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HARVARD UNIVERSITY.
LIBRARY
MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY.
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JAHRESHEFTE
lies
Vereins für vaterländische Naturkunde
Württemberg.
Herausgegeben von dessen Redaktionskommission
Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert,
Prof. Dr. Fr. Nies, Prof. Dr. A. Schmidt.
EINUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG.
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Stuttgart.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung iE. Koch).
JAHRESHEFTE
des
Vereins für vaterländische Naturkunde
Württemberg.
Herausgegeben von dessen Redaktionskommission
Prof. Dr. C. Hell, Prof. Dr. 0. Kirchner, Prof. Dr. K. Lampert,
Prof. Dr. Fr. Nies, Prof. Dr. Aug. Schmidt.
EINUNDFÜNFZIGSTER JAHRGANG.
^ Stuttgart.
E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch).
1895.
^\^
K. Hofbuchdruckerei Zu Guttenberg (Carl Grüninger) in Stuttgart.
Inhalt.
I. Angelegenheiten des Vereins.
Bericht über die ueimundvierzigste Generalversammlung und das 50jäbrig-e Jubi-
läum vom 29. und 30. Juni 1894 in Stuttgart. Von Prof. Dr. K. Lam-
pert. S. I.
Rückblick auf die Geschichte und die Thätigkeit des Vereins. Festvortrag,
gehalten von Prof. Dr. Kirchner in Hohenheim. S. VIII.
Rechenschaftsbericht für das Jahr 1893—1894. S. XXIV.
Zuwachsverzeichnisse der Sammlungen des Vereins:
A. Zoologische Sammlung. S. XXV.
B. Botanische Sammlung. S. XXXI.
C. Mineralogisch-Palaeontologische Sammlung. S. XXXIII.
D. Vereinsbibliothek. S. XXXVI.
Rechnungsabschluss für das Jahr 1893—1894. S. XLV.
Wahl der Beamten und des Versammlungsorts. S. XLIX.
Vorträge bei der Generalversammlung.
Lampert, Prof. Dr. Kurt: Die Tierwelt Württembergs. Eine zoogeographische
Skizze. S. LV.
Leuze, Prof. Dr. Alfred: Die Kohlengrube in Mittelbronn. S. LXX.
Engel, Pfarrer Dr.: Über Pseudoschmarotzer aixf unseren Petrefakten. S. LXXXI.
Sitzungsberichte.
Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart.
Sitzung vom 14. Juni 1894. Kirchner. Prof. Dr.: Über eine botanische Pfingst-
tour nach dem insubrischen Seengebiete der Schweiz. S. CIV. — Fr aas,
Prof. Dr. Eberhard : Über eine Pfingstexkursion nach dem östlichen Ungarn.
s. cv.
Sitzung vom 11. Oktober 1894. Schmidt, Prof. Dr. A. : Mechanismus der Ge-
witterstürme. S. CVI. — Fr aas, Prof. Dr. Eberhard: Über den Verlauf
des VI. internationalen Geologenkongresses in Zürich. S. CVII.
IV luhalt.
Sitzung vom 8. November 1894. Buchner, Dr. 0.: Über Symbiose. S. CVII.
— V 0 s s e 1 e r , Dr. J. : Über Bau und Funktion der Dünndarmschleimhaut.
S. CVIII.
Sitzung vom 13. Dezember 1894. Mack, Prof. Dr.: Über doppelte Brechung
elektrischer Strahlen. S. CX. — Müller, Dr. Ernst: Über das Wieder-
wachsen (Regeneration) von Körperteilen. S. CX.
Sitzung vom 10. Januar 1895. Krimmel, Prof. Dr.: Die hohe Karlsschule und
die Naturwissenschaften. S. CXI.
Sitzung vom 14. Februar 1895. D e b a c h , H. : Über die Goldfunde im Huanoco
(Chile). S. CXIII. — Hedinger, Medizinalrat Dr. : Geologische Unter-
suchung von Feuersteinen und Feuersteinartefakten. S. CXV.
Sitzung vom 14. März 1895. Sussdorf, Prof. Dr.: Über die Vielzehigkeit
wenigzehiger Tiere (Polydaktylie). S. CXV.
S c h w a r z w ä 1 d e r Z w e i g V e r e i n.
Versammlung zu Tübingen am 2. Februar 1894. G r ü t z n e r , Prof Dr. : Mikro-
skopische Querschnitte durch die Netzhaut zweier Frösche ; — Über Farben-
mischung ; — Über die Zusammensetzung der Vokale. S. CXVI. — F r a a s,
Prof. Dr. E. : Über einen neuen Saurier , Dakosaurus , aus dem Weissen
Jura C- S. CXVII. — Zimmermann, Privatdozent Dr.: Über das Ver-
halten des Kernkörperchens bei der Zellteilung. S. CXVIII. — Wurm,
Hofrat Dr.: Über die Trüffel. S. CXVIII. — Fickert, Dr., zeigt eine
lebende ägyptische Springmaus. S. CXIX. — Wurm, Dr.: Über Partheno-
genese. S. CXIX. — Pompeckj , Dr. : Über die Haftapparate der Cephalo-
poden. S. CXIX. — Fickert, Dr.: Über den Bau und die Fortpflanzungs-
weise der Myxosporidien. S. CXIX. — Eimer, Prof. Dr. : Über das Gesetz der
Ausgleichung (Kompensation) und Goethe als vergleichenden Anatomen.
S. CXIX.
Versammlung zu Tübingen am 21. Dezember 1894. Wurm, Hofrat Dr.: Über
die Herkunft der Säuerlinge. S. CXXIII. — Grützner, Prof Dr.: Über den
Sehpurpur des Froschauges. S. CXXIV. — Fickert, Dr.: Über die Be-
dingungen für die geographische Verbreitung der Tiere. S. CXXIV. —
Wülfing, Privatdozent Dr., zeigt eine tabellarische Anordnung der
Krystallformen vor. S. CXXIV. — Keller, Apotheker: Über den Eiu-
fluss von Kälte &\\i die Tiere. S. CXXV. — Fr aas, Prof Dr. E. : Über
Pithecanthropus erectus. S. CXXV. — Hesse, Dr. : Über das Nerven- und
Gefässsystem der Regenwürmer. S. CXXVI.
Ober schwäbischer Zweig verein.
Sitzung in Aulendorf am 2. Februar 1894. Lampert, Prof Dr.: Die niedere
Tierwelt der oberschwäbischen Seen. S. CXXVI. — Koenig- Wart-
hausen, Dr. Freih. v. : Über die Sumpfschildkröte. S. CXXVI. — Frank,
Oberförster : Über einen neuesten vorgeschichtlichen Kiipferfund aus Ober-
schwaben. S. CXXVII.
Sitzung vom 18. Oktober 1894 (Generalversammlung). Zeppelin, Dr. Graf
Max V. : Über Jagderlebnisse in Nordamerika. S. CXXIX. — Probst,
Pfarrer Dr. : Mitteilungen über das Verhalten einiger montanen Pflanzen
während des trockenen Sommers 1893. S. CXXXI. — F r a a s , Prof. Dr. E. :
Über die geologische Scenerie der Alpen. S. CXXXI.
Inhalt. V
Sitzung in Anlendorf am 13. Dezember 1894. Kreuser, Direktor Dr.: Über Bau
und Funktionen des Centralnervensystems der Wirbeltiere. S. CXXXIII.
— Z 0 1 1 e r , Oberreallehrer : Über die Pflanzen- und TierAvelt des Alts-
hauser Altweihers. S. CXXXIV. — Mönig, Kaplan: Über Oedicuemus
crepitans. S. CXXXV. — Waldraff. Domänendirektor: Über einen Rakel-
hahn. S. CXXXV.
II. Abhandlungen.
Branco, Prof. Dr. W. : Schwabens 125 Vulkanembrj^onen und deren tufferfüllte
Ausbruchsröhren; das grösste Maargebiet der Erde. Teil II, III. S. 1.
Probst, Pfarrer Dr. : Über die Versteinerungen der Meeresraolasse in Ober-
schwaben. S. 370.
T s c h e r n i n g , F. A. : Über das Verschwinden einiger grösserer Raubvogelarten
aus der Fauna Württembergs. S. 359.
Walde, Lehrer : Beiträge zur Moosflora des mittleren und südlichen württem-
bergischen Schwarzwaldgebiets. S. 375.
Wülfing, Dr. E. A. : Verbreitung und Wert der in Sammlungen aufbewahrten
Meteoriten. S. 338.
Erdbeben-Kommission.
Jahresbericht für die Zeit vom 1. März 1894 bis 1. März 1895. S. 386.
Angelegenheiten des Vereins.
Bericht über die neuimndvierzigste Geiieralversanimlnng
und das 50 jäliri^e Jnbiläimi des Vereins ^
abgehalten in Stuttgart am 29. und 30. Juni 1894.
Von Professor Dr. K. Larapert.
Fünfzig Jahre waren im Sommer 1894 seit der Gründung des
Vereins für vaterländische Naturkunde vergangen, und wie beim
25jährigen Jubiläum war auch für das 50jährige Gedenkfest die
Hauptstadt als Versammlungsort gewählt worden. Da der 24. Juni
auf einen Sonntag fiel, musste vom gewohnten Johannistag ab-
gegangen werden, und es wurde für die Versammlung der Tag Peter
und Paul, der 29. Juni, festgesetzt.
Die Feier wurde am vorhergehenden Abend durch eine ge-
sellige Vereinigung im Hotel Royal, wobei der H. Vorstand, Berg-
ratsdirektor Dr. V. Baur, den Anwesenden den Willkommsgruss
bot, würdig eingeleitet. Nicht nur zahlreiche Stuttgarter Mitglieder
hatten sich eingefunden , sondern aucrh von auswärts waren schon
viele Freunde gekommen, und es war schon am Vorabend des Festes
eine stattliche Zahl, die sich hier an langer Tafel zusammenfand.
Für die Tagung der Generalversammlung am folgenden Tage
war in entgegenkommendster Weise von der Direktion der K. Tech-
nischen Hochschule die Aula dieser Anstalt überlassen und mit
Genehmigung des K. Hofmarschallamts von Herrn Hofgarteninspektor
Eh mann in ebenso künstlerischer wie geschmackvoller Weise mit
Blattpflanzen geschmückt worden. Altem Brauche gemäss war auch
' Dass die Zahl der stattgehabten Generalversammlungen nicht mit der
Zahl der Vereinsjahre zusammenfällt, erklärt sich aus dem Wegfall der General-
versammlung im Jahre 1848.
Jalireshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1896. a
~ II —
dieses Mal mit der Versammlung eine Ausstellung naturwissenschaft-
licher Gegenstände verbunden worden ; beim ersten Anblick erschien
dieselbe vielleicht klein, aber wer näher zusah, erkannte sofort den
Wert dieser Ausstellung, der um so höher anzuschlagen war, als
ein grosser Teil der ausgestellten Gegenstände eine „Jubiläumsgabe"
ihrer Besitzer darstellte und es sich dabei mehrfach sogar um
Originalstücke zu Publikationen in den Jahresheften des Vereins
handelte. Wir glauben es gern, wenn Pfarrer Dr. Engel im späteren
Verlaufe des Tages scherzhaft klagte:
Seht Euch einmal an den Tisch
Mit den Jubelgabenschmerzeu :
Solch ein Saurier und Fisch,
Solch ein Seestern ging vom Herzen;
Doch es ging und ist jetzt da,
Darum heisst's pro patria.
Im Folgenden möchten wir nur eine gedrungene Schilderung
dieser Ausstellung und ihrer hauptsächlichsten Stücke geben.
Von Pfarrer Dr. Probst waren als Geschenk eingelaufen die
Originale der Tertiärflora von Heggbach und eine reiche Kollektion
von Haifischzähnen aus dem Tertiär, die der unermüdliche Forscher
während einer langen Reihe von Jahren gesammelt hat. Buchhändler
Ed. Koch in Stuttgart hatte das Originalstück von Ichthyosaurus
numismalis gespendet und zugleich aus seiner reichen Sammlung eine
Suite schwäbischer Echinodermen ausgestellt, die nur aus lauter Pracht-
stücken bestand. Im gleichen Jahresheft, in welchem Ichthyosaurus
numismalis beschrieben ist (Jahrgang 1892), ist auch eine Ästerias-
Platte aus Braun Jura ß abgebildet, die mit zu den schönsten Stücken
gehört; durch das grosse Entgegenkommen ihres Besitzers, Dr.
Wenz in Donzdorf, ist anlässlich des Jubiläums auch dieses Stück
als Geschenk in den Besitz des Vereins gelangt. Ihm reiht sich
würdig an ein Geschenk von Herrn Hauff in Holzmaden, der Kopf
eines Hybodus, mit dessen Abgabe an den Verein der Besitzer sich
eines Unikums beraubt hat. Es dürfte schwer sein, zu entscheiden,
welchen Stücken der Preis zuzuerkennen war; überall zeigte sich
das gleiche Bestreben, die Sammlung des Vereins zu bereichern.
Von Dr. C. Beck hatte der Verein zum Geschenk erhalten das Original
von Ämm, ParMnsoni coronatus, von E. Schwarzkopf Mineralien
und Versteinerungen aus dem Muschelkalk, von Dr. Wolf fing eine
seltene Koralle, von Hildenbrand tertiäre Balaniden auf einem
Jurakiesel sitzend, von Apotheker Blezinger einen Prachtschädel
— III —
von Nothosaurus , von Oberförster Holland ein Oberkieferstück
von JDakosaurus maximus und andere Versteinerungen , besonders
auch Korallen ; Pfarrer Gussmann hatte ein Riesenexemplar von
Amm. Amaltheus gigas, von Amin, spiraüssimus und arenatus gespendet,
Lehrer Zwiesel e Ammonites Schilleri. Von Pfarrer Engel und Lehrer
Wittlinger stammte eine Reihe krankhaft veränderter Ammoniten,
scherzhaft als Ammonitenspital bekannt, die Originalstücke zu Pfarrer
Engel's Publikation in der Leopoldina enthaltend; Lehrer Geyer
hatte zum Vergleich deformierte Exemplare von Helix beigefügt.
Einen eigenen Kasten hatte ein prächtiges Geschenk von Kaufmann
Kraus s in Ravensburg beansprucht, nämlich eine grosse Anzahl
erratischer Kiesel, die auf einer Seite angeschliffen sind und so einen
sehr hübschen Anblick gewähren ; ihnen war eine Photographie der
Ravensburger Kiesgrube beigefügt. — Auch der zoologische Kasten
enthielt eine Anzahl ebenso wertvoller wie interessanter Geschenke.
Aus der reichen Sammlung des verstorbenen eifrigen Vereinsmitgliedes
Graf Georg v. Sehe 1er, die derselbe dem Verein überwiesen, war
eine grosse und interessante Suite Bändervarietäten der gewöhnlichen
Schnecken Helix hortensis und nemoralis ausgestellt. Verlagshändler
Dr. Julius Ho ff mann hatte seine ganze, sehr umfangreiche Eier-
sammlung dem Verein zum Geschenk gemacht; von ihr waren nur
zwei bemerkenswerte Gruppen ausgestellt, nämlich eine Sammlung
von Gelegen des Dorndrehers, die die mannigfachen Farbenvarietäten
der Eier dieses Vogels zeigen , und eine Reihe von Gelegen ver-
schiedener Vögel mit dem Ei des Kuckucks. Ein sehr unscheinbar
aussehendes , in der Mitte des Kastens stehendes kleines Kästchen,
thatsächlich aber eine Perle der Ausstellung, hatte Sanitätsrat
Dr. Steudel gestiftet: eine Sammlung von 32 Kleinschmetterlingen;
tadellos ausgespannt mag diese Miniatursammlung manchem Be-
schauer einen ganz neuen Begriff von dem Formenreichtum der ver-
hassten „Motten" gegeben haben und ihn ebenso die Farbenpracht
dieser winzigen Schmetterlinge, wie die Geschicklichkeit ihres Be-
arbeiters haben bewundern lassen. Dr. Steudel hatte ausserdem
noch eine Reihe Kästen aus seiner Kleinschmetterlingssammlung zur
Ausstellung gebracht. Gleich unscheinbar mag manchem die Samm-
lung der Mollusken aus der Tiefenzone europäischer Seen erschienen
sein, die der bekannte Molluskenkenner Gl essin als Jubiläumsgabe
eingesandt hatte ; sie enthält aber Seltenheiten ersten Ranges, denn
nur in weniger Sammler Besitz befinden sich diese aus den Tiefen
unserer grossen Seen stammenden winzigen Molluskenformen. Im
— IV —
Kasten der zoologischen Geschenke fanden sich ferner noch eine
seltene Abart des Kaisermantel, von Forstmeister Probst in Kirch-
heim gestiftet , und ein Saufuss mit 5 Zehen , welche seltene Ab-
normität der Verein dem königlichen Hofjagdamt verdankt. Einen
prachtvollen Eindruck gewährten zwei grosse Insektensammlungen,
die von hiesigen Sammlern ausgestellt waren : ein Beweis , mit
welchem Eifer oft von Privaten bestimmte Gruppen gesammelt
werden, so dass Specialsammlungen zu stände kommen, wie sie
kaum eine Staatssammlung aufzuweisen hat. Die eine Sammlung
enthielt exotische Schmetterlinge, ausgestellt von Postrevisor Käst;
die Exemplare wetteifern in tadelloser Erhaltung und Seltenheit und
entzücken durch ihre Farbenpracht; würdig zur Seite stand eine
Sammlung exotischer Käfer von Dekorateur Scheiffele, in welcher
besonders die Goliathiden nicht nur durch ihre Grösse, sondern vor
allem durch ihre reiche Vollständigkeit auffallen, aber auch andere
Gruppen in glänzenden Suiten vertreten sind.
Auch an einer kleinen Sammlung lebender Württemberger
Reptilien fehlte es nicht, und besondere Aufmerksamkeit erregte
auch die in kleinerem Massstabe illustrierte Seidenraupenzucht von
Apotheker Schrader in Feuerbach, dessen Erfolge in der Fütte-
rung der Seidenraupen mit Schwarzwurz an Stelle der Blätter des
Maulbeerbaumes viel Aufsehen erregt haben. Die Botanik war her-
vorragend vertreten durch eine grosse Sammlung von Hutpilzen,
nach Herpell's Verfahren von Dr. Michalowski präpariert. Die
Sammlung, im Besitz der Akademie Hohenheim befindlich, wird bei
jedem das grösste Interesse erregt haben, welcher weiss, mit welchen
Schwierigkeiten der Botaniker in der Konservierung der Pilze zu
kämpfen hat. Als Gruss aus dem Oberland war von Hofrat Finckh,
in Biberach eine lebende Wasseraloe eingesandt worden. So waren
alle Naturreiche in der kleinen Ausstellung würdig vertreten.
Zur Besichtigung der Ausstellung sowohl, wie zur Festversamm-
lung hatten sich die Mitglieder sehr zahlreich eingefunden, so dass
die Präsenzliste etwa 165 zählte. Auch Se. Hoheit Prinz Herr mann
von Sachsen-Weimar, der Staatsminister Dr. v. Sarwey, Prä-
sident Dr. V. S i 1 c h e r gaben dem Verein die Ehre , an seinem
Festtage teilzunehmen.
Um 10 Uhr wurde die Versammlung durch den IL Vorstand
Direktor Dr. v. Baur mit folgender Ansprache eröffnet:
Meine Herren ! Ihr bisheriger Vorstand , Herr Direktor Dr.
0. V. Fraas, hat zugleich mit seiner Pensionierung auch die Vor-
— V —
standschaft unseres Vereins niedergelegt. Wir sind uns alle wohl-
bewusst, welchen Dank wir ihm schuldig sind, ihm, dem eigentlichen
Begründer unserer vom In- und Ausland bewunderten unvergleich-
lichen Sammlung, es ist die volle Arbeit eines Menschenlebens, die
Arbeit eines für seine Wissenschaft begeisterten Mannes !
Ihr Ausschuss schlägt Ihnen daher vor, den Herrn Direktor
Dr. 0. V. Fr aas zum Ehrenmitglied unseres Vereins zu ernennen.
Ich bitte Sie, zum Zeichen Ihres Einverständnisses und Ihres Dankes
zugleich sich von den Sitzen zu erheben. (Geschieht.)
Unser Verein wurde begründet im Sommer 1844. Wir ver-
binden daher mit der heutigen Generalversammlung die Feier des
50jährigen Bestehens des Vereins und haben Sie mit Rücksicht
hierauf die Vaterstadt des Vereins zum Versammlungsort gewählt.
Dies verschafft Ihrem Ausschusse die erwünschte Gelegenheit, auch
den auswärtigen Mitgliedern die naturhistorischen und die litterari-
schen Schätze des Vereins zu zeigen , wozu wir Sie auf morgen
eingeladen haben. Ich freue mich daher, dass Sie sich so zahlreich
eingefunden haben und heisse Sie im Namen Ihres Ausschusses
herzlich willkommen; ich begrüsse insbesondere unsere hohen und
verehrten Gäste , die Vertreter der K. Staatsregierung , der Stadt,
der gelehrten Institute und Vereine.
Ein Verein , der , von kloinen Anfängen ausgehend , durch die
rührige Thätigkeit seiner Mitglieder, wie seine Schriften, seine Samm-
lungen, seine Mitgliederzahl zeigt, es zu einem solchen Umfange und zu
solcher Bedeutung gebracht hat, darf freudig und hoffnungsvoll dem
zweiten halben Jahrhundert seines Bestehens entgegensehen.
Der heutige Tag ist aber insbesondere auch dem ehrenden
Gedächtnis der Begründer des Vereins und der vielen nicht mehr
' unter uns befindlichen Mitglieder gewidmet, welche mit der Be-
geisterung für die Wissenschaft an den umfangreichen Aufgaben
des Vereins mitgearbeitet haben.
Mit besonderem Danke aber erinnern wir uns heute der För-
derung unserer Bestrebungen durch die K. Staatsregierung und die
Huld dreier hochsinniger Landesfürsten, der hohen Protektoren des
Vereins, Ihrer Majestäten des verewigten Königs Wilhelm L, des ver-
ewigten Königs Karl, sowie bis auf den heutigen Tag, des derzeiti-
gen hohen Protektors Sr. Majestät des Königs Wilhelm II.
Ich schliesse mit dem Wunsche, dass Sie auch von dem
heutigen Feste einen erneuten Impuls zur ferneren Durchforschung
unseres Vaterlandes hinwegnehmen mögen.
— VI —
Es ergriff sodann der Schriftführer des Vereins Professor
Dr. Lampert das Wort zur Mitteilung, dass er Gelegenheit ge-
nommen habe, Sr. Excellenz dem Herrn Kabinets-Chef Geheimrat
Freiherrn Dr. v. Griesinger den Jubiläumsband der Jahreshefte
des Vereins zu überreichen mit der Bitte , denselben Sr. Majestät
dem König , dem allerhöchsten Protektor des Vereins , gütigst vor-
legen zu wollen ; daraufhin ist folgendes Schreiben an den Schrift-
führer eingelaufen :
Kabinet
S. M. des Königs
von Württemberg.
Euer Hochwohlgeboren
beehre ich mich unter Bezugnahme auf unsere heutige Unter-
redung ergebenst mitzuteilen , dass ich nicht verfehlt habe,
Seiner Königlichen Majestät den mir übergebenen 50. Jahrgang
der Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in
Württemberg zu unterbreiten und die Anzeige von dem bevor-
stehenden 50jährigen Jubiläum des Vereins zur Allerhöchsten
Kenntnis zu bringen. Seine Majestät haben den Band mit
lebhaftem Interesse entgegengenommen und lassen dem Verein
zum voraus Allerhöchst Ihre wärmsten Glückwünsche zu der
Jubiläumsfeier aussprechen.
Indem ich Euer Hochwohlgeboren ersuchen darf, hiervon
auch den übrigen Beteiligten Kenntnis geben zu wollen, ergreife
ich diesen Anlass zur erneuten Versicherung meiner vorzüg-
lichen Hochachtung.
Stuttgart, den 23. Juni 1894.
Der Kabinets-Chef
Griesinger.
Seiner Hochwohlgeboren
dem Herrn Professor Dr. K. Lampert
hier.
Nach Verlesung dieses königlichen Grusses ergriff Se. Excellenz
der Herr Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens Dr. v. Sarwey
das Wort:
Als Vertreter des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens
beehre er sich, den Verein zu seiner heutigen Feier zu beglück-
wünschen. Mit voller Befriedigung und voller Genugthuung könne
der Verein auf seine bisherige Thätigkeit zurückblicken. Die Jahres-
hefte, von denen kürzlich wieder ein stattlicher Band voll der wert-
— YIl —
vollsten Beiträge vorgelegt worden, seien, wie die Sammlung des
Vereins, ein beredtes Zeugnis für die Erfolge und die Ergebnisse
der Wirksamkeit des Vereins. Er spreche mit besonderer Genug-
thuung den Dank des Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens
dem Vereine aus für die Bereicherung der Staatssammlungen durch
den Verein. Er schliesse mit dem aufrichtigen Wunsche, dass der
Verein seine Thätigkeit bis in die fernsten Jahre zu Ehren und
zum Nutzen unseres Vaterlandes fortsetzen möge.
Die Versammlung begrüsste mit lebhaftem Beifall die Worte
des Herrn Ministers, die der Vorsitzende sofort dankend erwiderte,
zugleich dem Wunsch Ausdruck verleihend, dass die Verbindung
zwischen den Staatssammlungen und den Sammlungen des Vereins
eine recht dauernde sein möge.
Sodann ergreift Prof. Dr. L a m p e r t das Wort, um eine Reihe
an die Adresse des Vereins eingegangener Glückwünsche der Ver-
sammlung bekannt zu geben. Von Schlcss Lichtenstein aus hatte
Se. Durchl. Herzog Wilhelm von Urach telegraphisch seine
besten Wünsche übermittelt; Se. Durchl. Fürst Karl von Urach,
zu seinem Leidwesen durch Erkrankung am persönlichen Erscheinen
verhindert , beglückwünschte brieflich den Verein , dem er stets
regstes Interesse entgegenbringe, und erinnerte zugleich daran, wie eng
mit der Geschichte des Vereins der Namen seines Vaters, des Grafen
Wilhelm von Württemberg, verbunden sei. Die Universität
Tübingen sandte durch ein Schreiben ihres derzeitigen Rektors,
Prof. Dr. Lothar v. Meyer, die Akademie Hohenheim in gleicher
Weise durch Direktor v. Vossler ihre Glückwünsche. In einem
längeren Schreiben gratulierte das K. Statistische Landesamt; in
warmen Worten der Anerkennung wies der Vorstand dieser staat-
lichen Anstalt, Ministerialrat v. Zell er, darauf hin, dass das Sta-
tistische Landesamt für die ihm aufgegebene Landeskunde dem Verein,
welcher die Erforschung der natürlichen Verhältnisse des Landes
sich zum nächsten Zweck gesetzt hat, die wertvollste Anregung
und Unterstützung zu danken habe und betonte die Beteiligung her-
vorragender Mitglieder des Vereins an den Beschreibungen des
Königreichs wie der einzelnen Oberämter und besonders an dem
grundlegenden Werke des geognostischen Specialatlas und seiner
Begleitworte.
Auch von verwandten Vereinen Württembergs wurde des Ehren-
tages des Vereins nicht vergessen, in einem Begrüssungsschreiben
des Württembergischen Altertums-Vereins wies dessen II. Vorstand,
— VIII —
Prof. Dr. J. Hartmann, darauf hin, dass fast gleichzeitig vor einem
halben Jahrhundert der Württembergische Altertums-Verein und der
Verein für vaterländische Naturkunde gegründet worden seien, beide
mit der Absicht, die Kunde des Heimatlandes zu fördern und zu
verbreiten ; wie bei beiden Vereinen vielfach dieselben unvergess-
lichen Landsleute hervorragend thätig gewesen seien , so hat sich
eine freundschaftliche Verbindung und ein erspriessliches Zusammen-
wirken erhalten bis auf den heutigen Tag; dem Wunsche der Fort-
dauer dieser Beziehungen auch für die Zukunft verleiht der Altertums-
Verein am Jubeltag des Brudervereins Ausdruck. Die beiden Zweig-
vereine des Vereins gedachten des Festtages des Hauptvereins in
Zuschriften ihrer Vorstände ; im Namen des oberschwäbischen Zweig-
vereins hatte Freiherr Dr. Richard v. Koenig-Warthausen
gratuliert, im Namen des Schw^arzwaldzweigvereins Prof. Eimer in
Tübingen ein Begrüssungstelegramm geschickt.
Nach Verlesung dieser Glückwünsche ergriff Prof. Dr, Nies
von Hohenheim das Wort, um persönlich im Namen des Ober-
rheinischen Geologenvereins zu gratulieren und als Jubiläums-
gabe dessen Publikationen zu überreichen; im Namen des Würt-
tembergischen Anthropologischen Vereins sprach Prof. Dr.
Eberhard Fraas, und Prof. Nägele von Tübingen übermittelte den
Glückwunsch des Schwäbischen Albvereins, der zugleich in der
Juli-Nummer seines Organs, den „Blättern des Schwäbischen Alb-
vereins", dem Vereine zu seinem Jubiläum einen hübschen poetischen
Festgruss, verfasst von Pfarrer Dr. Engel, widmete.
Hiermit war die Reihe der Gratulationen beendet und der
Vorsitzende erteilte das Wort Prof. Dr. Kirchner von Hohenheim
zu dem folgenden Festvortrag :
Rückblick auf die Geschichte und die Thätigkeit des
Vereins.
Hochansehnliche Festversammlung !
Am heutigen Jubeltage unseres Vereins einen Rückblick auf
seine Geschichte zu werfen und in dankbarer Erinnerung der Männer
zu gedenken, welche den Verein ins Leben riefen, sowie auch derer,
die später seine Ziele und Zwecke gefördert haben, das ist recht
und billig — es ist eine selbstverständliche, unsere erste Pflicht;
und wenn mir vom Vereinsausschuss der ehrenvolle Auftrag zu teil
geworden ist , hier in einem kurzen Überblick vor Ihnen , meine
hochverehrten Anwesenden, die wichtigsten und folgereichsten Züge
— IX —
aus dem Leben und Wirken unseres Vereins zu entrollen, so glaube
ich diesem Auftrage am besten genügen zu können, wenn ich es
unternehme, auf Grund des Werdens und Gedeihens des Vereins
den Beweis zu erbringen, dass hier in Württemberg, in dem Lande,
auf dessen Stamm das bekannte Wort vom Volke der Dichter und
Denker vorzugsweise passt, auch das besondere naturwissenschaft-
liche Denken nicht fremd geblieben ist, dass die Pflege der Natur-
wissenschaften hier eine gute und feste Stätte gefunden hat.
Nicht als ob dies erst seit Gründung unseres Vereins und
lediglich im Schosse desselben der Fall wärel Beweisen doch die
Namen eines Johannes Kepler, eines Leonhard Fuchs und
Johann Bauhin, eines Rudolf Jakob Camer arius, Josef
Gärtner und Jakob Gottlieb Kölreuter, dass in der glück-
lichen Ausstattung des schwäbischen Stammes auch die naturwissen-
schaftliche Seite keineswegs stiefmütterlich bedacht worden ist.
Aber ein schon längst erwünschter Sammelpunkt für naturwissen-
schaftliche Bestrebungen war in dem Verein gefunden worden.
Die Versuche, einen naturwissenschaftlichen Verein in Schwaben
zu begründen, datieren bereits vom Beginn unseres Jahrhunderts.
Im Jahre 1804 kam eine Vereinigung von württembergischen und
badischen Ärzten und Naturforschern zu stände, welche auch eine
Zeitschrift herausgab, deren Inhalt Mitteilungen aus der praktischen
Medizin und aus dem Gebiete der Naturkunde, besonders der vater-
ländischen, bildeten. Sie führte den Titel : „Denkschriften der vater-
ländischen Gesellschaft der Ärzte und Naturforscher Schwabens",
gedieh aber nur bis zu einem Bande, welcher 1805 in Tübingen
erschienen ist. Zehn Jahre nach diesem, wohl an der Ungunst der
Zeiten gescheiterten Unternehmen wurde gleichwohl ein ähnliches
versucht von Autenrieth und Bohnenberger, in Gestalt der
Herausgabe der „Tübinger Blätter für Natur- und Heilkunde"; allein
auch diese erlebten nur ihren dritten Jahrgang, Auch ein dritter
Vorstoss nach dem gleichen Ziele , darin bestehend , dass im Jahre
1826 sich eine Gesellschaft zur Herausgabe einer zwanglosen Schrift :
„Naturwissenschaftliche Abhandlungen" verband, hatte keinen besseren
Erfolg, denn die Abhandlungen gingen mit dem zweiten Bande ein.
Trotz dieser wenig ermutigenden Erfahrungen kam aber der
an sich glückliche Gedanke nicht mehr zur Ruhe und wurde endlich
durch die Begründung unseres Vereins verwirklicht. Der Boden der
Landeshauptstadt sollte den ausgestreuten Samen zum Keimen und
Wachsen bringen; zum Leben gerufen wurde er durch einen zufälligen,
— X —
glücklichen Umstand. Bei einem Besuche nämlich, welchen der in
Capstadt ansässig gewordene Freiherr v. Ludwig seinem alten
Vaterlande abstattete, fanden sich Jünger und Freunde der Natur-
wissenschaften zu einem Abschiedsmahle in Stuttgart zusammen.
„Man fand," — so schildert Plieninger den weiteren Verlauf —
„dass man zusammenpasse, dass diese Vereinigung des Fortsetzens
wert sei, und man setzte seitdem die Zusammenkünfte an bestimmten
Tagen ebenso ungezwungen, und stets an gedeckter Tafel, wie die
erste, wenn auch in frugalerer Weise, fort." Die Seele dieser Ver-
einigungen war Prof. Theodor Plieninger, ein Naturforscher
im älteren Sinne dieses Wortes, ein Mann von einer Vielseitigkeit,
die wir heute nur noch zu bewundem, aber nicht mehr zu erreichen
im stände sind; er ist geboren zu Stuttgart im Jahre 1795, gehörte
dem Vereine bis 1856 an und starb 1879.
Zu Beginn des Jahres 1844 wurden die ersten Schritte zur
Gründung unseres Vereins gethan, organische Bestimmungen ent-
worfen, die Freunde der Naturwissenschaften im Lande zum Beitritt
eingeladen, und am 26. August 1844 konstituierte sich in Stuttgart
der Verein für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Durch
Abstimmung der ersten 35 Mitgheder wurde zum ersten Vorstand
des Vereins Graf Wilhelm von Württemberg, zum zweiten
Vorstand Prof. Dr. Wilhelm v. Rapp in Tübingen gewählt. Nicht
zum wenigsten dürfte es diesen beiden Männern zu danken sein,
dass der junge Verein alsbald seine tüchtige Lebenskraft erwies und
schon im Laufe des ersten Jahres seines Bestehens auf 346 Mit-
glieder anwuchs.
Graf Wilhelm von Württemberg entstammt der Linie
des württembergischen Fürstenhauses , deren Begründer sein Vater,
Herzog Wilhelm, ein Bruder des Königs Friedrich, war; er
ist am 6. Juli 1810 geboren und als Freund der Künste und Wissen-
schaften bekannt, derselbe, welcher seit 1839 das Schloss Lichten-
stein neu erstehen Hess. Unser Verein verdankt ihm mannigfache
Anregung und Förderung, seinem Einfluss und Ansehen zahlreiche
wertvolle Beziehungen und Vergünstigungen von selten der Staats-
regierung. Regelmässig präsidierte er den Jahresversammlungen
des Vereins bis zum Jahre 1854, in welchem er die Vorstandschaft
niederlegte. Im Jahre 1867 wurde er zum Herzog von Urach er-
hoben und starb am 17. Juli 1869 auf dem Lichtenstein. Wir haben
die Ehre, seine beiden Söhne heute zu den Mitgliedern unseres
Vereins zählen zu dürfen.
— XI —
Wilhelm Rapp war 1794 in Stuttgart geboren, seit 1819
ausserordentlicher, seit 1828 ordentlicher Professor für Anatomie,
Physiologie und Zoologie an der Landesuniversität; von 1854 an
war er bis zu seinem, am 11. November 1868 erfolgten Tode erster
Vorstand des Vereins.
Zugleich mit der Konstituierung des letzteren wurde ein Aus-
schuss gewählt, am 12. September 1844 erhielt der Verein die nach-
gesuchte königliche Bestätigung, und hat nun in den 50 Jahren,
welche seit jener Zeit verflossen sind , im Sinne seiner Gründer in
stetiger, treuer Thätigkeit fortgewirkt und mit seinen bescheidenen
Mitteln durch zielbewusstes Streben unter trefflicher Leitung rühm-
liche Erfolge errungen, die Erforschung der natürlichen Verhältnisse
des Landes gefördert, die früher vereinzelten Kräfte zu gemeinsamem
Schaffen vereinigt und angeregt; nicht minder ist es ihm gelungen,
wie es in den Statuten als ein Zweck des Vereines vorgesehen war,
den Sinn für Naturkunde überhaupt, und insbesondere für die vater-
ländische Naturkunde, unter allen Klassen der Gesellschaft rege zu
machen und zu verbreiten ; ganz besonders erfolgreich aber waren
seine Bestrebungen, eine Sammlung der heimischen Naturprodukte
anzulegen und der allgemeinen Kenntnisnahme zugänglich zu machen.
Wie viel nach allen diesen Richtungen seit der Gründung des Ver-
eins, und nicht zum wenigsten in demselben und durch ihn geschehen
ist, das lehrt am besten ein Vergleich mit dem Zustande der vater-
ländischen Naturkunde in Württemberg, wie er von Plieninger
im 1. Bande unserer Jahreshefte übersichtlich geschildert worden ist.
Von den 346 Mitgliedern aus dem ersten Vereinsjahre sind,
soweit ich das feststellen konnte, noch vier bis heute am Leben
und treue Vereinsgenossen geblieben ; es sind dies die Herren : Ober-
amtsarzt a. D. Dr. Bengel in Tübingen, Oberamtsarzt a. D. Dr.
Albrecht Härlin in Stuttgart, Kommerzienrat Karl Jobst in
Stuttgart und Dr. R ü h 1 e in Cannstatt.
Als erstes Ehrenmitglied des Vereins wurde Se. Hoheit der
Herzog Paul Wilhelm von Württemberg erwählt, bekannt
durch seine grossen naturwissenschaftlichen Reisen nach Nord-,
Mittel- und Südamerika, den oberen Nilländern, Ostasien und
Australien. Herzog Paul Wilhelm ist als Sohn des Herzogs
Eugen am 25. Juni 1797 geboren und residierte im Schlosse zu
Mergentheim , dem alten Sitze des Deutschordensmeisters , wo die
weiten Räume die Aufstellung der grossen Naturaliensammlungen
gestatteten, die sich noch jetzt dort befinden. Der Herzog präsidierte
— XII —
der dritten Generalversammlung des Vereins in Heilbronn im Jahre
1847 und ist am 25. November 1860 in Mergentheim gestorben.
Gleichzeitig mit ihm wurde der früher erwähnte Freiherr v. Ludwig
in Capstadt, geboren 1784 zu Sulz a. N., gestorben am 27. Dezember
1847, wegen seinen grossartigen Schenkungen an die naturwissen-
schaftlichen Sammlungen unseres Landes, zum Ehrenmitgliede ernannt.
Die äussere Geschichte unseres Vereins hat sich während der
50 Jahre seines Bestehens in ruhiger Fortentwickelung abgespielt.
Am 19. März 1846 nahm König Wilhelm I. das Protektorat an,
welches nach seinem Tode auch von König Karl und dann von
des jetzt regierenden Königs Majestät in Gnaden wieder übernommen
worden ist.
Am 8. Oktober 1851 gelang es dem Verein, nach vielfachen
Bemühungen und Eingaben, die Rechte einer juristischen Person zu
erwerben.
Die Stelle eines ersten Vorstandes bekleidete nach dem Tode
von Prof. Rapp Hugo v. Mohl, geboren am 8. April 1805, bis
zu seinem am 31. März 1872 erfolgten Tode; nach ihm der den
meisten von uns noch in lebhafter persönlicher Erinnerung stehende,
hochverdiente und allen Vereinsmitgliedern unvergessliche Ferdinand
Krauss von 1872 an bis zu seinem Tode am 15. September 1890;
und endlich bis heute Direktor Oskar v. Fraas, welcher auch
bereits seit 1846 unserem Vereine angehört.
Die Anzahl der ordentlichen Mitglieder hielt sich längere Zeit
hindurch ungefähr auf der anfänglichen Höhe, sie fiel sogar in den
Jahren 1853 — 55 bis auf wenig über 300; dann erfolgte ein lang-
sames Ansteigen, bis im Jahre 1863 die Zahl 402 erreicht wird,
die bis 1874 auf 454 steigt. Nun aber macht sich — hauptsäch-
lich infolge des Entstehens der beiden sogleich zu nennenden Zweig-
vereine, deren Mitglieder gleichzeitig dem Hauptverein beitraten —
eine schnelle Zunahme bemerklich: 1875 sind es 527, 1876: 639,
1877: 694, 1878: 723 Mitglieder, und dieses Wachstum hält an,
bis im Jahre 1886 die überhaupt höchste Zahl 803 erscheint. Von
da an tritt leider ein langsamer, aber stetiger Rückgang ein, so dass
jetzt die Mitgliederzahl nur 681 beträgt: ein Zeichen, dass es dem
Vereine an jungem Nachwuchs gebricht und die Lücken, welche
der Tod in den Mitgliederbestand reisst, nicht mehr genügend aus-
gefüllt werden.
In einem gewissen Zusammenhange mit dem Anwachsen der
Mitgliederzahl um die Mitte der siebziger Jahre steht die Gründung
— XIII —
von zwei Tochtervereinen, die einen sehr wesentlichen und günstigen
Einfluss auf die Fortentwickelung des Gesamtvereins ausgeübt hat.
Es bildete sich nämlich im Mai 1874 aus dem schon seit einigen
Jahren bestehenden sogenannten „Molasseklub" der „Oberschwäbische
Zweigverein für vaterländische Naturkunde" mit anfangs über
50 Mitgliedern, welcher jetzt noch unter der trefflichen Leitung des
Freiherrn Koenig-Warthausen blüht; und am 29. Juni 1875
erblickte der Schwarzwälder Zweigverein das Licht der Welt, be-
gründet mit 44 Mitgliedern durch Dr. Schüz in Calw, jetzt unter
der Vorstandschaft von Prof. Eimer in Tübingen.
Die Erreichung der Ziele des Vereins wurde nach verschiedenen
Richtungen hin und durch verschiedene Mittel angestrebt. Die wissen-
schaftlichen Leistungen der Mitglieder sollten in einer Vereinsschrift
niedergelegt, der persönliche Verkehr durch eine jährliche General-
versammlung, sowie durch Zusammenkünfte in Stuttgart gepflegt
werden, bei denen Vorträge und Mitteilungen wissenschaftlicher Art
erfolgten. Von Sammlungen wurde zuerst der Grund zu einer
Bibliothek gelegt, schon frühzeitig ging man auch daran, eine Samm-
lung vaterländischer Naturprodukte zu begründen.
Die Vereinsschrift ist Ihnen allen bekannt; es sind unsere
Jahreshefte, von denen vor kurzem der 50., zu Ehren des Jubiläums
besonders stattliche Band erschienen ist. Die Herausgabe derselben
war von Anfang an einer Redaktionskommission anvertraut, in deren
Mitgliedern die verschiedenen Richtungen der Naturforschung inner-
halb des Vereins vertreten waren; die erste Kommission bestand
aus Hugo V. Mohl, Plieninger, Fehling, Wolfgang Menzel
und Ferdinand Krauss, und führte in dieser Zusammensetzung
die Geschäfte bis 1858, wo Fr aas an die Stelle von Plieninger
trat. Wolfgang Menzel, der wohl als litterarischer Beirat fungiert
haben mag, wurde 1863 durch Prof. Zech ersetzt. Wir haben
allen Grund, auf diese Vereinspublikationen stolz zu sein, die sich
in der Reihe der wissenschaftlichen Zeitschriften eine ehrenvolle
Stelle errungen haben und in denen eine Fülle von wertvollen und
weit über die Grenzen Württembergs hinaus gewürdigten Arbeiten
niedergelegt ist. Ohne erhebliche Unterbrechungen erschienen regel-
mässig die Jahreshefte , anfänglich 3 Hefte in jedem Jahre ; seit
1880 wird alljährlich ein Band auf ein Mal herausgegeben. Der
Aufwand für diese Veröffentlichungen beträgt bis jetzt im ganzen
die für die bescheidenen Mittel des Vereins beträchtliche Summe
von mehr als 87 000 <Ji ; in den 50 Bänden sind gegen 800 Ab-
— XIV —
handlungen und Aufsätze, die zahlreichen kürzeren Mitteilungen
ungerechnet, enthalten und 236 Tafeln sind den Arbeiten beigegeben.
Dem Gegenstand derselben nach nehmen die beschreibenden Natur-
wissenschaften in den Jahresheften den breitesten Raum ein , und
unter ihnen wiederum die Abhandlungen geologischen, palaeontolo-
gischen und mineralogischen Inhaltes, besonders wenn man dieser
Gruppe auch Praehistorik und Höhlenforschung, sowie die Arbeiten
der im Jahre 1886 vom Vereine eingesetzten Erdbeben-Kommission
zuzählt. Alsdann wird diese Abteilung durch 293 Abhandlungen oder
37 7o allsr Publikationen repräsentiert. Darauf folgt die Zoologie,
welche durch 237 Abhandlungen, = 30 7oi vertreten ist, auf die
Botanik entfallen 124 Abhandlungen, = 1573 Voj ^s folgt die Physik
mit Einschluss der Meteorologie mit 81 Abhandlungen, = IOV4 7o5
und die Chemie mit 41, =: 5,2 "/o- Eine kleine Anzahl von Auf-
sätzen lässt sich unter die ebengenannten Rubriken nicht recht ein-
reihen ; unter ihnen beansprucht ein gewisses Interesse ein im Jahre
1847 auf der Jahresversammlung in Heilbronn gehaltener Vortrag
des Oberamtsarztes Justinus Kern er: Über die aussergewöhn-
lichen Erscheinungen, welche an bestimmten Orten und Häusern
haften. Mit Beziehung auf diesen Vortrag machte während des
Festessens Herzog Paul Wilhelm einen scherzhaften Angriff auf
die Naturforschung im Geisterreich, den Justinus Kerner sofort
mit folgenden Versen erwiderte :
Euch dankt gerührt der abergläub'sche Dichter,
Dass Ihr ihm schneidet keine Spottgesichter.
Möcht' Euer Forschen bald dahin gelangen,
Die Geister in Mausfallen ihm zu fangen!
Nicht nur räumlich nehmen Geologie und die damit zusammen-
hängenden Fächer eine bevorzugte Stelking in den Vereins -Publi-
kationen ein, sondern auch mit Bezug auf ihren Inhalt gilt dasselbe.
Und das ist auch leicht erklärlich. Ist doch unser Württemberger
Land gerade in geologischer und palaeontologischer Hinsicht hoch-
interessant, und wenn hierin schon eine Erklärung dafür liegt, dass
naturwissenschaftliche Neigungen sich vorzugsweise diesem Felde
zuwenden, so wurde zudem noch auf demselben Gebiete durch eine
Reihe bedeutender Männer eine grosse Anregung für alle Freunde
der Naturwissenschaften ausgeübt.
Die ältere Schule ist in unseren Jahresheften durch Graf
Mandelsloh und Alberti repräsentiert; Altmeister Quenstedt
erscheint schon im ersten Bande mit einem Vortrage über die
— XV —
Hoffnung auf Kohlen in Württemberg — eine Frage, die sich nach
Art der Seeschlange durch die Jahreshefte hinzieht und ihren end-
gültigen Abschluss erst um die Zeit von Quenstedt's Tod ge-
funden hat.
In den älteren Jahrgängen der Zeitschrift hat Plieninger
seine palaeontologischen Funde veröffentlicht, unter denen die Ent-
deckung von Resten des ältesten Säugetieres der Erde, Microlestes
antiquus^ bei Degerloch eine hervorragende Stellung einnimmt. Mit
Plieninger gleichalterig sind Kur r und Eser, ersterer eines der
thätigsten unter den früheren Vereinsmitgliedern, der auch über
zahlreiche geologische und palaeontologische Untersuchungen be-
richtet hat. Im zweiten Bande unserer Vereinsschrift tritt der
Stadtvicar Fr aas von Balingen auf mit einem Aufsatze: Die Thone
des unteren Lias ß; seitdem steht sein Name in allen Bänden der
Jahreshefte verzeichnet: über eine grosse Anzahl seiner epoche-
machenden Forschungen hat er in ihnen berichtet. Hier möge nur
erinnert sein an den Versuch einer Vergleichung des schwäbischen
Jura mit dem französischen und englischen, worin Fr aas über
Schwaben und über seinen Lehrer Quenstedt hinaus seinen
Forscherblick vergleichend über weitere Gebiete gerichtet hat. Es
sei ferner gedacht seiner geologischen Durchforschung der württem-
bergischen Eisenbahnlinien, wobei er später von seinem Sohne unter-
stützt und vertreten wurde; der mit Oberförster Frank zusammen
ausgeführten Erforschung der Funde an der Schussenquelle ; des
Aetosaurus ferratus, jener einzigartigen Stuttgarter Vogelechse, deren
Beschreibung der Universität Tübingen zu ihrem Jubiläum gewidmet
wurde ; endlich, um nur dies noch aus dem reichen Schatze heraus-
zugreifen, seiner später ebenfalls mit Eberhard Fraas zusammen
betriebenen Höhlenforschungen, die dann auch von Hedin ger fort-
gesetzt worden sind. Die von Fraas angebahnte Vergleichung des
schwäbischen Jura mit den entsprechenden Formationen anderer
Länder wurde dann durch die bahnbrechenden Arbeiten von Oppel
weiter durchgeführt. Rühmend müssen hervorgehoben werden die
Arbeiten von Deffner über die geologischen Verhältnisse Württem-
bergs , an welche sich die an neuen Beobachtungen reichen Unter-
suchungen von Baur, unserem jetzigen zweiten Vorstand, anschliessen.
Über den engeren Kreis Württembergs hinaus fanden die eingehenden
Arbeiten von Probst, besonders diejenigen über fossile Haifischreste,
Beachtung; von den Untersuchungen Engel's sind in den Jahres-
heften unter anderem die über die Facies des Weissen Jura nieder-
XVI
gelegt; Konrad Miller behandelte das Tertiär und, ebenso wie
auch Bach und Prof. Steudel, die diluvialen Bildungen Ober-
schwabens. Auch die Lehrer an den württembergischen Hochschulen,
Eck, Nies und Branco, haben manche ihrer Untersuchungs-
ergebnisse unseren Jahresheften zu gute kommen lassen, der letzt-
genannte hat uns soeben mit einer Monographie der Vulkanembryonen
Schwabens beschenkt. Von den jüngeren Arbeitern auf dem Gebiete
der Palaeontologie seien noch Eberhard Fr aas und Pompeckj
genannt, welche noch im letzten Bande Zeugnisse der schönen Re-
sultate ihrer Forschungen niedergelegt haben. Ein Verzeichnis der
Mineralien Württembergs ist schon im 25. Bande der Jahreshefte
von Gotthilf Werner gegeben worden, und jetzt ist auf dem
Gebiete der Mineralogie insbesondere noch Leuze mit Erfolg thätig.
Die zoologischen Arbeiten, welche in unserer Vereinsschrift
enthalten sind, beschäftigen sich zu einem grossen Teile mit der
Erforschung der Fauna von Württemberg. Allgemeine Beiträge hierzu
lieferten Ferdinand Krauss, Leydig, Fickert und Freiherr
Richard Koenig-W arthausen, letzterer durch die Abfassung
der regelmässigen naturwissenschaftlichen Jahresberichte besonders
verdient. Die Säugetiere im besonderen behandelten: Landbeck,
V. Jäger, Georg v. Martens, Generalarzt v. Klein, Krauss,
Freiherr Koenig-Warthausen; daran mögen die anthropologischen
Arbeiten von v. Holder und Gross angeschlossen sein. Die
württembergischen Fische wurden studiert durch : Albert Günther,
Rapp, Krauss und Klunzinger; die Vögel durch: Landbeck,
Georg v. Martens, Krauss, Calwer, Finckh, Freiherr
Koenig-Warthausen, Julius Hoffmann; die Reptilien durch:
Plieninger, Wolterstorff, Ernst Zeller. Über die Mollusken
besitzen wir mehrere Untersuchungen und Zusammenstellungen, die
älteste von Graf Seckendorf, dann folgen Eduard v. Martens,
Clessin, Weinland, Geyer und Buchner. Eine Abteilung
der Kruster, die Copepoden, ist von Voss el er bearbeitet, die Gruppe
der Milben von v. Hering und H aller, eine Abteilung der Neu-
ropteren von Hüeber, der sich dann dem Studium der Hemipteren
mit Erfolg widmete. Einzelne Orthopteren wurden durch Kissling
und durch Ernst Hofmann untersucht, einzelne Hymenopteren
durch Lampert. Eine Zusammenstellung der württembergischen
Käfer wurde von Keller geliefert; einzelne Beiträge zur Kenntnis
derselben Abteilung gab Nördlinger. Die Lepidopteren sind sehr
eingehend studiert und bearbeitet durch Julius Hoffmann,
XVII —
Ernst Hofmann, Keller, W. Stendal nnd 0. Seyffer. Die
Rädertiere waren Gegenstand des Studiums von Bartsch und
Bilfinger, und mit den Bryozoen beschäftigte sich der leider so
früh verstorbene Graf Scheler. Neben diesen die württembergische
Fauna behandelnden Arbeiten sind noch eine Reihe solcher von
allgemeinerer Bedeutung zu nennen, die gleichfalls in den Jahresheften
veröffentlicht worden sind. Dahin gehören: Eduard v. Martens'
Untersuchungen über die Verbreitung der europäischen Land- und
Süsswasser-Gasteropoden; die Arbeiten von Klein über die Anatomie
von Lepidosiren annedens und über die Osteologie der Fische, be-
sonders der Knochenfische; v. Hering's Übersicht der Eingeweide-
würmer und Hautparasiten und seine Beiträge zur Entwickelungs-
geschichte einiger Eingeweidewürmer; Ernst Hofmann's Werk
über die Isoporien der europäischen Tagfalter und Eimer 's Mit-
teilungen über die Zeichnung der Reptihen, Vögel und Säugetiere.
Die Botanik war hinsichthch der vaterländischen Flora bei
Begründung unseres Vereins insofern gegenüber den anderen be-
schreibenden Naturwissenschaften in einer begünstigten Lage, als die
erste Auflage der trefPhchen Flora von Württemberg von Schub 1er
und Martens damals bereits vorlag, und also das Studium der
emheimischen höheren Pflanzen zu einem — allerdings nur vor-
läufigen — Abschluss gelangt war. Aber mit der Kenntnis der
Kryptogamen sah es noch so schlimm aus, dass in die Statuten
des Vereins ausdrücklich der Satz aufgenommen wurde, es sei haupt-
sächlich die Erforschung der inländischen, noch sehr wenig bekannten
kryptogamischen Gewächse zu fördern, — eine Aufgabe freilich,
deren Schwierigkeiten man damals noch nicht übersehen konnte'
und die auch heute noch nicht völlig gelöst ist. — Mitteilungen
über die einheimische Flora bilden den Hauptbestandteil der Ver-
öffentlichungen in den Jahresheften aus dem Gebiete der Botanik,
und sogleich im ersten Jahrgang überrascht uns Hugo v. Mo hl,'
als Stern erster Grösse auf dem Gebiete der Pflanzenanatomie und
Physiologie allbekannt und berühmt, mit einem Inhalts- und ge-
dankenreichen Aufsatz über die Flora von Württemberg, nebst einer
Aufzählung aller ihm bekannten Arten von Blütenpflanzen des Landes.
Zur Phanerogamenflora von Wüi-ttemberg wurden immer reichliche
Beiträge und Nachträge geliefert, sei es durch die Schilderung der
Vegetationsverhältnisse einzelner Bezirke, oder sei es durch Bekannt-
gabe neuer Funde. Von den zahlreichen Männern, welche in dieser
Weise an der Vervollständigung unserer Kenntnisse über die ein-
Jahreshefte d. Vereins f. vater]. Naturkunde in Württ. 1895. h
XVIII
heimischen Blütenpflanzen mitgearbeitet haben, seien hier genannt:
Georg V. Härtens, Wilibald Lechler, Kurr, Fleischer,
Engel, Finckh, Schüz, Ducke, Oeffinger, Ziegele, Herter,
Scheuerle, Reuss und Gradmann. Die Gefässkryptogamen
erfuhren Bearbeitungen durch Georg v. Martens und Mülberger;
ersterer hat auch eine Zusammenstellung der württembergischen
Armleuchtergewächse gegeben, und von ihm und Hegelmaier
sind die Moose bearbeitet worden, unsere Kenntnis der württem-
bergischen Thallophyten ist noch immer nicht befriedigend, und auf
diesem Gebiete dehnt sich für jüngere Kräfte noch ein weites Feld
dankenswerter Thätigkeit aus. Auf die Pilze beziehen sich Arbeiten
von Hegelmaier und Veesenmayer, neuerdings auch von
Eich 1er und mir; die Flechten sind von Koch und von Rieb er
in Angriff genommen worden, die Algen von Fleischer, Eulen-
stein, Sautermeister, Gustav Zeller und mir. — Ausser
diesen Beiträgen zur einheimischen Flora enthalten die Jahreshefte
noch manche wertvolle Aufsätze botanischen Inhalts von weiterer
Geltung. So hat z. B. Karl Friedrich Gärtner (geboren 1772,
gestorben 1850) auf der dritten Jahresversammlung einen Bericht
über die Fortsetzung seiner berühmten Versuche über die Bastard-
bildung im Pflanzenreiche gegeben; Christian Ferdinand Hoch-
stetter, die Seele des Esslinger botanischen Reisevereins, eine
treffliche Abhandlung über den Aufbau der Graspflanze veröffentlicht,
und sein wissenschaftlicher Genosse Ernst Gottlieb Steudel
einen sehr interessanten Vortrag über die mutmassliche Anzahl aller
auf der Erde vorhandenen Pflanzenarten gehalten. Auch Hugo
V. Mohl hat den Vereinsschriften noch manche Mitteilungen zu-
kommen lassen, ebenso Hegelmaier und Mohl's Nachfolger in
Tübingen, Hofmeister und Seh wendener, auch Karl Goebel.
jetzt in München.
Wenn nun die in den Jahresheften enthaltenen Arbeiten
physikahschen und chemischen Inhaltes auch an Menge etwas zu-
rücktreten, so darf man dies doch keineswegs von ihrem Werte
behaupten. Das Gebiet der Physik im engeren Sinne behandeln
zahlreiche Untersuchungen von Zech, Reusch und August
Schmidt, sowie von Dietrich und Dahlmann; auf dem Felde
der Geodäsie bewegen sich die Veröffentlichungen des kürzHch ver-
storbenen Prof. C. W. V. Baur; über Gegenstände aus der Me-
teorologie handeln Plieninger, Gaupp, Schoder und Heck.
Der erstere insbesondere veröffentlichte in den 10 ersten Bänden
— XIX —
der Vereinsschrift die jährlichen Ergebnisse der meteorologischen
und phänologischen Beobachtungen in Württemberg, die manchmal
mehr als den dritten Teil eines ganzen Bandes einnehmen; im
Jahre 1856 erfolgte aus seiner Feder eine Darstellung der Ergeb-
nisse 30 jähriger meteorologischer und klimatischer Beobachtungen in
Württemberg. Später wurden Plieninger's meteorologische Jahres-
berichte nicht mehr in unserer Yereinsschrift veröffentlicht, sondern
vom königlichen statistischen Landesamt besonders herausgegeben.
Die Publikationen auf dem Gebiete der Chemie endlich haben
vielfach wiederum vaterländische Verhältnisse zum Gegenstand. Dies
gilt weniger von den älteren, wertvollen Arbeiten von Schlossberger.
die mannigfache Gegenstände behandeln, als namentlich von einer
Reihe späterer Untersuchungen. So die zahlreichen chemischen
Analysen württembergischer Mineralquellen und anderer Brunnen,
welche Fehling, zuletzt in Gemeinschaft mit Hell, ausführte,
ferner die Analysen desselben von den württembergischen Soolen,
Steinsalzen u. s. w. ; auf demselben Gebiete bewegen sich die
Untersuchungen von Ducke, Sigwart, 0. Krauss und Peine.
Von sonstigen chemischen Abhandlungen erfreuen sich eines beson-
deren Ansehens diejenigen von Emil v. Wolff über die wichtigeren
Gesteine Württembergs, deren Verwitterungsprodukte und die daraus
entstandenen Ackererden. Über den Bernstein lieferte B ronner
wertvolle Untersuchungen ; über die Zusammensetzung württembergi-
scher und fremder Weine, ferner über die Zusammensetzung des
Neckarwassers veröffentlichte Klinger praktisch verwertbare Aufsätze.
Im Hinblick auf diesen reichen und mannigfachen Inhalt unserer
Jahreshefte sind wir wohl berechtigt, uns des bisher Erreichten zu
erfreuen und in diesen Publikationen den Schwerpunkt der Wirk-
samkeit des Vereins zu erblicken. Den Schwerpunkt — aber durch-
aus nicht das alleinige Feld seines Wirkens. Denn was statuten-
mässig vorgesehen war, das trat auch sehr bald in die Wirklichkeit,
nämlich die Anlegung einer Bibliothek und die Begründung vater-
ländischer naturwissenschaftlicher Sammlungen.
Der Grund zu einer Bibliothek wurde gleich im ersten Jahre
des Bestehens des Vereins gelegt, freilich in sehr bescheidenem
Umfange , denn am Ende dieses ersten Jahres waren im ganzen
10 Werke vorhanden. Der spätere reichliche Zuwachs wird den
Schenkungen von Mitgliedern und anderen Gönnern des Vereins
verdankt, namentlich aber dem Austausch unserer Jahreshefte gegen
die Veröffenthchungen anderer gelehrten Gesellschaften in allen
- XX —
Weltteilen. Kraus s insbesondere Hess sich die Pflege dieser Be-
ziehungen sehr angelegen sein, und ihm ist es vornehmlich zu danken,
wenn die Vereinsbibliothek jetzt einen so beneidenswerten Reichtum
an naturwissenschafthchen Gesellschaftsschriften besitzt. Im Jahre
1865 stand unser Verein mit 72 anderen im Schriftenaustausch, und es
waren im ganzen 121 Vereinspublikationen vorhanden, davon 58 in
deutscher, 63 in fremden Sprachen. Dazu kamen noch 461 ander-
weitige naturwissenschafthche Werke verschiedenen ümfangs. Im Jahre
1880 hat sich der Schriftenaustausch auf 122 Gesellschaften aus-
gedehnt, die Bibliothek umfasst 3107 Bände solcher Zeitschriften,
ferner von anderen Werken 1272 Bände, 114 Karten und 360 Disser-
tationen. Die letzte Zusammenstellung endhch vom Jahre 1891
führt 229 Gesellschaftsschriften an und einen entsprechend reichen
Zuwachs hat auch der übrige Teil der Bibliothek erfahren ; die Zahl
der Bände wurde nicht festgestellt. Unter den Schenkungen für
die Vereinsbibliothek sind folgende durch ihren Umfang besonders
bemerkenswert :
Die Sammlung von Schriften über Bäder und Heilquellen von
Dr. Zell er in Nagold, 94 Hefte umfassend.
Die vorzugsweise entomologische Bibliothek des Staatsrates
V. Roser, 293 Bände und Hefte.
Der naturwissenschaftliche Teil der Bibliothek des Ober-
medizinalrats V. Hering, 94 Bände.
Die Bibliothek des Oberstudienrates v. Plieninger, 226
Bände und 198 Hefte.
Eine grosse Anzahl von Abhandlungen aus der Bibliothek des
Direktors v. Krauss.
Bezüglich der Einrichtung einer Sammlung württembergischer
Naturalien wurde im Jahre 1849 vom Ausschuss und später auch
von der Generalversammlung ein wichtiger Beschluss gefasst, welcher
die Anlage einer solchen Sammlung anordnete. Eine sehr günstige
Gelegenheit, einen Grundstock zu einer derartigen Sammlung und
zugleich auch ein zur Aufstellung geeignetes Lokal zu erwerben,
bot sich bald nachher dar. Die Centralstelle des landwirtschaftlichen
Vereins zeigte sich nämhch geneigt, ihre in einem Staatsgebäude
hinter der Tierarzneischule aufgestellten Sammlungen von vater-
ländischen Naturalien, welche seit 1818 zusammengebracht worden
waren und von Prof. Plieninger verwaltet wurden, dem Verein
zur Benützung und Verwaltung zu übergeben. Die beiderseitigen
Verhandlungen führten am 29. Juli 1850 zu einem befriedigenden
— XXI —
Abschluss und die Sammlungen wurden nach vorgenommener Sichtung
und Ausscheidung des nicht Geeigneten vom Verein übernommen
und dem Pubhkum zugänglich gemacht. Teils wegen der etwas
entfernten Lage des Sammlungslokales, teils wegen des raschen
Wachstumes der Sammlung selbst stellte sich später die Notwendig-
keit eines Umzuges in passendere Räumlichkeiten heraus, und diese
Übersiedelung wurde dadurch ermöglicht, dass auf fortgesetztes,
eifrigstes Betreiben von Ferdinand Krauss eine grosse vater-
ländische Naturaliensammlung in dem neuerbauten Flügel des
K. Naturalienkabinets aufgestellt wurde. Am 20. November 1863
genehmigte das Ministerium des Innern die Übergabe der dem Verein
anvertrauten Sammlungen der Centralstelle an das Naturalienkabinet,
und das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens gestattete dem
Verein, seine eigenen Sammlungen mit den Staatssammlungen ver-
einigt in dem neuen Flügel aufzustellen. Hierher siedelten im Herbst
1865 die Sammlungen der Gesellschaft über und sind hier durch
besondere Etiketten kenntlich gemacht.
Es ist vor dieser hochansehnlichen Versammlung, welcher
unsere Vereinssammlungen bereits bekannt sind, oder der doch
morgen Gelegenheit geboten ist, sie in Augenschein zu nehmen,
unnötig, darüber Näheres zu berichten ; sie stellen einen Schatz dar,
welcher durch unablässige Neuerwerbungen und freigebige Schenkungen
zu einer Eeichhaltigkeit herangediehen ist, die ihn zusammen mit
seiner zweckmässigen Aufstellung zu einem Muster für ähnliche
Institute gemacht hat, welches von keiner anderen Lokalsammlung
übertroffen, nur von sehr wenigen erreicht werden dürfte.
Füge ich noch hinzu, dass zu diesem wissenschaftlichen Be-
sitze unseres Vereins sich auch noch eine durch die Fürsorge von
Krauss zu stände gekommene Ansammlung eines Vereinsvermögens
von etwa 21 000 tM. gesellt, so wird man unsere Situation beneidens-
wert finden müssen.
Es ist nun schliesslich noch darauf hinzuweisen, dass der Verein
auch die Anbahnung eines näheren persönhchen Verkehrs zwischen
seinen Mitghedern bezweckt, und dass zu dem Ende Versammlungen
und zwanglose Vereinigungen schon seit der Gründung des Vereins
vorgesehen worden sind. Eine alljährlich wiederkehrende Haupt-
versammlung, welche abwechselnd an verschiedenen Orten Württem-
bergs abgehalten wird, dient zur Erledigung der geschäftlichen An-
gelegenheiten und giebt den Vereinsmitgliedern Gelegenheit, sich
kennen zu lernen, sich wiederzusehen, Beobachtungen und Meinungen
— XXII —
einander mitzuteilen, und sie im gegenseitigen Austausch der An-
sichten zu prüfen und zu klären. Anfänglich war als Zeitpunkt für
die Hauptversammlung der 1. Mai festgesetzt worden, aber da der
Wonnemonat oft ein sehr unfreundliches Gesicht macht, so litt unter
seiner Ungunst der Besuch der Versammlungen. Im Jahre 1852
wurde deshalb der Termin für dieselben auf den 24. Juni, den
Johannistag, verlegt, und so ist es im wesentlichen bis heute ge-
blieben. Alljährlich wurde diese Versammlung abgehalten mit Aus-
nahme des Jahres 1848, wo sie der politischen Ereignisse wegen
ausfiel, und i. J. 1866 konnte sie erst am 4. Oktober stattfinden.
Diese Hauptversammlungen mit ihren Vorträgen und kleinen Aus-
stellungen haben immer ungemein anregend gewirkt, und auch zur
Erhöhung deq Mitgliederstandes viel beigetragen.
Dasselbe gilt auch von den wissenschaftlichen Zusammenkünften,
welche schon von der Begründung des Vereins an in den Winter-
monaten in Stuttgart abgehalten wurden, um den Mitgliedern Ge-
legenheit zu verschaffen, ihre eigenen Beobachtungen mitzuteilen
oder Berichte über interessante Entdeckungen und Forschungen zu
geben. Mit der Zeit wurden diese Vorträge auch den Damen der
Mitglieder teilweise zugänglich gemacht, bis sie endlich ganz und
gar den Charakter populärer naturwissenschaftlicher Vorträge an-
nahmen , und in dieser Form viele Jahre hindurch , bis 1890 , die
Mitglieder und ihre Damen zu einem dankbaren Zukörerkreis ver-
einigten. Inzwischen hatte man aber wiederum auf die ältere Ge-
pflogenheit zurückgegriffen und die ursprünglichen wissenschaftlichen
Vereinsabende wieder eingerichtet; sie werden seit November 1885
wieder in Stuttgart abgehalten und finden jetzt regelmässig einmal
monatlich mit Ausnahme der Sommermonate statt. Über die Vor-
träge, welche bei diesen wissenschaftlichen Abenden gehalten werden,
erscheint ein kurzer Bericht in unserer Vereinszeitschrift, ebenso
wie auch über die Verhandlungen des Oberschwäbischen und des
Schwarzwälder Zweigvereins.
So , wie ich es hier zu skizzieren versucht habe , steht heute
unser Verein für vaterländische Naturkunde da. Am Ende unseres
Rückblickes dürfen wir unserer Freude und Befriedigung Ausdruck
geben über das, was der Verein erreicht hat, über das, was er, seinen
Kräften angemessen, zum Nutzen des Vaterlandes gewirkt hat. Sein
bisheriger Erfolg giebt uns eine Bürgschaft dafür , dass seine Be-
strebungen auch in Zukunft keine nutzlosen sein werden. Und wie
könnten wir auch diese Zuversicht nicht haben ! Sind wir doch der
— XXIII —
Überzeugung, dass die Beschäftigung mit der Natur und ihren Pro-
dukten, die Erkenntnis der Naturgesetze, die Beobachtung des
Werdens und Vergehens der Organismen nicht nur für dieses Jahr-
hundert, das einer seiner grössten Söhne das naturwissenschafthche
Jahrhundert genannt hat, Aufgabe und Streben zahh-eicher Geister
ist, sondern dass Freude an der Natur, Studium der Naturgegenstände
und Vertiefung naturwissenschafthcher Erkenntnis allezeit bestehen
werden , solange es eine Natur und den sinnenden Geist des Men-
schen giebt, der, er mag wollen oder nicht, von der Natur nicht
loskommt. Aus der Unnatur einer überlebten Civilisation flüchtet
sich der in den sichersten Hafen, der den Busen der Natur aufsucht;
sie spendet ihm Ruhe und Frieden in unserer hastigen und über-
reizten Zeit, sie beut ihm Freuden und Genüsse, die nicht mit Gold
aufzuwiegen sind — Genüsse und Freuden ohne den Umweg des
Gelderwerbs, jedem zugänglich, der sich der Naturforschung oder
auch nur der Naturliebe hingiebt. Darum hoffen wir zuversichtlich,
dass neue Kräfte immer wieder im Laufe der Zeiten auch unserem
bescheidenen Vereine erstehen, dass sie sein Wachsen, Gedeihen und
Blühen auch in Zukunft sichern werden.
Nachdem der Vorsitzende dem Redner für den mit lebhaftem
Beifall aufgenommenen Vortrag gedankt hatte, hielt den zweiten
Vortrag Prof. Dr. Branco in Tübingen über das Thema:
Über die vulkanischen Erscheinungen in Württemberg.
Der Redner gab in diesem fesselnden Vortrag einen Auszug
seiner grossen, im letzten und im vorliegenden Band dieser Jahres-
hefte publizierten Arbeit „Schwabens 125 Vulkanembryonen und
deren tufferfüllte Ausbruchsröhren; das grösste Maargebiet der Erde".
Indem wir auf diese umfangreiche Pubhkation verweisen, kann von
einem Referat Abstand genommen werden.
Als dritter Redner der Festversammlung sprach Prof. Dr.
Lampe rt über das Thema:
Württembergs Tierwelt, eine zoogeographische Skizze.
(Der Vortrag findet sich im vorliegenden Jahresheft abgedruckt.)
Nach diesem Vortrag trat eine Mittagspause ein, die von den
meisten der Anwesenden dazu benützt wurde , im Restaurant Dier-
lamm einen Frühschoppen einzunehmen.
Um 2 Uhr wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen.
Der Vorsitzende machte zunächst die Mitteilung, dass vom K. Hof-
lager in Friedrichshafen folgendes Telegramm eingelaufen sei:
— XXIV -
Seine Königliche Majestät lassen den unter Allerhöchst Ihrem
Protektorat stehenden Verein für vaterländische Naturkunde
zur heutigen Feier seines 50jährigen Bestehens aufrichtig be-
glückwünschen und demselben unter gnädigster Anerkennung
seines verdienstvollen Wirkens und unter der Versicherung
Allerhöchst Ihrer fortdauernden warmen Teilnahme an seinen
Bestrebungen auch fernerhin das beste Gredeihen, dem heutigen
Feste aber einen frohen und schönen Verlauf wünschen.
Auf Allerhöchsten Befehl:
G r i e s i n g e r.
Die Festversammlung beschloss sofort die Absendung des fol-
genden Danktelegrammes :
Der Verein für vaterländische Naturkunde gedenkt bei dem
heutigen Feste in tiefster Ehrfurcht der Allerhöchsten Fürsorge
seines Hohen Protektors und erstattet, freudig bewegt durch
die dem Verein AUergnädigst übersandten Glückwünsche zum
heutigen Feste, seinen unterthänigsten Dank.
Der Vorstand:
Baur.
Der weitere Verlauf der Nachmittagssitzung war zunächst der
Erledigung geschäftlicher Angelegenheiten gewidmet. Der Schrift-
führer Prof. Dr. Lampert trug den Rechenschaftsbericht des ab-
gelaufenen Vereinsjahres vor. Er genügt zunächst der angenehmen
Pflicht, allen denen zu danken, die auch im vergangenen Jahr die
Sammlung und die Bibliothek des Vereins durch ihre wertvollen
Zuwendungen bereichert haben und verliest die Namen der Geber.
(Die ausführlichen Zuwachsverzeichnisse für die Sammlung und die
Bibliothek finden sich im vorliegenden Jahresheft veröffentlicht.) Die
Vereinsbibliothek hat im vergangenen Jahr eine grössere Schenkung
erhalten aus dem Nachlass des verstorbenen Grafen Georg v. Scheler;
ausserdem hat der Verein durch Tauschverbindungen, deren Zahl
gegenwärtig 188 beträgt, eine weitere grosse Anzahl wissenschaft-
licher Publikationen erhalten, so dass im ganzen der Zuwachs
im vergangenen Jahre auf etwa 500 Bände zu veranschlagen ist.
Es ist, wie der Redner hervorhebt, dieser Besitzstand des Ver-
eins an Schriften, die oft auf den grössten Bibliotheken nicht zu
erhalten sind, den Mitgliedern des Vereins viel zu wenig bekannt.
Auf den Mitgliederstand des Vereins übergehend, erwähnt der Redner,
wie auch im vergangenen Jahre der Tod viele und schmerzliche
— XXV —
Lücken gerissen; so hat der Verein u. a. auch zwei Ausschuss-
mitgheder, Prof. C. W. v. Baur und Apotheker Reihlen, durch
den Tod verloren und beklagt in dem unerwartet rasch in jugend-
lichem Alter verstorbenen Grafen Georg v. Scheler den Verlust
eines der eifrigsten jüngeren Vereinsmitglieder. Wenn trotzdem in
diesem Jahre der Verein mit einem Mehr von Mitgliedern gegenüber
dem vorigen Jahre abschhesst, so verdanken wir dies dem Bestreben
der Mitglieder, neue Kräfte heranzuziehen. Das Jahresheft konnte
seines stattlichen ümfangs wegen in diesem Jahre erst später als
sonst zur Ausgabe gelangen und aus diesem Grunde war es auch
nicht möglich, den Rechnungsabschluss bis zum Jahrestag fertig-
zustellen. Auf Vorschlag des Redners wird dem Antrag des Aus-
schusses gemäss Dr. C. Beck ermächtigt, dem Schatzmeister Ent-
lastung zu erteilen.
Zuwaehs-Verzeiehnisse der Sammlungen des Vereins.
A. Zoologische Sammlung.
(Konservator: Prof. Dr. K. Lampert.)
Als Geschenke:
I. Säugetiere.
Ein Rehgeweih (,, Kümmerer") ; der Bock wurde erlegt Dezember 1884
bei Langenau, Distrikt Bollhardt, Abteilung Judenplätzle am
Hungerbrunnenthal.
Linke Stange fehlt samt Rosenstock, jedenfalls durch einen Kugel-
schuss abgeschossen ; rechte Stange nur noch in Form eines nach
innen gedrückten, knotigen und wulstigen Knopfes mit Rose vor-
handen, 4,5 cm hoch bei einem Durchmesser von 2,9 cm (ober-
halb der Rose gemessen). Diese Bildung dürfte folgendermassen
zu erklären sein: der Schuss, welcher die linke Stange mitnahm,
erfolgte wahrscheinlich im Januar 1884, als das Geweih noch
weich und im Bast war, so dass beim Sturz des Tieres die rechte
Stange kurz über der Rose abbrach und zugleich der Stummel
nach innen gedrückt wurde ; dieser Stummel wurde in normaler
Weise gefegt und getragen, was die schöne Bräunung desselben
beweist. Als der Bock im Dezember 1884 erlegt worden, hatten
zwar die anderen Böcke längst abgeworfen , aber auch bei dem
vorliegenden Stück scheint die Abstossung zu beginnen, wie eine
Einschnürung am rechten Rosenstock annehmen lässt; dass das
Abwerfen sich verzögerte, lässt sich aus der ca. ^U Jahr vorher
erfolgten Verwundung leicht erklären,
von Herrn Oberförster Bürger in Langenau;
Mus rattus L., Skelett, von Sersheim, OA. Vaihingen (1874 gefangen),
von Herrn Dr. Hopf in Plochingen.
~ XXVI —
II. Vögel.
Aquila chrysaetos Pall., Steinadler S, geschossen von Forstwächter Berner
November 1892 bei Eutingen, OA. Horb.
Es ist dies unseres Wissens aus neuerer Zeit der erste sichere
Nachweis des gelegentlichen Vorkommens des Steinadlers in
Württemberg. Die Sammlung des Vereins besitzt ein Exemplar
dieses Adlers angeblich aus der Gegend von Ulm , doch steht
diese Angabe nicht fest und fehlt auch jegliche Zeitangabe ; das
Stück stammt noch aus der Sammlung der K. Centralstelle, welche
1850 mit der Vereinssammlung verschmolzen wurde. Möglicher-
weise findet sich noch das eine oder andere Exemplar in Privat-
sammlungen besonders Oberschwabens. Der Steinadler zählt heute
zu den seltenen Irrgästen der Württemberger Vogelfauna; noch
im Anfang des Jahrhunderts erschien er nach den Angaben von
C. L. Landbeck (Systematische Aufzählung der Vögel Württem-
bergs 1834) zwar auch nur gelegentlich, aber entschieden häufiger,
und dass er in noch früherer Zeit der schwäbischen Vogelwelt
als ständiges Glied zugehörte, weist v. Tscherning in vorliegen-
dem Jahreshefte in einem grösseren Aufsatz nach,
von Herrn Graf Schenk v. Stauffenberg, erblicher Reichsrat der
Krone Bayern ;
Poäiceps cristatus Lath., Haubensteissfuss, Gelege mit 4 Eiern, Olzreuter
See, 9. Mai 1894,
von Herrn Oberförster Frank in Schussenried ;
Lanius minor Gm., grauer Würger, Eier, Pflugfelden bei Ludwigsburg,
von Herrn Prof. Rettich in Stuttgart;
Totanus fuscus Leist., dunkler Wasserläufer 6, Liebeisberg, OA. Calw,
15. Mai 1894.
Diese Art ist für Württemberg ein immerhin nicht häufiger
Zugvogel, der besonders auf dem Herbststrich gesehen wird. Bis-
her liegen Beobachtungen vor aus Oberschwaben und von Bodels-
hausen ; für den Schwarzwald ist sein Vorkommen neu. Die
Vereinssammlung besass bis jetzt ein Exemplar ($ juv.) vom
Schmiechener See (cf. Jahreshefte Bd. 48. 1892. p. 267),
von Herrn Hofrat Dr. Wurm in Teinach ;
Emheriza citrindla L., Goldammer, c? var. , Beihingen a. N., OA. Lud-
wigsburg, 24. Januar 1895.
Die Varietät ist charakterisiert durch Vorherrschen des Gelb.
Der Kopf ist einfarbig intensiv gelb ; besonders bemerkenswert
ist das Auftreten von Gelb an den Flügeln ; in beiden Flügeln
sind die Deckfedern und zwei, resp. drei Federn der Armschwingen
von gleicher Färbung wie bei dem Kanarienvogel: die Innen-
fahne ist weiss , die Aussenfahne gelb ; am rechten Flügel zeigt
auch eine Feder der Handschwinge diese Färbung. Rücken und
Schulter mit vereinzelten gelben Federn untermischt, Schwanz
normal,
von Herrn Lehrer Wilh. Mezger in Beihingen;
— XXVll —
ButiciUa tithys Bechst., Hausrotschwanz, Nest mit 2 Eiern, Stuttgart,
von Herrn Prof. Bernecker in Stuttgart ;
dasselbe. Verlassenes Nest mit 5 Eiern, Maisenhälden bei Möckmühl,
von Fräulein A. Fischer in Stuttgart ;
MotaciUa alba L., Bachstelze, Nest mit 3 Eiern, Stuttgart, Güterbahnhof,
21. Juni 1893,
von Herrn Präparator Jäger in Stuttgart;
Parus caudatus L., Schwanzmeise, Nest, Stuttgart,
von Herrn Tiermaler Friedr. Specht in Stuttgart.
III. Fische.
Coregonus fera Jdr. var. maxima Klz. , Kropf- oder Tiefefelchen (nicht
= Kilchen), 3 Stück, Bodensee,
Coregonus fera Jue. var. major Klz., Sandfelchen (Laichzeit 1. — 15. Nov.),
5 Stück und 1 Skelett, Bodensee,
Coregonus fera Jur. var. minor Klz., Weiss- oder Silberfelchen, Tiefe-
felchen (Laichzeit 15. — 30. Nov.), 5 Stück und 1 Skelett, Bodensee.
Es sind dies Originalexemplare , in deren Untersuchung Prof.
Dr. Klunzinger bei seinen Studien über die schwierige Artbegren-
zung des Sandfelchen zu der Aufstellung der oben genannten drei
Varietäten gelangt ist,
von Herrn Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart.
IV. Mollusken.
Eine Sammlung von Land- und Süsswassermollusken , 100 Species in
zahlreichen Exemplaren aus allen Gegenden Württembergs. Her-
vorzuheben sind Helix monodon F:ßR. von Denkendorf und drei
Varietäten von Helix pomafia L., nämlich var. turrita, var. sini-
strorsa, var. scalariformis,
von Herrn Assistent Dr. 0. Buchner in Stuttgart;
Sphaerium corneum Müll. , Planorhis marginatus Müll. , lAmnaea auri-
cularia Drp. , Bithyma teniacidata Müll. , Schmiech bei Ehingen,
Hdix pomatia L. var. Albino,
von Herrn Prof. S p o r e r in Ulm ;
Pupa arenacea Drp., Eselsburg im Brenzthal,
von Herrn Sanitätsrat Dr. Steudel in Stuttgart;
Pisiditim Foreli Cless., Bodensee, 25 m Tiefe,
„ demissum Cless., Bodensee, 28 — 50 m Tiefe, nebst weiteren
10 Arten Tiefsee-Mollusken aus anderen subalpinen Seen, als
Jubiläumsgabe gestiftet,
von Herrn Bahnverwalter Clessin in Ochsenfurt.
V. Bryozoen.
Cristatdla mucedo Cuv., Altwasser bei Ulm, Oktober 1894, neuer Fundort,
von den Herren Prof. Sporer und Prof. Dr. Lampert;
Fredericella siätana Gerv. , Aalkistensee bei Maulbronn, August 1894,
von den Herren Prof. Dr. Lampert, Dr. Vo sseler und H. Fischer.
- XXVIII —
VI. Arthropoden.
A. Insecta.
Apis melUfica L., Honigbiene. Waben mit vielen Entwickelungsstadien,
verschiedenen Pollensorten, Arbeiter-, Drohnen-, Königinzellen
(16 auf einem kleinen Wabenstück eng beieinander), Stuttgart,
von Herrn Kaufmann Leyrer in Stuttgart;
Xf/locopa violacea L., Imago, Puppe und das für die Sammlung neue
Nest aus einem Ast vom Apfelbaum, Stuttgart,
von Herrn Adolf Ber necker in Stuttgart ;
Xt/locopa violacea L., 2 St., Stuttgart,
von Herrn Oberreallehrer Friz in Untertürkheim;
ein grosses Ameisennest aus einer Schwarzpappel, Monrepos,
von Herrn Verwalter Kreuz in Monrepos;
Cerambyx heros Scop. in einem Frassstück (Eiche),
von Herrn K o h s e r in Stuttgart ;
Donacien vom Olzreuter See,
von Herrn Oberförster Frank in Schussenried ;
Donacien und deren Entwickelung (Puppe, Kokon, Käfer), Federsee,
von den Herren Prof. L a m p e r t und Graf v. S c h e 1 e r ;
Ichneumoniden in 8 Stück und ca. 4 Species und 1 Sirex; erstere
z. T. Parasiten aus einer Anzahl von
Cecidomyen aus Fichtenzapfen und Astgallen der Lärche, Stuttgart,
Coleopteren darunter: Parpuricenus Köhleri Fab. und 3 Lytta vesicatoria L.
