 79,2
Wasserstoff 10,5
Sauerstoff 10.3, entsprechend der Formel Cio H16 0 C 78,9
H 10,5
0 10,5.
* 0,809 Grni. des nicht geschmolzeuen Harzes lieferten 0,8675 Grm.
Kohlensäure und 0,280 Grm. Wasser.
** 0,409 Grm. gaben 1,188 Grm. Kohlensäure und 0,387 Grm.
Wasser.
— 90 —
Diess sind, wie mau sieht, dieselben Zahlen wie bei der
entsprechenden Substanz aus Schraufit. Es ist also bewiesen,
dass der in Alkohol unlösliche Antheil des Bernsteins — und
diess ist dessen Hauptmenge — und die entsprechende Substanz
aus Schraufit identisch sind.
Bei der Elementaranalyse der obigen Harze vom Libanon
und des Bernsteins habe ich auf den Schwefelgehalt dieser
Körper keine Rücksicht genommen. Nach Baudrimont beträgt
derselbe in Bernstein 0,25 bis 0,5 Procent.* Nach Bestimmungen
von John, die in den Verhandlungen der K. K. geologischen
Reichsanstalt vom Jahre 1876, N^. 11, veröffentlicht worden sind,
beträgt der Schwefelgehalt in einem gelben durchsichtigen Harz
vom Libanon 0,36 und in einer rothbraunen bis hyacinthrothen
Varietät ebendaher 0,56 Procent. Die mir zu Gebote stehenden
beschränkten Mengen dieser Harze erlaubten eine derartige Be-
stimmung nicht; auch wäre sie augenscheinlich auf das Resultat
der Analyse von keinem Einfluss gewesen. Im TJebrigen stimmen
die Resultate John's mit den meinigen wenig überein.
IIL Prof. Hegelmaier aus Tübingen trug beiiGelegenheit
der Vorzeigung frischer Exemplare von Euphorbia verrucosa Lam.,
welche durch einen sie bewohnenden, massenhaft Teleutosporen-
lager nebst Spermogonien bildenden Uromi/ces deformirt werden,
einige Bemerkungen über Rostpilze der JEuphorbia-
Arten vor.
Unsere Kenntnisse von den dieser Gruppe angehörigen, die
genannte Gattung heimsuchenden Schmarotzern sind zur Zeit
sehr fragmentarisch und müssen aus verschiedenen, einstweilen
vereinzelt vorliegenden Daten combinirt werden; wie sich aber
aus dem seither Bekannten zu ergeben scheint, sind die Euphorbien
die Wirthe einer ganzen Reihe von Uredineen, welche zwar als
solche unter einander verwandt sind, aber nicht bloss spezifisch
unterschieden werden müssen, sondern auch rücksichtlich ihrer
speziellen Lebensweise und Entwicklungsgeschichte sich ver-
* Jahresbericht von Will für 1864. Seite 538.
— 91 —
schieden verhalten, indem sie sich den biologischen Verhält-
nissen verschiedener, theils ausdauernder, theils einjähriger Nähr-
species angepasst haben mögen.
Der fragliche TJromyces ist mit "Wahrscheinlichkeit als
V. excavatus (DC.) zu bestimmen, indem er mit einer Form
identisch zu sein scheint, die von Decandolle (üuby botan.
gall. I. 896) als Uredo excavata benannt wurde und deren Be-
schreibung („hypophylla, acervalis fuscis parvulis eumerosis . . . . ;
acervuli frequentes totam paginam occupant, sed non deformant ....
ad Euphorbias varias praesertim in provinciis australibus") gut
zu der vorliegenden Form passt. Das ungeheuer massenhafte
Auftreten dieses Pilzes auf den Bergwiesen der Alb in der Um-
gebung Reutlingens (z. B. auf den Holzwiesen, der Wanne, den
Glemser Hochwiesen) bildet eine der auffälligsten Erscheinungen
für den Besucher dieser Lokalitäten, indem man alljährlich die
Mehrzahl der Stauden der daselbst gemeinen Euphorbia ver-
rucosa von ihm befallen und in characteristischer Weise etwas
verändert findet. Die Triebe entwickeln keine Tnflorescenzen,
werden höher, und die — übrigens in ihrer Form und Grösse
kaum alterirten — Blätter zeigen ein lebhaft gelbes Colorit.
Auf der oberen Fläche der letzteren erscheinen gegen Ende des
Frühjahrs zahlreiche Spermogonien von orangerother Farbe,
etliche Wochen später durchbrechen auf der Rückseite die eben
so zahlreichen Teleutosporenlager als kleine kreisrunde dunkel-
braune Fleckchen die Epidermis, doch so, dass, wie dies auch
ein Theil der vorliegenden lebenden Stengel, sowie die vor-
gelegten Präparate zeigten, ältere Spermogonien in einem ge-
wissen Stadium noch gleichzeitig mit jungen Teleutosporenlagern
auf demselben Blatt zusammen vorkommen. Ueber den Bau der
beiderlei Gebilde und ihrer Produkte ist dem allgemein Be-
kannten nichts beizufügen.
Wie Jedermann weiss, ist die gemeine EiqyJiorlia Gy-
parissias L. (und wohl auch etliche Verwandte wie E. Esula
L.) einer äusserst gemeinen Verunstaltung unterworfen . be-
ruhend auf dem Vorhandensein eines Schmarotzers, welcher
auf ihren Blättern in Form eines von Spermogonien be-
- 92 ~
gleiteten Schüsselrostes fructificirt, der sonst insgemein unter
dem Namen des Aecidium Eupherhiae Pers. bekannt war.
Die stattfindende Verunstaltung ist in diesem Fall eine beträcht-
lichere als die, welche die E. verrucosa durch ihren Schmarotzer
erfährt, indem ausser dem veränderten Wachsthum der Stengel
auch die Blätter der betreffenden Stöcke in ihrer Form wesent-
lich beeinflusst werden, kürzer und breiter als die normalen sich
entwickeln. Auf derselben Wolfsmilch kommt aber auch eine
Rostform vor, welche der Formgattung TJromyces angehört
und unter dem Namen des TJ. scutellatus Lev. bekannt ist;
dieser Uromyces ist schon durch gewisse morphologische Merk-
male — eine unregelmässig-höckerige Sculptur des Exospors
seiner Teleutosporen — von dem Uromyces der E. verrucosa^
welcher glatte Sporen hat, spezifisch zu unterscheiden, abgesehen
von der Frage nach etwaigen Verschiedenheiten des biologischen
Verhaltens der beiden Formen.
Man war bis vor Kurzem überzeugt und hielt es eigentlich
für selbstverständlich, dass das Aecidium der E. Ci/parissias mit
seinen Spermogonien und der Uromyces derselben Pflanze in
den Entwicklungskreis einer und derselben — autöcischen —
üredineenspecies zusammengehören, nach Analogie verschiedener
anderer, sich gleich verhaltender Eostpilze. Allein vor zwei
Jahren (Hedwigia 1875, Nr. 7) wurde von Dr. Schröter die
überraschende Beobachtung veröffentlicht, dass das Aecidium
EupJiorhiae Pers. vielmehr Sporen bildet, welche einen auf
Erbsen und andere Leguminosen (z. B. Lathyrus-kTten) vor-
kommenden Uromyces erzeugen in ähnlicher Weise, wie die
Aecidien der andern, schon nach seitherigen Kenntnissen ziemlich
zahlreichen sogenannten heteröcischen üredineen, und dass daher
jenes Aecidium Euphorhiae einem heteröcischen Parasiten an-
gehört, welcher seinen Scliüsselrost auf Euphorbia Cyparissias
bildet, seine Teleutosporenlager dagegen aus einem in den
Erbsenpflanzen entwickelten Mycel hervorgehen lässt, und in
dieser letztern Form den Uromyces Pisi Strauss darstellt.
So auffallend auch diese Angabe ist, so ist doch bei den
sonstigen Analogieen und bei der Gewissenhaftigkeit des ge-
— 93 —
nannten Beobachters kein Grund vorbanden, ihre Kiclitigkeit in
Zweifel zu ziehen. Es mag biezu etwa bemerkt werden, dass
in den Umgebungen von Tübingen nicht bloss das allbekannte
Aecidium EiipJiorhiae ^ sondern auch der üroini/ces Pisi ver-
breitet ist, dagegen der Uromyces scutellatus mindestens selten
sein muss, da es wenigstens seither dem Vortragenden nicht
gelungen ist ihn hier wahrzunehmen, obwohl er auf sein etwaiges
Vorkommen nicht unachtsam gewesen ist. Wie es sich unter
diesen Umständen mit der Lebensgeschichte des übrigbleibenden
Uromyces scutellatus verhält, muss freilich einstweilen gänzlich
dahingestellt bleiben. Die Möglichkeit ist ja immerhin nicht
ausgeschlossen, dass dieser Pilz doch eine autöcische Entwicklung
haben und das zu ihm gehörige Aecidium in einem Tbeil der
auf E. Gyparissias vorkommenden Aecidien zu suchen sein
könnte.
Was nun aber den Uromyces der E. verrucosa betrifft, so
haben wir allen Grund, ihn nicht bloss als eine Form zu be-
trachten, welche sowohl mit dem Aecidium Euphorbiae Pers.
als mit dem Uromyces E. Lev. nichts zu thun hat, sondern
welche auch durchaus keine heteröcische Lebensweise führt, viel-
mehr ganz an dieselbe Nährpflanze gebunden ist. Es dürfte
kaum einem Zweifel unterliegen, dass das Mycel in der peren-
nirenden Wirthpflanze ebenfalls ausdauert und alljährlich in die
oberirdischen Triebe gelangt, um auf ihnen zu fructificireu.
Dass es sich aber um einen streng autöcischen Parasiten handelt,
dies wird durch zweierlei Gründe sehr wahrscheinlich gemacht.
Einmal ist die Frage nach der etwa zugehörigen Aecidium-
form in Betracht zu ziehen. Der Vortragende hat in hiesiger
Umgebung bei passenden Gelegenheiten nicht versäumt, auf das
etwaige Vorkommen eines Aecidium auf E. verrucosa an solchen
Lokalitäten zu achten, wo dieselbe mit dem Uromyces massen-
haft behaftet vorkommt, muss aber gestehen, dass er noch nicht
so glücklich gewesen ist, einen Schüsselrost zu finden. Dennoch
scheint eine solche Rostform auf der gleichen Nährpflanze zu
existiren nach einer literarischen Nachricht, welche im vorigen
Jahr von einem österreichischen Beobachter (Voss, österr. bot.
— 94 —
Zeitsclir. 1876, N*^. 9) gegeben worden ist. Derselbe sah den
Uronif/ces der E. verrucosa in der Umgebung von Laibach auf-
treten in unmittelbarer Verbindung mit einem Aecidium, derart,
dass an demselben Stock die Aecidiumbecher und kurz darauf
noch zwischen diesen die Teleutosporenlager erschienen in einer
Combination, welche nicht wohl einen Zweifel an der Zusammen-
gehörigkeit beider in einem Entwicklungskreis erlaubte. Es
existirt überdies eine Angabe von Oudemans, nach welcher in
den Niederlanden ein Uromyces auf der in hiesiger Gegend
nicht vorkommenden Euphorbia Gerardiana Jacq. , welcher
möglicherweise mit dem der E, verrucosa identisch ist, eben-
falls mit einem Äecidium combinirt gefunden wurde.
Der zweite hieher gehörige Punkt betrifft die Spermogouien
des Pilzes. Diese gehen jedenfalls den Teleutosporenlagern auf
E. verrucosa regelmässig unmittelbar voraus. Nach sonstigen
mycetologischen Erfahrungen begleiten die Spermogouien so
regelmässig die Aecidienfrüchte , dass sogar die — allerdings
bis jetzt für die vorliegende Pilzgruppe nicht näher erhärtete —
Vermuthung besteht, die Aecidienfrüchte kommen unter Mit-
wirkung der Spermatien als männlicher Befruchtungskörper zur
Entwicklung. Es lässt sich daher auch in unserem Fall mit
Sicherheit annehmen, dass, wofern Aecidien sich überhaupt ent-
wickeln, sie dieselben Wirthpflanzen bewohnen müssen. Solche
Aecidien scheinen aber eben verhältnissmässig selten und viel-
leicht nur in gewissen Gegenden sich zu bilden, so dass ander-
wärts die Spermogouien, wofern überliaupt sie eine befruchtende
Funktion ausüben, die Rolle überflüssiger Organe spielen würden.
Der Vortragende würde es immerhin als eine dankenswerthe
Aufgabe für hiesige Beobachter ansehen, dem etwaigen Vor-
kommen von Aecidien, welche ja auch in hiesiger Gegend vor-
handen sein könnten, auf E. verrucosa nachzuspüren , da nicht
leicht irgendwo der Uromyces dieser Pflanze massenhafter vor-
kommen dürfte als in der hiesigen, überhaupt für Beobachtungen
auf diesem Gebiet nicht ungünstigen Umgebung. Der Vor-
tragende hob in letzterer Beziehung aus der Eeihe der Rostpilze
der Euphorbien noch das in den hiesigen Bergwäldern nicht
— 95 —
seltene Aecidium hervor, welches die Euphorbia amygdaloides L.
bewohnt, und welches nach den Angaben von de Bary zu den
wenigen bekannten Aecidien gehört, die sich ausschliesslich
in gleichartiger Form reproduciren, d. h. bei autöcischer Lebens-
weise sich auf die Hervorbringung von Aecidiumfrüchten nebst
Spermogonien beschränken, dagegen Teleutosporenlager so wenig
als eine Uredo bilden. Die Aecidiensporen dieses Pilzes (des
Endophyllum Euphorhiae) entwickeln, ähnlich denen des E. Sem-
pervivi, durch Vermittlung eines sporidientragenden Promycels
ein Mycel, welches unmittelbar wieder Aecidien trägt.
Derselbe Vortragende zeigte einen Spross des gewöhn-
lichen Tannenwedels {Hippuris vulgaris L.) vor, welcher die
seltene, in ähnlicher Weise bei etlichen andern Gattungen mit
mehrgliedrigen Blattwirteln, wie Gasuarina, Equisetum, mitunter
beobachtete Abnormität darbot, dass die Wirtelstelluug der
Blätter von einer gewissen Höhe an durch eine fortlaufende
Schraubenstellung ersetzt wurde.
IV. Hüttendirector Dr. Dorn in Tübingen sprach über
Asphalt und Graphit aus den Pfahlbauten in Schussen-
ried, die ältesten, vorhistorischen Produkte chemischer Thätigkeit
in Schwaben :
Der schätzbare Bericht des Herrn Eevierfürsters E. Frank
in Schussenried (naturwissenschaftliche Jahreshefte von 1876),
macht uns mit den sehr interessanten Kunstprodukten aus der
schwäbischen Pfahlbauzeit bekannt, indem er uns die Geräthe
und Waffen aus Stein, Thon, Holz, Knochen u. s. w. aufzählt
und beschreibt, welche bis jetzt in den Pfahlbauten von
Schussenried aufgefunden worden sind.
Dieser Bericht spricht auf Seite 66 von einem Feuerstein-
messer, welches vermittelst Asphalt in seine Fassung ein-
gekittet war, und Seite 70 enthält folgende Mittheilung:
„ein anderes höchst interessantes Fundstück ist ein nieren-
förmiger 14 Cm. langer, 10 Cm. breiten und 5 Cm.
dicker, 330 Grm. schwerer noch völlig unversehrter
Klumpen Asphalt, der wohl unwiderleglich den Beweis
— 96 —
liefert, dass unsere Pfahlbaubewoliuer Handelsverbindungen
besassen."
Ferner ist auf Seite 69 von einem pulverförmigen Körper
die Rede, der sich in einem zerbrochenen Krügchen gefunden
habe, „und der äusserlich dem Graphit vollständig ähnelt."
Beim Lesen des angeführten Berichts stieg in mir die
Vermuthung auf, dass der gefundene Asphalt vrohl mit den
, Mengen aufgerollter Birkenrinde" in Verbindung
stehen könnte, von denen auf Seite 62 und 63 die Rede ist.
Diese aufgerollte Birkenrinde rief mir die Verwendung ins
Gedächtniss, welche in einem grossen Theile von Russland von
der Birkenrinde gemacht wird. Sie dient nämlich als Rohstoff
für Gewinnung eines der ersten Lebensbedürfnisse der russischen
Bevölkerung, des Birkentheers (djogot). Der Birkentheer ist
dort in der Menschen- und Thierbeilkunde äusserlich und inner-
lich vielfach im Gebrauch, wie er ja auch in unsern Officineu
als Oleum rusci gehalten wurde. Der Birkentheer dient als
bestes Schmiermittel und ganz besonders auch zu Geschmeidig-
machung des Leders; der reine aus Birkenrinde gewonnene
Theer ist aus diesem Grunde der begehrteste und höchst be-
zahlte von allen aus verschiedenen Hölzern und Wurzeln ge-
wonnenen Theerarten.
Dass die Birkenrinde der Pfahlbaubewohner zu demselben
Zweck, zur Theergewinnung gedient haben könnte, diess machte
mir schon die Form der gefundenen Mengen in Rollen
wahrscheinlich. Die Birkenrinde ladet nämlich durch ihre aus-
gezeichneten Eigenschaften allerdings zu ehier Menge von Ver-
wendungen ein, z. B. zum Schutz gegen Wasser von oben oder
unten. Ich selbst habe daraus Dächer für leichte Bauten aus-
geführt, die an Leichtigkeit und Dauerhaftigkeit unsere Dach-
pappendächer weit übertreffen, und die Russen schützen ihre
Holzhäuser gegen die aus dem Erdboden aufsteigende Feuchtig-
keit dadurch, dass sie unter die unterste Holzlage ihrer Block-
häuser Birkenrindenblätter legen, wie wir gegenwärtig manchmal
Bleiblätter zu dem gleichen Zweck anwenden.
Zu Fertigung von Behältnissen, die unsern Schachteln ent-
— i)7 —
spreclieii, zu der Pfahlbau-Papeterie war die Birkenrinde ^^ewiss
ebenso häufig" in Anwendung, wie in den Häusern der russischen
ländlichen Bevölkerung. In allen Fällen aber, wo die Birken-
rinde für derartige Zwecke verwendet wird, hält man sie nicht
im Vorratli, sondern man nimmt sie frisch vom Baum und be-
nützt ihre einladende Geschmeidigkeit und Biegsamkeit. Nur
für Theergewinnung wird sie in Eollen oder Packe gebunden
und getrocknet. Sie bildet in diesem Zustand einen stehenden
Handelsartikel (berest) und einen nicht unbedeutenden Theil
des Ertrags mancher Waldungen in Russland. Die Rinde
wird dort auf den lebenden Bäumen verkauft, von denen dann
aus Veranlassung der Abnahme der äusseren Rinde etwa V4
abstirbt.
Durch einen Schwelprocess, der vor Zeiten in mit Erde ge-
deckten Haufen , ähnlich unsern Kohlenmeilern, neuerlich aber
in geschlossenen blechernen Gefässen vorgenommen wird , ge-
^ gewinnen die Russen den Birkentheer, dieses Material, dessen
Geruch man in Russland überall wahrnimmt; denn sämmtliches
Lederwerk riecht darnach: Sattel und Zaum und alles was damit
in Berührung kommt, Koffer und alle Kleider nehmen mehr oder
weniger von dem angenehmen Juchtengeruch an, der ganz Russ-
land parfümirt.
Dieser charakteristische Geruch unterscheidet aber den
Birkentheer von allen aus andern Holzarten gewonnenen Theer-
arten, am meisten jedoch von dem natürlichen oder künstlichen
Min eralthe er. Alle Theerarten haben aber die Eigenschaft
mit einander gemein beim Erhitzen die Kohlenwasserstoffe, aus
denen sie bestehen, nach der Höhe der Kochpunkte derselben
abzugeben, dabei immer dickflüssiger zu werden, bis sie selbst
die Eigenschaft verlieren, bei gewöhnlicher Temperatur flüssig
zu sein. So eingedickter Theer aus irgend einer organischen
Substanz erstarrt beim Erkalten zu einer schwarzen Siegellack
ähnlichen Masse : Asphalt auch Schwarzpech genannt.
Der Name Asphalt (Gummi-Asphalt) kam ursprünglich nur
dem natürlichen Asphalt vom schwarzen Meere und andern
Wärt t (-mit. naturw. Jahrcsliefte. 1878 7
— 98 —
Fundorten zu. Dieser lässt sich von dem künstlichen aus Stein-
kohlentheer gewonnenen Asphalt schwerlich unterscheiden, mit
dem aus Holz erzeugten aber nicht verwechseln, am aller-
wenigsten mit dem aus dem duftigen Birkentheer gewonnenen.
Wird die Erhitzung des geschmolzenen Asphalts irgend eines
Ursprungs fortgesetzt und gesteigert, so gehen Produkte immer
höherer Siedpunkte über, bis zuletzt eine cokesartige poröse
Masse mit dem halbraetallischen Cokesglanz zurückbleibt. Dieser
Glanz ist das einzige, worin dieser Rückstand dem Graphit
ähnelt.
Herr Eevierförster Frank hatte 'die Güte mir von den
Rindenrollen,dem aufgefundenen „Asphalt" und „Graphit" Musterehen
zu geben, mit denen ich Destillationsversuche anstellen konnte,
die meine Vermuthung hinsichtlich des Ursprungs des Pfahlbau-
asphalts bestätigten. Dabei kann ich nicht umhin auf die in-
teressante Thatsache aufmerksam zu machen, dass die Birkenrinde
aus den Pfahlbauten so wenig chemische Veränderung erlitten
zu haben scheint, dass sie bei der trockenen Destillation wesent-
lich dieselben Produkte liefert wie frische.
Bei den geringen Mengen, die mir von den verschiedenen
Materialien zu Gebot standen, die aber zu Erreichung eines
sicheren Resultats vollständig genügten, vollzog ich die trockene
Destillation in kleinen Glaskölbchen vor dem Löthrohr:
Bruchstücke der Pfahlbaubirkenrinde erfüllten beim Er-
hitzen den Hals des Kölbchens mit Theerdämpfen , die sich zu
Theer condensirten mit allen Eigenschaften, namentlich dem
specifischen Geruch des aus frischer Birkenrinde gewonnenen
Birkentheers.
Das Asphaltpulver, welches Herr Revierförster Frank von
dem gefundenen Asphaltklampen abgeschabt hatte, schmolz als
ich es auf ähnliche Weise im Glaskölbchen erhitzte, und gab
Dämpfe und Condensationsprodukte, welche in allen Stücken mit.
den aus der Birkenrinde erhaltenen so vollständig überein-
stimmten, namentlich in dem carakteristischen Juchtengeruch,,
dass nicht der geringste Zweifel bleibt, dass der Asphalt der
Schussenrieder Pfahlbauten eingekochter Birkentheer ist, der
— 99 —
aber seiner flüchtigeu Bestandtbeile soweit beraubt wurde, dass
der Kückstand noch Müdigkeit genug behielt, um zum Fest-
kitten von Werkzeugen nicht zu spröde zu sein.
Ob die Pfahlbaubewohner das Einkochen ihres Birken-
rindentheers blos behufs Gewinnung des Asphaltrückstands be-
trieben, oder ob sie die leichten flüchtigen Oele zu andern tech-
nischen oder medicinischen Zwecken auch auffingen, bleibt vorerst
als zweifelhaft dahingestellt. Ihre unglasirten Thongeschirre
waren jedenfalls wenig geeignet zur Aufbewahrung von recti-
ficirtem Oleum rusci.
Wie oben angegeben, ist der letzte Rückstand, den Asphalt
bei fortgesetztem und gesteigertem Erhitzen ergibt, eine cokes-
artig glänzende poröse Masse, welche, wie es scheint, die Pfahl-
baubewohner durch ihren halbmetallischen Glanz einlud, sie
zu Verschönerung der Oberfläche ihrer Thongeschirre zu benützen,
zu welchen Zweck sie diese Masse pulverisirten und mit dem
Wiesenkalk ihrer Sümpfe als Bindemittel zusamraenrieben. Diese
Vermuthung wurde wenigstens durch die mikroskopische und
chemische Untersuchung des Inhalts des Kölbchens mit dem
, graphitähnlichen Körper" in mir hervorgerufen.
Fassen wir das Vorgetragene zusammen, so scheint un-
zweifelhaft:
1) dass der Asphalt der Schussenrieder Pfahlbauten Birken-
theerasphalt ist;
2) dass die Pfahlbaubewohner ihren Birkentheer selbst er-
zeugten wird durch die „Mengen aufgerollter Birken-
rinde", welche in den Pfahlbauten aufgefunden wurden,
sehr nahe gelegt;
3) der in den Pfahlbauten gefundene Körper ,der äusserlich
dem Graphit vollständig ähnelt", ist von den Pfahlbau-
bewohnern selbst künstlich erzeugt; er musste bei dem
wiederholten Aufwärmen des Theers oder Asphalts als
letzter Rückstand verbleiben.
Wir haben also in den genannten Gegenständen die ersten
Spuren vorhistorischer chemischer Thätigkeit in Schwaben.
-f
- 100
V. Baiiinspector Hoclieisen aus Balingen legte 'geo-
gnos tische Längenprofile einzelner Strecken der Linie Ba-
lingen-Ehingen in grösserem Maassstabe vor, dieselben einer
eingehenderen Besprechung unterziehend, behielt sich aber vor,
wenn das ganze Profil der Linie erschlossen sein wird, hierüber
in den Vereinsraittheilungen eingehender zu roferiren.
Von demselben ist ferner ein grösserer Plan der Rhem-
correction von Ra'gatz abwärts bis zumBodensee (zunächst
St Margarethen) mit Angabe der Colmationsarbeiten auf dieser
Strecke, welche letztere im Jahr 1874 ihren Anfang genommen
haben, ausgestellt. In seinen früheren Mittheilungen über Allu-
vionen der neuesten Zeit (Württ. nat. Jahreshefte 1872 Heft 1)
wurde von dem Verfasser darauf hingewiesen, wie eme Keihe
unserer heimischen Flüsse mittelst der in denselben zur Zeit der
Hochwasserstände enthaltenen Suspensionen zu Meliorationen ver-
sumpfter oder vom Hochwasser zerstörter Ufer und Landstrecken
benutzt werden könnten, dass sich ganz besonders günstige Re-
sultate an der Hier und den in denBodensee ausmündenden Gewässern,
die Argen, Bregenzer Ach und vorzüglich am Rhein mittelst des
Colmationsverfahrens erzielen Hessen, und dabei in sichere Aus-
sicht gestellt, dass die durch die Hochgewässer der 60er und 70er
Jahre ruinirten Ländereien zwischen Ragatz und St. Margarethen
der mehr und mehr drohenden Verarmung entrissen und neuem
Wohlstände hiedurch entgegengeführt werden könnten. Auch
hatte er Gelegenheit gefunden, seine Arbeit seinem früheren ver-
ehrten Vorgesetzten der Rorschach- St. Galler Bahn, dem nach-
maligen Ober-Ingenieur der Rheincorrectionsarbeiten des Cantons
St Gallen, Herrn Hartmann, zuzustellen, und mit demselben m der
Sache weiter zu verkehren, der kurz vor seinem leider schon im
Winter 1873174 erfolgten Tode noch die ersten Einleitungen zu
Colmationen bei Ragatz traf, die nunmehr in den Jahren 1874
und 1875 auch bei Buchs und Trübbach im oberen Rhemthal^
weitere Nachahmungen gefunden, und bereits zu den über-
raschendsten Erfolgen geführt haben.
Von den überaus günstigen Erfolgen dieser Arbeiten hat
sich der Schreiber dieser Zeilen bei einer Begehung der gross- ,
— 101 —
artigen Rheincorrectioiisarbeiten, die zur Zeit zwischen Ragatz
und St. Margarethen im Gange sind, persönlich überzeugt. Der
die Arbeiten zur Zeit leitende höchst eifrige junge Ingenieur,
Herr Wey hatte sich dort zunächst die Aufgabe gestellt , eine
Strecke Landes zwischen Ragatz und Sargans zwischen dem neuen
Hochwasserdamm und dem alten Schutzdamme, das meist nur
aus Strandboden (Sand und Gerolle) besteht, auf dem nur der
Sanddorn (HippopJiae rhamnoides), und hie und da spärliche Erlen
fortkommen, mittelst der Suspensionen des in den Sommermonaten
hochgehenden Rheines aufzuhöhen, der in dieser Zeit eine Masse
fruchtbaren Schlammes, der hauptsächlich aus der Nolla und
Landquart kommt, mit sich führt. Nach genauen Messungen
enthält das Rheinwasser bis zu 42 pro Mille, im Mittel 16 pro
Mille feste Bestandtheile. Es wurden zu obigem Behufe zwischen
dem alten und neuen Hochwasserdamm eine Reihe kleinerer
Querdämme aus Kies und Sand erstellt, die mit der fortschreiten-
den Colmation erhöht werden sollen, und eine Ein- und Auslauf-
schleuse erbaut, die das Wasser des Rheines in einen Zuleitungs-
graben längs des alten Hochwasserdammes führt, von dem aus
dasselbe in die durch die Querdämme gebildeten Abtheilungen
nach Erforderniss eingeleitet wird, und sodann das vom Schlamme
befreite Wasser am Ende der Strecke wieder in den Rhein abführt.
Nach den vorgenommenen Messungen über die eingeflossene
W^assermenge und den Schlammgehalt derselben ergab sich, dass
von Anfang Juli bis Mitte August gegen 3 Millionen Cubikfuss
= 80,000 Cubikmeter Schlamm eingeführt und auf das dem
Rheinbett abgenommene Hinterland (Strandboden; deponirt worden
waren, was auf eine Ausdehnung von circa 90 Hectaren eine
Durchschnittserhöhung von 9 Centimetern (3 Zoll Schw. M.) ergibt.
Man beabsichtigt aber nicht blos das zwischen dem neuen
Hochwasserdamm und dem nunmehrigen Binnendamm liegende
ausgedehnte Terrain aufzuhöhen, sondern man wird auch das
innerhalb des Binnendammes liegende Gemeindeland partienweise
abgrenzen, und auf die oben bezeichnete Weise colmiren, ja es
ist möglich, das Hinterland in einer vom Gefälle abhängigen
Entfernung von der Schleuse bis auf die Höhe des Hochwasser-
— 102 —
dammes aufzulanden, wodurch die inzwischen ausgeführten üfer-
schutzbauten an Widerstandskraft bedeutend gewinnen, das ver-
heerte Hinterland aber auf weite Ausdehnung der Kultur zurück-
gegeben werden kann.
Nach den inzwischen gemachten Erfahrungen wird eine jähr-
liche Erhöhung des Hinterlandes von 20 — 25 Centimeter erzielt.
Unter Berücksichtigung, dass die Auflandung mit ihrem Fort-
schreiten stets langsamer von Statten geht, kann mit Sicherheit
angenommen werden, dass in 20 — 25 Jahren die Flächen zwischen
dem neuen Damm und dem Binnendamm auf die Höhe des letz-
teren aufgelandet sein werden.
Der Einwurf aber, dass derartige Arbeiten bei uns nicht
möglich wären, ist durchaus nicht stichhaltig. Eine Reihe unserer
Bergwasser, namentlich unserem Alptrauf entlang, und insbesondere
wieder diejenigen, die längere Strecken in den thonreichen Schicht-
gebilden des weissen Jura a, wie des braunen und schwarzen Jura ein-
schneiden, wälzen zur Zeit der Schneeschmelze oder bei heftigen Ge-
wittern eine Menge Schlamm zu Thale, welcher zur rechten Zeit
und am rechten Orte benutzt, zur Verbesserung verheerter oder
steriler Grundstücke mit bestem Erfolg benützt werden könnte.
Ein nicht uninteressantes Beispiel liegt an der Hohenzollern-
bahn vor. Unterhalb des Ortes Bisingen zwischen Hechingen
und Balingen kreuzt der sogenannte Klingenbach die Bahn bei
Kilom. 34 Nr. 9, beschreibt unterhalb der Bahnachse einen weiten
Bogen, kehrt eine kurze Strecke weiter abwärts wieder unter
die Bahntrace zurück und verfolgt in fortgesetzten Mäanderzügen
das enge Thalgerinne, das allenthalben durch das Wildwasser
verheert ist. An der Stelle nun, wo der Bach, der zur Zeit
hoher Wasserstände eine Menge feinen Schlammes mit sich führt,
die Bahnachse wieder berührt, wurde demselben ein neues Bett
gegraben und das ausgegrabene Land zwischen Correction und
Bahndamm aufgefüllt, so dass gegen den erwähnten Bogen zu,
den der Bach beim Passiren der Bahn macht, eine Art Quer-
damm erstellt wurde. Die Feld- und Wiesenfläche zwischen
Bach und Querdamm war vor dem Bahnbau total verheert, und
bestand nur noch aus Sand und Gerolle. In Folge der Ausfüh-
— 103 —
rung der Bache orrectioii fliesst nunmehr nur noch das höchste
Hochwasser über und stösst sich an dem Querdamm; während
nun das Gerolle in dem Flussschlauche fortgewälzt wird, setzt
das Hochwasser die feineren suspendirten Bestandtheile in dem
durch den Bahndamm und Querdamm gebildeten Bassin ab, und
es hat sich in der kurzen Zeit vom Herbst 1873, in der die
den Querdamm bildende Fläche aufgefüllt wurde, bis diesen
Sommer (1877) die verheerte Feld- und Wiesenfläche schon so
hoch aufgehöht (au einzelnen Strecken 30 — 40 Centimeter hoch),
dass der Besitzer der Fläche (ohne all sein Zuthun) im Sommer
1875 schon Streugras abzumähen im Stande war und in diesem
Sommer auf den höheren Stellen schon ganz gesundes Futter
einheimste.
Welche Menge von erdigen Bestandtheilen aber auch die
Wasserläufe aus unsern Keuperbergen herabführen, ist nur zu
bekannt. Ein interessantes Beispiel lieferte die bei Rottweil in
den Neckar sich ergiessende Prim, die früher in den verzerrtesten
Zickzackwendungen in den Neckar einmündete, zur Zeit des Bahn-
baues aber mit dem Neckar in der ganzen Längenausdehnung
des Bahnhofes Rottweil corrigirt wurde. Bei der Ausführung
der Correctionsarbeiten fand sich das Terrain in der regel-
mässigsten Weise (Schicht für Schicht) mit feinstem Keuperboden
aufgehöht, und in einer Tiefe von mehreren Metern unter der
Wiesenfläche vis-ä-vis der nordöstlichen Ecke des Römischen
Castrum's eine alte Lagerstelle mit Aschen- und Kohlenresten,
mit Gefässscherben und verschiedenen Broncefunden, unter anderen
eine interessante Fibula (Bärengestalt mit groteskem Menschenkopf),
die sich heute im württembergischen Alterthumskabinete, nebst einer
noch tiefer gelegenen vortrefl'lich erhaltenen Bronce- Lanzenspitze
befindet. Seit jener Zeit hatte sich die Aufhöhung unter un-
günstigen Verhältnissen gebildet und liefert den Beweis, wieviel
geleistet werden könnte, wenn das bei den leider zu häufig
wiederkehrenden für das Primthal verderblichen Hochgewässern
chocoladefarbige mit Senkstoff'en überreich gesättigte Wasser in
sachverständiger Weise ausgenützt würde.
104 —
Bauiuspector Hoch eisen aus Balingen legte sodann eine
vom Eidgenössischen Baubureau ausgegebene Karte der Schweiz
vor, welche die Pegelstände und Wasserabflussmengen
aller Flüsse und grösseren Gewässer der Schweiz, sowie das
Witterungsstationennetz in anschaulicher Darstellung enthält.
Die Karte im Maassstab 1 : 600,000 gefertigt, welche von
Zeit zu Zeit neu ausgegeben wird, enthält in besonderem Farben-
druck alle Flussgebiete und Hauptwasserscheiden für Rhein, Aare,
Eeuss, Limmat, Rhone, Inn und Tessin, sowie die Flussgebiete
und Wasserscheiden zweiter Ordnung aller grösseren Wasserläufe
in Quadrat-Kilometern angegeben.
Ferner sind von einer grösseren Anzahl Beobachtungsorteu
die Wasserabflussmengen, sowie die Niederschlagshöhen verzeichnet,
indem bei jedem meteorologischen Beobachtungsort in einem etwa
8 Millimeter haltenden Quadrat die oberste Zahl das arithmetische
Mittel der jährlichen Niederschlagshöhen seit 1863/64 in Milli-
metern, die mittlere die grösste tägliche Niederschlagshöhe seit
1863/64 in Millimetern, die unterste das Datum dieser Nieder-
schlagshöhen in grünen Zahlen angibt, wogegen in einem daneben
stehenden Quadrat in rothen Zahlen die mit einem rothen Pfeil
bezeichneten Flusspegelstationen die daselbst pro Secunde durch-
fliessende Wassermasse zur Darstellung kommt und zwar die
oberste Zahl den maximalen, die mittlere den mittleren und die
unterste den minimalen Durchfluss in Cubikmetern mit Ausschluss
der ausserordentlichen Maxima und Minima angibt.
Bei den Seepegelstationon bezeichnet die oberste rothe Zahl die
höchst bekannte, die mittlere die gewöhnliche und die unterste
die niedrigste bekannte Seespiegelhöhe in Metern über Meer.
Hieran anreihend drückt der Vortragende den Wunsch aus,
es möchte eine ähnliche Karte für Württemberg sobald
als thunlich ausgegeben werden. Die meteorologischen Beobach-
tungen werden sehr eingehend seit Jahren von der Centralstation
Stuttgart in den Württembergischen Jahrbüchern veröffentlicht.
Beobachtungen der Pegelstände des Bodensees werden in Friedrichs-
hafen seit längerer Zeit angestellt und von der meteorologischen
— 105 —
Centralstation gleichfalls mitgetlieilt, und soviel bekannt, werden
auch in Tübingen, am Hafen zu Cannstatt, in Heilbronn, sowie
in Ulm Pegelbeobachtungen gemacht.
Es wäre daher, um die Karte anfertigen zu können, von
grossem Werthe, wenn die Pegelbeobachtungen auf sämmtliche
grössere Wasseriäufe des Landes ausgedehnt würden, wozu das
Ministerium des Innern, Abtheilung für Strassen und Wasserbau-
wesen, sowie die K. Eisenbahndirection und Eisenbahnbaukomraission
wohl gerne die Hand bieten würden, in deren Registraturen wohl
sicher auch schon eine grosse Zahl wertlivoUer Beobachtungen
und Notizen vorhanden sind, die im allgemeinen Interesse in der
oben bezeichneten Weise nutzbar gemacht werden könnten. Die
meteorologische Centralstation Stuttgart wäre aber wohl am ehesten
in der Lage, die von den bezeichneten Collegien mitzutheilendeu
Notizen über Pegelstände und Wasserabflussmengen unserer Flüsse
zu sammeln und auf diese Art die Frage zur Lösung zu bringen,
welcher Theil der mittleren jährlichen und monatlichen Nieder-
schlagsmengen in unseren verschiedenen Flussgebieten durch die
grösseren Wasserläufe und Flüsse abgeführt werden, die für Auf-
gaben der Wasserbautechnik, bei Flusscorrectionen, Canalanlagen,
Ent- und Bewässerungen, Wasserversorgungen etc. von grossem
Werthe wären. Der Vortragende reiht hieran den weitereu
Wunsch, es möchten ausser dem Zustandekommen der für die
Wasserbautechnik höchst praktischen Karte, von der meteorolo-
gischen Centralstation für die Folge auch Mittheilungen in perio-
disch wiederkehrender tabellarischer Form erscheinen, welche
enthalten sollten:
1) die mittleren monatlichen Regenhöheu und die daraus
sich ergebenden mittleren Niederschlagshöhen und Niederschlags-
mengen im Monat und Jahr für die Wasserabflussgebiete unserer
Flüsse, sowie die Verdunstungshöhen und Verdunstungsmengen
in den einzelnen Beobachtungsbezirken.
2) Die mittleren monatlichen Wasserstände nach den an
unseren Haupt- und Nebenflüssen anzustellenden (womöglich täg-
lichen) Wasserstandsbeobachtungen.
3) Eine Uebersicht der in unseren Flüssen abgeführten
— 106 —
mittleren Wassermengen in der Secunde für die verschiedenen
Monate, sowie der mittleren Wassermenge für den Monat und
der auf die Fläche des Flussgebietes reducirten Abflussböhe.
4) Eine üebersicht der mittleren monatlichen und jährlichen
Abflussmengen unserer Flüsse nach Prozenten der in den ver-
schiedenen Flussgebieten gefallenen mittleren Niederschlags-
mengen.
Anfänge liiezu sind von dem so verdienstvollen Herausgeber
der meteorologischen Mittheilungen Herrn Professor Schoder bereits
gemacht, möchte es unsern höheren technischen Behörden ge-
fallen, die noch fehlenden Pegelstationen zu ergänzen, die für
die bezeichnete Aufgabe nöthigen Notizen sammeln zu lassen
und zur Verfügung zu stellen, um mit dem gesammelten Material
eine Frage zu lösen, die in andern Ländern, wie in Frankreich,
in der Schweiz, wie auch für einzelne Flussgebiete in Nord-
deutschland längst im Vollzuge und für die verschiedensten hydro-
technischen Arbeiten von nicht zu unterschätzendem Werthe ist.
VI. W, Hochstetter, K. Garteninspector in Tübingen,
trug über die sogenannten insektenfressenden Pflanzen
Folgendes vor.
Die Fragen in Bezug auf die Insektenfangenden Pflanzen
erregen mehr als je das Interesse der Naturforscher, seit der be-
rühmte englische Gelehrte Charles Darwin diese merkwürdigen
Pflanzengebilde auch zu fleischfressenden gemacht hat — nämlich
Darwin hat die Theorie aufgestellt, dnss diese Pflanzen das Fleisch
der Insekten verdauen — ganz ähnlich wie das der Magen eines
Thieres thut.
Es gibt insektenfangende Pflanzen verschiedener Art:
1) Solche, Vielehe an Stengel, Blätter oder Blumen eine
Menge zähen, klebrigen Schleimes aussondern, von dem kleine
Insekten gleich wie vom sogenannten Vogelleim festgehalten
werden und in Folge dessen den Hungertod sterben müssen.
Diese bilden die zahlreichste Gruppe: z. B. viele Li/chnis-,
Gypsophüa-kxiQw, Apocynum androsaemifolmm und eine Legion
anderer Pflanzen.
— 107 —
2) Pflanzen, welche besondere Orgaue besitzen, die so ge-
staltet sind, dass, wenn Insekten in diese hinein gerathen, sie
in Folge der Construktion dieser Organe oder wegen der Stellung
der Haare nicht wieder heraus können oder in Folge einer im
Innern dieser Organe vorhandenen Feuchtigkeit, welche von den-
selben genossen wird, halbbetäubt zurückgehalten werden. Hieher
gehören die sogenannten Schlauchpflanzen, nämlich Sarracenia,
Cephalotus^ Nepenthes, Utricularia und Äldrovanda.
3) Pflanzen, die durch reizbare Blatttheile oder drüsige
Borsten Insekten fangen und so lange diese sich noch bewegen,
dieselben festhalten und erst nach dem Tode wieder frei lassen.
Dahin gehören: Bionaea, Drosera^ Brosophyllum und Pingiii-
cula. Von den zu Gruppe 1 gehörenden Pflanzen ist noch von
Niemanden behauptet worden, dass die an ihnen wie an einer
Leimruthe kleben bleibenden Insekten auch von den Pflanzen
selbst als Extraleckerbissen verspeist würden.
Die zweite Gruppe wird von Darwin schon zu Insekten-
fressern gestempelt. Das in den Schläuchen von Nepenthes^
Cephalotus und Sarracenia ausgeschiedene Wasser ist nach dem-
selben keine gewöhnliche Absonderung, sondern findet mit dem
besonderen Zwecke statt, die Insekten anzulocken, damit sie dann
von dem süssen Gifte halb betäubt in den Schläuchen grausam
umkommen müssen, um ihre Leichen als Futter von den betreffenden
Pflanzen benutzen zu lassen.
Wasserausscheidung findet bekanntlich bei allen Pflanzen in
Dunstform statt, ausserdem ist solche bei einer Masse von Pflanzen
aus den Blattspitzen und Blatträndern in Tropfenform nachge-
wiesen, z. B. bei den Blättern von Ganna.
Auf welche Weise diese Thierleichen in den Schläuchen
von den Pflanzen verspeist werden, darüber ist meines Wissens
Näheres bis jetzt noch nicht mitgetheilt worden. Meine Erfah-
rungen bei der Cultur von Nepenthes^ Sarracenia und Cephalotus
gehen aufs Bestimmteste dahin, dass die Schläuche dieser Pflanzen,
in denen viele Insektenleichen aufgehäuft liegen, weit früher ab-
sterben, als solche, in denen diess nicht der Fall ist!
Von der dritten Gruppe endlich wird die direkte Behauptung
— 108 —
aufgestellt, dass, nachdem die lusekten gefangen, die Pflanzen
da, wo sie mit denselben in Berührung sind, eine säuerliche
Flüssigkeit ausscheiden, welche mit der Propionsäure verwandt
sei, ja selbst das verdauende Prinzip des thierischen Magens,
nämlich Pepsin enthalten soll und mit Hülfe dessen die Thier-
leichen, soweit das die hornartige Körperbedeckung zulasse, zer-
lege und als Nahrung mit den anliegenden Zellen des Blattes
aufnehme — oder wie man zu sagen beliebt, gleich dem thierischen
Magen verdaue.
Zu dieser letzteren Abtheilung gehören vorzugsweise drei
Pflanzengattungen, mit denen man manipulirt hat: das ist unser
einheimischer Sonnenthau (Drosera), der portugiesische Sonnen-
thau (Brosophyllum) und die Fliegenialle (Dionaea). Bei Drosera
finden sich am Rande des Blattes lange, drüsentragende Borsten,
mit einem wasserhellen Inhalt gefüllt. Bei Drosophyllum stehen
in zwei Reihen gestellte und gestielte, klebrige, durchsichtige
Drüsen. Die Insekten bleiben an der ausgeschiedenen, zälien
Flüssigkeit kleben und durch den fortwährenden Reiz, den das
Insekt bei seinen Bemühungen, sich zu befreien, ausübt, krümmen
sich die drüsentragenden Borsten nach Innen und tragen mit
dazu bei, das Insekt festzuhalten, zu umspannen und zu tödten.
Diese Drüsenborsten werden von den Anhängern der Fleisch-
fresser-Theorie Fühlhörner oder Fangarme genannt. Dionaea
zeichnet sich bekanntlich durch das runde mit langen, wimper-
förmigen Borsten besetzte Vorderstück des Blattes aus. Reizt
man die Mittelnerven oder vielmehr die auf der inneren Fläche
der Klai3pen befindlichen 3 Borsten zur Zeit der Vegetation der
Pflanze mit einem anderen Gegenstande, so legen sich die beiden
Klappen fest aufeinander. Ein Insekt bedingt die gleiche Be-
wegung des Blattes, wird dabei gefangen und nicht früher los-
gelassen, als bis es todt ist, d. h. keine Bewegung mehr zeigt.
Seit mehr als 100 Jahren ist das bekannt; denn im September
1769 schrieb John EUis, ein englischer Botaniker, an Linne:
„Der Bau der Blätter der Dionaea gibt zu erkennen, dass die
Natur vielleicht einiges Absehen auf ihre (der Pflanze) Ernährung
bei der Bildung ihrer Blätter gehabt haben möge u. s. w."
— 109 —
Darwin hat das unleugbare Verdienst, die Reihe der Ee-
wegungserscheinungen, die bei diesen insektenfangenden Pflanzen
stattfinden, in der neuesten Zeit besonders genau studirt und in
seiner neuesten Schrift „Insectivorous Plauts" veröffentlicht zu
haben. Er hat ganz besonders die Drosera studirt. Zugleich
hat Darwin als Erster die Ansicht ausgesprochen, dass die ge-
fangenen Insekten den betreffenden Pflanzen zur Nahrung dienen
und glaubt je an den Blättern, die ein Insekt gefangen, ein
kräftigeres Wachsthum konstatiren zu können.
Gegen diese Ernährung der Pflanzen durch solche gefange-
nen Insekten sprechen nach meiner Ansicht folgende Thatsachen:
1) Die Blätter der Pflanzen sind als keine die flüssige
Nahrung aufnehmenden Organe, sondern nur als die aufgenom-
menen Organe verarbeitende und dabei Feuchtigkeit und Gase
ausscheidenden und nur gasförmige Körper, d. h. Sauerstoff oder
Kohlensäure aufnehmenden Organe bekannt. Hier aber sollten
mit vollkommenen Wurzeln ausgerüstete Pflanzen plötzlich eine
sehr concentrirte Nahrung aufnehmen, welche Annahme schon
von vornherein an innerer Unwahrscheinlichkeit leidet.
2) Die von den Blättern gefangenen Insekten trocknen ent-
weder aus oder sie faulen und in letzterem Falle bedingen sie
nach meiner Erfahrung nicht etwa bessere Vegetation, sondern
gerade Verderbniss der betreffenden Blattgewebe, wie ich das bei
Bionaea und Nepenthes häufig beobachtet habe. Die Theoretiker
hingegen, welche die Blätter Insekten fressen lassen, sagen ein-
fach, dass das Blattgewebe durch Indigestion verderbe. Bei
Drosera findet allerdings zuweilen stärkeres Wachsthum der zu-
nächst liegenden Partieen des Blattes, vielleicht auch zuweilen
des ganzen Blattes statt.
Ist das aber etwa eine einzeln dastehende, wunderbare Er-
scheinung ? Wissen wir doch, dass überall da, wo an Pflanzen-
geweben Reibungen stattfinden, wo ferner Blätter von Insekten
angestochen oder Eier in deren Zellgewebe gelegt werden, sofort
Zellwucherungen stattfinden. Eine solche Zellwucherung in Folge
der durch die beständige Bewegung des Insektes entstehenden
Reibung findet um so wahrscheinlicher statt; denn gerade bei
— 110 —
JJrosera entstehen an der Stelle, wo das Insekt liegt, blasen-
förniige Aussenkungen an den Blättern.
Den wichtigsten Beweis für das Auffressen der gefangenen
Insekten suchen die Vertreter dieser Theorie darin, dass eine
vermehrte Ausscheidung von Flüssigkeit aus den Drüsen des
Blattes stattlinde und der Inhalt dieser Drüsen sich verändere.
Ist das aber ein Zeichen der Ernährung? Ist das nicht
vielmehr ein Zeichen gerade schädlicher Einwirkung, wie ihn für
das Pflanzenleben schädliche Säuren und Gase ausüben. Stelle
man Pflanzen in ein frisch angelegtes Mistbeet, schliesse man
die Fenster und betrachte dann die schädliche Einwirkung des
Ammoniaks und findet solche schädliche Einwirkung bei ver-
wesenden Thierleichen, die in unmittelbarer Berührung mit dem
Blatte sind, nicht viel eher statt, als eine Nalirungsaufnahme
behufs der Ernährung? Ist ferner die zuckerhaltige Ausscheidung
der Blätter in Folge der Angriffe von Blattläusen nicht eine
analoge Krankheitserscheinung mit der Vermehrung der wässerigen
Ausscheidung unserer in Rede stehenden Pflanzen?
3) Es ist Thatsache, dass unter Glasglocken kultivirte Dionaea,
mit denen keine Insekten in Berührung kommen, viel kräftiger
und gesunder gedeihen, als frei kultivirte, die mau Insekten
fangen lässt und dadurch gerade deren Blätter zum Absterben
bringt.
Fassen wir dieses Alles zusammen, so kommen wir zu dem
Schlüsse, dass die Nothwendigkeit oder auch nur Nütz-
lichkeit der Insektenverdauung durch Pflanzen
noch lange nicht unwiderleglich bewiesen ist — oder
sollte die Theorie richtig sein, die alle die verschiedenen Organe
der Pflanze im Laufe der Jahrtausende ganz allmälig, je nach
dem Bedarf der Pflanze, also aus innerer Nothwendigkeit ent-
stehen lässt — also in diesem Falle aus dem Bedürfniss, lebendige
Insekten zu fressen, ein Bedürfniss, das vor der Ausbildung dieser
Organe wahrscheinlich schon vorhanden war, aber zum Entsetzen
der betreffenden Pflanzen nicht befriedigt werden konnte, denn
die sehr zu bedauernden Blätter mussten ihre leckeren, in der
Nähe umherfliegenden oder auf ihnen umherkriechenden Braten
— 111 —
ungenützt und uugekostet entlassen. So bat nun das innere,
heftige Verlangen bis jetzt nur die Fangarme herauswachsen
lassen. Wenn nun die Fortentwicklung in dieser Beziehung
Millionen von Jahren noch so fortgeht, dann werden die Wimpern
zu Zähnen, die Blätter zu wirklichen Mägen, die Wurzeln wahr-
scheinlich zu Darmkanälen werden und dann wehe der Insekten-
weit! -— Bis jetzt durch die Pflanzenwelt ernährt, werden die
Eollen wechseln und die Pflanzen werden sich von den Insekten
nähren und die Insekten und überhaupt die Thierwelt die Nah-
rung direkt aus Luft und Erde aufnehmen.
VII. Apotheker Fehleisen in Reutlingen sprach über
„einige alte Probleme in neuem Gewände." Ersuchte
nachzuweisen, dass die heutige Wissenschaft vielfach noch mit
denselben Problemen beschäftigt sei, wegen deren Lösung die
Gelehrten des Mittelalters sich abmühten, wenn auch die Art
und Weise, wie und die Gründe, warum man diese Probleme
heute noch zu lösen sucht, ganz andere sind, als damals.
Wenn man z. B. bedenkt, dass für ernste und gewissenhafte
Forscher, wie: Albertus Magnus, Roger Bacon, Geber, Basilius
Valentinus u. A. die Erzeugung des Goldes blos um seines
Werthes willen erst in zweiter Linie oder auch gar nicht in
Betracht kam, sondern lediglich die Frage, ob man ein Metall
in ein anderes verwandeln könne, so springt die Analogie sofort
in die Augen, wenn man weiss, dass die moderne Chemie die
Frage: was ist ein Element? noch so wenig beantworten kann,
als die Alchemisten die von ihnen aufgeworfene Frage nach der
Möglichkeit Metalle umzuwandeln. Es ist nämlich eine gegen-
wärtig ziemlich unbestrittene Annahme, dass die sogenannten
chemischen Elemente, d. h. diejenigen Stoffe, welche nach dem
gegenwärtigen Stande unserer chemischen und physikalischen
Hilfsmittel nicht weiter zerlegt werden können, noch nicht jene
letzten Elemente der Materie sind, welche die heutige Atomistik
ihren Deductionen zu Grunde legt, sondern dass sie sich vielmehr
nur als verschiedene Verdichtungszustände eines und desselben
Stoffes erweisen möchten, welche Annahme von der Einheit des
— 112 —
Stoffes in schönstem Einklänge stellt mit der längst erkannten
Einheit der Kraft.
Als zweites Problem behandelte Redner die Darstellung des
ho m Line u Ins, d. h. heute die Erforschung des Uebergaugs
von der unbelebten zur belebten Natur. Der Unterschied zwischen
der Herstellung eines homuneulus und dem Auffinden des Punktes,
wo die Atome zum lebenden Protoplasma sich gruppiren, ist
nicht so gross, wenn man die Ansicht vieler hervorragender
Naturforscher theilt, dass sämmtliche heute die Erde bevölkernde
Organismen aus einer oder einigen wenigen solcher protoplasma-
tischer Urformen hervorgegangen sind.
Ein drittes Problem ist die Herstellung eines Lebens-
elixirs — heute: die Bestrebungen der Hygiene. Wenn es
uns gelingt, die richtige Methode der Ernährung aufzufinden,
nach welcher regelmässig die durch das Leben selbst absorbirten
Kräfte des Körpers in vollkommener Weise wieder ersetzt werden,
so haben wir unzweifelhaft ein Mittel zur Verlängerung des
Lebens über das jetzige Durchschnittsalter hinaus; die Kenntniss
über den Einfluss der einzelnen Nahrungsmittel auf den Organis-
mus, über ihre Assimilirbarkeit und über die Art und Weise,
wie durch sie der Verlust an Kraft ersetzt wird, ist namentlich
seit Liebig bedeutend fortgeschritten und wir dürfen hoffen, das
Greheimniss der rationellsten Ernährung bald enthüllt zu sehen,
bis zu welcher Zeit es dann hoffentlich auch gelungen sein wird,
dem frechen und schamlosen Treiben der Lebensmittelverfälscher
ein Ziel zu setzen.
III. Abhandlungen.
Beiträge zur Kenntniss der fossilen Fische ans der Molasse m
Baltrinpn.
Von Pfarrer Dr. J. Probst in Essendorf.
(Hiezu Tafel I.)
Hayflsehe* (Selachoidei A. Grünther).
Die Reste, die sich von Hayen fossil zu erhalten vermoch-
ten, sind hauptsächlich die Zähne und die Wirbel. Die kleinen
Placoidschuppen, welche die Haut derselben bedecken, lassen sich
wegen allzu geringer Grösse nicht auffinden, und Flossenstacheln
kommen nur vereinzelt bei einer einzigen Familie (Spmacidae) vor.
Die Wirbel, welche in beträchtlicher Anzahl bei Baltringen
von dem Verf. gesammelt wurden, sind erst in neuester Zeit
vom Herrn Professor Dr. Hasse in Breslau zur Bestimmung
übernommen worden; doch ist die nähere Untersuchung bislang
noch nicht ausführbar gewesen. Nach brieflicher Mittheilung
ergibt sich jedoch schon aus der ersten Durchsicht, das.9 das
* Nach dem Wunsche der Ptodaction werden die Reste der
fossilen Haye in HI Abtheilungen in diesen Heften veröffentlicht wer-
den, wovon die gegenwärtige die Familie der Carcharidae A. Günther
vorführt. In der H. Abtheihing werden die Lamnidae und in der HI.
die Notidanidae, Scylliidae, Spinacidae und Sqiiatinidae nachfolgen. —
Frühere Beiträge finden sich in diesen Heften im Jahrgang 1874 und 1877.
Württpmb. naturw. Jahreshefte. 1878. ö
1
— 114
Material eine erfreuliche und seltene Mannigfaltigkeit von Hay-
fisch- und Rochenwirbeln darbietet. Es wird constatirt die
Anwesenheit der Geschlechter, theilweise in mehreren Arten
von:
Oxyrhina,
Gäleocerdo,
Galeus,
Hemigaleus,
ScylUum,
Acanthias,
Scpnnus,
Squafina,
und von den Rochengeschlechtern:
Fristis,
Bhinobafes,
Raja,
Torpedo,
Myliobates.
Wir werden wohl Gelegenheit haben, auf die Wirbel später
zurückzukommen.
Das reichste und ohne Zweifel wichtigste Material bieten
jedoch die Zähne der Squaliden dar. Die oberschwäbische Molasse
(helvetische Stufe) weist mehrere Localitäten auf, in denen eine
grössere oder geringere Anzahl derselben gefunden wurden.
Die Zähne von Ursendorf, 0/A. Saulgau, erhielt ich zur Ansicht
von den Herren Steudel, Elwert und Peter. Von Siessen,
0 A. Saulgau, besitze ich selbst ein nicht unbeträchtliches Ma-
terial. VonErmingen, St otzingen, Ramminge n , sämmt-
lich am Südabhang der Alb, stand dem Verfasser, ausser den in
seinem Besitz befindlichen Stücken, die Sammlung des Herrn
Wetzler zu Gebot. Auch das in den öffentlichen Sammlungen
zu Stuttgart und Tübingen befindliche Material konnte untersucht
werden, wobei besonders hervorzuheben ist, dass mir durch die
Ereundschaft des Herrn Professor Eraas auch die Originale
jener Zähne mitgetheilt wurden, welche Agassiz zur Aufstellung
und Begründung seiner Bestimmungen aus der oberschwäbischen
— 115 —
Meeresmolasse gedient hatten. Der Verfasser stattet hiemit
sämmtlichen Herren seinen Dank ab.
Ein sehr reichhaltiges Material (circa 60,000 Zähne) sam-
melte der Verfasser während reichlich 25 Jahren in den Stein-
brüchen von Baltringen und Umgegend, 0/A. Laupheim, sowie in
Warthausen, Eöhrwangen, Alberweiler, Langen-
schemmern, S chemmerb e rg, Altheim und Inger-
kingen, O'A. Biberach.
Was die Bearbeitung des fossilen Materials anbelangt, so
wurden, soweit ausführbar, die lebenden Haye einlässlich und
sorgfältig nach ihrem Gebiss verglichen und habe ich der Zu-
vorkommenheit des Herrn Oberstudienraths Dr. v. K r a u s s hie-
für meinen öffentlichen Dank auszusprechen. Die Vergleichung
ist dadurch wesentlich erleichtert, dass die lebenden und mio-
cenen Squalidengeschlechter einander sehr nahe stehen. Die
benützte Literatur wird im Context angeführt. Die syste-
matische Eintheilung wurde nach Albert Günther geordnet. Die
für die lebenden Haye wichtigsten Werke von Müller und Henle,
Aug. Dumeril und Klunzinger wurden sorgfältig beigezogen. Die
besondere Rücksichtnahme auf letzteres Werk (Synopsis der
Fische des rothen Meers) rechtfertigt sich aus der mannigfachen
VerwandtscJiaft der Fischfauna des Molassemeers und des rothen
Meers. Zur unmittelbaren Bestimmung der schon bekannt ge-
machten fossilen Zähne dienten die Werke von Agassiz (Re-
cherches sur les poisson fossiles Tom. III); sodann von Gibbes
(Monograph of the fossil Squalidae of the United States); ferner
die Abhandlungen in Graf Münsters Beiträgen und andere Ab-
handlungen von Winkler und Neugeboren.
Der Verfasser richtete sein Hauptaugenmerk darauf, die
Zahnreihen der fossilen Haye, nicht blos vereinzelte Zähne,
soweit möglich nachzuweisen oder doch mit annehmbaren Gründen
zu unterstützen; bei jenen Geschlechtern, deren lebende Re-
präsentanten in den verschiedenen Theilen des Rachens sehr
wenig abweichende Zahnformen besitzen, genügte es selbst-
verständlich, einen einzigen Zahn zu beschreiben und abzubilden.
Em Blick auf die vorhandenen paläontologischen Arbeiten gibt
8*
— 116 —
hinreichende Belehrung, wieviel hier noch zu tlmn ist. Die
Schwierigkeit dieses Unternehmens ist, da die Zähne fast über-
all nur vereinzelt vorkommen, gross und muss hier vielfach auf
Nachsicht gerechnet werden. Der Umstand jedoch, dass an
einer und derselben Localität oder an sehr nahe bei einander
liegenden fast zusammenhängenden Plätzen durch lange Jahre
hindurch sorgfältig ein sehr grosses Material gesammelt wurde,
möchte immerhin einige Gewähr dafür bieten, dass bis auf einen
gewissen Grad eine Vollständigkeit, wenn auch nicht Lücken-
losigkeit des Materials erzielt worden sein dürfte und damit die
Möglichkeit einer theilweisen ßekonstruction der Zahnreihen.
Sehr werthvoll und für den definitiven Abschluss der Arbeit
entscheidend war eine persönliche Zusammenkunft und Berathuug
mit Herrn Dr. Klunzinger im Späthherbst 1875 zu Stuttgart.
Der langjährige Erforscher des rothen Meers und Verfasser der
Synopsis der Fische dieses Meeres unterzog gemeinschaftlich
mit dem Verf. das fossile Material der oberschwäbischen Molasse
einer eingehenden Untersuchung und Prüfung, wofür ich dem-
selben meinen Dank auszusprechen mich gedrungen fühle.
Familie Carchariidae A. Günther.
Diese grosse Familie zerfällt nach A. Günther in drei
lebende Gruppen, die Carcharinen, Zygaeninen und Mustelinen.
Von den zwei erstgenannten Gruppen kommen auch fossile Ver-
treter in der oberschwäbischen Molasse vor; ob auch von der
dritten Gruppe, ist zweifelhaft.
Im Gegensatz zu der später abzuhandelnden Familie der
Lamniden, die in fossilem Zustande, besonders im Tertiär, so
zahlreich und mannigfaltig zur Erscheinung kommen, sind nur
einige wenige Geschlechter aus der Familie der Carchariiden
häufig und weit verbreitet, namentlich die Geschlechter Ga-
leocerdo, Sphyrna und aucli Hemipristis. Das Geschlecht Car-
charias selbst im engern Sinn, welches in der Lebewelt zu so
reicher Entwicklung gelangt ist, ist im fossilen Zustande bisher nur
sehr spärlich gefunden worden. Es scheint ein Vorzug der ober-
schwäbischen Molasse vor anderwärtigen gleichzeitigen Schichten-
— 117 —
complexen zu sein, dass dieselbe auch von dieser Familie eine
grössere Anzahl von Geschlechtern und Arten aufweist. Sie
mögen wohl anderwärts auch nicht ganz fehlen, lassen sich aber
nur durch anhaltendes aufmerksames Suchen in so grosser An-
zahl finden, dass man sich von ihrer Anwesenheit voll über-
zeugen kann. Die Zähne sind nicht nur mehr oder weniger
oft sehr selten, sondern vielfach auch klein, so dass sie leicht
übersehen werden.
Gruppe A. Caracharini A. Günther.
Die Eigenschaften der Zähne dieser Gruppe sind wegen
ihrer Mannigfaltigkeit erst bei den einzelnen Geschlechtern und
Arten zu beschreiben; nur einer gemeinsamen Eigenschaft mag
Erwähnung geschehen, der innerlichen Hohlheit der Basis
dieser Zähne. Agassiz hat in seinem Werke Tom. III, Seite 300,
bei Untersuchung der Innern Structur der Squaliden-Zähne seine
Aufmerksamkeit auch auf die innere Hohlheit oder Massivität*
derselben gerichtet und bezeichnet als Fische mit hohlen
Zähnen :
Hemipristis,
Galeiis,
Galeocerdo,
Sphyrnüj
Carcharias,
Pristiurus,
Spinax,
Centrina^
Scymnus^
Mustelus ;
* Neue Untersuchungen über die innere Structur der Squaliden-
zähne wurden von Dr. 0. Hertwig (Jenaische Zeitschrift 1874, S. 331)
gepflogen. Die Untersuchungen beziehen sich jedoch mehr auf die
Entwicklungen im fötalen Zustande als auf die reifen Zähne, so dass
für die Untersuchung des fossilen Materials kein besonderer Gewinn
sich ergiebt.
— 118 —
mit massiven Zähnen:
Notidanus,
Corax,
Carclmrodon,
Lamna,
Oxyrhina^
OdoyitaspiSf
Otodus^
an welche sich auch die Hybodonteu anschliessen.
Diese Eigenschaft ist für die richtige Unterbringung der
einzelnen fossilen Zähne unter die Geschlechter von grosser Be-
deutung. Die Hohlheit ist kemeswegs nur das Merkmal eines
jugendlichen Zustandes der Zähne. Ich besitze nicht wenige
Zähne, die durch den Gebrauch so tief abgenützt sind, dass
die innere Höhlung ihrer Basis von oben herab blossgelegt
wurde; so bei Zähnen von Galeocerdo, Hemipristis, Carcharias
Aprion. Andrerseits kann man sich bei jungen Zähnen anderer
Geschlechter, z. B. von Oxyrhina hastalis, welche zahlreich und
leicht als junge zu erkennen sind , überzeugen , dass sie von
Jugend an massiv sind. Es will hiemit keineswegs in Abrede
gezogen werden, dass bei den allerersten Anfängen der Zahn-
bildung sich überall der Zustand der Hohlheit vorfindet. Allein
während bei den Zähneu der Carchariiden-Familie sich die
Höhlung zeitlebens erhält, so verwächst dieselbe bei der Familie
der Lamniden so frühzeitig, dass wegen Mangels an minera-
lischer Substanz eine Erhaltung solcher Zähne im fossilen Zu-
stande ausgeschlossen ist. Wenn in den nachfolgenden Be-
schreibungen die Eigenschaft der Hohlheit oder Massivität an-
geführt wird, so beruht unsere Angabe auf directer Beobach-
tung an zerbrochenen Exemplaren.
1. Geschlecht: C archarias. Cuv.
cf. Müller und Henle : Systemat. Beschreibung der Plagiostomen
S. 28 — 49. Die Tafeln der Abbildungen sind in diesem
Werke nicht mit Nummern versehen. Albert Günther:
~ 119 —
Catalogue S. 357. Kluüzinger: Synopsis II, S. 655.
(215.)
Das Geschlecht Garcharias wird von Müller und Henle,
■wie auch von A. Günther in fünf Untergeschlechter abgetheilt
und zum Eintheilungsgrund derselben die Gestalt der Zähne
verwerthet, so dass es möglich ist, auch das fossile Material
unter die lebenden Uutergeschlechter zu vertheilen. Die Cha-
rakterisirung der Zähne ist desshalb bei den einzelnen Unter-
geschlechtern vorzubringen und sind nur wenige Bemerkungen
voranzuschicken. Die bei allen Arten dieses Geschlechts vor-
handenen Mittelzähne (Symphysenzäline) können fossil nur bei
wenigen Arten mit Grund nachgewiesen werden ; dieselben sind
theils der Natur der Sache nach zu selten, theils aber auch so
klein und so wenig charakteristisch, dass man in den meisten
Fällen nicht erwarten kann, sie fossil zu finden und zu deuten.
Bei den bekannten Arten dieses Geschlechts kommt es oft vor,
dass die Zähne des Ober- und Unterkiefers in den Umrissen
wesentlich von einander verschieden sind. Wenn dieser Fall,
was leicht möglich ist, auch bei den fossilen Thieren vorkommt,
so wird es schwer, sogar unmöglich sein, dem Irrthum zu ent-
gehen, dass man die sehr verschiedenen Zahnformen auch ver-
schiedenen Arten zuweist. Doch kann das Vorkommen hier
einigermassen Licht geben. Wenn die Formen der Zähne des
Ober- und Unterkiefers nicht allzu sehr verschieden sind und
zudem in ungefähr gleicher Häufigkeit sich vorfinden, so wird
es nicht allzu gewagt sein, dieselben zu einer Art zu ver-
binden. Wenn aber die eine Form beträchtlich häufiger oder
seltener ist, als die andere, so wird man davon abstehen müssen,
sie miteinander zu verbinden. Dagegen sind bei diesem Ge-
schlechte die Zähne eines jeden Kiefers unter sich selbst, vorn
und hinten, in ihrer Form meist gut übereinstimmend, so dass
bei vielen Arten es genügt, einen einzigen Zahn als Reprä-
sentanten des Gebisses zu fixiren. Eine auffallende Ausnahme
kommt nur vor bei jenen Zähnen des Untergeschlechts Frio-
nodon, welche an den Typus des lebenden C. (Frionodon)
glyphis sich anschliesen.
— 120 —
a) Subgenus Scoliodon M. H.
Wie der Name besagt, sind die Zahnspitzen zu ihrer Basis
schief gestellt (mit Ausnahme des Symphysenzahns); an den
Rändern sind dieselben ohne Zähnelung (cf. M. H. 1. c. S. 28.
A. Günther S. 357, Klunzinger S. 215).
1. Art: C. Scoliodon Kraussi n. sp.
Tafel 1. Figur 7—11.
Die Abbildung und Beschreibung der Zähne dieses Unter-
geschlechts bei Müller und Henle lässt die Anwesenheit des-
selben in der oberschwäbischen Molasse mit Bestimmtheit er-
kennen. Die in Figur 8 (von aussen) und 9 (von innen) ab-
gebildeten Zähne fassen wir als Unterkieferzähne auf; dieselben
sind hohl, au den Rändern ungezähnelt und schief gegen die
Basis gestellt. Auch die Grösse, die je nach der Stellung im
Kiefer zwischen 0,01 m und 0,005 m schwankt, stimmt gut mit
dem von Müller und Henle abgebildeten Sc. laticaudus überein.
Als sehr wahrscheinliche Oberkieferzähne ziehen wir hinzu die
Fig. 10 von aussen und Fig. 11 von innen abgebildeten Stücke.
Sie sind etwas weniger schief gegen die Basis geneigt und die
Hauptspitze ist mehr breitlich. Man könnte auf Grund dieser Ab-
weichung eine eigene Art aufstellen; allein auch bei den lebenden
Arten sind Ober- und Unterkieferzähne etwas verschieden, z. B.
Scoliodon acutus nach Klunzinger. Die von Müller und
Henle abgebildeten Zahnreihen des lebenden Sc. laticaudus
lassen gleichfalls erkennen, dass die Oberkieferzähne etwas
weniger schief geneigt sind und ihre Spitze etwas breiter ist,
als bei den Unterkieferzähnen. Zudem sind beide Zahnformen
in Bezug auf ihre Häufigkeit, besser in Bezug auf ihre Selten-
heit, unter sich ganz gut im Gleichgewichte. Die Deutung des
in Figur 7 abgebildeten Zahnes als Symphysenzahn rechtfertigt
sich durch die schmale und aufrechte Gestalt und seine glatt-
randige Beschaffenheit. Von den Symphysenzähnen der Sphyma
serrata (wovon unten) unterscheidet er sich durch den Mangel an
jeder Zähnelung; von den Zähnen der C, Aprion stellatus
(wovon uuten) trennt ihn die kurze schmale Basis.
— 121 —
Ob der Scoliodon-ZikUj den Keuss aus der Kreide Böhmens
anführt, zu diesem Subgenus gehört, müsste noch besonders
durch den Nachweis der innern Höhlung erhärtet werden. Eine
schiefe Neigung der ungezähnelten Spitze kommt noch bei so
manchen Arten, besonders auch aus der Familie der Lamniden
vor, dass dieses Merkmal allein nicht entscheidend ist.
Wir erlauben uns, diese Art dem Herrn Oberstudienrath
V. Krauss zu widmen in dankbarer Anerkennung seines zuvor-
kommenden Beistandes bei Benützung des lebenden Materials
der Squaliden in der Stuttgarter öffentlichen Sammlung.
b) Subgenus Aprion. M. H.
Die fossilen Zähne haben wie die lebenden die Form eines
„ dreistrahligen Sterns" nach der Bezeichnung von Müller und
Henle ungezähnelte, auf der horizontal sich erstreckenden hohlen
Basis senkrecht stehende, in beiden Kiefern unter sich gleich-
artige Spitzen, (cf. M. H. 1. c. S. 31, Klunzinger 1. c. S. 217.)
2. Art: C. Aprion stellatus n. sp.
Taf. 1, Fig 1—3.
Die Zähnchen sind unter sich, wie bei den lebenden Arten,
so übereinstimmend und dabei von so einfacher und sym-
metrischer Form, dass ausser des Grösseunterschieds wenige
Unterschiede zu bemerken sind. Fig. 1 (von aussen) ist eines
der kleinsten Exemplare, die ich gefunden habe, die gewöhnliche
Grösse ist die in Fig. 2, 3 (von aussen) dargestellte, somit
circa 0,007 m. Kleinere Zähne (Fig. 1) , welche nur die
Hälfte dieser Grösse erreichen, mögen theils ganz vorn in der
Symphyse, wo auch bei lebenden Arten kleine Zähne sitzen,
theils ganz hinten im Winkel des Kiefers ihren Platz gehabt
haben. Auf ein einziges Merkmal, das jedoch nicht ausreichend
ist, um einen Art-Unterschied zu begründen, ist aufmerksam zu
machen. Während sich bei Fig. 1 und 2 der Schmelz an der
Basis mit bräunlicher Farbe in langgezogener Linie hinzieht,
setzt derselbe bei Fig. 3 am Grund der Spitze scharf ab. Es
kommen jedoch Uebergänge vor in der Weise, dass der Schmelz
— 122 —
weder scharf absetzt, noch das äusserste Ende der Basis erreicht,
sondern sich allmälig verliert.
Diese Art hat die häufigsten Zähne unter allen zum Ge-
schlecht Carcharias zu ziehenden in der oberschwäbischen Molasse
hinterlassen; ich besitze davon mehrere Hundert. Die Häufig-
keit dieses Vorkommens und die augenfällige üebereinstimmung
mit den lebenden Aprion- Arten war vorzüglich entscheidend, von
der Ansicht Agassiz's abzugehen, dass kaum fossile Garcharias-
Zähne erwartet werden durften. Es ist nicht zu zweifeln, dass
diese Zähnchen auch anderwärts in miocenen Schichten sich
finden lassen und schon gefunden sein werden. Ich glaube,
dass der Grund, wesshalb sie nicht schon längst erkannt sind,
wohl nur darin liegt, dass ihre sehr einfache Form nicht genug
augenfällige Merkmale darzubieten schien (zumal wenn die Basis,
was oft vorkommt, zerbrochen ist), um dieselben von andern
kleinen Zähnen zu unterscheiden. Aber schon die innere Höhlung
weist darauf hin, dass ihnen eine besondere Stellung zukommt.
Viel seltener sind die folgenden Zähne, welche mit den eben
beschriebenen nicht in Einklang gebracht werden können.
3. Art: 0. Aprion brevis n. sp.
Taf. I, Fig. 4.
Der Zahn ist gleichfalls senkrecht auf der Basis stehend,
ungezähnelt und hohl, aber die Basis ist viel kürzer, so dass
die Gestalt des dreistrahligen Sterns verwischt ist, dabei ist der
ganze Zahn mit Einschluss der Basis dicker und gedrungener.
Wir stellen ihn nach diesen Eigenschaften als eine Art des
Untergeschleclits Aprion dar, womit jedoch die Möglichkeit, dass
er zum nächstfolgenden Subgenus gehören könnte, nicht aus-
geschlossen ist.
Die Unterkieferzähne des Carcharias (Frionodon) alhimar-
ginatus kommen in ihren sämmtlichen Eigenschaften mit dem
Typus der Zähne des Subgenus Aprion überein, während die Ober-
kieferzähne nach dem Typus der Prionodonten gebaut sind. Es ist
ohne Anstand zuzugeben, dass irgend einer der unten aufzuführen-
den Arten von Frionodon solche Zähne des Unterkiefers zugehört
— 123 —
haben könnten ; man wird jedoch kaum im Stande sein, dieselben
mit Sicherheit auszuscheiden. Ebenso sind die ünterkieferzähne
des Untergeschlechts Hyjpoprion in ihren Umrissen von dem
Charakter der Zähne des Untergeschlechts Äprion nicht zu unter-
scheiden, worauf wir sogleich zu sprechen kommen. Diese Un-
sicherheit der Bestimmung betrifft jedoch nur die Species
A. brevis, nicht auch die Art Ä. stellatus. Letztere Zähne sind
in so grosser Anzahl vorhanden, dass sie durchaus nicht als
Unterkieferzähne irgend einer andern Carcharias-Art aufgefasst
werden können, da sämmtliche fossile Arten von Carcharias au
Häufigkeit des Vorkommens entschieden nachstehen.
c) Subgenus HypopHon M. H.
Die Oberkieferzähne haben glatte schiefsteJiende Spitzen;
die Basis zeigt eine grobe Zähuelung , bestehend in zwei bis
drei grossen Zacken. Die Unterkieferzähne weichen beträchtlich
ab, sind gerade, schmal, ungezähuelt auch an ihrer Basis.
(M. H. 1. c. S. 34.)
I 4. Art: G. Hi/poprion singularis n. sp.
i, Taf. r, Fig. 5, 6.
Die in Fig. 5" von der Innenseite und in Fig. 6 von der
Aussenseite dargestellten Zähne zeigen die schiefgestellte glatte
Spitze und grobe Zähnelung ihrer Basis, und stimmen mit den
Oberkieferzähnen des lebenden H. Macloti und hemioäon gut
überein; nur besitzen die lebenden eine um das Doppelte be-
trächtlichere Höhe. Durch die grobe Zähnelung an der Basis
erinnern sie auch an eine später zu beschreibende Art von
Notidanus, unterscheiden sich aber von letzteren ganz bestimmt
durch ihre innerliche Höhlung , den scharfen Ausschnitt des
Schmelzes an der Innenseite und durch die ganz anders gebaute
Wurzelbasis. Schon das Vorhandensein eines Nährloches auf
der Innenseite der Wurzel (Fig. 5) schliesst sie mit Bestimmt-
heit von dem Geschlecht Notidamis aus. Einige Aehnlichkeit
mit dem Geschlecht Galeus ist vorhanden; aber die Ueber-
einstimmung mit dem Untergeschlecht Hypoprion ist weit äugen-
— 124 —
fälliger. Die ünterkieferzähne sind bei den lebenden Arten
stark von der Form der Oberkieferzähne abweichend, wie oben
angegeben. "Wenn sie bei den fossilen auch so beschaffen
waren, was leicht möglich ist, so tragen sie den Typus des
TJntergeschlechts Aprion und werden sich von demselben im
vereinzelten Zustande nicht unterscheiden lassen. Wir weisen
ausdrücklich auf die Zähne der fossilen Art Aprion hrevis hin.
Auch nach der Seltenheit des Vorkommens wäre es leicht mög-
lich, dass dieselben nichts anderes sind, als die ünterkiefer-
zähne von Hypoprion singularis, welche zu den ganz seltenen
Erfunden der oberschwäbischen Molasse gehören.
d) Subgenus Frionodon M. H.
(cf. 1. c. S. 36—49. Klunzinger S. 218.)
Dieses Untergeschlecht zählt unter den lebenden weitaus
die meisten Arten. Müller und Henle beschreiben deren 19,
A. Günther 22 Species. Fossil sind dieselben nach den bis-
herigen Veröffentlicliungen auffallend selten; die schwäbische
Molasse weist jedoch eine nicht unbeträchtliche Anzahl auf. Es
mag leicht sein, dass einzelne Zähne mit den allerdings sehr
benachbarten Formen des Geschlechts Galeocerdo einerseits und
Sphyrjia andrerseits zusammengeworfen wurden; erst dadurch,
dass man in den Besitz einer grösseren Anzahl von unter sich
übereinstimmenden Zahnformen gelangt, vermag man sich von
dem wirklichen Vorhandensein dieses üntergeschlechts zu über-
zeugen, besonders, wenn auch solche Zähne sich vorfinden, die
den lebenden Arten sehr nahe stehen, wie dies in der That der
Fall ist. Wie der Name besagt, sind die Zähne dieses ünter-
geschlechts an den Rändern gezähnelt. Das gilt jedoch nicht
ganz ausnahmslos; besonders bei dem lebenden C. Prionodon
Glyphis sind die Zahnformeu gemischt; die Oberkieferzähne
dieser Art sind an den Rändern gezähnelt, von dreiseitiger
etwas schief stehender Form; bei den ünterkieferzähnen stehen
die drei bis vier vorderen Zähne aufrecht, sind spiessförraig
ungezähnelt, an der Spitze scharf schneidend und meisselförmig
sich ausbreitend ; in ihren unteren Theilen gegen die Basis sind
— 125 —
diese Zähne im Querschnitt rundlich. Die weiter nach liinten
stehenden Zähne des Unterkiefers nähern sich sodann der Form
der Oberkieferzähne. Während jedoch die Bezahnung mit so
beträchtlich abweichenden Formen bei dem C. Prionodon Gly-
phis ganz vereinzelt in der Jetztwelt dasteht , war sie in der
Vorwelt viel häufiger. Agassiz sah sicli veranlasst ein eigenes
Geschlecht Glyphis zu bilden und demselben Zähne aus dem
Londonthon von Bristol (Glyphis hastalis Ag.) zuzutheilen.
Graf Münster stellte eine Glyphis tingulata nach Zähnen aus
dem Wiener Becken auf; Gibbes eine Glyphis suhulata nach
amerikanischen Zähneu. Wir werden finden, dass in der ober-
schwäbischen Molasse dieser Typus ebenfalls gut vertreten ist.
Wir halten jedoch nicht für nöthig, geradezu ein neues Ge-
schlecht aus ihnen zu machen, sondern möchten in dem umfang-
reichen Untergeschlecht Prionodon zwei Typen untersclieiden,
nämlich den Typus der gewöhnlichen, in der Jetztwelt am zahl-
reichsten vertretenen Zähne, den wir den Typus von C. Prio-
nodon Lamia nennen; und den Typus von C. Prionodon
Glyphis.
a. Typus von Carcharias Prionodon Lamia.
Zähne hohl, ziemlich flach , dreieckig mit sanftem oder
schärferem Einschnitt an der Hinterseite, gezähnelt, gegen die
Basis geneigt oder aufrecht stehend.
5. Art: Prionodon similis n. sp.
Taf. I, Fig. 12—19.
Während die Fische der bisher abgehandelten lebenden
Untergeschlechter nur in ganz grossen Sammlungen sich finden
und man sich zur Vergleichung mit den Abbildungen begnügen
muss, steht überall für die Prionodonten der weit verbreitete, im
Mittelmeer lebende Carcharias Prionodon Lamia zu Gebot. Eine
Vergleichung dem den Zeichnungen bei Müller und Henle und noch
mehr mit dem Stuttgarter Exemplar liess erkennen, dass ein sehr
ähnlicher Fisch, wenigstens was die Zähne anbelangt, Inder schwä-
bischen Molasse gelebt und nach der nicht unbeträchtlichen Zahl
— 126 —
der Zäline, die hier abgelagert sind, keineswegs z5 den Seltenheiten
gehört habe. Der Symphysenzahn, Fig. 12, stimmt mit dem ent-
sprechenden Zahn des Stuttgarter Cabinets selbst in seiner etwas
unregelmässig und verkrümmt aussehenden Form ganz gut überein.
Dann folgen im Oberkiefer zunächst minder grosse Zähne, Fig. 13,
die auch beim lebenden Fische am Vorder- und Hinterrand eine
sanftwinklige Einbuchtung zeigen ; dann grössere Zähne, die bis
gegen 0,02 m gross werden (Fig. 14 von aussen und Fig. 15
von innen); am Vorderrand fehlt jede Einbuchtung, am Hinter-
rand ist ein seichter Bogenausschnitt vorhanden; ganz nach
hinten werden die Zähne wieder kleiner, Fig. 16, und der Winkel-
ausschnitt wieder schärfer. Die Zähnelung erstreckt sich bei
allen Zähnen über den ganzen Umfang, ist jedoch gegen die
Basis etwas gröber, als gegen die Spitze zu. An keinem Zahn
kann bemerkt werden, dass, was bei Galeocerdo gewöhnlich ist.
die grösseren Zacken der Basis für sich wieder mit Zähnelung
versehen sind.
Die Beschreibung und Abbildung der von Agassiz unter der
Bezeichnung Galeocerdo Egertoni aus dem Tertiär von Maryland
untersuchten Zähne, stimmt in den Umrissen gut mit unseren
Fig. 14, 15 überein. Allein Gibbes, dem eine grosse Anzahl
dieser Zähne aus der nämlichen Localität zu Gebote stand, hebt
ausdrücklich hervor (1. c. S. 13), dass ihre Wurzel sehr dick
und tief sei, was auf unsere Art durchaus nicht passt. Die
Wurzeln der Zähne von Baltringen sind eher dünn als dick zu
nennen und stimmen auch in dieser Beziehung mit dem lebenden
C. Lamia überein. Sie sind hohl, gehören desshalb nicht zum
Geschlecht Corax, wo Agassiz den amerikanischen Zähnen even-
tuell eine Stellung offen hält.
Besondere Beachtung verdienen die Zähne Fig. 17—19.
Sie stehen auf der Wurzelbasis aufrecht, sind symmetrisch, ge-
zähnelt, gegen die Basis verliert sich die Zähnelung. Man möchte
geneigt sein, dieselben als eigene Art zu betrachten, zumal eine
lebende Art C. Pr. limhatus ganz ähnliche nur etwas schmälere
Zähne besitzt. Allein es liegt noch näher, sie mit C. simüis
zu verbinden. Bei dem lebenden sehr analogen Thiere (C. Lamia)
— 127 —
sind die Zähne des Unterkiefers gleichfalls fast ganz aufrecht
gestellt und schmäler, als die Oberkieferzähne. Der kleine Zahn,
Fig. 17, könnte von einem jungen Individuum herrühren, könnte
jedoch auch ein Symphysenzahn des Unterkiefers sein. Mit Aus-
nahme der verminderten Grösse stimmt er mit den in Fig. 18 von
aussenundFig. 19 von innen abgebildeten Zähnen in allweg überein.
6. Art: Prionodon speciosus n. sp.
Taf. I, Fig. 20, 21.
Zähne von ansehnlicher Grösse, 0,02 m hoch und 0,015 m
lang (in der Längenachse des Thieres); die Spitze steht etwas
schief auf der Basis; Vorderrand und Aussenseite sind wellig
gebogen; Hiuterrand in stumpfem sanftem Winkel ausgeschnitten;
Zähnelung an der breitlichen Spitze fein, an der Basis des Hinter-
randes etwas gröber, aber nicht doppelt gezähnelt.
Die Entscheidung fällt nicht ganz leicht, ob man diese
seltenen Zähne, Fig. 20 von aussen, Fig. 21 von innen darge-
stellt, zu dem Geschlechte Galeocerdo oder zu dem Untergeschlecht
Prionodon ziehen soll, da nach beiden Seiten hin Verwandt-
schaften vorhanden sind. Die lebenden und fossilen Arten des
Geschlechts Galeocerdo zeigen jedoch einen sehr beschränkten
Formenkreis in Betreff ihrer Zähne und bei allen ist der Winkel
des Ausschnitts am Hinterrand scharf und zugleich die Länge
der Zähne gegenüber der Höhe überwiegend, oder wenigstens
das Gleichgewicht haltend. Beides trifft bei unsern Zähnen nicht
zu. Dagegen ist der Formenkreis der Prionodonten-Zähne ein
sehr weiter und insbesondere kommen Zähne mit einem stumpfen
Ausschnitt an der Hinterseite bei überwiegender Höhe gegenüber
der Länge, bei mehreren, den fossilen Zähnen auch im Umriss
ziemlich nahe stehenden Arten vor, z. B. bei Pr. Dussumieri^
sorraJi und andern. Auch die Basis der Zähne ist kräftiger,
als sie bei G^a?eocerdo-Zähnen gleichen Umfangs zu sein pflegt
und der Schmelz auf der Innenseite (Fig. 21) in ziemlich hoch
hinaufreichenden Bogen ausgeschnitten; eine Eigenschaft, die wir
nicht bei allen, aber doch bei vielen Zähnen des Untergeschlechts
Prionodon finden. Doch erreicht die Basis nicht die Stärke,
— 128 ~
wie bei den hintern Zähnen von C. Prionodon ungulatm, wo
von unten die Rede sein wird.