(Heidenheim),
Dipteren aus Agrotis tritici L.,
Eier von Fieris napl L. und Psyche unicolor Hufn., neu für die Samm-
lung,
Lepidopteren ca. 50 Stück in 36 Arten, darunter 24 Mikros, ausserdem
als Jubiläumsgabe eine reizende Kollektion von 38 der kleinsten
Mikrolepidopteren in 14 Species in einem Kästchen von der
Grösse einer schwedischen Zündholzschachtel aufgestellt und be-
stimmt, vorwiegend aus Stuttgart,
von Herrn Sanitätsrat Dr. Steudel in Stuttgart;
Coleopteren aus dem Dachswald bei Heslach, Vaihingen a. F., Kolbach-
thal bei Liebenzell,
Rhynchoten, Dipteren, Larven, Puppen verschiedener Insekten, ebendaher,
jTac/wwa-Larven , 16 St., welche eine erwachsene Raupe von DeilepMla
elpenor L. total ausgefressen haben (Tübingen),
Phryganeenpuppen und Gehäuse ; solche von Glossosoma sp. einen Stein
ganz überdeckend, Kolbach bei Liebenzell,
Tenthredinen nebst Kokons, Stuttgart,
Oxypterum pallidum Leach mit Larve, neu für die Sammlung,
Procnistes coriaceus L. eine Arionta arhustorum L. mit kalkarmem Ge-
häuse verzehrend, Ernstmühl,
Eier von Gastrop. querciis L.,
von Herrn Dr. V o s s e 1 e r in Stuttgart ;
Hypocampa milhauseri F., Kokons,
— XXIX —
Boletöbia fuliginaria L., Kokons hängend,
von Herrn Xylograph Jäger in Stuttgart;
Cecidomya Poae Bosc, Gallen an Poa nemorae L.,
von Herrn Prof. Dr. Klunzinger in Stuttgart;
zahlreiche Lepidopteren (ca. 80 Stück in 50 Arten) , tadellose Exem-
plare, darunter eine eigenartige Aberration von Vayiessa antiopa L.,
ferner Kokons, Puppen, Schmetterlinge von Heterogenes limacodes
HUFN.,
Coleopteren 15 Stück in 9 Arten,
Orthopteren 5 Stück in 2 Arten, eine Lihellula,
von Herrn Kaufmann Bub eck in Stuttgart;
Argynnis Lathonia L., Aberration mit blassem linkem Vorder- und rech-
tem Hinterflügel,
von Herrn Schlossermeister Binder in Stuttgart;
Polyommatus virgaureae Ol. , Aberration mit blassem Fleck auf dem
rechten Vorder- und Hinterflügel, Böblinger Wald,
6 Lepidopteren,
von Herrn Postrevisor Käst in Stuttgart;
Coleopteren von der Alb,
Diptere von Neckarrems,
verschiedene Arthropoden , meist Insekten , an Klebhirse {Sefaria verti-
cillata P. Bauv.) angeklebt und so gestorben, Neckarweihingen,
Machilis, Hoheneck,
von Herrn H. Fischer in Stuttgart ;
eine sehr schöne Kollektion von ca. 80 Lepidopteren in über 50 Arten,
darunter Epinephele Janira L. S mit hellen Hinterflügeln, Würt-
temberg,
von Herrn Kaufmann Losch in Stuttgart;
14 Melitaeen und Argynnis, darunter eine Argynnis paphia L. mit
dunkeln nur wenig Zeichnung aufweisenden Flügeln. Diese inter-
essante Varietät zeigt auch auf der Unterseite abweichende Fär-
bung und ist erst nach genauer Betrachtung als zu der gen. Art
gehörig zu erkennen, Weissenau,
von Herrn Oberförster Probst in Kirchheim ;
Uydrophylus picetcs, ganz junge Larven dieses um Stuttgart seltenen
Wasserkäfers, Stuttgart beim Rosenstein,
von Herrn Oberlehrer Schlenker in Cannstatt;
verschiedene Lepidopteren,
von Herrn Verlagsbuchhändler Bleil in Stuttgart;
Coleopteren, Dipteren, 4 Arten in 5 Exemplaren, Wanzen,
von Herrn Oberreallehrer Rieb er in Ludwigsburg;
Cryptorhynchns Lapathi L., Frassstücke von Erlen mit Larven und Käfern
(verheerendes Auftreten),
von Herrn Kaufmann Herm. Ostertag in Stuttgart;
Cryptorhynchus Lapathi L., Frassstücke von Birken, unter denen dieser
Rüssler im vergangenen Jahre ebenfalls ungeheure Verwüstungen
anrichtete, Hürbel,
von Herrn Oberförster Schwendtner in Ochsenhausen;
— XXX -
Machilis sp., Stuttgart,
von Herrn Lehrer Lutz in Stuttgart;
Odonaten 15 Stück in 9 Arten, Orthopteren {Pachi/tilus) vom schwarzen
Grat,
von Herrn Assistent Kopp in Biberach;
Osnioderma eremita Scop., Stuttgart,
von Herrn Präparator Kerz in Stuttgart;
GryUus domesticus L., Stuttgart,
von Herrn Kustos E i c h 1 e r in Stuttgart.
B. Arachniden.
Verschiedene Araneen vom Dachswald bei Heslach und Ernstmühl bei
Calw,
von Herrn Dr. Vosseier in Stuttgart ;
Epeira diademata Cl.,
„ marmorea var. pyramidata Cl., Neckarweihingen,
Tegenaria sp., Stuttgart,
von Herrn H. Fischer iu Stuttgart;
Meta Merianae Scop., Vaihingen,
von Herrn Lehrer Stettner in Vaihingen :
ZiUa calopliylla und andere Spinnen,
von Herrn Lehrer Lutz in Stuttgart;
Epeira sp.,
von Herrn Präparator Kerz in Stuttgart.
C. Crustaceen.
Gammants, Äsellus, Nagold bei Liebenzell,
Niphargus, Tübingen,
von Herrn Dr. V o s s e 1 e r in Stuttgart ;
Copepoden {Oyclops, Diaptomus, CanfJiocamptus), darunter neu für Würt-
temberg :
Cyclops phalerahis Koch, Heidenheim,
„ vernalis Fisch., Cannstatt,
. „ oithonoides Sars., Aalkistensee bei Maulbronn,
von den Herren Prof. Dr. Lampert, H. Fischer und Dr. Vosseier
in Stuttgart.
0. Myriopoden.
Polydesmus sp., Welzheimer Wald,
von Herrn Dr. Vosseier in Stuttgart.
VII. Spongien.
Als Geschenke:
Ephydatia Mülleri Liebere., Brenz bei Heidenheim, 2. Sept. 1893. Sehr
grosse klumpenförmige Exemplare,
von Herrn Oberförster Holland in Heimerdingen;
Ephydatia fluviatüis L., Schreckensee, 7. Nov. 1894,
von Herrn Oberreallehrer Zoll er in Rottweil;
— XXXI —
Ephydatia fluviatüis L., Altwasser bei Ulm,
von Herrn Prof. S p o r e r in Ulm.
VIII. Mikrofauna.
Als Geschenke:
Aus Gewässern bei Denkendorf, Hirsau, Liebenzell, Hall und aus dem
Bodensee,
von Herrn Dr. Vosseier in Stuttgart ;
aus verschiedenen Gewässern bei Altshausen und aus dem Schreckensee:
zu 16 verschiedenen Malen, die sich auf 6 Monate verteilen, ge-
sammelt,
von Herrn Oberreallehrer Zoll er in Rottweil;
aus dem Olzreuter See, in drei verschiedenen Monaten gesammelt,
von Herrn Oberförster Frank in Schussenried ;
aus dem Obersee bei Kisslegg, Altwassern bei Ehingen a. D. und Ulm a. D.,
von Herrn Prof. S p o r e r in Ulm ;
aus Torfmooren bei Langenau,
von Herrn Oberförster Bürger in Langenau;
aus einer Anzahl von Gewässern in der Umgebung Stuttgarts,
von Herrn H. Fischer in Stuttgart.
B. Botanische Sammlung'.
(Konservator: Kustos J. Eichler.)
Als Geschenke:
Sisymbrium pannonicum Jacq. 1 Exemplar i. J. 1889 hinter dem Pro-
viantamt in Ulm gefunden ; seither nicht mehr beobachtet,
Silene dichotoma Ehrh. (in Südeuropa einheimisch). Auf einem Klee-
acker bei Langenau 1893. Diese Art wurde auch früher schon
von Her t er bei Hummertsried und vom Einsender i. J. 1890
an der Donaubastion bei Ulm gefunden, von wo sie jedoch wieder
verschwunden ist,
Aster parviflonis Nees, 1893 im Festungsgraben beim Stuttgarter Thor
in Ulm,
Sfenadis hellidiflora A. Be., Nersingen bei Ulm,
Centaurea soIsUtialis L., Friedrichsau bei Ulm,
Mimulus luteus L., 1892 ebenda,
Hierochloa odorata Whlbg., 1893 im Örlinger Thal bei Ulm,
von Herrn Reallehrer Haug in Ulm;
Anthemis tinctoria L., Ober-Haugstett, OA. Calw,
Collomia grandiflora Dougl., Teinach,
von Herrn Lehrer Hermann in Neu-Bulach ;
Arabis pauciflora Gakcke, am Tafelberg bei Althengstett, OA. Calw,
Beseda lutea L., am Otterbrunnerberg bei Hirsau,
Polypodium Dryopteris L., Hirsau,
Asplenium viride Hudson, Ober-Kollbach,
,, septentrionale Swaetz, Zavelstein,
von Herrn Oberförster Koch in Hirsau;
- XXXII —
Ärtemisia annua L., in Sibirien einheimisch ; wurde seit einigen Jahren
auf Schutt an der Donau in der Friedrichsau bei Ulm beobachtet,
Matricaria discoidea DC. , in Ostasien und Westamerika einheimisch;
wurde seit einigen Jahren an mehreren Stellen in und um Ulm,
besonders in der Nähe der Bahnhöfe beobachtet,
Carex teretiuscula Goobenough, im Arnegg-Ried bei Ulm,
von Herrn Prof. Mahl er in Ulm;
Corydcäis soUda Smith, aus dem Eutinger Thal, OA. Horb,
von Herrn Forstreferendär Probst in Horb ;
25 Arten Phanerogamen und Kryptogamen hauptsächlich vom Heuberg,
darunter :
Asperula tinctoria L., Wehingen-Böttingen,
Scorzonera huniüis L., Bubsheim-Gosheim,
Hieracium bupleuroides Gmelin, Beuron,
Salix licida Wahlenberg, Böttingen-Gosheim,
,, amlilgua Ehbhart, Deilingen,
;, aurita L., Frittlingen-Neufra,
„ purpurea X aurita, Frittlingen,
„ caprea X purpurea, Frittlingen-Neufra,
von Herrn Lehrer Scheuerle in Frittlingen;
Fraxinus excelsior var. monophylla Desfontaines, aus dem Kirrbachthal
zwischen Klein-Sachsenheim und Rechentshofen,
von Herrn Lehrer G. Stettner in Vaihingen a. E. ;
Bhizomorpha suhcorticalis Pebsoon,
von Herrn Forstrat Pfizenmayer in Blaubeuren;
1 Sammlung von Flechten aus dem Schwarzwald :
Cornictüaria aculeata ß coelocaula Flotow, Neu-Bulach,
Sphaerophorus coralloides Pebsoon, Wildbad,
Stida scrobiculata Scopoli, Neuweiler, OA. Calw,
„ Ptümonaria (L.) Schaeker, Breitenberg, OA. Calw,
Sticüna süvatica (L.) Ntlander, Bulach,
Peltigera venosa (L.) Hoffmann, Bulach,
IJmhilicaria pustulata Hoffmann, Bulach,
Aspicilia calcarea (L.) Koerbeb, auf Juniperus-Rinde , Bulach,
Baeomyces roseus Pebsoon, Bulach,
Synediöblastus flacddus (Ach.) Koebber, Bulach,
von Herrn Lehrer Jul. Hermann in Neu-Bulach;
1 Sammlung von 28 Arten Desmidia.ceen aus dem Ebnisee und von
Schwenningen a. N. in 30 mikroskopischen Präparaten, darunter 13
(durch Sperrdruck bezeichnete) für Württemberg neue Arten :
Hyalotheca dissüiens Be^bisson, Desmidium quadrangulatum
Ralfs, aus dem Ebnisee ; Penium Digitus ^^'eb., Schwenningen;
Penium lamellosum Br^ib. , Navicula BrSb. , margaritaceum BbSib.,
Closterium Lumüa Eheenbebg , striolatum Ehrb. , attenuatum
Ehrb. , didymotocum Corda , aus dem Ebnisee ; Gl. rostratum
Ehrb., Schwenningen; Pleurotaenium spec, Tetmemorus granulatus
Ralfs, Xanthidium cristaium Br^ib. , Euastrum oblongum
Ralfs , aus dem Ebnisee , die letzte auch von Schwenningen ;
- XXXIII -
EitastrumBideltaEAi.y^, «nsa^e^m Ralfs, verrucosumEnv.^., aus
dem Ebnisee; Micrasterias Crux melitensis Ehrb. , Schwenningen •
denUculata Bb^b., Ebnisee; rotata Ralfs, Ebnisee und Schwen-
ningen;pa2;.ZZz/era Ralfs, truncataB^t^., Ebnisee; Cosmarium
leaa^ÄZT Tli ^^^^"'"^""^ E^^^- ' Sehwenningen; ^^.as^.,,^
sp er sunt Ralfs, Ebnisee,
von Herrn Apotheker Sattler in Cannstatt.
C. Mineralogisch-Palaeontologische Sammlung.
(Konservator: Prof. Dr. Eb. Fr aas.)
Als Geschenke:
a) Mineralien:
Kalkspatdruse, Allmendingen,
. o. r ^^^ ^^^"^"^ ^^- ^- ^eube in Ulm;
4 Stufen ged. Silber aus der Grube Sophia bei Wittichen
von Frau Regierungsrat Kies er in Stuttgart;'
Arragonit- und Kalkspatdruse, Kleinsachsenheim
von Herrn Oberlehrer Fritz in Untertürkheim;
bj Gesteine:
Vervollständigung der Zusammenstellung angeschliffener erratischer Kiesel
12' Stück "^''' ''°'' Ravensburg (siehe vorigen Jahrgang S. XIV)
90 R u ^°" ^™ Kaufmann F. Kr aus s in Ravensburg;
20 Basalte und Basalttuffe der schwäbischen Alb
von Herrn Prof. Dr. E. Fr aas in Stuttgart.
c) Petrefakten:
24 Stück Ammonites Murchisonae, Braun- Jura, Gosheim
von Herrn Lehrer Scheuerle in Frittling'en;
■i Ammomtes radians, Lias, Wasseralfingen,
1 „ TJlmensis, Weiss-Jura, Bolheim
Balcosaurus maximi^ prachtvolles Kieferstück, Weiss-Jura, Heidenheim
Sphaerodus-ZB^xn^, Weiss-Jura, Schnaitheim "«nneim,
Maclimiosaurus sp., Weiss-Jura, Schnaitheim
grosse Suite verkieselter Korallen, Weiss-Jura, Nattheimer Forst
Ischodus avüa {CMmaera), Ober- und Unterkiefer, Weiss-Jura, Schnaiiheim
Pecten subspmosus, Weiss-Jura, Sontheim, ^cnnaitüeim,
von Herrn Oberförster Holland in Heimerdingen-
Zusammenstellung der miocänen Flora von Heggbach mit 4ö Species
ZJ-u' '''"^"' ^'' ^'"^S^"^^^ ^^ d«" Abbildungen und
Beschreibungen m unseren Jahresheften Jahrg. 1883 u 1884
Zusammenste lung der tertiären Haifischzähne und Cetaceenreste lus
der Meeresmolasse von Baltringen mit 35 Species und 200 Stück
^0° Herrn Pfarrer Dr. Probst in Essendorf;
IrocJiothenum cyamoides, Miocän, Steinheim
Leuciscns, Miocän, Steinheim, '
von Herrn Pharion in Steinheim am Aalb. •
Jahreshefts d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. '
— XXXIV —
Simosaurus (Wirbel), Muschelkalk, Vaihingen a. d. E.,
von Herrn Lehrer Stettner in Vaihingen a. d. Ü.;
Pentacrinus Sigmaringensis (Kelch), Weiss-Jura, Bachagel,
4 Ämmonites rumpens, Lias, Faxenfeld, i^ , • d v, i
50 oligocäne Schnecken mit 9 Species aus einer Juraspalte bei Bachagel,
von Herrn Lehrer Wagner in Sachsenhausen bei Giengen;
grosse Suite chilenischer Juraversteinerungen mit über 200 Stuck in
50 Species,
von Herrn Dr. W. Mörike in Freiburg i. Br.;
4 Strohüites Sigmaringensis, Tertiär, Engelswies,
2 Eyotherium Meissneri, Tertiär, Engelswies,
1 Diadema subangulare, Weiss-Jura, Nollhaus bei Sigmaringen,
1 Ämmonites planula, Weiss-Jura, Röthhard bei Wasseralfingen,
von Herrn Geh. Kommerzienrat F. A. Krupp m Essen;
Campylognathus ZitteU Plien., ein prachtvoll erhaltener neuer Flugsauner
aus dem Posidonienschiefer von Holzmaden, Original zu Palae-
ontographica Bd. 41, n tt r»
von Herrn Geh. Kommerzienrat F. A. Krupp in Essen und Herrn Dr.
F. Plieninger in München;
aathropht/llum reüculakm, Schilfsandstein, Stuttgart,
von Herrn Werkmeister Gaugier in Stuttgart;
6 Ammoniten aus dem russischen Jura von Moskau,
55 Fossile in 17 Species aus dem Krakauer Weiss-Jura , .„^^
Ichthyosaurus numismalis, Lias, Kirchheim, Original zu den Jahresh. l«y^,
Wurzelstock von Apiocrinus, Weiss-Jura, Sontheim a. Br.,
von Herrn Buchhändler E. Koch in Stuttgart;
Glyphaea n. sp., Weiss-Jura, Honau,
Ämmonites Schilleri, Weiss-Jura, Reutlinger Alb,
deltafalcatus, Braun-Jura, Eningen,
von Herrn Lehrer Zwiesel e in Reutlingen;
2 Nothosaurus-}i?i\sv}ivhe\, Muschelkalk, Crailsheim,
von Herrn Oberreallehrer Kutscher in Crailsheim;
Spiriferina fragüis, Muschelkalk, Fellenberg,
Ostrea muUicostata, Muschelkalk, Fellenberg,
Ämmonites Scipionianus, Lias, Ohmenhausen,
acanthicus (Riesenexemplar), Weiss-Jura, Münsingen,
Material der Ausgrabungen in der Charlottenhöhle bei Hurben, be-
stehend aus :
50 Skeletteilen von Ursus prisciis,
70 „ „ ;; spelaeus,
4 ,, ,, Felis spelaea,
3 ,, ,, Bos priscus,
6 ,, ,, Equus fossilis,
3 ^^ ,, Bhinoceros tichorhinus,
von Herrn Prof. Dr. E. Fr aas in Stuttgart;
4 Zähne und Kieferstücke von DaJcosaurus, Weiss-Jura, Schnaitheim,
1 Kieferstück von Sphaerodus, Weiss-Jura, Schnaitheim,
von Herrn Dr. Weinberg in Stuttgart;
— XXXV —
Ammonites acanthicus, Weiss-Jura, Allmendingen,
von Herrn Dr. G. Leube in Ulm;
Trigonia navis, Braun- Jura, Donzdorf,
Ammonites Hauffianus, Weiss-Jura, Kuchalp,
„ Strmichianns, Weiss-Jura, Bosler,
Nautilus aratus, Lias, Eislingen,
Asterias prisca, Braun-Jura, Donzdorf, Prachtstück und Original zu
Jahreshefte 1892,
von Herrn Dr. Wenz in Donzdorf;
Spiriferina fragilis, Muschelkalk, Braunsbach,
von Herrn Lehrer Botsch in Braunsbach bei Hall;
Mhinoceros tichorhinus (Unterkiefer), Löss, Waiblingen,
von Herrn Fabrikant Hess in Waiblingen ;
Ammonitenknollen aus Lias ö von Banz,
Ammonites ßexnosus mit Aptyclms von Solnhofen,
von Frau Regierungsrat K i e s e r in Stuttgart ;
Ammonites arenatus, Braun-Jura, Eningen,
„ amaltheus gigas (Riesenexemplar), Lias, Hechingen,
„ spiratisshnus (Riesenexemplar), Lias, Endingen,
von Herrn Pfarrer Gussmann in Eningen ;
Schädel von Hyhodus reticulatus (Unikum), Lias, Holzmaden,
von Herrn B. Hauff in Holzmaden;
£mifs Haslachensis, Tertiär, Haslach,
von Herrn Präsident v. S c h 1 i e r h o 1 z in Stuttgart ;
Suite kranker Ammoniten, Originale zu Leopoldina und zwar:
Ammonites natrix, Lias, Kirchheim,
„ longidomns, Lias, Gmünd,
;, amaltheus, Lias, Salach,
„ colubrinus, Weiss-Jura, Immendingen,
von Herrn Pfarrer Dr. Engel in Eislingen;
Helix pomatia, Neckarthailfingen, krank, Original,
von Herrn Lehrer Geyer in Neckarthailfingen;
Ammonites Parkinsoni coronatus, Braun-Jura, Beuren, Original zu Qüen-
stedt's Ammoniten Taf. 74 Fig. 24,
von Herrn Dr. C. Beck in Stuttgart ;
Latusastraea alveolaris, Weiss-Jura, Nattheim,
von Herrn Dr. Wölffing in Stuttgart;
Baianus tintinabulum, Tertiär, Dischingen,
von Herrn C. Hildenbrandt in Ohmenhausen ;
-Placodus gigas, Wellengebirge, Dornhan,
von Herrn Prof. Miller in Stuttgart ;
Peuce im Gyps, Asperg,
Trigonodus Sandhcrgeri, Muschelkalk, Markgröningen,
Myoplwria laevigata, Hoheneck,
von Herrn E. Schwarzkopf in Asperg;
Schädel von Nothosaurus Andriani, Muschelkalk von Crailsheim,
von Herrn Apotheker Blezinger in Crailsheim.
— XXXVl -
D. Die Vereinsbibliothek
hat folgenden von Kustos J. E i c h 1 e r verzeichneten Zuwachs erfahren :
a. Durch Geschenke:
Geognostische Specialkarte von Württemberg : Atlasblatt Freudenstadt,
revidiert 1893 von Dr. E. Fraas; Begleitworte dazu von Dr.
E. Fraas 1894.
Geognostische Frofilierung der Württembergischen Eisenbahnlinien :
VIII. Fraas, E. , Die Eisenbahnlinie von Reutlingen nach Mün-
singen. 1893.
Vom K. statistischen Landesamt.
Congres international de Zoologie. 2ieme Session ä Moscou 1892.
II. partie. Moscou 1893.
Congres internationaux d'Anthropologie et d'Archeologie prehistorique
et de Zoologie ä Moscou 1892: Materiaux reunis par le comite
d'organisation des congres concernant les expeditions scientifiques,
les excursions et les rapports sur les questions touchant les
congres. (2 Teile.) Moscou 1893.
Congres international de Zoologie.
Engel, Dr., Über kranke Ammonitenformen im schwäbischen Jura.
(Sep.-Abdr. aus Nova Acta der Kais. Leop.-Carol. Akad. d. Naturf.
Bd. 61.) Halle 1894.
Vom Herrn Verfasser.
Wi nslow, A., A preliminary report on the coal deposits of Missouri
Jefferson city 1891.
Nason, F. L. , A report on the iron ores of Missouri. Ebenda 1892.
Schweitzer, P. , A report on the mineral waters of Missouri.
Ebenda 1892.
Von Herrn Privatier Diefenbach, Stuttgart.
Tor ossi, Prof. G. B. , L'embrione del Boa constrictor. 1893.
Vom Herrn Verfasser.
„Aus der Heimat." Eine naturwissenschaftliche Zeitschrift. Organ des
Lehrervereins für Naturkunde. Herausgeg. von K. G. Lutz.
Jahrg. 2—6, 7. No. 1—3 (1889 — 1894).
Von Herrn Lehrer K. G. Lutz, Stuttgart.
Bronn, Klassen und Ordnungen des Thierreiches. 5. Bd. IL Abt.
(Gliederfüssler). Lief. 35—40; 6. Bd. V.Abt. (Säugethiere). Lief.
40—41.
Leuckart, R. , Die Parasiten des Menschen. Bd. I. Lief. 5 (1894).
Von der Winter 'sehen Verlagsbuchhandlung, Leipzig.
Heck, Dr. Karl, Die Hagelstatistik Württembergs nach amtlichen
Quellen bearbeitet. Kirchheim 1889.
— Die Hagelverhältnisse Württembergs von 1828 — 1890.
Vom Herrn Verfasser.
Uli mann, Dr. Martin, Kalk und Mergel: Anleitung für den praktischen
Landwirt zur Hebung der Bodenkultur durch Kalkdüngung.
Berlin 1893.
Von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft.
— XXXVII —
Brauns, Dr. R. , Mineralogie. (Sammlung Göschen Bd. IV.)
Von der G. J. Göschen ' sehen Verlagsbuchhandlung, Stuttgart.
Knüttel, S. , Bericht über die vulkanischen Ereignisse im engeren
Sinne während des Jahres 1892. (Sep.-Abdr.) Wien 1893.
Vom Herrn Verfasser.
Benckiser, Dr. A., Über das Vorkommen von indirekter Kernteilung
im Corpus luteum. (Sep.-Abdr.)
Blochmann, Dr. F., Über eine neue Haematococcus-Art. Heidel-
berg 1886. 8^
— Über die Entwickelung von Neritina fluviatilis Müll. Leipzig 1881.
Dalitzsch, M., Beiträge zur Kenntnis der Blattanatomie der Aroideen
Cassel 1886.
Mich eis on, Dr. P. , Zur Histologie der Vater-Pacinischen Körper-
chen. 1869.
Von Herrn Dr. Weinberg, Stuttgart.
Behrens, W. , Leitfaden der botanischen Mikroskopie. Braun-
schweig 1890.
Tabellen zum Gebrauch bei mikroskopischen Arbeiten. Ebenda 1887.
Böhm, A. und Oppel, A. , Taschenbuch der mikroskopischen Technik
München 1890.
Borggreve, Prof. Dr. B., Die Vogelschutzfrage. 1878.
Comte, M. A., Musee d'histoire naturelle. Paris 1854.
Duj ardin, M., Nouveau manuel complet de l'observateur au micro-
scope. Paris 1842.
V. Fischer, J. , Das Terrarium, seine Bepflanzung und Bevölkerung
Frankfurt a. M. 1884.
Graeffe, Dr. E. , Das Süsswasseraquarium. Hamburg 1881.
V. Kiese Wetter, H. und Reibisch, Th., Der Naturaliensammler.
Leipzig 1881. 8°.
Klasing, Otto, Das Buch der Sammlungen. 3. Aufl. Bielefeld und
Leipzig 1878.
Langer, Dr., Das Aquarium und seine Bewohner als Zimmer- und
Gartenschmuck. Berlin 1877.
Martin, Ph. L. , Die Praxis der Naturgeschichte. T. L Taxidermie;
T. II. Dermoplastik und Museologie. 2. Aufl. (Mit Atlas.) Weimar
1876—1881.
Naturwissenschaften, Die gesammten , bearbeitet von Dippel,
Gottlieb, Koppe, Lottner, Mädler, Masius, Moll, Nauck, Nögge-
rath, Quenstedt, v. Russdorf. 3 Bde. Essen 1857—1859.
Rossmässler, E. A. , Das Süsswasseraquarium. 4. Aufl. Leipzig 1880.
Tschudi, F. de, Des alpes. Berne 1859.
AI tum, Dr. B., Unsere Spechte und ihre forstliche Bedeutung.
Berlin 1878. ^
Blasius, J. H. , Naturgeschichte der Säugethiere Deutschlands und
der angrenzenden Länder von Mitteleuropa. Braunschweig 1857
Brehm's Thierleben, gr. Ausg. 2. Aufl. 10 Bde. Leipzig 1876 — 1884."
Die de rieh, Dr. F. , Die geographische Verbreitung der echten Raben
(Corvinae). Mit 3 Karten. 1889.
— XXXVlll -
V. Homeyer, E. F., Die Spechte und ihr Wert in forstlicher Be-
ziehung.'2. Aufl. Frankfurt a. M. 1879.
— Die Wanderungen der Vögel. Leipzig 1881
Kafka, Jos., Die Süsswasserbryozoen Böhmens. (Sep.-Abdr.) l^rag lö»/-
Koch'Fr., Die Schlangen Württembergs. Stuttgart 1862.
Marshall, Dr. W. , Die Spechte (Pici). Leipzig 1889.
— Die Tiefsee und ihr Leben. Leipzig 1888.
V Martens, K, Über die Molluskenfauna Württembergs. 18^^-
v' Martens G., Die Bänder der Hain- und Gartenschnecke. 18b5.
Ornithologische Gesellschaft, Allgemeine Deutsche, zu
Berlin. S. und XL Jahresbericht des Ausschusses für Beobachtungs-
stationen der Vögel Deutschlands. 1885/1886. , ^ / ,
Reichenow, Dr. A. , Systematisches Verzeichnis der Vögel Deutsch-
lands. , , , j
V. Riesenthal, 0., Die Raubvögel Deutschlands und des angrenzenden
Mitteleuropas. (Mit Atlas.) Cassel 1876.
— Die Kennzeichen unserer Raubvögel. 1886.
Calwer C. G., Käferbuch. 4. Aufl. Herausgeg. von Prof. Dr. G. Jager.
H of mann, Dr. 0., Über die Honigbiene. Regensburg 1888.
Möbius, Dr. K., Die Nester der geselligen Wespen. Hamburg ^1856.
Hoff mann Dr. J., Der Schmetterlingssammler. Stuttgart 1877.
Gutekunst, K., Botanik mit besonderer Berücksichtigung der wurttem-
bergischen Flora. Heilbronn 1874. t • • iq7o
Hallier, Ernst, Katechismus der allgemeinen Botanik. Leipzig 1879.
Hansen, Dr. A., Die Ernährung der Pflanzen. Leipzig 1885.
Henkel, Dr. J. B. und Hochstetter, W. , Synopsis der Nadel-
hölzer. Stuttgart 1865. „. ,, v i
V. Martens, G. und Kemmler, C. A., Flora von Württemberg und
Hohenzollern. 3. Aufl. Stuttgart 1882.
Klöbisch, R. L., Deutsche Waldbäume und ihre Physiognomie.
Leipzig 1857. , , , -nr ^A
Nördlinger, Anatomische Merkmale der wichtigsten deutschen Wald-
und Gartenholzarten. Stuttgart 1881.
Prantl, Dr. K., Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. Leipzig 1881.
Gutekunst, K., Geognosie und Mineralogie Württembergs, d. Aufl.
Heilbronn 1884.
Quenstedt, Fr. Aug., Klar und Wahr. Tübingen 18/2.
— Fünf Profiltafeln zu Muschelkalk, Keuper, Lias, Brauner und Weisser
Jura. Tübingen.
Berghaus' Physikalischer Atlas. 3. Ausg. Gotha 1892.
Geognostische Specialkarte von Württemberg: Begleitworte zu den
Blättern Gmünd, Stuttgart, Tübingen. ^ ,. . m
Bögner, J., Das Erdbeben und seine Erscheinungen. Frankfurt a. m.
1847.
Falb, Rudolf, Von den Umwälzungen im Weltall. Wien 1801.
Klein Dr. H. J., Allgemeine Witterungskunde. Leipzig 188-.
Lehmann, Paul, Die Erde und der Mond. Leipzig 1884
Mohn, H., Grundzüge der Meteorologie. 3. Aufl. Berlin 18öo.
— XXXIX —
Roscoe, H. E. und Schorl emm er , C, Kurzes Lehrbuch der Chemie.
7. Aufl. Braunschweig 1882.
Trappe, A., Schul-Physik. 9. Aufl. Breslau 1882.
Valentiner, Prof. Dr. W., Die Kometen und Meteore.
Nester und Eier der Vögel. 2. Aufl. Stuttgart 1865.
Von Herrn Generalmajor Graf S. v. Scheler, Stuttgart, aus
dem Nachlasse seines f Sohnes, des Grafen G. v. Scheler,
Wildbad.
Katalog der Ausstellung beim X. Deutschen Geographentag zu Stutt-
gart. 1893.
Regelmann, C, Abriss einer Geschichte der württembergischen Topo-
graphie und nähere Angaben über die Schickhart ' sehe Landes-
aufnahme Württembergs. Stuttgart 1893.
— Gewässer- und Höhenkarte des Königreichs Württemberg im Mass-
stab 1 : 600 000. Herausgeg. vom K. statist. Landesamt.
— Geognostische Übersichtskarte des Königreichs Württemberg im
Massstab 1 : 600 000. Herausgeg. vom K. statist. Landesamt.
Von Herrn Inspektor C. Regel mann, Stuttgart.
Blanchard, Dr. R., Courtes notices sur les Hirudinees. Paris 1892.
Vom Herrn Verfasser.
Schmidt, A., Die ewige Nacht und das ewige Licht. 1894.
Vom Herrn Verfasser.
Benecke, E. W. und B ü c k i n g , H. , Calceola sandalina im oberen
Breuschthal. 1893.
Von den Herren Verfassern.
Berger, E., Les plantes potageres et la culture maraichere. Paris 1893.
Dagiucourt, Annuaire geologique universel. Jahrg. II u. III. 1886
n. 1887.
Böhm, G. , Ein Beitrag zur Kenntnis der Kreide in den Venetianer
Alpen. Freiburg 1892.
Kilian, W., Le gisement tithonique de Fuente de los Frailes.
— Etudes paleontologiques sur les terrains secondaires et tertiaires
de l'Andalousie. Paris 1889.
Profile zu den Exkursionen der Deutschen geologischen Gesellschaft
im Anschluss an die Versammlung in Strassburg i. E. im August
1892. Strassburg 1892.
Von Herrn Verlagsbuchhändler E. Koch, Stuttgart.
Berichte über die 15. — 25. Versammlung des Oberrheinischen geo-
logischen Vereins. 1882—1892.
Vom Oberrheinischen geologischen Verein.
Verschiedene ältere Jahrgänge dieser Jahreshefte.
Von den Herren Mechanikus Lufft und Verlagsbuchhändler
E. Koch, Stuttgart, Prof. Holder, Rottweil, Freiherr
F. von Gaisberg-Schöckingen, Schöckingen.
b. Durch Kauf:
Stettiner entomologische Zeitung. Jahrg. 52 (1891). H. 1—3; Jahrg. 54
(1893).
— XL -
Andre, E., Species des Hymenopteres d'Europe etd'Algerie. Lief. 41 — 44.
Proceedings of the zoological society of London. 1891. p. II.
Annales de la societe entomologique de France. Jahrg. 1890 — 1893
u. 1894, 1.
Bibliotheca zoologica (Taschenberg). II, 9 — 11.
c. Durch Austausch unserer Jahres hefte.
(Der Verein stand während des Vereinsjahres mit 188 wissenschaftlichen Vereinen
und Akademien im Schriftenaustausch.)
American association for the advancement of science:
Proceedings of the 41 meeting held at Rochester. 1892.
Amiens. Societe Linneenue du nord de la France: Bulletins XL
No. 235 — 258, — Memoires. Vol. VIIL
Amsterdam. K. Akademie van wetenschappen : Jaarboek vor 1892.
— Verhandelingen (Natuurkunde). 1. sectie deel I. No. 1 — 8;
2. sectie deel I. No. 1 — 10, deel II. No. 1. — Verslagen der
Zittingen (Natuurkunde). Jaar 1892/93. — Verslagen en Mede-
delingen (Natuurkunde), 3 reeks deel IX.
Augsburg. Naturw. Verein für Schwaben und Neuburg: 31. Bericht
für 1894.
Badischer botanischer Verein (Freiburg): Mitteilungen. No. 51 — 109.
Baltimore. Johns Hopkins üniversity : Studies from the biological
laboratory. Vol. V, 2 — 4,
Bamberg. Naturforschender Verein: Berichte, Bd. 16.
Basel. Naturforschende Gesellschaft: Verhandl. Bd. IX, 3.
Bayerisches K. Oberbergamt (München) : Geognostische Jahreshefte.
5. Jahrg. 1892.
Belgique. Aeademie R. des sciences etc.: Bulletins. T. 22 — 24.
— Annuaires 58 u. 59.
Bengal. Asiatic society of Bengal (Calcutta) : Journal. Vol. 60 u.
61. — Proceedings. Jahrg. 1891 u. 1892.
Bergen 's Museum: Aarbog for 1892.
Berlin. K. Akademie der Wissenschaften: Mathemat. Abhandlungen
a. d. Jahre 1892. — Physikal. Abhandlungen a. d. Jahre 1892.
— Sitzungsberichte 1893.
— Entomologischer Verein : Berliner entomolog. Zeitschr. Bd. 38.
— K. preuss. geolog. Landesanstalt: Jahrbuch 1891 u. 1892.
— Gesellschaft naturforschender Freunde: Sitzungsber. Jahrg. 1892.
Bern. Naturforschende Gesellschaft: Mitteilungen a. d. Jahre 1892
u. 1893.
Bologna. R. Accad. d. science dell' Istituto di Bologna: Memorie.
Ser. 5. T. IL fasc, 1—4,
Bonn. Naturhistorischer Verein d. preuss. Rheinlande etc.: Verhand-
lungen. Jahrg, 50,
Bordeaux. Soc. des sciences physiques et naturelles: Memoires 4 ser,
T, I u. III, 1. — Observations pluviometriques 1891/92.
Boston. American Academy of arts and sciences : Memoirs. T. XII,
1. — Proceedings. T. XXVII.
— XLI -
Boston. Society of natural history : Memoirs. Vol. IV, 11. — Pro-
ceedings. Vol. XXVI, 1. — Occasional papers IV.
Braunschweig. Verein für Naturwissenschaft : Jahresbericht 7.
Bremen. Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen. Bd. XIII.
— Buchen au, Fr., Über Einheitlichkeit der botanischen Kunst-
ausdrücke und Abkürzungen. Bremen 1893. 8*^.
Brunn. Naturforschender Verein: Verhandlungen. Bd. 31. — Ber.
d. meteorolog. Komm. Bd. XI.
California. Academy of sciences (San Francisco): Memoirs. Vol. II, 3.
— Proceedings. Vol. III, 2. — Occasional papers III u. IV,
Cambridge. Museum of comparative zoology at Harvard College:
Annual report for 1892/93. — Bulletins Vol. XVI, 13, 14; XXIV,
4—7; XXV, 1 — 6. — Memoirs XIV, 3.
Canada. Canadian Institute (Toronto): Annual reports. No. 6 u. 7.
— Transactions. No. 6 u. 7.
— Geological and natural history survey (Ottawa). Annual report.
Vol. V, 1, 2. — Catalogue of the section I of the Museum. — Cata-
logue of a stratigraphical collection for the Columbian exposition.
— R. Society (Ottawa) : Proc. and Trans. Vol. X.
Cassel. Verein für Naturkunde: Bericht 39 für 1892/93.
Christiania. Archiv for Mathematik og Naturvidenskab. Bd. XVI.
— Norske Nordhavs Expedition. Bd. XXII. Zoologie.
Cincinnati. Soc. of nat. history: Journal. Vol. XV, 3, 4; XVI, 1 — 3.
Darmstadt. Verein für Erdkunde. Notizblatt. 4. F. H. 14.
Davenport. Academy of natural sciences: Proceedings. Vol. II, 2
u. V, 2.
Deutsche geologische Gesellschaft: Zeitschrift. Bd. 44. H. 4; Bd. 45.
H. 1—3.
Dijon. Acad. des sciences etc.: Memoirs. 4 ser. T. III.
Dorpat. Naturforscher-Gesellschaft: Sitzungsberichte. Bd. X, 1. —
Meteorolog. Beob. 1892.
Dresden. Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis: Sitzungsber. und
Abhandl. Jahrg. 1891, 2 Sem.; Jahrg. 1892, 2 Sem.
Dublin. Royal Dublin Society: Proceedings. Vol. VII, 5; VIII, 1, 2.
— Transactions. Vol. IV, 14; V, 1—4.
Edinburgh. R. Society: Proceedings. Vol. 19. — Transactions.
Vol. XXXVII, 1, 2.
France. Societe geologique (Paris): Bulletins. T. XX, 6 — 8; XXI,
1—7; XXII, 1 — 3. Comptes rendus. T. XXI, 12— 18; XXII, 1 — 12.
— Societe zoologique (Paris) : Bulletins. Vol. XVIII, 1 — 7.
Frankfurt a. M. Senckenbergische naturforschende Gesellschaft : Be-
richt von 1893. — Boettger, 0., Katalog der Reptiliensamm-
lung im Museum d. S. u. G. I. Teil.
Freiburg i. Br. Naturforschende Gesellschaft: Berichte. Bd. VII u. VIII.
Geneve. Soc. de physique et d'histoire naturelle: Memoires. T. XXXI, 2.
Genova. Museo civico di storia naturale: Annali. ser. 2. Vol. XIII.
Gi essen. Oberhessische Gesellschaft für Natur- und Heilkunde: Be-
richte. Bd. 29. ,
— XLII —
Glasgow. Natural history society: Proc. and Trans. Vol. III, 3.
Graubünden. Naturforschende Gesellschaft (Chur) : Jahresbericht.
Jahrg. 36.
Greifswald. Naturw. Verein von Neu- Vorpommern und Rügen: Mit-
teilungen, Jahrg. 25.
Halifax. Nova Scotian Institute of Science: Proc. and Trans. Vol. I, 2.
Halle. Verein für Erdkunde: Mitteilungen. Jahrg. 1893.
— Kais. Leopoldinisch-Carolinische Deutsche Akademie der Natur-
forscher: Leopoldina. Vol. XXIX, 5—24; XXX, 1—2, 5—10.
— Naturw. Verein für Sachsen und Thüringen : Zeitschrift für Natur-
wissenschaften. Bd. 65, H. 6 u. Bd. 66.
Hamburg. Naturw. Verein: Verhandlungen. 3. F. Bd. I.
— Wissenschaftliche Anstalten: Jahrbuch X mit Beiheft 1.
Hannover. Naturhistorischer Verein: Jahresberichte 42 u. 43.
Harlem. Societe hollandaise des sciences : Archives neerlandaises
des sciences exactes et naturelles. T. 27 u. 28, 1.
Helsingfors. Societas pro fauna et flora Fennica : Acta. Vol. V,
1—2; VIII. — Meddelanden. H. 17 u. 18.
Hermannstadt. Siebenbürgischer Verein für [Naturwissenschaften :
Verhandlungen und Mitteilungen. Jahrg. 42.
Italia. R. comitato geologico (Roma): Bollettino, anno XXIII.
— Societä entomologica (Firenze) : Bollettino, anno 25 trim. 2 — 4,
anno 26 trim. 1.
Königsberg. Physikalisch-ökonomische Gesellschaft : Schriften. Jahr-
gang 33.
Landshut. Botanischer Verein: 13, Bericht.
Lausanne. Societe Vaudoise des sciences naturelles: Bulletins. 111
— 114.
Leiden. Nederlandsche Dierkundige Vereeniging : Tijdschrift, Ser. 2.
Deel IV. Aflever. 1, 2.
Liege. Societe geologique de Belgique : Annales. T. XVIII, 3; XIX, 4;
XX, 1, 2.
Linz. Museum Francisco-Carolinum : Bericht 51.
— Verein für Naturkunde in Österreich ob Enns : Jahresbericht No, 21
u. 22.
London. Geological Society: Quarterly Journal. No. 195 — 198.
— Linnean Society: Journal, a) Botany. No. 202 — 204; b) Zoology.
No. 152—154.
— Zoological Society: Proceedings for 1893 u. 1894. H. 1. — Trans-
actions. Vol. XIII, 6—8.
Lund. Universitas Lundensis: Acta, T. 28 u. 29.
Luxemburg. Institut R. grand-ducal: Publications. T. 20 u, 22,
— Verein Luxemburger Naturfreunde „Fauna": Fauna. 1893. No, 4 — 6.
1894. No. 1—3.
Lyon. Academie des sciences: Memoires, a) classe des sciences. T. 30
u. 31 ; b) classe des lettres, T. 27 u, 28 ; c) sciences et lettres.
3 ser. T. 1.
— Museum d'histoire naturelle : Archives. T. V.
— XLIII —
Lyon. Societe d'agriculture : Annales. 6 ser. T. 2 — 5.
Magdeburg. Naturwissenschaftlicher Verein: Jahresbericht. Jahr-
gang 1892.
Marburg. Ges. zur Beförderung der gesamten Naturw. : Sitzungs-
berichte. 1891, 1892, 1893.
Mecklenburg. Verein der Freunde der Naturgeschichte (Rostockj :
Archiv. Jahrg. 46 u. 47. t xr ^ i
Mexico. Sociedad Mexicana de historia natural: La Naturaleza.
Moskau! Socike imperiale des naturalistes : Bulletins. 1893 u. 1894. 1-
Napoli R Accad. delle scienze fisiche e mat. : Atti. Ser 2. Vol. V.
— Rendiconti. Ser. 2. Vol. VII, 6-12; VIII, 1-5.
— Zoologische Station: Mitteilungen. X, 4; XI, 1, 2.
Nassauischer Verein für Naturkunde (Wiesbaden): Jahrbucher.
Jahrg. 46. . .
Nederlandsch Indie. Natuurkundige Vereeniging i. N. I. (Batavia):
Natuurkundige Tijdschrift. Deel LH.
NeuchäteL Societe des sciences naturelles: Bulletins. T. 17— -U.
New South Wales. Linnean Society of N. S. W. (Sydney): Pro-
ceedings. 2. Ser. Vol. VII u. VIII, 1.
— R. Society: Journals and Proceedings. Vol. 27.
New York Academy of sciences: Annais. Vol. VII, 1 — 5; VIII, 1 3.
— Transactions. Vol. XII.
New Zealand, Colonial Museum (Wellington): Annual report 27.
— N. Z. Institute (Wellington): Trans, and Proc. Vol. XXV.
Normandie. Societe Linneenne (Caen): Bulletins. Ser. 4. Vol. VI.
„Notarisia." Jahrg. 1893. No. 2, 3, 5, 6; Jahrg. 1894. No. 1 u. 2.
Nürnberg. Naturhist. Gesellschaft: Jahresber. u. Abh. Bd. X, 1.
Padova. Societä Veneto-Trentina di scienze naturale: Atti. Ser. 2.
Vol. I, 2. — Bulletino. Vol. V, 3, 4.
Philadelphia. Academy of natural sciences: Proceedings. Jahrg. 1892.
No. 3; Jahrg. 1893. No. 1 u. 2.
— American philosophical society: Proceedings. Vol. 31. No. 140 u.
141. — Transactions. Vol. 17. No. 3; Vol. 18. No. 1.
— Wagner Free Institute: Transactions. Vol. III, 2.
Pisa. Societa Toscana di scienze naturali: Atti, a) Memorie. Vol. 1-
^ 13- _ b) Processi verbali. Vol. 8 al fine u. Vol. 9.
Prag. Naturhist. Verein Lotos : „Lotos." N. F. Bd. 14.
Rheinpfalz. Naturw. Verein „Pollichia" (Dürkheim) : Mitteilungen.
No. 5 U. 6. TC! A Q
Roma. Accademia Pontificia dei nuovi Lincei: Atti. Jahrg. 46. No. 4—8.
— R. Accademia dei Lincei: Atti. Ser. 5. Rendiconti. Vol. II, 1. Fase. 8
—12; Vol. II, 2; Vol. III, 1. Fase. 1—4.
Santiago. Deutscher wissenschaftlicher Verein: Verhandlungen. Bd. 11,
5 6.
St. Gallische naturwissenschaftl. Gesellschaft: Bericht über 1891/92.
St. Petersburg. Comite geologique : Bulletins. Vol. XI, 5 — 10 u.
Suppl.; Vol. XII, 1, 2. — Memoires. Vol. IX, 2; X, 2; Xll, 2.
— XLIV —
St. Petersburg. Physikalisches Central-Observatorium : Repertorium
für Meteorologie. Bd. 16. — Annalen. Jahrg. 1892.
Schlesische Gesellschaft für vaterländische Kultur: Jahresbericht 70.
Schleswig-Holstein. Naturwissenschaftlicher Verein für Schleswig-
Holstein (Kiel): Schriften. Bd. X, 1.
Schweiz. Allgemeine Schweizer Gesellschaft für die gesamten Natur-
wissenschaften (Bern): Neue Denkschriften. Bd. 33. H. 1.
— Schweizerische botanische Gesellschaft (Zürich) : Berichte. H. 2 u. 4.
— Schweizerische naturforschende Gesellschaft (Bern) : Verhandlungen
der 76. Jahresversammlung. — Beiträge zur geologischen Karte der
Schweiz. Lief. VII. 2. Suppl. mit Blatt XI, 2. Ausg. ; Lief. XXI u. XXII.
— Schweizerische geologische Gesellschaft (Bern): Eclogae geologicae
Helvetiae. Vol. IV, 1.
— Schweizerische entomologische Gesellschaft: Mitteilungen. Vol. IX
1—3.
Steiermark. Naturw. Verein (Graz): Mitteilungen. Jahrg. 1892.
Stockholm. K. Svenska Vetenskaps Akademie: Handlingar. Bd. 22
—24. — Bihänge. Bd. 14—18. — Ofversigt. Jahrg. 46—50. —
Meteorolog. Jaktagelser. Bd. 27 — 31. — Lefnadsteckninger. Bd. III,
1- — Accessionskataloge der K. Schwedischen Bibliotheken. 1 — 7.
— Ährling, Linnee's Briefwechsel.
Stuttgarter ärztlicher Verein: Jahresbericht. Jahrg. 21.
Tokio. College of science, imperial university, Japan: Journal. Vol. V,
4; VI, 2, 3. — Calendar for 1892/93.
Torino. R. Accademia delle scienze : Atti. Vol. 28. No. 9 — 15; 29.
No. 1 — 10. — Osservazioni meteor. 1893.
Trieste. Societä Adriatica di scienze naturali: Bollettino. Vol. XV.
Tromsö Museum: Aarsberetning for 1890 u. 1891. — Aarshefter. Vol. 15.
Tübingen. K. Universitätsbibliothek: Universitätsschriften a. d. J.
1892/93 u. 11 Dissertationen der naturw. Fakultät.
Ungarische geologische Gesellschaft (Budapest): Földtani Közlöny.
Bd. XXIII, 9 — 12; Bd. XXIV, 1 — 5.
— K. geologische Anstalt: Jahresbericht für 1891. — Mitteilungen
a. d. Jahrb. Bd. X, 4, 5.
— Karpathen-Verein (Iglö) : Jahrbuch XX.
Upsala. Regia Societas scientiarum : Nova acta. Ser. 3. Vol. XV, 1.
Washington. Smithsonian Institution: Annual report of the board
of regents for 1890/91. — Annual report of the bureau of
Ethnology. No. 8 u. 9. — Bulletins of the U. S. National Museum.
No. 39 u. 40. — Proceedings of the U. S. National Museum.
Vol. XIV. — Smithsonian contributions to knowledge. No. 842.
— Smithsonian miscellaneous collections 664, 665, 843, 844.
Vol. 36. — Pilling, J. C: Bibliography of Chinookan languages.
— Id. : Bibliography of Salishan languages.
— U. S. Department of Agriculture : Bulletins. No. 3 u. 4. — N. American
Fauna No. 7.
— U. S. geological survey: Annual report. Vol. XI. — Bulletins. No.82— 86,
90—96. — Monographs. Vol. 17, 18, 20. — Mineral resources 1891.
— XLV —
Wernigerode. Naturwissenschaftlicher Verein des Harzes: Schriften.
Jahrg. VIII.
Westfälischer Provinzial-Verein für Wissenschaft und Kunst (Münster):
Jahresberichte 20, 21.
Wien. Kaiserl. Akademie der Wissenschaften, math.-naturw. Klasse:
Sitzungsberichte. Bd. 101: I, 7—10; II, 6—10; III, 6—10.
Bd. 102: I, 1—7; II, 1—7; III, 1—7. — Register. No. 13 zu
Bd. 97—100.
— K. K. geologische Reichsanstalt: Abhandlungen. Bd. VI, 2; XV,
4—6; XVII, 1—3. — Jahrbuch 42. No. 3, 4; 43. No. 1—4.
— Verhandlungen. 1893. No. 6—18; 1894. No. 1—4.
— K. K. naturhistorisches Hofmuseum: Annalen. VIII, 1 — 4; IX, 1.
— K. K. zoologisch-botanische Gesellschaft: Verhandlungen. Bd. 43.
— Verein zur Verbreitung naturw. Kenntnisse: Schriften. Bd. 32, 33.
Württemberg. K. statistisches Landesamt: Württ. Jahrbücher für
Statistik und Landeskunde. Jahrg. 1893. — Deutsches Meteorol.
Jahrbuch: Württemberg. Jahrg. 1892.
— Schwarzwaldverein (Stuttgart) : „Aus dem Schwarzwald." Jahrg. 1893.
No. 1 — 8. — Karten. No. I — V. — Näher, Panorama von der
Teufelsmühle bei Herrenalb.
Würzburg. Physikalisch-medizinische Gesellschaft: Sitzungsberichte.
Jahrg. 1892, 1893. — Verhandlungen. Bd. 26, 27.
Zürich. Naturforschende Gesellschaft: Vierteljahresschrift. Jahrg. 38,
39. No. 1. — Neujahrsblatt auf das Jahr 1894.
Der vom Kassier des Vereins, Buchhändler Ed. Koch, später
festgestellte und von Dr. C. Beck geprüfte
Rechiiungs-Abschluss
für das Vereinsjahr 1893/94 stellt sich folgendermassen :
Einnahmen:
Kassenbestand am 30. Juni 1893 124 M. 86 Pf.
Verkaufte Kapitalien nebst Kursgewinn 4680 „ 12 „
Zinsen aus den Kapitalien 807 „ 58 „
Mitgliederbeiträge 3615„ —
— ;• 9227 M. 56 Pf.
Ausgaben :
1. Vermehrung der Sammlung . 209 M. 84 Pf.
2. Buchdrucker- und Buchbinder-
kosten 7864 „ 48 „
3. Schreibmaterialien, Kopialien
etc 377 „ 81 „
4. Gehalte, Saalmiete, Inserate 524 „ 91 „
5. Zweigvereine und Erdbeben-
kommission 122 „ 56 „
6. Steuern und Bankierkosten . 58 „ 55 „
9158 „ 15 „
— XLVI —
Einnahmen 9227 M. 56 Pf.
Ausgaben 9158 „ 15 „
Es erscheint somit am Schlüsse des Rechnungsjahres
ein Kassenvorrat von — • 69 M. 41 Pf.
Vermögensberechnung.
Am 30. Juni 1893 betrugen die Kapitalien nach
dem Nennwert 21 214 M. 29 Pf.
hiervon verkauft 4 400 „ - „
15 814 M. 29 Pf.
Kassenvorrat des Rechners am 30. Juni 1893 . . 69 „ 41 „
15 883 M. 70 Pf.
das Vermögen des Vereins betrug am 30. Juni 1893 20 339 „ 15 „
dasselbe beträgt den 30. Juni 1894 15 883 „ 70 „
somit Abnahme gegen das Vorjahr
— ■• 4455 M. 45 Pf.
Aktien
Im Vereinsjahr 1893 — 94 war die Zahl der Mitglieder
681 mit .684
Hierzu die 61 neu eingetretenen Mitglieder, nämlich
die Herren:
Oestreicher, Realamtsverweser in Kirchheim u. T.
Lechler, Oberförster in Neuffen.
Fröhner, Oberförster in Göppingen.
Hölzle, A., Apotheker in Kirchheim u. T.
V. Alberti, Bergamtsreferendär in Freiberg i. S.
Zech, J., Hilfslehrer in Stuttgart.
Bub eck, Ad., Kaufmann in Stuttgart.
Jäger, Eugen, Xylograph in Stuttgart.
Käst, Christ., Postrevisor in Stuttgart.
Junker, Dr. in Urach.
Hauff, Bernhard in Holzmaden,
Köstlin, A. , Landwirtschaftsinspektor in Ulm.
Clausnitzer, Regierungsrat in Stuttgart.
Rümelin, Emil, Oberbürgermeister in Stuttgart.
N achtig al, Dr. med. in Stuttgart.
Reihlen, Herrn., Apotheker in Stuttgart.
Stähle, Karl, Fabrikant in Stuttgart.
E n t r e s s , Professor in Ludwigsburg.
S Chips, Kaspar, Vikar in Abtsgemünd,
Rauscher, F., Professor in Stuttgart.
Herzog Wilhelm von Urach, Durchlaucht.
Sieber, Eugen, Vikar in Esslingen.
Vaihinger, G., Reallehrer in Esslingen.
Herzog Albrecht von Württemberg, K. Hoheit.
— XLVIl —
Aktiea
Übertrag . . 684
Burckhardt, Paul, Architekt in Stuttgart.
Schweitzer, Gottlob, Werkmeister in Stuttgart.
Kost, Landwirtschaftsinspektor in Ravensburg.
V. Ditterich, Apotheker in Möhringen.
Reihlen, Max, Dr. med. in Stuttgart.
Dorn, Lieutenant im Inf.-Regt. Kaiser Friedrich in Stuttgart.
Fürst, Ed., Stud. rer. nat. in Tübingen.
Hesse, Dr., Assistent des zool. Instituts in Tübingen.
Sautermeister, Pfarrer in Schörzingen.
Nägele, Erwin, Verlagsbuchhändler in Stuttgart.
V. Pückler-Limburg, Felix, Graf in Stuttgart.
Kees, Karl, Kaufmann in Waldsee.
Hermann, Julius, Lehrer in Murr b. Marbach.
V. Plato, Freiherr, Oberjägermeister, Excellenz.
Adelmann von Adelmannsfelden, Gustav, Graf,
K. Kammerherr.
St eilt er, Kurt, Geheimer Justizrat in Stuttgart.
V. Wangenheim, Freiherr, Lieutenant in Stuttgart.
Meyer, Ludwig, Dr. in Stuttgart.
Gmelin, Bernhard, Dr. in Fratte b. Salerno.
Obermüller, Professor in Stuttgart.
Abt, Julius, Apotheker in Untertürkheim.
Stüber, Albert, Kaufmann in Stuttgart.
D istler, Dr. med. in Stuttgart.
Paulus, E., Dr., Oberstudienrat in Stuttgart.
Gross, B., Assistenzarzt in Schussenried.
Böckeier, Anton, Professorats-Verweser in Geislingen.
Schuler, Pfarrer in Ernsbach.
Roth, Karl, Ingenieur in Cannstatt.
Degen, Hauptmann z. D. in Leonberg.
Zell er, Oberamtsarzt in Ludwigsburg.
Bosch, Rob., Elektrotechniker in Stuttgart.
Hammer, Friedrich, Dr. med. in Stuttgart.
Offner, KoUaborator in Wildbad.
Schwarz, Albert, Bankier in Stuttgart.
Bauer, Stadtpfarrer in Neuhausen.
Zell er. Albert, Dr. Professor in Stuttgart.
Stuttgart, Katholischer Leseverein.
61
745
Hiervon ab die 29 ausgetretenen, und zwar die Herren:
Kieser, Regierungsrat in Stuttgart.
Wiedemann, Apotheker in Biberach.
Köstlin, Director in Heilbronn.
Schwenningen, Verschönerungsverein.
— XLVIII —
Aktien
Übertrag , , 745
Rödelheimer, Oberamtsarzt in Laupheim.
Höschele, Oberamtmann in Biberach.
Neuschier, Dr. med. in Stuttgart.
Jeggle, Apotheker in Geislingen.
El wert, Regierungsrat in Tübingen.
Fuchs, Gustav in Heilbronn.
Krau SS, Revieramtsassistent in Pfalzgrafenweiler.
Wendelstein, Oberförster in Kisslegg.
V. Watt er, Baurat in Stuttgart.
Knorr, Karl in Heilbronn.
Stalin, Eugen in Calw.
Bück, Dr. med. in Schussenried.
Tritschler, Forstrat in Kirchheim u. T.
Kretschmar, Apotheker in Ober-Kirchheira.
Hegelmaie r, Dr., Oberstabsarzt in Strassburg.
Schneider, Professor in Ellwangen.
Bauer, Moritz, Professor in Stuttgart.
König, Realamtskandidat in Tübingen.
Vollmer, Revieramtsassistent in Stuttgart.
Calw, Lehrerverein für Naturkunde.
Schabel, Stadtschultheiss in Buchau.
Veiel, Apotheker in Ravensburg.
Benz, Geh. Hofrat in Wildbald.
Kutter, Fabrikant in Höll.
Schlichter, Dr. in London 29
und die 17 gestorbenen Mitglieder:
Scheler, Georg, Graf, Revieramtsassistent in Wildbad.
Reihlen, Moritz, Apotheker in Stuttgart.
Schmidt, Ferd., Kommerzienrat in Stuttgart.
Springer, Chr., Kommerzienrat in Isny.
Steiner, Leop., Sanitätsrat in Stuttgart.
Bernhard, Professor in Hall.
Stotz, Albert, Kommerzienrat in Stuttgart.
Maier-Köstlin, Friedr., Kaufmann in Stuttgart.
Häberle, Wilh., Professor in Stuttgart.
Widmann, E., Kanzleirat in Stuttgart.
Rümelin, Herrn., Kaufmann in Stuttgart.
v. Baur, Professor in Stuttgart.
Blezinger, Kommerzienrat in Stuttgart.
vom Holtz, Max, Freiherr in Stuttgart.
Rühle, Dr. med. in Cannstatt.
Leutze, Oberamtstierarzt in Calw.
Bauer, Apotheker in Ravensburg 17
46
— XLIX —
nach deren Abzug die Mitgliederzahl am Ende des Rechnungsjahres
beträgt 696 mit 699 Aktien
gegenüber dem Vorjahre .... 681 ., 684 „
mithin mehr 15 Mitglieder mit 15 Aktien.
Es wird sodann zur
Wahl der Beamten
geschritten. Aus der Mitte der Versammlung werden als erster Vorstand
vorgeschlagen die Herren Bergratsdirektor Dr. v. Baur und Dr. Nies,
Professor an der Akademie Hohenheim ; der Schriftführer , welcher
provisorisch den Vorsitz übernimmt, lässt über beide Vorschläge durch
Abgabe von Stimmzetteln abstimmen ; die Zählung ergiebt für Prof.
Dr. Nies 42, für Direktor Dr. v. Baur 33 Stimmen. Prof. Dr. Nies
ergreift sodann das Wort, um die sehr bestimmte Erklärung abzugeben,
dass er von einer beabsichtigten Aufstellung seiner Person für die
Wahl des ersten Vorsitzenden nichts gewusst habe , und dass er die
auf ihn gefallene Wahl unbedingt ablehnen müsse. Der Schriftführer
stellt sodann, an Direktor Dr. v. Baur die Frage, ob nach Ablehnung von
Prof. Nies er bereit sei, die Wahl anzunehmen. Direktor v. Baur
erklärt sich bereit; da aus der Versammlung kein Widerspruch erhoben
wird, ist für das Vereinsjahr 1894/95 gewählt als
erster Vorstand
Bergratsdirektor Dr. v. Baur.
Auf Vorschlag aus der Versammlung wird durch Zuruf gewählt als
zweiter Vorstand
Professor Dr. Kurt Lamper t.
Von den statutengemäss ausscheidenden Ausschussmitgliedern
wurden sämtliche wiedergewählt ; an Stelle des verstorbenen Ausschuss-
mitgliedes Prof. C. W. V. Baur wurde Prof. Dr. Branco in Tübingen
in den Ausschuss berufen. Es setzt sich somit der Ausschuss folgender-
massen zusammen :
Neugewählte Hälfte (Ausschussmitglieder bis 24. Juni 1896):
Dr. F. Ammermüller von Stuttgart,
Prof. Dr. Branco von Tübingen,
Präsident v. Dorr er von Stuttgart,
Prof. Dr. Eimer von Tübingen,
Senatspräsident v. Hufnagel von Stuttgart,
Prof. Dr. A. Schmidt von Stuttgart,
Prof. Dr. S i g e 1 von Stuttgart.
Im Ausschuss bleiben zurück (Ausschussmitglieder bis
24. Juni 1895):
Bergratsdirektor Dr. v. Baur von Stuttgart,
Prof. Dr. Bronn er von Stuttgart,
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. (l
Prof. Dr. C. Hell von Stuttgart,
Prof. Dr. 0. Kirchner von Hohenheim,
Dr. Klinger von Stuttgart,
Prof. Dr. K. Lampert von Stuttgart,
Prof. Dr. Leuze von Stuttgart,
Sanitätsrat Dr. Steudel von Stuttgart.
Delegierter des oberschwäbischen Zweigvereins ist
Pfarrer Dr. Probst in Unteressendorf.
Vom Ausschuss wurden später gemäss § 14 und § 13 der Statuten
weitere Wahlen vorgenommen.
Zur Verstärkung des Ausschusses wurden wiederum gewählt die
Herren :
Kustos J. Eichler von Stuttgart,
Prof. Dr. Eberh. Fr aas von Stuttgart,
Buchhändler E. Koch von Stuttgart,
Prof. Dr. Nies von Hohenheim,
Prof. Dr. Ottmar Schmidt von Stuttgart.
Als Sekretäre wurden gewählt:
Prof. Dr. A. Schmidt,
Prof. Dr. Eberh. Fr aas.
Als Kassier:
Buchhändler E. Koch.
Als Bibliothekar:
Kustos J. Eichler.
Wahl des Versammlungsortes.
Für die Tagung der Generalversammlung im Jahre 1895 lag
eine Einladung nach Ravensburg vor, welche von den Anwesen-
den mit Dank angenommen wurde.
Zum Schluss dieser geschäftlichen Angelegenheiten machte
sodann Prof. Dr. Lampert die Mitteilung, dass am folgenden Tag
für den Vormittag der Besuch der Vereinssammlungen im K. Natura-
lienkabinet auf dem Programm stehe; zugleich lade Prof. Dr. C. Hell
zur Besichtigung des chemischen Laboratoriums der K. Technischen
Hochschule ein; als Vereinigungspunkt zum Frühschoppen sei der
Garten des Hotel Royal vorgesehen. Für Nachmittag sei eine geo-
logische Excursion nach Zuffenhausen mit Abfahrt um 2 Uhr geplant.
Nach Erledigung der geschäftlichen Mitteilungen wurden die
Vorträge wieder aufgenommen. Zuerst sprach
— LI —
Prof. Dr. L e u z e über : Die Mineralien des oberen
Keupers von Mittelbronn.
(Der Vortrag findet sich im Wortlaut im vorliegenden Jahres-
heft wiedergegeben.)
Als weiterer Redner sprach
Prof. Dr. Eberhard Fraas über: Die schwäbischen
Höhlen und ihre Bewohner.
Der Redner führte ungefähr Folgendes aus: Höhlen und Höhlen-
forschung bilden jederzeit ein Thema, das für den Laien wie für
den Gelehrten nahezu gleich grosses Interesse hat. Einerseits reizt
es die Phantasie, in das geheimnisvolle Dunkel einer Höhle und
damit gleichsam in das Innere des Berges einzudringen, die jung-
fräuliche Schönheit der Stalaktiten und sonstiger Naturgebilde zu
bewundern und eine, bisher dem menschlichen Auge' verborgene
"Welt aufzuschliessen ; anderseits bieten dem Forscher die Grabungen
in dem Untergrunde Gelegenheit, Studien über die Bewohner der
Höhlen aus längst vergangenen Zeiten zu machen. In Württemberg,
vor allem in dem Kalkgebirge der schwäbischen Alb giebt es Höhlen
die Hülle und Fülle, bald kleine Grotten, bald viele hundert Meter
lange offene Klüfte und Spalten ; ein grosser Teil dieser Höhlen
ist wissenschaftlich untersucht und die reiche Ausbeute an Knochen
und Zähnen bildet eine Zierde unserer vaterländischen Sammlung.
Bei dem reichlichen Material, das untersucht worden ist, fällt es
nicht schwer, sich ein klares Bild der einstigen Höhlenbewohner zu
machen. Wir werden zurückversetzt in ferne Zeiten, lange vor
allen schriftlichen oder sonstigen historischen Beweisen des mensch-
lichen Daseins, in eine Zeit, die sich durch Klima und Tierwelt
so weit von der jetzigen unterscheidet, dass wir sie als eine andere
geologische Periode, das Diluvium oder die Eiszeit, bezeichnen.
Von den Höhen der Alpen her drangen damals die Gletscher durch
ganz Oberschwaben bis zur Donau vor, und dementsprechend mag
auch das Klima der Alb und des Unterlandes rauh und frostig ge-
wesen sein. Eine andere Tierwelt als heute bevölkerte die nordischen
Tundren und Steppen am Rande der oberschwäbischen Gletscher,
sowie die Wald-, Sumpf- und Wiesenlandschaften der Alb und des
Unterlandes. Die Ausgrabungen in den Höhlen lassen uns leicht
zwei Typen der Höhlenfauna unterscheiden. Höhlen, wie der Hohlen-
fels , die Charlottenhöhle , der Hohlenstein und die Erpfinger Höhle
waren Bärenschlupfe , in denen diese Raubtiere des Waldes fast
einzig und allein hausten ; sie wurden geboren , lebten und starben
d*
- LH ~
in den Höhlen, aber ihren Frass verzehrten sie ausserhalb der Höhle.
Die Folge davon ist, dass derartige Bärenhöhlen Hunderte, ja
Tausende von Bärenknochen aus allen Altersstadien, aber nahezu
keine anderen Tierreste enthalten. Ganz anders ist das -Material
aus den von Hyänen bewohnten Höhlen, deren beste Beispiele die
Ofnet im Ries und die Irpfelhöhle bei Giengen sind; hier finden
sich in buntem Gemenge, zusammen mit den Knochen der Hyänen,
die angenagten und zerbissenen Reste fast der ganzen damaligen
Tierwelt, denn die Hyäne hebte es, ihre Beute ins Innere der Höhle
zu schleppen, um sie dort in Ruhe zu zernagen. Dort finden wir
die Vertreter der Wald- und Weidefauna, den Auerochsen, Bison,
Hirsch, Wildschwein und Raubtiere, wie Bär, Wolf, und selbst Spuren
des Höhlenlöwen einerseits, Mammut, Nashorn, das wilde Pferd
und den Esel, das Rentier, den Riesenhirsch anderseits. Manche
Höhlen freihch, wie der Bockstein im Lonethal und das Heppenloch
bei Gutenberg stellen dem Forscher ausserordentliche Schwierigkeiten
entgegen, da sie nicht eine einheitUche, sondern eine sowohl den
Bewohnern wie den Zeitaltern nach gemischte Fauna beherbergen.
Wohl das grösste Interesse unter den Funden nehmen die Spuren
menschlicher Thätigkeit ein, die zum grössten Teil aus roh ge-
schlagenen Feuersteinsplittern bestehen. Diese wurden in nahezu
allen schwäbischen Höhlen, vermischt mit den Knochen diluvialer
Säugetiere, gefunden, so dass es keinem Zweifel mehr unterliegen
kann, dass der Mensch schon in die Zeit des Mammut und Nas-
horn zurückreicht, wo er im Kampf mit jenen gewaltigen Bewohnern
des Landes und im Besitz der denkbar unvollkommensten Waffen
ein mühevolles aber siegreiches Jägerleben führte.
Als letzter Redner hielt Pfarrer Dr. Engel einen Vortrag über:
Die Pseudoschmarotzer auf unseren Petrefakten.
(Der Vortrag findet sich im vorliegenden Heft abgedruckt.)
Die Reihe der Vorträge ist hiermit erschöpft. Der Vorsitzende,
Direktor Dr. v. Baur, spricht allen denen, die sich um die Fest-
feier verdient gemacht, den Dank des Vereins aus, insbesondere
dem Direktorium der K. Technischen Hochschule für Überlassung des
Saales, Herrn Hofgarteninspektor Ehmann für Dekoration desselben
und allen den Herren, die durch bereitwilhge Überlassung ihrer
Schätze sich am Zustandekommen der Ausstellung beteiligt haben.
Hierauf schloss der Vorsitzende die Festversammlung.
Nur kurze Zeit war noch bis zum Beginn des im Stadtgarten
stattfindenden Festessens, an welchem etwa 120 Personen teil-
— LIII —
nahmen. Den eisten Toast brachte der Vorstand, Direktor v. Baur,
auf Se. Majestät den König aus, indem er den Wunsch aus-
sprach, der Verein möge, in alle Zukunft wachsend und gedeihend,
sich der Huld des allerhöchsten Protektors stets wert machen. Be-
geistert klangen die Hochrufe auf Se. Majestät. Der II. Vorstand,
Prof. Dr. Lampert, gedachte pietätsvoll des um den Verein hoch-
verdienten langjährigen Vorstandes Direktor Dr. v. Kraus s und
liess den letzten Vorstand, Direktor Dr. v. Fraas, hochleben. In
humoristischen Worten feierte sodann Prof. Dr. Branco von Tü-
bingen die Damen, die Perlen des Lebens. Bürgerausschussmitglied
Prof. H. Cranz begrüsste den Verein als einziger anwesender Ver-
treter der bürgerlichen Kollegien zu seinem Feste. Mit besonderer
Freude wurde Pfarrer Dr. Engel als Redner begrüsst, der, altem
Brauche treu , die Anwesenden mit einem Gedicht erfreute , aus
welchem wir am Anfang unseres Berichts einige Zeilen citiert haben.
Den Schluss der Trinksprüche machte Prof. Dr. A. Schmidt mit
einem Toast auf Prof. Dr. Lampert und Buchhändler E. Koch,
denen manche Vorbereitung des Festes obgelegen. Prof. Dr. Lampert
brachte sodann noch einige, im Laufe des Nachmittags eingelaufene
Telegramme zur Verlesung, darunter auch einen Gruss der zu gleicher
Stunde in Freudenstadt tagenden Württembergischen Ärzteversamm-
lung, welcher sofort unter lebhafter Zustimmung ein telegraphischer
Gegengruss gesandt wurde. In gemütlichem Beisammensein ver-
brachte die Mehrzahl der Mitglieder den schönen Sommerabend unter
den Bäumen des Stadtgartens.
Am folgenden Tag, Samstag den 30. Juni, versammelten sich
die noch anwesenden auswärtigen Mitglieder und Festgäste vor-
mittags 9 Uhr im K. Naturalienkabinet zur Besichtigung der Samm-
lungen des Vereins. In den unteren Räumen mit der geologischen
Sammlung machte Prof. Dr. Eberhard Fraas den Führer, während
gleichzeitig Prof. Dr. Lampert die Gäste durch die zoologische
Abteilung in den oberen Sälen führte. Nach mehrstündigem Auf-
enthalt inmitten der grossartigen Schätze des Vereins und des Staats
wurde ein Frühstück im Garten des Hotel Royal eingenommen , an
welchem noch etwa 50 Gäste teilnahmen, welche sich auch an der
für den Nachmittag anberaumten geologischen Exkursion be-
teiligten. Um 1 Uhr 50 Min. erfolgte der Aufbruch nach Zuffen-
hausen. Trotz Sonnenbrand und Strassenstaub wurde kühn nach
dem interessanten Muschelkalksteinbruch der dortigen Ziegelei mar-
schiert, wo Prof. Dr. Fraas den geologischen Aufbau der Gegend
— LIV —
erläuterte. Insbesondere wies er auf die ausserordentlich starken
Verwerfungen der Schichten hin, welche hier zu sehen sind, die
zusammenhängen mit dem Einbruch der Schichten von Stuttgart
und der Filder gegenüber denjenigen des Schurwalds und des unteren
Neckarthals. Dem Studium dieser interessanten Verwerfungen galt
vor allem der Besuch des neu erstellten Richtstollens, der durch
das nordöstliche Ende des Burgholzes durchgetrieben ist und in
welchem die Schichtenverwerfung so stark zum Ausdruck kommt,
dass man buchstäbhch mit einem Schritte aus den Schichten des
Muschelkalkes in die des mittleren Keupers hinübertreten kann;
ein Profil, wie es nur selten in solcher Klarheit aufgeschlossen ist.
Auf der Trace der zukünftigen Bahnlinie der Entlastungsbahn führte
die Exkursion nach Münster weiter und von dort über die neue
Bahnbrücke, wo nochmals interessante Aufschlüsse über die An-
schwemmungen des Neckars zu beobachten waren, nach dem Kur-
saal in Cannstatt. Die Ankunft hier erfolgte um 5 Uhr. Nach
3 stündigem Marsche wurde in den schattigen Anlagen bei der guten
Musik der Kurkapelle eine lange Rast gehalten, die zugleich dem
Abschiede galt, welchen alte und neue Freunde von einander nahmen.
Mit besonderer Dankbarkeit und Verehrung geschah dies bei dem an-
wesenden, scheidenden bisherigen I. Vorstand, Direktor. Dr. v. Fraas.
Vorträge bei der Generalversammlung.
I.
Die Tierwelt Württembergs.
Eine zoogeographische Skizze.
Von Prof. Dr. Kurt Lampert.
Hochverehrte Festversammlung !
In § 5 der Statuten, die der Verein vor 50 Jahren bei seiner
Gründung sich gab, ist als eines der Hauptziele des Vereins an-
geführt: die Erforschung der vaterländischen Fauna. Mit welch
bedeutendem Erfolg der Verein an die Lösung dieser Aufgabe heran-
ging, zeigt Ihnen unsere Vereinssammlung; sie war das Lieblingskind
unseres langjährigen hochverdienten Vorstandes, Direktor Dr. v. Krauss,
der unermüdlich für ihre Ergänzung thätig war und überall im Verein
freundliche Unterstützung fand; auch in den „Jahresheften" spiegelt
sich diese zoologische Thätigkeit des Vereins in mannigfachen Publika-
tionen wieder. Wenn ich trotzdem ein scheinbar so vielfach be-
handeltes Thema, die Tierwelt Württembergs, zum Vortrag gewählt
habe, so trage ich einerseits hiermit einer mir persönlich besonders
sympathischen Richtung der Zoologie Rechnung, welche sich das
Studium der Verbreitung der Lebewelt und speciell die eingehende
Erforschung der Heimat zur Aufgabe stellt, anderseits leitet mich
der Gedanke, Ihnen zu zeigen, dass trotz öOjähriger Thätigkeit dem
Verein noch manche Arbeit auf diesem Gebiet aufbewahrt Wieb.
Die Zoogeographie begnügt sich nicht, die Tierwelt eines be-
stimmten Gebietes zu inventarisieren, einfach das Vorkommen der
einzelnen Arten zu konstatieren. Sie ist bestrebt, die Existenz-
bedingungen der Tiere, ihre Abhängigkeit von der umgebenden Natur
- LVI —
und unter sich zu erkennen, um hierbei einen Fingerzeig zur Er-
klärung des Vorkommens zu gewinnen; sie geht zurück in die Ver-
gangenheit, um mit ihrer Hilfe die Gegenwart zu verstehen ; in dem
bunten Mosaikbild, welches die Fauna eines jeden Landes heutzutage
bietet, prüft sie jedes einzelne Steinchen.
Zahlreich sind die Faktoren, welche die Verbreitung der Tier-
welt bestimmen.
Der palaeontologische Befund liefert manch wertvollen Hinweis
für die Erklärung der Verbreitung der heutigen Fauna ; Wechsel des
Klimas und Veränderungen der Pflanzendecke haben Veränderungen
der Tierwelt zum Gefolge ; die Konfiguration des Bodens, der Wechsel
von Hügel und Flachland sind von nicht minderem Einfluss wie die
Natur der Gesteine ; Wasserarmut oder Wasserreichtum eines Ge-
biets verleihen diesem auch einen verschiedenen faunistischen Cha-
rakter; Flussthäler bilden die Strassen, längs deren naturgemäss die
Wanderung der Tierwelt sich vollzieht und breite Ströme können
ein unüberwindliches Verbreitungshindernis werden. Zu diesen in
der Natur selbst liegenden Einflüssen auf die Verbreitung der Tiere
gesellt sich der mächtige Einfluss, den der Mensch direkt und in-
direkt ausübt; was ihm von der heimischen Tierwelt feindlich ent-
gegentritt, sucht er zu vernichten, was ihm unter den freilebenden
Tieren Vorteil verschafft, fällt ihm ebenfalls zum Opfer. Ungleich
bedeutender aber sind die Veränderungen der Fauna, die er indirekt
verursacht; die Kultivierung eines Landes, die Verwandlung von
Wald in Feld, von Moor und Bruch in Kulturland, die Korrektion
der Flüsse, kurz, die ganze Kulturthätigkeit des Herrn der Erde, sie
schneidet aufs tiefste ein in die natürliche Verbreitung der Fauna.
Viel wirkt auf diese Weise zusammen , um das faunistische
Bild eines Landes als ein stetig v/echselndes erscheinen zu lassen.
Dem Laien fällt es wohl besonders auf, wenn einmal eine bisher
fremde Tierart urplötzlich , wie bei einer feindlichen Invasion , in
Scharen erscheint, um freilich fast stets wieder spurlos zu ver-
schwinden ; viel bedeutender aber sind die Veränderungen , die sich
allmähhch vollziehen, die im langsamen Wechsel der Zeit den fau-
nistischen Charakter eines Landes ganz wesentlich umzugestalten
vermögen.
Gerade Württemberg erscheint mir besonders geeignet für zoo-
geographische Studien. Das düstere Waldgebirge des Schwarzwalds,
dem Urgebirge und Buntsandstein zur Unterlage dienen, das Hoch-
plateau der Alb mit seinen waldgeschmückten, höhlen durchzogenen
— LVII —
Steilabhängen, das unter intensiver Kultur stehende Unterland, und
endlich Oberschwaben mit seiner eigenartigen, dem Besucher nur
langsam, dann aber mit Macht sich erschliessenden Schönheit, wel-
ches die Erinnerung jener gewaltigen als Eiszeit zusammengefassten
Vergletscherungen wachhält, sind wohl sicher vielfach als natürliche
zoogeographische Gebiete anzusehen und selbst die ausgesprochen
alpine Region sendet am schwarzen Grat bei Isny einen Ausläufer
herein. Dazu kommen die hydrographischen Verhältnisse ; zum Fluss-
gebiet der beiden grössten deutschen Ströme, des Rheins sowie der
Donau gehörig, hat Württemberg zugleich Antheil am grössten
deutschen See und besitzt im wasserreichen Oberschwaben eine Fülle
stehender Gewässer grösseren oder kleineren Umfangs.
Ich bin mir freilich wohl bewusst, dass ich meine Aufgabe,
Württembergs Tierwelt unter diesen Gesichtspunkten zu schildern,
nur sehr unvollkommen erfüllen kann; es kann sich nur um eine
Skizze handeln, um den Grundriss gleichsam eines später auszufüh-
renden Gebäudes, und ich fürchte, dass das Negative das Positive
überwiegt, denn allzu spärlich fliessen für Beantwortung mancher
Fragen die Quellen, und so gut im allgemeinen die heimische Tier-
welt durchforscht erscheint, so fehlen anderseits nicht grosse Lücken,
selbst in einzelnen Gruppen der Säugetiere, z. B. der Nager, In-
sektenfresser und Fledermäuse.
Wir wenden uns zunächst an die Schwesterwissenschaft, die
Palaeontologie , mit der Bitte um Aufschluss über die Tierwelt in
früherer Zeit. Ich kann mich hier kurz fassen; Collega Fraas wird
Ihnen in unserer heutigen Zusammenkunft ein Bild geben von der
Fauna des Landes zu jener Zeit, aus welcher uns das erste Auf-
treten des Menschen in Schwaben durch glückliche Funde beglaubigt
ist. Die charakteristischen Tiere jener Zeit sind verschwunden,
Höhlenbären und Hyänen ebenso wie Mammut, Rentier, Wildesel
und viele andere ; den Zoologen interessiert besonders die Frage, ob
nicht aus jenen mehrfachen Gletschervorstösson und ihren Zwischen-
perioden, die wir als Eiszeiten bezeichnen, die eine oder andere Art
der damaligen Tierwelt sich bis in die Jetztzeit gerettet hat. Die
Fauna Oberschwabens, wo allein in Württemberg eine solche Eiszeit
stattfand, müsste solche „Relikte" enthalten. Unter den heutigen
Säugetieren wenigstens sehen wir uns umsonst nach solchen Über-
bleibseln um, nur ein Schneehase, der sich 1853 aus seinem alpinen
Zufluchtsort nach Oberschwaben verirrt hat und bei Biberach erlegt
wurde, erinnert an die Glacialzeit, zu welcher diese Art einen
— LVIII —
charakteristischen Bestandteil der Fauna ausmachte. Viel eher und
mit einer gewissen Sicherheit dürfen wir erwarten, unter der niederen
Fauna des Wassers solche Relikte zu finden, denn in den vielen
Wasserbecken und manchem schwer zugänglichen Moor haben sich
bis heute Verhältnisse ähnhch denen am Ausgang der Eiszeit am
besten erhalten; unter den niederen Krebsen wird z. B. die schöne
durchsichtige Leptodora hyalina Llljb., die in den grösseren Wasser-
becken Oberschwabens nicht vergebens gesucht wird, von manchen
Seiten als Relikt betrachtet, striktere Beweise aber versprechen die
bis jetzt leider noch sehr vernachlässigten Würmer.
Die Erwähnung des Wasserreichtums Oberschwabens führt uns
zu einem kurzen Hinweis auf die Bedeutung der hydrographischen
Verhältnisse für die Fauna des Landes. Die Zugehörigkeit zu zwei
verschiedenen Strorasystemen bedingt a priori eine verschiedene
Fischfauna; so finden wir z. B. im Neckar, um nur einige Arten
hervorzuheben, den Aal, den Maifisch, das Flussneunauge, gelegent-
lich auch den Lachs, die der Donau wenigstens ursprünglich fehlen,
während wir als charakteristisch für letzteren Fluss u. a. den Rotfisch
oder Huchen, den Frauenfisch (Leuciscus virgo Heck.) und den Schill
oder Zander anführen können ; der grösste der schwäbischen Binnen-
seen , der Bodensee , ist ausgezeichnet durch das Vorkommen treft-
licher Salmoniden, die als Felchen bekannt sind, und mit einer Reihe
anderer oberschwäbischer Seen teilt er sich in den Besitz des auch
dem Donaugebiet zukommenden grössten deutschen Süsswasserfisches,
des Weller. Freilich haben die ursprünglichen Verhältnisse in der
Verbreitung der Fische durch die erfolgreichen Bestrebungen der
Fischereivereine vielfache Veränderungen erlitten und erinnere ich
hier nur an die Einsetzung des Aals in zahlreiche, zum Donaugebiet
gehörige Wasserläufe. Die vielen Wasserbecken Oberschwabens sind
zugleich die Ursache, dass wir hier vielen Sumpfvögeln und Wasser-
vögeln begegnen, die daselbst willkommene Nistgelegenheit finden.
Fragen wir bei der weiteren Beurteilung der natürlichen Verhält-
nisse Württembergs und ihrer Bedeutung für die Verbreitung der Tier-
welt zunächst nach der Rolle, welche den einzelnen geologischen For-
mationen zukommt, so werden wir am besten zum näheren Studium eine
Tierordnung heranziehen, die in möghchster Abhängigkeit vom Boden
lebt. Ganz von selbst bieten sich uns für diesen Fall die Schnecken an.
Für ihre Verbreitung erscheint die Natur des Untergrundes, auf dem sie
leben, wenn auch natürlich nicht als der einzige, aber doch als der
massgebendste Faktor und die geognostischen Grenzen des Landes
- LIX -
decken sich vielfach mit den Verbreitungsgrenzen der verschiedenen
Mollusken. Ich brauche hier nicht auf Einzelheiten einzugehen, sondern
kann mich kurz fassen und auf einen Hinweis beschränken, denn in
dem Jubiläumsband unserer „Jahreshefte" finden Sie speciell über
dieses Kapitel eine treffliche Arbeit von unserem eifrigen Mitglied,
Herrn Lehrer Geyer in Neckarthailfingen. Als charakteristisch für
den Einfluss der geologischen Verhältnisse auf die Verbreitung der
Mollusken erinnere ich nur an Schwarzvvald und Alb. Im feuchten
kühlen Schwarzwald, dessen Unterlage Urgebirge und Buntsandstein
bilden , finden sich besonders Formen , welche keine oder nur eine
dünne Schale besitzen, zu deren Aufbau sie daher nur wenig Kalk
benötigen ; die Alb dagegen ist ein wahres Eldorado für die schalen-
tragenden und dickschaligen Mollusken und die Abhängigkeit vom
Kalkgebirge geht so weit, dass wir viele Arten kennen, welche
„kalkstet" sind, d. h. nur auf Kalkgestein sich finden. Diese Vor-
liebe für bestimmte Formationen finden wir auch noch in anderen
Klassen des Tierreichs; so würde sicher ein genaues Studium der
bisher leider bei uns noch völlig vernachlässigten Spinnen auch in
dieser Beziehung manch interessantes Resultat gewähren.
Von den geologischen Verhältnissen des Landes vielfach ab-
hängig ist die Pflanzendecke desselben und welche Bedeutung diese
für die Verteilung der Tierwelt beansprucht, ist bekannt. Der Wald
beherbergt ebenso seine eigene Tierwelt , wie das offene Land mit
seinen Getreidefeldern und Wiesen; die dürftige Heide weist nicht
minder ihre charakteristischen Formen auf, wie die vegetationslosen
Felsenabhänge und Schutthalden. In vielen Fällen geht aber das
Abhängigkeitsverhältnis zwischen Fauna und Flora des Landes so
weit, dass die Verbreitung einer Tierart von dem Vorkommen einer
Pflanze abhängig ist, wie dies speciell von den Insekten gilt. So
findet sich die Raupe des Schwärmers Deilephila Hippopheiis nur
am Sanddorn {Hipjwphae rhamnoides L.) , welcher in Württemberg
nur im angeschwemmten Gebiet der Hier vorkommt und auch der
Schmetterling ist nur von dort bekannt.
Wenn wir die Urographie des Landes, seine Gliederung in
Flachland und Hügelland betrachten, werden wir uns zunächst der
Bedeutung erinnern, die die Verschiedenheit der Höhenlage für die
Verbreitung vieler Tiere beansprucht; gewaltig verschieden ist die
Alpen- — die Hochgebirgsfauna — von der Tierwelt, die ein paar
hundert Meter tiefer zu ihren Füssen lebt. In Württemberg freilich
treff'en wir nur an einem beschränkten Punkt, dem schon erwähnten
— LX —
schwarzen Grat bei Isny, Vertreter der wahren alpinen Fauna ; hier
finden wir den schwarzen Alpensalamander, das Tattermännchen der
Alpenbewohner (Salamandra atra Laur.) und von Insekten können
wir Argynnis Poles Schiff und Colias Phicomene Esp. als alpine
Formen nennen. Aber auch bei minder hohen Erhebungen macht
sich der Einfluss der Höhenlage geltend; wenn wir z. B. unseren
prächtigen Apollo auf die Berge der Alb beschränkt sehen, so dürfen
wir annehmen , dass er gleich seinen Verwandten , die sämtlich als
subalpin bezeichnet werden können, nur in dieser Höhe die er-
wünschten klimatischen Existenzbedingungen findet, denn die Futter-
pflanze seiner Raupe, das weisse Sedum, kommt ebenso wie auf der
Alb, auch im Unterland, überall, wo Muschelkalk ansteht, vor,
während der Schmetterling hier unbekannt ist.
Abgesehen von den Höhenunterschieden und den dadurch be-
dingten klimatischen Verschiedenheiten kommt die Geographie eines
Landes auch anderweitig für das Studium der Tierverbreitung ganz
wesentlich in Betracht; besonders ist es der Verlauf der Flussthäler,
die Richtung der Höhenzüge, die bei der Frage nach der Herkunft
einzelner Tierarten eine besondere Rolle spielen, wobei natürlich
zugleich die sonstige Verbreitung der betreffenden Arten zu berück-
sichtigen ist. Auch hierfür werden wir als Beispiel am besten eine
Gruppe herausgreifen, die in bedeutendem Mass vom Boden abhängig
ist, die sich einer möglichst geringen Beachtung durch den Menschen
erfreut, so dass durch ihn ihre Verbreitung nicht beeinflusst wird
und die zugleich durch geringe Artenzahl die Untersuchung erleichtert.
Eine solche Gruppe sind die Amphibien und wiederum beziehe ich
mich hier auf eine in den „Jahresheften" erschienene Arbeit, in
welcher Wolterstorff in eingehender Weise die Verbreitung von
Württembergs Amphibien erörtert hat.
Schwaben besitzt 13 Arten Amphibien: die beiden gewöhnlichen
Frösche, den Laubfrosch, drei Krötenarten, eine Unke, zwei Erd- und
vier Wassersalamander. Die beiden Frösche (Bana esculenta L. und
temporaria Aüt.), der Laubfrosch {Hyla viridis L.) und die gemeine
Kröte {Bufo vidgaris Laur.) sind sehr weit verbreitet und bieten
kein besonderes Interesse; letzteres kommt schon in höherem Grade
der Wechselkröte {Bufo variabilis Fall. = viridis Laur.) und der
Kreuzkröte (Bufo calamita Laur.) zu, die zwar beide in Württemberg
sich überall finden , von denen aber die erstere eine östliche , die
letztere eine westhche Form ist, die beide bei ihrer allmählichen
Ausbreitung in Deutschland auch hier zusammengestossen sind ; die
— LXI —
Unke Württembergs ist die in ganz Süddeutschland heimische gelb-
bauchige Unke (Bombinator pachypus Bonap.) , die im Flachland
Norddeutschlands durch eine verwandte rotbauchige Art ersetzt wird.
Das Verbreitungsgebiet der gelbbauchigen Unke erstreckt sich über
Holland, Belgien, Frankreich, Schweiz, Mittel- und Süddeutschland,
Italien, Dahnatien, Österreich-Ungarn, Böhmen. In Deutschland kommt
die gelbbauchige Unke nur in Hügel- und Bergland vor, weshalb
sie WoLTERSTORFF zweckmässig als Bergunke bezeichnet hat; sie
geht nördlich bis Thüringen und wird dann von der das ebene Land
bevorzugenden rotbauchigen Unke abgelöst. Für das Studium der
schwäbischen Frösche und Kröten von Interesse ist ferner, dass in
Württemberg drei sonst in Süddeutschland sich findende Arten fehlen,
nämlich der Moorfrosch {Rana arvalis Nils.) , die Knoblauchkröte
(Pelohates ftiscus Wagl.) und die Geburtshelferkröte [Alytes obstetri-
cans Wagl.). Der Moorfrosch ist eine östliche Form , die anderen
beiden kommen dem Westen zu. Der Moorfrosch geht westlich bis
zum Rhein und diesem Strom entlang ist er in südlicher Wanderung
bis nach Basel und zugleich Main und Pegnitz aufwärts bis Erlangen
und Würzburg vorgedrungen, in Württemberg jedoch fehlt er;
WoLTERSTORFF sieht hierfür, wie für das Fehlen der Knoblauchkröte,
die ebenfalls den Flüssen entlang bis Basel und Würzburg vor-
gedrungen ist, den Grund darin, dass die beiden Formen nach-
gewiesenermassen das Flachland bevorzugen und dass sie daher bei
einer etwaigen Einwanderung vom Rheinthal in das Neckarthal in
dem Hügelland des unteren Neckarlaufes die ihnen zusagenden
Existenzbedingungen nicht fanden. Auffallend ist dagegen das Fehlen
der Geburtshelferkröte in Württemberg, da sie auch hügeliges Land
bevorzugt ; sie kommt Portugal, Spanien, Frankreich, Norditalien und
der Schweiz zu, war in Deutschland bis vor wenigen Jahren nur
aus dem Rheingebiet nachgewiesen , ist jetzt aber auch aus dem
Thüringer Wald und dem Harz bekannt, welche Gegenden als ihre
östlichsten Verbreitungsgrenzen erscheinen. Die Annahme, dass diese
Kröte vielleicht doch noch bei uns entdeckt wird, liegt nach diesen
letzteren Funden nahe und ist um so weniger zurückzuweisen, als
eine ebenfalls westliche Form unter den Wassersalamandern, der
Schweizermolch, welcher die Vorliebe für Berg- und Hügelland mit
der Geburtshelferkröte teilt, in Württemberg nicht selten ist. Der
Schweizermolch {Triton helveticus Razoüm) ist beheimatet in Portugal,
Spanien, Frankreich, England, Schweiz und Belgien ; für Deutschland
ist er also ein westlicher Einwanderer, der „durch die Gebirgslücke
— LXII —
zwischen Jura und Vogesen ins Rheinthal gelangte" (Leydig) , und
sich von da weiter verbreitete ; als östlichste Punkte seines Vor-
kommens sind bis jetzt nachgewiesen die Algäuer Alpen, das Nord-
westende des Thüringer Waldes und der Harz. In Württemberg ist
dieser zierliche Wassersalamander an geeigneten Orten häufig.
Von den beiden Erdmolchen ist der gefleckte Salamander
{Salamandra maculosa Laür.) weit verbreitet; des Vorkommens des
alpinen schwarzen Salamander bei Isny wurde bereits gedacht.
Ich glaubte , gerade die Amphibien etwas ausführlicher be-
handeln zu dürfen , um an einem Beispiel die Art und Weise zoo-
geographischen Studiums zu erläutern, bei welchem unter Umständen
auch das Fehlen einzelner Arten in Erwägung zu ziehen ist. Um
eine Vollständigkeit zu erzielen, wäre es unsere Aufgabe, in gleicher
Weise auch in den übrigen Klassen und Ordnungen unsere heimische
Fauna zu analysiren , nach Ausscheidung der AUerweltsbürger die
östlichen, westlichen, südlichen, nördlichen Formen zu unterscheiden
und zu erforschen , auf welchem Weg sie wohl nach Württemberg
gelangt sind und wie sie sich innerhalb des Landes verbreiten ; es
wären hierbei zunächst alle diejenigen Tiere ausser acht zu lassen,
deren Verbreitung direkt oder indirekt mit dem Menschen zusammen-
hängt. Eine derartige eingehende Behandlung jedoch würde den
Rahmen eines Vortrages weit überschreiten ; sie mag vielleicht einer
späteren grösseren Publikation vorbehalten sein , an dieser Stelle
möchte ich nur noch das eine oder andere Beispiel aus anderen
Klassen herausgreifen.
Sie alle kennen aus der Ordnung der Nager unsere Ratte ; so
allgemein bekannt, gefürchtet und gehasst sie heute ist, so ist es
eine relativ erst kurze Zeit, seit sie, von Osten kommend, bei uns
eingedrungen ist. Genaue Angaben über ihr Erscheinen in Württem-
berg liegen mir bis jetzt nicht vor, aber wenn wir uns erinnern,
dass sie erst 1727 die Wolga überschwimmend in Europa eingerückt
ist, um sich von da allerdings rasch nach Westen zu verbreiten,
dass sie aber erst seit Anfang des Jahrhunderts in der Schweiz
heimisch ist, so dürfte ihr Bürgerbrief für die schwäbische Fauna
wenig mehr als hundert Jahre alt sein. Überall, wo sie hinkam,
vertrieb sie ihre Verwandte, die Hausratte, und so sehen wir heute
auch in Württemberg die letztere fast vollständig verschwunden;
wenn es auch irrtümlich sein mag, sie bereits als völlig ausgerottet
anzunehmen, so ist sie heute sicher eine grosse Seltenheit geworden,
die nur noch an entlegeneren einzelnen Orten sich findet. Schon
— LXIII —
vor 50 Jahren war sie in Stuttgart so selten geworden, dass Krauss
sich viele Jahre vergebens bemühen konnte, eines Stückes habhaft
zu werden, bis in einer schönen Nacht in den fünfziger Jahren ein
stattliches Männchen der gesuchten Art in seinem Schlafzimmer
erschien, um sich selbst der Wissenschaft auszuliefern. Das in der
Vereinssaramlung aufbewahrte Tier ist eines der letzten aus Stutt-
gart bekannt gewordenen Exemplare.
Die Ordnung der Reptilien liefert für die spontane , ohne Zu-
thun des Menschen erfolgende Einwanderung einer Art ein treffendes
Beispiel in der Mauereidechse (Lacerta muralis Laür.), die, vom
Eheinthal kommend, sich in verschiedenen Flussthälern Schwabens
verbreitet hat ; wir kennen sie nicht nur aus Thälern, die unmittel-
bar in das Rheinthal einmünden, wie den Thälern des Neckars, der
Pfinz, der Alb, der Murg, der Einzig etc., sondern auch aus Seiten-
thälern dieser Flüsse, z. B. dem Jagstthal , dem Kocherthal, dem
Enzthal, den Thälern der Glems, der Wurm, der Nagold u. a., wo
sie überall, sich dem Verlauf des Thaies anschliessend, mehr oder
weniger weit flussaufwärts sich verbreitet hat.
Unter den Insekten sind es naturgemäss dem Menschen wider-
liche oder lästige Tiere , deren Erscheinen dem Menschen wenig
Freude macht und die deshalb in Bälde auffallen und beobachtet
w'erden, während vielleicht manch seltenes Insekt bereits viele Jahre
seinen Verbreitungsbezirk bis zu uns ausgedehnt haben kann, ehe
es einem kundigen Entomologen in die Hände fällt. Zu den Ein-
wanderern lästiger Sorte gehört die unangehme Abortsfliege, TeicJio-
mifza fusca Morcq., die, vom Westen her erscheinend, seit einer
Reihe von Jahren sich auch in Stuttgart heimisch gemacht hat.
Manches Beispiel für solche Einwanderungen aus älterer und
neuerer Zeit wäre noch anzuführen, wir wollen jedoch hier nur noch
der Tiere gedenken, die nur als Gäste unser Land besuchen, der
Zugvögel. Für sie bilden ebenfalls die Thäler die natürhchen Wander-
strassen, längs welcher sie ziehen, sei es, dass sie auf der Reise
nach dem wärmeren Süden ohne Rast oder nur mit kurzem Auf-
enthalt unser Land passieren, oder dass sie in diesem selbst die ge-
wünschten Winterquartiere finden. Auch diese Wandergäste stellen
einen wesentlichen Teil der heimischen Fauna dar, und die Zeit ihres
Kommens und Gehens, die Zahl, in welcher sie erscheinen, besondere
Abweichungen von den gewöhnlichen Verhältnissen, sind alles Momente,
auf welche der aufmerksame Beobachter der Tierwelt zu achten hat.
Neben diesen regelmässigen, zeitweiUgen Besuchern gelangen
— LXIV -
auch öfters der einheimischen Tierwelt fremde Arten zu uns, die
ein besonderes tiergeographisches Interesse beanspruchen, weil sie
zwar nicht regelmässig jedes Jahr erscheinen, aber doch von Zeit
zu Zeit und dann, wenigstens bei den Vögeln, stets in grösserer
Anzahl, so dass wir nicht von einem Zufall sprechen können. Haupt-
sächlich sind es Wintergäste, die ein strengerer Winter weiter als
sonst nach Süden treibt, und Ihnen allen ist hierfür der Bergfink
bekannt , der oft in grösserer Anzahl sich einstellt. In um-
gekehrter Weise führt ein warmer Sommer mit gewisser Regel-
mässigkeit der heimischen Fauna fremde Insekten zu, wie beispiels-
weise den südlichen Oleanderschwärmer und vor allen den Toten-
kopfschmetterling. Wiederholen sich, wie dies beim Bergfinken der
Fall ist, derartige Besuche öfter, so ist die Möglichkeit nicht aus-
geschlossen, dass hie und da ein Pärchen zurückbleibt und auf diese
Weise der Vogel sein Wohngebiet vergrössert.
Hier wäre auch der sogen. „Irrgäste" zu gedenken, Tiere,
welche durch einen eigenartigen Zufall (doch ist auch hier Ver-
schleppung durch die Menschen auszuschliessen) in ein ihnen völlig
fremdes Faunengebiet verschlagen werden. Vom zoogeographischen
Standpunkt aus sind sie im allgemeinen mehr als Kuriositäten zu
betrachten, wenngleich in einzelnen seltenen Fällen ihr Auftreten
beachtenswerte Winke zu liefern vermag. Auch für Württemberg
kann ich Ihnen einige eklatante Fälle von Irrgästen aufführen : so
trieb sich im Jahre 1859 im oberen Lauterthal etwa ein Vierteljahr
lang eine Gemse herum, bis sie am 22. September genannten Jahres
erlegt wurde. Von den Vögeln sind wohl die seltensten aus Württem-
berg bekannten Irrgäste ein Papageitaucher {Fratercula arctica Briss.),
der sich (1846) von seiner hochnordischen Heimat bis Thamm bei
Ludwigsburg verflogen hatte , und ein grauer Tauchersturmvogel
(Pufßnus Kuhlii Boie), welche Art im Mittelmeer heimisch ist und
von der ein Exemplar 1891 bei Stuttgart gefangen wurde. Wenn
wir noch des Fanges einer Wanderheuschrecke auf dem Bahnhof
in Ulm Erwähnung thun, so haben wir es auch bei diesem Insekt
glücklicherweise nur mit einem Irrgast zu thun.
Wir haben bisher nur diejenigen Faktoren der Verbreitung der
Tierwelt im Auge gehabt, die in der Natur des Landes selbst ge-
geben sind und einen der wichtigsten ausser acht gelassen : den
Menschen und seine Kulturthätigkeit. Direkt und indirekt, oft auch
ohne es zu wollen und zu wissen, spielt er eine bedeutsame Rolle
für die Tierwelt des Landes.
— LXV -
Der direkten Verfolgung durch den Menschen ist es zuzuschrei-
ben, dass die grösseren in Europa ursprünglich heimischen Raubtiere
heute aus ganz Deutschland fast gänzlich, aus Württemberg aber
vollständig verschwunden sind. Der Bär verschwindet bereits 1585
aus der schwäbischen Fauna, der letzte Wolf, der übrigens wohl
aus Lothringen herübergewechselt war, wurde 1847 bei Cleebronn
getötet, der letzte Luchs 1846 erlegt; von Raubvögeln ist der Stein-
adler aus Schwaben verschwunden ; auch Wildkatze und von den
Raubvögeln der Uhu vermögen sich nur noch in schwer zugänglichen
Zufluchtsorten zu halten und gehen ihrer sicheren Ausrottung ent-
gegen. Jagdtiere, besonders Hochwild und Rehwild, schützen nur
das Gesetz und die Regelung des Jagdwesens vor Vernichtung, oder
es ist ihr Vorkommen nur noch auf geschlossene Wildparke be-
schränkt ; letzteres gilt für Württemberg z. B. vom Schwarzwild,
welches des Wildschadens wegen vor mehreren Jahren abgeschossen
wurde und auf freier Wildbahn höchstens noch als Wechselwild, von
den Vogesen oder dem Spessart herkommend, angetroffen wird.
Weit tiefer aber als dieses direkte Vorgehen des Menschen
gegen einzelne Tierarten greifen die Veränderungen ein, welche die
Urbarmachung von Waldland oder auch nur die Verwandlung des
ursprünglichen Urwaldes in den Kulturforst, die Kultivierung öder
Strecken, die Gewinnung von Ackerland aus Moor und Bruch, die
rationelle Bewirtschaftung jeglichen Grund und Bodens, die sorg-
same Ausnützung jedes Fleckchens Landes mit sich bringen. Vor-
schriftsmässig durchforstete Wälder, schön geradlinig korrigierte
Flüsse sind unzweifelhaft nationalökonomische Errungenschaften, aber
für zahllose Tiere bedeuten sie die Vernichtung ihrer Existenzbedin-
gungen; sie wandern aus aus Gegenden, in denen ihnen die Kultur
kein Heim mehr gewährt; als „Kulturflüchter", wie Marshall's glück-
lich gewählter Ausdruck lautet, suchen sie neue Wohnplätze auf,
entfernt vom Einfiuss des Menschen, und vermögen sie solche nicht
mehr zu finden, so gehen sie zu Grunde, sie sterben aus. Für
Württemberg ist der Biber eines der bekanntesten Beispiele der
Kulturflüchter ; im Oberland war ihm reichlich Gelegenheit gegeben,
seine Kunstbauten aufzuführen, Städtenamen geben Zeugnis von seiner
weiten Verbreitung; bald aber war für ihn und seine umfangreichen
Ansiedelungen kein Platz mehr, direkte Verfolgung trug das ihrige bei
und mit der Mitte dieses Jahrhunderts ist der Biber aus der Fauna
Württembergs zu streichen. Aber auch noch unter unseren Augen
vollzieht sich die Zurückdrängung einer grossen Anzahl von Tieren.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 6
— LXVI —
Die "Vögel leiden besonders unter den veränderten Verhältnissen ; mit
der Vernichtung der Hecken an den Rainen, der Ausmerzung hohl
gewordener Bäume in den Wäldern ist vielen Vögeln, und leider
besonders den Insektenfressern, die Gelegenheit zum Nestbau ge-
nommen; Heckennister und Höhlenbrüter gehen immer mehr zurück,
wie Ihnen z. B. Nachtigall und Hohltaube zeigen.
Die Korrektion der Flüsse, die sich im Interesse der Ufer-
gebiete als dringend notwendig erweist, schädigt unleugbar in
hohem Masse den Fischbestand der Gewässer. Ruhige , pflanzen-
durchwachsene Buchten und Altwasser, wie sie jeder grössere Fluss
naturgemäss in seinem Laufe bildet, sind beliebte Laichplätze und
bieten der heranwachsenden jungen Brut einen gesicherten und
schützenden Aufenthaltsort, der ihr zugleich in seiner reichen Mikro-
fauna und -flora Nahrung in Überfluss liefert; der offene Fluss
dagegen, zwischen dessen scharfmarkierten Ufern die Wassermasse
oft in verheerender Gewalt dahinbraust, reisst Eier und junge Tiere
in seinem Lauf ins Verderben. Wir brauchen kaum noch an die Ver-
unreinigung der Gewässer durch Fabrikabläufe zu denken, um die
Überzeugung zu gewinnen, dass die Verminderung des Fischstandes
der Kulturthätigkeit des Menschen zuzuschreiben ist ; unter Aufwand
beträchtlicher Mittel ist man neuerdings in anerkennenswerter Weise
bestrebt, den Fischstand wieder zu heben und so den wider Willen
angerichteten Schaden wieder gut zu machen.
Aber der Mensch greift nicht nur störend, hemmend und
schädigend in die Verbreitung der Tierwelt ein, sondern für viele
Arten erweist sich seine Thätigkeit nützlich und fördernd. Der
Mensch ist der Schöpfer der modernen Fauna seines Wohnsitzes ;
sie schliesst sich zum Teil ihm direkt an und begleitet ihn , wie
z. B. Stubenfliege und Hausmaus auf seiner Wanderung rings um
den Erdball, oder sie findet wenigstens durch ihn ihre Existenz-
bedingungen. So ist , als Deutschland im Laufe der Jahrhunderte
durch menschliche Thätigkeit aus einem an Sümpfen reichen Wald-
land grösstenteils ein Acker- und Wiesenland wurde, an Stelle
einer an Waldtieren und Sumpfvögeln überreichen Fauna allmählich
in überwiegendem Masse eine Fauna des offenen Landes getreten.
Besonders von Vögeln sind im Laufe der Zeit hauptsächlich von
Osten her manche jetzt bei uns häufige Arten eingewandert, z. B.
Ammern und Lerchen, und als einen Beweis, dass diese Einwanderung
auch heute noch unter unseren Augen sich vollzieht, mag Ihnen
die Haubenlerche {Galerida cristata) gelten. Sie alle kennen das
- LXVII -
hübsche Vögelchen, das besonders vor einigen Jahren in den Strassen
der Stadt sehr häufig zu sehen war; aber neu ist Ihnen vielleicht,
dass dieser Vogel erst seit Anfang des Jahrhunderts in Deutschland
bekannt ist. Ursprünglich ein Bewohner der asiatischen Steppen,
ist er von. Osten her zu uns gekommen, und zwar nachgewiesener-
massen besonders den Landstrassen entlang gewandert, die, wie
Marshall richtig hervorhebt, in ihrem ausgesprochen öden Charakter
den Vogel an seine heimischen Steppen in China und der Mongolei
erinnern mögen. Das wenig scheue , durch seine sonderbare Kopf-
bedeckung auch dem gemeinen Mann auffallende Vögelchen erschien
zuerst als seltener, dann häufiger Wintervogel und ist jetzt über
weite Teile Deutschlands hin als Stand- und Brutvogel bekannt,
und Marshall irrt, wenn er in seinem schönen Vortrag „Deutsch-
lands Vogelwelt im Wechsel der Zeiten" die Vermutung ausspricht,
dass der Vogel südlich einer von Metz bis in die Leipziger Gegend
gezogenen Linie nistend nicht gefunden werde. Für Bayern ist die
allmähliche Verbreitung der Haubenlerche genau bekannt; 1814
brütete sie erstmals bei Nürnberg, 1850 bei Ansbach, 1854 erschien
sie bei Augsburg als seltener Wintergast, um 1873 zum ersten Male
daselbst zu brüten. Aus Württemberg liegen mir leider derartig
genaue Angaben nicht vor; G. v. Martens führt in seiner Schrift
„Württembergs Fauna" 1830 die Haubenlerche schon auf, ohne
irgendwelche Bemerkung beizufügen. Landbeck schreibt in seiner
„Systematischen Aufzählung der Vögel Württembergs" (1834) von
ihr, dass in der Gegend von Tübingen einige geschossen wurden
und dass sie bei Mössingen schon gebrütet hat, sonst aber ziemlich
selten sei. Sicher hat sie auch in Württemberg erst allmählich
sich weiterverbreitet, und es sind erst 14 Jahre, seit bei Stuttgart
zum ersten Male das Brüten eines Paares nachgewiesen wurde,
welches in einem Kleeacker an der Eugensplatte sein Nest ge-
baut hatte.
Ein noch näherliegendes Beispiel für die Verbreitung eines
Vogels im Anschluss an menschliche Kultur mag der Sperling sein ;
er ist der echte Vogel des Getreidebaues, erst allmählich ist er
auch in waldige Distrikte vorgedrungen; er folgt hier den Bahnen und
Strassen ; auf Bahnhöfen , wo viel Getreide verladen wird , vor den
grossen Dorfwirtshäusern , bei welchen reger Fuhrwerksverkehr
herrscht , da finden wir unsern Freund Spatz gewiss , selbst wenn
er sonst im Ort und in der Gegend seltener ist als sonstwo; die
Anhänghchkeit , die er dem Menschen gegenüber beweist, können
— LXVIII —
wir auch in nächster Nähe Stuttgarts sehen ; noch vor wenig Jahren
war der Sperhng auf der Gänsheide nicht häufig und heute bieten
Dutzenden seiner Art die neuentstandenen Häuser willkommene
Nistgelegenheit.
Für die Thatsache, dass auch manche Insekten erst in neuerer
Zeit bei uns eingewandert sind, bieten ein wenig erfreuliches Bei-
spiel Schnakenarten, ebenfalls Gäste aus dem Osten, welche, wie
mir mitgeteilt wird, erst seit einigen Decennien aus Ungarn nach
Schwaben gelangt sind und sich leider hier völlig heimisch fühlen.
Selbstverständlich ist, dass viele Tiere nicht aktiv wandern,
sondern passiv durch den Warentransport verschleppt werden.
Die sogenannten Schwaben {Periplaneta orientalis L.), die Bettwanze,
die Reblaus und anderes lästige und schädliche Ungeziefer verdanken
wir dem internationalen Verkehr in älterer und neuerer Zeit und
das neueste auf dem Verkehrsweg ebenfalls von Osten her zu uns
gelangte Insekt ist ein kleines braunes Käferchen, Niptus hololeucus
genannt, das Ihnen, verehrliche Anwesende, sicher während der
letzten Jahre in Ihren Wohnungen schon öfters aufgefallen ist.
Selbst Mollusken können auf diese Weise verschleppt werden; so
wurde vor einigen Jahren an Weinbergsmauern bei Stuttgart in der
Lage „Kriegsberg" die im Süden Europas beheimatete Schnecke
Clausilia itata v. Mart. gefunden, die jedenfalls mit der Einfuhr
italienischer Reben dahingelangt ist; mit der Ausrottung des Wein-
bergs, in dem sie sich fand, scheint sie wieder verschwunden. Eine
Muschel dagegen, die vielgenannte Dreissena polyniorpha Fall., die
ebenfalls mit Hilfe des Menschen nach Deutschland gelangt ist,
hat sich hier völlig heimisch gemacht. Eine Bewohnerin des Ka-
spischen und Schwarzen Meeres und aus Flüssen im vorigen Jahr-
hundert nur aus der Wolga bekannt, ist sie durch den Schiffsverkehr,
indem sie sich am Schiffe festsetzt, in alle grösseren Flüsse Deutsch-
lands gelangt, von wo sie auch in kleineren Flüssen und selbst
Seen sich verbreitet ; teils mag dies durch die erst vor kurzem ent-
deckte freischwimmende Larvenform geschehen, teils mittels passiver
Wanderung ohne menschliche Hilfe. So besitzt die Vereinssammlung
ein Exemplar einer Teichmuschel, auf welchem eine Gruppe Dreissena
aufsitzt. Dieser Fund stammt aus dem Hafenbassin in Heilbronn,
dem einzigen Platz, aus welchem in Württemberg bis jetzt diese
Miesmuschelart bekannt geworden ist.
Nicht selten auch führt der Mensch absichtlich in sein Wohn-
gebiet eine fremde Tierart ein , die sich dann daselbst heimisch
— LXIX -
macht. So ist anzunehmen, dass die Schnecke Helix aspersa Müll.
bei Überhngen am Bodensee von den Römern eingeführt wurde und
sich seit dieser Zeit daselbst erhalten hat, und wenn wir die in Nord-
europa heimische, im südlichen Deutschland aber fehlende grosse
Tellerschnecke {Planorbis corneus L.) heute an einigen Orten Württem-
bergs antreffen, so wissen wir in diesem Fall glücklicherweise sicher,
dass sie durch eifrige Konchyologen daselbst eingesetzt worden ist.
Der zoogeographischen Wissenschaft geschieht freilich durch solche
Acclimatisationsversuche ein geringer Dienst, denn wenn eine der-
artige „Faunenfälschung" nicht an richtiger Stelle bekannt gegeben
und hier festgelegt wird, so kann sie nur verwirrend und störend
wirken.
Durch die Vermittelung der Menschen gelangen auch manch-
mal Tiere zu uns, die sich aus weiter Ferne her verirren und die
wir den obenerwähnten Irrgästen an die Seite stellen können.
Campecheholz und andere tropische Nutzhölzer waren häufig schon
der Transportweg für Vogelspinnen, Tausendfüsse und selbst Schlangen
aus Südamerika , und erst unlängst erwies sich in Stuttgart ein
Klavier als eine Herberge lebender Termiten, Bei derartigen Fremd-
lingen ist natürlich eine Acclimatisation bei uns ausgeschlossen und
sie haben für das Studium der Tierverbreitung den gleichen Wert
wie ein entflogener Papagei.
Ich habe, hochverehrte Versammlung, unter Heranziehung von
Beispielen , welche der Tierwelt Schwabens entnommen sind , ver-
sucht, die Hauptmomente zu charakterisieren, die bei dem Studium
der Verbreitung der Tiere ins Auge zu fassen sind. Der Unvoll-
kommenheit meiner Ausführungen bin ich mir wohl bewusst, aber
vielleicht darf ich trotzdem hoffen, dass Sie aus denselben die Über-
zeugung gewonnen haben, wie wichtig und wertvoll es ist, auch
die scheinbar wohlbekannten Erscheinungen im Tierreich zu ver-
folgen und ständig im Auge zu behalten , denn keine Beobachtung
ist zu unbedeutend, wenn es gilt, ein richtiges und vollkommenes,
auch im Detail ausgeführtes Gesamtbild der uns umgebenden Tier-
welt in ihrer ständigen Bewegung zu erhalten.
- LXX -
IL
Die Kohlengrube von Mittelbronn.
Von Prof. Dr. Alfred Leuze in Stuttgart.
Quellen: v. Alberti, Beiträge zu einer Monographie des Bunt-
sandsteins u. s. w. S. 150; QuENSTEDT, Geolog. Ausflüge 1864, S. 122;
derselbe , Atlasblatt Gmünd S. 13, 21 ; Fräas, Nutzbare Mineralien
Württembergs S. 33; vom Verfasser, Der Markasit von Mittelbronn,
Bericht über die XXVII. Vers, des Oberrhein, geolog. Vereins zu
Landau am 29. März 1894.
Dem Nordfusse der schwäbischen Alb ist ein welliges Hügel-
land vorgelagert, das der Hauptsache nach dem Keuper angehört,
oben aber häufig noch eine jurassische Decke trägt. Früher mag
es dem Jura ganz angehört haben, nun aber, da der Steilrand der
schwäbischen Alb nach Süden zurückgewichen ist, blieben nur die
Keuperhügel und Ebenen, wie die Fildern, zurück, die oben noch
Liasbedeckung zeigen. Die Flüsse und Bäche haben tiefe Furchen
in diese Landschaft gezogen, so dass nur wenige grössere Ebenen
oder Plateaus übrig blieben, im übrigen aber schluchtenreiche Wald-
gebiete sich bildeten, die nun eben durch die grösseren Flussläufe
in einzelne Hügelzüge und Ebenen zerfallen ; so liegen jenseits des
Neckars der Schönbuch und die Fildern, jenseits der Fils der Schur-
wald , jenseits der Rems der Welzheimer Wald , jenseits der Jagst
die Liasrücken von Ellwangen und Ellenberg.
Mittelbronn, dessen Kohlengrube neuerdings wieder von
sich reden machte , hegt im Welzheimer Wald , einem waldreichen
Hügelland, das in einzelne „Höhen" zerfällt, d. h. langgezogene,
bald schmälere, bald breitere Bergrücken, die als Reste eines Ge-
birges oder einer Hochebene übrig blieben. Solche Höhen sind :
im Westen die Welzheimer Höhe (Welzheimer Wald im engeren
Sinne genannt), dann die Steinenberger , weiter die Linthaler und
im Osten die Fricken hofer Höhe, Letztere zeigt den Charakter
dieser Höhen ganz besonders deutlich : sie beginnt mit breiter Basis
nördlich von der Lein , zieht sich von Südosten nach Nordwesten
und endigt in dem schmalen Landrücken von Frickenhofen nur etwa
7 km südhch von Gaildorf. Nach allen Seiten entsendet sie Aus-
läufer, Vorsprünge, Landzungen, zwischen welchen steile Schluchten
eingeschnitten sind, da und dort verengt sie sich isthmisch, und so
namentlich bei Mittelbronn, von wo nach Osten unmittelbar aus den
— LXXl —
Knollenmergeln des alten Bergwerks der Veitenbach (nach Qüenstedt
„kleiner Wimbach") entspringt, der mit dem Wimbach vereinigt
zum Kocher fliesst ; nach der Westseite zu sammeln sich die Wasser
des Aimerbachs, der zur Roth fliesst, einem Zuflüsse der Lein. Auch
die Frickenhofer Höhe ist, wie die parallel ziehenden Bergrücken,
im Norden am höchsten (564 m nahe bei Rothaar), sie bietet daher
dort z. B. auf der Hohentann die herrlichste Albaussicht vom Nipf
bis zum Rossberg, und fällt gegen Süden (Tierhaupten 499, Göggin-
gen 493, Leinweiler 470 m). Man würde aber sehr irren, wenn
man deshalb die höheren Horizonte der Liasdecke im Norden suchen
wollte ; im Gegenteil, während bei Frickenhofen in einer Meereshöhe
von 555 m der Liassandstein von Alpha liegt, trefl'en wir bei Göggin-
gen mit 493 m die Numisnialis-Mergel und bei Leinweiler mit 470 m
den Amaltheenthon. Damit ist auch auf diesen Bergrücken das
Einfallen der Juraschichten von Norden nach Süden, genauer von
Nordwesten nach Südosten angedeutet.
Was nun dem Geologen und Mineralogen diese Frickenhofer
Höhe besonders interessant macht, das ist eben die genannte Kohlen-
grube, die nun schon seit 3 Jahrhunderten immer wieder zu ver-
geblichen Versuchen Anlass gab. Sie ist schon länger bekannt als
die Gaildorfer Lettenkohle, welche erst 1760 genannt wird^. Schon
im Jahr 1596 lässt Herzog Friedeich L bei Mittelbronn ein Bergwerk
eröfi'nen, um Kohlen für seine Schwefel- und Alaunhütte zu Fricken-
hofen zu gewinnen. Wahrscheinlich war es immer die gleiche Stelle,
die wir unten zu nennen haben werden, an der gegraben wurde,
wiewohl auch an der Strasse von Frickenhofen nach Mittelbronn
am Westabhang des Bergrückens solche Löcher sich vorfinden sollen.
Die Kohle soll gut gewesen sein, aber die Holzpreise standen damals
niedrig. Ausserdem kam der Herzog über das Bergregal mit den
dort begüterten Schenken von Limpurg in Streit, so dass er Welz-
heim, das sie von ihm zu Lehen hatten, und Schnaith mit bewaff-
neter Hand einnehmen liess. Der Herzog Hess das Bergwerk bald
wieder einstellen. Einen zweiten Versuch machte eine Gewerkschaft
1784, welche Kohlen, Schwefelkies und Achat förderte. Li den
Jahren 1832 bis 1834 gewann die chemische Fabrik von Ödendorf
Vitriol- und Schieferkohle für ihre Zwecke. Die neueren Nach-
grabungen wurden von Bürgern aus Mittelbronn selbst unternommen,
so 1855 bis 1858. Man stiess in geringer Tiefe auf ein reichhaltiges
' Qüenstedt, Begleitw. zu Atlasblatt Hall. S. 39.
— LXXII —
Nest, und die Kohle, welche nach Wasseralfingen und Königsbronn
geliefert wurde , soll den Unternehmern schönen Gewinn gebracht
haben. Es stellten sich aber schlagende Wetter ein und die Arbeiter
kamen mehrere Mal in Lebensgefahr. Den letzten Versuch machten
von Oktober 1891 bis Februar 1892 die Nachkommen eben jener
früheren Unternehmer, welche ihren Stammbaum auf einen sächsi-
schen Bergmann zurückführen und von diesem die Neigung zu
bergmännischen Unternehmungen geerbt zu haben scheinen, nämlich
die Strassenbauunternehmer Mangold. Von der Frickenhofer Höhe
biegt an der Stelle, wo Mittelbronn liegt, der Gebirgsrand in scharfem
Winkel nach Osten um und endigt draussen im „Hörnle". Eben
am Ursprung der dadurch gebildeten Bucht liegt die Stelle, an der
zuletzt gegraben wurde. Man trieb etwa 15 m unterhalb der Berges-
höhe einen Schacht 15 bis 18 m tief nieder und stiess dabei, wie
es scheint, auf den Rand eines schon ausgebeuteten Kohlennestes.
Um die Gase und das Wasser abzuleiten , wollte man unten am
Bergeshang einen Stollen ins Innere gegen den Schacht zu treiben,
dessen Ausführung aber nach 9 m an der Härte der Feuersteine
scheiterte. Ebenso wollte man vom Grund des Schachtes aus
Stollen treiben, um weitere Kohle zu suchen, stiess aber auf Feuer-
steinbrocken von 100 bis 150 cbdm Inhalt, welche den besten Werk-
zeugen widerstanden. Man förderte so bloss etwa 3000 kg Kohle,
welche von den Schmieden und Schlossern in der Nähe gern ge-
kauft wurden, weil sie eine bedeutende Hitze gaben. Da das Unter-
nehmen nur Schaden brachte, so nahm man die Verschalung und
die Spriessbalken wieder heraus, und infolgedessen ist der Schacht
wieder eingestürzt ^
Zu bedauern ist, dass auch diese neueren Bohrungen nicht
von bergmännisch geschulten Arbeitern ausgeführt wurden, es fehlt
daher auch ein genaues Profil der durchteuften Schichten, man
ist eben auf mangelhafte Angaben angewiesen , und daraus lassen
sich folgende Schlüsse ziehen. Einmal kann über die Zagehörigkeit
der Mittelbronner Kohle zum Keuper kein Zweifel bestehen. Den
Aufbau der Frickenhofer Höhe erkennt man am besten, wenn man,
von Gaildorf herkommend, die Höhe ersteigt. Bei Gaildorf und
Unterroth, wo die Roth mit dem Kocher sich vereinigt, stehen die
' Die genaueren Mitteilungen über dieses letzte Unternehmen verdanke
ich dem Herrn Held, Schullehrer in Mittelbrunn , und seinem Amtsvorgänger,
Herrn Keitel, jetzt in Stuttgart, sowie Herrn Oberinspektor Wundt; es sei
diesen Herren auch an dieser Stelle mein Dank ausgesprochen.
— LXXIII —
Gipsmergel an; bei dem Weiler Schönberg, wo der Aufstieg beginnt,
schneidet die Strasse in die bunten Mergel ein über dem Schilf-
sandstein, der hinten im Thal des Steigerbachs ansteht. Die Strasse
windet sich in herrlichem Tannenwald durch diese Mergel in die
Höhe zum Stubensandstein , auf dessen Höhe sie dann eben sich
fortsetzt. Vor Rothaar kommt noch ein Mal eine Steigung , und
dann schneidet die Strasse tief ein in mehligen obersten Stuben-
sandstein und trifft den Horizont der Knollenmergel unterhalb des
schon genannten Aussichtspunkts Hohentann. Diese Mergel sind in
der Regel stark verrutscht, schliessen aber feste Bänke von Sand-
stein ein. Oben bei der Hohen Tanne liegen auch Sandsteine, die
aber dem Lias a zugehören, nach dünnen Tafeln abgesondert, daher
vom Volk „Buchstein" genannt. Dieser Liassandstein ist an der
nördlichen Landzunge der Frickenhofer Höhe wenig mächtig, nimmt
aber gegen Süden immer mehr zu. Von dieser Stelle liegt Mittel-
bronn nur zwei starke Kilometer entfernt , so dass man dort auf
ähnliche Verhältnisse schliessen darf. Danach und nach den An-
gaben der Bohrleute ergäbe sich folgendes Profil von der Liasdecke
bis zur Sohle der unteren Kohle :
oben gelber bis gelblich -grauer Buchstein,
dazwischen oder darüber vielleicht dünne Flöze von Gry-
phitenkalk,
darunter dunkelblaue Mergel,
Grenze zwischen Lias und Keuper nicht zu erkennen,
feinkörnige Sandsteine in Bänken von 0,8 bis 1 m abgelagert,
oberes Kohlenlager 0,3 m mächtig: ein bituminöser Mergel-
schiefer mit Knollen von Schwefelkies, Bleiglanz, blauem und
schwarzem Hornstein,
10 bis 12 m Sandstein und Mergel,
Sandstein-Breccie mit Hornstein, worin Schwefelkies , Blei-
glanz, Zinkblende, Markasit, Gold, samt den Verwitterungs-
erzeugnissen dieser Erze,
unteres Kohlenlager bis zu 2 m mächtig, eine schwarze
Schieferkohle mit eingelagerter Glanzkohle.
Meistens wurden die Bohrungen nur an der Berglehne vor-
genommen, und keineswegs von der Hochfläche aus. Dadurch waren
sie bedeutend erleichtert, und daraus erklärt es sich, dass man 1855
in geringer Tiefe auf die Kohle stiess , obwohl damals das untere
Kohlenlager angebohrt wurde, was sich schon daraus ergiebt, dass
s
o
c
W)
o
— LXXIV —
man viele Kohlen fand. Auch die letzte Schürfung setzte unter-
halb der oberen Kohle an, und man traf folgende Schichten:
lehmiger Boden,
weiss -grauer Sandstein,
dunkelblaue Mergel mit Thonsteinen abwechselnd,
Kieselknollen mit Schwefelkies u. s. w.,
Kohlen.
Das wären also die Schichten zwischen der oberen und der
unteren Kohle.
Nach diesem Profil kann kein Zweifel übrig bleiben darüber,
dass die Kohle den Knollenmergeln angehört, sie liegt nicht im
Buchstein , der darüber liegt , aber auch nicht im Stubensandstein,
der am Bach unterhalb der Grube ansteht.
Von Versteinerungen findet sich oder fand sich nicht
viel, was zur sicheren Bestimmung des Horizontes hätte beitragen
können. In den Kohlen finden sich Abdrücke von Pflanzen, Fisch-
schuppen und Flossen, und aus den Sandsteinbänken fand sich der
Abdruck eines Peden (ob cloacinus?), das nicht wohl dem Buch-
stein entstammen kann, da dieser bei der letzten Grabung nicht
angeschnitten wurde. Die Knollenmergel des Keupers enthalten
ja auch sonst Spuren von Steinkohlen und haben auch an anderen
Orten zu Versuchen gereizt, so 1784 bei Tübingen, 1813 bei Hart-
hausen, 1814 beim Einsiedel, 1821 — 24 bei Spiegelberg. Es ist
aber nicht zu verkennen, dass sie bei Mittelbronn ganz anders be-
schaffen sind als z. B. bei Kaltenthal, es herrschen darin Sand-
steinbänke vor, und besonders charakteristisch ist die Ausscheidung
der Feuersteine und Hornsteine, die sich wieder zeigt am Bühl
zwischen Kohnhalden und Dexelhof\ ebenso am Kälberrain unter-
halb Waldstetten, wo der Berg heute noch „Feuersteinberg" heisst,
endlich nördUch von Wüstenroth ^ zusammen mit Knochen von
Zancloäon. Diese harten, unauflöslichen Quarze widerstehen der
Verwitterung, und man wird daher nicht fehl gehen, wenn man
solche „Kieselberge" im Osten von Gaildorf, im Westen von Oden-
dorf beim Weiler Spöck und bei Frankenberg als die Überreste
von ausgewaschenen Knollenmergeln erklärt.
Was nun die Kohlenlager betrifft, so sind es keine Flöze,
sondern Nester. Es scheint aber, dass das obere Lager eine grössere
' Vergl. Atlasblatt Hall. S. 32.
^ Atlasblatt Löwenstein.
— LXXV —
Ausdehnung hat als das untere , wenigstens wurde „das obere auf
mehrere hundert Fuss durch Versuchsbaue nachgewiesen, die untere
Kohle wurde bei einem 200 Fuss entfernten Versuchsschacht nicht
mehr getroffen" \ Indessen wurde die Mächtigkeit der oberen
Kohle nur im Betrag von einem Fuss gefunden, und wenn sie auch
mehrere hundert Fuss sich ausdehnen sollte , so darf man nicht
ausser acht lassen, dass der Bergrücken eben bei Mittelbronn sehr
schmal ist, somit ist dieses Lager durchaus nicht abbaufähig. Eher
könnte das vom unteren Lager gesagt werden, aber dasselbe wurde
bis jetzt bloss in einzelnen Nestern angestochen, daher ist es eben-
falls nicht abbauwürdig, denn es ist reine Glückssache, ob man
eben auf ein solches Nest stosst. Man findet nun zweierlei Arten
von Kohle: eine erdige mit glänzend schwarzem Striche, welche
mit heller Flamme brennt und stark russt, und eine schöne Glanz-
kohle, ebenfalls von glänzend schwarzem Striche, die in der Flamme
nur glüht, also mager ist. Aber die Kohle ist selten rein, nicht
nur zeigt sie häufig leichten Anflug von H a a r s a 1 z (Halotrichit) und
ist durchzogen von schmalen Adern von Schwerspat, sondern sie
enthält häufig sehr viel Schwefelkies, weswegen sie auch von
der Vitriolfabrik benützt werden konnte. Umgeben sind diese Kohlen-
nester von Brandschiefern, worin man die obengenannten
Pflanzenabdrücke, Fischschuppen, Flossenabdrücke findet. Manche
Höhlungen scheinen von Zähnen hervorgebracht zu sein; hübsch
sind kleine Knöchelchen, die sich an den Enden stark ausbreiten
und an welchen wohl Brustflossenstacheln eingelenkt waren, wie
sie QuENSTEDT von Acanthvdes aus den Steinkohlen von Lebach
abbildete
Von Interesse sind weiter die kieseligen Absonderungen,
die schon oben genannt wurden, sie sind kryptokrystallinisch, stehen
im allgemeinen in der Mitte zwischen Feuerstein und Hornstein,
streifen aber häufig an Jaspis, blauen Chalcedon, ja sogar Achat
hin. Es finden sich alle Farben: schwarz, grau, blau, rot, grün,
weiss — mit ihren verschiedenen Abtönungen. Am besten sieht
man diese, wenn man sich ganz feine Splitter und Scheiben ab-
schlägt, was leicht gelingt. Legt man dieselben in das Polarisations-
instrument, so hellen sie das verfinsterte Gesichtsfeld auf. Sieht
man durch diese dünnen Scheiben , so erscheinen sie häufig ge-
zeichnet wie Moosachat. Danach begreifen wir, dass um 1784 ein
' Beschreibung des Oberamts Gaildorf. 1852. S. 22.
- Handb. der Petrefaktenk. Taf. 18. 2 s.
— LXXVI —
Jahr oder darüber von diesem „Achat" gefördert wurde. Diese
Kiesel bilden nun eine förmliche Breccie mit Stücken bis zu 6 Centner
schwer, kein Wunder, wenn die nicht bergmännisch ausgerüsteten
Mittelbronner vor ihnen den Rückzug antraten. Zum Teil findet
man diese Kieselabsonderung auch körnig und aus der gleichen
Masse bestehend , wie die grossen Stücke und offenbar aus der
Zertrümmerung der grossen Stücke hervorgegangen. Diese Kiesel,
welche häufig schön marmoriert auftreten und in keiner Weise auf
frühere Holzsubstanz hinweisen , sind aber nun von besonderem
Interesse wegen ihres Einschlusses von Minerahen. Da findet man,
was ja zu erwarten ist, kleine Drusen mit wasserklaren Berg-
krystallen oder mit traubigem Chalcedon, Schnüre von Schwer-
spat und vor allem Erze: einmal geschwefelte Erze, wie Schwefelkies,
Markasit , Blende , Bleiglanz, weiter Gold ; dann von Verwitterungs-
produkten die Sulfate Schwerspat, Aluminit, Haarsalz, Coquimbit,
Misy und von Karbonaten Galmei.
Der Schwefelkies herrscht bei weitem vor und kann nicht
übersehen werden. Er findet sich in der Steinkohle, in den Kiesel-
knollen und auf Sand.stein, und ist so reich an Formen, wie sonst
nirgends mehr in Schwaben. Am häufigsten zeigt er den Kubooktaeder
0 . oüOoo mit glänzenden Würfelflächen bis zu 15 mm in der Achse,
so in der Kohle und auf den Kieselknollen. Dann den Pyritoeder
mit Würfel und Oktaeder — ö— . cjoOoo . 0, so auf einem dünnen
Sandsteinbänkchen. Das ist ein sicheres Vorkommen von Pyritoeder
in unseren Formationen; was man sonst darüber liest, beruht
meistens auf Verwechselung mit Kubooktaedern. Drittens sitzen
in Drusen des Feuersteins gar zierliche Oktaeder mit Abstumpfungen
durch den Pyritoeder lohne Zweifel ^p), ab und zu mit Würfel-
fläche. Was daran auffällt, ist die Einkerbung der Kante an allen
diesen Oktaedern. Man wäre fast versucht, darin Zwillinge des
Tetraeders zu sehen, wenn der Schwefelkies, so wie Antimonnickel-
glanz, neben der pyritoedrischen die tetraedrische Hemiedrie zeigen
würde, so aber muss man — und dafür spricht auch die Beschaffen-
heit der Oktaederecken — an ein stärkeres Wachstum der Flächen
denken, hinter dem die Kanten zurückblieben. Die Einkerbung der
Kanten zeigt die Abstumpfung der Oktaederkante durch einen Triakis-
oktaeder, wahrscheinlich 20. Demnach lautet diese Kombination:
0.^.20.ooOoo.
— LXXVII —
An einem Kryställchen — die Schwefelkiese in diesen Drusen
sind sehr klein — ist auch die Kombinationskante zwischen Würfel
und Oktaeder durch eine Fläche abgestumpft, das ist ein Ikositetraeder
mOm. Leider entziehen sich diese kleinen Krystalle, die zudem
nicht so sehr häufig sind, einer genauen Messung, wiewohl über
den Charakter der Flächen nach dem Zonenverhältnis kein Zweifel
bestehen kann. Ausserdem kommt der Kies auch noch derb und
faserig vor.
Der Kies zeigt immer die Farben zwischen messinggelb und
speisgelb. Nun findet man aber in und auf den Kieseln auch als
zarten Überzug in geringer Menge Gold, das sich durch seine
Farbe verrät. Allerdings zeigt auch da und dort der Schwefelkies
goldgelbe Farbe, allein die Härte ist entscheidend, das gefundene
Metall ist sehr weich und dehnbar, so dass auch ohne chemische
Analyse — dazu reichte die geringe Menge nicht aus — das Vor-
handensein des edlen Metalls sich feststellen lässt. Das Zerschlagen
der harten Kiesel ist keine leichte Arbeit, trotzdem habe ich etwa
27 cbdm zerklopft und fand darin etwa 1 bis 2 g Gold , woraus
sich ein Gehalt an Gold von Yss 7oo ergeben würde, wenn man davon
absieht, ob der Schwefelkies auch goldhaltig ist. Damit würde ein
Abbau nicht auf die Kosten kommen , denn in Transvaal bauen sie
bei Gegenwart von anderen Erzen noch bei ^l^^ %o ^^- Ausserdem
ist ja die Ausdehnung des Lagers dieser Kiesel noch nicht sicher
nachgewiesen. Da von den Kieseln keine Dünnschliffe hergestellt
wurden, so lässt sich auch nicht sagen, ob dieselben das edle Metall
vielleicht in mikroskopischer Form einschliessen. Der Zweck dieser
Abhandlung soll aber keineswegs darin liegen, zu weiteren erfolg-
losen Grabungen zu veranlassen. Der Wert der Mittelbronner Kohlen-
grube liegt für uns lediglich in der Ausbeute für die Mineralogie
Schwabens. Und da sind weiter die dort vorkommenden Markasite^
zu nennen, die bei früheren Beschreibungen der Grube ebenfalls
nicht genannt sind. Und doch fanden sie sich 1892 in solcher
Menge vor, dass sie nicht übersehen werden können. Es ist die
Kombination der Flächen:
ooP . Poü . Apoo . OP
M 1 r P
' Verf. hat diese Markasite schon im Ber. über d. XXVII. Vers, des
Oberrhein, zu Landau beschrieben , wiederholt aber hier diese Beschreibung mit
Zusätzen, da sie zur vaterländischen Landeskunde beitragen kann.
- LXXVIII —
nur tritt diese Kombination immer in Zwillings- oder Viellingsbildung
auf, und zwar nach ooP, ganz wie in der böhmischen Braunkohle
von Littmitz und Altsattel. Der Habitus ist meistens pyramidal, und
deswegen waren auch früher Verwechselungen mit dem Kubooktaeder
möglich, doch treten auch tafelige Formen nach OP auf. Durch
die Zwillingsverwachsung entstehen nun jene spiessigen Gestalten,
die man mit Speerkies bezeichnet. Die Zwillingslinie teilt OP in
zwei Felder von verschiedener Streifung, folgt dann der scheinbaren
Pyramidenkante , genauer der Kombinationskante von 1 und 1^ bis
zur Mittelecke, wo die Flächen M und M, sich mehr oder weniger
andeuten und geht nach unten. Selten zeigt sich auch g (Poo),
wofür ja bei dieser Zwillingsbildung wenig Platz bleibt. Die Krystalle
sind zum Teil noch schön frisch, mit glänzenden Flächen, speisgelb
bis grau, doch sind viele auch schon von Verwitterungsrinden be-
deckt. Zwillinge sind nicht gerade häufig, doch finden sich solche
auch vor, häufiger sind Drillinge und Vierlinge. Man hat schein-
bare Oktaide , gebildet durch 1^ , lg , I3 , I4 , oben OP. Aber diese
Endfläche zeigt nicht den lebhaften Glanz der Würfelfläche des
Kubooktaeders , sondern es erscheinen darauf jene Zwillingslinien
und die Streifungen parallel der Kombinationskante mit 1. Und
wenn je OP fehlt, so sieht man an den Mittelecken oder Seiten-
kanten da und dort die Flächen M^ , Mg u. s. f. auftreten. Diese
Vierlinge kommen in schönen einzelnen Stücken vor, häufiger aber
in den bekannten kugeligen Gruppen, welche eben die Spitzen der
Speere nach allen Seiten entsenden. Man findet diese Gruppen
auf den Hornsteinen, aber auch in den Kohlen und Brandschiefern.
Da nun Markasit und Schwefelkiese zugleich vor-
kommen, so findet man sie auch zusammen auf der gleichen
Stufe: auf einem Sandsteintäf eichen aus der schon mehr genannten
dünnen Bank sitzen zunächst Schwefelkiese (— ö" • ooOoo . Ol und
darauf die Speerkiese, wie es scheint, als jüngere Bildung, während
umgekehrt Schwefelkiese auf Speerkiesen nicht gefunden wurden.
Auf einem dieser Kiesknollen sitzt nun eine doppelte Zwillings-
bildung von seltener Form. Man denke sich einen der oben-
genannten Zwillinge von Markasit nach coP, aber die links und
rechts begrenzenden Prismenflächen M und Mj einander so genähert,
dass der Zwilling eine dünne aufrechte Tafel bildet: oben OP, rechts
und links die breit entwickelten Tafelflächen von M und M^, vorne
die Spitze des Speers und die ganze Tafel durch die Zwillingsebene
— LXXIX —
von oben nach vorne und unten halbiert. Zu dieser ersten Tafel,
welche an sich schon ein Zwilling ist, füge man etwa um 90° gedreht
eine zweite ganz gleich geformte, so dass beide vorne die Spitze
gemeinsam haben. Nun hat man eine kreuzförmige Durchdringung
zweier Zwillinge. Die vier Gradendflächen OP bilden, wenn man
sie fortgesetzt denkt, nahezu eine quadratische Säule : in der That
aber befinden sich zwischen zwei aufeinanderfolgenden Endflächen
rechtwinklige Einschnitte , in denen OP des einen Zwillings mit
ccP des zweiten einzuspiegeln scheint. Was ist nun die Zwillings-
ebene für diese zweite Zwillingsstellung? Beide Zwillinge haben Pc»
gemeinsam — dieselben spiegeln in der That ein — und liegen
umgekehrt. Wenn man nämlich das Anlegegoniometer anlegt, so
findet man, dass zwei aufeinanderfolgende Endflächen nicht genau
90° bilden, sondern etwa 97 — 98°. Denkt man sich nun Poo (1)
als Zwillingsebene und die Endfläche OP, welche mit 1 130° 10'
einschliesst , nach der andern Seite symmetrisch zu 1 gelegt und
parallel verschoben, so hat man OP des zweiten Zwillings , und der
Winkel, den nun die aufeinanderfolgenden Endflächen miteinander
bilden, beträgt 99° 40', was mit der Messung ja ziemlich überein-
stimmt; auf der andern Seite ist der Winkel der Endflächen dann
80° 20'. Nun finde ich allerdings Poo in der Litteratur nicht als
Zwillingsebene genannt, und so bleibt obige Deutung der inter-
essanten Bildung zunächst dahingestellt, weil bei dem nicht mehr
frischen Zustand der Krystalle von scharfen Messungen nicht die
Kede sein kann. Damit wäre der Markasit nun für dieses kleine
Kohlenlager in den roten Knollenmergeln des Keupers nachgewiesen ;
ausserdem erwähnt Qüenstedt ^ eine einzige Stufe, die er im Weissen
Jura fand. Werner's Vermutung'^, dass dieser Kies vielleicht in
den kohlenführenden Schichten der Lettenkohle, des Keupers und
Lias vorkomme, hat sich nun bestätigt.
Nach den Kiesen ist von Erzen am häufigsten Zinkblende,
sie findet sich zusammen mit den Kiesen in den Hornsteinen. Sie
verrät sich durch den hohen Glanz ihres Blätterbruchs, sobald man
die Kiesel zerschlägt, ihre Farbe ist rötlich, gelblich-braun bis schwärz-
lich. In kleinen Drusen findet man lebhaft glänzende Oktaeder,
sonst aber durchzieht sie das Gestein in kleinen krystallinischen
Massen. Es dürfte kaum eine Stelle in unserem Flözgebirge geben,
1 Handb. d. Mineral. S. 818.
2 Diese Jahresh. 25. Jahrg. S. 133.
— LXXX —
wo soviel Blende beisammen gefunden wird. Die Funde im Muschel-
kalk bei Crailsheim sind leider immer vereinzelt, mehr findet sich
noch im Amaltheenthon und im Lias s \
Seltener ist Bleiglanz, welcher sich in kleinen spätigen
Einsprengungen vorfindet, ihn erwähnt schon v. Alberti.
Wo die sulfidischen Erze in solcher Masse die Kohlen , die
Kiesel und Sandsteine durchsetzen, da kann es nicht an Verwitterungs-
produkten fehlen. Voran stehen die Sulfate: Schwerspat durch-
setzt in weissen Adern die Kohlen und in Schnüren die Hornsteine ;
Gips ist in schmalen tafeligen Kryställchen den Kohlenschiefern
eingelagert. Die Höhlungen der Feuersteine sind mit einem schnee-
weissen, feinmehligen Mineral erfüllt, dasselbe löst sich in Salpeter-
säure auf, man erhält auf Zusatz von K 0 H einen weissen gallertigen
Niederschlag, der sich im Überschuss wieder löst, nach Neutralisation
durch CIH auf Zusatz von NH3 aber wieder niederfällt. Vor dem
Lötrohr färbt sich die Probe mit Co (N 03)2 blau. Danach ist das
weisse Pulver Aluminit, der auch schon bei Friedrichshall in der
Lettenkohle gefunden wurde. Weitere Sulfate entstehen auf dem
verwitternden Schwefelkies, nämlich ein schwefelgelbes Pulver, das
sich in Wasser nicht löst, es scheint zum Misy gestellt werden
zu müssen, und graulich-weisser Anflug, wie er auch auf Kiesen in
unseren Sammlungen sich bildet, nämlich Eisenvitriol. Der An-
flug von feinen haarförmigen Krystallen in zierlichen Gruppen auf
der Kohle, nämlich das Haarsalz, wurde oben schon genannt.
Auffallend ist das Fehlen der Karbonate bis auf ein einziges,
nämhch Galmei. Man findet ein stänglichtes braun-graues Mineral,
das angeschlagen Rhomboederbruch mit schwachem Perlmutterglanz
zeigt und schon in kalter CIH braust. Vor dem Lötrohr erkennt
man leicht das Zinksalz, so dass kein Zweifel mehr über dieses
Mineral besteht. Wie viel von Galmei vorkam, kann ich nur ver-
muten ; in der Sammlung von Kiesen, die ein Schüler von mir dort
im Sommer 1892 anlegte und welche eine gewöhnliche Cigarrenkiste
füllte, fanden sich zwei bis drei walnussgrosse Stücke, und in den
im Hornstein befindlichen Drusen findet man auch nicht viel von
dem Karbonat.
Stellen wir also die Mineralien aus der Kohlengrube von Mittel-
bronn zusammen, so finden sich dort folgende Mineralien :
von Kohlen : eine erdige bituminöse Kohle und magere Glanzkohle ;
1 Vergl. fliese Jahresh. 1889. S. 49.
— LXXXI —
von Metallen : Gold in kleiner Menge ;
von Sulfiden: Schwefelkies, Markasit, Blende, Bleiglanz;
von Sulfaten : Schwerspat , Gips , Aluminit , Haarsalz , Misy,
Eisenvitriol ;
von Karbonaten : Galmei.
Und wie haben wir uns die Entstehung dieser Kohlenlager
samt den begleitenden Erzen zu denken? Es war eine Bucht des
Keupermeeres , an dem Gestade haben die Wasser da und dort
beträchtliche Holzmassen angeschwemmt, aber ohne Zusammenhang
untereinander, sie wurden eingebettet in Thone und Sande; aus
warmen alkalischen Wassern hat sich die Masse der Hornsteine
ausgeschieden und die Pflanzenreste bedeckt. Durch den Vorgang
der Verwesung, die bei den Pflanzen und Tieren ganz oder teilweise
vor sich ging, wurden dann die Sulfide, welche Kohle und Kiesel
imprägnierten, aus den in Wasser gelösten Sulfaten durch Reduktion
dargestellt. Dass dabei Gold infolge der Einwirkung von Eisen-
vitriol sich ausschied, kann uns nicht wundern. Darauf dürfte
überhaupt die Vergesellschaftung von Gold und Schwefelkies beruhen.
Späterhin verwitterten wieder diese Erze infolge der Einwirkung der
Atmosphärilien zu Sulfaten und Karbonaten. Letztere sind schwach
vertreten , einmal weil bei Kieselabsätzen aus Wassern Karbonate
überhaupt zu fehlen pflegen, und dann weil bei Verwitterung von
Sulfiden die Bildung von Sulfaten von selbst gegeben ist.
So haben wir an der Kohlengrube von Mittelbronn zwar keine
Grube, die irgendwie Aussicht auf erfolgreichen technischen Betrieb
gewähren könnte, aber einen Fundort, der dem Mineralogen mancherlei
Mineralien darbietet, die er sonst überhaupt nicht, oder wenigstens
nicht in diesen Formen in Schwaben wiederfindet. Eben darum,
meine hochverehrten Herren , hielt ich es für angezeigt , auch die
neueste, wenn auch erfolglose Schürfung auf Kohlen hier in unserer
Versammlung zu besprechen.
m.
Ueber Pseudosehmarotzer auf unseren Petrefakten.
Von Pfarrer Dr. Engel iu Eislingen.
Wohl jeder Petrefaktensammler hat unter seinen Vorräten eine
Anzahl von Stücken, auf denen allerlei fremdes Getier sitzt, das
mitversteinert ist, und also ohne Zweifel auch mit dem betreffenden
Jahreshefte d. Vereins f. raterl. Naturkunde in Württ. 1896. f
— LXXXII —
Wirt, auf dessen Schale es sich angesiedelt, gleichzeitig gelebt hat.
Derartige Exemplare sind, namentlich in unserem Jura, so häufig,
dass sie jedem auffallen müssen, der seine Muscheln auch nur mit
einiger Aufmerksamkeit betrachtet. Und dabei treten ihm dann
natürlich auch eine ganze Anzahl von Fragen entgegen, die er beim
Anblick solcher Dinge gern beantwortet haben möchte , über das
Wo und Wann des Lebens dieser Sekundärfauna, über die Art und
Weise, wie sie, namentlich wenn sie auf Steinkernen sitzt, auf ihren
jetzigen Platz gekommen, wie und warum sie uns erhalten geblieben
u. dergl. Wir wollen versuchen , in gegenwärtiger Skizze , die ja
freilich keinen Anspruch auf Vollständigkeit macht, die w^ichtigsten
dieser Fragen zu beantworten, und hoffen, manchem Sammler einen
Gefallen damit zu erweisen, obgleich es sich um anscheinende Kleinig-
keiten handelt, wie man denn doch wohl „Schmarotzer" kaum anders
wird bezeichnen können.
Wir haben übrigens absichtlich gerade diesen Namen vermieden
und in der Überschrift das Wort „Pseudoschmarotzer" gebraucht.
Und nur von solchen gedenken wir auch zu reden, schon aus dem
einfachen Grund, weil wirkliche Parasiten, die ja nur in den Weich-
teilen ihrer Wirte leben und von deren Körpersubstanz sich nähren,
fossil uns so weni^ erhalten bleiben konnten als jene Weichteile
selbst. Wir zweifeln zwar nicht daran, dass auch schon in früheren
Perioden der Erde deren Lebewelt von allerlei fremdem Schmarotzer-
zeug heimgesucht gewesen ist, dass z. B. nicht bloss die alten Saurier
und Säuger, sondern auch die Ammoniten- und Belemnitentiere unter
dem verschiedensten „Ungeziefer" zu leiden hatten, das sich in seine
Haut einbohrte oder von seinem Fleisch zehrte, wie wir dies noch
jetzt in der gesamten Tierwelt finden ; aber Spuren von dessen Dasein
sind uns nicht erhalten und können der Natur der Sache gemäss
nicht erhalten sein.
Es kann sich somit für uns nur um solche Tiere handeln, die
auf den Hartteilen ihrer Wirte gesessen und selbst ein mehr oder
weniger hartes Körperskelett gehabt haben , das dann versteinern
konnte. Da aber solche Tiere nicht eigentlich parasitisch leben,
sondern die Schalen ihrer Wirte nur als zufälhge Unterlage und
Stützpunkt benützen, können wir sie auch keine Schmarotzer heissen,
bleiben vielmehr bei der Bezeichnung „Pseudoschmarotzer".
Damit ist uns zugleich der Fingerzeig gegeben, welchen Gruppen
und Kreisen der Lebewelt diese Pseudoschmarotzer angehören werden
und angehören müssen, soweit wir sie fossil finden: es müssen mit
— LXXXIII —
Schalen versehene M e e r e s bewohner gewesen sem, die, sei's
zeitlebens, sei's nur in bestimmten Stadien ihrer Entwickelung ein
sessiles Dasein führten. Alle andern sind eo ipso ausgeschlossen,
denn sie konnten sich nicht versteinert erhalten. Ausgeschlossen
ist damit z. B. auch jene Ophiure (Äspidura scutellata Br.), welche
in so merkwürdiger Weise im oberen Muschelkalk von Crailsheim
vorkommt. Sie sitzt nämlich dort stets auf dem Steinkern einer
Myophorie (Myophoria laevigata Schl.), so zwar, dass die Bauchseite,
auf der das Tier kroch, nach oben gekehrt ist. Die eigentümliche Um-
wandelung des Skeletts in Täfelchen von Kalkspatskalenoedern geht
uns hier nichts an, vielmehr interessiert uns nur die Art ihres Vor-
kommens, sofern wir daraus einen Schluss ziehen können auf das
lebende Tier und seine Beziehung zu der Muschelschale. Prof. Dr.
Eb. Fraas, der die Sache beschrieben, giebt darüber die offenbar
einzig mögliche und ganz richtige Erklärung ab ^ , dass der lebende
Schlangenstern unter die auf dem Meeresboden hohl liegende Klappe
<einer Myophorie, deren Bewohner längst tot war, gekrochen, dort
aber durch irgendwelche störende Einflüsse , wahrscheinlich durch
Verschlammung, abgestorben und in der Lage erhalten geblieben
sei, die er bei seinem Tod hatte. So ward er in den Schlamm,
den wir jetzt als Steinkern vor uns haben, mit der Kückenseite
eingedrückt und zeigt uns die Bauchseite, mit der er einst auf der
Innenwand der Muschel sass, deren Schale aber im Laufe der Zeit
zerstört wurde. Der Häufigkeit des Vorkommens nach müssen in
jenem Muschelkalkmeer eine Masse derartiger Ophiuren gelebt haben ;
uns aber sind nur diejenigen Exemplare erhalten geblieben, die zu-
fällig seiner Zeit einen Schlupfwinkel unter einer Muschelschale
suchten und fanden. Alle andern, frei im Meer schwimmenden, sind
zu Grunde gegangen; denn noch nie wurde an jener Lokalität das
Tier in anderer als der eben beschriebenen Lage angetroffen. Aus
dem Gesagten geht aber deutlich hervor, dass es sich hier weder
um einen Schmarotzer noch auch nur um einen Pseudoschmarotzer
handeln kann, da die lebende Ophiure nicht auf der Muschelschale
festsass, sondern dieselbe nur zeitweise als Bergungsort benutzte.
Auch unsere lebenden Ophiuren sind ja keine sessilen Tiere, haben
aber heute noch die Gewohnheit, in Hohlräume zu kriechen, und
zwar oft in ganzen Familien.
Wenn aber auch auf diese Weise eine Anzahl von scheinbaren
' N. Jahrbuch für Min. etc. 1888. Bd. I. S. 171 u. 172.
— LXXXIV —
Pseudoschmarotzern hier ausgeschieden werden muss, so bleiben
deren immer noch genug für unsere Besprechung übrig, und zwar
aus den verschiedensten Klassen des Tierreichs. Gehen wir dieselben
in der Reihenfolge von unten nach oben durch, so wären etwa die
folgenden zu nennen , mit dem wiederholten Beifügen jedoch , dass
unsere Aufzählung keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit machen
will, schon darum nicht, weil wir uns fast ausschliesslich auf die
Vorkommnisse im Jura beschränken. Wir nennen aus dem Kreis
1. der Coelenteraten: Korallen und Schwämme. Letztere
betreffend, so findet man fast in allen Schwammlagern Spongiten
auf tierischer Unterlage .sitzen, sei es nun, dass die Brut auf den
Muttertieren oder aber auf Korallenstöcken, Austernschalen u. dergl.
aufgewachsen ist. Am bezeichnendsten in dieser Beziehung ist
vielleicht Spongites mammülatus Qu. aus Braun- Jura d (Jura S. 458.
Taf. 59. 8), den wir bis jetzt stets nur auf Austernschalen gefunden
haben, die er rindenartig überzieht. Sammelt man aber erst in den
Schwammfeldern des Weissen Jura, sei's in den unteren und mittleren
Horizonten der Balinger (Lochen-) Gegend, sei's in den oberen (Natt-
heimer) Schichten, wo Schwämme und Korallen zusammen vorkommen,
so trifft man dutzendmal insbesondere kleine Exemplare von Spongiten
{Scyphia , Astrostomella etc.) , die auf grösseren oder auch auf
Muscheln und Korallen schmarotzend sitzen.
Was nun die letzteren angeht, so erscheint es allerdings bei
den meisten derselben unthunlich, von Pseudoparasitismus zu reden.
Denn wenn auch hier die jungen auf den Stöcken der alten sitzen^
so dass eine Generation aus der andern aufsprosst, so ist dies nicht
als Schmarotzertum zu bezeichnen , sondern hier wie bei den
Schwämmen die ganz gewöhnliche Art der Fortpflanzung. Wenn
wir aber so häufig, namentlich in den Nattheimer Schichten, alle
möglichen Arten und Gattungen von Korallen auf- und übereinander-
sitzend finden, so glauben wir kaum, dass dieselben schon während
des Lebens in dieser Weise beisammen waren. Wir möchten dieses
Vorkommen vielmehr so erklären , dass die Riffe durch Brandung,
Wind und Wellen teilweise zerstört und abgerissene Stöcke von
allen möglichen Korallenarten in den Meerschlamm gebettet wurden.
So finden wir jetzt in den „wilden Portländern" Anthophyllen und
Oculinen, Lithodendren und Astraeen bunt durcheinander gewürfelt,
zusammen mit den andern einstigen Bewohnern des Riffs, Schnecken
und Muscheln, Cidariten und Terebrateln, in einen Brei gebettet
vor , und es ist nur Täuschung , wenn wir meinen , das eine Stück
— LXXXV —
sei auf dem andern lebend gesessen, da sie vielmehr alle erst nach
dem Tode durch äussere mechanische Einwirkung in ihre jetzige
Lage gebracht wurden.
Dagegen erwähnen wir eine Einzelkoralle , die wir bis jetzt
fast nur auf der Schale oder vielmehr dem Steinkern eines Ammoniten
sitzend getroffen haben : es ist der erst neuerdings entdeckte Cyclo-
lites amaUhei mihi (diese Jahreshefte 1890. S. 48 u. 1891. S. 34.
Taf. 3 Fig. 1 u. 2), der meist auf Ammonites striatus Rein, oder
lineatus Schl. im mittleren Lias d sich findet. Aus diesem Lager
stammt auch ein Pseudoschmarotzer, der zu dem Kreis der
2. Echinodermen zu zählen ist, wenn auch noch darüber
gestritten werden mag, welchen der 3 Gruppen, Echiniden, Asteriden
oder Crinoiden, man ihn zufügen solle. Am nächsten läge es wohl,
ihn bei den letztgenannten unterzubringen, da dieser Gruppe meist
sessile Tiere angehören, während die Vertreter der Echiniden und
Asteriden höchstens in gewissen Entwickelungsstadien ihres Lebens
an einen bestimmten Platz gebunden , sonst aber durchaus vagil
sind. Wir meinen Cotylederma lineati Qu. (Quenst., Petref. -Kunde.
I. Aufl. S. 631. Taf. 55, 44, u. Jura S. 161. Taf. 16, 13), das man
meist ebenfalls auf den vorhin genannten beiden Ammoniten aus
dem mittleren Lias aufsitzend trifft, das uns aber auch schon im
Lias u auf Amm. jurensis Ziet. , und zwar hier wie dort auf dem
Steinkern haftend, begegnet ist. Nach Qüenstedt „hat es ohne
Zweifel bei den Echinodermen seine Stelle".
Viel häufiger finden sich verschiedene, mit Sicherheit der Gruppe
der Crinoiden zuzuweisende Gattungen von Echinodermen als Pseudo-
schmarotzer auf unseren Versteinerungen, wir nennen in erster Linie
die Apiocriniten und Eugeniacriniten. Schon im Lias I^
trifft man oft genug auf Steinkernen von Ammoniten aufgewachsene
Wurzeln von Crinoiden, ohne dass es jedoch möglich wäre, genauer
anzugeben , was für einer Gattung das Tier angehört hat. Noch
mehr begegnen uns solche Dinge in den Schwammschichten der
Lochen sowie im Nattheimer Korallenhorizont. So besitzen wir von
ersterem Platz Terebrateln und Spongiten, auf denen das Wurzel-
stück eines Eugeniacrinites caryophyllatus Gf. und niitans Gf. auf-
gewachsen ist ; in Bolheim aber kommen unter den vielen dortigen
Stielgliedern von Apiocriniten {Apiocrinus mespiliformis Sohl, und
Milleri Schl.) auch Wurzelstücke vor, die hin und wieder auf einer
Muschel aufzusitzen scheinen. Die meisten derselben liegen aller-
dings dem Aussehen nach frei im Stein , so dass wir vermuten
— LXXXVI —
dürfen, diese Tiere haben, ähnlich wie die Encriniten des Muschel-
kalks und die Pentacriniten des Lias sich im Meerschlamm mit ihren
Wurzeln festgehalten, ohne dass sie einer harten Unterlage bedurften.
Ganz absehen aber können wir von den Echiniden und Ästenden,
da beide Gruppen, wie gesagt, keine eigentlich sessilen Arten ent-
halten. Denn wenn man auch hin und wieder lebende Seeigel
trifft, die sich in Steine Löcher gebohrt haben und dort zeitweise
pholadenartig hausen, so ist uns doch fossil nichts Derartiges bekamit
geworden. Jene Ophiuren aber , die man , wie oben erwähnt , in
Schalen von Muscheln findet, sind nur in dieselben hineingekrochen,
haben sich aber nicht auf ihnen häuslich und für immer nieder-
gelassen. Weder hier noch dort kann man also von (Pseudo-)
Schmarotzern reden. Um so häufiger aber treten diese auf im
Kreis der
3. Würmer, natürlich nur derjenigen, die sich im Leben
Kalkröhren bauen, welch letztere allein sich erhalten konnten. Man
fasst . sie alle unter dem Genusnamen ,,Serpula" zusammen, und
es wird kaum eine Formation geben, in der nicht fossile Serpula-
Arten sich fänden. Manchmal kommen sie sogar in solcher Menge
vor, dass sich förmliche „Serpulitenkalke" in ganzen Bänken ge-
bildet haben , die aus nichts anderem bestehen , als den Röhren
solcher Meerwürmer. Wie aber in den heutigen, so haben schon
in den früheren Meeren diese Tiere ihr Gehäuse gern auf Muschel-
und Schneckenschalen gebaut, die sie freilich nur als zufällige Unter-
lage benützen, so gut wie anderwärts, Holz oder Steine. Kann man
doch fast kaum eine Austern- oder Pec^ew-Schale aufheben, auf der
nicht Serpula- oder Balamis -¥i'a,gmente aufsässen, und es ist kein
Zweifel, dass diese (Pseudo-)Schmarotzer auf dem Gehäus ihrer
Wirte schon zu einer Zeit sich angesiedelt haben, als letztere noch
lebten. Es scheint auch einer solchen Muschel in keiner Weise
Eintrag dadurch zu geschehen oder die Lebensentwickelung des
Tieres im geringsten beeinträchtigt zu werden, dass die Aussenseite
seiner Schale sich mit allerhand fremdartigem Tierzeug bedeckt;
werden doch z. B. im Main Anodonten gefangen, deren Schalen,
soweit sie über dem Wasserspiegel hervorragten, über und über mit
Dreissena polymorpha L. bedeckt sind, ohne dass der Wirt durch diesen
Ballast, den er mit herumschleppen muss, irgendwie belästigt er-
scheint. Wie es aber in unseren jetzigen Gewässern und bei deren
Bewohnern zugeht, so ist's sicherlich auch schon in den Meeren
der Vorzeit gewesen. Kein Wunder daher, dass uns überall Serpein
— LXXXVII —
begegnen , die auf Muschelschalen und Ammonitengehäusen , auf
Schwämmen und Korallen, selbst auf Cidaritenstacheln aufgewachsen
erscheinen. Am häufigsten begegnen uns diese Dinge im Lias, im
mittleren Braunen, sowie in den Schwamm- und Korallenzonen des
unteren und oberen Weissen Jura. Schon die Steinkerne von An-
gulaten im Lias a, sowie die Kieskerne der Ammoniten des Lias ß
und y haben derartiges Schmarotzerzeug auf sich sitzen. Ganz
besonders massenhaft aber erscheint es in den Jwrewsis-Kalken des
Lias L'. Hier kann man kaum ein Bruchstück von Ämm. jurensis
ZiET. , insignis Schübl. , radians Rein. , von Nautilus jurensis Qu.
u. dergl. auflesen , auf dem nicht eine ganze Anzahl von Serpein
Sassen. Ebenso ist's im mittleren Braunen Jura, wo die Steinkerne von
Amin, coronatus Ziel, die so häufig vorkommenden Schalen von
Austern (Ostraea pectiniformis Qu., eduliformis Qu. und cristagalU Qu.),
sowie die Schalen der grossen Belemniten {Belem. giganteus Qu.) fast
durchweg damit bedeckt sind. Wir haben (^ogar einen Stachel von
Cidarifes praenobilis (maximus) Qu. aus dieser Schichte gesehen, der
auf seiner ganzen Länge mit Serpein überzogen war, und zweifels-
ohne hatten sich diese hier eingenistet, solange der Seeigel noch
lebte. Wieder sehr zahlreich endlich erscheint dieses Zeug, sobald
uns Schwämme und Korallen begegnen: in grosser Menge sitzen
Serpein aller Art sowohl auf den Spongiten der Lochengegend als
auf den Korallen und Schwämmen der Nattheimer Schichten. Das-
selbe ist aber natürlich auch bei Petrefakten der vor- wie der nach-
.jurasischen Zeit zu beobachten. Die wichtigsten und bekanntesten
Arten unserer Jura-Serpeln sind etwa folgende: Serpula glohiceps (^m..,
gordialis Gf., tricristata Gf. (Lias); Serp. flaccida Gf., gordiaUs Schl.,
Umax Gf., grandis Gf., lumhrkalis Schl., socialis Gf., tetragona Sow.,
torquata Qu. , tricarinata Gf. (Brauner Jura) ; Serp. cingidata Gf.,
delphinula Gf., Argoviensis Lor., Deshayesii Gf., planorhiformis Gf.,
proUfera Gf. , suhriigulosa Qu., troclileata Gf., Ilium Gf.; medusida
Etall. , fiagellum Gf., pannosa Qu., spiralis Gf. , quadristriata Gf.