7. Art: C. Prionodon deformis n. sp.
Taf. I, Fig. 22 von aussen, 22b von innen.
Zähne sehr in die Länge gezogen, Spitze niedrig und abge-
stumpft. Auf der langsam ansteigenden Vorderseite erhebt sich eine
durchscheinende, scharfe, schwach gezähnelte Kante ; die Hiuter-
seite in etwas mehr als einem rechten Winkel ausgeschnitten,
ist gröber gezähnelt an der Basis, übrigens bei allen Exemplaren
abgebrochen. Basis mittelraässig kräftig, hohl. Der Schmelz
ist auf der Aussenseite breit aufgetragen, auf der Innenseite
stellt er nur ein schmales Band dar.
Diese sehr seltenen Zähne (ich besitze nur drei mehr oder
weniger zerbrochene Stücke) verdienen wegen ihrer ausgezeich-
neten Eigenschaften immerhin hervorgehoben zu werden; mög-
lich, dass anderswo besser erhaltene Exemplare gefunden sind, oder
gefunden werden. Wenn auch der hintere Theil der Basis des Zahns
abgebrochen ist, so erkennt man aus der ganzen Anlage desselben^
dass hier die Entwicklung in der Länge (Breite) besonders zur
Geltung kommt. Als eine anomale Verkrüppelung lässt sich der
Zahn nicht auffassen, weil auch die andern Exemplare überein-
stimmend diesen Bau zeigen. Eine Verbindung mit den Zähnen
von Galeocerdo latidens Ag., die auch sehr in die Länge gezogen
sind, geht nicht an wegen der Form und Stellung der Spitze;
dort ist die Spitze scharf, lang, sehr schief nach hinten geneigt,
der Winkelausschnitt der Hinterseite spitz; hier die Spitze abge-
stumpf kurz, fast aufrecht, wenige Linien hoch und der Winkel-
ausschnitt an der Hinterseite niclit spitz. Fast noch sonderbarer
gestaltet sich der Zahn von der Innenseite (Fig. 22b); der
Schmelz ist der ganzen Basis entlang auf ein schmales Band
redu'cirt und die kurze niedrige Spitze noch unansehnlicher, als
von der Aussenseite betrachtet. In dem weiten Rahmen der
Prionodonten lassen sie sich am besten unterbringen, obwohl unter
den lebenden Arten keine nahestehende Form bekannt ist.
— 129 —
8. Art: 0. Prionodon modestus n. sp.
Taf. I, Fig. 23, 24.
Zähne, an den Rändern bis zur Spitze hinauf mit, für die
geringe Grösse derselben (0,006 m.), starken und dichtgedrängten
Zahneinschnitten versehen, die an dem hintern Basalrand noch
schärfer hervortreten. Auf der Innenseite bildet der Schmelz
einen hohen steilen Bogen (Fig. 23). Die Zähne sind mehr platt
als dick, auch die Basis nur massig stark. Der Hinterrand ist
bei den zwei abgebildeten Exemplaren in wenig scharfem Winkel
ausgeschnitten, bei andern Exemplaren noch sanfter; der Vorder-
rand ohne Ausschnitt.
Die Zähne erinnern in vielen Merkmalen, in den Umrissen
und in der Grösse, wie auch in der reichlichen Zähnelung der
Spitze, an den lebenden C. Prionodon melanopterus und unter-
scheiden sich eben dadurch von Sphyrna serrata^ mit welcher
sie in der Grösse übereinkommen.
9. Art; C. Prionodon angustidens n. sp.
Taf. I, Fig. 25, 26.
Die Aehnlichkeit dieser Zähne mit den in Figur 20 und 21
dargestellten des C. Prionodon speciosus ist nicht zu verkennen. Die
geringere Grösse würde zu einer Artabtrennung für sich allein
durchaus nicht genügen. Allein der Vorderrand steigt bei unserer
Art fast in ganz gleichmässig schiefer Flucht auf, während er
bei Prionodon speciosus verschiedenartige Krümmungen zeigt. Die
Aussenseite von Fig. 25 hat nicht die welligen Unebenheiten
der letztgenannten Art; der Winkelausschnitt an der Hinterseite
ist nicht so stumpf und die Zähnelung an der Basis der Hinter-
seite merklich gröber und die Spitze gegen die Basis schiefer
gestellt. Die Basis selbst ist nur massig verdickt, auch die
Spitzen sind merklich schwächer und dünner, als bei den später
zu beschreibenden, zu Prionodon ungulatus gehörigen hinteren
Zähnen. Die Höhe verhält sich zur Länge der Zähne so, dass
sie mehr Uebereinstimmung mit dem Untergeschlecht Prionodon
als mit dem Geschlecht Galeocerdo haben. Sie sind nicht sehr
Württeml). naturw. Jahreshefte. 1878. 9
- 130 -
selten. Die näcbstverwaiidten Formen unter den lebenden sind
Carcharias sorrah und hemisorrah M. H.
ß, Zähne vom Typus des lebenden C. Prionodon glyphis.
Das Vorbaudensein der von Graf Münster als GlyxMs ungu-
lata bestimmten Zähne aus dem Wiener Becken ist nach der
Bescbreibung und guten Abbildung desselben (Heft VII der Bei-
träge, S. 22, Taf. II, Fig. 19) für die oberschwäbische Molasse
gesichert. Die Bestimmung des Grafen Münster fixirt jedoch nur
einen einzigen Zahn, ohne über die Beschaffenheit der übrigen
Zähne eine Andeutung zu geben. Halten wir an der von ihm mit
Eecbt angenommenen Analogie mit dem lebenden Carcharias glyphis
fest, so sind bei diesem, nach der Beschreibung und Abbildung
von Müller u. Henle, nur die 3 — 4 vordem Zähne des Unterkiefers
von einigermassen unter sich und mit den beschriebenen fossilen
Zähnen übereinstimmender Form ; der Rest der Zähne des Unter-
kiefers und die sämmtlichen Oberkieferzähne weichen in ihren
Formen ab und müssen abweichen; denn solche nach innen
geneigten Zähne können nur an der Spitze des Kiefers ihren
Platz gehabt haben. Die weiter zurück an den Seiten des Kiefers
befindlichen müssen anders geformt und gestellt gewesen sein.
So finden wir es auch bei andern Hayfischgeschlechtern. Die
Geschlechter Lamna, Oxyrhina^ Odontaspis haben zum Theil sehr
ähnliche Zähne, wie diejenigen, die hQi dem Carcharias glyphis ander
Spitze des Unterkiefers stehen, so ähnlich, dass eine gewisse
Aufmerksamkeit dazu gehört, um unter der erdrückend grossen Zahl
der ersteren, die letzteren nicbt zu übersehen. Allein nur die 2 — 3
Zähne an der Spitze des Unter- und Oberkiefers zeigen diese
Form, die seitlich im Kiefer stehenden nehmen auch bei ihnen
eine seitliche platte Gestalt an mit einer Neigung nicht nach
innen, sondern nach hinten.
In der Zahnreihe dieslebQnden Carcharias glyphis folgen a.uf die
vordem Zähne des Unterkiefers, welche die Gestalt des „Meisseis"
zeigen, ebenfalls seitlich geneigte, schwach gezähnelte Zähne;
der Oberkiefer hat lauter §chief stehende, gezähnelte im Umriss
— 131 ~
dreiseitige Zähue, wie Carcharias gangeticus imd Lamia (M. H.
1. c. S. 40). Wir dürfen desshalb wohl mit Bestimmtheit erwarten,
dass sich an die wenigen, nur im vordem Theil des Unterkiefers
befindlichen Zähne, die bisher von dem tertiären Fische bekannt
gemacht worden sind, ebenfalls eine ganze Keihe anders ge-
formter Zähne angeschlossen haben, welche der Form der Car-
charias-Z'dhxiQ in ihren Umrissen im Allgemeinen entsprochen
haben werden. Wenn wir nun unter dem fossilen Material uns
nach solchen Zähnen umsehen, so kann man, nach unserem Dafür-
halten, nicht fehlgreifen. Sie finden sich fossil in der That vor
und zwar in einer Anzahl, die der Analogie mit den lebenden
recht gut entspricht und hiemit eine erwünschte Stütze für die
Richtigkeit der Aufi'assung darbietet. Es ist jedoch unausweich-
lich für die Molasse Schwabens einige weitere Arten noch auf-
zustellen. Wir bemerken nur, dass alle diese Zähne, auch die
spiess- oder meisselförmigen, innerlich hohl sind, wie unser Ma-
terial an nicht wenigen Stücken zeigt. Das ist ein neuer Beleg
für die Richtigkeit der Münster'schen Bestimmung.
10. Art: C. Prionodon ungulatus Münster,
(cf. Beiträge Heft VIT, S. 22, Taf. II, Fig. 19.)
Taf. I, Fig. 27-31.
Die Basis der vorderen Zähne des Unterkiefers (Fig. 27)
hat eine dreifach abgetheilte „klauenförmige" Gestalt; über der
Basis ist der Zahn im Querschnitt rundlich plump. Auf beiden
Seiten der breitlichen Spitze zieht sich eine scharfe Schneide
eine Strecke weit herab, die sich vom Zahn deutlich abhebt.
Sie ist nicht bei allen Exemplaren gleich lang; an dem abge-
bildeten ist sie länger, an andern gleich lang, wie an dem von
Graf Münster abgebildeten Zahn von Neudörfl. Der Schmelz
reicht auf der Aussenseite weit herab, legt sich noch ein Stück
weit auf die divergirenden oft ungleich langen Aeste der Basis;
an der Innenseite dagegen reicht er nicht weit herab und erreicht
nicht den nach innen stark vorspringenden angeschwollenen Theil
der Basis. An zerbrochenen Exemplaren tritt die innere Höhlung
9*
— 132 —
hervor, die umfangreich ist und ziemlich hoch in die Spitze
hinaufreicht.
An diese Zähne schliesst sich zunächst als Uebergangszahn
die Form Fig. 28 (von innen) an. Der Zahn ist nicht nach
innen geneigt, sondern nach hinten. Die scharfe Schneide zieht
sich bei ihm vorn und hinten von der Spitze bis zur Basis hinab;
bei andern Exemplaren reicht sie jedoch nur bis zur Hälfte. Die
Basis ist verletzt und zeigt die Höhlung; wenn sie unversehrt
ist, zeigt sie eine starke Anschwellung nach innen, aber keine
beträchtliche Ausdehnung von vorn nach hinten. Da sich von
dieser Zahnform nur drei Exemplare gefunden haben, während
von der vorhergehenden elf, so kann man daraus einigermassen
das Zahlenverhältniss bei den Zahnformen im Kiefer abnehmen,
zumal sich auch bei der nächstfolgenden Art das gleiche Zahlen-
verhältniss herausstellt. Da die Zahnform Fig. 27 weit vorn im
Unterkiefer stehen musste und die spärlichen Zähne Fig. 28,
von deren Form keine kleineren niedrigeren Exemplare sich vor-
finden, durchaus nicht zureichen, um die Zahnreihe auszufüllen,
so müssen nach Analogie des lebenden Carcharias glyphis die wei-
teren Zähne des Unterkiefers und die Oberkieferzähne noch ge-
sucht werden. Nach dem Vorkommen in Baltringen kann kein
Zweifel bestehen, dass die in Fig. 29—31 abgebildeten Zähne
hieher gehören. Diese kräftigen Zähne, welche in ihren drei-
seitigen Umrissen die Form der Prionodonten tragen und dem
lebenden Carcharias glyphis nicht ferne stehen, sind rings gezähnelt ;
die hintere Seite ist winklig ausgeschnitten; auf der Basis der
hintern Seite wird die Zähnelung merklich gröber. An der Innen-
seite (Fig. 29, 31) reicht der Schmelz viel weniger weit herab,
als auf der Aussenseite (Fig. 30). Die Wurzel springt nach
innen in sehr starker Wölbung vor und birgt eine entsprechend
grosse Höhlung. Diese beträchtliche Verdickung der Basis, an
welcher auch die Spitze des Zahns theilnimmt, ist das augen-
fälligste Merkmal, welches diese Zähne von dem Geschlecht
Galeocerdo unterscheidet. Auch bei den schon beschriebenen
Arten Prionodon speciosus und angustidens erreicht sie diese Dicke
nicht. Die Spitze ist wellig geschwungen. Das Zahlenverhältniss
— 133 —
der aufgefundenen Zähne ist so beschaffen, dass der Combination
sämmtlicher drei Zahnformen zum Gesammtgebiss keine Schwierig-
keit im Wege steht. Gegentiber der Zahl der fossilen Vorder-
zähne sollte die Form der fossilen hinteren Zähne des Unterkiefers
und der Oberkieferzähne allerdings noch etwas zahlreicher sich
vorfinden. Allein auch bei den Geschlechtern Lamna, Odontaspis
und Oxyrhina ist unverkennbar eine relative Ueberzahl der fossil
gefundenen Vorderzähne gegenüber den hinteren vorhanden. Der
Grund mag darin liegen, dass den Vorderzähnen die meiste
Arbeit obliegt, dieselben sich desshalb rascher ersetzen, rascher
zum Ausfall und damit auch relativ zahlreicher zur Ablagerung
in den Meeresschichten gelangen, als die im Kiefer weiter zurück-
stehenden Zähne.
11. Art: C. Prionodon armafus n. sp.
Taf. I, Fig. 32—36.
Diese Art darf mit der vorhergehenden, trotz vieler Ueber-
einstimmung, nicht zusammengeworfen werden.
Der vordere Zahn (Fig. 32) hat zwar an seiner Basis die
ähnliche dreigetheilte Gestalt wie die vorhergehende Art, ist
jedoch schlanker; auch die Spitze, an welcher die schneidige
Kante am obern Theil nicht fehlt, ist schlanker. Diese Eigen-
schaft ist durchgreifend; sie findet sich nicht blos bei allen
9 Exemplaren, die ich habe, sondern auch bei den andern Zahn-
formen, welche mit diesen vorderen Zähnen zu verbinden sind.
So entspricht der den Uebergang vermittelnde Zahn (Fig. 33)
(von innen) ganz gut dem an gleicher Stelle befindlichen von
Fig. 28, ist jedoch sichtlich schlanker. Die schneidende Kante
auf der Vorder- und Hinterseite der Spitze reicht hier nur bis
zur Hälfte des Zahns herab ; die Basis springt, stark anschwellend,
nach innen vor. Ich besitze von Baltringen drei Stücke von
dieser Zahnform. Als Zähne des Oberkiefers und des Restes
des Unterkiefers lassen sich in Verbindung bringen die Fig. 34 — 36.
Sie weichen bei sonst ähnlichen Formen von den entsprechenden
der vorhergehenden Art dadurch ab, dass sie zierlicher, weniger
kräftig sind; sodann dass die Zähnelung, wie über die ganze
— 134 —
Spitze hin, so iiucli um biiitern Ausschnitt g^leichmässig fein ist
Doch soll nicht verschwiegen werden, dass Uebergänge von der
feineren gleichmässigen Zähuelung zu einer gröberen, wenigstens
an der Basis, vorhanden sind. Auch bei ihnen springt die AVurzel
stark nach innen vor und zieht sich der Schmelz auf der Innen-
seite hoch hinauf zurück (Fig. 35), wie auch die Spitze wellig
geschwungen ist. Alle drei Zahnformen sind an der Basis bohl.
Das Zalilenverbfiltniss sämmtlicher Zfibne ist in absoluten und
relativen Ziffern fast ganz übereinstimmend mit der vorhergehenden
Art. Wegen des numerischen Gleichgewichts und entsprechender
Grösse könnte man geneigt sein, dieselben mit Prionodon ungulatus
in der Weise zu verbinden, dass sie einem andern Kiefer ange-
hören. Damit würde man jedoch die Analogie der lebenden
Fische verlassen; denn diese besitzen die spiessförmigen Zäline
nur in dem Unterkiefer allein.
Viel spärlicher ist das fossile Material gefunden bei einigen
weiteren Arten, die aber dessungeachtet zu dieser Gruppe zu
ziehen genügender Grund vorhanden ist.
12. Art: C. Prionodon tumidus n. sp.
Taf I, Fig. 37—39.
Diese Zähne sind ganz ausgezeichnet durch ihre geringe
Grösse bei ganz auffallender Entwickelung der Dicke.
Die aufrechte an den Rändern schneidende sturapfliche Spitze
Fig. 37 (von innen) zeigt die angeschwollene Basis, die im Ver-
hältnisse zu seiner geringen Grösse dicker ist, als bei irgend
einem andern Squaliden. An der Aussenseite zieht sich der
Schmelz viel weiter herab, als an der innern. Ein anderes zer-
brochenes Exemplar, das um weniges grösser ist, zeigt die starke
Höhlung; hiedurch wird die Unterbringung unter das Geschlecht
Carcharias gerechtfertigt; es finden sich aber auch die damit
zu verbindenden seitlichen Zähne, Fig. 38 von innen, Fig. 89
von aussen. Es ist die gleiche Entwickelung in die Dicke vor-
handen, das gleiche Vorspringen der Basis nach innen; die Zähne
sind rings zart gezähnelt, am Basalausschnitt wenig stärker, als
an den übrigen Tlieilen der Krone.
— 135 —
So lang ich im Besitz nur eines einzigen Zahns dieser
Form war, glaubte ich denselben als einen Symphysenzahn am
liebsten einer Galeocerdo- Art auffassen zu sollen. Galeocerdo
arcticus besitzt einen sehr dicken und stumpfen Zahn in der
Symphyse, Allein als mehrere Exemplare sich gefunden hatten,
zeigte sich diese Annahme als unstatthaft; denn die Symphysen-
zähne des lebenden Galeocerdo sind im Oberkiefer und Unter-
kiefer verschieden gestaltet, richten sich aber in jedem Kiefer
immer nach einer Seite, entweder nach rechts oder nach links,
so dass, wenn unsere fossilen Zähne wirklich Syraphysenzähne
wären, dieselben alle entweder nach rechts oder alle nach links
sich wenden müssten. Das ist aber in der That nicht der Fall.
Die beiden abgebildeten Zähne haben verschiedene Richtung, ob-
gleich sie scheinbar nach einer Seite schauen ; denn der eine ist
von innen, der andere von aussen abgebildet. Sie können auch
nicht als solche Zähne aufgefasst werden, die in der hintersten
Ecke des Kiefers ihren Platz gehabt haben (wo allerdings kleine
Zähne vielfach sitzen) aus dem Grunde, weil sie, wie Fig. 39
und einige andere Exemplare zeigen, die Spuren eines starken
Gebrauchs aufweisen. Das kommt bei den Squaliden nur bei
Zähnen vor, die weiter vorn ihren Sitz haben; kommt auch nicht
bei Symphysenzähnen vor, welche an der Arbeit sich am wenig-
sten betheiligen. Den Ausschlag aber, dass hier eine selbst-
ständige Art von Prionodonten vorliege, gibt das Mitvorkommen
der Form Fig. 37, welche diesen Zähnen zugleich ihren Platz
bei jenen Prionodonten anweist, die nach dem Typus von GlypJiis
gebaut sind.
13. Art: C. Prionodon BaUringensis n. sp.
Taf. I, Fig. 40-42.
Die gleichen Gründe, welche für die vorhergehende Art an-
geführt wurden, sind auch für die Selbstständigkeit dieser Art
giltig. Die in Fig. 41 von aussen und Fig. 42 von innen dar-
gestellten Zähne können aus den schon angeführten Gründen
nicht als Symphysenzähne irgend einer andern Art oder eines
andern Geschlechts gelten, können auch nicht im Winkel des
— 136 —
Kiefers ihren Platz geliabt haben. Auch bei dieser Art lässt
sich die aufrecht stehende Zahnform, die mit Wahrscheinlichkeit
an der Spitze des Kiefers ihren Platz hatte, ausfindig machen
(Fig. 40). Die gesammte Gestalt spricht bestimmt für die Zu-
sammengehörigkeit mit den mehr seitlich stehenden Zähnen, Fig. 41,
42. Alle drei Zähne haben ausser der gleichen sehr massigen
Grösse von 0,01 m. eine gleichartig entwickelte Basis; sie
springt nach innen vor, aber immerhin nicht so stark wie bei
der vorhergehenden Art, ist jedoch kräftig und lässt nicht zu,
dass man sie mit den nur in der Grösse mit ihnen überein-
kommenden Zähnen der SpJujrna serrafa Münster zusammenbringt.
Von letzteren unterscheidet sie auch die Eigenschaft, dass der
Vorderrand keinen Ausschnitt zeigt, sondern in ziemlich gerader
Flucht ansteigt. Die Spitze und der Vorderrand sind schwach,
die Basis des Ausschnittes am Hinterrand grob gezähnelt. Der
Schmelz reicht auf der Aussenseite viel weiter herab, als auf der
innern, wodurch sie wieder von Si^hyma serrata sich unter-
scheiden, aber in guter Uebereinstimmung sich befinden mit den
andern von uns beschriebenen Prionodontenzähnen aus der Gruppe
der nach dem Typus von Glyphis gebildeten. Der Zahn Fig. 40
ist an seiner Spitze glatt und schneidend, an der Basis lässt
sich eine schwache Zähnelung wahrnehmen. Die Zähne sind
etwas häufiger, als die der vorigen Art und hohl.
Schliesslich müssen wir noch eines leider zerbrochenen Zahns
Erwähnung thun, der wohl zu den seltensten der Molasse gehört.
Ein Bruch an seiner untern Seite lässt die innere Höhlung wahr-
nehmen. Diese Eigenschaft schliesst ihn von den JDamwa-Zähnen
aus und weist ihn zu den Carchariiden. Die Spitze ist gerade
gestreckt, nicht schief nach hinten gerichtet, ehi Anzeichen, dass
er vorn im Kiefer seinen Platz hatte; eine scharfe. Schneide,
wie wir sie bei Prionodon ungulatus und armatus kennen
gelernt haben, zieht sich an beiden Seiten der schlanken Spitze
herunter, etwas tiefer, als bei den angeführten zwei Arten, aber
nicht bis zur Basis. Das auffallendste Merkmal des Zahns ist
jedoch eine Anschwellung ungefähr in seiner Mitte, soviel der
fragmentäre Zustand zu erkennen gestattet; sie erstreckt sich
- 137 —
rings um den Zahn herum auf eine Länge von c. 0,004 m., auf
der Innenseite am stärksten, aber auch deutlich auf der Aussen-
seite. Eine Verkrüppelung oder Missbildung ist nicht wahrzu-
nehmen. Wir wagen jedoch niclit andere Zähne mit ihm in
Verbindung zu bringen, da alle Anhaltspunkte dazu fehlen; müssen
uns auch enthalten, ihn zu benennen und abzubilden.
Mit Vorführung dieser Arten ist das Geschlecht Carcharias,
soweit sich Reste in der schwäbischen Meeres -Molasse bisher
gefunden haben, erschöpft. Von dem Subgenus Fhysodon, das
auch in der Lebewelt nur in einer einzigen Art vertreten ist,
Hessen sich entsprechende Zähne nicht auffinden. Manche Zähne
haben sich noch gefunden, die nicht gut unter die vorstehenden
13 Arten untergebracht werden können, die aber theils zu spär-
lich gefunden sind, zum Theil zu wenig charakteristische Merk-
male erkennen Hessen, um sie zu berücksichtigen.
2. Geschlecht: Galeocerdo. MüHer u. Henle S. 59.
(A. Günther 1. c. S. 377; Khmzinger 1, c. S. 223.)
Taf. I, Fig. 43, 44.
Zähne: hohl, rings gezähnelt; Hinterrand scharf ausge-
schnitten, die Basis am Hinterrand grob und doppelt gezähnelt;
Spitze stark nach hinten geneigt; Basis nur mittelmässig stark,
wie auch der Zahn ; die Länge über die Höhe vorherrschend
oder derselben gleich, unter sich sehr ähnlich geformt sowohl
im Unterkiefer als im Oberkiefer, nur der Symphysenzahn zeichnet
sich durch geringere Grösse und abweichende Form aus.
Wir begnügen uns, zu constatireu, dass die beiden von
Agassiz aufgestellten fossilen Arten dieses Geschlechts:
1. Galeocerdo aduncus Ag.,
2. „ latidens Ag.
(cf. 1. c. S. 231, Taf. 26, Fig. 24—28),
auch in der oberschwäbischen Molasse, und zwar zahlreich «ich
vorfinden. Den Unterschied zwischen beiden Arten scharf fest-
zuhalten und jeden einzelnen Zahn mit Bestimmtheit der einen
oder andern zuzutheilen, wird kaum möglich sein. Der Unter-
schied besteht hauptsächlich in der Verschiedenheit des Verhält-
— 138 —
nisses zwischen Höhe und Länge der Zähne. Dieses Verhältniss
ist jedoch schwankend und finden allmählige Uebergänge statt.
Die Unterscheidung ist aber dessungeachtet zweckmässig, sofern
die Endpunkte der Zahnformen hiemit bezeichnet werden. Die
Grösse der Zähne ist sehr variabel. Ausser den stattlichen Zähnen,
die wir als bekannt voraussetzen können (cf. (^uenstedt, Petre-
factenkunde, Taf. XV, Fig. 2. Gibbes 1. c. Tab. XXV, Fig. 54—62),
kommen auch solche vor, die nur die Hälfte, oder nur ein Drittel
der Grösse erreichen. Sie sind jedoch in gleichen Proportionen
wie die grossen gebaut und stammen ohne Zweifel von jungen
Exemplaren. Auch von Galeocerdo latidens finden sich kleine
sehr in die Länge gezogene Zähne, die in Grösse und Umrissen
dem Geschlechte Loxodon M. H. (cf. 1. c. S. 61) gleichen; aber
sie sind nicht glatt wie letztere, sondern an den Rändern ge-
zähnelt. Eine Zahnform schien sich bei den beiden Arten nicht
einreihen lassen zu wollen. Es kommen, wiewohl selten, Zähne
vor, die ganz die Eigenschaften dieses Geschlechts haben, aber
auf ihrer vordem, nicht winklig ausgeschnittenen Seite auffallend
verkürzt, abgestutzt sind, so dass der Vorderrand fast senkrecht
abfällt; sie haben dadurch ein auffallend unsymmetrisches Aus-
sehen (Taf. I, Fig. 43). Allein ich überzeugte mich an einem
recenten Kiefer des Galeocerdo arcticus in der Stuttgarter Sammlung,
dass die in der hintersten Ecke des Kiefers stehenden Zähne
ganz dieselbe Gestalt haben, somit kein Grund zur Artabtrennung
vorliege. In Fig. 44 stellen wir ein ganz anomal aussehendes
Zähnchen dar, das durch Vergleichung mit dem lebenden Galeo-
cerdo tigrinus sich als Symphysenzahn einer Galeocerdo- kvi zu
erkennen gibt, wobei wir unentschieden lassen, welcher Art das-
selbe zugehören möchte. Der Winkelausschnitt ist bei demselben
ganz so stumpf wie bei dem lebenden Thier; die Dicke bei
letzterem bedeutender.
3. Geschlecht: Galeus Cuv.
(cf. Müller u. Henle. S. 57, 58.) A. Günther 1. c. S. 379.
Im Unterschied von Galeocerdo ist bei diesem Geschlecht
die Spitze der Zähne glatt und befindet sich nur gegen die Basis,
— 139 —
besonders auf der Hinterseite eine meist ausgezeichnete Zäline-
lung. Die lebenden und fossilen Zähne sind von geringer
Grösse und hohl.
1. Art: Gäleus affinis n. sp.
Taf. I, Fig. 64-70.
Von dieser Art Hessen sich die Unter- und Oberkieferzähne
erkennen; die Symphysenzähne, welche unzweifelhaft nicht ge-
fehlt haben, aufzufinden, ist mir nicht gelungen.
Die Zahnformen des Unterkiefers, w^elche nach Vergleichung
mit dem lebenden Galeus canis in der Stuttgarter Sammlung
diesem sehr ähnlich ist, ist abgebildet in Fig. 66 von aussen
und Fig. 67 von innen. Nur wenige Exemplare erreichen eine
bedeutendere Grösse und Stärke; die gewöhnliche Grösse ist die
in den beiden Figuren dargestellte 0,005 m; es kommen aber
auch noch beträchtlich kleinere Zähnchen vor, die ohne Zweifel,
wie bei dem lebenden Fische weit hinten in der Ecke des
Kiefers ihren Platz hatten. Diese sehr zierlichen Zähne, die
trotz ihrer Kleinheit keineswegs sehr spärlich zu finden sind,
(ich besitze deren mehrere Dutzend) sind auf der Vorderseite
glatt und stehen ziemlich schief auf ihrer Basis; die hintere
Seite weist einen starken Winkelausschnitt; da, wo der Aus-
schnitt beginnt, starren 3 bis 6 scharfe, für die geringe Grösse
des Zahns sehr ansehnliche Nebenspitzen , deren Zahl sich bei
den kleinsten (und hintersten) Zähnen auf 2 reducirt. Die am
weitesten oben stehende Nebenspitze ist zugleich die grösste;
die andern werden nach unten allmälig kleiner. Die Basis ist
massig stark und hohl. Beim lebenden Galeus canis sind die
vordem Zähne des Oberkiefers von den übrigen etwas abweichend
gebaut; ganz entsprechende Formen finden sich auch fossil, die
mit allem Rechte als die vorderen oberen Zähne des fossilen
Fisches angesehen werden dürfen, cf. Fig. 64 von innen, 65 von
aussen. Diese Zähnchen stehen mehr aufrecht auf ihrer Basis,
als die zuvor beschriebenen ; der Ausschnitt am Hinterrand
bildet einen stumpferen Winkel und es finden sich auch, wie bei
den lebenden, an der Basis der Vorderseite einige kleine, aber
— 140 —
scharfe Zäckcheii. Die weiter zurückstehenden Zähne des Ober-
kiefers gehen dann allmählich in die Form der ünterkieferzähne
über. Winklers Galeus Malzani von Sternberg in Mecklenburg
(cf. Archiv des Vereins, 1875 S. 110, Taf. II, Fig. 6—9) ist
deutlich unterschieden von unserer Species besonders dadurch,
dass bei ersterer die Zäckchen des Hinterrandes nicht gegen
die Hauptspitze sich hinaufziehen, sondern nur dem Basalrand
zukommen.
2. Art: Galeus tenuis n. sp.
Taf. 1, Fig. 68-70.
Die Zähnchen sind kleiner und seltener als die vorige Art;
in ihrer allgemeinen Erscheinung stimmen sie am besten mit
dem Geschlecht Galeus. Der Ausschnitt an der Hinterseite
schneidet tiefer ein, die Spitze ist desshalb noch dünner, als bei
Galeus affinis. Die Zähnchen au der Basis, deren nur wenige,
2 — 3 sind, (Fig. 68 von aussen, 69 von innen), reichen nicht
so hoch hinauf, sind überhaupt wenig entwickelt. Als einen
Repräsentanten der etwas abweichenden Form der vorderen Ober-
kieferzähne betrachten wir Fig. 70. Die Spitze steht aufrechter
auf der Basis; die Zähnelung am hintern Theil entspricht den
Merkmalen dieser Art gut; am Vorderrand der Basis ist keine
Zähnelung zu bemerken, doch ist hier ein kleines Stück der Basis
weggebrochen.
3. Art: Galeus cristatus n. sp.
Taf. I, Fig. 71.
Der einzige an der Basis verletzte und seine Höhlung
zeigende Zahn gibt sich durch die Zähnelung des Hinterrandes
bei glatter Spitze als zum Geschlecht Galeus gehörig zu er-
kennen. Aber derselbe ist viel grösser und überhaupt robuster
gebaut als irgend ein Zahn der beiden vorhergehenden Arten,
besonders an seiner Basis dick. Die Zähnelung am Hinterrand
zählt 9 Zäckchen, welche unter sich nicht so frei von einander
abstehen, wie bei Galeus affinis sondern dicht zusammengedrängt
sind. Sie erinnern durch diese Zähnelung an das zur Familie der
— 141 —
Scyllien gehörige Geschlecht Ginglymostoma ; aber hier ist
Hinterseite und Vorderseite gleichmässig gezähnelt; auch ist an
unserem Zahn nicht das erste, sondern das zweite Zäckchen das
stärkste.
4. Geschlecht Hemipristis Ag. = Dirhizodon
Klunzinger.
cf. Agassiz 1. c. S. 237. Fig. 18—30 und Klunzinger 1. c. II S. 224 (664).
Agassiz hat für die miocenen Squaliden das Geschlecht
Hemipristis als das einzige ausgestorbene dieser Formation auf-
gestellt und zwei Arten als Hemipristis serra und paucidens be-
zeichnet; die letztere Art wurde jedoch (nach Gibbes 1. c.
S. 14) von ihrem Urheber selbst zurückgenommen.
Dem Herrn Dr. Klunzinger in Coseir gelang es in ganz
neuer Zeit eines Hayes aus dem rothen Meer habhaft zu werden,
bisher in einem einzigen Exemplar, dessen Gebiss auffallende
Aehnlichkeit und tJebereinstimmung mit den fossilen Zähnen von
Hemipristis zeigt. Das ünicum befindet sich in der Stuttgarter
Sammlung N^. 1640 unter dem Namen Birhisodon elongatus
Klunzinger, das wegen seiner Flossenstellung und der Spritz-
löcher in die unmittelbare Nähe von Gäleus^ jedoch als be-
sonderes Geschlecht eingereiht wurde. Sobald ich das Gebiss
dieses Fisches im Herbst 1873 zu Gesicht bekam, erkannte ich
die überraschende Aehnlichkeit mit den Zähnen von Hemipristis^
die in Europa und Amerika so weit verbreitet sind, und durch
ihre Gestalt so sehr in die Augen fallen; es war mir sofort
klar, dass ein lebender Repräsentant des für ausgestorben ge-
haltenen Geschlechts, wenn auch als grösste Seltenheit, sich vor-
gefunden hatte.
Vor der Kenntniss dieses Fisches war ich geneigt, die
Zähne des Geschlechts Hemipristis mit dem Jugendgebiss des
Carcharias (Prionodon) glaucus in nähere Verbindung zu bringen.
Müller und Henle stellen das Gebiss dieses Hayes dar, sowohl
im ausgewachsenen Zustand (in welchem er sich von dem
Typus der Prionodontenzähne mit seiner Zähnelung über die
ganze Spitze hin nicht unterscheidet), als auch im Jugend-
— 142 -
zustand (puUus und juvenis). Im Stadium des juvenis findet
bei einer Anzahl von Zähnen, besonders bei den Oberkiefer-
zähnen gute Uebereinstimmung statt mit Hemipristis serra und
im Stadium des pullus mit denen von Hemipristis paucidens. Andere
Zähne dieser Jugendzustände weichen jedoch ab und lassen mit
den fossilen nur eine entferntere Aehnlichkeit wahrnehmen. Es
ist immerhin nicht an sich zu verwerfen , dass Zahnformen, die
in der Lebewelt in einem vorübergehenden Stadium des Lebens
auftreten, in früheren Erdperioden selbstständige Arten gewesen
sein könnten. Allein durch die Auffindung des Dirhisodon
elongatus ist eine viel augenfälligere Analogie zu Tage ge-
kommen, die sich nicht blos auf einzelne Zahnformen erstreckt,
sondern auf alle.
Die genauere Betrachtung und Untersuchung Hess beobachten,
dass in dem Rachen dieses Fisches sehr verschiedenartige Zähne
nebeneinander vorkommen. In geringerem Grade besteht ein
Unterschied zwischen Ober- und Unterkieferzähnen, in weit
grösserem Grade aber zwischen den vordem und hintern Zähnen
der Kieferäste. Der Contrast zwischen den vordersten und
den hintern Zähnen wird durch eine Anzahl unter sich selbst
verschieden geformter Uebergangsformen ausgeglichen. Die von
Agassiz unter dem '^simen Hemipristis paucidens begriffenen Zähne
sind nichts anderes, als diese Uebergangsformen und wurde
desshalb diese Species mit Recht zurückgezogen, wenn man die
Art serra, auf welche die zahlreichsten Zähne entfallen, auf-
recht erhalten will. Gibbes glaubt nun (1. c. S. 14), dass die
Zähne von der Form diQ&Heynipristis paucidens dem Unterkiefer, die-
jenigen von der Form des//empns#is serra, dem Oberkiefer zugehören;
allein das Gebiss des lebenden Thiers legt eine andere Com-
bination nahe. Die Zahnform {Hemipristis serra Ag.) stellt sich
nämlich etwas vor der Mitte des Kieferastes bei dem lebenden
Fische ein. Die vordersten Zähne mit den Zahnformen in Ver-
bindung zu bringen, welche den Typus von Hemipristis tragen,
und als solche zu erkennen, war ohne das lebende Thier ver-
gleichen zu können, unmöglich, weil sie zu sehr abweichend ge-
baut sind. Nachdem aber die ganze Zahnreihe am lebenden
- 143 —
Thiere vor Augen lag, konnte es nur angenehm überraschen,
dass unter dem Material, das die oberschwäbische Molasse dar-
bietet, auch diese Formen sich unzweifelhaft vorfanden. Bei Be-
schreibung der Species werden die einzelnen Zähne berück-
sichtigt werden. Die Uebereinstimmung der fossilen Erfunde
und des lebenden Fisches ist, was das Gebiss anbelangt, eine so
grosse, dass kaum etwas zu wünschen übrig bleibt, ohne dass
jedoch eine Identität der Art ausgesprochen werden könnte.
Was die Benennung des Geschlechts anbelangt, so glauben
wir den alten von Agassiz aufgestellten Namen beibehalten zu
sollen, womit auch Dr. Klunzinger sich einverstanden erklärte.
1. Art: Hemipristis serra Ag.
cf. Ag. S. 237 Taf. XXVII, Fig. 18-30.
Taf. I, Fig. 49-57.
Der vorderste Zahn jedes Kieferrastes, den wir in Fig. 49
darstellen, ist klein , mehr nadeiförmig als spiessförmig oder
halbkegelförmig und von andern kleinen Zähnen, besonders auch
aus dem Geschlecht Lamna, hauptsächlich dadurch zu unter-
scheiden, dass er schief nach innen auf seiner Basis steht,
wie auch beim lebenden Thiere diese kleinen Zähne sich stark
nach innen gegen den Rachen neigen. Es ist übrigens kein
Symphysenzahn; diese ist, wie auch Dr. Klunzinger bemerkt,
zahnlos. Der Schmelz zieht sich an derAussenseite viel weiter
hinab, als an der Innern.
Der nächstfolgende Zahn ist sowohl grösser als auch cha-
racteristischer, Fig. 50. Er steht auf seiner Basis sehr scliief
nach einwärts gekrümmt. Die Hörner seiner Basis sind wenig
entwickelt, wodurch er sich von glt/pMs-^vÜgen Zähnen unter-
scheidet; nach innen springt die Basis zwar vor, aber nicht
plump, sondern zusammengedrückt schmal, wieder im Gegensatz
zu den letzgenannten Zähnen. Die Spitze ist ähnlich wie bei
Prionodon armatus im Querdurchschnitt rundlich; auch die
Schneide, die von der Spitze an ein Stück abwärts zieht, fehlt
nicht. An der Aussenseite zieht sich der Schmelz viel weiter
hniab, als an der innern Seite; eine Nebenspitze ist an diesem
I
— 144 —
Zahn nicht zu bemerken. Die innere Höhlung , welche auch
diesen Zähnen zukommt, ist dreiseitig. Die zusaramengepresste
Basis und starke Neigung nach innen schliesst eine Ver-
wechslung mit Prionodon ungulatus und armatus, die gleichen
Eigenschaften und die innere Höhlung, sowie der rundliche
Querdurchschnitt, mit Lamna-Z'dhnen, aus.
Der Zahn, Fig. 51, ist durch den Gebrauch abgenützt und
lässt desshalb die Höhe und nähere Beschaffenheit der Spitze
selbst nur theilweise erkennen. Er bildet aber sichtlich einen
Uebergang von Fig. 50 zu Fig. 52. Seine Basis wird etwas
breiter und wendet sich nicht mehr rein nach innen, sondern
schon etwas schief nach hinten und besonders befinden sich
unten an der Seite des Zahns zwei übereinander, nicht neben-
einander stehende Zäckchen. Schon damit, wie durch die ander-
weitige Form des Zahns gibt sich zu erkennen, dass derselbe
nicht zu Lamna gehört. Das obere Nebenzäckchen ist etwas
grösser, als das ganz leichte untere. Die Schneide, die sich
von der Spitze eine Strecke weit nach unten zieht, ist noch zu
einem guten Theil an dem abgebildeten Exemplar erhalten.
Entsprechende Zähne finden sich auch bei dem lebenden
Hay vor.
Fig. 52 (von der Seite) zeigt schon eine seitlich gewendete
Form. Die Spitze wird mehr breitlich. Eine scharfe Schneide
zieht sich hinten und vorne an den Rändern weit , aber nicht
ganz bis zur Basis herab. Am untern Theil des Zahns stehen
hinten und vorn je drei Zäckchen über einander, wovon das
oberste das grösste ist, die beiden andern kleiner werden. Die
Basis springt kräftig nach innen vor und der Schmelz ist auf
der Innenseite in ziemlich hohem Bogen ausgeschnitten. Die
Zahnform, die Agassiz ehemals mit (iQm^^.mQ\\Hemii)nstispaucideus
fixirte, tritt hier schon unverkennbar heraus und setzt sich in
dem nächstfolgenden Zahn, den wir beschreiben werden, noch
weiter fort. Von einer Verwechslung mit Lamna kann hier
keine Rede mehr sein. Fig. 53 (von innen) hat im Umriss nach
die ähnliche Gestalt wie die vorhergehende Figur, aber an der
Hinterseite befinden sich 7 Zäckchen: auf der Vorderseite
— 145 —
beginnen die Zäckchen ebenfalls in ungefähr gleicher Höhe ; dann
kommt eine Stelle die glatt ist, dann ganz unten noch einmal
einige Zäckchen. Die Unterbrechung in der Zähnelung der
Vorderseite kann wohl individuell sein; überhaupt kommen bei
diesen Uebergangszähnen, wie ich aus weiteren fossilen Zähnen
ersehe, manche kleinere Differenzen vor, wie das wohl in der
Natur der Sache, d. h. der Stellung, welche die Zähne ein-
nehmen, liegt. Der hervorstehende glatte Theil der Spitze ist
noch ziemlich gross. Wenn die Figuren 49 — 51 die vorderen
Zähne darstellen und Fig. 52 und 53 die TJebergangszähne, so be-
ginnt mit Fig. 54 die Reihe der unter dem Namen Hcmipristis serra
längst bekannten fossilen Zähne. Mit Ausnahme der hier nicht
mehr umfangreichen obersten glatten Spitze ist der Zahn hinten
und vorn kräftig gezähnelt, hinten gröber als vorn. Der Zahn
ist im Umrisse schlank, dreiseitig und gegenüber den vorher-
gehenden Formen platt; doch springt die Basis an der Innen-
seite einigermassen noch hervor. Die Unterkieferzähne des
lebenden Hayes bewegen sich nun von hier an, somit etwas vor
der Mitte des Kiefers bis an den Winkel desselben, in diesem
Formenkreise, nur dass sie etwas grösser und erst gegen hinten
niedriger werden. Auch die Mehrzahl der fossilen Zähne weist
diese Gestalt auf, wobei sie theilweise noch etwas platter und
breitlicher (länger) werden, wie die Figuren 55, 56 und 57 dar-
stellen (sämmtlich von aussen). Die 0 b e r kieferzähne weichen
von den Unterkieferzähnen einigermassen ab, wenn auch nicht
sehr bedeutend. Sie werden merklich breiter, wie Fig. 55, b
(von innen) zeigt, sowohl bei dem lebenden Hay, als bei den
gefundenen fossilen Zähnen.
Die noch folgenden Figuren 56, b (von aussen) und 57, b
(von innen) stehen gegen das Ende des Winkels des Ober-
kiefers, was insofern mit einer gewissen Bestimmtheit gesagt
werden kann, als auch bei dem lebenden Hay die Oberkiefer-
zähne in dieser Region die gleiche Eigenthümlichkeit zeigen.
Die hervorstehende glatte Spitze nimmt nämlich eine andere
Richtung an; anstatt in der Achsenrichtung des Zahns gerade-
Württemb. naturw. Jahroshefte. 1878. 10
— 146 —
aus zu gehen, neigt sie sich nach hinten; in Fig. 57, b nimmt
der ganze Zahn diese gebückte Form an ; er stand ohne Zweifel
weit hinten in der Ecke des Kiefers. Sämmtliche Zähne sind hohl.
Wie wir schon im Verlauf der Beschreibung bemerkt haben,
sind mit Vorführung der fossilen Zahnformen zugleich die haupt-
sächlichsten Zahnformen des lebenden Fisches characterisirt. *
Bei den letzteren finden sich allerdings noch manche feinere
Nuancirungen vor in den Uebergängen von einem Zahn zu dem
andern, die wir in fossilem Zustande nur theilweise vor Augen
führen konnten, was nicht auffallen kann. Doch möchte die
vorgeführte Serie einen genügenden Einblick in die Mannig-
faltigkeit der Formen geben. Im Oberkiefer des lebenden
Fisches kommen nicht so vielerlei Mittelformen vor; auf die
Form Fig. 50 folgt alsbald ein Zahn, der nahezu die Form
Fig. 54 hat. Der lebende Hay zählt 13 functionirende
Zähne in jedem Kieferast und sind die Eeservereihen zahlreich
vorhanden. Die meisten fossilen Zähne sind grösser und stärker
als die des lebenden Thiers. Doch kommen auch im fossilen
Zustande kleinere und zarter gebaute Zähne vor, die wir jungen
Thieren ohne Anstand zuzuschreiben haben. Sie weichen in
ihren Umrissen und Proportionen gar nicht von den grössern
ab. Aber eben desswegen, weil diese jungen Thiere in ihrer
Bezahnung von den ganz erwachsenen ihrer Form nach nicht
abweichend erscheinen, ist es nothwendig, noch eine weitere Art
des Geschlechtes Bemipristis aufzustellen.
2. Art: Hemipristis Klunsingeri n. sp.
Taf. I, Fig. 58—63.
'Die vorderen Zähne Fig. 58, 59 unterscheiden sich von
den entsprechenden der vorhergehenden Art kaum anders, als
durch die geringere Grösse und würden für sich noch durchaus
keine Berechtigung geben, einen Artunterschied auf dieselben
zu gründen. Von Uebergangszähnen habe ich nur zwei ge-
funden, Fig. 59, b und Fig. 60. An der Basis des erstem sind
* cf. Klunzinger 1. c. II. S. 224 (664).
— 147 —
zwei über einanderstehende Knötchen zu erkennen und ent-
spricht auch die nach innen gerichtete Seite der Basis ganz der
Beschaffenheit des Geschlechts Hemipristis. Der schlanke Zahn
Fig. 60 entspricht den analogen Zähnen Fig. 52 und 53 und
hält gewissermassen die Mitte zwischen beiden. An seiner Vorder-
seite findet sich eine Zähnelung nur tief unten an der Basis,
die theil weise abgebrochen ist; es können nicht mehr als nur
ein paar Zäckchen sich vorgefunden haben, wovon wenigstens
eines noch sich erhalten hat. Die Hinterseite zeigt 6 Zacken.
Jedoch erst die eigentlichen Backenzähne, wenn dieser Ausdruck
erlaubt ist, lassen deutlich die Eigenschaften erkennen, welche
dieser neuen Art zukommen. Wir bilden einen solchen Zahn in
Fig. 61 (von aussen) ab. Sie nehmen die gleiche Stelle ein,
wie bei der vorhergehenden Art die Fig. 54 und 55 und lassen
sich auch am zahlreichsten finden (ich besitze ein Dutzend), so
dass man sich über die Beständigkeit ihrer hervorragenden Eigen-
schaften durch Vergleichung mehrerer gut erhaltener Exemplare
Sicherheit verschaffen kann. Die Grösse dieser Zähne ist im
Mittel nur 0,014 m hoch und 0,010 m lang (breit); sie bleiben
somit hinter den analogen Zähnen von Hemipristis serra sehr merk-
lich zurück. Ferner ist die Aussenseite derselben (vergl. Fig. 61)
deutlich gewölbt; bei Fig. 54 und 55 aber plan. Sodann ist
die glatte Spitze ins Auge zu fassen. Sie ist bei allen Exem-
plaren in Anbetracht der geringeren Grösse der Zähne merklich
länger, dagegen aber der gezähnelte Theil des Zahns merklich
kürzer, als bei Hemipristis serra. Boi letzteren verhält sich die
Länge der glatten Spitze zum gezähnelten Theil des Zahns wie 1 : 3
oder 4; bei der neuen Species aber wie 1: 2. Die Zahl der
groben Zacken auf der Innenseite von Hemipristis serra ist 12
und darüber, wenn man die ganz kleinen Zäckchen an der Basis
mitzählt; bei unserer neuen Art aber nur 6—8. Die zwei nächst-
folgenden Fig. 62 und 63 stellen etwas abgeschliffene Zähne
dar, wie sie in abnehmender Grosse gegen die Ecke des Eachens
im Unterkiefer sich eingestellt haben mögen. Die wesentlichen
Eigenschaften der Zahnform Fig. 61 sind erhalten ganz in ähn-
10*
— 148 —
lieber Weise, wie in den analogen Zähnen Fig. 56 und 57.
Hiezu kommt nun, dass auch Oberkieferzähne sich vorgefunden
haben, welche ganz gut die spezifischen Eigenschaften erkennen
lassen. Wir stellen in Figur 62 b und 63b zwei wohlerhaltene
Zähne dar. Die Neigung der glatten Spitze in stark schiefer
Richtung entspricht der Eigenthümlichkeit der Oberkieferzähne
dieses Geschlechts, aber nicht bloss die geringere Grösse, sondern .
der Gesammthabitus derselben schliesst sie ebenso von der Serie
Fig. 49 — 57 aus, als er dieselben mit der Reihe Fig. 58—63
verbindet.
Wir haben schon bemerkt, dass man keinen Grund hat,
diese Zähne für einen Jugendzustand von RemiprisUs serra Ag. zu
halten, da sich die kleinen zarteren Zähne dieser Art in Balt-
ringen zugleich mit den grossen vorfinden. Aber gerade bei
diesen ist eine Abweichung der Form gegenüber den grossen
Zähnen lediglich nicht wahrzunehmen. Es kann desshalb auch
die Abbildung dieser jungen Thieren zugehörigen Zähne unter-
bleiben. Um der grösseren Bestimmtheit willen heben wir her-
vor, dass ein Jugendzahn you Hemipristis serra, welcher die Grösse,
von Fig. 61 nicht übersteigt, somit beträchtlich hinter der gewöhn-
lichen Grösse zurückbleibt und sich auch sonst durch seine Dünn-
heit als jugendlichen Zahn kund gibt, doch 13 Zäckchen au der
Hinterseite zeigt. Seine glatte Spitze ist in der Ausdehnung
des gezackten Theils seiner Seite reichlich dreimal, fast viermal
enthalten; seine Aussenseite ist nicht gewölbt, sondern so plan
wie bei Fig. 55, so dass an der Selbständigkeit unserer neuen
Art nicht zu zweifeln ist. Die Zähne der neuen Art sind
jedoch merklich seltener, als die von serra. Auch aus den
oberschwäbischen Localitäten ist sie mir nur aus Baltringen und
Warthausen bekannt, während Hemiprisüs serra in fast allen ober-
schwäbischen Plätzen vorkommt und auch sonst eine sehr weite
Verbreitung in der alten und neuen Welt besitzt.
Wir haben vollen Grund, die neue Art dem Entdecker des
ersten Exemplars dieses interessanten Geschlechts in der Lebe-
welt, Herrn Dr. Klunzinger zu widmen.
— 149 —
Es möge gestattet sein, hier eine vergleichende allgemeine
Bemerkung über gewisse Eigenthümlichkeiten in den Zahnformen
tertiärer Thiere im Gegensatz zu jetzt lebenden einzuschalten.
Trotz der allgemeinen Uebereinstimmung der fossilen tertiären
Hayfische mit den lebenden macht sich doch ein eigenthümlicher
Zug bei ersteren geltend. Wir haben eine Anzahl fossiler Haye
vorgeführt, welche ungleichartige Zähne in der Kieferreihe
trugen, so dass man vordere Zähne, Uebergangszähne und hintere
oder Backenzähne unterscheiden kann und muss. Wir finden diess
beim Geschlecht Hemipristis in ausgezeichneter Weise. Die
Prionodonten nach dem Typus von Carcharias GlypJiis zeigen das
gleiche Verhältniss. Es ist auffallend, dass in der Molassezeit diese
Geschlechter sehr weit verbreitet, keineswegs selten und in ver-
schiedenen Arten entwickelt waren, während sie in der Jetztzeit
zu den grössten Seltenheiten gehören und je nur in einer Art
vorkommen. Dazu kommt, dass die Geschlechter Lamna, Odon-
taspis und Oxyrhina^ die ebenfalls alle drei Zahnarten in ihren
Kiefern tragen, zwar auch heutzutage keineswegs selten sind,
dass aber in der Molassezeit sowohl die Zahl ihrer Arten als
ihrer Individuen eine bei weitem grössere war, als heutzutage.
Der so grosse Reichthum der mesozoischen Formationen au
Cestraciontiden {Ptychodus^ Acrodus etc.) gibt zu gleichen Be-
trachtungen Veranlassung.
Ferner treten in der Tertiärzeit Meer säuge thiere
auf, die von den lebenden abweichend ebenfalls dreierlei Zahn-
formen in ihren Kiefern tragen.* Durch Johannes Müller,
van Beneden und von Brandt ist nachgewiesen , dass das
Geschlecht Zeuglodon mit zwei Arten die amerikanischen, das
Geschlecht Ä^waZoc^on mit wenigstens vier, wahrscheinlich noch mehr
Arten die europäischen Meere bevölkert haben, welche sämmtlich
diese auifallende Eigenthümlichkeit des Gebisses zeigen. Bei
den Meersäugethieren ist das so auffallend und unerwartet.
* Von den lebenden Cetaceen besitzt nur der Schnabeldelphin
des Ganges (Platanista gangeticus) einigermassen unter sich ver-
,schieden gebaute Zähne.
— 150 —
dass vor Auffindung von zusammenhängenden Kieferstücken
darüber gar keine Ahnung bestand. Hermann von Meyer,
dieser tüchtigste Kenner fossiler Wirbelthierreste, stellte für
die Vorderzähl e das Geschlecht Ärionius und für die hin-
teren Zähne das Geschlecht Pachyodon auf. Diese Squalo-
donten lebten mit den Hayen (Hemipristis etc.) zusammen;
so in der Molasse von Baltringen und nach van Beneden auch
in Frankreich.
Hiezu kommt eine analoge Beobachtung bei den Land-
säugethieren der tertiären Zeit. Die domiuirenden Ge-
schlechter der eocänen Zeit, Palaeotherium und Äno^Jlotherium,
besassen alle drei Zahnarten. In der miocänen Zeit schwächt
sich zwar diese Erscheinung schon ab; aber immerhin hat dcs
dominirende miocäne Wiederkäuergeschlecht Palaeomeryx starke,
nicht verkümmerte Eckzähne, die ihm zur Waffe dienten, wie
heutzutage noch den Moschiden; während die in der Lebewelt
herrschenden Ruminanten - Geschlechter, Rind und Antilope der-
selben ganz entbehren, und die Hirsche, mit Ausnahme des
Cervus MuntjaCj dieselben nur in verkümmertem Zustande be-
sitzen. Herr Prof. Rütimeyer weist in seiner Schrift über
die Herkunft unsrer Thierwelt S. 33 auf diese »Verarmung des
Gebisses" beziehungsweise auf die Umbildung desselben zu einem
„ Spezialgebiss " hin.
Als ein durchgreifendes Entwicklungsgesetz kann diese Er-
scheinung wohl nicht aufgefasst werden, weil auch in der Tertiär-
zeit Thiere mit allen drei Zahnarten nur einen Bruchtheil der
Fauna ausmachen und daneben Fische, Meersäugethiere und
Landsäugethiere mit dem gewöhnlichen Zahnbau der lebenden
Fauna vorkommen. Allein immerhin wäre möglich, dass dieser
Erscheinung doch irgend eine tiefer gehende Bedeutung zu
Grunde liegt.
Noch viel auffallender sind die neuesten Funde aus der
afrikanischen Trias, in welcher eine Reihe von Sauriern ge-
funden wurden, die das differenzirte Gebiss von Carnivoren be-
sitzen.
— 151 —
Gruppe B. Zygaenini A. Günther.
1. Geschlecht: Sphyrna Raf.
cf. Müller u. Henle 1. c. S. 51 — 54. Günther 1. c. S. 380.
Klunzinger: 1. c. S. 665 (225).
Die Hammerfische tragen in ihren Kiefern auf ihrer Basis
schief stehende hohle Zähne , die theils gezähnelt, theils bei
andern Arten glatt sind. Die Symphysenzähne stehen aufrecht.
Unter- und Oberkieferzähne sind nur wenig oder gar nicht ver-
schieden; ebenso hintere und vordere Zähne.
1. Art: Sphyrna serrata Münster,
(cf. 1. c. Taf. II, Fig. 18 S. 20.)
Taf. I, Fig. 45.
Wie im Wiener Becken (Neudörfl), so ist auch in der ober-
schwäbischen Molasse diese Art sehr zahlreich. Beschreibung
und Abbildung der von Graf Münster bestimmten Zähne passt
sehr gut auf die oberschwäbischen Erfunde. Wir glauben dess-
halb auf dieselben nicht näher eingehen zu müssen. Der auf-
recht stehende Zahn Fig. 45, der eine ziemlich stark gezähnelte
Basis hat, wie die übrigen Zähne, ist ohne Zweifel als Symphysen-
zahn zu deuten, da die lebenden Hammerfische in beiden Kiefern
solche besitzen. Diese Zähne sind etwas kleiner, was ganz für
ihre Eigenschaft als Mittelzähne spricht. Wir müssen nur noch
die Unterschiede gegenüber von einigen Prionodonten - Zähnen,
besonders Taf. I, Fig. 40 — 42, begründen. Letztere Zähne, be-
sonders von Prionodon Bältringensis und tumidus haben
eine sehr kräftige Basis, die nach innen stark vorspringt, an
der Aussenseite aber zurückweicht, so dass der Schmelz und die
unbeschmelzte Basis nicht in einer Flucht liegen. Bei Sphyrna
tritt die Basis an der Innenseite wenig hervor, befindet sich
aber an der Aussenseite in gleicher Flucht mit dem Schmelze;
sodann zieht sich bei den Prionodontenzähnen der Schmelz an
der Innenseite in einem scharfen Winkel hinauf gegen die
Spitze (Fig. 42 und 38); bei den Zähnen des Hammerfisches
— 152 —
ist der Winkel, den der Schmelz bildet, ein sanfter niedriger
Bogen.
Bei der sehr grossen Anzahl von Zähnen (meine Sammlung
zählt einige Tausende) lassen sich wohl Unterschiede nicht blos
in Bezug auf die Grösse, sondern auch in andern Punkten wahr-
nehmen, aber sie scheinen nicht constant zu sein, so dass wir
alle am Rand sehr schwach und an der Basis stark gezähnelten
Zähne aus der oberschwäbischen Molasse als eine einzige Art
auffassen. Wir bemerken nur noch, dass Münsters Sphyrna siib-
serrata aus der Kreide von Aachen nach allen Eigenschaften
ein Zahn von einer Squatina ist.
2. Art: Sphyrna integra n. sp.
Taf. I, Fig. 46, 47.
Wie bei den lebenden Hammerfischen Arten mit gezähnelten
und Arten mit ungezähnelten Zähnen (Sphyrna tiides) vorkommen,
so auch in der oberschwäbischen Molasse; letztere sind jedoch
sehr viel seltener, als erstere. In Fig. 46 und 47 geben wir
solche Zähnchen. Sie bleiben immer etwas kleiner, als Sphyrna
serrata und stehen auf der Basis schief. Fig. 46 zeigt einen
winkligen Ausschnitt, sowohl an der hinteren Seite als an der
vorderen, woselbst der Winkel etwas stumpfer ist. Fig. 47
hat einen Winkelausschnitt nur an seiner hinteren Seite, während
die vordere Seite in gerader Flucht verläuft. Dieser kleine
Unterschied wird nicht zu einer Abtrennung der Art berechtigen.
Da ungefähr die Hälfte der Zähne, die ich besitze, mit Fig. 46,
die andere Hälfte mit Fig. 47 übereinkommt, so wird man
eher berechtigt sein, die eine als Ober-, die ander als Unter-
kieferzähne aufzufassen. Die Symphysenzähne, die ohne Zweifel
vorhanden waren, werden sich nicht leicht nachweisen lassen.
Sie werden so grosse Aehnlichkeit mit den kleineren Zähnen
von Aprion stellatus haben, dass sie, auch wenn sie gefunden
wären, schwer von ihnen zu unterscheiden wären. Die Zähnchen
sind hohl.
— 153 —
3. Art: Sphyrna laevis n. sp.
Taf. I, Fig. 48.
Unterscheidet sich von der vorhergehenden Art, mit welcher
sie die Grösse und die ungezähnelten Ränder, auch die geringe
Häufigkeit gemein hat, dadurch, dass die Spitze weniger schief
auf der Basis steht, die Basis selbst etwas kürzer ist und be-
sonders, dass selbst am Hinterrand der Zahn nicht in einem
scharfen Winkel ausgeschnitten ist, sondern nur in einem sanften
Bogen. Der Vorderrand ist bei allen Exemplaren ohne Ein-
knickung. In Bezug auf die Symphysenzähne ist das näm-
liche zu bemerken, wie bei der vorhergehenden Art. Auch an
diesen Zähnchen lässt sich die Höhlung wahrnehmen.
— 154 —
Erklärung der Abbildungen.
Tafel I.
^ig. 1-
-3
Garcharias (Aprion)
stellatus u. sp.
, 4
11
»
5rem n. sp.
y, 5,
6
V
(Hi/poprion)
singularis n. sp.
V 7-
-11
V
(Scoliodon)
Kraussi n. sp.
, 12-
-19
w
{Prionodon)
5mi?t5 n. sp.
, 20.
21
T)
n
speeiosus n. sp.
. 22
JJ
?»
deformis n. sp.
. 23.
24
»
»
modestus n. sp.
, 25.
26
»
ff
angustidens u. sp.
. 27-
-31
n
»
ungulatus Münster, sp.
, 32-
-36
»
ff
armatus n. sp.
. 37-
-39
«
»
tumidus n. sp.
. 40-
-42
r)
ff
Baltringensis n. sp.
« 43
(raZeocercio-Zahn.
44 Symphysenzahn einer Gdleocerdo- Art
45 Sphyrna serrata Münster, Symphysenzahn.
46 — 47 „ integra n. sp.
48 „ Zaem n. sp.
49 — 57 Hemipristis serra Ag.
58 — 63 » Klunzingeri n. sp.
64 — 67 Galeus affinis n. sp.
68 — 70 „ tenuis n sp.
71 „ cristatus n. sp.
GiM es ein Eozooii canaileiise?
Erwiderung
auf Dr. C. W. Gumbels und Dr. Carpenters Entgegnung
von Otto Hahn in Reutlingen.
(Hiezii Taf. II.)
Icli habe in den W. naturwissenschaftlichen Jahresheften 1876,
S. 132, eine Abhandlung über das JEozoon-Gestem veröffent-
licht, in welcher ich auf Grund mineralogischer That-
sachen dessen von W. Logan, J. W. Dawson in Montreal,
W. Carpenter in London und schliesslich auch von Max Schulte
und Anderen behauptete organische Natur bestritt. Ich begrün-
dete meine Ansicht ausdrücklich mit mineralogischen Thatsachen.
Der Beweis organischer Natur ist von den genannten Ge-
lehrten angetreten und nach ihrer Meinung erbracht worden.
Die Stimmführer erklärten sich, und das sollte die Lücken und
Schwächen des Beweises ergänzen, für die ersten Foraminiferen-
Kenner und Mikroskopiker, setzten also ihre Autorität dem Be-
weise voran.
Aus der Zahl der Mineralogen haben Einige zugestimmt,
nämlich Dr. C. W. Gümbel in München und Dr. Hochstetter in
Wien; sehr entschieden entgegen getreten sind die Professoren
King und ßowney in Dublin; als zweifelhaft hat die Sache ge-
lassen unter Anderen Professor Dr. Zirkel in Leipzig; derselbe
neigt sich übrigens aus schwerwiegenden Gründen eher zu den
Gegnern der organischen Natur des Eozoongesteins; derer, welche
einfach nachschreiben, brauche ich nicht zu erwähnen.
— 156 —
Gerade als ein gewisser Stillstand in dem Kampf um das
Eo0oon canadense eingetreten war, fasste ich die Sache aufs
Neue an und überzeugte mich, dass das, was ^Eosoon canadense^
genannt wurde, als Wesen nicht existirt habe, sondern immer
eben nur Stein war. Das Resultat meiner Untersuchungen ist
in der genannten Zeitschrift niedergelegt. Diese Abhandlung ist
auch in England veröffentlicht worden.
Ich musste nun auf eine Entgegnung gefasst sein; aber
freilich nicht auf eine solche, wie sie sowohl von Dr. Gümbel in
dem Regensburger Correspondenzblatt 1876, als von Dr. William
Carpenter in „The Annais and Magazine of natural history"
Nr. 102, S. 407 erfolgt ist.
Diese Entgegnungen nöthigen mich, die weiteren seitdem
gefundenen Beweise für die entgegengesetzte Ansicht anzu-
führen.
Vor Allem nun habe ich bezüglich der Art der Beweis-
führung der Gegner aufs Neue Einiges zu bemerken.
Eine Autorität erkenne ich nicht an, sondern nur
Beweise. Allerdings musste man eben in der Beweisführung, wo die
Thatsachen nicht mehr ausreichen wollten, immer wieder (ich prophe-
zeite richtig das Brennus-Schwert der Autorität) das Wort hören
„die ersten Kenner der Foraminiferen haben sich für die orga-
nische Natur desselben entschieden"; dieser Glaubens-Eid ergänzt
in der Wissenschaft den Beweis nicht. Er kann blos Solche,
welche eben wissenschaftlich nicht prüfen, zu einem gewissen
Glauben verführen, also blinde Anhänger gewinnen. Gerade in
der vorliegenden Frage, welche von Anfang an zu Allem noch
eine Parteisache war, konnte weder die Autorität der Führer,
noch der Beifallssturm einer gewissen Menge entscheiden; diese
Menge hätte Allem geklatscht, was in den Kram passte. Ich
habe mich aber auch überzeugt, dass Gelehrte, welche darüber
schrieben und sich für die organische Natur mit einer Entschieden-
heit aussprachen, welche nichts zu wünschen übrig liess, nicht
einmal ein Präparat gesehen hatten, viel weniger eines besassen.
Solche Erfahrungen machen in dem Glauben an schreibselige
, Autoritäten" vorsichtig.
— 157 —
Ich komme zu einem weiteren Punkt formeller Natur in der
Beweisführung hinsichtlich des Eozoon.
Es ist offenbar nicht genügend, wenn irgend eine zoologi-
sche, und wäre es auch die grösste Autorität, den Beweis führte,
dass in einem Gesteine vorkommende Formen von Theilen dieses
Gesteins einem Thiere ähnlich seien, gleich konnte ja Niemand
behaupten. Völlig nichtssagend ist die Behauptung, sobald der
Mineraloge nachweist, dass dieselben Formen in einer andern
Anordnung vorkommen , wo anerkannter Massen von einem or-
ganischen Wesen keine Rede sein kann.
Dies war mein Beweissatz und ich glaube diesen Beweis
auch geführt zu haben, mit dem Folgenden jedenfalls ihn bis
zur vollen Evidenz zu führen.
Nun sagt aber Dr. Carpenter in seiner Entgegnung: „die
mineralogischen Details liegen ganz ausserhalb des Beweises
seiner Untersuchungen, die nur auf die organische Structur Bezug
haben." Das heisst mit andern Worten: Was die Mineralogen
für die unorganische Natur des Eozoon bewiesen haben, das
existirt für mich nicht: ich kenne blos Organismen und finde
ich, dass ein organisches Wesen da ist, so giebt es überhaupt
keinen Gegenbeweis. Die Mineralogen werden einfach für nicht
stimmberechtigt erklärt.
Diese Schlussfolgerung möchte richtig sein, wenn es sich
etwa darum handelte, ein schon vorhandenes Wesen als fossil
nachzuweisen, oder darum, bestimmt festgestellte Merkmale eines
Wesens an einem andern wiederzufinden, sowohl im Einzelnen
als in ihrer Zusammenstellung. Allein die Sache liegt anders.
Es handelt sich in der Frage des Eozoon um ein neues Wesen,
es handelt sich um Formen, von denen es eben von Anfang an
zweifelhaft ist, ob sie nicht an einem andern Ort rein unorga-
nischen Ursprungs sich wieder finden, wobei natürlich, wenn sie
sich so finden, alle Beweiskraft des Schlusses wegfällt.
Bei der Beweisführung sind die allgemeinen Regeln der
Logik anzuwenden. Nun hat aber jede Wissenschaft noch eine
besondere Logik, d. h. festgestellte Thatsachen, aus denen die
— 158 —
sichersten Schlüsse abgeleitet werden können. Ich führe eine
solche hieher bezügliche Thatsache an.
Es steht fest, dass Serpentin nie ein ursprüngliches
Mineral, sondern stets ein Zersetzungs-Erzeugniss aus Olivin,
Augit, Hornblende etc. ist; es steht ferner fest, dass der Ser-
pentin in ein anderes Mineral wie Augit, Hornblende, Olivin auf
nassem A¥ege nie und blos bei Schmelzhitze in Olivin sich zurück-
verwandelt*; es steht endlich fest, dass die vorliegenden Eozoon-
Kalke reine Wassergebilde sind. Ist dies Alles gewiss, so ist
die geringste Partikel eines Olivin- oder Augitcrystalls in einer
sogenannten Kammer zum vollen Beweis hinreichend, dass der
Serpentin derselben eben von diesem Mineral herrühre.
Eine weitere solche Thatsache ist folgende: Liegt Serpentin
von 2 — 3 mm. Durchmesser in einer Kalkhöhle, in welche ein
Crystall nicht eindaingeu kann, und enthält Serpentin noch unzer-
setzte (Crystall-) Mineraltheile, welche nicht eindringen und sich
dort nicht bilden konnten, so ist kraft mineralogischer Logik der
unumstössliche Beweis geführt, dass die ganze Ausfüllung der
Kalkhöhlung von nichts anderem herrührt, als von dem ursprüng-
lichen jetzt in Serpentin verwandelten Mineral. Ist der Serpentin
aber blos an die Stelle des Minerals getreten, so kann an
dieser Stelle von Anfang an keine Höhlung gewesen sein**.
Nicht minder strict beweisend ist die dritte Thatsache, dass
in der Zwischenmasse (intermediate skeleton) noch unzersetzte
Augit- Gry stalle und Glimmerblättcheu sich finden; wie sollten
diese in den „Knochen" kommen?
Und nicht minder beweisend ist die vierte Thatsache, dass
umgekehrt Kalkstücke in der Füllmasse sind.
Eine fünfte solche Thatsache der mineralogischen Logik,
* Quenstedt, Mineralogie. 3. Aufl. S, 299.
** Dr. Zirkel, Mikroskopische Beschaffenheit der Mineralien, S.811
sagt darüber: ,, Durch die Anwesenheit auch nur geringer Mengen von
Olivin und durch das Auftreten seiner Begleiter ist der Nachweis, dass
eine Serpentinmasse aus Olivinfels hervorgegangen, mit Sicherheit zu
führen."
— 159 —
welche bis jetzt von allen Forscliern übersehen worden ist, ist
folgende:
Dr. Carpenter behauptet, und es ist dies der Stützpunkt
seiner Ansicht, der Serpentin sei mittelst Infiltration in die
Kammern der Foraminifere gedrungen; auf diese Weise allein
konnte ja die Anwesenheit dieser „Schlange" an solch verdäch-
tigem Ort von Anfang an erklärt werden.
Ist der Serpentin der Kammern eine Infiltrationsmasse, so
muss er nothwendig völlig amorph gewesen und muss es noch
sein. Alle die Serpentinarten, welche nach ihrer äusseren Ge-
stalt in dieses Stadium der Wandlung gelangt sind, sind amorph.
Ich nenne hier besonders den Pikrolith. Es ist der flüssige Zu-
stand, der letzte Grad der Zersetzung des ursprünglichen Gesteins.
Das Gestein in diesem Zustand polarisirt nichtmehr.
Aller Serpentin in den Eo0oon-Ka,mmern aber zeigt die Bänder
und Netze, die Adern. Dies ist aber, wenn man die Sprünge
als das erste Stadium der Serpentinbildung annehmen will, das
zweite Stadium der Zersetzung desOlivins, und nun
erst beginnt das dritte mit der Auflösung der zuletzt übrig geblie-
benen Körner und damit aller Einzeltheile. (Zirkel 1. c. S. 216,
Rosenbusch, mikroscopische Physiographie, I. Bd. S. 371, 372.)
Letzterer Zustand findet sich auch im Eozoongestein; aber nie in
den Kammern, sondern blos in den Bändern und in Höhlungen von
regelloser Form, dort das Gestein ausfüllend; dort sind insbe-
sondere die Maschen gänzlich verschwunden.
Im canadischen Gestein der Kammern sehen wir den Ser-
pentin durchaus noch im zweiten Stadium des Zersetzungszustands.
Hiermit ist der Nachweiss, dass das Mutter gestein gerade
an der Stelle des Serpentins gelegen habe, wieder
bis zur Evidenz geführt, denn halbzersetzter Olivin kann nicht
durch mikroscopisch kleine Poren in Foraminiferen - Kammern
dringen. Der Glauconit ist kein Beweis, denn dieser ist un-
zweifelhaft ein Niederschlag aus wässriger Lösung. Eine solche
aber kann jede, auch die kleinste Röhre durchdringen.
Dies Alles sind mineralogische Thatsachen, welche in der
mineralogischen Logik einen unumstösslichen Beweis liefern; hier
— 160 —
also Gewissheit, bei den Gegnern blose Wahrscheinlichkeit aus
der Form, und man weiss, wie diese trügt.
Man braucht keiner der hervorragenden Mineralogen zu
sein, auf deren Zeugniss Dr. Carpenter sich beruft, um das
ganze Gewicht solchen Beweises zu verstehen; er ist für den
Laien schon völlig verständlich, sobald nur die zwei Thatsachen
gegeben sind : 1) der Serpentin ist immer ein Zersetzungs-Product
und zwar ein Wasser-Zersetzungsproduct ; 2) es liegt ein Krystall-
stück in einem Eaum, in welchen es, so wie es'ist, von aussen
nicht eindringen kann ; das Mineral selbst ist kein Wasserprodukt.
Nun glaube ich aber, wer überhaupt einmal mit Gesteinen
sich beschäftigt, übernimmt damit eben auch die Verpflichtung, mit
den mineralogischen Thatsachen wenigstens einigermassen sich be-
kannt zu machen. Man muthet dem Mineralogen zu, dies bezüg-
lich der Foraminiferen, der zoologischen Thatsachen zu thun,
also ist das Umgekehrte nicht mehr als billig. Ich gebe daher
den Vorwurf, als habe ich mich mit den Foraminiferen nicht
beschäftigt, zunächst auf dem andern Gebiete zurück, werde ihm
aber auch auf dem Gebiete der Foraminiferen selbst antworten.
Von Anfang an nicht so günstig als für den Mineralogen
liegt die Sache des Eo0oon freilich für den Zoologen, voraus-
gesetzt natürlich, dass nicht die Autorität der Hauptbeweis
sein soll.
Ich stehe aber nicht an, auch eine zoologische Logik anzu-
erkennen.
Gerade aber die allgemeine sowohl als die zoologische Logik
fordern, dass eine Erscheinung nicht als zoologische That-
sache angenommen werde, wenn dieselbe Erscheinung im Gebiete
der unorganischen sich findet.
Nun muss der Zoologe unbedingt einräumen, dass diejenigen
Merkmale, welche er als Beweise für die organische Natur des
Eozoon anführt, in keinem andern bekannten, organischen Wesen
zusammen sich finden. Er gesteht also zu, es sei blos eine
Aehnlichkeit im Ganzen da. So bleibt seine Beweisführung auf die
Aehnlichkeit der einzelnen Theile beschränkt. Ist im Ganzen
blos eine Aehnlichkeit, so muss, soll irgend von einem Er-
— 161 —
gebniss die Rede seiu, völlige Gleichheit der einzelnen Theile
mit Theileu anerkannt organischer Wesen dargethan werden.
So nachsichtig man also auch in dem ersten Theil der
Beweisführung, in der Beurtheilung im Ganzen sein kann:
so streng muss man in dem zweiten Theil, nämlich in dem
Nachweis der vollen Uebereinstimmung der einzelnen Theile mit
Theilen anerkannter Organismen sein; hier darf man sich mit
blosser Aehnlichkeit nicht mehr begnügen oder die ganze Sache ist
nur Hypothese auf Hypothese, an welchen freilich unsere Zeit
reicher ist, als im Interesse der Wissenschaft zu wünschen wäre.
Wie fatal es schon im ersten Theil des Beweises aussieht,
das bezeugt die Thatsache, dass man stets von einer Analogie
zur andern springt, immer wird ein Neues gesucht und gesagt :
mit diesem stimmt Eosoon, dann mit dem andern, und endlich
sagt ein „guter Kenner der Foraminiferen", es sei doch mehr
Coralle als Foraminifere.
Nun, wäre auch wirklich eine grosse Aehnlichkeit des
Ganzen mit andern Organismen, ist auch Aehnlichkeit im Ein-
zelnen nachgewiesen, so ist bei den Einzelmerkmalen immer vor-
her zu fragen: Existirt nicht dieselbe Erscheinung im un-
organischen Eeich? Trifft dies zu, so schwindet auch hier alle
Beweiskraft, und wenn zuletzt nur ein einziges wesentliches
Merkmal einer Foraminifere auf solche Weise wegfiele, so fällt
damit wenigstens der ganze wissenschaftliche Beweis zusammen.
Diese allgemeinen Sätze und Thatsachen sind geltend ge-
macht, sind aber von der Kritik theils übergangen, theils
durch völlig nichtssagende Entgegnungen zu beseitigen versucht
worden. Hier zeigt Dr. Carpenter, dass er eben ganz und
gar nichts von Mineralogie versteht; denn wenn er der ersten
oben angeführten Thatsache, nämlich dem Vorhandensein von
Olivin-Partikeln in den Kammern des Eoßoon, die Kalkspath-
krystalle in den Ammoniten entgegen hält, so weiss man wirk-
lich nicht, was man denken soll. Jeder Anfänger in der Mi-
neralogie weiss, dass jeder Kalkspath aus einer wässerigen
Lösung, niemals aber ein Olivin oder Augit aus Serpentinmasse
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 11
— 162 —
auf wässerigem Wege krystallinisch sich niederschlagen kann.
Solche Dinge sind also selbst einem blossen Zoologen nicht zu
verzeihen, sobald er nämlich in das Gebiet der Palaeontologie
sich begibt.
Die Entgegnungen Carpenters lassen sich nur mit grasser
Unkenntuiss eben des Gebiets, auf dem er arbeitet, erklären,
ob entschuldigen, ist eine andere Frage. ' m
Ehe ich auf den zoologischen Gegenbeweis eingehe, soll
der mineralogische Beweis noch ergänzt werden.
Hier kann man sich auf längst erwiesene mineralogische
Thatsachen berufen, es lassen sich aber auch noch neue bei-
fügen.
1) Wie schon früher angeführt wurde, muss zunächst der
Serpentinkalk in allen seinen Vorkommnissen erforscht werden.
Da früher kein besonderes Interesse dahin zog, so wurden ge-
naue Untersuchungen unterlassen und daraus erklärt sich auch,
dass „bedeutende Mineralogen" zugaben, dass das canadische Vor-
kommen des Serpentinkalks nirgends sich wiederfinde, was
übrigens durchaus unrichtig ist, denn es glauben ja Dr. Gümbel
und Dr. v. Hochstetter wirkliches Eo0Oon-GcQstem entdeckt zu
haben und zwar ersterer bei Passau, letzterer in Böhmen.
Dieser Kalk soll auch Eoraminiferen-Structur haben, er wäre also
dem canadischen sehr ähnlich. Weil es eine Bestätigung der
Ansicht war, so acceptirte man diese Widersprüche natürlich
sofort als Beweise. Es ist jedoch sicher, dass eben diese Funde
doch mit den canadischen nicht völlig übereinstimmen, ja dass
ihnen gerade das fehlt, was allein als Merkmal einer Fora-
minifere im canadischen Gestein angesehen werden könnte. Ich
habe die Gesteine von Bayern und Böhmen auch geprüft und
nichts an ihnen gefunden , als eben Serpentin und Kalk ver-
gesellschaftet, einige Chrysotil-Fasern und die Structur des
Kalkes, wie er in aller Welt vorkommt. Aber andere Serpentin-
kalke habe ich gefunden, welche eben die charakteristische Form
des canadischen Gesteins zeigen, nur mit einer solchen Anordnung der
für sich völlig gleichen Theile, dass von einem organischen
Wesen keine Rede mehr sein kann.
— 163 —
Zunächst desshalb einige allgemeine Bemerkungen bezüglich
des Serpentiukalks.
Serpentin und Kalk finden sich überall zusammen vor.
Wo nur Serpentin vorkommt, finden sich zum mindesten Kalk-
wände, daher auch Serpentinkammern. Das ist eine minera-
logische Thatsache; ich führe als Beispiel den prachtvollen von
Elba an.
Aber es finden sich beide Mineralien, Kalk und Serpentin,
ganz gewöhnlich schichtenförmig und zwar Serpentin und Kalk
regelmässig wechsellagernd. Ein solcher Serpentin, und zwar
ein mit dem canadischen in Structur und Zusammensetzung
gleicher, ist der von Lissiz, wovon eine ganze Reihe von Hand-
stücken mir vorliegen. Dieser unterscheidet sich auch mikro-
skopisch kaum von dem canadischen.
Diese allgemeine Aehnlichkeit zwischen den Ser-
pentinkalken tritt überall auf. Wir haben also zunächst einmal
beide Mineralien ganz regelmässig vergesellschaftet
und zwar sowohl geschichtet in Wechsellagern als in der „Acer-
vulinen-Forra*. Diese Vergesellschaftung spricht dafür, dass
Serpentin und Kalcit einen gemeinschaftlichen Stammvater haben,
nämlich ein kalk- und magnesiahaltiges Mineral. Augit z. B.
enthält nach der Analyse (bei Blum S. 370) bis 20 Theile
Kalk-, bis 18 Theile Talkerde. Zersetzt sich das Gestein, so
erklärt es sich sehr leicht, dass wir Dolomit, Kalk und Serpentin
zusammen finden.
Hier ist also kein organisches Wunder, im Gegentheil würde
es schon mit den Untersuchungen von Prof. King und Eowney
ganz gut stimmen, welche in dem Serpentinkalk das ursprüng-
liche noch unzersetzte Mineral, das sie für Augit ansahen, ge-
funden haben, wie dies ja auch bei allen Serpentinkalken aus
Olivin von mir nachgewiesen wird.
Aber auch der Olivin enthält Kalk, wie das Zersetzungs-
product desselben, der Ophit von Snarum, ergibt.
2) Es kann schon desshalb eine Kalkwand für sich keines-
wegs aus dem Vorhandensein einer Thierschale erklärt werden,
sie müsste jedenfalls nach Formen zeigen. Bei der Zer-
11*
— 164 —
Setzung des Augits und Olivins zu Serpentin bilden sich zuerst fast
parallele Adern, dann Queradern, also Maschen; in die einen
dieser Maschen setzt sich der Kalk ab, in die anderen die durch-
sichtige Serpentinmasse mit Bändern, welche feine Faserstructur
zeigen. Häufig findet sich das unzersetzte Mineral als Kern in
Form der Maschen, in anderen Theilen des Kalks finden sich
noch die ganzen (unzersetzten) Crystalle. Dass ein Theil der Aus-
füllungsmasse wirklich kohlensaurer Kalk ist, sieht man sofort
daraus , dass sie mit Salzsäure Kohlensäure entwickelt. Man
sieht also hier die Scheidung des ursprünglichen Minerals in
zwei Bestandtheile. Es bedarf nun nur des Hinzutritts von
Wasser, das Mineral zersetzt sich in seine Bestandtheile und
das eine wie das andere lagert sich nach den bekannten Ge-
setzen ab. Ist die ganze Masse noch ('wie man bei der Ser-
pentinbildung annehmen muss) flüssig, so wird die Lösung in
durchgehenden Lagern und Schichten sich absetzen, die halb-
zersetzten Crystalle in gallertartigen Klumpen werden sich auf den
Kalk auflagern und dort je nach den äusseren Bedingungen in
ihrer Zersetzung fortfahren. Die Zersetzung hat eine Aus-
dehnung des Volumens zur Folge und dadurch werden immer
runde Formen und später Sprünge entstehen, wie wir sie bei
canadischen Gesteinen sehen. Es ist aber leicht möglich, dass
sich einzelne Crystalle und Körner nicht weiter zersetzen (weil
der Wasserzutritt durch die Erhärtung des Kalks gehindert ist),
dann enthält dieser noch unzersetzte Theile, ja ganze Körner,
während ein anderer Theil des Gesteins bis zur völligen Auf-
lösung fortschreiten kann und dann regelmässige ebene Lagen
bildet. So erklärt sich das canadische Gestein ganz natürlich.
3) Das ursprüngliche Canada-Gestein enthält ein Magnesia-
Silicat, eingebettet in Kalk , so wie wir sie heute noch
finden, ähnlich also wie Spinell, Choudrodit, Coccolit im Kalk
vorkommen. Es bleiben nun zwei Möglichkeiten, die eine, dass
zuvor die mit Kalk vergesellschaften Minerale in ihrer jetzigen
Form in die Kalkschichten auf irgend eine Weise gekommen,
der andere, dass sie nachher dort zersetzt worden sind. Bei
letzterer Annahme allein erklärt sich aber die Abwesenheit von
— 165 ~
reinen Serpentinmassen an anderen Stellen der Kalkschichten ; für
letztere Annahme spricht auch der Zustand des Serpentins im
zweiten Stadium der Zersetzung. Die eigenthümliche Form erhalten
die Stücke und dann auch der Serpentin selbst durch den Druck
des sie umgebenden und überlagernden Gesteins im Zustand der
Erweichung. Legt man Massen von annährend gleicher Dicht-
heit auf einander und drückt und knetet sie, so dehnen sich
die weichen Stücke gleichmässig aus. Ist die einschliessende
Masse noch weich, wie das bei den Eosoon-Stücken unzweifelhaft
der Fall sein musste und tritt ein Druck Seitens der umgebenden
Masse hinzu, worauf die ganze Lagerung hinweist: so müssen
die Stücke Fluidalstructur annehmen, wie wir dies auch bei
einem Theil des canadischen Gesteins sehen.
Wo irgend unzersetztes Gestein ist, hat es seine Form,
Sprünge, Brüche beibehalten, der beste Beweis, dass unsere
Deutung die richtige ist. Es finden sich aber auch eckige
Kalkstücke in der Serpentinmasse, also in den sogenannten
Kammern wieder, ein Beweis, dass der Serpentin nicht in-
filtrirt ist, denn solche Stücke könnten nicht durch Tubuli,
nicht durch Zwischengänge eindringen.
Nun hat Dr. Carpenter die Hypothese der Kalkbildung
überhaupt, sowie insbesondere auch die von der Umwandlung
des cararischen Marmors hereingeworfen. Diese Hypothese ist
aber eben eine und zwar schon längst aufgegebene. Ich
verweise hier einfach auf Quenstedt „Epochen der Natur*
S. 91 ff. Mit solchen Dingen lässt sich also nichts machen,
Hj^othesen aber kann man nicht mit und besonders nicht mit
schon widerlegten Hypothesen stützen. Eben der Serpentin von
Snarum zeigt, dass es zu Kalkausscheidungen keiner organischen
Wesen braucht.
4. Ehe ich weiter gehe, soll die Lagerung des Serpentin-
kalks im Kalkstein und dieses Gesteins im Gneis erwähnt
sein. Ich habe die Lagerung in Canada nicht selbst gesehen,
ich glaube Dr. Carpenter hat es auch nicht; Dawson's Mit-
theilungen ist nur so viel zu entnehmen, dass Serpentinkalk-
— 166 —
stücke im Kalk und dieser im Gneis eingebettet liegen, von
Serpentinlagern im Gneis oder Kalk ist nichts gesagt.
Dass Gneis, das erste geschichtete Gestein ist, ist sicher.
Eine Schichtung, wie wir sie finden, kann nicht ohne Wasser
gedacht werden. Da nämlich die Bestandtheile des (ungeschich-
teten) Granits völlig gleich sind mit denen des aufgelagerten
Gneises, so muss als höchst wahrscheinlich angenommen werden,
dass letztere, aus denselben Baustoffen gewonnen, nur hinsicht-
lich der Anordnung der Theile eine weitere Aenderung erlitten
haben. Die Aenderung erfolgte am natürlichsten durch das
Wasser. Ich habe Gneisstücke von Villingen (Baden), deren
Spaltungsflächen so eben sind, als die Schichten des Thon-
oder Lithographenschiefers. Die Bestandtheile stimmen mit dem
Syenit, in welchem der Gneis eingelagert ist, völlig überein.
Schon die Profile Dawson's ergeben sofort einen sedimen-
tären Ursprung der Gesteinbildung. Die Folgerungen hieraus
mögen nun ebenso für als wider verwendet werden. Nur muss
man mit gleichem Maasse messen. Sagt man auch mit
voller Wahrscheinlichkeit, das erste organische Wesen muss in
einem Sedimentgestein sein, so ist damit das Wo? im Sediment-
gestein noch nicht bestimmt.
Dass die organische Schöpfung irgendwo anfangen muss,
ist ebenso gewiss, als es ungewiss ist, wo sie anfängt.
Dr. Dawson bildet zu Kap. 3 seines Werkes ,Life's Dawn
onEarth" ein herausgewittertes Stück Eo^oon-Gesteiu ab und sagt»
dass diese Stücke zerstreut im Kalke liegen. Warum man hierin
gerade die Form eines Korallenriffs sieht, weiss ich nicht. Die
Form könnte ebenso gut Alles andere sein. So viel ist also
gewiss, dass diese Serpentinstücke blos als Knollen im Kalk vor-
kommen.