(Weisser Jura).
Mit den Serpein zusammen kommt dann so ziemlich an den-
selben Plätzen und unter denselben Verhältnissen eine weitere Tier-
gruppe vor, die wir gleich jenen zu den richtigen Pseudoschmarotzern
zählen dürfen: es sind die Bryozoen (Mooskorallen), die noch
immer keine feste Stelle im zoologischen System erlangt haben und
daher vielleicht am einfachsten hier dem „Kreis der Würmer" bei-
gefügt werden mögen.
— LXXXVIII -
Wie in unseren heutigen , so bedeckten diese Tierchen schon
in den alten Meeren alle festen Körper, die sie im Wasser fanden,
Steine und Holz , Muschel- und Schneckenschalen , kolonienweise
wie mit einer Rinde sie überkrustend. Verhältnismässig wenige von
ihnen leben und lebten ohne Unterlage im Schlamm oder freien
Ocean. Was unsere Juraschichten betrifft , so gehen fast überall
darin Serpein und Bryozoen zusammen und wir finden also auch
die letzteren hauptsächlich im obersten Lias, im mittleren Braunjura
und in den Schwamm- und Korallenschichten des Weissen vertreten,
ein deutlicher Fingerzeig, dass hier stets dieselben Lebensbedingungen
und Wasserverhältnisse wiederkehrten (wahrscheinlich Strand- und
Flachseebildungen). Als die häufigsten Bryozoenarten aus dem
schwäbischen Jura führen wir auf;
BuUopora jurensls Qu., Diastopora {Berenicea Mich.) liasica Qi].,
im Lias 4;
Berenicea {Diastopora Qu.) microstoma Mich., diluviana Mich.
{Aulopora Gf.), Ceriopora (jlobosa Mich., Gellepora orhiculata Qu.,
Diastopora compressa Gf. {CoUapora Qu.), Terquemi Haime, Hetero-
pora ramosa Mich., Proboscina Jaquoti Haime, Spiropora elegans Lam.,
Stromatopora dichotoma Lam. {Alecto Gf.), Entallophora {MiUepora Qu.)
straminea Phil., im Braunen Jura y und J;
Alecto dichotoma, var. grandis und intermedia Qu., Biälopora
rostrata Qu., Cellepora orhiculata var. major Qu., Ceriopora clavata
Gf., compacta Qu., striata Qu., radiciformis Gf., Conodictyum striatum
Qu., Tetrapora suevica Qu., im unteren Weissjura (Lochenschichten);
Alecto corallina d'Orb., dichotoma Lam., Cellepora orhiculata
silicea Qu., Ceriopora angulosa Qu., radiata Gf., Chactctes polyporus
Qu. , Conodictyum hursiforme Qu. , im oberen Weissjura (Korallen-
schichten von Nattheim).
Dabei wäre nur noch die Frage, ob Chaetetes polyporus wirk-
lich als Bryozoenstock zu verzollen sei, der andere Stücke übei-
krustete. Auch dürften die einen und andern der aufgeführten Arten
frei im Meer oder Meerschlamm gelebt haben, z. B. MiUepora
straminea Qu. , vielleicht auch Heteropora ramosa Mich. Bei dem
seltsamen Conodictyum dürfte überhaupt noch nicht entschieden sein,
wohin es zoologisch gehört. Auf fremden Körpern aufgewachsen
haben wir es jedenfalls noch nie gefunden.
Immerhin wird so viel richtig sein, dass wir die meisten unserer
fossilen Bryozoen als Pseudoschmarotzer aufführen dürfen. Haben
sie doch meist eine Versteinerung zur Unterlage, gleichgültig, ob"s
- LXXXIX --
eine Muschel oder ein Belemnit, ein Schwamm oder eine Koralle ist.
Ein weiteres, und zwar ziemlich zahlreiches Kontingent zu denselben
stellt sodann der Kreis der
4. Mollusken, Weichtiere, und zwar aus den beiden
Gruppen der Brachiopoden und Pelekypoden (Lamellibranchier),
während von den beiden andern Gruppen, Gasteropoden und Cephalo-
poden , uns keine schmarotzenden Arten bekannt sind. Natürlich,
denn die Tiere der beiden letztgenannten Klassen kriechen oder
schwimmen samt und sonders, wogegen aus den beiden ersteren
eine ziemliche Anzahl, sei's zeitlebens , sei's wenigstens etliche Zeit
hindurch, ein sessiles Dasein führt.
Was zunächst die Brachiopoden betrifft , so könnte man
schliesslich fast alle Gattungen dieser Gruppe hierher ziehen, ins-
besondere die Hauptvertreter, Terebrateln, Rhynchonellen und Spiri-
feren, sofern bei all diesen das Tier in der Regel zeitlebens irgendwo
festsitzt, mit seinem Byssus meist an Felsen sich heftend. So gut
es nun einen Stein als Anhaftungsstelle benützt, ebenso gut könnte
dies auch mit einer Muschel geschehen, wenigstens deren toter
Schale, die unbeweglich an ihrem Platz liegen bleibt. Allein von
einem Schmarotzer- oder auch nur PseudoSchmarotzertum kann hier
doch eigentlich nicht die Rede sein, da diese Tiere wohl kaum auf
dem Gehäuse eines andern , noch lebenden Tieres sich ansetzen,
so wenig als bei den Patellen , die ausserdem auch willküi'lich ihre
Ansatzstelle wechseln können, und noch weniger als bei den Dreissenen,
die wohl auf Schalen lebender Muscheln sich niederlassen, aber
ebenfalls ohne Zweifel die Fähigkeit besitzen, ihre Stelle zu ändern.
Für unseren Zweck kommen vielmehr aus dieser Gruppe nur einige
minder bedeutende Gattungen in Betracht, die zumal in den fossilen
Schichten nirgends eine grosse Rolle spielen , so insbesondere das
Genus Crania, Orhicula und etwa Thecidea, Von letzterer
finden wir im Jura noch kaum etwas, von den beiden ersteren hier
und da ein Schälchen , das irgendwo aufsitzt. So haftet Crania
porosa Gf. (Qüenst., Jura. Taf. 81. 93) stets auf Spongiten der
Lochenschichten, während man von Crania suevica Gf. (Qüenst.,
Jura. Taf. 81. 91 u. 92) meist nur die freien Oberschalen findet.
Daneben kommen dann freilich wieder thecideenartige Formen vor,
wie schon da und dort im Braunen Jura und sogar im Lias. Wir
erinnern an die Dingerchen, die Quenstedt auf einer Pleurotomaria
des Lias 1.' und wieder auf der Schale einer Ostraea cristagalli Qu.
des Braun d neben Bryozoen aufsitzen fand und im Jura (Taf. 41.
— xc -
27. 28 u. Taf. 58. 28) abbildet. Ähnliche Kleinigkeiten sitzen hin
und wieder auf den Tellerschwämmen der Lochengegend (Quen-
STEDT, Jura. S. 640), aber wer wagt es, all dieses Zeug richtig zu
stellen?
Klarer liegt die Sache bei Orbicula, von deren Geschlecht
0. papyracea Qu. (Jura. Taf. 36. 20 u. 21) die bekannteste ist.
Leider findet man nur die Oberschale und kennt also die Unterlage
nicht, an welche sich das Tier angeheftet hatte. Doch kommt schon in
Lias d eine ganz kleine Form vor (Quenstedt, Jura. Taf. 36. 19),
welche auf Bhynchonella amalthei Qu. aufsitzt. Ebenso zeigen sich
diese Dinge im Braunen a, wo man nicht nur die zarteste Brut
von Orbicula auf der weissen Schale von Ammonites opalinus Rein.
(QüENST., Jura. Taf. 44, 6), sondern auch grössere Exemplare, na-
mentlich auf Gervillia pernoides Buch haftend, antrifft (Qüenst., Jura.
Taf. 45. 2). Eine ganz ähnliche Form fanden wir einmal auch noch
im Weissen Jura /, auf dem Steinkern eines Kragenplanulaten
{Amm. polyplocus Rein.) sitzen. Bekanntlich gehen ja freilich Orbi-
culaceen noch in den Muschelkalk zurück und sind seitdem nicht
mehr verschwunden.
Nur beiläufig wollen wir hier noch die eigentümHchen „Ringe"
erwähnen, die man öfters auf den verdrückten Schalen der grossen
Ammoniten des Posidonienschiefers, insbesondere Amm. heterophyllus
Qu. und ßmhriatus Ziet. sitzen findet (Qüenst., Jura. Taf. 36. 4 u. 6)
und die Quenstedt für Knorpelringe glaubt ansehen zu sollen, welche
den Saugwarzen der Cephalopoden zur Stütze dienen. Da abei-
deren Deutung noch umstritten und nur so viel gewiss ist, dass
man es hier nicht mit aufsitzenden Schmarotzern zu than haben
wird, wie etwa bei Cotylederma, so gehen wir weiter zu den
Pelekypoden oder eigentlichen (zweischaligen) Muscheln,
die ein ziemliches Kontingent zu unseren Pseudoschmarotzern liefern.
Giebt es doch hier eine ganze Anzahl von Formen, die zeitlebens
sessil bleiben, so namentlich die umfangreiche Gattung Ostraea und
ihre Verwandten {Gryphaca, Exogyra etc.). Auch zur Spondylus-
Gruppe gehörende Bivalven, wie Plicatida, Hinnites und Spoudylus
selbst können wir hierher ziehen ; denn fast in allen Formationen
begegnen wir ihren Schalen, wie sie auf irgend einer Unterlage,
häufig auch auf dem Gehäus eines andern Weichtieres sitzen.
Die Hauptrolle spielen natürhch die Austern. Schon im
Muschelkalk treten die beiden häufigsten, Ostraea sessüis Sohl, und
spondyloides Sohl., in dieser Weise auf, erstere namentlich als Brut
— XCI —
zu Dutzenden auf den glatten Pec^ew-Formen oder grossen Austern
aufgewachsen. Im Lias sind die Ostraeen durch ihre Verwandten,
die Gryphaeen, verdrängt, die man allerdings nur selten auf einer
fremden Schale aufgewachsen sieht. Um so häufiger ist dies bei
Plicatula der Fall, insbesondere bei der im mittleren Lias gemeinen
Plicatula spinosa Qu., die wir auf Ammoniten und Belemniten , auf
Pecten und Nautilus aufsitzend finden. Die Unterschale nimmt dann
oft genug das Gepräge ihrer Unterlage an, wie Qüenstedt (Jura.
Taf. 23. 6) ein solches Exemplar abbildet, das auf einem Atmn.
nmaUheus Qu. gelegen war. Dasselbe kommt bei den Austern des
mittleren Braunen Jura vor, so bei der kleinen Ostraea Knorrii Voltz
aus den Parkinsonbänken (Braun e), wobei Stücke mit dem Bild
des Ämm. Parhinsoni Sow., wie es Qüenstedt (Petref. -Kunde. I. Aufl.
Taf. 40. 21) zeichnet, nicht einmal selten sind; nicht minder auch
bei den grossen Austern, die im Coronatenhorizont förmliche Bänke
bilden. Unter den drei hier herrschenden Hauptformen, die Qüenstedt
edtiliformis , pediniformis und cristagalli heisst, schmiegen sich
namentlich die beiden ersten oft in merkwürdiger Weise an ihre
Unterlage an. Wir haben z. B. Stücke, die das Bild eines Amm.
coronatus Schl. darstellen, weil die Auster auf einem solchen ge-
sessen war. Auch die Austern des Weissen Jura trifft man oft auf
fremden Schalen, so die durch den ganzen Weissen durchgehende
Ostraea gregaria Sow. , die ihr nahestehende hastellata , richtiger
rastellata Schl. aus den Nattheimer Schichten, desgleichen die glatte
0. Bomeri Qu. , namentlich im Stadium der Brut. Solche kleinen
Dinge, wie sie Qüenstedt (Jura. Taf. 77. 23) abbildet, können leicht
mit Anomia oder Placuna verwechselt werden, dünnschaligen, auster-
artigen Muscheln, welche dieselbe Lebensweise führen und dann
und wann auf fremden Tierresten sitzend in unserem Jura angetroffen
werden. Dünnschalig ist auch Exogyra spiralis Qu. , aus Weiss
Jura £ und C , wo wir sie schon manchmal auf fremden Körpern
schmarotzend gefunden haben.
Am häufigsten aber begegnet man im Weissen Jura einer
kleinen Schale , die bald auf Bivalven , bald auf Ammonitenstein-
kernen, auf Schwämmen und Terebrateln schmarotzt. Es ist das
von Qüenstedt (Jura. Taf. 81. 88 — 90) unter dem Namen Spondylus
pygmaeus abgebildete Müschelchen, dem wir aber auch das eine
der beiden Taf. 78. 5 gezeichneten Stücke, nämlich dasjenige links,
zuzählen möchten. Genau so sehen nämlich die in Schwamm- und
Korallenlagern viel vorkommenden Dingerchen aus und sitzen auf
- XCII -
ihrer Unterlage etwa wie das im Jura Taf. 78. 10 abgebildete, auf
einer Isoarca Lochensis Qu. haftende Stück.
Ganz besonders möchten wir aber bei Aufzählung der Conchi-
feren noch auf die B Ohrmuscheln aufmerksam machen, eigen-
tümliche Geschöpfe, die nicht bloss in Holz und Stein, sondern recht
häufig auch in die Schalen anderer Tiere ihre Wohnung eingraben.
Nur, glauben wir, geschieht dies erst dann, wenn das betreffende
Tier gestorben und seine Schale von den Wellen an den Strand
getrieben ist. Auch sie können wir daher nur als Pseudoschmarotzer
bezeichnen. Fossil kommen sie durch den ganzen Jura, ja wohl
schon in älteren Formationen vor, ganz besonders häufig aber sind
ihre Reste in den marinen Bildungen des Tertiärs. Birnförmige,
senkrechte Löcher bohrt die Gattung Fistulana. So hat deshalb
QüENSTEDT ausgefüllte Röhren genannt, wie sie in der Kalkbank des
Lias /i, aber auch ganz ähnlich schon im Arieten- und Angulaten-
lager des Lias a vorkommen (Quenst., Jura. Taf. 12. 12) ; doch haben
wir sie hier nur in Mergelknauer , nie in irgend eine Muschelschale
eingebohrt gefunden. Dies wird anders bei den Pholaden des mittle-
ren Braunen Jura, die nicht bloss das Gestein, sondern auch etwa zur
Verfügung stehende Hartgebilde von Tieren für ihre Zwecke be-
nützen. Wir denken hier hauptsächlich an die Sowerhyi- und
Cavonaten-Schichten. In jenen, hart auf der Grenze von Braun ßly^
findet man alle Anzeichen einer Uferbildung: gerollte Gesteine, die
wieder zusammengebacken sind, abgeriebene Schalen von Muscheln
u. dergl. , häufig genug von Pholadenlöchern durchbohrt. Ahnlich
ist es im mittleren Braun d, wo die grossen, abgeriebenen Bruchstücke
des Belemnites giganteus Qu., sowie die dicken Schalen der Ostraeen.
namentlich der Ostr. eduliformis Qu. , oft voll von Bohrlöchern
stecken. Sehr bezeichnend und für gewisse Schlussfolgerungen, wie
uns dünkt, wichtig dabei ist aber, dass man diese Löcher nie in
den grossen Stücken des Ammonites coronatus Sohl, findet, dessen
Steinkerne doch auch, wie die Austernschalen mit Bryozoen und
Serpeln überdeckt sind. Wir folgern daraus, dass die Ammoniten
eine viel dünnere Schale hatten als z. B. die Ostraeen, so dass es
bei jenen für eine Fholas gar nicht möglich war, sich einzubohren,
aber auch,« dass die Ammonitenschale zu der Zeit, als die Bohr-
muschel lebte, noch nicht mit Schlamm ausgefüllt und zum Stein-
kern geworden war.
Auch der Weisse Jura beherbergt ähnliche Muscheln ; wenigstens
findet man die Korallenstöcke der Nattheimer Schichten öfters von
— XCIII —
Bohrmuscheln durchlöchert , daran man , was sonst bei fossilen
recht selten ist, auch noch die beiden Schalen der Muschel erkennt.
QüENSTEDT nennt dieselben , offenbar mit Anlehnung an den be-
rühmten „Steinbohrer" des Mittelmeers, der auch wohl in Korallen-
stöcke sich eingräbt, Lithodomus süiceus und bildet sie im Jura
(Taf. 93. 2. 3) ganz gut ab.
In der Molasse dagegen treffen wir nur leere oder mit
Schlamm ausgefüllte Löcher, auch wohl die birnförmigen Steinkerne
der Ausfüllung allein, ohne eine Spur von Schale, und auch kaum
jemals in eine Muschelschale, sondern lediglich ins Ufergestein ein-
gebohrt, allerdings manchmal in ungeheurer Menge. So ist bei
Heldenfingen die ganze Wand eines Steinbruchs im Marraorkalk
(Weisser Jura s) von grossen birnförmigen Löchern, eins ans andere
gereiht, durchsetzt, wie denn überhaupt am ganzen Donaurand von
Ulm bis Stotzingen dieses „Bohrwurmpflaster" nachgewiesen werden
kann. Die bohrenden Tiere lebten im Miocänmeer, das damals den
Jura zum Ufer hatte , scheinen aber anderen Gattungen angehört
zu haben , als diejenigen , welche wir vorhin aus dem mittleren
Braunen Jura erwähnt haben. Denn hier in diesen Tertiärschichten
finden wir nirgends z. B. eine Auster angebohrt, obwohl Arten von
letzteren, wie Ostraea longirostris Lam., vorkommen, deren Schalen-
dicke ganz wohl für solche Schmarotzer und ihre Arbeiten genügen-
den Spielraum gegeben hätte.
Sehen wir uns endlich noch im Kreis der
5. Arthropoden um, dem letzten, der uns solche, auch fossil
erhaltene Pseudoschmarotzer liefert, so kommen hier nur die
Crustaceen in Betracht und von diesen wieder nur diejenigen
Arten von Krebsen, die zeitlebens sessil bleiben, die Lepadinen
und Balaniden (Entenmuscheln und Meereicheln). Beides sind
richtige Pseudoschmarotzer; denn sie heften sich nicht bloss an Holz
und Stein, sondern oft genug auch an Muschelschalen u. dergl. an.
Doch kommen sie eigentlich erst im Tertiär zur Geltung, und auch
hier ist es fast einzig die Gattung Baianus, die uns interessiert.
Es ist indes schwer, besondere Arten festzustellen, trotz der un-
geheuren Zahl und Mannigfaltigkeit, in welcher die Individuen z. B.
überall in der marinen Molasse Oberschwabens vorkommen : gross
und klein, gebändert und einfarbig, vollständig und in Bruchstücken.
Sie sitzen oft in Massen auf Schalen der grossen Ostraea longirostris
Lam. , ebenso häufig aber auch auf Kalkgeröll , das offenbar lange
am Meeresstrand hin und her geschoben ward , und gleichen der
— XCIV -
gemeinsten lebenden Species (Bai. tiniinabuhim L.) so sehr , dass
man kaum Unterschiede zu machen wagt.
Damit wären die Tierkreise erschöpft, in welchen und aus
welchen uns Arten begegnen , die als Schmarotzer oder wenigstens
Pseudoschmarotzer die Hartteile anderer Tiere benützen, um sich
darauf anzusiedeln, und wir fragen zunächst weiter, in welchen
Formationen diese Erscheinung wohl zu beobachten ist. Nun
liegt es ja freilich in der Natur der Sache, dass diese uneigentliche
Art von Symbiose , wenn wir uns so ausdrücken dürfen , überall
vorkommen kann und vorkommen wird , wo wir es mit Meeres-
bildungen zu thun haben, in deren Schlamm Schalen der oben-
genannten Tiergeschlechter abgelagert worden sind. Das aber ist
thatsächlich in allen Sedimentschichten der Fall, die wir auf Erden
treffen. Die bekanntesten jener Schmarotzer wenigstens, Austern
und Serpein, wird man überall finden , vom Silur bis zur heutigen
marinen Lebewelt. Dennoch ist es bezeichnend, dass die Häufigkeit
des Vorkommens solcher Dinge in den verschiedenen Formationen
oder Formationsgliedern sehr verschieden ist. Bleiben wir unserem
Programm gemäss beim Jura und zwar beim schwäbischen Jura
stehen, so treffen wir darin Schichten, die fast gar keine, und dann
wieder solche, die eine Masse dieser Pseudoschmarotzer liefern.
Letzteres kommt, wie schon oben bemerkt, namentlich im ober-
sten Lias, im mittleren Braunen Jura und in den Schwamm- und Ko-
rallenschichten des Weissen vor. Kann man doch fast kein Bruchstück
eines Amm. jurensis Ziet. , radians Rein., insignis Ziet. aufnehmen,
darauf nicht eine Serpula oder Bryozoe sässe. Dasselbe ist der
Fall bei den drei grossen Austern des Braun Jura d, den Stein-
kernen des Amnion, coronatus Sohl, und dem grossen Belcmnües
giganteus Qu. aus dieser Schichte, ebenso bei den Korallen und
Ammoniten aus Braun Jura y. Wer aber in der Lochengegend
oder im Nattheimer Horizont sammelt, bekommt ebenfalls Stücke
genug in die Hand, an welchen er derartige Beobachtungen machen
kann. Wir werden wohl den Schluss daraus ziehen dürfen , dass
wir es in den genannten Bänken hauptsächhch mit Strand- oder
Flachseebildungen zu thun haben, während in denjenigen Lagern,
wo dieses Schmarotzerzeug fehlt, dereinst mehr oder weniger
Tiefsee geherrscht haben mag. Von hohem Interesse ist in dieser
Beziehung, was neuerdings die Wissenschaft über die Verteilung
der Lebewesen in unseren heutigen Meeren erkundet und was na-
mentlich Johannes Walther in seiner Einleitung in die Geologie als
— xcv ~
historische Wissenschaft (I. Teil: Bionomie des Meeres. Jena 1893)
so trefflich zusammengefasst hat. Dort erfahren wir, dass Schwämme
und Korallen in verhältnismässig geringer Tiefe leben, dass die mit
ihnen zusammen vorkommende und vielfach von ihnen sich nährende
Fauna auf ganz bestimmte Tierkreise und Gruppen sich beschränkt,
dass Nautilus Pompilius L. nicht im offenen Weltmeer schwimmt,
sondern an Korallenstöcken und auf dem Boden der Flachsee umher-
kriecht, aber auf ein verhältnismässig kleines Seegebiet beschränkt
ist, wogegen seine Schalen, weil sie nach dem Tode des Tieres
von selbst zur Oberfläche auftreiben, nach allen Küsten des Indischen
und Stillen Oceans verfrachtet und daher auch überall gefunden
werden u. dergl. Wenn wir nach dieser Analogie uns das Leben
der einstigen Ammoniten rekonstruieren, so erklärt sich uns manches,
was bisher fast rätselhaft erschien, namenthch bezüghch der vertikal
so geringen, horizontal dagegen so ungeheuren Verbreitung von
Schalen derselben Species in unseren Formationen. Wurden die
leeren Gehäuse irgendwo ans Ufer gespült, ob auch vielleicht Hunderte
von Meilen von dem Ort entfernt, wo das Tier selbst gelebt hatte,
so bedeckten sich dieselben gar bald mit Crinoideen- und Austern-
brut, mit Serpein und Bryozoen, die ja alle noch heute Küsten-
bewohner sind. Auf solche Uferbildungen weisen aber namentlich
auch die Gerolle hin, die wir im mittleren Braunen Jura, die Pholaden-
löcher, die wir im Lias ß, und die abgerollten Belemniten, die wir
manchmal im Lias ; finden. Wo aber Korallen und Schwämme
herrschen, da fehlt's in unseren heutigen Meeren ebenfalls nicht an
dem genannten Schmarotzervolk, und zwar heftet es sich dann dort
meist den Schalen der noch lebenden Tiere an. Und auf solche Lo-
kalitäten werden wir fast überall da hingewiesen, wo wir in unserem
Jura die meisten der genannten Pseudoschmarotzer treffen.
Noch wichtiger aber als der Ort erscheint uns die Art ihres
Vorkommens, d. h. wir fragen nicht sowohl, in welchen Schichten,
sondern insbesondere in welcher Weise wir dieses Zeug auf seiner
Unterlage aufsitzend finden. Und dabei kommt, wenigstens wo es
sich um Gehäuse handelt, die als Polster benützt werden, stets das
doppelte in Betracht, dass wir unsere Schmarotzer ebensogut auf
der Schale wie auf dem Steinkern treffen; ja thatsächlich ist
letzteres weit häufiger der Fall als ersteres. Kommen ja doch
wenigstens die Ammoniten unseres Jura nur ausnahmsweise noch
mit Schale, in der weitaus grösseren Mehrzahl dagegen als blosse
Stein- oder Kieskerne aus dem Lager. Im Weissen z. B. gehört
— XCVI —
ein beschälter Ammonit oder Nautilus zu den allergrössten Selten-
heiten; am ehesten finden sich noch solche im unteren Braunen
{Opalinus- und Murchisonae-Zone), auch wohl unter den Arieten und
Angulaten (Lias a) und fast durchweg im Posidonienschiefer (Lias e).
Aber in denjenigen Schichten gerade , in welchen wir am meisten
solche Schmarotzer finden, ist die Steinkernbildung der Cephalopoden-
schalen fast ausschliessliche Regel. So sitzen z. B. die Austern,
Bryozoen und Serpein auf den Ammoniten der Jurensis- und Coro-
naten-Schichten stets auf Stein-, diejenigen aus dem mittleren Lias
(Lias /?, y und d) auf Kieskernen, die oft vollständig davon bedeckt
sind. Unter andern haben wir z. B. einen Ämm. Turneri Sow.
aus Lias ß von Göppingen, dessen schöner Kieskern gar nicht zum
Vorschein kommt: so sehr ist er über und über von Serpein um-
krustet. Doch besitzen wir auch eine ziemliche Anzahl von Stücken,
bei denen entweder die vollen Schalen oder wenigstens noch
Fetzen davon vorhanden sind, darauf dann die Schmarotzer haften,
ja manchmal scheint gerade an dem Platz, wo eine Serpula oder
Auster sich niedergelassen hat, ein Stückchen Ammonitenschale
noch geblieben zu sein, während sie überall sonst weggeführt wurde.
So hat Pfarrer Gussmann in Eningen in seiner Sammlung einen
Amm. angulatus depressus Qu. von Balingen mit Schale, auf
welcher Austern sitzen , desgleichen einen Ämm. latisulcatus Qu.
aus dem dortigen Arietenkalk mit Schale und aufsitzenden Gryphaeen.
Dasselbe trifft man öfters bei Amm. obtusus Sow. und stellaris Sow.
aus dem Betakalk (Lias ß). Diese Ammoniten haben nämlich un-
verhältnismässig dicke Schalen, während sonst die meisten Ammons-
hörner dünnschalig gewesen zu sein scheinen. So blieben dort
manchmal noch Schalenreste erhalten und auf denselben sitzt dann
hin und wieder eine Serpula oder Ostraea. Von der Orhicula-Bmt,
die auf Schalen des Amm. opalinus Rein, vorkommt, haben wir
oben schon gesprochen. Ebenso zeigen in der Balinger Gegend
(Schörzingen) und an der Wutach (Aselfingen) die Ammoniten des
Braunen Jura ß noch manchmal die Schale, auf der dann (bei Amm.
Murchisonae Sow. und discus Qu.) Austern und Serpein haften.
Ist bei den Ammoniten auch die Wohnkammer noch erhalten,
so kommt es hin und wieder vor, dass solche Schmarotzer auch auf
deren Innenseite gesessen sein müssen; ganz natürlich, denn die
Schale lag offen am Strand und so konnten Serpein und Austern
in den weiten Hohlraum gar leicht hineinkommen. Besonders hübsch
kann man dies bei den Ammoniten im Posidonienschiefer (Lias e)
- XCVII -
beobachten, die zwar völlig verdrückte, aber stets wohlerhaltene
Schalen zeigen. Ich besitze z. B. ein Stück Wohnkammer eines
Falciferen (Ämm. Lythensis Buch) von dort, in welchem neben dem
Aptychus eine Auster sitzt, über die deutlich die Sichelrippen her-
laufen, zum Beweis, dass die Muschel innen an der Schale gesessen
hatte. Und bei Herrn Pfarrer Güssmann in Eningen sah ich die
Wohnkammer eines grossen Ämm. opalinus Rein., freilich nur als
Steinkern , auf dem aber vertiefte Gänge von Serpein eingegraben
erscheinen, offenbar herrührend von der Wurmröhre , die erhaben
auf der Innenseite der Schale gesessen hatte, als diese noch intakt
war. Auch die Steinkernfüllung der Wohnkammer eines Ämm.
Sowerbyi Mill. aus Braunem Jura y zeigt in ganz derselben Weise
Spuren von Austern und Serpein, die also ebenfalls auf der Innenseite
der Ammonitenschale gesessen sein müssen, und zwar in diesem Fall
zweifellos, nachdem das Tier gestorben und herausgefault, aber noch
ehe sein Wohnraum mit Schlamm oder Sand gefüllt war.
Sehr bezeichnend ist es, dass man dies nur an den Wohn-
kammern beobachtet; die Luft kämm er n sind stets nur auf
der Aussenseite mit Schmarotzern bedeckt, wiederum
natürlich, weil dieselben durch eine Kalkwand abgeschnürt und
daher dem Schmarotzervolk gar nicht zugänglich waren. Ahnlich
verhält sich's mit Plicatula. Diese Muschel finden wir bald auf
Stein- und Kieskernen (so Plicatula spinosa Qu. auf Ammoniten des
Lias y und (J), bald auf den Schalen von Cephalopoden aufsitzen,
und zwar meist auf der Aussenseite, dann aber auch hier gleicher-
massen auf Wohn- wie auf Luftkammern. Auch an Belemniten oder
Peden haften sie öfters, dann aber natürlich stets an der Schale.
Denn die Pectiniten des Lias kommen überhaupt nicht als Stein-
kerne vor, die Belemniten aber haben wir als harte, innere Knochen
eines Cephalopoden zu betrachten, die, wenn das Fleisch des Tieres
verwest war , ganz so am Ufer liegen blieben , wie wir sie noch
heute im Lager finden. Von einer Steinkernbildung kann also hier
überhaupt nicht die Rede sein ; die Schmarotzer liessen sich viel-
mehr auf den Belemnitenkegel nieder, wie anderswo auf einen Stein
oder eine Ammoniten- und Austerschale. So treffen wir im Braunen
Jura d die gleichen Setyiila- Arten auf Bdemnifes giganteiis Qu., auf
den drei grossen Austern , sowie auf Ämm. coronatus Schl. sitzen,
wobei letzterer als Steinkern, erstere beiden aber als Schalen er-
scheinen.
Anders ist's mit den Pho laden aus dieser Schichte. Diese
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. g
— XCYIII —
kommen überhaupt auf Ammoniten nicht vor, auch nicht auf den
Steinkernen der grossen Coronaten, wohl zum deutlichen Beweis,
dass diese Ammonitenschalen zu der Zeit, als die Bohrwürmer
lebten, noch gar nicht zu Steinkernen geworden , ja wahrscheinlich
auch nicht einmal mit Schlamm gefüllt waren. Die Schale aber,
die am Ufer gelegen sein mochte, war zu dünn, als dass eine Bohr-
rauschel sich hätte darin ihre Behausung bauen können. Sehr gut
ging dies aber bei den dicken Austernschalen, sowie bei den mächtigen
Belemnitenkegeln, die denn auch oft vollständig von Löchern durch-
bohrt sind, gerade wie in der Son'erbj/i-BKnk (unterer Brauner
Jura y) die Kalkgerölle , denen man dort vielfach begegnet , oder
wie im unteren Lias die Thonknauer, die daselbst von Fistulanen
durchlöchert sind.
Das wirft denn auch einiges Licht auf die Ansiedelung und
Lebensweise dieser Pseudoschmarotzer, und giebt insbesondere einen
Fingerzeig darüber, wie wir uns das Vorkommen derselben
auf Steinkernen zu erklären haben. Wann und solange wir
das Zeug auf den Schalen unserer Muscheln, auf Cidaritenstacheln
oder Belemnitenstücken sitzend finden , hat ja die Deutung nicht
die mindeste Schwierigkeit. Die Analogie unserer heutigen Meere
erklärt alles, da wir darin hundertmal denselben Erscheinungen be-
gegnen. Kann man doch fast kein Schneckenhaus und keine Muschel-
schale in die Hand nehmen, darauf nicht Schmarotzer sässen, und
zwar meist denselben Formen angehörig, wie bei unseren Versteine-
rungen : Serpein und Austern , Schwämme und Bryozoen bedecken
sie oft völlig. Dabei ist es ziemlich nebensächlich, ob der betreffende
Herbergsvater noch lebt, oder ob seine tote Schale längst in der
Tiefe des Meeres begraben oder an irgend ein Ufer gespült ward.
In dem einen wie in dem andern Fall benützen jene Schmarotzer
die Schalen als günstige Unterlage , wo immer sie dieselben finden.
Das lebende Tier wird allem nach so wenig durch solche fremde
Gäste belästigt, die sich auf dem Dach seines Hauses angesiedelt
haben, als die Anodonten, welche aufgepappte lebende Dreissenen
mit sich herumschleppen. In manchen Fällen dürfte die Sache sogar
als eine Art Symbiose aufgefasst werden , wie bei den Einsiedler-
krebsen , die gern eine Qualle auf ihr Schneckenhaus setzen , bei
gewissen Muscheln, die, wie Pinna, Modiola und Mytilus , einen
Krebs zwischen ihren Mantelfalten als „Pinnenwächter" wohnen
lassen, endlich bei Schnecken, deren Gehäuse vollständig mit
Schwammfilz überzogen und dadurch vor seinen Feinden mehr oder
— XCIX —
weniger geschützt ist. Wie in dieser Hinsicht in der heutigen
Lebewelt, namentlich derjenigen des Meeres, eine ganze Menge zum
Teil höchst eigentümlicher symbiotischer Verhältnisse beobachtet
werden, wobei zwei ganz fremde Geschöpfe aus praktischen Gründen,
sei's um die Nahrung leichter zu erlangen, sei's um sich vor drohenden
Gefahren besser zu schützen, einen Bund fürs Leben, wie es scheint,
miteinander zu schliessen pflegen, so mag's ja wohl schon in den
alten Meeren gewesen sein , und das eine und andere Vorkommnis
auch bei unseren Pseudoschmarotzern darf vielleicht darauf zurück-
geführt werden. Keinenfalls z. B. zweifeln wir daran, dass eine
Menge jener fossilen Serpein auf Cidaritenstacheln, Korallenstöcken,
Muschel- und Schneckenschalen noch zu Lebzeiten von deren Be-
wohnern sich wird niedergelassen haben. Austern dagegen und
Brachiopoden , die zeitlebens an derselben Stelle bleiben, werden
schon damals tote Gehäuse vorgezogen haben. Wenn wir aber
derartiges Volk auf Belemniten sitzend finden, so kann ohnedem
kein Zweifel darüber sein, dass das Belemnitentier längst gestorben
und sein Fleisch verwest war, vollends aber, wenn die Schmarotzer
auf Steinkernen ihr Dasein führten.
Und doch möchten wir gerade bei den Stein- und Kies-
kernen unserer Cephalopoden , wenn wir Serpein u. dergl. darauf
antreffen , das Gegenteil behaupten , wenigstens mit Bestimmtheit
erklären, dass diese fremden Ansiedler sich auf der einstigen
Schale, keineswegs aber auf dem Steinkern festgesetzt haben.
Die Erklärung gerade dieses Vorkommens macht ja freilich
einige Schwierigkeit. Man hat die Wahl unter drei Möglich-
keiten, wie man sich"s denken soll, und keine von allen dreien
will einem recht einleuchten. Entweder müsste man annehmen,
dass die Schmarotzer zu einer ganz andern Zeit und in einem ganz
andern Meer gelebt haben als das Ammonitentier , nämlich viel
später , nachdem die Schale des letzteren mit Schlamm ausgefüllt,
der Schlamm zu Stein geworden und die Schale chemisch oder
mechanisch wieder weggeführt worden wäre, so zwar, dass etwa,
wenn wir auf dem Steinkern eines Liasammoniten eine Serpula
linden, diese im Meer des Braunen oder Weissen Jura gelebt hätte.
Oder aber könnte man sich den Prozess der Steinkernbildung als
einen sehr raschen denken , wie es ja auch heute noch vorkommt,
dass an gewissen Meeresküsten schon nach etlichen Jahrzehnten
die Muschelschalen „versteinern". In diesem Fall wäre also die
Schale des gestorbenen Ammonitentiers vielleicht weit her ans Ufer
geworfen worden, hätte sich hier mit Schlamm, Sand oder Schwefel-
eisen gefüllt und dann sofort, nachdem dieser erhärtet war, durch
irgendwelche Einwirkungen wieder aufgelöst. Dann erst wären die
Schmarotzer gekommen, die sich auf dem nunmehrigen Steinkern
ansiedelten, aber als Bewohner desselben Meeres, in welchem auch,
nur etwas früher und vielleicht an anderer Stelle der Ammonit ge-
lebt. Endlich aber liegt eine dritte Möglichkeit vor, und so man-
ches vielleicht für die erste oder zweite Erklärungsweise sprechen
möchte , so ist , wie oben schon angedeutet , diese dritte unseres
Erachtens die einzig richtige: wir nehmen an, dass die Schmarotzer
stets auf der Schale des betreffenden Wirtes, nie auf
seinem Steinkern gesessen sind, einerlei, ob das Schaltier
zu dieser Zeit noch lebte oder schon zu Grunde gegangen war,
also jedenfalls in demselben Meer, in welchem auch der Ammonit
lebte, und wenn auch vielleicht örtlich, so doch zeitUch nicht weit
von ihm entfernt. Wenn wir sie trotzdem jetzt, und zwar so
häufig , auf Stein- oder Kieskernen haftend erbhcken , so müsste
eben später die Ammonitenschale aufgelöst und weggeführt worden
sein, ohne dass die darauf sitzende Auster oder Serpula Schaden
genommen hätte. Letztere wäre einfach an ihrer Anhaftstelle sitzen
geblieben, auch nachdem sozusagen unter ihr weg die Schale des
Ammoniten verschwunden.
Und dies ist in der That unsere Meinung, wofür wir
folgende Gründe anführen. Zum ersten scheint uns der Prozess der
Steinkernbildung für die Regel durchaus nicht so rasch vor sich gehen
zu können , dass zeitgenössische Schmarotzer eines Ammoniten auf
dessen Steinkern sich niederlassen konnten. Oder wie sollte es möglich
sein, dass innerhalb weniger Jahrzehnte die Kammern eines Schnecken-
hauses sich mit Schlamm füllten, dieser Schlamm dann zu Stein er-
härtet und noch das Gehäuse durch irgendwelche Vorgänge, die doch
selbst wieder geraume Zeit brauchen, weggeführt würde? Zum
zweiten finden wir überall in unseren Schichten, dass dieselben
Schmarotzer, die mit dem Ammoniten im gleichen Meer zusammen-
gelebt, auch auf seinem Steinkern sich niedergelassen haben. Es
sind z. B. die nämlichen Arten von Bryozoen oder Serpein,
die auf dem Steinkern eines Amm. coronatua Schl. wie auf den
mit ihm im gleichen Lager liegenden Ostraeen oder Belemniten
sitzen. Bei den letzteren aber ist es ja doch das allernatürlichste,
anzunehmen, dass die Schmarotzer sich da angeheftet haben, wo
wir sie heute finden, und zwar zu einer Zeit, da der betreffende
— CI —
Gastwirt (die Auster) noch lebte, oder wenigstens noch nicht lang
vorher gestorben war und seine Hartteile (Kegel des Belemnites
giganteus Qu.) auf dem Meeresboden zurückgelassen hatte. Zu
gleicher Zeit und an demselben Ort mit ihnen zusammen lagen
auch die Schalen des Ämm. coronatus Schl. , und dieselben
Schmarotzer nisteten sich auf ihnen ein. Da aber die Ammoniten-
schale viel dünner war als diejenige einer Auster, so ging sie auch
viel leichter zu Grunde. Das dicke Ostraeengehäuse oder Belemniten-
stück blieb unversehrt bis auf unsere Tage , während wir von den
Ammoniten jetzt in der Regel nur mehr die Steinkerne haben.
Diese aber konnten damals, als die Schmarotzer lebten, noch nicht
gebildet gewesen sein, sonst hätten sich auch Pholaden in sie ein-
gebohrt, so gut wie in die danebenliegenden dickschaligen Austern;
die Schmarotzer hefteten sich also hier wie dort auf die Schalen an.
Hin und wieder — und dies ist ein weiterer Grund für unsere
obige Behauptung — bemerken wir nun aber, dass in der That
der Schmarotzer auf einem Stück Schale sitzt, auch wenn der ganze
Ammonit um ihn her zum Steinkern geworden ist. Wir sahen z. B.
Exemplare von Ämm. macrocephalus Schl. , die noch da und dort
mit Schalenfetzen bedeckt waren, und dieselben Serpein sassen
teils auf diesen, teils nicht weit davon auf den Loben,
also dem Steinkern des Ammoniten. Oder auch kamen uns Stücke
in die Hand, wo gerade und nur unter der schmarotzenden Auster
noch ein Fetzen von der Ammonitenschale erhalten , der ganze
übrige Ammonit aber zum Steinkern geworden war. Man könnte
sich fragen, weshalb, wenn die Ammonitenschale weggeführt wurde,
dies nicht gleichzeitig auch mit der Schale des aufsitzenden
Schmarotzers geschehen sei, die ja aus dem nämlichen Stoff, d. h.
kohlensaurem Kalk bestand, ebenso, wie eine Auster oder Serpula,
die also ursprünglich auf der Schale des Ammoniten sass, auf dessen
Steinkern gelangt sei, was wir ja thatsächlich jetzt oft genug finden.
Was letzteres betrifft, so erklären wir uns dies so: die Schale
des Schmarotzers war mit derjenigen des Ammoniten, die ihr zur
Unterlage diente, so fest verwachsen, dass dadurch letztere, gleichsam
in ihrer Dicke verdoppelt und verdreifacht, ebensowenig aufgelöst
oder weggeführt werden konnte wie die Schale z. B. einer Ostraea
eduliformis Qu. und ähnliche. Die zwei Schalen aber, ohnedem
aus demselben Stoff bestehend, sind so sehr eine Masse geworden,
dass wir jetzt nur noch in Ausnahmsfällen beide unterscheiden und
sagen können : hier ist noch ein Stückchen Ammonitenschale und
— CII —
dort fängt das Gehäuse der aufsitzenden Serpula oder Ostraea an.
Dies giebt dann zugleich Antwort auf die erste aufgeworfene Frage,
weshalb nämlich beim Auflösungsprozess nicht die Schale des auf-
sitzenden Schmarotzertiers samt derjenigen seiner Unterlage weg-
geführt worden sei. Wir vermuten, aus dem Grunde nicht, weil
die durch Zusammenwachsen beider so bedeutend vergrösserte Kalk-
masse der Auflösung viel mehr Widerstand leisten konnte , als die
dünne Schale des Ammoniten allein. Ausserdem kommt hier in
Betracht, dass zwar beide Schalen, diejenige des Ammoniten wie
diejenige der aufsitzenden Auster aus dem nämlichen Stoff, d. h.,
wie wir oben sagten , aus kohlensaurem Kalk bestehen. Dennoch
ist dieser Stoff bei beiden nicht einerlei, sondern von verschiedenen
Strukturverhältnissen: das eine Mal besteht nämlich jener kohlensaure
Kalk aus Kalkspat, das andere Mal aus Aragonit, und diese beiden
lösen sich nicht in derselben Weise auf, sondern bei dem einen
geht die Zersetzung weit rascher als beim andern vor sich. Dies ist denn
auch wohl der Hauptgrund, weshalb die eine Schale erhalten blieb
(die der Auster), die andere zu Grunde ging (die des Ammoniten).
Wir kommen also zu dem Resultat und bleiben dabei, dass
die sogenannten Pseudoschmarotzer samt und sonders
gleichzeitig und in den gleichen Meeren mit den Tieren
gelebt haben, auf denen wir sie jetzt treffen, und dass
sie auf deren Schalen gesessen seien, das eine Mal wohl noch
zu Lebzeiten des Ammoniten, häufiger wahrscheinlich, nachdem
letzterer gestorben und sein Gehäus an den Strand geworfen war,
also auch in diesem Fall nicht allzulang nach seinem Tode, wenn
auch vielleicht weit weg von dem Ort, da er sein Dasein geführt
hatte. Der Steinkern , auf dem wir sie jetzt so vielfach haften
sehen, hat sich erst viel später und ohne Zweifel in sehr langsamem
Prozess gebildet, indem bald durch mechanische Gewalt, meist aber
wohl auf chemischem Wege die Schale aufgelöst und weggeführt
wurde. Den Grund, weshalb dies bei den Ammoniten fast immer,
bei den Austern und Belemniten aber nicht geschah, haben wir
oben schon damit angegeben, dass wir darauf hinwiesen, die Schale
des Ammoniten müsse verhältnismässig dünn gewesen sein. Dies
wird bestätigt durch die hin und wieder, z. B. im Posidonienschiefer
noch erhaltenen Reste , die papierdünn erscheinen. Mag auch hier
der Druck mitgewirkt und mögen einzelne Ammoniten vielleicht
Schalen von 6 — 10 mm Dicke gehabt haben (bei Ämm. stellaris
Sow. sind uns oft noch derartige Fetzen erhalten) ; in der Regel
— cm —
wird die Schalenstärke jener alten Cephalopoden ungefähr die gleiche
gewesen sein , wie die der noch jetzt lebenden , insbesondere des
Nautilus Pompilius L. Eine derartige Schale ist aber selbstver-
ständlich nicht dick genug, um Pholaden die Möglichkeit zu ge-
währen , ihre Löcher einzubohren , und doch wieder so stark , dass
sie lang genug halten konnte, um den in ihren Hohlräumen abgelager-
ten Schlamm erhärten zu lassen, bevor sie selbst zu Grunde ging.
Wenn sich aber Schmarotzer darauf finden, so ist das ein deut-
liches Zeichen, dass die Schalen zu der Zeit, als jene lebten,
am Ufer eines Meeres oder jedenfalls in einer Flachsee
lagen, da Pholaden und Austern, Serpein und Bryozoen keine Tiefsee-
bewohner sind. Wenn wir aber wohl mit Piecht vermuten dürfen,
dass die genannten Schmarotzer vielfach auf den Ammonitenschalen
gesessen sind, während der Ammonit oder Nautilus noch lebte, so
würde dadurch bestätigt, was der früher genannte Professor Johannes
Walther über die Lebensweise unserer heutigen Nautilus-Yiexo^ be-
richtet, nämlich dass dieselben keine Hochsee- sondern Riffbewohner
seien, auch für gewöhnlich nicht auf der Oberfläche schwimmen,
sondern wie Schnecken auf dem Grund oder an den Felsen umher-
kriechen.
So giebt uns die nähere Betrachtung auch solcher Geschöpfe,
die wie unsere Pseudoschmarotzer in der Fossilwelt eine höchst
untergeordnete Rolle zu spielen scheinen, dennoch Gelegenheit, durch
Kombination und Schlussfolgerung uns einen Einblick zu verschaffen
auch in die Lebensweise jener beschälten Cephalopoden , die im
einstigen Jurameer unbestritten obenan gestanden sind, wie noch
heute ihre Reste für diese Formation als weitaus wichtigste Leit-
muscheln gelten , deren Leben und Treiben aber noch immer so
ausserordentlich unbekannt und so viel umstritten ist: wir meinen
unsere Lieblinge, die jurasischen Ammoniten.
Sitzungsberichte.
Wissenschaftliche Abende des Vereins in Stuttgart.
Sitzung- vom 14. Juni 1894.
Die Sitzung eröffnete der Vorsitzende Prof. Dr. Kirchner mit dem
Hinweis auf den am 29. d. M. in Stuttgart stattfindenden 50. Jalirestag
des Vereins ; das nähere Programm des Festes wird veröffentlicht werden.
Als erster Redner sprach sodann Prof. Dr. Kirchner über eine
botanische P f i n g s t-t o u r.
Dieselbe galt dem insubrischen Seengebiete der Schweiz, insbesondere
den Ufern des Lago maggiore und des Luganersees und war veranlasst
durch eine Einladung von Prof. Scheötek in Zürich, der mit seinen
Schülern diese Gegend zum Ziel einer botanischen Exkursion ersehen
hatte ; der Redner , der dieser Einladung folgend mit einer Anzahl
Studenten von Hohenheim sich dieser Tour anschloss, konnte nicht
rühmend genug die treffliche Vorbereitung der Reise hervorheben, welche
den Teilnehmern gestattete, in kurzer Zeit den botanischen Charakter
dieses bevorzugten Landes kennen zu lernen. Verschiedene Faktoren
wirken zusammen, diesen Landesstrich als den botanisch merkwürdigsten
Europas, vielleicht der Welt erscheinen zu lassen; das insubrische Ge-
biet ist klimatisch ganz besonders begünstigt, die Temperatur ist nicht
eigentlich mediterran (mittlere Jahreswärme von Bellinzona 12,5, von
Nizza 15,6), aber die mittleren Winter- und Sommertemperaturen sind
hoch (Bellinzona im Winter -|- 3,1 , Sommer -f- 21,7) und namentlich
sind die Minima des Winters nur gering (Bellinzona — 6,8, Locarno — 4).
Es herrscht ein herrlicher Reichtum von Feuchtigkeit (Bellinzona 180 mm)
und zugleich eine solche Verteilung derselben, dass doch sonnenarme,
bedeckte Tage nicht häufig sind ; die Folge sind eine auffallende Üppig-
keit der Bewaldung, eine tauige Frische der ganzen Vegetation. Hierzu
kommt die Spalierwirkung des steilen südlichen Alpenabfalles, welcher
die nördlichen und nordwestlichen Winde abhält und eine kräftige In-
solation bewirkt und in den Seen macht sich deren Einfluss geltend,
indem sie die Temperatur durch Zurückwerfen der Sonnenstrahlen er-
höhen und durch ihre Verdunstung die Ufer vor starker Ausstrahlung
und dadurch gegen Fröste schützen. Nimmt man zu all diesen klima-
- cv —
tischen Vorzügen das einzig schöne Relief der Gegend, die wundervolle
Klarheit und Schönheit der Luft, so erscheint das insubrische Gebiet
als eines der privilegiertesten Europas. In lebhafter farbenprächtiger
Darstellung schildert Redner die Fülle der Eindrücke der Exkursion;
ähren Anfang nahm diese bei Sordola, ihre Glanzpunkte waren der Be-
such von Isola bella und Isola madre mit ihrer subtropischen Vegetation :
Südeuropa, Afrika, Asien, Nord- und Südamerika wie Australien haben
sich vereint, mit ihren pflanzlichen Schätzen die Inseln zu schmücken
und das Klima gestattet ihnen allen, hier in voller Üppigkeit sich
heimisch zu machen. Eingehend schildert Redner die botanischen Speciali-
täten, die der Fachmann hier wie auf der ganzen Tour zu finden Ge-
legenheit hat, und betont besonders wie eigentümlich das Hineinspielen
der von den Bergen herabgestiegenen alpinen Flora in diese südliche
Pflanzenwelt während der ganzen Reise wirkte; an einer Mauer ver-
wildert die mexikanische Agave und unweit davon die Alpenrose blühend;
dieses eine Beispiel ist bezeichnend für den botanischen Charakter dieses
Gebietes. Da selbst auf den borromeischen Inseln das Botanisieren den
Teilnehmern der Exkursion gestattet war, so hatten dieselben reichlich
Gelegenheit, ein interessantes Herbar sich anzulegen, welches der Redner
nebst einer grossen Anzahl Photographien und anderen Reiseerinnerungen,
wie z. B. Rosenkränze aus den Früchten der Eucalj'pten oder der
Wassernuss zur Besichtigung aufgelegt hatte.
Es war ein interessantes Gegenstück, auch im zweiten, von Prof.
Dr. Eberhard Fraas gehaltenen Vortrag einen Bericht über eine
Pfingstexkursion zu vernehmen, aber mit einem ganz anderen Ziel, näm-
lich dem östlichen Ungarn. 18 — 20 Tage brauchten vor bald
200 Jahren (1716) die Boten von Stuttgart bis zu den östlichen Grenzen
Ungarns, wo sich damals das tapfere Regiment Alt-Württemberg mit
den Türken in blutigen Schlachten herumschlug, und heutzutage macht
man ohne Beschwerden in den mit allem Komfort ausgestatteten Wagen
der Expresszüge eine Pfingstreise an jene Grenzen europäischer Kultur.
In kurzen Zügen schildert der Redner die Eindrücke auf der 24stündigen
Fahrt nach Grosswardein und das Gebiet zwischen der schwarzen und
schnellen Koros, wo er eine geologische Untersuchung für einen unserer
württembergischen Grossindustriellen vorzunehmen hatte. Grossartig sind
namentlich die Bilder der in frischen Frühjahrsfarben stehenden Puszta
mit ihren endlosen Feldern und Weiden, auf denen sich zahllose Herden
von langgehörnten Ochsen, zierlichen Pferden, langbehaarten Schweinen
und Schafen tummeln. Die waldreiche , bergige Landschaft der Herr-
schaft Lumkazprie, wo unser schwäbischer Geologe meist zu Pferd seine
Untersuchungen machte, zeigen ein Gemisch von Landschaftsbildern Ober-
schwabens, der Alb und des Schwarzwaldes, ganz entsprechend den geo-
logischen Formationen, welche teils aus Tertiär mit Moränenüberlagerung,
teils aus Jurakalk oder aus Buntsandstein und Urgebirge bestehen.
Besonderen Reiz bildeten die Schilderungen von dem Leben und Treiben
der dortigen Bevölkerung , der Walachen , die in geradezu rührender
Bedürfnislosigkeit, aber auch in kaum glaublicher Unbildung ein kummer-
haftes Dasein fristen.
— CVI —
Zum Schluss der Versammlung ladet der Vorsitzende ein , altem
Brauche gemäss am 2. Donnerstag des Juli sich in Hohenheim zu ver-
sammeln, welchem Vorschlag die Anwesenden freudig zustimmten.
Sitzung vom 11. Oktober 1894.
Mit dieser Sitzung nahmen die Zusammenkünfte des Winterhalb-
jahrs 1894/95 wiederum ihren Anfang.
Der seitherige Vorsitzende, Prof. Dr. Kibcihnek (Hohenheim), er-
füllte zunächst eine Pflicht der Pietät, indem er in warmen Worten
der Erinnerung des raschen Hinganges des Privatier Knüttel gedachte,
der stets den wissenschaftlichen Bestrebungen des Vereins reges Interesse
entgegengebracht und als Mitglied der Erdbebenkommission an deren
Arbeiten thätigen Anteil genommen hat. Der Redner konnte zugleich
die Mitteilung machen, dass seine Witwe zum ehrenden Gedächtnis ihres
Mannes dem Vereine eine Stiftung zu überweisen die Güte gehabt habe.
Die darauf folgende Wahl des Vorsitzenden für das begonnene
Vortragsjahr ergab die Wahl von Prof. Dr. Sussdoef zum ersten, von
Prof. Dr. Leuze zum zweiten Vorsitzenden; Schriftführer blieb Prof.
Dr. Lampert.
Den ersten Vortrag des Abends hielt Prof. Dr. A. Schmidt
über das Thema: Mechanismus der Gewitterstürme.
Die meteorologische Wissenschaft verdankt einen ihrer grüssten
Fortschritte dem im Jahre 1872 erschienenen Werke von Prof. Reye in
Strassburg: ..Die Wirbelstürme, Tornados und Wettersäulen." Obgleich
Reye ausdrücklich von den von ihm wissenschaftlich behandelten Wirbel-
stürmen eine zweite Art von Stürmen unterschieden hatte, die an den
norddeutschen Küsten häufiger und gefährlicher auftreten, als jene, so
hat doch das epochemachende Buch von Reye die Wirkung gehabt, dass
bis lieute wenigstens unter den Laien die einseitige Vorstellung verbreitet
ist, als ob womöglich alle Gewitterstürme, jedenfalls die heftigen orkan-
artigen Umwälzungen der Luft als Wirbel mit mehr oder weniger
vertikaler Axe aufzufassen waren. Die Meteorologen aber zweifeln nicht
mehr daran, dass zum Unterschied von den nordamerikanischen Tornados
die meisten und gefährlichsten unserer europäischen Gewitter sogenannte
Gewitterböen sind, bei welchen die Richtung des Sturms keine andere
ist, als die der fortschreitenden Vorwärtsbewegung der Gewitterwolke.
An der Hand von schematischen Skizzen aus einer Programmabhandlung
von Dr. Clemens Hess in Frauenfeld : ,, Die Hagelschläge der Schweiz
in den Jahren 1883 — 91 und Theorie der Entwicklung und des Ver-
laufs der Hagelwetter" erläuterte der Vortragende, dass der Gewitter-
sturm als eine mehr oder weniger langgezogene Welle aufgefasst werden
könne, welche über die Erde hinziehe und dabei einen labilen Gleich-
gewichtszustand der Lagerung der Luftschichten vor ihr in einen stabilen
hinter ihr umwandle. Die Energie der verschwundenen Wärme der
Luft und des kondensierten Wasserdampfes hat schliesslich zur Auf-
lockerung und Erwärmung höherer Luftschichten gedient und kehrt durch
- CVII —
den Vorgang der selbstthätigen Mischung der Luft infolge der Wärme-
bewegung der kleinsten Teilchen, deren Geschwindigkeit von oben nach
unten wächst, wieder zu den unteren Atmosphärenschichten zurück.
Den zweiten Vortrag hielt Prof. Dr. Eberh. Fr aas, in dem er
über den Verlauf des VI. internationalen Greologenkongresses
in Zürich berichtete.
Die alle 3 Jahre tagenden internationalen Geologenkongresse sind
"VVanderversammlungen im weitesten Sinn, denn sie tagen ihrem Charakter
entsprechend in allen möglichen Reichen der Erde ; Paris, Bologna, Berlin,
London, Philadelphia, Zürich und das nächste Mal Petersburg sind die
bis jetzt gewählten Versammlungsorte, an denen die Geologen der ganzen
Welt zusammenströmen, zunächst um über einzelne strittige internationale
Fragen, die sich meist um einheitliche Farbendarstellungen und Bezeich-
nungen auf den geologischen Karten drehen, zu verhandeln, hauptsächlich
aber um sich gegenseitig kennen zu lernen, und um unter kundiger
Führung Exkursionen in der weiteren Umgebung des Versammlungsortes
zu machen. Die Schweizer Kollegen hatten es so eingeteilt, dass 8 Tage
vor dem Kongress auf Exkursionen in dem Juragebirge und 10 Tage
nach den Sitzungen auf Exkursionen in den Alpen verwendet wurden.
Bei der grossen Beteiligung musste man sich natürlich in einzelne Sektionen
trennen, deren jede einem der lokalkundigen Geologen unterstellt wurde.
Der Eedner, der zusammen mit einigen württembergischen Freunden der
Geologie erst im Aargauer Jura bei glühender Hitze und nachher im
Berner Oberland bei Regen und Schnee Steine klopfend herumgezogen,
erzählt nun von den hochinteressanten geologischen Problemen, welche
die durch Schub und Druck zusammengestauchten und durcheinander-
gepressten Schichten bieten. In der Zeit zwischen den beiden Exkursionen
tagte vom 29. August bis 2. September der Kongress in Zürich, wo in
den Sitzungen des Interessanten genug und übergenug geboten wurde,
waren doch nahezu alle wissenschaftlichen Grössen der AVeit dort ver-
treten, um in Vorträgen und durch Auslagen von Karten u. dergl. den
Stand der geologischen Untersuchungen in den einzelnen Ländern zu
kennzeichnen.
Sitzung vom 8. November 1894.
Den ersten Vortrag hielt Dr. 0. Bu ebner, Assistent am
K. Naturalienkabinet, über Symbiose.
Redner wies in der Einleitung darauf hin , dass die Organismen
schon in ihrer Gesamtheit betrachtet, als die beiden grossen Reiche der
Lebewesen in physiologisch gesetzmässigem mutualistischem Verhältnis
zu einander stehen durch ihre komplementären Lebensfunktionen , und
ging dann auf die verschiedenartigen Modifikationen in dem Genossen-
schaftsleben der Organismen ein, wobei uns zunächst das auf gegen-
seitiger Nutzleistung beruhende Zusammenleben der Organismen als nor-
male Form der Symbiose , die auch als Mutualismus bezeichnet wird,
entgegentritt. Redner betonte dabei , dass man zweierlei Formen der
— CVIII —
Symbiose zu unterscheiden habe, nämlich die Symbiose gleichartiger und
ungleichartiger Organismen, und dass sich aus diesen beiden Formen
weitere sehr charakteristisch zum Ausdruck kommende Modifikationen in
den Beziehungen der Lebewesen ableiten lassen, indem nämlich die
Symbiose gleichartiger Organismen zur Vielgestaltigkeit hinsichtlich der
einzelnen Individuen, zum Polymorphismus, führt, wobei sich die einzelnen
Gesellschaftsglieder morphologisch und physiologisch als Organe für be-
stimmte Funktionen repräsentieren, während die Symbiose ungleichartiger
Organismen in die Tischgemeinschaft, den Kommensalismus übergeht,
wobei der Nutzen nur noch ein einseitiger ist, und schliesslich in das
echte Schmarotzertum, den Parasitismus, ausartet, die Erscheinung, dass
ein Tier ausschliesslich auf Kosten seines Nächsten teils auf, meist aber
in dem Leibe desselben lebt. Polymorphismus einerseits, Kommensalismus
anderseits sind demnach nach der Auffassung des Redners als keine
besonderen Modifikationen im Grenossenschaftsverhältnis der Lebewesen,
sondern einfach als Ausartungsstadien der normalen mutualistischen
Symbiose zu betrachten, aus der sie sich stufenweise ableiten lassen.
Der Vortragende erläuterte sodann die verschiedenartigen symbiotischen
Beziehungen an den prägnantesten Beispielen in der Natur , aus denen
das Leben der Herdentiere und staatenbildenden Insekten, die der Redner
ebenfalls in den Begriff der Symbiose hereinzieht, die polymorphen Stöcke
der Röhrenquallen, das Verhältnis des Einsiedlerkrebses mit der Mantel-
aktinie, die gegenseitige Anpassung von Pflanzen und Insekten und die
interessante Algensymbiose mit Protozoen und Cölenteraten besonders
hervorgehoben wurden.
Den zweiten Vortrag hielt Dr. J. Vo sseler über Bau und
Funktion der D ü n n d a r m s c h 1 e i m h a u t.
Einleitend behandelte Redner die verschiedenen Gewebelagen, aus
denen die Darmwandung sich zusammensetzt. Von innen nach aussen
folgen aufeinander: 1. die Schleimhaut, 2. eine doppelte Lage von
Muskeln und endlich die bindegewebige Umhüllung des Darms. Die
Schleimhaut — • abermals von innen nach aussen gerechnet — lässt
zunächst eine einfache Schicht hoher Cylinderzellen — das Cylinder-
epithel — erkennen, welches einer lockeren von Muskeln, Nerven und
Blutgefässen durchzogenen Bindegewebeschichte aufsitzt. In dieser Schichte
sind zahlreiche Drüsen, die sogen. Darmdrüsen eingebettet, welche eng
beisammenliegend an die Muskellage angrenzen. Die innere Muskelschichte
besteht bei allen Wirbeltieren aus Ring-, die äussere aus Längsmuskeln.
Beide Schichten bewirken die Wanderung des Speisebreies durch den
Darm vermittelst sogen, „peristaltischer" Bewegungen.
Von innen gesehen gleicht die Schleimhaut einem Pelz, was seine
Erklärung in zahlreichen kleinen, eng aneinander gepressten Erhöhungen,
den Zotten, findet. Die Oberfläche wird durch die Zotten um das 2 3 fache
vergrössert. Der Darm der Reptilien, Amphibien und Fische besitzt an
Stelle der Zotten einfache leistenförmige Erhebungen, welche teils parallel
der Längsrichtung des Darmes verlaufen, teils unregelmässige engere
oder weitere Netze bilden.
— CIX -
Die Schleimhaut mit ihren Zotten nimmt die für die Erhaltung-
des tierischen Organismus nötigen, durch den Prozess der Verdauung
zur Assimilation vorbereiteten Nährstoffe aus dem Darmlumen auf und
führt sie auf vorgezeichneten Wegen — den Chylusgefässen — dem
Blutkreislauf und damit den Organen zu. Die Nährstoffe müssen hierbei
naturgemäss durch die innerste Schichte der Schleimhaut, durch das
Cylinderepithel, hindiirchtreten. Bei Flüssigkeiten, gelösten Salzen und
Fetten geschieht dies nach Art der Diffusionsvorgänge. Die Epithel-
schichte verhält sich aber hierbei nicht wie eine tote tierische Membran,
sondern weist elektive Eigenschaften auf. Sehr schwer zu erklären ist
die Art und Weise, wie solche Substanzen aufgenommen werden, welche
nicht diffundieren können, wie ungelöste Fette und Peptone. Man nimmt
an, dass dieselben rein mechanisch von den weissen Blutkörperchen
(Lymphzellen) durch das Epithel hindurch in das Innere der Zotten
transportiert werden. Diese weissen Blutkörperchen vermögen selbständig
zu kriechen und durch Gewebe hindurchzuwandern, ausserdem aber sich
mit Stoffen zu beladen und dieselben wieder abzugeben. Im Darm nun
kommen dieselben in unzähligen Mengen vor und können leicht beob-
achtet werden, wie sie von den eben erwähnten Eigenschaften Gebrauch
machen. Der Weg durch das Epithel ist aber ein langsamer und
schwieriger, mag nun die Wanderung durch die Zellen selbst hindurch
oder zwischen den seitlichen Grenzflächen derselben stattfinden. Aus
verschiedenen mechanischen Gründen, welche vom Vortragenden eingehend
erörtert wurden, lässt sich schliessen, dass besonders die Rückkehr durch
das Epithel für die weissen Blutkörperchen, welche im Darmlumen mit
Nährstoffen sich beladen haben, mit vielen Schwierigkeiten verknüpft
sein muss, wenn nicht besondere Vorrichtungen hierfür vorhanden sind.
Als solche dürften vielleicht erweiterbare Öffnungen im Epithel anzu-
sehen sein, welche der Vortragende an Spitzen der Zotten der Säuge-
tiere und Vögel, sowie auf den leistenförmigen Erhebungen des Dünn-
darms der übrigen Wirbeltiere gefunden hat. Diese Öffnungen sind
an jeder Zotte eine, sehr selten etwas seitwärts davon noch eine zweite
vorhanden und stehen mit einem kleinen kappenförmigen Holilraum in
Verbindung, der unterhalb des Epithels über dem Zottenkörper liegt. In
diesem Hohlraum trifft man, wie auch in der Lücke des Epithels, stets
weisse Blutkörperchen an. Bei der Mangelhaftigkeit unserer Kenntnisse
über die Resorptionsvorgänge ist es natürlich nicht ausgeschlossen, dass
die erwähnten Öffnungen auch in anderer Weise wirken. So könnten
dieselben möglicherweise zur direkten Aufnahme vorbereiteter Nährstoffe
dienen, vielleicht auch (wenigstens bei pathologischen Zuständen) finden
durch dieselben Absonderungen aus der Darmwaud ins Darmlumen (etwa
aus den Chylusgefässen) statt. Wenn aber auch über den physiologischen
Wert dieser Einrichtung zur Zeit nichts Bestimmtes angegeben werden
kann, so ist doch der mitgeteilte histologische Befund, für dessen Richtig-
keit zahlreiche Beweise erbracht werden konnten, für die Physiologie
des Darms von grossem Interesse und wohl wert, dass die Physio-
logen auf experimentellem Wege eine Deutung desselben zu erreichen
suchen.
— ex -
An der sehr lebhaften und andauernden Erörterung über diesen
Gegenstand nahmen Prof. Sussdokf, Prof. Gmelin und Dr. Fabee regen
Anteil.
Sitzung vom 13. Dezember 1894.
Den ersten Vortrag hielt Prof. Dr. Mack von Hohenheim über
doppelte Brechung elektrischer Strahlen.
Das Thema ist dem Grenzgebiet zwischen Optik und Elektricitäts-
lehre entnommen, in dem die beiden Disziplinen sich berühren und in-
einander übergreifen. Die Kenntnis der in dieses Grenzgebiet fallenden
Erscheinungen ist eine verhältnismässig neue; eine der ersten Entdeckungen
war die von Fakaday nachgewiesene Drehung der Polarisationsebene des
Lichts unter dem Einfluss elektromagnetischer Kräfte. Wenn heutzutage
von Beziehungen zwischen Licht und Elektricität die Rede ist, so denkt
auch der Laie in erster Linie an Heinkich Hektz, der am Anfang dieses
Jahres der Wissenschaft durch einen viel zu frühen Tod entrissen wurde.
Heetz war der erste, dem es gelang, elektrische Strahlen zu erzeugen,
von denen er nachwies, dass sie denselben Gesetzen der Zurückwerfung,
Brechung etc. gehorchen, wie die Lichtstrahlen. Er konnte aus seinen
Versuchen folgern, dass alles Licht, von welcher Lichtquelle es auch
herrühren mag, nichts anderes ist, als eine elektrische Erscheinung. Die
Versuche von Heetz erstreckten sich ausser Zurückwerfung und Brechung
auch auf Interferenz und Polarisation elektrischer Strahlen ; sie wurden
von zahlreichen anderen Forschern fortgeführt und erweitert. Der Vor-
tragende berichtete nun über Experimente, die er selbst angestellt hat,
um auch Erscheinungen der Doppelbrechung an elektrischen Strahlen
nachzuweisen. Die Hauptschwierigkeit lag in der Ermittelung eines
geeigneten Materials, das diese Erscheinungen zeigt. Die Untersuchungs-
methode verlangt, dass dieses Material in grossen Stücken zur Verfügung
steht. Der Vortragende fand , dass eine Substanz , die zum Nachweis
doppelter Brechung an elektrischen Strahlen sehr geeignet sich erweist,
das Holz ist; die Versuche wurden mit Tannen-, Eichen- und Buchen-
holz ausgeführt. Wie das dunkle Gesichtsfeld, das zwei in gekreuzter
Stellung befindliche NicoL'sche Prismen darbieten, durch eine doppel-
brechende Krystallplatte aufgehellt wird, die man in geeigneter Stellung
zwischen die Prismen einschaltet, so wird die Funkenstrecke eines Heetz "-
sehen Hohlspiegels, der in gekreuzter Stellung einem zweiten, den elek-
trischen Strahl aussendenden Hohlspiegel gegenübersteht, aufgehellt, falls
eine den Fasern parallel geschnittene Holzplatte in geeigneter Stellung
in den Weg des Strahls gebracht wird. Dieser Versuch beweist, dass
im Holz doppelte Brechung der elektrischen Strahlen stattfindet. Den
Platten wurden bei den Versuchen Dicken bis zu 70 cm gegeben.
Den zweiten Vortrag hielt Dr. Ernst Müller über das Wieder-
wachsen (Regeneration) vonKörperteilen.
Der Redner erinnerte zunächst daran, dass die Thätigkeit der
Regeneration durch das ganze Tierreich verbreitet ist, und ging unter
— CXI —
Anführung zahlreicher Beispiele die einzelnen Klassen darauf hin durch.
Bei den niederen Tieren ist die Regeneration weit mehr ausgebildet, als
l3ei höheren: während bei jenen ganze Körperteile, wenn sie verloren
gegangen sind, wieder erzeugt werden, reicht die Regenerationskraft bei
den Säugetieren nur hin, um Lücken, die durch Verwundung u. dergl.
in den Geweben entstanden sind, wieder auszubessern. Bei der Regene-
ration bilden sich die neuen Gewebe immer aus dem Reste der alten ;
€s bildet also Epithel wieder Epithel, Knochen wieder Knochen. ]\[uskel
wieder Muskel u. s. w. Der Redner bespricht sodann eingehend die
anatomischen Vorgänge, die sich bei der Wiedererzeugung dieser einzelnen
Gewebe abspielen. Als Beispiel für die Art der Regeneration von ganzen
Körperteilen wird vom Vortragenden die erste Entwickelung und die
Regeneration der Beine und Schwänze von Molchen ausführlicher ab-
gehandelt.
Der eingehende Vortrag gab besonders Prof. Klunzinger zu einigen
anschliessenden Bemerkungen Veranlassung und wurde durch zahlreiche
mikroskopische Präparate erläutert.
Sitzung vom 10. Januar 1895.
Den Vortrag des Abends hielt Prof. Dr. Krimmel (Cannstatt)
über: Die hohe Karls schule und die Naturwissenschaften.
„Die hohe Karlsschule hat die Ehre, den grössten deutschen Dichter
zu ihren Schülern zuzählen, mit ihrem Ruf bezahlt." Mit diesen treffen-
den Worten kennzeichnete der Redner die unbestreitbare Thatsache, dass
wohl jeder Deutscher, beeinflusst von Schillerbiographien und ihrem
landläufigen absprechenden Urteil über die Karlsschule, sich ein wenig
schmeichelhaftes Urteil über die Schöpfung des Herzogs Kakl Eugen
hildet. Wie wenig gerechtfertigt dasselbe ist, wies der Redner in einem
vielfach mit Citaten von Briefen ehemaliger Karlsschüler durchflochtenen
Vortrag in glanzvoller Weise nach. Einleitend schilderte Redner den
historischen Werdegang dieser originellen Schöpfung: 1770 Gründung
der „militärischen Pflanzschule" auf der Solitude; 1773 Erweiterung
zur „Herzoglichen Militärakademie" und Verschmelzung mit der „Academie
des arts" und Errichtung der „Kameralistischen Abteilung"; 1774 Hinzu-
fügung einer „juristischen Abteilung", 1775 Übersiedelung nach Stuttgart
und Erweiterung durch eine „medizinische Abteilung'", 1779 Hinzufügung
einer Abteilung für „Handlungs Wissenschaft" und später einer „philo-
sophischen Abteilung" und 1781 Erhebung zur Universität durch Kaiser
Joseph IL, womit ein Lieblingswunsch des Herzogs erfüllt wurde. Die
neue Universität enthielt somit alle Fakultäten mit Ausnahme der theo-
logischen; für die damalige Zeit besonders hervorzuheben ist neben der
heraerkenswerten Universalität der Anstalt die Pflege, welche Mathematik,
Naturwissenschaften und Sprachen daselbst fanden: dies springt besonders
in die Augen bei einem Vergleich des Lehrplans mit anderen höheren
Lehranstalten in jener Zeit. Der Nachweis des Einflusses der Karls-
schule auf die Naturwissenschaften war die besondere Aufgabe des Redners.
— CXII —
Wohlbekannte Namen trafen das Ohr des Hörers bei Erwähnung der
Lehrer der Medizin und Naturwissenschaften. Cheistiax Stokk hatte
zuerst den Unterricht in den Naturwissenschaften zu erteilen, bald aber
wurden alle Fächer immer mehr specialisiert und die Zahl der Lehrer
in den einzelnen Fakultäten entspricht in kurzem der entsprechenden
Zahl an der Landesuniversität Tübingen. Che. Kone. Klein doziert
Anatomie und Chirurgie , Moestatt Osteologie , Kiecke Gynäkologie,
Che. f. Jägee gerichtliche Medizin, Theodoe Plieningee Physiologie
und Geschichte der Medizin; für Zoologie finden wir K. H. Köstlin,
für Botanik Joh. S. Keenee, für Mineralogie Wiedbnmann, Chemie
lehrt Eeuss, Physik Rappold, und es trägt sogar ein eigener Lehrer
(J. F. Geoos) Elektricität vor. Mit den Namen der Lehrer wetteifern
die der Schüler der hohen Karlsschule; eine auffallend grosse Anzahl
tüchtiger Männer aller Berufszweige ist aus der Karlsschule hervor-
gegangen. Aus der grossen Zahl gedenkt der Eedner eingehender der
zwei grössten Naturforscher der Karlsschule : Kael Feiedeich Kielmeyer
aus Bebenhausen und Geobg Cüviee aus Mömpelgard. Es ist nicht
eben leicht, sich ein klares Bild von dem vielgerühmten Wirken Kiel-
meyee's zu gestalten, den Alex. Humboldt in der Widmung seiner
„Beobachtungen aus der Zoologie und vergleichenden Anatomie" (1806)
den „ersten Physiologen Deutschlands" nennt. Eine seiner wenigen
Publikationen, die einzige zoologische, wurde vom Redner analysiert;
sie handelt von dem Verhältnis der organischen Kräfte in dem Reich
der Organismen und zeigt, wie gewisse Kräfte, z. B. die Sensibilität,
in absteigender Reihe abnehmen, während andere, wie Irritabilität in
derselben Ordnung zunehmen. Das Beobachtungsmaterial hierfür ist recht
dürftig, um so merkwürdiger aber der kühne Schluss, den Kielmeyee
zieht, dass die physiologischen Erscheinungen in der aufsteigenden Reihe
der Organismen sich nach denselben Gesetzen ändern, nach denen sie
dies thun bei den einzelnen Eutwickelungsstadien der höheren Tiere mit
Einschluss des Menschen; hieraus aber könne man folgern, dass die
Reihe der Gattungen auf dieselbe Weise sich gebildet habe, wie heute
noch das einzelne Individuum. Wenn wir diese Schlussfolgerung lesen,
mutet es uns an wie eine Formulierung des biogenetischen Grundgesetzes!
Das vergleichend-anatomische Beobachtungsmaterial freilich, das diesen
genialen Ideen Kielmeyee's nach vielen Jahren wohl zur Stütze dienen
und zum allmählichen Durchbruch verhelfen sollte, hat ein anderer
grösserer Karlsschüler geliefert : Geoeg Cuviee. Dem Kameralfach sich
widmend, trieb Cuviee jedoch mit Vorliebe Naturwissenschaften, und die
erste wissenschaftliche Erwähnung Cuviee's als Sammler findet sich in
der Vorrede zu Keenek's „Flora Stuttgardiensis" von 1786. Die öfters
gehörte Behauptung, dass Cuviee ein Schüler Kielmeyee's gewesen sei,
ist irrtümlich ; als Kielmeyee nach vorübergehendem w^eiterem Studium
in Göttingen an die Karlsschule als Lehrer zurückkehrte, hatte Cuviee
die Anstalt bereits verlassen und eine Hauslehrerstelle in der Normandie
angenommen. Er blieb aber noch lange in brieflichem Verkehr mit
seinen zurückgelassenen Freunden, und diese Briefe sind von gleichem
Interesse für die Beurteilung des grossen Forschers wie der Karlsschule.
— cxm —
Wie ein Mahnruf in unsere Tage klingt es, wenn er an seinen Freund
Pfaff, den späteren Professor in Kiel, schreibt, er könne sich mit den
metaphysischen Vorstellungen über die Entwickelung und Anpassung der
Organismen (wie sie Kielmeyek vortrug) nicht befreunden und hoffe,
auf dem langsamen Gang (der Beobachtung und des vergleichenden
Studiums) vielleicht sicherer zum Ziel zu kommen. Gleich wichtig sind
die Briefe Cuvier's in Verbindung mit deren anderer Karlsschüler, die,
wohin sie auch das Schicksal verschlug, zu den Zierden ihres Standes
gehörten, für die Beurteilung des Geistes, der in dieser Anstalt herrschte.
Einem Feuergeist, wie Schiller, waren wohl die gezogenen Schranken
zu eng, aber das hätte wahrscheinlich von jeder Anstalt gegolten, und
w^as an Zopf und Pedanterie auch an der Karlsschule sich fand, ist
nicht ihr, sondern der Zeit auf Eechnung zu setzen. Einzigartig aber
ist an der Karlsschule, ganz abgesehen von den grossen materiellen Vor-
teilen der kostenfreien Heranbildung vom jugendlichen Alter bis zum
Eintritt ins bürgerliche Leben , der Geist, der sich infolge der Organi-
sation ihrer Schüler entwickelte. Das Zusammenwohnen aller (über 300)
Schüler bedingte ein gegenseitiges Durchdringen der verschiedensten
Wissenszweige und eine dadurch hervorgerufene aussergewöhnliche Uni-
versalität. Die Weite der Gedanken wie der umfassende Blick , ver-
bunden mit scharfem logischem Denken, war ein hervorragender Charakter-
zug aller echten Karlsschüler. Vor jetzt 101 Jahren wurde diese be-
deutsame Schöpfung danklos zertrümmert, die Naturwissenschaften aber
dürfen heute noch mit Dank der Pflege gedenken, die sie vor einem
Jahrhundert daselbst gefunden.
Der Vortrag, welcher wohl bei einem jeden Zuhörer mehr oder
weniger seine bisherige Ansicht über die hohe Karlsschule modifiziert
hat, war illustriert durch Auflegung verschiedener Werke von Karls-
schülern, darunter Werke grösster Seltenheit, wie Kernee's Hortus
sempervirens , welche von der K. Hofbibliothek und der K. Staats-
bibliothek in entgegenkommender Weise zur Ansicht überlassen worden
waren.
Sitzung vom 14. Februar 1895.
Den ersten Vortrag hielt Herr H. Debach über die Goldfunde
im Huanoco (Chile), indem er auf Grund seiner eigenen mehrjährigen
Thätigkeit daselbst über Produktion und Verarbeiten der dortigen Gold-
erze berichtete. Der Huanoco liegt 2854 m über dem Meere, im Innern
der vegetationslosen und wasserlosen Wüste Atacama auf einem wellen-
förmigen Hochland ; relativ kaum 200 m hoch hebt er sich aus seiner
eintönig graubraunen Umgebung nur durch seine trapezartig abgegrenzte
Form hervor; wie ungünstig seine unwirtliche Lage trotz Anschluss an
die Eisenbahn nach Taltal für ein industrielles Unternehmen ist, tritt
tagtäglich beim Beschaffen von Rohmaterialien, z. B. Kohlen, Lebens-
mittel, Wasser etc. zu Tage. Ln Jahre 1885 wurde das Grold im Huanoco
durch Zufall entdeckt, und binnen Jahresfrist schon liatte sich auf dem
eine halbe Meile vom Huanoco entfernten Wasserplatz eine Bevölkerung
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. ll
- CXIV —
von 2000 Seelen niedergelassen, von denen sich freilich die Hälfte nach
dem Verfliegen des ersten Goldrausches wieder verlief. Redner gab
zunächst eine Schilderung des Mineros, der zwar ein fleissiger, intelligenter
und genügsamer Arbeiter ist, leider aber keinen Sinn für Ehrlichkeit,
Sparsamkeit und Häuslichkeit hat, und seinen hart erworbenen Monats-
verdienst in ein paar Tagen verjubelt; da es ferner schwer ist, für
Aufschlussarbeiten überhaupt Leute zu bekommen, und ein Ersatz für
davongelaufene Arbeiter mit Zeitverlust verbunden ist, so stellen sich
den industriellen Unternehmungen Schwierigkeiten mancher Art entgegen;
hierzu kommt, dass dem Huanoco von Anfang an die Beteiligung des
Grosskapitals fehlt, so dass sich das Terrain in eine Unzahl von über
500 verschiedenen kleinen Minenbesitzern verteilt. Zur Besprechung des
Huanoco als Mineral übergehend, bemerkt der Redner, dass die Annahme,
der Reichtum sowohl als die Masse der Erze vermehre sich mit zu-
nehmender Tiefe, sich als trügerisch erwiesen hat; dagegen hat es eine
rationellere Bearbeitung dahin gebracht, dass arme Erze in grösserer
Menge als früher explodiert und verarbeitet werden. Die monatliche
Produktion dürfte sich augenblicklich auf 30 — 40 000 metrische Centner
belaufen, die einen Durchschnittsgehalt von 3,5, im höchsten Fall 5^°°/iooo
fein zeigen. Sehr störend für den Abbau der Goldminen ist, dass das
gute Erz nesterartig im Qnarztrachyt eingelagert ist und diese ungünstige
Lagerung nicht den geringsten Schluss auf die Möglichkeit der Auffindung
von Erzgängen zulässt, so dass man lediglich auf gut Glück arbeiten
muss. Den sehr einfachen Bau der Gruben besprechend, schildert der
Redner sodann die Feststellung des Feingehaltes der Gesteinsprobe und
die Gewinnung des Goldes ; die primitivste Form der Goldprobe ist
folgende: 10 g feingeriebenes Gestein wird in einem Stück Büffel-
horn mit Wasser vermittelst einer schüttelnden Bewegung der Hand aus-
gewaschen, wobei das eventuell enthaltene Gold in Gestalt eines aus
feinen Schüppchen bestehenden Fadens am Boden des Gefässes zurück-
bleibt ; je nach der Stärke des Fadens wird nun der Goldgehalt beurteilt,
und bei einiger Uebung kann es so weit gebracht werden, dass Erze
bis zu 30^°*'/iooo Teile fein auf Viooooo Teil genau abgeschätzt werden
können. Der Redner führte das interessante Experiment mehrfach am
Schluss des Vortrages aus. Die anschaulichen mit lebhaftem Beifall
aufgenommenen Darlegungen wurden, illustriert durch eine Reihe prächtiger
Handstücke, die zum Teil das Gold in feinen Punktaten und Schuppen
zeigten, zum Teil aber auch äusserlich keine Spur ihres Reichtums an
diesem Edelmetall verrieten.
Prof. Dr. E. Fr aas ergriff sodann das Wort, um vom Standpunkte
des Mineralogen aus noch einige Angaben über die vorliegenden Gesteins-
proben zu machen. Er hob zum Teil nach Angaben von Dr. Mörike
besonders hervor, dass die Träger der Golderze im Huanoco Quarztrachyte
sind, während die benachbarten basischen Eruptivgesteine (Melaphyre)
keine Spur von Gold enthalten sollen, und erörterte in der Demonstration
der vorliegenden Handstücke die verschiedenen Veränderungen, die der
Trachyt durch vulkanische Nachwirkungen und spätere Einflüsse er-
litten.
— cxv —
Den zweiten Vortrag hielt Medizinalrat Dr. Hedinge r über
g'eologische Untersuchung von Feuersteinen und Feuer -
Steinartefakten.
Der Eedner erörterte besonders die Metamorphose des kohlensauren
in kieselsauren Kalk, welche er bei unseren jurassischen Feuersteinen
im Gregensatz zu den nordischen Kreidefeuersteinen fand, die aus mehr
oder weniger dunkel gefärbtem Quarz bestehen , während bei unseren
jurassischen ein verhältnismässig sehr hoher Prozentsatz von kohlen-
saurem Kalk, namentlich in der Einde, enthalten ist. Der Vortragende
belegte diese Ansicht mit einer grossen Anzahl von Handstticken, Schnitten
und Schliffen aus einheimischen und auswärtigen Gebirgen und Fund-
stätten, besonders aus dem Sarcathal bei Arco in Südtirol, wo man die
Metamorphose in allen Formen, Stufen und Übergängen und das Ein-
dringen der Kieselsäure in die Schichtfugen, Klüfte und Spalten der
Gesteine genau verfolgen kann. Es trat dieser Vorgang meist im Gefolge
der gebirgsbildenden dynamischen Bewegungen auf, sowie in tektonischen
Störungen und wirkte modifizierend auf den Gesteinbildungsprozess der
Sedimente ein. Diese Art der Verkieselung, welche Redner Jahre hin-
durch auch bei den Feuersteinartefakten seiner Ausgrabungen in heimischen
Höhlen, wie im Karst und Südtirol besonders ausgeprägt fand, würde
also eine andere Entstehung unserer Feuersteine voraussetzen, als die
der nordischen Kreidefeuersteine, welche nach wie vor als Tiefseebildungen
anzusehen sind — die Kieselsäure findet sich dabei in den verschiedensten
Formen, wie Quarz, Chalcedon, Achat, Jaspis, Halbopal, Kieseltuff u. s. w.
Durch das angedeutete Verhalten der in unserem Jura sich findenden
Feuersteine erklärt sich auch der Unterschied des Aussehens und Gefühles
vom nordischen, so dass man jetzt annehmen kann, die prähistorischen
Feuersteinartefakte unserer südlichen Fundstätten stammen alle aus
unseren jurassischen Gebirgen, speciell dem Randen, nicht aus dem
Norden, wie man bis jetzt glaubte. Eine grössere Anzahl von meist selbst
gefundenen einheimischen und ausländischen Artefakten erläuterte dies.
Sitzung vom 14. März 1895.
Prof. Dr. Sussdorf sprach „Über die Vielzehigkeit wenig-
zehiger Tiere (Polydaktylie)".
Der Redner entwickelte zunächst die Art der Veranlagung der
Hand und des Fusses , wie sie das höhere Wirbeltier von dem Fische,
dessen Brust- und Bauchflossen den Gliedmassen jenes homologe Teile
sind, als eine vielstrahlige Bildung übernommen hat. Die Herabminderung
der Vielzahl der Flossenstrahlen auf die Fünfzahl der Handstrahlen tritt
als beständige Erscheinung erst bei den Amphibien hervor, während bei
den Zwischengliedern noch Inkonstanz in der Strahleuzahl besteht. Die
Fünfzahl hat sich durch die ganze Reihe der höheren Wirbeltiere als
ursprüngliches Besitztum offenbar lange Zeit erhalten. Erst allmählich
ist es bei einzelnen Gruppen derselben durch die Anpassung an äussere
Bedingungen zur Reduktion der Strahlenzahl in Hand und Fuss gekommen,
h*
— CXYI —
die bei den verschiedenen Reihen verschieden weit vorgeschritten ist.
Bei den Säugern ist in denjenigen der Paar- und Unpaarzeher die Zahl
der Strahlen auf 4, 3, 2 und 1 zurückgegangen. Aber auch die wenigst-,
nämlich einzehigen Pferde stammen von Fünfzehern ab; die palaeonto-
logischen Funde bieten eine Serie von mindestens 30 Zwischenstufen
zwischen dem Stammvater der Equiden, dem EoMppus, und unserem
heutigen Pferde, von denen etwa 13 der Tertiär- und 17 der Quartär-
zeit angehören; die Pfahlbauern besassen bereits ein mit dem jetzigen
Equus cahallus harmonierendes Pferd, welches als Haustier gezüchtet
wurde. Auch die Artiodaktylen gestatten in der Reihe ihrer Vorfahren
die Zurückverfolgung ihrer Hand auf eine gleichmässigere Einrichtung
der Strahlen derselben nach Zahl und Massenentfaltung von deren Einzel-
gliedern. Auf die originäre Veranlagung der oligodaktylen Tiere als
Fünfzeher (von der Siebenzahl der Anlage, die für den Menschen viel-
fach beliebt wird, soll hier wegen der Unentschiedenheit der Frage
abgesehen werden) weisen auch in der Jetztzeit noch zahlreiche Vor-
kommnisse hin, wie sie z. B. als Hirschpferde, 3- oder 4zehige Rinder,
özehige Schweine gelegentlich zur Schau gestellt werden, oder wie sie
in der Litteratur überliefert sind (Cäsars und auch Alexanders d. Gr.
Leibpferde sollen Mehrzeher gewesen sein). Aber nicht jede Überzahl
von Zehen darf als ein Rückschlag auf die Urahnen der Oligodaktylen
gedeutet werden. Vielmehr ist eine strenge Grenze zwischen der ata-
vistischen Polydaktylie als theromorpher Varietät und der pathologischen
Hyperdaktylie als krankhafter Missbildung durch Sprossung oder Spaltung
der an sich wenigeren Strahlen zu ziehen. Redner erläutert und be-
gründet schliesslich die für die Zuweisung des gegebenen Einzelfalles
zu der einen oder anderen Form der Polydaktylie massgebenden Kriterien
und illustriert dieselben an der Hand einer grossen Anzahl von Prä-
paraten aus dem pathologisch-anatomischen und anatomischen Institut
der K. tierärztlichen Hochschule und aus dem K. Naturalienkabinet,
von denen er nur eines der vom Pferd, 7 oder 8 der vom Schwein,
und etwa 3 der vom Rind stammenden Präparate als wirklich polydaktyl
im Sinne der theromorphen Varietät bezeichnet.
Schwarzwälder Zweigverein.
Versammlung zu Tübingen am 2. Februar 1894.
Die Versammlung fand im Hörsaale des Zoologischen Instituts statt.
Prof. Dr. Eimer (Tübingen) als Vorsitzender begrüsste die zahl-
reich erschienenen Mitglieder. Darauf eröffnete
Prof. Dr. Grützner (Tübingen) die Reihe der Vortragenden,
indem er einige Mitteilungen aus verschiedenen Gebieten der Physiologie
machte. Zunächst besprach und zeigte er die mikroskopischen Quer-
schnitte durch die Netzhaut zweier Frösche, von denen der eine bei
gewöhnlichem Tageslicht, der andere im Dunkeln gehalten war: bei
dem ersteren breitet sich das Pigment des Augenhintergrundes über die
- CXVIl -
Stäbchen und Zapfen aus , während es bei letzterem ganz zusammen-
gezog-en unter diesen liegt. Weiter sprach derselbe über Farben-
mischung: wir müssen zweierlei Arten der Farbenmischung unter-
scheiden , solche durch Subtraktion und solche durch Addition. Das
Wesen der ersteren besteht darin, dass bei zwei übereinandergelegten
durchscheinenden Farbentönen, der eine gewisse, von dem anderen aus-
gehende Farbstrahlen nicht durchlässt, sondern absorbiert; die Farben-
mischung durch Addition entsteht dadurch, dass zwei Farben in so
rascher Aufeinanderfolge unserem Auge dargeboten werden, dass dasselbe
die beiden Reize nicht gesondert, sondern nur als einen einzigen (die
Mischfarbe) auffasst. Die erstere Art der Farbenmischung wenden die
Maler an; die andere haben wir z. B. dann, wenn wir durch schnelles
Kotieren einer Scheibe zwei darauf aufgetragene Farben in raschem
Wechsel am Auge vorbeiführen. Die Farben, welche wir gewöhnlich
wahrnehmen , sind fast nie reine , meist gemischte , wie durch spektro-
skopische Untersuchung gezeigt werden kann. Durch Vorführung zahl-
reicher Versuche erläuterte der Redner das Gesagte. Schliesslich sprach
derselbe über die Zusammensetzung der Vokale: Der Vokalklang
ist cliarakterisiert durch eine Reihe einzelner Töne, unter denen ein
für jeden Vokal konstanter Eigenton besonders hervortritt. Dieser Ton
ist der Mundton, d. h. der Ton, auf den die Mundhöhle beim Sprechen
des betreffenden Vokals abgestimmt ist. So ist der Mund bei der
Aussprache des dumpfen ä auf das eingestrichene ä abgestimmt ; dies
lässt sich schön dadurch beweisen, dass eine angeschlagene Stimmgabel,
die diesen Ton giebt, wie durch einen Resonator verstärkt wird, wenn
sie vor den zum Sprechen des ä gestellten Mund gehalten wird.
Helmholtz setzte die Vokale durch Erzeugung der einzelnen in sie
eingehenden Töne zusammen; man kann dieselben auch auflösen, indem
man einen Teilklang durch Interferenz herausnimmt; nimmt man auf
die vom Redner näher beschriebene Weise den betreffenden „Mundton"
heraus , so verliert der Vokal seinen charakteristischen Klang, er ver-
schwindet als solcher.
Darauf sprach Prof. Dr. E. Fr aas (Stuttgart) über einen im vorigen
Jahre gefundenen neuen Saurier aus dem Weissen Jura C, der aus dem
Portlandkalke des Brenzthales stammt. Von dem Tiere, Balosaurus,
waren bisher nur Zähne und ein Kieferrudiment bekannt; jetzt ist durch
diesen glücklichen Fund nahezu das ganze Skelett ans Licht gebracht.
Infolge der Unzulänglichkeit der früheren Fimde hatte man den Dako-
saurus früher bald zu den Dinosauriern, oder auch zu den Plesiosauriern,
bald zu den Krokodiliern gestellt, ohne sichere Gewähr für die eine
oder die andere Ansicht. Die letztere Annahme wurde durch die Auf-
findung des Skeletts bestätigt. Dakosaurus ist ausgezeichnet durch die
Grösse des Schädels mit fürchterlichem Gebiss und durch das Fehlen
des den Krokodiliern eigenen Hauptpanzers. Die Krokodilier, deren
Anfänge in den Keuper zurückreichen (Belodon, Actosaurus), gliedern
sich schon in der Jurazeit in die zwei Gruppen, der langschnauzigen
(z. B. Gavial) und der kurzschnauzigen (z. B. Nilkrokodil). Zwischen
diesen beiden steht noch ein dritter Zweig des Krokodilierstammes,
— CXVIII —
die Metriorhf/ncJius-F ormen , und zu diesen gehört unser Bakosaurus^
Bakosaurus zeigt eine ganz ausgesprochene Anpassung an das Leben
im Wasser, und wie alle seine in dieser Weise angepassten Verwandten
(Ichthyosaurier, Plesiosaurier, Mosasaurier), ist auch er, wohl gerade da-
durch, zu Grunde gegangen. Diese Anpassung zeigt sich in dem Fehlen
des Panzers, in dem Missverhältnis zwischen dem riesigen Schädel und
dem übrigen Körper, in der Rückbildung des Kreuzbeines und der Ver-
kümmerung des Beckens, die beide für das Tragen des Körpers auf
dem Lande viel stärker entwickelt sein müssten ; die hintere Extremität,
die zum Rudern diente, ist im Vergleich zur vorderen sehr gross.
Privatdozent Dr. Zimmermann (Tübingen) berichtet über das
Verhalten des Kernkörperchens bei der Zellteilung. Die
färbbaren Elemente des Zellkernes bestehen aus verschiedenen Substanzen,
die sich gewissen Anilinfarbstoffen gegenüber ungleich verhalten und
mit Rücksicht darauf als cyanophil und erythrophil unterschieden werden.
Das erstere , welches auch schlechthin als Chromatin bezeichnet wird,
liegt in dem ruhenden Kerne als vielfach verästeltes Netzwerk oder als
verschlungener Faden. Schickt sich aber die Zelle und ihr Kern zur
Teilung an, so zerfällt das Chromatin in gleichlange Fadenstücke; die-
selben spalten sich der Länge nach, und diese Hälften werden nach
entgegengesetzten Seiten auseinandergezogen, um in die beiden Tochter-
kerne einzugehen; jeder Tochterkern bekommt also die Hälfte eines
jeden Fadenstückes des Mutterkernes. An der Zellteilung nehmen auch
die ausserhalb des Kernes liegenden Attraktionssphären oder Central-
körper teil, die dabei auseinanderrücken und achromatische Fadensysteme
mit sich nach entgegengesetzten Seiten auseinanderziehen. Von der
erythrophilen Substanz, den Kernkörperchen , glaubte man, dass sie bei
der Teilung verschwinden. Redner beobachtete jedoch, dass auf den
ersten Stufen der Kernteilung das Kernkörperchen in lauter kleine
Stücke zerfällt, die aus dem Kerne in das umliegende Zellplasma aus-
wandern ; ein Teil dieser Stücke tritt in die eine Tochterzelle über, der
andere in die zweite, und nach vollendeter Teilung wandern dieselben
weiter in die Tochterkerne ein und verschmelzen in denselben zu Kern-
körperchen. Damit ist zugleich der Beweis erbracht, dass bei der
Kernteilung die Kernmembran schwindet und eine scharfe Sonderung
des Kernes gegen das Zellplasma aufhört.
Badearzt Hofrat Dr. Wurm (Teinach) spricht über die Trüffel,
deren edelste Sorten in Deutschland nur im Elsass und den badischen
Rheinlanden vorkommen ; doch sind eine ganze Anzahl immerhin brauch-
barer Sorten auch über das übrige Deutschland verbreitet, und es ist zu
bedauern, dass bis jetzt noch keine planmässige Ausnutzung derselben an-
gebahnt ist, die gewiss gute Erträge liefern würde. Redner geht dann auf
die Beziehungen ein, welche zwischen dem Trüffelpilz und den Wurzeln
gewisser Laubholzarten bestehen, und berührt die HESSE'sche Hypothese,
die Trüffel seien keine Pflanzen, sondern symbiotische Lebensgenossen-
schaften von Spaltpilzen mit gewissen Geisseiinfusorien, hebt aber hervor,
dass der Beweis hierfür noch zu erbringen sei und die von Hesse in
Aussicht gestellten Zuchtversuche abgewartet werden müssten. Bei der
— CXIX —
sich anschliessenden Diskussion erklärte Dr. Zi:\imekmaj;n , dass diese
Hypothese vollkommen der thatsächlichen Grundlagen entbehre ; es folgten
Erörterungen über die interessanten symbiotischen Beziehungen zwischen
Blutenpflanzen (z. B. Haselnüsse, manche Coniferen) und gewissen niederen
Pilzarten, die sich an den Wurzeln jener ansiedeln; die Pflanzen sind
bezüglich ihrer Nahrungsaufnahme auf diese Pilze angewiesen und können
deshalb beim Verpflanzen nicht gedeihen, wenn nicht Erde von ihrem
alten Standorte und mit dieser die Pilzkeime zugleich mitgenommen
wird, eine Erfahrung, welche in der Praxis schon lange gemacht wurde.
Ähnliche Verhältnisse bieten die Bakterioiden-Knöllchen an den Wurzeln
vieler Schmetterlingsblütler (Klee, Lupinen), welche besonders stickstoff-
haltige Xahrungsstofie zuführen ; damit hängt wohl auch die Gepflogen-
heit zusammen, den Boden für Reben durch vorherigen Anbau von Klee
vorzubereiten.
Dr. Fickert (Tübingen) zeigt eine lebende ägyptische Springmaus
vor und macht auf die Eigenschaften dieser Tiere aufmerksam. Die
Springmäuse lassen sich in der Gefangenschaft mit Leichtigkeit halten.
Dr. Wurm (Teinach) regt die Frage an, ob nicht die Parthenogenese,
d. h. die Zeugung von Jungen aus unbefruchteten Eiern, noch manchen
dunkeln Punkt biete und ob sie wirklich hinreichend verbürgt sei. Bei
der Besprechung wird festgestellt, dass durch einwandsfreie Versuche
bei den Bienen unzweifelhaft sichergestellt sei, dass die Drohnen aus
unbefruchteten Eiern entstehen. (Einsperren der Königin vor der Be-
fruchtung und dadurch bedingte Drohnenbrütigkeit.)
Dr. Pompeckj (Tübingen) bespricht die Haftapparate, durch
die sich gehäusetragende Cephalopoden in ihren Gehäusen festhalten,
insbesondere den Schalenmuskel von Xautilus; er stellt fest, dass auch
für die Ammoniten solche Schalenmuskeln angenommen werden müssen,
und dass an einem von Oppel gefundenen Stück sich Eindrücke rinden,
die gar keine andere Erklärung zulassen.
Dr. Fickert (Tübingen) spricht über den Bau und die Fort-
pflanzungsweise der Myxosporidien. Diese sind einzellige niederste Tier-
formen, die in den Kiemenfädchen, Muskeln, der Leber, den Nieren und
anderen Teilen von Fischen schmarotzen und durch massenhaftes
Auftreten Seuchen verursachen. Eine solche Seuche richtete in den
80 er Jahren unter den Fischen der Mosel grosse Verheerungen an;
gegenwärtig sind die Neckarfische zahlreich von solchen Schmarotzern
befallen. Die Myxosporidien sind mikroskopisch kleine Tiere von plas-
matischem, bisweilen formveränderlichem Köi'per und pflanzen sich, ähn-
lich wie die Gregarinen, durch Sporen fort; diese Sporen zeichnen sich
dadurch aus, dass an dem einen Ende derselben 2 Bläschen liegen, in
dem ein Faden aufgerollt ist; der Faden kann herausgestülpt werden,
wie die Nesselfäden bei den Quallen, und dient zur Anheftung der
Sporen an den Fischen, in welche dann die sich entwickelnden Tiere
eindringen. — Als bestes Mittel gegen die Seuche empfielilt Redner
das Herausfangen und Verbrennen der befallenen Fische.
Hierauf folgte ein längerer, sehr fesselnder Vortrag von Prof.
Dr. Eimer (Tübingen) über das Gesetz der Ausgleichung (Kom-
— cxx -
pensation) und Goethe als vergleichenden Anatomen. Es
ist unrichtig", alle Abänderungen im Bau der Lebewesen auf den damit
verbundenen Nutzen zurückführen zu wollen, wie dies Darwin tlmt;
denn eine n e u auftretende Eigenschaft kann in den ersten Stufen ihres
Entstehens unmöglich Nutzen bringen; sie rauss erst bis zu einem ge-
wissen Grade ausgebildet sein, erst dann kann sie nützen und der natür-
lichen Auslese unterliegen. Die Entstehung der Abänderungen wird
also durch das Nützlichkeitsprinzip nicht erklärt, und ausserdem zieht
Darwin hier den Zufall zur Erklärung herbei. Wie soll aber gerade
hier der Zutall herrschen, während uns sonst überall in der Natur die
strengste Gesetzmässigkeit entgegentritt ! Dass auch das Abändern der
Tiere nach gewissen Gesetzen vor sich geht, hat Redner schon wieder-
holt eingehend nachgewiesen^: jeder tierische Organismus kann eben
infolge seines ganzen Aufbaues nur nach ganz bestimmten Richtungen
hin abändern. Die Ursachen dieses Abänderns zu erforschen, ist eines
der höchsten Ziele der Wissenschaft.
Von der grössten Bedeutung für das Entstehen neuer Eigenschaften
ist die Wechselbezüglichkeit oder Korrelation, nämlich die
Erscheinung , dass durch das Auftreten einer Abänderung eine grössere
oder kleinere Anzahl anderer bedingt wird, so dass eine Neubildung viele
weitere im Gefolge hat. Das ganze Bild des betroffenen Organismus
kann durch solche „kaleidoskopische Umbildung" geändert werden: es
ist auf diese Weise eine sprungweise Entwickelung möglich. Weismann
jedoch betont dem gegenüber noch schärfer als Darwin, dass es keine
Eigenschaft im tierischen Organismus giebt, die nicht nützlich sei; er
lehrt, dass alle Abänderung auf zufälligen Veränderungen im Ei beruhe,
dass aber Eigenschaften, die im Leben des Individuums erst erworben
sind, nicht vererbt werden. Die weiteren Folgerungen dieses After-
darwinismus führen Weismann natürlich auch zum Ableugnen der Korre-
lation : jede Eigenschaft soll für sich abändern. So macht die abstrakte
Spekulation blind gegen die augenfälligsten Thatsachen; nur einseitige
Betrachtung kann zu solchen Anschauungen führen , und nur Ijlinder
Wortglaube kann ihnen Beifall schenken.
Überall im Tierreiche bieten sich Beispiele dafür, dass Umbil-
dungen in einem Organe durch die Thätigkeit desselben ver-
anlasst werden. Besonders dankbar in dieser Beziehung ist das Studium
des Knochengerüstes der Wirbeltiere. Man betrachte nur die starke
Ausbildung des Brustbeinkamms bei gutfliegenden Vögeln im Vergleich
zu dessen Fehlen bei Laufvögeln ; man sehe die Muskelgräten am Arme
von Tieren, die mit diesem Körperteile anstrengende Arbeit zu ver-
richten haben, wie der Maulwurf, das Riesengürteltier und die Turm-
schwalbe; man erwäge die Verstärkung der mittleren, die Rückbildung
der äusseren Zehen und Mittelfussknochen bei den Tieren, die auf
schnelle Bewegung über harten Boden hin angewiesen sind, wie Pferde
' Vevgl. insbesondere: G. H. TU. Eimer, Das Variieren der Mauereidechse.
Berlin, Nicolai und Arch. f. Naturgesch. 1881; Die Entstehung der Arten auf
Grund von Vererben erworbener Eigenschaften etc. I. Jena, G. Fischer. 1888. und:
Die Artbilduuo- und Verwandtschaft bei den Schmetterlingen. I. Ebenda. 1889.
— CXXI —
lind Wiederkäuer. Überall die gleiche Wirkung- der Thätigkeit! Das-
selbe lehrt ein Blick auf die wunderbare Umbildung, welche die vordere
Extremität des Pinguins erfahren hat: ihrem Bau nach ursprünglich
zum Fliegen bestimmt, ist sie unter Abplattung der Knochen zu einem
festgefügten Ruder geworden ; durch die gegenteilige Ursache aber ist
der Lauf, da ihn das Tier zum Gehen nicht mehr gebraucht, auf eine
frühere Stufe der Ausbildung zurückgesunken: er ist wieder Mittelfuss
geworden und wird seiner ganzen Länge nach aufgesetzt. Was kann
es anders sein, als wiederum die Thätigkeit der Kau- und Hinterhaupts-
muskeln, was die gewaltigen Knochengräten am Schädel der Menschen-
affen hervorgerufen hat, und die gleiche Wirkung, verbunden mit anderen
Missgestaltungen des Schädels, ist, im Zusammenhang mit andauerndem
Kauen bei der Mästung, bei den Schweinerassen (Lincoln, Yorkshirei
eingetreten und zur beständigen Rasseneigentümlichkeit geworden. Nur
dem aufrechten Gang des Menschen kann man es zuschreiben, dass sein
Skelett so sehr abweicht von dem seiner nächsten Verwandten , der
anthropoiden Affen, durch die Stärke der Hintergliedmassen, durch das
enge Verwachsen der Kreuzbeinwirbel, durch die Festigkeit des Beckens
und die überwiegende Ausljildung der grossen Zehe, während die weniger
benutzten Vorderarmknochen schwach geworden sind u. a.
Wenn sich nun einzelne Skeletteile infolge anhaltender Thätigkeit
bedeutend vergrössern, so geschieht dies gewöhnlich aaf Kosten benach-
barter anderer, welche dafür zurückgebildet werden. Wo infolge über-
wiegenden Gebrauches die Gliedmassen starke Ausbildung aufweisen und
das Kreuzbein kräftig wird, da verkürzt sich die Rumpfwirbelsäule in
auffallender Weise, wo jedoch umgekehrt die Gliedmassen kleiner werden
lind schwinden, da vermehrt sich die Zahl der Rumpfwirbel : Frosch und
Kröte sind fast ganz Gliedmassen geworden, Schlangen und Blindschleichen
fast ganz Wirbelsäule. Auch bei den Vögeln wird die Gesamtgestaltung
des Skeletts beherrscht durch die mächtige Entwickelung der Gliedmassen:
man sehe das kräftige Becken, die Festigkeit des Brustkorbes, die Höhe
des Brustbeinkamms neben der Verkürzung der Rumpfwirbelsäule und
der Rückbildung des Schwanzes. Überall kommt neben der Wirkung
der Thätigkeit der Verbrauch und das Freiwerden von Baumaterial als
massgebende Ursache der Umbildung ins Spiel, überall machen sich die
Folgen der Umänderung eines einzelnen Teiles bemerkbar bis in die
fernsten Gebiete des gesamten Körpers. Solche Verknüpfung von stär-
kerer Ausbildung gewisser Organe mit Rückbildung anderer auf Grund
der Verteilung des dem Organismus mitgegebenen Stoffes beruht auf
dem Gesetz der Ausgleichung, der Kompensation oder des
Gleichgewichts. Mit diesem Gesetz hat sich Goethe lebhaft be-
schäftigt. Dasselbe wurde theoretisch schon von Geoffroy Saint
HiLAiBE ausgesprochen („loi de balancement"). Mit ihm sagt Guethe,
dass der tierische Körper mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln
ökonomisch wirtschaftet, dass er ein festes Haushaltungsgeld hat und
an einem Ende ersparen muss , was er am andern mehr verwendet.
Goethe führt auch einige bezügliche Thatsachen an, wie eben das
Skelett vom Frosch und Schlange, wo die Knochenmasse einerseits mit
— CXXII —
auf die Ausbildung der Beine , anderseits auf die der Wirbelsäule
verwendet wurde, dann Schienbein und Wadenbein in Beziehung auf
gegenseitiges Stärkeverhältnis. Aber man hat Goethe's Ausführungen
und dem ganzen Gesetz, indem man dasselbe für eine naturphilosophische
Spekulation hielt, jede ernstere Beachtung lange Zeit hindurch versagt
und würdigt das letztere auch heute nicht entfernt seiner Bedeutung
gemäss oder stellt gar Theorien auf, welche dasselbe vollkommen aus-
scliliessen müssen (Afterdarwinismus). Redner führt unter Hinweis auf
das Wirbeltierskelett aus, welch grosse massgebende Bedeutung die
Ausgleichung für die ganze Gestaltung des Skeletts hat, im Zusammen-
hang mit der Vererbung durch Thätigkeit erworbener Eigenschaften, wie
insbesondere die Ausbildung der Hintergliedmassen wieder diejenigen vom
Becken und Kreuzbein und der Wirbelsäule beeinflusst u. s. w. Derselbe
wird seine Beweisführung in einer besonderen Arbeit über das Skelett
demnächst bekannt geben, eine Beweisführung zugleich zu gunsten des
grossen Naturforscherblickes von Goethe, im Gegensatze zu engem Ge-
sichtskreis in neuerer Zeit , welcher das Ganze nicht mehr sieht , nur
den einzelnen Teil für sich, ohne Zusammenhang mit dem Ganzen.
Für Goethe, den scharfen Beobachter und nicht minder scharfen
Denker, war der Gedanke des Zusammenhangs, der Einheit in der Natur
die Grundlage aller Naturanschauung: er suchte die Mannigfaltigkeit
der Formen auf Einheiten zurückzuführen — das führte ihn zum Studium
der vergleichenden Anatomie — und umgekehrt vermochte er, ganz im
Sinne dieser Wissenschaft, das Einzelne nur in Beziehung zum Ganzen
zu betrachten. So entstand seine Metamorphose der Pflanzen zunächst
aus dem Bedürfnis nach einem natürlichen , auf das Gemeinsame ge-
gründeten System im Gegensatze zu dem künstlichen LiNufi's, welches
nicht Einheiten, sondern Verschiedenheiten zu Grunde legt; so sucht
Goethe auch nach einem ursprünglichen Tiertypus. Die Einsicht von
der Gleichartigkeit der menschlichen Organisation mit derjenigen der
übrigen Säugetiere führte ihn zur Entdeckung des Zwischenkiefers, die
Forderung einer einheitlichen Durchbildung der Wirbelsäule Hess in
ihm den Gedanken der Wirbeltheorie des Schädels zur Eeife kommen:
wie er die Blüte aus veränderten Blättern zusammengesetzt fand, so
vermutete er die Zusammensetzung des Schädels aus Wirbeln — was
das Blatt für die Pflanze war , das erschien ihm der Wirbel für das
Wirbeltier, ein Grundteil des Körpers.
Dieser Gedanke von der Einheitlichkeit aller Formen schloss auch
den anderen in sich, dass die Arten nicht getrennt geschaffen sind,
sondern sich durch allmähliche Umbildung auseinander entwickelt
haben. In den Erfolgen auf diesem Wege, wie in der Entdeckung des
Zwischenkiefers, sah Goethe selbst seine schönsten Errungenschaften. Bei
der Betrachtung des Zwischenkiefers kommt er auch auf die Umbildung
desselben durch Thätigkeit zu sprechen. Eedner hat diesen Punkt einer
eingehenden Untersuchung unterworfen und dabei gefunden, dass der
Zwischenkiefer gross und in den Oberkiefer fest eingefügt, häutig sogar
ganz mit ihm verwachsen ist bei Tieren, welche Schneidezähne besitzen
und diese kräftig gebrauchen , wie bei den nagenden Tieren aus den
— CXXIII —
verschiedensten Familien (Wombat, Chiromys, Stachelschwein) ; dagegen
fand er eine schwache Ausbildung und lose Verbindung bei allen solchen,
denen die Schneidezähne fehlen oder wo sie nur schwach sind.
Nur durch eingehende Studien, jahrelange Beobachtungen, eifrige
Vertiefung selbst in die geringsten Einzelheiten konnte Goethe seine
Erfolge als Naturforscher ei-ringen, wie er denn die Knochenlehre bis
ins kleinste studiert hat. Seine naturwissenschaftlichen Studien aber,
die immer getragen wurden von dem richtigen und der Wissenschaft
und Forschung allein würdigen Gedanken des gesetzmässigen inneren
Zusammenhangs aller Naturerscheinungen, waren es auch, die ihm zu
seiner hochbedeutsamen Lebensauffassung verhalfen. Den Naturphilosophen
Goethe bewahrte gerade dies tiefe Eingehen auf die Thatsachen vor
den bodenlosen Gedankenverirrungen, wie sie die zeitgenössischen Natur-
philosophen lieferten und wie sie heute infolge von Nichtberücksichtigung
der Thatsachen von neuem sich breit machen. Die Naturstudien aber
und die daraus entstandene Lebensauffassung befruchteten nach seiner
eigenen Aussage wiederum seine Dichtung. So erscheint Goethe's ge-
samte Geistesarbeit als ein Triumph der Naturwissenschaft.
Versammlung zu Tübingen am 2L Dezember 1894.
Prof. Eimer eröffnet die Versammlung, indem er die zahlreich
erschienenen Mitglieder willkommen heisst. Darauf spricht Hofrat
Dr. Wurm (Teinach) über die Herkunft der Säuerlinge. Als
Säuerlinge sind solche Quellwasser zu bezeichnen , welche sehr viele
freie Kohlensäure enthalten; sie sind meist kalt und stammen dann aus
geringen Tiefen ; bisweilen aber sind sie heiss (Thermen) und kommen
aus tieferen Schichten der Erdoberfläche. Das Wasser dieser Quellen
ist offenbar meteorischen Ursprungs. Woher aber stammt die Kohlen-
säure? Die aus dem Erdinnern hervorkommende Kohlensäure ist nicht
immer in Wasser gelöst ; sie kann auch trocken ausströmen , so bei
Teinach, Horb, in der Eifel, in der Hundsgrotte bei Neapel. Dass sie
aktiver vulkanischer Thätigkeit ihren Ursprung verdankt, ist wohl nur
für wenige Orte anzunehmen; alle Kohlensäure auf solche zurückzuführen,
ist eine einseitige Theorie. Ursprünglich freilich stammt die Kohlen-
säure von ausgedehnten vulkanischen Vorgängen, und ist dann teils zu
organischen Verbindungen umgewandelt, teils hat sie sich mit Calcium,
Magnesium und anderen zu kohlensauren Salzen vereinigt. In den
meisten Fällen nun stammt die freie Kohlensäure unserer Säuerlinge
aus der Zersetzung solcher Salze, vor allem der Carbonate des Calciums
und Magnesiums , welche als Kalksteine oder Dolomite einen grossen
Teil der Erdrinde aufbauen. Diese Zersetzung geschieht nicht durch
die Hitze vulkanischer Feuer, sondern durch Säuren, deren Art ver-
schieden sein kann: teils ist es Salzsäure, die früherer vulkanischer
Thätigkeit ihren Ursprung verdankt, teils Schwefelsäure, die sich durch
Oxydation des Schwefeleisens bildet, in den meisten Fällen aber wohl
Kieselsäure, die aus der Zersetzung kieselsäurehaltiger Gesteine, vor
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allem der Urgesteine, Gneisse und Sandsteine hervorgeht. Redner zeigte
an Schichtenprofilen verschiedener säuerlingreicher Gegenden, dass dort
Kalksteine und Dolomite von solchen Gesteinen überlagert sind, so dass
die mit Kieselsäure beladenen Sickerwässer aus ihnen Kohlensäure frei-
machen können. So erklärt sich auch die Armut Schwedens an Säuer-
lingen durch die Seltenheit von Kalklagern. Die Verdrängung der
Kohlensäure durch Kieselsäure zeigt sich in der Verkieselung der
Kalkgehäuse von Tieren (z. B. Schnecken, Korallen), wie man sie unter
anderem im Nattheimer Kalk findet.
In der Besprechung sagt Prof. Dr. E. Fr aas (Stuttgart), dass
er die grosse Rolle der Kieselsäure beim Freimachen der Kohlensäure
zugebe, dass aber eine Schwierigkeit dieser Erklärung in der ausser-
ordentlich geringen Löslichkeit der anorganischen Kieselsäure liege ;
organisch gebildete Kieselsäure (in Radiolariengehäusen , in Pflanzen)
sei weit leichter löslich. Bei den Verkieselungen aus dem Nattheimer
Kalk handle es sich um die Verdrängung nicht der Kohlensäure, sondern
des kohlensauren Kalkes durch Kieselsäure.
Hierauf zeigt Prof. G r ü t z n e r (Tübingen) an mehreren Präparaten
den Sehpurpur des Froschauges , der durch die Einwirkung des Lichtes
verblasst.
Dr. F i c k e r t (Tübingen) spricht darauf über die Bedingungen
für die geographische Verbreitung der Tiere. Tierleben
ist nur an solchen Orten möglich, wo Pflanzenwuchs ist; das gilt
auch für das Vorkommen der Fleischfresser und Parasiten, da deren
Nährtiere vom Pflanzenwuchs abhängig sind. Diejenigen Pflanzen-
fresser, welche in der Auswahl ihrer Nahrung am wenigsten wäh-
lerisch sind, haben die weiteste Verbreitung (Huftiere, besonders
Hirsche; Schweinearten). Vegetationslose Gebiete bilden Verbreitungs-
grenzen (Sahara) ; Allesfresser verbreiten sich leicht (Wanderratte) ; das
Vorkommen der Raubtiere wird von dem der Pflanzenfresser bestimmt.
Tiere, die auf specialisierte Nahrung angewiesen sind, haben beschränktere
Verbreitungsgebiete. — Nächst der Nahrung bedingt das Klima das
Vorkommen der Tiere, und so ändert sich die Fauna mit den Breiten-
graden. Viele Landtiere sind von Feuchtigkeit abhängig (Amphibien,
Schnecken, Landblutegel), fehlen daher in trockenen Gegenden. In
gleicher Weise wie die geographische Breite ruft auch verschiedene
Höhe über dem Meeresspiegel Faunenunterschiede hervor (Alpen- und
Polarhase, Alpen- und Polarschneehuhn). — Die Verbreitungsmittel sind
teils aktive, teils passive. Aktiv ist das Flugvermögen der Vögel und
Insekten , passiv die Verschleppung durch andere Tiere , durch Treib-
holz u. a. — Von beträchtlichem Einflüsse auf die Faunengestaltung
ist die Anwesenheit des Menschen. Dieser rottet Raubtiere (Bär, Wolf,
Luchs bei uns) und manche Jagdtiere (Elen, Biber bei uns) aus, andere
verdrängt er durch Beeinflussung des Vegetationscharakters der Gegend.
Dagegen führt er auch neue Formen ein, mit oder ohne Willen (Haustiere,
Wanderratte, Sperlinge). — Die inneren Gründe, welche die Verbreitung
der Tiere in manchen Gegenden befördern oder hemmen, sind uns noch
verborgen ; ihre Erforschung ist die höchste Aufgabe der Tiergeographie.
— cxxv —
Privatdozent Dr. Wülfing- (Tübingen) zeigte eine tabellarische
Anordnung der Kry stallformen vor, in welcher die verschiedenen hemi-
edrischen und die tetartoedrischen Formen übersichtlich in Parallele zu
den holoedrischen Grundformen gestellt sind; hierdurch wird ein leichter
Überblick über die Mannigfaltigkeit der Gestalten erreicht. Von den
32 theoretisch sich ergebenden Formen sind bereits 29 an Mineralien
bekannt.
Apotheker Keller (Tübingen) machte Mitteilungen über den Ein-
fluss von Kälte auf die Tiere ; eingedeckelte Schnecken kann man einer
Kälte von — 120° aussetzen, ohne sie dadurch zu töten; Fische vertragen
nur bis — 20°, Frösche bis — 28°, Blindschleichen bis — 25°. Eier
können noch höhere Kältegrade als ausgebildete Tiere ohne Schaden
ertragen. Hieran schloss sich eine längere Erörterung über die Latenz-
zustände des Lebens.
Hofrat Dr. Wurm (Teinach) zeigte die Abbildung eines hennen-
fedrigen Auerhahns vor.
Prof. Dr. E. Fr aas (Stuttgart) besprach einen palaeontologischen
Fund aus dem unteren Diluvium von Java ; es sind Skelettreste eines Tieres,
das die Mitte hält zwischen Mensch und Aifen und das von Dubois als
Pitheconthropus erectus bezeichnet worden ist. Die Reste bestehen aus
einer Schädelkapsel, einem Zahn und einem Oberschenkelknochen. Der
Schädel und der Zahn schliessen sich in der Form denen des in Java
einheimischen Gibbon an ; der Oberschenkel ist bei weitem das wichtigste
Fundstück; denn aus der Gestaltung seiner unteren Gelenkfläche kann
man mit Sicherheit auf den aufrechten Gang des Tieres schliessen.
Auch in diluvialen Ablagerungen Europas hat man zu wiederholten
Malen Funde gemacht, die als Urmenschen gedeutet werden könnten,
besonders Schädel. Der erste derartige Schädel (aus dem Neanderthal)
wurde zwar von VIrchow für recent und seine merkwürdige Bildung
als „Blödsinnigentypus" erklärt; doch weitere Schädel von den ver-
schiedensten Fundorten zeigten denselben Bau, so dass sich immer mehr
der Gedanke aufdrängt, dass man es vielleicht doch mit Schädeln von
sehr alten, niedrigstehenden Eassen zu thim hat; ihnen schliesst sich
der Schädel von Pithecanthropus an. Dubois glaubt, dass gerade in
Java und auf den Sundainseln die Urheimat des Menschengeschlechts
zu suchen sei.
Im Anschluss hieran bespricht Prof. Dr. Eimer (Tübingen) die
Skelette der menschenähnlichen Aifen und des Menschen, und zeigt
an ihnen , wie ein Knochen in seiner Gestaltung einmal von der
ihm obliegenden Arbeitsleistung und dann von der Ausbildung der
übrigen Skeletteile abhängig sei, wie man also von der Form eines
Knochens auf seine Verwendung und auf die Form der anderen Knochen
rückschliessen könne, auf Grund des auf der vorigen Versammlung von
ihm behandelten Gesetzes der Ausgleichung. Die jetzt lebenden
anthropomorphen Affen können nicht Vorfahren des Menschen sein; dem
widerspricht die Bildung ihres Schädels mit den starken Knochengräten;
jedoch ist der Schädel junger Aft'en dem des Mensclien weit ähnlicher,
und daraus muss man auf einen gemeinsamen Ursprung schliessen.
- CXXVI —
Zum Schluss sprach Dr. Hesse (Tübingen) über das Nerven- und
Gefässsystem der Regenwürmer und erläuterte dasselbe durch mikro-
skopische Präparate.
Oberschwäbischer Zweigverein.
Sitzung in Aulendorf am 2. Februar 1894.
Der Vorsitzende Dr. Freih. v. Koenig- Warthausen eröffnet
die Sitzung mit Begrüssung der sehr zahlreich erschienenen Anwesenden
und weist zugleich darauf hin, wie in den letzten Jahren manche
widrige Verhältnisse , besonders Krankheit zahlreicher Mitglieder , die
Veranlassung gaben, dass die Sitzungen nicht mit der wünschenswerten
ßegelmässigkeit stattlinden konnten. Den ersten Vortrag hielt Prof. Dr.
Lamp er t (Stuttgart, K. Naturalienkabinet) über dasThema: „Die niedere
Tierwelt der oberschwäbischen Seen." In Form der Schilderung
einer zoologischen Exkursion skizziert der Vortragende zunächst die
Fülle der niederen Tierwelt, wie wir sie in pflanzenbewachsenen kleineren
Wasserbecken oder in den üferzonen grösserer Seen antreffen. Die
verschiedensten Tierklassen beteiligen sich an der Zusammensetzung
dieser üferfauna : Mollusken , Insekten und ihre Larven , Spinnentiere,
Kruster, Rädertiere, Würmer, Moostiere, Schwämme, Hydrozoen, Protozoen.
Als ein charakteristisches Geschöpf oberschwäbischer Seen greift Redner
die Wasserspinne, Argijroncto, heraus, um sodann etwas eingehender an
der Hand von im grossen Massstab vorgeführten Zeichnungen, sowie
Spiritusexemplaren und mikroskopischen Präparaten die Moostiere und
Schwämme zu besprechen. Auf die Tierwelt des freien Wassers grösserer
und namentlich tieferer Seebecken übergehend, schildert Redner zunächst
die Zusammensetzung dieses Planktons, dessen wesentliche Bestandteile
Kruster, Rädertiere und Protozoen bilden ; er skizzierte die der pelagischen
gemeinsam zukommenden Charaktere und erwähnt unter Angabe einiger
Zahlenbeispiele die Resultate , zu welchen man bei der quantitativen
Berechnung dieser als Fischnahrung so wichtigen Tiere gelangt ist.
Als Beispiele pelagischer Kruster von besonders interessanter Form und
Lebensweise erwähnt Prof. Dr. Lamp er t Bz/fhofrephes und Leptodora,
welch erstere in Württemberg nur im Bodensee vorkommt, während Lep-
todora vom Redner auch in einigen anderen oberschwäbischen Seen
aufgefunden wurde. Der Vortragende schliesst mit einem Hinweis auf
das Interesse derartiger Untersuchungen und mit dankenden Worten
für die Unterstützung, die ihm bereits von mehreren Herren in Ober-
schwaben zu teil geworden ist.
Der Vorsitzende Dr. Freih. v. Koenig -Warthausen knüpft
an den Dank für den Vortrag Bemerkungen an über das etwaige Vor-
kommen der Sumpfschildkröte; wenn auch hie und da Exemplare in
Oberschwaben gefunden würden , so müsse man in der Beurteilung
solcher Funde sehr vorsichtig sein, da es sich leicht um aus der Ge-
fangenschaft entkommene Tiere handeln könne. Für frühere Zeit aber
ist das Autochthonentum dieser Art auch für Oberschwaben nachgewiesen,
— CXXVII —
Tincl Redner hat die Freude gehabt, im Sommer 1893 aus dem Bal-
triuger Torfried Reste eines grossen Exemplares zu erhalten: der Fund
wurde zur Erläuterung vorgezeigt.
Prof. Dr. L a m p e r t bemerkt hierzu , er hege noch immer die
Hoffnung, dass an recht abgelegenen Orten lebende Exemplare sich
linden, bei denen der Verdacht, Gefangeuschaftsflüchtlinge zu sein, hin-
wegfalle. In Preussen (Odergebiet), wo die Art jetzt ebenfalls seltener
geworden , seien früher die Schalen zu häuslichen Zwecken , namentlich
um das Getreide zu schöpfen, verwendet worden.
Oberförster Frank von Schussenried spricht hierauf über „einen
neuesten vorgeschichtlichen Kupferfund aus Oberschwaben".
In den letzten 50 — 60 Jahren wurden im Torfmoor in Kleinwinnaden
im ganzen nur 4 Bronzefunde gemacht; der erste befindet sich in der
Staatssammlung in Stuttgart und soll ein Halsring aus reinem Kupfer
sein; der zweite, ein Armschmuck aus 6 zusammengenieteten Bronze-
platten, ist ebenfalls nach Stuttgart gekommen. Im Jahre 1882 wurden
dort Thonscherben gefunden, welche jedenfalls auch der Bronzezeit an-
gehören, und im Jahre 1889 ein Dolch in antiker echter Bronze
(90 Teile Kupfer, 10 Teile Zinn), der durch Putzen vom Finder leider
seiner Patina beraubt wurde. (Scherben und Dolch werden nebst einer
Nadel vorgezeigt.) Der neueste Fund von dort, der zur Besichtigung
mitgebracht wurde, ist ein für Württemberg in seiner Art einziger Depot-
fand, ausgezeichnet durch bei uns noch nie vorgekommene Scheibenspiralen
(in einem Fall 2 Stück zur Ausbesserung aufeinandergelötet) , die als
Brautschmuck gelten, aber auch aneinandergelötet z. B. als Armschmuck
dienen konnten; zahlreiche Cyliuderspiralen , teils einzeln, teils an ein
Armband aufgereiht, werden von Helbing für Lockenhalter, von Freih.
V. Tkoeltsch für prähistorisches Geld, von anderen für Fingerringe ge-
halten. „Tutuli" aus laubdünnem gewalztem und zuckerhutförmig ge-
stanztem Kupferblech mögen, auf Stoff aufgenäht, ebenfalls als Schmuck
gelten. Redner denkt sich die Sache so , dass etwa ein Händler vom
oder zum Weg nach einer der oberschwäbischen Bronzewerkstätten
(z. B. Zipplingen am Bodensee) seine Vorräte hier eingebüsst habe.
Die durch Prof. Dr. Hkll in Stuttgart vorgenommene qualitative Analyse
ergab 97,72 "/„ Kupfer, 1,02 ^j^ Silber, 0,85 7(, Antimon, 0,11 7^ Nickel,
0,20 °/(^ Arsen, Spuren von Eisen und Phosphor, aber nicht die geringste
Beimischung von Zinn. Eine ähnliche Zusammensetzung zeigten die
Kupferfunde von Hissarlik. Man hat es also mit einem reinen
Kupferfund, vielleicht dem ersten aus Württemberg, zu thun. Dass
er der der jüngeren Steinperiode sich anschliessenden Kupferzeit, falls
es überhaupt eine solche giebt, angehört, dagegen spricht die angewendete
Technik, welche auf die jüngere Bronzezeit (1400 — 800 v. Chr.) hin-
weist; die Gegenstände mögen also ums Jahr 1000 vor unserer Zeit-
rechnung angefertigt sein und das Fehlen der doch üblichen Beimischung
von Zinn lässt sich damit erklären, dass der betreffenden Werkstätte
solches zufällig nicht zur Hand war. Bemerkenswert ist endlich, dass
sämtliche Funde des Torfmoors in Kleinwinnaden niclit im Innern,
sondern am Rande ausgehoben worden sind.
— CXXVIII —
Freili. v. Koenig, welcher dem Vortragenden den Dank der An-
wesenden ausspricht, möchte in dem Fund weniger das Depot eines
H.ändlers, welcher doch wohl eher in der Bronzezeit auch einige Bronzen
mit sich geführt haben dürfte, als vielmehr den gesamten, auch im
Material zusammengehörigen Schmuck einer vornehmen Frau sehen, da
die Zahl der Stücke nicht zu gross ist, um auf ein Mal von derselben
Person getragen zu werden. Derselbe legt im Anschluss an den Vortrag
die wenigen Bronzen seiner Sammlung vor: 3 „Kelte" verschiedenartigster
Form von Liebenau (Tettnang) 1863 von Dr. Golther erhalten,
von Arnach (Waldsee) 1881 von Dr. Probst geschenkt, von Ober-
holzheim (Laupheim) geschenkt von Dr. Fischer; letzterer sehr gross,
beilförmig und von den Findern arg misshandelt , wurde vor einigen
Jahren im Innern eines Hauses ausgegraben, angeblich in einer mit
Eichenholz umgebenen Grablege, die sofort wieder zugeworfen wurde;
ferner eine 1880 bei Warthausen beim Wiesenwässern in einem
Graben der Eiss gefundene Lanzenspitze von goldgelber , rostfreier
Bronze und eine 31 cm lange, schön ornamentierte Nadel, gefunden
1893 im F edersee-Eied.
Vorsitzender machte ferner noch einige ornithologische Bemerkungen:
Am Pfingstmontag (22. Mai) 1893 wurde von Büchsenmacher Eamminger
in Ulm ein Eosenstaar (Pastor roseus Temm. h.) bei Steinberg (Laup-
heim) geschossen, der mit 3 Kameraden auf einem Baum an der Land-
strasse gesessen hatte ; das Exemplar kam nach Bayern in die Samm-
lung des Grafen A. v. Mirbach-Geldern und ist dies für Württemberg
der einzige Erlegungsfall ausser jenem im Mai 1875 bei Waldsee vor-
gekommenen. Über die in diesem Winter, besonders im Dezember vor-
gekommenen Leinfinken (Fringilla linaria L., Linaria rubra Gessn.)
wird bemerkt, dass sie keine derartige Seltenheit seien, wie man hierorts
überall anzunehmen scheint ; allerdings kommen sie aus ihrer nordischen
Heimat oft nur nach langen Zwischenräumen , dann aber öfters in
enormen Scharen; die ersten Schwärme fielen in unserer bayrischen
Nachbarschaft Ende November auf, im Oberamt Biberach waren sie
zeitweise gemein und kamen auch in den Schlossgarten von Warthausen.
Sitzung vom 18. Oktober 1894 (Generalversammlung).
Der Vorsitzende, Dr. Freih. E. v. Koenig-Warthausen, eröfl:net
die Versammlung mit Begrüssung der Anwesenden, besonders der beiden
aus Stuttgart gekommenen Herren, Prof. Dr. Eb. Fbaas und Hofmarschall
Dr. Max Graf v. Zeppelin. Nachdem sodann vom Vorsitzenden Eech-
nung gestellt worden ist, erfolgt die Neuwahl des Vorstandes. Es
werden die seitherigen Vorstandsmitglieder wiedergewählt: Dr. Freih.
E. V. Koenig-Warthausen als Vorsitzender, Hofrat Dr. Finckh als Schrift-
führer, Pfarrer Dr. Probst, Oberförster Frank und Forstmeister Probst,
jetzt in Kirchheim u. T. ; für den ehemaligen Direktor der Staatsanstalt
Schussenried, Dr. Ast, wird dessen Nachfolger, Dr. Kreuser in den
Vorstand gewählt.
— CXXIX -
Dr. Leube bringt Grüsse des naturwissenschaftlicli-matlieiuatischeii
Vereins in Ulm und dessen Einladung, alljährlich eine der Versamm-
lungen dort abzuhalten. Der Vorsitzende anerkennt mit grösstem Dank
dieses freundliche, besonders für unseren Verein erspriessliche Anerbieten,
giebt die Frage zur Erwägung, aber auch zu bedenken, dass der Schwer-
punkt für die Frequenz unserer Zusammenkünfte mehr ..allgäuwärts",
d. h. auf der Eisenbahnlinie südlich von Aulendorf liege, also unseren
zahlreichsten und treuesten Teilnehmern die Gelegenheit für den Besuch
der Versammlungen leicht erschwert werden könnte, da Ulm schon nahe
an unserer Bezirksgrenze liegt. Dr. Leube erwiderte hierauf, es handle
sich nur um einen Versuch, auch seien Ulm näher gelegene Orte (Ehingen,
Blaubeuren, Langenau u. s. w.) zu berücksichtigen. Auf Anregung von
Dr. Fraas wurde das uns gewJfhrte Entgegenkommen mit Dank acceptiert
und beschlossen, in Zukunft wieder — wie früher — vier Versammlungen,
— davon die eine in Ulm — abzuhalten. Es sollen nun die beiden
nächsten in Aulendorf, nachher aber eine weitere in Ulm abgehalten werden.
Es wird nun auf die Tagesordnung, soweit sie Vorträge betrifft,
übergegangen.
Dr. Graf Max v. Zeppelin sprach über „Jagder leb nisse
in Nordamerika".
Der Eedner hat vor einem Jahr mit einer Gesellschaft von sieben
Herren, unter Leitung eines Münchener Malers , eine halbjährige Reise
in die Vereinigten Staaten von Nordamerika gemacht und dabei nicht
nur die Weltausstellung in Chicago und alle interessanten Punkte der
Union von New York bis San Francisco besucht, sondern auch längere
Zeit in den Urwäldern des amerikanischen Westens gejagt. Dies ge-
schah zuerst in den Küstengebirgen des Stillen Oceans im Staate Oregon,
wo aber von der ganzen Gesellschaft während eines achttägigen Jagd-
ausfluges nur zwei Wapitispiesser und ein virginischer Hirsch erlegt
wurden, obwohl die Gegend als eines der besten Jagdgebiete der Union
gilt. Der Wapiti, das häufigste Jagdtier, gleicht unserem Damhirsch,
wird aber von den amerikanischen Jägern Elch genannt , während der
eigentliche Elch bei ihnen Mustier heisst. Von Wölfen, Luchsen und
Bären wurden nur Spuren entdeckt; dagegen sahen die Jäger eine Masse
Kolibris, welche jene Urwälder durch ihr lebhaftes Wesen in anmutiger
Weise beleben. Die Jagdgesellschaft besuchte sodann den Yellowstone-
park im Staate Wyoming, der bekanntlich seit 22 Jahren von der^ Unions-
regierung zum „Nationalpark'" erklärt ist. Derselbe ist zwei- bis dreimal
so gross als Württemberg und noch unbewohnt. Er beherbergt eine un-
erschöpfliche Masse von Wild, u. a. mindestens 25 000 Stück Wapiti.
Zum Schutze dieses reichen Wildstandes sind eigene Wächter aufgestellt,
die dem da und dort angebrachten Verbote „No shooting!" Achtung
verschaffen sollen. Die Gewehre der durchreisenden Jäger werden mit
einem Siegel versehen, das erst beim Verlassen des Parks wieder ab-
genommen werden darf. Dessenungeachtet vermehrt sich das Wild nicht
so sehr, als man glauben könnte; es verlässt in den schneereichen
Wintern den Park aus Mangel an Nahrung und fällt in den angrenzenden
Thälern den Trappern und Jägern zur Beute. Im Nationalpark findet
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. {
— cxxx —
sich auch die letzte Büffelherde der Union, etwa 200 Stück. Sonst hat
man sie ja überall in der unsinnigsten Weise ausgerottet ; in einem
einzigen Winter hat man einmal allein etwa 1 50 000 Stück getötet. Die
Seen und Flüsse des Nationalparks wimmeln von allerlei Fischen, be-
sonders auch von Forellen, die bis zu 10 Pfd. schwer werden und für
den Europäer eine schätzbare Bereicherung der Küche bilden; denn das
Fleisch ist in Amerika schlechter als irgendwo in der Welt. Auch Bären
sind vorhanden und müssen geschont werden, wenigstens der schwarze
und der braune Bär. Was den bösartigen, starken und bis zu 18 Centner
schweren Grrislibären betrifft, der den Menschen stets ohne weiteres an-
greift, so kommt derselbe nur noch selten vor. Von dem Nationalpark
aus unternahm die Jagdgesellschaft eine fünfwöchentliche Hochwildjagd-
partie in das Felsengebirge südlich vom Yellowstone-Fluss. Die Abfahrt
erfolgte unter der Leitung von vier Führern am 16. Sept. v. J. Die
nötigen Reit- und Jagdpferde konnten billig (ä, 100 Mk.) gekauft werden;
dieselben hatten auch die Zelt- und Lagereinrichtungen und Proviant für
fünf Wochen zu tragen. Die Reise wurde dadurch sehr erschwert, dass
die vorhandenen Karten sehr ungenau, ja oft geradezu falsch sind; breite
Flüsse und hohe Gebirgsstöcke haben noch gar keine Namen. Am
Ende des Nationalparks, wo ein durch einen Deutschen besetzter Militär-
posten stand, wurden die Siegel von den Grewehren abgenommen und die
Jagd konnte beginnen. Zuerst fand man Antilopen, konnte sie jedoch
nicht erreichen. Stachelschweine und Stinktiere mit ihrem fürchterlichen,
unausrottbaren Geruch wurden angetroffen; auch ein Puma oder ameri-
kanischer Jaguar wurde aufgestöbert, aber nicht erreicht. Am 26. Sep-
tember erreichte die Gesellschaft einen grösseren Fluss, an dem sie in
einer Höhe von 2000 m über dem Meer ihre Zelte aufschlug. Bald
stellte sich mit der Kälte auch reichlicher Schnee ein, der jedoch die
Jagd begünstigte. Den Hauptgegenstand der letzteren bildeten die
Wapiti und Elche, die noch so wenig scheu sind, dass weder der Lärm
der Stimmen , noch das Rollen der Steine , noch auch der Knall der
Flinten von ihnen beachtet wird. Am Abend kam hin und wieder ein
amerikanischer Jäger oder Trapper zu Besuch ; einmal sassen vier solcher
Gäste mit um das Lagerfeuer und erzählten mit mehr oder weniger
Jägerlatein ihre unterhaltenden Jagderlebnisse. Darunter war auch ein
84 Jahre alter, aber noch rüstiger Indianer, ein bescheidener, gemüt-
licher Mann, der schon sehr viel erlebt hat, jährlich durchschnittlich
allein 58 Biber schiesst und sieben Sprachen spricht. Von den zahl-
reich erlegten Wapitihirschen wurden nur die Geweihe abgenommen,
da das Fleisch der älteren Stücke ungeniessbar ist. Als die Gesellschaft
am 14. Oktober wieder aufbrach, hatte sie unter ihren Jagdtrophäen
13 Vierzehnender, 12 Zwölfender u. s. w. Zu ihrer Fortschaffung mussten
bis zur nächsten Eisenbahnstation noch drei weitere Pferde gemietet
werden, so dass sich zuletzt eine stattliche Karawane ergab , die einen
Weg von 2.30 km zurückzulegen und das Felsengebirge in einer Höhe
von 1 2 000 Fuss über dem Meer zu ersteigen hatte. Am siebenten Tag
war die Landstrasse des Yellowstoneparks wieder erreicht und damit
die Berührung mit der Kultur gewonnen.
— CXXXI —
Nach dem machte Pfarrer Kämmerer Dr. Probst „Mitteilungen
über das Verhalten einiger montanen Pflanzen während
des trockenen Sommers 1893". Unter montanen Pflanzen versteht
Redner solche, welche unterhalb der alpinen und subalpinen Region in
der Höhe von 800 — 1100 m über dem Meer vorkommen. Beim Berg-
farn, Aspidhmi montanum, beobachtete er im Frühling des vorigen Jahres
eine Verzögerung in der Entwickelung , dann erfolgte am 24. Mai ein
kräftiger Regen, der die Entfaltung der „Pollen" beschleunigte, aber
trotzdem wurden die Wedel erheblich kürzer als sonst und erreichten
die in unserer Gregend bis zu 1 m gehende Höhe lange nicht. Vom
einblütigen Wintergrün, Pipöla uniflora L. , kannte Probst eine Gesell-
schaft von 20 — 30 Stöcken, die aber im heissen August des Jahres 1892
auf wenige Pflanzen zurückging; im Jahre 1893 zeigten sich nur noch
zwei, 1894 nur noch eine einzige Blüte ; die Pflanze hat also unter der
vorjährigen Trockenheit so sehr gelitten, dass sie sich kaum mehr er-
liolen wird. Anders verhielt sich die Bergwohlverlei, Arnica montana L.,
die noch in keinem Sommer so üppig blühte wie 1893; während ge-
wöhnlich nur eine Gipfelblume hierorts vorkommt, zeigten sich im vorigen
Jahr Pflanzen mit fünf, ja bis neun Blüten. Der Regen vom 24. Mai,
der für das ganze Oberland von Bedeutung war, kam für die in der
Regel Ende Mai blühende Pyrola offenbar zu spät, für Antica aber,
deren Blütezeit in den Juni fällt, noch gerade recht.
Dr. Probst sprach , liieran anschliessend , über ein von ihm am
15. April V. J. zwischen 10 und 11 Ulir vormittags beobachtetes
-System von Sonnen ringen". Bei völlig unbewölktem Himmel
zeigte sich um die Sonne ein farbiger regenbogenartiger Ring, ein zweiter
von demselben Umfang, aber farblos, berührte die Sonne und nach
Westen und Osten zeigten sich gefärbte Ringfragmente ; beim Hauptring
war das Rot innen, das Blau aussen, bei den Bruchstücken umgekehrt.
Freih, Dr. v. Koenig glaubt, dass das blütenüppigere Gedeihen der
Arnica montana im heissen Jahrgang dadurch zu erklären sei, dass die in
den tieferen Lagen der Alpen häufige Pflanze überhaupt trockene und
sonnige Lagen liebt, also die Bedingungen für ihr Gedeihen diesmal
ganz besonders gefunden habe. — Im Schlossgartenwäldchen zu Wart-
hausen, das im allgemeinen trocken ist, sei während der letzten regneri-
schen Jahre an schattiger Stelle die sonst hier nur in feuchten Schluchten
vorkommende grossblütige Balsamiue, Impatiens noU me tangereL., in dichtem
Wuclis erschienen ; der vorige dürre Sommer habe die Kolonie frühzeitig
vertrocknen machen und heuer, 1894, seien nur noch einige verküm-
merte Stöcke dagewesen ; es werde also hier gerade wie mit der Pyrola
in Essendorf gehen.
Dr. Leube hat die Beobachtung gemacht, dass Euphrasia officinalislj .
heuer weitaus früher blühte als sonst.
Hierauf sprach Prof. Dr. Eberhard Fr aas „Über die geo-
logische Scenerie der Alpen".
Die Alpen sind in ilirem jetzigen Zustand das Endergebnis von
gewaltigen Störungen in der Erdrinde; sie sind, wie man auch schon
gesagt hat, die durch seitliche Pressungen und Auftreibungen entstan-
— CXXXII —
denen Runzeln im Antlitz der Erdkugel. Für den Geologen ist nichts
so interessant als die Bilder aus der geologischen Entwickeluugsgeschichte
der Alpen, wie sie sich ergeben aus dem bunten Gemenge der Gesteine
und aus der oft höchst eigentümlichen Aufeinanderfolge der Formationen.
Die Untersuchung der einzelnen Schichten und ihrer jeweiligen Ver-
steinerungen ergiebt, dass man es bald mit Urgebirge, bald mit solchen
Gebilden zu thun hat, die sich nur im Meer abgelagert haben können,
dass hier früher eine Küste, dort ein See gewesen u. s. w. Den aller-
ersten Anfang der Ablagerungen bilden die krystallinischen Schiefer,
die sich in der Gegend der jetzigen Centralalpen in grossen Massen
finden. In welchen Zeiträumen und wie sich diese gebildet, lässt sich
nicht sagen; nur über die neueren Bildungen lässt sich durch die Leit-
fossile ein klares Bild gewinnen. Zur Silurzeit gab es jedenfalls noch
keine Alpen, da damals das ganze Gebiet noch vom Meer bedeckt war,
über das sich erst zur Devonzeit ein breiter, flacher Rücken erhob.
Damals muss es auch nördlich vom heutigen Alpengebiet ein Gebirge
gegeben haben, das von den Geologen das „vindelicische Gebirge" genannt
wird und sich von Böhmen bis zum Schwarzwald erstreckte , von dem
aber keine Spur mehr vorhanden ist. Auf die Devonzeit folgt die Car-
bonzeit, in der sich die Steinkohlen, das Anschwemmungsprodukt der
gewaltigen Farnwälder der Urzeit, bildeten. Erst am Ende der Carbon-
zeit beginnt die eigentliche Bildung der Alpen. Durch Störungen im
Erdinnern und Schrumpfungen in der Erdkruste wurden Pressungen und
damit eine Emportreibuug der vorhandenen Schichten erzeugt. Die Alpen
bildeten damals ein enorm hohes Kettengebirge , das einen vielleicht
prächtigeren Anblick bot als jetzt. Das Gestein wurde zertrümmert
und die Tagwässer bemächtigten sich des Schuttes und schwemmten ihn
zusammen; daraus entstand der Verrucano, der sich wie ein breiter
Gürtel um die damaligen Alpen legte, und in dem wir das Trümmer-
material der ersten Erhebung zu erblicken haben. Im Osten waren die
Alpen vom Ocean umsäumt, und im Süden entstanden in der Nähe des
Meeres Vulkane. Die Alpen waren damals das gewaltigste Eruptiv-
gebiet der Erde ; die Beweise dafür erblicken wir in den Porphyr-
gesteinen der Südalpen, von denen die bekanntesten die des Bozener
Gebiets sind. Nun trat eine Ruhepause ein, während der sich durch
die Thätigkeit des schwemmenden Wassers Thon- und Sandsteinschichten
bildeten. Im Westen der Alpen war Land, im Osten der Ocean. Zu
dieser Zeit wurde auch das „vindelicische Gebirge" zertrümmert und
lieferte Material, um die Tiefen des Meeres auszufüllen. In der mitt-
leren Kreidezeit fand abermals eine gewaltige Erhebung der Alpen und
zwar besonders im Osten statt. Schon damals bildeten sich die grossen
Thäler der Ostalpen, das Inn-, Salza-, Drauthal u. s. w. Zu jener
Zeit mochten die Alpen ein Bild gewähren, wie das heutige Norwegen:
in die Thäler drangen Fjorde ein und zernagten das Gestein. Das
„vindelicische Gebirge" fällt der Erosion anheim und sein Zertrümme-
rungsprodukt, der Flysch, lagert sich im Norden der Alpenkette an.
Dann drang das Meer von Osten her weiter vor, und im Westen be-
gannen neue Störungen, woraus Unmassen von Schutt und Trümmern,
— CXXXIII —
die Molasse , entstanden. Diese Aufstauchiing zur Tertiärzeit ist die
letzte gewaltige Erhebung im Alpengebiete. Nun begann die Gletscher-
zeit und damit diejenige grossartige Zertrümmerung der Alpen, die bis
in unsere Zeit hereinreicht, und wodurch die Alpen ihre jetzige Form
erhielten.
Allen drei Vortragenden wurde ungeteilter Beifall zu teil. Wäh-
rend des letzten Vortrags Hess Hofgärtner Schupp von Wolfegg eine
Zusammenstellung schöner, meist wissenschaftlich bestimmter Käfer von
Bogamoyo kursieren, wie auch Dr. Graf von Zeppelin zahlreiche Photo-
graphien in Umlauf gesetzt und Landkarten vorgelegt hatte.
Sitzung in Aulendorf am 13. Dezember 1894.
In seinen Begrüssungsworten teilte der Vorsitzende Dr. Freiherr
v. Koenig- Warthausen mit, dass der Gesamtvorstand die beiden um
den Verein verdienten Herren Prof. Dr. Lampert und Prof. Dr. Eberh.
Feaas in Stuttgart zu korrespondierenden Mitgliedern ernannt habe.
Hierauf hielt Direktor Dr. Kreuser von Schussenried den ersten
Vortrag über „Bau und Funktionen des Centralnerven-
systems der Wirbeltiere". Empfindung und Bewegung bedürfen
bekanntlich der Vermittlung nervöser Organe, die sich schon bei den
niederen Tieren finden, aber eine weitere Entwickelung und ein Central-
system nur bei den höheren Tieren erlangt haben und zwar in der
Wirbelsäule , an deren Spitze sich die Gehirnmasse gebildet hat. Bei
den wirbellosen Tieren sehen wir nur die Gangliennerven, die sich in
unmittelbarer Nachbarschaft des Verdauungsapparates finden. Unter den
höheren Tieren ist nur eine Fischart bekannt, die ohne Gehirn ist. Der
Redner behandelte nun die Entwickelung des Rückenmarks und Gehirns
in eingehendster Weise vom ersten Anfang durch die verschiedenen
Stuten des Wachstums hindurch. Das ausgebildete Rückenmark ist ein
Strang, der aus zwei symmetrischen Hälften besteht und durch einen
Centralkanal vereinigt ist. Beim Gehirn ist zu unterscheiden zwischen
Klein-, Gross-, Zwischen-, Vor- und Hinterhirn. Die davon ausgehenden
Nervenstränge vermitteln die Verbindung mit den Sinnesorganen. Die
einzelnen Wirbeltierklassen werden nun mit Bezug auf die Ausbildung
der einzelnen Gehirnabteilungen besprochen, und zur Veranschaulichung
werden die Gehirne einzelner Vertreter dieser Klassen voi'gezeigt und
herumgereicht. Bei den Säugetieren und besonders beim Menschen über-
wiegt die Ausbildung des Grosshirns und des Hemisphärenmantels. Wegen
der eigentümlichen Gänge und Windungen, die an der Oberfläche des-
selben sichtbar sind, hat ein alter Naturforscher das menschliehe Gehirn
mit einer „Schüssel Maccaroni" verglichen; erst später brachte man
Ordnung in dieses Chaos. Das Gehirn des Menschen besteht aus einer
grauen und weissen Masse, deren Querschnitte sehr interessante Bilder
geben, die erst in den letzten 10 Jahren genauer studiert worden sind
und ergeben haben, dass auch der innere Ausbau nach einem einheit-
lichen Plan geschehen ist. Die Nervenzellen enthalten, wie alle Zellen,
— CXXXIV —
einen Kern und das Protoplasma, und ausserdem gewisse Fortsätze und
Fasern. Nur der Nervenzelle kommen die vitalen Funktionen zu; die
Nervenfasern dienen zur Vermittelung der äusseren Eindrücke, die durch
sie in einen Bewegungsvorgang, die Eeflexbewegung, umgesetzt werden.
Dadurch ist das Tier im stände, sein Leben automatisch, d. h. ohne Hin-
zutreten des Bewusstseins , zu erhalten. Man hat einzelne Vorgänge,
Empfindungen u. s. w. an bestimmten Teilen des Grosshirns oder seiner
Kinde lokalisieren wollen; aber diese Versuche sind ebensowenig zuver-
lässig wie die Behauptungen der GALL'schen Phrenologie betr. der ein-
zelnen „Organe", Dagegen weiss man, dass das Erinnerungsvermögen
eine Eigenschaft aller Nervenzellen ist. Das Grosshirn des Menschen
überrascht nicht nur durch seine Masse, sondern auch durch die Mannig-
faltigkeit und Feinheit seines Aufbaus. Über die funktionelle Bedeutung
seiner einzelnen Teile für die Begabung eines Menschen oder seine Seelen-
und Verstandesthätigkeit herrscht noch manche Unklarheit. Es sind in
dieser Beziehung noch viele Beobachtungen anzustellen; doch hat die
Wissenschaft in der letzten Zeit aucli in diesem Punkt Fortschritte
aufzuweisen.
Die Versammlung spendete dem eingehenden interessanten Vortrag
reichen Beifall.
Hierauf ergriff Oberreallehrer Zoll er von Altshausen das Wort
zu seinem Vortrag über die „Pflanzen- und Tierwelt des Alts-
hauser Altweihers". Veranlasst durch einen Vortrag , den Prof.
Dr. Lampert von Stuttgart bei einer der letzten naturkundlichen Ver-
sammlungen in Aulendorf gehalten hat, ist der Redner daran gegangen,
im letzten Jahr die Flora und Fauna eines Weihers bei Altshausen zu
untersuchen, und die Ergebnisse seiner Forschung teilte er nun, nachdem
er seine Funde den Stuttgarter Sammlungen übersandt hatte, der Ver-
sammlung mit. Der Altshauser Weiher liegt in einer Moränenmuhr bei
Altshausen \\m\ wurde durch Anlegung eines Dammes künstlich zur Er-
zielung des klösterlichen Fischbedarfs geschaffen; wann dies geschehen,
weiss man nicht mehr. Ursprünglich l^/g km lang und ^U km breit,
ist er jetzt nur noch etwa 50 Morgen gross und geht sichtlich seinem
Ende entgegen. Die „schwimmenden Inseln", die im Winter auf den
Grund sinken, im Frühling wieder steigen und dann vom Wind im See
herumgetrieben werden oder auch festwachsen, vermindern die Wasser-
fläche mehr und mehr. Von dem Damm aus, an den noch vor 20 Jahren
die Wellen schlugen, erstreckt sich jetzt das feste Land 30 m weit in
den Weiher hinein. Die Tiefe des Wassers beträgt 1^/^ — 3 m; den
Boden des Weihers bildet eine Sumpfschicht von l^/g m Dicke. Auf
und in diesem Weiher hat der Eedner im letzten Sommer täglich ge-
fangen und gesammelt, was er bekommen konnte. Die Aufschlüsse, die
er dadurch über die Pflanzen- und Tierwelt dieses eng begrenzten Ge-
bietes erhielt, sind so interessant und mannigfaltig, dass sie zu weiterer
Forschung antreiben. In botanischer Hinsiclit mag erwähnt werden,
dass der Weiher im Frülijahr ganz von Fieberklee- und Simsenarten
umsäumt ist. Dazwischen blühen Lysimachien, Solaneen, Potamogeton
natans (das schon am 12. Juni in voller Blüte stand, während es sonst
— cxxxv —
später ist), Potam. crispus, Pofam. lucens, verschiedene Hahnenfussarten,
Sparganemn rmnosum, der grosse und kleine Igelskolben, Epilohium parvi-
foliiim, Potamogeton perfoUatus, Galium palustre, Mentha aquatica u. s. w.
Eigentümlich ist, dass die Lemna-kvlQw ganz fehlen; dagegen gedeihen
andere Pflanzen zu üppiger Höhe ; Bumex maximus wird z. B. über 2 m
hoch; der Wasserschierling umsäumt den See bis zu 1,80 m Höhe. Die
Nymphäen bedecken schon im Juli die ganze freie Wasserfläche und
tragen wesentlich zur Versumpfung des Weihers bei. Was dife Tierwelt
des Sees betriift, so ist er zunächst reich an Fischen; man findet z. B
Hechte, Barschen, Braxen, Rotaugen, Karpfen etc. Noch vor vier Jahren
wurde ein 1,80 m langer und 68 Pfund schwerer Weller gefangen.
Von niederen Lebewesen flnden sich verschiedene Käferarten , Wasser-
wanzen und Wasserspinnen, Flohkrebse, Cj^klopiden, Wasserasseln,
Würmer, Schwämme u. s. w.
Der Vorsitzende dankte dem Redner für seinen interessanten Vor-
trag und gab noch einige ornithologische Ergänzungen zur Beschreibung
des Altshauser Altweihers.
Hierauf wurde von Kaplan Mönig-Saulgau ein vor einigen Tagen
bei Engenweiler erlegter und ausgestopfter Oedicnemics crejntans, Euro-
päischer Triel oder Dickfuss, vorgezeigt und beschrieben. Dieser Vogel
hat die Grösse einer Taube, ist aber schlanker und hat besonders längere,
in der Mitte verdickte Füsse. Er gehört zu den Regenpfeifern und
bildet die kleinste von 9 hierzu gehörigen Arten. In Süd- und Südost-
europa, auch in Westasien und Nordafrika ist er ziemlich verbreitet,
kommt jedoch in Deutschland selten vor. Wenn er als Zugvogel in der
Mitte März bei uns eintrifft, so lässt er einen Schrei hören, der wie
„triel" lautet, daher sein Name. Im Oktober und November geht er
wieder nach Süden. Sein Lieblingsaufenthalt sind sandige Flächen;
daher kommt er in Deutschland nur im Nordosten und in Südbayern
vor. während er in Württemberg sehr selten ist. Seine Nahrung besteht
in Insekten, auch wohl Fröschen. Das Weibchen legt von April bis
Juni 2 — 3 olivenbraun gezeichnete Eier. Der Vorsitzende ergänzt diese
Beschreibung durch die Mitteilung, dass der Triel sich von den übrigen
Regenpfeiferarten dadurch unterscheidet , dass er stets nur zwei kurz-
"bauchig-ovale Eier lege, und dass er in Württemberg nur bei Tannheim
an der liier gebrütet habe.
Den letzten Vortrag hielt Domänendirektor Waldraff von Wurzach
über einen vor 8 Tagen im Wurzacher Ried geschossenen, vollständig-
ausgewachsenen Rakelhahn. Nach Linne galt der Rakelhahn für eine
besondere Art von Waldhuhn; erst Hofrat Dr. Meyek von Dresden
brachte Klarheit in die Rakelhahnfrage, nachdem Kronprinz Rudolf von
Österreich die Anregung dazu gegeben. Nach Meyer giebt es viele
Bastarde zwischen den verschiedenen Hühnerarten. Das Rakelwild kann
nur da vorkommen, wo Birkwild und Auerwild zu gleicher Zeit balzen,
also nicht in den Alpen, wohl aber in Schweden und Russland, wo die
Balzzeit beider Arten zusammenfällt. Die Kreuzung zwischen Auerhahn
und Birkhenne ergiebt eine grössere Art als die zwischen Birkhahn und
Auerhenne; die letztere Art kommt aber häuflger vor. Im Wurzacher
— CXXXVI —
Kied giebt es seit einigen Jahren mehrere Auerhennen, wodurch sich
das Vorkommen des Birkwildes erklärt. Der erlegte Eakelhahn zeigt
den Birkhahntypus, war vollkommen entwickelt, lebhaft gefärbt und hatte
besonders eine prachtvoll violette Brust. Während die zwei früher er-
legten Exemplare in die Küche wanderten, ziert das letzte die Sammlung
S. M. des Königs.
Nachdem der Vorsitzende noch über die Untersuchungen bezüglich
der Bastardierung der Vogelarten gesprochen, führte Oberförster Frank
von Schussenried, anknüpfend an den Vortrag von Oberreallehrer Zoller,
die Erfahrungen an, die er seit 25 Jahren als Fischzüchter gemacht.
Von lOOUO in den Olzreuter See eingesetzten jungen Aalen wurden nur
2 — 300 durch die Fischreusen gefangen ; die übrigen schienen ver-
schwunden zu sein. Von den eingesetzten Zandern ist keine Spur mehr
vorhanden.
Nachdem der Vorsitzende noch sämtlichen Rednern im Namen der
Versammlung für ihre Vorträge gedankt und den Termin der nächsten
Zusammenkunft bekannt gegeben hatte, schloss er die Versammlung.
II. Abhandlungen.
Schwabens 125 Vulkan-Embryonen und deren tuff-
erfüllte Ausbruehsröhren ; das grösste Maargebiet
der Erde.
Von Prof. Dr. "W. Branco in Tübingen.
Teil II.
Die Beschaffenheit und Entstehung der Tuffe und Basalte,
sowie die Erosionsreihe der Maare des Gebietes von Urach.
Aligemeines über Tuffe und Maare.
Die Beschaffenheit der Basalte und der vulkanischen Tuffe
des Gebietes von Urach.
1. Die Basalte. Melilitli-, Neplielin-, Feldspatbasalte.
2. Die Tixffe. Breccien-Strnktur derselben durch zahllose Einsprengunge der
durchbrochenen Gesteinsmassen. Chondritische Struktur der eigentlich vul-
kanischen Bestandteile. Massige Beschaffenheit. Untergeordnete Schichtung.
Diese ist teils subaquatisch , teils subaerisch. Entstehung dieser Schichtung.
Absonderungserscheinungen. Die Einschlüsse von Fremdgesteinen in den Tuffen :
ihre Gestalt ; ihre Arten : Schichtgesteine und altkrystalline Gesteine ; Tufi-
stücke anderer Art im Tuffe; Kohle?; Mineralien. Magnetisches Verhalten
des Tuffes. Festigkeit des Tuffes; spätere Entstehung derselben. Der Schutt-
mantel der Tuff berge ; seine Entstehungs weise.
Beziehungen des Tuffes zur Kultur: Wasserhaltende Eigenschaft; Acker-
und Waldboden. Technische Verwendung.
1. Die Basalte.
Hinsichtlich ihrer mineralogischen Beschaffenheit sind die Ba-
salte unseres Gebietes von Urach zunächst in einigen Vorkommen
durch Zirkel ^ untersucht worden : Basalt von Urach , Eisenrüttel,
' Untersuchungen über die mikroskopische Zusammensetzung der Basalt-
gesteine. Bonn 1870. S. 172.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Natarkunde in Württ. 1896. 1
Neuhausen bei Urach und vom Sassberge bei Dettingen unter Urach.
Bei dieser Bezeichnung ergiebt sich einige Schwierigkeit. Unter
Neuhausen bei Urach wird der Basalt nördhch vom Hof buhl No. 106
gemeint sein. Dagegen giebt es zwei Dettingen in unserem vul-
kanischen Gebiete. Eines nahe jenem Neuhausen (Blatt Urach),
das andere nördlich von Owen (Blatt Kirchheim u. T.). Bei keinem
dieser beiden Dettingen aber findet sich Basalt, bei keinem derselben
liegt ein Berg, welcher Sassberg genannt würde.
Dann hat Möhl andere Vorkommen unseres Gebietes im
Jahre 1874 untersucht^; es sind das die folgenden: Dietenbühl
No. 36; Sternberg No. 37; Grabenstetten No. 126 und zwar von der
Zeige Egelstein, also dasselbe Gestein, welches Endriss jetzt (s. später)
als Feldspatbasalt erklärt hat; Zittelstadt No. 125 ; Buckleter No. 127;
Jusi No. 55; Neuhauser Weinberg No. 106?; Hohenbohl No. 86;
Kraftrain No. 76.
Alle diese Basalte wurden von den genannten beiden Autoren
als Nephelinbasalte beschrieben.
Im Jahre 1883 veröffentlichte aber Stelzner eine Arbeit über
Melilith und die Mehlithbasalte ^. Er zeigte, dass der von jenen
noch nicht untersuchte Basalt vom Bolle bei Owen No. 49 ein
Melihthbasalt sei. Gleiches wies er dann aus den ZiRKEL'schen Dünn-
schliffen, welche dieser ihm zur Verfügung gestellt hatte, für die
von Zirkel beschriebenen, oben genannten beiden Vorkommen nach.
Ebenso ergab sich für die von Möhl untersuchten Basalte vom Hohen-
bohl und Neuhauser Weinberg, dass ihr vermeintlicher Nephelin ein
farbloser Melilith sei, und dass auch die übrigen bei Möhl genannten
Vorkommen ihrer Beschreibung nach Melilithbasalte sein müssen.
In seiner mikroskopischen Physiographie der massigen Gesteine^
hat dann Rosenbüsch die als Melihthbasalt erkannten Basaltvorkommen
unseres Gebietes aufgezählt.
Dass nun aber nicht alle Basalte unseres Gebietes gleicher Art
sind, bewies ebenfalls Stelzner*, indem er den Basalt vom Eisen-
rüttel (s. 1894 S. 979) für einen nicht nur Melilith-, sondern auch
Perowskit-freien Nephelinbasalt erkannte.
1 Diese Jabresh. Bd. XXX. 1874. S. 238 und Neues Jahrbuch f. Min., Geol.
u. Pal. 1874. S. 926. Taf. 11 fig. 9 a.
^ Neues Jahrbuch f. Min. , Geol. u. Pal. Beil.-Bd. IL 1883. S. 383 , 384,
399, 400.
3 S. 807. Aufl. 2. Stuttgart 1887.
* Ebenda S. 401.
- 3 —
Später hat E. Fraas das Vorkommen am Gaisbühl (No. 122)
gleichfalls als emen Nephelinbasalt beschrieben ^.
Nun kommt Endriss in neuester Zeit für das, der Zeige ^ Egel-
stein bei Grabenstetten No. 126 entstammende , durch Möhl als
Nephelinbasalt hingestellte Gestein zu dem Ergebnis, dass dasselbe
ein Feldspatbasalt sei^. Das wäre der einzige in unserem Gebiete
als Feldspatbasalt erkannte. In den beiden Dünnschliffen, welche
ich von dem Basalte in der Zeige Egelstein und dem an der Strasse
nach Urach No. 126 habe anfertigen lassen, vermag ich jedoch nur
Melilith und keinen Feldspat zu finden.
So würde sich also die bemerkenswerte Thatsache
ergeben, dass — nach den Beobachtungen jener Forscher
— unser an festen Basalten immerhin armes Maar-
gebiet nicht weniger als drei verschiedene Arten von
Basalte besässe: vorwiegend Melilith-, untergeordnet
aber auch Nephelin- und Feldspatbasalte.
Zu den Feldspatbasalten würde gehören nach Endriss
der Gang bei Grabenstetten No. 126.
Als Nephelinbasalte sind nur zwei Vorkommen bestimmt
worden: am Eisenrüttel No. 38 und am Gaisberg No. 122.
Ob dann alle übrigen Gesteine Melilithbasalte sind, oder
ob unter diesen doch noch einzelne zu einer jener beiden Abteilungen
gehören, muss späterer Untersuchung vorbehalten bleiben.
2. Die Tuffe.
Das Gefüge. Das Gefüge der in der Gruppe von Urach auf-
tretenden vulkanischen Tuffe ist infolge zahlloser Einschlüsse eckiger,
dem Tuffe fremder Gesteinsstücke durchweg dasjenige einer Breccie.