Gerade aber diese Lagerung fordert sofort einen sehr ge-
wichtigen Einwurf gegen den organischen Ursprung heraus.
Ein Korallenriff besteht aus Korallen, diese müssen auf
einem anderen Gegenstand, in der Regel auf einem Gestein, auf-
sitzen, sie können nicht schweben. Nun kann aber der Kalk,
— 167 —
in welchem die Eozoon-Siücke liegen, kaum anders als flüssig
gedacht werden. Es muss also das Gestein, auf welchem die
Koralle sitzt, weil viel älter, also auch eine andere Masse ge-
wesen sein, als diejenige, auf welcher später die Koralle sich
aufsetzte.
Warum sollen blos die „Kammern" Serpentin enthalten?
Wenn der Vorgang der von Dr. Carpenter behauptete wäre, so
müssten, da im Kalk auch sonst Höhlungen sich befinden, diese
mit Serpentin ausgefüllt sein, ja, es müsste überhaupt Serpentin
im Kalk ausserhalb der Eo^oon-Stücke sich finden.
Es wäre nämlich ein durchaus unbegreiflicher Vorgang,
dass der Serpentin, als wäre er gerade nur zur Ausfüllung der
Eo0oon-Ka.mmeni bestimmt gewesen, durch die dicken Kalklager
dorthin gezogen und dort etwa wie ein Vogel sich eingenistet
hätte, um einige Millionen Jahre später den Zoologen das „ganz
getreue Modell des Eozoon zu erhalten".
Diese Thatsache, d. h. das Fehlen des Serpentins an
anderen Stellen des Kalks, spricht ganz entschieden für die Ent-
stehung des Serpentins (aus Olivin, Augit) anOrtund Stelle,
also aus einem im Kalk eingebetteten Minerale, es stellen
sich diese ^o^oow - Kalkstücke eben als Brocken eines
Oesteins dar, in welchem wahrscheinlich erst nach ihrer Ab-
lagerung im Kalk die Zersetzung und dabei die Kammerbildung
vorging. Nur Eine Möglichkeit bleibt übrig: die an einem
andern Ort schon fertigen „^o^oow-Schalen mit Serpentin-In-
filtration" wären auf irgend eine Weise in die flüssige Kalk-
masse gefallen.
5) Man beruft sich so gern auf das Vorkommen von
Glauconit in den Nummuliten. Allein dieser Glauconit ist nicht
blos in den Nummuliten, sondern auch im Muttergestein derselben.
Hierdurch unterscheiden sich also die Nummuliten gerade wesent-
lich vom jEo^oon-Gestein.
6) Noch eines weiteren nicht minder gewichtigen Einwurfs
muss hier Erwähnung gethan werden.
So bequem es der Serpentin der künftigen Forschung ge-
macht, indem er für Herstellung von ganz genauen Modellen
— 168 —
gesorgt hätte, so wenig war er doch eigentlich dazu nothwendig,
jedenfalls trug er nichts zur Erhaltung der Kalkschale des
Morgenröthe-Thierchens bei.
Wie kommt es nun, muss man sich fragen, dass während
in Einem Stücke die zartesten Theile des «Thiers" im Kalk er-
halten sind, nämlich die Astsysteme, diese mit der Kalk-
schale (dem proper wall, dem eigentlichen Thierknochen) sich
nicht sonst im Kalk (ohne Serpentin-Ausfüllung) erhalten haben,
für die oberflächliche Beobachtung wohl weniger deutlich, aber
natürlich im Dünnschliff sofort erkennbar?
7) Aus dem Bericht W. Dawson's, Quarterly Journal 1. c. 228
geht hervor, dass sicli die „Kanalsysteme" im blosen Kalk
finden, aber auch nur diese und ohne die „Schale". Also Ast-
systeme und keine Schale, folglich Astsyst^me wie im Chon-
drodit- und Spinellkalk!
8. Betrachtet man den Durchschnitt, welchen W. Dawson
in seinem „Life's Dawn" S. 13 giebt, so ist gewiss, dass die
Kalklager sehr erhebliche Pressungen erlitten haben. Sie sind
wellenförmig gelagert, dies ist ohne starke Massenbewegung
fast nicht denkbar. Man muss also die Wirkungen eines Drucks
mit aller Nothwendigkeit in Eechnung nehmen, wobei der Druck
sich auch auf blose Einschlüsse erstreckte. Im Durchschnitt
S. 22 stehen die Schichten sogar auf den Köpfen. Dies genügt
vollständig, um alle Erscheinungen zu erklären.
9) Einen eigenthümlichen Eindruck macht es, wenn Dr. Car-
penter aus diesen Thatsachen völlig widersprechende Folgerungen
und beide zieht, um dasselbe zu beweisen.
Das eine Mal nämlich beruft er sich auf die gewaltigen
Veränderungen, welche das Eozoon-Gestem erlitten habe und
entschuldigt damit das Fehlen gewisser organischer Bildungen;
das andere Mal wird hervorgehoben, wie unendlich feine Structur-
verhältnisse, welche die organische Natur beweisen, erhalten
seien. Ueberall, wo das Eosoon in der „Acervulinenform" auf-
tritt, fehlen die Schalen, fehlen die Zwischengänge, fehlen die
Astsysteme. Nun lässt sich aber dafür kein vernünftiger Grund
denken, warum in demselben Handstücke 3 cm entfernt die
— 169 —
feinsten Structuren des Eosoon sich erhalten haben sollten,
3 cm davon entfernt aber nicht.
10) Professor King und Kowley schon haben nachgewiesen,
dass ganz dieselben Erscheinungen, wie im iJo^ooii-Gestein, in
verschiedenen anderen Gesteinen sich finden, z. B. im Chon-
droditkalk, im Kalk und Spinell, im Coccolith.
In der That habe ich in diesen Gesteinen und neuerdings
auch in einem Serpentinkalk von Euston, worin die Crystalle
selbst noch ganz unzweifelhaft erhalten waren, die Kammern,
die Schale, die Astsysteme und „zahnsubstanzartige" Bildung in
derselben Weise wie in dem canadischen Gestein beobachtet.
Die Astsysteme selbst sind von Dr. Dawson ohne die übrigen
JKo^oow-Theile im Kalk (ohne Serpentin) beobachtet worden.
Dr. Dawson hat wohl nicht gefühlt, dass hiemit das Todes-
urtheil des Eosoon gesprochen war. Denn Astsysteme ohne
Schale und Kammern! Das Allerfeinste wäre erhalten, das Grobe
untergegangen.
Freilich, Dendriten von Lithographenkalk , Kupfer-, Silber^
Dendriten möchte ich nicht als Analogien anführen. Letzteres
sind Crystallbildungen.
Ich habe aber auch in einem reinen Marmor Astsysteme
beobachtet. Diese bilden also auch durchaus keine Besonderheit
des canadischen Gesteins.
11) Zur Erklärung des canadischen Gesteins ist nur Eine
Annahme nothwendig: dass wie in hundert anderen geschichteten
Gesteinen eine (in regelmässigen Zeitzwischenräumen vor sich
gegangene) gleichmässige Einlagerung von Olivin- oder Augit-
körnern im Kalk sich vollzog. Damit sind die Serpentinlagen
erklärt. Die Schale, sowie die Zwischengänge und Astsysteme
waren Folge der Zersetzung (Anschwellung und Ausscheidung),
dabei war Druck von aussen.
Ich werde nun in Folgendem die einzelnen T heile
der „ßiesen-Foraminifere" erörtern und die hierauf be-
züglichen Thatsachen zusammenstellen.
— 170 —
1) Die Kammer (Chamber) und ihre Füllung.
Es ist nachgewiesen, dass in diesen Kammern unzersetztes
Mineral sich .findet, welches auf wässerigem Wege sich nicht
bilden kann und nicht gebildet hat, welches aber ebensowenig
auf mechanischem Wege in die Kammern gelangen konnte.
Der Serpentin ist ein Zersetzungsproduct und kann von den
verschiedensten Mineralien kommen. Wo sich unzersetztes Mi-
neral findet, kommt es selbstredend von diesem. Hier muss
aber aller Serpentin als aus diesem Mineral entstanden an-
genommen werden. Oben ist schon erwähnt, wie es doch ein
Wunder sondergleichen wäre, wenn der Serpentin durch grosse
Kalklager hindurch durch mikroskopisch kleine Canäle einzig in
Foraminiferen-Kammern sich abgelagert hätte, sonst aber nicht
vorhanden wäre. Also ist die umgekehrte Annahme die richtige:
der Serpentin hat sich an Ort und Stelle aus dem
Mineral gebildet, dann ist er an die Stelle des Minerals
und nicht an die Stelle einer Sarcode in die nun leere Kammer
eingedrungen.
Was die Form dieser Kammern betrifft, so erklärt sie sich
einfach durch die Einlagerung von Olivin- oder Augitkörnern im
Kalk. Von Chondrodit sieht man sie ebenso. Bei der Ver-
wandlung in Serpentin, velche blos durch Hinzutritt von Wasser
sich denken lässt, quollen die nebeneinander in Schichten liegen-
den Crystalle auf und reihten sich so an einander. Hierdurch
entstanden:
2) die Zwischengänge (Stolons).
Diese sind von äusserst unregelmässiger Form. Wohl zu
unterscheiden sind die Zwischengänge, welche nicht von Ser-
pentin, sondern von einem anderen Mineral ausgefüllt sind.
Wäre nämlich der Serpentin blose Füllmasse der Zwischen-
räume , so müsste er alle Hohlräume gleichmässig ausgefüllt
haben. Diese sind aber eben nicht von Serpentin, sondern von
einer anderen Masse ausgefüllt. Wir werden hierauf bei den
Astsystemen kommen. Diese Zwischengänge sind völlig unregel-
mässig.
__ 171 —
Folglich ist das, was in den Zwischengängen abgelagert ist,
ein Ausscheidungsproduct bei der Zersetzung des Olivins oder
Augits und in der That unterscheidet sich diese Füllmasse ganz
deutlich von der der Kammer. Sie ist also ein Ausscheidungs-
produkt und suchte sich einen Ausweg, nachdem der Raum
für sie nicht mehr hinreichte.
Aber es finden sich in jedem Handstücke eine grosse Zahl
von Kammern, welche durchaus kein e Zwischengänge haben
und gerade diese zeigen noch crystallinische Structur mit Pola-
risationserscheinung von doppelt b rechenden Mineralien. Je
weniger die Zersetzung vorgeschritten, um so mehr haben die
Umrisse noch gerade Linien und nicht runde, wie die Kammern.
Beide Erscheinungen zusammen beweisen, dass die Zwischengäuge
nur bei der Zersetzung des Serpentin-Gesteins entstanden sind.
Ich zeige dies an einer Abbildung, Taf. II, Fig. 2, eines Dünn-
schliffs von einem Serpentinkalk, in welchem sowohl Olivinkörner
als Serpentinkammern, und in welchen Aragonit, Flocculit und die
Astsysteme vorkommen, wie im canadischen.
Wo aber die Täuschung Dr. Carpenter's am bedeutendsten
hervortritt, das ist
3) in der Schale (original cell- wall, proper wall).
Dr. Carpenter nimmt es als ausgemacht an, dass die Kam-
mern von einer Schale umgeben seien. Ich habe eine grosse
Anzahl Schliffe durchgesehen und habe um den grössten
Theil der „Kammern" keine Spur einer Schale gefunden, obgleich
die Erhaltung unter den ganz gleichen Bedingungen stand, wie
die, wo man etwas der Art bemerken konnte.
Allerdings ist überall fast das Bild einer Schale da, dies
ist aber, wie ich schon früher zeigte, eine unverzeihliche optische
Täuschung. Die „Kammern" sind rund. Wird eine Platte daraus
geschliffen, so erscheint die Seiten-Oberfläche des Serpentins
(zwischen beiden Schnittflächen) als Schale. Die Sache klärt sich
sofort, wenn man beobachtet, wie die „Schale" dicker und dünner
wird je nach der Rundung und der Schnittfläche. So stellen z. B.
die schraffirten Linien 2, der Tafel 14 im Quarterly Journal of
the geological Society nichts dar als die Berührungsfläche des
— 172 —
Serpentins mit dem Kalk. Sie sind das Bild der runden Ser-
pentin-Oberfläche (der Seiten) auf der Ebene des Glases projicirt.
In denselben Irrthum verfiel Dr. Dawson. Nun ist aller-
dings an manchen Stellen noch eine Parallellinie zu bemerken,
welche eine Schale andeuten könnte und sind Nadeln in diesem
Theile.
Die ganze Masse der „Schale" polarisirt nicht, ist also
Kalk. Sie unterscheidet sich von der sonstigen Masse nur durch
Chrysotil'Nadeln. Diese polarisiren, liegen unmittelbar am Serpentin
an und stehen in unregelmässigen Abständen von einander. Nur
selten steht eine ganze Ader von Chrysotil unmittelbar am Ser-
pentin an.
Was hier sofort jedem Foraminiferenkenuer in die Augen
springen muss, ist die Thatsache, dass diese Nadeln nicht senk-
recht auf der Kammer stehen.
Esgiebt nämlich keine Foraminifere, keinen Nummuliten, über-
haupt keine Muschelschale, in welcher die Tubuli der Schale nicht
in der Richtung des Eadius, sei es des Kreises oder der Elipse
und zwar fast mathematisch genau lägen. Diese Thatsache ist der
allersicherste zoologische Gegenbeweis gegen eine organische
Schale. Die Nadeln liegen sogar horizontal an der "Wand an, was nie
in einer organischen Schale vorkommt. Dr. Carpenter braucht
nur seine Abbildung von NummuUtes lavigata, Fig. 258 seines
Werkes „The Mikroscop etc." genau anzusehen, um sofort von
dem Nichtvorhandensein einer Analogie zwischen Schale einer
Foraminifere und der , Schale des Eozoons" sich zu überzeugen.
Ich habe hunderte von Nummuliten und Foraminiferenschliffen
(gemacht und) gesehen und überall dieses Gesetz bestätigt
gefunden.
Allein die Tubuli sind und waren nie Röhren, sondern sind
Crystallnadeln.
Freilich wenn die Zeichnungen Dr. Dawson's auf S. 106
„Life's Dawn on Earth" richtig wären, müssten es Röhren sein:
diese Zeichnungen sind aber geradezu falsch. Ich habe diese
Nadeln mit dem Immersions-Objectivsystem 10 von Hartnack
(Ocular 3), untersucht.
173
Die Tubuli der Nummuliten, auch der nur mikroskopisch sicht-
baren Nummuliten, enthielten immer die Füllmasse der Kammern:
wo diese Glauconit ist, ebenfalls Glauconit. Die Füllmasse der
^Tubuli« im Eo0oon-Gestem ist, wie die Beobachtung bei pola-
risirtem Licht ergiebt, eine andere als die der Kammern, es ist
crystallisirtes Mineral, denn es polarisirt, und zwar Chrysotil.
Wenn Dr. Dawson Eöhren abbildet (Life's Dawn on Earth
S. 106), so sind die Abbildungen auch in diesem Theil falsch.
Diese finden sich nirgends in der „Schale.« Die Abbildung des
daneben stehenden Chrysotils kann nicht mit der , Schale« ver-
glichen werden, weil hier blos eingesprengte Nadeln sind, dort
reiner dichter Chrysotil ist, welcher natürlich ein ganz anderes
Bild giebt, als einige Chrysotil-Nadeln.
Die Zeichnung S. 106 giebt, was die Dicke der Nadeln
betrifft, ein sehr schlagendes Beispiel, wie wenig zuverlässig die
Zeichnungen sind. Ich habe die „Schale« des Eo0oon mit
llOOfacherVergrösserung beobachtet, aber nie auch nur annähernd
das Bild, wie Dawson Fig. 27 1. c. es darstellt, erhalten, nur
Fig. 49 c ist richtig. Die /rubuli« meiner Präparate sind alle
mcht messbar: es sind bei der höchsten Vergrösserung stets
Linien. Das ist eben die Folge ihrer Eigenschaft als Crystall-
aggiegate, welche sich bekanntlich ins^Unendliche theilen lassen
Die Tubuli von Ämphistegina messen 0,0075 mm, von üotalia
und Cälcarina 0,0075 mm, von Tinoporus haculatus 0,0018 mm.
Diese Tubuli stehen ferner alle in regelmässigen Entfernungen von
einander ab und geben wirklich das Bild von runden Hohlräumen.
Ebenso die Tubuli der Nummuliten. Hier ist aber noch etwas,
was sich bei dem Eozoon nicht findet, eine Horizontal-
streifung, von den Schalenschichten herrührend, wie sie'Dr.Car-
penter richtig abbildet.
Nimmt man dazu, dass der Chrysotil ganz regelmässig sich
an den Bändern des Serpentins oder Pikroliths ablagert, dass in
allen ^o^öo?^-Stücken ganze Chrysotiladern sind, was durch den
Polarisationsapparat leicht festzustellen ist, so ist es sicher, dass
man es hier nicht mit den Eöhren von Nummulitenschalen, sondern
mit Nadeln im Kalk an der Grenze des Serpentins zu thun hat.
— 174 ~
Es liegen mir Dutzende Yon Serpentinen vor, wo überall
eine solche Chrysotilscliichte den Serpentin umlagert. Ich habe
ein solches, worin ein Kalkstück eingebettet ist, und richtig
ist der Kalk mit einer ganz vollkommen gleich dicken Schichte
von Chrysotil umgeben, welcher in concentrischen Nadeln liegt
nnd doch ist es sicher keine Nummulitenschale.
Die angebliche Schale der Riesen-Foraminifere (die Seite
horizontal projicirt) ist also nichts als in der Hauptsache eine
optische Täuschung; wo etwas einer Schale Aehnliches zu finden
ist, ist dasselbe in jedem Serpentinkalk. Ich erinnere hier nur
an die Beobachtungen, welche Eosenbusch (I.e. S. 163) mittheilt
„Wie V. Draschke um den Almandin der Eklogit regel-
mässig eine Zone von strahliger Hornblende fand, so be-
merkt man an den Pyropen im Serpentin von Löblitz unter
dem Mikroskop fast ausnahmslos eine deutliche Zone von
Chrysotil, dessen Fasern (sogar) senkrecht auf den Um-
rissen des Pyrops stehen (Fig. 66)."
Diesen Kranz von Chrysotilnadeln habe ich in allen Ser-
pentin-Kalken gefunden.
4) Die Canäle in der Z wischen masse (Astsysteme)
hätten offenbar nur den einen Zweck, die Verbindung der Sarcode der
Kammer mit der Aussenwelt herzustellen. In den von Dr. Car-
penter als analog angeführten Foraminiferen finden sich grössere
Gänge, welche alle Schalen durchsetzen, und kleinere, welche
offenbar die Verbindung von einer Schale zur nächsten Kammer
herstellen. Alle aber sind symmetrisch geordnet, die feinen
Canäle ihrer Bestimmung zufolge gleichmässig vertheilt.
Die Canäle des Eozoon aber lassen sich mit jenen gar
nicht vergleichen. Einmal fehlen sie überhaupt in dem grössten
Theile eines jeden Stücks. Sodann treten sie mit grösster Un-
regelmässigkeit auf, das eine Mal rund, das andere Mal eckig,
was nie in einer organischen Schale vorkommt; wie Dawson sie
abbildet, wird sie nie ein Mikroskopiker gesehen haben. Ferner
kommen sie vor in allen Durchmessern, gross und "fein neben-
einander; der „Flocculit", welcher sie ausfüllt, kommt daneben
in völlig unregelmässigen Formen vor.
— 175 —
Noch stärkerer Zweifel erhebt sich, wenn man sieht, dass
diese Canäle in ganz ungleicher Richtung verlaufen und der
schlimmste endlich ist der von mir schon früher hervorgehobene,
dass sie nur in gewissen Kalkpartikeln vorkommen, offenbar also'
durch das Gestein bedingt waren.
Finden sich aber solche Canäle in anderen Gesteinen, wie
im Chondrodit- und in Serpentin-Kalken, welche nicht als Eozoon-
haltig behauptet werden können, so stehen sie in keinem Zu-
sammenhang mit den übrigen „Foraminiferentheilen" und fällt
ihr Beweiswerth für das Dasein einer Foraminifere zusammen.
Mögen sie für sich allein der Rest irgend eines Thieres sein,
das wäre möglich. Mit der Kammer und Schale haben sie nichts
zu schaffen.
In seinem Musterstück PL XVII zeichnet sie Dr. Carpenter,
als liefen sie alle, eine wie die andere, von der untern Schale
der Kammer nach der obern. Wenn ich gesagt habe, die Zeich-
nungen seien unzuverlässig, so wird das nächste beste Präparat
von ^o^oow-Gestein dies bestätigen. Denn die Astsysteme gehen
nach allen Eichtungen in Kalk, folglich besteht auch hier keine
Uebereinstimmung mit Organismen.
Und nun also Kammer, Schale, Zwischengänge, Astsysteme,
alles, einzeln und zusammen, in anderen Gesteinen vorkommend,'
folglich keine Foraminiferentheile — und die ganze Foraminifere,'
wenn sie aus dem canadischen Gestein mit Mühe construirt
werden könnte, doch in den wesentlichsten Theilen von allen be-
kannten verschieden! Für die allerwesentlichste Verschiedenheit
halte ich die horizontale Stellung der angeblichen Tubuli zu den
Kammern. Das erlaubt sich die Natur in der Muschelschale nicht,
denn die radiale Strahlung der Sarcode-Organe ist ein durch-
gehendes Gesetz im Foraminiferen-Typus : es ist nämlich diese
Richtung der geradeste Weg des Thieres zu seinem Lebens-
element.
Das ist eine Thatsache der Logik der Natur, welche der
Zoologe am wenigsten übersehen sollte. Wir haben hienach im
canadischen Gestein nichts als einen Serpentinkalk, ein Gestein,
— 176 —
das hundertmal vorkommt, in einem Zersetzungszustand, wie er
ebenfalls überall vorkommt.
Alle Erscheinungen desselben sind mineralogisch vollständig
erklärt.
Haben also Dr. Carpenter und Dr. Gümbel den Todten auch
ausgegraben, lebendig machen konnten sie ihn damit nicht. Möge
ernun,;zum zweiten Mal begraben, die Ruhe finden, welche er verdient.
Erklärung zu Tafel IL
Serpentinkalk von Euston, Pensylvanien. Handstück der Tü-
binger Universität, noch deutliche Olivincrystalle halb in Serpentin
verwandelt; Kerne des ursprünglichen Minerals erhalten: die
Olivine liegen lagerweise. Von einem Lager zum andern ziehen
sich durch den Kalk gerade verlaufende durchsichtige Linien,
welche u. d. M. sich als Canäle mit einer durchsichtigen Masse
erfüllt ergeben und von dem grauen Kalke deutlich abstechen. Der
Kalk enthält bei 100 f acher Vergrösserung eine Menge schwarz-
brauner Körner, völlig wie der canadische.
Was nun insbesondere den Serpentin betrifft, so ist er im
Kalk zerstreut, die Körner zeigen noch Crystallform, viele Kerne
sind noch unzersetzter Olivin. Wo die Zersetzung vorgeschritten
ist, schmelzen die Kerne zusammen. U. d. M. hat der Serpentin
vollständig das Bild von Kammern wie im canadischen Gestein,
nur sind die Serpentinkörner nicht so häufig aneinander gelagert.
Dagegen zeigt
Fig. 1 überaus klar eine Chrysotilschale um den Serpentm,
die in den Kalk eindringt. Die Umrisse des Serpentins sind aber
statt rund, wie im canadischen Gestein , hier oblong. Die Ecken
fehlen.
Dieselben unregelmässigen Umrisse zeigen Fig. 3 und 4.
Fig. 2 zeigt 3 „Stolons" aus einer halbzersetzten Oli vi n-
masse. Die dunklere Farbe der Kerne bezeichnet den noch
unzersetzten Olivin. Von demselben aus gehen diese Ströme
einer durchsichtigen Masse, also offenbar wie bei der Zersetzung ab-
gesondert und nach dem Gesetz der Schwere einen Ausweg viel-
leicht suchend. Wo sie seitwärts gingen, erklärt sich dies em-
Wurtt.Naturw. Jahresh. Jahrg. XXXIV.
Taf.ll.
ith.v. Baumann, Tübingen.
— 177 —
fach durcli eiueu leichten Druck auf die weiche Masse oder durch
das Aufquellen der Masse in der Zersetzung. Dasselbe Gestein
zeigt alle Formen der Astsysteme wie das canadische, insbeson-
dere schön die sog. Zahnsubstanz.
Man hat also alle hier Eozonal-Bestandtheile des canadischen
Gesteins beisammen, aber in einer Zusammenstellung, dass
Niemand auf ein organisches Wesen mehr rathen wird.
Ist aber dies Alles in Form und auf sicher unorganischem
AVege möglich, so ist auch das canadische Gestein so entstanden,
und es bedürfte ganz anderer Beweise, um doch noch eine Ver-
schiedenheit im Ursprung nachzuweisen. Dieses einzige Hand-
stück nebst den beiden Dünnschliffen sind der augenscheinliche
Gegenbeweis; ich werde letztere in der Tübinger Universitäts-
sammlung niederlegen. Sicher wäre der Strom der Eosoon-
Litteratur nicht so hoch angeschwollen, wenn man solche Beweis-
stücke früher gehabt hätte. Diese ans Licht gezogen zu haben,
ist das einzige Verdienst, welches ich mir zuschreibe; denn einer
Erklärung bedarf es kaum, wo ein einziger Blick schon ein voller
Beweis ist.
Zur Erläuterung der Abbildungen füge ich noch bei:
Zu Fig. 1. Die gekörnte Fläche ist Kalk. Die weisse mit
breiten Streifen Serpentin, die Bänder im Kalk Chrysotil.
Zu Fig. 2 gilt dasselbe. Die 3 Gänge gehen von der Ser-
pentinkamraer durch den Kalk. Die dunklen Stellen im Serpentin
sind Olivinkerne.
Fig. 3 und 4 zeigen die Chrysotilbänder von andern Theilen
des Dünnschliffs.
"Württemb. naturw. Jabreshefte. 1878. 12
Die wicMigereii (lesteine Wflrtteinljergs, deren Verwitternnp-
protolfte nnd die darans eiitstaiideiien Ackererden.
IV.
Der weisse Jura.
Der Krebsscheeren-Kalkstein und die Marmorkalke,
chemisch untersucht von
Professor Dr. E. WolfF und Dr. H. Troschke.
(Referent: Dr. E. Wolf f.)
Die bisher veröffentlichten Gesteins- und Boden -Unter-
suchungen, welche im Auftrage der Königl. Centralstelle für die
Landwirthschaft unternommen wurden, bezogen sich auf die oberen
dolomitischen Schichten des Hauptmuschelkalkes (s. Jahreshefte
des Vereins für vaterl. Naturkunde, Jahrg. 1866, S. 70 — 103),
ferner auf den bunten Sandstein in dessen oberen plattenförmigen
Ablagerungen (ebendas. Jahrgang 1867, S. 78—107) und end-
lich auf den grobsandigen Liaskalkstein von Ellwangen (ebendas.
Jahrg. 1871, S. 66 -110). Ich lasse jetzt weitere, nach gleicher
Methode und ebenso umfassend , wie die früheren , ausgeführte
chemische Analysen folgen von Gesteinen und Verwitterungsböden
aus dem Gebiete des weissen Jura. Es kommen hierbei
Formationen in Betracht, welche auf der schwäbischen Alb haupt-
sächlich das Material zur Bildung des Kulturbodens geliefert
haben, nämlich der Krebsscli eeren-Kalkstein, sowohl in
seinen unteren thonigen, wie in den oberen Feuerstein führenden
Schichten, und ausserdem die Ma rmor -Kai ke, sog. Epsilon-
Schichten.
— 179
Auf einer zu diesem Zweck gemachten Exkursion habe ich,
gemeinschaftlich mit den Herren Professor Dr. 0. Fraas und
Professor 0. Vossler die zu den Analysen erforderlichen und ge-
eigneten Proben der betreffenden Gesteine und Erdarten aufge-
nommen. Der obere Krebsscheeren-Kalkstein mit Feuersteinknollen
wurde auf der Höhe bei Böhmenkirch in dem grossen Steinbruch
und auf den anstossenden Feldern gesammelt, das Material da-
gegen zur Untersuchung der beiden anderen Kalksteine und deren
Verwitterungsböden neben der Poststrasse gefunden, die von
Böhmenkirch nach Heidenheim führt. Die Proben der unteren
thonigen Schichten des Krebsscheeren-Kalksteins entnahmen wir
einem Ackerfelde, links von der genannten Strasse hinter Söhn-
stetten, nahe dem Fusswege nach Steinheim, und die Proben aus
der Formation des Marmor-Kalkes, einem kleinen Steinbruch auf
der anderen Seite der Strasse, zwischen Böhmenkirch und Söhn-
stetten, näher dem ersteren Ort, nicht weit von der dort befind-
lichen grossen Linde.
Von den Analysen habe ich die auf das Gestien des unteren
Krebsscheeren-Kalkes bezüglichen allein ausgeführt, ausserdem
die Extrakte mit kalter Salzsäure aus der Ackererde und dem
Untergrunde derselben Formation auf die Bestandtheile unter-
sucht, endlich die Menge der Alkalien in den salzsauren und
schwefelsauren Auszügen der Ackererde und der Thonmasse des
oberen Krebsscheeren-Kalkes, in einigen Fällen auch die Kiesel-
säure durch wiederholte Bestimmungen kontrolirt. Alle übrigen
analytischen Arbeiten sind von dem Assistenten am akademischen
Laboratorium in Hohenheim, Dr. H. Troschke, nach meiner An-
leitung vorgenommen worden; nur die Untersuchungen nach der
Knop'schen Methode der Bodenanalyse, von denen beiläufig die
Eede sein wird, habe ich schon von einem früheren Assistenten,
Herrn Gantter, ausführen lassen.
1. Untere thonige Schichten des Krebsscheeren-
Kalkes.
Das Material zur Untersuchung wurde einem Ackerfelde ent-
nommen, wo an der betreffenden Stelle in einer Tiefe von kaum
12*
— 180 —
40 Cm. schon das feste Gestein anstand, wenigstens sehr grosse
Gesteinsbrocken mit nur wenig thonigem Boden sich vorfanden.
Aehnliche Gesteinstrümmer waren auch in der obersten, etwa
15 Cm. mächtigen Ackerschicht und in dem darunter befindlichen
Untergrunde vorhanden, in dem letzteren jedoch reichlicher als
in der eigentlichen Ackerkrume, in welcher das Gestein schon
mehr zu einer feinpulverigen Erde zerfallen war. Gleichwohl
hatte der Untergrund in seiner krümeligen Bodenmasse, also ab-
gesehen von den Gesteinstrümmern, eine mehr thonige Beschaffen-
heit und einen geringeren Gehalt an kohlensaurem Kalk, als
die Ackererde.
Aus dem Untergrund und der Ackerkrume suchte man die
grösseren Gesteinsstücke aus, spülte dieselben mit Wasser gut
ab und benützte die gleichförmig gepulverte Masse zur Analyse
(Gestein). Der Untergrund und die Ackererde wurden sodann
im lufttrocknen Zustande, beziehungsweise unter gelindem Druck
durch ein Blechsieb mit 3 Millimeter weiten Löchern hindurch
geschüttelt, die auf dem Siebe zurückbleibenden Steinchen mit
TVasser abgespült und lufttrocken gewogen. Auf diese Weise
fand man in 2380 Grm. der Ackerkrume und in 2490 Grm. des
Untergrundes 560 und 530 Grm. oder 23,53 und 21,28 Proc.
an Steinchen. Nur die eigentliche Bodenmasse, welche also
durch das Blechsieb mit 3 Millimeter weiten Löchern hindurch-
gegangen war, diente als Material zur chemischen Analyse: die
Steinchen konnten als ebenso zusammengesetzt angesehen werden,
wie die grösseren Gesteinstrümraer. Hiernach wurde einer aus-
führlichen chemischen Untersuchung unterworfen: 1. das gepul-
verte Gestein, 2. die abgesiebte Bodenmasse der Ackerkrume
und 3. des Untergrundes.
Ueber die Methode der Analyse und über die Mengen der
in Untersuchung genommenen Substanz geben die im x\nhang
mitgetheilten analytischen Belege Auskunft; es ist daraus zu
ersehen, dass auch bezüglich der in procentig geringer Menge
vorkommenden, aber gleichwohl wichtigen Bestandtheile ein ge-
naues Resultat erzielt werden konnte. Bei der Ackerkrume und
dem Untergrunde musste für den Extrakt mit heisser konzen-
— 181 —
trirter Saksäure und für die weitere Untersuchung eine neue
Portion der ursprüngliclien Substanz in Angriff genommen werden,
während bei dem Gesteinspulver der ausgewaschene Rückstand
von dem Auszug mit kalter Salzsäure auch noch für die weitere
Analyse Verwendung finden konnte. Jedoch habe ich der besseren
Uebersicht und Vergleichbarkeit wegen auch bei dem Gestein
unter „Auszug mit heisser Salzsäure* die Gesammtmenge der
in kalter und heisser Salzsäure löslichen Bestandtheile aufgeführt
Die Resultate der Analysen, auf Procente der luft trocknen
Substanz berechnet, ersieht man aus der folgenden Zusammen-
stellung.
A. Auszug mit kalter
Kieselsäure in d. Lösung
Schwefelsäure . . .
Phosphorsäure . . .
Kohlensaurer Kalk . .
Kalk
Magnesia
Eisenoxyd
Thonerde
Manganoxyduloxyd . .
Kali
Natron
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron . . .
Rückstand, geglüht . . .
Glühverlust d.lufttr.Substanz
Salzsäure.
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
Proc.
Proc.
Proc.
0,0253
0,0065
0,0081
0,0264
0,0453
0,0319
0,0448
0,1652
0,0997
75,8244
54,5684
27,3600
0,4177
0,3313
0,1800
0,3533
1,1177
2,0948
0,1766
0,3714
0,9596
0,0267
0,0676
0,0400
0,0264
0,0861
0,0613
0,0183
0,0271
0,0228
76,9399
56,7866
30,8572
0,3727
1,0780
1,2125
18,3400
i 3,7185
99,3711
B. Auszug mit heisser Salzsäure.
Kieselsäure in d. Lösung . 0,0769 0,0321 0,1389
Schwefelsäure
0,0998 0,0712
— 182 —
Phosphorsäure ....
Kohlensaurer Kalk . . .
Kalk
Magnesia
Eisenoxyd
Thonerde
Manganoxyduloxyd . . .
Kali
Natron
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron . . .
Rückstand geglüht . . .
Glühverlust d.lufttr. Substanz
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
Proc.
Proc.
Proc.
0,0480
0,2240
0,1291
75,8244
53,5000
27,6883
0,1405
—
—
0,5713
0,4394
0,3888
0,3839
0,9920
2,1955
1,2277
3,1440
5,7914
0,0267
0,1667
0,1523
0,1916
0,3027
0,5165
0,0225
0,0490
0,0307
78,5399
58,9497
37,1027
2,2901
3,5878
7,1559
14,8047
26,8182
42,5927
3,7185
12,0585
14,0563
99,3532 101,4142 100,9076
C. Rückstand von B. mit Schw
Kieselsäure in d. Lösung . 0,0557
Kalk 0,0185
Magnesia 0,1029
Eisenoxyd 0,0921
Thonerde 1,2804
Kali 0,0954
Natron 0,0197
1,6647
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron . . . 2,4130
Rückstand geglüht . . . 10,9690
15,0467
efelsäure behandelt.
Spar
0,0512
0,0380
0,2747
0,1683
0,2958
3,2117
6,4880
0,2851
0,5288
0,0532
0,1507
3,7563
7,7892
5,5907
11,1426
17,0696
23,3580
26,4166 42,2898
D. Rückstand von C. mit Flusssäure aufgeschlossen.
Kalk Spur — —
Magnesia 0,0170 — —
— 183
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
Proc.
Proc.
Proc.
Thonerde
0,2583
0,4620
1,2235
Kali
0,1649
0,2644
0,3203
Natron
0,0358
0,1155
0,1037
Kieselsäure ....
10,4930
16,2277
21,7105
10,9690
17,0696
23,3580
Hiernach ergeben sich als procentige Verhältnisse der Be-
standtheile der lufttrocknen Substanz für alle Lösungen zusammen-
genommen:
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
Proc.
Proc.
Proc
Kieselsäure, unlöslich *
10,4930
16,2277
21,7105
„ löslich . .
4,8357
9,2106
18,4374
Thonerde, löslich . .
. 2,5081
6,3557
12,2794
„ unlöslich** .
0,2583
0,4620
1,2235
Eisenoxyd
0,4760
1,1603
2,4913
Mangan oxyduloxyd . .
. 0,0267
0,1667
0,1523
Kohlensaurer Kalk . .
75,8244
53,5000
27,6883
Kalk
0,1590
Spur
0,0512
Magnesia
0,6912
0,4774
0,6635
Phosphorsäure . . .
. 0,0480
0,2240
0,1291
Schwefelsäure . . .
0,0264
0,0998
0,0712
Kali
0,4519
0,8522
1,3656
Natron
0,0780
0,2177
0,2851
Griüh Verlust ....
. 3,7185
12,0585
14,0563
99,5952 101,0126 100,6047
Stickstoff — 0,2495 0,1780
Wenn man ferner die Summe der „löslichen" Thonerde und
Kieselsäure als reinen Thon annimmt und aus der Zusammen-
setzung der mit Flusssäure aufgeschlossenen Masse den Gehalt
* D. h. unlöslich bei Behandlung der Rückstände des Salzsäure-
und Schwefelsäure-Auszuges mit kohlensaurem Natron.
** Unlöslich iu Salzsäure und Schwefelsäure als Bestandtheil der
mit Flusssäure aufgeschlossenen sandigen Masse.
— 184 —
an Quarzsand, sowie an Kali- und Natron-Feldspath berechnet,
so erhält man in Procenten der lufttrocknen Substanz:
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Proc.
Quarzsand 9,6275
Thon 7,4041
Kalif eldspath 0,9741
Natronfeldspath . . . . 0,3071
Proc.
14,5194
15,5663
1,5670
0,9832
Proc.
18,6701
32,6205
1,8943
0,8899
18,3128 32,6359 54,0748
Um die untersuchten Materialien noch besser mit einander
vergleichen zu können, berechnen wir die Zusammensetzung der-
selben auf den geglühten, also wasser- und humusfreien Zustand.
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Proc. Proc. Proc.
15,9881 28,5871 46,3881
2,8854 7,6643 15,6018
0,4965 1,3044 2,8785
0,0279 0,1874 0,1760
79,0851 60,1434 31,9923
0,1658 Spur 0,0592
0,7209 0,5367 0,7666
0,0501 0,2518 0,1492
0,0275 0,1122 0,0822
0,4713 0,9580 1,5767
0,0814 0,2447 0,3294
Kieselsäure . .
Thonerde . . .
Eisenoxyd . .
Manganoxyduloxyd
Kohlensaurer Kalk
Kalk ....
Magnesia . . .
Phosphorsäure
Schwefelsäure
Kali ....
Natron . . .
100,0000
10,0415
7,7225
1,0160
0,3203
100,0000
16,3026
17,4993
1,7594
1,1039
100,0000
21,5722
37,6886
2,1996
1,0282
Quarzsand . .
Thon ....
Kalifeldspath
Natronfeldspath .
19,1013 36,6652 62,4886
Nach Abzug ferner des kohlensauren Kalkes gestaltet sich
die procentige Zusammensetzung des Restes folgend ermasset:
Gesteiu. Ackerkrume. Untergrund.
Kieselsäure 76,443 71,749 68,209
Thonerde ... ... 13,796 19,230 22,941
— 185 —
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Eisenoxyd 2,374 3,273 4,233
Manganoxyduloxyd . . . 0,133 0,470 0,259
Kalk 0,793 — 0,087
Magnesia 3,447 1,346 1,127
Phosphorsäure 0,239 0,632 0,219
Schwefelsäure 0,132 0,282 0,121
Kali 2,254 2,404 2,320
Natron 0,389 0,614 0,484
100,000 100,000 100,000
Quarzsand 48,011 40,903 31,720
Thon 36,924 43,906 55,418
Kalifeldspath 4,858 4,414 3,234
Natronfeld&path . . . 1,531 2,770 1,512
91,324 91,993 91,884
Aus den obigen Uebersichten über die analytischen Kesultate
ergiebt sich schon deutlich der Zusammenhang, in welchem das
untersuchte Gestein zu dem betreffenden Boden steht ; derselbe
tritt noch bestimmter hervor, wenn wir die gegenseitigen Mengen-
verhältnisse einzelner Bestandtheile etwas näher betrachten und
zunächst einen Blick werfen auf die Zusammensetzung der durch
Salzsäure und durch Schwefelsäure aufschliessbaren Thonsub-
stanz; es wurde gefunden:
1. Gesteine. Salzsäure-Auszug. Schwefelsäure- Auszug.
Thonerde . . 1,2277= 34,15 Proc. 1,2804= 34,21 Proc.
Kieselsäure . 2,3670= 65,85 „ 2,4687= 65,79 ^
3,5947 =: 100,00 3,7491 = 100,00
2. Ackerkrume.
Thonerde . . 3,1440= 46,48 Proc. 3,2117= 36,47 Proc.
Kieselsäure . _3^199=^53^^^ ^^^J^^^'^."
6,7639 = 100,00 8,8024 = 100,00
3. Untergrund.
Thonerde . . 5,7914= 44,26 Proc. 6,4880= 36,80 Proc.
Kieselsäure . 7,2948= 55,74 „ 11,1426= 63,20 „
13,0862 = 100,00 17,6306 = 100,00
— 186 —
Hier bemerkt man ein entschieden übereinstimmendes Ver-
halten; nur die im Gestein durch Salzsäure zersetzte Thonsub-
stanz ist an Kieselsäure reicher, als die entsprechende Masse in
der Ackerkrume und im Untergrunde. Jedoch kommt dies bei
der dort geringeren absoluten Thonmenge wenig in Betracht und
erklärt sich auch aus dem überhaupt relativ grossen Kieselsäure-
gehalt des Gesteins. Dagegen ist es bemerkenswerth, dass
überall die Einwirkung der Salzsäure und Schwefelsäure auf die
vorhandene Thonsubstanz die gleiche gewesen ist, von der letzteren
nämlich durch die kochende Salzsäure stets etwas weniger als
die Hälfte der Gesammtmenge zersetzt wurde.
Das Verhältniss von Kali zum Thon oder vielmehr zu der in
letzterem enthaltenen Thonerde ist , wie wir aus früheren Unter-
suchungen wissen, charakteristisch für die einzelnen Bodenarten
und auch wichtig für die Beurtheilung der natürlichen Frucht-
barkeit derselben. In den hier vorliegenden Analysen wurde
das betreffende Verhältniss folgendermassen gefunden:
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Salzsäure-Auszug . . 1 : 6,41 1 : 10,39 1 : 11,21
Schwefelsäure-Auszug . 1 : 13,42 1 : 11,26 1 : 12,27
Im Mittel . 1: 8,74 1:10,81 1: 11,74
In dem Salzsäure - Auszug des Gesteins ist das erwähnte
Verhältniss ein engeres, übereinstimmend mit der ganz gewöhn-
lichen Erscheinung, dass bei der Verwitterung der Kalksteine
das darin enthaltene Kali anfangs rascher, später immer lang-
samer dem Auswaschen unterliegt, während die Thonerde voll-
ständig auf primärer Lagerstätte zurückbleibt.
Wenn man zu der thonigen, durch Salz- und Schwefelsäure
aufschliessbaren Substanz ausser dem Kali auch noch das Eisen-
oxyd hinzurechnet, so ergeben sich nach den obigen Analysen
in 100 Theilen dieser Gegammtmasse :
Ackerkrume. Untergrund.
Thonerde . . 36,71 Proc. 35,84 Proc.
Eisenoxyd. . 6,70 « 7,56 „
187
Ackerkrume.
Untergrund.
Kali . .
. 3,40 ,
3,05 Proc.
Kieselsäure
. 53,19 ,
53,37 „
100,00 100,00
Die Uebereinstimmung der beiderseitigen Zahlen ist, wie
man sieht, eine sehr grosse und dasselbe ist auch bezüglich der
durch Flusssäure aufgeschlossenen s a n d i g e n Substanz der Fall
die letztere nämlich enthielt in 100 Theilen, nach Abzug der
in kohlensaurem Natron löslichen Kieselsäure:
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
Magnesia .
0,16 Proc.
— Proc.
-- Proc.
Thonerde .
2,36 „
2,71 ,
5,24 „
Kali . .
1,50 y,
1,55 ,
1,37 „
Natron . .
0,33 ,
0,68 „
0,45 ,
Kieselsäure
95,65 „
95,06 y,
92,94 „
100,00 100,00 100,00
In dem Untergrunde ergab sich für die betreffende Masse
ein etwas grösserer Thonerdegehalt, was aber offenbar durch den
zufälligen Umstand bedingt ist, dass die Einwirkung der konzen-
trirten Schwefelsäure keine ganz vollständige war und daher in
dem Rückstande vom Schwefelsäure-Auszug eine kleine Menge
von unzersetztem Thon zurückblieb.
Jeder Zweifel über die Zusammengehörigkeit der hier unter-
suchten Materialien wird wohl völlig verschwinden, wTnn man
sieht, wie leicht und ungezwungen die Entstehung der Acker-
krume aus Gestein und Untergrund unter deren zusammen-
wirkendem Einfluss sich erklären lässt. Man braucht nur die
Summe der einzelnen Bestandtheile von 100 Gewichtstheilen des
Gesteins und von 70 Gewichtstheilen des Untergrundes auf pro-
centige Verhältnisse zu berechnen und die so erhaltenen Zahlen
mit den bei der Analyse der Ackerkrume direkt gefundenen zu
vergleichen ; nämlich
188 —
100 Theile 70 Theile In Ackerkrume.
Gestein. Untergrund. Summa. Berechnet. Gefunden-
Kieselsäure . . .
Thonerde . . .
Eisenoxyd . . .
Manganoxyduloxyd
Kohlensaurer Kalk
Kalk . . .
Magnesia
Phosphorsäure
Schwefelsäure
Kali . . .
Natron . .
15,9881 + 32,4717= 48,4598
2,8854 -f 19,9213= 13,8067
0,4965+ 2,0150= 2,5115
0.0279+ 0,1232= 0,1511
79,0851 + 22,3946 = 101,4797
0,1658-1- 0,0414= 0,2072
0,7209-+- 0,5366= 1,2575
0,0501+ 0,1044= 0,1545
0,0275+ 0,0575= 0,0850
0,4713+ 1,1037= 1,5750
0,0814 -h 0,2306= 0,3120
Proc.
28,5058
8,1216
1,4773
0,0889
59,6939
0,1219
0,7397
0,0909
0,0500
0,9265
0,1835
Proc.
28,5971
7,6643
1,3044
0,1874
60,1434
Spur
0,5367
0,2518
0,1122
0,9580
0.2447
100,0000 + 70,0000 = 170,0000 100,0000 100,0000
Für die durchaus vorherrschenden Bestandtheile der Acker-
krume ergiebt sich also eine fast völlige Uebereinstimmung der
betreffenden Zahlen:
Berechnet. Gefunden.
. 28,5058 Proc. 28,5971 Proc.
Kieselsäure . . .
Thonerde . . .
Eisenoxyd . . .
Kohlensaurer Kalk
Magnesia . . .
Kali
Natron . . . .
8,1216
1,4773
59,6939
0,7397
0,9265
0,1835
7,6643
1,3044
60,1434
0,5367
0,9580
0,2447
99,6683 99,4486
Von den weiteren Bestandtheilen kommt nur noch die Phos-
phorsäure und allenfalls die Schwefelsäure in Betracht, für welche
beiden Stoffe die Berechnung um über die Hälfte niedrigere
Zahlen ergab, als die direkte Analyse der Ackerkrume. Diese
Differenz gleicht sich aber vollständig aus, wenn wir jetzt eben-
falls näher untersuchen, auf welche Weise die erdige Masse
des Untergrundes aus dem ursprünglichen Gestein durch
Verwitterung entstanden ist.
In dem hier untersuchten Gestein, sowie in der Acker-
krume und im Untergrunde ist das VerhHtniss zwischen Thon-
— 189 ~
erde und Kieselsäure kein konstantes ; es wird vielmehr in der
angegebenen Keihenfolge ein immer engeres , nämlich :
Thonerde. Kieselsäure.
Gestein . 2,8854 : 15,9881 --= 1 : 5,54
Ackerkrume 7,6643 : 28,5871 = 1 : 3,73
Untergrund 15,6018 : 46,3881 = 1 : 2,97
Hieraus ergiebt sich mit aller Bestimmtheit, dass die Acker-
krume und der Untergrund nicht direkt aus dem darin noch vor-
handenen und zur Analyse benutzten Gestein entstanden sind,
also nicht etwa verschiedene Verwitterungsstufen desselben dar-
stellen, dass vielmehr die erdige Masse zunächst des Unter-
grundes aus einem schon ursprünglich an Kieselsäure ärmeren
Kalkstein gebildet worden ist. Es haben nämlich von dem Ge-
stein zuerst die an Kieselsäure ärmeren und also an Thon
reicheren Parthien sich abgelöst oder aus einer derartigen
Schicht ist durch Verwitterung, unter Auslaugen von kohlen-
saurem Kalk, die erdige Masse des Untergrundes entstanden,
während später auch das zurückgebliebene und theilweise jetzt
noch als Trümmerstücke vorhandene, an Kieselsäure reichere
Gestein ebenfalls der Verwitterung unterlag und in seinem Zer-
fall vermischt mit der erdigen Masse des Untergrundes, wie
wir gesehen haben, das Material zur Bildung der jetzigen Acker-
krume lieferte. Wenn die im Untergrunde noch vorhandenen
Gesteinstrümmer nach und nach zu einem erdigen Pulver zer-
fallen, so muss also allmählich immer mehr von einer Masse
sich bilden, welche eine ganz ähnliche und schliesslich dieselbe
Zusammensetzung haben wird, wie sie in der obersten Boden-
schicht, in der eigentlichen Ackerkrume wirklich gefunden wor-
den ist.
Um die Entstehung der erdigen Masse des Untergrundes
zu erklären, muss man von den Bestandtheilen des cliemisch
untersuchten Kalksteins 7 V2 Proc. Kieselsäure in Abzug bringen
und den Rest (92^2 Proc.) nach Massgabe der direkt gefundenen
Zusammensetzung wieder auf 100 reduciren; 500 GewJchtstheile
eines solchen Gesteins würden alsdann bei der Verwitterung
— 190 -
ziemlich genau 100 Gewichtstheile des Uutergrundes geliefert
haben, wie folgende Rechnung zeigt:
Ursprüngl. ÖÖGTheile. lOOTheile. Differenz.
Gestein. Gestein, Untergrund.
9,1763 45,8815 — 46,3881 = -t- 0,5066
8,1194 15,5970 - 15,6018 = -h 0,0048
0,5368 2,6840 — 2,8785 = + 0,1945
0,0302 0,1510 — 0,1760 = -4- 0,0250
85,4974 427,4870 - 31,9923 = — 395,4947
0,1792 0,8960 — 0,0592 = — 0,8368
0,7793 3,8965 — 0,7666 = — 3,1299
0,0542 0,2710 - 0,1492 = — 0,1218
0,0297 0,1485 — 0,0822 ^ — 0,0663
0,5095 2,5475 - 1,5767 = - 0,9708
0,0880 0,4400 — 0,3294 = - 0,1106
Kieselsäure . .
Thonerde . . .
Eisenoxyd . . .
Manganoxyduloxyd
Kohlensaurer Kalk
Kalk
Magnesia . . .
Phosphorsäure .
Schwefelsäure . .
Kali
Natron ....
100,0000 500,0000 100,0000 400,0000
Dass bei der Verwitterung des Kalksteins besonders viel
kohlensaurer Kalk und ebenso verhältnissmässig viel Magnesia
ausgewaschen wird, ist selbstverständlich ; ferner wird dabei bis
zu einem gewissen Stadium immer ein grösserer oder geringerer
Theil der ursprünglich vorhandenen Alkalien und meist auch
von Eisenoxyd entfernt. Im vorliegenden Falle war im Unter-
grund ebenso viel und sogar noch ein wenig mehr an Eisen-
und Manganoxyd vorhanden, als in der betreffenden Gesteins-
masse sich berechnet und dies scheint anzudeuten, dass das
ursprüngliche Gestein vielleicht etwas mehr von diesen Metall-
oxyden enthielt, als hier angenommen wurde; jedoch handelt es
sich dabei jedenfalls nur um sehr geringe Differenzen. Ein be-
sonderes Interesse gewährt es, dass die bei der Entstehung des
Untergrundes gleichsam disponibel werdende Schwefelsäure und
namentlich die Phosphorsäure in der Ackerkrume sich an-
gesammelt hat oder vielmehr, dass durch eine vielleicht viel-
tausendjährige wilde Vegetation, in neuerer Zeit möglicherweise
auch in Folge der Kultur die Phosphorsäure nach und nach dem
Untergrund entzogen und in der obersten Schicht des Bodens
angehäuft wurde. Es ist dies eine Erscheinung, wie ich sie
auch bei der Untersuchung der oberen plattenförmigen Ab-
— 191 —
lageiuugen des buuteu Sandsteins beobachtete* und nicht selten
bei einem Verwitterungsboden vorkommt, auf welchen die Vege-
tation lange Zeit hindurch eingewirkt hat, während in vielen
anderen Fällen, wenn nämlich die Verwitterungsmasse noch mehr
ihre ursprüngliche Beschaffenheit beibehalten hat, der Unter-
grund ebenso reich und selbst noch reicher ist an Phosphor-
säure, als die oberste Schicht des Bodens, welche vielleicht erst
seit kurzer Zeit der Vegetation zugänglich wurde.
Aus dem Obigen ist ersichtlich, wesshalb die Ackerkrume
bedeutend reicher an kohlensaurem Kalk gefunden wurde, als
der Untergrund. Es ist dies nämlich auf den ersten Blick auf-
fallend, da der Untergrund auf dem noch kalkreicheren Gestein
auflagert, dem letzteren also näher sicli befindet als die Acker-
krume. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass der Untergrund
aus einer grossen Masse von groben Gesteinstrümmern und aus
wenig pulverigem Boden besteht, die Ackerkrume dagegen mehr
an pulveriger Substanz und weniger Steine enthält. Offenbar
hat es eine Zeit gegeben, wo die ganze, damals noch in ge-
ringerer Menge vorhandene Verwitterungsmasse ziemlich die
gleiche mechanische Beschaffenheit und chemische Zusammen-
setzung hatte , wie der jetzige Untergrund. Indem aber die
Gesteinstrümmer, zunächst ohne wesentliche Veränderung in den
gegenseitigen Verhältnissen ihrer Bestandtheile, in immer kleinere
Stücke und schliesslich zu einem feinen Pulver zerfallen , muss
die eigentliche Bodenmasse an Menge zunehmen und procentig
immer reicher werden an kohlensaurem Kalk, in dem Grade als
die Verwitterung von oben nach unten fortschreitet. Es ist
eben charakteristisch für die thonreichen Kalksteine, dass sie
leicht mürbe werden und zu Pulver zerfallen, ehe noch eine be-
trächtliche Menge von kohlensaurem Kalk durch Auswaschen
entfernt worden ist, dass sie also einen oft sehr kalkreichen
Kulturboden liefern, während die thonarmen Kalksteine fast voll-
ständig vom Kalk befreit werden, bevor sie eine entsprechend
* S. meine Abhandlung in den Jahreshefteu des Vereins von 1867,
S. 78 ff.
— 192 —
geringe Menge von bodenbildendem Material abgeben ; im letzteren
Falle sind häutig gar keine deutlichen üebergangsstufen aufzu-
finden zwischen dem ursprünglichen sehr kalkreichen Gestein und
dem daraus entstandenen meist kalkarmen Verwitterungsboden.
In agrikulturchemischer Hinsicht verdient die Phosphor-
säure als Bodenbestandtheil in erster Linie Beachtung. Es
wurde davon gefunden in Procenten des lufttrocknen Materiales:
Löslich in Gestein. Untergrund. Ackerkrume
kalter Salzsäure a. . 0,0423 Proc. 0,0906 Proc. 0,1736
^' • Q>Q473 ^ 0,1088 y^ _ 0,1568
Mittel 0,0448 Proc. 0,0997 Proc. 0,1652
heisser Salzsäure* . 0,0480 „ 0,1291 „ 0,2240
Aus dem Gesteinspulver kann schon mit kalter Salzsäure
fast die ganze Menge der Phosphorsäure, nämlich 93,5 Proc.
extrahirt werden, während von der im Untergrund und in der
Ackerkrume vorhandenen Phosphorsäure relativ etwas weniger in
kalter Salzsäure auflöslich ist, nur 77,2 und 73,7 Proc. Die
Gesammtmenge der Phosphorsäure ist eine beträchtliche, zunächst
in der Ackererde, wie man besonders deutlich erkennt, wenn man
dieselbe auf Procente der geglühten Substanz (a), sowie auf
Procente des nach Abzug des kohlensauren Kalkes verbleibenden
Restes berechnet (b).
Gestein. Ackerki^ume. Untergrund,
a . . . 0,0501 0,1492 0,2518
b . . . 0,2390 0,2190 0,6320
Ueber das Verhalten des Kali geben die folgenden Zahlen
Auskunft. In Procenten der lufttrocknen Gesteins- und Boden-
masse ist an Kali zugegen:
Löslich in
Gestein.
Ackerkrume.
Untergrund.
1.
kalter Salzsäure
0,0264
0,0861
0,0613
2.
heisser „
0,1652
0,2166
0,4552
3.
Schwefelsäure . .
0,0954
0,2851
0,5288
4.
Flusssäure . . .
Im Ganzen
0,1649
0,2644
0,3203
0,4519
0,8522
1,3656
* Die in heisser Salzsäure lösliche Phosphorsäure wurde als Ge-
sammtmenge der letzteren im Boden angenommen.
— 193 —
Also in Procenten der gesammten Kalimenge war auflöslicli in
1. kalter Salzsäure . 5,84 10,10 4,50
2. heisser „ . 36,56 25,42 33,33
3. Schwefelsäure . . 21,11 33,45 38,72
4. Flusssäure . . . 36,49 31,03 23,45
100,00 100,00 100,00
Es betrug ferner
Gestein. Ackerfirume. Untergrund.
1 in Proc. von 1 + 2 . . . 13,8 28,4 11,9
1 + 2 in Proc. von 1+2+3 66,8 51,5 49,4
1+2+3 in Proc. von 1+2+3+4 63,5 69,0 76,5
Im Ganzen war an Kali vorhanden in Procenten der
geglühten Substanz .... 0,4713 0,9580 1,5767
do. nach Abzug von kohlens. Kalk 2,254 2,404 2,320
Endlich war das Verhältniss von
Kali : Natron, wie .... 1:0,173 0,255 0,209
Wir haben oben nachgewiesen, dass das Bodenpulver des
Untergrundes aus einem an Kieselsäure ärmeren und also ent-
sprechend thonreicheren Kalkstein, als derjenige ist, von welchem
gegenwärtig noch grössere oder geringere Trümmer im Boden
vorkommen, entstanden sein muss und dass ferner die Acker-
krume als ein Gemenge der weiter zerfallenen Gesteinstrümmer
und der pulverigen Masse des Untergrundes anzusehen ist. Hier-
mit übereinstimmend musste in der Eeihenfolge von Gestein,
Ackerkrume und Untergrund das durch Flusssäure gelöste, also
in den sandigen Theileu der untersuchten Materialien enthaltene
Kali im Verhältniss zur Gesammtmenge des letzteren stetig ab-
nehmen, während das Quantum des durch Schwefelsäure gelösten
Kali mit dem steigenden Thongehalt sich erhöhte. Die Summe
des in kalter und heisser Salzsäure löslichen Kali in Procenten
der Gesammtmenge desselben ist überall eine ziemlich gleiche,
nur dass in der Ackerkrume, unabhängig von deren Entstehung,
hauptsächlich durch den kräftiger eingreifenden Verwitterungs-
process und vielleicht auch durch langjährige Kultur bedingt, die
Menge des in kalter Salzsäure löslichen Kali relativ und auch
absolut grösser ist, als im Gestein und im Untergrunde.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 13
— 194 —
Im Ganzen ist die procentige Menge des Kali, zunächst in
der lufttrocknen Substanz der kalkreichen Ackerkrume nicht sehr
beträchtlich; sie erhebt sich aber wenigstens zu dem mittleren
Gehalt anderer Kulturböden, wenn man dieselbe nach Abzug des
kohlensauren Kalkes auf den alsdann bleibenden Rest des Bodens
allein bezieht. Das Natron kommt als Bestandtheil des Kultur-
bodens nicht wesentlich in Betracht und es ist auch die Be-
stimmungsmethode weniger zuverlässig als bei dem Kali und
anderen Stoffen; das Verhältniss von Kali zum Natron wurde
gefunden im Auszug mit
Gestein. Untergrund. Ackerkrume.
kalter Salzsäure . . 1 : 0,693 1 : 0,372 1 : 0,315
heisser , • • 1:0,024 1:0,017 1:0,162
Schwefelsäure . . 1:0,206 1:0,285 1:0,187
Flusssäure . . . . _l^^,2^7^_1^324_jLj^,383^_
Im Ganzen 1 : 0,173 1 : 0,209 1 : 0,255
Die Gesammtmenge des Kali im Untergrund und in der
Ackerkrume ist die vier- bis fünffache von derjenigen des Natron;
durch kalte Salzsäure wird von dem letzteren, wie es auch sonst
oft zu beobachten ist, verhältnissmässig weit mehr extrahirt als
' bei der darauf folgenden Behandlung mit heisser Salzsäure,
während im Schwefelsäure-Auszug und noch mehr in der mit
Flusssäure aufgeschlossenen Masse die Menge des Natrons im
Verhältniss zum Kali wiederum zunimmt.
Bei der Analyse des sandigen Rückstandes, welcher
mit Flusssäure aufgeschlossen wurde, ergaben sich solche Ver-
hältnisse der Bestandtheile, dass daraus, nach Abzug der m
kohlensaurem Natron löslichen Kieselsäure und einer kleinen
Menge von Thon, welche durch die vorausgehende Behandlung
mit Schwefelsäure unzersetzt geblieben war, in 100 Theilen dieser
sandigen Masse durch Rechnung gefunden wurde:
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Kalifeldspath . . 8,93 9,18 8,83
Natronfeldspath . 2,81 5,76 4,15
Quarzsand . . . _^8^26____^M6____87,02_
100,00 100,00 100,00
195 —
Es ist dies, gegenüber von anderen Bodenarten ein an-
näliernd mittlerer Gehalt der sandigen Masse an feldspathartigen
Verbnidungen; derselbe ist jedoch sehr unbedeutend, wenn man
Ihn auf die gesammte lufttroclcene Masse des Gesteins oder Bodens
bezieht, nämlich in Procenten:
■ Gestein. Ackerkrume, üntergroid.
Kahfeldspath .... o,974: 1,5670 1 8943
Natronfeldspath . . . 0,3071 0,9832 o'8899
^'"''•^«''»'i 9,6275 14,5194 3,6701
Der in Rede stehende Verwitterungsboden hat bei seinem
grossen Gehalt an kohlensaurem Kalk und bei dem reichlichen
Vorkommen von grösseren oder kleineren Gesteinstrümmern eine
ziemlich unfertige Beschaffenheit, während eine fahlgraue Farbe
d.e theilweise mit der relativ geringen Menge von Eisenoxyd im'
Zusammenhange steht, ihm den Anschein einer gewissen Trägheit
und Unthätigkeit giebt. Die letztere ist jedoch nur scheinbar
vorhanden; allerdings würde die Ackerkrume und mehr noch
der Untergiund bei abnehmendem Kalkgehalt und schliesslich
voUigem Verschwinden desselben immer mehr den Charakter eines
zahthomgen Bodens annehmen, da der Thon theilweise über die sandi-
gen Gemengtheile vorherrscht. Wenn man zu dem Quarzsand die
feldspathartigen Verbindungen hinzurechnet, so würde in Procenten
der ganz kalkfreien geglühten Masse vorhanden sein:
o ,. „ Gestein. Äckerkrume. Untergrund.
Sandige Gemengtheile . . 54,400 48,087 36 466
^'™'-'^'^''" 36,924 43,906 55,'418
Jedoch kann bei dem grossen Kalkgehalt des Bodens von
emer zähthonigen und somit unthätigen Beschaffenheit desselben
nicht die Rede sein; höchstens wird eine solche bei der erdigen
Masse des Untergrundes sich einigermassen bemerkbar machen
fcs enthielt nämlich im lufttrocknen Zustande:
■.^ ,, Ackerkrume. Untergrund.
Kohlensaurer Kalk .... 53,5000 Proc. 27,6888 Proc.
Sandige Gemengtheile . . . 17,0696 , 214543
^''"'^''^0- 15,5663 , 32,6205 !
13
— 196 —
An den Stellen, wo der Boden in seiner krümeligen Masse
eine genügende Tiefe besitzt, muss er für die Kultur als brauch-
bar bezeichnet werden; für seine Güte und natürliche Frucht-
barkeit spricht namentlich auch der relativ hohe Phosphorsäure-
gehalt, sowie der Umstand, dass das Verhältniss von Thonerde
und Kali kein ungünstiges, vielmehr ein mittleres ist, wenn auch
die Gesammtmenge des Kali, auf Procente des lufttrocknen Bodens
bezogen, gerade nicht als eine reichliche erscheint. Wir werden
später auf diese Verhältnisse zurückkommen, wenn wir die aus
verschiedenen Kalksteinen hervorgegangenen Bodenarten hin-
sichtlich der Menge und Löslichkeit ihrer Bestandtheile einer
vergleichenden Betrachtung unterwerfen.
2. Obere Schichten des Krebsscheerenkalkes
mit Feuersteinknollen.
In der Nähe von Böhmerkirch sind die oberen Schichten
des Krebsscheerenkalkes in einem grossen Steinbruch gut aufge-
schlossen und man findet dort auch Gesteinsstücke, an welchen
die Art und Weise der Verwitterung deutüch zu erkennen ist.
Es sind nämlich grössere und kleinere, plattenförmig abgeson-
derte oder massige Gesteinsstücke vorhanden, an welchen die
äusserste Kruste ganz mürbe und leicht zerreiblich ist, das un-
verwitterte Innere aber eine noch feste und harte Beschaffenheit
hat. Diese mürbe Kruste bildet immer nur eine schwache, kaum
5 — 6 Millimeter dicke Schicht; dieselbe bröckelt leicht ab und
zerfällt zu einem zarten Pulver, aus welchem alsdann, wie es
scheint, der kohlensaure Kalk ausserordentlich rasch aufgelöst
und ausgewaschen wird. Wenigstens findet mau ein derartiges
kalkreiches Pulver nirgends in grösserer Menge augesammelt,
dasselbe dient in keiner Weise als bodenbildendes Material; da-
gegen ist nicht selten eine sehr thonige, fast ganz kalkfreie
Masse anzutreffen, welche von oben her die Spalten des an-
stehenden Gesteins ausfüllt oder zwischen den obersten platteu-
förmigen Absonderungen eingelagert ist. Wu' haben also hier-
nach zunächst dreierlei zur chemischen Untersuchung geeignetes
und derselben bedürftiges Material, nämlich 1. das ursprüngliche
— 197 —
feste Gestein, 2. die mürbe Verwitterungsschicht,
welche oft die der Luft ausgesetzten Flächen des Gesteins über-
zieht und 3. die erwähnte thonige Masse als vielleicht letztes
Produkt der Verwitterung.
Die zerreibliche und ganz verwitterte Kalkmasse liess sich
leicht von den betreffenden Gesteinsstücken ablösen und indem
man den inneren festen Kern der letzteren ebenfalls der che-
mischen Analyse unterwarf, konnte man also die Veränderungen
ermitteln, welche das Gestein auf seiner ersten Verwitterungs-
stufe erleidet, bis zum Zerfallen zu einer lockeren pulverigen
Masse. Diese zuerst gebildete, noch sehr kalkreiche Substanz
verschwindet, wie schon erwähnt wurde, sehr rasch; zwischen
derselben und der fast kalkfreien thonigen Masse habe ich keine
Zwischenstufen auffinden können. Die thonige Masse ist mehr
oder weniger mit Feuerstein (Hornsteinen) vermischt ; sie kommt
aber in kleineren Partieen auch fast ganz ohne die letzteren
vor. Das zur Analyse benutzte Material hinterliess in 2430 Grm.
auf einem Siebe mit 3 Millimeter weiten Löchern nur 43 Grm
oder 1,8 Proc. von kleinen Feuersteinstückchen.
Fast überall, wo die oberen Schichten des Krebsscheeren-
kalkes einen meist flachgründigen Verwitterungsboden gebildet
haben, sind die Felder und Weiden von magerer Beschaffenheit;
sie erscheinen oft sogar ganz öde und unfruchtbar, was aber
weniger, wie wir sehen werden, durch die mangelhafte Zusammen-
setzung des eigentlichen Bodenpulvers bedingt ist, als vielmehr
mit dem massenhaften Vorkommen von Feuersteiuknollen im Zu-
sammenhange 8teht. Die Flächen sind oftmals wie übersäet oder
förmlich wie gepflastert mit faustgrossen und noch grösseren
Feuersteinknollen oder zersplitterten Stücken derselben und einer
einigermassen lohnenden Kultur muss das mühsame und umständ-
liche Absammeln dieser Steine vorausgehen, während bei der
Bestellung des Feldes davon immer neue Exemplare zum Vor-
schein kommen. Ausserdem sind kleinere, mehr oder weniger
rundliche Stücke in unzähliger Menge vorhanden; in 5530 Grm.
einer Bodenprobe, aus welcher alle grösseren Knollen schon ent-
fernt waren, fand man solche von Erbsen- bis Nussgrösse, die
— 198 —
also auf einem Siebe mit 3 Millimeter weiten Löchern zurück-
blieben, 1520 Grm oder 27,5 Proc. Von der abgesiebten Acker-
erde, sowie von den Feuersteinknollen mussten geeignete Proben
ausführlich analysirt werden, so dass also aus dem Gebiete der
in Rede stehenden Gebirgsformation 5 verschiedene, mit einander
gleichsam ein Ganzes bildende oder sich gegenseitig ergänzende
Materialien zur chemischen Untersuchung gelangten. Die Resul-
tate dieser Untersuchungen stelle ich hier zunächst übersichtlich
in derselben Weise zusammen, wie es auch bei den anderen, in
der vorliegenden Abhandlung oder schon früher von mir ver-
öffentlichten Boden- und Gesteiusanalysen geschehen ist.
Das feste ursprüngliche und auch das schon verwitterte
mürbe Gestein war so reich an kohlensaurem Kalk, dass es als
unnöthig erscheinen musste, diese beiden Materialien einer ebenso
ausführlichen Untersuchung zu unterwerfen, wie die Thonmasse
und die Ackererde. Es war genügend, die Menge der in heisser
Salzsäure löslichen Bestandtheile zu ermitteln und ausserdem den
darin unlöslichen Rückstand mit Flusssäure aufzuschliessen. Es
ergaben sich für die betreffenden Materialien folgende Resultate
in Procenten der völlig lufttrocknen Substanz:
A. Auszug mit kalter Salzsäure.
Thonmasse. Ackererde.
Kieselsäure in der Lösung 0,0147 0,0078
Schwefelsäure 0,0272 0,0235
Phosphorsäure 0,1478 0,0732
Kohlensaurer Kalk 1,1912 2,1418
Kalk - —
Magnesia 0,0805 0,1089
Eisenoxyd 3,8125 1.8740
Thonerde 2,3562 1,3353
Manganoxyduloxyd 0,1250 0,1665
Kali 0,0487 0,0560
Natron 0,0241 0,0147
6,8279 5,8017
Kieselsäure, löslich in kohlensaurem Natron 2,2320 1,1120
— 199 —
B. Auszug mit heisser Salzsäure.
Hierzu wurden bei dem festen und verwitterten Gestein je
100 Grm., bei Thonmasse und Ackererde je 150 Grm. der
frischen lufttrocknen, entsprechend vorbereiteten Substanz in
Arbeit genommen.
Festes
Gestein.
Mürbes
Gestein.
Kieselsäure in d. Lösung
Schwefelsäure
Phosphorsäure
Kohlensaurer Kalk
Kalk . . .
Magnesia . .
Eisenoxyd . .
Thonerde . .
Manganoxyduloxyd
Kali . . .
Natron . . .
0,0410 0,0509
93.4000 89,7000
1,5200
0,0313
0,1419
Spur
1,9200
0,0296
0,0443
Thon-
masse.
0,1470
0,0338
0,1700
1,2582
0,2238
5,3775
8,8025
0,3475
0,2863
0,0383
Acker-
erde.
0,1046
0,0183
0,0875
2,3187
0,1134
2,0386
2,9552
0,4467
0,1510
0,0228
95,1342 91,7448 16,6649 8,2568
Kieselsäure , löslich in
kohlensaurem Natron
Eil '.kstand, geglüht . .
Glühverlust . . . .
5,0595 7,7775
11,6907 3,9971
57,2918 78,0504
13,9799 8,7041
100,1937 99,5223 99,6273 99,0084
C. Rückstand von B. mit Schwefelsäure behandelt.
Thonmasse. Ackererde.
1
Kalk 0,0138
Magnesia 0,2124
Eisenoxyd 0,5223
Thonerde 8,5237
Kali 0,3047
Natron 0,0649
~9,6418~
Kieselsäure, löslich in kohlensaurem Natron 11,5908
Rückstand, geglüht 36,9180
0,0811
0,2130
0,3153
4,0417
0,3448
0,0615
' 5,0574
5,6076
67,2886
58,1506 77,^9536
200
D. Rückstand mit Flusssäure aufgeschlossen.
Bei dem festen und mürben Gestein wurde der Rückstand
von dem Salzsäure-Auszug (B) , bei Thonmasse und Ackererde
der Rückstand von dem Schwefelsäure-Auszug (C) mit Flusssäure
behandelt.
Festes
Gestein.
Kalk 0,0080
Magnesia 0,0190
Thonerde 0,3655
Kali 0,0512
Natron 0,0254
Kieselsäure .... 4,5904
5,0595 7J775 3679180 67,2886
Die Gesammtmenge der einzelnen Bestandtheile, auf Pro-
cente der lufttrockenen Substanz berechnet, beträgt hiernach:
Mürbes
Thon-
Acker-
Gestein.
masse.
erde.
0,0103
0,0886
0,1211
0,0318
—
Spur
0,4642
0,2843
2,5099
0,0683
0,3766
0,6527
0,0333
0,5242
0,8209
7,1696
35,6443
63,1840
Festes
Gestein.
Proc.
Kieselsäure, unlöslich'
„ löslich
Thonerde, löslich .
„ unlöslich *
Eisenoxyd . .
Mangauoxyduloxyd
Kohlensaurer Kalk
Kalk ....
Magnesia , . .
Phosphorsäure .
Schwefelsäure .
Kali ....
Natron . . .
Glühverlust . .
Stickstoff . .
Mürbes
Gestein.
Proc.
4,5904 7,1696
1,8855 2,3842
93,4000 89,7000
0,0080 0,0103
Thon- Acker-
masse, erde.
Pros. Proc.
35,6443 63,1840
23,4285 9,7093
0,0190
0,0410
0,0825
0,1673
0,0318
0,0509
0,0979
0,0776
17,3262
0,2843
5,8998
0,3475
1,2582
0,1024
0,4362
0,1700
0,0338
0,9676
0,6274
13,9799
6,9969
2,5068
2,3539
0,4467
2,3187
0,2022
0,3264
0,0875
0,0183
1,1485
0,9052
8,7041
100,1937 99,5223 100,5061 98,9116
— — ' 0,1716 0,1491
* Vgl. S. 183, Anmerkung.
— 201 —
In Procenten der geglühten, also wasser- und humnsfreien
Substanz erhält man:
Thonmasse.
Ackererde.
Kieselsäure . . .
68,2736
80,8063
Thonerde . . .
20,3528
10,5388
Eisenoxyd . . .
6,8185
2,6094
Manganoxyduloxyd
0,4016
0,4952
Kohlensaurer Kalk
1,4541
2,5704
Kalk
0,1183
0,2241
Magnesia . .
0,5041
0,3618
Phosphorsäure .
0,1965
0,0970
Schwefelsäure . ,
0,0391
0,0203
Kali ....
1,1181
1,2732
Natron . . .
0,7251
1,0035
100,0000
100,0000
Quarzsand . .
. 34,8568
61,2931
Reiner Thon .
47,1010
19,6908
Kalifeld spath .
2,5771
4,2816
Natroufeldspath .
5,1328
7,7129
89,6677 92,9784
Es ist selbstverständlich, dass die mürbe, leicht zerreibliche
und abfärbende Gesteinsmasse durch Verwitterung aus dem festen
Gestein hervorgegangen sein muss, denn die erstere haftet noch
an der Oberfläche des letzteren an und bildet eine meistens
dünne Schicht um den festen Kern. Ebenso lässt das oben an-
gedeutete Vorkommen der „Thonmasse" einen nahen Zusammen-
hang derselben mit dem anstehenden Gestein vermuthen. In-
wiefern dieses wirklich der Fall ist, wird aus der folgenden Zu-
sammenstellung und den daran sich anschliessenden weiteren Er-
örterungen sich ergeben. Wir gehen hierbei aus von dem Kiesel-
säuregehalt der untersuchten Materialien , da die Menge der
Thonerde in dem Gestein nicht für sich allein, sondern nur ge-
meinschaftlich mit dem Eisenoxyd bestimmt worden ist. Die
Rechnung ergiebt, dass zunächst 100 Gewichtstheile des „mürben"
— 202
Gesteins aus 156,2 Gewichtstheilen der ursprünglichen festen
Masse gebildet worden sind, nämlich:
Mürbes
Gestein Differenz.
Theilen. 100 Theile.
7,1696 —
Ursprüngliches Gestein
in 100 in 156,2
Theilen.
4,5904
1,8855
2,9452
7,1696 = —
2,3842 = 0,5610
93,4000 145,8908 — 89,7000 = 56,1908
Kieselsäure
Thonerde j
Eisenoxyd j '
Kohlensaurer Kalk
Kalk . . .
Magnesia . .
Phosphorsäuve .
Kali ....
Natron ...
Ferner können 1487 Gewichtstheile des festen Gesteins
nach vollständiger Verwitterung desselben, resp. nach Auslaugung
0,0080
0,0190
0,0410
0,0825
0,1673
0,0125 —
0,0297 —
0,0640 —
0,1289 —
0,2613 —
0,0103 =
0,0318 =
0,0509 =
0,0979 =r
0,0776 =
0,0022
0,0131
0,0310
0,1837
des kohlensauren Kalkes
geliefert haben:
100 Gewichtstheile der „Thonmasse''
Festes Gestein Thonmasse
in 1487 in 100 Theilen
Theilen. gefunden.
Differenz.
Kieselsäure . . .
68,2736 —
68,2736 = —
Thonerde )
Eisenoxyd >
28,0374 —
27,5729 = 0,4645
Manganoxyduloxyd )
Kohlensaurer Kalk
1388,8580 —
1,4541 = 1387,4039
Kalk
0,1189 —
0,1183 = 0,0006
Magnesia . . . .
0,2825 -
0,5041 = + 0,2216
Phosphorsäure . .
0,6097 —
0,1965 = 0,4132
Kali
1,2268 —
1,1183 = 0,1085
Natron ....
2,4878 —
0,7251 = 1,7627
Vorstehende Zahlen lassen den Zusammenhang zwischen dem
ursprünglichen Gestein und seinen Verwitterungeprodukten er-
kennen. Die Differenz zwischen dem berechneten und gefundenen
Gehalt an Eisenoxyd nebst Thonerde ist bei dem mürben Ge-
— 203 —
stein eine verhältnissmässig grössere als bei der Thonmasse und
dasselbe bemerkt man auch hinsichtlich des Kali's. Dies ist
freilich an sich nichts Auffallendes, sondern stimmt vielmehr
mit anderweitigen Beobachtungen überein, dass nämlich ein
Kalkstein in dem ersten Stadium der Verwitterung verhältniss-
mp^sig mehr Eisenoxyd und Alkali durch Auswaschen verliert,
als bei der später immer vollständiger erfolgenden Entfernung
des kohlensauren Kalkes; aber dennoch scheint das hier unter-
suchte mürbe Gestein zufällig etwas weniger an Thonerde nebst
Eisenoxyd, sowie an Kali, überhauj^t an kalihaltigem Thon ent-
halten zu haben, als der mittleren Beschaffenheit dieser Masse
entsprechen möchte.
In der eigentlichen Ackererde oder überhaupt in dem
meist nur flachgründigen Verwitterungsboden findet man eine
Unmasse von Feuersteinen, in grösseren oder kleineren Stücken,
gewöhnlich knollenförmig abgerundet, oft auch durch mechanische
Ursachen zersplittert. Der Bruch ist muschelig, die Masse sehr
hart und fest; nur ausnahmsweise kommen Stückchen vor mit
erdigem Bruch und von mürber Beschaffenheit, so dass daran
eine Verwitterung oder ein allmähliges, wenn auch sehr lang-
sames Zerfallen der Feuersteine zu erkennen ist. Die einzelnen
Stücke sind auf dem frischen Bruch entweder weiss oder grau,
gelb bis braun gefärbt, an der Aussenfläche meistens dunkler
und zuweilen wie mit einer an Eisen- und Manganoxyd reichen
Kruste umgeben, während der Kern fast farblos ist.
Zunächst wurde der ganz feste und harte, weitaus in
grösster Masse vorkommende Feuerstein auf seine Bestand-
theile untersucht. Man fand in der gepulverten lufttrocknen
Substanz 1,038 Proc. Feuchtigkeit (Glühverlust) und 1,348 Proc.
von solchen Stoffen, welche in konzentrirter kochender Salzsäure
auflöslich waren und vorherrschend aus Eisen- und Manganoxyd
nebst wenig Thonerde bestanden, während kaum Spuren von
Kalk und Magnesia nachgewiesen werden konnten. Von der in
Salzsäure unlöslichen Masse (97,614 Proc. der ursprünglichen
lufttrockneu Substanz) wurde ein Theil nach dem Aufschliessen
— 204 —
mit Flusssäure analysirt; im Ganzen war nach dieser Unter-
suchung in dem lufttrocknen Feuerstein enthalten;
Feuchtigkeit . . . . 1,0380 Proc.
Eisenoxyd und Thonerde 1,9694 ,
Kalk 0,1329 „
Magnesia Spur
Kali 0,1069 „
Natron 0,2168 ,
Kieselsäure .... 96,5360 „
100,0000
Anscheinend etwas verwitterte, leichter zerreibliche Stücke
ergaben beim Aufschliessen mit Flusssäure einen Gehalt an
Kalk von 0,156 Proc. und an Eisenoxyd und Thonerde im
Ganzen von 2,483 Proc; die Zusammensetzung war offenbar eine
ganz ähnliche wie die des gewöhnlichen festen Feuersteins.
Endlich einige kleine, nussgrosse Knollen, welche mit einer
dunkelbraunen Kruste umgeben waren und sich leicht pulvern
Hessen, enthielten an in Salzsäure löslicher Substanz nicht
weniger als 9,09 Proc, fast ausschliesslich aus Eisen und
Manganoxyd bestehend ; in dem Eest fand man nach dem Auf-
schliessen mit Flusssäure 0,064 Proc Kalk und 1,194 Proc.
Thonerde und Eisenoxyd, also wiederum ziemlich entsprechend
der obigen Zusammensetzung des gewöhnlichen Feuersteins.
Es erscheint nun als die einfachste und natürlichste An-
nahme, dass die erdige Masse der Ackerkrume, die eigentliche
Fein er de des Kulturbodens aus der weiter oben be-
schriebenen thonigen Substanz im Gemenge mit einem gewissen
Theil von verwittertem und zu Pulver zerfallenem Feuerstein be-
steht. Wenn man die Summe der Bestandttheile von 100 Ge-
wichtstheilen der Thonmasse und von 75 Gewichtstheilen des
Feuersteins wiederum auf Procente berechnet , so erhält man in
der That eine Zusammensetzung, welche derjenigen in mancher
Hinsicht ähnlich ist, welche bei direkter Analyse für die Acker-
erde gefunden wurde, nämlich:
205
lOOTheile 75Theile
. InlOOTh.
in
Acker-
Thon- Feuer-
Summa.
be-
erde ge-
masse, stein.
rechnet.
funden.
Kieselsäure . . .
68,274 -h 73,161 =
141,435
80,819
80,803
Thonerde . . . .
20,353
Eiseaoxyd . . . .
6,819 -h 1,493 =
29,066
16,609
13,633
Manganoxyduloxyd .
0,402
Kohlensaurer Kalk.
1,454 — =
1,454
0,831
2,571
Kalk
0,118 ■+- 0,101 =
0,219
0,125
0,224
Magnesia . . . .
0,504 - =
0,504
0,288
0,362
Phosphorsäure . .
0,197 — =
0,197
0,112
0,097
Schwefelsäure . .
0,039 — =
0,039
0,022
0,020
Kali
1,118 -H 0,081 ^
1,199
0,686
1,273
Natron
0,725 -h 0,164 =
0,889
0,508
1,004
100,000 -f- 75,000 = 175,000 100,000 100,000
Wie man sieht, stimmt die durch Rechnung und die durch
direkte Analyse für die Ackererde gefundene procentige Menge
der Kieselsäure vollkommen überein und auch die Differenzen
im Gehalt an Thonerde nebst Eisen- und Manganoxyd erklären
sich grossentheils aus dem Umstände, dass in der Ackererde
verhältnissmässig weniger Eisenoxyd vorhanden ist, als in der
Thonmasse , wie es schon mehrfach in anderen Untersuchungen
bezüglich der oberen Schichten des Kulturbodens gegenüber dem
Untergrunde konstatirt worden ist. Die Differenzen für kohlen-
sauren Kalk, Kalk und Magnesia kommen natürlich gar nicht in
Betracht; die für Phosphorsäure und Schwefelsäure sind sehr
gering, während dagegen an Kali und Natron fast genau
doppelt so viel durch direkte Analyse gefunden wurde, als
nach der angestellten Rechnung sich ergeben würde. Die zu-
letzt erwähnte grosse Verschiedenheit der betreffenden Zahlen
zeigt deutlich genug, dass die Ackererde nicht einfach als ein
Gemenge der Thonmasse und des zu Pulver zerfallenen Feuer-
steins aufgefasst werden kann. Dies wird auch bestätigt durch
die sehr übereinstimmende Zusammensetzung der „sandigen Sub-
stanz", welche sowohl bei der Thonmasse als bei der Acker-
erde nach Behandlung derselben mit Salzsäure und Schwefel-
säure zurückblieb, also zur Auf Schliessung mit Flusssäure ge-
langte. Diese saudige Substanz nämlich enthielt in 100 Theilen:
206
Thonmasse.
Ackererde.
Mittel.
Kalk
0,24 Proc.
0,18 Proc.
0,21 Proc.
Thonerde . . .
• 0,77 „
3,73 „
2,25 ,
Kali
. 1,02 „
0,97 „
1,00 ,
Natron ....
. 1,42 „
1,22 „
1,32 ,
Kieselsäure . . .
. 96,55 „
93,90 „
95,22 „
100,00 100,00 100,00
Die Menge der Thonerde in der zuerst aufgeführten Analyse
ist auffallend niedrig, während dieselbe in der zweiten Analyse
etwas mehr beträgt, als dem auf Grund des Alkaligehalts berech-
neten Quantum von Kali- und Natronfeldspath entspricht.*
Dagegen ist im Uebrigen die Zusammensetzung und namentlich
das absolute und gegenseitige Verhältniss der Alkalien in beiden
Analysen sehr übereinstimmend gefunden worden und daraus er-
sichtlich, dass zur Bildung der sandigen Substanz in der Acker-
erde der Feuerstein nicht wesentlich mehr beigetragen hat, als
in der Thonmasse ; nur die Gesammtmenge der sandigen Sub-
stanz ist im ersteren Falle bedeutend grösser als in dem letzteren.
Auch der reine Thon, wie derselbe auf chemischem Wege er-
mittelt worden ist, zeigt hinsichtlich seiner Hauptbestandtheile
in den beiderlei untersuchten Materialien fast völlig gleiche
procentige Mengenverhältnisse. Man fand nämlich:
. , j Salzsäure- Schwefelsäure- m\ho]
a. Ackererde. . . iViittei.
Auszug. Auszug.
Thonerde 41,88 Proc. 41,88 Proc. 41,88 Proc.
Kieselsäure .... 58,12 „ 58,12 „ 58,12 „
b. Thonmasse.
Thonerde 42,65 Proc. 42,38 Proc. 42,52 Proc.
Kieselsäure .... 57,35 „ 57,62 „ 57,48 r>
* Eine nachträglich wiederholte iVualyse der sandigen Substanz
von beiderlei Materialien ergab bei der Ackererde fast dieselbe Zu-
sammensetzung, wie sie oben angegeben ist, bei der Thonmasse da-
gegen etwas mehr an Thonerde und eine geringere Menge von Al-
kalien. Die Differenzen sind jedoch nicht von der Art, dass sie die
hier angestellten Berechnungen und Betrachtungen wesentlich zu
modificiren vermöchten.
— 207 —
Hiernach unterscheidet sich die Ackererde nur dadurch von
der „Thonmasse", dass sie entsprechend mehr an sandiger Sub-
stanz enthält, und in der That, wenn man zu 100 Gewichts-
theilen der Thonmasse 100 Gewichtstheile der sandigen Substanz
von der oben angegebenen mittleren Zusammensetzung hinzu-
addirt und das Ganze wiederum auf Proceute berechnet, so ge
langt man auf diese Weise fast zu denselben Mengenverhältnisseiii
der Bestandtheile, wie sie für die Ackererde durch die direkte
Analyse sich ergeben haben. In dem Folgenden ist die pro-
centige Zusammensetzung der Thonmasse und der Ackererde an-
gegeben, wie dieselbe nach Abzug des kohlensauren Kalkes (be-
ziehungsweise 1,45 und 2,57 Proc.) sich gestaltet.
lOOTheile lOOTheile j^ In 100 Th. Acker-
Thon- sandige g^jj^j^^^ be- erde ge-
masse. Substanz. ' rechnet, fanden-
Kieselsäure .... 69,280 + 95,22 = 164,500 82,250 82,934
Thonerde .... 20,653 + 2,25 = 22,903 11,451 10,823
Eisenoxyd .... 6,919 — = 6,919 3,459 2,678
Manganoxyduloxyd . 0,407 - = 0,407 0,204 0,508
Kalk 0,120 -h 0,21 = 0,330 0,165 0,230
Magnesia .... 0,512 — = 0,512 0,256 0,371
Phosphorsäure . . . 0,199 — = 0,199 0,099 0,098
Schwefelsäure . . . 0,039 — = 0,039 0,020 0,021
Kali 1,135 -h 1,00 = 2,135 1,068 1,307
Natron .... . 0,736 -f 1,32 — 2,056 1,028 1,030
100,000 -h 100,00 -= 200,000 100,000 100,000
Die üebereinstimmung der betreffenden Zahlen lässt jetzt,
wie man sieht, kaum etwas zu wünschen übrig, namentlich wenn
man Eisen- und Manganoxyd zusammenrechnet, was im vor-
liegenden Falle wohl um so mehr gestattet ist, als wirklich die
Abscheidung des Mangans nach der gewöhnlichen Methode bei
der Analyse der hier in Eede stehenden Materialien auffallend
schwierig erfolgte. Sogar für Phosphorsäure und Schwefelsäure
ergiebt die Rechnung fast genau dieselben Zahlen wie die
direkte Analyse und dass bei der letzteren etwas mehr Kali,
gleichsam ein kleiner Ueberschuss von dieser Substanz gefunden
wurde, befindet sich im Einklang mit der bekannten Erscheinung,
— 208 —
wonach sehr häufig in der obersten Schicht des Kulturbodens
nach und nach eine gewisse Menge von Kali sich angesammelt
hat und zwar hauptsächlich in einem relativ leicht, d. h. in Salz-
säure und in Schwefelsäure löslichen Zustande.
Nach allen im Vorhergehenden angestellten Erörterungen
hat es den Anschein, als ob die „Thonmasse" nicht, wie weiter
oben angenommen wurde, ein einfaches und direktes Ver-
witterungsprodukt des anstehenden Gesteins ist, sondern dass
erst nachträglich ein Ausschlämmen dieser Masse
aus der „Ackererde" stattgefunden hat, womit auch
das Vorkommen der ersteren an dem oberen Rande des Stein-
bruches, in kleineren Parthien die vorhandenen Spalten aus-
füllend und zwischen Bruchstücken von Kalkstein eingelagert,
keineswegs im Widerspruche steht. Es ist nämlich diese Thon-
masse nicht etwa durch Aufgraben des Bodens auf dem Acker-
felde aus dem Untergründe aufgenommen worden, wie es be-
züglich der Materialien aus den unteren thonigen Schichten des
Krebsscheerenkalkes der Fall war. Es scheint daher die erdige
Masse als Ganzes aus der anstehenden Kalkformation hervor-
gegangen zu sein, vermuthlich unter Mitwirkung des allmählig^
verwitterten und zu Pulver zerfallenen Feuersteins; in welchem
Grade und Mengenverhältniss der letztere an der Bildung
der Feinerde des Kulturbodens theilgenommen hat, lässt sich
auf Grund der vorliegenden Untersuchungen niclit mit Genauig-
keit ermitteln. Jedenfalls aber haben wir es auch hier wiederum
mit einem reinen Verwitterungsboden zu thun, mit Materialien,
die im Wesentlichen auf völlig primärer Lagerstätte sich be-
finden.
Der Boden des oberen Krebsscheeren-Kalksteins zeigt im
Allgemeinen, wie schon erwähnt wurde, als Ackerland oder
Weide eine nur geringe natürliche Fruchtbarkeit und ist einer
lohnenden Kultur wenig zugänglich. Dies ist zunächst und haupt-
sächlich bedingt durch die vielen Feuersteine oder Hornsteine,
die in grösseren und kleinereu Knollen wohl mehr als 50 Pro-
cent von dem Gesammtgewicht des Bodens ausmachen. Aber
auch die Feinerde des Bodens ist ziemlich arm an wichtigen
/
• — 209
Pflanzennälirstoffen, wenn auch nicht gerade absolut, so doch
entschieden gegenüber den Verwitterungsböden anderer Kalk-
steinformationen, besonders wenn man beachtet, dass es sich hier
um eine kalkarme Ackererde handelt. An Phosphorsäure
wurde gefunden in der völlig lufttrocknen Substanz:
Löslich in Thonmasse. Ackererde,
kalter Salzsäure a . . 0,1473 Proc. 0,0725 Proc.
b . . 0,1483 „ 0,0738 ^
Mittel 0,1478 Proc. 0,0732 Proc.
heisser Salzsäure . . 0,1700 „ 0,0875 „
In der Ackererde ist dieser Gehalt zwei bis drei Mal ge-
ringer, als in der sehr kalkreichen Ackerkrume aus dem Gebiete
der unteren thonigen Schichten des Krebsscheerenkalkes, während
das Verhältniss der in kalter Salzsäure löslichen Phosphorsäure
zu der Gesammtmenge derselben ein günstiges ist, nämlich
= 83,6 Proc. in der Ackererde und 86,9 Proc. in der Thon-
masse.
An Kali fand man in Procenten der lufttrocknen Substanz:
Thonmasse. Ackererde.
1. löslich in kalter Salzsäure
. 0,0487
0,0560
2. j, y, heisser „
. 0,2376
0,0950
3. „ „ Schwefelsäure .
. 0,3047
0,3448
4. „ „ Flusssäure . .
. 0,3766
0,6527
Im Ganzen 0,9676 1,1485
In Procenten der gesammten Kalimenge waren auflöslich in
1. kalter Salzsäure ...
2. heisser „ ...
3. Schwefelsäure ....
4. Flusssäure
Ferner betrug
1 in Proc. von 1 + 2 .
1 + 2 in Proc. von 1+2 + 3
l + 2 + 3inProc. vonl + 2 + 3 + 4
"Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878.
5,03
4,88
24,55
8,27
31,49
30,02
38,93
56,83
100,00
100,00
16,7
37,1
48,4
30,5
t 61,1
43,2
14
— 210 — •
Die gesammte Menge des Kali betrug in Procenten der
Thonmasse. Ackererde,
geglühten Substanz . . . . 1,1181 1,2732
do. nach Abzug von kohlens. Kalk 1,1350 1,3070
Endlich wurde das Verhältniss von Kali zur Thonerde ge-
funden im
Salzsäure-Auszug 1 : 30,75 1 : 19,57
Schwefelsäure- Auszug . . . 1 : 27,97 1 ; 11,43
Mittel 1 : 29,32 1 : 14,11
Die Gesammtmenge des Kali war keine beträchtliche und
die Art der Löslichkeit dieses Bestandtheiles deutet einen noch
ziemlich rohen Zustand des Bodens an. Das Verhältniss von
Kali zur Thonerde ist ein weniger günstiges, als z. B. in dem
Kulturboden der unteren Schichten des Krebsscheerenkalkes, und
das betreffende Verhältniss in dem Salzsäure-Auszug nicht, wie
gewöhnlich, ein engeres, als im Schwefelsäure- Auszug, sondern
im Gegentheil ein weiteres, bei der Ackererde sogar ein bedeu-
tend weiteres. Diese Verhältnisse von Kali zur Thonerde sind
in der „Thonmasse" noch viel ungünstiger, als in der „Acker-
erde", woraus man entnehmen muss, dass die Verwitterung der
Silikate in der letzteren weiter vorgeschritten ist, als in der
ersteren, obgleich die absolute Menge des in heisser Salzsäure
löslichen Kali in der Ackererde eine geringere ist.
Wir haben es hier mit einem Verwitteruugsboden zu thun,
der relativ reich ist an Natron. Dieser Eeichthum an Natron
zeigt sich noch weit entschiedener bei dem ursprünglichen Kalk-
stein, worin 0,0825 Proc. an Kali und 0,1673 Proc. an Natron
gefunden wurde, das gegenseitige Verhältniss also wie 1 : 2,028
war. In dem mürben Kalkstein dagegen, in welchem der Gehalt
an kohlensaurem Kalk von ursprünglich 93,4 nur bis auf 89,7 Proc.
gesunken war, fand man das betreffende Verhältniss sehr bedeu-
tend vermindert, nämlich wie 0,0979 : 0,0776 = 1 : 0,793, d.h.
fast genau ebenso wie in der Ackererde (1,1485 : 0,9052
= 1 : 0,788) und nur etwas weiter, als in der Thonmasse
(0,9676 : 0,7251 = 1 : 0,648). Es nimmt also das Natron bei
der Verwitterung des festen Kalksteins sehr rasch an Menge ab,
— 211 —
und zwar um reichlich die Hälfte bis auf ein fortan ziemlich
konstantes Verhältniss gegenüber dem Kali; es muss in dem
ursprünglichen Gestein eine gewisse Menge des Natrons in be-
sonders leicht löslicher Form, vielleicht als Chlornatrium vorhan-
den sein. Jedoch wurde hierauf bei der Analyse nicht direkt geprüft.
Die Löslichkeitsverhältnisse des Natrons im Kulturboden
sind ganz gewöhnlich von der Art, dass in der kalten Salzsäure
sich relativ, d. h. gegenüber dem Kali weit mehr Natron auf-
löst, als bei der nachträglichen Behandlung des Bodens mit
kochender Salzsäure, während dagegen der Auszug mit Schwefel-
säure und besonders der letzte mit Flusssäure aufgeschlossene
Kückstand wiederum mehr Natron enthält. Diese Verhältnisse
treten auch bei der hier untersuchten Ackererde und Thonmasse
sehr deutlich hervor; es verhielt sich nämlich die Menge des
gefundenen Kali zu derjenigen des Natrons in dem Auszug mit
Thonmasse,
Ackererde.
kalter Salzsäure . 1 : 0,495
1 : 0,262
heisser „ . . 1 : 0,060
1 : 0,085
Schwefelsäure . . 1 : 0,213
1 : 0,178
Flusssäure . . . 1 : 1,392
1 : 1,258
Im vorliegenden Falle ist im sandigen Rückstand das Natron
vorherrschend über das Kali und es berechnet sich der procentige
Gehalt dieser Masse folgendermassen:
Thonmasse.
Ackererde.
Kalifeldspath . 6,07 Proc.
5,84 Proc.
Natronfeldspath 12,06 ,
10,53 „
Quarzsand . . 81,87 „
83,63 .,
100,00 Proc. 100,00 Proc.
Oder in lOOTheilen der ursprünglichen lufttrocknen Substanz:
Kalifeldspath 2,236 Proc. 3,861 Proc.
Natronfeldspath 4,442 „ 6,961 „
Quarzsand . . 30,152 , 55,283 „
36,830 Proc. 66,105 Proc.
Auch das gegenseitige Mengenverhältniss, in welchem die
beiden feldspathartigen Verbindungen unter den sandigen Gemeng-
theilen vertreten sind, beweist, dass der Verwitterungsboden der
14*
— 212 —
oberen Schichten des Krebsscheeren-Kalksteins eine nur geringe
natürliche Fruchtbarkeit entwickeln wird.
3. Die Marmorkalke.
Unter dem Namen der Marmorkalke ist ein Gebilde des
weissen Jura bekannt, welches meistens einen festen und dichten
Kalkstein darstellt mit muschligem Bruch, aber auch mit zahl-
reichen Adern und Drusen von Kalkspathkrystallen versehen oder
mit derartigen kleinen glänzenden Krystallen durchsetzt ist. Das
Gestein ist auf dem frischen Bruch entweder fast ganz farblos
oder schwach röthlich gelb, auf den Absonderungsflächen der
Bruchstücke dunkler gefärbt; der Gehalt an kohlensaurem Kalk
ist ein so hoher, dass die übrigen Bestandtheile nur schwierig
quantitativ genau sich bestimmen lassen und namentlich ist die
Menge der in Salzsäure unlöslichen thonigen und sandigen Sub-
stanz eine überaus kleine, weshalb auch auf die nähere Unter-
suchung dieses unlöslichen Rückstandes verzichtet wurde. Bei
der Untersuchung der mit Salzsäure dargestellten Lösung ergab
sich folgender Gehalt in Procenten der lufttrocknen Substanz:
Kohlensaurer Kalk .... 98,5000
' Eisenoxyd und Thonerde . . 0,6400
Phosphorsäure 0,0134
Kali 0,0065
Natron 0,0141
Unlöslicher Rückstand, geglüht 0,2460
Jg'euchtigkeit 0,5700
99,9900
Die Formation ist, wo sie zu Tage ausgeht, in ziemlich
beträchtlicher Ausdehnung überlagert von einem Yerwitteruugs-
boden, welcher durch eine lebhaft rothbraune Farbe schon aus
einiger Entfernung sich zu erkennen giebt und für das Auge
angenehm absticht gegen die fahlgraue Ackererde im Gebiete der
unteren thonigen Schichten des Krebsscheeren-Kalksteins. Der
Verwitterungsboden des Marmorkalkes scheint für die Kultur
ganz geeignet zu sein, überall wenigstens wo derselbe eine ge-
— 213 —
iiügende Tiefe hat und nicht zu sehr mit grösseren oder kleineren
Trümmern des festen Gesteins vermischt ist. Die vorherrschend
thonige Beschaffenheit des Bodens ist in der eigentlichen Acker-
erde wesentlich gemässigt durch einen ziemlich beträchtlichen
Gehalt an kohlensaurem Kalk, welcher Bestandtheil aber weniger
im feinzertheilten Zustande als in der Form von Kalksand vor-
kommt.
Ueberall findet man in dem Ackerboden Trümmer und Stück-
chen von dem ursprünglichen Kalkstein, meistens an den Kanten
nur wenig abgerundet, häufig in kleinen Splittern scharfkantig
und ohne eine Spur von Verwitterung. Die letztere erfolgt über-
haupt bei diesem Gestein auf die Weise, dass die atmosphärischen
Wasser immer nur die Aussenfläche der Trümmer annagen, nicht
im Geringsten aber lösend und verändernd in das Innere einzu-
dringen und dadurch zunächst einen mürben Zustand derselben
herbeizuführen vermögen. Es giebt daher auch gar keine ver-
schiedene Verwitterungsstufen, sondern nur ursprüngliches Gestein
und eine erdige Bodenmasse; selbst der kleinste Gesteinssplitter,
welcher in der Ackererde vorkommt, hat immer noch fast dieselbe
Zusammensetzung wie der anstehende Kalkstein. Der letztere
verwittert sehr langsam und bei seinem überaus niedrigen Gehalt
an thoniger und sandiger Substanz ist es auch gar nicht mög-
lich, die Entstehung des Bodens quantitativ zu verfolgen, wie
wir solches bei anderen Kalksteinformationen, manchmal mit
grosser Schärfe vermochten. Wir müssen uns darauf beschränken,
den Verwitterungsboden des Marmorkalkes nach seiner chemischen
Zusammensetzung näher zu charakterisireu, ohne dieselbe mit
der Beschaffenheit des Muttergesteins in eine ganz bestimmte
Relation bringen zu können.
In einem kleinen Steinbruch nahe der Strasse zwischen
Böhmerkirch und Söhnstetten sind die Marmorkalke aufgeschlossen
und dort wurde auch die „Thonmasse" aufgenommen, welche
von oben her die Spalten des Gesteins ausgefüllt und auf den
Absonderungsflächen der Trümmerstücke sich abgelagert hat.
Diese Thonmasse ist nicht etwa als der Untergrund des Ver-
witterungsbodeus zu betrachten, sondern scheint zu demselben in
— 2U —
einem ganz ähnlichen Verhältniss zu stehen, wie Thonmasse und
Ackererde, also die beiden erdigen Materialien, von denen bei
den oberen Schichten des Krebsscheerenkalkes die Rede war.
Die im Folgenden als „Ackererde" aufgeführte Bodenart
wurde einem Felde entnommen, welches dem erwähnten kleinen
Steinbruch ganz nahe gelegen war; eine genaue Unterscheidung
zwischen Ackerkrume und Untergrund war bei dem meist seichten
Verwitterungsboden nicht wohl möglich. Nachdem man die
grösseren Gesteinsstücke aus der betreffenden Probe entfernt
hatte, enthielt die Ackererde in 2910 Grm. Substanz noch 440 Grm.
oder 15,12 Proc. von solchen Steinchen, welche auf einem Siebe
mit 3 Millimeter weiten Löchern zurückblieben, während in 2740 Grm.
der Thonmasse nur 30 Grm. oder 1,1 Proc. von derartigen
Steinchen sich vorfanden. Zur chemischen Analyse wurde nur
die von diesen Steinchen abgesiebte Masse benutzt und darin
bei der Behandlung mit den verschiedenen Lösungsmitteln folgende,
auf Procente der lufttrocknen Substanz berechnete Zusammen-
setzung gefunden.
A. Auszug mit kalter Salzsäure.
Thonmasse. Ackererde.
Kieselsäure in der Lösung . 0,0091 0,0052
Schwefelsäure 0,0297 0,0461
Phosphorsänre 0,1090 0,1153
Kohlensaurer Kalk .... 4,5667 15,7175
Kalk — —
Magnesia 0,2020 0,2111
Eisenoxyd 6,1320 3,1600
Thonerde 2,9765 1,6167
Manganoxyduloxyd .... 0,2117 0,2787
Kali 0,0415 0,0563
Natron 0,0182 0,0136
14,2964 21,2205
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron .... 2,3700 1,3625
— 215 —
B. Auszug mit heisser Salzsäure.
Thonmasse. Ackererde.
Kieselsäure in der Lösung . 0,0513 0,0553
Schwefelsäure 0,0491 0,0711
Phosphorsäure . . . . . 0,1269 0,1567
Kohlensaurer Kalk .... 5,0650 15,5370
Kalk — —
Magnesia , . 0,3390 0,2090
Eisenoxyd 8,8160 5,4267
Thonerde 8,5583 3,9246
Manganoxyduloxyd .... 0,2933 0,3346
Kali 0,4669 0,2380
Natron 0,0320 0,0573
23,7978 26,0103
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron .... 9,0343 5,8771
Rückstand geglüht .... 47,1697 53,1496
Glühverlust ...... 20,1723 15,9498
100,1741 100,9868
C. Rückstand von B. mit Schwefelsäure behandelt.
Kalk 0,0350 0,0601
Magnesia 0,0743 0,1440
Eisenoxyd 1,2434 0,8353
Thonerde 9,0983 7,8871
Kali 0,2280 0,3279
Natron 0,0940 0,0612
10,7730 9,3156
Kieselsäure, löslich in kohlen-
saurem Natron . . . , 10,1975 8,8727
Rückstand geglüht .... 26,4021 34,9093
47,3726 53,0976
D. Rückstand von C. mit Flusssäure aufgeschlossen,
Kalk 0,7077 1,3623
Magnesia 0,0523 0,0660
— 216 —
Thonmasse. Ackererde.
Thonerde 0,2378 0,9694
Kali 0,2484 0,3662
Natron 0,1268 0,2930
Kieselsäure 25,0291 31,8524
26,4021 34,9093
In Summa der einzelneu Bestandtheile erhält man hier-
nach, wiederum auf Procente der lufttrocknen Substanz be-
rechnet :
Kieselsäure, unlöslich* . . 25,0291 31,8524
„ , löslich. . . . 19,2831 14,8051
Thonerde, löslich .... 17,6566 11,8117
unlöslich* . . . 0,2378 0,9694
Eisenoxyd 10,0594 6,2620
Manganoxyduloxyd .... 0.2933 0,3346
Kohlensaurer Kalk .... 5,0650 15,5370
Kalk 0,7427 1,4224
Magnesia 0,4656 0.4190
Phosphorsäure 0,1269 0,1567
Schwefelsäure 0,0491 0,0711
Kali 0,9433 0,9321
Natron 0,2528 0,4115
Glühverlust 20,1723 15,9498
100,3770 '100,9850
Stickstoff 0,2349 0,3127
Im geglühten, also wasser- und humusfreien Zustande er-
gab sich als procentige Zusammensetzung der untersuchten
Substanz :
Kieselsäure 55,2489 54,9009
Thonerde 22,3109 15,0393
Eisenoxyd 12,5422 7,3684
Manganoxyduloxyd. . . . 0,3657 0,3937
Kohlensaurer Kalk . . . 6,3151 18,2821
* Vgl. S. 183, Anmerkung.
— 217
Thonmasse. Ackererde.
Kalk . . .
Magnesia . .
Phosphorsäure
Schwefelsäure
Kali . . .
Natron . . .
Quarzsand . .
ßeiner Thon .
Kalifeldspath .
Natronfeldspath
Da ferner der Gehalt der
0,9260
1,6737
0,5805
0,4930
0,1582
0,1844
0,0612
0,0837
1,1761
1,0968
0,3152
0,4840
100,0000 100,0000
28,5926 33,9502
46,0568 31,3194
1,8368 2,5221
1,3398 2,9247
beiderlei untersuchten Materia-
lien an Kalk und namentlich an kolilensaurem Kalk sehr ver-
schieden ist, so ist es auch von Interesse den nach Abzug jener
Stoffe bleibenden Kest ebenfalls auf die procentigen Verhältnisse
der Bestandtheile zu berechnen ; man gelangt alsdann zu folgen-
den Zahlen:
Kieselsäure . . .
59,5619
68,5787
Thonerde ....
. 24,0526
18,7961
Eisenoxyd ....
13,5212
9,2114
Manganoxyduloxyd .
0,3942
0,4913
Magnesia ....
0,6258
0,6152
Phosphorsäure . .
0,1706
0,2301
Schwefelsäure . .
0,0660
0,1044
Kali
1,2679
1,3686
Natron
0,3398
0,6042
100,0000
iöö^ööo
Quarzsand ....
. 30,8249
42,4143
Reiner Thon . . .
49,6521
39,0463
Kalifeldspath . . .
1,9802
3,1509
Natronfeldspath . .
1,4444
3,6538
Thonmasse und Ackererde sind nach den obigen Zusammen-
stellungen Materialien, die im Gehalt an Kieselsäure, Thonerde
und Eisenoxyd, also überhaupt an sandigen und thonigen Gemeng-
— 218 —
theilen sich wesentlich verschieden verhalten, während das ur-
sprüngliche Gestein anscheinend eine ziemlich gleichartige Be-
schaffenheit hat und daher auch wohl in allen Schichten des
gebildeten Kulturbodens ein entsprechend gleichartiges Ver-
witterungsprodukt liefern muss. Betrachten wir zunächst die
sandigen, also die mit Flusssäure aufgeschlossenen Gemengtheile
des Bodens für sich allein, so hat die Analyse folgende pro-
centige Zusammensetzung derselben ergeben :
Thonmasse.
Ackererde.
Mittel.
Kalk . . .
. . 2,68
Proc.
3,90
Proc.
3,29 Proc.
Magnesia . . .
0,20
w
0,19
n
0,20 „
Thonerde . .
0,90
»
2,77
5»
1,83 „
Kali . . .
0,94
n
1,05
w
1,00 ,
Natron . . .
0,48
»
0,84
11
0,66 ,
Kieselsäure . .
. 94,80
»
91,25
n
93,02 „
100,00 100,00 100,00
Es enthält hier wiederum, ebenso wie bei dem Verwitte-
rungsbodeu des oberen Krebsscheeren - Kalksteins beobachtet
wurde, die sandige Substanz in der Thonmasse beträchtlich weniger
Thonerde, als in der eigentlichen Ackererde ; es muss daher
in beiden Fällen bei der vorausgehenden Behandlung mit Schwefel-
säure die letztere auf die Thonmasse eine etwas kräftigere Ein-
wirkung geäussert haben als auf die Ackererde. Auffallend ist
ferner der hier gefundene nicht unbedeutende Gehalt an Kalk;
im Uebrigen ist der übereinstimmende Charakter in der Zusammen-
setzung der sandigen Gemengtheile bei Thonmasse und Acker-
erde nicht zu verkennen. Der reine Thon, wie derselbe auf
chemischem Wege, theils nach Behandlung der Masse mit heisser
Salzsäure, theils nach der darauf folgenden Einwirkung der
Schwefelsäure ermittelt wurde, enthielt an Kieselsäure und
Thonerde :
™, Salzsäure- Schwefelsäure- ,^. ,
a. Thonmasse. . . Mittel.
Auszug. Auszug.
Thonerde 48,56 Proc. 47,10 Proc. 47,83 Proc.
Kieselsäure .... 51,44 „ 52,90 „ 52,17 „
J
— 219 —
, , - Salzsäure- Schwefelsäure- ,,. ,
b. Ackererde. . . Mittel.
Auszug. Auszug.
Thonerde 40,04 Proc. 47,06 Proc. 44,47 Proc.
Kieselsäure .... 59,96 „ 52,94 , 55,53 ,
Hiernach ist freilich der durch heisse Salzsäure zersetzte
Thon in der Ackererde gegenüber den anderen hier angegebenen
Bestimmungen an Kieselsäure reicher gefunden worden; jedoch
ist darauf wohl nicht viel Gewicht zu legen, da es in dem be-
treffenden Falle sich um eine geringere absolute Menge von
Thon handelt und es überhaupt schwierig ist, bei derartigen
Analysen zu ganz genauen Resultaten zu gelangen. Obgleich
also die direkte Analyse für die sandige Substanz einerseits und
den reinen Thon andererseits bei Ackererde und Thonmasse keine
ganz übereinstimmende Zusammensetzung ergeben hat, so sind
die Differenzen doch nicht von der Art, dass dadurch der nahe
Zusammenhang zwischen den beiderlei Erdarten unwahrscheinlich
würde. Vielmehr wird dieser Zusammenhang dadurch bestätigt,
dass man für die vorherrschenden Bestandtheile der Ackererde
auf einfache Weise durch Rechnung aus der »Thonmasse* fast
genau dieselben procentigen Mengenverhältnisse ableiten kann,
wie sie durch direkte Analyse gefunden worden sind. Dies ist
nämlich der Fall, wenn man 35 Gewichtstheile der „sandigen
Substanz" nach dem Mittel der beiden Analysen und 100 Ge-
wichtstheile der Thonmasse zusammenaddirt, und das Ganze wie-
der auf Procente der Bestandtheile berechnet, überall nach Abzug
des Glühverlustes, sowie des Kalkes und kohlensauren Kalkes:
100 Th. 35 Th. , I" 100 Th. Acker-
in _
Thon- sandige Summa ^^' ^ ^®"
masse. Substanz. * rechnet, funden.
Kieselsäure . . 59,561 -j- 32,557 — 92,118 68,236 68,579
Thonerde . . . 24,053 + 0,641 = 24,694 18,292 18,796
Eisenoxyd . . . 13,521 — = 13,521 10,015 9,211
Manganoxyduloxyd 0,394 — = 0,394 0,292 0.491
Magnesia . . . 0,626+ 0,070:=:= 0,696 0,516 0,615
Kali .... 1,268+ 0,350= 1,618 1,199 1,369
Natron . . . . 0,340 -f 0,231= 0,571 0,423 0,604
99,763 + 33,849 = 133,612 98,973 99,665
— 220 —
Nach vorstebenden Zahlen ist die Annahme gewiss gerecht-
fertigt, dass die „Thonmasse" nicht sowohl ein direktes Ver-
witteruugsprodukt des anstehenden Kalksteins, sondern vielmehr
eine aus dem gebildeten Ackerboden mechanisch
ausgeschlämmte Substanz ist, womit auch das Vorkommen
derselben, sowie der weit geringere Gehalt an Gesteinsbröckeln
und kohlensaurem Kalk vollkommen übereinstimmt. Ferner liefert
die Rechnung zwar für Kieselsäure und Thonerde völlig dieselben
Eesultate wie die direkte Analyse, dagegen für das Eisenoxyd
einen etwas höheren und für die Alkalien einen etwas niedrigeren
Gehalt; ausserdem ist die gefundene Menge der Phosphorsäure
und der Schwefelsäure in der Ackererde ein wenig grösser als
in der Thonmasse. Alle diese kleinen Differenzen sind leicht
erklärlich, wenn mau annimmt, dass die Thonmasse durch Aus-
schlämmen aus dem Ackerboden und zwar aus den unteren
Schichten desselben abgeschieden worden ist und in kleineren
Partien von oben her in den Spalten und an den Absonderungs-
flächen des Gesteins sich angesammelt hat.
Der Verwitterungsboden des Marmorkalkes ist ziemlich reich
an Eisenoxyd und daher, wie schon erwähnt, von tief roth-
brauner Farbe, in der eigentlichen Ackererde durch Beimischung
von Humussubstanz etwas dunkler als in der Thonmasse. Das
Eisenoxyd ist als solches isolirt, nicht etwa in Verbindung mit
Kieselsäure vorhanden, wie aus dem Verhalten der letzteren und
der Thonerde gegen die verschiedenen Lösungsmittel deutlich
sich ergiebt. Von der Gesammtmenge des Eisenoxyd wurde durch
Schütteln mit kalter Salzsäure in der Ackererde 50,5 und in
der Thonmasse 61,0 Proc. gelöst, im ersteren Falle also ver-
hältnissmässig weniger als in dem letzteren, was jedenfalls mit
der geringeren absoluten Menge von Eisenoxyd und wohl auch
mit dem grösseren Hurausgehalt der Ackererde im Zusammen-
hange steht. Das Mangan war etwas reichlicher vorhanden als
in dem Verwitterungsboden der unteren thouigen Schichten, aber
kaum so reichlich, wie in dem Boden der oberen Schichten des
Krebsscheerenkalkes.
Der Boden des Marmorkalkes enthielt ferner viel Stickstoff
— 221 —
chemisch gebunden und auch die Menge der Phosphor säure
war eine ziemlich beträchtliche. An Phosphorsäure nämlich fand
man in Procenten der lufttrocknen Substanz:
Löslich in Thonmasse. Ackererde,
kalter Salzsäure a . 0,1090 Proc. 0,1135 Proc.
b - 0,1170 .
Mittel 0,1090 Proc. 0,1153 Proc.
heisser Salzsäure a . 0,1248 „ 0,1567 ,
b . 0,1291 ^ —
Mittel 0,1269 Proc. 0,1567 Proc.
Bei der Thonmasse betrug also die in kalter Salzsäure lös-
liche Phosphorsäure 85,9 Proc. der Gesammtmenge, bei der
Ackererde nur 73,6 Proc. Das gegenseitige Lösungsverhältniss
ist ein ähnliches, wie bei dem Eisenoxyd, jedoch in Procenten
der Gesammtmenge für das letztere ein niedrigeres, als für die
Phosphorsäure.
Ueber die Löslichkeit des Kali und dessen Verhältuiss zur
Thonerde geben die folgenden Zahlen Auskunft. Es betrug die
Menge des Kali in Procenten der ursprünglichen lufttrocknen
Substanz :
Thonmasse. Ackererde.
1. Löslich in kalter Salzsäure . 0,0415 0,0563
2. „ „ heisser „ . 0,4254 0,1817
3. , „ Schwefelsäure . . 0,2280 0,3279
4. „ „ Flusssäure . . . 0,2484 0,3662
0,9433 0,9321
In Procenten der Gesammtmenge des Kali waren auflöslich in
1. kalter Salzsäure 4,40 6,04
2. heisser , 45,10 19,50
3. Schwefelsäure 24,17 35,18
4. Flusssäure 26,33 39,28
100,00 100,00
1 in Procenten von 1 + 2 ... . 8,9 23,7
1 „ « , 1 + 2 + 3 ... 6,0 10,0
1+2 in Procenten von l-j-2+3 . . 67,2 42,1
1 + 2 + 3 in Procenten von 1 + 2 + 3 + 4 73,3 60,7
~ 222 — .
Das Verhältniss von Kali zur Thonerde war im
Salzsäure- Auszug 1 : 18,33 1 : 16,49
Schwefelsäure-Auszug .... 1 : 39,88 1 : 24,06
Im Ganzen 1 : 25,41 1 : 20,87
Bei dem sehr verschiedenen Gehalt der Thonmasse und der
Acliererde an reinem Thon und an sandigen Gemengtheilen musste
auch die Löslichkeit des Kali in den beiderlei Materialien we-
sentlich differiren. Mau sieht jedoch, dass durch kalte Salzsäure
aus der Ackererde absolut und relativ mehr an Kali extrahirt
worden ist als aus der Thonmasse und dass die betreffenden
Verhältnisse hier ganz ähnliche sind, wie sie bei der Ackererde
und Thonmasse aus den oberen Schichten des Krebsscheeren-
Kalksteius beobachtet wurden. Auffallend ist das weite Verhält-
niss zwischen Kali und Thonerde, ganz besonders im Schwefel-
säure-Auszug; man wird wohl daraus entnehmen können, dass
das Kali im Verwitterungsboden des Marmorkalkes überhaupt
schwer löslich und also auch den Pflanzen entsprechend schwer
zugänglich ist. Man bemerkt, dass die Thonmasse in dieser
Hinsicht die Ackererde übertrifft, ganz ebenso wie dieses, nur
in einem noch höheren Grade bei dem Verwitterungsboden des
oberen Krebsscheeren-Kalksteins stattfindet. Das Verhältniss von
Kali und Natron ist in den beiderlei hier untersuchten Materialien
ein ziemlich wechselndes und befindet sich zunächst bei der
Ackererde nicht ganz im Einklänge mit den Ergebnissen anderer
Bodenanalysen. Was endlich den Gehalt an kohlensaurem Kalk
betrifft, so ist der Boden des Marmorkalkes immer noch als
ziemlich kalkreich zu bezeichnen, während die Menge der Magnesia
eine geringe ist und davon höchstens die Hälfte in kalter Salz-
säure sich auflöst, also in einem leichtlöslichen Zustande sich
befindet. Ein gleiches Verhalten der Magnesia wurde bezüglich
der beiden Verwitterungsböden des Krebsscheerenkalkes beobachtet.
Im Folgenden stelle ich noch die analytischen Resultate
zusammen, welche bei der Untersuchung der in dieser Abhand-
lung erwähnten erdigen Materialien nach der Knop'schen Methode
— 223
der Bodeiiaualyse erzielt worden sind. Zur m eclianischeu
Analyse wurde die Substanz benutzt, welche im lufttrocknen Zu-
stande durch ein Blechsieb mit 3 Millimeter weiten Löchern
hindurchgeschüttelt und auf diese Weise von den beigemischten
gröberen Steinchen und Gesteinssplittern befreit war. Bei An-
wendung der feineren Siebe wurde die Trennung der Gemeng-
theile mit Hülfe des Wassers bewirkt, der »Feinsand" ferner im
Knop'schen Schlämmcylinder, wie vorgeschrieben ist, abgeschieden
und endlich der „Staub" des Bodens aus dem Gewichtsverlust,
also durch eine Differenz-Rechnung ermittelt. Zu diesen Unter-
suchungen dienten jedesmal 30 Grm. der lufttrocknen Substanz,
während die einzelnen, nach der Feinheit des Kornes von einander
getrennten Portionen bei 100^ C. getrocknet und die Mengen
derselben auch in Procenten des bei dieser Temperatur getrock-
neten Bodens berechnet wurden. Hierbei fand man:
Krebsscheeren-Kalk.
Untere Schicht. Obere Schicht. Marmorkalk.
Rückstand
Unter-
Acker-
Thon-
Acker-
Thon-
Acker-
auf
grund.
erde.
masse.
erde.
masse.
erde.
2 Mm = Sieb
. 3,26
4,04
—
0,85
0,53
2,53
0,8 Mm = Sieb
. 10,47
18,17
2,69
3,31
2,18
7,66
0,3 Mm = Sieb
. 3,96
8,19
4,70
20,75
3,66
4,06
Feinsand . . .
. 28,25
36,77
28,88
26,69
16,90
34,99
Staub ....
. 54,06
32,83
63,73
48,40
76,73
50,76
Die Menge des Feinsandes und namentlich des Staubes ist
im Allgemeinen eine um so grössere, je mehr auch die chemische
Analyse an reinem Thon in dem betreffenden Boden nachgewiesen
hat. Die chemische Untersuchung nach Knop'scher Methode
bezieht sich auf die staubartige Feinerde, welche im lufttrocknen
Zustande mittelst des feinsten Siebes aus den verschiedenen
Materialien sich gewinnen Hess. Es war also diese Masse von
etwas anderer Beschaffenheit, als die unter Anwendung eines
weit gröberen (3 Mm =) Siebes erhaltene Substanz, welche der
ausführlichen chemischen Analyse unterworfen wurde. Das in
der folgenden Zusammenstellung aufgeführte hygroskopische
Wasser ist durch Trocknen des Bodens bei 100 ^ C. ermittelt,
— 224 —
die Menge der Humussubstanz aus dem direkt (mittelst der
Chromsäure-Methode) bestimmten, in organischer Verbindung vor-
handenen Kohlenstoff bereclmet, unter Annahme von 58 Proc»
Kohlenstoff im Humus.
Krebsscheeren-Kalk.
Untere
Schicht.
Obere Schiebt.
Marniorkalk.
^ -
- - -
-^ , -■ ■>
'^— — — *
Unter-
Acker-
Thon-
Acker-
Thou-
Acker-
grund.
erde.
masse.
erde.
masse.
erde.
Hygroskop. Wasser
. 3,88
2,43
4,42
1,42
4,30
3,05
Festergebund. ,,
9,77
7,37
7,01
5,14
12,77
11,93
Humussubstanz . ,
1,23
2,17
0,56
1,39
1,26
1,07
Glühverlust . . .
14,88
11,97
11,99
7,95
18,33
16,06
Feinboden . . .
85,12
88,03
88,01
92,05
81,67
83,94
In 100 Theiler
i Feinboden:
Kohlensaurer Kalk ,
, 34,01
55,23
1,12
2,01
9,51
14,20
Gesammt-Kieselsäure
> 45,95
33,71
68,50
81,65
47,58
61,27
Sesquioxyde . . .
14,66
8,60
24,79
15,29
35,91
23,46
Monoxyde ....
5,38
2,46
5,59
1,05
7,00
1,07
Kieselsäure U.Silikate 65,99
44,77
98,88
97,99
90,49
85,80
Kieselsäure-Thon
57,64
42,86
81,12
94,25
77.14
77,60
Aufgeschl. Basen
, 8,35
1,91
17,76
3,74
13,35
8,20
Absorption ....
. 109
66
122
58
129
99
Da die Summe der Monoxyde und der aufgeschlosseneu
Basen durch Differenz-Rechnung gefunden wird, so kann man
hinsichtlich der betreffenden Zahlen kaum eine grosse Genauigkeit
erwarten; auch hat in einigen Fällen die Summe der Monoxyde
offenbar zu hoch sich ergeben, obgleich darunter ausser den Al-
kalien und den nicht schon durch Behandlung des Bodens mit
verdünnter Salzsäure aufgelösten alkalischen Erden, auch noch
etwas Mangan nebst der vorhandenen Schwefelsäure mit einbe-
griffen ist. Einige der betreffenden Zahlen lassen sich auch den
Ergebnissen der ausführlicheren chemische« Analysen entnehmen
wie in der folgenden Zusammenstellung geschehen ist; jedoch
ist daran zu erinnern, dass die von jedem Boden untersuchte
Substanz nicht in beiden Fällen durchaus die gleiche war, und
dass also schon aus diesem Grunde mehr oder weniger bedeutende
Differenzen vorhanden sein müssen.
225
Krebsscheeren-Kalk.
Untere Schicht. Obere Schicht. Marmorkalk.
Unter- Acker- Thon- Acker- Thon- Acker-
grund, erde, masse. erde, masse, erde.
Olühverlust . . . 14,06 12,06 13,98 8,70 20,17 15,95
Feinboden .... 85,94 87,94 86,02 91,30 79,83 84,05
In 100 Theilen Feinboden:
Kohlensaurer Kalk . 31,99 60,14 1,45 2,57 6,32 18,28
KohlensaureMagnesia* 0,44 0,79 0,20 0,25 0,53 0,53
Summe der Carbonate 32,43
60,93
1,65
2,82
6,85
18,81
Gesammt-Kieselsäure 46,39
28,59
68,27
80,81
55,25
54,90
Thonerde .... 15,60
7,66
20,35
10,54
22,31
15,04
Eisenoxyd .... 2,89
1,30
6,82
2,60
12,54
7,37
Monoxyde .... 2,69
1,52
2,91
3,23
3,05
3,88
Kieselsäure U.Silikate 67,57 39,07 98,35 97,18 93,15 81,19
Wenn man die weiter oben aufgeführten Absorptionszahlen
mit den Ergebnissen der chemischen Analyse vergleicht, so findet
man, dass die ersteren gewöhnlich um so grösser sind, je reich-
lichere Mengen von Sesquioxyden nachgewiesen wurden. Ebenso
scheint die Absorptionsfähigkeit des Bodens mit der Menge der
„aufgeschlossenen Basen" in einem bestimmten Zusammenhang
zu stehen; wenn man nämlich je zwei der untersuchten Mate-
rialien zusammenfasst, so hat man einerseits die Zahlen 1,91 — 3,74,
ferner 8,20 — 8,35 und 13,35 — 17,76, andererseits 58—66,
ferner 99 — 109 und 122 — 129. Natürlich kann dieses gegen-
seitige Verhältniss niemals genau zutreffen, da sehr verschiedene
Ursachen auf die Gestaltung der Absorptionszahlen einwirken,
z. B. ausser dem ganzen Verwitterungszustand des Bodens, die
Menge und Beschaffenheit der Humussubstanz, der Gehalt an
Thon und Eisenoxyd etc. Im vorliegenden Falle sind die be-
treffenden Zahlen verhältnissmässig hoch und wenn man nach der
Höhe derselben die Güte und Fruchtbarkeit des Kulturbodens
beurtheilen will, so muss man dem Ackerlande im Gebiete des
■"' Als kohlensaure Magnesia wurde diejenige Magnesia berechnet,
welche neben dem kohlensauren Kalk schon durch Behandlung des
Bodens mit kalter Salzsäure gelöst wurde.
Wiirttemb. naturw. Jalireshefte. 1878. 15
— 226 —
Marmorkalkes entschieden den Vorzug geben vor den Verwitte-
rungsböden des Krebsscheeren-Kalksteins.
Es wird beabsichtigt, vollständige Gesteins- und Boden-
analysen noch von dem Posidonienschiefer, dem braunen Jura-
Sandstein und dem Calamiten-Sandstein auszuführen und damit
die ganze Reihe der Untersuchungen zu einem vorläufigen Ab-
schluss zu bringen. Da also ein weiteres Kalksteingebilde vor-
aussichtlich meinerseits nicht mehr Gegenstand einer näheren
chemischen Prüfung sein wird, so möchte es einiges Interesse
gewähren , die bisher untersuchten fünf verschiedeneu
Kalksteinformationen hinsichtlich des in ihrem Gebiete
vorkommenden und ihnen eigenthümlichen Kulturbodens einer
vergleichenden Betrachtung zu unterwerfen. Ich werde mich für
jetzt darauf beschränken, ausschliesslich vom agrikulturchemischen
Standpunkte aus diese Betrachtung anzustellen, nämlich nur den
gleichsam fertigen Verwitterungsboden nach seiner che-
mischen Beschaffenheit, nicht aber nach seinem Ursprung und in
seiner allmähligen Heranbildung ins Auge fassen. Die mehr-
fach auch in geognostischer Hinsicht interessanten Ergebnisse der
Untersuchungen über den Gehalt der ursprünglichen Gesteine,
über die Art und Weise ihres Zerfalles und über die chemischen
Veränderungen, welche sie dabei erleiden, also über die Be-
schaffenheit der einzelnen Verwitterungsstufen und über die da-
durch bedingten Eigenthümlichkeiten des jedesmal gebildeten
Kulturbodens, — alles dieses werde ich übersichtlich erörtern,
wenn erst am Schluss der ganzen Arbeit ausser den Kalkstein-
formationen auch allerlei Sandstein- und Schiefergebilde in der
angedeuteten Richtung mit einander verglichen werden können.
Ueber die einzelnen Verwitterungsböden, deren procentige
Zusammensetzung unten angegeben ist, bemerke ich zunächst
Folgendes :
1. Ein Verwitterungsprodukt des oberen dolomitischen
Hauptmuschelkalkes vom Hühnerfeld bei Schwieberdingen,
bezeichnet als „Untergrund des Fruchtbodens, beim Ausbiss der
— 227 —
Schichten aufgenommen", — besteht zur Hälfte etwa aus einem
feinen Pulver und zur Hälfte aus kleineren und grösseren, sehr
mürben und leicht zu zerreibenden Gesteinsbröckeln. Steine und
Pulver hatten gleiche Zusammensetzung und wurden daher als
Ganzes behandelt und untersucht. Die Masse bildete den Unter-
grund des Kulturbodens, jedoch wird die oberste Schicht des
letzteren, die eigentliche Ackererde, eine ganz ähnliche Beschaffen-
heit gehabt haben, vielleicht nur etwas ärmer an kohlensauren
Erden gewesen sein.
2. Kulturboden des grobsandigen Liaskalksteins von
Ellwangen. Nach Beseitigung der gröberen Steine und Steinchen
wurde, ebenso wie bei allen folgenden Bodenarten, das durch ein
Sieb mit 3 Millimeter weiten Löchern hindurchgegangene Pulver
der chemischen Analyse unterworfen. Bei der letzteren haben
für Ackererde und Untergrund fast ganz gleiche Mengenverhält-
nisse der Bestandtheile sich ergeben; das hier berechnete Mittel
der beiderlei Analysen entspricht der durchschnittlichen Zusammen-
setzung des Bodens.
3. Bei der Verwitterung der untere n thonigen Schich-
ten des Kreb ssche e ren-K alk Steins ist ein Boden ent-
standen, welcher in der eigentlichen Ackerkrume reicher ist an
kohlensaurem Kalk, ebenso verhältnissmässig an Phosphorsäure
und Schwefelsäure, als im Untergrund, übrigens noch stark ge-
mischt ist mit Trümmern des anstehenden Gesteins. Ich habe
hier ebenfalls aus den Analysen der beiderlei erdigen Materialien
die mittlere Zusammensetzung des Bodens berechnet.
4. Die oberen Feuerstein führenden Schichten
des Krebsscheerenkalkes liefern einen flachgründigen
steinigten Boden, dessen Zusammensetzung nur aus der Analyse
der Ackererde hat entnommen werden können, da die sogenannte
Thonmasse nicht etwa als Untergrund des betreffenden Acker-
landes anzusehen ist, sondern wahrscheinlich durch nachträgliches
Ausschlämmen aus dem Verwitterungsboden in kleineren Partien
an hierzu geeigneten Stellen sich angesammelt hat. In einem
ganz ähnlichen Verhältniss stehen die
5. im Gebiete der Marmor kalke vorkommenden erdigen
15*
228 —
Materialien zu einander, die ,
Auch liier ist nur die letztere
Kulturlandes anzusehen.
Die Menge der einzelnen
des völlig lufttrocknen Bodens
Muschel-
kalk.
Kieselsäure . . • .24,695
Thonerde . . •
Eisenoxyd . . •
Manganoxyduloxyd
Kohlensaurer Kalk
7,715
2,149
?
35,200
Kohlensaure Magnesia 22,767
Kalk . . .
Magnesia ,
Phosphorsäure
Schwefelsäure
Kali . . .
Natron . .
Glühverlust
Reiner Thon .
Quarzsand . .
Kalifeldspath .
Natronfeldspath
0,159
0,359
0,419
0,033
2,820
0,124
2,662
99,101
16,165
8,049
9,026
^,402^
33,642
,Thonmasse*' und die Ackererde,
als Repräsentant des eigentlichen
Bestandtheile betrug in Procenten
Lias- Krebsscheerenkalk. Marmor-
kalk. Untere Seh. Obere Seh. kalk.
66,471 32,793 72,893 46,657
10,160 9,504
1,826 2,354
0,159 0,447
40,594 2,319
0,615 0,250
0,026 0,202
0,314 0,218
0,177 0,088
0,085 0,018
1,109 1,149
0,251 0,905
8,517
8,785
0,710
4,438
0,382
0,127
0,381
0,474
0,054
1,381
0,292
8,317
1Ö0,329ML0M66T9,051 101,254
19,084 24,093 17,763 26,632
51,453 16,595 55.291 28,869
3,541 1,731 3,862 2,145
1,598 0,937 6,958 2,487
13,057 8,704
12,781
6,262
0,335
15,537
0,530
1,422
0,208
0,157
0,071
0,932
0,412
15,950
75^676" 43,356 83,874 60,133
Wenn man überall den Glühverlust, also Wasser und Humus-
substanz, und ausserdem die kohlensauren Erden in Abzug bringt,
den Rest aber wiederum auf Procente berechnet, so erhalt man
noch eine bessere Uebersicht über die gegenseitigen Mengen-
verhältnisse der betreffenden Bestandtheile. Erst wenn die kohlen-
sauren Erden fast vollständig ausgewaschen sind, kommt der Vei-
witterungsboden der Kalksteine gewissermassen ins Gleichgewicht,
oder die weiteren Veränderungen sind doch nur sehr langsame
und verhältnissmässig unbedeutende. Auch kann man annehmen,
229 —
dass wenn das ursprüngliche Gestein zu Pulver zerfallen ist und
der gebildete Boden eine zur Kultur geeignete Beschaffenheit
angenommen hat, dass dann bei dem weiteren Auswaschen der
kohlensauren Erden von den übrigen Bestandtheilen nur wenig
entfernt wird, diese vielmehr nach und nach in ihren procentigen
Mengenverhältnissen entsprechend zunehmen. Die erwähnte Rech-
nung liefert die folgenden Zahlen:
Muschel-
Lias-
Krebsscheerenkalk.
Marmor-
kalk.
kalk. Untere Seh. Obere Seh
kalk.
Kieselsäure . . .
64,190
76,222
69,979
83,041
68,579
Thonerde . . .
20,052
9,764
21,086
10,826
18,796
Eisenoxyd . . .
5,585
10,082
3,753
2,682
9,212
Manganoxyduloxyd
?
0,817
0,364
0,509
0,491
Kalk
0,412
0,145
0,044
0,230
—
Magnesia . . .
0,932
0,443
1,236
0,248
0,615
Phosphorsäure . .
1,089
0,544
0,425
0,103
0,230
Schwefelsäure . .
0,086
0,061
0,202
0,021
0,104
Kali
7,331
1,588
2,362
1,309
1,369
Natron . . . .
0,323
0,334
0,549
1,031
0,604
100,000 100,000 100,000 100,000 100,000
Reiner Thon . .
42,019
21,993
49,662
20,236
49,046
Quarzsand . . .
20,922
59,019
36,312
62,990
42,414
Kalifeldspath . .
23,462
4,054
3,824
4,400
3,151
Natronfeldspath .
1,045
1,832
2,141
7,927
3,654
87,448 86,898 91,939 95,553 88,265
Aus der letzten Zusammenstellung ersieht man besonders
deutlich, dass die Verwitterungböden des dolomitischen Muschel-
kalkes, des unteren Krebsscheeren-Kalksteins und des Marmor-
kalkes im Verhältniss zu der Menge der sandigen Beimischungen
sehr reich an thoniger Substanz sind, und dass sie in der
That eine zähe Beschaffenheit haben würden, wenn diese Eigen-
schaft nicht durch den grossen Gehalt an kohlensauren Erden,
theils im fein zertheilten Zustande , theils als Kalksand oder in
der Form von grösseren und kleineren Gesteinstrümmern be-
deutend gemässigt wäre. Dies ist vorzugsweise der Fall bei
— 230 —
dem Boden des Muschelkalkes und des unteren Krebsscheeren-
kalkes, in geringerem Grade bei dem Boden des Marmorkalkes ;
der letztere ist daher auch in seinem natürlichen Zustande der
„schwerste" von den hier betrachteten Bodenarten, aber keines-
wegs so schwer, dass dadurch dessen Benutzung als Ackerland
wesentlich beeinträchtigt wäre. Vielmehr ist die Beimischung
von etwa 15 Proc. an kohlensaurem Kalk schon genügend, um
die physikalische Beschaffenheit dieses Bodens im Allgemeinen
günstig zu gestalten, wozu noch hinzu kommt, dass die Menge
der sandigen Bestandtheile gegenüber der thonigen Substanz
doch etwas mehr vorherrscht, als bei den beiden anderen, soeben
erwähnten Bodenarten. Ob der besonders reichliche G-ehalt an
Eisen im vollständig oxydirten Zustande ebenfalls zur Verbesserung
der physikalischen Beschaffenheit beiträgt, d. h. die Zähigkeit des
Thones vermindert, lässt sich vorläufig nicht mit Bestimmtheit
entscheiden; das Eisen bedingt hier eine dunkle eigenthümlich
rothbraune Farbe des betreffenden Bodens, womit eine um so
leichtere Erwärmung desselben im Zusammenhange stehen mag.
Der Boden des unteren Krebsscheerenkalkes ist noch sehr
reich an grösseren und kleineren Gesteinsstückchen, welche zwar
nach und nach zu Pulver zerfallen, aber doch vorläufig neben
dem grossen Gehalt an fein zertheiltem kohlensaurem Kalk zur
Auflockerung des Bodens beitragen, so dass von einer zu zähen
Beschaffenheit desselben in keiner Weise die Rede sein kann.
Dasselbe gilt für das untersuchte Verwitterungsprodukt des
Muschelkalkes, obgleich hier die vorhandenen Steinchen sehr
mürbe sind und daher leicht zerfallen ; auch bildet die betreffende
Masse den Untergrund des Kulturbodens und es ist anzunehmen,
dass die oberste Schicht, die eigentliche Ackerkrume in einem
schon mehr fein pulverigen Zustande sich befindet und aus der-
selben die kohlensauren Erden bereits in höherem Grade auf-
gelöst und ausgelaugt worden sind. Jedoch wird jedenfalls in
Folge der Beschaffenheit des ursprünglichen Gesteins und der
dadurch bedingten Art und Weise seiner Verwitterung auch in
der Ackerkrume noch so viel Kalk und Magnesia zurückgeblieben
sein, dass dieselbe in einem für die Kultur geeigneten, hin-
— 231 -
reichend lockeren Zustande sich befinden muss. Hierzu kommt
noch, dass die thonige Substanz anscheinend ungewöhnlich reich
■war an Kieselsäure (s. unten) oder dass ein Theil der letzteren
im fein zertheilten und in kohlensaurem Natron auf löslichen Zu-
stande sich befand und daher vielleicht als mechanische Bei-
mischung die etwaige Zähigkeit des Thones verminderte. Der
Boden des Muschelkalkes enthielt nach vorliegender Analyse
noch viel kohlensaure Magnesia; ich glaube aber nicht, dass
dies uachtheilig gewirkt hat für die Fruchtbarkeit und Ertrags-
fähigkeit des betreuenden Bodens, da etwas derartiges höchstens
beobachtet wird, wenn es an Kalk fehlt, nicht aber wenn, wie
im vorliegenden Falle, gleichzeitig eine reichliche Menge von
kohlensaurem Kalk vorhanden ist.
Von den oben erwähnten 5 Verwitterungsböden sind zwei,
nämlich der Boden des oberen Krebsscheerenkalkes und der des
grobsandigen Liaskalksteins von Ellwangen, übereinstimmend reich
an kieseligen Beimischungen und arm an kohlensaurem Kalk,
daher gleichsam als Endprodukte der Verwitterung anzusehen, an
welchen die Atmosphärilien in ihrer weiteren Einwirkung nur
wenig mehr zu ändern vermögen. Gleichwohl sind die beiden
Bodenarten in mechanischer und chemischer Hinsicht verschieden
und sehr ungleich in ihrem Verhalten als Kulturland. Der
Boden des Lias- oder Gryphiten - Kalksteins ist ausgezeichnet
durch hohe natürliche Fruchtbarkeit und hierbei scheint der
günstige physikalische Zustand eine wichtige Rolle zu spielen;
es ist nämlich ein offenbar glückliches Verhältniss zwischen den
feinerdigen und den etwas gröberen Gemengtheilen vorhanden.
Die letzteren sind vorherrschend mehr oder weniger abgerundete
Quarzkörner, welche den Boden fortwährend in einem hinreichend
lockeren Zustande erhalten , so dass derselbe fast bei jeder
Witterung ohne Schwierigkeit und mit gutem Erfolge bestellt
werden kann, ohne damit irgendwie extreme Verhältnisse in den
physikalischen Eigenschaften herbeizuführen. Durch Absieben
der feineren Masse von den gröberen Sandkörnern (1 Mm.-Sieb)
und durch Schlämmen der ersteren im Nöbel'schen Apparat ge-
langte man zu den folgenden Zahlen :
— 232 —
Eückstand getrocknet.
Untergrund.
Ackerkrume.
Mittel.
1 Mm.- Sieb . . .
41,4 Proc.
22,7 Proc.
32,1 Proc.
Trichter II . . .
13,2 ,
19,1 ,
16,1 .
. III .. .
4,8 ,
10,0 ,
7,4 ,
. IV . . .
6,9 „
10,2 „
8,6 „
Feinste Substanz .
33,7 „
38,0 „
35,8 „
100,0 100,0 100,0
Auch die relativ grosse Menge von Eisenoxyd bei sonst
geeigneter Zusammensetzung kann nur günstig für die Gestaltung
der physikalischen Verhältnisse gewirkt haben.
Ganz anders ist die Beschaffenheit des Ackerbodens im Ge-
biete der oberen Schichten des Krebsscheeren-Kalksteius, ob-
gleich nach der chemischen Analyse die Menge des Thones und
Quarzsandes fast dieselbe ist, wie im Boden des grobsandigen
Liaskalksteins und auch der Gehalt an Feldspath - Verbindungen
zunächst an Kalifeldspath ziemlich übereinstimmt. Dagegen ist
von Eisenoxyd ungleich weniger vorhanden und namentlich wirkt
die grosse Masse von Knollen, sowie von scharfkantigen splitterigen
Stücken des Feuersteins (Hornsteins) nachtheilig für die Kultur.
Die Bestellung des meist flachgründigen Bodens ist dadurch sehr
beeinträchtigt; ausserdem aber sind, wie wir sehen werden, einige
der wichtigeren Pflanzennährstoffe in absolut geringerer Menge
und in einem weniger leicht löslichen Zustande zugegen, als in
dem Boden des Liaskalksteins.
Durch die chemische Analyse kann man bekanntlich die
Menge der Thonerde und der Kieselsäure in der thonigen
Substanz des Bodens ermitteln; wenn man die letztere als
reines Thonerde-Silikat betrachtet, so ergiebt sich aus den vor-
liegenden Untersuchungen die folgende procentige Zusammen-
setzung:
Muschel-
Lias- Krebsscheerenkalk.
Marmor-
kalk.
kalk. Untere Seh. Obere Seh.
kalk.
1.
2. 3. 4.
5.
Kieselsäure 65,15
60,23 59,74 58,12
55,62
Thonerde 34,85
39,77 40,26 41,88
44,38
In dem Boden
des Marmorkalkes nähert sich.
wie ma
— 233 —
sieht, die Zusammensetzung der tbonigen Substanz am meisten
derjenigen des reinen Thones, worin man, auf den wasserfreien
Zustand berechnet, etwa 45 Proc. Thonerde und 55 Proc. Kiesel-
säure annehmen kann; in dem Thon aller anderen Bodenarten
ist gleichsam ein Ueberschuss von Kieselsäure vorhanden, am
meisten in dem Thon des Muschelkalkbodens. Bei einem kon-
stanten Gehalt von 45 Proc. Thonerde würde die gefundene
Thonsubstanz ein Gemenge darstellen von reinem Thon und fein
zertheilter, in kohlensaurem Natron auflöslicher Kieselsäure, und
in Procenten des lufttrocknen Bodens zugegen sein:
1. 2. 3. 4. 5.
ßeiner Thon .... 12,519 17,138 21,553 16,529 26,246
Beigemischte Kieselsäure 3,646 1,918 2,540 1,234 0,371
In Summa 16,165 19,056 24,093 17,763 26,617
Also die beigemischte Kieselsäure in Procenten des
ganzen Gemenges . . 22,5 10,1 10,5 6,9 1,4
Hiermit vergleichen wir den Gehalt an Eisenoxyd in Pro-
centen des lufttrocknen Bodens:
2,149 8,785 1,826 2,354 6,262
Davon waren in Procenten der Gesammtmenge löslich schon in
kalter Salzsäure . . 90,8 85,3 87,9 79,6 50,5
Endlich ergab sich das Verhältniss von Kali zur Thonerde
im Salzsäure- und im Schwefelsäure-Extrakt des Bodens durch-
schnittlich wie
1:4,61 1:9,73 1:11,28 1:14,11 1:20,87
und das Verhältniss der Summe von Natron und Kali zur Thonerde:
1:4,36 1:8,47 1:9,72 1:12,06 1:17,26
Zu der Menge des Eiseuoxyd im Boden steht der grössere
oder geringere Kieselsäuregehalt der thonigen Substanz entschieden
in gar keinem Zusammenhang; es ist z. ß. im Boden des Mar-
morkalkes viel Eisenoxyd enthalten und zwar in einem relativ
schwer löslichen Zustande und dennoch hat gerade in diesem
Falle die geringste Menge von gleichsam überschüssiger Kiesel-
säure sich ergeben, während man bezüglich der Yerwitterungs-
produkte des Muschelkalkes von allem diesem ziemlich das
Gegentheil bemerkt, nämlich wenig Eisenoxyd, Leichtlöslichkeit
— 234 —
desselben und grösserer Ueberschuss von Kieselsäure in der
tlionigen Substanz. Ebenso wenig wie das Eisenoxyd hat der
Kalk irgend einen Einfluss auf den anscheinend grösseren oder
geringeren Kieselsäuregehalt des Thones. Ausser dem kohlen-
sauren Kalk, welcher unter Einwirkung der kalten Salzsäure
sich vollständig auflöst, ist überall nur sehr wenig Kalk vor-
handen und in dem Rückstand von dem Extrakt mit kalter Salz-
säure wird durch kohlensaures Natron nicht mehr Kieselsäure
gelöst, als der im betreffenden Auszug enthaltenen Thonerde
entspricht; wenigstens ist dies bei den folgenden 3 Bodenarten,
welche in dieser Hinsicht näher untersucht worden sind, der Fall
Krebsscheerenkalk. Marmor-
Untere Seh. Obere Seh. kalk.
Thonerde, löslich in kalter Salzsäure 0,9596 1,3353 1,6167
LösL Kieselsäure in d. Rückstand 1,2125 1,1120 1,3625
Es ist dies also eher zu wenig als zu viel Kieselsäure, um
mit der vorhandenen Thonerde eine entsprechende Menge Thon
von normaler Zusammensetzung zu bilden. Aus diesen Zahlen
ersieht man zugleich, dass die obenerwähnte „überschüssige''
Kieselsäure nicht etwa dem eigentlichen Thon nur mechanisch
beigemengt ist und nicht von vornherein oder schon nach der
Behandlung des Bodens mit kalter Salzsäure in einem in kohlen-
saurem Natron auflöslichen Zustande sich befindet, sondern erst
durch die kräftigere Einwirkung der kochenden Salzsäure und
der Schwefelsäure aus einer chemischen Verbindung abgeschieden
und dadurch löslich wird in kohlensaurem Natron. Von welcher
Art diese Verbindung ist, darüber kann man nicht im Zweifel
sein, wenn man das oben angegebene Mengenverhältuiss von Kali
oder von der Summe der Alkalien zur Thonerde betrachtet; es
ist sofort klar, dass je enger dieses Verhältniss wird, der be-
treffende Thon anscheinend um so reicher ist an Kieselsäure,
also um so mehr den Charakter eines Doppelsilikates von Thon-
erde und Alkali annimmt.
Menge und mechanische Beschaffenheit des Thones und der
sandigen Substanz, nebst dem Gehalt an kohlensauren Erden,
Humus und auch wohl Eisenoxyd sind besonders wichtig für die
— 235 —
Crestaltung der physikalischen Eigenschaften eines Bodens und
also auch zunächst bedingend für eine mehr oder weniger loh-
nende Kultur desselben unter den bei uns überall vorherrschenden
landwirthschaftlichen Betriebsverhältnissen. Als direkte Pflanzen-
nährstoffe aber und als Ursache der bleibenden, grösseren oder
geringeren natürlichen Fruchtbarkeit des Bodens kommen
hauptsächlich die Phosphorsäure und das Kali in Betracht, ihrer
absoluten Menge nach und nach dem Grad ihrer Löslichkeit.
Je mehr nämlich von diesen wichtigen Nährstoffen den Pflanzen
aus der natürlichen Quelle oder Vorrathskammer des Bodens
alljährlich zugänglich ist, desto grössere Durchschnittserträge
kann man erwarten, desto weniger ist es nothwendig, dem Acker-
lande oder der Wiese häufig beträchtliche Mengen jener Stoffe
im Dünger zuzuführen, desto langsamer wird der betreffende
Boden, bei genügendem Humusgehalt, in einen im landwirth-
schaftlichen Sinne des Wortes erschöpften Zustand übergehen.
Auf die genaue Bestimmung der genannten Bodenbestandtheile
ist bei den vorliegenden Untersuchungen grosse Sorgfalt ver-
wendet worden, und wir wollen jetzt sehen, ob aus den betreffenden
Resultaten der Analyse hinsichtlich der natürlichen Fruchtbar-
keit der einzelnen Bodenarten sich bestimmte Folgerungen ziehen
lassen.
Von Phosphor säure war in Procenten der lufttrocknen
Substanz des Bodens vorhanden:
Muschel- Lias- Krebsscheerenkalk. Marmor-
kalk, kalk. Untere Seh. Obere Seh. kalk.
0,419 0,474 0,177 0,088 0,157
oder in Procenten des Rückstandes nach Abzug des Glühverlustes
und der kohlensauren Erden:
1,089 0,544 0,425 0,103 0,230
Von der Phosphorsäure war in Procenten der Gesammt-
menge derselben in kalter Salzsäure, also verhältnissmässig leicht
auflöslich
100 98,2 75,0 83,6 73,6
Wenn man mit dem Phosphorsäuregehalt des Bodens die
Güte und Ertragsfähigkeit vergleicht, wie dieselbe in der Praxis
— 236 —
sich herausgestellt hat, dann scheint beides fast in einem geraden
und direkten Verhältniss zu einander zu stehen; denn die Boden-
arten des Muschelkalkes und des Liaskalkes sind ausgezeichnet
durch eine besonders hohe natürliche Fruchtbarkeit und das
Ackerland im Gebiete des unteren Krebsscheerenkalkes und der
Marmorkalke hat in seiner mittleren Ertragsfähigkeit entschieden
den Vorzug vor den Kulturflächen in der Formation des oberen
Krebscheerenkalkes. Die Ackererden des Muschelkalkes und des
Liaskalkes sind in der That enorm reich an Phosphorsäure und
dabei ist fast die ganze Menge derselben schon in kalter Salz-
säure auflöslich, während auf diese Weise bei den anderen Boden-
arten von dem weit geringeren Gesammtquantum nur ^/4 bis
höchstens ^/s sich extrahiren lassen. Ob die Phosphorsäure im
Boden mehr oder weniger oder vollständig in Verbindung mit
Kalk oder mit Eisenoxyd sich befindet, ist nicht mit Bestimmt-
heit zu entscheiden; jedoch scheint eher das Letztere der Fall
zu sein, da die Löslichkeit der Phosphorsäure in kalter Salzsäure
durchaus nicht proportional dem Kalkgehalt des Bodens sich
gestaltet, freilich auch durchschnittlich eine etwas grössere ist
als die des gleichzeitig vorhandenen Eisenoxyds.
Auch das Verhalten des Kali im Boden muss als ein
wesentliches Moment für die Gestaltung der natürlichen Frucht-
barkeit desselben angesehen werden. Das Nähere hierüber be-
züglich der untersuchten Bodenarten ersieht man aus der folgenden
Zusammenstellung; in Procenten des lufttrocknen Bodens war
an Kali zugegen:
T .. ,. , . Muschel-
Loshch m ^^^^
Lias-
Krebsscheerenkalk.
Marmor-
kalk.
Untere Seh.
Obere Seh.
kalk.
kalter Salzsäure 0,053
0,131
0,074
0,056
0,056
heisser Salzsäure 0,295
0,274
0,335
0,095
0,182
Schwefelsäure . 0,951
0,379
0,407
0,345
0,328
Flusssäure . . 1,522
0,597
0,292
0,653
0,366
Im Ganzen 2,821 1,381 1,108 1,149 0,932
Nach Abzug des Glühverlustes und der kohlensauren Erden
beträgt in Procenten des Rückstandes die Gesammtmenge des Kali:
7,331 1,588 2,362 1,309 1,369
— 237 —
Das Verhältniss ferner von Kali zur Thonerde in den mit
Salzsäure und Schwefelsäure bewirkten Auszügen eines jeden
Bodens war durchschnittlich wie
1 : 4,61 1 : 9,73 1 : 11,28 1 : 14,11 1 : 20,87
Von der Gesammtmenge des Kali ist der in Salzsäure und
Schwefelsäure lösliche Antheil in der thonigen Substanz mehr
oder weniger fest gebunden, die letztere daher als ein Doppel-
silikat von Thonerde und Kali, oder als ein Gemenge von reinem
Thon mit einem derartigen Doppelsilikat zu betrachten. Wenn
man diesen kalihaltigen Thon für sich auf Procente seiner Be-
standtheile berechnet, so ergeben sich folgende Zahlen:
1. 2. 3. 4. 5.
Kali . . 7,44
3,97
3,41 2,88 2,08
Thonerde . 32,26
38,40
38,89 40,67 43,45
Kieselsäure 60,30
57,63
57,70 56,45 54,17
Der Rest des Kali
ist ein
wesentlicher Bestandtheil
des
mit Flusssäure aufgeschlossenen sandigen Rückstandes oder der
darin neben dem Quarzsand enthaltenen feldspathartigen Ver-
bindungen. Aus den bei der Analyse gefundenen Zahlenverhält-
nissen lässt sich die procentige Zusammensetzung dieses sandigen
Rückstandes bezüglich seiner mineralischen Gemengtheile für
jede der untersuchten Bodenarten berechnen, nämlich:
Muschel-
Lias-
Krebsscheerenkalk.
Marmor-
kalk.
kalk.
Untere Seh. Obere Seh.
kalk.
Kalifeldspath .
51,59
6,22
9,01 5,84
6,40
Natronfeldspath
2,31
2,80
4,95 10,53
7,42
Quarzsand . .
46,10
90,8
86,04 83,63
86,18
Aus den vorstehenden Zahlen erkennt man deutlich das sehr
ungleiche Verhalten des Kali in den betreffenden Bodenarten.
Das untersuchte Verwitterungsprodukt des Muschelkalkes, obgleich
es wegen des hohen Gehalts an kohlensauren Erden noch nicht
als ein fertiger Kulturboden betrachtet werden kann, ist beson-
ders reich an Kali und übertrifft darin die anderen hier erwähnten
Verwitterungsböden um das Doppelte und Dreifache; dieser
Reichthum steigert sich aber auf das Vier- bis Fünffache, wenn
man überall den Kaligehalt auf Procente des geglühten Bodens
— 238 —
und nach Abzug der kohlensauren Erden berechnet. Zwar ist
bei dem Boden des Muschelkalkes die Löslichkeit des Kali in
kalter Salzsäure verhältnissmässig gering und anscheinend kaum
halb so gross wie in dem Boden des Liaskalkes; dies wird aber
reichlich wieder ausgeglichen durch die grosse Gesammtmenge
des Kali. Auch ist wohl anzunehmen, dass das relativ leicht-
lösliche Kali in grösserer Menge sich angesammelt hätte, wenn
es sich hier um eine eigentliche Ackererde handelte und nicht
um die fast humusfreie, gleichsam noch rohe Masse des Unter-
grundes; jedenfalls wird in dem betreffenden Boden das etwa^
durch Auswaschen entfernte oder durch die wachsenden Pflanzen
entzogene leichtlösliche Kali rasch wieder ersetzt aus der reichen
Quelle, die im Thon und in den sandigen Gemengtheileu vor-
handen ist. In den Extrakten nämlich der Verwitterungsprodukte
mit Salzsäure und Schwefelsäure ist das Verhältniss zwischen
Kali und Thonerde ein ungewöhnlich enges (1 : 4,6), die thonige
Substanz daher besonders kalireich, 2- bis 3- und 4 mal reicher,
als der Thon der übrigen Bodenarten. Noch auffallender ist die
grosse Masse der nach Art des Kalif eldspaths zusammengesetzten
Verbindungen unter den sandigen Gemengtheileu; es beträgt
dieselbe in Procenten der letzteren etwa 8 mal, in Procenten des
lufttrocknen Bodens 3 — 5 mal (s. S. 228) und in Procenten des
Kückstandes nach Abzug des Glühverlustes und der kohlensauren
Erden 6 — 7 mal so viel, wie in den Böden der anderen Kalk-
steinformationen. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, dass
alljährlich unter dem Einfluss des Verwitterungsprozesses eine
relativ grosse Menge von Kali leichtlöslich, für die Pflanzen auf-
nehmbar werden muss.
Nächst dem Boden des Muschelkalkes gestaltet sich das
Verhalten des Kali am günstigsten in dem Boden des grob-
sandigen Liaskalksteins ; der letztere ist der zweite in der Reihe
hinsichtlich der Gesammtmenge des Kali, in Procenten des luft-
trocknen Bodens berechnet, und hinsichtlich des Verhältnisses
zwischen Kali und Thonerde in dem Salzsäure- und Schwefel-
säure-Extrakt, obgleich er in beiden Punkten vor dem zuerst
genannten Boden beträchtlich zurücksteht. Ferner ist in dem
— 239 —
Liaskalkboden die Menge des in kalter Salzsäure, also leicht
löslichen Kali absolut und relativ bedeutend grösser als in allen
anderen hier untersuchten Erdarten und daraus wohl zu folgern,
dass dieser Nährstoff den Pflanzen aus der natürlichen Quelle
des Bodens ziemlich leicht zugänglich sein wird. Aehnlich ver-
hält sich auch der Verwitterungsboden aus dem Gebiete der
unteren thonigen Schichten des Krebsscheerenkalks; jedoch ist
hier das Verhältniss zwischen Kali und Thonerde in den be-
treffenden Extrakten schon merklich erweitert, = 1 : 11,3. Ent-
schieden am wenigsten ist zu Gunsten der Vegetation von dem
Kali zu erwarten, welches in der Ackererde des oberen Krebs-
scheerenkalkes und des Marmorkalkes vorhanden ist; in der
ersteren findet man das Verhältniss zwischen Kali und Thonerde
noch wesentlich enger (1 : 14,1) als in der letzteren (1 : 20,9),
aber dafür ist dort die absolute Menge des in Salzsäure lös-
lichen Kali eine sehr geringe und ausserdem bemerkenswerther
Weise jenes Verhältniss zwischen Kali und Thonerde in dem
Salzsäure-Extrakt des Bodens viel weiter (1 : 19,6) als in dem
Schwefelsäure-Extrakt (1 ; 11,4), während sonst gewöhnlich und
ganz besonders bei den Bodenarten von grösserer natürlicher
Fruchtbarkeit das Umgekehrte stattfindet.
Das Natron ist ein ziemlich unwesentlicher Bestandtheil
des Kulturbodens; es findet sich hauptsächlich in der sandigen
Substanz desselben fest gebunden (als Natronfeldspath) und wird
in Folge der Verwitterung bekanntlich viel leichter ausgewaschen
als das Kali. In den vorliegenden Untersuchungen ergab sich,
dass die Ackererde des oberen Krebsscheerenkalkes und nächst-
dem des Marmorkalkes besonders reich war an Natron; weniger
enthielt der Boden der unteren Schichten des Krebsscheerenkalkes
und des Liaskalksteins, am wenigsten das Verwitterungsprodukt
des Muschelkalkes. Das Verhältniss von Kali zum Natron war
in der angegebenen Eeihenfolge wie 1:0,787; 1:0,442; 1:0,226;
1 : 0,211 und 1 : 0,044.
Wenn wir absehen von der grösseren oder geringeren Tief-
gründigkeit und der mechanischen Beschaffenheit des Bodens,
sowie von dem Einfluss, welchen das Klima auf die Sicherheit
— 240 —
und die Höhe der Ernten ausübt, hier vielmehr nur den Gehalt
an vorzugsweise wichtigen Pflanzennährstoffen und deren Lös-
lichkeitsgrad als massgebend gelten lassen, so müssen wir auf
Grund unserer Untersuchungen und Betrachtungen das Ver-
witterungsprodukt des oberen Hauptmuschelkalkes entschieden
als ein ganz besonders gutes, d. h. natürlich fruchtbares Boden-
material bezeichnen. Die betreffenden Ackererden sind unge-
wöhnlich reich an Phosphorsäure und an Kali, an diesen beiden
landwirthschaftlich so wichtigen Nährstoffen gleichsam unerschöpf-
lich, indem sie davon den Pflanzen von einem Jahre zum andern
immer neue und reichliche Mengen zur Aufnahme darbieten. Es
erklärt sich wohl hauptsächlich hieraus, dass dieser Boden für
den häufigen Anbau der Luzerne als vorzüglich geeignet sich
beweist und zugleich unter Anwendung der geringsten Menge
von Dünger fortdauernd reichliche Körnerernten liefert, in einigen
Gegenden sogar, wie behauptet wird, seit undenklichen Zeiten
ohne alle Düngung in passendem Wechsel von Luzerne und
Körnerfrüchten kultivirt wird.
Auch das Ackerland im Gebiete des grobsandigen Liaskalk-
steins ist ausgezeichnet durch grosse natürliche Fruchtbarkeit
und in der That haben wir gesehen, dass der Verwitterungsboden
dieser Formation in Ackererde und Untergrund fast noch reicher
ist an Phosphorsäure, als das chemisch untersuchte Verwitterungs-
produkt des Muschelkalkes; die absolute Menge des Kali ist
allerdings eine weit geringere als in dem zuletzt erwähnten
Bodenmaterial, aber dieser Stoff befindet sich offenbar in einem
relativ leicht löslichen Zustande und wird alljährlich bis zu einer
gewissen Grenze aus dieser natürlichen Quelle von der Kultur-
pflanze aufgenommen werden, wozu auch die günstige physikalische
Beschaffenheit des Bodens mitwirkt. Weit geringer ist die Boden-
qualität, soweit diese nach der Menge und Löslichkeit der wich-
tigeren Pflanzennährstoffe beurtheilt werden kann, im Gebiete des
weissen Jura; die besseren jedoch von den hier vorkommenden
Ackererden findet man in der Formation des unteren Krebs-
scheerenkalkes und des Marmorkalkes. Die ersteren enthalten
etwas mehr Kali und dieses, wie es scheint in einem leichter
~ 241 —
löslichen Zustande, während die letzteren eine günstigere physi-
kalische Beschaffenheit haben, da sie ein mehr gleichförmiges
Pulver bilden und wegen ihrer dunklen, rothbraunen Farbe sich
besser erwärmen, worauf möglicherweise in dem Klima der rauhen
Alb besonderes Gewicht zu legen ist; im Phosphorsäuregehalt
sind die untersuchten Ackererden beider Formationen im luft-
trocknen Zustande nahe übereinstimmend. Fast in jeder Hinsicht
ärmlich ist das Verwitterungsprodukt des oberen Krebsscheeren-
kalkes beschaffen, auch abgesehen von den darin vorkommenden
Hornsteinen, welche wegen ihrer Zahl und Grösse so häufig ein
mechanisches Hinderniss bilden für die lohnende Kultur des
Bodens.
Analytische Methoden und Belege.
1. Krebsscheerenkalk. Untere thonige Schichten.
Von dem zur Analyse vorbereiteten Gestein, sowie von
Ackerkrume und Untergrund wurden jedesmal 450 Grm. der luft-
trocknen Substanz mit 1500 CG. konzentrirter, etwa SOprocentiger
Salzsäure Übergossen und damit unter häufigem Umschütteln
48 Stunden lang bei gewöhnlicher Temperatur behandelt. Die
Mischung erfolgte, natürlich mit der nöthigen Vorsicht, in einer
geräumigen, mit Glasstöpsel verschliessbaren Flasche. Der Rück-
stand von dem Gesteinspulver wurde auf dem Filter zuerst mit
kaltem und schliesslich mit heissem Wasser ausgewaschen, sowie
später einer weiteren Untersuchung unterworfen; bei der Acker-
krume dagegen und dem Untergrund goss man von dem Boden-
satz genau 1000 CG. ab, filtrirte die Flüssigkeit und verdampfte
dieselbe zuletzt im Wasserbade zur Trockne. In der einge-
trockneten Masse ergab sich an
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Grm. Grm. Grm.
Kieselsäure 0,114 0,0195 0,027
Württemb. n»turw. Jahreihefte. 1878. 16
— 242 —
Diese Mengen entsprechen also bei dem Gestein 450, bei
der Ackerkrume und dem Untergrund je 300 Grm. der lufttrocknen
ursprünglichen Substanz; die nach Abscheidung der Kieselsäure
erhaltenen Flüssigkeiten wurden verdünnt, beziehungsweise auf
1060, 1050 und 1000 CC. und hiervon geeignete Volummengen
für die Einzelbestimmungen verwendet. Die Mengen der in
kalter Salzsäure löslichen Bestandtheile des Gesteins und
des Bodens ersieht man aus der folgenden Zusammenstellung.
Gestein. Ackerkrume. Untergrund,
a. Lösung 150 CC. 150 CC. 150 CC.
Entsprechend lufttr.Substanz 63,679 Grm. 42,857 Grm. 45Grm.
Darin Mn304 .... 0,017 „ 0,029 „ 0,020 „
i/2Fe2 03,Al203U.P2 05 . 0,183 „ 0,3545 „ 0,7885 „
Hiervon Theil .... V» ^'s * 5
Chamäleonlösung* . . 10,5 CC. 13,4 CC. 29,3 CC.
VgFejOg 0,1125Grm. 0,2395Grm.0,5237Grm.
V2AI2O3 0,0562 , 0,0796 , 0,2399 ,
VioCaC03 .... 4,8285 „ 2,320 , 1,3546 „
davon abgewogen . . 0,289 „ 0,295 „ 0,255 «
als CaS04 0,393 „ 0,4045 , 0,3505 „
also CaCOg** . . . 4,8285 „ 2,3388 „ 1,3689 „
i/ioMggPgO, .... 0,074 , 0,0395 „ 0,025 „
* 1 CC. Chamäleonlösung entsprach 0,0025 Grm. Eisen.
** Die obigen Mengen von Calciumcarbonat ergeben einen pro-
centigen Gehalt der lufttrockneu Substanz in Gestein, Ackerkrume und
Untergrund = resp. 75,8—54,6 und 30,4; damit nahe übereinstimmend
fand Troschke bei der Untersuchung derselben Lösungen 76,6—54,2
und 30,0 %, während dagegen bei der Analyse des Extraktes mit heisser
Salzsäure für die lufttrockene Substanz der Ackerkrume 53,5 und des
Untergrundes nur 27,7 > (s. unten) ermittelt wurden; endlich ist zu
erwähnen, dass Gantter schon früher die Menge des in heisser Salz-
säure löslichen Calciumcarbonats in der Ackerkrume zu 54,3 und im
Untergrunde zu 27,4% gefunden hatte. Alle diese Bestimmungen be-
weisen, dass die obigen Extrakte der Ackerkrume, besonders aber des
Untergrundes in Folge längerer Aufbewahrung in der That eine grössere
Konzentration erlangt hatten, als hier angenommen wurde. Es mussten
bei der Berechnung der procentigen Verhältnisse (s. im Text der Ab-
— 243 —
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
b. Lösung .... 300 CC. 300 CC. 300 CC.
Entsprecbendlufttr.Subst. 127,358Grm. 85,714 Grm. 90Grm.
Darin BaS04 .... 0,098 „ 0,113 „ 0,093 „
MggPaO, .... 0,084 „ 0,2325 , 0,1415 „
alsoPgOs .... 0,0538 „ 0,1488 „ 0,0906 ,
Chloralkaiien . . . 0,098 „ 0,164 „ 0,139 „
(KCl)2PtCl4 . . . 0,179 „ 0,399 „ 0,319 ,
c. Lösung .... 300 CC. 300 CC. 300 CC.
Entsprechend Substanz 127,358 Grm. 85,714 Grm. 90 Grm.
MggPaOy 2,094 „ 0,210 „ 0,170 „
also P2O5 .... 0,0602 „ 0,1344 „ 0,1088 ,
Chloralkalien. . . . 0,096 „ 0,157 „ 0,141 ,
(KCl)2,PtCU. . . .0,1695 „ 0,367 „ 0,318 „
Der Rückstand des Gesteins von der Behandlung mit kalter
Salzsäure betrug lufttrocken 93,543 Grm,; davon lieferten
5,393 Grm. einen Glühverlust von 0,538 Grm. und ferner 9,206 Grm.
an Kieselsäure (löslich durch Kochen mit konzentrirter Lösung
von kohlensaurem Natrium unter Zusatz von etwas Aetznatron)
0,165 Grm. Ferner wurde zum Zweck der Kieselsäure-Bestim-
mung eine kleine Portion der Ackerkrume und des Untergrundes,
je 20 Grm. der lufttrocknen Substanz, ebenso wie oben die
grössere Portion mit kalter Salzsäure behandelt, der Rückstand
auf dem Filter zuerst mit kaltem und schliesslich mit heissem
Wasser ausgewaschen, hierauf mit der alkalischen Flüssigkeit
ausgekocht etc. Es ergab sich hierbei an Kieselsäure in der
Ackerkrume 0,2156 und im Untergrund 0,2425 Grm.
Von dem lufttrocknen Rückstand des Gesteiupulvers nach
Behandlung mit kalter Salzsäure wurden 78,944 Grm. (als ge-
glüht berechnet = 71,066 Grm.), entsprechend 379,77 Grm. des
frischen Gesteins, mit reiclilich dem doppelten Gewicht konzen-
trirter Salzsäure eine Stunde lang ausgekocht, die Lösung hierauf
handlung) die Mengen der sämmtlichen in kalter Salzsäure gelösten
Stoffe bezüglich des Untergrundes um Vio vermindert werden. Bezüg-
lich der Ackerkrume erschien eine derartige Reduktion unnöthig, da
die betreffende Differenz nur unbedeutend war.
16*
244 —
mit heissem Wasser verdünnt und abfiltrirt, der Rückstand mehr-
mals mit Wasser ausgekocht und schliesslich auf dem Filter gut
ausgewaschen. Von der Ackerkrume und dem Untergrund be-
handelte man 150 Grm. des frischen lufttrockuen Bodens m
derselben Weise. Das Filtrat wurde, zuletzt unter Zusatz von
etwas Salpetersäure, vorsichtig zur Trockene verdampft und nach
Abscheidung der Kieselsäure die Flüssigkeit überall bis auf 1000 CC.
verdünnt. Bei der Untersuchung ergab sich:
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Kieselsäure in Lösung 0,196 Grm. 0,0481 Grm. 0,2080 Grm.
a Lösung 200 CC. 200 CC. 200 CC.
■ Darin MnjO, . . . Spur. Grm. 0,0500 Grm. 0,0457 Grm.
VjFjO„A1j03U. PjOs 0,412 , 0,6540 , 1,2174 ,
Hiervon TheU ... Va V3 /»
Chamäleon» . . . M CC. 5,6 CC. 12,4 CC.
ii f^ 0 ■ 0,058Grm. 0,1488Grm. 0,3293Grm.
v!ai!o!'. . . . .0,3516 . 0,4716 , 0,8687 ,
In Lösung .... 200 CC. 100 CC. 100 CC.
CaCO 0,186Grm. 8,0250Grm. 4,1525Grm.
CaSo! '. . . . . 0,259 , - , 5-6^90 ,
Mg,P,0, .... 0,324 , 0,1831 , 0,1620
b. Lösung '..... 400 CC. 200 CC. 200 CC.
U„ P 0 . 0,0075 Grm. 0,1050 Grm. 0,0605 Grm.
alsop'o/. . . . .0,0048 , 0,0672 , 0,0387 ,
c. Lösung *OOCC. 300 CC. 200 CC.
Chloralkalien . . . . 0,409 Grm. 0,2590 Grm. 0,2626 Grm.
(KCl)j,PtCU .... 1,3016 . 0,7065 , 0,8040 ,
Der Rückstand von der Behandlung mit heisser Salzsäure betrug
Lufttrocken .... 71,609Grm. 52,8506rm. 83,740Grm.
Davon Substanz . . . 9,049 , 3,9065 „ 6,340 ,
Glühverlust. . . . 0,845 , 0,5355 , 0,690 ,
Ferner Substanz, lufttr. 8,054 , 9,4910 , 10,372 .
Kieselsäure. . . . 0,977 „ 0,9665 , 1,3295 „
Von dem Rückstand wurden mit dem 6fachen Gewicht von
konzentrirter Schwefelsäure bis zum Eintrocknen der Masse erhitzt
• 1 CC. der Chamäleonlösung entsprach 0,0062 Eisen.
245 —
Gestein. Ackerkrume. Untergrund.
Lufttrockene Substanz 12,529Grm. 10,007 Grm. 10,040Grm.
DarinKieselsäure aus Lösung 0,037 „ — „ — »
0,456 „ 0,4800 , 0,610 .
. . 3,6 CC. 2,7 CG. 3,0 CG.
. . 0,0306Grm. 0,0239Grm. 0,0266Grm.
. . 0,022 „ Spur , 0,016 „
. . 0,190 „ 0,030 „ 0,1372 ,
. . 0,126 „ 0,1565 „ 0,2015 ,
. . 0,332 „ 0,420 „ 0,493 „
von der Behandlung mit Schwefelsäure betrug
10,9335Grm. 7,950 Grm. 8,3525 Grm.
2,979 „ 4,5135 « 4,6235 „
0,1415 y, 0,2810 „ 0,4765 «
4,420 , 3,6900 , 3,6855 „
1,262 „ 1,2100 „ 1,4520 „
VjFegOaU. AI2O3
Chamäleon *
CaCOa . .
MgjPjO, .
Chloralkalien
(KCl)2,PtCl4
Der Rückstand
Lufttrocken . .
Davon Substanz
Glüh Verlust
Ferner Substanz, lufttr
Kieselsäure . . .
Von dem Rückstand wurden mit Flusssäure aufgeschlossen
Substanz, geglüht
Darin AU 0
2^3
. . 0,044 ,
. . Spur ,
. . 0,008 ,
. . 0,056 ,
. . 0,146 ,
In dem frischen lufttrocknen Gestein und Boden ergab sich
an Glühverlust (Wasser nebst humosen Stoffen) :
Substanz 5,755Grm. 8,8883Grm. 10,8670Grm.