Ich würde daher folgerichtig stets von einer Tuffbreccie sprechen
müssen. Handelte es sich nun in dieser Arbeit allein um die Be-
schreibung des Tuffes, so würde ich das auch gethan haben. Allein
viel wesentlicher als die Beschaffenheit des Tuffes ist seine Lagerung
in Gangform und seine Beziehung zu einstigen Maaren ; um diese
handelt es sich in dem grössten Teile der vorliegenden Arbeit. An
Stelle der unendlich oft wiederkehrenden Ausdrücke „Tuffgang, tuf-
fige Füllmasse , Tuffsäule , Tuffberg" , würde ich somit die unschön
klingenden Bezeichnungen „Tuffbrecciengang, tuffbreccige Füllmasse"
' Diese Jahresh. 1893. S. 8. Anm.
^ Zeige ist ein Ausdruck für Flur.
^ Bericht über die 26. Versammlung des Oberrhein, geolog. Vereins. 1893. 6S.
1*
u. s. w. angewendet haben müssen; oder ich wäre zu der steten
schleppenden Ausdrucksweise „ Gang-Tuff breccie" u. s. w. gezwungen
worden. In diesen Umständen Hegt die Erklärung dafür, dass ich
von unseren Tuffbreccien stets nur als Tuff spreche.
Man darf mir nicht entgegenhalten, dass ja Lecocq z. B. bei
seiner Beschreibung der Tuffe von Central-Frankreich ^ von „breches"
spreche. In dieser Arbeit handelt es sich eben nicht um gang-
förmige Lagerung und die mit einer solchen verknüpften Ausdrücke.
Auch die von Mügge neuerdings vorgeschlagene Bezeichnung
„Tuffit" würde nicht für den vorliegenden Fall passen. Derselbe
sagt^: „Eine einheitliche Bezeichnung für Tuffmassen, welche mit
gewöhnlichen Sedimenten gemischt sind , fehlt bisher , ebenso für
metamorphe (nicht kontaktmetamorphe) Mischgesteine derart; ich
schlage vor, erstere „Tuffite", letztere „Tuffoide" zu nennen." Es
handelt sich indessen hier um jene palaeozoischen, als Lenneporphyre
bezeichneten Vulkantuffe , welche in Form von Asche in das Meer
fielen und sich erst auf dessen Boden mit den Sedimenten desselben
mischten ; nicht aber um Tuffe, welche, wie die unserigen, gleich bei
dem Ausbruche mit den Stücken der durchbrochenen Sediment-
gesteine gemischt wurden. Die von Mügge für erstere vorgeschlagene
Bezeichnungsweise „Tuffite" durfte daher nicht auf letztere angewendet
werden.
Ebensowenig aber war es trotz gewisser Ähnlichkeit statthaft,
den Namen „Peperin" zu wählen, da man mit diesem Ausdrucke
Gesteine anderer Entstehungsweise bezeichnet.
Die vulkanischen Tuffe derGruppe von Urach er-
halten also durch die Beimengung zahlloser, meist
eckiger Fremdgesteine fast stets eine Breccienstruktur;
stets ist, wenn ich von unseren Tuffen spreche, aus
obengenannten Gründen eine Tuffbreccie zu verstehen.
Zwar kommen hier und da einmal kleine Partien vor, welche aus
fast reiner vulkanischer Asche bestehen. Aber das ist verschwindende
Ausnahme. So gut wie immer ist der Asche auch zerschmettertes
fremdes Gestein beigemengt, welches die durchbrochenen Schichten
geliefert haben. Teils ist dasselbe zu kleinen Stückchen zertrümmert,
teils besteht es aus grösseren Fetzen und Blöcken, welche bis zu
^ Les epoques geologiques de l'Auvergne.
* Untersuchungen über die „Lenneporphyre" in Westfalen und den an-
grenzenden Gebieten. Neues Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. Beil.-Bd. VIII. Heft 3.
1893. S. 707.
— 5 —
bedeutender Grösse anschwellen können. Die gewaltig grossen Blöcke
finden sich fast immer nur oben auf dem Gipfel oder auf den Flanken
unserer Tuffberge. Tief im Tuffe drinnen stecken meist nur mittlere
und kleine Stücke. Bei den nö-rdlichst gelegenen Tuffmassen, welche
aus Lias zu Tage treten, fehlen die Riesenblöcke fast immer, weil
sie wohl bereits entfernt sind ; auch die mittleren sind dort im Tuffe
seltener, er führt vorwiegend nur kleinere Stücke; vielleicht weil
wir uns hier in grosser Tiefe unter der damaligen Erdoberfläche
befinden.
Diese Breccienstruktur , so kennzeichnend sie auch für unsere
Tuffe ist, kann jedoch keineswegs als etwas nur unserem Gebiete
Zukommendes betrachtet werden. Wir finden sie vielmehr bei manchen
Tuffen anderer Gebiete ebenfalls ; im besonderen auch bei denen,
welche man in Italien als Peperine bezeichnet (s. später „Die Ver-
gleichung unserer Tuffe mit denen anderer Gebiete"). Ja, gerade
diese letzteren stimmen mit den unserigen auch noch darin überein,
dass die Breccienstruktur in gleicher Weise durch eingesprengte
Stücke weissen Kalkes bedingt wird. So sehr aber auch hierdurch
eine Ähnlichkeit mit unseren Tuffen hervorgerufen wird, so habe ich
doch nie gesehen oder aus der Litteratur entnehmen können, dass
diese egkigen Bruchstücke von Fremdgesteinen, abgesehen davon,
dass sie im Tuffe eingebettet liegen, ausserdem noch ganz allein für
sich und unvermischt eine mantelförmige Hülle rings um die Tuff-
breccie bilden. Durch diesen Schuttmantel sind unsere Tuffberge,
wie mir scheint, gegenüber allen anderen bisher bekannten aus-
gezeichnet; wir werden denselben und seine Entstehung später be-
trachten.
Das Auftreten grosser Massen des Nebengesteines ist übrigens
nicht nur auf vulkanische Tuffe bezüglich unsere Tuffgänge beschränkt,
auch in Erzgängen ist dasselbe eine sehr gewöhnliche Erscheinung.
Ganz wie dort, so finden sie sich auch hier bald in kleineren, bald in
grösseren Stücken. Ganz wie dort, so schwellen sie auch hier zu oft
kolossalen Blöcken und Schollen an, welche noch die ursprüngliche
Schichtung, wenn auch in veränderter, aufgerichteter oder über-
kippter Lagerung, erkennen lassen. Ganz wie dort stammen die-
selben auch hier zum Teil von den zunächst angrenzenden Wänden
der Gangspalten, zum Teil aus höherem Niveau, aus welchem sie in
der Spalte mehr oder weniger tief hinabgestürzt sind. Darin aber
zeigt sich ein schwerwiegender Unterschied, dass wir in unseren
Tuffgängen auch zahllose Bruchstücke solchen Nebengesteines finden.
- 6 —
welche, aus tieferen Horizonten herrührend, in die Höhe befördert
wurden, während das bei den Erzgängen natürhch niemals der Fall
sein kann, da es sich hier nicht um eine eruptive Thätigkeit handelt.
Während so das Gefüge unserer Tuffe durch die zahl-
losen eckigen Fremdgesteine dasjenige einer Breccie
wird, besitzt die eigentliche vulkanische Masse der-
selben aber ganz vorwiegend eine chondritis che Struk-
tur. Bei der Explosion der Gase wurde der in grosser Tiefe der Aus-
bruchsröhre verharrende, basaltische Schmelzfluss zerstiebt. Hierbei
rundeten sich die Teilchen zu kleinen Kügelchen ab, welche zwischen
geringer Grösse und derjenigen von Erbsen schwanken, jedoch der
Regel nach weit unter der Grösse letzterer bleiben.
Im Jahre 1875 hat Anger ^ bereits den Tuff des Karpfenbühl
von Urach, von Owen und der Gutenberger Steige mikroskopisch
untersucht, aber noch als Feldspatbasalt-Tuff beschrieben.
Dann hat im Jahre 1879 Penck^ in seiner Arbeit „über Pala-
gonit- und Basalttuffe" ebenfalls mehrere Tuffe unseres vulkanischen
Gebietes mikroskopisch untersucht. Es sind das die Vorkommen
von Owen, Dettingen bei Urach und Karpfenbühl. Dem Stande der
damaligen Anschauung gemäss beschreibt er die Lapilli derselben noch
als zu den Nephelinbasalten gehörig. Aber Rosenbusch ^ hebt hervor,
dass man bei der Schilderung mancher Nepheline an Melilith denken
möchte, was wohl auch der Fall ist.
Endlich führt Endriss^ an, dass nach seinen Untersuchungen
ein Teil der Tuffe zum Melilith, ein anderer zum Nephelinbasalt ge-
höre. Zu den ersteren rechnet er die Tuffe von Aichelberg, Lim-
burg, Randeck, Diepoldsburg, Schopfloch, Hochbohl, Bolle bei Owen,
Jusi, Dettinger Weinberg. Dagegen als Nephelinbasalt-Tuff erkannte
er denjenigen des Rangenbergle.
Ich sagte, dass bei unseren Tuffen die chondritische Struktur
ganz allgemein verbreitet ist. Unter dem Mikroskop zeigt sich, dass
die zahlreichen kleinen Basaltkügelchen und Stückchen durch ein
Cement von Kalkspat verkittet sind. Dieses Bindemittel, welches
sich aus der Zersetzung der dem Tuffe so massenhaft beigemengten
1 Tschermak's Mineralog. Mitteilungen. 1875. S. 169.
2 Zeitschrift d. Deutschen geolog. Ges. Bd. XXXI. 1879. S. 540.
2 Mikroskopische Physiographie der massigen Gesteine. 2. Aufl. Stuttgart
1887. S. 810.
* Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. 1889. Bd. XLI. S. 103 und S. 116
Aum. 2.
Weiss- Jurakalke herschreibt, zeigt Aggregat-Polarisation. Ausser
dem Melilith bezw. auch Nephelin treten dieselben Mineralien auf,
welche sich in den Basalten finden. Zahlreiche Magnetite und Olivin,
letztere in allen Zersetzungsstadien, selten Augit, Hornblende, Biotit.
Sodann hat Penck aber auch die Anwesenheit von Perowskit und
in manchen der Kügelchen von Glas nachgewiesen.
Ausser den zahllosen kleinen Kügelchen kommen jedoch auch
noch grössere Kugeln , bis zum Umfange einer Walnuss vor. Bis-
weilen bestehen diese letzteren wesentlich aus Olivin, welcher jedoch
bereits in serpentinige Masse übergegangen ist.
Aber auch im Innern der kleinen Kügelchen findet sich häufig
ein Olivinkern , welcher hier noch frisch , dort in eine rötliche , da
bereits in eine grünliche Masse verwandelt ist.
In vielen Fällen ist der Tuff durchtränkt mit weisser kalkiger
bezw. zeolithischer Substanz , welche die Zwischenräume zwischen
den Kügelchen und den grösseren Stücken von Fremdgesteinen aus-
füllt. Bei solcher Beschaffenheit tritt dann das chondritische Gefüge
um so deutlicher hervor, indem sich nun die dunklen Kugeln von
der hellen Zwischenmasse scharf abheben. Da unter den Fremd-
gesteinen die kleineren Kalkstücke des Weiss-Jura durch die Hitze
dunkel gebrannt und die kleinsten derselben dann ebenfalls nicht
selten rundlich abgerieben sind, so kann man sie bei flüchtigem Zu-
sehen mit den echten vulkanischen Chondren verwechseln.
Bisweilen ist die ganze vulkanische Masse des Tuffes, also ab-
gesehen von den Fremdgesteinen, in ein dunkelgrünes, dichtaus-
sehendes , serpentiniges Gestein verwandelt. Hier hat offenbar ein
besonders starker Auswurf von Olivin stattgefunden. Bei geeigneter
Verwitterung lässt sich aber auch bei solcher Beschaffenheit noch
das chondritische Gefüge erkennen. Dieselbe Struktur zeigen auch
viele Tuffe des Hegaus. Dieselben führen ebenfalls zahlreiche kleine
Lapilli von Melilithbasalt, welche in ihrem Gefüge an die Chondren
der Meteorite erinnern ^
Ausser den vorher erwähnten walnussgrossen Kugeln, welche
einen serpentinigen Kern besitzen, finden sich hier und da auch
etwas grössere rundliche Basaltstücke mit grossen Hornblende- und
Glimmer-Krystallen ; so z. B. am Bützlesberg No. 68.
Dagegen ist ganz besonders hervorzuheben das Fehlen grösserer
^ Cushing und W einsehe uk: Zur genauen Kenntnis der Phonolithe
des Hegaus. Mineralog. und petrograph. Mitteilungen von Tschermak 1893.
Bd. XIII. S. 18—38, 170.
Basaltstücke in den Tuffen. Es giebt ja in anderen Gebieten Gänge,
welche mit Reibungsbreccien bezw. Konglomeraten von Besalt er-
füllt sind, welche also aus einem Haufwerke von Basaltstücken be-
stehen. Derartiges kommt in unserem Gebiete nicht vor. Es handelt
sich hier überall nur um fein zerstiebten Schmelzfluss, welcher letztere
in der Röhre offenbar in so grosser Tiefe verblieb, dass es zu einer
Ausfüllung derselben mit Reibungsbreccien des Basaltes gar nicht
kommen konnte. Da, wo man im Tuffe einmal grössere Basaltkugeln
oder Stücke findet, kann man sicher sein, dass sie nicht von Aus-
würflingen herrühren, sondern die in Stücke zerfallene Apophyse
eines im Tuffe aufsetzenden Basaltganges sind.
Schwarze Gläser haben sich im Randecker Maar No. 39, sowie
in mehreren Stücken am Florian No. 101 und dem Bettenhard
No. 96 gefunden. Das sind jedoch höchst wahrscheinlich keine vul-
kanischen , sondern menschliche Erzeugnisse , welche dorthin ver-
schleppt wurden.
Im Gegensatze zu diesen chondritischen Tuffen kommen auch
ganz fehikörnige Aschentuffe vor; so z. B. am S.- Abhänge des
Aichelberges No. 75. Doch sind das seltenere Erscheinungen.
Die Farbe des Tuffes ist im frischen Zustande eine dunkel-
graue bis blaue. Bei der Verwitterung geht dieselbe in das Gelb-
liche über. Doch kommt auch grüne Färbung vor.
Massigen ndgeschichteteLagerung. Durch die eckigen
fremden Beimengungen erhalten also unsere Tuffe eine Breccien-
struktur. Im grossen und ganzen ist diese Tuffbreccie massig,
ungeschichtet, wenn sie auch bisweilen Absonderungserschei-
nungen zeigt, welche kugelschalig oder etwas schichtenähnlich sind.
In Sonderfällen kommt aber auch geschichteter Tuff vor. Das
Niveau, in welchem diese Tuffschichten auftreten, kann ein sehr
verschiedenes sein. Fast immer finden sie sich, da wo sie überhaupt
erscheinen, im obersten Horizonte der Tuffsäule; und dann werden
sie wohl meist subaquatisch gebildet worden sein, indem der Maar-
kessel sich in einen See verwandelte. Das Randecker Maar No. 39
bietet uns den Schlüssel für diese Frage. Dort haben wir folgendes
Profil von oben nach unten:
Tertiäre Süsswasserschichten.
Geschichteter Tuff wenig mächtig.
Massiger Tuff, den ganzen Kanal in die Tiefe hinab füllend.
Hier ist die Sache zweifellos.
Ebenso zweifellos ist sie beim Maar, S. von Hengen No. 15,
— 9 -
wo sich versteinerte Schnecken im Tuffe fanden, wenn dieser auch
selbst keine deuthche Schichtung zeigte.
Vermuthch gleicher Entstehung ist die Schichtung bei der
Diepoldsburg No. 40 , bei der Limburg No. 77 , wo jedoch der ge-
schichtete Tuff nur aus verstürzten Stücken bekannt ist, an der
Wittlinger Steige No. 63, oben am Jusiberg No. 55, bei Erkenbrechts-
weiler No. 31 und Grafenberg No. 108 , an welchen beiden Orten
Deffner Schichtung beobachtete * ; auch bei dem Maar No. 59 an
der Steige Urach- Böhringen wird es sich so verhalten, dort liegen
die Schichten im Niveau des Weiss-Jura y.
In allen diesen Fällen liegt der Tuff, oder lag doch einst das
jetzt abgestürzte Stück desselben, wie beim Eandecker Maar im
obersten Horizonte der Tuffsäule.
Aber wir finden in ganz seltenen Fällen auch in tiefen Hori-
zonten des den Kanal füllenden Tuffes eine Schichtung und dann
ist sie sicher subaerisch. So am Jusi No. 55 unten im Bruche
östlich von Kappishäuser-Vorderweiler. Wenn man den gewaltigen
Durchmesser des Kanales bedenkt, in welchem beim Jusi der Tuff
sich ablagerte , so wird man es sehr gut für möglich halten , dass
sich hier an einzelnen Stellen der Tuff beim Niederfallen aus der
Luft in Schichten absetzte. Von Wasserwirkung kann hier unten
in der Tiefe der Röhre jedenfalls keine Rede sein.
Ebenso macht die am Aichelberg No. 75 , an dem S.-Ende
des Berges bemerkbare leise Schichtung den Eindruck subaerischer
Entstehung. Wenn sie auch am Berge selbst nicht sehr tief liegt, so
muss man erwägen , dass man sich im Niveau des Braun-Jura a
befindet. Ergänzt man sich daher in Gedanken die jetzt so weit
abgetragene Tuffsäule bis hinauf in den Weiss-Jura d und e, so
leuchtet ein , dass man sich hier sogar in noch tieferem Niveau
der Säule befindet als beim Jusi, wo jene fraglichen Schichten im
Niveau des obersten Ober Braun-Jura liegen. Dass diese Auffassung
der Schichtung als einer subaerischen das Richtige trifft, wird da-
durch erwiesen, dass ich bei einem in jüngster Zeit stattgefundenen,
abermaligen Besuche an der bezeichneten Stelle schon keine Schich-
tung mehr erkennen konnte. Die betreffende Masse war abgestürzt
und hinter derselben kam nun ungeschichteter Tuff zum Vorschein.
Genau das Gleiche gilt von den zarten Schichten am Georgen-
berg 121, welche an dem heutigen Tuffberge zwar ziemlich hoch.
^ Beg'leitvvorte zu Blatt Kirchheiin. S. 28 u. 30.
- 10 —
aber an der Tuffsäule doch fast ebenso tief wie dort, im Niveau
des Braun-Jura ß liegen.
Auch vom Karpfenbühl No. 65 behauptet Schübler, dass er
deutliche, nach N. fallende Schichtung zeige \ Das beruht aber
auf einer Verwechselung von Absonderungserscheinungen
mit echter Schichtung. Solche Absonderungserscheinungen kommen
häufig bei festen Eruptivgesteinen vor und können oft einer Schich-
tung ziemlich ähnlich sehen. Wir finden sie bei unseren Tuffen
nicht selten. Stets sind sie aber leicht von Schichtung durch die
ungleichmässige Dicke, überhaupt unregelmässige Gestalt der schein-
baren Schichten gekennzeichnet ; vor allem jedoch dadurch, dass diese
ganz steil, ungefähr im Sinne des jedesmaligen Bergabhanges, einfällt.
So fand ich also unter etwa 120 Tuff gangen eine
Wasser-Schichtung nur in 9 Fällen. Dazu kommen
noch einige weitere, in welchen zwar keine Schich-
tung, dafür aber Versteinerungen beobachtet wurden.
Das ist sehr wenig. Indessen wahrscheinlich ist sie
viel häufiger vorhanden, jedoch unter dem Schutt-
mantel von Weiss-Jura-Stücken verborgen. Ich habe
sicher nicht alle vorhandenen Spuren derselben ge-
funden. Sicher aber ist sie früher viel häufiger vor-
handen gewesen. Es werden gewiss zahlreiche un-
serer Maarkessel Wasserbecken gebildet haben. Aber
im ganzen Vor lande der Alb sind die 53 Tuffsäulen meist
schon mindestens bis in das Niveau des Unter en Braun-
Jura hinab abgetragen. Mit ihrem oberen Teile ist
daher auch das geschichtete oberste Ende der Tuff-
säule längst verschwunden, welches einst im Niveau
des Weiss-Jura ß, y oder d gelegen hat. Nur in Ausnahme-
fällen also werden wir hier noch ein Stück geschichteten Tuffes
erwarten können, welches der Zerstörung entrann. Solche Aus-
nahmefälle aber giebt es ; und durch diese wird auch für das heutige
Vorland der Alb bewiesen, dass diese Tuffsäulen einst oben auf der
damahgen Alb in Maarkessel aushefen. Oben auf der Alb fehlen
heute in den 38 Maaren fast durchweg die Aufschlüsse, sonst
würden wir hier gewiss die dort vorhandene Schichtung sehen.
Wo irgendwelche Aufschlüsse sind, finden wir sie daher hier: So
am Randecker Maar No. 39, am Maar S. von Hengen No. 15. Auch
* Württembergische Jahrbücher von Memrainger. Stuttgart 1824. S. 165.
— 11 —
am Steilabfalle der Alb findet sich mehrfach Schichtung, d. h. also
da, wo die Alb-Maare angeschnitten sind, so bei den obengenannten
No. 63, 31, 59. So selten daher jetzt Schichtung im oberen
Niveau uns erer Tuffsäulen zu sehen ist, so häufig wird
sie doch ursprünglich vorhanden gewesen sein.
Absonderungserscheinungen. Ich habe bereits gesagt,
dass ziemlich häufig bankartige Absonderungserscheinungen auf-
treten, bei welchen das Fallen meist steil nach allen Seiten im Sinne
des Bergabhanges stattfindet. Aber auch kugelförmige Absonderung
findet sich hier und da , wenngleich nie in der Weise vollkommen,
wie das bei festen Eruptivgesteinen der Fall sein kann. Bemerkens-
wert ist, dass auch in den Tuffbreccien der Auvergne sich beides
beobachten lässt.
Ganz dieselbe mantelförmige Absonderungserscheinung zeigt
sich auch bei den Tuffgängen im südlichen Schottland ^. Das was
ich hier als Absonderung bezeichne, erklärt Geikie dort für subaerische
Schichtung. Dieser Unterschied der Auffassung wird wesentlich im
Namen liegen. Die Absonderung muss einen Grund haben und dieser
wird im folgenden zu suchen sein. Bei der Ausfüllung der Röhre
mit Tuff wurde letzterer emporgeschleudert und bildete dann beim
Niederfallen im Innern der Röhre einen Kegel, welcher durch immer
neu sich herabsenkende Massen in ungefähr mantelförmigen Hüllen
sich vergrösserte. Das gab die erste Veranlassung zur Entstehung
der steil, im Sinne des jetzigen Bergabhanges fallenden, unregel-
mässigen, schichtenähnlichen Absonderung. Durch allmähliches Sich-
setzen der ganzen Masse trat sie dann schärfer hervor. Wie man
sieht, ist eine derartige Absonderung nur dem Grade nach von deut-
licher, subaerischer Schichtung unterschieden.
Die Einschlüsse von Fremdgesteinen im Tuffe
haben schon frühzeitig die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich ge-
zogen. Bereits 1834 auf der 12. Versammlung deutscher Naturforscher
und Arzte legte Kürr vulkanische Gesteine aus dem Ries, Hegau und
dem Nordabhange der Alb vor, die, wie er sagte, „durch ihre Ein-
schlüsse merkwürdig sind" ^. Wir wollen dieselben hinsichtlich ihrer
Gestalt und ihrer Art nacheinander betrachten.
Die Gestalt der Fremdgesteine des Tuffes ist eine ver-
^ s. den späteren Abschnitt „Vergleichung .... Gangförmig gelagerte Tuffe
an anderen Orten der Erde".
^ Medizin. KorrespondcDzbl. des Württ. ärztlichen Vereins. Bd. IV. 1834.
S. 77.
— 12 —
schiedene. Entweder sind sie ganz scharfeckig und kantig, und das
findet bei der so erdrückenden Mehrzahl aller statt, dass man sagen
kann, es sei die Regel. Oder aber, und das kommt nur bei gewissen
derselben vor , sie sind mehr abgerundet , aber doch nur insoweit,
als das bei mehr- und vielfachem Ausgeworfemverden und Zurück-
fallen in den Schlund und der dadurch bedingten Reibung eintreten
kann. Nie sind diese Stücke der Fremdgesteine so rund gerollt wie
die Flussgerölle ^. Nie sind sie derartig glattgeschliffen und geschrammt
wie die durch Gletscher verfrachteten Geschiebe es sein können.
Wenn man die verschiedenen Arten dieser Einschlüsse hinsicht-
lich ihrer Gestalt miteinander vergleicht, so fällt auf, dass die den
geologisch jüngeren Schichten angehörigen Gesteinsstücke — be-
sonders also diejenigen der Juraformation — eckig und kantig sind.
Die geologisch älteren mehr gerundet, wie die Granite. Es ist das
sehr erklärlich; denn letztere hatten einen viel längeren Weg im
Ausbruchskanale zurückzulegen als erstere. Indessen ist das Ver-
halten der Granite ein so verschiedenes, dass ich hier Deffner
citieien möchte^.
„Das Vorkommen des Granits findet stets in einzelnen Stücken
statt, meist in der Grösse einer Faust, seltener bis zu Kopfgrösse.
Der umfangreichste bis jetzt vorgekommene Klotz, nunmehr der vater-
ländischen Sammlung einverleibt, wiegt 7 Centner und stammt vom
Floriansberg. Die Stücke sind selten scharfkantig, sondern abgerundet,
und zwar oft nur, wie im Rohen vorgearbeitet, oft aber vollständig
glatt wie Bachgerölle. Viele von ihnen zeigen konzentrisch schalige
Absonderung in zwei und drei übereinanderliegenden Schalen. Dass
dies keine ursprüngliche Bildung, sondern die Wirkung einer nach
vollendeter Abrundung thätigen Ursache, wahrscheinlich der Ver-
witterung ist, geht aus der mit der äusseren Geschiebeform immer
parallelen Lage der Schalen auf das überzeugendste hervor. Am
auffallendsten aber sind die kantigen glattgeschliffenen und glatt-
gedrückten polyedrischen Formen , bei denen man zuweilen nach-
weisen kann, dass das Stück zuerst abgerundet wurde und dann erst
seine Facetten erhielt. Man trifft derartige Formen, welche beinahe
die Regelmässigkeit von Krystallen zeigen, bis zu solchen, bei welchen
nur eine Seite eben geschliffen , die andere noch kugelförmig ab-
gerundet ist. Ja, es kommen Stücke mit einwärts gerichteten Ecken
^ Nur am Hofbühl bei Metziugen fanden sich wirklich im Wasser gerollte
Kalksteine (s. 1894 S. 918).
2 Diese Jahresh. 1873. S. 123.
- 13 —
oder anderen Vertiefungen vor, deren konkave Flächen gleichfalls
geglättet sind.
Fragt man sich, auf welche Weise solche Gestaltungen ent-
stehen konnten, so ist zunächst sicher, dass eine Abrollung durch
fliessendes Wasser nicht stattgefunden haben kann, da dieses keine
Facetten zu bilden im stände ist. Auch sämtliche Gletscherkundige,
denen die Stücke vorlagen, sind der Ansicht, dass solche Formen
unter den heutigen Gletscherprodukten nirgends zu finden seien.
Um die untrügbare stattgehabte Stellung und Bewegung der Stücke
zu erklären , bleibt daher nur der eine Weg , von unten durch den
Kraterkanal herauf, übrig. Hiernach wären diese Granite nicht von
aussen und von fremder Lagerstätte in die Tuffe geführt, sondern an
Ort und Stelle entstanden, indem sie durch die vulkanische Thätigkeit
in der Tiefe losgebrochen und mit den übrigen Eruptionsprodukten
ans Licht gefördert wurden. Bei dem tausendfältigen Spiel des
Emporschleuderns und Zurückfallens oder des langsamen Empor-
gepresstwerdens in der Umhüllung einer Tuffausfüllung des Krater-
kanals werden sich die harten Gesteine abgerollt und zu jenen ge-
schiebeähnlichen Formen abgeglättet haben ^
Die polyedrischen, geschliffenen, facettierten Gerolle aber lassen
sich wohl nach dieser Weise nicht erklären. Bei näherer Unter-
suchung findet man , dass alle diese facettierten Gerolle in zwei
Klassen, die eine mit glatter deutlich geschliffener Oberfläche, die
andere zwar auch mit geebneter, aber rauherer, wie Kokos die Haut
leicht ritzender Aussenseite zu trennen sind. Während das Gestein
der ersten , glattgeschliffenen Klasse im Innern keine Veränderung
zeigt, hat das der zweiten immer eine deutliche schwächere oder
stärkere Metamorphose erlitten, und zwar eine Metamorphose, welche
durch Einwirkung einer sehr hohen Temperatur auf das Gestein ver-
ursacht ist. Dasselbe zeigt poröses zackiges Gefüge, der Feldspat
öfters Sanidinglanz, die Kontaktstellen des Glimmers mit dem Feld-
spat sind häufig blasig aufgebläht und einzelne Stücke zeigen die
Kanten durch glasglänzendes Email abgerundet. Viele sind auch mit
einer schwarzen blasigschlackigen dünnen Haut überzogen. Letztere
verwittert zwar ziemlich leicht und geht in einen schwarzen erdigen
* Wenn Deffner hier auch klar eine Entstehung der Tuffe an Ort und
Stelle annimmt, so spricht er doch an anderer Stelle von einer Mitwirkung des
Eises hei der Bildung unserer Tuffberge und lässt es an dritter Stelle unent-
schieden, oh Eis oder etwa eine grosse Wasserflut mitgewirkt hahen. S. darüber
später: „Die Entstehung der Tuffe."
— 14 —
Überzug über, der aber meist an irgend einer Stelle noch die ursprüng-
liche Glasur erkennen lässt. Die äussere Form all dieser Stücke
lässt nun deutlich erkennen, dass sie in einem durch hohe Temperatur
etwas verweichten Zustande einem starken seitlichen Drucke aus-
gesetzt waren, der sie in die Formen ihrer Umhüllung presste und
so jene kantigen ebenflächigen Stücke mit Hohlecken und rauher
Oberfläche hervorbrachte, die wir jetzt in den Tuff"en des Metzinger
Weinbergs eingebettet finden.
Die andere glatte Klasse der facettierten GeröUe dagegen zeigt
keinerlei Veränderung in der Substanz des Gesteins und der An-
schliff der Facetten ist bei ihnen auf rein mechanischem Wege zu
erklären. Entweder konnten die Stücke dadurch abgeschliffen werden,
dass sie, in die Tuffmassen der Kraterausfüllung eingebettet, mit
diesen im Kraterkanal auf- und abstiegen und sich hierbei an einem
härteren Gestein abrieben , bis sie endlich einmal umkanteten und
eine neue Seite zum Abreiben darboten. Oder konnten sich auch
die Stücke in den Kraterwandungen festklemmen und hier durch die
vorbeipassierenden Auswürflinge in gewissen Richtungen glatt ge-
schliffen werden, bis sie durch einen grösseren Stoss gedreht und
endlich ans Tageslicht gefördert wurden." Soweit Deffner.
Man darf sich nun aber nicht etwa vorstellen, dass zahlreiche
solcher mit Flächen versehenen Granite vorkommen. Ganz im Gegen-
teil, sie sind so selten, dass man wohl sagen kann, die Granite sind
der Regel nach gerundet-eckig oder rundlich.
Die Zahl der Fremdgesteine ist eine überaus grosse. Am
häufigsten sind entschieden diejenigen des Weissen-Jura. Man darf
aber nicht vergessen, dass diese auch infolge ihrer hellen Farbe dem
Auge gegenüber am aufdringlichsten wirken, so dass dann ihre Zahl
noch grösser im Verhältnis zu derjenigen der anderen erscheint, als
sie das ohnedies schon ist. Gerade diese Weiss- Jurakalke geben
unseren Tuffen das Scheckige, Marmorierte, indem ihre eckigen Stücke
hell aus der grauen bis schwärzlichen Farbe des Tuffes hervorleuchten.
In zweiter Linie hinsichtlich der Zahl kommen wohl die Stücke
des Braun-Jura, demnächst diejenigen des Lias. Alle anderen Schicht-
gesteine sind viel seltener. Am häufigsten fallen noch die roten
Keuperthone auf. Aber ich wähle diesen Ausdruck absichtlich, weil
wieder die rote Farbe, weil so auffällig, sich vordrängt und uns
täuscht. Dagegen ragen die altkrystallinen Massengesteine, an man-
chen Punkten wenigstens, wieder an Zahl hervor.
Wir können also ganz allgemein sagen: Die Verhältnis-
— 15 —
zahl der Fremdgesteine hängt ab von ihrem Alter und
ihrerHärte. Die geologisch j üngsten , zuoberst liegen-
den Weiss- Juras chichten sind am häufigsten vertreten.
Die geologisch ältesten, am tiefsten liegenden Stücke
des Rotliegenden und Buntsandsteines am seltensten.
Das ist sehr erklärlich: der weitere Weg, den sie beim Ausbruch
zurückzulegen hatten, endete für dieselben meist mit völligem Zerrieben-
werden. Doch mag geringere? Mächtigkeit auch mitwirken. Die
allerältesten, altkry stallinen Gesteine, wie die Gra-
nite, sind dagegen an manchen Orten wieder häufiger,
weil sie so sehr viel härter sind alsjene, also sich besser er-
halten konnten. Auch hier aber mag die grosse Mächtigkeit der durch-
bohrten Gesteinsreihe mit in Frage kommen. Trotz ihrer Härte
sind die Granite am meisten abgerundet, weil sie den
weitesten Weg zurückzulegen hatten, wie wir das oben
sehen.
Die Arten der Fremdgesteine in den Tuffen sind von
besonderem Interesse für uns, weil sie uns Kunde geben von dem
Vorhandensein oder Fehlen der betreffenden Schichten in der Tiefe
unseres vulkanischen Gebietes.
Über die dem Jura angehörigen dieser Fremdgesteine ist bei
Absehen von der Metamorphose, welche ein Teil derselben erlitten
hat, nichts zu sagen. Sie gehören eben, wie durch Gesteinsbeschaffen-
heit und Versteinerungen bewiesen wird, der durchbrochenen, wohl-
bekannten Juraformation an.
Ebensowenig können die harten Sandsteine desKeupers ver-
kannt werden, unter welchen wohl der Stubensandstein am verhältnis-
mässig häufigsten erscheint. Auch rote Keuperthone treten bisweilen,
wie am Aichelberg No. 74 und am Götzenbrühl No. 87, in grossen
Fetzen auf; sonst auch in kleineren Stücken.
Alle tieferen Schichten aber, mit Ausnahme der altkrystallinen
Gesteine, sind viel seltener und oft schwer zu deuten. Was zunächst
den Muschelkalk anbetrifft, so findet sich dieser bemerkenswerter-
weise nur an zwei Punkten, an der Sulzhalde No. 117 und im Kräuter-
buckel No. 116. Beide Stellen befinden sich nahe von Raid-
wangen, d. h. nahe dem Neckar; sie gehören also den nördHchsten
unserer Tuffe an. Dass diese beiden Punkte zweifellosen Muschel-
kalk gehefert haben, weil derselbe hier wie dort auch erbohrt wurde,
ist an betreffender Stelle erwähnt worden. Von einer weiteren
Orthchkeit führt ihn zwar noch ein älterer Autor, ich denke
— 16 —
Schwarz \ auf, allein das ist mir fraglich. Wir finden nämlich
Muschelkalk - ähnliche Gesteine sehr vielfach: rauchgraue, dichte
Kalke, die jedoch dem durch die Hitze umgewandelten Weissjura
angehören^, das mag auch Schwarz getäuscht haben. Man darf nun
wohl annehmen , dass ein so festes Gestein , wie der Muschelkalk,
wenn es unter unserem Jura im vulkanischen Gebiete anstände , auch
bei den Ausbrüchen mit ausgeworfen sein würde ; ebensogut , wie
das bei den altkrystallinen Gesteinen der Fall ist. Wenn diese Über-
legung, wie ich meine, das Richtige trifft, so würde man schliessen
dürfen, dass der Muschelkalk, welcher ja weiter nach N. zu Tage
ausstreicht, gegen S. nur noch im nördlichsten Teile unseres vulka-
nischen Gebietes in der Tiefe ansteht; weiter nach S. hin dagegen
fehlt. Übereinstimmend damit wäre dann das Verhalten im Ries, wo ja
auch der Muschelkalk unter den Auswürflingen , also in der Tiefe,
gänzlich fehlt.
Buntsandstein und Rotliegendes scheinen sicher vorhanden zu
sein, aber sie sind selten. Dem Buntsandstein gehören kleine
rote Sandsteinstücke an. Dem Rotliegenden kann ein arkose-
artiges Gesteinsstück zugerechnet werden, aber ich bin mir dessen
keineswegs sicher. Da jedoch Deffner unter den von ihm gemachten
Erfunden Buntsandstein und Rotliegendes mehrfach und ohne zweifeln-
den Zusatz aufführt, so dürfen wir wohl als sicher annehmen, dass
diese Schichten wirklich in der Tiefe anstehen.
Ausführlicher müssen wir die Reihe der altkrystallinen
Gesteine, welche aus grösster Tiefe emporgerissen wurden, be-
trachten: Granitische und Gneisse, während die Glieder der Glimmer- ?
und Thonschiefergruppe hier wie im Ries fehlen.
Hornblende-Gesteine gehören zu den grössten Seltenheiten.
Deffner^ erwähnt ein Stück Diorit vom Aichelberg bei Boll No. 74.
Vom Rangenbergle bei Eningen No. 120 citiert er einen hornblende-
haltigen Granit, bei welchem jedoch dies Material nachträglich erst
durch Umwandlung aus dem schwarzen Glimmer hervorgegangen
sein soll.
Die Granite sind im Gegensatze zu den hornblendehaltigen
Gesteinen ganz allgemein verbreitet. Damit ist freilich nicht gesagt,
^ Ich kann leider das von mir ausgeschriebene Citat nicht mehr finden,
denke aber, dass ich diese Bemerkung bei Schwarz gelesen habe in: Reine
natürliche Geographie von Württemberg. 1832. Stuttgart, bei Ebner.
"^ s. unter metamorphe Umvirandlungen.
^ Begleitworte zu Blatt Kirchheim u. T. S. 69. Nachträge.
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— 17 —
dass sie an jedem Tuffpunkte häufig sind. Im Gegenteil, sie wurden
an einzelnen derselben noch gar nicht gefunden, an anderen nur
vereinzelt. Massenhaft dagegen lassen sie sich sammeln nur an
wenigen Stellen : Am Höslensbühl, im Humpfenthale S. von Nürtingen
No. 118; am Florian NO. von Metzingen No. 101; am Rangenbergle
N. von Eningen No. 120; am Grafenberg NO. von Metzingen
No. 108.
Bemerkenswerterweise liegen diese Punkte, wie schon Deffner
bemerkt, ziemlich auf einem ungefähr SSW. nach NNO. streichenden
schmalen Streifen, in und neben welchem zu gleicher Zeit auch eine
auffallend starke Zusammenscharung von Ausbruchspunkten statt-
findet. Indessen findet sich doch auch an wohl allen anderen Punkten
granitisches Gestein; und ich habe hier wie vorher absichtlich von
Finden und Sammeln, nicht von Vorkommen, gesprochen. Ersteres
hängt eben ganz von dem jeweiligen künstlichen und natürlichen
Aufschlüsse ab. Es mag ein Tuffgang in dem gegenwärtig von der
Erdoberfläche bewirkten Anschnitte zufällig gar keine oder seltene
Granite darbieten, während sie doch einige Meter höher oder tiefer
in derselben Tuffsäule vielleicht zahlreich vorkamen bezw. vorkom-
men werden. Wir können nicht erwarten, dass eine mehr als 600 m
lange senkrechte Tuffsäule überall dieselbe Durchschnittszusammen-
setzung besitzen wird. Das allgemeine Vorkommen der Granite
aber mivss betont werden. Bei sorgsamem Suchen finden sich,
mindestens einzelne Stöcke, gewiss an allen Orten.
Was nun die Art der gefundenen Granite anbelangt, so hat
Deffner dieselben zum Gegenstande einer besonderen Untersuchung
gemacht, welche in dieser Zeitschrift veröffentlicht worden ist ^
Das gemeinsame Merkmal aller ist der durchgängige Gehalt
an Pinit, dessen Umwandlung in Glimmer sich deutlich verfolgen
lässt. Innerhalb dieser allgemeinen charakterisierten Gruppe unter-
scheidet nun Deffner die folgenden Arten, welche ich hier mit seinen
Worten wiedergeben möchte. Es ist das von Wichtigkeit darum,
weil derartige Gesteine, wie Deffner feststellte, weder im Schwarz-
wald noch in den Alpen auftreten.
„1) Dunkelgraue Granite und Gneisse mit schwarzem, röt-
lich schimmerndem häufigem Glimmer, sehr wenig Pinit, weissem
Orthoklas, einem weissen klinotomen Feldspat und weissen Quarz-
körnern. Hauptfundort: Rangenbergle bei Eningen, Höslensbühl bei
> Diese Jahresh. 1873. Bd. XXIX. S. 121—130.
Jahreshefte d. Vereine f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1896.
— 18 —
Nürtingen, seltener am Florian. Durch Abnahme des Glimmergehalts
und feineres Korn findet der Übergang zu hellgrauem Weissstein
statt, der sich durch grosse Härte und deshalb schöne Geröllformen
auszeichnet. Hauptvorkommen am Florian.
2) Ein zweiter allmähhcher Übergang endigt in einem beinahe
glimmerfreien sehr pinitreichen Gestein mit weissem Orthoklas und
Quarz und seltenem weissem klinotomem Feldspat. Diese Bestand-
teile sind bei körniger Struktur zu einem weiss und grün gefleckten
Gestein verbunden. Durch eine der parallelen sich nähernden An-
ordnung der Bestandteile erhält es eine zu schieferigen sich neigende
Textur und denkt man sich den Pinit in Glimmer umgewandelt, so
erhält man den Übergang von der körnigen Granit- in die faserige
Gneissstruktur. Das nur weiss und grün gefleckte Pinitgestein bildet
unter sämtlichen Eruptivgesteinen dieser Art einen klar ausgesproche-
nen Typus, den man einstweilen bis zu genauer Feststellung der
Bestandteile als weissen Pinitgneiss bezeichnen könnte. Charak-
teristisch für denselben ist das häufige accessorische Auftreten von
Graphit in kleinen Schuppen.
3) In die Konstitution dieses Gesteins tritt bald ein hochroter
klinotomer Feldspat, der auch im Ries in ähnlichen tertiären Graniten
auftritt und hier eine hervorragende Rolle spielt. Und wenn die
Mengen des roten Feldspats und des weissen Orthoklases und Quarzes
mit dem Pinit das Gleichgewicht halten, so bekommt man bei gröbe-
rem Korn ein buntscheckiges Gestein in Weiss, Grün und Rot. Bei
feinerem Korn aber nimmt es einen täuschend eklogitähnlichen grttn-
roten Schimmer an. Es ist ein so typisch ausgesprochenes Gestein,
das sich von den übrigen Graniten so wesentlich unterscheidet, dass
das Bedürfnis, es benennen zu können, nicht abzuweisen ist. Man
könnte es nach einem seiner Fundorte vorläufig und bis zu weiterer
Untersuchung Florianit nennen. Am schönsten und häufigsten
findet es sich übrigens auf dem Grafenberg und dem Geigersbühl
und fehlt an keinem granitführenden Punkte zwischen Rangenberg
und Höslensbühl gänzlich.
4) Eine weitere Abänderung entsteht, wenn aus dem weiss-
gefleckten, sowie aus den rotscheckigen Pinitgraniten No. 2 und
No. 3 der Quarz und Orthoklas ausscheiden. Es bleibt dann ein
sehr basisches Gestein übrig, das nur aus Pinit und einem klino-
tomen Feldspat besteht, und in einem Fall grün und weiss, im ande-
ren grün und rot gefleckt erscheint. Beide finden sich auf dem
Grafenberg und dem Geigersbühl, das rote mehr auf ersterem, das
— 19 —
weisse mehr auf letzterem. Ganz ähnlich zusammengesetzte Gesteine,
welche nur statt des Pinits sein Äquivalent an Glimmer enthalten,
sind durch Delesse als Kersanton aus der Bretagne näher bekannt
geworden. Man kann hiernach dieses Gestein als Pinitkersanton
bezeichnen. Von dem weissen Pinitkersanton finden sich Stücke,
welche sich äusserlich von dem Kersanton von Brest kaum unter-
scheiden lassen. Für den roten Pinitkersanton des Grafenbergs
scheint aber bis jetzt ein analoges Glimmergestein zu fehlen.
5) Wieder eine andere Art entsteht aus dem grüngefleckten
Pinitgranit No. 2 , wenn der Pinit zurücktritt. Je mehr dies der
Fall ist, desto feiner verteilt werden die Pinitteilchen , welche sich
deshalb zusammenhanglos , grossenteils in weissen Kaliglimmer ver-
wandeln konnten. Das vollkommen weisse, aus Orthoklas, Quarz
und Kaliglimmer bestehende Gestein ist ein vollkommener Pegmatit
im Sinne Delesse's, der nur noch kleine Stellen noch nicht voll-
kommen umgewandelten Pinits enthält. Vorkommen: Geigersbühl.
6) Endlich findet sich auf dem Grafenberg und dem Geigers-
bühl echter Granu lit. Der Glimmer des Pegmatits ist verschwunden
und es bleibt ein rein weisses, oft Schiefertextur annehmendes Gestein,
in welchem der Quarz sich deutlich in parallel liegenden Lamellen
absondert. Accessorisch tritt eine grosse Zahl kleiner blassroter
Granaten auf. Auch auf dem Sternberg findet sich Granulit, aber
dunkelgrau, von feinstem Korn, wie der von Penig in Sachsen."
Qüenstedt ^ erwähnt, dass er auf dem Basalte des Eisenrüttel
No. 38 eine Gneissscholle gefunden habe, und dass dasselbe sich
auch auf den Feldern südöstlich vom Übersberge, westlich Würtingen
liege. Ob verschleppt, das wage er nicht zu entscheiden. Das Ge-
stein, welches in der Tübinger Sammlung liegt, ist ein grauer Gneiss.
Es zeigt weissen Feldspat, schwarzfin Glimmer und kleine rote
Granaten. Ebenso fand sich Gneiss im Tuffe des Maars von Feld-
stetten No. 5, wie Qüenstedt^ berichtet. Ferner spricht Deffner
über graue Pinitgneisse unter No. 1 der auf S. 17 dieser Arbeit
aufgeführten Gesteine. Auch im Rangenbergle No. 120 und an anderen
Orten kommt er vor, doch ist er weit seltener als der Granit.
Auch Glimmerschiefer fehlt nicht gänzlich, wenn er auch
sehr selten ist. Deffner erwähnt ihn nicht. Quenstedt aber führt
ihn aus dem Tuffe des Maars von Feldstetten No. 5 auf. Ich habe
' Begleitworte zu Blatt Urach. S. 12.
* Begleitworte zu Blatt Blaubeuren. S. 19.
2*
— 20 —
ein Stück bei dem Tuffgange SO. von Böttingen No. 3 gefunden.
Da dasselbe jedoch in einem Steinhaufen am Wege lag, so ist der
Erfund mit Misstrauen zu betrachten, v/enngleich offenbar die Steine
des Haufens von dem benachbarten Felde abgelesen waren und, weil
verändert, sicher zum Teil aus dem Tuffe stammten.
Einschlüsse von Tuffstücken im Tuffe. Eine eigen-
artige Erscheinung , welche uns in wenigen Fällen begegnet , liegt
darin, dass sich in dem Tuffe nicht nur zahllose Bruchstücke der
durchbrochenen Jura- u. s. w. Gesteine finden, sondern auch solche
eines anderen Tuffes. Eine solche Erscheinung ist nicht so einfach
zu erklären wie das Vorkommen von Stücken der durchbrochenen
Granite und Sedimentschichten. Diese bedingen nur eine einmalige
Ausbruchszeit , die Tuffeinschlüsse aber , wenigstens teilweise , eine
zweimalige, lassen jedoch auch eine andere Erklärungsweise zu.
Es muss daher die Untersuchung in jedem Einzelfalle entscheiden.
Auf die einfachste Weise kann ein Einschluss von Tuffstücken
im Tuffe zu stände kommen durch Verrutschung. Das ist offenbar der
Fall bei der Limburg No. 77, s. 1894 S. 857. Dort finden wir nämlich
in massigem Tuffe Einschlüsse von Stücken geschichteten Tuffes.
Dieser letztere entstammt offenbar dem Kopfe des saiger stehenden
Tuffganges. Der Kopf bildete den Boden des in einen See ver-
wandelten Maarkessels. Auf diesem Boden setzte sich geschichteter
Tuff ab. Bei der Herausarbeitung der Tuffsäule aus dem Körper
der Alb und bei dem allmählichen Niedrigerwerden des so entstan-
denen Tuffberges rutschten Stücke des geschichteten, oben liegenden
Tuffes an den Flanken des Berges in ein tieferes Niveau, in welchem
die Säule nur aus massigem Tuffe besteht. Hier wurden sie in
Abrutschmassen dieses letzteren oder aber des Schuttmantels ein-
gebettet.
Bei der Limburg lässt sich diese Erscheinung jedenfalls viel
ungezwungener auf die obige Weise erklären, als durch die Annahme,
dass durch einen in jüngerer Zeit erfolgten zweiten Ausbruch Stücke
des geschichteten Tuffes in massigen hineingerieten.
Zweifellos ebenso nur von oben herabgestürzt ist der bemerkens-
werte rote Tuffblock mit tertiären Schnecken, welcher im Maar
S. von Hengen No. 15 unten im Niveau des massigen Tuffes ge-
funden wurde.
Höchlt wahrscheinlich ganz dasselbe gilt von dem geschichteten
Tuffe, welcher am Maar bei der Diepoldsburg No. 40 unten in der
Schlucht im Niveau des ungeschichteten Tuffes liegt.
— 21 -
Möglicherweise auf gleiche Art zu erklären sind die Stücke
geschichteten Tuffes, welche am Maar an der Wittlinger Steige
No. 63 im ungeschichteten auftreten.
Auch im Randecker Maar No. 39 findet sich im Wasserriss
an der W.-Seite (bei No. 11 der Fig. 11 1894) geschichteter Tuff
im Niveau des ungeschichteten. Oben darüber liegt deutlich der
Tuff in Schichten , und wenn auch das grosse , am Abhänge dort
aufgeschlossene geschichtete Stück nicht den Eindruck des Ab-
gerutschten macht, so wird doch die Sache kaum anders zu erklären
sein. Wir befinden uns dort am Rande des Maarkessels mit seinem
steilen Gehänge, von welchem alles, was demselben auflagert, natür-
lich dem Mittelpunkte des Kessels zustrebt.
Anders und schwieriger liegen dagegen die Dinge in den nun
zu besprechenden Fällen , welche w^ir der Reihe nach betrachten
müssen.
An dem oben bereits erwähnten Maar bei der Diepoldsburg
No. 40 finden wir ausserdem noch umgekehrt im geschichteten,
oberen Tuffe Einschlüsse des unteren, massigen. An der den Tuff-
gang durchschneidenden Steige haben wir das folgende Profil:
oben: gelblicher geschichteter Tuff, mit etwa 25" in das
Innere des Maares hineinfallend. Eingeschlossen finden
sich grosse, nicht gerollte Stücke des unterlagernden
grünen Tuffes.
unten : grünlicher massiger Tuff.
Zuvörderst würde man sich über die Natur der Schichtung
klar werden müssen. Allein es lässt sich leider an dieser Stelle
nicht völlig sicher entscheiden, ob dieselbe in einem, den Boden des
Maarkessels erfüllenden Wasserbecken entstanden ist oder ob sie
durch Herabfallen aus der Luft gebildet wurde, ob sie also sub-
aquatisch oder subaerisch ist.
Bei subaerischer Entstehung derselben werden wir wohl zu
der Annahme zw^eier, zu verschiedenen Zeiten erfolgter Ausbrüche
gedrängt. Zuerst erfüllte sich der Ausbruchskanal mit massigem
Tuffe. Dann, aber erst als dieser bereits verfestigt war, also längere
Zeit nachher, fand ein zweiter kleiner Ausbruch statt, bei welchem
nun oben auf dieser ungeschichteten Masse sich beim Herabfallen
aus der Luft der Tuff' in Schichten absetzte. Hierbei wurden Stücke
des durchbrochenen massigen Tuffes ebenfalls mit ausgeworfen und
kamen so in die Schichten. Wegen der Länge der Zeit, welche
wohl zwischen beiden Ausbrüchen verstrichen sein musste, gefällt
— 22 —
mir diese Erklärung nicht recht. Es handelt sich ja bei unseren
Maaren nur um ein kurzes Eintagsleben des Vulkanismus. Auch ist
es an sich wahrscheinlicher, dass die Schichtung des Tuffes, wie
beim Randecker Maar No. 39, eine subaquatische ist.
Wenn nun dies der Fall wäre, dann gäbe es wohl nur die
folgende Erklärung: der ursprünglich ausgeworfene massige Tuff er-
füllte nicht nur die Röhre, sondern lag auch auf den inneren Abhängen
des Maarkessels. Dort verfestigte er sich. Später, als der Kessel
zum Maarsee geworden war, rutschten Stücke dieses verfestigten
Tuffes von dem Gehänge ab und kamen so in die Schichten hinein.
Dass der Kessel sich nicht sofort nach dem Aufhören des
Ausbruches in ein Wasserbecken verwandelt haben kann, ist klar.
Der lose , den Kanal erfüllende Tuff musste sich erst cementieren,
um einen wasserdichten Boden des Sees bilden zu können. So lange,
bis er cementiert war , musste das Wasser wie durch ein Sieb in
die Tiefe laufen. In derselben Zeit aber, in welcher der die Röhre
erfüllende Tuff zu festem Gestein wurde, konnte es auch der auf
den inneren Abhängen liegende werden, wenigstens zum Teil. Das
was lose blieb oder verwitterte, wurde allmählich in den See hinab-
gespült und bildete dort Schichten. Das was fest blieb, rutschte
in Stücken hinab und wurde von den Schichten eingeschlossen.
Die Annahme, dass sich nur einzelne Partien des Tuffes auf
dem inneren Gehänge verfestigten, hat nichts Unnatürliches. Auch
in Sauden finden wir auf solche Weise durch Quellen verfestigte
Stellen, die zum Teil so fest sind, dass sie zu Mühlsteinquarzen
gebrochen werden, während das Übrige loser Sand bleibt. Die Zapfen
im tertiären Fohsande Oberschwabens, die Lössmännchen, die festen
Stellen im weichen Löss sind auf gleiche Weise entstanden und von
loser Masse umgeben geblieben. Ob das aber hier die richtige Er-
klärung ist, wer will das sagen?
Wiederum anders liegen die Dinge beim Götzenbrühl No. 87.
Dort findet sich dunkler, fester Tuff" in Stücken im loseren, helleren.
Beide sind massig. Der dunkle steht im Innern des Hügels nahe
dem Basalt an und scheint durch Kontaktwirkung fest und dunkel
geworden zu sein. Der helle liegt aussen herum. Hier werden wir
zu der Annahme zweier zeitlich verschiedenen Ausbrüche gedrängt.
Es braucht hier jedoch nur eine ganz kurze Spanne Zeit zwischen
beiden zu liegen. Mit dem ersten Ausbruche stieg zugleich auch
der Basalt empor und verfestigte im Kontakte an einer Stelle den
Tuff. Bei dem zweiten wurden von diesem hart und dunkel »e-
— 23 —
wordenen Tuffe Stücke losgerissen und in den weichen loseren ein-
gebettet.
Ganz ebenso werden wir die Verhältnisse bei dem benachbarten
Hohenbohl No. 86 erklären können , da sich dort auch ein Basalt-
gang findet. Dort hegen ebenfalls Stücke blaugrauen, festen Tuffes
in hellerem, weicherem.
Unter den im ganzen rund 120 Tu ff gangen finden
wir also nur bei einer verschwindend kleinen Minder-
zahl, sieben, die Erscheinung, dass sich im Tuffe Ein-
schlüsse von Tuffstücken anderer Art zeigen.
Wie bei Besprechung der Absonderungserscheinungen (S. 11),
so ist auch hier hervorzuheben , dass bei den mit den unserigen so
gleichartigen vulkanischen Bildungen Süd-Schottlands ebenfalls Stücke
älteren Tuffes als Einschlüsse in dem, die Röhre erfüllenden jüngeren
Tuffe erscheinen ^.
Schliesslich haben wir unter den Einschlüssen auch noch an-
geblicher Stücke von Kohle zu gedenken. Ich habe nie Derartiges
gefunden, auch Deffner und Qüenstedt berichten nie über solche
Erfunde. Aber Schübler ^ erwähnt aus dem Tuffe des Karpfenbühl
„Bruchstücke von glänzender Pechkohle". Da er des schlackigen
Magneteisens nicht Erwähnung thut , so könnte man meinen , dass
er vielleicht dieses mit seinen glänzenden Bruchflächen für glänzende
Pechkohle gehalten habe. Dieselben Bruchstücke von „glänzender
Pechkohle, welche man als Seltenheit in der übrigen Masse ein-
gewachsen findet" will Schübler auch im Tuff des Jusi gefunden
haben ^.
Auch Hehl"^ führt Pechkohle aus dem Basalttuff auf, jedoch
ohne nähere Angabe des Fundortes. Da von Hehl ausserdem Magnet-
eisen genannt wird, so scheint hier eine Verwechselung mit diesem
ausgeschlossen. Ob er aber die Kohle selbst gesehen hat oder etwa
nach Schübler berichtet, das vermag ich nicht zu erkennen ''.
^ s. den späteren Abschnitt: „Vergleichung .... Gangförmig gelagerte Tuife
an anderen Orten der Erde."
^ Der Karpfenbühl bei Dettingeu unter Urach , ein Basalttufffelsen mit
magnetischer Polarität. Württembergische Jahrbücher von Memminger. Stutt-
gart 1824. S. 163—170.
3 Ebenda. S. 369.
* Die geognostischen Verhältnif<se Württembergs. Stuttgart 1850. S. 12.
* Es sei anhangsweise noch zweier anderer derartiger Angaben gedacht,
welche sich jedoch wohl nicht auf Funde im Tuff beziehen dürften.
Chr. F r. S a 1 1 1 e r (Topographische Geschichte des Herzogthum's Würtem-
- 24 —
An und für sich ist es sehr wohl denkbar, dass bei einem
Ausbruche ein Baumstamm in den die Röhre erfüllenden Tuff ge-
raten sein könnte. Namentlich in den Fällen, in welchen, wie die
Einschlüsse von geschichtetem Tuffe in ungeschichtetem verraten
(S. 20) , zwei zeithch von einander zu unterscheidende Ausbrüche
aus derselben Röhre stattfanden. Hier konnte in dem ursprünglichen
Maarkessel sich bereits eine Vegetation gebildet haben, welche bei
dem zweiten Ausbruche im Tuffe eingebettet wurde. In den, den
unserigen so gleichartigen Bildungen des südlichen Schottlands ist
das sogar eine sehr häufige Erscheinung ^. Bei uns aber fehlt dieselbe
entweder ganz oder tritt doch nur als äusserste Ausnahme auf.
Die Mineralien, welche in unseren Tuffen vorkommen, bilden
nur eine kleine Reihe: Magnesiaglimmer, Hornblende, seltener Augit,
Olivin, schlackiges Magneteisen. Dazu sekundär gebildete Kalkspat-
krystalle und zeolithische Substanz. Die Kalkspate kommen besonders
bemerkenswert im Bolle bei Owen vor, von wo Ledze sie beschrieb ".
Als ein sehr seltenes Mineral ist der Zirkon zu erwähnen, welches
Deffner im Tuffe bei der Teckburg No. 34 fand ^. Hehl ^ giebt auch
Quarz an, jedoch ohne nähere Bezeichnung eines Fundortes. Dieser
Quarz stammte vielleicht von zerfallenen Granitstücken her. Bemerkens-
wert ist es, dass im südlichen Schottland (s. die vorvorige Anm.)
Quarz ein in den Tuffgängen ziemlich häufig auftretendes Mineral ist.
Ein polarer Magnetismus kommt sowohl bei unseren Tuffen
als auch Basalten vor. An einem Stücke Basalttuff des Karpfen-
bühl No. 65 bei Dettingen hat Schübler mehrfache Pole beobachtet
und nachgewiesen, dass sich an der südlichen Kante des Berges
die Magnetnadel vöUig umkehrte^.
berg. Stuttgard. 1784. S. 387) sagt, dass man unter dem Teker-Berg (auf welchem
die Tek-Burg steht) Gagat treffe. Hier handelt es sich anscheinend um Oberen
Braun-Jura.
Sodann thut W. H. Korn in seiner Geographie Württembergs bei Be-
schreibung der Umgegend von Reutlingen den Ausspruch : „Der Kugelberg (s. sub
No. 30 der Schuttmassen) hat Spuren von Steinkohlen, welche bisher bloss darum
noch nicht gesucht worden sind, weil kein Holzmangel war." (Geographie und
Statistik Wirtembergs. Theil I. 1787; Theil II. 1804. S. 388.)
^ s. später „Vergleichung .... Gangförmig gelagerte Tuffe an anderen
Orten der Erde".
-' Diese Jahresh. 1880. Jahrg. 36. S. 74—85 und 1882. Jahrg. 38. S. 95 pp.
^ Begleitworte zu Blatt Kirchheim u. T. S. 33.
* Die geognostischen Verhältnisse Württembergs. Stuttgart 1850. S. 12.
^ Memminger, Jahrbücher der Vaterlandskunde Württembergs. 1824. S. 163
— 170 und Leonhard, Zeitschr. f. Mineralogie. 1825. Bd. I. S. 154—155.
— 25 —
Ausser Schübler hat auch ganz kurz Schwarz ^ darüber be-
richtet, er sagt das Folgende :
„Sehr merkwürdig ist die magnetische Polarität, welche diese
Basaltbildung an einigen Punkten zeigt, nämlich am Calverbühl
ganz ausgezeichnet (sein südlicher Abhang hat nördhche Polarität),
und auch bei Linsenhofen." Das ist wohl Schübler entnommen.
Letzterer beschreibt diese Erscheinung in der folgenden Weise :
„Schon bei meinem ersten Besuch dieser Gegend bemerkte ich, dass
die meisten Stücke dieses Basaltkonglomerats die Magnetnadel an-
zogen, bei weiterer Prüfung fand ich, dass auch einzelne der mit-
genommenen Stücke polarisch auf die Magnetnadel wirkten. Bei
einem folgenden Besuch dieser Gegend bemühte ich mich, die Stelle
zu finden, wo dieser polarisch magnetische Basalttuff zu Tage aus-
geht, und untersuchte zu diesem Zweck den ganzen Umfang des
Berges ; ich fand bei näherem Nachsuchen in der Mitte des gegen
Süden gekehrten Abhangs des Berges eine Stelle, wo sich die Magnet-
nadel völlig umkehrte ; die im ruhigen Zustand gegen Süden sehende
Spitze der Magnetnadel kehrte sich immer mehr von der gewöhn-
lichen Richtung ab, je mehr ich mich einigen hervorstehenden Felsen
dieser Seite des Berges näherte, und blieb zuletzt an der südlichen
Kante einiger Felsen in völlig umgekehrter Richtung gegen Norden
gekehrt stehen; die Hauptmasse dieser Felsen des südlichen Ab-
hanges hat daher nördliche Polarität. — Werden an dieser Stelle
des Berges Stücke abgeschlagen, so zeigt jedes einzelne Stück mag-
netische Polarität, während Bruchstücke von anderen Stellen des
Berges gewöhnlich zwar gleichfalls auf die Magnetnadel etwas wirken,
ohne jedoch Polarität zu besitzen. Die einzelnen Stücke der eben
erwähnten Felsen zeigen gewöhnlich an der einen Hälfte Nordpole,
an der anderen Südpole , wobei sich jedoch diese Verteilung der
entgegengesetzten Pole nicht gerade nach der Längenrichtung der
einzelnen Stücke richtet; platte, schieferige Stücke zeigen oft auf
ihrer nach oben gekehrten Seite nördhche, auf ihrer nach unten
liegenden Seite südliche Polarität ; die meisten Stücke besitzen mehrere
Nord- und Südpole zugleich, die oft in Ansehung der Intensität, mit
der sie auf die Magnetnadel wirken, sehr verschieden sind. Oft be-
sitzen Stücke , deren Oberfläche durch langes Liegen an der Luft
schon sehr durch Verwitterung gelitten hat und die von einem sehr
unscheinbaren Aussehen sind, gerade sehr starke Polarität. Zer-
^ Eeine natürliche Geographie von Württemberg. 1832. Stuttgart bei
Ebner. S. 150.
— 26 —
schlägt man die einzelnen Stücke in kleinere , so erhält man an
jedem wiederum wenigstens zwei entgegengesetzte Pole ; diese Zer-
teilung lässt sich bis zur Grösse der Bruchstückchen von einigen
Kubiklinien fortsetzen, ohne dass dadurch die magnetische Polarität
verloren ginge , ob sie gleich bei den kleineren Stücken immer
schwächer wird. — Schlägt man von diesen Felsen grössere Stücke
ab, von Ya — ^ Schuh Länge und Breite, und prüft die magnetische
Polarität aller hervorragenden Ecken an der freischwebenden Magnet-
nadel, so zeigen sich in der Stellung der Pole gegen einander und
der verschiedenen Stärke derselben viele Verschiedenheiten , ohne
dass sich eine bestimmte Ordnung bemerken lässt; von einzelnen
Stellen wird der Nordpol nur mit geringer Kraft zurückgestossen,
während andere Stellen den Südpol stark zurückstossen (starke süd-
liche Polarität besitzen) , ohne deswegen den Nordpol der Nadel in
entsprechender Stärke anzuziehen ; andere Stellen zeigen das Zurück-
stossen und Anziehen in entsprechender Stärke, als Seltenheit finden
sich auch einzelne Stellen, welche sowohl den Nordpol als auch den
Südpol der Nadel anziehen , während auch zuweilen andere Stellen
ohne alle Wirkung auf die Magnetnadel sind. Es erklären sich diese
Erscheinungen aus der verschiedenartigen Zusammensetzung dieser
Gebirgsart, deren Gemengteile zugleich eine sehr verschiedene Grösse
besitzen, und sich in ihrer Wirkung auf die Magnetnadel bald stören,
bald unterstützen ; die eingewachsenen Bruchstücke von Kalk, welche
rein herausgeschlagen gar keine Wirkung auf die Magnetnadel be-
sitzen , wechseln in ihrer Grösse von einigen Kubiklinien bis zur
Grösse von mehreren Kubikzollen und selbst ganzen Kubikschuhen.
Diejenigen Stücke dieser Gebirgsart, welche nur schwache
Polarität besitzen, äussern auf feine Eisenfeile noch keine Anziehung,
diejenigen, welche jedoch starke Polarität besitzen und die Magnet-
nadel schon in der Entfernung von 1 — IV2 Zoll anziehen, äussern
auch auf feine Eisenfeile Anziehung; bei Berührung mit derselben
hängen sich diese an einzelnen Stellen in Form eines feinen Barts
an, sie verhalten sich daher als wirkliche, natürliche Magnete ; wird
die Gebirgsart pulverisiert, so erhält man ein graues Pulver, welches
sich an künstliche Magnete gleichfalls in Form eines wolligen Barts
anlegt. Das specifische Gewicht der polarmagnetischen Stücke ist
geringer als das des Basalts, es wechselt meist zwischen 2,4 — 2,6
und 2,7, wenn das Gewicht des Wassers = 1 gesetzt wird."
Weder Quenstedt noch mir gelang es, die Stelle wieder zu
finden, an welcher sich die Magnetnadel umkehrt. Es muss dort
— .27 —
wohl zufällig an einer nun bereits abgetragenen kleinen Stelle sehr
viel Magneteisen im Tuffe gelegen haben. Das kann ja leicht vor-
kommen \
Leuze erwähnt ein Tuffstück aus dem Basalt von Urach,
welches nicht weniger als 3 positive und 3 negative Pole zeigte ^.
Die Festigkeit des Tuffes. Alle die obengenannten Gesteins-
stücke sind mit den feinen Aschenteilen nun zu einer mehr oder
weniger festen Masse zusammengebacken. Im Innern der Tuffgänge
ist dieselbe wohl stets sehr fest; daher widerstehen auch die Tuffe
besser der Verwitterung als der Jura und ragen als Säulen und Nadeln,
Konradsfels No. 47 , Ulmereberstetten No. 61 , oder als Kegelberge
aus ihrer Umgebung auf^. Ausserlich aber pflegt der Tuff zu einer
losen Masse zu zerfallen. Offenbar erlangt er damit nur die Be-
schaffenheit wieder, welche er ursprünglich bei seiner Entstehung
gehabt hat.
Die Entstehung der Festigkeit des Tuffes. Zweifel-
los ist die frühere Beschaffenheit unserer Tuffe hinsichtlich ihrer
Festigkeit eine andere gewesen als ihre heutige.
Unsere Tuffe wurden ausgeworfen in Gestalt loser Aschen und
zerschmetterter Gesteinsmassen. Sie waren ursprünglich locker. Jetzt
sind sie steinhart und zerfallen nur durch Verwitterung an ihrer
Oberfläche wieder zu einer lockeren Masse. Sie können mithin diese
Härte nur durch spätere Umwandlungen erlangt haben.
Auf welche Weise, das wollen wir nun untersuchen.
Es wäre sehr voreilig, wenn man die Härte unserer Tuffe als
Beweis einer ursprünglich wässerigen Entstehungsweise ansehen
wollte. Sei es, dass sie als Schlammtuff gebildet wären, sei es,
dass sie in einem Wasser sich abgesetzt hätten. Auf der einen Seite
giebt uns die lockere Beschaffenheit mancher zweifellos im Wasser
abgesetzter Schichtgesteine den Anhalt dafür, dass Bildung durch
Absatz aus Wasser nicht notwendig eine spätere Festigkeit des Ge-
steines im Gefolge haben muss. Eine solche weiche Beschaffenheit
zeigt sich ja nicht nur bei manchen sandigen , thonigen und selbst
^ Breislak (Physische und lithologische Reisen durch Campanien etc.
Ins Deutsche übertragen von Ambros Reuss. Leipzig 1802. Teil I. S. 17)
erwähnt einen Tuff von Segni, „welcher mit einer so starken magnetischen Polarität
begabt ist, dass sie sich schon in der Entfernung von 6 Zollen äussert."
2 Schwäbischer Merkur 1886. S. 779.
^ Man unterschätze aber hierbei nicht die Wirkung des Schuttmantels
(s. später „Die Erosionsreihe der Maare und ihrer Tuifgänge").
- 28 —
kalkhaltigen Gesteinen jüngeren Alters, sondern unter Umständen
auch bei sehr alten , wie z. B. dem weichen Thone des Cambrium
von Petersburg. Ani der anderen Seite aber liefern uns auch in
manchen Gegenden gewisse harte vulkanische Tuffe von subaerischer
Entstehung den Beweis, dass auch ohne Absatz im Wasser bei der
Entstehung ein loses Gestein sich später verfestigen kann. So weist
Dathe ^ nach, dass die, wegen ihrer festen Beschaffenheit früher für
ein massiges Gestein gehaltenen Konglomeratporphyre von Waiden-
burg in Schlesien, in Wirklichkeit nichts anderes als einstige Tuffe
seien, welche ursprünglich in loser Form als Asche, Sand, Lapilli
und Bomben herausgeblasen wurden. Dass sich dieselben im Wasser
abgesetzt hätten, ist wohl nicht die Ansicht Dathe's, da er derselben
sonst Ausdruck gegeben haben würde. Auch die Schichtung dieser
Porphyrtuffe, wie überhaupt aller Tuffe, braucht nicht notwendig ein
Beweis für subaquatische Bildung derselben zu sein (s. S. 9).
Wenn nun auch die feste Beschaffenheit, welche unser Tuff'
an vielen Stellen besitzt, nicht zu der Annahme zu führen braucht,
dass Wasser ursprünglich bei ihrer Bildung mitgewirkt habe , so
werden wir diese Festigkeit dennoch, wie anfangs bereits angedeutet,
nur durch Einwirkung von Wasser erklären können. Aber erst durch
eine spätere Einwirkung desselben.
Für die grosse Festigkeit eines Tuffes wie irgend eines Se-
dimentärgesteines dürfte überhaupt die ursprüngliche Mitwirkung
des Wassers bei seiner Bildung von geringerem Werte sein. Sei es,
dass vulkanische Aschen als durchwässerter Schlammtuff den Krater
verlassen, sei es , dass sie als trockene Masse in ein Wasserbecken
fallen — stets wird das Wasser ursprünglich höchstens den Erfolg
haben können, dass die Teilchen sich fester aneinander lagern, indem
die Zwischenräume zwischen den grösseren Teilchen durch kleinere
ausgefüllt werden. Damit aber ist zuvörderst nur ein sehr geringes
Mass von Festigkeit erzielt. Bei einem Schlammtuffstrome wird
dieses Wasser sogar bald ganz verdampfen.
Erst die spätere chemische Wirkung des den Tuff dauernd
durchtränkenden Wassers kann eine stärkere Verfestigung herbei-
führen , indem es einerseits Stoffe löst , anderseits gelöste wieder
abscheidet, welche nun ein Cement bilden. Für diese spätere Wirkung
aber ist es ziemlich gleichgültig, ob auch bereits ursprünglich, bei
^ Geologische Beschreibung von Salzbruun. Abhaudl. K. Preuss. geolog.
Landesanstalt. Berlin 1892. S. 14.3.
— 29 —
der ersten Ablagerung des Tuffes, Wasser vorhanden war oder nicht.
Fehlt dieses spätere dauernde Wasser, so wird der Tuff nie sehr fest
werden ; stellt es sich ein, so wird das geschehen können.
Ein wenig allerdings wird auch das ursprüngliche Wasser dem
späteren vorzuarbeiten vermögen. Nehmen wir eine lose, trockene,
also subaerische vulkanische Aschenablagerung an. Diese verhält
sich zunächst dem Regenwasser gegenüber wie ein Sandboden. Je
nach der gröberen oder feineren Korngrösse wird sie das atmo-
sphärische Wasser mehr oder weniger schnell hindurchfliessen lassen,
und nur ganz feinkörnige Tuffe werden von Anfang an eine stärkere
wasserhaltende Kraft besitzen, denn diese hängt von der Korngrösse
ab. Erst indem das die Masse durchtränkende Wasser mehr und
mehr die feinsten Teilchen des Tuffes in die Zwischenräume der
grösseren spült, wird die wasserhaltende Kraft des Gesteines all-
mählich sich heben. Diese Arbeit kann nun allerdings bei ursprünglich
wässeriger Entstehung des Tuffes gleich von diesem ersten Bildungs-
wasser geleistet werden. Aber man sieht, die ganze Wirkung des
letzteren beschränkt sich hier darauf, die an sich zu lockere, Wasser
durchlassende Asche gleich in einem solchen physikalischen Zustande
abzulagern, dass sie wasserhaltender wird.
So hat also Tuff von ursprünglich wässeriger Entstehung, d. h.
subaerischer Schlammtuff (s. später) und subaquatischer Tuff, in dieser
Hinsicht nur einen gewissen Vorsprung gegenüber dem trocken ab-
gelagerten. Das ist aber auch alles. Wirkliche Festigkeit
kann ein Tuff in jedem Falle nur durch chemische Ein-
wirkung später hinzutretenden Wassers erlangen. Die
bisweilen bedeutende Festigkeit unserer Tuffe der
Gruppe von Urach liefert daher gar keinen Anhalts-
punkt für die Annahme, dass dieselben in Gestalt
durchwässerter Massen entstanden sein müssten.
Das hat aber natürlich nicht nur Gültigkeit für unsere, son-
dern für alle vulkanischen Tuffe, wie überhaupt für alle im Wasser
gebildeten Gesteine. Erst allmähliche Einwirkung von Wasser cemen-
tiert dieselben ; gleichviel , ob dieses Wasser durch dauerndes Ver-
bleiben der Sinkstoffe unter dem Wasserspiegel oder, nach Trocken-
legung, durch atmosphärische Niederschläge herbeigeschafft wird.
Bei Sedimentgesteinen kann dann der Druck auflastender Massen
noch verstärkend einwirken.
Wir haben gesehen, dass die Wirkung des Wassers nicht nur
auf subaquatischen , sondern auch auf subaerischen Tuff eine zwie-
— 30 -
fache, zeitlich getrennte ist : erst macht das Wasser die allzu durch-
lassende Ablagerung undurchlassender, und dann beginnt in stär-
kerem Masse die chemische Arbeit des Wassers. Es lässt sich auf
diese W^eise die auffallende Thatsache erklären, dass in einer schein-
bar ursprünglich ganz gleichartig gewesenen Ablagerung subaerischer,
vulkanischer Tuffe, sich später einzelne feste Schichten in der übrigen
lose gebliebenen Masse gebildet haben ; oder aber, dass in der später
festgewordenen Hauptmasse einzelne lose Schichten verblieben sind.
Derartiges erzeugt in dem Beobachter die Vorstellung, dass hier eine
durch ursprüngliche Ablagerung unter Wasser entstandene Schichtung
vorliege; während man doch in Wirklichkeit nur einen subaerisch
gebildeten Tuff vor sich hat, dessen schwache, durch den allmählichen
Absatz aus der Luft erfolgte Schichtung erst nachträglich mehr in
die Augen fallend geworden ist. Die Korngrösse der auf einen be-
stimmten Punkt niederfallenden, vulkanischen, losen Massen hängt
zwar im allgemeinen von der Entfernung des betreffenden Punktes
von der Ausbruchsstelle ab. Allein je nach der Heftigkeit der auf-
einander folgenden Explosionen und je nach der Richtung und Stärke
des Windes kann auf einer und derselben Stelle über die bisherigen
feineren Aschenmassen auch einmal gröberes Material ausgebreitet
werden. Während erstere, weil wasserhaltender, sich dann allmäh-
lich zu einem festeren Gestein verfestigen, bleibt letzteres eine losere
Zwischenschicht. Umgekehrt kann aber auch über etwas weniger fein-
körnige Aschenmassen einmal sehr feine Asche ausgebreitet werden.
Diese letztere wird dann von den, die Ablagerung später durch-
tränkenden meteorischen Wassern in die nächsttiefere Schicht der
gröberen Masse hinabgespült, füllt hier die Zwischenräume zwischen
den gröberen Körnern aus und macht die betreffende Schicht auf
solche Weise mehr und mehr wasserhaltend. Jetzt kann sich in
dieser die chemische Wirkung des Wassers gut bethätigen, es wird
in ihr Cement ausgeschieden, sie wird fest, wogegen die unter-
lagernden und später übergelagerten weniger feinen Massen durch-
lassend und damit loser verbleiben. Wiederholen sich diese Vor-
gänge, so haben wir im ersteren Falle lose Zwischenschichten in
einer festeren Tuffmasse ; im letzteren aber feste Zwischenschichten
in einer loseren. Beide Fälle treffen wir auch in unseren Tuffen,
denn nicht stets sind dieselben fest.
So braucht also das Auftreten festerer Schichten
im weicheren Tuffe und umgekehrt durchaus nicht
notwendig einen Absatz der Massen im Wasser zu be-
- 31 -
weisen; es kann vielmehr auch allein durch spätere
Einwirkung von Wasser hervorgerufen sein.
Dass die Korngrösse des Tuffes nun auch wirklich eine solche
Rolle spielt, geht aus den folgenden Thatsachen hervor.
Die wasserhaltende Kraft irgend eines Bodens, oder irgend einer
in der Tiefe liegenden Schicht hängt ab von der Grösse der Boden-
oder Gesteinsteilchen. Je grösser diese sind, desto grösser sind die
Hohlräume zwischen den Teilchen, desto schneller also sinkt das
Wasser durch die betreffende Schicht hindurch. Je feinkörniger diese
ist, desto zahlreicher werden die feinen Haarröhrchen in derselben,
desto länger also hält sie das Wasser fest.
Aber nicht nur ein Festhalten des von oben her einsickernden
Wassers findet statt, sondern auch ein Aufsaugen der in der nächst-
tieferen Schicht befindlichen Feuchtigkeit. Eine grobkörnige Schicht
hat diese Fähigkeit, das Wasser aus der Tiefe in die Höhe zu heben,
nur in geringem Masse. Einer feinkörnigen dagegen kommt es in
hohem Masse zu. Sehr klar wird das veranschaulicht durch die
Versuche, welche v. Klenze angestellt hat^ Er füllte Quarzsand
von verschiedener Korngrösse in 1 m hohe Glasröhren, welche unten
mit einem Siebe verschlossen waren. Mit diesem Ende wurden sie
in Wasser gestellt und nun beobachtet, binnen welcher Zeit und bis
zu welcher Höhe das Wasser in den verschiedenen Sauden aufgesaugt
wurde. Es ergab sich hier das Folgende :
Durchmesser der Höhe der Hebung des Wassers in
26 Tagen
Sandkörnch
en
4 Tagen
9 Tagen
4 mm
—
3,8 cm
2,50 „
—
7,4 „
0,74 „
—
11,4 „
0,30 „
41,5 cm
Staubfein
96,0 „
—
48,5 cm
In dem staubartig feinen Sande war das Wasser also nach vier
Tagen bereits fast 1 m hoch aufgestiegen! So vereinigen sich also
in einer sehr feinkörnigen Schicht die das Wasser festhaltende Kraft
mit der das Wasser aus tieferen Schichten immer wieder aufsaugenden.
Denkt man sich nun ein System übereinanderliegender Schichten,
in unserem Sonderfalle von vulkanischen Aschen- und Lapillischichten,
welche verschiedene Korngrösse besitzen, so werden in diesem Systeme
die feinkörnigeren Schichten stets in höherem Grade durchfeuchtet
sein als die grobkörnigeren. Da es sich hierbei stets um Wasser
» Vergl. Württemberg. Wochenblatt f. Landwirtschaft. 1886. No. 31.
— 32 -
handelt, in welchem Stoffe gelöst sind, so wird in den feinkörnigeren
Schichten, durch gegenseitige Einwirkung der Lösungen aufeinander,
eine stärkere Ausfüllung gelöster Stoffe sich vollziehen als in den
grobkörnigeren. Es wird also in den ersteren eine stärkere und
schnellere Bildung von Cement erfolgen als in den letzteren.
In einem Schichtensysteme, welches ursprünglich nur aus losem
Materiale bestand, kann daher nach einem gewissen Zeiträume ein
Teil der Schichten, die feinkörnigeren, fest geworden sein, während
der andere, die grobkörnigeren, lose blieb.
Dass unsere Tuffe tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt ge-
wesen sein müssen, liegt auf der Hand. Gegenwärtig bilden auf
der so wasserarmen Hochfläche der Alb gerade die mit Tuff er-
füllten Ausbruchskanäle die wasserhaltenden Stellen, d. h. sie lassen
das Wasser nicht hindurch. Früher war das Umgekehrte der Fall:
In den mit losen Massen erfüllten Ausbruchsröhren versank das
Wasser, ähnlich wie heute in den Erdfällen, nur sehr viel langsamer
wegen ihrer Tufffüllung. Ungemein lange Zeiten hindurch sind daher
diese Tuffcylinder mit Wasser durchtränkt gewesen. Die Tuffmasse
selbst aber bestand nicht aus einem festen, daher schwer angreifbaren
Gesteine, sondern aus zahllosen Aschenteilchen in feinster Verteilung
und aus zahllosen, zum grossen Teile kleinen Bruchstücken ver-
schiedenster fremdartiger Gesteine. Gegenüber dem so fein verteilten
Stoffe hatte die lösende Eigenschaft des Wassers leichtes Spiel. Das
aber um so mehr, als im Anfange durch die aufgestiegenen und wohl
noch einige Zeit nachher aufsteigenden Gase das Wasser eine stark
saure Beschaffenheit erlangen musste, und als ja zahllose, leicht lösbare
Kalkstücke im Tuffe verteilt waren, deren Lösung wiederum das Wasser
zum Austausche mit anderen gelösten Stoffen befähigte. Bricht sich
nun mehr und mehr die Überzeugung Bahn, dass nicht nur viele Eruptiv-
gesteine hohen Alters, sondern auch häufig bereits solche tertiären
Alters starke Veränderungen erlitten haben bis sie zu demjenigen
wurden, was sie augenblicklich sind\ so wird das, was man bei so
festen widerstandsfähigen Gesteinen nachgewiesen hat , um so viel
mehr und schneller sich bei losen Auswurfsmassen vollziehen müssen.
In erster Linie muss natürlich der leichtlösliche Kalk eine Rolle ge-
spielt haben, indem er sich löste und dann wieder ausschied. Dem-
nächst haben sich zeolithische Substanzen ausgeschieden, von welchen
die Zwischenräume des Tuffes sehr oft erfüllt sind.
* A. Sauer, Porpliyrstudien. Mitteil, der Grossh. Badischen geologischeu
Landesanstalt n. Bd. XXII. 1893. S. 802 pp.
— 83 —
Der Schuttmantel unserer Tuffberge bildet eine ganz eigen-
artige Erscheinung. Man denke sich im Vorlande der Alb zahlreiche
aus Lias- oder Braun-Jura-Gebiet hervorragende kegelförmige Tuff-
berge, und fast jeden derselben bedeckt mit einer Kappe von Weiss-
Juraschutt oder umgeben von einem Mantel aus solchem.