CaCOg . .
MggPgOy .
Chloralkalien
(KCl)2,PtCl4
1,9885 Grm.
3,6940Grm.
0,0350 „
0,1085 „
Spur „
7>
Spur „
W
0,0482 „
0,0623 „
0,1040 ,
0,1475 ,
Glühverlust
1,0718
1,5275
2. Krebsscheerenkalk. Obere Schichten mit
Feuersteinen.
Bei dem hohen Gehalt des ursprünglichen festen und auch
des durch Verwitterung mürbe gewordenen Kalksteines an
kohlensaurem Calcium genügte es, die gepulverte Substanz mit
heisser Salzsäure zu behandeln und sodann den Rückstand mit
flusssauren Dämpfen aufzuschliessen. Hierzu wurden jedesmal
* 1 CC. der Chamäleonlösung entsprach 0,0062 Eisen.
— 246 —
100 Grm. von dem Gesteinspulver verwendet. Die salzsaure
Lösung verdampfte man wie gewölmlich bis zur Trockene und
brachte nach dem Filtriren das Volumen der Flüssigkeit durch
Zusatz von Wasser auf 1000 CC.
Festes Gestein. Mürbes Gestein.
a. 25 CC. Lösung.
FegOg u. AI2O3 0,0380 Grm. 0,0480 Grm.
CaCOg . . . 2,3350 , 2,2425 „
b. 500 CC. Lösung.
MgaPgO, . . 0,0321 Grm. 0,0398 Grm.
alsoPgOg . . 0,0205 ^ 0,0255 „
c. 700 CC. Lösung.
Chloralkalien . 0,2220 Grm. 0,0914 Grm.
(KCl)2,PtCl4 . 0,1130 , 0,1075 „
Der in Salzsäure unlösliche Rückstand betrug
Lufttrocken . . 5,0595 Grm. 7,7775 Grm.
Davon wurde mit Flusssäure aufgeschlossen
Substanz, geglüht 3,1700 Grm. 2,5500 Grm.
Darin AI2 O3 . 0,2290 „ 0,1522 „
CaCOa . . 0,0090 „ 0,0060 „
MggPgOy . 0,0330 „ 0,0290 «
Chloralkalien 0,0808 „ 0,0561 „
(KCl)2,PtCl4. 0,1665 „ 0,1165 „
Von den untersuchten Feuerstein-Knollen war Nr. 1
ganz hart und splitterig, fast farblos, Nr. 2 ebenfalls farblos,
aber ziemlich mürbe und leicht zu pulvern, Nr. 3 noch mürber
und dabei in der äusseren Schicht mit Eisen- und Manganoxyd
stark imprägnirt. Nr. 1 und 3 wurden erst nach der Extraktion
mit heisser Salzsäure, Nr. 2 dagegen sofort im gepulverten Zu-
stand mit Flusssäure aufgeschlossen. Bei Nr. 1 ergaben 7,1 75 Grm.
der frischen Substanz einen Gltihverlust von 0,0744Grm.=l, 038 *^/o,
ferner 6,101 Grm. des Rückstandes von der Behandlung mit
Salzsäure einen Glühverlust von 0,0462 Grm. = 0,757%.
Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3.
Substanz, lufttr. . . . 20,0 Grm. — Grm. 12,097 Grm.
In Salzsäure löslich . . 0,328 „ — „ 1,100 „
247
Mit Flusssäure wurden aufgeschlosseu
3,3775 Grm. 3,4028 Grm. 2,638 Grm.
0,0215 „ 0,0845 „ 0,0315 ,
0,0082 y, 0,0095 „ 0,0030 ,
0,0200 „ — —
0,0190 y, — —
des Bodens, sowie die „Thonmasse*
Substanz, geglüht.
Darin Al^Og . .
CaCOg . .
Chloralkalien
(KCl)2,PtCl4
Die Ackerkrume
wurde in derselben Weise untersucht, wie oben bezüglich der
unteren thonigen Schichten des Krebsscheeren-Kalksteins ange-
geben ist; nur nahm man hierbei für die Behandlung mit kalter
konzentrirter Salzsäure jedesmal 300 Grm. der lufttrocknen Sub-
stanz in Arbeit, so dass die zur eigentlichen Analyse dienende
und auf 1000 CG. verdünnte Lösung im Ganzen einem Quantum
von 200 Grm. des lufttrocknen Bodens entsprach. Die aus der
Lösung abgeschiedene Kieselsäure betrug bei der Ackerkrume
0,0155 Grm. und bei der Thonmasse 0,0294 Grm. Weiter ergab sich:
Thonmasse.
0,0500 Grm.
1,2633 „
42,7 CG.
0,7625 Grm.
0,4712 „
0,4765 ,
0,0894 ,
0,0476 Grm.
0,0735 „
0,1521 „
0,1381 „
0,0884 ,
0,1390 Grm.
0,0890 „
200 CG. Lösung. Ackerkrume.
Darin MugO^ 0,0665 Grm.
VaFegOa, AI2O3U. PjOg . . 0,6565 „
Chamäleon* in V5 • • • 21,05 CG.
also Va^^a^s .... 0,3748 Grm.
VaAlaOa 0,2671 ,
CaCOa 0,8567 „
MgaPaO, 0,1210 „
300 GG. Lösung.
Darin BaS04. 0,0410 Grm.
Ghloralkalien 0,0697 „
(KG1)2, PtCl^ 0,1741 ,
MggPaO,
0,0680
c.
alsoPgOg. ..... 0,0435 „
300 GG. Lösung.
Darin MggPaOy 0,0692 Grm.
also Pg O5
0,0443
Aus je 20 Grm. des lufttrocknen frischen Bodens wurde in
gleicher Weise der Extrakt mittelst kalter Salzsäure dargestellt,
* 1 CG. Chamäleon :=: 0,0025 Fe.
— 248 —
der Rückstand aber auf dem Filter zuerst mit kaltem und dann
mit heissem Wasser ausgewaschen und hierauf nach bekannter
Methode mit Soda-Natronlauge behandelt, um die darin lösliche
Kieselsäure zu bestimmen ; in der Ackerkrume fand man 0,2224 Grm,
und in der Thonmasse 0,4464 Grm.
Zur weiteren Untersuchung dienten je 150 Grm. des be-
treffenden Bodens, welche zunächst mit konzentrirter Salzsäure
ausgekocht wurden. Ackerkrume. Thonmasse.
Kieselsäure in Lösung . . . 0,1570 Grrm. 0,2205 Grm,
a. 300 CG. Lösung.
Darin MngO^ 0,2010 Grm. 0,1563 Grm.
V2Fe2 03,Al2 03U. P2O5 . . 1,1433 „ 3,2288 ,
Chamäleon zu .... (Vg) 42,8 CG. (V5) 67,1 CG.
alsoV2Fe203 .... 0,4587 Grm. 1,2100 Grm.
V2AI2O3 0,6649 , 1,9423 „
CaCOg 1,0434 „ 0,5662 ,
MggPaOy 0,1417 , 0,2799 „
b. 300 CG. Lösung.
Darin BaSO^ ...... 0,0240 Grm. 0,0444 Grm.
Chloralkalien 0,1268 „ 0,2363 „
(KG1)2, PtCl4 0,3521 , 0,6683 ,
MggPaOy. 0,0615 „ 0,1184 „
alsoPaOg 0,0394 , 0,0758 ,
c. 300 CG. Lösung.
Darin MgaPgOy -- 0,1207 Grm.
also P2O5 — 0,0772 „
Der Eückstand von derBehandlung mit heisser Salzsäure betrug
Lufttrocken 127,009 Grm. 109,380 Grm.
Davon Substanz 6,449 „ 4,947 „
Glühverlust 0,200 , 0,267 „
Ferner Substanz, lufttr. . . 11,2337 „ 6,905 „
Kieselsäure 0,5301 „ 1,107 „
Von obigem Rückstand wurden mit konzentrirter Schwefel-
säure behandelt
Lufttrockene Substanz. . . . 11,803 Grm. 10,610 Grm.
V2 Peg O3 u. AI2 O3 . . . 0,3037 „ 0,6581 «
— 249 —
Ackerkrume, Thonmasse.
Chamäleon zu % • • • 4,1 CG. 7,1 CG.
also V2 Feg O3. . . . 0,02198 Grm. 0,0380 Grm.
V, AI2O3 0,28172 , 0,6201 ,
GaGOg 0,0201 „ 0,0035 ,
MggPgOy 0,0825 „ 0,0859 ,
Chloralkalien 0,0924 , 0,0880 ,
(KG1)2, PtCl^ 0,2496 „ 0,2296 „
Der Rückstand des Schwefelsäure-Extraktes betrug"
Lufttrocken 11,012 Grm. 9,206 Grm.
Davon Substanz 3,010 „ 3,481 „
Glühverlust 0,080 „ 0,169 „
Ferner Substanz, lufttr 4,2450„ 5,781 «
Kieselsäure 0,5161 „ 2,127 „
Von diesem Rückstand wurden mit Flusssäure aufgeschlossen
Substanz, geglüht 3,7200 Grm. 1,6990 Grm.
Darin AI2O3 0,1211 „ 0,0080 ,
GaCOa 0,0102 „ 0,0044 „
Mg2P2 07 Spur -
Ghloralkalien 0,1176 „ 0,0446 ,
(KG1)2, PtCl^ 0,1645 „ 0,0550 ,
Bei einer anderen Untersuchung lieferten 3,012 Grm. des
betreffenden Rückstandes aus der Ackerkrume 0,1053 Grm. Chlor-
alkalien und 0,1295 Kaliumplatinchlorid.
Als Glühverlust des ganz frischen lufttrocknen Bodens fand
man bei der Ackerkrume in 6,135 Grm. = 0,534 Grm. und bei
der Thonmasse in 7,120 Grm. = 0,995 Grm.
3. Marmorkalk.
Von dem festen Gestein wurde ein Quantum von 100 Grm.
im gepulverten Zustande mit Salzsäure in massiger Wärme dige-
rirt und die Lösung nach dem Abfiltriren des Rückstandes auf
1000 CG. verdünnt.
Rückstand, in Salzsäure unlöslich . 0,246 Grm.
CaCOo aus 25 CG 2,4625 „
FegOaU. A12 03 aus 25 CG. . . . 0,0160 „
— 250 —
MggPa^T aus 500 CC 0,0105 Grm.
also PjOg 0,0067 „
Cbloralkalien aus 700 CC. . . . 0,0258 „
(KC1)2, PtCl4 0,0237 „
Die Ackerkrume und die „Thonmasse* behandelte man zu-
nächst mit kalter konzentrirter Salzsäure ganz in derselben Weise,
■wie bezüglich des Verwitterungsbodens aus den oberen Schichten
des Krebsscheerenkalkes angegeben ist. Die schliesslich auf
1000 CC. verdünnte Lösung entsprach im Ganzen wiederum
200 Grm. des lufttrocknen Bodens.
Ackerkrume. Thonmasse.
Kieselsäure in Lösung . . . 0,0104 Grm. 0,0181 Grm.
a. 200 CC. Lösung.
MngO^ 0,1115 Grm. 0,0847 Grm.
^AFegOg, AI2O3U. P2O5 . . 0,9784 , 1,8435 ,
Chamäleon* zu V5 ... 35,4 CC. 67,1 CC.
also V2 F2Ö3 0,6319 Grm. 1,2264 Grm.
V2AI2O3. ...... 0,3234 , 0,5953 „
CaCOg 6,2873 „ 1,8266 „
Mg2P2 0, 0,2345 y, 0,2245 ,
b. 300 CC. Lösung.
BaSO^ 0,0806 Grm. 0,0520 Grm
Chloralkalien 0,0790 „ 0,0600 „ .
(KC1)2, PtCl^ 0,1750 „ 0,1290 „
Mg2P2 0y 0,1064 , 0,1022 .
also P2O5 0,0681 , 0,0654 ,
c. 300 CC. Lösung.
MgjPaO, 0,1097 Grm. —
alsoPgOs 0,0702 „ —
Aus einer kleineren Portion des lufttrocknen Bodens von je
20 Grm. erhielt man nach der Behandlung mit kalter Salzsäure
durch Auskochen des Rückstandes mit Soda-Natronlauge bei der
Ackerkrume 0,2725 und bei der Thonmasse 0,4740 Grm. Kiesel-
säure.
* 1 CC. Chamäleon =-- 0,0025 Grm. Fe.
251 —
Durch Behandlung von 150 Grm. des lufttrocknen Bodens
mit heisser Salzsäure wurden gelöst:
Ackerkrume. Thonmasae.
Kieselsäure in Lösung . . . 0,0830 Grm. 0,0770 Grm.
a. 200 CC. Lösung.
MugO^ 0,1004 Grm
Vi
2 FegOg, AI2O3U. PoO«
2^5
Chamäleon zu
1,4262 „
45,6 CC
alsoVaFeaOg 0,8140 Grm.
V2AI2O3 0,5887 „
CaCOg 4,6611 „
MgjPjOy 0,1742 „
b. 300 CC. Lösung.
BaSO+ 0,0932 Grm.
Chloralkalien 0,2181 „
(KC1)2, PtCl^ 0,5555 ,
Mg2P2 0, 0,1102 „
also P2 O5 0,0705 „
c. 300 CC. Lösung.
Mg2 P2 0,
also Pg O5
0,0880 Grm.
2,6252 „
74,0 CC
1,3224 Grm.
1,2838 „
1,5195 .
0,2825 „
0,0643 Grm.
0,3596 „
1,0898 „
0,0878 „
0,0562 y,
0,0907 „
0,0581 „
Der Rückstand von der Behandlung mit heisser Salzsäure
betrug
Lufttrocken 96,607 Grm. 98,580 Grm.
Davon Substanz 8,3612 „ 2,7521 „
Glühverlust 0,7769 „ 0,3986 „
Ferner Substanz, lufttr. . . . 11,6445 „ 12,000 „
Kieselsäure 1,0520 „ 2,6100 „
Mit Schwefelsäure
handelt
Lufttrockene Substanz
V2F2O3U. AI3O3
Chamäleon zu Vs
also V? FeoO
3
wurden von dem obigen Rückstand be-
2 ^»^2^3
V2 AU Oo
2
Ca CO
10,000 Grm.
0,6704 „
3,6 CC.
0,0643 Grm.
0,6061 „
0,0165 „
10,000 Grm.
0,7868 „
5,3 CC.
0,0946 Grm.
0,6922 „
0,0095 „
— 252 —
Ackerkrume. Thonmasse.
MgjPgOy 0,0615 Grm. 0,0315 Grm.
Chloralkalien 0,0975 „ 0,0818 ,
(KC1)2, PtCl+ 0,2617 „ 0,1800 ,
Der Rückstand von dem Schwefelsäure-Extrakt betrug
Lufttrocken 8,1700 Grm. 8,9820 Grm.
Davon Substanz 2,5540 „ 3,5740 „
Glühverlust 0,1740 , 0,8112 „
Ferner Substanz, lufttr. . . . 5,8335 „ 6,2381* „
Kieselsäure 1,6190 „ 2,2905 „
Von dem Rückstand wurden mit Flusssäure aufgeschlossen:
Substanz, geglüht 2,2990 Grm. 1,7270 Grm
Darin Alg O3 0,0450 „ 0,0090 „
CaSO^ 0,1535 „ 0,0650 „
MggPzOy 0,0085 „ 0,0055 „
Chloralkalien 0,0525 „ 0,0240 „
(KC1)2, PtCl4 0,0882 „ 0,0488 „
Endlich ist noch zu erwähnen, dass die Bestimmung des
Glühverlustes in der ganz frischen lutttrocknen Substanz des
Bodens ergab:
Lufttrockene Substanz .... 9,4410 Grm. 6,6725 Grm.
Glühverlust 1,5050 „ 1,3460 ,
St ick Stoff best immun gen.
Der lufttrockene Boden wurde mit Natronkalk verbrannt, das
gebildete Ammoniak in verdünnter Salzsäure aufgefangen, mit
Piatinalösung gefällt und aus dem Gewicht des nach dem Glühen
des Platinsalmiaks erhaltenen metallischen Rückstandes der Stick-
stoff berechnet.
Substanz. Piatina, Stickstoff.
1. Krebsscheeren-Kalk. Untere Schichten.
Ackerkrume a. . 5,2166 Grm. 0,0830 Grm. 0,01174 Grm.
b. . 4,6187 „ 0,0905 „ 0,01280 „
* Es wurde diese Bestimmung mit einer anderen Portion des
entsprechend behandelten Bodens vorgenommen; in 4,1875 Grm. des
betreffenden Rückstandes ergaben sich 0,5390 Grm. Glühverlust.
253 —
Substanz.
Piatina.
Stickstoff.
■Untergrund a . . 5,2160 Grm.
0,0603 Grm.
0,00853 Grm.
b . . 4,2657 „
0,0590 „
0,00835 „
2. Krebsscheeren-Kalk. Obere Schichten.
Ackerkrume a . . 5,6624 Grm.
0,0535 Grm.
0,00759 Grm.
b . . 4,1500 „
0,0496 „
0,00704 „
Thonmasse a . . 5,0122 ,
0,0556 „
0,00789 ,
b . . 3,8740 ,
0,0519 „
0,00736 „
3. Marmorkalk.
Ackerkrume a . . 5,2760 Grm.
0,1077 Grm.
0,01528 Grm.
b . . 4,0567 ,
0,1025 ,
0,01454 ,
Thonmasse a. . 5,1825 „
0,0890 „
0,01262 ,
b. . 5,3150 ,
0,0849 „
0,01204 ,
Untersuchung der Bodenarten nach Knop'scher
Methode.
A. Mechanische Analyse.
Nachdem die grösseren Steine ausgelesen waren, wurde das
ganze vorhandene Bodenquantum im lufttrocknen, beziehungsweise
unter gelindem Druck zerriebenen Zustande durch ein Blechsieb
mit 3 Millimeter weiten Löchern hindurchgeschüttelt, der Rück-
stand auf dem Sieb mit Wasser gut abgespült und als Steinchen
in Rechnung gebracht.
Boden. Steinchen,
Krebsscheerenkalk. Untere Schicht.
Nr. 1. Ackerkrume 1820 Grm. 560 Grm.
„ 2. Untergrund 1960 „ 530 „
Krebsscheerenkalk. Obere Schicht.
Nr. 3. Ackerkrume 4010 Grm. 1520 Grm.
„ 4. Thonmasse 2387 „ 43 ,
Marmorkalk.
Nr. 5. Ackerkrume 2470 Grm. 440 Grm.
„ 6. Thonmasse 2810 „ 30 ,
Je 30 Grm. der abgesiebten Masse hinterliesen bei 100*^ C.
an Trockensubstanz:
— 254 —
Nr. 1. Nr. 2. Nr. 3. Nr. 4. Nr. 5. Nr. 6.
Grm. 29,174 28,161 29,137 27,544 28,421 27,067
Es betrug der mit Wasser abgespülte, bei 100^ getrocknete
Rückstand auf den Sieben mit resp. 2 — 0,8 und 0,3 Millimeter
weiten Löchern, ferner der „Feinsand" im Knop'schen Schlämm-
Cylinder und endlich der aus der Differenz gefundene „Staub'*
des Bodens, überall in ursprünglich 30 Grm. der ziemlich luft-
trocknen Substanz:
Krebsscheerenkalk. 2 Mm.
0,8 Mm.
0,3 Mm.
Feinsand.
Staub.
Untere Schichten. Grm.
Grm.
Grm.
Grm.
Grm.
1. Ackerkrume . 1,179
5,301
2,389
10,726
9,580
2. Untergrund . 0,918
2,949
1,114
7,955
15,225
Obere Schichten.
3. Ackerkrume . 0,247
0,965
6,045
7,775
14,105
4. Thonmasse . . —
0,740
1,294
7,955
17,555
Marmorkalk.
5. Ackerkrume . 0,720
2,176
1,153
9,944
14,628
6. Thonmasse . . 0,144
0,592
0,990
4,571
20,770
B. Chemis che Analyse.
Die Bestimmung des Kohlenstoffes in der Feinerde erfolgte
auf nassem Wege unter Anwendung von Chromsäure* und ebenso
die Bestimmung der Bestandtheile des Feinbodens nach der von
Knop gegebenen Vorschrift**.
Krebsscheeren-Kalk.
Untere Schichten. Obere Schichten.
Ackerkr. Untergrund, Ackerkr. Thonmasse.
Lufttrockene Feinerde .
Verlust bei 100 <^ .
Lufttrockene Feinerde .
Glühverlust . . .
Feinerde zur C-Bestimraung 5, 000
Kohlensäure a
b .
* Vgl. E. Wolff «Anleitung zur chemischen Untersuchung land-
wirth schaftlich wichtiger Stoffe». 3. Auflage, S. 39. Berlin, 1875.
** Ebds. S. 85.
Grm.
Grm.
Grm.
Grm.
2,224
1,314
1,760
1,527
0,054
0,051
0,025
0,069
1,688
1,263
2,464
1,343
0,202
0,128
0,196
0,161
5,000
5,000
5,000
5,000
0,225
0,126
0,145
0,056
0,235
0,135
0,151
0,064
- 255 -
Grm. Grm. Grm. Grm.
Feinboden, geglüht . . 1,163 1,310 1,177 1,073
Gesammt-Kieselsäure 0,391 0,602 0,961 0^735
Sesquioxyde . . . 0,100 0,192 0,178 0,266
Feinerde, lufttr. . . . 5,866 5,289 5,498 4,651
entsprechend Feinboden 5,164 4,752 5,058 4,093
VgCaCOg. . . 1,426 0,808 0,054 0,023
Feinerde, lufttr. . . . 2,012 2,031 2,039 2,028
entsprechend Feinboden 1,771 1,825 1,877 1,785
Kieselsäure-Thon . 0,758 1,052 1,768 1,548
Marmorkalk.
Ackerkrume. Thonmasse.
Grm. Grm.
Lufttrockene Feinerde , . 2,030 1,406
Verlust bei 100 » . . 0,062 0,060
Lufttrockene Feinerde . . 2,167 2,177
Glühverlust 0,348 0,399
Feinerde zur C-Bestimmung 5,000 5,000
Kohlensäure a . . . . 0,110 0,130
b . . . . 0,118 0,135
Feinboden, geglüht . . . 1,100 1,448
Gesammt-Kieselsäure . 0,674 0,689
Sesquioxyde .... 0,258 0,520
Feinerde, lufttr 5,370 5,359
entsprechend Feinboden. 4,507 4,377
VgCaCOg 0,320 0,208
Feinerde, lufttr 2,027 2,026
entsprechend Feinboden . 1,701 1,655
Kieselsäure-Thon . . 1,320 1,277
Zur Bestimmung der Absorptionsfähigkeit des Bodens wurden
vorschriftsgemäss 50 Grm. Feinerde mit 5 Grm. Kreidepulver
gemischt und hierauf mit 100 CC. einer Salmiaklösung behandelt,
welche bei der Zersetzung mittelst bromirter Natronlauge aus
1 CC. der Flüssigkeit genau 1 CC. Stickgas lieferte (auf mittleren
Barometerdruck und 0^ berechnet). Die Differenz bei der Stick-
stoffbestimmung in jedesmal 10 CC. der vom Boden abfiltrirten
— 256 -
Flüssigkeit ergab, nach der Berechnung auf 100 Grm. Feinerde
und 200 CC. der Salmiaklösung, die Absorptionsfähigkeit dea
Bodens.
Krebsscheeren- Ent- Tempe- Baro- Volumen Diffe- Absorption
Kalk. wickelt. ratur. meter. bei 0» etc. renz. für 200 CC.
UntereSchichten. CC. Mm. CC. CC.
Ackerkrume a 7,20 + 0,21 13« 734 6,681 3,319 66,4
b 7,10 + 0,21 13<> 734 6,676 3,324 66,5
Untergrund a 4,80 + 0,16 13« 734 4,501 5,499 109,9
b 4,90 + 0,16 13« 734 4,592 5,408 108,1
Obere Schichten.
Ackerkrume a 7,70 + 0,23 14« 731 7,128 2,872 57,4
b 7,60 + 0,23 14« 731 7,044 2,956 59,1
Thonmasse 4,20 + 0,13 14« 731 3,895 6,105 122,0
Marmorkalk.
Ackerkrume 5,40 + 0,16 13« 734 5,046 4,954 99,1
Thonmasse 3,80 + 0,11 13« 734 3,555 6,445 128,9
Ausgegeben am 15. Februar 1878.
Geologisches aus dem Libanon
von Dr. Oscar Fraas.
Eundschau im Libanon.
Der Blick auf eine jede Karte von Syrien zeigt schon die
Gleichartigkeit der Terrainbildung von der pelusischen Ecke an
bis zum Vorgebirge von Tripolis (Taräbulüs) gegenüber der
kyprischen Insel. Genau 15 ^ östlich von dem magnetischen
Meridian * ist in nahezu gerader Linie das Festland gegen das
Meer abgeschnitten. Diese Gerade macht nur 2 kleine hacken-
förmige Absätze, den ersten am Eas Karmel, hinter dem die
geschützte Bai von Haifa liegt und am Ras Beirut mit der
*St. Georges-Bai und dem Hafen von Beirut. Eine kleine Unter-
brechung der geraden Küstenlinie bildet ausserdem die Bucht
von Djüni mit dem Hafen des Mont Liban ^. Das natürliche
^ Gegenwärtig ist an der ganzen syrischen Küste keine Abweichung
der Magnetnadel mehr zu beobachten, der astronomische und der mag-
netische Meridian decken sich, 1876 hatte die Abweichung noch vier
Minuten betragen. Alle früheren nach dem magnetischen Meridian
angestellten Kartenaufnahmen sind daher heutzutage ungenau geworden.
^ Um den Libanon vom Verkehr mit der Welt abzuschneiden,
volkswirthschaftlich zu isoliren und in faktischer Abhängigkeit von der
Pforte zu erhalten, blieben die Hafenstädte Taräbulüs, Beirut und Saida
vom Vertrag des Jahres 1862 ausgeschlossen. Gerade die wichtigsten
Plätze des Landes blieben mit türkischen Paschas besetzt, türkische
Württemb. naturyr. Jahreshefte. 1878. 17
— 258
Nord-Ende der syrischen Küste bildet das alte dsov-nQdaconov,
italienisch das Kap „Madonna^ arabisch Ras esch-Schakka, von
wo das Streichen der Küste in ein nordöstliches übergeht', bis
nördlich Taräbulüs mit der Bai von Akkar ein neues Land beginnt,
das zum System Kleinasiens gehört.
Parallel mit der syrischen Küste streicht das syrische Gebirge
und die Bekäa, wobei jedoch das libanesische Gebirge vom hohen
Sannin au eine nordostnördliche Richtung einhält, welcher Richtung
auch die Bekäa folgt, das weite Thal von Baalbek, welches in
alten Zeiten das zusammenhängende Gebirgsmassiv in Libanon
und Antilibanos gespalten hat. Geologisch ist die Bildung
der Meeresküste und der Jordanspalte und die Bildung
des syrischen und transjordanischen Gebirges nur Eine That",
welche, wie ich unten zeigen werde, in die Zeiten nach Ab-
lagerung des Eocängebirges und der älteren Miocäne fällt,
d. h. in die Zeit der jüngeren Miocäne.
Der Blick auf das Land selbst lässt den Zureisenden schon
vom Bord des Dampfers aus erkennen, dass das Gebirge vom
pelusischen Winkel an, wo seine tiefste Erniedrigung ist, nach
Norden sich erhebt. Auch hier wieder sind Unterbrechungen
durch das Tiefland des Kison und des Litäni. Von deren
Niederungen an erhebt sich wieder das Gebirge, bis es im hohen
Sannin und Akkar seine höchste Entwickelung erreicht. Im Laude
selbst gewährt die beste Umschau zur oberflächlichen Orientirung
der Nebi Säfi im Süden des Libanon. (1346 m ü. d. M.) Mit
Ausnahme des östlichen Ausblicks ist die Fernsicht nach allen
Himmelsrichtungen offen. Gegen Morgen zwar legt sich der
schneebedeckte Hermon (Djebel esch Schech) in seiner ganzen
massigen Grösse vor das Auge. Unvergleichlich dagegen ist der
Douanen erheben die Zölle und chikaniren nicht blos die Fremden
sondern selbst den Pascha vom Libanon, der sich oft genug über die
Impertmenz der türkischen Beamten zu beklagen hat. Um diesen
unwürdigen Zuständen zu entgehen, haben die Libanesen angefangen
m der Bucht von Djüni eine eigene libanesiche >Marine. zu schaffen.
JedenfaUs em freudiger Beweis der nationalen Kräftigung dieses Ge-
— 259 —
Ausblick nach Süden und Westen. Im Süden schaut man zu-
nächst in die Tiefebene des Hule und die wilden Schluchten
des Litäni, begränzt Vön dem Karmelzug, der über den Tabor
zu den Höhen von Tiberias sich hinzieht und drüben über dem
spiegelnden See in den zackigen Höhen des Haurans sich fort-
setzt. In bläulichem Duft liegen in der Ferne die Berge von
Juda. Soweit man die Meeresküste überblickt, d. h. vom Karmel
bis zum Eas Beirut, überzeugt man sich vom abrupten
Einbruch der Berge, der sich untermeerisch ebenso
fortsetzt, wie er zu Tage beobachtet wird. Ein schmales roth-
gelbes Band legt sich zwischen den fahlen Kreideboden und das
grüne Meer. Der Blick nach Norden führt in den eigentlichen
Libanon hinein, dessen Berge riesigen Maulwurfshügeln gleichen,
die nebeneinander und hintereinander hingeworfen sind und sich
je nach ihrer Zusammensetzung aus Kalkfelsen, Sandstein oder
Mergel bald steiler, bald flacher legen. Jeder dieser Hügel
besteht aus einem System vieler Schichten, die sich wie Bänder
durch den Berg ziehen. Doch ist der nächste Hügel
wieder ausser Zusammenhang mit dem ersten, so
dass man denselben Eindruck bekommt, den im Kleinen bei einem
Eisgang gestrandete Schollen auf uns machen. Jede der Berg-
schollen hing einst mit der Schichtentafel zusammen, was die
regelmässigen Schichtenlager beweisen, die im Querprofil wie
Bänder sich uns vorstellen. Bei der Gebirgsbildung ging die bis
dahin horizontal lagernde Gebirgstafel in Trümmer, die Trümmer
aber, gehoben und geschoben, legten sich neben und hinter
einander, wobei jedoch die Richtung von N nach S und recht-
winklig darauf von 0 nach W die herrschende bleibt. Was den
Blick auf die Schichtenbänder besonders anmuthig macht, ist der
Wechsel der Farben dieser Bänder. Ein Maler z. B., der
die Landschaft malen wollte, hätte sich davor zu hüten, dass er
die oft wirklich grellen Farbenbänder, die sich über einen Berg
hinziehen, nicht in ihrer natürlichen Farbe darstellte. Auf dem
Gemälde wäre das kirschrothe horizontale Band um den Berg
entschieden unschön, in Wirklichkeit selbst machen auch die lang
gestreckten Geraden die Berge monoton, es fehlt dem Auge der
17*
— 260 —
Ruhepunkt eines Wechsels, um so mehr, als die Entwald ang^
der libanesischen Berge auf die entsetzlichste Weise schon
vorgeschritten ist. Erst ein Basaltgang, eine Verwerfung, ein
Hackenschlag oder wie man die geologische Störung nennen mag,
macht der sedimentären Langweile ein Ende und bringt wieder
einen frischen Wechsel in die Landschaft.
Ganz besonders verdanken die libanesischen Landschaften
nicht blos ihre Schönheit, sondern -auch ihre Fruchtbarkeit und
Fülle dem Basaltit, der an zahllosen Orten zum Ausbruch
gekommen ist. Auf der meinen Aufnahmen zu Grunde liegenden
ganz vortrefflichen Karte ^ des französischen Expeditions-Korps
in Syrien habe ich allein 72 Ausbruchspunkte der basaltischen
Massen verzeichnet, die theilweise ganz gewaltige Ergüsse
gemacht haben. Nirgends aber hatte ich Gelegenheit irgend
welche Niveau- Störungen kennen zu lernen, welche im Gefolge
der Basalt-Ergüsse wären. Ein Beispiel für viele mag genügen:
Einen der fürchterlichsten Felsschründe des Libanons durchtost
der Kadischafluss , der am Fuss des Cedernwaldes unter altem
Moränenschutt seinen Ursprung, seine reichen Zuflüsse von allen
Seiten des Felsenkessels im Bscherre hat und nach etwa drei-
stündigem Lauf schon so gewaltige Wassermassen wälzt, dass
nur halsbrecherische Stege noch die beiderseitigen Ufer ver-
mitteln. In der Nähe von Kannobin nun, zu unterst im Thal
hart am tosenden Strom, ist ein basaltischer Tuff in einer Spalte
^ Es ist ein himmelschreiender Frevel, den die Einwohner seit
Jahren durch türkische Wirthschaft daran gewöhnt, an ihrem Wald
begehen. Ja, könnte man etwa von Abholzung im Sinn der europäischen
Forstverwaltung zur Gewinnung von Nutzholz reden, aber es ist von
einer Nutzung des Waldes überhaupt gar nicht die Rede. Ueberall
herrscht die muth willigste, niederträchtigste Verstümmelung der vom
früheren Wald noch übrig gebliebenen Bäume. Es ist das eine wahr-
haftige Selbstschändung, eiue nationalökonomische Schädigung, die
man nicht genug brandmarken kann vor der civilisirten Welt.
* Carte du Liban, d'apres les reconnaissances de la brigade topo-
graphique du corps expeditionnaire de Syrie en 1860 — 1861, dressee
au depot de la guerre etant directeur le general Blondel sous le
miuistere de S. E. le marechal comte Randon. 1862.
d
— 261 —
aufgesetzt, die Spalte streicht rechtwinklig auf den Kadischa,
der hör. 7 seinen Lauf hat, sie streicht folglich hör. 1. Vom
Kadischasteg bis auf die erste Höhe bei Blauza lässt sich der
Tuffgang verfolgen über eine Höhendifferenz von 450 m hin.
Der Tuff durchsetzt die Dolomite, die in wilden Formen dem
Kadischathai seinen Hauptreiz verleihen, und weil voll Höhlen
und Löcher, seit ältester Zeit die Anachoreten anzogen. In halber
Höhe zwischen Blauza und dem Thal liegt das alte Heiligthum
der Libanesen, das 379 von Theodosius gestiftete Kloster Kan-
nöbin. Ehe man an die Klosterpforte kommt trifft man die kleine
Felsenkapelle der heiligen Jungfrau neben einer der wunder-
barsten Eichen, die man finden mag. Unter dem rohen in die
Felsen gemeisselten Steinkreuz, das jeder Libanese küsst, der des
Weges geht, drückt sich aus dem Basalttufif der frische Quell,
ohne den niemalen eine Ansiedlung in dem Felsenneste ent-
standen wäre, welches später zum Kloster Kannöbln wurde.
Ohne jegliche Verwerfung der beiderseitigen Dolomitwände
klafft die tufferfüllte Spalte. Wo aber die Dolomitwände auf-
hören und darüber der Sandstein anfängt, hat sich im Liegen-
den des Sandes der basaltische Erguss ausgebreitet, weithin
Schichten bildend, welche ein sedimentäres Gemenge von Sand,
Thon und vulkanischem Gestein sind. Solche Stellen geben Auf-
schluss über die Bildung von Schichten, deren Ursprung in Gegen-
den, denen Basaltitergüsse fehlen, nahezu unverständlich ist. Mitten
in der libanesischen Sandsteinbildung, w^o z. B. bei dem Metäwile-
dorfe Djebä die Mühle steht und unter herrlichen Nussbäumen der
Gebetsplatz der Einwohner ist, steht eine Bank glaukonitischen Kalk-
mergels an , die man in Handstücken von europäischen Grünsand-
stücken nicht unterscheiden kann. Verfolgt man diese Bank nach
INorden und Nordosten, so schwillt sie zu einer Bank Basaltittuffan,
wobei der sedimentäre Charakter der Bank verloren geht. Die Bank
wird zu einem ungeschichteten massigen Stock von Basaltit, dessen
Erguss, wie hier deutlich nachgewiesen werden kann, zur Bil-
dung der Grünsand-Schichten der mittleren Kreide geführt hat.
So bunt nun auch die Landschaft durch die Basaltit-Ergüsse
wird und so abwechselnd die Gegend innerhalb der engeren
— 262 —
Grenzen einer GebirgsschoUe ist, so treten doch keine anderen
Motive bei der Oberflächegestaltung hinzu. In jeder Gegend
des Libanons, in jedem der Thäler, deren Wasser raschesten
Laufs dem Meer zueilen, in jeder Lichtung oder Weitung auf den
Höhen, wie in jeder Bergschlucht wiederholt sich stets das Be-
kannte, d. h.: starre Felsen von Dolomit und Marmor, der Sand-
stein mit seinem Zugehör und vielgeschichtete, bankdurchzogene
Mergel der mittleren Kreidezeit, welche als Turon-Etage bezeich-
net wird. Innerhalb dieser 3 Factoren unterscheiden sich die
einzelnen Gegenden nur dadurch, dass das jüngste zuweilen zu
Unterst liegt und das älteste oben, ein anderesmal ist die regel-
richtige Lagerung erhalten worden, nie aber hält die eine oder
andere Schichte einen bestimmten Horizont über dem Meere ein.
Die Felsen des Ras Beirut, an welchen das Meer brandet und
welche zwischen dem Nähr Beirut und dem Meer die Unterlage
für die Stadt und die Gärten, ebenso wie für die Sandwüste im
Süden der Stadt bilden, gehören dem oberen Horizont der Rudisten-
zone^ an. Normaler Weise sollten sie über dem Sand liegen, trotz-
dem liegen sie hier unter demselben, denn sobald man den Nähr
Beirut überschritten hat und auf das Gebirge lossteuert, fängt
mit der ersten Erhebung der gelbe Sand und Sandstein an.
Man steigt zunächst 220 m hinan bis zu einer Terrasse im
Gebirg, die übrigens aus demselben Sandstein besteht, über dessen
schiefe Ebene man bereits hinangestiegen war. Abermals steigt
man nach kurzer Unterbrechung durch einen Terrassen-Absatz
wieder auf abgerutschtem Sandstein 154 m weiter hinan, wo
ein zweiter Absatz ist, der immer noch Sandstein hat, wie
der erste. 100 m höher gelangt man auf den dritten Absatz,
der durch ein Steinmeer von verstürzten Kalkfelsen bezeichnet
wird. Erst von hier ab gelangt man in die horizontale Lagerung
des Sandsteins, an welchem man weitere 260 m hoch hinan-
steigt, über einen Wechsel von dunkeln Thonen, farbigen Sanden,
* Von den Felsen bei den Gärten am Fusse der Wüste, die am
weitesten gegen Westen ins Meer reichen, sammelte ich denselben
Radiolites radiosus d'Orb., den ich später 1000 m höher bei Kloster
Meifük in grosser Menge traf.
— 263 —
lichten Sandsteinen u. s. w., bis bei 710 m ü. d. M. der reizende
Ort Betmere erreicht ist. Ging es steil hinan bis Betmere , so
geht es noch viel steiler hinab zur Salimaschlucht , einem Auf-
rissthal, in welchem die normale Aufeinanderfolge der Schichten
beobachtet werden kann. 360 m mächtig erscheint hier die
Sandformation, unter ihr die Glandiferen-Zone und die Dolomit-
felsen, in welchen der Fluss tost.
Dasselbe Profil, das der Abstieg gezeigt hat, trifft man beim
Aufstieg nach dem in ziemlich gleichem Niveau mit Betmere
gelegenen Keseibe. Mit Ersteigung dieser Höhe betritt man die
grosse fruchtbare Einsenkung der Provinz Metn, welche fast
durchweg aus Sandformation besteht, aus welcher immer nur
einzelne Klippen feuersteinreicher Kalke und Dolomite in male-
rischen Formen hervorschauen. Sie sind ausnahmslos nur Trümmer,
die bei dem Einsturz des alten Schichtengebäudes sich verloren.
Innerhalb der Sandformation begegnet man ferner einer beträcht-
lichen Anzahl basaltischer Punkte, theils massigen Ergüssen,
theils Verwitterungen der vulkanischen Masse, Thonen und Sand-
mergeln^, bis der nächste Aufstieg zu den festen Muschelbänken
der Cardien und Austern führt. Die Bänke umgeben mit einem
förmlichen Felsenkranz die eingebrochene Landschaft von Metn.
An der Grenze des Sandes und der Felsen entspringt bei 1110 m
ü. d. M. der Nähr el Beirut. Die über der Quelle senkrecht
aufsteigenden Felsen bilden einen Ueberhang von nahezu 100 m.
Mit Mühe ersteigt man die Terrasse und steht auf einer culti-
virten Hochfläche mit mergeligem Untergrund , die Höhe beträgt
1440 m. lieber der Hochfläche erhebt sich erst der die Pro-
vinz beherrschende Keneise (Kirche) um beiläufig 200 m
höher. Aber wie erstaunt man , statt neuer jüngerer Kreide-
gebilde auf einmal wieder im Sandgebirge sich zu befinden , das
man bei 1000 m verlassen hatte und vom Fuss des Keneise bis
zu dessen Gipfel nur eine Wiederholung der bereits über-
schrittenen Schichten. Ebenso wenig begegnet man einem
neuen Formationsglied vom Keneise ostwärts bis in die Bekäa
überall liegen nurdie abgesprengten Schollen der drei uns bereits
bekannten Glieder.
264
Der naclisteheiide Holzschnitt ist ein idealer Gebirgsdurch-
schnitt (auf Grund der neuesten Petermann'schen Karte) von
der Mündung des Nähr Beirut über den Djebel Keneise nach
der Bekäa und dem Djebel Zebedäni im Antilibanos. Dies
bleibt der typische Charakter im ganzen syrischen Lande.
Irgend ein Gebirgsglied liegt im Niveau des Meers oder wie
im el Ghör bis zu 300 m unter dem Meeresniveau, dasselbe
Glied liegt aber auch ebenso 2000 m. über dem Meer und kann
sich zwischen beiden Extremen finden, wo es nur will. Stets
ist ein Niveau vom andern durch Sprünge und Klüfte getrennt,
welche allerdings mit Vorliebe von Nordsüd und Westost das
ganze Gebirge durchschneiden.
Meer.
Salimathal. Metn
Keneise.
Litäni
Dass die ganze Oberflächegestaltung von dieser Zerreissung
des Gebirgsmassivs abhängt, versteht sich von selbst. In den
Aufrissspalten fliessen die Wasser , die von den Niederschlägen
auf den Höhen und namentlich durch den schmelzenden Schnee
gespeist werden. Wie sie das Land durchfeuchten und es zu einem
gesegneten Fruchtland machen, dienen sie zugleich zum Schutz der
libanesischen Bevölkerung, welche von einem äusseren Feind
nichts zu fürchten hat, denn nie ist es einem Feinde möglich,
über die Felsschründe weg oder durch die schauerlichen Schluch-
ten eine Invasion ins Land zu machen. Daher auch die eigen-
thümliche Erscheinung, dass sich das Christenthum seit dem
~ 265 —
5. und 6. Jahrhundert in den Bergen wahrscheinlich ziemlich
unverändert^ erhalten hat, trotzdem dass der Islam ringsum alle
Länder besetzte und in der Christenheit selbst seit jener Zeit
die tiefgreifendsten Wandlungen im Dogma statt gehabt haben.
^ Die 300000 Christen im Libanon sind weitaus zum grösseren Theil
Maroniten (nach dem Einsiedler Maron, der ums Jahr 400 im Libanon
gelehrt haben soll). Ihr Dogma ist ein ausgesprochen monoteletiscbes
während die gleichfalls im Libanon lebenden Jakobiten (nach Jacobus
von Baradai um 540) ausgesprochene Monophysiten sind. Seit dem
5. ökumenischen Koncil wurde in Folge der Besetzung Syriens durch
den Islam der Libanon isolirt und seine geistige Entwicklung durch
Berührung mit dem übrigen Christenthum gehemmt, so dass die Jahr-
hunderte sozusagen spurlos wie an den Felsen des Libanons so auch
an der Religion, den Sitten und Bräuchen seiner Bewohner vorüber-
gingen.
Die einzelnen Schichtenglieder.
Weder an der syrischen Küste zwischen Ghazza und Ta-
räbulüs, noch im eigentlichen syrischen Hochland, noch auch in
Coelesyrien und dem Jordanthale bis zur Akäba, ist meines Wissens
bis jetzt die Spur eines älteren Gebirges als die Kreide beob-
achtet worden. Alle die lichten Kalke, Marmore und Dolomite»
welche frühere Reisende wegen der äussern Aehnlichkeit mit den
Felsen des weissen Jura als jurassisch angesehen und im Abend-
land für jurassisch ausgegeben haben, verwandelten sich bei
genauerer Prüfung in Gebirgsglieder, welche der Kreidefor-
mation angehören.
Man weiss in der That nicht, worüber man mehr sich wun-
dern soll, ob über die Mächtigkeit dieser Formation oder
über deren räumliche Verbreitung. Ist doch von Algier an
im ganzen Land der Moghrebin'^ die weitaus Alles beherrschende
Formation als Neokom, Cenoman, Turon und Senon beschrieben.
Zwischendieser Kreide und dem alten crystallinischen Gebirge steckt
noch ein Fetzen von unterem Lias, ähnlich wie auch der Felsen
von Gibraltar nach Höchste tters Beobachtungen aus liasischem
Kalk mit Terehratula tetraedra und Spirifer tumidus be-
steht. Weiterhin dehnt sich dieselbe Kreideformation über das
ganze tripolitanische Gebiet, wie weit hinein in die Sahara weiss
gar kein Mensch, in die lybische Wüste bis zu Oase Siuha, wo
' L. Hardouin: über d. Geologie der Provinz Constantine, bull
d. 1. soc. geol. d. France, 1868, T. XXV. p. 328.
— 267 —
die Eohlfs'sche Expedition vom Jahr 1874 in der Wüste sowohl
als in den Oasen allenthalben die ewig gleiche Formation antraf.
Die einzelnen Fossile, welche Overweg, Nachtigal,
Eohlfs aus den weiten Länderstrichen zwischen dem 1. und 26.
Längengrad östlich von Greenwich mitgebracht haben, die überaus
reichen Sammlungen, welche Zittel von den Oasen Dachel, Fara-
fre und Siwa, sowie auf dem Wege in der Wüste zusammen-
gebracht hat, zeigen keinen anderen Horizont an , als den der
Kreide. Auch Zittel hat in dem sog. nubischen Sandstein nur
eine Etage dieser Formation erkannt , die beiläufig dem mittel-
europäischen G-rünsand zu vergleichen ist, und wir können die
Anschauung von Dr. Klein ^ nur billigen, wenn er gerade diese
Abtheilung der Kreide als den Hauptfactor der Wüstenbildung
ansieht. Die immer fortschreitende Zersetzung des Kreidesand-
steins durch die Extreme der Wüstentemperatur, die Bewegung
des gelösten Quarzsandes durch die herrschenden West- und Süd-
weststürme haben ganz wesentlich das Vorwärtsrücken der Wüsten-
zone nach Norden und Osten zur Folge.
Wenn im eigentlichen Nilthal die eocäne Formation eine
kurze Unterbrechung bildet und auf eine noch kürzere Entfernung
auf der Landenge von Suez ^ sich Miocän und Pliocän einschiebt,
so fängt mit dem Betreten des syrischen Bodens die Kreide-
formation wieder an und hält als Küstengebirge an bis Taräbulüs.
In Kleinasien tritt ein ausgebildetes Tertiär an die Küste
heran, um aber am Pontus und an der Donau die Kreide wieder
zu Tage treten zu lassen. An der ganzen Nordseite des Bal-
kans herrscht sie nach Höchst et ters belehrender Karte und
folgt nun dem Lauf der Drave, das illyrische Dreieck erfüllend
und die dalmatinischen und albanesischen Berge bildend.
* Die Gesetze der Wüstenbildung von Dr. Hermann J. Klein
Gäa Xin, Heft 11 und 12.
^ Herrn Theodor Fuchs am K. K. Hofmineralien-Cabinet in
Wien bin ich zum besonderen Dank verpflichtet, dass er in einer
Vorlage an die K. Akademie der Wissenschaften vom 1. März 1877 über
die geologische Beschaffenheit der Landenge von Suez meine Beob-
achtungen am Kanal von Schalüf berichtigt hat. Ich sah im Dezem-
— 268 —
So wird die Kreide mit dera darauf liegenden Eocäu
recht eigentlich zum Mittelme er -Gebirge, an welchem alle
ber 1864 das auf pag. 171 in „Aus dem Orient" abgebildete Profil
von Schalüf: Es war gerade am Anfang der Kanal-Aushebungen.
Weder ich noch Einer der Ingenieure hatte damals eine Ahnung
davon, dass die raiocänen, auf Gips aufsitzenden Bänke sich nicht
weiter fortsetzen sollten, sondern, wie Herr Fuchs uns belehrt, nur
einzelne aus höherem Niveau abgesunkene Schollen oder „Tische" sind.
Wohl theilte mir Herr Dr. Reil später (Mai 1866) seine Beobach-
tungen mit, nach welchen die 2,25 m mächtige miocäne Kalkbank nach
oben auskeile, dachte aber so wenig als ich daran, dass das Miocän von
Schalüf nicht an Ort und Stelle mehr liege , sondern als losgetrennte
Scholle auf secundärer Lagerstätte sich befinde. Der beigefügte Holz-
schnitt ist nach einer Zeichnung des H. Dr. Reil gemacht, die er mir
nach der Kanalaushebung im Winter 1865/66 zugestellt hat. In
dieser Weise hatte sich indessen das Profil geändert, das übrigens,
wie mir Jedermann zugeben wird, im Wesentlichen vollständig das-
selbe blieb. T sind dunkle Thone , m ist ein ächter miocäner Sand-
stein, qu ist loser Schutt und Sand. Herr Fuchs hält alles für Schutt
und die Sandsteinbank hergeschoben etwa vom Djebel Geneffe aus, wo
Miocän auch ansteht. Anders kann ich die Berichtigung nicht auffassen,
dabei aber die Bemerkung nicht unterdrücken, dass es sich immerhin
etwas eigenthümlich ausnimmt, wenn H. Fuchs p. 1 schreibt: „Prof.
„Fraas verfiel auch noch in den Irrthum, im Schalüf Miocänschichten
„anzugeben und von dort miocäne Fossilien zu beschreiben, welche
„sicher nicht von dieser Lokalität, sondern höchst wahrscheinlich von
„Djebel Genefi'e herstammen." Denn Herr Fuchs wird mit diesen Wor-
ten nicht etwa sagen wollen, es gebe keine Miocän am Schalüf und
ich hätte die Fossile von Genefi'e mit denen des Schalüf verwechselt,
bestätigt er doch selbst meine Beobachtung des Miocän auf pag. 10,
nur meint er, die Miocänschichten stammen nicht vom Schalüf selbst,
sondern vom Fuss des Geneffe, wo sich allerdings eine miocäne Ab-
lagerung von zahlreichen Austern und Pecten- Arten etc. vorfinde, die
sich jedoch auf den ersten Blick als etwas von den übrigen Terrain-
— 269 —
Küstenländer dieses Binnenmeers sich mit Vorliebe betheiligen.
Alles ältere Gebirge des Jura, der Trias, der Dyas u. s. w.
treten zurück und sind höchstens in einzelnen Streifen und Fetzen
zu beobachten. Wir reden daher auch von dem Jurastreifen
am Hermon nur gelegentlich, ohne diesen Fleck in das syrische
Schichtensystem "einzureihen, in das er wenigstens nach dem
heutigen Stand unsres Wissens auch nicht passte. Unsere Kunde
um diesen Jurastreifen verdanken wir dem Eev. , L. E. Lewis
am protestantischen CoUeg der amerikanischen Mission zu Beirut.
Auf der höchsten Spitze des Hermon, Kasr Antar genannt, sam-
melte Herr Lewis Handstücke mit Bynchonella lacunosa und
bildungen des Isthmus Verschiedenes darstelle. Schliesslich wird aber
Herr Fuchs doch selbst etwas bedenklich und fügt in der Note bei:
„es wäre allerdings möglich, dass im Schalüf unter den jungen Abla-
„gerungen einzelne Klippen von Miocängestein wären angefahren worden,
„oberflächlich ist jedoch nichts von denselben zu sehen.
Worin der Irrthum nun eigentlich besteht, in den mich HerrjF u c h s
verfallen lässt, ist mir heute noch nicht verständlich. Wenn ich an
einer Stelle eine Schichte, deren Streichen und Fallen ich bestimmen
kann, mit eigenen Händen anklopfe und einen Sack voll Fossile, über
deren miocänen Karakter gar kein Zweifel obwalten kann, eigenhändig
sammle und auf dem Rücken meines Esels sicher nach Suez bringe,
so bin ich gewiss berechtigt, von anstehendem Miocän, das nach N
einfalle, zu reden. Ich bin gewiss , dass jeder meiner Fachgenossen
gerade so beobachtet und geurtheilt hätte und habe sogar die Satis-
faction, dass Dr. Laurent in seinem essai geologique sur les terrains
de l'isthme de Suez vom Jahr 1870 mit mir übereinstimmt, also nach
Herrn Fuchs gleich mir in einen Irrthum verfällt.
Bei alle dem danke ich Herrn Fuchs, der 11 Jahre nach mir
den vollendeten Kanalbau sehen durfte, den ich nur in seinem ersten
Werden geschaut habe. Ich glaube Herrn Fuchs auf sein Wort,
dass das Miocän von Schalüf weiter hin sich nicht mehr findet und
acceptire mit Vergnügen seine Beobachtung vom Schollen- oder
Tisch-Charakter dieses Gebirgs, das sozusagen erratisch im Qua-
ternär steckt. Andrerseits wäre es aber wohl besser gewesen , wenn
Herr Fuchs das gleiche Zutrauen, das ich in seine Beobachtungen
setze, auch den meinigen entgegengebracht hätte, statt mir einen
Irrthum vorzuwerfen , über den er selbst schliesslich sagt, „möglicher"
Weise sei es auch kein Irrthum.
— 270 —
versicherte mich, der ich selbst nicht oben war, dieselben dem
anstehenden Gebirge entnommen zu haben. Auf der kahlen
Höhe trifft man einige wohlbehauene Quadersteine aus marmo-
rischem Dolomit, die oben ausgebrochen wurden, der noch vor-
handenen Vertiefung nach zu urtheilen. Diese von einem Steinsatz
umgebene Vertiefung wird als der Eest urältesten Berg-Cultes
angesehen, der auf der Höhe des „Heiligen, Unnahbaren" ge-
trieben wurde.
Am Süd-Fusse des Berges, auf der sehr besuchten Route
von Banias nach Damask liegt 1340 m hoch das von Drusen
und Beduinen bewohnte Dorf Medjdel esch Schems (Sonnenthurm),
in welchem die amerikanische Mission seit Jahren eine Station
gegründet hat, die für die Geologie einer der wichtigsten Orte
werden sollte, denn hier ist der einzige bis jezt^^ bekannte Fleck
syrischer Lande, wo steil aufgerichtet ein Streifen jurassischer
Erde innerhalb der Kreide auftritt.
Medjdel.
Das Dorf selbst liegt, wie unser Holzschnitt zeigt, auf einer
gegen 20 m mächtigen Bank weissen Jura's, die eine ganz
unglaubliche Menge von Bynchonella lacunosa führt. Aus grauem,
leicht verwitterbarem Kalkmergel schälen sich die Muscheln aus
und werden auf Anweisung der Missionare von den Kindern auf-
gelesen und den Durchreisenden angeboten; bereits ist eine Anzahl
dieser Muscheln durch Damaskus-Reisende ins Abendland gekom-
^" Siehe neues Jahrb. f. Mineral., Geol. und Palaeontologie, Jahr-
gang 1877, pag. 17.
— 271 —
men, denn Medjdel ist stets eine willkommene Station auf der
beschwerlichen Route von Saida nach Damaskus.
Die Schichten von Medjdel fallen in hora 2 gegen SO ein:
ausser der Lacunosenbank findet sich tiefer eine grauweisse Thon-
schichte von 1 m Mächtigkeit mit Ammoniten aus der Gruppe
der Canaliculaten. Oppel würde sie Ammonites aroUcus nennen
und semifalcatus. Darunter 1,5 m grauschwarze Thone mit
Ammonites hecticus, convolutus und andere für die Ornatenthone
des obersten braunen Jura bezeichnenden Ammoniten, 10 m grau-
grüne Sand- und Thonmergel mit Eynchonella concinna, Tere-
Iratula perovalis und Fecten subarmatus.
Ohne Zweifel tritt auch sonst noch die eine oder andere
Juraschichte auf, was einer lokalen Detailuntersuchung dieses
so hochinteressanten Punktes vorbehalten bleibt. Es gäbe in der
That keine dankbarere Aufgabe für einen jungen G-eognosten, als
die monographische Behandlung des Hermon mit seinen so wun-
derlich zu Tag tretenden Jurastreifen. Kaum hat mich je
ein geognostischer Anblick mächtiger erregt, als der Anblick der
Lacunosen und Ornaten, die nach Form, Gestalt und Art der
Versteinerung genau so aussehen, als die entsprechenden Fossile
der schwäbischen Heimat. Schulkinder sammeln sie auch hier
wie dort und treten sie gerne gegen ein kleines Bakschisch
dem zuwandernden Fremden ab.
Im Nachstehenden sei das Verzeichniss der häufigsten Jura-
fossile von Medjdel esch Schems gegeben, die nunmehr in der hie-
sigen Sammlung des K. Naturalien-Kabinets liegen. Die weit-
aus grössere Anzahl von Fossilen von theilweisse ganz ausge-
zeichneter Schönheit besitzt das protest. syrian College zu Beirut,
das unter der umsichtigen Leitung des Rev. Lewis steht
1. Dem weissen Jura gehören an:
Ammonites planulatus gigas Quenst. Jura p. 592, von
schwäbischen Exemplaren nicht zu unterscheiden.
Ammonites plicatilis Sow. 166, genau wie die schwäbischen
Exemplaren vom hohen Randen.
Ammonites AroUcus Opp. 51, 1, nicht die ganze flache Form,
— 272 —
die Zieten 10, 6 als complanatus abbildet, sondern die Form
mit den flachen Sicheln. Der Kiel ist deutlich dreikantig.
Ammonites transversarius Quenst. Ceph. 15, 12, diese un-
verkennbare Art, nach welcher Mösch einen eigenen Horizont
des Aargauer Jura's benannt hat, ist am Hermon ebenso selten
als in Schwaben. Ein ganz ausgezeichnetes Exemplar ist in der
Beiruter Sammlung.
Hynchonella lacunosa v. Buch ist, wie schon bemerkt, die
weitaus verbreitetste Muschel vom Medjdel und vom Hermon.
Die silberglänzende Schale, die „armatura argentea", wie sie
Lang in seiner historia lapidum nennt, der mattglänzende Stein-
kern unter der abgesprengten Schale geben der Muschel aus den
schwäbischen Bergen wie aus dem fernen Osten genau denselben
Habitus. Und doch hat die Hermonform in ihrer constanten
Grösse und Gestalt etwas Eigenthümliches, dass man sie aus den
schwäbischen Stücken wieder herausfindet, wenn man die Stücke
beider Lokalitäten zusammengelegt hatte. Namentlich überrascht
die Thatsache, dass bei all der Häufigkeit, in welcher die Muschel
sich findet, keine Spielarten sich zeigen, sondern immer nur
Ein und dieselbe Form. Wenn wir in Schwaben an der Lochen,
der Neidlinger Staige, bei Eybach oder sonst einem klassischen
Weiss-Jurapunkt Lacunosen sammeln, so tragen wir von Einem Ort
gleich auch eine Anzahl Varietäten davon, bald flache oder hohe
Formen, bald vielgestreifte, bald selten gestreifte und Exemplare
von verschiedener Grösse. So viel man nun aber auch Exemplare
vom Hermon durch die Hände laufen lässt, immer ist es nur
die Eine Form, die in den schwäbischen Bergen nichts weniger
als häufig ist. 4—8 Streifen auf dem Sinus und auf dem Wulst
machen die Muschel zu einer y,muUistriata.^ Dabei ist sie dick
und kugelig, es biegt sich der Stirnwulst gegen die Bauchseite
ab und erinnert dadurch an ^ decorat a"-. In Schwaben findet
sich die Form am Fuss des Böllart, bei Thieringen und Ober-
digisheim und im Aargau, woher sie Mösch als Hynchonella
Arolica beschrieben hat. Man kann der Form zur näheren Be-
zeichnung ihrer Charakter-Eigenthümlichkeit den Namen Lacunosa
Hermonis geben. Dieser Name würde auch bei den schwäbischen
— 273 —
Exemplaren gleicher Gestalt stets an die merkwürdige Tliatsaclie
erinnern, dass die Fossile des alten heiligen Berges mit denen
der schwäbischen Höhen übereinstimmen.
Terebratula bisuffarcinata Zieten. Wie diese Muschel im
ganzen deutschen Jura die getreue Begleiterin des lacunosa ist,
so auch am Hermen. Sie findet sich hier, nicht etwa nur in
einer Form wie die lacunosa, sondern wie auch in Schwaben
bald lang, bald kurz, bald schmal, bald breit, bald treten die
Falten auseinander, bald zusammen, wodurch die mannigfaltigsten
Combinationen entstehen. Will man diesen Formen besondere
Namen geben, so kann das gescjiehen, man hat dann Terebratula
GälUenei d'Orb., Maltonensis Opp., Delmontana Opp., Birmens-
dorfensis Escher, Stochari Mösch, jeder Name gilt dann einer
besonderen Form, denen allen der Typus der bisuffarcinata zu
Grunde liegt.
2. Aus den Ornatenthonen des braunen Jura's stammen, alle
glänzend verkiest, im grauschwarzen Thone liegend:
Ammonites hecticus compressus Quenst. Ceph. 8,3, von
deutschen Exemplaren nicht zu unterscheiden.
Ammonites hecticus lunula Quenst. Ceph. 8,2. Die Furche
die Rippen und Knoten der Schale sind vielfach verwischt, Exem-
plare mit ausgesprochener Zeichnung immerhin selten.
Ammonites auritulus Opp. 49,1, immer klein, wie auch in
Schwaben mit dem charakteristischen Ohr, was ihn von der Brut
der ammonites hecticus unterscheidet.
Ammonites flexuosus inflatus Quenst. Ceph. 9,7, von Oppel
suevicus genannt.
Ammonites heterophyllus ornati Quenst. Ceph. 6,2, wohl
identisch mit tatricus Pusch.
Ammonites dentatus Eein 4,43, von Oppel Benggeri genannt
und audax, je nach der Schmalheit der Windungen und Zahl
und Grösse der ßückenzähne. Namentlich schön erhalten ist die
Kaputze und das Ohr, schöner als wir es von Schwaben kennen.
Der letzte rundliche Rückenzahn sitzt auf der Kaputze, ehe sie
sich nach unten schlägt.
Ammonites convolutus Schloth» Die in Cephalopoden 13,1
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 18
— 274 —
von Quenstedt abgebildete Form gewöbulicli. Die von Oppel
(Mittb. 49,4) sulciferus genannte Varietät ist gleicbfalls vor-
banden, dessgleicben die Formen, die als parahoUs und interrupüis
gelten und nacb Ammonites anceps und coronatus scbieleu.
Ammonites Backeriae v. Bucb ist bekanntlicb im eigent-
licben Scbwaben ein etwas seltener Gast, um so zablreicher im
Basler Jura und im Depart. Mt. Jura. Am Hermon ganz ge-
wöbnlicb.
Ammonites athleta Phil. Die von Quenst. Jura 71,1 — 3
abgebildete Form von Lautlingen stimmt ganz überein.
Ammonites perarmatus Sow. schwillt zu gewaltigen Exem-
plaren an, wie an den Vaches noires der normannischen Küste.
Ammonites flexicostatus Phil. 6,20, eine in Schwaben seltene
Form, die zwischen Lamherti und hecticus steht. Am Hermon
gewöhnlich.
Ammonites tortisulcatus d'Orb. Jura 71,19, in Schwaben
selten, in Medjdel häufig.
Ammonites caprinus Schi. Quenst. Jura 71,5, nicht gerade
gemein.
Ammonites Arduennensis pl. 185, fällt ohne Zweifel mit
caprinus zusammen.
Auffallend bleibt, dass bei der grossen Uebereinstimmung
deutscher und asiatischer Arten die im deutschen braunen Jura
so gewöhnlichen Amm. ornatus und die für französischen Jura
ganz besonders bezeichnenden Amm. Lamherti fehlen. Ob sie
wirklich fehlen oder noch nicht gefunden wurden, wird die Zu-
kunft lehren.
Belemnites semihastatus BlvlJe. Obgleich nur Bruchstücke,
da sich die Beduinenkinder auf das Graben der vollständigen Be-
lemniten noch nicht verstehen, erkennt man doch die beiden auch
in Schwaben vertretenen Formen des compressus und rotundus
neben den tief gefurchten canäliculatus. Besondere Aufmerksam-
keit der Beduinenjugend erregen die glänzend verkiesten Alveolar-
stücke.
Nucula variahilis Sow. 475,2. Die bekannten 3 Formen,
der mandelförmigen Muschel mit dem Wirbel in der Mitte, dem
— 275 —
excentrischen Wirbel und der geschwänzten Schale kehren auch
hier wieder.
Nucula ornati Quenst. Jura 72,32 oder caecüia d'Orb.
Nucula lacrymae Sow. 476,4.
Area sublaevigata Morris, prodr. 10,365.
Area suhtetragona Morris, vielleicht identisch mit der voran-
gehenden Form.
Astarte undata Quenst. Jura 72,26, liegt in Schwaben in
den Irapressathonen.
Pleurotomaria ornata Sow. Quenst. Jura 72.
Pentaerinus suhteres Gf. Jura 72,34, sowohl die runde, als
die 5kantige Form vertreten.
MiUericrimis Stile, stellen sich in die Nähe des M. echinatus
3. Aelterem braunen Jura zuzuweisen sind Fossile wie
Pecten subarmatus Gf. 90,8, das Vorkommen ist in einem
gelben Kalk und ähnelt dem Vorkommen im Schweizer Jura und
dem Breisgau.
Terehratula perovalis Quenst. Jura 50,36, eine Form, die
Suess dorsopUcata nennt, E. Deslongchamp aber Perrieri und
SämannL In Medjdel sehr gewöhnlich; der Farbe nach stammt
sie aus den Thonen.
Bynclionella Steinheisii Quenst Jura 66,27, möglicher Weise
auch B. Thurmamii J. Marcou, je nachdem sie aus einem tieferen
oder höheren Horizonte stammt.
Bynclionella Fischeri Eichwald, eine der B. varians sehr
ähnliche Muschel aus dem russischen braunen Jura.
Bynchonella coneinna v. Buch entstammt höchst wahr-
scheinlich, nach dem anklebenden Gestein zu urtheilen, einem
tieferen Horizont, aus einer blauen Kalkbank.
Ich beschränke mich darauf, hiermit das einfache Verzeich-
niss der Medjdel-Fossile zu geben. W^elch reiches Feld ver-
gleichender Forschung sich am Hermon eröffnet, brauche ich wohl
kaum zu sagen. Neue unbekannte Juraspecies werden allerdings
wohl kaum am Hermon zu erwarten sein, wenn die seitherigen
Funde so merkwürdig mit den bekannten europäischen Funden
tibereinstimmen. Doch lässt sich die Frage aufwerfen, ob nicht
18*
— 276 —
ein grösseres Interesse darin liegt, in so entlegenen Gegenden,
wie das Hermongebiet ist, lauter gute alte Bekannte aus dem
Scliwabenland zu finden, als wenn uns dieser Ort mit einem
Heer neuer noch nicht beschriebener und benannter Fossile die
ohnehin schon überreiche Zahl der Juraarten vergrösserte. Rev.
Lewis hat mir versprochen, sobald Zeit und Kräfte es ihm er-
lauben, eine Hermonexpedition zu veranstalten und das noch so
dunkle Gebiet des Anschlusses zu untersuchen, in welchem die
Kreideberge auf der Westseite des Hermon zu dem Jurastreifen
auf der Südostseite sich verhalten. Spielte vielleicht der Basaltit-
ausbruch, der östlich von Medjdel auftritt, bei der merkwürdigen
Schichtenverschiebung eine Rolle? Und doch ist Solches kaum
wahrscheinlich, da derselbe nicht nur im ganzen Libanon, sondern
überall, wo auch sonst Basalt auftritt, sich als ein höchst
unschuldiger und geologisch harmloser Faktor bei der Gebirgs-
bildung herausstellt.
Die Gliederung der syrischen Kreideformatiou.
Es wäre sehr einfach, die syrische Kreide zu gliedern, wenn
der geologische Satz in Syrien feststünde, dass das oberste Ge-
birge das jüngste, das unterste aber das älteste sei. Wir haben
aber aus dem Vorangehenden schon uns überzeugt, dass in
Syrien, als dem Durchgangspunkt einer planetaren Spalte, eine
gründliche Verschiebung aller Niveaus stattgefunden hat, so dass
wir einen bestimmten geologischen Horizont, wie z. B. die ceno-
manen Sandsteine, ebenso gut bei 2000 m über dem Meer als
im Niveau des Meers oder bei 300 m unter dem Meeresspiegel
im el Ghör antreffen mögen. Somit fehlt uns in Syrien der
anderswo so wichtige Faktor zur Bestimmung des Schichtenalters,
die Aufeinanderfolge der Schichten. Das eine Mal stehen sie
auf dem Kopf, das andere Mal sind sie überkippt, so dass man
rathlos vor einer derartigen Schichtenwaud steht, unschlüssig, was
als das Aeltere und was als das Jüngere anzusehen sei. Es bleibt
daher kein anderes Mittel, als die einzelnen Komplexe für sich
zu betrachten und eine Gegend stets nur aus sich selbst zu
— ■ 277 —
erklären. Diess soll auch in dem Nachfolgenden geschehen und
wurden hiebe! auf palaeontologischer Basis neun Horizonte gemacht.
Selbstverständlich tritt das Bedürfniss an uns, diese Horizonte
in das allgemeine geologische System einzureihen und entsteht
die Frage, welchen europäischen Horizonten die syrischen ent-
sprechen. Legen wir die allgemein gültige Eintheilung zu Grund
in 1. Neokom, 2. Gault (aptien und albien d'Orb.), 3. Cenoman-
bildung, 4. Turonbildung, 5. Senonbildung (senonien und danien
d'Orb.), so handelt es sich in erster Linie darum, ob die beiden
Glieder der unteren Kreide: Neokom und Gault in Syrien ver-
treten sind. Es könnten die Vertreter nur die ältesten, beziehungs-
weise untersten Lager der syrischen Kreide s^n, die im Liegen-
den der grossen Sandsteinformation sich befinden. Sie bestehen
aus der mächtigen Gruppe kieseliger Dolomite mit dem oberen
Schlussglied der Glaudarienoolithe. Der beste Kenner syrischer
Schichten, mein verehrter Freund L. Lartet, hat noch 3 872
den Cidarites glandiferus als jurassisches Fossil angesehen. Die
Fundorte für dieses bekannteste aller syrischen Fossile waren
ihm unbekannt, sonst hätte er nicht mehr daran gedacht, die alte
Russegger'sche Anschauung von der Verbreitung des Jura's in
Syrien, ob auch nur noch in der Glandarienzone, festhalten zu wollen.
Die Glandarienzone liegt hart unter dem Sandgebirge, das
zum Mindesten dem Gault (oder unterem Grünsand) entspräche.
In dissem Falle würde sie in das obere Neokom zu stellen sein.
Nun sind aber die Sandbildungen mit weit mehr Recht eine Etage
höher zu rücken, in den oberen Grünsand, wie er auch um le Maus,
als dem typischen Lande der Cenomanbildung, zu treffen ist. Für
Neokom spräche auch nicht Ein Fossil, namentlich vermisst man
die im Süden Frankreichs so weit verbreitete Leitmuschel der
Caprotinen. Man thut daher wohl am besten, die syrische Sand-
formation neben „upper greensand" zu stellen und der Cenoman-
bildung zuzuweisen, wie solches mit der englischen und fran-
zösischen Kreide der Fall ist. Es wird daher wohl das Richtigste
sein, von keiner älteren Kreide in Syrien zu sprechen als von
cenomaner Kreide und die Dolomite und Oolithe mit sammt der
grossen Sandsteinformation in diesen Horizont zu verweisen.
— 278 —
Mit dem dritten Horizont, den Gasteropodenmergeln von
Abeih und den Cardiumbänken, fängt sofort die Turongruppe an,
über deren Identität es keinen Zweifel geben kann. Dagegen
steht man wieder ratblos vor der Grenze zur Senongruppe. Kein
Belemnites mucronatus , kein Ananchytes, nichts von den seno-
nischen Leitfossilen Central- Europa's, dazu ein Einerlei lichter
Bänke, aus denen, wenn es gut geht, Nerineen und Radioliten
auswittern, in denen aber auch unversehens Nummuliten sich ein-
stellen. Die Dordogne bietet wohl die meisten Anhaltspunkte
zur Vergleichung, denn auch hier spielen die grossen ßadioliten
eine Hauptrolle bei der Bildung der Felsen und bieten Anlass,
sogar 9 Gruppen von Horizonten zu unterscheiden, wie das Co-
quand in der Charante und Dordogne für gut befunden hat.
Bietet hienach schon der Anfang der Senongruppe Schwierig-
keit, so noch vielmehr deren Ende. Denn urplötzlich und ohne
Vermittlung stehen wir im Suessonien, ohne im Stande zu sein
zu entscheiden, ob wir im Kreidegebirge stehen oder im Eocän,
Man bleibt daher in erster Linie darauf angewiesen, die syrischen
Schichten zunächst nur unter sich zu vergleichen und aus sich
selbst zu erklären. Späteren Forschern wird dann die Aufgabe
zufallen, den weiteren Verlauf der syrischen Horizonte im Süden
und Südosten Europa's zu verfolgen.
Cenoman-Bildungen.
1. Die Glandarien-Zone.
Der Name der Glandarienzone für die älteste Schichtenzone
im Libanon nach dem leitenden Fossil des Cidarites glandarius
rechtfertigt sich ebenso durch die Menge des Vorkommens der
„radioli glaudarii" (Lang, bist. lap. 1708) als durch den alten
Ruhm, den sich diese Steine als uralter Gruss des Morgenlandes
an das Abendland seit Jahrhunderten erworben haben. So tausend-
fältig die „lapides judaici" nach dem Abendland kamen, um hier
in den Apotheken schon des XIII. Jahrhunderts eine Rolle zu
spielen, so unbekannt blieb bis in die neueste Zeit der eigent-
— 279 —
liehe Fundort. Eben daher kommt es auch, dass selbst Lartet
noch 1872 vom Cidarites glandiferus als einem jurassischen Echi-
niden spricht. Ich fand die ersten Glandarien im Geschieb des
Nähr Beirut, wo sich der Salima und Hammäna, beide vom hohen
Keneise herkommend, vereinigen. Wir folgen dem Salimathal,
einer Felsenschlucht, die in lichte Marmore 400 m tief eingerissen
ist. Bald auch lassen sich die Durchschnitte der Glandarien
an den Felswänden erkennen und einzelne auswitternde Exem-
plare abschlagen, aber erst wo der Bach Hamäde in die Salima
mündet, gelangen wir über den Dolomiten und Marmorfelsen zu
oolithichen Schichten mit thonigen Zwischenbänken, aus welchen
nicht nur die Glandarien auswittern, sondern eine reiche Menge
anderer Fossile zu Tage tritt, welche über die geologische
Stellung des Horizontes in der mittleren Kreide keinen Zweifel
lassen.
Die Salimabrücke, über welche der Weg von Betmere nach
Meten führt, liegt 275 m ü. d. M. Sie steht mitten in lichten
Marmoren, an deren Wänden die Glandarien auswittern. Bei
490 m ü. d. M. liegt Ain Hamäde. Wir haben somit zum
Mindesten 200 m Mächtigkeit für die Marmore, die nach oben
mit einigen Meter mächtigen Oolithbänken abschliessen. Der
Oolith ist gelb im frischen Bruch , an den Verwitterungsflächen
braun und gleicht in seinem Gefüge gewissen feinkörnigen Schich-
ten des Gross-Ooliths in Europa. Die Oolithkörner von der Grösse
eines halben Millimeters und darunter sind concentrisch schalig
und setzen vollständig das Gestein zusammen, ohne eines weiteren
Bindemittels zu bedürfen. Nach oben werden die Oolithe thonig,
wo die günstigsten Plätze zum Sammeln der auswitternden Fossile
sich befinden.
Sehr häufig findet sich Sparsispongia varians Fromeutel.
Der genannte Schwamm stammt zwar aus dem Neokom von
Champtonay und Germigney in Frankreich, doch hat ihn Geinitz^*
im sächsischen Pläner verzeichnet und hält die Plänerart für
'^ Das Eibthalgebirge in Sachsen von Dr. Hans Bruno Gei
üitz in Palaeontoffr. 1871.
— 280 —
identisch mit jener (Taf. 4, Fig. 2). Es sind kugelige Gebilde
von 5 — 6 mm Durclimesser, im Inneren hohl. Das gleichartige
Gewebe besteht aus einer im Querschnitt faserigen Masse, die
auf der Oberfläche gedrängt stehende Poren zeigt. Weiter zeigt
die Oberfläche eine Eeihe Eindrücke, wie sie etwa an zusammen-
schrumpfenden Früchten bemerklich werden, ebenso beobachtet
man fast an jedem Stück die Sprossung von Spitzen und Warzen
aus dem Gewebe heraus.
Epitheles rohusta Geinitz Taf. 8, Fig. 1 eine Art aus dem
Pläner von Plauen, welche mit der zu Ain Hamäde sich finden-
den übereinstimmt. Der Schwamm hat eine breite Basis, aus
welcher sich einzelne stumpfe , halb conische, halb walzenförmige
Stämme gruppenweise erheben. Das in einander verlaufende
Fasergewebe umschliesst vielgestaltige grössere und kleinere Po-
ren, bald rundlich, bald wurmförmig. Die Stärke der Schwamm -
Wandung beträgt nur 2 — 3 mm , was sowohl an der Spitze der
einzelnen Glieder als wie an der Basis des Wurzelstocks beobachtet
werden kann.
Elasynostoma consohrinum d'Orb. Geinitz Taf. 6 , Fig. 8.
Halbkugelige, napfförmige, dünnwandige Schwämme, der Rand ist
nicht gelappt wie bei der vorigen Art, nur etwas verbogen.
Einzelne grössere Poren treten wohl aus einem sehr dünn-
maschigen Gewebe, das dem blossen Auge fast glatt erscheint,
hervor.
Siphonia pyriformis Gf. Geinitz Taf. 9, 1—14. Längliche,
feigenförmige Knollen mit grobem Gewebe, das sich wurmförmig
verfasert. Eine eigentliche centrale Höhlung fehlt jedoch, wess-
halb man statt an Siphonia auch an Epitheles denken kann;
dagegen vertheilt sich das Gewebe zu einer Anzahl verschiedener
Centren, die flache Höhlungen in die Spitze und an die Seiten-
wände der Knollen eindrücken. Eine solche Beschaffenheit zeigt
die Oberfläche von Epitheles nie. Eher noch läge der Gedanke
an Amorphospongia vola Michelin nahe (Icon. Taf. 7 , Fig. 2).
In Anbetracht der fast regelmässigen Birn- oder Feigengestalt
des Schwammes ziehen wir den Namen Siphonia vor.
— 281 —
Unter den zahlreichen Korallen nennen wir zuerst Dimor-
phastraea Echvardsi Bölsche (Korallen des norddeutschen Jura und
Kreidegebirges Berlin 1867, Taf. 3, Fig. 8, pag. 43). Es stimmt
zwar das Vorkommen der deutschen Art im Hilsconglomerat von
Berklingen nicht recht, aber in so nahe liegenden Schichtenhorizonten
wie der Glandarien-Oolith und der Hils gehen selbstverständlich
auch Fossile über. Es ist ein rasch sich erbreiternder Korallen-
stock, die Aussenseite der Höhe nach zart gestreift. Die Septa
liegen V^ oam auseinander. Eine Anzahl kleinerer Kelche, nicht
gerade 9 wie am Bölsche'schen Exemplar, sitzen um einen Haupt-
kelch herum. Die Septa der einen Kelchgrube sind der andern
gegenüber abgegrenzt, fliessen nicht über bei JDimorphastraea,
wesshalb man auch an Latomaeandra d'Orb. denken kann. Wie
weit dies übrigens auf Rechnung der Abreibung zu setzen ist,
kann ich nicht recht beurtheilen. Die von Bölsche citirten
Bimorphastraea excelsa und grandiflora aus französischem Neokom
konnte ich nicht vergleichen.
Ästrocoenia decaphylla Michelin, Reuss^^ Taf. 8, 4 — 6 ist
eine ganz reizende Sternkoralle , vorausgesetzt , dass man gute
und frische Exemplare unter die Hände bekommt. Unter
20 Stücken sind freilich 15 so abgerieben , dass die Struktur der
Zellen nicht mehr sichtbar ist. Der Korallenstock bildet unregel-
mässige kleine Korallen, wie Trüffeln, von 2 — 3 cm Durchmesser.
Die Sternöfifnungeu mit ihren 10 zierlichen Zellen sind dicht-
gedrängt. Die Zwischenwand zwischen den Zellen erscheint glatt
oder ist jedenfalls ganz fein gekörnt. Diese Art aus der Gosau,
welche Reuss beschreibt, stimmt genau mit den zahlreichen
Funden von Ain Hamäde.
Placocoenia Orhignyana Reuss IX, 1 und 2, bildet einen
3 cm hohen walzenförmigen Korallenstock über und über mit
Sternen besät. In jedem Stern sind 24 Stern-Lamellen, darun-
ter 6 primäre. Die Lamellen fliessen in einander über und sind
*"^ Reuss A. E. Beiträge zur Charakteristik der Kreide schichten in
den Ostalpen. Denkschriften d. K. Ac. d. W. Wien 1854.
— 282 —
somit die einzelnen Sternfelder nicht von einander getrennt. Auch
diese Art stimmt mit der Gosau.
Stephanocoenia formosa Milne Edw. und Haime, Reuss YIII,
7 — 9 bildet einen gestilten, kugeligen Stock, der unregelmässig
mit grösseren und kleineren Sternfeldern besetzt ist, die sich
mittelst eines erhöhten Randes über die sonst glatte , ob auch
fein gekörnte Oberfläche erheben. Der Durchmesser der Kugel
überschreitet 2 cm nicht. Auch diese Art ist eine Gosau-Art.
Sarcinula Sdlimae Fraas Taf. IV, Fig. 6. Aus der oberen
Kreide von Nebi Samwil habe ich schon im I. Theil aus dem
Orient pag. 84 Sarcinula auleticon angeführt. S. Salimae, nach
dem Salimathal so genannt, in welchem sie gar nicht selten sich
findet, ist ein Korallenstock, der aus dicht gedrängten Zellen-
büscheln besteht, der Durchmesser jeder Zelle ist nur '/2 mm.
An der Oberfläche ordnen sich die Bündel reihenweise und
bilden die Reihen einen grossen rundlichen Stern. Die Länge
der einzelnen Zellenbüschel und ebendamit die Dicke des Stocks
beträgt 2 — 3 cm.
Sarcinula microstila Fraas. Auch diese zweite Art der
Büschelkoralle Sarcinula ist neu, viel seltener noch als Salimae
und nur einmal aufgefunden. Die einzelnen Zellen messen
nur 0,25 mm, stehen aber ebenso dichtgedrängt, wie bei der
vorigen Art. Auf der Oberfläche des höchstens 5 mm dicken
rindeartigen Korallen- Stocks stehen die Poren nicht reihen-
weise wie bei Salimae^ sondern dicht gedrängt wie auf der
Aussenfläche eines Aptychus latus v. M. Doch versenken sich
einzelne sternförmige Gruben auf der Oberfläche.
Äpiocrinus cretaceus Fraas. Ueber ein Dutzend Stilglieder,
darunter auch ein Basalstilglied wurden in Ain Hamäde gesam-
melt. Rev. Lewis in Beirut besitzt sie von Ailäth von der
Grenze des Grünsands. Die Stilglieder sind allerdings den juras-
sischen zum Verwechseln ähnlich, die wir im oberen Jura zu
Tausenden finden und bald zu Äpiocr. rosaceus, bald zu mespili-
formis oder Milleri gehören. Ich bin fest überzeugt, dass man bei
längerem Sammeln auch die Kronen dieses Thiers noch finden wird,
aus welchen erst der massgebende Name geschöpft werden kann.
— 283 —
Cidarifes glandarius Lang 1708. So viele tausend und
abertausend „ Judensteiue" schon in das Abendland auch wan-
derten, so wenig wusste man bis jetzt genau, wo sie herstam-
men, ja nicht einmal der Körper des Seeigels, dem sie angehören,
war bekannt. Diese Lücken unseres Wissens sind jetzt ausge-
gefüllt und reden wir zunächst von dem
Körper (Taf. III, Fig. 1). Sein Durchmesser beträgt
45 mm, seine Höhe 30 mm. In einer Eeihe liegen 5 Asseln-
paare, deren letzte rechte Assel stets verkümmert, da sie zwischen
der grossen lezten linken Assel keinen Platz mehr hat. In der
Mitte jeder Assel ist ein dickes rundes Köpfchen deutlich durch-
bohrt. Das Köpfchen sizt auf einem glatten Hals und in glatter
Area, die von einfachen gleichgrossen Wärzchen besetzt ist.
Neben dem Körper, der halb aus dem Oolith ausgewittert ist,
stecken die „radioli" im Gestein, so dass an der Zusammen-
gehörigkeit von Körper und Stacheln nicht zu zweifeln ist. Der
im Band XVI des Quarterly Journal (1862) auf Taf. XT, Fig. 3
und 4 abgebildete Cid. Dixoni Whrigt steht unserem glandarius
am nächsten.
Die Stäche In, die in beliebiger Menge sich sammeln
lassen, sind nach ihren wichtigsten Formen Taf. III, 2 — 9 wieder-
gegeben. Es sind durchweg frische Exemplare, die durch gegen-
seitige Abreibung noch nicht gelitten haben, wie die meisten
Exemplare der alten Sammlungen oder die Stücke, welche in den
Taschen der Beduinen sich abscheuern, bis sie in den Magazinen
von Beirut erst noch keine Ruhe finden. Denn die Judeneichel
oder die steinerne Olive wird so gut als die Jerichorose oder
das Oelbaumholz von jedem Pilger als Andenken an das heilige
Land mit nach Hause genommen.
Im frischen Zustand sind alle die feinen Streifen, welche,
wie Fig. 2 zeigt, nicht selten in einander übergehen, fein punk-
tirt. Nicht alle Streifen aber, die vom Stil ausgehen, erreichen
auch die Spitze, unterwegs lauft ein Streifen zu einem zweiten
über oder theilt sich auch wieder ein Streifen in zwei.
Am ängstlichsten hat Lang (historia lapidum p. 127) un-
— 284 -
terschieden. Er hatte sicher eine grosse Anzahl Stücke vor
Augen, gewaschene und ungewaschene, abgescheuerte und frische
Exemplare. Denn er spricht von 1. JRadiolus glandarius sub-
flavescens major tenuissime striatus cum pediculo rugoso (aus den
gelben Thonen). 2. Raäiohis glandarius suh flavescens mediocris
tenuissime striatus sine pediculo (abgeriebenes Stück aus den
gelben Thonen). 3. Badiolus glandarius subcinereus major
partim tenuissime striatus partim punctulatus cum et sine pe-
diculo (frische und abgeriebene Stücke aus den lichten Kalken).
4. JRadiolus suhflavescens mediocris ventricosus venire pimctulato
et striata, apice vero punctulato tantum ac inter ventrem et
apicem tenuissime striatus, pedicido crassiore rupto (ähnlich wie
Fig. 4 und 9 aus den gelben Thonen). Lang ist noch zweifel-
haft, ob der Badiolus eine Frucht darstellt oder den Stachel
eines Echiniden. Er sagt ferner, je nach seiner verschiedenen
Gestalt habe der Stein verschiedene Namen, si enim glandi aut
halano similis Bdlanites et Phenicites dicitur, si olivae Pyrene,
(nvQ7]v ein Edelsteinname bei Plinius wohl für Olivin), a Gällis
vocatur „olives de pierres" a Germanis „Judenstein". Auch die
medizinische Wirkung des Steins wird noch angegeben, denn
Plinius nennt ihn nach dieser Eicrho'es , qiiod urinam pellat et
TecoUthus (rriyco auflösen) quod calculum resolvat.
Die Gelehrten des XVI. Jahrhunderts wie Conrad Gesner
(de omni Rerum Fossilium genere Tiguri 1565), Boetius von
Boodt berufen sich auf Aetius, den griechischen Arzt, der, im
3. oder 4. Jahrhundert nach Christus lebend, 1542 wieder auf-
gelegt wird (Aetii medici graeci tetrabiblos, Basileae 1542). Ihre
Angaben bleiben sich alle im Wesentlichen gleich, dass eine
Verwechslung nicht denkbar ist. Nach ihnen heisst der Stein,
der bald einer Olive, bald einer Dattel verglichen wird, lapis
judaicus, lapis si/riacus, PJioenicites u. s. w. Die dicken, runden
(etwa Fig. 7, 8, 9) sind weiblichen Geschlechts und besonders
gut gegen den Blasenstein, die grösseren (etwa Fig. 2 — 5) sind
masculi, unter diesen gibt es einige längere, klein Finger dicke,
diese vertreiben den Nierenstein. Hiemit ist der Boden der
Naturanschauung schon ganz verlassen und beginnt der der
— 285 —
Mystik, welche den Stein von Alters her gross gemacht hat,
berühmter ^^ als alle andere Steine der Welt.
Ganz dasselbe sagt Dioscorides, der hochgelehrte Arzt
von Tarsus, Altersgenosse des Plinius ^^.
Beide griechischen Aerzte aber beziehen sich auf Nechep -
SOS, den ägyptischen König der XXVI. Dynastie, der im Jahr 680
als zweiter Vorgänger des Königs Psametich der Verfasser astro-
logischer Bücher und ärztlicher Schriften war. — Gibt es wohl
einen zweiten Stein auf Erden, der nachweislich ein gleich hohes
Alter hat, als die Glandarien des Libanons?
Wir haben nur noch beizufügen, dass F. 11 einen fast ganz ge-
glätteten Stachel wiedergibt, den Quenste dt^^ daviphoenix nennt
und Taf. 68, 46 — 48 abbildet. Er macht auf den wohlerhaltenen
Gelenkkopf aufmerksam mit kurzem, abgesetztem Hals und Kerben
am Gelenkrand. Eine Reihe von Stücken liegen vor mir, die von der
absoluten Glätte des Stachels (Fig. 1 1) bis zur stärksten Warzen-
besetzung (z. B. Fig. 4) Uebergänge bilden und zwar in der
Art, dass einzelne Stücke an der Basis glatt sind, an der Spitze
gerieft, oder auf einer Seite glätter als auf der andern. Da
diese Stücke aber ebenfalls frisch gesammelte, dem Gebirge un-
mittelbar entnommene Stücke sind, so fällt die Abreibung und
Glättung in die Zeit vor der Versteinerung, da die, gelösten
Stacheln auf dem Seegrund umhergetrieben wurden. Wer je
^•^ Salve pelagiis Arabiae
Cladum medelam proferens
Insigniter, Tecolitum.
Item oleo myrteo dilutus
Podagricis commode illinitur.
Est enim Tecolithiis, quem et Syriacum vel Judaicum vocant, lapis
fortis facultatis in Syria Palaestinae nascens colore albus figura con-
cinnus lineas habens velut a torno ensculptas. Confringit calculos in
renibus natos. Verum et in vesicae lapidibus nil eximii praestat.
^* nepi iovöaiKov "XiSov. 6 6e iovöaiKOf \i3os yevvdtai f-iev
kv rff lov^aia r(ä5 öxVj^iciTi ßa\avon^i)f^ \evK6{, ci5pf5//ö; ^X^^'
Kai ypajiif.ias napaWijXovf, oos dno töpvov dvie/tievos, 6 edtiv cltzoioS
€v rff yevdei u. s. w.
^^ Quenstedt, die Ecbiniden 1875 pag. 188.
— 286 —
einmal ein Meer beobachtet hat, an dessen Ufer Cidariten leben,
kennt die grosse Menge von Stacheln, welche die Meereswelle
bewegt und kann deutlich beobachten, wie sich die Stücke gegen-
seitig sowohl als an den Steinen des Ufers abscheuern.
Nebenden glatten Stacheln hat Quenstedt Taf. 68, Fig.
49 und 50 einen clavimorus genannt, wegen der Aehnlichkeit der
Stacheln mit einer Maulbeere, ähnliche beschreibt Cotteau als
gibherula aus den Cenomanien von Cassis. Ich bilde in Fig. 12
und 13 zwei ganz frische Exemplare ab, welche noch viel mehr als
an den alten Quenstedt'schen Stücken die charakteristischen Dornen
zeigen, zu welchen sich die Wärzchen der übrigen Grlandarien
erheben. Nun liegt aber auch hier wieder eine Anzahl ächter
Glandarien vor, an welchen sich ganz ähnliche Dornen wie bei
clavimorus erheben, und denke ich viel eher an individuelle Ver-
schiedenheit der Stacheln. Ist es doch bei lebenden Cidariten
ganz gewöhnlich, dass um den Mund herum anders gestaltete
Stacheln sitzen als um den After oder am Aussenrand des
Körpers.
Wh' brauchen wohl kaum dem Abschnitt über die Glan-
darien beizufügen, dass die „materia medica" der lapides judaici
krystallisirter kohlensaurer Kalk ist. Zerschlägt man ein Stück
so springt mit spiegelnder Fläche, aschgrau von Farbe, das
Hauptrhomboeder des Kalkspates aus, das sich aus jedem Stachel
darstellen lässt. Wie nun aber, wenn die Glandarien des Phiala-
See's sich unter die des Salimathals mischten? Am Phiala-See,
nur wenige Kilometer von dem jurassischen Medjdel ech Schems
entfernt, tritt die Glandarienzone gleichfalls zu Tage: aber alle
Glandarien ohne Ausnahme sind hier verkieselt. Auch hier
sammeln die Beduinenkinder Körbe voll der in Feuerstein ver-
wandelten Stacheln, die heute ebenso zahlreich nach Beirut
wandern, wie die in Kalkspat versteinerten des Nähr Beirut.
Aeusserlich aber unterscheiden sich beide in keiner Weise von
einander. Zerschlägt man nun die Stücke vom Phiala, so sind
die meisten hohl. Ein brauner Staub, der letzte Rest des Kalk-
spates, fällt aus einer Schale von Feuerstein. In der Mitte des
Hohlraums steht vielfach noch ein Stil von Feuerstein als ur-
— 287 —
sprüngliche Axe des Stachels. Sehr häufig ist aber auch noch
ein Kern von Kalkspat in der Hülle des Feuersteins, je nachdem
ist derselbe schon der Metamorphose verfallen, durchlöchert, aus-
gelaugt, mehr oder minder mit erkennbarem Kalkspatrhomboeder.
Galerites cylindrkus Lamark stimmt am besten zu den
englischen Exemplaren von Chardstock. Die Stücke von Ain
Hamäde übertreffen jene nur um weniges an Grösse, wie sie
z. B. Quenstedt Taf. 76, Fig. 40 und 41 abgebildet sind.
Cyphosoma cenomanense Cotteau, bei Geinitz Taf. 16, Fig.
3 — 10 vortrefflich abgebildet, mit dessen Figur unser Exemplar
von Salima vollständig übereinstimmt. Das Exemplar hat genau
20 mmDurchmesser bei einer Höhe von 5 mm. Die Abplattung ist
unten und oben gleich, die Warzen ziemlich gleich gross, die
Poren einfach.
Ein Cidarites Delamarrei wird von Desor aus dem Hippuriten-
kalk von Biskera (Algier) beschrieben, er scheint mit cenomanen
aus der Sarthe und den sächsischen von Plauen identisch zu sein.
Sdlenia petalifera Agass Desor, Synopsis des echinides,
Taf. XX, Fig. 1. Körperdurchmesser 7 mm (Taf. IV, Fig. 4 und
4 a). Der Schild, der übrigens in der Zeichnung etwas ver-
unglückt ist, wurde doppelt vergrössert in Fig. 4 a dargestellt.
Die 5 Genitalienplatten und die grosse Centralplatte, an welcher
der After sitzt, sind gar zu schön erhalten, als dass man sie
mit ihrer punktirten Abgrenzung nicht gerne gezeichnet hätte,
die 5 dreieckigen Gesichtsplatten zwischen den Genitalienplatten
sind auffallend klein. Ich verdanke das zierliche Stückchen Herrn
Rev. Lewis, der es um Salima gesammelt hat.
Terebratula bipUcafa Sow. schliesst die Reihe der Fossile
aus der Glandarienzone. Wie immer bei biplicaten Terebrateln
haben wir flache Formen ohne Stirnfalten und die mit kräftig
ausgeprägten Stirnfalten. Am meisten stimmen unsere Ain
Hamäde-Formen mit hipUcafa acuta v. Buch (Quenst. Brachiop.
Taf. 48, Fig. 70 — 74), jener Normalform, die bereits Scheuchzer
als Musculus anomius von Neocastrum in seinem Museum dilu-
vianum pag. 75 abgebildet hat.
283
2. Die Sandsteinformation.
Das Auftreten der Sandsteine und Sande ist zunächst der
Anlass für die Sammlung der AVasser und den Ausbrucli der
Quellen. Welche Bedeutung aber eine „Quelle" für jene Länder
hat, in welchen es vom Monat Mai bis September nicht regnet»
braucht nicht näher ausgeführt zu werden. Der trostlose An-
blick der syrischen Lande in den Sommermonaten bleibt dem
Reisenden erspart, wo die Formation des Sandes sich ausbreitet.
Wenn auf den Höhen der Kalkberge im Sommer alles Leben
unter der glühenden Sonne erstirbt und die ganze Landschaft
der schattenlose Wüste gleicht, so fühlt man sich mit dem
Wechsel der Formation alsbald in ein anderes Land versetzt.
Der Wald — soweit überhaupt dieses Wort gebraucht werden
darf — spendet Schatten, ein Bach rauscht durch die Thal-
schlucht, während an den Gehängen zahlreiche Rinnen und Wasser-
leitungen nach allen Richtungen hin auslaufen.
Die Sandsteinformation im Libanon ist der Segen des Landes,
dessen Fehlen in Syrien der Grund der Unfruchtbarkeit und
Dürre ist, unter welcher, mit wenigen Ausnahmen, das ganze
Land leidet. Ueber die früheren und neueren falschen An-
schauungen dieses Sandsteins, als ob er permisch wäre, oder
triasisch, gehen wir stillschweigend weg. Am ausführlichsten hatte
L. L artet die Frage behandelt (Traite pag. 112 — 118) und
den Kreide-Charakter des Sandsteins als höchst wahrscheinlich
festgestellt. Wer sich im Libanon die Mühe gibt, einige Detail-
profile aufzunehmen, für den schwindet bald jeder mögliche
Zweifel, denn die geognostische Stellung der Sandsteinformation,
wie sie freilich schon Botta^ als erster Beobachter am Libanon
(1832) angenommen hatte, steht so sicher, dass man kein Wort
mehr darüber zu verlieren braucht.
Ueber den Oolithbänken von Ain Hamäde und des Salima-
thales liegt, wenn auch nicht unmittelbar der Sandstein, so doch
die Formation in Gestalt eines Basaltit- Ergusses, der nach kurzer
Frist in den Sandstein übergeht. Die Wiederholung der basal-
titischen Ergüsse im Gebiet des Sandsteins finden wir zum Oefteren
— 289 —
wieder. Das Auftreten des Basaltits und Basaltittuffes darf
nicht etwa als Störung des Profils angesehen werden, denn
Basaltit und Sandsteinformation sind 2 Begrifi'e, die sich decken.
Der Ausbruch der vulkanischen Gebirgsarten im
Libanon fällt in die Periode der Sandsteinbild ung
und zwar gleich in den Anfang dieser Periode, indem das eruptive
Material sich dem Sandstein beigesellt und eine Keihenfolge von
Gebirgsarten erzeugt hat, welche aus dem reinsten härtesten
Basaltit in gelockerte und poröse Basaltite, weiter in Basaltittuffe
und in basaltitische Thone, ferner in sandige Tuffe und Thone, in
Sandmergel und schliesslich in reine Sande und Sandsteine Ueber-
gänge bilden.
Auf der Karte der französischen Expedition habe ich
72 Punkte notirt, an welchen eruptives Gestein beobachtet werden
kann. In den meisten Fällen liegt es klotzig innerhalb der
Sandsteinformation, umgeben von Basaltittuffen , die sofort in
anderes gleichaltriges Gestein übergehen. An einzelnen Punkten
durchbricht der Basaltit gangförmig die alten Marmore und
Dolomite, um dann im Gebiet des Sandsteins zur Verbreitung
zu kommen. So verschiedenartig aber auch das eruptive Gestein
auftritt, namentlich was das Farbenspiel der Verwitterungen be-
trifft, die in allen Schattirungen von Schwarz zu Grün und von
Grün zu Eoth abwechseln, so bestehen alle von mir beobachteten
Gesteine im Wesentlichen aus einem Gemenge von Augit und Oligo-
kläs mit Magnet- und Titan-Eisen, Glasresiduen und porphyrischem
Olivin sowie Augit, scheinbar frei von Apatit. Die Beschaffen-
heit und Aggregation der Gemengtheile spricht entschieden dafür,
sie den sog. Melaphyren und nicht den Plagioklasbasalten zu-
zurechnen. Da aber der Name Melaphyr ursprünglich auf Ge-
steine angewandt wurde, welche gar nicht die unterstellte Zu-
sammensetzung hatten und wohl auch mit der Zeit vielfach miss-
braucht wurde, so wurde auf Mö hl 's Vorschlag der Name Ba-
saltit aufgefrischt und zwar Augitbasaltit im Gegensatz zum
Glimmerbasaltit (Minette, Kersanton u. a.). Die betreffenden
Gesteine bilden als die Nachzügler der ächten dyasischen und
triasischen Augitbasaltite die Brücke zu den tertiären Plagioklas-
Württeml). natunr. Jahreshefte. 1878. -iq
— 290 ~
basalten. Wie unter den letzteren die jüngeren und jüngsten
Basalte vorwiegend anamesitisch und doleritisch ausgebildet sind,
so sind auch die jüngeren Augitbasaltite, namentlich die des
Libanons deutlich krystallinisch entwickelt, desshalb aber auch
stets stärker angegriffen als die kryptokrystallinischen.
Herr Professor Möhl in Cassel hatte die grosse Freund-
lichkeit, eine Anzahl Gesteinsproben der mikroskopischen Unter-
suchung zu unterziehen. Die soeben mitgetheilte Charakteristik
ist im Allgemeinen das Kesultat seiner Untersuchungen. Im
Speciellen fand er Folgendes:
1. Das Gestein von Hammäna*^ (Härte 6) ist ein grob-
krystallinisches Gemenge von Oligoklas, etwas Orthoklas, Augit,
Titaneisen, etwas amorphem Glasresiduum, sowie phorphyrischem
Olivin und Augit.
Der Oligoklas ist grossentheils wasserhell, nur stellen-
weise wie bestäubt, fein graugelb getrübt (bei starker Vergrösse-
rung wie beregnet ausgefressen, wahrscheinlich ausgelaugt), in
scharfrandigen, reichlich, oft prachtvoll triklin gestreiften Krystallen
ausgebildet. Diese, von 1,2 mm Länge, 0,5 mm Breite abwärts
bis zu nur 0,18 mm Länge, 0,03 mm Breite, liegen grossentheils
wirr durcheinander, während stellenweise die kleineren vorwalten
und innerhalb solcher Partien die grösseren wie mikroporphyrisch
vereinzelt eingelagert hervorleuchten. Recht viele Feldspat-
leisten zeigen keine trikline Streifung, polarisiren entweder durch-
aus einfarbig oder nach Art der Karlsbader Zwillinge in zwei
scharf getrennten Hälften abwechselnd verschiedenfarbig, so dass
sie nur als einem orthoklastischen Feldspat zugehörig
zu deuten sind.
Der Augit bildet vorwiegend gerundete krystallinische
Körner von 0,2 bis 0,02 mm Dicke herab, von denen nur die
kleineren hin und wieder scharfe Krystallumrisse haben. Die
Substanz ist bei den grösseren rein, licht haarbraun, bei den
*® Hammäna , wohlhabendes Dorf in dem Distrikt Metn am Fuss
des Djebel Keneise. Sitz eines Kaimakäms. Vorwiegend christliche
Bevölkerung.
— 291 —
kleineren dagegen vielfach staubig getrübt und grünlich grau-
braun, stets reichlich unregelmässig zersprungen.
Die kleinen Körner und Krystalloide bilden oft ganze Hauf-
werke, denen kein Feldspat zwischengeklemmt ist, von wo aus
dieselben sich zwischen den Feldspatlücken zerstreuen.
Da, wo Augit reichlich ist, sind auch Titaneis enblättchen
und Körnchen reichlich eingemengt. Die grösseren bis 0,08 mm
breitenf Lappen haben nicht nur häufig scharf hexagonalen Umriss,
sondern sind auch im auffallenden Lichte durch die rhombischen
Spaltrisse und im Querschnitt als Blätteraggregate wohl charak-
terisirt. Die kleineren, bis 0,02 mm herabsinkenden, sind immer
noch mehr verzerrt, als dies bei Magneteisen vorkommt, wogegen
die winzigen Körnchen, welche oft nur bei starker Vergrösserung
wie Staub im Augit und Feldspat liegen, wohl nur Magnet-
eisen sein dürften.
In den spärlichen Lücken tritt etwas amorpher Glas-
grund zwischen den grossentheils eng aneinanderschliessenden
krystallinischen Gemengtheilen hervor. Dieser ist theils nur
leicht getrübt und wenig verändert, zum Theil aber in eine
graugrüne, vom Eande aus sehr fein radialfasrige , büschelig
fasrige (mit dunkleren zwiebelschaligen Anwachsringeu ver-
sehene) in Salzsäure leicht lösliche, dabei schwach gelatini-
rende Masse verwandelt, wogegen Säure die Feldspäte nicht
angreift.
Porphyrisch tritt hauptsächlich nur Olivin in wohlgebilde-
ten bis 2 mm grossen Krystallen hervor, deren Substanz bis auf
geringe Reste theils tief schwarzgrün, grösstentheils aber lebhaft
und ziemlich pellucid rost- bis honigbraun von den Eändern und
Sprüngen aus umgewandelt ist.
Flüssigkeitsporen und niedliche Zirkone sind in den frischen
wasserklaren Resten nur spärlich.
Einige, ebenwohl bis 2 mm grosse braune, stark zersprun-
gene Augitkrystalle treten als porphyrische Einlagerungen gegen
Olivin sehr zurück.
Ueberall, wo Feldspat vorwaltend ist, zeigen sich die
Schliffe recht klar, dagegen, da wo die Augit-Körner mit den
19*
— 292 —
Titaneisen-Lamellen und -Fetzen vorherrschen, ist das Bild äusserst
wirr und unansehnlich.
Die procentische Zusammensetzung möchte sein:
Grundmasse Oligoklas 40^/q
, Orthoklas 5 „
j, Augit 35 „
^ Titaneisen 8 „
„ Glasgrund 4 „
Porphyrisch Olivin 6 „
„ Augit 2 „
Das mikroskopische Bild zeigt ungefähr das Gefüge der
anamesitischen Plagioklasbasalte , besser aber noch das einer
ganzen Anzahl von ziemlich grob krystallinischen Augitbasaltiten
(Melaphyr) der Umgegend von Tholey und Baumholder des Saar-
Nahegebiets.
2. Das Gestein von Kornäil^''' (Härte 5) unterscheidet
sich vom vorigen hauptsächlich dadurch, dass der auch hier recht
klare und reich triklin gestreifte Oligoklas, nebst dem untergeord-
neten Orthoklas, nur Krystalle von 0,06 bis 0,2 mm L., 0,015
bis 0,05 mm Br. bildet, dass der Augit in reich zersprungenen
Krystallen und Krystallkörnern von 0,06 mm Dicke im Mittel
und klarer, licht chocoladebrauner pellucider Substanz den Feld-
spat etwas überwiegt, und das Titaneisen in wie zerhackten
derben Lamellen und Strichen reichlicher vorkommt.
Der porphyrische Olivin ist in eine kaum durchscheinende
olivengrüne, im Innern schwarzbraune (Chlorophaeitartig) büsche-
lig fasrige Substanz verwandelt. Glasresiduen sind sehr versteckt,
dagegen fallen 0,03 mm dicke lebhaft polarisirende wasserhelle
Quarzkörner leicht auf.
Das Gestein ist schon recht bröcklig und mürbe, eine Eigen-
schaft, die auch die Kerne der zu Erde zerfallenden concentrisch-
schaligen Augitbasaltitmugeln der Gegend um Tholey und St.
Wendel in hohem Grade auszeichnet.
" Kornäil, kleines Dorf in dem Distrikt Metn, mit einer alten
Emirsburg , von der R u s s e g g e r eine Abbildung gegeben hat.
— 293 —
3. Das Gestein von K e s e i b e *^ (Härte 7) enthält, im Mittel
0,2 mm lange, 0,03 mm breite, nur aus 3 bis 6 Lamellen gebil-
dete Oligoklaskrystalle , die nur längs der scharfen Känder noch
frisch und wasserhell, in der Längsmittelzone aber stark angegriffen,
daher hier trüb grau (wie bepudert) sind. Diese liegen in einem
theils trüb graugelben, theils grünlich grauen, von Titan eisenstücken,
Lamellen und wie zerhackten Aggregirungen reich durchsetzten
Grunde. Die einzelnen Lamellen der Oligoklase stehen häufig
an den schmalen Seiten zinnenartig vor und zurück, oder bei un-
mittelbar aneinandergelagerten Krystallen macht sich ein treppen-
förmiger An- und Aufbau bemerkbar. Eecht viele Krystalle indess
polarisiren nur einheitlich oder als Karlsbader Orthoklas-Zwillinge.
Der trübe Grund besteht groseentheils aus verändertem
Glas. Theils besteht die Veränderung in einem blos bepuderten
Aussehen mit klein mosaikartiger Polarisation, theils in einer
wirren Faserung, immer aber sind in solchen Partien die winzi-
gen keulen-, corallen-, moosartig oder aus feinen Strichelchen
rechenförmig aggregirten Trichitchen noch unversehrt und gehen
kaum merkbar in die Titaneisenlamellen der Grundmasse über.
Da wo der Glasgrund mehr hervortritt, enthält er als am weitest
vorgeschrittene Veränderung fast wasserhelle, unbestimmt begrenzte
von rhombisch kreuzenden Rissen durchzogene bis 0,2 mm grosse
Flecke von Magnesitspat. (Die Flecke brausen mit verdünnter
Salzsäure nur schwach und werden erst nach längerer Zeit aus-
gefressen.)
Der Augit, ursprünglich schon gegen Feldspat zurücktretend
ist theils so völlig zerstört, dass nur im polarisirten Lichte die
Unterscheidung der ehemaligen Körner innerhalb des trüben
Grundes noch möglich ist ; da wo dies weniger der Fall ist, er-
blickt man Körner und gerundeteckige , bis 0,08 mm grosse Kry-
stalle, die theils in eine homogene, lebhaft grasgrüne, fast pellucide,
theils in eine graugrüne erdige trübe Masse (Chloropit) umge-
wandelt sind.
1« Keseibe, kleines Dorf im Distrikt Metn, auf der Höhe über
dem Salimathal .eizend gelegen
— 294 —
Das Titaneisen bildet, wie bereits bemerkt, je nach dem
Schnitt, fetzenartige Lamellen, Striche von 0,2 mm Länge und
Aggregate derselben, die durch ihre Menge dem Schliff ein zer-
hacktes Ansehen verleihen.
Porphyrisch reichlich eingelagert sind schon auf der ange-
schliffenen Fläche als blinde graue Flecke hervortretende total
zersetzte, gut umrandete Olivinkrystalle. Im durchfallenden
Lichte sind dieselben blass lehmgelb, wenig pellucid mit wasser-
hellen Fleckchen, längs der Ränder und Sprünge aber wie dicht
bepudert bräunlich grau und opak. Wie die Aetzversuche lehren,
sind die Olivine fast gänzlich in Carbonat und zwar Magnesit
verwandelt, der im reinen Zustande die hellen Centralpartien
bildet.
Die procentische Zusammensetzung der frischen Gesteine
dürfte gewesen sein:
Grundmasse Feldspat 55
Glas 20
„ Augit 7
„ Titaneisen 10
Porphyrisch Olivin 8
Handstück, Schlifffläche, Ansehen des Dünnschliffes, Beschaf-
fenheit und Aggregation der Gemengtheile ist zum Verwechseln
einer ganzen Anzahl kleinkrystallinischer Augitbasaltite des Saar-
Nahegebiets ähnlich.
4. Das Gestein von Snaia^^ (Härte 6) ist ein kleinkrystalli-
nisches Gemenge von Oligoklas, Augit, Magnetit und lichtem, stark
hervortretendem Glasgrund mit porphyrischem Olivin und Augit.
Der Oligoklas bildet fast wasserhelle, nur aus 3 bis 5
Lamellen Zusammengesetze Leisten von 0,06 bis 0,08 mm L.,
0,015 bis 0,03 mm Br., der Augit trüb grünlich braune, nur
0,03 mm dicke stark zersprungene Körner, der reichliche Mag-
netit scharfe Kryställchen von 0,02 bis 0,03 mm Dicke.
Augit und Magnetit sind vielfach zusammengerottet, so dass
'^ Snaia, kleines schmutziges Dorf in dem Distrikt Djezzin.
Gemischte Bevölkerung.
— 295 —
die Feldspathleisten sicli fluidal angeordnet zwiscbendurchschlän-
geln und nebst dem nur fleckig getrübten Glasgrund die lichten
Partien bilden.
ßeichlich porphyrisch eingelagert ist Olivin und Augit, beide
in theilweise guten Krystallen von 0,5 bis 1,2 mm Grösse, letz-
tere noch in bis 3 mm Fläche einnehmenden sternförmigen Ag-
gregaten.
Der Olivin ist grossentheils frisch, wasserhell nur längs
der Quersprünge, weniger längs der Eänder schmal graugrün
querfasrig serpentinisirt.
Winzige Flüssigkeitsporen und kleine Zirkone enthalten nur
wenige in den frischen Partien.
Der Augit ist recht pellucid, in einer schmalen zart ver-
waschenen Randzone licht chocoladebraun, hier zum Theil erfüllt
mit Dampf-, Glas- und Steinporen. Er ist nur wenig rissig, oft
ausgezeichnet geradlinig, der Spaltbarkeit entsprechend.
Die procentische Zusammensetzung möchte sein :
Grundmasse Feldspath 30
„ Augit 25
„ Magnetit 10
Glas 15
Porphyrisch Olivin 10
,, Augit 10
Das mikroskopische Bild der Dünnschliffe, sowie das Aus-
sehen des Gesteins hat zahlreiche Analoga unter den jüngeren
Plagioklasbasalten und Augitbasaltiten.
5. Das Gestein von B'kesin^*^ (Härte 7) unterscheidet
sich vom Gestein von Keseibe nur durch grössere Frische, daher in
der Grundmasse der Augit in Körnern und Kryställcheu noch
recht pellucid braun, der porphyrische Olivin noch bis auf die
schmalen graugrünen Zersetzungen längs der Ränder und Sprünge
rein und farblos hervortritt.
Hin und wieder haften an den Titaneisenlamellen pellucide
2" B'kesiu, kleines unter Obstbäumen verstecktes reizendes Chri-
stendörfchen in dem Distrikt Djezzia (S. 297;.
— 296 —
krystallinisclie Anhängsel von secundärem, lebhaft rostbraun durch-
scheinendem Eisenglanz.
Die Trichitchen im Glase sind oft recht niedlich federig
aggregirt und zum Theil schwach braun durchscheinend , also
auch wohl in der Umwandlung zu Eisenglanz begriffen.
6. Das Gestein von Bauwirte-^ (Härte 5) ist ein grob-
krystallinisches Gemenge von Oligoklas, Augit, Titaneisen und
Glas mit porphyrischem Olivin.
Im Dünnschliff ist der Augit vorwaltend, welcher sehr
pellucide, licht leder- bis chocoiadebraune reine, stark unregel-
mässig zersprungene und spaltrissige Krystalle von im Mittel
0,2 mm L. bildet. Der in einzelnen oder fächerig aggregirten
Leisten vorhandene Oligoklas ist theils sehr frisch, prächtig
fein und reich gestreift, theils in Läugslinien, namentlich in den
Aggregaten angefressen, graulich, wie bestäubt, getrübt, dem Augit
ein- und zwischengeklemmt. Das Titan eisen ist in derben
vielgestaltigen, doch vorwiegend scharf krystallinisch umrandeten
bis 0,08 mm 1. Lamellen und Strichen nur sparsam eingelagert.
Ein nur noch an wenig Stellen farbloser oder graulich-
gelb getrübter, grösstentheils wirr fächerstrahlig (zeolithisirt)
oder endlich nebenbei graugrün umgewandelter (äusserst bunt
polarisirender) Glasgrund tritt vielfach und oft stark hervor.
Der reichliche, kaum porphyrisch hervortretende Olivin in
Krystallen von 0,2 bis 1,5 mm Länge ist theils blind und grau-
gelb wie im Gestein von Keseibe , theils brillant grün mit dunk-
leren Flecken serpentinisirt , theils sehr pellucid honigbraun
durchscheinend mit dunkleren opaken Rändern umgewandelt.
Die procentische Zusammensetzung dürfte sein:
Augit = 40%
Oligoklas = 25 „
Glasgrund = 20 „
Titaneisen = 5 „
Olivin = 10 „
*^ Bauwirte, kleines Christendorf im Distrikt Schehar zwischen
Abeih und der Meeresküste gelegen.
— 297 —
7. Das Gestein von Bscherre ^'-^, zum Scüieifen zu mürbe,
ist den Balsatitmandelsteinen der Idargegend sehr ähnlich. Das
Pulver zeigt ein feinkrystallinisches Gemenge von Oligoklas, trü-
ben Augitkörnern und Titaneisenlamellen. Ein unzweifelhaft
vorhanden gewesener Glasgrund ist carbonisirt, wie auch das
Gestein von Calcitmandeln , die , ebenso wie in vielen Basaltit-
mandelsteinen, einen meergrünen Eisenoxydulsilicatüberzug haben,
durchzogen ist. Der reichliche porphyrische Olivin in Krystall-
körnern von 1 — 2 mm Dicke ist fast durchaus tief rostbraun
umgewandelt.
8. Das Gestein von Felügha^^ scheint eine tuffartig zer-
setzte graue Masse zu sein, die durchaus mit Säure braust und
reichlich auch noch mandelsteinartige Calcitbohnen enthält.
9. Ebenso und noch stärker wird das von Haidüra^^ zer-
setzt. Das mit Salzsäure stark brausende, sich sofort grün fär-
bende und etwas gelatinirende Pulver hinterlässt farblose Oligo-
klasleisten und grünlichbraune Augitkörnchen.
10. Der Einschluss im Gestein von B'kesin ist eine zum
Theil wieder ausgelaugte bezw. ausgefressene und hier mit Sko-
lecitnädelchen ausgekleidete Zeolithmandel und zwar nach der Spalt-
barkeit, dem Verhalten vor dem Löthrohre und nach dem Glühen des
in Salzsäure durch Eisenoxyd gelb gefärbten Materials Prehnit.
Alle diese vulkanischen Ergüsse haben ganz gewaltige
Massen zu Tage gebracht und dieselben über die Dolomite und
Marmore ausgegossen, deren Ende wir mit den Glaudarienooliten
bezeichnen. Die ohne Zweifel submarinen und litoralen Ergüsse
wurden alsbald von dem Meer zu Sedimenten verarbeitet und
zwar in den meisten Fällen bis zur völligen Unkenntlichkeit ihres
vulcanischen Ursprungs. Gewaltige Thon- und Mergelmassen
dürfen wohl geradezu als die letzten Produkte des Meeres aus
den ausgeworfenen Aschen und Tuffen bezeichnet werden, welche
-2 Bscherre, grosses Christendorf in dem Distrikt gleichen Namens,
Sitz eines Mudirs und Kaimakäms.
^^ Felügha, kleines Dörfchen im Distrikt Metn zwischen Hammäna
und Kornäil tief im Thal gelegen.
^^ Haidüra, kleines Dorf im Djezzin, in der Nähe von Snaia.
- 298 —
wie tiberall auch anderwärts und zu allen Zeiten den Erguss
des Basaltits begleiteten.
In unmittelbarem Contakt mit den Basaltiten steht zuweilen
eine wässerige Kieselsinterbildung, welche laut gefälliger Mit-
theilung meines verehrten Freundes , des Professors Fischer in
Freiburg Sa moit^^ ist. In einer fürchterlichen Schlucht, welche
der Awali gerissen hat und täglich reisst, nachdem er von dem
Felsenkranz bei Djezzin gegen 40 m tief in zwei pracht-
vollen Wasserfällen niedergestürzt ist. Nach seinem Sturz wühlt
er sich im Sande und Sandmergel jnit Kohlenschmitzen ein. Das
weiche, bewegliche Gebirge wird, so oft ein Regen den Strom
schwillt, unterwaschen, schiebt von den Steilgehängen in das Bett
nach, als ob es den Fluss in seinem Laufe hemmen wollte. Dieser
aber überwindet siegreich alle Dämme, welche er sich selber in
den Weg legt und schiebt sie klein zertheilt abwärts in das
offene, durch seine Fruchtbarkeit berühmte Thal, wo der Baruk
sich mit dem Awali verbindet. Unterhalb des reizend in einem
Wald von Nussbäumen, Feigen und Maulbeerpflanzungen ver-
steckten Dorfes B'kesin ist ein Pinienwald, von dem ein Fuss-
steig durch Buschwerk von Rhododendron, wilden Rosen, Oleander
und mannshohen Farren zum Awali hinabführt. In der Mitte
des Abstiegs windet sich der Weg durch Basalttuffe hindurch, durch
welche sich in bauchigen Schichten von 0,5 m Mächtigkeit viel-
fach verrutscht und verstürzt der Samoit als Versteinerungs-
material von Pflanzenresten findet. Der Samoit sieht genau aus
wie Harz, so dass mein Erstes war, ein Zündholz zu streichen
um das vermeintliche Harz anzuzünden. Die Farbe ist weiss-
gelb, gelb bis lichtbraun, haibdurchscheinend und klebt nicht an
der Zunge. Das spezif. Gewicht ist 1,7, Härte 4 bis 4,5. Un-
schmelzbar, wird mit Kobaltlösung blau und gibt im Kolben
Wasser ab. Gelatinirt in Salpetersäure.
Erstmals wurde das Mineral gefunden und nach seinem
Fundort benannt in einer Lavahöhle eines erloschenen Vulkans
auf Upolu, einer Insel der Samoagruppe. Die einige hundert
2^ Dana, J. D., System of mineralogy. London 1868. p. 478.
— 299 —
Fuss lange Höhle ist auf dem Boden und an den Wänden mit
dem tropfsteinartigen Mineral bedeckt, augenscheinlicli als Pro-
dukt durchsickernder Wasser. Im frischen Zustand, fügt Dana
bei, ist das Mineral weich genug, um es mit dem Messer zu
schneiden, erhärtet aber an der trockenen Luft. Das Letztere
ist auch mit dem Samoit von B'kesln der Fall, der bergfeucht
wie Speckstein sich schneiden lässt. Nach Jahresfrist vertrocknet
er, dass er selbst leicht zerbröckelt beim Drücken mit dem Finger.
Interessanter fast als die mineralogische Seite des Vor-
kommens ist der Umstand, dass der Samoit zugleich ein Ver-
steinerungsmaterial für eingeschlossene Pflanzenreste bildet, in
welchem sich Blätter, Stängel, Zweige, Hölzer und Früchte ganz
vortrefflich erhalten haben. Hocherfreut über den Fund sammelte
ich nach Herzenslust und belud mich und den Begleiter mit den
herrlichsten Sammlungsstücken dieses mir vollständig unbekannten
Minerals. Leider aber ging mir fast Alles schon auf dem Kitt
nach Beirut und, was dort etwa noch vollständig war, in der Kiste
beim Transport in die Heimath zu Grunde. Was ich nunmehr
vor Augen habe, sind im günstigsten Falle nussgrosse Stücke,
von Blattresten durchsetzt und überzogen. An dem Netzwerk
der Blätter erkennt man noch Credneria vielleicht auch Euca-
lyptus, Sehr schön sind auch noch einzelne Fetzen von Gräsern
und Schilfen und deutliche Hölzer von Palmen.?
Bringen wir diese Pflanzen der Kreidezeit mit den ob auch
noch so spärlich gefundenen Besten aus den Kohlenschiefern
und den Dysodilen in Verbinduug, so haben wir doch damit
einen Anhaltspunkt über die Zeit der Bildung des Samoits, welche
gleich dem Ausbruch des Basaltits in die mittlere Epoche der
Kreidezeit fällt.
Das jetzt auftretende Leitfossil ist die Trigonia syriaca
Conr. (ofi*. Rep. 3, 19—23).
Folgen wird Lycett's Eintheilung der fossilen Trigonien
(Palaeontogr. society XXVI. 1872), welcher die 4 Familien: sca-
phoideae, clavellatae^ undulatae und glabrae unterscheidet, so
gehören unsere für den bezeichneten Horizont leitenden Trigonien
zur 3. Familie der TJndulaten. Diese Familie nimmt bereits im
— 300 —
Oolith ihren Anfang und setzt sich bis zur Kreide fort in den bis
jetzt bekannten 2 Arten der Tr. distans und syriaca. Die
Häufigkeit des Vorkommens im Libanon, der sich gleich bleibende
Charakter der Art mit den eigenthümlichen Schlosszähnen recht-
fertigt um so mehr die Publikation der Zeichnung, als Conrad
in seinem Report die Zeichnungen auf die mangelhafteste, dürf-
tigste Art ausgeführt hat. Taf. VI., Fig. 2—4 stellt die Muschel
dar. Ein kräftiger Eadialwulst trennt die Lunula auf der Schale
ab, die selbst wieder durch eine Radialfurche in ein inneres und
äusseres Feld abgetrennt ist. Concentrische Schalenrippen legen
sich um die Wirbel, die wie bei allen Trigonien nach hinten
schauen. Mit der 7. — 8. Rippe vom Wirbel ab hört die ein-
fach concentrische Anlagerung der Rippen auf, denn sie biegen
sich gegen die Mitte der Stirne auf. Der Winkel, unter welchem
die Rippen ihre Falte schlagen, wird gegen den Schalenrand hin
immer spitzer, dabei aber verflachen sich die Rippen zugleich
der Art, dass sie gegen den Rand hin eine fast platte Schale
hinterlassen (Fig. 4). Irgend eine specifische Unterscheidung
hierin zu begründen, rechtfertigt sich nicht, indem vielfache
Uebergänge von der bis zur Stirn gefalteten und der gegen die
Stirn hin glatt werdenden Form existiren. Wer Namen liebt,
kann eine Tr. syriaca nuäa und syriaca plicata unterscheiden.
Das Hauptmerkmal, die Undulaten der Kreide gegenüber
denen des Jura zu erkennen, beruht wesentlich in dem Seh los s.
Der Leyerzahn der linken Valve ist in der Mitte gespalten,
die glatte Furche entspricht einem Kiel in der Zahngrube der
rechten Valve. Beide Seiten des kräftigen Schlosszahns sind
mit 18 — 20 concentrisch angelegten Streifen bedeckt, mehr als
noch einmal so viel als bei jurassischen Trigonien. Dem entspricht
selbstverständlich die rechte Valve mit der tiefen Schlossgrube.
Auch die Muskeleindrücke sind viel tiefer und kräftiger als bei
jurassischen Arten, was mit der Stärke der Schale und des
ganzen Schlossapparates zusammenhängt.
Sehen wir uns nach bekannten ähnlichen Formen um, so
erinnern die Zahngruben unserer Trigonien am meisten an Lyrio-
don Herzogii Hausm., die schon Goldf uss (Petref. Germ. Taf. 137,
— 301 —
Fig. 5) als vom Sonntagsfluss bei Enon im Capland beschrieben
hat, ohne jedoch das Schloss näher zu kennen, das erst F. Krauss
in den Nov.-Acta Bd. XXII, P. 2 beschrieben und abgebildet
hat. Die Originale liegen in der Sammlung des K. Naturalien-
kabinets. Die beiden tiefen Gruben des Leyerzahns der linken
Valve sind von ungleich hohen Steilwänden eingeschlossen, die
auf beiden Seiten mit 16 — 20 vertikalen, parallel laufenden
Zähnen versehen sind. Die inneren Wände sind höher als die
äusseren und begränzen den starken conisch nach hinten zu-
laufenden und mit einer Rinne versehenen Schlosszahn, der in
die Grube zwischen beiden Zähnen der rechten Schale eingreift
Es ist richtig, dass der Leisten am Zahn bei Tr, syriaca noch
mehr sind als bei der Trigonia der Algoabai, bei welcher sie
gedrängter und enger bei einander stehen. Sonst aber, nament-
lich was den geognostischen Charakter betrifft, stehen beide sich
sehr nahe. Auf ganz immense Erstreckung hi^ zieht sich am
Cap von der Tafelbai bis zur Algoabai und von der Küste bis
zur Karroo ein Sandsteingebirge hin, dessen Fortsetzung an
der Küste der Algoabai einen Reichthum von Bivalven einschliesst,
unter welchen wir in erster Linie die Trigonien zu verzeichnen
haben.
Astarte lihanotica Fr. Taf. V , Fig. 1 a und b , eine der
gemeinsten Muscheln im Horizont des Sandsteins, die wohl auch
in höhere Horizonte hinaufgeht, wo sie jedoch stets nur Stein-
kerne bildet. Im Sandmergel ist sie mit ihrer Schale selbst
noch mit dem Ligament versehen und treuer Begleiter der Tri-
gonia, während allerdings die Trigoniasteinkerne den höheren
Schichten fehlen.
Charakteristisch an Ästarte lihanotica sind die 6 — 8 starken
Astarterunzeln zunächst den Wirbeln, die aber weiterhin auf der
Schale sich verflachen, so dass die Schale nahezu glatt erscheint.
Ohne die genannten, dem Geschlecht Astarte eigenthümlichen
Rippen würde man beim Anblick der Muschel eher an Venus
und deren verwandte Geschlechter denken. Ob der Rand der
Schale gekerbt ist oder glatt, konnnte ich leider an keinem der
Exemplare constatiren. Auf Veränderungen der ächten Astarte-
— 302 —
Merkmale darf man sich schon gefasst machen, wenn man z. B.
die Astarten der Algoabai, gleichfalls die zahlreichen Begleiter
der dortigen Trigonien, sich näher ansieht. Goldfuss hatte
dieselben als Cytherea beschrieben, Krauss entschied sich für
Astarte wegen der zahlreichen (30 — 45) tief in die Schale
einschneidenden Runzeln. Dagegen ist der Schlosszahn der von
Cytlierea. d'Orbigny hat p. 259 aus dem Neocom eine Astarte
Moreausa abgebildet, die unserer A. libanotica jedenfalls sehr
nahe steht, der aber gerade die schönen Eunzeln fehlen. Dage-
gen ist Astarte gigantea d'Orb. pl. 258, obgleich in Frankreich
im Neokom vorkommend, der Begleiter der vorigen Art. Nähere
Untersuchung dürfte vielleicht die beiden Arten Moreausa und
gigantea in Eine verschmelzen. Den Unterschied von A. gigantea
und libanotica bildet aber jedenfalls das Fehlen der Astarterun-
zeln. Die Höhe dieser Muschel erreicht 73, hre Dicke 60 mm.
Lutraria sinuata Fraas Taf. VII, Fig. 3. Nach dem glück-
licher Weise an einem Exemplar blosgelegten Schlosszahn haben
wir es mit Lutraria zu thun. In dem untern Drittheil lauft
vom Wirbel aus eine Bucht gegen den Rand der Schale. Flache
concentrische Streifen decken die Schale.
Ostrea succini Fraas Taf. IV, Fig. 3 ist so charakteristisch
im ganzen südlichen Libanon als Begleiter des Bernsteins , dass
wir die Auster nach dem mitvorkommenden Mineral benennen.
Es ist eine kleine gerippte Auster, die etwa der jurassischen
0. subserrata oder costata ähnlich wird und stets mit breiter
Basis angewachsen ist. Das abgebildete Exemplar ist eines der
grössten, das wir in der Nähe von Djebäa fanden. Gewöhnlich
ist eine ganze Colonie solcher Austern neben und aufeinander
gewachsen.
Die Kohlen des Libanon.
Wo die Auster einmal auftritt, fängt das Gebirge an sich
dunkel zu färben. Kohle und Bitumen stellt sich ein, deren
verführerisches Schwarz zum zweiten Mal im Lauf des Jahr-
— 303 —
hunderts die Hoffnungen auf Ausbeute und günstige Verwendung
der Kohle rege gemacht hat.
Die ersten Kachrichten von Kohlengruben gibt uns J. Euss-
egger, der im Jahr 1834 im Auftrag Mehemet Ali's das
grosse egyptische Reich, zu welchem damals auch Syrien und
der Libanon gehörte, auf nutzbare Mineralien untersuchte. Russ-
egger besuchte am 12. October 1836 die Provinz Metn, wo
er unter der Leitung des englischen Ingenieurs Brattel reges
Leben in den Gruben fand. Viele Arbeiter waren hier beschäf-
tigt und war der Betrieb rationell und den Anforderungen der
bergmännischen Technik entsprechend eingerichtet. Aber trotz-
dem waren die Resultate die kläglichsten, die man sich denken
kann! Zur Zeit des höchsten Schwungs ungefähr 100 Centner
Ausbeute, wenn die Grube mit 50 Arbeitern belegt warl Der
Grün sand führt, wie sich Russegger ausdrückt, auf untergeord-
neten Lagerstätten eine Braunkohle der ältesten Gruppe, in
welcher der langsame Verkohlungsprocess bis zum gänzlichen
Verschwinden der Holztextur vorgeschritten ist. Sie wird als
Pechkohle und Glanzkohle bezeichnet, die obwohl selten durch
blosse Aenderung der Texturverhältnisse in sog. Blattkohle, Papier-
kohle oder Dysodil übergeht, ohne aber eine nennenswerthe lokale
Ausdehnung zu zeigen. Häufiger sind die Uebergänge der Pech-
kohle aus bituminösem Holz. Die Kohle sowohl als das bitu-
minöse Holz' zersetzen sich aber schnell in Berührung mit der
Luft und zerfallen endlich gänzlich zu Alaun-Erde. Denn die
Kohle hält sehr häufig Schwefelkies und zwar in grosser Quan-
tität eingesprengt, wodurch sie zum technischen Gebrauch untaug-
lich wird. Zu den seltenern Beimengungen gehört der Bernstein,
der zum Theil in beträchtlichen Stücken und grosser Reinheit
der Pechkohle eingesprengt ist.
Es versteht sich von selbst, dass ich bei dem Besuch der
Provinz Metn in erster Linie die 3 Gruben Ibrahim Pascha's
aufsuchte. Die Mühe, sie wieder aufzufinden , war nicht gering.
Im Lauf der 40 Jahre, darunter 20 Jahre der aufreibendsten
Bürgerkriege, war die Erinnerung an die bergmännischen Arbeiten
der 30er Jahre so gut wie vergessen. Möglich auch, dass ich
— 304 —
absichtlich getäuscht oder im Dunkel gelassen werden sollte,
denn die Erinnerung an die Arbeiten war, wie ich bald zeigen
werde, nicht die angenehmste, die im Volke von Metn fortlebte.
Die erste Grube nennt Eussegger „Makla ain el Bed^^ ; der der-
malige Besitzer der Grube ist Herr Mourgue, der Besitzer der
grossen Filatur von Ain Hamäde, das 2 Stunden von der Grube
entfernt liegt. Weglos und steglos gelangt man, dem Bache
von Hamäde folgend, über das Drusen-Dörflein Arsün durch die
Sümpfe von Djourat Arsün steil hinan durch Buschwerk und
Niederholz an eine Seitenschlucht des Hamädethals, in welcher
alte vitriolisch duftende Halden Zeugniss von der früheren berg-
männischen Thätigkeit ablegen. Den Anfang der Schlucht bildet
eine Quelle, Ain el bed (Eierquelle) „Makla", bedeutet Steinbruch
oder Grube, ein Name, der nicht etwa, wie man nach Euss-
egger vermuthen könnte, einem Dorfe oder einer Niederlassung
eigen ist, sondern in Folge der bergmännischen Arbeiten Brattels
dem einsamen Ort in der Waldschlucht gegeben wurde. Nach
Angabe von Herrn Mourgue soll das HauptflÖtz, das bei
761,5 m ü. d. M. ansteht, im Mittel 1 m mächtig sein; vor
einigen Jahren hatte dieser Herr Piemontesen kommen, die
verstürzten Grubeneingänge wieder öffnen lassen und war durch
alte Gänge bis vor Ort vorgedrungen. Indessen ist heute der
eine der beiden Gänge bereits wieder verstürzt, denn an der
steilen Halde sind die schmierigen Sandmergel, welche das Dach
des Stollens bilden in steter Bewegung begriffen. Der andere
der Stolleingänge besteht noch, ist aber zugemauert, um das
eingebaute Holz vor Diebstahl zu schützen. Im Uebrigen führte
auch eine Oeffnung der Mauer zu keinem Eesultat: im Stollen,
der kein richtiges Gefälle hat, steht fusshoch das Wasser und
der Schlamm, so dass es nicht gerathen erschien bis vor Ort
vorzudringen. 4 m unter dem Hangenden ist in den festen
Sandstein ein Stollen getrieben, vollständig nach den Eegeln
europäischer Technik. Es ist der von Eussegger genannte
Erbstollen, durch den die Wasser aus den Galerien abgeleitet
werden sollten. Es genügte auch vollständig, das Ausgehende
— 305 -
der Scliicbten in der Bachschlucht zu beobachten, in welcher
die Lagerungs Verhältnisse vollkommen klar zu Tage liegen.
Wir treffen von der Thalsohle an (beiläufig 700 m ü. d. M.)
bis in die Höhe des alten Stollen lichten, gelben Sandstein ohne
eine Spur von Fossilen. Der Sandstein ist zart von Korn, dem
Ansehen nach dem Personaten-Sandstein des schwäbischen braunen
Jura zu vergleichen, seine Mächtigkeit beträgt 60 m. Er hört
auf mit 0,5 m grauen, sandigen Mergeln, vitriolisch verwitternd
Darüber am Ausgehenden 0,25 m glänzend schwarze Pechkohle, in
welche der Stollen getrieben ist. Die 0,25 m Kohle schwellen
nach Angabe des Herrn Mourgue im Mittel zu 1 m an, nach
den Aufzeichnungen Kusseggers bis zu 4 und 5 Fuss. Ueber
dem Flöz folgen alsbald vulkanische Tuffe schwarzgrün und
schwarz von Farbe mit Einschlüssen schwarzen melaphyrischen
Basaltits von der oben (Seite 292) beschriebenen Zusammensetzung.
Das vulkanische Gebirge misst 10 m. Folgen dann 25 m
schwarzgraue Sandmergel mit eingesprengten Kohlenschmitzen,
denen an verschiedenen Punkten durch Schürfe nachgegangen ist.
Ueber diese folgt ein kleiner Absatz im Gebirge, auf welchem
die Quelle Ain el bed liegt.
Hinter dem Absatz im Thalgehänge, der eine kleine Terrasse
bildet, steht man wieder vor dem gelben Sandstein , über den
ein neuer Aufsteig beginnt. Mit Verwunderung sieht man hier
dasselbe Profil sich wiederholen: die 0,50 m Sandmergel, das
Flöz von 0,25 — 40 m, darüber graue vulkanische Tuffe mit schwar-
zem Basaltit und darüber im Wechsel graue, schwarze und rothe
Sandmergel. Man steigt vollends zur Höhe hinan und hat bei
836 m ein liebliches Plateau, mit Pinien besetzt, erreicht und
mit 852 m die Höhe des Passes, der vom Hamädethal ins
Salimathal führt.
Es gehört nicht viel Scharfsinn dazu, in den beiden zu
Tage tretenden Flözen mit dem Dach des vulkanischen Gesteins
und dem Hangenden des Sandsteins Ein und dasselbe Flöz zu
erkennen, das hier verworfen ist. Eine Verwerfung von
3 5 m Sprunghöhe hat das obere und unt ere Flöz ver-
werfe n. Damit stimmt die Angabe Herrn Mourgue' s, dass er
"Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 20
— 306 —
bei Oeffnung der alten Galerien mit 30m das Flöz vor Ort verloren
und den Sandstein angetroffen habe. Auch Russegger beklagt
die Senkungen und Hebungen des Flözes von einigen Zollen bis zu
12 Fuss und sagt ausdrücklich, dass die Gesteinslagen des Kohlen-
schiefers (Sandmergel) ohne Unterbrechung die Biegungen des
Flözes begleiten, eine Erscheinung, die ihren Grund in herzu-
setzenden Klüften haben müsse. Die Stürzungen, welche in allen
Richtungen des Flözes vorkommen , erschweren ungemein den
regelmässigen Abbau. Ausdrücklich fügt auch Russegger bei,
ein Blatt d. h. ein Gang ohne Mächtigkeit durchsetze das Flöz
der unteren Zeche beinahe rechtwinklich und verwerfe es ganz
gesetzlich, so dass seine "Wiederausrichtung jenseits des Ver-
werfers keine Schwierigkeit mache. Es entging jedoch seiner
Beobachtung, dass die obere Zeche im nicht verworfenen Theil
steht und dasselbe Flöz abbaut, wie die untere Zeche.
Die verschiedenen Angaben über die Mächtigkeit der Kohle
sind ohne Zweifel vollkommen begründet, beweisen aber nur die
Verschiedenheit der Mächtigkeit selbst, die von 1 Fuss bis zu
4 und 5 Fuss schwankt nach Russegger, nach M o u r g u e
beträgt sie 1 m im Mittel , ich beobachtete am Ausgehenden
0,2 — 4 m. "Wäre die Kohle einigermassen brauchbar, so Hesse
sich schliesslich noch ein Bau auf diese schwachen Nester zu
lokaler Verwendung rechtfertigen, aber sie ist der Art mit Schwe-
felkies durchsetzt, dass eine mechanische Scheidung nur die
groben Kiesmassen entfernen kann, den zart vertheilten Schwefel-
kies auszuscheiden ist nicht möglich. Den schlagendsten Beweis
liefert der dermalige Besitzer der Gruben , der für die technischen
Zwecke seiner Filatur Steinkohle aus Marseille oder New-Castle
bezieht. Die eigene Kohle von Ain el bed zu brennen ist gar
nicht möglich.
Es ist daher ganz und gar unbegreiflich, wie 2 Jahre lang
ein Abbau dieser Kohle stattfinden konnte. So etwas kann nur
in den Zuständen der türkisch-egyptischen Verwaltung seine Er-
klärung finden. Die Geschichte der libanesischen Kohle ist aber
zu charakteristisch für das Land und jene Zeit, als dass wir sie
nicht bis zu ihrem Ende erzählten. 2 bis 3 Centner Kolile zu
— 307 —
fördern war ein Mann im Stande (Russegger), das ganze Quan-
tum der Gruben ergab circa 100 Centner im Tag. Das Nächste
war der Transport der Kohle nach Beirut. Derselbe geschah auf
Maulthieren: Der Weg führt zuerst in das Salimathal hinab,
d. h. von 760 m ü. d. M. bis zu 275 m, dies ist die Höhe der
Salimabrücke. Nun ist aber das Thal weiter hinab nicht mehr
zu passiren, der ordentliche Weg führt vielmehr von der Salima-
brücke wieder steil hinauf nach Betmere 710 m ü. d. M., erst
von hier aus gelangt man nach Beirut. Der Weg von der Grube
nach Beirut erfordert eine volle Tagreise hin und eine Tagreise
zurück. Da ein Thier über die Berge im höchsten Fall 3 Centner
zu tragen im Stande ist, so waren täglich über 30 Thiere und
mindestens 5 Maulthiertreiber erforderlich, um 100 Centner nach
Beirut zu bringen. In Beirut wurde am Hafen abgeladen, die
Kohle nachgewogen, das selbstverständliche Gewichtsmanco dem
Eselstreiber an seinem kümmerlichen Verdienst abgezogen und
blieb die Kohle am Ufer liegen, bis sie in Barken verladen und
nach Cairo verschifft wurde. Dort sollte sieden Hochofen speisen,
den Mehemet Ali zur Hebung der einheimischen Eisenindustrie
hatte bauen lassen. Ist es an sich zweifelhaft, ob je libane-
sische Kohle nach Cairo kam, so steht dagegen fest, dass nie-
mals mit ihr ein Eisen erblasen wurde. Der ganze libanesische
Bergbau und die egyptische Hüttenindustrie war eine der gross-
artigsten Schwindeleien, mit denen habsüchtige Abendländer den
morgenländischen Despoten beschwindelten. Die Zeche dieses
Schwindels mussten die armen Libanesen zahlen. In den Be-
schwerden der Libanesen über die Bedrückungen, denen das Land
durch Mehemet Ali ausgesetzt sei, steht ausdrücklich in dem an
Soliman Pascha übergebenen Memorandum vom 5. Juni 1839
als Artikel 5: Les mines de charbon de Corneile nous tuent tous
„les ans et beaucoup d'hommes; le gouvernement ne nous paye
»presque pas. On nous arrache nos betes, ou nous force ä trans-
„ porter ce charbon ä Beirout: il est pese au de'part, pese ä l'ar-
„rivee, et on a l'injustice de nous faire payer ä chaque voyage le
»deficit, qui existe constamment, nous ne savons pourquoi."
So spielte diese Kohle in der Geschichte des Libanons eine
20*
— 308 —
Bolle, trug sie doch zu der gährenden Unzufriedenheit mit der
egyptischen Herrschaft bei, in deren Eolge 1840 der blutige
Aufstand ausbrach, dessen Ende die Befreiung des Landes von
Egypten, oder richtiger gesagt, die Eroberung des Landes durch
die Westmächte und die Eückgabe an die türkische Herr-
schaft war. Unter ihr hörte allerdings die Qual des Bergbaues
und Kohlentransportes auf, aber Qualen anderer Art traten an
ihre Stelle, welche 20 Jahre später die Libanesen seufzen Hessen
nach dem abgeschüttelten Joche Egyptens.
■Russegger erlebte übrigens noch das kostbare Ende der
Grube Ain el bed im Jahr 1838. Für die Zeit der Abwesenheit
des leitenden Ingenieurs Brattel, der zugleich den Hüttenbetrieb
in Cairo zu leiten hatte, wurde ein türkischer Kaimakam mit dem
Grubenbetrieb beauftragt. Er sass den ganzen Tag vor einem
der Stollenmundlöcher und rauchte, oder rannte wie ein Be-
sessener mit seinem Pferd von Grube zu Grube. Eine natürliche
Folge der mangelnden Aufsicht war, dass die Kohlenlieferungen
im Gegensatz zu der früheren Produktion zurückblieben. Da liess
Ibrahim Pascha den Kaimakam holen, verwies ihm streng
seine Nachlässigkeit und befahl ihm gerade so viel Kohle zu
liefern als der „Inglese". Der Kaimakam rannte zur Grube zu-
rück und fuhr zum ersten Mal in seinem Leben ein. Da sah
er gleich am Anfang zu seinem Erstaunen eine Menge Kohlen
anstehen, die man nach seinem Erachten vergessen hatte. Es
waren die Sicherheitspfeiler. Keuchend befiehlt er den Arbeitern
die Kohlen wegzunehmen. Gesagt gethan! Die Grube stürzte
zusammen und gerieth in Brand. „Jahrelange Mühe und An-
strengung fiel als ein Opfer des Unverstandes", wie sich Russ-
egger ausdrückt. Wir fügen bei, dass nach unserer Anschauung,
in Anbetracht der vollständigen Werthlosigkeit der Kohle und
der schweren Bedrückungen, welche in Folge der Kohle auf dem
armen Landbewohner lasteten, die Grube auch nichts besseres
verdiente, als einzustürzen und zu verbrennen.
Nach alle dem sollte man es kaum für möglich halten,
dass die libanesischen Kohlen noch einmal eine Eolle spielen
sollten. Allerdings nur als Gegenstand eines Aktienschwiudels,
— 309 —
der in den 1870er Jahren auch in Europa und Amerika nichts
Ungewöhnliches mehr war. Eine Eisenbahn von Beirut zu den
Gruben wird in die Felsen des Nähr Beirut eingehauen; es ist
eine Zahnradbahn, denn ohne diese bewältigt man die Steigungen
nicht, die Bahn ist einzig nur für den Kohlenbetrieb, der in wenigen
Jahren die Millionen decken wird, welche die Eisenbahn kostet.
An solchen Projekten erhitzte sich die Phantasie der Abendländer
und Morgenländer, als ob die Geschichte der 30er Jahre gar
nicht existirt hätte.
Doch kehren wir von diesem Excurs auf dem geschichtlichen
Boden zu dem Pinienwald zurück auf dem Pass zwischen dem
Salimathal und Hamäde, am Fuss des hochgelegenen Drusendorfs
Kornäil mit seiner alten Emirsburg. Steigt man vom Passe
wieder abwärts, so wiederholt sich bei dem Dorfe Bzebdin
(Bseddin bei Eussegger) dieselbe Aufeinanderfolge der Schichten
wie im Hamädethal. Das Kohlenflöz über dem Sandstein und
unter den vulkanischen Tuffen und rothen, eisenschüssigen
Mergeln ist nur 0,20 m mächtig. Seine Höhenlage beträgt
699 m ü. d. M. Noch mehr als bei Ain el bed sieht man hier
die Spuren alter bergmännischer Thätigkeit. Zunächst sind zwei
Stollen auf das Hauptflöz von 0,2 m eingetrieben, die Kohle ist
aber wo möglich noch unreiner als bei Ain el bed und so
schwefelkiesreich, dass sie in den Galerien vitriolisch ausblüht
und die Wasser, welche fusshoch in den Strecken stehen, in eine
vitriolische Jauche verwandelt haben. Die Pfeiler sind schach-
brettförmig angelegt, die Stollen 1,2 m hoch. Um 1 Ctr. Kohle
zu gewinnen, mussten hienach 5 Ctr. todtes Gebirge zu Tage
gefördert werden! Lag dann die Kohle einige Zeit am Tage,
so zerfiel sie zu Staub und Kutter. Ueber dem Hauptflöz wieder-
holen sich noch 2 — 3 Flözchen in den schwarzen Mergeln,
denen gleichfalls metertief ins Gebirge nachgegangen war. Diese
Gänge sind aber jetzt vollständig verstürzt. 40 m über dem
Flöz werden die Mergel tiefroth und bilden verschiedene Sphaero-
sideritbänke, welche das Eisen hätten liefern sollen.
Gegenüber dem alten Grubenbetrieb Ibrahim Paschas
stehen auf der andern Seite der Thalschlucht mehrere Mundlöcher
— 310 —
von Stollen, welche die Eingebornen ausgewühlt haben. Das Flöz
war hier etwas mächtiger, die Gänge 50 cm hoch, also mühlich
genug zu befahren. Von Zeit zu Zeit ist ein Pfeiler stehen
gelassen worden. Die Kohle wird, wie ich hörte, vom Schmid
des Dorfes geholt, der in Ermanglung von Holzkohle mit der
Steinkohle sich behilft.
Russegger war vom Bzebdiner Bergbau weniger entzückt
als von dem zu Ain el bed, doch lobt er die vorzügliche Qua-
lität der Kohlen, welche das obere Flöz von Bzebdin schütte.
Welches er hierunter verstund, konnte ich nicht mehr erforschen,
leider soll es nur l Fuss mächtig im Kohlenletten zu Tage
treten. Sonst führe der Kohlenletten noch mehrere unbauwürdige
Flözchen, welche das Hauptflöz begleiten.
Den dritten Punkt, dessen Russegger Erwähnung thut,
nennt er Mar Hanna el Kenise. Er liegt in der Nähe der
Mündung des Hammänathals in den Nähr Beirut. An dem Steil-
gehänge des Thaies mit seinem beweglichen Gebirge sind die
alten Erdarbeiten heutzutage überrutscht und nahezu spurlos ver-
schwunden. Nach Russeggers Aufzeichnung ist Mar Hanna
geognostisch von derselben Art wie Ain el bed , nur ist die
Kohle noch mehr durch Schwefelkies verunreinigt, so dass sie
zum grossen Theil unbrauchbar ist. Besonders schön sollen die
in Schwefelkies versteinerten Holzstücke sein, welche theilweise
halb noch bituminöses Holz, halb vollständig in Schwefelkies
verwandelt sein sollen. Der Grubenbau war hier mittelst acht
parallel und unmittelbar auf dem Flöz eingetriebener Stollen
eröffnet und wurde pfeilermässig geführt, doch liegt hier der das
Flöz abschneidende Kalkstein sehr nahe und hatte man wenig Feld
vor sich. Das Flöz fällt dem von Ain el bed gerade entgegen-
gesetzt. Grünsteingänge nach Russegger (d. h. der Augitbasaltit
s. 0. Seite 292) verwerfen das Flöz, verändern esaber nicht. Ich
bemerke hiezu nur, dass hier von einer ursprünglichen Lagerung
gar keine Rede mehr ist, sondern hier als am Ende des Hammäna-
thales die Oberfläche ein Bild der Verwüstungdurch die riesigsten
Bergstürze und Verschiebungen gewaltiger Erdmassen darbietet.
Die Geschichte des libanesischen Kohlenbaus berührt glück-
— 311 —
lieber Weise nur die Provinz Metn, wohl nur wegen der
geographischen Lage in der Nähe des Hafens von Beirut. Die
Kohle selbst liegt in derselben Weise wie in Metn auch in den
Provinzen von Kesruwän, Meneteri, Bscherre, Schehär und ganz
besonders Djezzin. Meist liegt sie zu unterst in der Sandstein-
formation, öfter unterhalb der Basaltit-Ergüsse , theilweise auch
über denselben. Am mächtigsten sind die Kohlenflöze im süd-
lichen Libanon in der Provinz Djezzin, wo ich sie bei den Ort-
schaften Zehalta, Snaya, Kerkaya und im Thale des Awali näher
untersucht habe. Horizontale Ueberlagerung der Schichten sucht
man hier vergebens, der Sandstein ist vielfach aufgerichtet, die
Flöze steil einfallend. So liegen z. B. bei Kerkaya über einem
in hora 4'^/4 streichenden Basal titlager in einer absol. Höhe
von 994 m von oben nach unten.
10 m Sphaerosiderite als Zwischenbänke sphärosideritischer
Mergel und Thone
0,5 m gelber und rother Sandstein,
1—1,2 m Kohle,
3 m graue Mergel,
0,3 m Kohle.
Die Flöze fallen in hora 9^2 gegen das Gebirge ein, und im
Liegenden und Hangenden sind sie durch Schwefelkies verun-
reinigt. In der Mitte liefert das Flöz eine gute Kohle , auch
haben Stücke, welche Herr Götzlof vor Jahresfrist dort hatte
ausbrechen lassen, trotz ihrer Aufbereitung im Freien gar nicht
oder nur wenig verloren. Was will aber selbst 1 m Kohle dort
bedeuten, die 20 Kilometer von Saida entfernt ist, ohne Weg
und Steg? Dazu kommt, dass in Kerkaya so wenig als an den
andern Orten auf eine Nachhaltigkeit des Flözes gerechnet
werden darf. In regelmässiger horizontaler Lagerung ist erst der
oenomane Kalkstein, der als ein majestätischer Felsenkranz von
Haidüra bis Attoli über 5 km sich hinzieht als die Krone des
Gebirgszugs 1170 m ü. d. M. Unter dem Felsenkalk fällt in
fürchterlicher Steilheit das Sandgebirge schroff ab bis zum Nivean
der Dorfschaften. Wohl sieht man an der abgerutschten durch-
aus unzugänglichen Steilwand des Gebirgs die schwarzen Kohlen-
— 312 —
streifen zu Tage treten, aber die Steilwände sind unzugänglich
für den menschlichen Fuss. Unten aber im Thal bei den ge-
nannten Dörfern, liegen nur die einst vom Gebirgsmassiv abge-
trennten, losgerutschten Riesenschollen mit den Flözen. Dass auf
solche Trümmer von Gebirge kein geordneter Bau aufgerichtet
werden kann, wird Jedermann einleuchten.
Die Bitumina des Libanon.
Wichtiger als die Kohle ist ohne allen Zweifel das Bitumen ,
das im gleichen Horizont im Liegenden der Sandsteinformation
getroffen wird, wo namentlich im Süden, noch mehr im Südosten
das Bitumen sogar noch in flüssiger Gestalt als rohes Petrol
geschöpft oder als erhärteter pechbrüchiger Asphalt aus der Tiefe
geholt wird. Die Gruben sind am Ostabhang des Djebel ed Dahr,
eines Gebirgs, das als schmaler Rücken zwischen Litäni und
Hasbäni in die Bekäa sich verflacht. Die Thalsohlen des Has-
bäni sowohl als des Litäni gehören der Sandformation an, der
Djebel selbst ist cenomaner Kalk. An dessen Fuss 10 Minuten
nördlich von Kaukaba, 20 Minuten vom Hasbäni (Jordan) ent-
fernt, liegen die Gruben, in welchen ohne alles System ein Raub-
bau auf Asphalt getrieben wird. Die Schächte zerfallen, sobald
sie eine Zeit lang betrieben wurden, denn auf den Einbau ver-
steht sich kein Araber. Zur Zeit sind 2 Gruben offen, an deren
Schachtöffnung 2 Araber einen einfachen Haspel mit einer Strick-
winde besorgen. Die Axe des Haspels läuft in der Gabel eines
Baumstrunkes. Wer Lust hat einzufahren, hängt sich in eine
Schlinge am Strickende und wird in ziemlicher Geschwindigkeit
in die Tiefe von ca. 30 m hinabgelassen. Unten steigt man
auf abschüssiger Bahn in unförmlichen Gängen noch tiefer hinab,
sie sind, je nachdem Asphalt hier vorhanden war, bald weit, bald
eng, die Wände sind glänzend schwarz, von Pfeilern oder Stützen
ist keine Spur. Kommen irgendwo Grundwasser, so weicht ihm
die Arbeit aus und zieht sich einfach den grösseren Massen von
Asphalt nach. Der Araber arbeitet mit der Keilhaue und kurzen
Schaufel, schwatzt mehr als er arbeitet und gewinnt etwa 25 k
— 313 —
in der Stunde , während ein europäischer Knappe leicht das
Zehnfache ausbringen könnte. Unter der Schachtöffnung steht
ein Petroleumfass, das sich allmählig füllt, und dann heraufgezogen
und am nahen Jordan von Weibern in Empfang genommen
wird, um die Stücke zu waschen. Kreidefragraente sind in Menge
eingebacken, von welchen der Asphalt durch Schmelzen der Masse
gereinigt wird. Das Liegende der Gruben istBasaltit und Sand-
mergel, das Gebirge, durch welches der Schacht getrieben ist,
besteht aus Schutt des im Gebirge el Dahr anstehenden Kreide-
mergels und Kreidekalkes; dasselbe wiederholt sich weiter südlich
im Jordanthal, namentlich an den Ufern des todten Meeres, woher
die „Pechbrunnen'* seit ältester Zeit bekannt sind.
Anders vertheilt sich das Bitumen im Hochgebirge au den
schon genannten Orten bei Zehalta und Haidüra. Auf mehr als
1 km Erstreckung steht hier über den Basal tittuffen und unter den
sphaerosideritischen Mergeln eine Dysodilbank an, welche schwer
verwitternd wie die Posidonienschiefer des Lias als ein dunkles
Band aus den Mergeln hervorsteht oder wie im Dorfe Haidüra
selbst als elastischer Boden an den Häusern des oberen Dorfes
zu Tage tritt. Wie altes Schweinsleder oder wie dürre Pappe
steht das merkwürdige Gestein in der Mächtigkeit von 1 m an und
ladet förmlich den Geognosten ein, sich Fetzen aus dem Gebirge
herauszureissen. Der Hammer versagt hier seine Dienste, denn
er springt auf der elastischen biegsamen Masse ab, besser geht
es mit dem Messer oder einem arabischen Dolch, mit dem man
sich nach Belieben grosse Stücke abtrennt oder sie in Blätter
spaltet von der Dicke eines Kartenpapiers. Mit dem Zündholz
entzündet flammt der Schiefer wie ein Kienspahn und verbreitet
einen aromatischen Geruch. Organische Körper sind zuweilen
im Dysodil enthalten und würden sicherer bei längerem Suchen
in grösserer Anzahl gefunden, was in verschiedenen, wenn auch
undeutlich erhaltenen, Exemplaren zu Tage trat; es waren kleine
Fische und Fischreste, wie Flossen und cycloide Schuppen. Bestimm-
bare Eeste sind es nicht, aber die kleinen Fischchen sehen am
ehesten den Clu^jea von Hakel gleich, die freilich einem höheren
Horizont angehören.
— 314 —
Am mächtigsten steht wohl eine Dysodilbank, aber aller-
dings nicht auf grosse Entfernung, zu Tage am Anfang des
romantischen Fidarthales in der cultivirten Ebene Machäda. Die
Ebene gehört den Bewohnern von Etschmetsch, die hier Gerste
und Mais bauen. Das Aneroid zeigte 1269 m ti. d. M. Die
Machäda-Ebene bildet einen der schönsten Gebirgsaufrisse , den
man in Libanon sehen kann, zugleich landschaftlich von unbe-
schreiblicher Grossartigkeit. Die Dolomitberge mit ihren kühnen
Gestalten sind hier förmlich entzweigeborsten (hora IV2), im
Aufriss zwischen den Gebirgsriesen liegt wieder die gelbe Sand-
formation mit den nie fehlenden Basaltiten und Tuffen. Während
das Gebirge ringsum mit uralten Eichen bestockt ist, die wenig-
stens im Fidarthale noch nicht alle ausgerottet sind und während
hier wilde Gebirgsnatur noch herrscht , tritt man mit der Ma-
chäda in ein fröhliches Culturland.
Die Dysodilbank in den Tuffen ist rabenschwarz , blättert
sich nicht so leicht als der Dysodil von Djezzin. Er hat das
Aussehen von Boghead und nahezu auch dessen Fettgehalt.
Glänzend schwarz liegen in ihm Fiederblättchen von Cycadeeu
oder Farren und C^wpea-ähnliche Fische. Leider habe ich die
dort gesammelten Hauptstücke nicht mit nach Europa bringen
können. Sie blieben als Belegstücke in Beirut.
Es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass derartige Dysodil-
lager in Europa ein werthvolles Objekt wären. Sie bilden ein
Material, das ohne grosse Zubereitungen an Ort und Stelle destil-
lirt werden könnte. Der ebenso kenntnissreiche als energische
Ingenieur Herr H. Götzlof, dem ich eine Reihe von Freund-
schaftsbeweisen zu danken habe, hat auf meinen Eath einige
Versuche mit dem Haidüra-Dysodil gemacht, die zu seiner vollen
Befriedigung ausgefallen sind. Er gewann bei 8 in einer eisernen
Retorte gemachten Versuchen 19% flüssiges Bitumen vom Aus-
sehen des Theers. 100 Theile des Theers ergaben ihm
40 Theile Paraffin und 35 Theile Solaröl. Der Paraffin verhält
sich so, dass die eine Hälfte bei 40—48^ C. schmilzt, die
andere bei 54 — 56^^.
Herr Götzlof beabsichtigt nun — die Concessiou Seitens
— 315 —
der hohen Pforte immer vorausgesetzt — in loco das Dysodil zu
Theer zu verarbeiten, wozu die in unmittelbarer Nähe liegende
Kohle, die auf billigste Weise gewonnen wird, sich vortrefflich
eignen würde. Ob die weitere Destillation d. h. die Scheidung
des Theers in Paraffin und Oel, noch im Gebirge oder in einer
englischen Fabrik gemacht würde, dürfte erst später je nach den
Umständen sich entscheiden. Der Transport des Destillats von
Djezzin nach dem 20 km entfernten Saida, der allerdings auf
Maulthieren stattzufinden hätte, dürfte zwar einige Vertheurung
des Materials herbeiführen, aber durch die Billigkeit der übrigen
Faktoren sich ausgleichen.
Die Pflanzenreste, die zwar nicht unmittelbar in der Kohle,
aber im Kohlenschiefer und den nahen Sandmergeln sich finden,
gehören zu Pterophyllum cretosum Gein. Taf. 66, 4. Aus den
Kohlenschiefern von Djebä klopfen sich zum Oeftern einzelne
Wedel und Stängel heraus. Das Geschlecht bestimmt sich sicher,
ob die von Geinitz genannte Art genau dieselbe ist, möchte ich
jedoch mit Sicherheit nicht behaupten. Jedenfalls gehört der
von mir ersammelte Wedel einem jungen Blatt an, das die Grösse
des sächsischen Exemplars noch nicht erreicht hat.
Neuropteris recentior Lindley, so nannte Lindley in
seiner Fossil-Flora eine Neuropteris- Art aus der Kreide , mit
welcher unser gleichfalls aus den Kohlenmergeln von Djebä
stammendes Exemplar übereinstimmt. Das Geschlecht ist bekannt
als ein aus der alten Steinkohlenzeit in die mesozoische, ja selbst
die kainozoische Zeit übergreifendes. Hat doch Sternberg
selbst aus böhmischem Tertiär noch Neuropteris abgebildet.
Von den grossen Holzstämmen, welche, in Schwefelkies ver-
wandelt, in den Gruben von Mar Hanna liegen, war oben die Rede.
In Kerkaya und Snaya, noch schöner in Felügha, fand ich sie
zahlreich und glaubte mit den Nicolienstämmen aus Egypten und
Nubien eine Uebereinstimmung zu finden. Leider gehen diese
Fossile durch rascheste Zersetzung des Schwefelkieses einem
unabwendbaren Schicksal des Verderbens entgegen. Nur ein
einziges Stück aus den grauen Sandmergeln, das mit Bitumen
— 316 —
geschwängert ist, hat sich in Kalkspat verwandelt und könnte
einer näheren Untersuchung unterzogen werden.
Schliesslich bleibt noch übrig, der zahlreichen fossilen Harze
Erwähnung zu thun, welche mit den Kreidepflanzen zusammen-
hängen und in gleicher Weise wie der Bernstein als eine Aus-
schwitzung der harzführenden Hölzer jener Zeit anzusehen sind.
Das Vorkommen ist genau folgendes: In einem alten Schürf,
den vor Jahren Engländer, wie man sagt, auf Kohle gemacht
haben, ist eine Wand frisch abgerutscht und hat man unversehrtes
Gebirge vor sich. Es sind graue Sande, die nach oben, soweit
die Atmosphärilien eindringen, gelb gefärbt sind, wie Lehm-
An der auf 4 m entblössten Wand sieht man 2 Schnüre Sphaero-
sideritknauer in unregelmässiger Linie sich durchziehen. Die
Knauer wechseln in einer Stärke von 5 — 20 cm. Verwittern-
der Schwefelkies steckt da und dort in den Sphaerosideriten.
Theils in den Knauerbänken, theils unmittelbar darüber und
darunter stecken in einer Hülle von Lignit nussgrosse bis faust-
grosse Stücke eines Harzes, das genau wie Bernstein
aussieht. Zerschlägt man die ohnehin bröckeligen Stücke, so
ist man über die Verschiedenheit der Farbe und Beschaffenheit
überrascht, in welcher der Bernstein auftritt. Die meisten sind
honiggelb, glänzend mit Glasbruch, andere sind lichtgelb, schwefel-
gelb, fast weissgelb. Die letzteren werden am liebsten opak,
wolkig, schliesslich ganz undurchsichtig wie Bein. Wie zu den
— 317 —
lichten Farben geht das Honiggelb auch zu roth und braun über,
erhält die Farbe von Carneol und in eigenthümlicher Strahlen-
brechung, die mit feinen Rissen im Innern zusammenhängen mag,
wie von Aventurin.
Der erste, der des Bernsteins Erwähnung thut, ist Russ-
egger (II, 780), er sagt, dass Bernstein unter die selteneren
Beimengungen der Kohle gehöre und zum Theil in beträchtlichen
Stücken und in grosser Reinheit der Pechkohle eingesprengt sei.
Der Ingenieur Brattel gab ihm ein paar schöne Stücke dieser
Art. Ohne Zweifel liegen die Stücke heute in der Russegger-
schen Sammlung in Wien.
Ich kann dem nur beifügen, dass man die Beimengung des
Bernsteins nicht einmal eine seltene nennen darf. Es ist ganz
gewöhnlich, so dass man, wo nur gerade der Horizont ansteht, sich
ohne Mühe die Taschen füllen kann. Stets liegt er in kleinen
Geoden oder Kuchen. Faustgrosse Stücke sind allerdings seltner,
aber kleinere von einigen Centimeter Durchmesser um so häufiger.
Die chemische Untersuchung der libanesichen fossilen Harze
hat bereits verschiedene Gelehrte in Bewegung gesetzt. Auf-
fallender Weise stehen die Resultate einander schroff gegenüber.
K. John (Verhandl. der K. K. geol. Reichsanstalt II, 1876)
fand 1) in den durchsichtigen gelben Harzen die ehem. Formel
für Bernstein C 10 H 16 0 nehmlich C 80,75
H 10,02
0 9,23
bei trockenör Destillation erhielt er ein wässeriges Destillat, das
bei weiterem Erhitzen ein braunes in Alcohol vollkommen lös-
liches Oel und als Rückstand ein schwarzbraunes Kolophonium,
das dem Bernsteinkolophonium sehr ähnlich sieht und mit Ter-
pentinöl einen glänzenden schön schwarzen Firniss gibt. Bern-
steinsäure wies er deutlich nach, Schwefel 0,36^/o. Auch das
gelbbraune, matte und an den Kanten durchscheinende Harz ver-
hielt sich ebenso, während das braunrothe bis hyacinthrothe Harz
sich als Schraufit herausstellte C 11 H16 02
nehmlich C 72,22
H 8,73
OJ9.05.
— 318 —
Von Bernstein unterscheidet sich Schraufit durch die An-
wesenheit von Ameisensäure neben der Bernsteinsäure und
0,560o Schwefelgehalt.
Ganz verschieden von diesem Resultat ist das von Ph. Le-
bert^^ aufgefundene, das er mir brieflich mitzutheilen die
■^8 Ein Stück Ostseebernstein wird fein gepulvert, in eine Retorte
gebracht und in der Gasflamme trocken destillirt. Nach einigen
Minuten entwickeln sich viele Dämpfe, welche theils an den Wänden
des Retortenhalses, theils an denen des angesetzten Kolbens eine gelbe
Substanz in feinen nadeiförmigen Stücken und in gelben öligen Flecken
absetzen. Das Destillat wird gesammelt, ein Theil wird mit Wasser
verdünnt, mit etwas Ammonik neutralisirt und mit Eisenchlorid um-
geschüttelt. Es bildet sich ein rothbrauner Niederschlag, welcher
beim Schütteln an den Wänden des Reagensgläschens viele rothbraune
Stückchen, für bernsteinsaures Eisenoxyd charakteristisch, absetzt.
Ein anderer Theil des Destillats wird mit Wasser verdünnt. Eine
hellgelbe ölige Flüssigkeit tritt in der Reagensröhre an die Oberfläche.
Die Flüssigkeit wird nun mit Aether umgeschüttelt. Nur langsam
klärt sich die weissliche Emulsion, und das obere in Aether gelöste
Bernsteinöl wird mit einer langen Pipette abgeschöpft. Diese Operation
muss zweimal wiederholt werden, bis sich die Emulsion ganz geklärt
hat. Die Flüssigkeit wird nun in einer Schale rasch verdunstet und
gibt am Ende der Verdunstung den der Bernsteinsäure eigenthümlichen,
höchst scharfen, stechenden, zum Husten reizenden Geruch. In den
letzten Tropfen sieht man Nadeln schwimmen. Das nach vollständiger
Verdunstung bleibende weissgelbe Pulver wird als reine Bernsteinsäure
gesammelt und zeigt unter dem Mikroskop die schönen orthorhom-
bischen Krystalle der Bernsteinsäure.
Der Libanonbernstein verhält sich bei ganz analoger Behandlung
verschieden. Die gelben und durchsichtigen, äusserlich dem Bernstein
ähnhchen Stücke werden behufs der trockenen Destillation fein ge-
pulvert. Das Pulver ist weissgrau. Beim Erhitzen quoll es rasch
auf, so dass der obere Theil der Retorte sich verstopfte und erst in
Folge starker Erhitzung an dieser Stelle wieder frei wurde. Bei
starkem Erhitzen und vollständigem trockenen Destilliren entweichen
zwar auch viele Dämpfe, aber weder die hellen krystalloiden Frag-
mente noch die ölartigen Tropfen setzten ;sich an den Wänden an.
Das Destillat ist dunkler, trüber, harzartiger als beim Ostseebernstein
und verbreitet einen eigenthümlichen höchst unangenehmen Geruch,
den man beim Verbrennen des Ostseebernsteins gar nicht wahrnimmt.
— 319 ~
Freundlichkeit hatte. Hienach wäre das Harz ein Harz ohne
Bernsteiusäure, folglich kein Bernstein.
Am eingehendsten hat wohl Prof. Dr. Bronn er von hier
seine Untersuchungen über denselben Gegenstand gemacht (Württ.
naturw. Jahreshefte 1878, pag. 81). Nach H. Bronner ver-
hält sich in erster Linie das specifische Gewicht der fossilen
Harze ähnlich schwankend wie auch das des Ostseebernsteins.
Die honiggelben und goldgelben Stücke zeigen 1,055 bis 1,058,
die orangefarbigen 1,088, die braunrothen 1,118. Die letztere
Varietät wurde zunächst der Analyse unterworfen und ergab
etwas abweichend von John die Formel 0 8 H 16 0 oder
0 75,0 H 12,5 0 12,5. Mit Schraufit hat das Libanonharz
nur äussere Eigenschaften gemein, die es ihm ähnlich machen.
Dagegen fand Bronn er bei Untersuchung der honiggelben, dem
Ostseebernstein ähnlichsten Varietät im Kohlenstoffgehalt eine
Uebereinstimmung mit dem braunrothen Harz, während der Wasser-
stoffgehalt geringer, der Sauerstoffgehalt aber grösser ist. Man
könnte sich daher diesen Körper durch direkte Oxydation aus
jenem entstanden denken, wobei nur ein Theil des Wasser-
stoffs als Wasser ausgetreten wäre. Obgleich nun aber in beiden
Varietäten Bernsteinsäure sich nachweisen lässt, so weicht doch
der Bernstein der Ostsee in seiner Zusammensetzung ab. Der
Die Eisenchloridreaktion mit dem Destillat gibt ein durchaus negatives
Resultat: Es bildet sich nehmlich kein bernsteinsaures Eisenoxyd.
Ebenso zeigt das Verbrennen eines Theils des Destillationsproduktes
die Abwesenheit des stechenden, scharfen, zum Husten reizenden Ge-
ruchs. Nun wird ein anderer Theil des Destillationsproduktes mit
Wasser und Aether geschüttelt. Die aufsteigende Flüssigkeit ist trübe,
bräunlich und wird mit der Pipette abgeschöpft. Nun bleibt eine
wasserhelle Flüssigkeit, welche rasch verdunstet weder den Geruch
noch die Krystalle von Bernsteinsäure bildet.
Ein anderer Theil neu bereiteten Destillats wird langsam und
mehrtägig auf Schwefelsäure verdunstet, ergibt aber auf Bernstein-
säure stets ein negatives Resultat. Die Frage nach den Bernsteinen
der alten Phönizier wird engültig nur durch chemische Untersuchung
der alten Bernsteinreste entschieden werden können.
Basel, 14. August 1876. Lebert.
— 320 —
grösste Unterschied aber besteht in der Sprödigkeit und Zer-
brechlichkeit der Libanonharze. Sie können weder gefeilt noch
gedreht werden wie der Ostseebernstein, mit Ausnahme kleiner
Stücke, die zu Perlen gedreht oder verschliffen werden könnten.
Ob diess nicht im unverritzten Gebirge sich ändert? Gr. Götzlof
constatirte zwar, dass er beim Nachgraben festen und zusammen-
hängenden Bernstein gefunden habe, faustgrosse, glasharte Stücke,
die an Dauerhaftigkeit dem baltischen nichts nachgeben, aber in
Wahrheit werden nur praktische Versuche hierüber entscheiden.
Es liegt natürlich sehr nahe, die uralte phönizische Bern-
steinindustrie ihren Anfang im phönizischen Bernstein machen zu
lassen. Denn es geht offenbar zu weit, die „kunsterfahrenen
sidonischen Männer'*, welche die Bernstein-Colliers den Griechen
brachten, erst durch die Strasse von Gibraltar und dann durch
den Canal und das Kattegat zu den mitternächtlichen Kimmeriern
fahren zu lassen, um dort ein Material zu holen, das vor den
Thoren von Sidon zu finden war.
Turonbildungen.
3. Die Gasteropodenzone von Abeih.
So nennen wir die Zone zwischen den Sauden und der
harten Hippuriten-Kreide, welche angefüllt ist mit Gasteropoden.
Tritt die Zone in harten Kalkbänken und Dolomiten, auf wie z. B.
am Chan Schamür, so ist keine Möglichkeit, erkennbare Fossile
zu erlangen. Man sieht nur an den der Verwitterung ausgesetzten
Felswänden den Eeichthum von Schalthieren, welche den Fels
zusammensetzen. Sobald jedoch, wie zu Abeih, die Fossile in
der Mergelbank liegen, so tritt eine Fülle der schönsten Gastero-
poden zu Tag, die an die Apt-Mergel Frankreichs erinnern.
Ein Profil beim Chan Schamür zeigt von oben nach unten
3 m Nerineenmarmor, verarbeitungsfähig,
2 m splitterge Kalkbank mit Cerithien und Turritellen,
3 m Zwischenbank von gelben Mergeln mit Austerntrümmern,
. 3 m gelber harter Dolomit,
— 321 —
1 m gelbe Mergel mit Austerntrümmern,
4 m gelber Sand,
44 m rother und gelber eisenschüssiger Sandstein.
Um Abeih ist es der gleiche Horizont, wie am Khan.
Nur sind es hier glücklicher Weise die gelben Mergel, in welchen
die Fossile liegen, aus denen durch Verwitterung die wohlerhal-
tenen Gasteropoden zu Tage treten. Die amerikanische Mission
hat eine Filiale in Abeih und gibt den dortigen Schulkindern
Anleitung zum Sammeln , so dass im College in Beirut ein
staunenswerther ßeichthum der schönsten Fossile von dort gesehen
werden kann. Wir nennen die wichtigsten :
Turritella Seheni Lartet pl. IX, Fig. 9. Lartet hat diese
leicht erkennbare, an miocäne Turritellen erinnernde Art im Osten
des todten Meers im moabitischen Gebirge gesammelt. Da auch
dort Sandstein auftritt, so zweifle ich nicht, dass auch derselbe
Horizont sich findet. Fundort Abeih.
Actaeonella Ahsalonis Fraas. A. d. 0. pag. 96, Taf. 1,3.
Die Muschel wurde damals irriger Weise als Phasianella
betrachtet, indem an dem Exemplar aus dem Wädi el-djöz bei
Jerusalem als einem blossen Steinkern keine Spindelfalten zu
sehen waren. Die Exemplare von Abeih, siehe Taf. VIII, Fig. 9
welche mit der Schale ganz vortrefflich erhalten sind, zeigen
deutlich 2 Spindelfalten. Die Grösse der Muschel wechselt zwischen
30 und 50 mm und dürfte keinen weiteren Arten-Unterschied
begründen.
Die gewöhnlichste Muschel in Abeih.
Globiconcha Lewisii Fraas Taf. VIII, Fig. 5 a und b.
D ' 0 r b ig n y hat dieses Kreidegeschlecht in seiner Palaeontol.
franf. pag. 143 aufgestellt für Gasteropoden, die zur Gruppe
der Binguicula und Avellana gehören. Eine Muschel von 23 mm
Länge mit zarten Längsstreifen und noch zarteren Querstreifeu
versehen und einem inneren Canal. Die Windungen, 3 — 4 an
der Zahl, sind vertieft und nabeiförmig eingedrückt, wodurch die
Muschel ein höchst eigenthümliches Aussehen gewinnt.