Sehr anschaulich schildert uns Quenstedt^ diese merkwürdigen
Verhältnisse, indem er ungefähr folgendes ausführt: Schauen wir
von der auf dem Nordrande der Alb liegenden Ruine Neuffen aus
— sie liegt 2300 Fuss hoch auf Weissem Jura — nach Norden, so er-
blicken wir als fernsten Tuffpunkt den Geigersbühl, nordöstlich von
Gross-Bettlingen, Auf dem Gipfel desselben liegen unmittelbar auf
Braun-Jura a grosse Blöcke von Weiss-Jura y mit Rhynchonella lacii-
nosa, obgleich sein Gipfel doch 1100 Fuss tiefer liegt, als diese
Schichten hier oben, wo wir uns befinden, anstehen. Mehr der Alb
genähert, sehen wir dieselbe Erscheinung wieder am Grafenberg;
nur dass der mit den mächtigen Weiss-Jurablöcken gekrönte Tuff
hier auf oberem Braun-Jura a und auf ß aufliegt und etwa 150 Fuss
höher aufsteigt als am Geigersbühl. Noch weiter südlich, abermals
näher der Alb zu, ragt der Tuffkegel des Floriansberges bereits aus
Braunem Jura ß und / auf. Seine Kappe von Kalkblöcken liegt
schon 400 Fuss höher als diejenige des Geigersbühl. Endlich ge-
langen wir, abermals der Alb mehr genähert, zum Jusiberge, dessen
Tuffmasse sich auf Braunem Jura c und 'Q aufbaut. Hier liegen auf
dem Rücken desselben die Kalkblöcke bereits um 890 Fuss höher
als auf dem Geigersbühl. „Warum müssen nur alle unsere Tuff-
berge diese Kappe von Weiss-Jurablöcken tragen, die anderen Berge
aber nicht?"
Wir wollen nun diesen Schuttmantel etwas eingehender kenn-
zeichnen. Wie ein Kuchen durch einen Überguss von Zucker, so
sind unsere Tuffberge durch einen Überguss von Weiss-Juraschutt
verhüllt und mantelförmig umgeben. Oben auf dem Gipfel bildet er
eine mächtige Kappe, aus welcher riesige Blöcke und Gebirgsfetzen
herausschauen ; ringsum auf den Flanken breitet er sich in gleicher
Weise aus. So kann er den Tuff gänzlich unseren Blicken entziehen.
Meist aber ist dieser Mantel wenigstens an einzelnen Stellen dünn und
fadenscheinig geworden, so dass der Tuff nun durch denselben hin-
durchschimmert oder wie durch ein Loch im Mantel herausschaut.
Oder letzterer ist bereits von einer Flanke ganz abgespült, so dass
1 Neues Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. 1842. S. 308.
Jahreahefte d. Vereins f. vaterL Naturkuode in Württ. 1895.
- 34 —
an dieser der Tuff völlig freigelegt zu Tage tritt. Oder dies ist gar
an mehreren Flanken des Berges der Fall, so dass nur noch der
Gipfel mit einer Kappe bedeckt ist. Oder es ist endlich auch diese
bereits entfernt und der Tuff tritt nun ganz unverhüllt ans Tages-
licht. Immer aber ist er wohl sicher einst vorhanden gewesen.
Untersuchen wir diesen Schuttmantel , so finden wir , dass er
vorwiegend aus den harten Kalken des Weiss- Jura besteht ; besonders
sind /?, d und s vertreten. Aber es finden sich auch die thonigen
a- und /-Schichten. Teils sind es kleine Stücke, teils ganz riesige Fetzen
und Blöcke. Zu solcher Grösse können diese anschwellen, dass es
Gebirgsteile sind, die man für anstehend halten möchte ; aber das ist
unmöglich, denn sie befinden sich stets in einem tieferen Niveau,
als ihnen im anstehenden Zustande zukommt; dazu sind sie häufig
stark geneigt oder auf dem Kopfe stehend. So gross und massen-
haft liegen sie beisammen, dass Steinbruchsbetrieb in ihnen eröffnet
wird. Alle diese verschiedenen Schichten liegen häufig bunt durch-
einander gewürfelt und bilden oft eine ganz fest gepackte Masse
von ansehnlicher Dicke.
Besonders im letzteren Falle macht dieser Schutthaufen durch
seine feste Packung den Eindruck, als wenn er ein Gebilde von
Gletschern, eine Grundmoräne sei. Aber das ist ganz unmöglich.
Weder Glättung noch Schrammung zeigt sich ; und welcher Gletscher
sollte wohl, einem vernunftbegabten Wesen gleich, seine Moräne
immer nur mantelförmig um Tuff berge gebreitet haben? Auch durch
Wasser angeschwemmt kann die Schuttmasse nicht sein ; wir würden
hier ganz dieselbe Frage thun könnend Die Blöcke sind auch z. T.
viel zu gross für letztere Annahme. Vor allem aber spricht gegen
beides noch ein weiterer bemerkenswerter Umstand :
Unsere Tuffberge bestehen in der Regel nicht von oben bis
unten aus vulkanischem Gestein. Vielmehr ist der Sockel des Berges,
oft weit bis über die Hälfte der Höhe hinauf, aus Sedimentärgestein,
meist Braun-Jura , doch auch Lias , aufgebaut ; und erst der Gipfel
besteht aus Tuff. Stets ist dann der aus Weiss-Juraschutt gebildete
Mantel auf den letzteren beschränkt; er umhüllt also nicht zugleich
auch den Jura-Sockel des Berges; höchstens ist er auf dessen obersten
Teil etwas herabgerutscht.
Diese stete Verbindung des Tuffes, und immer nur allein des
Tuffes, mit dem Schuttraantel, muss notgedrungen in dem Beobachter
1 Vergl. später den Abschnitt: „Die Entstehung der Tuffe."
— 35 -
die Vorstellung erwecken, dass beide in dem Verhältnisse von Ur-
sache und Wirkung zu einander stehen; und leicht wird man die
Lösung gefunden zu haben glauben in dem folgenden Gedankengange :
Der Mantel ist nur entstanden durch eine allmähliche Anreicherung
der im Tuffe steckenden Weiss- Jurabrocken. Der feinkörnige eigent-
liche Tuff wurde im Laufe langer Zeit von der Oberfläche abgespült
und die groben Einschlüsse von Weiss-Jura blieben liegen, bis sie
zuletzt eine völlig tufffreie Decke auf dem Tuffe bildeten.
So einfach und darum überzeugend diese Ansicht ist, so erweist
sie sich doch als unhaltbar. Im Tuffe liegen ja nicht nur Weiss-
Jurastücke , sondern auch zahllose von Braun-Jura. Warum sind
denn diese nicht auch liegen geblieben und haben sich angereichert?
Warum ist der Mantel immer nur hellfarbig von den Kalken des
Weissen Jura, und nicht auch dunkel von den Gesteinen des Braunen?
Im Tuffe liegen ferner auch sehr viele durch die Hitze dunkel rauch-
grau oder rot gewordene Weiss-Jura-Kalke. Warum findet man
diese, besonders die dunklen, fast nie im Schuttmantel? Freilich
liegen hier und da auch Stücke von Bohnerzthon im Mantel.
Aber diese reden zu uns nur dieselbe Sprache; denn das Bohnerz
steckt ja in den Spalten des Weiss-Jura, gehört also in diesem ge-
wissen Sinne zu ihm. Allerdings auch, und das könnte abermals
irre führen, finden sich dann und wann andere Gesteinsstücke in
dem Mantel, wie z. B. roter Keuper-Thon, ein Stück Tuff und der-
gleichen. Aber diese Stücke gehören dann wohl nicht zu dem ur-
sprünglichen Mantel, sondern sie sind durch das allmähliche Abrutschen
desselben in ein immer tieferes Niveau, und so erst später aus dem
Tuffe in denselben gelangt.
Sehen wir daher von solchen Vorkommnissen ab, so bleibt zu
Kecht bestehen als Kennzeichen des Mantels, dass er aus Weis- Jurafetzen
besteht. Ist nun diese merkwürdige Thatsache nicht durch An-
reicherung zu erklären, so wird man sie ebensowenig durch die An-
nahme aufhellen können, dass bei dem Ausbruche der Weiss-Jura
als die oberste Lage des durchbrochenen Schichtgebirges hoch-
geschleudert worden und dann auf den Tuff herabgestürzt sei. Aus
diesen hochgeschleuderten Massen stammen die im Tuffe sitzenden
Stücke, aber nicht die des Mantels. Einmal müssten, wie wir sahen,
in diesem Falle doch sehr viel mehr und der Regel nach andere
Gesteine, die ebenfalls ausgeblasen wurden, in diesen Weiss- Jura-
Schutt gelangt sein. Zweitens aber könnte diese Masse dann nur eine
Kappe oben auf dem Kopfe des saiger stehenden Tuffganges bilden ;
3*
- 36 —
nicht auch denselben später, wenn er z. B. im Braun- Juragebiete
einen Kegel bildet, ringsum auf den Flanken mantelfömig umgeben.
Endlich müsste durch den Sturz aus der Luft alles zerschmettert
sein, während sich meist ganz feste, unversehrte Blöcke finden.
So bleibt denn als Lösung dieses Rätsels nur die folgende:
Zur Zeit der Ausbrüche dehnte sich die Alb mindestens noch über
das ganze Vorland der Alb aus, auf welchem wir heute Tuffe finden.
Also bis in die Nähe von Stuttgart. Dieser Körper der Alb wurde von
Ausbruchskanälen durchbohrt, die sich mit den geschilderten Tuff-
breccien anfüllten. Mehr und mehr wurde die Alb durch senkrecht
von oben nach unten gehende Schnitte abgetragen (s. 1894 S. 524),
so dass ihr NW.-Rand gegen S. zurückwich. Die harten widerstands-
fähigeren Tuffgänge wurden auf solche Weise mehr und mehr aus ihrer
Umhüllung, dem Nebengestein, in welchem sie aufsetzen, herausgear-
beitet. Nun stelle man sich den Zeitpunkt vor, in welchem die
Abschälung des Nebengesteines, also des Weissen Jura, der uns hier
allein beschäftigt, so weit vorangeschritten war, wie wir das bei
den am Steilabfall der Alb angeschnittenen Maaren, bezw. Tuffgängen
derselben sehen. Ich will als Beispiel auf die beiden Maare bei der
Diepoldsburg No. 40 und dem Engelhof No. 41 verweisen; Fig. 13
1894 S. 744. Die nach aussen gelegene Kalkwand wird ent-
fernt, der Tuff hier freigelegt, die nach innen, albwärts gelegenen
Teile bleiben noch stehen. Damit beginnt eine Thalbildung sich
zu vollziehen und aller Kalkschutt der abbröckelnden Wände wird
in das Thal, d. h. auf den Tuff hinabgespült oder fällt von selbst
in gewaltigen Fetzen hinab. Dort liegt er auf dem Kopfe der Tuff-
säule. Dieselbe wird im Laufe der Zeiten auch an der inneren,
nach der Alb zu gelegenen Seite von dieser getrennt, indem der
Steilabfall der Alb zurückweicht (s. 1894 S. 554). Endlich ist der
Kopf des Tuffganges ringsherum freigelegt; aber er ist bedeckt von
jener Schuttmasse aus Weiss- Jura-Kalk, welche auf ihn hinabgestürzt
und gespült ist. Bings um den harten, zudem durch die harte
Kalk-Kappe geschützten Tuffgang werden die thonigen Braun-Jura-
Schichten weggefressen. Es entsteht ein Berg, dessen Sockel durch
Braun- Jura-Thon, dessen Gipfel durch den kalkbedeckten Tuff ge-
bildet wird.
Aber auch die Tuffsäule verfällt der Abtragung, wird daher
mehr und mehr erniedrigt, wobei sie sich zum kegelförmigen Berge
zuspitzt und zugleich sich jenen Mantel von Weiss-Juraschutt erwirbt.
Im selben Masse aber, als sich die Höhe des Tuffkegels infolge der
— 37 —
Abtragung erniedrigte, sank auch seine Schuttdecke in immer tieferes
Niveau hinab. Dadurch kamen die Fetzen des Weiss-Jura vollends
in unregelmässige Reihenfolge, wurden bisweilen zerkleinert, rutschten
durcheinander, senkten sich, so dass zusammenhängende Schichten-
fetzen, die ursprünghch wagerecht anstanden, jetzt auf dem Kopfe
stehen. Auf solche Weise entstand die Weiss-JurahüUe , welche
unsere Tuffe als Kappe auf dem Gipfel und als Mantel auf den
Flanken umhüllt. Ein wirres Durcheinander musste sich häufig
ergeben.
Die Probe, ob diese Darstellung wirklich das Richtige trifft,
lässt sich leicht machen. Der Schuttmantel ist, wie gesagt, nicht
bei allen unseren Tuffgängen vorhanden. Er tritt vielmehr in allen
Stadien der Vollkommenheit auf. Hier ist er ringsum entwickelt,
so dass er den Tuff ganz oder fast ganz verhüllt; dort fehlt er an
einer Flanke des vulkanischen Kegels, da fehlt er auf allen Flanken
und zeigt sich nur als Kappe oben auf dem Gipfel desselben; an
anderen Stellen fehlt selbst letztere, so dass gar kein Schuttmantel
vorhanden ist.
Woher kommt dieses unregelmässige Verhalten? Ich meine aus
zwei Gründen : Einmal mögen die letzten Reste des Weiss-Jura, als
sie rings von dem Tuffgange abgeschält wurden, in manchen Fällen
sich wenig nach innen, also auf den Tuff gesenkt haben, sondern
fast nur nach aussen abgestürzt sein. In diesem Falle lag natürlich
von Anfang an nur wenig Schutt auf dem Tuffe. Zweitens aber und
vor allem unterlag schliesslich auch der Schuttmantel der Abtragung.
Jene oben unterschiedenen Stadien der Vollkommenheit sind daher
zum Teil nur Stadien seiner Abtragung. Daher fehlt er denn auch
vorwiegend gerade den am meisten nach N. gelegenen Tuffgängen,
welche bereits aus dem Lias herausschauen, also schon am längsten
der Abtragung ausgesetzt sind ^.
Nun die Probe : Wenn der Schuttmantel aus einer Anreiche-
rung der im Tuffe selbst liegenden Weiss-Jurabrocken hervorgegangen
wäre, müsste er sich ausnahmslos auf allen unseren Tuffgängen finden,
denn alle enthalten Weiss-Jurabrocken. Das ist nicht der Fall. Er
* Übrigens sind hier, in dem meist aus thonigen Schichten bestehenden
Vorlande der Alb die harten Weiss-Jurasteine wohl vielfach schon seit Jahr-
hunderten auch künstlich entfernt worden. Teils weil sie dem Ackerbau hinder-
lich waren , teils weil man sie zur Strassenbeschotterung verwendete : Genau
derselbe Grund, welcher im diluvialen, mit erratischen Gesteinsstücken übersätem
Gelände diese Blöcke allmählich verschwinden macht.
— 38 -
müsste sich ferner unaufhörlich aufs neue bilden, da ja die Tuff-
gänge stetig abgetragen werden. Davon sieht man nichts. Er dürfte
drittens nicht so häufig aus so gewaltigen Weiss-Jurafetzen bestehen;
denn diese finden sich nur ganz ausnahmsweise im anstehenden Tuff
selbst. Er müsste viertens gerade bei den am meisten gegen N.
liegenden , also am stärksten , weil am längsten abgetragenen Tief-
punkten, allmählich dicker geworden sein, als bei den südlicher ge-
legenen; denn bei ersteren hätte ja die Anreicherung bereits viel
längere Zeit gewährt. Gerade umgekehrt fehlt er in der Regel gänz-
lich bei den am meisten nördhch vorgeschobenen Tuffmassen. End-
lich aber müsste sich bei allen Tuffablagerungen der Erde, welche
eine durch beigemengte Fremdgesteine hervorgerufene Breccienstruk-
tur besitzen, allmählich durch Verwitterung, Abspülung der feinen
Teile und Anreicherung der groben, eine solche Schuttdecke heraus-
gebildet haben, welche sie verhüllt. Namentlich bei den Peperinen
Italiens, deren Brecciennatur ja in gleicher Weise vielfach durch
beigemengte weisse Kalksteine hervorgerufen wird, müsste sich eine
Schuttdecke gebildet haben, welche ganz derjenigen unserer Tuffe
gleicht. Ich habe aber nichts Derartiges beobachtet, obgleich ich
gerade ein derartiges Vulkangebiet mit Kalkstein - Peperinen kar-
tiert habeV
Ich will durchaus nicht bestreiten, dass auch eine Anreicherung
der Kalkstücke, durch Abspülung des Tuffes, stattfinden kann und
dass dann eine geringe Beimischung dieser Kalkstücke zu denen des
Mantels erfolgen mag — aber das Gewicht der oben angeführten
Gründe scheint mir so erdrückend, dass gewiss eine solche Ent-
stehung des Schuttmantels durch Anreicherung vollständig in den
Hintergrund treten muss gegenüber derjenigen durch Abtragung
der Alb.
Man denke auch nicht, die Lösung etwa in der folgenden Weise
finden zu können: In der Eifel haben wir gleichfalls Tufifbreccien,
welche ganz wie bei uns zahlreiche Bruchstücke der durchbrochenen
Schichten enthalten. Nun können letztere dort weniger oder mehr
zahlreich sein ; ja sie können sich so steigern , dass man vom Tuffe
kaum etwas sieht und „leicht eine Täuschung eintreten und der Tuff
verkannt werden" kann^. Diese Erscheinung darf nicht etwa mit
^ Die Vulkane des Hemikerlandes bei Frosinone in Mittelitalien. Neues
Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. 1877. S. 561—590. Tafel VII.
' H. V. Dechen, Geognostischer Führer zu der Vulkaureihe der Vorder-
Eifel. Bonn 1861. S. 252—253, 30 pp.
— 39 -
unserem Schuttmantel verwechselt werden. Dort in der Eifel hat
man eine vulkanische Tuffbreccie, welche fast nur aus zerschmettertem
durchbrochenem Gesteine besteht. Hier bei Urach liegt eine Hülle,
bestehend aus z. T. riesigen Weiss- Jura-Blöcken und feinerem Schutte
oben auf der Tuffbreccie.
Ist meine Erklärung von der Entstehung des Schuttmantels
unserer Tuffgänge die richtige, so muss sie, wie gesagt, am Steil-
abfalle der Alb die Probe bestehen. Dort haben wir ja Tuffgänge,
deren Herausschälung aus der Alb soeben beginnt. Wie steht es
dort in dieser Beziehung?
Wir schauen die steile Nadel des Conradsfelsens No. 47 an,
welche senkrecht aus dem Steilabfalle der Alb herauswächst. Auf
allen Seiten steht sie frei. Kein Kalkschuttmantel liegt auf der-
selben. Folglich, so wird man schliessen, hat jene Erklärung die
Probe nicht bestanden ; sie ist gänzlich verfehlt und der Schuttmantel
entsteht nur durch Anreicherung.
Aber das ist ein Trugschluss. Natürlich kann auf einer so
widerstandsfähigen Masse, wie diejenige des Conradsfelsens es sein
muss, welche daher bei der Erosion als senkrechte Nadel emporragt,
kein Kalkschutt liegen bleiben. Wenigstens nicht, solange der Tuff
fortfährt, nadelbildend zu bleiben. Aber das sind vereinzelte Aus-
nahmen. Sehen wir die anderen Maare und Tuffgänge am Steil-
abfalle der Alb an: dort ist es anders, bei diesen besteht unsere
Erklärung die Probe.
Wir wollen als Beispiel den zweiten Gang bezw. Maar an der
Gutenberger Steige No. 43 betrachten. An der SW.-Seite ist er frei-
gelegt; von dort aus treten wir in das Innere desselben ein. Mit
den drei anderen Seiten sitzt er noch in der Alb drinnen. Ringsum
steigt auf diesen drei Seiten der senkrechte , weite Ausbruchskanal
in die Höhe. Seine Tufffüllung ist tief ausgefurcht, daher vorzüglich
aufgeschlossen. Wir steigen von dieser Tiefe aus auf dem Tuff-
gehänge in die Höhe. Sowie wir uns dem Kontakte desselben mit den
Wänden des Kanales nähern, verschwindet der Tuff unter der Decke
von Weiss - Juraschutt. Wo, an welcher Seite wir auch aufsteigen
mögen, überall dasselbe Bild. Fig. 17; 1894 S. 755.
Genau das Gleiche aber finden wir, wenn wir die Maare, bezw.
ihre Tuffgänge, vom Engelhof No. 41 und der Diepoldsburg No. 40
untersuchen. Wir wollen diesmal den umgekehrten Weg machen,
von oben her, von der Hochfläche aus in diese Ausbruchskanäle
hinabsteigen. Hier ist der Gang in beiden Fällen an der W.-Seite
— 40 -
freigelegt; an den drei anderen Seiten sitzt er noch in der Alb.
Fig. 13; 1894 S. 744.
Schon, dass wir überhaupt von der Albseite aus in diese senk-
rechten Kanäle hinabsteigen können, in deren Tiefe der Tuff" an-
steht — freilich ist das nur an einigen Orten möglich — dient als Be-
weis dafür, dass sich hier Weiss-Juraschuttmassen an die senkrechte
Wand gelegt haben , welche von dieser abgebröckelt sind. Das ist
ja auch nicht anders zu erwarten. Wir steigen auf diesen Schutt-
massen steil bergab. Endlich in gewisser Tiefe, bald eher, bald
später, treffen wir auf Tuff. Auch hier also dasselbe Bild wie vor-
her; die Kontaktlinie zwischen Tuff und der Wand des Ausbruchs-
kanales ist durch Schuttmassen von Weiss-Jura verschleiert.
Es sei genug an diesen Beispielen. Sie zeigen uns, dass unsere
Erklärung das Richtige getroffen hat : Der Schuttmantel rührt von
dem Zusammenbruche der den Tuff zunächst umgebenden Weiss-Jura-
schichten her, nicht aber von einer Anreicherung der im Tuffe
liegenden Kalkstücke.
Dieser Schuttmantel spielt nun eine grosse Rolle für die Tuffe.
Er liegt als Kappe oben auf den Tuffbergen, er umhüllt sie als
Mantel : Er schützt sie also durch seine Härte gegen die Atmo-
sphärilien. Er wirkt, wie ein bei nassem Wetter aufgespannter
Regenschirm für seinen Träger wirkt. Nun rechne man hinzu, dass
diese harten kegelförmigen Schuttmassen auf dem meist weichen,
thonigen Lias- und Braun-Juragelände erscheinen. Diesem gegenüber
sind sie steinhart : So müssen die an sich schon harten Tuffmassen
notwendig noch umsomehr als Berge emporragen.
Es folgt mithin aus obiger D arlegung, dass der für
unsere Tuffgänge so ausserordentlich kennzeichnende
Schuttmantel aus Weiss- Juragesteinen, diese „rätsel-
hafte" Bildung, entstanden ist, weder durch bei dem
Ausbruche emporgeschleuderte und zerschmetterte
Weiss- Juraschichten, noch durch Anreicherung der im
Tuffe enthaltenen Kalkstücke, noch durch Anschwem-
mung von Seiten des Wassers oder Eises. Er verdankt
vielmehr seine Entstehung wesentlich nur der Ab-
tragung der Alb, indem die dem Tuffgang zunächst
liegenden Teile der Schichten bei der Abtragung der
Alb zunächst in den Kanal hinab auf den Tuff fielen.
Dort häuften sie sich allmählich an und bildeten eine
Kappe auf demselben. War der Gang dann ganz heraus-
— 41 —
geschält, so bildete er sich zum spitzen Kegel und
die Schuttkappe zum Schuttmantel um. Durch diesen
war er vor weiter er Abtragung mehr geschützt als der
umgebende thonige Braun-Jura und Lias. Daher bildete
der mit ihm versehene Tuff im Vorlande der Alb Hügel.
Natürlich wird diese Hügelbildung unterstützt einerseits durch
die eigene Härte des Tuffes, andererseits durch die weiche Be-
schaffenheit der Jura- und Lias-Schichten. Denn diese Hügel be-
stehen ja, wie früher dargelegt (vergl. z. B. Fig. 70; 1894 S. 887),
nicht etwa nur aus Tuff, sondern ganz wesentlich auch aus Jura-
Schichten. Letztere bilden meist den Sockel des Berges, der Tuff
nur den Gipfel. Die Bergbildung ist also ganz wesentlich auch auf
die in den weichen Jurathonen leicht vor sich gehende Erosion
zurückzuführen.
DieBeziehungen unserer vulkanischen Tuffe zur Kultur.
Die erste dieser Beziehungen, die wassersammeln de Ei gen-
schaft der Tuffe, ist eine hervorragend wichtige. Unten im Vor-
lande der Alb, welche aus den meist thonigen Schichten des Lias
und Braun-Jura besteht , hat diese Eigenschaft der Tuffe keinerlei
Bedeutung. Von höchstem Werte dagegen ist dieselbe oben auf
der wasserarmen Hochfläche der Alb. Der Weiss-Jura besitzt zwar
auch thonige Schichten, a und /, manchmal "Q. Aber diese weichen
Massen haben bei der wagerechten Lagerung nicht die Fähig-
keit, auf weitere Entfernung hin Oberfläche zu bilden. Eine solche
kommt nur den harten Schichten /?, d, e, z. T. c, zu. Diese harten
Schichten aber sind im Wasser löslich. Letzteres hat sich daher
auf unserer Hochfläche, ebenso wie auf jeder anderen kalkigen Hoch-
ebene, zahlreiche Kanäle und Höhlen durch die harten Kalke hindurch-
gefressen, die sich an der Oberfläche oft durch Trichter oder Erdfälle
kennzeichnen. Auf diesen stürzt das Regenwasser, sowie es gefallen
ist, in die Tiefe, um erst von den undurchlassenden a- und /-Schichten
aufgehalten zu werden, auf ihnen entlang zu fliessen und dann an
irgend einer Stelle in Form starker Quellen zu Tage zu treten.
Die Hochfläche der Alb ist daher hinsichthch des Wassers
wesentlich nur auf die meist dünne Lehmschicht angewiesen, welche
aus der Zersetzung der Kalke hervorgegangen ist, indem deren kohlen-
saurer Kalk fortgeführt wurde , während die winzige Beimengung
von Thon, weil unlöslich, sich anreicherte. Ist diese Lehmdecke
dünn, so hilft sie für die Bildung von Quellen gar nichts. Ist sie
— 42 —
mächtiger, so rinnt in den Brunnen, welche in diesem Lehm stehen,
wenigstens so viel Wasser zusammen, dass bescheidene Ansprüche
an Stillung des Durstes und an Reinlichkeit befriedigt werden können.
Im Sommer freilich versiegen diese Brunnen auch oft ganz. Von
weiter Entfernung her, aus der Tiefe der Thäler herauf, muss das
Wasser geholt werden.
Daher sieht man oft auf der Alb, dass von den Dächern der Ge-
bäude rings um das ganze Haus Blechrinnen und Röhren verlaufen,
welche die auf das Dach fallenden Niederschläge in das an einer
Hausecke gegrabene Loch leiten. In diesem „Brunnen" sammelt
sich eine Flüssigkeit an , die zeitweise dick , braun, entsetzlich ist.
Und doch wird dieselbe von dem, an solchen Alborten erzogenen
Vieh dem klaren Wasser vorgezogen. Die Macht der Gewohnheit
und die Liebe zum Pikanten!
Durch das grossartige Unternehmen der „Alb Wasserversorgung"
hat die Württembergische Regierung diesem Übelstande abgeholfen.
Die Triebkraft der am Grunde der Thäler zu Tage tretenden Wasser-
massen wird benutzt um einen Theil der letzteren wieder zurück
auf die Hochfläche der Alb zu heben. Dort fliesst das Wasser in
grosse Sammelbecken und wird von diesen aus in die Dörfer ge-
leitet. So hat auch hier die Kunst gegenwärtig den Menschen un-
abhängig von der Natur gemacht.
Noch vor kurzem aber bestand die Albwasserversorgung nicht.
Da ergab sich denn die Einwirkung der Tuffe auf die Wasser-
verhältnisse in der folgenden Weise : Da , wo im Bereiche unseres
vulkanischen Gebietes auf der Hochfläche der Alb keine Tuffe lagen,
da sah man, und sieht man noch, in den Dörfern überall die oben
geschilderten Dachbrunnen und die Blechröhren. Da aber, wo Tuff
vorhanden war, hatte und hat man Quellbrunnen und im Dorfe
grosse Teiche, sog. „Hülben". So kann man, sowie man ein Dorf
betritt, an den Brunnen bereits erkennen, ob Tuff vorhanden ist
oder nicht. Erklärlicherweise hat der Mensch mit Vorliebe diese
wasserreichen Orte aufgesucht. Die Karte zeigt, wie die grösste
Zahl der Tuffflecke oben auf der Alb mit Dörfern besetzt ist. So
gut ist obiges Kennzeichen, dass, wenn ein Teil eines Dorfes Dach-
brunnen hat, der andere Teil aber Quellbrunnen und „Hüiben", man
sicher sein kann, dass letzterer auf Tuff steht, ersterer noch auf
Juraboden.
Diese wassersammelnde Kraft unserer Tuffe ist also Jahrtausende
hindurch für Menschen und vielleicht das Hundertfache dieses Zeit-
— 43 —
raumes bereits für die wilden Tiere von der segensreichsten Bedeu-
tung gewesen. Denn schon in tertiärer Zeit muss die Alb wasserarm
gewesen sein, müssen sich auf dem Tuffe die "Wasser gesammelt
und Seen in den Maarkesseln gebildet haben. Indem einst aber
die Alb sich viel weiter nach N. hin ausdehnte war unser vulkani-
sches Gebiet auf derselben nicht nur von etwa 125 senkrechten
Ausbruchsröhren durchsetzt, sondern ein grosser Teil derselben wird
auch in seinem obersten Ende zeitweise einen See beherbergt haben.
Bis in die Gegend von Stuttgart hin ein mit vielleicht
hundert kleinen, mehr oder weniger runden Maarseen
besetztes Gebiet. Das Auftreten geschichteter Tuffe, hier und
dort, macht das sehr wahrscheinlich.
Natürhch hat der Tuff durch diese seine Eigenschaft auch
Veranlassung zur Bildung von Torfmooren gegeben , wie das bei
Ochsenwang, Maar No. 35, der Fall ist.
Diese wasserhaltende Kraft ist übrigens nicht nur unseren
Tuffen eigen. Beispielsweise ist es auch auf Island in dem, infolge
seiner Zerspaltung, sehr durchlassenden vulkanischen Gebiete der
(Palagonit-) Tuff, dessen Schichten wasserführend sind ^.
Ursprünglich ist diese wasserhaltende Kraft dem Tuffe wohl
nicht eigen gewesen; er kann sie erst erlangt haben infolge seiner
Umbildung zu einem festen Gesteine (S. 27).
Wir wollen nun die Beziehungen unserer Tuffe zum Acker-
boden betrachten. So fest und wasserhaltend der Tuff auch ist,
er zerfällt doch an der Erdoberfläche meist zu einem losen, schüttigen,
trockenen, dunkelgefärbten Ackerboden. Daher graben denn auch
die Füchse ihre Baue im Tuff und nicht im Juragestein. Der Tuff
erlangt also beim Zerfallen und Verwittern wieder dieselbe Beschaffen-
heit, welche er anfänghch bei seiner Erzeugung besessen hatte.
Dass ein solcher Boden nicht sehr hoch geschätzt sein kann , trotz
des Gehaltes an wichtigen Aschenbestandteilen, das liegt auf der
Hand. Die schlechten physikalischen Eigenschaften drücken den
Wert der chemischen herab.
Aber zur Verbesserung anderer Böden verwendet man diese
chemischen Eigenschaften gern. Wo es nur angeht, werden unsere
Tuffe zum „Mergeln" der Weinberge benutzt. Aber eine bemerkens-
werte Thatsache ist es, dass man sie zwar zum Überdüngen derselben
* Sartori US von Walters hausen, Physisch-geographische Skizze
von Island. „Göttingrer Studien." 1847. S. 124.
— 44 -
verwendet, dass jedoch der Weinbau den Tuffboden selbst in der
Regel flieht.
Sehr häufig bestehen unsere vulkanischen Buhle und Berge
nicht ganz aus vulkanischem Gesteine. Sondern dieses bildet nur
die Kuppe des Berges, während der Sockel desselben aus Jurathon
besteht. So finden wir es am Metzinger Weinberg, am Hofbühl,
Florian und zahlreichen anderen. Fast stets ist dann nur der untere,
aus Braun-Jurathon bestehende Teil des Berges mit Reben bepflanzt.
Mit dem Beginne des Tuffes aber hören diese sofort auf und nur
geringes Übergreifen auf Tuffboden findet statt. Man kann daher
schon von weitem die Grenze zwischen Tuff und Jurathon erkennen.
Trotz des Reichtums an Pflanzennährstoffen, welcher diesen Tuffen
innewohnen muss, hält man sie also offenbar in der Regel nicht
zum Weinbau für geeignet. Nur vereinzelt trifft man Rebengärten
auf Tuffboden. So an der Sulzburg No. 48, am Lichtenstein No. 71,
Dachsbühl bei Weilheim No. 78, Nabel bei Bissingen No. 81, Grafen-
berg No. 108.
Nun schreibt „Das Königreich Württemberg"^: „Die vulkani-
schen Böden am Fusse der Alb liefern .... in manchen Jahren nach
Quantität und Qualität geradezu staunenswerte Resultate ; bis zu
15 hl pro Hektar und Weine von vorzüglicher Güte." Ist das der
Fall, dann muss man sich wundern, warum in der Regel der Wein-
bau den Tuffboden vermeidet. Er müsste denselben doch im Gegen-
teil gerade aufsuchen, anstatt sich meist nur an den jurassischen
Fuss der Vulkanberge zu klammern. Bezieht daher das Citierte
sich etwa auch, oder gar mehr, auf den Jurasockel der dortigen
Berge denn auf den Tuffanteil derselben?
Zwei bemerkenswerte Fälle möchte ich hervorheben, in welchen
die Reben zwar auf Tuff stehen, aber doch sozusagen auf Jura-
boden wachsen. Diese eigentümlichen Verhältnisse gaben nämlich
Veranlassung zu Schwierigkeiten in der Deutung derselben. Das
ist vor allem am Häldele, NO. von Kohlberg, No. 98 der Fall. Ein
kegelförmiger Berg von echt typischer Vulkangestalt. Schon von
weitem sieht man ihm seine vulkanische Entstehung an. Trotzdem
ist er bis zum Gipfel mit Reben bepflanzt. Wenn man aber zu dem
Berge kommt, sieht man, dass der ganze Kegel Jurathonboden be-
sitzt. Hier und da nur zeigt sich ein kleines Fleckchen von Tuff; das
^ Herausgegeben vom statistisch-topographischen Bureau. Stuttgart 1884.
Bd. IL S. 510.
— 45 —
ist aber natürlich mit Vorsicht aufzunehmen, denn da der Tuff zum
Überdüngen der Juraböden benützt wird, so findet man leicht Stücke
desselben auf solchem Thonboden. Und trotzdem besteht der ganze
Berg aus anstehendem Tuffe, wie durch sorgsame Untersuchung
und Graben wie Bohren sich feststellen Hess. Aber über den Tuff
gebreitet eine Krume von Jurathonboden in l^'g, 2 und 3 und mehr
Fuss Mächtigkeit ! Offenbar das Ergebnis jahrhundertelanger Arbeit,
wie sie sich nur auf dem kostbaren Rebenboden, nicht aber auf
Acker lohnen kann. Auch der Florian No. 101 zeigt da, wo der
Tuffgang an seiner SW.-Flanke hinabzieht, denselben ebenso durch
Jurathonboden völlig unkenntlich gemacht und versteckt, so dass
niemand sein Dasein ahnen kann.
Ähnlich liegen die Dinge am Gaisbühl, SW. von Reutlingen,
No. 122. Hier ist gleichfalls auf dem Acker Jurathonboden. Daher
giebt die geologische Karte von Württemberg irrtümlich auch hier,
ganz wie am Florian No. 101 , zwei Tuffflecke an , welche durch
anstehenden Braun- Jura a getrennt sind. Aber genaue Untersuchung
zeigt, dass hier wie da je nur ein einziges grösseres Tuffvorkommen
auftritt, dass der vermeintliche anstehende Jura nur eine dicke Decke
über dem Tuff bildet. Aber in diesem Falle nicht durch Menschen-
hand ausgebreitet, sondern durch die Natur von den südlich an-
grenzenden Höhen abgeschwemmt. Genau ebenso liegen die Dinge
auf den Hengstäckern, S. von Kleinbettlingen. Der dortige Tuff
No. 112 liegt in einer Ebene mit dem Braun- Jura a, ist aber durch
den von 0. her herabgeschwemmten Verwitterungslehm so verdeckt,
dass nur einzelne kleine Kalkstückchen in demselben das Dasein
des vulkanischen Gesteines andeuteten, welches denn auch erbohrt
wurde.
Auch als W a 1 d b o d e n ist der Tuff dem Jura nicht ebenbürtig.
Die herrlichen Buchenwaldungen, welche nicht nur die Alb und ihre
Abhänge, sondern auch an manchen Orten das Vorland derselben
decken — sie verschwinden sofort sowie Tuffgebiet sich zeigt und
räumen hier den Tannen das Feld.
So steht der vulkanische Tuff unseres Gebietes im
innigsten Zusammenhang mit der Kultur. Schon von
weitem erkennt man sein Dasein an dem Vorhanden-
sein der Dachbrunnen, an der düsteren Farbe der Tannen-
waldung, meist auch an dem jähen Aufhören der Reb en-
gärten.
Technische Verwendung. Die Härte des Tuffes ist eine
— 46 —
recht verschiedene und damit aucli seine Brauchbarkeit als Stein.
In der Umgegend von Owen findet man die am Götzenbrühl No. 87
gewonnene feste Art des Tuffes sogar hier und da einmal zu Chaus-
seesteinen verwendet. Der Tuff aus dem Maar an der Wittlinger
Steige No. 63 lieferte Markungssteine. Aber derartige Verwendung
ist ganz verschwindend, da der Tuff doch nicht hart genug ist.
Dagegen hat Schübler \ nach dem Vorbilde italienischer und
rheinischer Verhältnisse, mit dem Basalttuff aus dem Faitelthal bei
Urach Versuche angestellt, ob derselbe nicht, ähnlich dem Puzzolan-
und dem Trasstuff, als hydraulischer Mörtel zu verwenden sei.
Bei einer Vermischung des pulverisierten Basalttuffes mit der gleichen
Menge gelöschten Kalkes ergab sich in der That ein Mörtel, welcher
unter Wasser immer fester wurde. Infolgedessen wurde dann vom
Oberwasserbaudirektor am Ende der zwanziger Jahre bei Metzingen
eine Mühle zum Mahlen des Basaltes erbaut^. Da sich nun durch
Glühen von Thon in Verbindung mit Kalk gleichfalls hydraulischer
Mörtel erzeugen lässt, so folgerte Schübler, dass der Basalttuff ein-
mal glühend gewesen sein müsse. Aus dem chemischen Verhalten
also dieses Tuffes (sowie des gepulverten Phonolithes vom Hohen-
twiel) schloss Schübler darauf, dass unsere Tuffe und Basalte „vul-
kanische, auf irgend eine Art durchs Feuer veränderte Bildungen sind" ^
Eine Verwendung des Tuffes nach solcher Richtung hin ist
wohl nicht weiter verfolgt worden. Die zahlreichen Cementmergel der
Juraformation in unserem Lande machen Derartiges auch überflüssig.
Wohl aber stellt man jetzt Versuche an, den Tuff als künst-
liches Düngemittel zu verarbeiten. Die an Kalksteinen armen,
also an eigentlicher Tuffmasse reichen Partien werden zu Pulver
gemahlen und sollen so als Steinmehldüngung dienen. Leider sind
unsere Tuffe, wie es scheint, fast durchgehends nicht aus feldspat-
haltigem Magma hervorgegangen, sondern aus melilithhaltigem. Sie
werden daher, eine Analyse liegt mir nicht vor, viel weniger Kali
enthalten, als im ersteren Falle möglich wäre. Immerhin aber müssen
' Jahrbuch der Chemie wnä Physik. Bd. XIX. 1827. S. 140—148. Ferner
Korrespondenzhlatt der Württ. landwirtschaftlichen Vereine. 1825. Bd. VII.
S. 279-283.
2 Jahrbuch f. Min., Geol, u. Pal. v. Leonhard. 1830. Jahrg. 1. S. 79.
^ Dagegen hatte bereits 1823 Oberbergrat Selb den Versuch gemacht „aus
ihren Lagerungsverhältnissen und ihrer Stellung gegen die übrigen Gebirgs-
formationen" Beweise für die vulkanische Herkunft der Basaltberge Schwabens,
allerdings nur des Hegaus , zu gewinnen. (Leouhard's Mineralog. Taschenbuch.
1823. S. 3-54.)
- 47 —
sie , wie jedes Eruptivgestein , Phosphorsäure führen. Der Erfolg
wird von dem Preise abhängen, zu welchem man das Gesteinspulver
liefern kann.
Die Kontaktmetamorphose der Tuffe und Basalte des Ge-
bietes von Urach.
Umwandlungen der in den Tuffen und den Basalten eingeschlossenen Fremd-
gesteine. Umwandlungen des Nebengesteines am Salbande der Tuffe.
Die Umwandlungen der im Tuffe eingeschlossenen
Gesteinsstücke.
Unter den im Tuffe eingeschlossenen und veränderten Fremd-
gesteinen liefern die Weiss- Jura - K a 1 k e den grössten Prozentsatz.
Je nach ihrer Beschaffenheit sind diese dunkel rauchgrau oder rot
gebrannt. Wir wollen zunächst die dunkel gewordenen betrachten.
Ausserlich sind auch diese häufig weiss. Sowie man sie aber zer-
schlägt, sieht man , dass das nur eine dünne weisse Verwitterungs-
rinde ist, welche sich nachträglich bildete. Diese dunklen Kalke
boten hinsichthch ihrer Bestimmung gewisse Schwierigkeiten dar.
In Schwaben straft der Weisse Jura seinen Namen nicht, wie an
vielen anderen Orten der Erde, Lügen. Er besteht wirklich aus
weissen oder doch hellen Kalken.
Ich musste daher, angesichts dieser zahlreichen dunklen Kalk-
stücke, anfänglich ihre Zugehörigkeit zu dieser Formation bezwei-
feln. Ich dachte an Lias oder rauchgraue Muschelkalke. Durch
die Erfunde von Belemniten wurde zunächst die Möglichkeit, dass
letzterer vorliegen könne, ausgeschlossen. Eigenartig war es hierbei,
dass diese durch die Hitze dunkel-rauchgrau gewordenen Kalke Be-
lemniten führen, deren Inneres gerade umgekehrt eine schneeweisse
Farbe und krystalline Beschaffenheit erlangt haben. Sie sind also
in weissen körnigen Kalk verwandelt, wodurch natürlich ihre Struktur
mehr oder weniger verwischt wurde. Eine gleiche Beobachtung ver-
öffentlichte Kraus. Er fand im Tuff des Kraftrains einen Selcmnites
semihastatus ^ welcher ebenfalls schneeweiss und krystallinisch kör-
nig war^
Durch das Auffinden canaliculater Belemniten und perisphincter
Ammoniten musste dann weiter auch jeder Gedanke an gewisse
rauchgraue Liaskalke aufgegeben werden. Man hatte also zweifellos
Diese Jaliresh. 1880. S. 76.
— 48 -
Weiss-Jura vor sich, dessen helle Farbe bei unzähligen Stücken in
eine dunkle verwandelt ist.
Es ist immerhin eine auffällige Thatsache, dass diese hellen
Kalke durch die Einwirkung der Wärme nicht noch heller, sondern
dunkel geworden sind , und dass Kalk und Belemniten sich gerade
entgegengesetzt verhalten, indem sich der Kalk dunkel, die Belem-
niten aber schneeweiss gebrannt haben.
Die Erklärung liegt offenbar in der Höhe der Temperatur. Die
Veränderung der Farbe von Gesteinen, welchen organische Substanz
beigemengt ist, muss eine entgegengesetzte sein, je nachdem die
Temperatur eine höhere oder niedrigere ist. Hohe Temperatur wird
einen Kalkstein mit organischer Beimengung entfärben, indem letztere
verbrennt. Weniger hohe Temperatur dagegen muss, wie Gümbel
hervorhob, ihn dunkler färben, indem eine Verkohlung der fein ver-
teilten organischen Substanz emtritt. Durch die nur massige Höhe
der Temperatur des Tuffes erklärt es sich also , dass wir hier so
zahllose dunkle Weiss-Jurakalke vor uns haben. Wenn nun dem
gegenüber die Belemniten, in welchen sich ja ursprünglich ebenfalls
organische Substanz befindet, weiss gebrannt sind, so mag sich das
dadurch erklären, dass sich in diesen nur sehr wenig organische
Substanz noch befand. Hat etwa auch die soviel lockerere Struktur
hierbei mitgewirkt? Diese Fälle von Dunkelfärbung heller Weiss-
Jurakalke stehen nun aber nicht etwa vereinzelt nur in unserem
vulkanischen Gebiete da. Vielmehr finden wir völlig Gleiches in den
vulkanischen Tuffen des Ries bei Nördlingen. Gümbel^ sagt darüber
das Folgende: „Eine andere auffallende Erscheinung, welcher wir ....
bei vielen Jurakalken der Riesgegend namentlich da begegnen , wo
sie mit vulkanischen Tuffen unmittelbar in Berührung kommen oder
brockenweise in denselben eingeschlossen sind, macht sich durch
eine dunkle, aschgraue, oft an das Schwarze grenzende Färbung ....
geltend .... Dieselbe findet ihre Erklärung in dem Umstände, dass
solche (ursprünglich hellen) Gesteine infolge der vulkanischen Vor-
gänge in der Riesgegend massig erhitzt worden sind, wodurch die in
jedem Kalk eingfeschlossenen organischen Beimengungen verkohlten."
Gümbel hat diese Thatsache experimentell bestätigt^ und ich
habe mich gleichfalls zu vergewissern versucht, ob sich etwa mit
Hilfe des Experimentes nachweisen Hesse, welcher der kalkigen Weiss-
^ Atlasblatt Nördlingen der geognostischen Karte von Bayern. S. 11 u. 12.
2 Ebenda S. 12 Anra.
— 49 —
Jurastufen der im Tuffe liegende, dunkel gefärbte Kalk angehören
möge. Herr Kollege L. v. Mayer war so liebenswürdig, im chemi-
schen Laboratorium diesen Versuch anzustellen. Die Kalkstücke wur-
den hierbei in einen Platintiegel gethan, ein konstanter Strom von
Kohlensäure durch denselben geleitet, um den Sauerstoff der Luft
fernzuhalten und dann erhitzt. Bei einer Erwärmung auf nur etwa
300° C. war eine Veränderung der Farbe der Kalke wenig merkbar.
Bei ungefähr 600*^ C. aber hatte sich die Farbe bereits binnen einer
halben Stunde vollständig verändert, und zwar nicht nur an der
Oberfläche der Stücke, sondern auch, wie sich beim Zerschlagen
derselben zeigte, in gleichmässiger Weise bis ins Innerste hinein.
Ich hatte hellen /J-Kalk und etwas dunkleren a-Kalk genom-
men , letzterer mit einigen kleinen , punktförmigen Flecken von in
Brauneisenstein verwandeltem Schwefelkies. Meine Erwartung ging
dahin, dass das von Natur dunklere a-Gestein am dunkelsten werden
würde. Dem war aber nicht so. Vielmehr erhielt der ganz helle
/S-Kalk durch und durch eine dunkle Farbe , so dass er in diesem
Zustande ganz auffallend den zahlreichen Kalkstücken glich, welche
in unseren Tuffen eingebacken sind. Der etwas dunklere a-Kalk
dagegen wurde zwar auch dunkler, aber doch nicht im selben Masse.
Auch erhielt er zugleich eine ausgesprochene rötliche Färbung, welche
offenbar dadurch entstand, dass das fein verteilte Eisenoxydhydrat
sich in der Hitze zu Eisenoxyd umwandelte.
Das war von Wichtigkeit, denn als zweite Thatsache ist in Bezug
auf die Metamorphose der Einsprengunge hervorzuheben, dass ausser
den zahllosen dunkel gefärbten Kalkstücken auch nicht wenige rot-
gefärbte erscheinen. Die Stärke dieser Rötung ist eine verschiedene,
bald dunkler, bald heller, bald nur ein rosiger Schimmer. Namentlich
zeigt sich diese Umwandlung an den leicht kenntlichen J-Kalken.
Nicht nur im Laboratoriumsversuch lässt sich diese Färbung
der Kalksteine durch höhere Temperaturen nachahmen. Herr A. Hauff
aus Holzmaden teilte mir freundlichst mit, dass er beim Brennen
der Kalksteine des Weissen Jura vom Aichelberg im Kalkofen gleich-
falls wiederholt eine verschiedenartige Färbung je nach dem Hitze-
grade beobachtet habe\
^ Es mag hier auch die weitere Beohachtung des genannten Herrn Platz
finden, dass die Kalksteine aus Lias « bereits hei weit geringerer Temperatur
im Kalkofen gargebrannt werden, als diejenigen aus Lias f, und von diesen letzteren
hatten wieder die tiefer liegenden, also dem s nähern, eine geringere Temperatur
nötig, als die höheren.
Jabreahefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ, 1895. 4
- 50 -
Es ist bemerkenswert, dass auch Kalksteine aus der Kreide
Süditaliens sich ähnlich verhalten, wie ich einer freundlichen Mit-
teilung des Herrn Kollegen Deecke in Greifswald entnehme. Derselbe
hatte Gelegenheit, die Rudistenkalke jener Gegenden in dieser
Beziehung zu beobachten. Dieselben sind, wie viele unseres Weissen
Jura, hell und erwecken daher gleichfalls den Anschein, als ob sie
recht arm an organischen Substanzen seien. Zu zwei wiederholten
Malen hatte der genannte Herr Gelegenheit, einen missratenen Brand,
welcher daher vor der Zeit ausgelöscht und aus dem Ofen heraus-
geworfen wurde, zu sehen. Hierbei zeigte sich, dass die hellen
Kalke nur aussen weiss geworden waren, im Inneren dagegen viel
dunklere, zum Teil tief graue bis schwarze Farbe angenommen
hatten, ,,so dass man kaum glauben konnte, dass es dieselben weissen
Kalke seien, welche im benachbarten Bruche anstanden. Der Besitzer
des Bruches erzählte gleichzeitig, dass überhaupt alle von ihm ver-
arbeiteten dortigen Kalke sich beim Brennen anfänglich im Innern
schwarz färbten, und dass sie erst bei längerer Einwirkung der
Hitze vollkommen weiss würden, nachdem sie aussen Risse und
Spalten bekommen hätten".
Aber auch bezüglich des Unterschiedes, welchen die Versteine-
rungen und der sie einschliessende Weiss-Jurakalk in unseren Tuffen
erkennen lassen, teilte mir Herr Kollege Deecke eine analoge Beob-
achtung aus jenen beiden Bränden mit. Die eingeschlossenen
Hippuriten waren auch dort bereits kalciniert und weiss geworden,
während die halbgebrannten Kalke, in welchen diese Versteinerungen
lagen, erst dunkel gefärbt waren. Die beiden Punkte , an welchen
diese Beobachtungen gemacht wurden, waren Pimonte unweit Castel
Ammare und St. Arsenio im Valle di Diano.
Nicht minder erwähnt der genannte Herr in seinem Schreiben
einzelne Kalkauswürflinge des Monte Somma, welche aussen in weissen
Marmor verwandelt waren, innen aber ziemlich dunkle Farbe besassen.
Dass dieselben dem hellen Appeninenkalk entstammen, wird durch
ihre organischen Einschlüsse bewiesen. Auch hier also hat die
vulkanische Hitze dasselbe bewirkt, was wir bei den Kalken unserer
Tuffe beobachten.
So sehen wir also, dass an anderen vulkanischen Orten durch
Tuffe bezw. Wärme dieselbe Metamorphose ausgeübt wird, wie in unse-
rem vulkanischen Gebiete ; dass sich die dunkle und rote Färbung
der Kalke im kleinen durch den Laboratoriumsversuch nachahmen lässt ;
dass sich, wenigstens die dunkle, auch im grossen, beim Brennen
— 51 -
in dem Kalkofen erzeugen kann. Wir dürfen daher aus dieser
Metamorphose in unseren Tuffen schliessen, dass die letzteren noch
im heissen Zustande längere Zeit verharrt sind ; wie das nur bei
ihrem sofortigen Zurückfallen in den Ausbruchskanal und dem Ver-
bleiben in demselben erklärlich ist.
Wenn daher Deffner^ sagt, die rote und schwarze Färbung
unserer weissen Jurakalke sei durch heisse Gase , nicht aber durch
die Hitze Wirkung des Tuffes hervorgerufen, „um so weniger, als es
nicht gelingen will, diese Färbung durch Erhitzung künstlich zu
erzeugen" — so hat dieser letztere Schluss, weil irrtümlich, keine
Beweiskraft. Gewiss werden auch heisse Gase den Ausbruchs-
röhren entstiegen sein ; aber der aus der Tiefe stammende und
sogleich wieder in der Tiefe eingebettete Tuff wird ebenfalls Wärme
gehabt und lange behalten haben.
Eine weitere Art der Umwandlung unserer Kalkstücke besteht
darin, dass dieselben öfters krystallinisch oder auch bisweilen
sehr hart, daher klingend geworden sind.
Mit diesen Umwandlungen der Farbe und des Gefüges hat es
aber sein Bewenden, denn schon früher hat Nies durch chemische und
mikroskopische Untersuchung an den im Tuffe eingeschlossenen
Kalkstücken dargethan, dass sie trotz ihres oft veränderten Aus-
sehens , doch innerlich nicht oder nur wenig umgewandelt sind.
Stärker dagegen Hess sich eine solche umwandelnde Hitzewirkung
bei den seltenen Kalkstücken beobachten, welche als Einschlüsse
im Basalt auftreten ^. Deffner ^ sagt zwar von den Kalken am
Salbande des oberen Tuffganges an der Gutenberger Steige : „Zunächst
am Salband sind dieselben schwarz gefärbt und weit thonreicher
geworden, indem sie einen namhaften Teil ihres Kalkgehaltes
verloren haben." Indessen müsste das doch durch eine Analyse
belegt sein , bevor es als sicher angenommen werden könnte.
Ansehen kann man diesem Kalksteine nicht den Prozentgehalt an
Thon. Auch verliert er durch hohe Temperatur nicht Kalk, sondern
nur Kohlensäure. Der Kalkgehalt könnte daher nur durch spätere
Einwirkung von Wasser vermindert werden, was man dann aber
nicht der Kontaktwirkung des Tuffes zuschreiben dürfte.
Der Sandstein des Braun- Jura ß ist gleichfalls, wie ein
' Begleitworte zu Blatt Kirchheim. S. 21.
^ Tageblatt der 48. Versammluug Deutscher Naturforscher u. Äi'zte iu
Graz. 1875. S. 57.
^ Begleitworte zu Blatt Kirchheim u. T. No. 28. S. 33.
4*
— 52 —
Teil der Kalke, durch die Hitzewirkung des TufFes rotgebrannt.
Am Lichtenstein No. 71 z. B. liegt eine Kappe von Weiss -Jura-
Schutt auf dem Tuffe. Hier finden sich Kalkstücke, welche durch
die Hitze so hart gebrannt sind, dass sie beim Zerschlagen so hell
wie Phonolith klingen. An der O.-Seite des Lichtensteins dagegen^
dort wo dieser sich an das aus Braun -Jura ß bestehende Thal-
gehänge lehnt, finden sich Stücke eines rotgefärbten Sandsteines,
welche nichts anderes sind , als durch die Hitze veränderter Sand-
stein des Braun -Jura /?, welcher dicht daneben ansteht. Hier ist
das im Gestein vorhandene Eisenoxydhydrat durch die hohe Temperatur
in Eisenoxyd verwandelt worden.
Ganz dieselbe Beobachtung kann man in der Eifel machen.
Dort sind die devonischen Schiefer und Sandsteine, welche sich in
den von den Maaren ausgeworfenen Tuffen finden, häufig rotgebrannt.
Doch ist die Wärmewirkung hier vielleicht eine etwas lebhaftere
gewesen, da sich nicht selten Sandsteinstücke mit einem verglasten
Überzuge finden, was in den Tuffen der üracher Gruppe selten
der Fall ist.
Solche verglasten Stücke von Sandstein in unseren Tuffen wie
sie in der Eifel vorkommen, habe ich gar nicht gefunden. Aus dem
Tuffe des Metzinger Weinberges No. 102 führt Deffner aber das
Folgende an: „Rotliegendes und Bunter Sandstein sind häufig
zusammengesintert, sogar oft blasig und gehen in manchen
Stücken in reinen Trachyt über."
Bemerkenswert ist es, dass die in den Tuffen eingeschlossenen
Granite bisweilen weit stärker verwandelt sind als
jene Kalke und Sandsteine. Offenbar, weil dieselben einer
stärkeren Temperatur ausgesetzt waren als jene. Zwar liegen jetzt
beide gleichmässig im Tuffe. Aber die Granite sind aus grosser
Tiefe heraufgeholt und haben die hohen Temperaturgrade, welche
der dort befindliche basaltische Schmelzfluss ausstrahlte, erlitten.
Wenn sie daher verändert wurden, so geschah das bereits in grosser
Tiefe. Jene Weiss-Jurakalke und Braun -Jura -Sandsteine dagegen
gehören dem oberen Ende der Ausbruchsröhre an, bis in welches
nur selten der Basalt, und dann auch nur in dünnen Apophysen
emporgedrungen ist.
Deffner berichtet über diese Veränderungen an Graniten, dass
„alle Übergänge vom kaum gefritteten, noch deutlich bestimmbaren
Granit bis zum vollständig blasigen Bimsstein -Trachyt hinüber
gesammelt werden". — „Der Übergang findet in der Weise statt,
— 53 —
dass zuerst die Kontaktstellen des Pinit (Glimmers) mit dem Feld-
spat sich aufblähen, sodann der Pinit- (Glimmer-)Gehalt voll-
ständig verschwindet, und an seine Stelle ein blasiges Glas von
grüngelber Farbe tritt. Bei weitergehender Einwirkung wird auch
der Feldspat darin aufgelöst, so dass nur noch der Quarz ungelöst
zurückbleibt, und man vollkommene Quarztrachyte erhält, bis auch
er in seltenen Fällen verschwindet, und man den reinen porösen
Trachyt vor sich hat. Ganz ähnliche Umwandlung erleiden auch
die sedimentären feldspathaltigen Gesteine des Eotliegenden und
Bunten Sandsteines. Sehr bemerkenswert sind dagegen die gänzlich
von den übrigen abweichenden Pyromorphosen des grauschwarzen
Gneissgranites No. 1, welche sich bis jetzt nur auf dem Rangenbergle
und dem Höslinsbühl gefunden haben , und eine Umwandlung des
schwarzen Glimmers in basaltische Hornblende erkennen lassen."
Die Umwandlungen der im Basalt eingeschlossenen
Gesteins stücke.
Über die Umwandlungen der im Basalte emgeschlossenen Ge-
steinsstücke lässt sich viel weniger sagen, da dieselben sehr selten
sind. Doch ist die Umwandlung erklärlicherweise hier eine stärkere
als im Tuffe. Deffner führt vom Jusi eingeschlossene Feldspatgesteine
auf, welche stark verändert waren. „Hin und wieder zeigen sich im
Basalt dunklere Partien von Thaler- bis Faustgrösse, mit einem
bröckeligen, schwammig aufgeblähten trachytischen Kern, in dem
sich noch unveränderte Quarzkörner und an den Kanten rund ge-
schmolzene Feldspatkrystalle erkennen lassen. Letztere sind an der
Grenze zum Basalt häufig bis zur Kugelform abgerundet und liegen
in einem grüngelben emailartigen Glase, das gegen das Innere dieser
Einschlüsse in eine gelbhch graue, sehr stark aufgeblähte Masse
übergeht."
Auch die Kalkstücke sind im Basalt stärker verwandelt als
im Tuffe. Am Jusi beobachtete Deffner solche Stücke, welche der
Basalt aus dem benachbarten Tuff herausgerissen hatte. „Dieselben
sind fest mit dem Basalt verschmolzen und zeigen oft ohne eine
sichere Grenze beider Gesteine einen von aussen nach innen wirken-
den Schmelzungs- und Auflösungsprozess des Kalks in dem Basalt-
fluss. Während das Innere des Kalkbrockens noch mit Säure braust,
ist dies an den Aussenseiten nicht mehr der Fall, wo ein immer
dunkler werdendes Graublau den Übergang in den schwarzblauen
Basalt anzeigt."
— 54 —
Die Umwandlungen des Nebengesteins am Salbande
der Tuffgänge.
Kontaktwirkungen am Salbande von Tuffgängen zeigen sich
im Gebiete des Lias und Braun -Jura nur ausnahmsweise. Am
Scheuerlesbach No. 123 ist der mergelige Kalk des Mittel-Lias schwarz
gebrannt, die in ihm enthaltenen Belemniten dagegen weiss und in
Marmor verwandelt, genau wie bei den im Tuffe eingeschlossenen
Weiss-Jura-Stücken. An der Sonnenhalde No. 72 ist der Untere
Braun-Jura im Kontakte wohl etwas verändert ; aber das wird mehr
die Folge der hier versickernden Wasser sein, als diejenige der hohen
Temperatur des Tuffes.
Anders ist es im Weiss-Jura. Dessen Kalke zeigen häufiger
eine Kontakt-Metamorphose am Salbande ; und zwar ist die durch
den Tuff erzeugte ganz übereinstimmend mit der durch Basalt hervor-
gerufenen. Der mächtige Basaltgang des Eisenrüttel No. 38 und der
nur 6 Fuss mächtige bei Grabenstetten No. 126 haben den weissen
Kalk schwarz gebrannt. Bei Grabenstetten dringt dies V2 Fuss tief
in den Kalk ein. Am Eisenrüttel lässt sich kein Mass angeben.
Ganz dasselbe haben die Tuffe gethan, und zwar ist bemerkens-
werterweise hier bisweilen die Umwandlung tiefer in den Weiss-Jura
eingedrungen. Diese Übereinstimmung in der Wirkung von
Basalt und Tuff spricht gewiss gegen die von Deffner^
geäusserte Ansicht, dass der Metamorphismus in unse-
rem Gebiete nicht durch die hohe Temperatur der Tuffe,
sondern durch aufsteigende Gase hervorgerufen sei.
Es werden heisse und saure Gase aufgestiegen sein,
gewiss. Aber die übereinstimmende Metamorphose am
Salband und an den eingeschlossenen Gesteinsstücken
können wir mit Kecht auf die Temperatur des Tuffes
zurückführen.
Derartige Umwandlungen am Salbande von Tuffgängen finden
sich z. B. beim vierten Gang bezw. Maar an der Gutenberger Steige
No. 45. Hier ist der Kalk an dem einen Salbande nur wenig ver-
ändert ; es zeigen sich nur einzelne rote Flecken bis auf 10 Schritte
in den Kalk hinein. Am anderen, westlich gelegenen Salbande da-
gegen ist der d'-Kalk auf V2 — 1 Fuss dunkel rauchgrau geworden.
Ebenso zeigt sich bei dem zweiten Gange an der Gutenberger Steige
* Begleitworte zu Blatt Khchheiin. S. 21.
- 55 —
No. 43 an der einen Seite desselben dunkle Färbung des /J-Kalkes
auf •^/2 Fuss hin.
Wenn das nur an einer Seite beobachtet wird, so ist damit
aber nicht gesagt, dass die Umwandlung nicht auch an der anderen
auftritt. Man bedenke, dass unsere Tuffgänge rundlichen Querschnitt
haben, also die Tuffsäule im Kreise oder Oval sozusagen von einer
Kalkröhre umgeben ist. Diese letztere braucht ja nun nicht gerade
an allen Stellen in gleicher Weise verändert zu sein. Ein zufälliger
Umstand, eine an die betreffende Stelle hingefallene grössere Partie
kälteren Tuffes oder einige grosse im Tuffe steckende Kalkblöcke
können die Hitze des Tuffes von der Kalkröhre an einer Stelle ab-
gelenkt haben. Dass dem wirklich so ist, beweist der oben er-
wähnte vierte Gang No. 45, Oben, wo er von der Gutenbergsteige
angeschnitten wird, zeigt er, wenn man ihn ansieht, links am Sal-
bande nur rote Flecken, rechts Schwärzung. Steigt man dann aber am
Abhänge hinab, den Anschnitt des Ganges verfolgend, so finden wir
hier gerade auf dem linken Salbande Schwärzung. Ebenso, wenn
wir aufwärts steigend in das Innere des Kessels eindringen und dort
links an der Kesselwand den Kontakt aufsuchen.
Weiter als in den genannten Fällen erstreckt sich diese
Schwärzung des Weiss-Jurakalkes am Salbande einiger anderer Tuff-
gänge. Das ist der Fall bei dem Gange im Eisachthal No. 58, wo
das Kontaktmetamorphband einige Schritte breit wird, übrigens
auch nur an einem Salbande bemerkbar ist. Vor allem bei den
westlichen der zwei Gänge in der Zittelstadt No. 60; hier zeigt
sich im Strassengraben bis auf 10 Schritt Entfernung die Schwärzung
des Weiss-Jurakalkes.
Die Umwandlungen am Salbande der Basaltgänge.
Bereits im Vorhergehenden habe ich angeführt, dass die Basalt-
gänge dem We iss-Jurakalke im Salbande ganz dieselbe rauch-
graue Färbung verleihen, wie die Tuffgänge. Ich that das, um
hervorheben zu können , dass bisweilen letztere in dieser Hinsicht
stärker gewirkt haben als erstere. Auch von anderen Orten kennen
wir diese Art der Wirkung des Basaltes auf den Kalk. So berichtet
z. B. Delesse^ über dahingehende Beobachtungen Leonhard's in der
Auvergne , nach welchen Kalksteine in Berührung mit Basalt zwar
oft weiss, zuweilen aber auch grün oder graulich gefärbt wurden,
namentlich wenn sie thonig waren.
1 Neues Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. 1858. 8. 387.
— 56 —
Die Basalte haben aber mannigfachere Wirkungen am Salbande
erzeugt als die Tuffgänge. Einmal haben sie auch diese letzteren ver-
ändern können und zweitens haben sie durch höhere Temperatur
gewirkt. Letztere zeigt sich, wie schon im Vorigen gesagt, in der
Thatsache, dass die Granite stärkere Umwandlungen erlitten, als die
anderen jüngeren Einschlüsse.
So sehen wir, dass die Braun-Jurathone wie die Tuffe ge-
härtet werden. Ersteres zeigt sich z. B. bei dem Gange im Buckr
leter, NW. von Urach, No. 127, vp^o der Obere Braun- Jura im Kon-
takte gehärtet ist. Letzteres sehen wir an sehr vielen Stellen. Zu-
gleich hat dann der Tuff häufig auch seine Farbe verändert, ist meist
dunkler geworden, bisweilen auch heller, wie beim Bolle bei Owen
No. 49. Endlich hat derselbe auch schieferige Struktur angenom-
men, indem er parallel der Kontaktfläche schiefert. Das alles zeigt
sich z. B. am Hohenbohl No. 86 und dem Götzenbrühl No. 87, beide
nahe Owen. Sodann am Jusi No. 55. Am Hohenbohl No. 86 ist,
wie Deffner beobachten konnte, eine Partie Tuff zwischen zwei
Basaltlappen eingeschlossen worden und „zu einer rotbraunen, zackig
schwammigen lavaartigen Masse aufgebläht, welche ebenso zäh als
hart jede Ähnlichkeit mit dem ursprünglichen Tuff verloren hat."
Die Beweise für die gangförmige Lagerung aller Tuff-
vorkommen im Gebiete von Urach.
Erläuterung der Verhältnisse. Beweise : Augenschein bei einer Anzahl der
am Steilabfalle der Alb angeschnittenen Gänge. Basaltgänge in den Tuff-
massen aufsetzend. Schräger Anschnitt der Tuffmassen im Vorlaude der Alb.
Niedersetzen der Tuffmassen bis in die heutigen Thalsohlen. Kontaktmetamor-
phose, welche die Tuffe auf das Nebengestein ausübten. Bohrung in ganz
zweifelhaften Fällen. Analogiebeweis. Fernere Gründe, welche gegen die
Möglichkeit sprechen, dass ein Teil der Tuffmasseu nur aufgelagert sein könnte.
Das Eigenartigste und Merkwürdigste in unserem vulkanischen
Gebiete sind die Lagerungsverhältnisse der Tuffe. Um das zu ver-
anschaulichen, sei noch einmal in Kürze dargelegt, warum dem so ist.
Die von den Vulkanen der Erde zu Tage geförderten Massen
gliedern sich hinsichtlich ihrer Festigkeit in zwei grosse Gruppen :
Einmal die aus dem Schmelzfluss erstarrten festen Laven; zweitens
die aus der Zerschmetterung des Schmelzflusses hervorgegangenen
losen Aschen u. s. w., welche entstehen, wenn die in dem feurigen
Brei absorbierten Gase nahe der Oberfläche desselben explodieren.
So wird infolge der einen Ausbruch in der Regel begleitenden un-
— 57 —
aufhörlichen Explosionen weithin das Gelände mit losen Massen —
Bomben, Lapilli, Aschen, also Tuff — überschüttet. Es findet mit-
hin eine Auflagerung derselben auf den die Umgebung des Vulkans
bildenden Gesteinen und auf den ausgeflossenen Laven statt. Erlischt
der Ausbruch, so erstarren die aus der Tiefe in dem Eruptionskanal
aufgestiegenen Schmelzmassen in dem Kanal zu einer festen Lava-
säule, welche in die Tiefe hinabsetzt und im Schmelzherde wurzelt.
In gleicher Weise erstarren sie in den Spalten , welche von dem
Kanäle aus nach allen Richtungen hin in der Erdrinde, namentlich
aber in den ausgeworfenen losen Massen aufreissend, von ihnen er-
füllt wurden.
Festes Lavagestein also ist es, welches in den bisher erforschten
Vulkanen der Erde der Regel nach als Ausfüllungsmasse der Spalten
und der in die Tiefe hinabsetzenden Kanäle auftritt, und lose Tuff-
massen sind es, welche wir oben aufgelagert an der Oberfläche finden.
Nur in wenigen Ausnahmefällen kennt man bisher Tuffe, welche in
Gangform auftretend
Nun tritt uns hier in unserem Gebiete von Urach die gewaltige
Zahl von mehr als 120 vereinzelten Tuffmassen entgegen, welche,
wie die Untersuchung lehrt, sämtlich diese ganz ungewöhnliche gang-
förmige Lagerung besitzen. Welche zudem bis in 5 und 800 m Tiefe
hinab sich in dieser selben Lagerungsform verfolgen lassen. Welche
endlich z. T. in verhältnismässig so engen Röhren liegen, dass man
schwer begreifen kann, wie sie in dieselben hineingelangt sind.
So schwer ist das zu verstehen, dass für den, welcher diese
Dinge zu bearbeiten unternahm , die Notwendigkeit sich ergab , für
jeden einzelnen der Punkte , an welchen Tuffe in unserem Gebiete
auftreten , genau die Lagerungsverhältnisse zu untersuchen. Am
Steilabfalle der Alb freilich, an welchem die saigeren Gänge bis-
weilen vorzüglich angeschnitten sind, lehrt der Augenschein in sol-
chen selteneren Fällen sofort ihre Gangnatur. In zahlreichen Fällen
ist das aber auch hier nicht einmal ohne weiteres zu erkennen ; und
vollends schwierig wird das im hügeligen Vorlande der Alb, in wel-
chem viele vereinzelte Tuffmassen liegen , bald Berge , bald kaum
bemerkbare Erhöhungen bildend, denen jeder Geolog eine Gang-
natur von vornherein absprechen möchte. Harmlos, wie ganz normal
auf Lias und Braun- Jura oben aufgelagerte Massen , erscheinen sie
^ Wir werden dieselben später betrachten s. „Vergleichung .... Gang-
förmig gelagerte Tuffe an anderen Orten der Erde".
— 58 —
jedem. Hier bedurfte es überall eingehender Untersuchung, denn
nur auf solche Weise liess sich für jeden Einzelfall die Frage ent-
scheiden, ob wirklich hier der aus dem Braun-Jura oder Lias heraus-
schauende Kopf eines senkrecht stehenden Tuffganges vorliegt oder
nur der Erosionsrest einer einst ausgedehnten, jenen Sediment-
schichten aufgelagerten Tuffdecke oder der Aschenkegel eines echten
Vulkanes. Wenn diese Gänge die Ausfüllung langhinstreichender,
schmaler Spalten wären, so würde man durch den geradlinigen Ver-
lauf der Tuffmassen an der Erdoberfläche sofort den Beweis erhalten,
dass es sich um Gänge handelt. Aber das ist nicht der Fall. Fast
stets haben diese tufferfüllten Ausbruchskanäle einen rundlichen Quer-
schnitt. Der Tuffgang bildet daher nicht eine senkrecht stehende
lange, schmale Platte , sondern eine senkrechte runde Säule , deren
Kopf an der Erdoberfläche einen Tufffleck von rundlichem Umrisse
erzeugt. Entweder ragt derselbe als Berg oder Erhöhung über seine
Umgebung hervor oder er ist, in selteneren Fällen, ganz eingeebnet.
Eine derartige Bildung aber gleicht vollkommen derjenigen, welche
entstehen kann, wenn eine aufgelagerte, grosse Tuffdecke durch
Erosion in eine Anzahl vereinzelter Berge zerschnitten ist. Dazu
gesellen sich dann andere Fälle, in welchen die Tuffmasse ganz den
Eindruck hervorruft, als sei sie an einen aus Braun-Jura oder Lias
bestehenden Bergabhang angeschwemmt, also angelagert worden.
Stets musste im Auge behalten werden , dass ja — wie das z. B.
in Mittelschottland der Fall ist — leicht möglicherweise nur in einem
Teile dieser Tuffvorkommen wirklich die Köpfe von Gängen, dass
aber in einem anderen Teile lediglich auf- und angelagerter Tuff
vorliegen könnte ; sei es , dass derselbe an Ort und Stelle durch
einen subaerischen Vulkanausbruch aufgeschüttet, sei es, dass er
durch Wasser oder Eis angeschwemmt worden wäre.
Es ist in der Beschreibung des vulkanischen Gebietes von Urach
ja in jedem einzelnen der zahlreichen Fälle gesagt worden, durch
welche Gründe hier erstens die gangförmige Lagerung überhaupt
und zweitens die Entstehung des Tuffes an Ort und Stelle sich be-
weisen lässt. Ich will daher jetzt ein Gesamtbild dieser
Gründe geben, auf welche der Nachweis der Gangnatur
unserer Tuffe und ihrer Entstehung an Ort und Stelle
sich stützt.
L Bei den am Steilabfalle der Alb angeschnittenen Gängen
genügt selbstverständlich der Augenschein, um die Gangnatur der
Tuffe zu erkennen. Indessen ist damit, dass man hier einen saigeren
- 59 -
Tuffgang mehr oder weniger senkrecht angeschnitten sieht, immer
noch nicht erwiesen, dass die, den betreffenden Kanal füllende Tuff-
masse auch wirklich in demselben zum Ausbruche gelangt ist. Sie
könnte ja an anderer Stelle oben auf der Alb entstanden und dann
von oben her in die Röhre hinabgespült worden sein. Freilich sehen
wir, dass eine solche Verfrachtung der Tuffe weder durch Eis noch
durch Wasser vor sich gegangen sein kann. Indessen ist es doch
von Wert, dass wir noch in anderer Weise Gewissheit darüber er-
langen können, dass der Tuff auch wirklich in der Röhre selbst zum
Ausbruch gelangte. Das geschieht nun dadurch, dass in dem grossen
Tuffgange wiederum ein kleiner Basaltgang aufsetzt. Letzterer ist
gewiss ein unanfechtbarer Beweis dafür, dass wirklich aus dieser
Röhre ein Ausbruch erfolgte, welcher dann nicht nur den Basalt,
sondern auch den Tuff lieferte. Allerdings kennen wir bisher unter
den am Steilabfalle der Alb senkrecht angeschnittenen Tuffgängen
erst zwei, welche gleichzeitig auch Basalt beherbergen. Es sind
das der in die Tiefe setzende Gang des Randecker Maares No. 39
und derjenige des vierten Ganges des Maares No. 45 oben an der
Gutenberger Steige. Vielleicht könnte man hier noch drittens auch
das Maar mit dem Hofbrunnen No. 20 nennen, welches zwar oben
auf der Alb, aber doch nahe am Steilabfalle liegt. Senkrecht an-
geschnitten ist der Tuffgang desselben aber nicht.
IL Bei allen im V o r 1 a n d e d e r A 1 b auftretenden Tuffmassen
liegen die Dinge weniger einfach.
1. Ein Teil derselben, 10 an der Zahl, ist gleichfalls durch
das Aufsetzen von Basaltgängen in den Tuffmassen gekennzeichnet.
Nun könnten letztere, wenn ihre Lagerungsverhältnisse nicht die
Gangnatur verraten, sehr wohl immer noch Erosionsreste einer einst
über die weite Gegend ausgebreitet gewesenen Tuffdecke sein. In
diese Decke könnte dann hier und da der Basalt von unten her
eingedrungen sein. Das wäre an sich sehr gut möglich. Aber ein
völlig unwahrscheinliches Zusammentreffen würde es doch sein, wenn
bei der, bis auf diese Punkte völHg spurlosen Abtragung der Tuff-
decke gerade immer an den Stellen der Tuff liegen und erhalten
geblieben wäre, an welchen zufällig in der Tiefe ein kleiner Basalt-
gang steckt. Es müsste dann doch wenigstens an einigen dieser
Stellen auch einmal der Tuff vom Basalte abgewaschen sein, so dass
nun der Basaltgang allein aus dem Lias oder Braun-Jura hervor-
schaute. Das findet indessen auch nicht an einer einzigen Stelle
unseres Gebietes statt. Nur oben im Weiss- Jura, meist auf der Alb,
— 60 —
finden sich 6 andere , unter den 10 nicht mitgerechnete , Basalt-
gänge ohne Tuff^. Aber hier oben auf der Alb wird niemand das
einstige Dasein einer Tuffdecke annehmen können. Andernfalls müss-
ten jetzt dort, nach dem Wegwaschen der Decke, alle Maarkessel
bis an den Rand mit Tuff erfüllt sein. Das ist aber durchaus nicht
der Fall.
Die 10 Tuffmassen im Vorlande der Alb, deren Gangnatur sich
auf solche Weise verrät , sind die folgenden : Hohenbohl No. 86 ;
Götzenbrühl No. 87; Kraftrain No. 76; Sulzburg-Berg No. 48; BöUe
bei Owen No. 49; Jusi No. 55; Bettenhard bei Linsenhofen No. 96;
am Authmuthbache No. 100; am Hofwald No. 106; Gaisbühl No. 1221
2. Ein anderer Teil der im Vorlande gelegenen Tuffmassen ge-
währt, ganz wie am Steilabfalle, einfach durch die seine Lagerung
verratenden Aufschlüsse die sichere Überzeugung, dass wirklich Gang-
bildungen vorliegen. Wenn man z. B. an der Sonnenhalde No. 72
sieht, wie der Tuff oben am Waldaufschlusse senkrecht neben dem
Unteren Braun- Jurathon hinabsetzt, so kann an eine Anlagerung des
Tuffes an den Thon nicht mehr gedacht werden.
3. Auf den ersten Blick etwas weniger klar springt die Gang-
natur in die Augen bei Vorkommen, wie sie uns z. B. bei dem
Lichtenstein No. 71 entgegentritt. Dieser setzt im Unteren Braun-
Jura auf. Wir haben hier nicht mehr wie dort, einen senkrechten
Aufschluss, sondern nur den schrägen Abhang eines mit Feldern be-
deckten Berges. Aber vom Gipfel bis zum Fusse desselben zieht
sich ein breiter Streifen Tuffbodens hinab, welcher rechts und links
von Thonboden des Braun-Jura flankiert wird : Deutlichster Beweis,
dass wir hier einen saigeren Tuffgang, im Unteren Braun-Jura auf-
setzend, vor uns haben, welcher durch den Bergabhang schräg von
oben-hinten nach unten-vorn durchschnitten wird.
Ein mehr oder weniger ähnliches Verhalten zeigen besonders
die Vorkommen am S.-Abhange des Aichelberg No. 75 ; Egelsberg
No. 79 ; an der Steige von Bissingen nach Ochsenwang No. 82 ;
Alte Reuter No. 50; NW.-Ende des Metzinger Weinberges No. 102;
Dachsbühl No. 104; Schaf buckel No. 119; Gaisbühl No. 122.
^ Nämlich vier oben auf der Alb uud zwei in Albthäleru. Eigentlich sind
es nur fünf, denn der im Buckleter No. 127 hat auch ein wenig Tuff.
^ Die oben genannten Gänge No. 48, 49, 55 sind zwar als am Steilabfalle
der Alb liegend beschrieben. Da sie aber auf voriger Seite nicht unter I mit
aufgeführt werden konnten, weil nicht senkrecht angeschnitten, so nenne ich
sie hier.
- 61 —
4) Einen weiteren Beweis für die Gangnatur müssen wir in
dem Niedersetzen der Tuffmassen bis in die heutigen Thalsohlen
erblicken. Ganz besonders auch dann, wenn diese Thäler keine wage-
rechte Sohle besitzen, sondern nur erst als Keil oder Kerbe ein-
schneiden. Die folgende Überlegung wird das erklären : Die Aus-
brüche der Tuffe sind in mittelmiocäner Zeit erfolgt ; zu dieser können
unmöglich die Thäler in den weichen Jura- und Lias-Thonen bereits
bis zu ihrer heutigen Tiefe ausgefurcht gewesen sein. Wenn nun
trotzdem der Tuff sich an den Gehängen von der Höhe bis auf die
heutigen Thalsohlen hinabzieht, so muss er notwendig als Gang
die betreffenden Schichten durchsetzen. Wäre er nämlich zur Zeit
seines Ausbruches auf die damahge Thalsohle aufgelagert worden
— durch einen subaerischen Ausbruch aufgeschüttet oder durch
Wasser von anderer Stelle her angeschwemmt — so könnte er
heute, nachdem sich das Thal so sehr vertieft hat, nur noch hoch
oben über der jetzigen Thalsohle am Gehänge erscheinen. Freilich
könnte man entgegnen, dass er allmählich am Gehänge hinabgespült
worden sei. Das müsste indessen doch in anderer Weise geschehen,
als es der Fall ist: Wenn es sich z. B. um einen freistehenden,
regelmässig kegelförmigen Berg handelt, wie der Egelsberg No. 79,
Fig. 57, so müsste der Tuff von dessen Gipfel aus auf allen Flanken
hinabgerieselt sein, denn alle sind ja gleich gestaltet, nicht aber
nur auf einer Flanke in einem verhältnismässig schmalen Streifen
bis auf die heutige Thalsohle hinab.
Ganz dieselbe Überlegung gilt bei der Annahme , dass der zu
mittelmiocäner Zeit ausgeworfene Tuff etwa erst in diluvialer Periode
durch Wasser oder Eis in die Thäler verfrachtet und dort an die
Gehänge angelagert sei. Zwar ist es ja, wie wir sahen, wahr-
scheinlich, dass Hauptthäler, wie der Neckar, in diluvialer Zeit
bereits ebenso tief waren wie heute. Aber nun und nimmer gilt
das von den zahlreichen kleinen Nebenthälern, welche oben auf der
Braun -Jura- oder Lias- Fläche in die weichen, meist thonigen
Schichten derselben eingegraben sind. Diese sind sicher in ihrer
heutigen Tiefe das Erzeugnis jüngerer Zeiten und noch in fort-
währender Vertiefung begriffen.
Ganz besonders wieder gilt das von den Thälern, gleichviel
ob sie im Vorlande oder am Steilabfalle der Alb liegen, welche
noch gar keine wagerechte Thalsohle besitzen, sondern sich als
keilförmige Kerbe in das Gelände einschneiden (Fig. 40). Setzt
hier der Tuffstreifen , rechts und links von Juraboden flankiert,
No.
62
No.
64
No.
71
No.
89:
No.
97
— 62 —
bis auf die Sohle hinab, so muss er ganz sicher gangförmig ge-
lagert sein.
Solch Hinabsetzen bis in die Thalsohlen — teils mit wage-
rechtem Alluvialboden, teils mit kerbeförmigem Boden — findet sich
z. B. in den folgenden Fällen: S. von Hengen No. 15; Jusiberg am
Kohlberger Arm No. 55; im Elsach-Thale No. 58; am Mohrenteich
No. 59 ; im Zittelstadt-Thale, westlicher Gang No. 60 und östlicher
an der Wittlinger Steige No. 63 ; im Riedheimer Thal
Bürzlen-Berg No. 68; Kugelbergle No. 69; Lichtenstein
Kraftrain No. 76; Egelsberg No. 79; S.-Abhang des Käppele
Kräuterbühl No. 92 ; Bettenhard No. 96 ; Burrisbuckel
am Authmuthbache No. 100; Authmuthbölle No. 115;
Sulzhalde No. 117; Höslensbühl No. 118; Schaf buckel No. 119;
Scheuerlesbach No. 123; Scharnhausen No. 124.
Man sieht, es ist eine sehr stattliche Reihe von TufPgängen,
bei welchen sich das Hinabsetzen bis in die heutige Thalsohle
beobachten lässt.
5) Ein fernerer Beweis für die Gangnatur der Tuffmassen
liegt in ihrer Kontaktmetamorphose. Wenn kalter Tuff in vorhandene
Spalten oder Kanäle von oben her hinabgespült wird, so kann er
unmöglich die aus hellem Jurakalk bestehenden Wände der letzteren
rot oder dunkelrauchgrau machen. Solche Kontaktmetamorphose
sehen wir aber am Salband in einer ganzen Reihe von Fällen, meist
Vg bis 1 Fuss, bisweilen selbst mehrere Fuss tief eindringend. Der
Tuff muss also heiss gewesen sein, d. h. aus diesem Kanäle aus-
geworfen und auch noch im heissen Zustande, also sofort, in den-
selben zurückgefallen sein. Derartige Beweise finden sich an den
folgenden Orten: Zweiter und vierter Gang an der Gutenberger
Steige No. 43 und 45; W.-Gang im Zittelstadt-Thale No. 60; im
Elsach-Thale No. 58. Bei diesen vieren im Weiss -Jura. Sodann
am Scheuerlesbache No. 123 im Mittel -Lias. Man sieht, die Zahl
dieser Gänge ist keine grosse. Aber den thonigen Schichten des
Lias und Braun- Jura gegenüber war natürlich die Hitze des Tuffes
machtlos. Hier konnte nur Basalt mit seiner höheren Temperatur
wirken.