Ich habe die Muschel dem um Abeih so verdienten Rev.
Dr. Lewis zu Ehren benannt.
WUrttemb. naturw. Jahreihefte. 1878. 21
— 322 —
Sehr selten zu Abeih.
Natica syriaoa Conrad Off. Rep. 12,70. Eine riesige Art,
die schon wegen ihrer Grösse Niemand entgehen kann: man
glaubt die bekannte AmpuUaria gigas Stromb. vom Kahlberg in
Braunschweig vor sich zu haben. Es gibt Exemplare, welche
die Grösse von 20 cm überschreiten, die von mir gesammelten
messen 13 cm D., die an sich schon dicke Schale und die aus-
füllende Kalkmasse empfehlen sich dem Sammler wegen ihres
Volums sowohl als wegen ihres Gewichts nicht sehr, zumal wenn
an den steilen Berghalden der Steiusack von Menschen getragen
werden muss. Die Muschel ist mit groben Anwachsfalten ver-
sehen, die aber nur auf dem letzten Umgang zu Tag treten.
Die Windung ist mehr oder minder erhaben. Fundort: Abeih,
Hamäde, BärükthaL Vorkommen gewöhnlich.
Natica patulaeformis ¥rsi3LS Ta.f. Ylll, Fig., 7. Eine Natica,
welche der tertiären Natica patuIa-T>ish. aus dem Pariser Eocaen
so nahe steht , dass sie wegen dieser Aehnlichkeit ihren Namen
erhielt. Die Länge der Muschel beträgt 25 mm, die Breite über
den Mundsaum 29 mm.
Nach d'Orbigny sind alle Formen, die in Sigaretus, Crypto-
Stoma u. a. auseinander gehalten worden sind , unter dem Genus
Natica vereinigt. Andere würden für diese Art vielleicht den
Geschlechtsnamen Cryptostoma vorziehen. Fundort Abeih.
Natica olivae Frans ist länger als breit, im Gegensatz zu
der voranstehenden Muschel. Ihre Länge beträgt 30, ihre Breite
18 mm. Dadurch erhält sie die Form einer reifen Olive, wess-
halb ihr Name. Nächst verwandt mit olivae sind die Arten
extensa Sow. und pungens Sow., welche Geinitz auf Taf. 54,
Fig. 14 und 15 abgebildet hat. Fundort Abeih.
Nerita ovoides Geinitz Taf. 57, Fig. 4. Ein kleines schiefes
Ei von 10 — 18 mm stimmt mit dem Vorkommen im unteren
Pläner bei Plauen. Fundort: Abeih.
Neritopsis ornata Fraas Taf. VIII, Fig. 6. Die Art würde
mit Neritopsis nodosa Geinitz 54, 19—23 stimmen, wenn auf
dem letzen Umgang die charakteristische Zeichnung wahrzuneh-
men wäre. Statt derselben sieht man nur eine einfache Zeich-
— 323 —
uuüg von Falten, die sich auf der Nabtlinie des letzen Umgangs
selbst bis zu kleinen Knötchen erhebt. Fundort: Abeih.
Pileolus pUcatus Geinitz 57,11 ist etwas grösser als die
von Geinitz beschriebene Art aus dem unteren Pläner von Plauen,
denn sie misst bis zu 10 mm, während die sächsische Art nur
4 mm gross werden soll. Fundort: Abeih.
Fhasianella gaultiana d'Orb. pl. 187,3 zeigt wie die
französische Art von Maurepaire im Dep. Aube nur eine schwache
Andeutung von Schalenstreifung. Fundort: Abeih.
Turho Ilartinianus d'Orb. pl. 184, 4 — 7, charakteristisch
durch die doppelte Knotenreihe, welche über die Windung lauft.
Die Form stimmt mit der französischen Gaultform. Fundort: Abeih.
Turho Gaupilianus d'Orb. p. 185, Fig. 7 — 10. Die franzö-
sische Form ist aus der untern chloritischen Kreide von le Maus
(Sarthe) und stimmt mit der libanesischen.
Turho Benauxianus d'Orb. pl. 186,4, ist mit einer Reihe
Perlen besetzt und stimmt gleichfalls mit der französischen Art
aus der Vaucluse überein. Fundort: Abeih. (Rev. Dr. Lewis.)
Turho Moreli Fraas Taf. VIII., Fig. 8 zeichnet sich vor den
beiden franz. Arten durch einen scharfen Kiel aus, der zwischen
2 Knotenreihen auf der letzten Windung hinläuft, sonst stimmt die
Art in Form u. Grösse mit T. Martinianus. Ich verdanke diese schöne
Muschel Herrn Morel Effendi, der sie von Abeih erhalten hat.
Pleurotomaria Matheroniana d'Orb. 201,1 eine franzö-
sische Art aus dem chloritischen Quarzsand von Cassis, Bouches
du Rhone, jeder Umgang ist mit 4 zierlichen Perlenbänderu ver-
sehen. Die Uebereinstimmung mit dem syrischen Vorkommen
ist genau. Fundort: Abeih.
Pleurotomaria simplex d'Orb. pl. 194 nur in einem Steinkern
vorhanden, den mir Herr Lewis übergeben hat. Ein besonderer
Werth ist übrigens auf diese Art nicht zu legen. Fundort: Abeih.
JRostellaria Bustemi Fraas Taf. VIII., Fig. 4. Diese schöne
und charakteristische Art von 25 mm Länge zeigt von oben
gesehen 7 tiefe von der Spitze auslaufende Falten über die
8 Umgänge. 10 zierliche Perlenbänder ziehen sich quer über
die letzte Windung, die Hälfte derselben ist bei den voran-
21*
— 324 —
gehenden Windungen je durch die nächstfolgende gedeckt. Ich
gebe den Namen zu Ehren des hochgebildeten Gouverneurs vom
Libanon Rustem Pascha. Fundort Abeih.
Bostellaria Bequieniana d'Orb. pl. 209 Fig. 4, eine fran-
zösische Art aus dem Gault der Vaucluse, welche mit dem liba-
nesischen Vorkommen stimmt. Fundort: Abeih.
Nerinea longissima Reuss Taf. VIII., Fig. 3. Gehören die
Nerineen an und für sich schon zu den gemeinsten und verbrei-
tetsten Schnecken Syriens, so ist es namentlich die vielgewundene
schlanke Nerinea longissima^ die ich nach Reuss aus dem Hippu-
riten-Marmor von Jerusalem (A. d. Orient I. pag. 98) genannt
habe zu den häufigsten Funden in allen über dem Sandstein
liegenden Schichten. Auf der Tafel wurde die gewöhnlichste Form
noch einmal abgebildet , die , sobald über dem Sandgebirge
Kalke oder Mergel sich einstellen, nie vergeblich gesucht wird.
Ich traf Stellen, z. B. bei Etschmetsch im Fidarthal, wo die erste
gelbe Bank über dem Sandstein, auf welcher das Dorf steht und
aus dieser Nerinea besteht. Höchstens, dass noch etwa Heter-
aster oblongus daneben sich findet. Auch L artet hat die Art
(Geol. d. 1. Palestine pag. 40) angenommen. Im Uebrigen fürchte
ich mich, dem grossen Heer schlanker, vielfach abgerollter und
glatt gescheuerter Nerineenschalen Namen zu geben. So ist
möglicher Weise Ner. Schikii Fraas Taf. 1, Fig. 11 (I. Theil)
von Ner. longissima nicht verschieden. Eine Reihe der schlanken
Formen sieht zwar glatt aus , aber an der Spitze der Schnecke
beobachtet man doch wieder Rippung und Knotuug. Umgekehrt
gibt es Nerineen, die wie gemmifera Lartet, zu welcher L artet
auch Ner. mammillae zählt, an der Spitze wie longissima anfangen
und später eingesenkte Windungen erhält. Eine dieser Formen
von Abeih habe ich Taf. VIII. Fig. 2 abgebildet.
Sämmtliche drei Formen zeigen 1 äussere Falte und 3
schmale innere Falten, woran man bei durchgeschliffenen Exem-
plaren den Typus alsbald wieder erkennt.
Nerinea Bequieniana d'Orb. pl. 163, Fig. 1 — 3, eine in
der chloritischen Kreide Frankreichs ganz gewöhnliche Art,
welche wir in diesem Horizonte wieder finden. Fundort Abeih.
— 325 —
Cerithium jirovinciale d'Orb. pl. 233, Fig. 3. Auch bei
dem Geschlecht Cerithium wiederholt sich Aehnliches wie bei
Nerinea. Es existiren vorherrschende Typen kurzer stark ko-
nischer Schnecken, die in verschiedenen Formen der glatten,
schwach gerippten, geperlten und schliesslich mit Dornen be-
waffneten Individuen auftreten , alle aber dieselbe Grösse und
denselben Habitus zeigen. L artet kennt sie auffälliger Weise
nicht. Wir nennen den Typus nach d'Orbigny Cerithium provin-
ciale und bilden 4 Subspecies ab, Fig. 10 — 13. Der französische
Typus stammt aus der Gegend von Marseille, er ist, wie es
scheint, bezeichnend für die mittelmeerische Kreideformation.
1. Fehlt im Libanon die ächte französische Form nicht mit
starken Falten, die auf jeder Windung fast zu Knoten an-
schwellen. Die Mundöffnung ist trorapetenförmig erweitert und
zeigt den ächten Cerithium-Mund.
2. Die glatte Form, provinciale nudum^ Taf. VIII, Fig. 13.
Falten und Rippen sind so gut wie verschwunden.
3. Das nächste ist, dass der letzte Umgang zwar glatt
bleibt, die oberen Windungen dagegen leichte Falten zeigen, es
wäre provinciale plicatum Taf. VIII, Fig. 12.
4. Die Falten werden zu einer Reihe einzelner unterscheid-
barer Höcker und Knoten provinciale pustulosum Taf. VIII, Fig. 11.
Als Cerithium pustulosum hat d'Orbigny pl. 233,4, eine seltene
Form aus der chloritischen Kreide von Soolage beschrieben, die
sich auch in der Gosau finden soll.
5. Die extremste Form ist Taf. VIII, Fig. 10 abgebildet,
provinciale armatum, wobei die Knoten zu förmlichen Dornen an-
schwellen und der Art allerdings eine Gestalt verleihen unter der
man die glatte Varietät nicht mehr erkennt.
Weitere Cerithienformen lassen sich grösstentheils nach
europäischen Vorkommnissen bestimmen, so
Cerithium Cornouelianum d'Orb. pl. 228,10 aus den Apt-
mergeln von Grange-au-Ru in der Haute-Marue. Abeih.
Cerithium exavatum d'Orb. 230,12, aus dem Gault von
Perte du Rhone. Abeih.
— 326 —
Cerithium ervynum d'Orb. 230,1. Im oberen Gault von
Ervy (Aube). Abeih.
Cerithium trimonile d'Orb 230,10, ist bezeichnend für Gault,
findet sich an vielen Orten Frankreichs häufig. Abeih.
Cerithium Matheroni d'Orb. pl. 232, Fig. 7, aus der chlori-
tischen Kreide von Allauch (Bouches du Rhone). Abeih.
Cerithium margaretae Geinitz 60,5, aus dem unteren Pläner
von Plauen. Abeih.
Cerithium dbeihense Fraas. Mit diesem Xamen nach dem
köstlichen Fundplatz Abeih möchten wir schliesslich eine Cerithien-
form bezeichnen, die sich an die beiden vorangehenden Species
Matheroni und margaretae anschliesst und durch eine doppelte
Perlenreihe auszeichnet, am oberen und am unteren Saum der
Windung. Länge der Schnecke 32 mm. Fundort Abeih.
Trigoma crenulata Lamk. d'Orb. pl. 295. Während von
dem Typus des Tr. syriaca in unserem Horizont nichts mehr
gefunden wird, ist dagegen die ächte crenulata hier zu Hause,
von einer Uebereinstimmung mit den europäischen Formen, dass
sie geradezu als Musterexemplare dieser Art gelten können.
Sie beschränkt sich jedoch nicht blos auf diesen Horizont, sondern
zieht sich noch weiter hinauf in der mittleren Kreide.
Astarte formosa d'Orb. 262,10. Fundort Abeih.
Protoeardium hillamim Sow. 14,1. Schon im I. Theil,
Aus dem Orient pag. 91, würde auf die Wichtigkeit dieser ausser-
ordentlich verbreiteten Kreidemuschel hingewiesen, die in Texas
ebenso wie in Indien (Anapaudy in
Südindien), in Europa wie in Syrien
zunächst den Horizont der ceno-
manen Kreide festhielt. Die ge-
i:\ wohnlichste Form, in welcher die
*'J Muschel gefunden wird, haben wir
auf dem nebenstehenden Holzschnitt
mitgetheilt. Nach Sowerby ist
die Muschel ein Cardium^ indessen hat Beyrich den rund-
lichen Manteleinschlag, der auf den Steinkernen zu Tag tritt,
als bezeichnend für das Genus Protoeardium nachgewiesen und
— 327 —
folgen wir hiernach dieser Bestimmung. Auch L. L artet (1. c.
pag. 53) ist mit mir einverstanden, dass die vielerlei Namen,
welche namentlich im offic. Report der Muschel gegeben worden
sind, nur als Synonym von hillanum anzusehen sind. Im üebrigen
findet sich die Muschel gleich der vorangehenden Trigonia crenu-
lata Lam. in sehr verschiedenen Horizonten. Das Vorkommen
im Osten des todten Meeres und zu Nebi Müsa im Jordanthal,
welches L artet erwähnt, und das ich durch Zusendungen des
H. Kersten bestätigt finde, scheint übrigens dem gleichen
Horizont wie zu Abeih anzugehören. Aus der weissen Kreide
von Bethanien und dem Mons Scopus hat sie Herr Schick
mehrfach gefunden.
Cardium (Cardita) crehri-echinatum Conr. Es thut Noth
den Conrad'schen Namen, unter welchem Steinkerne ganz ver-
schiedener Art zusammengefasst sind, zu fixiren. Wir wählen
hiefür die unter off. Rep. 41 — 43 aufgefasste Form, die, ob sie
gleich eher eine Cardita zu sein scheint als ein Cardium, den
Namen crehri-echinatum am ehesten verdient, denn die Schale ist
gleich der eines Echinus mit zahlreichen Stachelwärzchen über-
deckt, cf, I. A. d. Orient, pag. 91. Fundort Abeih.
Von Bivalven erwähnen wir noch Pinna decussata Gf. 128,
1 und 2, gleichbedeutend mit P. compressa Fig. 4. Diese Art,
die vom untern Quader bis in den Plänerkalk reicht, hat Geinitz
pag. 212 so eingehend beschrieben, dass Nichts mehr beizu-
fügen bleibt.
Gervilia aviculoides Defr. d'Orb. pl. 397, mit 7 Schloss-
rinnen von Abeih.
Panopaea mandihula d'Orb. pl. 369,3. Abeih.
Astraea corollaris Reuss IX, 1 und 2, ist sehr bezeichnend
und erinnert auf den ersten Blick an die Gosau. Der Polypen-
stock bildet eine unregelmässige Knolle von 20 mm Durchmesser.
Die Sterne sind mit einem erhabenen runden Rand eingefasst,
die Zwischenräume zwischen den ganz unregelmässig sitzenden
Sternen gestreift. Fundort Abeih.
Endlich theilte mir Rev. R. Lewis noch mit Cladocora
Simonyi Reuss XII, 5 und Calamophyllia fenestrata Reuss V, 20,
— 328 —
letztere in dicht gedrängten Büscheln von 2 mm Durchmesser.
Beides sind Gosau-Corallen. Fundort Abeih.
4. Die Cardiumbänke.
Sobald wir über die Sande und Sandmergel hinangestiegen
sind, stehen wir vor einer Bank, mit welcher deutlich eine neue
Formation beginnt. Wir bezeichnen am entsprechendsten die nun
folgende Gruppe als die braune Kreide des Libanon,
denn unter dieser Farbe tritt sie im Norden wie im Süden auf.
Die erste Bank, die in der Eegel den gewaltigen in die Augen
springenden Gebirgsabsatz bildet, ist eine Bank voll Cardien,
leider nur Steinkerne, aber diese in einer Menge und Grösse,
dass man mit Fug und Recht von einer Cardiumbank redet,
welche die neue Stufe der grossen Formation ankündigt.
Man erkennt die Bank sogleich, mag sie in der normalen
Aufeinanderlagerung des Gebirgs auftreten oder in dem ver-
stürzten, oftmals auf dem Kopf stehenden Gebirge, wie es nament-
lich gegen Westen abfällt. Im letztern Falle steht die Bank
wie eine Cyclopenmauer vor uns und lässt in der That auf den
ersten Anblick zweifelhaft, ob die Mauer, die vor uns steht, eine
von Natur aufgerichtete Bank, oder von Menschenhand also ge-
fügt sei.
Die Schichtenflächen stehen in diesem Fall vertikal aufge-
richtet , die Vertikalklüfte aber liegen in der Horizontale. • An
den Eändern abgewittert sehen sie wie roh gefügte Mauerblöcke
aus. Steigt man z. B. von Baabda an gegen Westen aufwärts,
so gelangt man auf der ersten Höhe, die man erreicht, in der
Nähe des Chans Schamür, vor die Cardienmauer. Sie steckt voll
Steinkerne, unter welchen Cardnim vorherrscht. Seltener sind
Steinkerne von Pholadomyen und Trigonien und die riesigen
Kerne einer Natica und Pterocera, Dieselbe Beobachtung macht
man bei Dakün und Bawirte, wenn man über 2 Terrassen von
löcheriger, dolomitischer Kreide zur dritten Terrasse gelangt ist,
auf welcher 528 m hoch zwischen Oelbäumen und Feigenbäumen
das freundliche Dorf Bawirte liegt. Die Fläche der Terrasse
— 329 —
ist mit Getreide angebaut; deren Ende bildet wieder die Cyclopen-
mauer mit Cardium , von wo ein Steilabfall von nahezu 400 m
in eine Sandsteinschlucbt führt, gelb, roth und grau, reich an
Wasserquellen, die Oberfläche mit Pinien bestockt. Rothe Schal-
erze sind an der Grenze häufig, theilweise mit Hohlräumen von
Protocardien und Trigonien. Am verbreitetsten ist der Cardium-
horizont in der Provinz Djurd und Arkiib; als aufgerichtete
Steilwand zieht die Bank durch das Schuf in das Djezzin, um
schliesslich in der Gegend von Djebä zu verschwinden.
Der nachstehende Holzschnitt ist ein typisches Bild der
Schichtenverhältnisse zwischen der Saudformation und den Cardium-
Bänken. Es stellt ein Stück Landschaft dar bei dem Dorf Ker-
kaia im Bezirk Djezzin mit dem Berg Rümi im Hintergrund.
Der Aneroid zeigte 994 m ü. d. M. Die Sandformation ist
durch die Pinienbestände bezeichnet, die sich, ob auch mager
genug, hier wie allenthalben nur auf dem Sand finden. Die
Cardium-Bänke zeigen einen Aufriss und sind rechts und links
von dem Aufriss dieselben. An Grotten und Höhlen fehlt es auch
hier nicht
Leider stellen sich der specifischen Bestimmung der Car-
dien, die nur als Steinkerne vorkommen, unüberwindliche
Hindernisse entgegen. Tausende solcher Kerne liegen am Weg
— 330 -
und auf den Feldern, dass sich Wagen belasten Hessen, aber
vergeblich sieht man sich nach Stücken um, an denen noch ein
Schalenstück oder Schlosszahn sichtbar wäre. Wir sind daher
schliesslich vom Versuche, die Steinkerne zu nennen, ganz abge-
standen.
Protocardien setzen aus dem unteren Horizont (s. d. Holz-
schnitt p. 326) durch; obgleich die Schaleneindrücke auf den
Steinkernen verschwinden, sieht man doch noch an dem einen
und andern Stück die radiale und concentrische Streifung, dess-
gleichen die gestachelten Cardien {crehri-echinatum Conr.), obgleich
die Stacheln fehlen. Eine grosse Anzahl Steinkerne gehört ferner
zu Isocardia, die man an den Muskelansätzen und dem schma-
len randlaufigen Muskel-Eindruck erkennt. Andere gehören zu
Cardita, wieder andere zu Cyprina.
Etwas besser ist man mit den Myen daran, deren Stein-
kerne stets die ausnehmend zarte und dünne Schale wiedergeben.
Fhöladomya EsmarMW\\&. hat Mösch (Monogr. d. Pholadomyn
pag. 101) als einen Haupttypus für Pläner aufgestellt, der wohl
allenthalben im entsprechenden Horizonte sich findet. Sie ist
im Djurd der treue Begleiter der Cardien und charakteristisch
für die braune Kreide von Bhamdün, Btetir, Kuweissät u. s. w.
Man thut vielleicht wohl daran, Phol. Marrotiana d'Orb. pl. 365,1
und Fhol. eleganta d'Orb. pl. 362 mit der genannten Art zu
vereinigen. Auch Phol, pedernalis Rom., zuerst in Texas von
Römer gefunden, erkennt man wieder. Andere Steinkerne mögen
einer Gresslya angehören. Man fasst diese und eine Reihe
ähnlicher Myenformen am einfachsten zusammen als Myacites
syriacus.
Trigonia sind gleichfalls zahlreich im Horizont der Cardien,
aber die Art wechselt. Jetzt ist es Trigonia inornata d'Orb.,
pl. 297, Fig. 6 — 8 mit sehr schmaler Area und einfachen con-
centrischen Falten statt der Rippen.
Zugleich treten hier zahlreicher die Rudisten auf und zwar
zunächst Hippurites Lewisii Fraas Taf. VII, Fig. 5 a und b.
Wohl hat d'Orbigny eine sehr ähnliche Form üadiolites angu-
losa pl. 562,5 genannt, doch ist das Gefüge der Schale und deren
— 331 —
Struktur ein wesentlich verschiedenes, das für ächten Hippuriten-
charakter spricht. Man erkennt die Muschel alsbald an dem
glatten Aeusseren im Gegensatz zu den späteren ßudisten mit
krauser Schale. Die Unterschale ist länger als breit, 2 grosse
ovale Schloss-Eindrücke fallen sogleich in die Augen. Exemplare
mit aufsitzender Oberschale sind mir leider nicht bei der Hand,
2 tiefe Falteneinschläge, die der ganzen Unterschale entlang gehen,
falten sich einem scharfen Winkel (5, b). Fundort: Aiu Anüb.
Heteraster d'Orbigny (Toxaster) oblongus Ag. Desor.
Sgn. XL, Fig. 8 und 9 hat in dieser Region sein Hauptlager.
Milde gelbe Thone liegen im Wädi Andara (östliches Quellthal
des Damür) über den linsenförmigen Eisenerzen, aus denen
tausende dieser zierlichen Seeigel ausgewittert auf dem Felde um-
herliegen. Palaeontologisch ist hier nichts beizufügen.
Quenstedt hat (Taf. 87, Fig. 22 — 24 und pag. 640) bereits
Alles erschöpft, was an den ungleichen Porenreihen der Fühler-
gänge und an den Poren um den Mund beobachtet werden kann.
Grösser als das von Desor abgebildete Exemplar finden sich
die Stücke nicht, wohl aber bis zur Hälfte kleiner mit prachtvoll
erhaltener Schale. Der ausgezeichnetste Fuudplatz ist das Thal
vor Azunige.
In Europa ist der Seeigel am bekanntesten aus den Apt-
mergeln von Perte du Rhone und aus den schwarzen Schratten-
kalken des Sentis im Appenzell. Hier wird ihm seine geo-
gnostische Stellung zwischem Neocom und Gault angewiesen. Im
Libanon ist es eine höhere Etage.
In diesen Horizont fällt beiläufig ein Gestein, das fast aus-
schliesslich aus Trümmern von Rudisten und Foraminiferen zu-
sammengesetzt ist. Gümbel hat darin, gelegentlich seiner Unter-
suchung meines NummuUtes cretacea A. d. Orient Taf. 1,8, in
den Dünnschliffen acht cretacische Formen erkannt, vorzüglich
Globigerinen, Textilarien, Rotaliden und Cristellarideen, welche
durch ihre Häufigkeit auffallen. Ausserdem finden sich kleine
Formen von Nummulinen und trägt das Ganze den Typus der
dalmatinischen Alveolinenkalke, mit denen es wohl zu einem ge-
meinsamen Verbreitungsgebiet zusammengehört.
— 332 —
5. Zone des Ammonites syriaeus.
Bei der erstmaligen Erforschung Palästinas durch Robinson
hatte der amerikanische protest. Missionar Smith eine Reihe
Ammoniten gesammelt, die 1845 in die Hände des Bonner
Mineralienhändlers Cranz kamen und von da in verschiedene
Museen Europas übergingen. L. v. Buch glaubte zwar in An-
betracht der einfachen Lobengänge Ceratiten vor sich zu haben,
gab ihnen aber nichts desto weniger ihre richtige Stellung in
der Kreide und nannte sie Ammonites syriaeus (v. Buch über
Ceratiten, Berlin 1849). Sie stammten sammt und sonders von
Bhamdün im Djurd, sind aber nichts weniger als an diese Stelle
gebunden, sondern finden sich
in einem bestimmten Horizont
über den ganzen Libanon ver-
breitet. Die Buch 'sehe Ab-
bildung (VI, Fig. 2,) ist das
Beste, was man sehen kann,
ebenso wahr als schön aus-
geführt.
Unser Holzschnitt von Am-
monites syriaeus repräsen-
tirt die gewöhnliche Grösse
der Stücke, das grösste Stück,
misst 15 cm. Mit der Grösse
verlieren aber die Stücke an Zierlichkeit und spielen vielfach
zu den d'Orbigny 'sehen Arten CatiUus und Vibrayeanus hin-
über. Dem letzteren hatte auch L. v. Buch p. 27 seine be-
sondere Aufmerksamkeit geschenkt.
Mit diesem Ammonitenhorizont beginnt eine neue Ordnung
der Dinge: Die braune Kreide verschwindet für immer, die graue
Kreide beginnt mit derselben eine Felsbank, die weit hin den
reizenden Felsenkranz in die Berge legt, welcher den Libanon-
landschaften ihre eigenthümliche Schönheit verleiht.
Die Ammoniten stecken, genau betrachtet, unter dem eigent-
das ich im Süden fand (Toula),
— 333 —
liehen Felsenkranz in einem Austernmergel; über der Ammoniten-
bank folgt dann eine Meter mächtige Orbitulitenbank, über
welcher die Pterocerasbank als Liegendes der Felsen sich auf-
baut. Auch die Bryozoe, die so massenhaft vertreten ist, er-
innert wieder an Perte du Ehöne, es sind die gleichen linsen-
förmigen Scheiben, die auf den ersten Blick mit Nummuliten
verwechselt werden könnten, bis man die Anordnung der Zellen
und Poren entdeckt.
Gegen 200 m mächtig erheben sich über dem Ammoniten-
lager die Felsbänke in grosser Einförmigkeit. Hinter der Awali-
quelle bei Djezzin am Weg nach dem Niha beobachtet sich
folgendes Profil von unten nach oben :
1,5 m graue Kalkbank mit riesigen Fteroceras, Unter
dieser Bank bricht die Awaliquelle aus dem Berg.
3 m graue Mergel.
1,5 m harter, leerer Fels.
1,5 m derselbe Fels voll Hippuriten, dieselben sind aber
so innig mit dem Gestein verwachsen, dass von einem Ablösen
der Fossile keine Rede sein kann.
1 m Plattenkalk, lichtgelb, ähnlich dem Zeta unseres
weissen Jura.
3 m Mergel.
10 m geschichtete milde Kalke mit Kalkspatdrusen. Der
Fels wird allgemein als Baustein für Djezzin ausgebrochen,
20 m Massenkalk mit Feuersteinkuauern.
20 m lichtgelbe Plattenkalke mit durchlaufenden Schnüren
von Feuerstein und eingesprengten Kieselknauern.
30 m Massenkalk.
30 ra Wechsel von zuckerkörnigen Kalken und Dolomiten.
30 m schieferige, lichte Bänke, zwischen ein wieder feste
harte Felsbänke mit Hippuriten an den Aussenflächen.
1 m Austernbank mit Janira.
20 m Kreidemergel, in welchen die Nlhaquelle liegt, am
Fuss der eigentlichen Erhebung des Gebirgs.
Leider haben wir bei den Fossilen dieses Horizontes aber-
mals nur mit Steinkernen zu thun, was die Bestimmung aus-
— 334 —
nehmend erschwert. Wir beschränken uns daher auf die häufigsten
Vorkommnisse und deren Benennung:
Ammonües syriacus v. Buch 1849, „über Ceratiten", p. 20,
Taf. VI, 1 — 3. Die Abbildung ist so vortrefflich, dass nach
dieser erstmaligen Abbildung Niemand mehr eine zweite ver-
sucht hat. Fundort: Nebi Safe, Muchtära, Btetir, Bhamdün.
Ammonües Yibrayeanus d'Orb. terr. cret. pl. 96. Eine
Anzahl Stücke existirt, bei denen die Wahl schwer wird, ob
man sie zu syriacus oder zu Yibrayeanus zählen soll. Ohnehin
besteht zwischen beiden eine ausgesprochene Verwandtschaft. Die
Originalstücke des letzteren stammen aus dem Canton von Vibraye
im Depart. Sarthe, wo sie im oberen Grünsand liegen.
Fterocera Beaumontiana d'Orb. pl. 213. Die französische
Art, welche dem d'Orbigny'schen Namen zu Grunde liegt,
stammt zwar aus dem Neocom der Mittelmeergegend mit Capro-
tina ammonia^ theilt aber mit der libanesischen Art vollständig
die Art der Streifung, dass ich kein Bedenken trage, beide zu
vereinigen. Die Individuen dieser Art sind ausserordentlich
gross, so dass man sich ungerne mit ihnen beschleppt. An der
Awaliquelle hinter Djezzin Hess ich ein Stück liegen, das min-
destens 30 cm Länge hatte.
Fterocera incerta d'Orb. pl. 215, wird als eine Species der
chloritischen Kreide geschildert, speciell stammt das Original aus
der unteren chloritischen Kreide von le Mans Die Steinkerne,
welche in Form und Grösse dem Original von d'Orbigny
gleichen, stammen vom Fuss des Nebi Safe. Finden sich übrigens
sehr häufig auch sonst.
Pterocera supracretacea d'Orb. 216,3. Auch diese Art wird
von d'Orbigny als der chloritischen Kreide von Eoyan (Charente
inferieure) angehörig betrachtet. Sie stammt, wie die vor-
angehende vom Fuss des Nebi Safe und findet sich sehr
häufig.
Pterodonfa ovata d'Orb. pl. 218,3, aus der chloritischen
Kreide von Marseille, stimmt mit der libanesischen Art, die
häufig genug am Nebi Safe und vielen andern Orten sich findet.
Natica huUmoides d'Orb. pl. 172, 2 — 3, gehört zwar nach
— 335 —
d'Orbigny in das Neocom des Pariser Beckens (Aube, Tonne
Haute Marne). Die Aehnliclikeit mit unseren Steinkernen ist
aber überraschend, die am Nebi Safe und bei Djezzin sieb finden.
Natica lyrata Sow. d'Orb. pl. 172, Fig. 5. Sowerby's
Original stammt aus der Gosau, die d'Orbigny 'sehen aus
Ushaux in der Vaucluse, wo sie der mittleren chloritischen Kreide
angehören. Unsere Stücke enstammen der Bachschlucht von
Bhamdün und dem Dämürthale.
Bostellaria inornata d'Orb., Steinkern auf den Feldern von
Ruweisät.
Bostellaria simplex d'Orb. pl. 208,6, kann allenfalls von
der vorigen Art noch getrennt werden. Fundort: Ruweisät.
Phasianella supracretacea d'Orb. pl. 187, Fig. 4. Diese
Art findet sich zwar schon in den Gasteropodenschichten von
Abeih, aber auch höher beim Chan Schamür in der Cardiumbank
und am Nebi Safe mit den Ammoniten. Das französische Ori-
ginal stammt von Royan aus der obersten chloritischen Kreide.
Nerinea gigantea d'Orb. pl. 158, 1—2 sieht allerdings der
jurassischen Art grandis Voltz viel ähnlich, wird aber doch mit
Recht von d'Orbigny wegen der tiefen Ausbuchtung auf der
Mitte des Umgangs unterschieden. Allerdings stammt das fran-
zösische Original aus dem Neocom von Gard, Var und Vaucluse,
stimmt aber mit der libanesischen Art so überein, dass wir kaum
andere Namen geben möchten.
Ostrea flabellata d'Orb. pl. 475. Um von der Menge der
Austern, die sich allenthalben in dem Horizont des Amm. syria-
cus befinden, nicht erdrückt zu werden, halten wir uns nur an
einige scharf markirte Formen, wie z. B. die auf pl. 475 gezeich-
nete (im Text pag. 717 fälschlich fldbella genannt), bemerken
aber zum Voraus, dass alle die tausend und aber tausend Austern
zu nennen eine Sache der Unmöglichkeit ist. Wohl knüpfen die
Autoren, wie d ' 0 r b i g n y und C o q u a n d mit „ rapports et diffe'-
renees" stets an andere Formen an, wer aber ist im Stande
die Aehnliehkeiten und Unterschiede gegen einander richtig
abzuwägen und mit Bestimmtheit sich für einen Namen auszu-
sprechen? So liegen vor uns 0. flabellata Gf. Tab. 87,6 und d'Orb.
— B36 —
475 vom Nebi Safe, dessgleichen von Zerka Main am Todten
Meer CO. K ersten 1875), sie stimmen mit den europäischen
Originalen aus dem unteren Turon, wo sie zusammen mit Caprina
tipartita im südlichen Frankreich, Spanien und Portugal sich
findet. Das Gold fus s'sche Original stammt aus Westfalen.
Zarte dichotomirende Rippen finden sich auf der Unterseite der
Schale. Dieses Kennzeichen unterscheidet wohl allein die ge-
nannte Art von 0. Matheroniana d'Orb. pl. 485, über welche
I, Aus dem Orient pag. 86, verglichen werden mag. Conrad' s
densata gehört hieher, während 0. Ovenvegi, damals von mir zu
Matheroniana gestellt, indessen von L. L artet Geol. d. 1. Palestine
pag. 59 mit 0. olisoponensis Sharpe vereinigt worden ist.
Ostrea olisoponensis Sharpe stammt ursprünglich aus Lissa-
bon (1849). Später erst hat v. Buch (1852) die Overweg'schen
Austern aus Tunis nach dem Reisenden dieses Namens benannt,
während Overweg'sche Originalstücke in Paris befindlich genau
mit der portugiesischen Muschel von Sharpe übereinstimmen.
Das von L artet Taf. XI, Pig. 1, abgebildete Exemplar entstammt
dem Wädi Mödjib und soll mit dem Sharpe'schen Original voll-
ständig übereinstimmen. Ich besitze die Muschel vom Nebi
Safe, wo sie sehr häufig ist, von Schamür und Baabda u. a. 0.
durch Herrn K e r s t e n vom Kerak und vom Todten Meer , durch
Herrn Coquand aus Tenukla
und Batna in Algerien. Die ge-
wöhnlichste Auster ist die auf
unserem Holzschnitt wiederge-
gebene O. afrieana Lmk. (Lartet
p. 65.) Die alte Lamark'sche
Species bezeichnet eine kleine
glatte Exogyre mit spiralförmig
gedrehtem Wirbel. Lartet zieht
0. Overwegi und densata herbei,
schreibt aber jeder der wechselnden Formen einen eigenen Ver-
breitungsbezirk zu.
Ostrea acutirostris Nils. Eine ganz flache, selten mehr als
5 cm lange, einfache Auster, deren kleiner zarter Wirbel kaum
— 337 —
gekrümmt ist, hält immer seinen bestimmten Horizont in der
mittleren Rudistenzone ein und bildet am oberen Dämür in dem
Bezirk Arküb am Fuss des Bärük ganze weite Felsenhorizonte.
Am Nebi Säfi liegen die Austernbänke bei den Ammouiten,
Conrad bat die Muschel theils nach Römer 0. scapha genannt,
theils auch Unguloides , beide stammen ■ vom Fuss des Bärük
aus dem Drusenbezirk von Muchtära. Wenn L artet 0. biauri-
culata Lamk., welche ich I, A. d. Orient pag. 88 aus dem höheren
Horizont von Mar Säba und dem Kidronthal anführe, mit den
Austern von Muchtära zusammenwirft, so halte ich dies nicht für
richtig. Die beiden Horizonte sind zu weit auseinandergelegen.
Auffallend ist, dass 0. sijphax Coqu. eine so häufige Muschel
in Algerien und demselben Horizont entstammend am Libanon
noch nicht gefunden wurde. Ihr ausgesprochener Typus Hesse
sie vor allen andern wieder erkennen.
PUcatula Flauer sü Coqu. Lartet XII. 14, eine charakteri-
stische Form, die von PI. aspera Lmk. etwas abweicht cf. I, A. d.
Orient p. 88. Ich besitze sie vom Nebi Säfi und von Zerka
Main am todten Meer (K ersten).
Janira tricostata d'Orb. vom Nebi Säfi und von Muchtära,
während Janira quinqueccstata d'Orb. von Euweisät Naaman
stammt.
Lucina syriaca Conr. Off. rep. 9. 54 ein häufiger Steinkern
bei Bhamdün.
Isocardia carantonensis d'Orb. 252,3 freilich nur Steinkern.
Fundort: Nebi Säfi.
Nucula ovafa Math. d'Orb. 302,1. Fundort: Nebi Säfi.
Venus Boyana d'Orb 386,4. Steinkern von Bhamdün.
Opis Querangeri d'Orb. pl. 249, Fig. 3 u. 4. Stein-
kerne vor Nebi Säfi.
Pholadomya carantoniana d'Orb. pl. 365,1 vom Nebi Säfi.
Gyroporella vesicuUfera Gümbel über Nulliporen II, 50. und
E. W. Benecke, ümgeb. v. Esino und der Lombardei. Stellen-
weise wie im Dämürthale bei Abeih steht ein förmlicher Fels
von Gyroporellen an, Röhren von 20 mm Länge und 5 mm
Breite an der Basis. In die Röhre münden ringförmig um die
Württemb. n.aturw. Jahreshefte. 1878. 22
— 338 —
Röhre gestellten Cylinderchen, so gedrängt stehend, dass 5 Ringe
Cylinderchen auf 1 mm zu stehen kommen, während an einem
Ring 30—35 Cylinderchen gezählt werden. In Folge ihrer
gedrängten Stellung werden sie wie Gwandige Zellen, jede
Zelle zeigt auf ihrer Aussenfläche eine Vertiefung. Ueber diesem
Röhrencylinder liegt noch eine Epidermis, welche von noch mehr
Poren durchbrochen ist, in dem nämlich auf 3 Röhrencylinder
4 Porenreihen sich legen. Hienach berechnen sich bei einer
Länge der Röhre von 20 mm circa 3000 Röhrencylinder, die sie
umgebende Kalkschale aber ist von circa 4000 Poren durch-
brochen. Die Cylinderchen sowohl als die Hauptröhre sind mit
krystallinischem Quarz erfüllt, die Röhren und Schalen sämmtlich in
Silex übergeführt.
Es kann angesichts der genauen Zeichnungen Gümbels
und Ben eck es über die Idendität der alpinen Foraminifere mit
unseren libanesischen kein Zweifel sein. Um so verwunderlicher
ist, dass die alpinen Gyroporellen in triasischen Formationen sich
finden, während sie in Syrien in die Zeit des Cenoman's fallen.
Oder sollte vielleicht das syrische, sicher zur Kreide gehörige
Fossil dem doch immer noch etwas zweifelhaften geologischen
Charakter gewisser alpinen Schichten eine andere Direktive geben?
Noch verbreiteter ist im südlichen Libanon ein anderer
Bryozoe zu treffen, der auch in Europa vielfach in unserem
Horizont sich findet: OrhitoUtes Lam. Es ist nicht etwa das
Fossil von Mastricht {macropora Lmk.), sondern eoncava Lmk.,
denn es sind flach concave Scheiben mit zarten concentrisch
gelagerten Zellen. Am Nebi Säfi bildet eine Orbitolitenbank
von reichlich 1 m Stärke eine über mehrere Kilometer sich hin-
ziehende Grenzbank zwischen dem Horizont der Ammoniten und
dem Komplex der Radiolitenschichten.
6. Die Badiolitenzone«
Im südlichen Libanon fallen die höchsten Erhebungen des
Gebirgs gerne mit dieser Zone zusammen, doch lassen sich, wie
bereits bemerkt, keinerlei Gesetze nachweisen, wornach die Bil-
— 339 —
düng bestimmter Höhen und Gebirgsgestaltungen an bestimmte
Glieder der Kreide gebunden wären. So sind die Kadioliteufelsen
ebenso am Ufer des Awali in der Nähe von Saida, als auf den
Höhen des Niha und bei Djezzin. Hier bilden sie in der That
ein System von Bänken und Zwischenmergeln das über der Awali-
quelle 200 m mächtig ansteht. Das Profil ist hier von oben
nach unten
30 m kreidige, graue Mergel, die am Fuss des Niha an-
stehen. Ein wohl gefasster Schöpfbrunnen steht am Wege.
1 m Austernbank besteht fast ausschliesslich aus einer
glatten Auster und Janira fissicosta.
50 m Wechsel von krystallinischen Kalken und Dolomiten
mit schieferigen Bänken und Plattenkalken, Die festen Bänke
sind sämmtlich von Hippuriten durchzogen. Das ganze Gehänge
ist Rebgelände: in den Mergeln stehen die Stöcke, aus den
Hippuritenfelsen sind die Terrassen und Weinbergmauern ^^ auf-
geführt.
30 m Massenkalke mit Feuersteinkugelu, wie sie sonst gern
in der weissen Kreide getroffen werden.
30 m Plattenkalk mit Schnüren und Knauern von Feuerstein.
20 m Massenkalk mit Feuersteinkugeln.
10 m milde, geschichtete Kalke mit Drusen von Kalkspat.
3 m graue Mergel.
3,5 m harter, plattiger Fels voll Hippuriten.
3 m graue Mergel.
1,5 m Pterocerasbank, die Schichte mit den grossen, fetten
Gasteropoden bilden die Hängebank über der Awaliquelle , die in
hora 12 aus dem Berg bricht, um dem fleissigen Industrie-
städtchen Djezzin allerlei Wasserkraft an die Hand zu geben.
*' Bei der jammerwürdigen Holzarmuth der Gegend ist von Holz-
pfählen und Holzstützen für die Weinrehen keine Rede. Die Stelle
der Pfähle vertreten die Mauern, die gerade so hoch aufgeführt werden
als die Riithe der Rebe lang ist. Die Ruthe wird auf die Mauer
gelegt, dass das Tragholz darauf aufliegt. Das Tragholz der Rebe selbst
wird sorgfältig auf 3 — 4 Augen zurückgeschnitten und die Schnitt-
wunde sogleich mit Petrol aus dem nahen Hasbeya beschmiert.
22*
— 340 —
Der grösste Eeichthuin von Rudisten aber findet sich wohl
auf den Höhen um das Kloster Meifük. Die herrliche Quelle
des Klosters entspringt aus den Kalkmergeln mit Holectypus am
Anfang eines fruchtbaren von einem Felsenkranz umsäumten
Thaies. Hoch oben, kaum zugänglich, liegt in schwindelnder
Höhe Sar Meifük, ein in den Felsen eingetriebenes Nest mit
einem Zugang und Schiessscharten , wohin sich die Conven-
tualen in Kriegszeiten flüchteten. Sar Meifük ist eher einem
Adlerhorst zu vergleichen, als dem ob auch nur vorübergehenden
Aufenthalt von Mönchen, die freilich m der harmlosesten Igno-
ranz ^^ zu 30 — 40 im Kloster zusammenwohnen und deren ein-
ziges Geschäft der Ackerbau und Weinbau ist. Auf der Höhe
nun wittern aus den Kreidekalken Radioliten in erstaunlicher
Menge und Pracht aus, was namentlich oben am Wege nach
Hakel der Fall ist. Die Muscheln sind verkieselt, der Kalk löst
sich' genau wie der Korallenkalk des weissen Jura auf der
schwäbischen Alb in einen röthlichen Lehm auf, der mit dem
Pflug bebaut wird und in welchem die Fossile aufgelesen wer-
den. Am häufigsten findet sich
BadioUtes acuta d'Orb. Pal. Univ. Terr. cre'tac. pl. 571,
Fig. 4 — 8. Die Figuren 4 und 5 stimmen genau mit dem
libanesischen Vorkommen. Ich bilde auf Taf. VII, Fig. 1, die
Muschel ab, von welcher d'Orbigny nur den Steinkern kennt,
den er wegen seiner abgerundeten Kreiselgestillt von andern Arten
abtrennt. Am Libanon findet sich die Schale noch erhalten, von
welcher der Zeichner auf Fig. 1 ein Bild zu geben versuchte. Sie
besteht aus einer Anzahl über einander gelegter Lamellen, welche
in der Längsachse gestreift das Weichthier wie mit einer Hals-
krause umgeben. Auf der Schloss-Seite sind 2 tiefe Längseindrücke
am Steinkern zu beobachten. Das Unterende des Steinkerns ist ab-
gestumpft, nicht spitz zulaufend wie bei der nächstfolgenden Art.
2^ Zu schreiben oder zu lesen versteht keiner dieser Glücklichen.
Die Tinte, die mir auf der Reise ausgegangen war, von den Mönchen
zu bekommen, war nicht möglich. Von Büchern und Manuscripten
ist selbstverständlich keine Rede, dagegen erhielt ich einen ganz vor-
treffliche Raki, auf dessen Bereitung das Kloster stolz sein darf.
— 341 —
RadioUtes polt/conilites d'Orb 1. c. pl. 547, Taf. YII, Fig. 4.
Die Unterschale besteht gleichfalls aus einer Keihe krauser
Falten, die nach aussen schuppenförmig abstehen, nach innen
einen glatten Trichter zur Aufnahme des Thiers bilden. An der
Oberschale sitzen bis zu 6 und mehr lang gezogener Zähne auf
der Schloss-Seite, in den Trichter hinab eigentliche Septa bildend,
deren Zwischenräume sich im Steinkern mit Gebirgsmasse füllen.
Auf der Oberschale drückt sich eine von vorn nach hinten ge-
zogene hufeisenförmige Falte ab, vorne öffnete sich dieselbe wie
es scheint durch zwei Spalten, welche das grosse Septum um-
spannten.
RadioUtes Mortoni nannte ich im I. Theil A. d. Orient,
pag. 86, den Eudisten, aus dessen zertrümmerten Schalen ganze
Felsen des Missi in der Nähe von Jerusalem bestehen, das
gleiche Schalengefüge, wie es auf Taf. 1,15 dort abgebildet ist,
findet sich bei den nächsten 3 Arten, die d'Orbigny längst
als verschiedene Arten abgebildet hat, die aber nach den Funden
auf den Höhen von Meifük nur durch das Verhältniss der Höhe
und Breite sich unterscheiden und einerlei Art anzugehören
scheinen. d'Orbigny 's Arten sind
RadioUtes Sauvagesii 1. c. pl. 553.
„ radiosus pl. 554.
„ lumbricaUs pl. 555.
Wem es um Namen zu thun ist, der kann die langgestreckte,
vielfach etwas breitgedrückte Form mit Sauvagesii bezeichnen,
die kurze, konische mit radiosus^ die schmale, kleine, die, wie
ich glaube, jungen Exemplaren angehört, lumbricaUs nennen.
RadioUtes radiosus kehrt auch in Algerien (Batna) wieder,
woher ich das Fossil mit gleichaltrigen Echinodermen durch
Herrn Coquand erhalten habe. Die Sammlung des protestan-
tischen Collegs in Beirut birgt ausserdem eine Eeihe der ausge-
zeichnetsten ßudisten, die vielfach in Kolonien beieinander sitzen
und für eine Monographie der Kudisten das werthvollste Mate-
rial enthalten.
In der Nähe der Rudisten finden sich noch Austern, die
nicht übersehen werden sollten. Sie gehören zur Gruppe der
— 342 —
Ostrea vesicularis Lam., sie sind glatt und starkschalig , gerne
von Schmarotzern zerwühlt und durchfressen. Eine kurze ge-
drungene Gestalt hat L artet (Taf. XI, 10) judaica genannt,
von ihm im Wadi Mojib in Schichten unter Ostrea ölisoponensis
gefunden. Kerstan hat eine ganze Reihe derselben in Zerka
Main gesammelt. Neben dieser glatten, bombirten Gestalt lauft
eine gefurchte Form, die wie ein Ei dem andern Gryphaea Fit-
cheri gleicht. Unter diesem Namen, den Morton aufgestellt
hat, erhielt ich von Jules Marcou das Fossil, das er am
Eed river in Texas gefunden. Ganz ähnliche sah ich auch bei
Zittel aus der libyschen Wüste.
Ghryphaea capuloides Conrad gehört gleichfalls in die Nähe.
Ich würde sie nicht besonders auszeichnen, wenn sie nicht einen
bestimmten Horizont in einzelnen Gegenden einhielte. In dem
Thale von Hakel unterteuft sie in mächtigen Bänken die Fisch-
lager. Die Bänke bestehen eigentlich nur aus dieser kleinen
Auster, die in der Grösse von Mandeln das Gestein zusammen-
setzt. Ich sehe keinen Unterschied von Ostrea arietina Rom.
vom Red river in Texas und nenne sie um so lieber mit einem
eigenen Namen, als die Grösse der Muschel sich merkwürdig
gleich bleibt. Sonst würde ich keinen Anstand nehmen, mit
E. L artet die Muschel mit 0. judaica zusammenzufassen.
7. Die Schiefer von Hakel.
Uralt ^^ ist die Bekanntschaft Europas mit den Fischbänken
von Hakel und Sähil Alma, aber trotzdem bleibt es erst der
^^ On lit dans l'histoire de Saint Louis du sir de Joinville en 1248
a cause de son sejour ä Sayette: on apporta au roi une pierre qui se
levait par ecailles la pkis merveilleuse du monde, car quand on levait
une ecaille, on trouvait entre les deux pierres la forme d'un poisson
de mer. Le poisson etait en pierre, mais il ne manquait rien ä sa
forme : ni yeux ni aretes ni couleur ni autre chose, qui empecha qu'il
ne füt tel que s'il füt vivant. Le roi demanda une pierre et trouva
une tauche (Schleie) dedans de couleur brune et de teile fagon qu'une
tanche doit etre. Hist. d. St. Louis publ. par Natalis de Wailly
chez Hachette I, 18.
— 343 —
jüngsten Wissenschaft vorbehalten, den erstaunlichen Eeichthum
dieser Schichten an Fossilen aller Art zu sichten und in das
System einzureihen. Wohl haben schon die Monographien von
Pictet^^ und Pictet und Humbert ^^ schöne Anfänge ge-
macht, aber wie vieles Neue und Unbekannte hier noch zu Tage
tritt, zeigt ein Blick auf die reichen Sammlungen der Amerikaner
in Beirut, welche ein Material in Händen haben, wie kein zweites
im Westen existirt.
Mir lag vor Allem an der geologischen Feststellung des
Horizontes der beiden Fundorte, die ich anfänglich als gleich-
altrig aufzufassen und nur als verschiedene Facies desselben
Horizontes betrachten wollte. Angesichts der Thatsache aber,
dass auch nicht eine Art an beiden Orten gemeinsam sich findet,
dass der Horizont von Hakel geognostisch scharf bestimmt werden
kann, während der von Sähil Alma genauerer Erforschung sich
entzieht und nur beiläufig als ein jüngerer und obgleich niederer
gelegen höherer Horizont zu betrachten ist, sehe ich in Hakel
einen älteren an die Eudistenzone der Radioliten sich anschliessen-
den Horizont und weise Sähil Alma näher an das Senongebirge,
wohl an die Grenze der oberen chloritischen Kreide, über welcher
das Senon seinen Anfang nähme.
Dass die Schiefer von Hakel von einer leicht erkennbaren
Austernbank unterteuft sind, habe ich bereits angeführt. Der
Fels gleicht einem wahren Mandelberg, denn er ist nur aus den
Schalen der Gryphaea capuloides nahezu von der Gestalt und
Grösse einer Mandel zusammengesetzt. Das Dorf Hakel zieht
sich malerisch in einer engen Felsschlucht hin, das Zelt war in
der Mitte des Dorfs unter der mehrhundertjährigen Eiche auf-
geschlagen, wo das Aneroid 598 m ablesen Hess. Die Quelle
von Hakel entspringt 7 Kilometer von den letzten Häusern des
^^^ F. J. Pictet description de quelques poissons fossiles de
Liban, Geneve 1850.
^^ Nouvelles recherches sus les poissons fossiles de Liban par
F. J. Pictet et Alois Humbert. Geneve 1866. In diesem Werk
findet sich auch die vollständige nicht unbeträchthche Literatur über
die libanesischen Fischfossile.
— 344 —
Dorfs im Hintergrund der engen Schlucht 33 m über dem Zelt-
platz. Das Wasser entspringt an 2 Punkten der feuerstein-
reichen Kreidebänke über einer Schatten spendenden Felsgrotte.
Diese Schicliten liegen vollständig normal in regelrechter üeber-
lagerung hör. 6 gegen N. einfallend und sind ebenso regelrecht
abgeschlossen durch die schon erwähnte kieselreiche Gryphaen-
bank von der Stärke eines Meters, üeber dieser Bank liegen
unter einem Winkel von 40 ^ einschiessend die klingend harten
Schieferplatten mit den alt bekannten Fischen, Krebsen, Sepien
und Echinodermen. Die Schiefer schiessen sowohl auf der linken
als auf der rechten Seite der Thalschlucht gegen die Mitte der-
selben ein. Die Schichten, vor alten Zeiten in höherem Niveau,
sind augenscheinlich durch Unterwaschuug des Baches einge-
sunken. Auf der rechten Thalseite liegen die Schiefer höher
als auf der linken. Bis zur Höhe des Bergs geht es noch 90 m
hinan, womit wir bereits über den Horizont der Eadioliten hinaus-
gerathen.
Die Schiefer von Hakel gehören also ganz sicher dem
Eadioliten - Horizont an, wie die Solnhofer Schiefer dem des
obersten weissen Jura. Und wahrlich man glaubt auch auf den
ersten Blick sich an die Ufer der Altmühl versetzt, wo an den
Halden der Schieferbrüche die Platten unter dem Schlag des
Hammers klingelnd in metergrossen Platten ausbrechen mit einer
Fülle von Fossilen, die auch einen bewanderten Geognosten in
Staunen versetzt. Zähle ich doch auf einem Plättchen von
40 Quadrat- Centimeter nicht weniger als 85 Stücke Leptosomus
macrurus, das Plättchen aber schlug ich von einer mehr als
metergrossen Platte ab, auf welcher, da sie gleichmässig mit
den Fischchen besetzt war, zum mindesten 2500 Stücke lagen.
Dieses ist auf der abgesprungenen Fläche zu sehen, nun sind
aber im Querbruch des Schiefers überall die papierdünnen Quer-
brüche der gepressten Fischleiber sichtbar, die in der That in
fabelhafter Menge den Schiefer füllen.
Man kann sich bei solcher Fülle organischen Lebens, das
in dem Schlamm der nachmaligen Schiefer sein Grab fand, die
Frage nach dem Ursprung der Menge des Bitumens in der
— 345 -—
Kreide sehr einfach beantworten. Ich verweise hiebei auf den
I. Tbeil A. d. Oriejit pag. 192 und 193, wo die heute noch in
den Tümpeln des rothen Meeres vor sich gehende Petrolbildung
von Djebel Zeit geschildert ist. Die Hakelschiefer riechen auch
vollkommen bituminös und haben die grauliche bis lichtbraune
Farbe angenommen, wie wir sie im Tertiär z. B. vom Mte.
Bolka kennen oder von den Oeninger Schiefern.
Ophiura (Coynatula) libanotica Taf. IV, 1, von Quenstedt
irrthümlich ins Tertiär versetzt, erinnert allerdings an die jura-
sische Comatula carinata. Leider ist der libanesische Schiefer
lange nicht so zart als der Solnhofer, um die haarfeinen Häkchen
an den Armen wiederzugeben. Der Kalkspat als Versteinerungs-
material lässt die feineren zoologischen Merkmale nicht mehr er-
kennen. Zu vergleichen wären Dr. Hellers ^^ fossile Stelleriden.
Geocoma (Pterocoma Agass. Comatula Qu.) pmnulata Taf. IV, 2.
Es ist in der That merkwürdig, wie übereinstimmend das Vor-
kommen der beiden räumlich und zeitlich so weit auseinander-
liegenden Orte Solnhofen und Hakel bleibt, sicherlich ein Beweis
für die Gleichartigkeit der physikalischen und climatischen Ver-
hältnisse zur Jura- und zur Kreidezeit. Wie im weissen Jura
neben der kleinen zarten Comatula carinata, die „millionenweise"
im Schiefer von Eichstädt liegt, die grossblumige, langarmige
C. pinnata sich findet, so liegt auch in Hakel die Fig. 2 ab-
gebildete Art in zahllosen Exemplaren im Schiefer. Die Ten-
takeln sind hier noch zarter als bei pinnata, daher ich sie pin-
nulata nennen möchte. Das abgebildete Exemplar ist eines der
Stücke, an welchem die Arme abgewickelt sind. Die meisten
sind zusammengerollt, wie das an den übrigen Armen der Fall
ist. Die haarfeinen, gegliederten Hilfsärmchen treten an den
abgewickelten Armen sehr deutlich zum Vorschein.
Geofheutis libanotica Taf. VI, Fig. 3. Der licht gefärbte
körnige Schulp und die federartige Streifung der hornartigen,
glänzenden Aussenkörpers lassen über die Stellung des Fossils
keinen Zweifel. Andere grössere Stücke fanden sich in nicht
^2 Denkschrift der Wiener Akademie 1858. Band 28.
— 346 —
unbeträchtlicher Zahl, gingen aber beim Ausbrechen der Platten
leicht in Trümmer. Ein ganz ausgezeichnetes Stück fand Eev.
-Lewis, die in einem Büschel zusammenstehenden 8 Fangarme
eines Sepialites, wie wir mit Quenstedt die mit besonderem
Sepienschulp versehenen Loligoarten des Lias zu nennen pflegen.
(Lewis, E. R. photographische Platte IX, Fig. 3). Früher schon
hatte Sowerby von Herrn Newbold die Reste eines Octopus
erhalten, dem er den Namen Calais Newholdi gegeben hat.
Sicherlich bleibt es Herrn Lewis vorbehalten, auch sonst
noch unter der Gruppe der Cephalopoden neue Funde der Wissen-
schaft an die Hand zu geben. Humbert bereits erwähnt (I.e.
Introduct. p. 12) einen Aptychus , der die Anwesenheit von
Ammoniten voraussetzt, wenn sie auch noch nicht beachtet worden
sein sollten. Geht es doch einem Sammler zu Hakel, wie es
wohl auch an andern Plätzen ergeht, dass man seine Aufmerk-
samkeit vorzugsweise auf die höheren Organismen wendet und
neben denselben über die Fossile niederer Ordnung gar zu leicht
wegsieht.
Crustaceen sind nicht selten. Zwei der gewöhnlichsten habe
ich abgebildet. Doch schreibt mir Revr. Lewis, dass er ausser
diesen noch weitere Arten gesammelt habe.
Fseudastacus hahelensis Taf. VI, Fig. 1 ist die eine grössere
Art. Den Namen des Genus hat Oppel (Pal. Mittheilungen I,
p. 43) für jurassische Krebse aus den Solnhofer Schiefern auf-
gestellt, welche bis auf wenige Unterschiede dem lebenden
Ästacus gleichen. Die Unterschiede bestehen in den schmalen
Scheeren am ersten Fusspaar und die langen, dicken Stile der
äusseren Antennen. Münster und PI et et hatten theilweise
den Namen Bolina diesem Fossil gegeben. Die Scheeren unserer
Art sind gleich dem Thorax mit einer körnigen Schale überdeckt.
Doch fehlen die grösseren körnigen Punkte, die Oppel (Taf 10,5)
auf den Scheeren der jurassischen Art Pseud, pustulosus Münst.
zeichnet; auch ist bei hahelensis der innere Scheerenfinger kleiner
als der äussere.
Fseudastacus minor Taf. VI, Fig. 2 ist nicht etwa nur
ein jüngeres Exemplar von haJcelensis, denn in dieser Grösse des
— 347 —
abgebildeten Stücks findet sich eine ganze Reihe, das diese Art
zu einem der häufiger vorkommenden Fossile macht. Der innere
Scheerenfinger ist verhältnissmässig noch kleiner als bei der
vorangehenden Art.
Von den Fischen hat Blainville im Jahr 1818 die ersten
beschrieben und zwar gerade die schönsten und häufigsten Fische
von Hakel, die Häringe.
Clupea hrevissima.
Clupea Beurardi.
Agassi z fügte denselben zwei weitere Arten bei:
Clupea lata.
Clupea minima.
Heckel machte gleichfalls zwei neue Arten:
Clupea gigantea.
Clupea macropJithalma.
Pictet und Humbert endlich fünf weitere:
Clupea Bottae.
Clupea Sardinoides.
Clupea Gaudryi.
Clupea lata,
Clupea laticauda,
Wie weit ein zukünftiger Monograph der Hakelfische die
Zahl der Arten noch erweitert, oder vielleicht einen Theil der
anstehenden Arten streicht, lassen wir dahingestellt.
Agassiz stellte ferner auf:
Sphyraena Amici.
Vomer parvulus.
Pagellus leptosteus, doch ist Agassiz nicht sicher, ob die
Stücke von Hakel stammen. Ich habe sie dort nicht gefunden.
Dagegen fügte 1845 Eg ertön einen ebenso charakteristischen
als ausgezeichneten Rochen zu der Zahl der Fische von Hakel.
Cyclobatis oligodactylus Egerton, den neuerdings Herr Lewis
in ganz ausgezeichneten Exemplaren gefunden hat (Phot. Taf. IX, 2).
Pictet 1850 und Pictet und Humbert 1866 vervoll-
ständigten die Sammlungen mit neuen Geschlechtern und Arten
von Barschen:
— 348 —
Beryx vixillifer.
Pseudoheryx syriacus.
Fseudoheryx Bottae-,
mit Squamipennen und Makrelen:
Platax minor.
Petalopteryx syriacus.
Scomhroclupea macrophthälma.
Cheirocentrites Ubanicus ;
mit Stören und störartigen Fischen:
Leptotrachelus haJcelensis.
Eurypholis Boissieri,
Äspidopleurus cataphractus ;
endlich mit Hairochen:
Bhinohatus maronita, von welchen Kev. Lewis eine Reihe
ganz neuer, höchst interessanter Formen gefunden hat.
Alle bis jetzt genannten Fische sind mit Ausnahme der
Eochen und Haie ächte Knochenfische (Teleostei Müller). Von
Gauoiden sind jedoch auch Spuren vorhanden. Abgesehen von
Coccodus armatus Pict., einem jedenfalls sehr mangelhaften
Exemplar, das Pict et zu den Siluroiden stellt, das aber viel
eher zu der Gruppe der Pleurolepiden gehört und an der Grenze
der Ganoiden zu suchen wäre, finden sich die Zähne und Kiefer
von Gyrodus syriacus Taf. VI, Fig. 5 und 6. Fig. 5 stellt
eine Gaumenplatte vor, die von dem jurassischen Gyrodus umbi-
litus kaum zu unterscheiden ist. Der Unterkiefer (Fig. 6) wäre
etwa der Grösse nach entsprechend. Ebenso habe ich die
Gaumenplatte eines ächten Pyhnodus erhalten, wie wir sie sonst
aus dem weissen Jura von Solothurn, Schnaitheim, Eichstädt u. a.
Orten wohl kennen. Auch an BJiomhus erinnert man sich den
man aus den Kreideschiefern von Torre d'Orlando bei Neapel kennt.
Auch Gasteropoden füllen gerne einzelne Schiebten wie Neri-
nea alhreviata Conr., die ich schon im I. Theil A. d. Orient
pag. 97 erwähnt habe, als von Ain Anüb stammend.
Von weitern Zweischalern nenne ich nur noch Cytherea
syriaca Conr., die zu Tausenden auf den Feldern von Lahfed
gesammelt werden könnte.
— 349 —
Echinodermen finden sich vereinzelt da und dort, in der-
selben grossen Menge, wie in den Cardiumbänken von Azunije
habe ich sie allerdings nicht wieder gefunden. Vor Allem mache
ich aufmerksam auf
Periaster Foumelü Desor. XLII, 5, sehr gut bei Q u e n s t.
Echinod. Taf. 88, Fig. 36, er läuft auch als Micraster und
Hemiaster. Mit Recht hat schon L. Lartet (1. c. pag. 75)
besondern Werth auf diesen Seeigel gelegt, den er an den ver-
schiedensten Orten Palästinas gesammelt hatte und den ich
neuerdings in wahren Prachtstücken von Zerka Main am Nord-
west-Ende des Todten Meers durch Herrn Kersten erhalten
habe. Am Libanon fand ich ihn bei Baabda, am Chan Schamür
in der Nähe der Hauptroute nach Damaskus, ebenso im Tannurin
in den gleichaltrigen Horizonten, ob sie auch mehr als 1500 m
auseinanderliegen. Sie unterscheiden sich in keiner Weise von
dem Vorkommen in Tebessa in der Provinz Constantine, Batna
in Algerien, Tenukla u. a. 0., wie sie Sämann vor Zeiten
mitgetheilt erhielt. Eev. Lewis hat sehr schöne Charakter-
Exemplare von Beinet im südlichen Libanon.
Micraster pölygoniis Deluc Taf. IV, 5. Von der Unter-
seite hat Quenstedt Tab. 88,16 abgebildet. Unser Stück
stammt von Batrün und ist verkieselt. Durch die Verkieselung
der Schale sind nicht nur höchst originelle Silifikationsringe und
Streifen auf derselben entstanden , sondern ist die Schale am
Eand geplatzt. Aber selbst das Platzen geschah mit einer
Kegelmässigkeit nach den Fugen der Kalktafeln in der Schale,
dass man glauben könnte, die Furchen und Falten gehören zur
Ornamentik der Schale.
Cyphosoma cenomanense Cotteau haben wir schon aus dem
unteren Rudistenhorizont von der Salima kennen gelernt. Das
Fossil wiederholt sich am Nebi Säfi, im Gebirge Tannurin und
andern Orten.
Toxaster pentagonalis Fr. Taf VII, 2 nach d'Orbigny
wäre es Holaster (paleont. fran^. pl. 836 — 38) hat die grösste
Verwandtschaft mit Toxaster complanatus Quenst. Tab. 87, Fig. 12
aus dem Neocom von Neufchatel. Das ganze Genus hat die
— 350 —
Anlage fünfeckig zu werden, aber so ausgesprochen wie diese
Form bei unserem abgebildeten Stück der Fall ist, finden wir
es noch bei keiner bekannten Art. Es mag dies den Namen
pentagonalis rechtfertigen. Im alpinen Neocom der Provence
findet sich eine, statt in die Breite, in die Höhe entwickelte
Form, welche Quenstedt Toxaster altus i^d.h. 8 7, Fig. 14)
genannt hat. Auch diese Form finden wir in Gesellschaft des
T. pentagonalis in den Cenomanmergeln im Thale von Hakel.
Beide aber auch schon in der älteren Glandarienzone von Ain
Hamäde im Salimathal.
Seltener ist Heterodiadema libycum Cotteau, dessen weite
Verbreitung durch Syrien bis zum Sinai vonL. L artet (pag. 85)
nachgewiesen ist, während es ebenso in Algerien (Batna) ver-
breitet ist.
Holectypus Larteüi Gott, wird fast noch einen höheren
Horizont einnehmen. Herr Missionar Zeller hat mir das Stück
von Nazareth, von Osha im alten Gilead und vom Hermon zuge-
sandt. Auch der Beiruter Sammlung fehlt das Stück nicht, das
ich eigenhändig zu sammeln das Glück nicht hatte. Dagegen
habe ich
Diplopodia Mälbosi Desor p. XII, Taf. 11 — 13 eigenhän-
dig aus den oberen Rudistenschichten von Lahfit im hohen
Tannurin und aus demselben Horizont bei Hakel gesammelt.
Einer besonderen Merkwürdigkeit geschehe noch Erwähnung,
einer Gypraea marficensis Math. (Matheron, catal. method. du
Corps foss. du depart. des Bouches du Rhone Taf. 40, Fig. 21)
Matherons Original stammt aus der chloritischen Kreide von
Marbigues. Ausserdem kennt man nur noch fossile Cypraeen von
Faxoe, von denen Schlot heim die Arten beschrieben hat. Die
von Forbes beschriebenen Cypraeen von Pondicherry erklärt
d'Orbigny für Ovula. Unser beim Graben des Wasserreser-
voir für Beirut zugleich mit BadioUtes gefundene Exemplar ist
zwar nur ein Steinkern, aber mit deutlichen Cypraeenzähnen,
dass hier an der Identität des Genus nicht gezweifelt wer-
den kann.
Heber den Mergeln folgen graue Kreidekalke und bei
— 351 —
dem Kirchlein von Djäse (130 m über Lahfit) wieder Mergel,
in welchen sich Fischreste bemerklich machen. Bei weiterem
Aufstieg über glatte gegen das Meer einschiessende Schicliten,
bei welchen mau nur über wenige Bänke des geognostischen
Horizonts hinansteigt, ist bei 1230 m die waldige Höhe erreicht
und stehen wir wieder vor einem gewaltigen Schichtenaufriss,
auf dessen Grund abermals Sande, eisenrothe Mergel und basal-
tische Tuffe anstehen, über welchen sich die bekannte Cyclopen-
mauer der Cardiumbänke wieder kenntlich macht.
8. Die Mergel mit den Fischen von Sahil Alma.
Die nächste normale Auflagerung auf den Höhen der Ru-
distenfelsen sind graue Mergel, die nur flach ansteigende Höhen
bilden. Man nennt diese Mergel wohl am richtigsten Phola-
domyenmergel nach der gewöhnlichsten dort vorkommenden Muschel,
Fliöladomya fdbrina. Das richtigste Bild von diesen Schichten
erhielt ich auf dem Weg von Hakel ins hohe Tannürln über
Lahfit. Bis zu diesem alten von einem stattlichen Kloster
überragten Gebirgsdorf hin herrschen überall noch die Radioliten-
felsen. Aus den splitterharten Marmoren ragen überall am Wege
wie zur Orientirung des Geognosten die Kuhhörner der Hippu-
riten und die Spitzen der Nerineen und Sternkorallen heraus.
Sie bleiben hier wie zum ewigen Gedächtniss angesammelt an
den Felsen stehen. Verkieselt im Marmor steckend trotzen sie den
Jahrhunderten, ein Versuch sie loszuschlagen endet nur mit ihrer
Zertrümmerung. Man darf sie daher beruhigt als Wegweiser
für alle dereinst des Weges ziehende Geognosten in ihrem Lager
lassen.
Lahfit rechts lassend steigen wir über die h. 6 abfallende
Schichten. Sie sind voll von PJioladomya und Cytherea.
Im I. Theil von A. d, Orient pag. 94 habe ich schon der
PJioladomya fahrina d'Orb. Erwähnung gethan. Die grosse Be-
deutung dieser Muschel zeigt sich aber erst recht im Libanon.
In hohen Tannurin bei Lahfit ist sie sehr häufig und geht in
-^ 352 —
rundliche aufgeblähte Formen über, wie sie C. Mö seh "^^ auf Taf.
XXXII, Fig. 1 abgebildet hat. Herr Mösch ist nach pag. 95
über den Fundort seiner abgebildeten Muschel in Unkenntniss.
Da sie Eigenthum des paläontol. Museums in München ist,
welches die J. Eo th'schen Sammlungen aus Palästina übernom-
men hat, so zweifle ich keinen Augenblick, dass das abgebildete
Stück aus Syrien stammt. Stimmt es doch aufs Haar mit den
von mir gesammelten überein. An den recht aufgeblähten For-
men bilden sich selbst schon Knoten aus , wo die radiale und
die concentrische Streifung sich kreuzt. Dies hat Zittel veran-
lasst die sehr nahe stehende Muschel aus dem Wegscheidgraben
Pholad. granulosa zu nennen. Sehr verwandt 'ist PJiöladomya
Ugeriensis d'Orb. 363, doch hat sie bloss concentrische Streifen,
keine Spur von radialen. Sie stammt von Ailatha. Nicht weniger
begegnen wir Formen von ar chiacana d^Ovh. 364, 3 — 4. Mösch
p. 101. Marrotiana d'Orb. 365, 3 — 4 Mösch, p. 109, caran-
toniana d'Orb. 365,1. und decisa Conr. off. rep. 7,44.
Die obersten Schichten der Turonmergel liegen consequenter
Weise auch am tiefsten und so werden sie denn auch an der
Küste des Meeres zu verschiedenen Malen getroffen. Dies fängt
schon bei Saida an, dessen Schichten nach der normalen Eeihen-
folge der Formation über die Schichten des Nebi Säfi hinauf-
gehören. Bei Maallaka bildet der gleiche Horizont die erste
Barre zwischen dem Meer und dem Aufstieg zum Gebirge. Der
berühmteste Ort aber wegen seiner fossilen Fische ist Sähil
Alma 187 m über der Bai von Djüni gelegen. Leider hat sich
die Kultur gar zu sehr dieser Schichten bemächtigt, welche von
Gärten und Aeckern bedeckt sind. Der Hauptfundort ist der
Klostergarten ^"^ von Sähil Alma , wenn beim Koden oder Baum-
^* Dr. C. Mösch, Monographie der Pholadomyen in Abh. d.
schweizerischen palaeoutologischen Gesellschaft. Vol. I, 1874. Basel
und Genf,
3* Früher war es nicht recht geheuer im Klostergarten zu sam-
meln. Im Jahr 1836 noch ward Russegger, obgleich unter dem
Schutz des gewaltigen Ibrahim Pascha reisend, dort von Bewaff-
neten angehalten und für jeden Fisch um 1 Piaster angegangen. Er
- 353 —
setzen oder bei der Anlage einer Steinterrasse der Untergrund
ansgehoben wird.
Die Nähe von Ghazir, das vielfach von Fremden besucht
wird, namentlich aber die englische Schöpfung der Beiruter
Wasserversorgung vom Nähr el Kelb aus, welche eine Anzahl
Ingenieure in die Gegend brachte, hat im Laufe der letzten
Jahre zu verschiedenen Nachgrabungen nach den Fischen von
Sähil Alma Anlass gegeben. Ueber die unmittelbare Unter- und
Ueberlagerung der Fischmergel zwar haben diese Nachgrabungen
Nichts weiter erschlossen, aber eine Excursion nach dem Wädi
Delibta, dem Kloster Antura und Ghazir lässt über die Eichtig-
keit der Stellung der Mergel kaum einen Zweifel. Die Mergel
von Sähil Alma enthalten
Ammomtes cultratus d'Orb. pag. 46. Das Original d'Or-
bignys stammt zwar aus tieferen Schichten der unteren Kreide,
aber die Uebereinstimmung ist eine so vollständige, dass ich
keinen Anstand nehme, den bekannten Namen auf das Fossil,
ob es auch von jüngerem Datum ist, zu übertragen. Das Exem-
plar, das ich aus den Schichten grübelte, hat in der Wohnkammer
des Ammoniten einen Aptychus mit brauner welliger Oberfläche sitzen.
Ammonites TrasUi Gabb. Palaeontography of California
Taf. 19,7. Anfänglich wollte ich das Stück, dessen Kippen in
der Weise der Heterophyllen über den Rücken des Ammoniten
laufen zu Amm. PaiUetanus d'Orb. Fol. 102 stellen, fand aber
später, dass der amerikanische Kreide-Ammonit von Cottonwood
Creak, Shasta groupp vollständig stimmt, namentlich was die
Stärke der Rippen betrifft, die am A. paületanus zu grob sind.
Unter den Fischen herrschen in Sähil Alma Barsche und
barschartige Geschlechter vor, die Häringe von Hakel fehlen.
wird durch Flintenschüsse, die hinter seinem Rücken knallen, erschreckt,
eine Menge Volks umringt ihn, und kommt schliesslich der Prior des
Klosters mit hochgeschwungenem Stock auf ihn losgerannt und droht
ihn zu schlagen, wenn er die bezahlten Fische nicht wieder abgebe.
Erst als Rus segger seine Pistolen zieht, wird der Prior milder ge-
stimmt und verkauft schliesslich eine Anzahl früher gesammelter Fische
an ihn. Russ. Reisen, B. III.
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 03
— 354 —
In den Monographien von Pictet und Humbert werden er-
wäbnt :
Beryx synacus Osmeroides megapterus
Pycnosterinx discoides Mesogaster graciUs
HecMii Bhinellus furcatus
l dorsalis Spaniodon BlondeUi
\ . Busseggeri v elongatus
elongatus « ^»"ö^^s
^Igßr Bercetis Unguifer
FageUus lihanicus Leptotrachelus triqueter
Gheirotrix lihanicus v ^^^^^^
Solenognathus Uneolatus EurypJioUs longidens
Leptosomus macrurus ScylUum SäJiü Almae
crassicostatus Spinax primaevus
Im Jahr 1855 hatte dazu Costa ^^ noch 2 weitere Arten
beigefügt
Imogaster auratus Omosoma SaM Almae.
Weitaus das vollständigste Material von Sähil Alma liegt
im College von Beirut, von dem ich nur wenige, theils ganz
ausgezeichnete, theils ganz neue Stücke erwähne, die mir Herr
Lewis auf photographischen Platten mitgetheilt hat. Ich er-
wähne Hoplopteryx antiquus Ag., ein barschähnlicher Fisch
aus den Kreidemergeln von Westfalen, ganz vortrefflich erhaltener
Cheirotrix und Leptotrachelus. Ganz neu scheinen aalartige
Thiere (PI X, 1.) und Siluroiden (PI. Yin, 1) und eine Anzahl
von Kochen. Herr Lewis hatte noch weiter die Freundlichkeit,
mir eine Kiste mit Sähil Alma Fossilen für unsere hiesige Samm-
lung zu übersenden, von denen ich hier nur Otodus lanceolatus
Agass. 37,5 erwähne. Bisher kannte man von dieser Art nur
die Zähne. Um so grösser war meine Freude, unter der Sendung
eine Fischplatte mit einem wohl erhaltenen 0,38 m langen Hai-
fisch zu finden, dessen Maul mit einer Doppelreihe der schönsten
Otoduszähne besetzt ist, genau von der schlanken, schmalen Ge-
stalt, wie sie auf Taf. 37,5 von Agassiz abgebildet ist. Die
35 Costa, 0. G. 1855 descrizione di alcuni pesci fossili delLibana
— 355 —
Schnauze des Fisches ragt noch 1 cm. über die Zahnreihe des
Maules hinaus. Hinter dem Maul sitzen 6 — 8 Kiemenstrahlen,
an dieselben reihen sich die Brustflossen, die aber nur klein und
spitz sind und 0,032 lang, um so breiter wird die Schwanzflosse,
welche als breiter Hautlappen die Wirbelsäule umgibt. Am
Bauche hängen zwei schmale 20 mm lange Genitalquasten. —
Ausserdem wurde ich auf ovale Samenkapseln ästliche Gebilde
aufmerksam, welche nur als die Häute von Haifischeiern an-
gesehen werden können.
9. Die Senonmergel oder die weisse Kreide.
An der oberen Grenze der Touraine-Mergel angelangt, kann
jezt nur noch die Frage entstehen, ob und wie weit das nächst-
folgende Glied im Alter des Kreidegebirgs, das Sennonien Frank-
reichs, der Upper chalk Englands oder Deutschlands Pläner in
Syrien vertreten ist. Wohl habe ich im I. Theil A. d. Orient
pag. 82 die Kreidemergel von Latrün oder die weisse Fischzahn-
Kreide von Abu Tor in diesen Horizont versetzt, aber sicher
war ich meiner Sache doch nie. Ich werde es erst dann sein,
wenn die ächten Leitmuscheln der weissen Kreide gefunden sein
werden, so wie sie Freund Zittel z. B. aus der libyschen Wüste
mitgebracht hat, wo über den Horizont von Mastricht kein
Zweifel mehr existiren kann.
Wohl habe ich im amerikanischen College von Beirut den
ächten und gerechten Galerites vulgaris getroffen, ober ohne
Fundort. Die Etikette zeigte den Namen „Syria", bis solche
Fundorte genauer untersucht sind, möchte ich mein XJrtheil mir
vorbehalten. Höchst merkwürdig bleibt bis jetzt das absolute
Fehlen von Belemn. mucronatus und die unverhoffte Einmischung
von Nummuliten in die nächste Nähe der Rudistenzone.
Was diese letzere Thatsache betrifft, so verweise ich auf
die eingehende Untersuchung ^^ des Herrn Oberbergrath G um bei,
der zwar den von mir im Wädi eldjöz zugleich mit Kudisten und
^® Neues Jahrbuch für Mineralogie u. s. w. Jahrgang 1872
Seite 241.
23*
— 356 —
Ammoniten gefundenen Nummuliten (A. d. Orient I. Th. pag. 83)
zu dem Geschlecht der ÄlveoUna stellt, in Betreff der übrigen
Nummuliten vom Berge Garizim und einigen Höhen im Lande
Juda aber als feststehende Ansicht ausspricht, dass es an form-
ähnlichen Vorläufern des eocänen Nummulitengeschlechts nicht
fehle. G ü m b e 1 neigt sich zu der von mir ausgesprochenen
Ansicht, dass in den Mittelmeergegenden der Nummulitenkalk
sozusagen fest verwachsen , dicht und unmittelbar dem Rudisten-
kalk aufliege. Denn die betreffenden Nummuliten dieser Zone,
die ich nach Conrad NummuUtes arhiensis genannt habe,
lassen sich nach Gümbel von variolaria und biaritzensis nicht
trennen.
Ebenso getraue ich mir kein Urtheil über den geognostischen
Horizont der Fischzahnmergel des Abu Tor (A. d. Orient I.
pag. 109). Von diesen ist mir seither durch die freundliche
Vermittlung des Herrn Baurath Schick von Jerusalem noch
eine Anzahl weiterer Arten übermittelt worden, welche hiemit
nachgetragen werden.
Otodus lancedlatus Ag. Eech. 3. 37, 20, sonst eine eocäne
Art, die in Europa am Kressenberg gefunden wird. Fundort:
Abu Tor am Weg nach Bethlehem. Das Vorkommen gerade
dieses Haifisches auch zu Sähil Alma könnte wohl für die Verei-
nigung des Horizontes von Abu Tor mit dem von Sähil Alma
sprechen. Doch können erst eingehendere Untersuchungen mittelst
Nachgrabungen auf Abu Tor darüber entscheiden, ob diese Loka-
lität von der zur Zeit nur Haifischzähne bekannt sind, die ober-
flächlich in den Mergeln liegen, nicht auch im Innern weitere
Sähil Alma-Fische birgt.
Otodus appendiculafus Ag. ßech. HL 32, 15, aus dem
Speeton Clay von Aachen , Cambridge , Dresden , Quedlinburg
u. a. 0. Es wäre dies eine ächte Kreidespecies, aber wir legen
darum doch nicht zu viel Werth auf sie, weil es eben doch nur
einzelne Zähne von Haien sind, deren Veränderlichkeit jeder
Forscher kennt. Fundort: Abu Tor.
OxyrJiina MarteUi Ag. Rech Taf. 33, 3—9, ist gleichfalls
eine ächte Kreideart aus den harten Kalken am Mamillahteich.
— 357 —
Lamna compressa Ag. Rech. III. Taf. 37, Fig. 33, findet
sich in Europa in eocänen Schichten im unteren Grobkalk von
Paris und dem Londonclay. Fundort: Abu Tor.
Lamna acuminata Ag. Rech. III. Taf. 37, Fig. 54 ist wieder
eine Kreideart aus Sachsen und Aachen beschrieben. Fundort:
Abu Tor.
Enchodus hdlocyon Ag. Rech. V. Taf. 25, Fig. 1—7.
Von diesem Knochenfisch, dem einzigen bis jetzt in dieser Schichte
gefundenen, sind nur einzelne spitze Zähnchen von 1 — 3 cm
Länge und tiefgelber Farbe bekannt. Man teil schrieb sie dem
Hecht zu und nannte sie Esox Lewisiensis. In Amerika kennt
man sie von der Mündung des Potamak aus der Kreide. Fund-
ort: Abu Tor.
Von Gasteropoden möchte ich eine sehr kenntliche Leit-
muschel nachholen, welche Lartet pl. IX, 11, pag. 43, Turri-
tella Maussi Lart. genannt hat. Das Original stammt vom Oel-
berg bei Jerusalem und ist in durchscheinenden Feuerstein um-
gewandelt.
Den oberen Kreidefelsen fehlen in Sonderheit die Nerineen
nie, aber auch nie ist es mir gelungen aus diesen spUtterharten
Felsen irgend ein bestimmbares Stück herauszufinden, das über
die Species dieser tausendfach den Stein bildenden Muschel Auf-
schluss geben könnte. Die Muschel wird nicht gross, hat an
der Mundöffnung 8 — 10 mm Durchmesser. Zwei innere Falten
sieht man an einzelnen Exemplaren. Wegen der Menge, in
welcher die Muschel sich findet, möchte ich zu ihrer geognosti-
schen Bezeichnung sie Nerinea atundans nennen. Es ist mög-
lich, dass es die gleiche Schnecke ist, welche Conrad im Off.
Report Ner. abhreviata genannt hat. Doch ist die Abbildung
und Beschreibung dort so ungenügend, dass man seiner Sache
nie sicher ist. Sie ist an vielen Orten zu beobachten, z. B. am
Nähr el Kelb, beim Chan Schämür, am sichersten am Bardüni-
quell am Fuss des hohen Sannin und hinter Baalbek. Immer
aber ist sie eng an die Nummulitenschichten angeschlossen, so
dass in der That kaum eine Grenze zu den Rudistenkalken
existirt. Nach dem Stande unseres heutigen Wissens fällt es
— 358 —
in der That schwer die Frage zu entscheiden, ob wir An-
gesichts der Nummuliten noch im Gebiet der Kreide uns befinden,
zu welcher geognostisch und petrographisch das Gestein hin-
gewiesen wird, oder ob wir uns schon im Eocängebirge befinden,
das sich bei fehlendem Sennon unmittelbar an das Turon an-
schlösse. Ein sehr lehrreicher Platz ist das Bardünithal hinter
Zachle, aus welchem Jahr aus Jahr ein die Schneewasser vom
hohen Sannin her ins Thal niederrinnen, in der wohlhabenden
Stadt Zachle eine erfreuliche Industrie veranlassen, um nach zwei-
stündigem Lauf bei Mar Elias in den natürlichen Grenzstrom
des Libanon den Litani zu münden. Zwei Kilometer von Zachle
entfernt bricht nun das genannte Gebirgswasser tosend aus einem
Felsenthor, das durch aufrecht, fast auf den Kopf gestellte,
in hör. 1 streichende Nummulitenfelsen gebildet wird. Hart
hinter den Numrauliten stehen in gleicher Lage aufgerichtet
schneeweisse Kreidemergel, wenige Meter mächtig und schnee-
weisse Marmore mit der Nerinea abunäans und mit Korallen
(Favosites), die gleich geschwänzten Federn sich durch den
Kalk ziehen. Hinter der Nerineenbank steht eine Austernbank
von beträchtlicher Ausdehnung und Mächtigkeit, aus dieser bricht
am eigentlichen Fuss des hier uuersteiglich sich erhebenden
Sannin ein Doppelquell hervor, der in einer Temperatur von
8® C. nach kurzem Lauf die Mühlen von Aferain treibt.
Während sich nun unmittelbar an die steil aufgerichteten
Nummulitenbänke ein miocänes Süsswassergebilde horizontal an-
lagert, welches ohne Zweifel den Untergrund der Bekäa bildet,
sind gegenüber auf der Ostseite der Bekäa die Nummuliten-
schichten wieder ganz in derselben Weise aufgerichtet wie am
Bardünidurchbruch , was jedenfalls auf eine gleichartige Bildung
der beiden Gebirgszüge des Libanon und des Antilibanon hin-
weist.
Die ganze östliche Umgebung von Baalbek weist so weit
mir bekannt wurde nur entweder versteinerungslosen Massenkalk
bald marmorischer bald dolomitischer Art auf, oder aber den
ächten und gerechten Baustein der Nummuliten, denselben, aus
welchem auch die Pyramiden von Gizeh erbaut sind.
— 359 —
Tertiäres Gebirge.
Nammuliteu gehen ^^^''f^^ Fand eines Nummuliten
uns wirklich auch schon in ^''^ '"''j^a.^.^ Nachrichten,
Mit diese. Yorbehalt werden anc^c^^^^^^^^^^ ^._^^^ ^^ ^
welche L. Lartet über den ^""^ °" Bellardi vom Carmel,
,,,. ,0.) -^-— ,::;,rer'CabeirntodtenMeer,
GaillardotvonSaida Conra^ ^^^^„Medenen Punkten Sa-
L artet, ich selber und Andere von ^.^
^aviens und Judaas Nummulrten — J^^^^-^^ Kreide
wohl sammt und sonders ^enem G.enzgetaet ^^^
^"' tri £Ssr;:r: r d: mgegend^en büdet.
r:r rTlil. pa. -) .eschMer. -^^^^^^^
würde das Vermittluugsglied zwischen der syrischen üre
urtheilen. _ Dagegen h ^^^^ ^^ ^^ ^^^^^^ ^^
^''"" -rnardenii-Ende des Libanon in die Gegend
lernen, sich nacH dem ^^^ ^^^ ^^^^^^
von Taräbulüs - — ^ ^^; '^ ,,,,en höchster Spitze
^^" 11? :: r in' ull-eiblicher Klarheit hberblickt.
Z d^n s;te! die mit Leichtigkeit von ^^^^^Z
Hachmittag erreicht wird sieht man ^^ ^^ «f^^ trbol
bildungsprocess des Libanons aurtiigc
und Mlen des eigentlichen Libanonzugs Hegen. Dass
360 —
Eichtung des Streichens in die des Fallens umschlägt und um-
gekehrt ,st 3a auch sonst eine häufige Beobachtung und so \eir„
20 80 so dass einzelne Schichten fast auf dem Kopfe stehen
üeberraschend ,st am Terbol die Masse tertiärer Geschiebe die
Geschiebe ausnahmslos aus den Marmoren und Dolomiten des Edd
gebirgs bestehend. Dies wäre eine Kreidenagelfl h7 'L
Tsothe "r'"? -^'«^^^«^-^ gehabt z! haben scLint
r h t " ; '" '" ""''' ""' ^°'='« »»f ^- «"ersten JurJ
b obachtet werden kann. Löcherige, zerfressene, gelbe Kalk'
felsen bilden das Liegende der Geschiebe, die hier zu s hr be-
2n^er Mächtigkeit anschwellen und die Spitze des TerboL
biden. TVie ,m Schweizer Jura führen die Geschiebe, die mit
Bohnerzletten gemengt sind, Wasser, so dass menschliche
Wohnungen auf der Hohe des Berges sich befinden und üppige
Ackerfeld den Berg zur Frühlingszeit in ein saftiges Grün kSet
üeber den Geschieben folgt ein reiches und mächtiges System
Korallen und langgestreckte Austern, bei denen ich gar keinen
Anstan nehme, sie geradezu Ostrea lon.irostris zu nUnen uS
neben das deutsche Vorkommen zu stellen.
Ans der Reihe der sehr zahlreichen Fossile erwähne ich nur
wenige, die auf einer Excursion nach dem Terbol gesammelt
rorn^^des mittelmeerischen Miocäns. Sie findet sich in Gesell-
schaft der nächstfolgenden Arten. Fundort: Taräbulüs. k21
Clypeaster tauricus ües. (Syn. pag. 240) „ennt Desor die
sehr grosse Form des granäiflorus, der im CUjp. aegyptiaZ
eine Formvarietät gefunden hat. Tauncus ist L df Insel
0^: Talult"'^^*^" ™' '"^^* ''-' ^^ ganzen Taurus. Fund-
Soutella subrofmdata Lam. gleichfalls eine bekannte Form
von Bordeaux, welche sie jedoch an Grösse wesentlich übertrifft.
Der Durchmesser von 13 und 11 cm ist den kleineren Exem-
— 361 —
plaren eigen. Doch gibt es welche von 20 und 17 cm. Fund-
ort: Taräbulüs.
Von Austern nenne ich Ostrea crassicosfata Sow. Börnes
(69,4) beschreibt sie aus dem Wiener Becken. Fundort : Tarä-
bulüs. Lataklje.
Ostrea crassissima Lam. Fundort: Terbol.
Ostrea virgata Gf. 76,7. Fundort: Terbol.
Fecten Besseri Hörnes 63, 1 — 4. Fundort: Terbol und
Lataklje.
Pecten aduncus Eichw. Hörnes Taf. 59, Fig. 7 u. 8. Fund-
ort: Terbol, sehr gewöhnlich.
Pecten elegans Andrezowsky. Hörnes 64,6. Diese Art
findet sich ebenso in Nussdorf wie im Ulmer Miocän bei
Jungingen. Fundort: Taräbulüs.
Unter Bivalven ist die häufigste Cardium hians Brocc.
Hörnes 26, 1—5, eine so characteristische Form, dass sie nicht
übersehen werden kann, ob wir gleich nur Steinkerne vor uns
haben. Fundort: Terbol.
Tellina planata Linne. Fundort: Terbol.
"Von Gasteropoden nennen wir die Steinkerne von
Turritella turris Basterot.
Strombus Bonelli Hörnes 17, 1—6.
Haliotis volhynica Eichwald.
Pyrula geometra Hörnes 28,7.
Calyptraea chinesis Hörnes 59,17.
Fundort aller dieser Arten und noch viel anderer unbestimm-
baren Steinkerne: Terbol bei Taräbulüs.
Alle diese Fossile gehören unbestrittener Massen dem älteren
Miocängebirge an und entsprechen ungefähr der tongrischen Stufe
Mayers. Sie haben die ganze Bewegung des Libanon bei der
Gebirgsbildung mitgemacht, indem sie dem Streichen und Fallen
der Nummulitenbänke sich anschliessen. Nun ist aber auch noch
ein jüngeres Tertiär vorhanden , das mit der Gebirgsbildung
des Libanon in keinerlei Zusammenhang steht, das sich vielmehr
erst nach der Erhebung des Gebirgs an die aufge-
richteten Schichten älterer Formationen angelagert
— 362 —
hat. Wir stossen auf diese jungtertiären Süsswassergebilde im
Osten des Libanon, wo die Gehänge der Bekäa und wahr-
scheinlich auch der Untergrund dieser merkwürdigen Niederung
lichte, bituminös berührte Süsswassermergel führt. Das Alter
dieser Ablagerung bestimmt sich aus 'zwei alten guten Bekann-
ten, die nachgerade einen internationalen Character bekommen,
Planorhis und Litorinella.
Flanorhis cornu Brogn. Unter diesem Namen hat Noulet
das Gewirr der verschiedensten Bezeichnungen für ein und den-
selben Körper zur Ruhe gebracht. Zieten hatte den Nameu
pseudammonius Schi, auf unsere Muschel angewandt, Thomae
und nach ihm Sandberger nannten sie solidus , andere gaben
wieder andere Namen, so dass vom Jahr 1810 bis 1870 eine
lange Eeihe von Synonymen entstand. Alle Namen aber ver-
stehen nur ein und dieselbe Schnecke, die in den für junges
Miocän ausgegebenen Schichten Frankreichs, Deutschlands und
Oestreichs zum wirklich leitenden Fossil geworden ist. Herr
Dr. M. Neumayr hat das Fossil in den dalmatinischen Süss-
wassermergeln nachgewiesen, A. Gaudry in denen von Attica,
so dass die geographische Brücke zu dem Vorkommen in der
Bekäa jedenfalls vorhanden ist. Wenn Neumayr ^"^ in Dal-
matien die jungtertiären Süsswassergebilde als wenig geneigt den
aufgerichteten alttertiären Schichten oder Kreidekalken diskordant
aufliegend beschreibt, so bezeichnet er eben damit wörtlich getreu
das libanesische Vorkommen. Das industrielle wohlhabende, aus-
schliesslich von Christen bewohnte Zachle liegt bereits ganz auf
Süsswassermergeln. An verschiedenen Punkten des Bertün (Burk-
hardt) oder Bardüui, (Bardauni Aussprache in Zachle) kann man
3' Jahrb. d. K. K. geol. Reichsanstalt 1869. N. 3, pag. 855.
Südlich Cattaro ist eine Tertiärmulde von älterem Kreidekalk einge-
schlossen. Die Tertiärhügel bestehen aus meist hellgefärbten reichen
Mergeln in sanft geneigten Schichten, die vortrefflich erhaltene Süss-
wasserschnecken einschliessen. Hin und wieder beobachtet man dunkel-
bräunlich gefärbte Mergel mit Kohlenschnüren. Am ausgedehntesten
ist das Tertiär in der weiten Cettina-Ebene in der Umgebung von Sinj,
das sich überall an Kreidegebilde anlehnt.
— 363 —
Aufrisse in den lichtgelben Mergeln beobachten, die schwach
geneigt in einem Winkel von höchstens 6 — 8 ^ an die fast auf
den Kopf gestellten Nummulitenbänke sich anlehnen. Hinter Kerak
Nüch (Noah) wiederholt sich das Vorkommen der Planorbismergel,
die an Nerineenfelsen sich anlehnen, ebenso, dessgleichen auf der
linken Seite des Litani bei Serain , wo der Yafüfe aus dem Anti-
Libanon hervorkommt, d. h. wenn es zuvor geregnet hat oder der
Schnee schmilzt. Mit Planorhis cornu findet sich haufenweise.
Litorinella acutu A. Braun und Sandb. (Mainz. Tert.)
Neuerdings sind dafür neue Namen entstanden: Hyärohia ventrosa
V. Mart. oder Nematurella für Neumayr's Litorinella dal-
matina. Ich bin nicht im Stande Unterschiede zu machen zwischen
den kleinen Schnecken, die längst unter dem Namen der Litori-
nella kursiren und zu Millionen in Schwaben gefunden werden, nach
Neumayr in Dalmatien wiederkehren und ebenso zahllos in der
Bekäa liegen. Trümmer von Lymnäen und Paludinenschalen,
Schmitzen von Braunkohlen stellen sich ein, wodurch diese Mer-
gel jene charakteristische Chocoladefarbe erhalten, welche jedem
Kenner des oberschwäbischen Tertiärs eine bekannte Erschei-
nung ist.
Wenn Herr Th. Fuchs in seiner geologischen Uebersicht
der jüngeren Tertiärbildungen des Wiener Beckens und des
ungarisch-steirischen Tieflandes (Zeitschr. d. deutsch, geol. Ge-
sellsch. XXIX. Band, 4 Heft 1877) eine le vantinische Stufe
aufstellt, die sich als reine Süsswasserbildung documentirt, so
bin ich um so mehr mit dieser Aufstellung einverstanden, als
sie nicht mehr dem oberen Niveau, sondern dem Pliocän der
Mittelmeerländer entsprechen soll. Herr Fuchs führt diese
Stufe auf als auf der Balkanhalbinsel, in Griechenland, in Klein-
asien und den Inseln des griechischen Archipels vertreten.
Quaternäre Bildungen.
Schon im I. Theil A. d. Orient habe ich zum Schluss darauf
hingewiesen, dass der Charakter der ältesten Kulturreste, die wir
in Egypten, Arabien und Syrien beobachten, ebenso wie die histo-
— 364 —
Tischen Nachrichten, die uns in Bild und Schrift überliefert sind,
mit Nothwendigkeit zur Annahme einer vollständigen
Umänderung des Klimas führen. Dasselbe charakterisirt
sich namentlich durch das Fehlen der Wüste, um deren
Existenz sich das ganze Leben der Organismen dreht. Indessen
häufte sich Jahr um Jahr das Beweismaterial für die Existenz
von Culturländern an Stelle der heutigen Wüste, dass es fast
einem absichtlichen Verschliessen der Augen gleich käme, wollte
man die Folgerungen nicht ziehen, zu welchen die Beweise uns
nöthigen. Ich rede jetzt nicht mehr von den historischen Be-
weisen, welche für das Fehlen der Wüste sprechen, von der
dichten Bevölkerung der sinaitischen Halbinsel, mit welcher Israel
erst blutige Schlachten zu liefern hatte, bis es von der Gegend
Besitz ergriff, nicht von den viel tausend streitbaren Männern von
Israel, die mit Weib und Kind, mit ihren Rindern, Eseln und
Schafen sich Jahrzehnte in der heutigen Wüste umhertrieben,
nicht von der Thatsache, dass assyrische und persische Heer-
säulen einst von Osten her nach Syrien einfallen konnten, während
1799 im Monat März die kleine Armee Napoleons auf dem
kurzen Weg von St. Jean d'Acre zum pelusischen Nilarm in
einer Gegend fast zu Grunde ging, die mit der arabischen und
syrischen Wüste gar nicht zu vergleichen ist. Ich rede hier
blos von den prähistorischen Resten, die theils in quaternären
Bildungen Syriens, theils oberflächlich im Wüstengrund Ara-
biens und Egyptens sich finden.
Ohne den Werth ihrer Entdeckung zu beachten, hatten schon
zu Anfang der 30er Jahre Hedenborg und Botta der Knochen-
breccien von Ant-Elias und der Grotte am Hundsfluss Erwähnung
gethan. Erst der Expedition des Herzogs von Luynes war
es vorbehalten, in diesen Breccien prähistorische Statio-
nen zu erkennen, was L. L artet unterm 21. März 1866 in
einer Vorlage an die Akademie der Wissenschaften der Oeffent-
lichkeit übergab. Dieser in den Renthierstationen des Perigord
wohl bewanderte Gelehrte nahm keinen Anstand, zwischen der
Huudsflussgrotte und dem Perigord eine Parallele zu ziehen.
Ohne das Alter beider Stationen in eine und dieselbe Zeit zu
— 365 —
verlegen, erklärte er doch beide für Ursitze menschlicher Kultur,
an welchen Menschen ihre erstmaligen Versuche machten, sich
mit Hilfe des Feuersteins Handwerkszeuge zu schaffen und durch
die Jagd auf die Thiere des Landes ihren Lebensunterhalt zu
gewinnen.
Nur wenige Jahre stand es an, so kamen dieselben über-
raschenden Beobachtungen aus Egypten (l'industrie primitive
en Egypte et en Syrie, Juni 1869 par Adrien Arcelin in:
Materiaux pour l'histoire primitive und ebendort vom Januar
1870) durch die Herrn E. Hamy und F. Lenormant.
Arcelin hatte bei Abu Mangar auf einem Raum von 2 Ar
Ausdehnung gestossen, bedeckt mit Feuerstein-Instrumenten, Häm-
mern von hartem Gestein mit Spuren von Schlägen und einer
geschliffenen Axt aus Porphyr. Dessgleichen fand er bei Bäb
el Melük (Theben) eine sehr grosse Masse künstlich geschlagener
Feuersteine in Form von Messern und Sägen und vereinzelte
Stücke in Sakkära beim Serapium und bei Gizeh. Arcelins
Beobachtung von Bab el Meluk wurde nunmehr auch von den
Herrn Lenormant und Hamy bestätigt, welche ebendort auf
den Höhen des rechten Nilufers auf einer Fläche von mehr als
100 Dm eine unzählige Menge bearbeiteter Feuersteine, ächte
„silex tailles" fanden neben Pfeil- und Lanzenspitzen, Beilen und
den Feuersteinkernen, von denen die Werkzeuge abgeschlagen
waren. Zur selben Zeit fanden die Doktoren Keil und Sachs
an den Quellen von Helwan, wo ein Luftkurort für] Lungen-
leidende etablirt wurde, in zahlloser Menge dieselben Werkzeuge
und Ebers bei El Nüb (Edfu) Feuersteinstücke in jeglicher
Gestalt. Aber dieser Gelehrte sowohl als Lepsius (Zeitschrift
für egypt. Sprache 1870 p. 95 und 1871 p. 17) nehmen an
der ungeheuren Menge der Feuerstein-Gegenstände Anstand.
Lepsius kann sich keine Vorstellung machen von einer Industrie,
welche Tausende ihrer fertigen Produkte des Aufhebens nicht
werth hält , sondern unbenutzt liegen lässt und er sowohl als
Ebers können sich mit dem Gedanken nicht aussöhnen, dass die
Feuersteinfelder so unpassende, gerade den glühendsten Son-
nenstrahlen ausgesetzte Wüstenfelder sind, während es doch
— 366 —
in der Nähe an geeigneteren, schattigen Plätzen nicht gefehlt
hätte. Die ausgezeichneten bis zu 15 cm langen Feuerstein-
messer, deren photogr. Abbildung dem Juliheft der betr. Zeit-
schrift beigegeben ist, sind Gräbern entnommen, deren eines als
das Grab des Königl. Oberbaumeisters Mehä aus der Mitte des
3ten Jahrtausend bezeichnet werden kann. Daher verlegen die
Herrn Egyptologen die Feuersteingeräthe als chirurgische Fabri-
kate in die historische Zeit egyptischen Staatenlebens und wollen
eine Steinzeit im Sinn der europäischen nicht anerkennen. Ebers
macht darauf aufmerksam, dass die Funde verarbeiteten Goldes
auf den ältesten Denkmälern und die Darstellung der frühesten
Erzeugnisse egyptischer Kunst, die ohne Metall Werkzeuge gar
nicht möglich war , zu der Annahme führen , dass die Egypter
als ein mit der Metallurgie wohl vertrautes Volk an den Nil
kamen. Beide Egyptologen sprechen sich daher für die Ansicht
aus, dass die sogenannten Feuersteinmesser nur zufällige Gebilde
der Natur wären, lediglich nur entstanden durch das natürliche
Zerspringen der Feuersteinknollen in Folge der Extreme der
Temperatur. Es ist dies ein wohl zu beachtender Einwand, denn
jeder Wüstenreisende kennt das Zerspringen der Feuersteine beim
raschen Temperaturwechsel; habe ich doch selbst (A. d. Orient
pag. 38 und 39) durch eigene Beobachtung die Thatsache con-
statirt, dagegen ist ebenso sicher darauf hinzuweisen, dass die
abspringenden Splitter nur ganz ausnahmsweise Späne abgeben,
welche etwa einem Messer oder Schaber verglichen werden könn-
ten. Vielmehr sind die in der "Wüste liegenden Feuersteine
der Mehrzahl nach schalig und muschlig ausgesprungene Stücke,
wie sie auch bei künstlicher Erhitzung eines Feuersteins aus-
springen. Nun kann man aber über tausend solcher Splitter
hinwegschreiten, bis man einem Stück begegnet, das man wegen
seiner Aehulichkeit mit einem Feuersteinmesser des Aufhebens für
werth achtet. Nie aber habe ich auch nur einen einzigen Split-
ter gefunden, der wirklich mit einem Werkzeug aus einer prä-
historischen Station verglichen werden könnte, d. h. der die breite
Flachseite (Innenseite), die schmälere Aussenseite und die 2 Seiten-
flächen (Facen) zeigte, wie sie entstehen, wenn man von einem
— 367 —
Stein der Reihe nach Späne abspaltet, bis der Nucleus übrig bleibt.
Dagegen sehen die bei Bab el meluk, Helwan, Edfu u. s. w.
gefundenen Stücke, gleich den von Lepsius abgebildeten, so
ganz zweifellos als von Menschenhand geschlagen aus, dass der
Gedanke an zufällige Bildung auf das entschiedenste ausge-
schlossen werden muss. Es handelt sich hier nicht etwa um
subjektive Ansichten des einen oder anderen Gelehrten, sondern
um den allgemein gültigen Satz, dass ein Stein unter der
Hand des Menschen durch Schläge mit andern Steinen oder
mit Instrumenten eine bestimmte Gestalt erhält, die
er ohne dies nicht bekäme. So wenig man einen be-
hauenen Quaderstein mit einem möglicher Weise durch Zufall
viereckig gesprungenen Steinblock verwechseln wird, so wenig
können die geschlagenen Feuersteine mit Natursplittern ver-
wechselt werden.
Hiebei muss ein Hauptwerth noch weiter darauf gelegt
werden, dass nicht etwa der Fund eines einzelnen Feuerstein-
splitters in Betracht kommen darf, sondern die Zahl der Funde
an ein und derselben Stelle, während in der nächsten Nähe die
Splitter ganz fehlen. Dessgleichen ist das geognostische Moment
herbeizuziehen, dass der Gedanke an natürliche Bildung der
Splitter nur da erwogen werden darf, wo wirkliche Kreidebänke
mit den Schnüren und Knauern der Feuersteine an Ort und Stelle
anstehen.
Ebers und Lepsius wollen sich mit dem Gedanken an
menschlichen Ursprung der Feuersteinmesser aus dem Grund
nicht befreunden , weil sie dieselben an ganz wasserlosen Stellen
des steinigen Arabiens fanden, -vro sie Hunderte von Quadratmetern
bedecken. Sie hielten es für widersinnig, deren menschlichen
Ursprung anzunehmen, weil alle Bedingungen der Existenzmög-
lichkeit für eine menschliche Station hier fehlen. Dabei gehen
sie von der entschieden unrichtigen Voraussetzung aus, als ob
die Wüste von jeher Wüste gewesen wäre. Eine solche Annahme
könnte nach meiner Ansicht etwa das Resultat einer eingehenden,
Alles erschöpfenden Untersuchung sein, sie aber als einen feststehen-
den Satz vorauszuschicken und darauf Beweise gegen den mensch-
— 368 —
liehen Ursprung der Steinmesser zu gründen, geht sicherlich nicht
an. Wir finden, schliessen die Egyptologen, die Steinmesser in
der wasserlosen Wüste, in der sich nach gegenwärtigen Verhält-
nissen Menschen nicht aufgehalten haben können. Wenn nun
Menschen die Messer an Ort und Stelle nicht geschlagen hatten,
so bleibt nur der natürliche Ursprung derselben, durch zufälliges
Zersplittern beim Temperaturwechsel übrig.
Dagegen schliesse ich: die Steinmesser in der Wüste haben
eine Gestalt, wie sie nach allgemein menschlicher Erfahrung und
nach den unabänderlichen physikalischen Gesetzen der Kohäsions-
verhältuisse irdischer Körper nur durch einen absichtlichen Schlag
entstehen können. Sie sehen ausserdem den Steinmessern der
europäischen Höhlen uud Torfmoore, wo sie stets in Verbindung
mit anderweitiger menschlicher Thätigkeit gebracht werden können,
so aufs Haar ähnlich, dass nur die Etikettirung jedes einzelnen
Stücks Yor Verwechslung bewahren kann. Sind die Steinmesser
wirklich von Menschenhand gemacht, so müssen einst Menschen
an dem Ort gelebt und gearbeitet haben, wo sie in so erstaun-
licher Menge zu finden sind. Da diese Orte der Steinmesser
heutzutage Wüste sind, so müssen diese zu einer Zeit geschlagen
worden sein, in welcher es noch kein egyptisches Volk gab und
die heutige Wüste noch keine Wüste war.
Wohl befreundet sich der Geist uugerne mit gewissen neuen,
in unser System nicht passenden Ideen. Es ist daher auch leicht
zu begreifen, dass Gelehrte, denen die Wüste sozusagen präexi-
stirt von einer früheren Bewohnung und Bevölkerung der Wüste
Nichts wissen wollen. Und doch mehren sich mit jedem Jahr
die Beweise für eine frühere Kultur in der Wüste zur prä-
historischen Zeit. So fand Abbe Eichard Steinmesser östlich
Kairo im Mokattam, in der Umgegend von Theben, auf Ele-
phantine. Die grösste Werkstätte von Steiniustrumenten traf
er am Fuss des Sinai und im Centrum des Gebirgs im Wadi
Färän. Eben hier traf Beurmann im Wadi Meghära in der
Nähe der Türkisminen, welche nach vorhandenen Felseninschriften
zu Manethos Zeiten ausgebeutet wurden, Steinwerkzeuge jeder
Art, mit denen, wie er meint, die Felsenschrift hergestellt
— 369 —
wurde. Davon kann nun freilich entfernt keine Eede sein, denn
die Steinzeit liegt weit vor jeglicher Kulturzeit des alten Egyp-
tens, in welcher bereits die Steinwerkzeuge als alte Tradition
sich nur noch im Kult (Beschneidung, Oeffnung der Leichen und
Gräberbeigabe) erhielten.
Wir besitzen in der hiesigen Staatssammlung Feuerstein-
messer aus der libyschen Wüste, welche Professor Zittel fern
von den Oasen auf seiner Eoute aufgelesen. Die Messerchen sind
acht typische Steinmesser, wie wir sie nur aus unsern euro-
päischen Höhlen und Mooren kennen. Sicherlich sind sie auch
nicht die einzigen, die Zittel zufällig am Wege auflas und wird
eine nähere Untersuchung der Lokalität constatiren, dass sie
dort ebenso verbreitet in der Wüste zu Tage liegen, wie z. B.
zwischen dem Nil und rothen Meer, wo sie Schweinfurt
gleichfalls in solcher Menge fand, dass er an menschlichen Ur-
sprung gar nicht denken mag, sondern sie gleich L epsius und
Ebers für zufällige Sprenggebilde ansieht.
Liegen in der egyptischen und arabischen Wüste die Stein-
messer offen zu Tage, indem im Laufe der Wüstenbildung der
quaternäre Boden in Staub verwandelt und von den Wüsten-
stürmen verweht worden war, so liegen sie in Syrien und am Libanon
zum öftern in den Knochenbreccien der Höhlen und dem
Kalkgebäckeder sogenannten t e r r a rossa. Unter diesem Na-
men, den Hauer aus den dalmatinischen Bergen (Jahrb. d. geoL
Keichsanstalt von 1868, pag. 452) in die wissenschaftliche Sprache
eingeführt hat, verstehen wir das Conglomeratgestein, das wir (A. d.
Orient I, pag. 202) als die Decke auf den Kreideschichten bezeich-
neten, die sich ohne Unterschied über Höhen und Tiefen ausbreitet.
Am Libanon erst lernte ich dieses Gestein recht kennen
und verstehen, wo es sich von den höchsten Bergen herab bis
au das Meer zieht und mit Vorliebe den Thalgehängen nachgeht.
Es ist stets auf Kreidefelsen aufgeklebt und die fest cementirte
Breccie aufs innigste mit diesen verwachsen. Wie sich nur ein
Mörtel an alten römischen Bauten mit den Mauersteinen ver-
bindet, so fest klebt die Breccie am Kreidekalk, der augen-
scheinlich die Wasser, die über ihn liefen, mit kohlensaurem Kalk
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. , 24
— 370 —
geschwängert hat , also dass sie in den Stand gesetzt wurden, den
Schutt von losem Gestein, Knochen, Zähnen, Feuersteinen, Kohlen
und Aschen zu cementiren.
Ueber die Zeit der Bildung habe ich keinen Zweifel mehr : es
ist die Zeit der Gletscher und der Schutt, der auf dem Rücken
der Gletscher von den Höhen zu Thale schob, ist glacialer
S c hutt der Moräne. Derselbe ist 1. wirklicher Schutt, d. h. eckige,
wenig entkantete Marmore, Dolomite, Sandsteine und Basaltite,
kurz die härteren Steine, die es überhaupt im Libanon gibt, nur
wenig gerollt und abgeschoben in allen denkbaren Grösseverhält-
nissen, von der Staubform an bis zur Grösse mehrerer Kubik-
meter. 2. Die kleinst zertrümmerten, zu Pulver zermahlenen
Theile des Kreidegebirgs, namentlich der erzführenden mittleren
Formation. Der fein vertheilte, die Kalke durchsetzende Schwefel-
kies färbte die ganze Masse braunroth; daher die röthliche
Erde, die über Palästina hin auf so vielen Höhen liegt, sie
ist der „Erdenkloss" aus dem der erste Mensch gebildet war.
3. Die terra rossa bewahrt in sich die Spuren prähistorischer
Zeit, Holzkohlen, Aschen, Steinmesser, Scherben, Knochen und
Zähne der Thiere, die dem prähistorischen Menschen zur Nahrung
dienten. 4. Die Ebenen, in welchen die terra rossa den Unter-
grund bildend sich über Meilen ausdehnt, ist strichweise über-
säet mit erratischen Blöcken. In der Provinz Küra, die zu
den fruchtbarsten Provinzen des ganzen Libanon gehört, ist der
Typus einer solchen Landschaft zu beobachten, die ihre Gestalt
der gewaltigen Moräne verdankt, welche von den Höhen des
eigentlichen Libanon aus dem Bezirk Bscherre durch die Kadischa-
Schlucht gegen das Meer geschoben wurde. Aus den Engpässen
der Felsen herausgetreten breitete sich der Gletscher am Fuss
der Gebirgserhebung aus und schuf hier die herrliche Ebene, in
welcher vor Allem gegenwärtig der Tabaksbau blüht und die
Kultur der feinsten Orangen '^^ und Feigen. Die Blöcke von
^* Der edle Assad Karam Bey Mu4ir von Zgharta, Neffe
des berühmten Maronitenführers Karam Bey, einer der reichsten
Grundbesitzer des Libanon, cultivirt eine RiesenoraDge (Leimün
Kubät) und verpachtet seine Bäume von dieser Sorte um jährliche
2—300 Frs.
- 371 —
lichtem Marmor, von rothem, weissem und gelbem Sandstein sind
theilweise von solcher Grösse, dass sich eine Wohnung* daran lehnt,
liegen in demselben fetten rothen Kulturgrund mitten zwischen
üppigen Gewächsen, und tragen viel zur Schönheit der Land-
schaft bei. Am häufigsten liegen sie am Rande des Kadischa-
Grundes, der anfangs tief in den Schutt eingewühlt ist, dann
aber immer flacher und flacher wird, bis er auf der letzten
Terrasse über dem Meer verschwindet, wo wieder das geschichtete
Gebirge heraustritt, das den letzten Abfall zum Meer bildet.
5. Innerhalb der Engpässe klebt der Schutt an den Felswänden,
völlig mit denselben verwachsen, namentlich gerne bei Biegungen
des Thals, in Nischen und Löchern, welche damit ausgefüllt sind.
Ein ausgezeichneter, sehr leicht erreichbarer Punkt ist an dem
grossen Völkerweg, der an der Mündung des Hundsflusses auf
einer in die Felsen gehauenen Strasse zwischen dem Meer und
dem Gebirge hinführt. In Spalten der Felsen, auf welche die
Egypter unter Sesostris zu Ende des 14. Jahrhunderts vor
Christus ihre Felseninschriften dem ammonischen Gotte Phtha
zu Ehren eingemeisselt und die Assyrer den Einfall Sanheribs
(701 a. C.) in reizender Keilschrift auf den Gewändern ihres
Fürsten verewigt, auf welchen (180 p. C.) der römische Kaiser
Marcus Antoninus und letztmals 1860 die französische Ex-
pedition Napoleons III. eine Felsentafel mit den Namen der
Generäle und Obristen bedeckt hatten, liegen die noch viel älteren
Zeugen menschlicher Spuren der Steinmesser und Thierknochen
als Zeugen einer Zeit vor der Gletscherperiode oder der Bildung
der terra rossa. Eev. Lewis gebührt hier das Hauptverdienst,
auf diese Funde am Hundsfluss aufmerksam geworden zu sein.
Es liegen von hier in der Sammlung des protestantischen Collegs
von Beirut Knochen und Zähne von Nashorn und Wisent und
andere, die noch auf Entzifferung harren.
Sieben Kilometer oberhalb des englischen Maschinenhauses,
welches die Wasser des Flusses in 26zölligen eisernen Röhren
in das Hochreservoir von Beirut treibt, zwei und ein halb Kilo-
meter oberhalb des Wehrs, an welchem der Fluss für die Wasser-
leitung abgegraben ist, liegt auf der rechten Seite des Flusses
24*
— 372 —
eine kühle Grotte, aus welcher ein Hauptarm des Flusses unter
den Felsbänken hervorbricht. Von den Felsen hängen die
reizendsten Büschel und Schnüre von Schlingpflanzen nieder,
herabgestürzte Felsklötze, über welche geklettert werden muss,
geben der Grotte ein wildes Aussehen; dazu das Getöse des
tobenden Wassers, das unter den Felsklötzen herausbrechend in
das nahe Strombett hinabstürzt — Niemand wird in die Felsgrotte
treten können, ohne die Schrecken der Natur im vollsten Masse
zu empfinden. Während der Herstellung des Wasserwerks wagten
sich englische Ingenieure in das Innere der Höhle, aus welcher
der Fluss hervorbricht. Durch einen seitlichen Zugang eintretend
waren sie im Stande auf eine Entfernung von 1200 m dem
unterirdischen Flusslauf zu folgen. Wundersame Tropfstein-
gebilde, Kammern, Säle, Kapellen, die alle von den Ingenieuren
Namen erhielten (Maxwellgrotte, Rustemgrotte), machen diese
Hundsflusshöhle zu einem würdigen Seitenstück der Adelsberger
Grotten im Karst. Viele Besucher wird aber dieser unterirdische
Flusslauf nicht finden, denn der in der Tiefe tosende Strom
mit seinen Kaskaden, dazwischen wieder tiefe unheimlich stille
Seen bildend, macht den Gang auf den schlüpfrigen Felsen ebenso
gefährlich als schauerlich erhaben. 10 m über dem Flussbett,
einen Steinwurf von der Quelle entfernt, ist eine Grotte mit
dem Gebäcke von Aschen, Kohlen, Steinmessern, Schneckenschalen
und zahllosen Knochen und Zähnen. Die Höhle ist mehrere
Meter hoch mit dem Gebäck angefüllt. Aus ihr stammt das
Kieferstück des Bären, den ich von ürsus arctos nicht unter-
scheiden möchte.
In der nahen Anteliasgrotte , welche die Herren Heden-
borg und Botta noch besucht hatten, sind indessen gewaltige
Klötze vom Dach der Höhle niedergestürzt und wurde der alte
Grund verschüttet, dass ohne grossen Aufwand an Zeit und Geld
dort nichts mehr zu machen ist.
Um so erfreulicher waren dagegen die Nachforschungen
im Wadi e Djauz. Auf dem Weg von Kafr Hatta nach dem
Kloster Mar Hanna el Märün wird über eine unendlich kahle
Kreidemergel-Landschaft steil zum Djauzthal abgestiegen. Der
— 373 —
Unterschied zwischen der Roth-Erde an dem Thalgehäng und im
Thahl selbst gegenüber den Schichtenböden auf der Höhe, die
lediglich nur als Waide dienen, tritt hier wieder ganz auffällig
zu Tage. Nur wenige 100 m oberhalb der Brücke ist Bag-
gadin Djauz neben der Mühle von Kafr Hai. Der Holzschnitt zeigt
die geräumige Grotte im wohlgeschichteten Ereidemarmor, der im
Hintergrund der Grotte sichtbar ist, der Boden der Grotte aber
und deren Dach ist das reinste Gebäcke aus Kohlen und Aschen-
trümmern, Knochen und Zahnfetzen und Feuersteinlamellen jeder
Art. Die Grotte ist augenscheinlich jünger als das Gebäck, an
der hinteren Felswand zeigen sich Knochentrümmer und Feuer-
steinlamellen angewachsen, die wie es scheint, hängen blieben,
als die Grotte wahrscheinlich nur durch Menschenhände aus-
gegraben wurde. In der Grotte und vor der Grotte hat ein
schlaue Müller eine üppige Tabaksplantage angebracht, die
vortrefflich auf dem prähistorischen Boden gedeiht. Auch hat
der Müller ohne die Phosphorsäure in der Knochenbreccie
analysirt zu haben, es für zweckdienlich zum Gedeihen seiner
Maulbeerbäume und Feigen erachtet, seinen Pflanzen von der
Knochenerde anzuschütten, die aus dem Grund der Grotte geholt
wird. Die Höhe der Grotte ist nicht mehr als 2 m und es
— 374 ^
scheint, dass im Lauf der Zeit das ganze Loch künstlich aus
der Wand ausgehoben wurde, um die Knochenmasse als Dünge-
mittel zu benützen.
Endlich ist noch einer Grotte bei Faraiya im Kesruwän Er-
wähnung zu thun, aus welcher der deutsche Generalkonsul Herr
Dr. Weber^^ , Geweihstücke, Knochen und Zähne" erhalten
hatte, um sie nach Berlin einzusenden. Herr Geh.-EathR.Virchow
hatte indessen die Freundlichkeit mir sämmtliche Funde dieser
Lokalität, welche im anatomischen Museum zu Berlin aufbewahrt
werden, zur Untersuchung anzuvertrauen. Auf meiner Eeise durchs
Kesruwän kam ich zwar nach Faraiya, konnte aber die betreffende
Höhle nicht erfahren. Sind doch der Höhlen so viele, dass die
einzelne zu finden die grösste Schwierigkeit besteht. In den
meisten aber liegen sicherlich prähistorische Eeste.
In erster Linie sind Feuerstein-Instrumente zu nennen.
Es hat aber keinen Werth einzelne Formen zu beschreiben und
führe ich nur an, dass dieselben dem Hundert nach gesammelt
werden können und zwar 1. die ächten Spaltsplitter (lames) mit
der breiten inneren Flachseite, der schmalen Aussenseite und den
schief anliegenden zwei Seitenflächen; 2. dieselben zugespitzt
oder abgerundet (grattoirs); 3. gleichseitige Dreiecke, deren
Kanten zugeklöpfelt sind; 4. runde oder ovale flache Lamellen;
5. formlose Splitter, die als Abfall angesehen werden können.
Von den letztern mögen viele auch ohne Beihilfe des Menschen
durch Felsenstürze und gelegentliche Zersplitterung der Feuer-
steinknollen entstanden sein.
Unter den Resten der quaternären Säugethiere steht oben an
TJrsiis arctos Linne. Unter diesem Namen nur getraue ich mir eine
auffallend kleine Varietät des Bären zu besprechen, von welcher
ich einen vollständigen Unterkiefer eigenhändig aus der Grotte am
Nähr el Kelb herausgegraben habe, während das andere Exem-
plar, das freilich nur in der vorderen abgebrochenen Hälfte des
'^ Berliner Gesellsch. für Anthrop. etc. Sitzung vom 20. Febr. 1875.
Herr Konsul Weber hatte die Reste vom Schech Däüd el Chazim
erhalten, dem es wohl zu verzeihen war, dass er das Schädeldach
eines Löwen für ein menschliches ansah.
— 375 —
linken Unterkieferastes besteht, der Höhle von Faraiya entstammt.
Das Stück befindet sich im anatomischen Museum in Berlin und
wurde mir durch Vermittlung der anthrop. Gresellschaft von dort
mitgetheilt.
Die Kieferlänge beträgt 0,19 m, dieselbe vertheilt sich
genau auf drei gleiche Theile: in das erste Dritttheil fällt der
kräftige Eckzahn und die Schneidezähne nebst der Lücke mit
2 Lückenzähnen, in das zweite Dritttheil fallen die 4 Backen-
zähne, in das dritte Dritttheil der Kronenfortsatz und das Ge-
lenk. Die Höhe des Kiefers an der Lücke und am 1. Prämolar
beträgt nicht mehr als 0,044 m. Unser Exemplar gehörte einem
sehr alten Individuum an, daher auch die tiefe Abkauung der
Zähne, welche eine nähere Untersuchung desselben nicht mehr
zulässt. Dagegen ist das Berliner Individuum jünger und zeigt
den Prämolar in ganz vortrefflicher Erhaltung. Derselbe ist
genau wie der Pärmolar des TJ. ardos gebaut, nur ist er um
1 mm schmäler. In der Lücke befindet sich nur ein einziger
Lückenzahn, der hart hinter dem Eckzahn steht und mit TJ. priscus
stimmt. Aber auch abgesehen von den kleinen Massverhältnissen
darf wegen der einwurzeligen Lückenzähne und dem zweiwurz-
ligen schmalen Prämolar an Höhlenbär gar nicht gedacht werden,
vielmehr scheint in der Vorhistorie schon dieselbe kleine Varie-
tät von Ursus arcfos existirt zu haben, welche heute noch als
TJrsus isabellicus oder syriacus für den Libanon charakteristisch
ist. So gerne man wegen des vorderen einwurzeligen Lücken-
zahns an TJ. priscus denken möchte, so ist dagegen die kleine,
niedere Gestalt bezeichnend für den Isabellenbär, an dem ich
um so lieber festhalten möchte, als er nach allen bisherigen
Untersuchungen von TJ. ardos sich specifisch nicht unterscheidet,
vielmehr nur als eine syrisch-kaukasische Modification der Arctos-
Art angesehen wird.
Felis spelaea Cuv. Zu dieser gewaltigen Katze, die man Löwe
oder Tiger nennen mag, gehört ein ausgebrochenes Stirnbein
aus Faraiya (anat. Mus. in Berlin). Die Wandung des Stirn-
beins hat 1,5 cm Dicke, am Ansatz des Os ethmoideum sogar
noch 1 cm. Die Stirn-Nath ist vollständig verwachsen , die
— 376 —
Aussenseite gewölbt, wodurch sich dieses Stirnbein von dem der
Hyäne unterscheidet.
Bhinoceros tichorhiniis Cuv. ist wenigstens durch den zweiten
Molar des Unterkiefers vertreten. Wenn auch gerade an diesem
Zahn nur wenig Charakteristisches auftritt, so scheint der Zahu
nach seiner Höhe und Breite und nach der Dicke des Schmelzes
keiner andern Art anzugehören. Man ist zur Annahme dieser
Species um so mehr berechtigt, als auch der Begleiter des voll-
haarigen Nashorns nicht fehlt der Wisent-Stier , der für die
Jagdzwecke des russischen Hofes heute noch im Norden Europas
gehegt wird.
Bos priscus Bojan. {Bison etiropaeus). Wir besitzen drei
Zähne dieses so leicht zu erkennenden gewaltigen Ochsens. Ein
Oberkieferzahn misst 55 mm Kronenhöhe, die Breite des Zahns
35 mm von aussen, 25 von innen gemessen, der kräftige innere
Schmelzhügel ist 42 mm hoch : Vom Unterkiefer existirt der
erste und der letzte Backenzahn. Der erste ist 24 mm breit, der
letzte dreicylindrige 40, der vordere Cylinder obgleich schon kräf-
tig angekaut, misst 55 mm. Es sind das genau auch die Maasse
der in den schwäbischen Höhlen und im schwäbischen Moränen-
schutt sich findenden Wisentzähne. Die Zähne stammen vom
Nähr el Kelb, während sich in der Faraiya - Höhle sehr wohl
erhaltene Wirbel fanden, (anat. Museum in Berlin) welche in der
Grösse mit den Wirbelkörpern stimmen, die im Lehm und Tuff
von Canstatt und in den Höhlen Schwabens gefunden wurden.
In der Form, namentlich was die Gelenkfortsätze der Lenden-
wirbel betrifft, weichen sie von Bison europaeus nicht ab, über-
treffen jedoch diesen um nahezu 25%, der Körper des 3. oder
4. Halswirbels misst 0,096 m, (von vorne nach hinten gemessen)
der Körper des 3. Lendenwirbels 0,070 m, während die Länge
desselben über den Gelenkfortsätzen 0,102 m beträgt. Der
letzte 6. Lendenwirbel ist gleichfalls erhaben mit 0,070 m
Länge am Körper und 0,080 m über den Gelenkfortsätzeu. Ein
grosses Gefässloch hat den Körper dieses Wirbels von unten
durchbrochen, was auf ein älteres Individuum hinweist.
Sus priscus Marcel d. Serres. (Gervais pal. fr. pag. 176).
— 377 —
Die etwas breitere aber kürzere Gestalt des hinteren Backenzahns
liess Gervais die Schweinszähne aus der Höhle von Lunel vieil
(Herault) von Sus scrofa L. unterscheiden. Ohne entscheiden
zu wollen , mit welchem Recht ein Unterschied von Sus scrofa
begründet ist, möchte ich nur constatirt wissen, dass die erwähn-
ten Schweinszähne auch in der Grotte des Nähr el Kelb liegen.
Equus ist vertreten durch einen einzigen Zahn aus Faraiya,
dem anatom. Museum in Berlin zugehörig. Der Zahn ist der
Eckzahn oder sog. Hengstzahn.
Grössere Schwierigkeit bereiten die Ger vi den wegen der
verschiedenen Grössenverhältnisse der Zähne. In erster Linie
liegt aus der Höhle Faraiya im Kesruwän ein linkes Geweihstück
und eine linke Tibia vor, die mit aller Bestimmtheit auf den
Edelhirsch (Cervus elaphus) weisen. Dem Geweih nach war der
Hirsch nur von mittlerer Grösse, indem der Durchmesser des
Geweihs am Eosenstock 0,05 — 06 m misst. Das Geweih ist
kein abgeworfenes Stück, sondern ein mit Gewalt abgeschlagenes
und aus der Hirnschale gebrochenes. Eigentliche Spuren von
Bearbeitung durch Menschenhand sind zwar nicht daran zu er-
kennen, indem im die bekannte Sägeschnitte durch Feuerstein
fehlen, dagegen hat es vollkommen dieselbe Gestalt, welche die
Geweihstummel der Pfahlbauten haben, die zu Heften und Schäften
verarbeitet werden sollten. Auch die vorhandene Tibia gehört
einem zwar ausgewachsenen aber noch jüngeren Individuum an;
denn die obere Epiphyse ist vom Knochen abgefallen. Die Länge
des Knochens misst 0,38 m genau so viel, als die Tibia eines
aus unsern schwäbischen Pfahlbau-Vorräthen herausgegriffenen
Individuums. Hirschzähne sind aus Faraiya nicht eingesandt
worden. Um so häufiger liegen sie im Wädi e Djauz und in der
Hundsflussgrotte. Hier begegnen wir zwei Formen, die erste Form
derselben weicht im Bau ihrer Molaren des Unterkiefers von
Cervus elaphus nicht ab: (innere spitzige Schmelzbüchsen, an
welche sich äusserlich die Halbmonde anlehnen). Aber die Zähne
sind nahmhaft kleiner, denn sie messen in der Richtung von
vorne nach hinten 1,18, 2,20, 3,25 mm. Die entsprechenden
Maasse bei elaphus sind 1,20, 2,23, 3,30 mm. Beide Exemplare,
— 378 —
welche diese Maasse liefern, sind ausgewachsen, die Zähne zeigen
auch einen gleichmässigen Grad der Abnützung, können also in
Betreff ihrer Grösse miteinander verglichen werden. Untere Prä-
molaren von der entsprechenden Grösse fand ich nicht. Die Pro-
portion der Oberkieferzähne ist entsprechend: die 3 Molare messen
17, 18, 20 mm, bei Cervus elaphus 20, 25, 27 mm. Die Prämo-
laren messen je 11 mm beim syrischen Hirsch, 15 mm bei Cervus
elaphus. Im eigentlichen Bau der Zähne findet sich keinerlei
Unterschied.
Auch die zweite kleinere Form zeigt in allen Stücken den
Typus ächter Cerviden. Für Cervus capreolus sind die Zähne
zu gross, für C. dama zu klein. An Damwild möchte man
allerdings am liebsten denken, ja L. L artet nimmt keinen An-
stand, die Hirschreste vom Hundsfluss geradezu als C. dama zu
bezeichnen. Eine vollständige Uebereinstimmung der Zähne oder
sonst einen Beweis für die Identität mit dama habe ich jedoch
nicht gefunden. Die Molare des Unterkiefers messen 14, 17, 20,
die des Oberkiefers 15, 17, 18 mm. Die erste, grössere Form der
Libanonhirsche ist hienach durchschnittlich um 20% grösser als
der Damhirsch, die zweite Form dagegen kleiner.
Die bis jetzt bekannten Reste sind zu mangelhaft, um ein
Näheres über die beiden Hirsche der prähistorischen Zeit zu
sagen, ohne Zweifel finden sich bald noch bessere Belege, um
ein Näheres zu ermitteln. Bis dahin enthalten wir uns auch,
mit irgend einem Namen die Hirsche zu bezeichnen, ob es gleich
nahe läge die beiden Arten mit den zwei in der Schrift ^^ ge-
nannten 'Ajjäl (1. ßeg. 4,23) und jachmür (5. Mos. 14,5) zu ver-
gleichen, zwei Namen, die allerdings als Edelhirsch und Damhirsch
gedeutet werden, ob dies gleich nichts weniger als feststeht.
Die andere nicht minder interessante, jedenfalls auch ebenso
häufige Thiergruppe aus der Höhlenzeit gehört dem Genus:
Capra an. Auch hier haben wir 2 Formen zu unterscheiden.
Die eine trägt so sehr den Typus des Sinaibockes Capra sinai-
^° Vergleiche hiemit Dr. E. C. A. Hie hm, Handwörterbuch des
biblischen Alterthums pag. 619.
— 379 —
tica, dass ich einen Unterschied nicht machen möchte, die andere
ist wesentlich grösser. Die einzelnen Zähne verhalten sich zum
Sinaibock wie 25 : 20. Ich nenne die Art Gapra primigenia unter
dem Vorbehalt der näheren Vergleichung weiterer Funde mit den
von P. G-ervais genannten Arten Bozeti Vomel und Aegagrus
Cuvier, die als Altersgenossen des Mammuth bezeichnet werden.
Gerne sehe ich in Capra primigenia die Stammrasse der Haus-
ziege, welche wenigstens in den deutschen Höhlen bis jetzt nicht
gefunden wurde und erst in der verhältnissmässig jungen Zeit
der Pfahlbauten auftritt. Der Gedanke liegt nun sehr nahe, dass im
Land der Phöniken die so werthvolle Hausziege zuerst gezähmt
wurde. Haben doch die Phöniken nach den übereinstimmenden
Zeugnissen der Griechen zuerst sich Hausthiere gezüchtet und
Gewächse gebaut, an denen beiden sie aus dem halbbarbarischen
Zustand der Wandervölker zu einem stationären, Ackerbau trei-
benden Volk sich emporschwungen.
Ausser diesen erwähnt L artet noch eine Antilope, ein
kleines Geschöpf, dessen Zähne nicht selten sind, das aber einen
Namen noch nicht trägt. Zur näheren Untersuchung dieser
Reste gehört überhaupt noch ein ganz anderes reicheres Material,
als das mir zu Gebot stehende , das eben gelegentlich der geo-
gnostischen Landesaufnahme einfach mit dem Hammer von mir
ausgegraben wurde. Die Einzigen, die hierüber Aufklärung zu
verschaffen vermögen, sind gegenwärtig die protestantischen
Missionare im amerikanischen College zu Beirut, welche mit
Hilfe ihrer eingeborenen Schüler Ausgrabungen veranstalten
können. Ich möchte denselben die Lösung dieser so hoch inter-
essanten prähistorischen Fragen aufs angelegentlichste empfohlen
haben.
Der Libanon ist das Land der Höhlen. In Stunden
langen Höhlen fliessen Bäche und Flüsse, hier hervorbrechend,
dort wieder verschwindend, kein Thalgehäng, keine Felswand, wo
nicht Grotten und durchlöcherte Felsen zu finden wären, Hunderte
von Wohnungen sind heute noch zur Hälfte natürliche Höhlen,
vor welche eine Mauer mit Hausgang und Fenster gesetzt ist,
das berühmteste aller Libanonklöster, das alte Kannobin, an die
— 380 —
steilabfallenden Dolomitfelsen des Kadischathales angeklebt, ist
halb Höhle, in welcher mit wenig künstlicher Nachhilfe Wohn-
gelasse, Stallungen und Keller angebracht sind. In und an den
meisten dieser Höhlen ist die glaciale Breccie zu beobachten.
Ich bin der festesten Ueberzeugung, dass Ausgrabungen im
Innern dieser Klosterräume überall prähistorische Data uns an
die Hand liefern würden.
Nicht minder als die Höhlen- und Grottenfunde und die
Ausbeute in der terra rossa verdienen die älteren Kalktuffe
in der Nähe der Quellen unsere Aufmerksamkeit. Eine dieser
Lokalitäten wurde von mir näher untersucht, sie liegt 130 m
unter den Cedern, wo die Kadischa-Quelle unterhalb des Moränen-
schuttes wahrscheinlich aus dahinter liegendem Sandgebirge durch
einen engen Spalt hervorbricht. Tosend bricht der starke Quell aus
seiner Höhle, um sich sofort in Kaskaden von gegen 100 m über
die Felsen zu stürzen und im Sturz sich in Staub aufzulösen.
Die Felsen gehören alle der Moräne an, denn sie bestehen aus
einem Felsenschutt, der dem Machmel entstammt, wahre Riesen-
breccien von glatten, rauhen, weissen, grauen, löcherigen Kalken,
Dolomiten und Mergeln. Der Schutt ist durchgängig durch
Kalkwasser cementirt und hat nach Massgabe der späteren Erosion
die kühnsten Gestalten angenommen, zu welchen sich nur eine
Phantasie aufschwingen kann. In den letzten bis gegen Bscherre
vorgeschobenen Felsen hat sich das Kloster Mar Sarkis ein-
gegraben, von welchem nur eine schmale weinumrankte Terrasse
sichtbar ist. Die Kirche, die Wohnräume und Zellen sind alle
im Felsen. Luft und Licht fällt durch schmale Luken ein.
Diese Moräne, die von ihrem Anfang bei den Cedern bis nach
Bscherre in einer Höhendifferenz von 400 m sich erstreckt, weist
an verschiedenen Stellen Kalktuffe auf, die theilweise mit den
Abdrücken von Pflanzenresten erfüllt und von Eöhren durchzogen
sind, die von Schilfen und Gräsern herrühren. Am bekanntesten
aber sehen die Abdrücke von Blättern aus, von welchen eine
Anzahl gesammelt wurde. Leider gingen die meisten Handstücke
beim Transport schon über die Berge und Schluchten des Liba-
non zu Grund. Der Kalksinter, in welchem die Blätter ab-
— 381 —
klatschten, ist in einer Weise zerreiblich und bröckelig, dass
dessen Fixirung ohne Leimwasser nicht möglich ist. Bis diess
geschah, war der grössere Theil zerfallen. Doch Hessen sich noch
bestimmen die Blätter von Eichen, Buchen, Ulmen und
Haselnuss. Eichen sind zwar noch im Libanon, es sind aber
andere Arten, als die Quercus pedunculata und sessiliflora, welche
unsere deutschen Wälder kennzeichnet. Dagegen weisen die bei
Bscherre ersamraelten Stücke auf unsere grossblätterige Art, welche
mit der kleinblätterigen Kermeseiche oder der stachelblätterigeu,
immergrünen Art des Libanons nicht gemein hat. Der gleiche
Fall ist mit der Haselnuss, man sucht sie vergeblich unter den
wildwachsenden Sträuchern des Libanons. Noch weniger sind
Ulmen und Buchen in Syrien zu finden.
Die Funde der Blattabdrücke genannter Bäume spricht nach
meiner Ansicht mit grosser Bestimmtheit für ein wesentlich ver-
ändertesKlima, in welchem annähernd ein Baumschlag herrschte,
wie er z. B. heutzutage in Deutschland zu treffen ist bei einer
Meereshöhe bis zu 400 m Laubwald deckte die Berge in prä-
historischer Zeit, bis das „feuerschnaubende Ungeheuer Aegis"
(Diodor 3,70) die Wälder anzündete. Später wurde dessen Fell
zum Schilde des Wolken erschütternden Zeus. Sturm und Wetter,
nicht etwa Menschenhand, änderte jedoch dieses Klima, über
dessen Existenz nur noch die Abdrücke der Blattleichen uns
dunkle Kunde geben. Eine einzige Art nur von den Bäumen der
prähistorischen Zeit hat die Wandlung des Klimas mit durch-
gemacht, die Cedern des Libanons, von denen eine kleine An-
zahl noch übrig ist.
Für die weite Verbreitung der Ceder, Pinus cedrus in
früherer Zeit sprechen die Zeugnisse des Alten Testaments,
wornach nicht bloss zum Bau der Tempel und der Paläste zu
Jerusalem Cederuholz als Bauholz verwendet wurde, sondern die
Schiffe (Mastbäume) der tyrischen Flotte, die Yertäferung der
Wohnungen, Schnitzwerke, Götzenbilder u. dergl. aus dem duften-
den, harzreichen Holz hergestellt wurden. Wenn ferner die
Schrift gerade die Ceder zum Ideal von königlicher Pracht,
Schönheit und Majestät macht, und sie als Urbild der Ehrwürdig-
— 382 —
keit darstellt, so darf man wohl annehmen, dass schon in den
alttestamentlichen Zeiten solche Riesenbäume zu schauen waren,
wie heutzutage nur noch 5 Exemplare existiren. Eben damit
reichen sie schon in die prähistorische Zeit, aus welcher sie die
historische Zeit ererbt hat.
Im Jahr 1550 zählte Bellonius die alten Bäume und
fand 28 Stück, 1573 zählte Dr, ßauchwolf 24, Pococke im
Jahr 1754 nur noch 15, Burckhardt im Jahr 1810 11—12,
Eussegger 1836 7, im Jahr 1875 waren es noch 5. Man
kann nach diesem stetigen Abgang der alten Bäume, welche
den Stürmen und Gewittern erliegen, mit grosser Bestimmtheit
voraussagen, dass ums Jahr 1940 keiner der alten salomonischen
Bäume mehr am Leben sein wird. Dies aber ist der beste
Beweis dafür, dass die Cedern heutzutage nicht mehr in dem
ihnen zuträglichen Klima und auf dem ihrem Gedeihen ent-
sprechenden Standort stehen. Jetzt gedeiht bekanntlich in Mittel-
europa, ja sogar am Kanal, der Nordsee und Ostsee die Libanon-
ceder besser als am Libanon. Es verhält sich, wie es scheint,
mit den natürlichen Zuständen eines Landes nicht anders, als
mit den Erzeugnissen des menschlichen Geistes, der gewisse Sitze
des Planeten verlässt, um anderswo Blüthen und Früchte zu
treiben.
Wasser und Qellen am Libanon.
Bei Waldesdunkel und Wiesengrün lernt man den Werth
einer Quelle niemals schätzen. Erst wenn der Abendländer
einmal sich nach Osten wendet und in den Bereich des grossen
Wüstengürtels kommt, dessen Grenze die syrischen Lande bilden,
erst wenn man selbst Tage lang mit vertrockneter Zunge den
von der Sonne durchglühten, staubigen Boden durchmessen hat,
versteht man die Begeisterung der arabischen Dichter, wenn sie
eine frische Gebirgsquelle schildern und gewissermassen die ganze
Fülle menschlichen Glückes an den lebendigen Born
eines fliessenden Wassers knüpfen. Ist doch das Paradies
nach dem Koran ein Baumgarten mit fliessendem Wasser und eine
— 383 —
Stadt wie Damaskus der Abglanz des Paradieses, die „Perle des
Orients", die zu preisen der Dichter nie aufhört. Der Abend-
länder freilich begreift das schwer, er verlässt als vorsichtiger
Mann, sobald es Abend wird , die Gartenhaine (Ghüta) von Da-
mask, die ihm schliesslich Wechselfieber und Dysenterie eintrügen,
und kann vom Standpunkt der allgemeinen Gesundheitspflege die
Berieselung einer Stadt nicht gut heissen, in deren Untergrund
alles Wasser versinkt, das nicht zuvor an der Luft verdunstet.
Der Wasserspender für Damaskus aber ist der Bärada (der
Kalte), der vom Mittelpunkt des Antilibanos her (Djebel Zebe-
däni) das Gebirge von West nach Ost durchbricht und zugleich
mit dem Nähr Awadj, der vom Hermon her kommt, die syrische
Hauptstadt bewässert. Eilenden Laufes kommen die Wasser in
der Ebene an, frischer und besser als alle Wasser in Israel
(II Könige 5,12), um aber hinter den Gärten der Stadt in grossen
Sümpfen (sog. Wiesenseen) zu verschwinden.
Selbstredend sind die hohen Berge, deren Gipfel in den
Wolken thronen, die Sammler der meteorischen Wasser. Sie
beschlagen sich mit den Wasser dünsten, die dem Meer entsteigen
und vom October bis zum März in diesen Höhen als Schnee
niederfallen. Während nun vom Mai an bis in die 2te Woche
des September es in Syrien in der Regel nicht mehr regnet
und alle Oberfläche verdorrt, die nicht berieselt werden kann
oder durch den Untergrund befeuchtet ist, ist der unter der
Sonne schmelzende Schnee des Hochgebirgs die grosse Vorraths-
kammer, aus welcher die Gebirgsquellen gespeist werden.
Die Schichtung des Gebirgs einerseits mit einem Wechsel
zahlloser Bänke und die Zerklüftung des Gebirgs andererseits ist
der Grund, dass die niedersinkenden Schneewasser in grösseren
Quellen zum Ausbruch kommen. Dies ist ja der wohlbekannte
Charakter aller ausgedehnten Kalkgebirge, wie z. B. der schwä-
bischen Alb, des fränkischen Juras, des hohen Karst u. A.
Entweder treten die Wasser in Töpfen und Kesseln aus, wenn
die Quelle am Fuss des Gebirges liegt, oder brechen sie
aus Grotten und Höhlen, wenn innerhalb des Hochgebirgs.
Die Wassermenge ist vielfach eine ganz gewaltige, also dass
— 384 —
40 Cubik - Fuss in der Sekunde und darüber zum Ausguss
kommen.
Im südlichen Libanon beginnend kommen wir zuerst in das
Quellgebiet des Awali, der einige Kilometer nördlich Saida ins
Meer schleicht. Ehe er die Ebene erreicht, zweigt vor ihm die
Wasserleitung für Saida ab , hier ist auch die alte Brücke von
Fachreddin, die aber nur zur Regenzeit benützt wird, wenn der
Awali anschwillt. Für gewöhnlich wird der Fluss durchritten
und durchwatet. 20 km von seiner Mündung im Distrikte Schuf
kommen die beiden Quellarme, der eine von Nord-Ost-Nord
(Arküb), der andere von Süd-Ost-Süd (Djezzin) zusammen. Der
nördliche Arm ist der Bärük, der nunmehr seinen Namen ver-
liert, der südliche heisst Awali, der am Fusse des Niha hinter
dem freundlichen Christenstädtchen Djezzin entspringt. Die Quelle
bricht bei 1000 m ü. d. M. am Ende des engen wasserlosen
Trockenthals unter einer Felsbank hervor. Genau betrachtet ist
es eine Felsenecke, durch 2 Klüfte in hora 12 und hora 6
gebildet. Aus der hora 12 Fuge, also in der Richtung des
Trockenthals quillt das Wasser, das nach einer, allerdings nur
flüchtig gemachten Messung bei der Mühle 390 Liter in
der Sekunde schüttet. Die Temperatur des Wassers beträgt
13° C.
Die Felsbank, unter welcher die Quelle hervorbricht, ist die
Gastropoden -(P^erocerös) Bank, über welcher sich 200 m Ru-
distenkalke erheben (s. das Profil Seite 333). In dem ganzen
System von Kalk, Schiefer und Mergel haftet das Wasser nir-
gends, das vielmehr durch die schon bezeichneten Streich- und
Fallklüfte in die Tiefe geht, in einer der Hauptklüfte, welche
auch das Trockenthal vorgezeichnet haben, sich sammelt und am
Ende des Thals zu Tage kommt. Unterhalb des Städtchens stürzt
sich der kaum geborene Awali über den schauerlichen Felsen-
kranz, der meilenweit das Thal umsäumt, in die Tiefe. Sein
Fall beträgt 73 m, bei dem er übrigens einmal aufschlägt um
fast ganz zerstäubt auf den Basaltiten von B'kessin sich wieder
zu sammeln und sich von da immer tiefer und tiefer in die
Sandsteinformation einzuwühlen. Nach 5 km direkter Entfernung
— 385 —
erweitert sich das enge Thal in die Lichtung der Bärükmimdung
(543 m), was einem Gefäll von 1 : 10 entspricht.
Der Barük entspringt oberhalb des gleichnamigen Drusen-
dorfes im gleichen Horizont wie der Awali am Fuss des Djebel
el Barük. Diese Gegend ist die eigentliche Heimat der
Drusen, die in dem wunderbar schönen, reichen Drusensitz Much-
tära in der Familie der Djombelät ihren politischen Mittelpunkt
haben. Der Fluss lauft von Muchtära an im Sandgebirge in
schmaler Rinne mit unzugänglichen Wänden, die sich senkrecht
zu bis 200 Meter erheben und eine der grausigsten Fels-
schluchten bilden, die im südlichen Libanon zu treffen sind.
Der Barük vereinigt sich mit dem Awali in einer durch üppigen
Baumschlag ausgezeichneten reizenden Niederung, in welcher
Granitsäulen und Tempelreste von altphönizischer Kultur Zeug-
niss ablegen. Von hier bricht scliliesslich der Awali durch eine
Querspalte in den oberen Kreidefelsen zur Küstenebene durch,
verliert aber dabei nicht unerheblich von seinem Wasser, das
durch Querklüfte entweicht, um auf näherem unterirdischem Wege
in der Ebene von Saida in Gestalt kleinerer Quellen zu erscheinen,
die sozusagen das üebereich der Grundwasser in der Ebene
bilden.
2. Der andere Fluss, der nur 15 km nördlich vom Awali
in nahezu gleicher Mächtigkeit wie dieser sich ins Meer ergiesst
und zwar unmittelbar, ohne zuvor ein Küstenland zu durchfliessen,
sobald er die Querspalte in den Kreidefelsen verlässt, ist der
Tamyras der Alten, heute Dämür geheissen, er zeigt wesentlich
andere Verhältnisse als der Awali und unterscheidet sich dadurch,
dass alle seine Quellköpfe in das Gebiet der Sandsteinformation
fallen. Seine Quellen sind nicht einzelne grosse Sammelquellen,
die vielleicht Stunden weit in unterirdischem Lauf zusammen-
rinnen, sondern eine Menge kleinerer Quellen, die in der Wasser
haltenden Formation ihren Ursprung haben. Daher kommt es
auch, dass der Damür nur 8 km von seiner Mündung entfernt,
beim Dorfe el Hadeth seinen Namen verliert. Kurz vorher hatte
der Nabr el Hamman ihn vergrössert. Vier bis fünf Zuflüsse
kommen von Norden her aus dem Djurd, wir nennen nur Ain
Württemb. naturw. Jahreshefte. 1878. 25
— 386 —
Sofar (1369 m ü. d. M.), den Gendarmerieposten an der grossen
Strasse, wo ein köstliches Wasser von 12 ^ C aus der braunen
Kreide quillt; das Hauptwasser aber kommt aus dem Wädi
Andtura, wo Ain Sofar bei Ain Zehalte gleichfalls ein 12 •^ R.
haltendes herrliches Wasser schüttet. Aus dieser Quelle Hess
vor 50 Jahren der gewaltige Emir Beschir, der letzte Bergfürst
des Libanon aus der weitverzweigten Familie el Schehäb die
Wasser nach Beteddin leiten, um seinem Fürstensitz für dessen
zahlreiche Springbrunnen, Bäder und Seen das nöthige Frisch-
wasser zuzuführen. Auch die Quelle el Audi an der Grenze der
Kalk- und Sandformation gibt ihr Wasser in das Safathal ab.
Weiter hin gehören die Quellen im Gebirg von Gharb und Schehär
samt und sonders Weher, die beliebten Sommersitze der Europäer
und Amerikaner wie Aleih, Sük el gharb, Arnüb, Abeih, Ara-
mün, Bawirte u. s. w. Allenthalben quillt frisches Wasser aus
den Sandschichten und rinnt in den Schluchten zusammen. So-
bald aber die Sandschichten aufhören, die in geraden Spalten-
linien gegen die Kalkformation abschneidet, verrinnen die W^asser
im Kalk, die Thalschlucht, eben noch vom lustigen klaren Bach
durchströmt, wird zur trockenen Felsschlucht und der Bach er-
reicht höchstens zur Zeit der starken Regengüsse das Meer.
Wenn aber in der Ebene die Quellen wieder zum Vorschein
kommen, wie zu Schuweifät und Hadeth, ist die Temperatur erhöht,
so die letztere Quelle auf 20^ C, die unter harten löcherigen
Kalkfelsen nicht ohne Beigeschmack von Schwefelwasserstoff
ausbricht.
3. Wieder anders der Nähr el Beirut, der die heisse
Küstenebene zwischen der Stadt und dem Gebirge bewässert, wobei
er gleich den andern einen beträchtlichen Theil seines Wasser-
quantums einbüsst. Auch er durchbricht in enger Felsenschlucht
das Gebirge, hinter welchem er in seinen zwei Armen, Hammäna
und Salima, die vielen Sandsteinwasser der fruchtbaren Provinz
Metn sammelt. Während der Salima bis zu seinem eigentlichen
entferntesten Quellkopf der Neba Beleihe (1227 m) sich im
Gebiet des Sandsteins bewegt, der zu den Füssen der Sannin-
ausläufer das Taggebirge bildet, entspringt der Hammäna bei
— 387 —
1110 m am Keneise unter einer 2 m mächtigen Austern-
bank und einem üeberhang von mindestens 100 m hohen Felsen.
Senkrecht abfallend bilden sie einen schauerlichen Kranz um die
Quelle. In dieser Felsenöde hört man keinen andern Laut als
das Tosen der Quelle, die 1 m hoch unter der Felsbank auf-
springt, um alsbald sich 40 m tief über einen Wechsel von Thonen
und Kalken hinabzustürzen, der an der unzugänglichen Wand
ansteht. Auf den Basaltiten von Hammana sammelt sich das
Wasser wieder und laufen ihm von allen Seiten aus der Sand-
und Basaltitformation Zuflüsse zu.
4. Der Hundsfluss, Nähr el Kelb (Lykos der Griechen) ist
wegen seien Felseninschrift (Seite 371) der bekannteste Strom
des Libanon, heutzutage wegen der Wasserversorgung der grossen
Stadt Beirut für diese vom höchsten Werth. Geologisch ist er
der eigentliche Felsenstrom, der an den Höhen des Sannins viel-
fach direkt aus den Schneeschmelzen sich sammelt und in lauter
Wasserfällen und Katarakten durch die Thäler des Wädi Sannin,
Wädi el Leben, Wädi Asal der Tiefe zustürzt. Wegen der Un-
bändigkeit seiner Wasser gaben ihm die Alten seinen Namen.
Bei der Felsen-Natur dieses Wassergebietes ist es begreiflich, dass
der Lauf des Stroms vielfach auch ein unterirdischer ist. Abgesehen,
dass verschiedene sog. Naturbrücken existiren, unter welchen
Djisr el hadjar die bekannteste ist, welche 24 m breit den
Milchfluss (N. el Leben) überbrückt, wurde bereits der Höhle Er-
wähnung gethan, welche die englischen Ingenieure Maxwell
und Schäfer in einer Längenerstreckung von 1200 m ver-
folgt haben. Die Höhle ist auf ilirem Grund zu einer grausigen
Schlucht verengt, durch welche ein Bach tost, der am Ende der
Höhle in der Hundsgrotte zum Ausbruch kommt. Die Höhle
ist reich an Abwechslung, bald enger bald weiter, bald höher
bald niedriger, wie das auch sonst Höhlencharakter ist und die
Phantasie findet hier ein weites Feld bei den Schauern der
Unterwelt sich zu ergehen. Der unterirdische Höhlenlauf des
Nähr el Kelb ist genau in derselben Richtung wie der oberirdische
Lauf, d. h. beiden liegen die Parallelspalten zu Grund, welche
einst bei der Gebirgsbildung entstanden. Genaue Messungen des
25*
— 388 —
Wassers im Oberlauf des Stroms könnten leicht zu der Stelle
führen, wo das Tagewasser sich in die Tiefe zieht, um eine Zeit
lang unterirdisch seinen "Weg zu suchen.
Namentlich werden es Erdbeben sein, welche das Ver-
schwinden von Wassern in dieser Felsengegend veranlassen. So
sah man in der nur wenige Kilometer entfernten Anteliasgrotte
vor dem Jahr 1837 in dieser noch das Wasser des Nähr
Autelias seinen Ursprung nehmen (bei 44 m ü. d. M.) In dem
genannten Erdbebenjahr verschwand die Quelle und brach an der
Stelle ihres heutigen Ursprungs nur 1 km vom Meer entfernt
in einem Niveau von 20 m ü. d. M. aus. Während das Wasser
früher von der Grotte an bis zur heutigen Quelle zu Tage lief,
lauft es jetzt unterirdisch und ist die alte Grotte in sich ver-
stürzt. Auf welche Erstreckung hin mag das Wasser weiter her
schon im unterirdischen Lauf sich sammeln?
5. Wie beim Hundsfluss gestaltet sich die Sache auch beim
Nähr Ibrahim, dem Adonis der Alten, der vom Djebel Mneitri
her sich sammelt und in der Grotte von Afka seinen Tageslauf
beginnt. Er entspringt an der Grenze der hier tiefrothen Sand-
steinformation und der Mergel; die erstere färbt das Wasser zur
Zeit der Schneeschmelze und der ausserordentlichen Regengüsse
blutroth und hat offenbar die Sage vom Blut des Adonis, das
den Strom färbe, von Aphrodite aber in Rosen (Adonisröschen
blühen hier im ersten Frühling in Unzahl) verwandelt werde,
hier ihren Sitz. Von Afka stürzt sich der Strom in die tiefen
Schrunde der Dolomite. Keine Möglichkeit neben dem Strom
noch einen Thalweg anzubringen , hat doch oft der reissende
Strom selber kaum Platz in dem Thal. Erst kurz vor seiner
Mündung erweitert sich das Thal, wo der Fluss aus dem Gebiet
der Dolomite mittelst einer gewaltigen Verwerfung in das der
oberen milden Kreidemergel gelangt, die hier zu unterst liegen.
6. Zahmer als die beiden letztgenannten Flüsse ist der Nähr
el Djöz, (Djauz) der nur in seinen Quellflüssen im hohen Tannurin
in unzugänglichen wilden Schluchten sich sammelt. Seine Wasser-
sammler sind die Moränen, hinter welchen die Sandsteinformation
liegt. Sobald er aber in der Breite von Duma das eigentliche
— 389 —
Djözthal erreicht hat, bettet er sich in den oberen Turou- und
Sennonmergeln, in welchen er sanftere Gehänge geschaffen hat.
Er bildet hier die Grenze zwischen den Distrikten Batrün und
Küra, bis er nördlich der Stadt Batrün, der alten phönikischen
Feste Botrys, den Weg ins Meer findet.
7. Ganz ähnlich sind die Quellen und der Lauf des „hei-
ligen" Flusses des Nähr Kadischa, der (Seite 380) seine Haupt-
quelle in der Moräne unterhalb des Cedernhaines hat. Auch
hier ist die Sandsteinformation in der Höhe von Bscherre, wo
aus jeder Thalschlucht frische Wasser niederrinnen, um sich
unterhalb Blöza in der tiefen Felsenschlucht, an welcher das
Kloster Kannobin klebt, zu sammeln. Statt nun aber nach dem
Verlassen des Felsengebiets direkt dem Meer zuzueilen, wird
der Fluss durch seinen eigenen alten Moränenschutt in der un-
teren Küra, die sich vor ihn legt, nach Norden getrieben. Er
durchfliesst nun die fruchtbare Ebene des Küra und Zäwiye.
Unter den Zuflüssen vom Gebirge her erwähne ich nur der grossen
Quelle Raschln hinter Zgharta, die zum mindesten 50 Cubikfuss
in der Sekunde schüttet, als eine der schönsten Kesselquellen
der Ebene. Eine Reihe solcher Kesselquellen wie die Engel-
quelle und die Quelle Mukattem drückt sich hier als am Aus-
gehenden des Kreidegebirgs aus dem Schutt. Bei der grossen
Wassermasse, welche sie liefern, ist ein langer unterirdischer
Lauf in dem durchhöhlten Kalkgebirge selbstverständlich.
Die Quellen im Ostabhang des Libanon haben weniger
zu bedeuten, einmal weil sie nur unbedeutend sind, zum Andern
weil ihnen das Charakteristische fehlt, das den westlichen Quellen
eigen ist. Nennenswerth ist nur der Ursprung des Bardüni,
der in der engen Querschlucht von Zachle eigentlich noch in das
System der westlibanesischen Quellen gehört. Hinter Aferain
^brechen zwei Quellen von 8 ^ C. aus einem Felsenloch. Die Schich-
ten stehen unter einem Winkel von 7 ^ auf dem Kopf. Den
Quellsammler bildet auch hier der Sand, der sich einige 100 m
oberhalb der Quelle von Azirte aus am Ostfuss des Sannin
hinzieht.
Die anderen Quellen gehören der Moräne an und dem
— 390 —
wahrscheinlich glacialen Schutt, der in der Bekäa die Hauptrolle
spielt. So Ainäta auf dem Weg von Der el achmar zum
Cedernpass (Djebel el arz 2348 m), deren Wasser in den Alpen-
see Yammüne läuft. Ganz in der Weise der Seen in den
alpinen Landschaften oder in den alten glacialen Landschaften
Oberschwabens verschüttete einst die Moräne den Wasserlauf
und staute die Wasser, die theils verdunsten, theils als Grund-
wasser sich verziehen.
Erklärung der Tafeln.
Tafel III.
Fig. 1. Cidarifes glandarius Lang. Körper. Ain Ha-
mäde. pag. 283.
Fig. 2 — 10. Cidarites glandarius Lang. Stacheln. Ain
Hamäde. pag. 284.
Fig. 11. Cidarites glandarius Lang, claviphoenix Quenst.
Ain Hamäde. pag. 284.
Fig. 12. 13. Cidarites clavimorus Quenst. Ain Hamäde.
pag. 286.
Tafel IV.
Fig. 1. Ophiura libanotica König. Hakel. pag. 345.
Fig. 2. Geocoma libanotica König. Hakel. pag. 345.
Fig. 3. Ostrea succini Fraas. Djebäa. pag. 302.
Fig. 4. Salenia petdlifera Agass. Ain Hamäde. pag. 287.
Fig. 5. Micrasfer polygonus de Luc. Batrün. pag. 349.
Fig. 6. Sarcinula Sälimae Fraas. Salimathal bei Ain
Hamäde. pag. 282.
Tafel V.
Fig. 1 a u. b. Astarte libanotica Fraas. Dakün. pag. 301.
Fig. 2 — 5. Trigonia sijriaca Conr. Djebäa. pag. 299.
Fig.
1.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5.
— 391 —
Tafel VI.
Pseudastacus Jiakelensis Fraas. Hakel. pag. 346.
Pseudastacus minor Fraas. Hakel. pag. 346.
Geotheutis Uhanotica Fraas. Hakel. pag. 345.
Ammonites TrasMi Gabb. Sähil Alma. pag. 353.
Gyrodus syriacus Fraas. Gaumenplatte. Hakel.
pag 348.
Fig. 6. Ders. Unterkiefer. Quenst. Hakel. pag. 348.
Tafel VII.
Badiolites acuta d'Orb. Meifük. pag. 340.
Toxaster pentagonalis Fraas. Salimathal. p. 349,
Lutraria sinuata Fraas. Djebäa. pag. 302.
Badiolites polyconilites d'Orb. Meifük. pag. 341.
Hippurites Lewisit Fraas. Ain Anüb. pag. 330.
Tafel VIII.
Nerinea SchicJcii Fraas. Abeili. pag. 324.
Nerinea gemmifera Lart. Abeih. pag 324.
Nerinea longissima ßeuss. Abeili. pag. 324.
Mostellaria Eustemi Frass. Abeih. pag. 323.
u. b. Globiconcha Lewisii. Abeih. pag. 321.
Neritopsis ornata Fraas. Abeih. pag. 322.
Natica patulaeformis Fraas. Abeih. pag. 322.
Turbo Moreli Fraas. Abeih. pag. 323.
Actaeonella Äbsalonis Fraas. Abeih. pag. 321.
Cerithium provinciale d'Orb. Abeih, variet.
armatum Fraas. Abeih. pag. 325.
Cerithium provinciale pustulosum Fraas. Abeih.
pag. 325.
Cerithium provinciale plicatum, Fraas. Abeih.
pag. 325.
Fig. 13. Cerithium provinciale niidum Fraas. Abeih.
pag. 325.
Fig.
1.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5.
Fig.
1.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5
Fig.
6.
Fig.
7.
Fig.
8.
Fig.
9.
Fig.
10.
Fig.
11.
Fig.
12.
üelier den HydroMmatit yon Nenenlilirg,
Von Professor Dr. Max Bauer in Königsberg i. Pr.
Als ich meine im Jahrgang" 1866, pag. 168 ff., dieser Jahres-
hefte veröffentlichte Dissertation über: „Die Brauneisensteingänge
von Neuenbürg" an der Enz im Schwarzwald verfasste, war
meine Aufmerksamkeit noch nicht auf das oben erwähnte Mineral,
Hydrohämatit, gelenkt worden, ein Eisenoxydhydrat, das sich von
anderen ähnlich zusammengesetzten Mineralien, Goethit, Braun-
eisenstein etc., wesentlich durch einen geringeren Wassergehalt
unterscheidet, den geringsten, der in dieser Gruppe beobachtet
worden ist, der 5,3% beträgt und der auf die Formel H2 0 .
2 Fe2 O3 = H2 Fe4 O7 führt.
Ich kannte damals bloss die Angabe von Hermann ^ der
von den Turginskischen Kupfergruben bei Bogoslawsk im Ural
den nach dem benachbarten Fluss Turga so benannten Turgit
beschrieb, ein derbes Mineral mit ebenem, flachmuschligem, matten
Bruch, das in splitterige, scharfkantige Bruchstücke zerbricht,
undurchsichtig ist, eine braunrothe Farbe mit braunrothem, ins
Ziegelrothe gehenden Strich, eine Härte = 5 und ein spez. Gewicht
= 3,54 — 3,74 besitzt und dessen Analyse auf die oben ange-
gebene Formel führt.
Ich kannte aber nicht die Stelle in dem „Vollständigen
Handbuch der Mineralogie" von Breithaupt ^ mit der Be-
schreibung des Hydrohämatit als eines dunkelrotben ins Graue
fallenden, faserigen Minerals von oben angegebener Zusammen-
setzung, von der Härte = 6^2 — 7^2 und dem spez. Gewicht
* Journ. für prakt. Chem. 33. 97. 1844.
2 III. 486. 1847.
— 393 —
= 4,29 — 4,49 und mit blutrothem Strich, das mit Brauneisen-
stein zusammen bei Siebensitz im Fichtelgebirge und mehrfach
im Siegen'schen vorkommt.
Aus Unkenntniss dieser letzteren Breithaupt'schen An-
gabe habe ich in jener Dissertation den Hydrohämatit übersehen
und mit Brauneisenstein (braunem Glaskopf) verwechselt, ein
üebersehen und eine Verwechslung, die wohl auch sonst vielfach
vorgekommen sind, da dieses Mineral dem braunen Glaskopf im
Aussehen und besonders im Vorkommen sehr ähnlich ist. Nach
meinen Handstücken zu urtheilen hat es in den Neuenbürger
Gängen eine nicht unbedeutende Rolle gespielt, und diess ist der
Grund, warum ich es hier gerne noch nachtragen möchte.
Beim Auspacken der von mir seiner Zeit in Neuenbürg ge-
sammelten Erzstufen fiel es mir bei näherer Betrachtung derselben
auf, dass an den meisten Glaskopfstücken die charakteristische
braune Färbung der Fasern auf dem Querbruch nicht ganz bis
zur äusseren nierenförmigrunden, glänzend schwarzen Oberfläche
gieng, sondern an einem Punkt plötzlich aufhört, um einer dunkel-
rothgrauen Farbe bis zu jener Oberfläche hin Platz zu machen,
derart, dass auf dem helleren inneren braunen Glaskopfkern eine
ziemlich viel dunklere mehr oder weniger dicke, scharf nach
innen abgegränzte Kruste sass, die sich bei genauerer Unter-
suchung als Hydrohämatit ergab.
Die Farbe des Querbruchs des Hydrohämatit ist wie erwähnt
dunkel, grauschwarz mit einem deutlichen Stich ins Roth, und
gleicht, wie das Hermann auch bei der Beschreibung des
Turgits hervorhebt, sehr der Farbe gewisser dichter Rothkupfer-
erze. Diese Farbe weicht sehr ab von der braunen des braunen
Glaskopfs und es ist daran die auf diesem sitzende Hydrohämatit-
kruste stets leicht zu erkennen. Die Farbe ist aber auch trotz
grosser Aehnlichkeit verschieden von der Farbe des Hämatits, der
allerdings in den faserigen Abänderungen häufig sich nur wenig
unterscheidet, aber doch immer einen deutlicheren Stich ins
Rothe besitzt, der beim Hydrohämatit ziemlich zurücktritt, welcher
Unterschied auch eine Unterscheidung dieser beiden Mineralien
durch den blossen Anblick in den meisten Fällen gestattet.
— 394 —
Noch deutlicher und sicher ergiebt sich diese Unterscheidung
durch den Strich. Dieser ist beim Hydrohämatit dunkelblutroth
mit einem Stich ins Braune, der des Eisenglanzes in allen seinen
Abänderungen viel heller und reiner roth. Besonders wichtig ist
der Strich aber zur Unterscheidung von Brauneisenstein, dessen
Pulver eine mehr oder weniger stark ins G-elbe gehende Farbe
zeigt; hier ist der Unterschied so gross, dass keinesfalls eine
Verwechslung möglich ist. Ein Ritz mit dem Messer über den
Querbruch eines braunen Glaskopfs zeigt sofort die An- oder
Abwesenheit unseres Minerals und die Grenze wo beide anein-
anderstossen.
Diese Grenze ist bei allen beobachteten Stücken eine sehr
scharfe und deutliche. Dieselbe schwarze Schicht, die alle braunen
Glasköpfe nach aussen begrenzt, thut diess nicht nur auch stets
beim Hydrohämatit, sondern sie scheidet auch diese beiden Minera-
lien von einander. Die Trennungsfläche ist ebenfalls rund, nieren-
förmig, der Glanz derselben meist nicht so bedeutend, wie bei
der äusseren Begrenzungsfläche. Aber nicht nur die äussere
und innere Begrenzungsfläche des Hydrohämatits zeigen diese
schwarze Farbe und diese nierenförmige Gestalt, sondern es
zeigt sich auch im Innern eine meist sehr deutliche und starke
schalige Absonderung nach solchen, jenen parallelen Flächen,
welche zuweilen sich schon durch feine Linien auf dem Querbruch
verrathen, zuweilen aber auch erst beim Zerschlagen zum Vor-
schein kommen.
Aber auch quer gegen die Nierenflächen ist vielfach eine
starke Absonderung in den Krusten des Hydrohämatits vorhanden
und die einzelnen Absonderungsstücke begrenzen sich gegen-
seitig durch ziemlich ebene oder wenig gebogene Flächen, welche
ebenfalls die glänzend schwarze Oberflächenschicht zeigten, so
dass auch auf dem Querbruch vielfach die eigentliche ins Roth
spielende Farbe des Minerals gar nicht hervortritt.
Diese Absonderungsstückchen nach Flächen senkrecht zu
den Nierenflächen sind meist sehr klein und dünn und die Ab-
sonderungsflächen mit etwas excentrischen , ebenfalls zu den
nierenförmigen Flächen nahezu senkrechten feinen Linien ge-
— 395 —
zeichnet. Solche ganz ähnlich verlaufende feine Linien finden
sich auch dicht gedrängt auf den eigentlichen Querbruchflächen,
und es entsteht so ein Anschein von Faserigkeit, die in Wirklich-
keit wohl, wie ich glaube, nicht existirt oder die jedenfalls sehr
viel mehr zurücktritt, als man das nach dem ersten Anschein
denken sollte. Jedenfalls gelang es nie einzelne so feine Fasern
abzulösen, wie sie sich bei vielen braunen und rothen Glas-
knöpfen ablösen lassen, wo sie so scharf und spitzig sind, dass
man sich daran erheblich stechen kann.
Die Härte des Minerals fand sich ungefähr = 6 — 7,
einzelne Stücke ritzten Quarz merkbar.
Alle diese Eigenschaften, wie sie sich aussen schon ohne
Anwendung speziellerer Untersuchungen zeigen, führen mit Sicher-
heit auf Hydrohämatit. Der völligen Sicherheit wegen aber habe
ich auch eine chemische Untersuchung angestellt und dabei einen
Wassergehalt von 5,6 7% gefunden, was genau auf die Hydro-
hämatitformel H20.2Fe203 = H2Fe407 führt. Ein Theil
des Wassers geht schon unter Glühhitze leicht weg, daher geben
grössere Stückchen schon im Kolben grössere Mengen Wasser-
tropfen und zeigen dabei das für den Hydrohämatit zum Unter-
schied von allen anderen ähnlich aussehenden Eisenerzen charak-
teristische starke Zerknistern, das schon Breithaupt^ als unter-
scheidendes Kennzeichen angiebt. Die letzten Antheile des Wassers
gehen erst bei starker Glühhitze weg.
In kalter HCl löst sich das Pulver schwer, in heisser rasch
und leicht, beidemal unter Erzeugung starker, Lakmus-bleichender
Chlordämpfe, was auf einen grösseren Mangangehalt hinweist.
Dabei bleibt nur ein kleinerer unlöslicher Rückstand.
Ausser dieser scheinbar faserigen Varietät des Hydrohämatit
scheint nun aber noch eine zweite pulverförmige desselben vor-
handen zu sein, die ich auch in jener Dissertation schon be-
schrieben, aber damals für Eisenoxyd gehalten habe. Es sind
dies ziegelrothe Flecken auf der schwarzen Glaskopf Oberfläche
und dünne, dem festen Hydrohämatit eingelagerte Schnürchen,
die beim Erhitzen im Kolben Wasser geben, also nicht Eisen-
» 1. c.
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oxyd sein können, aber wegen der rothen Farbe wohl kein
anderes Hydrat als das vorliegende. Zu einer genaueren Unter-
suchung reichte das Material nicht aus.
Um nun einen Begriff von der Bedeutung, die der Hydro-
hämatit wahrscheinlich in den Neuenbürger Brauneisenerzlager-
statten gehabt hat, zu geben, will ich anführen, in welcher re-
lativen Menge im Verhältniss zum Brauneisenstein er sich an
meinen Stücken findet. Da diese ziemlich zahlreich sind und
wie aus der Einleitung hervorgeht, ganz ohne alle Rücksicht auf
den Hydrohämatitgehalt gewählt worden sind, da mir ja damals
dieses Mineral ganz unbekannt war, so lässt sich daraus vielleicht
mit weniger Sicherheit schliessen, in welcher Menge es sich
überhaupt im Ganzen dem Brauneisenstein gegenüber gefunden
hat. An wenigen Stücken fehlt der Hydrohämatit ganz, an den
meisten ist er in geringerer Menge vorhanden, als der Braun-
eisenstein, an verschiedenen hält er diesem an Menge mindestens
die Wage und überwiegt auch an einzelnen, so dass im Grossen
und Ganzen er sich an Menge zum Brauneisenstein verhält, wie
1:5, oder so dass er Vö — V^ <ier ganzen in Neuenbürg ge-
förderten Erzmasse ausgemacht haben würde. Es wäre demnach
wenigstens für unseren Fundort ein Mineral von nicht unerheb-
licher technischer Wichtigkeit. Leider lässt sich das jetzt nicht
mehr weiter constatiren, da der Neuenbürger Bergbau wohl jetzt
lange schon ganz zum Erliegen gekommen ist.
Da nun das Mineral auch anderorts auf Eisenerzlagerstätten
mit Brauneisenerz zusammen vorkommt, so im Siegen'schen , bei
Hof im Fichtelgebirge in Connecticut etc., so verdient es wohl mit
in vorderer Linie unter den Eisenerzen genannt zu werden. Ist
es auch nicht so verbreitet und massenhaft und also nicht so
wichtig, wie Magneteisen, Eisenglanz, Brauneisenstein und Spat-
eisenstein, so ist es doch wichtiger und verbreiteter als der nie
in grösseren Massen sich findende Göethit. Da es anderen
Erzen so ähnlich ist, so ist wohl auch anzunehmen, dass es bei
genauerer Beobachtung sich auch noch auf anderen Brauneisenerz-
lagerstätten finden und sonach weiter an Bedeutung gewinnen werde.
WurIL. Nat. Jahreshefte. Jahrg XXXIV. (18T8.) |'a_f Hj
Württ. Nat. Jahreshefte. Jahrg. XXXIV. (1878.)
Taf.IV.
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Wüm, Nat. Jahreshefte. Jahrg. XXXIV. (1878.J
Taf. V.
Württ, Nat.JahreshefLe. Jahrg. )(XX1V. (1878.)
Taf.VI.
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Württ. Nat. Jahreshefte. Jahrg. XXXIV. (1878.)
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