6) In einer Anzahl von Fällen war keines der im Vorher-
gehenden besprochenen Merkmale vorhanden oder doch genügend
klar ausgebildet, um mit Sicherheit die Frage zu entscheiden, ob
ein Gang oder nur eine aufgelagerte Masse vorliege. In diesen
Fällen konnte nur durch eine Bohrung (s. 1894 S. 505) Klarheit
— 63 —
erlangt werden. Die Bohrungen wurden an den unten aufgezählten
Punkten veranstaltet. Sie führten so gut wie ausnahmslos zu dem
Ergebnisse, dass keine Auflagerung, sondern gangförmige Lagerung
des Tuffes vorliege ^ Erwägt man nun, dass die Punkte, an welchen
dieses auf solche Weise nachgewiesen wurde, gerade zu den zweifel-
haftesten unseres Gebietes gehören, welche man am ehesten für
aufgelagerte Erosionsreste einer einst auf dem Braun-Jura und Lias
ausgebreitet gewesenen Tuffdecke ansehen möchte, so wird durch
den Erfolg der Bohrungen gerade bei diesen Punkten die sichere
Gewähr gegeben, dass alle unsere Tuffmassen wirklich Gänge sein
müssen.
Die Punkte, an welchen dies durch Bohren nachgewiesen
wurde, sind die folgenden 14 : Jusiberg No. 55 ; Egelsberg No. 79 ;
Käppele bei Dettingen No. 88 ; Bolle bei Reudern, 0.- und W.-Punkt
No. 90 und 91; Kräuterbühl im Tiefenbachthal No. 92; Burrisbuckel
bei Frickenhausen No. 97 ; Grafenberg NW.-Punkt No. 109 ; Grafen-
berg SO.-Punkt No. 111; Hengstäcker bei Klein-Bettlingen No. 112;
N. von Gross - Bettlingen No. 114; Kräuterbuckel bei Raidwangen
No. 116; Sulzhalde No. 117; Scharnhausen No. 124.
7) Der letzte Beweis, welchen ich, wenn er auch sehr schwach
ist, anführen will, wird durch die Analogie geführt. Alle Tuffmassen
besitzen durchaus gleiche Beschaffenheit. Bei der erdrückenden
Mehrzahl lassen sich die Gangnatur und die Entstehung an Ort und
Stelle beweisen. Folglich wird das auch bei den wenigen einzelnen
der Fall sein, bei welchen sich dieser Beweis nicht führen lässt.
Wenn ich nun im Vorhergehenden die Beweise aufgeführt
habe , durch welche sich die gangförmige Lagerung unserer Tuff-
massen darthun lässt, so möchte ich doch im Folgenden auch noch
die Gründe anführen, welche direkt gegen die Möglichkeit sprechen,
dass ausser den Gängen auch noch aufgelagerte Tuffmassen vor-
handen sein könnten. Ich glaube dabei am klarsten, wenn auch
umständhchsten zu verfahren, wenn ich den Leser denselben Weg
der Zweifel und Gedanken führe, welchen ich draussen im Felde
^ Nur am St. Theodor No. 54 kam es zu keinem entscheidenden Ergeb-
nisse. Das dortige einzige Bohrloch wurde auf einer ungünstigen Stelle an-
gesetzt, unter welcher dann natürlich Oberer Brauu-Jurathon erbohrt wurde.
Die Lage und Gestaltung dieses Bühls stimmen jedoch derart mit derjenigen
anderer überein, welche, wie das Bolle bei Owen, zweifellose Gänge bilden, dass
ich auch bei dem St. Theodor ohne weitere Bohrung sicher von der Gangnatur
desselben überzeugt bin.
— 64 -
angesichts jener stummen Tuffberge zurücklegen musste. Denn ich
glaube damit nur dieselben Zweifel und Gedanken auszusprechen,
welche in jedem anderen Beobachter aufsteigen mussten, falls sich
derselbe nicht von vornherein gefangen nehmen lassen wollte von
der, doch erst zu beweisenden Anschauung, dass alle unsere Tuff-
massen notwendig Gänge bilden müssten. Einer so absonderlichen
Erscheinung gegenüber wie dieser hat aber der Beobachter geradezu
die Pflicht za zweifeln, solange er das nur vermag; und das gilt
in um so höherem Masse, als ^ in dem so gleich gearteten vulkanischen
Gebiete von Central - Schottland neben den Tuffgängen auch zahl-
reiche nur oben aufgelagerte Tuffmassen auftreten, welche z, Th. in
genau derselben Weise als kegelförmige Berge aufragen wie die
gangförmig gelagerten dortigen Tuffe.
Die Vorstellung, dass ein Teil unserer Tuffmassen, wie Quenstedt
und MöHL (s. das Geschichtliche) aussprachen, keineswegs in Form von
Gängen aufträte und keineswegs selbständige Ausbruchspunkte bildete,
muss besonders in der weiteren Umgebung des Püesen unter unseren
Tuffbergen, des Jusi No. 55, Nahrung erhalten. Ich will daher an
diesem besonderen Falle zeigen, auf welche Gründe sich solche
Vorstellung stützen und warum sie doch nicht aufrecht erhalten
werden könnte, selbst wenn keine Beweise vom Gegenteil vorlägen.
Auf diesem Teile unseres Gebietes haben wir eine ganz be-
sonders grosse Zahl vulkanischer Punkte. Dieselben gliedern sich
nach ihrer Lage in vier Gruppen. Die erste umfasst die drei Punkte
bei Kohlberg No. 98, 99, 100. Diese liegen nördlich, nahe dem
Jusi und sind sämtlich klein. Die zweite Gruppe besteht aus den
sechs Vorkommen östlich von Metzingen No. 101 , 102, 103, 104,
105, 106; dieselbe liegt im W. des Jusi und umfasst zum Teil weit
ansehnlichere Vorkommen. Die dritte Gruppe, nordwesthch vom
Jusi gelegen, enthält die vier bei Grafenberg auftretenden Tuffmassen
No. 108, 109, 110, 111. Zu der vierten Gruppe gehören vier bezw.
fünf Punkte im N. von Grossbettlingen No. 113, 114, 115, 116, 117.
Diese zahlreichen Vorkommen von Tuff werden sämthch be-
herrscht von der gewaltigen Masse des Jusi No. 55. Unwillkürlich
drängt sich dem Beobachter zunächst der Gedanke auf, dass, wenn
nicht alle, so doch ein Teil dieser kleinen, den Jusiberg umgebenden
Tuffmassen zu letzteren in einem Abhängigkeitsverhältnisse stehen
möchten.
1 s. später: „Vergleichung .... Gangförmig gelagerte Tuffe an anderen
Orten der Erde."
— 65 —
Die Stärke, mit welcher sich diese Vorstellung zur Geltung
bringt, hängt wiederum (s. 1894 S. 678) von dem Wege ab, welchen
der Untersuchende eingeschlagen hat. Aber selbst wer den von uns in
dieser Arbeit zurückgelegten Weg auch draussen in der Natur ge-
wandelt ist, also oben auf der Alb begann, dann die am Steilabfalle
auftretenden Gänge untersuchte und nun erst den im Vorlande be-
findhchen Massen sich zuwendet, wird hier dem Gedanken Raum
geben, dass ein Teil dieser Massen vom Jusi ausgeschleudert sein
könnte; oder dass ausser diesem noch einige weitere Ausbruchs-
centren vorhanden seien, von welchem die anderen ausgeworfen wären.
Vollends aber wird derjenige eine solche Vorstellung gewinnen
und sorgfältig abwägen, der — wie ich das bei der Untersuchung
absichtlich that, um nicht mit der vorgefassten Meinung dieselbe
zu beginnen, alle Tuffmassen müssten Gänge sein — der zufälHg
den umgekehrten Weg einschlägt und, bei der Gruppe von Gross-
bettlingen beginnend, alle diese den Jusi umgebenden Vorkommen
zuerst untersucht. Einem solchen Beobachter wird sich bei jedem
neuen Tuffpunkte, den er hier kennen lernt, immer wieder der Ge-
danke aufdrängen, dass diese Vorkommen nicht selbständig, sondern
durch den Jusi erzeugt worden seien. Immer aufs neue wird in
seiner Vorstellung die folgende Reihe von Gedanken entstehen:
„Der Jusi ist ein richtiger, subaerisch aufgeschütteter Vulkan
wesen. Zu der Zeit, in welcher der Jusi seinen Ausbruch hatte, war
das hier in Rede stehende Gebiet, mindestens zwischen Erms und
Steinach, bereits der Alb beraubt, also der unter dieser liegende
Braun-Jura bezw. Lias bereits freigelegt. Diese bildeten ein hügeliges
Gelände. Dieses Gebiet wurde nun vom Jusi aus mit seinen Aschen-
massen überschüttet, welche eine mehr oder weniger zusammen-
hängende Decke im N. und W. desselben bildeten. Spätere Erosion
zerschnitt dieselbe, entfernte den grösseren Teil und liess nur eine
Anzahl getrennter Tuffmassen als Erosionsreste zurück. Diese mussten
jetzt natürlich vorwiegend auf den heutigen Bergkuppen liegen ge-
bheben sein, denn in den dazwischen eingeschnittenen Thälern war
ja die Tuffdecke bereits weggewaschen. In der That liegen auch
diese Tuffpunkte wesentlich auf dem Gipfel von Braun-Jura- bezw.
Liashöhen. "
Als ich so zuerst auf dem Gipfel des Kräuterbuckel bei Raid-
wangen No. 116 den kaum eine Erhöhung bildenden Tuff sah, drängte
sich sofort die Vorstellung auf, dass der letztere einst mit demjenigen
des AuthmuthböUe No. 115 und der Sulzhalde No. 117 in Zusammen-
Jahreshefte d. Vereins . yaterl, Naturkunde in Württ. 1895. n
— 66 —
hang gestanden habe und nur durch die spätere Thalbildung von
demselben getrennt worden sei. Die gleiche Vorstellung bildete sich
gegenüber den vier so nahe beieinander gelegenen Punkten des
Grafenberges No. 108, 109, 110, 111. Vor allem aber schienen der
Tuff auf dem Gipfel des Weinberg-Berges bei Metzingen No. 102 und
derjenige auf dem gleichhohen gegenüberliegenden Hofbühl No. 103
ebenso ein- wie aufdringliche Beweise für jene Auffassung. Gerade
hier war die Oberflächengestaltung wie geschaffen zu der Annahme,
dass zur Zeit des Ausbruches diese beiden Braun- Juraberge noch
zusammenhingen ; dass sich auf dieser ihrer Plattform eine Tuffdecke
ablagerte, und dass diese endlich durch die, beide Berge jetzt tren-
nende Thalbildung grösstenteils entfernt und in diese beiden Gipfel-
reste zerschnitten wurde.
Hatte ich nun zuerst daran gedacht, der gewaltige Jusi könne
als regelrechter Vulkan das alleinige Ausbruchscentrum für diese
vielen Tuffpunkte sein, so ergab sich mir bald die veränderte Vor-
stellung, dass unmöglich alle diese Tuffmassen vom Jusi herrühren
könnten; sondern dass wenigstens mehrere Ausbruchscentren vor-
handen seien, deren jedes in der geschilderten Weise die um dasselbe
liegenden kleineren durch Aufschüttung die Tuffflecke erzeugt habe.
Der Grund, welcher zu dieser veränderten Auffassung hindrängte, war
der, dass in jeder der obengenannten vier Gruppen ein, bezw. auch
einige Vorkommen durch riesige Weiss- Jurablöcke ausgezeichnet sind,
während bei den anderen der betreffenden Gruppe nur kleinere Stücke
dieses Gesteines auftreten. Als solche Centra schienen sich zu er-
geben: Das Authmuthbölle No. 115 für die Vorkommen vom Kräuter-
buckel No. 116 und der Sulzhalde No. 117. Der Geigersbühl No. 113
für das ihm nördhch vorgelagerte Vorkommen No. 114. Der Grafen-
berg No. 108 für die drei ihn umgebenden Tuffmassen : No. 109,
110, 111. Der Jusi No. 55 für diejenigen bei Kohlberg No. 98, 99,
100. Der Florian No. 101 und Metzinger Weinberg No. 102 für die
zwischen ihnen liegenden kleineren Massen No. 104 und 105.
So gewaltige Weiss-Jurafetzen, wie wir sie an den genannten
Orten finden, konnten nämlich unmöghch vom Jusi aus auf so weite
Entfernung durch die Luft geschleudert worden sein ; denn sie liegen
auf dem Florian No. 101 2 km, dem Metzinger Weinberg No. 102
und dem Grafenberg No. 108 3 km, dem Geigersbühl bei Grossbett-
lingen No. 113 gar 5 km weit vom Jusi entfernt. Das Vorhanden-
sein so gewaltiger Blöcke deutete daher mit Notwendigkeit darauf
hin, dass an den betreffenden Örthchkeiten selbständige Ausbruchs-
— 67 —
centren vorlägen. Umgekehrt aber deutete das Fehlen grosser Blöcke
bei den, diesen Centren benachbarten Punkten wieder darauf hin,
dass diese von jenen aus erzeugt worden seien.
So war also in meiner Vorstellung der Jusi sehr bald von der
Höhe der alles beherrschenden Rolle herabgesunken und nur an
die Stelle des einen , gewaltigen , war eine Mehrzahl kleinerer Aus-
bruchsorte geschoben. Damit war aber bereits die Anschauungs-
weise durchlöchert, welche von Erosionsresten einer einstigen, auf
Braun-Jura und Lias abgelagerten Tuffdecke ausging. Musste ich
nämlich , um der riesigen Weiss- Jurablöcke willen , jenen kleineren
Punkten die Selbständigkeit als Ausbruchscentren zuerkennen, so
war ich auch gezwungen, zuzugeben, dass sich an diesen Punkten
zur Zeit des Ausbruches noch die Alb befand. Woher sollten denn
sonst diese grossen Blöcke auf den kleineren Ausbruchscentren ge-
kommen sein.
Während also meine ganze Anschauungsweise ursprünglich nur
auf die Annahme gegründet werden konnte, dass zur Zeit des Aus-
bruches in diesem ganzen Gebiete nördlich des Jusi bereits die Alb
entfernt und der Braun-Jura und Lias freigelegt gewesen seien, so
wurde ich nun gezwungen , mir zuzugestehen , dass mindestens an
den Orten jener fünf Ausbruchscentren noch die Alb vorhanden ge-
wesen sein musste. Unmöglich konnte man nun aber an fünf ver-
einzelte Erosionsreste der Alb denken, welche sich gleich Inseln aus
dem sie rings umgebenden Braun-Jura- und Liasgebiete erhoben
hätten. Denn wie wäre der Vulkanismus dazu gekommen, gerade
nur diese Inselstellen zum Ausbruche aufzusuchen; an welchen er
zudem noch die ganze Dicke der Alb durchbohren musste, während
dicht daneben das von Weiss- Jura bereits befreite Braun- Jura- und
Liasgebiet einen viel kürzeren Durchweg gestattet hätte? Man
sehe nur die Karte daraufhin an. Wie sollte z. B. an Stelle des
heutigen Grafenberges noch eine Albinsel gewesen sein; an Stelle
der beiden , ihm nördlich ganz dicht vorliegenden Tuffpunkte aber
schon Gelände des Unteren Braun-Jura. Das war unmöglich. Meine
Annahme führte zu widersinnigen Folgerungen.
Blicken wir zurück: Es ergab sich, dass notwendig
ausser dem Jusi mindestens noch mehrere, fünf andere
Ausbruchscentren angenommen werden mussten. Als
diese ausbrachen, musste hier die Alb gewesen sein.
Diese fünf Stellen liegen aber über das ganze Gebiet
zerstreut. Unmöglich können das fünf vereinzelte,
5*
- 68 -
inselförmige Albberge gewesen sein. Folglich muss
zur Zeit des Ausbruches die Alb noch dieses ganze Ge-
bietüberzogen haben; Braun-Jura und Lias waren also
dort noch nicht freigelegt. Es kann mithin von einer
auf letzteren ausgebreitet gewesenen Tuffdecke^ deren
Erosionsreste uns heute vorl ägen , gar keine Rede sein.
Diese heute auf Braun-Jura und Lias gelegenen Tuff-
punkte müssen daher sämtlich, ohne Ausnahme selb-
ständige Ausbruchsstellen sein, deren Eruptionen sich
einst oben auf der Alb ereigneten. Der Umstand, dass
einige der Punkte grosse W eiss- Jurablöcke besitzen,
andere nur kleine, ist also ein ganz zufälliger, teils
durch das Hinabstürzen in den Ausbruchskanal, teils
durch die Erosion, durch das Vorhandensein oder
Fehlen des Schuttmantels bedingter.
Gegen die Annahme, dass unsere Tuff berge im Vorlande der
Alb, wenigstens zum Teil, durch subaerische Ausbrüche aufgeschüttete
Berge , also echte Vulkankegel sein könnten , spricht endlich auch
das Auftreten des Schuttmantels aus Weiss -Jurastücken, welcher
viele derselben umgiebt. Diese Berge bestehen nämlich zum grossen
Teile keineswegs aus Tuff allein; sondern der Sockel des Berges ist
aus Braun-Jura aufgebaut, der Gipfel aus Tuff. Nur dieser Gipfel,
soweit er aus Tuff besteht, ist nun mit einem solchen Schuttmantel
umgeben, nicht aber auch der Braun-Jurasockel.
Nun denke man sich auf einem Braun-Juraberge einen vulka-
nischen Ausbruch stattfindend. Es wird ein Aschenkegel aufgeschüttet.
Wie soll dieser zu dem Schuttmantel aus Weiss- Jurastücken kommen?
Wenn aber doch, warum dann schlug sich der Mantel nicht auch um
den Jurasockel herum? Wann soll das geschehen sein? Diese Fragen
können keine Beantwortung finden, solange man die Entstehung unserer
Tuffberge auf die subaerische Aufschüttung richtiger Vulkankegel
zurückführen will. Nur dann ist die Entstehung eines solchen Schutt-
mantels möglich, wenn Maarkessel vorhanden waren, in denen er
sich zunächst sammeln konnte ; wenn diese Maarkessel im Weiss-
Jura ausgesprengt waren ; wenn sich an dieselben nach abwärts tuff-
erfüllte Kanäle schlössen, welche durch die Denudation aus den ein-
schhessenden Weiss-Juraschichten herausgearbeitet wurden.
Während auf solche Weise sich mir die Frage theoretisch ent-
schied, führte zu gleicher Zeit die Untersuchung der Lagerungsver-
hältnisse, und in dennoch zweifelhaften Fällen später das Bohren,
— 69 -
zu ganz denselben Ergebnissen, dass in allen diesen mehr als 125 Tuif-
punkten selbständige Ausbruchsstellen zu sehen seien, dass zur Zeit
der Eruptionen die Alb noch das ganze Gebiet zwischen Ernas und
Steinach überzog.
Genau dieselbe Überlegung, welche uns über letzteres Gebiet
Klarheit verschaffte , gilt aber natürlich auch von dem gesamten
Landstriche im Vorlande der Alb, über welchen unsere vulkanischen
Tuffe verstreut sind.
Die Entstehungsweise der, die röhrenförmigen Kanäle füllen-
den Tuffmassen des Gebietes von Urach.
Anschauimgen von Schübler, Quenstedt, Deffner. Prüfung der Fragen: Sind
unsere Tuffe unter Mitwirkung von Eis entstanden ? Sind sie unter derjenigen
von Wasser im fliessenden Zustande entstanden? Sind sie als Schlammtuffe
entstanden? Oder als sogenannte Schlammlava? Welcher Abteilung von Tuffen
gehören diejenigen der Gruppe von Urach also an?
Vor uns liegt die Thatsache, dass in dem Gebiete von Urach
auf verhältnismässig kleinem Räume die überaus grosse Zahl von
etwa 120 röhrenförmigen Kanälen mit einer vulkanischen Tuffbreccie
erfüllt ist, deren Eigenschaften auf S. 1 u. f. dargelegt worden sind.
Sodann die Thatsache, dass diese Füllung in den Kanälen sich
bis in eine Tiefe von etwa 5 bis 800 m hinab verfolgen lässt, wahr-
scheinlich aber noch tiefer hinabreicht.
Drittens die Thatsache, dass diese Kanäle z. T. einen verhältnis-
mässig recht geringen Querschnitt besitzen.
Fest steht ferner, dass wir bisher auf Erden nur eine geradezu
winzige Zahl solcher Fälle kennen (s. später), in welchen vulkanische
Ausbruchskanäle oder Spalten mit einer gleich gearteten Tuffmasse
erfüllt sind ; dass dagegen so gut wie überall auf Erden die bisher
bekannten vulkanischen Ausbruchskanäle oder Spalten durch festes
Eruptivgestein, Lava, Basalt u. s. w., ausgefüllt werden.
Dieser ganz auffallende , merkwürdige Gegensatz unseres Ge-
bietes zu so gut wie allen bisher bekannten der ganzen übrigen
Erde fordert eine sorgfältige Prüfung der Art und Weise, in welcher
unsere Tuffbreccien in diese z. T. so engen Kanäle und bis in so
grosse Tiefe hinab gekommen sind.
Stehen wir hier bei jedem dieser 120 Kanäle und Spalten vor
einem selbständigen Ausbruchspunkte, aus welchem die Tuffmasse
ausgeworfen, in welchen sie aber auch wieder zurückgefallen ist?
Selbst wenn der Durchmesser der Röhre ein so kleiner ist, dass
— 70 —
man nicht recht begreift, wie bei dem Vorgange des Ausblasens den-
noch die Röhre sich anfüllen konnte? Ist daher diese tuffige Füllmasse
etwa erst später in die Röhren gelangt? Sei es hinabgeschwemmt
durch Regengüsse oder durch eine grössere Wasserflut ; sei es hinab-
geschoben durch Gletscher , welche sich über unser Gebiet fort-
bewegten ?
Auch früher bereits haben diese „rätselhaften" Erscheinungen
in unserem Gebiete jene Fragen und ihre Beantwortung angeregt :
Schübler ^ hebt bei Besprechung des Tuffes an der Räuber-
steige hervor, derselbe erwecke den Eindruck, als sei er durch eine
vom oberen Teile des Berges ausgehende „Strömung" hier abgesetzt
worden. Er denkt sich also wohl Wasser als Ursache.
Mit scharfem Blicke hat schon 1842 Quenstedt, das schwer zu
Erklärende dieser Tuffbildungen hervorhebend, darauf hingewiesen^,
dass diese grossen Kalkblöcke auf den Gipfeln der Tuffberge nicht
durch Gletscher dorthin gebracht sein können. „Lägen diese Kalk-
blöcke auch in den Thälern und nicht bloss auf den Tuffgipfeln,
kämen sie nicht so gesetzlich immer nur mit dem Tuff zusammen
vor, so würde ich, der ich vielleicht zuletzt an die Gletscher in
Deutschland glaube, zu diesem verzweifelten Erklärungsmittel die
letzte Zuflucht nehmen. Allein schon das Vorkommen der Kalk-
blöcke mit Tuffen, und zwar so, dass keines ohne das andere be-
stehen kann, erlaubt keine Erklärung durch Gletscher."
Mehr als 40 Jahre später — freilich war dieser Zeitraum Unter-
suchungen ganz fernliegender Art gewidmet — steht Quenstedt noch
vor demselben Rätsel und sagt von unseren Tuffen^: „Ihre Bildung
genügend zu erklären, macht eigentümliche Schwierigkeiten." über
die Granite in den Tuffen äussert er sich: „Einige wollen sie für
losgesprengte Stücke aus dem Erdinnern halten, doch scheint dem
die geschiebeartige Natur zu widersprechen" (S. 88). Hinsichtlich
der Weiss- Jurablöcke auf und in den Tuffen kommt er (S. 89) zu
dem Ergebnisse : „Entweder müssen sie die Reste weggeschwemmter
Gebirge oder von aussen hingeschoben sein. Von grossartigen Weg-
schwemmungen hört man zwar viel reden, aber der strikte Beweis
kann nicht recht geführt werden" .... „Schiebende Kräfte, sei es
Wasser oder Eis, scheinen mitgewirkt zu haben." Auch warnt er
^ Württembergische Jahrbücher vou Memminger. 1824. S. 374.
2 Neues Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. 1842. S. 309.
■'' Geologische Ausflüge in Schwaben. Ausgabe 2. S. 85.
— 71 —
(S. 89) vor der Auffassung, „als läge unter jedem (Tuff) Buckel ein
Ausbruchsloch. "
Deffner ^ hat im Jahre 1870 die Hilfe von Gletschern für die
Entstehung unserer Tuff breccien in Anspruch genommen. Er schreibt :
„Den Nachweis, dass auch dort alle Erscheinungen dafür sprechen,
dass Gletscher die vulkanischen Auswürflinge (des Gebietes von
Urach) mit dem anderen Gesteinsschutt zusammengeschoben und in
jenen sonst unerklärlichen Schutthügeln angehäuft haben .... muss
ich mir für einen anderen Ort vorbehalten." Diesen Nachweis hat
Deffner nicht geliefert, er hat im Gegenteil im Jahre 1872 die ent-
gegengesetzte Ansicht geäussert, dass keine Gletscher mit im Spiele
gewesen sein könnten^: „Kein Gletscherkundiger kennt solche For-
men aus Moränen, und die Annahme dieser causa movens behufs
der Erklärung dieser Erscheinung ist schon dadurch ein für allemal
ausgeschlossen. Ebensowenig aber kennt man solche Formen bei Fluss-
geröllen, und es bleibt nur der eine Weg für die unleugbar stattgehabte
Bewegung übrig, nämhch der von unten herauf durch den Krater.
Diese Worte haben indessen nur Bezug auf diejenigen Granite,
an welchen, offenbar beim Emporgeschleudertwerden , Flächen an-
geschhffen wurden. Dass Deffner auf der anderen Seite doch auch
wieder an eine Wasserflut gedacht hat, geht aus dem hervor, was
er 5 Seiten später ^ über die Weiss- Juramassen der Tuffe sagt. Dort
äussert er sich in der folgenden Weise: „Welcher Natur das de-
nudierende Agens war, ob lediglich die Atmosphärilien mit Regen,
Frost und Verwitterung oder ob Gletscher oder besondere grosse
Fluten mitgewirkt haben, entzieht sich noch jeder sicheren Bestim-
mung. Die Fortführung so grosser Massen harter Kalke spricht in-
dessen für die Beihilfe der letzteren, für welche ausserdem auch
noch positive Anhaltspunkte vorhanden sind.
Die zusammenliegenden Reste von jetzt lebenden Tieren, welche
in den Schuttmassen der Limburg aufgedeckt worden sind, die mit
Tuff und Bohnerzbreccie zusammengewickelten Ballen und Streifen
echten Diluviallehms am Grafenberg und die an gleichem Orte auf-
tretenden diluvialen Schuttmassen aus Lehm und Weiss-Juradetritus,
in welchen sich abermals das Geweih des lebenden Hirsches vor-
fand, sind so viele Anzeichen der energischen Mitwirkung der Lehm-
^ Der Buchberg bei Bopfingen. Diese Jahresh. 1870. S. 133 u. Anm.
^ Begleitworte zur geognostiscben Specialkarte von Württemberg Atlas-
blatt Kirchheim. S. 35.
^ Ebenda S. 40 unten u. 41.
— 72 —
flut, dass hieran Zweifel wohl nicht mehr möglich sind. Alles weitere
darüber ist aber im Dunkel begraben und wartet weiterer Aufschlüsse.
Vielleicht sind die vereinzelt vorkommenden Reste der sogenannten
Schuttbreccien die letzten diluvialen Spuren des einst weit ins Land
hinausragenden Weissen Juragebirges. Sie verdienen als letzter
Schlüssel zur Lösung jener Rätsel jedenfalls unsere volle Beachtung."
Gewiss wird man, gegenüber solchen Aussprüchen, es nur für
gerechtfertigt halten, dass ich diese Fragen so gründhch wie nur
irgend möglich prüfe und dass ich alle Möglichkeiten abwäge, auch
wenn das unter Umständen weitschweifig ist und überflüssig er-
scheinen sollte.
Mehr wie einmal ist mir selbst bei der Untersuchung unserer
merkwürdigen Tuffbreccien , unserer gewaltigen Schuttmassen aus
Weiss-Jura und der durch diese wie jene gebildeten Berge im Vor-
lande der Alb, der Gedanke vor die Seele getreten, ob hier nicht
doch das Werk von Gletschern sich verrate.
Wer an dem Berge des Götzenbrühl No. 87 in dem langen,
16 m tiefen Einschnitte an den senkrechten Wänden desselben jenes
bunte Durcheinander von feinem Tuff, von riesigen Gesteinsblöcken
und zahllosen kleinen Stücken staunend betrachtet — der wird sich
wohl einmal die Frage stellen, ob er sich nicht einer Moränenbildung
gegenüber befinde oder ob er wirklich im Innern der Füllmasse eines
vulkanischen Ausbruchskanales stehe, welche jetzt des Kanales,
seiner Wände also, völlig beraubt ist.
Wer am Florianberge No. 101 , am Gehänge des Hurapfen-
bachthales No. 118 oder am Rangenbergle No. 120 die massenhaften
Granitstücke sammelt, wer namentlich am ersteren Berge auch den
feineren Grus dieser altkrystallinen Gesteine sieht — der wird wieder-
um den Blick nach S. oder SW. richten, um zu ermessen, ob nicht
von den Alpen oder vom Schwarzwald her ein Gletscher diese Massen
gebracht habe, welche hier das Bild norddeutscher oder gewisser
alpiner Moränen vor seinen Augen auftauchen lassen.
Wer dann auf der anderen Seite sich der, unseren Tuffen in
gewisser Weise so ähnlichen Peperine Itahens erinnert, welche nach
verbreiteter Ansicht Schlammtuffe sein sollen — der wird sich wieder-
um der Frage nicht entziehen können, ob etwa das Wasser in irgend
einer Weise eine Rolle bei der Bildung unserer merkwürdigen Tuff-
breccien gespielt habe.
Wir wollen zuerst die eine, dann die andere dieser Fragen
beantworten.
— 73 —
Sind unsere Tuffbreccien mit Hilfe von Gletschern gebildet?
Zuvörderst wird auch von einem Anhänger einer solchen Eis-
hypothese zugestanden werden müssen, dass unsere Tuff berge in
derjenigen Form, in welcher sie uns heute entgegentreten, unmöglich
vom Eise abgelagert sein können. Das Eis lagert seine Moränen
nicht in Gestalt vereinzelt liegender, kegelförmiger Buhle ab. Es
bilden vielmehr seine Oberflächenmoränen langgestreckte, mehr oder
weniger gerade, seine Stirnmoränen dagegen mehr oder weniger
halbkreisförmige, wallartige Züge, während seine Grundmoräne eine
ausgedehnte Decke darstellt. Die heutigen vereinzelt gelegenen,
kegelförmigen Buhle könnten also höchstens schwache Erosionsreste
einer oder mehrerer dieser verschiedenen Moränenarten sein, welche
in ihrem grössten Teile bereits völlig abgetragen sein müssten.
Wäre das der Fall, was ja an sich gut denkbar ist, so müsste
sich aus der Anordnung dieser Erosionsreste der einstige Verlauf
der ganzen Moränen erkennen lassen. Man versuche nun einmal
mit Hilfe der beiliegenden Karte unsere Tuffvorkommen in wallartige,
gerade oder halbkreisförmige Linien zu ordnen. Natürlich wird man
120 regellos auf einer Karte verteilte Punkte stets in ganz beliebigen
Linien gruppieren können. Aber ein deutliches Bild von Oberflächen-
oder Stirnmoränen wird man doch vergeblich aus der Verteilung
unserer Vulkanpunkte zu erkennen versuchen. Es bliebe mithin nur
übrig, in letzteren die Erosionsreste einer einstigen über jenes Gebiet
ausgebreiteten Grundmoräne zu sehen.
Nun gehen in dem S. -Teile des benachbarten Schwarzwaldes
die Spuren einer einstigen allgemeinen, zusammenhängenden Eis-
bedeckung von den höchsten Höhen an nur bis zu 800 m über dem
Meere hinab. Unterhalb dieser 800 m-Grenze dagegen haben sich
nur einzelne zungenartige Gletscher in die grösseren Thäler, und
auch nur nach der Rheinseite, bis zu 350 und 250 m Meereshöhe,
hinabgezogen \ Unser Vulkangebiet aber liegt im Vorlande der Alb
in ungefähr 400 m Meereshöhe. S. 1894 S. 571: „War die Alb
einst vergletschert?"
Man wird daher unmöglich erwarten dürfen, dass unser Gebiet
von einer zusammenhängenden, inlandeisartigen Eisdecke in so ge-
ringer Meereshöhe bedeckt gewesen wäre, während doch eine solche
im benachbarten Schwarzwalde nur bis zu 800 m Meereshöhe hinab-
' Steinmann, Die Moränen am Ausgange des Wehratliales. Bericht über
die 25. Versammlung des Oberrheinischen geologischen Vereins zu Basel. Sonder-
abdruck. S. 4.
— 74 —
gereicht hat. Es könnte sich daher, wenn überhaupt, bei uns im
Vorlande der Alb ebenfalls nur um vereinzelte Gletscherzungen han-
deln, welche von der Alb herniederhingen. Diese aber konnten keine
zusammenhängende Decke einer Grundmoräne über ein so aus-
gedehntes Gebiet von über 20 | [Meilen Grösse ausbreiten.
Indessen einmal angenommen, es lägen uns trotz alledem in
den vulkanischen Massen Reste einstiger Moränen vor. Dann wird
man mit Recht verlangen dürfen, auch in den übrigen Teilen des
Vorlandes der Alb Moränen oder doch deren Reste zu finden. Un-
möglich würde man doch annehmen dürfen, dass gerade nur da und
genau nur soweit vulkanische Tuffe vorhanden waren, Gletscher von
der Alb herniedergegangen wären; an allen übrigen Stellen aber nicht.
So spricht bereits eine ganz allgemeine Überlegung gegen die
Möglichkeit, dass unsere Tuffbreccien mit Hilfe von Gletschern ge-
bildet sein könnten. Doch wir wollen weiter in das Besondere
eingehen.
Nehmen wir eine Mitwirkung des Eises bei der Entstehung
unserer Tuffbreccien an, so giebt es zwei mögliche Voraussetzungen,
um uns das seltsame Gemisch von Tuff mit Sedimentärgesteinen
aller Art, sowie Graniten und Gneissen, zu erklären : Entweder gaben
die Vulkane nur den Tuff, der Gletscher aber brachte von fern her
jene fremden Gesteine. Oder die Vulkane förderten sogleich das
ganze Gemisch der beiderseitigen Gemengteile und der Gletscher
schob dasselbe dann in die Kanäle und Spalten hinab. Wir wollen
beide Möglichkeiten prüfen.
Die erste Möglichkeit ist also die, dass von den Vulkanen nur
Asche an die Erdoberfläche befördert wurde. Dass dagegen der
Gletscher eine aus jenen Schichtgesteinen, Graniten und Gneissen,
bestehende Grundmoräne von fern her herbeibrachte, im vulkanischen
Gebiete angekommen, dieselbe mit der Asche durchknetete, ver-
mengte und nun das Ganze unter sich in die Spalten hineinpresste.
An und für sich gar nicht unmöglich.
Fassen wir hierbei der Einfachheit wegen nur einmal diejenigen
unserer Tuffe ins Auge, welche aufs deutlichste sichtbar in den die
Alb durchbohrenden Kanälen oder Röhren liegen ; also nicht die
heute im Vorlande der Alb befindlichen. Der Gletscher, welcher
diese Kanäle gefüllt haben soll, schob sich notwendig oben über die
Hochfläche der Alb dahin. Nun finden sich aber in der Füllmasse
dieser Kanäle dem Tuffe beigemengt nicht nur Brocken der Oberen
Weiss-Juraschichten, sondern auch solche des Untersten Weiss-Jura,
— To-
des Braunen Jura und des Lias. Wie soll denn aber ein oben auf
der Hochfläche der Alb, auf Weissem Jura d, s und C dahingleitender
Gletscher solche Gesteinsstücke letzterer Art in seine Moräne auf-
genommen haben? Gesteine, welche Schichten angehören, die hun-
derte, tausend, zweitausend Fuss tief unter dieser Hochfläche liegen?
Wohl könnte jemand von dem Granit und Gneiss, dem Rotliegenden,
Buntsandstein und Keuper, welche sich den Tuffen beigemengt finden,
behaupten wollen, dass der Gletscher sie den Schwarzwaldgebieten
entführt und bis in unsere Gegenden über die Alb hinweg verfrachtet
habe. Aber nun und nimmer kann er das von jenen Gesteinen der
tieferen Juraschichten geltend machen, denn diese stehen dort oben
nirgends an , können daher nur vom Vulkan aus der Tiefe herauf-
geholt sein.
Wir müssen also diese erstere Annahme als ganz haltlos ver-
werfen ; denn unmöglich wird man , um sie dennoch zu halten , sie
durch die weitere Hypothese stützen wollen , der Gletscher habe
vom Schwarzwaldgebiete her nur den Granit, Gneiss, Rotliegendes,
Buntsandstein und Keuper herbeigebracht; dazu den Oberen Weiss-
Jura von beliebigen Orten der von ihm überzogenen Alb. Die Vul-
kane dagegen hätten neben der Asche nur den Lias, den Braunen
und den Unteren Weissen Jura ausgeworfen, nicht aber auch jene
anderen Gesteinsarten. Das ist offenbar eine ganz unsinnige Annahme.
Kann also der Gletscher die dem Tuffe beigemengten, ihm
fremden Gesteinsarten, mindestens zum Theil, gar nicht selbst her-
beigeschafft haben, so folgt auch noch aus einem anderen bemerkens-
werten Umstände die Thatsache, dass der Gletscher unmöglich von
den Schwarzwaldgebieten hergekommen sein kann. Es fehlt nämlich
unter den dem Tuffe beigemengten fremden Gesteinsarten (fast) stets
das eine, der Muschelkalk (s. 1894 S. 567).
Gerade dieses Gestein aber würde ein von dort her kommender
Gletscher massenhaft in unser Gebiet verfrachtet haben, da es im W.
so vielfach ansteht. Das Fehlen des Muschelkalkes, sowie das Vor-
handensein von Lias, Braun-Jura und Unterem Weiss- Jura in unseren
Tuffen beweisen mithin unwiderleglich, dass die fremden Bestand-
teile unserer Tuffe nicht durch Gletscher herbeigeführt sein können,
sondern sämtlich durch die Ausbrüche aus der Tiefe heraufgeschleu-
dert sein müssen. Li der Tiefe fehlt eben der Muschelkalk in dieser
Gegend; daher fehlt er auch in den Tuffen.
Dass aber der Gletscher etwa von S. her aus den Alpen ge-
kommen sein könnte, ist von vornherein unmöglich, denn es fehlen
— 76 —
in den Tuffen alpine Gesteine. Zwar könnte man bei dem Hinblick
auf die vielen Granite ja an eine alpine Abstammung denken. In-
dessen hat Deffner bereits festgestellt, dass dem nicht so ist. Deff-
NER führt nämlich zunächst aus, dass der Pinitgehalt aller granitischen
Gesteine in den Tuffen auf ein gemeinschaftliches Ursprungsgebiet
hinweist. Dasselbe kann nur gesucht werden : entweder in der Tiefe
unter unserem vulkanischen Gebiete, oder im Schwarzwald, oder in
den Alpen. Deffner fährt nun fort^: „Was die Gesteine des ersteren,
also des Schwarzwaldes, anbelangt, so besteht mit ihnen höchstens
in einem einzigen, dem unter No. 1 (S. 17 u. 18 dieser Arbeit) auf-
geführten grauen Gneiss eine Verwandtschaft, alle übrigen Gesteine
fehlen dort durchaus. Und bezüglich der Abstammung aus den Alpen
hat Herr B. Studer in Bern, dem eine möglichst vollständige Samm-
lung dieser Gesteine vorlag, ausgesprochen, dass er und seine Freunde
kein einziges der Stücke für unbedingt alpin anerkennen möchten,
dass aber viele darunter entschieden nicht alpinen Ursprungs seien,
wie auch der allgemeine Typus der Musterstücke hiergegen spreche.
Wir erhalten demnach auch von Seite der mineralogischen Kon-
stitution dieser Granitgerölle die Bestätigung ihrer autochthonen Bil-
dung, welche wiederum nicht anders gedacht werden kann, als dass
die Stücke dem Grunde des Kraterkanals entstammen und durch
die vulkanische Eruption an ihre heutige Lagerstelle gebracht wurden. "
Wer also den Gletschern eine Rolle bei der Entstehung unserer
Tuffgänge zuschreiben will, der darf hierbei doch nur von der zweiten
der oben als möglich angedeuteten Voraussetzungen ausgehen. Nach
dieser haben die Vulkane, indem sie den Gneiss und Granit, das
Rotliegende, den Buntsandstein, Keuper, Lias, Braunen und Weissen
Jura durchbrachen, deren Bruchstücke zusammen mit der Asche
ausgeworfen. Sie haben also unsere Tuffbreccien gleich in der Be-
schaffenheit geliefert, in welcher sie uns heute vorliegen. Eine
andere Annahme ist, wie wir sahen, nicht statthaft. Die Thätigkeit
des Gletschers würde daher nur darin bestanden haben, diese von
den Vulkanen ausgeworfenen Tuffbreccien wieder in die Spalten
hineinzuschieben.
Da es schwer zu verstehen ist, dass die ausgeworfene Tuff-
breccie gleich bei dem Ausbruche wieder von selbst in die zum Teil
schmalen Kanäle und bis zu mehr als 500 m Tiefe hinabgefallen
sein soll, so mag man ja einen Augenblick an eine solche Thätigkeit des
1 Diese Jahresh. Bd. XXIX. 1873. S. 129.
— 77 —
Eises denken. Aber sofort stossen wir im weiteren Verfolge derselben
auf Ungeheuerlichkeiten. Man stelle sich nur vor : In miocäner Zeit
erfolgten die Ausbrüche. Erst in, vielleicht schon jungpliocäner,
sicher aber in diluvialer Zeit kamen überhaupt Gletscher. Während
des ganzen dazwischenliegenden Zeitraumes also wären die Röhren
oder Kanäle weit klaffend offen geblieben, bis sie endlich vom Gletscher
angefüllt wurden! Zu einer so absonderlichen Vorstellung würden
wir auf diesem Wege gedrängt. Das Wasser würde sicher die
Kanäle längst mit Schutt angefüllt haben.
Doch wir müssen diesen Weg noch weiter verfolgen. Wo lag
denn das Material dieser Tuffbreccien , als es ausgeworfen war,
bevor es also der Gletscher ergriff? Lag es dicht neben den
Kanälen, welche es jetzt erfüllt, war es also aus diesen heraus-
geworfen worden? Oder lag es wenigstens zum Teil fernab davon
auf der Alb an anderen Orten, an welchen es aus der Tiefe herauf-
befördert worden war?
Die letztere Frage muss entschieden verneint werden. Denn
wären an anderen Orten auf der Alb vulkanische Ausbrüche, und
noch dazu in so grossem Masse erfolgt, deren herausgeschleuderte
Tuffbreccien dann vom Gletscher weiter befördert und in die Kanäle
unseres Gebietes hineingepresst wurden, so müsste man jene anderen
Orte vulkanischer Thätigkeit doch auch heute noch oben auf der
Hochfläche der Alb erkennen können. Nirgends aber sind sie zu
finden , weil sie eben niemals vorhanden gewesen sind. Wodurch
sollten denn auch in unserem Gebiete so zahlreiche, die Alb durch-
bohrende Kanäle sich geöffnet haben, wenn gar nicht aus ihnen hier,
sondern an anderen Orten durch andere Kanäle Vulkanausbrüche
stattgefunden hätten?
Man sieht, dass notgedrungen aus ganz denselben
Kanälen, welche heute von den Tuffbreccien erfüllt
sind, auch damals die letzteren herausgeschleudert
worden sein müssen. Der Gletscher hätte also nichts weiter
zu thun gehabt, als den neben einem jeden dieser Kanäle liegenden
Haufen wieder in diesen hineinzuschieben!
Warum aber sollte man für eine solche Thätigkeit Gletscher
überhaupt in Bewegung setzen wollen? Es ist sicher doch sehr
viel einfacher, daher wahrscheinlicher, anzunehmen, dass der Tuff
entweder nach Vollendung des Ausbruches durch Wasser wieder in
die Kanäle hineingespült wurde, oder dass er gleich während des vul-
kanischen Ausbruches in denselben sich ansammelte und sie so erfüllte.
— 78 —
Bevor wir indessen diese beiden Möglichkeiten prüfen, müssen
wir noch weitere Gründe anführen, welche gleichfalls die Frage einer
Mitwirkung des Eises bei der Bildung unserer Tuffbreccien mit Ent-
schiedenheit verneinen.
Man stelle sich vor, dass aus einem die Erdrinde durchbohren-
den Kanäle ein Aschenausbruch erfolgt, dessen lose Massen sich nun
rings um die Mündung des ersteren anhäufen, gleichviel, ob nur in
Form eines Ringwalles, wie bei den Maaren, oder ob in Gesalt eines
sich als Berg erhebenden Aschenkegels. Nun kommt ein Gletscher
und schiebt diese losen Massen wieder in den Ausbruchskanal hinein.
Von welcher Seite er auch herkomme, stets wird er doch nur etwas
mehr als ungefähr den vierten Teil des Ausgeworfenen in den Kanal
hineinbringen können; denn indem der Gletscher über die Kanal-
öffnung hinweggleitet, wird alles, was seitlich und hinter der letz-
teren liegt, ja weiter fortgeschoben und kommt nicht hinein. Es könnte
also durch Gletscher keiner der Kanäle bis nahe an die Hochfläche
der Alb mit Tuffbreccien angefüllt sein, sondern nur die tiefsten
Teile der Schlote dürften Tuff enthalten.
Das ist aber nicht der Fall ; die Röhren sind ziemlich weit bis
oben hin angefüllt. Das beweisen uns das Randecker Maar, die
übrigen Maare auf der Alb und die am Steilabfalle derselben an-
geschnittenen Kanäle.
Nun wird man entgegnen können, bereits durch den Ausbruch
selbst seien sie zum grössten Teile angefüllt worden; und nur das
oberste Viertel ihrer Länge wäre dann vom Gletscher noch zu-
geschüttet worden. Das ist indessen kaum zulässig; denn wenn
man überhaupt zugiebt, dass der Kanal schon während des Aus-
bruches sich bis zu drei Vierteln seines Inhaltes mit Tuff erfüllen
kann, so wird man ihm auch das letzte Viertel zutrauen dürfen und
für dieses nicht erst die Hilfe des Gletschers in Anspruch zu
nehmen brauchen.
Ein weiterer Grund, welcher gegen die Mitwirkung von Gletschern
spricht, liegt in der grossen Ausdehnung des Gebietes, über welches
unsere vulkanischen Punkte zerstreut sind. Dasselbe hat von dem
südlichsten Vorkommen, Apfelstetten , bis zum nördlichsten, Scharn-
hausen , eine Länge von 45 km ; und vom östlichsten, Aichelberg,
bis zum westlichsten, Gaisbühl, eine solche von 37 km. Der Gletscher
müsste also, gleichviel, von welcher Richtung er gekommen wäre,
eine mindeste Breite von 37 — 45 km gehabt haben.
Sodann spricht gegen die Annahme, dass unsere Tuffbreccien
— 79 -
Grundmoränen sein könnten, die bisweilen ganz gewaltige Mächtig-
keit derselben, bezw. der aus ihnen gebildeten Berge. Die Tuffmasse
des Jusiberges z. B. erhebt sich bis zu etwa 150 ra über die juras-
sische Umgebung an seinem Fusse. Während die gewaltigen Inland-
eismassen, welche von Skandinavien aus das Gebiet der heutigen
norddeutschen Tiefebene überzogen, auf dieser nur Grundmoränen zu-
rückliessen, welche bei den mehrfachen Vergletscherungen zusammen
nur etwa eine Gesamtmächtigkeit bis zu 100 m erlangten, müssten
die doch unendlich viel kleineren, angenommenen Gletscher der
schwäbischen Alb eine Grundmoräne von 150 m Dicke erzeugt haben !
Eine ganz unglaubliche Annahme.
Weiter lässt sich gegen eine Grundmoräne der schwerwiegende
Einwurf geltend machen, dass dann die zahllosen Einschlüsse von
Fremdgesteinen an Ecken und Kanten gerundet, dass sie poliert, dass
sie geschrammt sein müssten. Das ist aber auch nicht bei einem
einzigen Stücke der Fall. Es müssten auch ferner die zahlreichen
weichen Bruchstücke, Braun-Jura und Bohnerz-Thone, unter der Last
des Gletschers zu feinem Schlamm zerrieben worden sein. Statt
dessen sind diese weichen Gesteinsstücke häufig wohl erhalten
und eckig.
Es bliebe mithin nur die Möglichkeit, dass unsere Tuffbreccien
in Form einer Oberflächen- oder einer Stirnmoräne vorwärts ge-
schoben sein könnten. Hier bleiben, namentlich bei der ersteren Art
der Verfrachtung, die Gesteinsstücke unverletzt. Allein wie soll sich
eine Oberflächenmoräne aus Tuffbreccien bestehend bilden können,
wenn nicht vorher Thäler bestanden, deren Gehänge mit Tuffbreccie
bedeckt waren. Thäler, in welchen dann der Gletscher thalabwärts
zog, so dass jene auf seinen Rücken fallen konnten. Selbst wenn
die Alb und ihr Vorland bis hin in die Gegenden von Stuttgart ver-
gletschert gewesen wären, wo hätten dann diese notwendig voraus-
zusetzenden Berge gestanden? Und, da unser vulkanisches Gebiet
eine Breite von SW. nach NO. von 37 km besitzt, wo wäre ein so
breites, rechts und links von jenen Bergen begleitetes Thal gewesen?
Also weder Grand- noch Oberflächenmoräne ! Dann werden
wir auf die Stirnmoräne als letzte Zuflucht zurückgedrängt. Von
Apfelstetten No. 22 im S. bis in die Gegenden von Scharnhausen
No. 124 auf einer 45 km langen Strecke hätte der Gletscher diese
Stirnmoräne vor sich hergeschoben haben müssen. Bei so weitem
Wege würden sicher die weichen , thonigen Gesteine zu Schlamm
oder Pulver zerdrückt werden. Es ergiebt sich also dieselbe Schwierig-
— 80 —
keit wie gegenüber der Grundmoräne. Zudem ständen wir dann vor
der Annahme, dass der Gletscher eine 37 km breite Stirnmoräne
von den Höhen des rechten Neckarufers aus in das Neckarthal hinab
und am linken steilen Gehänge wieder 140 m bergauf geschoben
haben müsste ; denn das Neckarthal bestand in diluvialer Zeit be-
reits, wie das in dem Abschnitte „Sind die ältesten Flussablagerungen
des Neckars in unserem Gebiete pliocänen Alters?" dargelegt wurde;
s. 1894 S. 594.
Aus obigen Ausführungen ergiebt sich folglich mit
zweifelloser Sicherheit, dass Gletscher in keinerlei
Weise bei der Bildung unserer Tuffbreccien mitbeteiligt
gewesen sein können.
Sind unsere Tuffbreccien mit Hilfe von fliessendem Wasser gebildet?
Sind wir auf solche Weise zu der sicheren Überzeugung ge-
langt, dass unsere Tuffbreccien ohne Mitwirkung von Gletschern
gebildet wurden, so werden wir zweitens zu prüfen haben, ob etwa
das Wasser bei der Entstehung derselben eine Kolle gespielt haben
könnte. Auch hier haben wir in ganz analoger Weise die beiden
Möglichkeiten : Entweder förderten die Vulkane nur den Tuff zu
Tage, während das Wasser jene fremden Gesteinsarten von fern her
brachte, wie das ja von Deffner, und bezüghch der altkrystallinen
Gesteine auch von Qüenstedt, angenommen wurde ^. Oder die
Vulkane förderten sogleich das ganze Gemisch der beiderseitigen
Gemengteile. Wir werden uns hier jedoch sehr viel kürzer fassen
können, weil unsere Überlegung eine ähnliche wie vorher sein wird.
Wiederum lassen wir zunächst die heute im Vorlande der
Alb auftretenden Tuffmassen ausser acht und betrachten nur die-
jenigen, welche klar vor unseren Augen in den die Alb und ihren
Steilabfall durchbohrenden Kanälen und Spalten liegen, welche also
oben auf der Hochfläche noch jetzt münden oder ersichtlich gemündet
haben müssen.
Wie dort das Eis, so muss also hier das Wasser oben über die
Alb dahingeflossen sein. Dort oben kann es aber unmöglich die
doch dem Tuffe beigemengten Gesteinsstücke, soweit sie dem Braun-
' "Wenn auch Qüenstedt diesen Vorgang nicht mit den ohigen Worten
zergliedert, vielmehr nur allgemein von einer Flut spricht, so ist das Auftreten
der Granite, welche nach ihm nicht ausgeworfen, sondern durch das Wasser
herheigerollt wurden, nach ihm doch nur so zu erklären, denn Granite stehen
nur fern von unserem vulkanischen Gebiete zu Tage an.
— 81 —
Jura und dem Lias angehören, mitgeführt haben, denn diese stehen
nur tief unten im Fusse der Alb an. Nur die anderen dem Tuffe
an sich fremden Gesteinsarten könnte es von den Schwarzwaldgegen-
den und der Albhochfläche entnommen haben.
Spricht also das Auftreten von Braun-Jura und
Lias im Tuffe gegen ein Herbeischaffen überhaupt aller
fremden Gesteinsarten durch das Wasser, so beweist,
wie dort, auch das (fast) steteFehlen des Muschelkalkes
in unseren Tuffen, dass kein aus den Schwarzwald-
gegenden herkommendes Wasser das Transportmittel
gewesen sein kann. Von der anderen möglichen Gegend,
den Alpen, könnte aber weder der Gletscher noch das
Wasser hergekommen sein; denn die altkrystallinen
Gesteine der Tuffe stimmen, wie wir sahen, nicht mit
alpinen oder schwarzwäldischen überein.
Doch noch weitere Gründe sprechen gegen eine solche An-
nahme. Zunächst die Gestalt der Fremdgesteine in den Tuffen.
Wäre nämlich der Tuff durch Wasser von anderer Stelle her an seine
jetzigen Lagerungsorte verfrachtet worden, so müssten sich die
Spuren der Wasserwirkung nach mehrfacher Richtung hin an dem-
selben erkennen lassen :
Es müssten erstens die zahllosen Bruchstücke von Fremd-
gesteinen gerollt sein. Auch gegenüber dem Einwurfe , dass der
Transport dieser Massen kein lange andauernder gewesen sei, würde
doch erwartet werden müssen, dass wenigstens ein Teil derselben,
wenigstens die weicheren von ihnen, mindestens Spuren beginnender
Abrollung zeigten. Das ist jedoch nirgends der Fall. Im Gegen-
teil. Etwas gerundet sind gerade nur die ganz harten, die Granite.
Aber diese erlangten solche Eigenschaft wie wir sahen auf andere
Weise (s. S. 13).
Sodann wäre zu erwarten, dass die zahlreichen überaus weichen
thonigen Gesteine des Jura und Keuper, sogar bei nur kurzer Ver-
frachtung, aufgelöst und von den harten Massen zerrieben worden
wären. Gerade im Gegenteil zeigen sich diese Fetzen weicher Ge-
steine aber ganz fest, eckig und kantig.
Drittens würden diese Massen , selbst bei kurzem Transporte,
einem Aufbereitungsprozesse unterworfen worden sein. Es müsste
Schichtung vorherrschen ; die grossen schweren Stücke müssten
meist zu unterst liegen; die zerriebenen thonigen Gesteine müssten
thonige Schichten geliefert haben , welche sich in Wechsellagerung
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wlirtt. 1895. 6
— 82 —
mit den feineren Tuffen und den gröberen und gröbsten Stücken
der Sedimentgesteine befänden. Auch das ist nicht der Fall: Eine
Schichtung fehlt im allgemeinen ; thonige Zwischenschichten sind nicht
vorhanden : die grösseren Weiss-Jurastücke liegen, anstatt zu unterst,
durch die ganze Masse beliebig zerstreut. Die riesigen Blöcke aber
liegen vollends fest und ganz oben auf dem Tuffe. Unmöglich könnte
selbst das wildeste Wasser diese grossen Stücke anders als auf
seinem Boden fortgerollt haben. Es befinden sich aber ausser diesen
gerade oben auf den Kuppen der Tuffberge so gewaltige Weiss-Jura-
schoUen, dass solche selbst durch die wildesten Albwasser überhaupt
nicht von der Stelle bewegt werden könnten, während sie doch jetzt
meilenweit von der Alb entfernt liegen.
Freilich, hier und da tritt vereinzelt Schichtung auf. Aber es
lässt sich zeigen, dass dieselbe wesentlich nur in den oberen Horizonten
erscheint, wo sie entstehen konnte, wenn das betreffende Maar sich
nach Aufhören der Ausbruchsthätigkeit in einen kleinen Süsswasser-
see verwandelte (s, S. 8). Wo sie aber in tieferen Horizonten auf-
tritt, da ist sie sicher subaerischer Entstehung.
In vierter Linie würden überhaupt in jetziger Zeit so grosse
Wassermassen gar nicht vorhanden sein. Wir müssten daher schon
auf diluviale Zeiten zurückgreifen, oder besser gesagt, auf Zeiten,
in welchen sich der Betreffende so gewaltige Wassermassen zur
Verfügung gestellt denkt. Es sind nämlich diese Tuffe über ein
Gebiet von 20 | [Meilen verbreitet. In diesem liegen sie nun teils
hoch oben auf der Hochfläche, teils am Abhänge derselben, teils
tief unten fast auf der Thalsohle. Ein solches Auftreten in den
verschiedensten Höhenlagen und auf so grossem Gebiete hat aber —
wenn es durch Wasser hervorgerufen sein soll — gleichzeitig zwei
verschiedene Dinge zur Voraussetzung:
Einmal müsste in der betreffenden Zeit die Oberflächengestaltung,
also auch die Thalbildung, bereits ebenso weit vorangeschritten ge-
wesen sein wie heute, denn sonst könnte der Tuff nicht auch unten
in den Thalsohlen vorkommen, sondern allein oben in grösserer
Höhe. Wäre dem so, dann könnte diese Zeit gar nicht weit hinter
uns liegen. Der Tuff hätte also dann seit seiner Entstehung in
tertiärer Zeit an seinem — gänzlich unbekannten und unauffindbaren
— gewaltigen Ausbruchsorte oben auf der Alb unberührt gelegen
haben müssen und erst in jüngst vergangener Zeit könnte er in das
Vorland hinabgeschwemmt worden sein.
Die zweite Voraussetzung aber ist die, dass der Tuff durch
— 83 —
das Wasser über dieses ganze grosse Gebiet ausgebreitet worden
sein muss. Nicht durch einzelne Flüsse und Bäche, sondern durch
eine grosse Flut, welche Höhen und Thäler desselben allgemein
überschwemmte. Da der Niveauunterschied der verschiedenen Tuff-
vorkommen aber bis zu 500 und mehr Meter beträgt, so würde diese
Flut eine mindestens ebensogrosse Tiefe besessen haben müssen.
Diese zweite Voraussetzung widerspricht aber der ersteren;
denn in jüngstvergangener Zeit haben wir sicher eine solche Flut
nicht gehabt. Sie könnte sich höchstens in diluvialer Zeit ereignet
haben. In dieser aber ist die Oberflächengestaltung noch nicht so
gewesen wie heute. Mithin kann auch aus diesem Grunde der Tuff
nicht durch Wasser verfrachtet worden sein.
Aber angenommen, er wäre doch durch eine solche diluviale
Flut abgelagert worden. In diesem Falle hätte dieselbe sich über
ein Gebiet von mehr als 20 | [Meilen erstreckt und eine Tiefe bis
zu 430 m besessen haben müssen. Mit anderen Worten, es wäre
ein grosser See in jener Gegend gewesen. Wo waren dann aber
die Ufer dieses tiefen Sees? Dieselben müssten doch rings herum
430 m hoch gewesen sein, nicht nur im S. Nun ist aber das vul-
kanische Gebiet keineswegs von hohen Rändern umgeben, welche als
Ufer hätten dienen können. Die letzteren würden also in viel weiterer
Entfernung gelegen haben müssen und wir würden auf solche Weise
zu der Annahme eines Süsswassersees von riesigem Umfange ge-
drängt. Müsste man aber in diesem Falle nicht erwarten, auch noch
andere Spuren der Ablagerungen dieses gewaltigen Wasserbeckens
zu finden, welche gleichalterig mit seinen vulkanischen Tuffen wären?
Wo sind diese? Müsste man nicht ferner erwarten, dass diluviale
Lehm- und Geröllschichten mit diesen Tuffen wechsellagerten, dass
diluviale GeröUe dem Tuffe eingebettet wären? Würden nicht auch
diluviale Tierreste in den Tuffen begraben liegen müssen?
Wie solche durch Mitwirkung des Wassers zur Ablagerung ge-
langten Tuffe sich verhalten, das zeigen z. B. die Trachyttuffe des
Siebengebirges. Dieselben sind nicht nur geschichtet, sondern ent-
halten auch häufig Gerolle von weissem Quarz, Stücke und Blöcke
von Braunkohlenquarzit und vor allem Blattabdrücke *.
Auch die basaltischen Tuffe des Vicentinischen Tertiärs sind
^ G. Maugold, Über die Altersfolge der vulkanischen Gesteine und
der Ablagerungen des Braunkohlengebirges im Siebengebirge. Inaug. -Diss.
Kiel 1888. S. 15.
6*
— 84 —
nach Oppenheim so im Wasser abgesetzt \ Gleichwie in unseren
Tuffen, so spielt auch dort der Kalk die Hauptrolle, nur dass er nicht,
wie bei uns, wesentlich dem Oberen Jura, sondern der Kreide, und
nur untergeordnet dem Jura und Eocän, entstammt. In gleicher
Weise, wie bei uns, finden sich auch altkry stalline Gesteine in den
vulkanischen Massen. Aber diese wie jene sind, wie Oppenheim her-
vorhebt, gerollt, beweisen also den Einfluss des Wassers bei der Bil-
dung der Tuffe ^.
Nichts von allen diesen Erwartungen findet sich bei uns be-
stätigt. Unsere Tuffe sind reine Tuffmassen, ganz frei von solcher
sedimentären Beimengung, wie sie durch eine Lehmflut erzeugt wor-
den wäre. Allerdings giebt Deffner an, dass „fossile" Hirschreste
und diluvialer Lehm im Tuffe gefunden worden seien. Er stellt
ausdrücklich als notwendig hin ^, dass dies „bei der genetischen Er-
klärung nicht unbeachtet bleiben" dürfe. Ich muss also darauf Bezug
nehmen. Die von Deffner angeführten Reste gehören nach ihm zu
Cervus elaphus, C. capreolus, Bos und Capra.
Ich möchte nun zunächst betonen, dass die von Deffner ge-
nannten Hirschreste unter den 121 Tuffgängen überhaupt nur bei
der Limburg No. 77 und dem Grafenberg No. 108 gefunden worden
sind. Ob die Reste diluvialen oder alluvialen Alters sind, ist hierbei
zunächst ganz gleichgültig ; denn Hirsche können ebensogut zu dilu-
*P. Oppenheim, Über das Auftreten heterogener Geschiebe in den
basaltischen Tuffen des vicentinischen Tertiärs. Zeitschr. d. deutschen geolog.
Ges. 1890. Bd. XLII. 372—375.
* Oppenheim spricht zwar stets von „Geschieben", mit welchem Aus-
druck die durch Eis fortgeschobenen Gesteinsmassen bezeichnet werden ; er meint
aber „Gerolle" , d. h. vom Wasser fortgerollte Stücke. Dass diese krystallinen
Gesteine dort nicht metamorphosiert sind, scheint mir freilich kein Beweis zu
sein gegen Schuster's Ansicht, welcher meint, sie seien aus der Tiefe mit empor-
gerissen. Auch die altkrystallinen Gesteine unserer Tuffe , die sicher aus der
Tiefe heraufgefördert sind, zeigen ganz überwiegend keine Metamorphose. Ebenso-
wenig darf das „Abgerundete" dieser altkrystallinen Gesteine im Vicentinischen
als zweifelloser Beweis für ihre einstige Verfrachtung durch Wasser gelten, denn
auch in unserem Gebiete zeigen sie — im Gegensatz zu den stets eckigen Kalken —
eine ungefähre Abrundung. Die grössere Tiefe, aus welcher sie stammen, also
der längere Weg, welchen sie mitten durch die emporgerissenen Aschenmassen
zurücklegten , vermögen solche Gestaltung zu erklären. Entscheidend dagegen
wäre eine ausgesprochene Rollung (S. 12 dieser Arbeit). Ich habe indessen jene
vicentinischen Stücke nicht gesehen, kann also keineswegs die Frage ent-
scheiden wollen.
3 Beffleitworte zu Blatt Kirchheim u. T. S. 28.
— 85 —
vialer wie zu alluvialer Zeit oben auf der damaligen Alb gelebt
haben und ihre Knochen können ebensogut früher wie später direkt
in den Maarkessel oder aber erst in eine Spalte der Alb geschwemmt
und dann beim Abbruche der Alb zusammen mit diluvialem Lehm
in den Weiss- Juraschutt gelangt sein, welcher auf den Tuff zu liegen
kam. Nun beachte man nur den Vorgang der Abtragung bei den
hart am Albrande gelegenen Maaren, deren Tuffgänge bereits an
einer Seite senkrecht angeschnitten sind, z. B. bei Erkenbrechts-
weiler No. 31, bei der Diepoldsburg und dem Engelhof No. 40 und 41.
Man sehe, wie sich hier tiefe Thäler in dem Tuffe ausfurchen, wie
von oben her der Tuff und der Weiss-Juraschutt, also auch even-
tuelle Knochen in ihm, hinab in diese Thäler rutschen. Man sehe,
wie hierbei die geschichteten Tuffe von oben her hinab auf den un-
geschichteten fallen; wie das alles bei weitergehender Abtragung
allmählich in ein immer tieferes Niveau gelangt. Bei der Limburg
No. 77 und dem Grafenberg haben sich diese Massen auf solche
Weise bereits in dasjenige des Mittleren und Unteren Braun-Jura
gesenkt. Wen kann es da wundern, wenn in den äusseren Lagen des
Tuffberges alle solche Dinge und auch Knochen durcheinander liegen.
Zum Überflusse sind aber diese von Deffner gesammelten Kno-
chen nach freundhcher Mitteilung des Herrn Prof. E. Fraas durchaus
recent und gar nicht fossil, wie Deffner glaubte.
Aus zahlreichen Gründen ersehen wir also auch
hier, dass das Wasser in Form von Flüssen, Seen oder
einer grossen Flut unmöglich an der Bildung unserer
Tuffbreccien und ihrer S chuttmäntel b eteiligt gewesen
sein kann. Aber in anderer Weise könnte möghcherweise doch
das Wasser an der Bildung mitgewirkt haben. Unsere Tuffbreccien
gleichen manchen anderen, welche man als Schlammtuffe bezeichnet.
Wir werden uns daher der Prüfung dieser Frage zuzuwenden haben.
Sind unsere Tuffe bei Urach in Gestalt von Schlammtuffen entstanden?
Wir werden später die verschiedenartige Entstehungs weise und
die Beschaffenheit der Schlammtuffe ^ betrachten.
Vergleichen wir an der Hand des dort gewonnenen Bildes unsere
Tuffmassen der Gruppe von Urach mit derartigen Schlammtuffströmen,
' Also nicht der sog. Schlammlaven, welche mit vulkanischer Thätigkeit
nichts zu thun haben, sondern der echten vulkanischen Schlammtuffe. S. den
späteren Abschnitt: „Die verschiedenen Arten vulkanischer Tuffe."
— 86 —
so zeigt sich keinerlei Übereinstimmung. In unseren Tuffen sind
noch niemals, wie dort, Reste von Tieren gefunden worden, welche
zur Zeit ihrer Entstehung gelebt hätten, welche also Zeitgenossen
jener Vulkanausbrüche gewesen wären. Allerdings finden sich bis-
weilen in den obersten Schichten der Tuffgänge, d. i. auf dem Boden
der Maare Versteinerungen (s. „Das Alter der Tuffe"). Allein diese
liegen entweder in Süsswasserschichten, welche den Tuff bedecken,
oder sie finden sich doch nur in den obersten, geschichteten, jedenfalls
später zusammengeschwemmten Tuffmassen, welche sich nach Auf-
hören der vulkanischen Thätigkeit in den nun die Maare erfüllenden
Wasserbecken absetzten. Dieselbe Überlegung aber gilt auch bezüg-
üch der pflanzlichen Reste, welche man namentlich in dem Maar
von Randeck gefunden hat. Nie haben sich zeitgenössische Lebe-
wesen in tieferen Horizonten unserer Tuffe gefunden.
Ein fernerer Unterschied zwischen den Schlammtuffen und
unseren Uracher Bildungen liegt darin , dass letztere an keinem
Orte in Gestalt eines Stromes geflossen sind, bezüghch auftreten.
Drittens ist zu betonen, dass unsere Tuffe durch ihre hohe
Temperatur ausserordentlich häufig verändernd auf ihre Einschlüsse
und in verschiedenen Fällen auch auf ihr Nebengestein eingewirkt
haben, während das bei jenen Schlammtuffströmen zum mindesten
von niemand berichtet vdrd, jedenfalls auch ganz unmöghch ist.
Wir werden mithin die Entstehung unserer Tuffmassen nicht
auf solche Schlammtuffströme zurückführen dürfen, wie wir sie z. B,
von Island, Java und Südamerika kennen. Wir werden das nicht
thun dürfen, wenn auch das Massige, Ungeschichtete, Breccienartige
unserer Tuffe den Anschein erweckt, dass hier derartige, einst breiig
gewesene Tuffmassen vorliegen. Es ist daher die Annahme unzulässig,
dass die heutige Ausfüllungsmasse unserer zahlreichen Maare und
Röhren der Gruppe von Urach etwa dadurch in diese Hohlräume
hinein gelangt sein könnte, dass an einer oder einigen Ausbruchs-
stellen entstandene Schlammtuffströme sich von oben her in diese
Hohlräume ergossen hätten, dieselben so allmählich anfüllend.
Noch viel weniger aber wird man die ganz unwahrscheinliche
Annahme machen dürfen, dass bei den so überaus häufigen, die
stattliche Zahl von 127 erreichenden Röhren und Maaren unseres
Gebietes an jeder einzelnen Stelle aus der Tiefe herauf der Aus-
bruch einer durchwässerten Asche, eines Schlammtuffes erfolgt sei.
Wohin sollte auf einem so ausgedehnten Gebiete und an so vielen
Stellen Wasser aus der Tiefe heraufgekommen sein? Die Unter-
— 87 —
suchungen der Schlammtuffströme haben im Gegenteil gelehrt, dass
noch niemals Wasser im flüssigen Zustande aus der Tiefe auch nur
eines Yulkanes zu Tage gefördert wurde. Stets war es meteorisches
Wasser, welches die breiige Beschaffenheit erzeugte.
Da nun weiter, wie wir in demselben Abschnitte sehen werden,
der Peperin wohl ebenfalls ein Schlammtuff , ist, so werden wir auch
durchaus davon Abstand nehmen müssen, unsere Tuffe der Gruppe
von Urach etwa als Peperine zu bezeichnen.
Sind unsere Tuffe als Schlammlava entstanden?
Ich habe in dem späteren Abschnitte „Die verschiedenen Arten
von Tuffen" (s. Anm. auf vor. Seite) die sogenannte „Schlammlava"
besprochen. Diese kommt gleich im durchwässerten Zustande von
unten herauf. Aber niemand wird ernstlich daran denken, unsere Tuffe
für Schlammlaven erklären zu wollen. Denn das sind nur pseudo-
vulkanische Bildungen, aus thonigen und sandigen Schichten hervor-
gegangen, welche vom Wasser zu Schlamm umgewandelt wurden.
Die treibende Kraft liegt hier in kalten oder höchstens etwas warmen
Gasen von Kohlenwasserstoff oder auch Kohlensäure. Nun giebt es
freilich eine Art von Schlammlava, ich habe sie gleichfalls erwähnt,
welche zwar pseudovulkanisch ist, aber doch echte vulkanische Tuffe
liefert; weil nämlich hier an Stelle jener Sande und Thone ganz aus-
nahmsweise einmal echt vulkanischer Tuff ansteht, welcher nun durch
jene pseudovulkanischen wässerigen Ausbrüche zu Schlamm um-
gearbeitet wird. Aber auch eine solche Bildung kann hier nicht
vorliegen, weil die Voraussetzung einer solchen früher dagewesenen
Tuffdecke fehlt.
Nun könnte man ja freilich schhessen und fragen: Wenn bei
diesen pseudovulkanischen Schlammlaven Wasser aus der Tiefe herauf-
kommt, warum soll das nicht auch bei echt vulkanischen Schlamm-
tuffen geschehen? Der Schluss wäre ein falscher: Bei jenen pseudo-
vulkanischen Bildungen kommt das Wasser aus verhältnismässig
geringer Tiefe, ist auch z. T. Oberflächen-, also Regenwasser, welches
sich in dem kleinen Pseudokrater angesammelt hat. Wie aber sollte
es bei echten vulkanischen Ausbrüchen aus der Tiefe heraufkommen?
Entweder müsste es dem Schmelzflusse, welcher ja Wasserdampf
enthält, in so ungeheuren Mengen beigemischt sein, dass der zu Asche
zerstiebte Schmelzfluss gleich als wasserdünne Aschenmasse aus-
geworfen würde. Ein ungeheuerlicher Gedanke.
Oder es müsste in Gestalt von Quellwasser aus was.'.arführenden
- 88 —
Schichten in den Kanal hineinlaufen. Wie soll man sich vorstellen,
dass auf unserem 20 | [Meilen grossen Gebiete , das in jedem der
121 jetzt tufferfüllten Kanäle stattgefunden hätte? Also ebenfalls
eine Annahme, welche man fallen lassen muss.
Nicht umsonst berichten alle Beobachter von Schlammtuffen
ganz ausdrücklich, dass c[as Wasser nie aus der Tiefe heraufgekommen
sei. Es ist das offenbar bei echt vulkanischen Ausbrüchen nicht
möglich.
Welcher Abteilung von Tuffen gehören diejenigen der Gruppe von
Urach also an?
Wir haben gesehen , dass unsere Tuffe weder mit Hilfe von
Eis noch von fliessendem Wasser gebildet sein können. Es ist also
die Abteilung der (s. später) Transporttuffe im allgemeinen
entschieden ausgeschlossen. Ein allerkleinster Teil unserer Tuffe
jedoch ist hierher zu stellen. Es sind das diejenigen der geschichteten
Tuffe, welche auf dem Boden der Maarkessel liegen, oder welche
nach der Zerstörung letzterer und Freilegung des Kopfes der Tuft-
gänge auf dem Gipfel der nun herausgearbeiteten Tuffsäulen erscheinen.
Diese Schichten sind, wie wir z. B. bei Betrachtung des Randecker
Maares No. 39 sahen, auf dem Boden der Maarseen abgelagert
worden. Das Material dazu ist offenbar geliefert worden durch
Abspülung des Tuffes, welcher auf den inneren Abhängen des Maar-
kessels lag.
Aber auch von diesen seltenen obersten Tuffschichten könnte
immerhin auch ein Teil rein subaerischer Entstehung sein, also
einen Trockentuff bilden. Insofern, als nach Erfüllung des Aus-
bruchskanales mit Tuff, die zuletzt, also im obersten Ende des
Kanales niederfallenden Auswurfsmassen, in subaerischer Schichtung
sich absetzten. Die auf dem Gipfel des Jusi hegenden Schichten
No. 55 könnten möglicherweise doch solcher Entstehung sein. Sie
sind nämlich so bedeutend mächtig, dass die Ablagerung in einem
Maarsee mir nicht recht einleuchten will. Ihre Festigkeit ist für die
Annahme einer solchen subaerischen Entstehung kein Hindernis, denn
diese ist etwas erst später Gewordenes ^ Sowohl die im Wasser
abgelagerten als auch die Trockentuffe müssen ihre Festigkeit wesent-
lich erst später erwerben. Thun sie das nicht, so bleiben diese wie
jene locker.
' s. S. 27.
— 89 —
Zweifellos sind diejenigen Tuffschichten , welche wir am Jusi
No. 55 in tieferer Lage mehrfach finden, subaerischer Entstehung,
gehören also den Trockentuffen ebenso an, wie auch die ganze übrige
Masse der, die Ausbruchskanäle füllenden Tuffe. Es klingt freilich
sehr wenig wahrscheinlich, dass derselbe zum Teil enge Kanal, aus
welchem die vulkanischen losen Massen trocken ausgeworfen wurden,
sich zu gleicher Zeit mit diesen angefüllt haben soll. Man möchte
meinen, dass das höchstens in so weiten Kanälen wie diejenigen des
Jusi No. 55 überhaupt möglich gewesen wäre ; dass dagegen in
so engen Kanälen, wie wir sie vielfach finden , während des Aus-
bruches gar nicht Raum gewesen wäre für eine Ablagerung des Tuffes.
Bei dem gewaltsamen Ausblasen der Tuffmassen musste, so sollte man
meinen, hier der ganze Kanal freigefegt werden. Und doch können
wir uns den Vorgang nicht anders vorstellen. Wegen dieser Unglaub-
würdigkeit des letzteren musste eben die Frage, ob Wasser oder Eis
mit im Spiele gewesen wären, ob etwa Schlammtuffe vorlägen, in
einer Weise ausführlich behandelt werden, welche dem Leser als
überflüssig erschienen sein mag. Aber wenn das nicht vorher doch ge-
schehen wäre, wenn ich nicht mit aller Sicherheit darauf verweisen
könnte, dass jene drei Möglichkeiten völlig ausgeschlossen sind, so würde
der Leser jetzt sofort sagen: „Ehe man so Unwahrscheinliches an-
nimmt, dass in einer engen Röhre Asche herausgeblasen wird, während
sich die Röhre zugleich mit Asche erfüllt, scheint es geratener, an eine
jener drei Möglichkeiten zu denken." Und doch giebt es offenbar keine
andere Lösung ; unsere Tuffe sind demnach Trockentuffe. Sebastian Wisse
hat am Sangay in Südamerika ^ genaue Beobachtungen über die
Häufigkeit der Auswürfe und das Verhalten der losen Auswurfsmassen
angestellt. Diese letzteren bestanden aus Asche, Lapilli und Schlacken,
also Steinen. Von den letzteren betont er die kugelige Form, welche ja
auch den Graniten der Tuffe bei Urach oftmals eigen ist, und sagt : „Sie
fallen meist wieder in den Krater zurück. " Auch Junghuhn ^ berichtet
von dem Ausbruche des Gunung-Lamongan : „Die meisten dieser
emporgeschleuderten Massen fallen jedoch wieder in den Schlund
zurück. "
Es ergiebt sich mithin aus den vorhergehenden
Betrachtungen, so unglaubhaftig das auch klingen mag,
dass der die Ausbruchsröhren des Gebietes von Urach
erfüllende Tuff, trotz des zum Teil geringen Durch-
1 Wie A. V. Humboldt, Kosmos. Bd. IV. S. 320 pp. mitteilt.
2 Java. Bd. U. S. 761.
— 90 —
messers derselben , nicht etwa n achträglich auf irgend
eine Weise in dieselben hinein gespült oder geschoben
ist. Sondern dass er die Röhre bereits während der
Ausbrüche angefüllt haben muss; so dass nur ein ganz
enger Kanal für diese offen blieb, welcher sich dann,
nach Aufhören der Thätigkeit, durch Abrutschen der
losen Massen füllte. In Mittelschottland, wo wir ganz dieselben
Erscheinungen haben, ist offenbar der Vorgang ganz derselbe ge-
wesen \ wenn auch Geikie auf denselben nicht weiter eingeht. Dort
giebt es aber tufferfüllte Röhren, welche am Durchmesser sogar noch
hinter den engsten der unserigen zurückbleiben.
Die Deutung aller ^ vulkanischen Bildungen in der Gruppe
von Urach als ehemalige Maare.
Sind unsere Ti^ifvorkommen auf der Alb wirklich ehemalige Maare und die Tuff-
gänge am Steilabfall und im Vorlande wirklich die in die Tiefe führenden
Ausbruchskanäle ehemaliger, längst abgetragener Maare? Vervollständigung
des Maarbegriffes. Gründe, welche dagegen sprechen, dass sich in unserem
Gebiete einst Aschenkegel über der Erdoberfläche erhoben.
Stehen unsere tufffreien Basaltvorkommen ^ ebenfalls in denselben Beziehungen
zu ehemaligen Maaren wie die Tuffe? Eiseniüttel, Sternberg, Dintenbühl.
Unterschied gegenüber den Tuffmaaren. Grabenstetten, Zittelstadt, Buckleter.
Die Deutung unserer Tuffvorkommen in ihrer Bezieliung zu ehemaligen
IVIaaren.
Unter den vulkanischen Bildungen der Gruppe von Urach pflegte
man bisher ganz allein das Maar von Randeck No. 39 als ein
Maar zu bezeichnen. Ich habe nun in dieser Arbeit alle übrigen
auf der Hochfläche der Alb gelegenen Tuffvorkommen ebenfalls als
Maare hingestellt. Ich habe aber auch die am Steilabfalle der Alb
und die im Yorlande derselben auftretenden Tuffgänge mit einstigen
Maaren in Verbindung gebracht? Ist das statthaft?
Aus dem Abschnitte „Die Denudationsreihe der Maare" geht un-
widerleglich hervor, dass eine solche Auffassung die richtige ist.
Unsere Tuffgänge sind nur die in die Tiefe führenden tufferfüllten
Kanäle einstiger Maare, wir können sie daher mit Recht „als Maar-
Tuffgänge" von anderen tufferfüllten Spalten unterscheiden.
^ s. später den Abschnitt: „Vergleichung der vulkanischen Verhältnisse.^
^ Mit Ausnahme einiger weniger spalten förmiger Gänge, wie z. B.
No. 126 W. von Grabenstetten.
^ s. vorige Anm.
— 91 —
Wenn das nun richtig ist, woher kommt es nun, dass nicht schon
längst eine solche Auffassung unserer vulkanischen Vorkommen Platz
ge-griffen hat ? Dass nicht schon längst unsere Gruppe von Urach als
das grösste und interessanteste bisher als solches erkannte Maar-
gebiet der ganzen Erde bekannt ist ; grösser an Zahl , reicher an
Aufschlüssen als alle anderen bisher bekannten zusammen genom-
men ; das einzige auf Erden, in welchem man bisher gleichzeitig zu
erkennen vermag, nicht nur den obersten Teil, den Kessel, sondern
auch die in die Tiefe führenden Kanäle und ihre merkwürdige Er-
füllung mit Tuff kennt ; warum hat man dieses nicht in solcher Weise
erfasst? Erstens weil unsere Maare nicht genau solche Gestalt be-
sitzen , wie man sie bisher als eine typische betrachtete, indem sie
bereits stark gealtert sind, daher ihre ursprüngliche Gestalt mehr
oder weniger verwischt ist. Zweitens weil die überwiegend grösste
Zahl unserer Maare spurlos mit der Alb verschwunden ist. Wir wollen
das etwas näher erläutern, indem wir unsere Maare der Gruppe von
Urach kurz mit denjenigen der Eifel vergleichen. Hierbei ergiebt
sich das Folgende :
Der Umriss der Eifler Maare ist sehr häufig nicht kreisrund,
sondern oval; also ganz wie in unserem Gebiete. Die Gestalt der
Maare in der Eifel ist vorherrschend eine trichterförmige; in der
Gruppe von Urach eine kesseiförmige.
Die Tiefe dieser Trichter bezw. Kessel erreicht in der Eifel
weit grössere Beträge als in unserem Gebiete.
Der Durchmesser der Trichter bezw. Kessel schwankt hier wie
dort in sehr weiten Grenzen ; einzelne Maare der Gruppe von Urach
sind aber grösser als die grössten der Eifel, das Meerfelder Maar, selbst
als der Laacher See.
Die Maare unseres Gebietes entbehren ausnahmslos des Kranzes
von Tuff und anderer, krystallisierter vulkanischer Auswürflinge, von
welchem wenigstens ein Teil jener umgeben ist; sei es, dass diese
Auswurfsmassen auf der Eifel einen richtigen erhöhten Kingwall um
den Trichter bilden, sei es, dass sie nur auf dem inneren Abhänge
des Trichters liegen. Letzteres findet sich allerdings auch bei uns.
Des weiteren findet sich in den Maaren der Alb nirgends mehr
ein den Boden bedeckendes Gewässer, wie es des öfteren auf der
Eifel der Fall ist. Vielmehr liegen bisweilen in der Tiefe der Alb
— Maare, wie auch oft in der Eifel, eine Acker- und Wiesenfläche ;
oder aber, und zwar in vielen Fällen, ein Dorf.
Endlich finden wir auf dem Boden der Alb-Maare, wenn auch
• — 92 —
bisweilen von Süsswassergebilden verdeckt, vulkanischen Tuff; und
dann diesen Tuff hinabsetzend in die Tiefe, also die Röhre erfüllend,
auf welcher er einst ausgeworfen wurde. Wogegen Derartiges bei
den Maaren der Eifel unbekannt, höchst wahrscheinlich aber genau
ebenso vorhanden ist.
Diese Unterschiede zwischen den Alb- und den Eifel-Maaren sind
also ganz unwesentlicher Natur. Aber sie haben doch zur Folge, dass
erstere nicht in demselben Masse den typischen Maar-Charakter
zeigen wie letztere. Man möchte vielleicht meinen , das komme
lediglich daher, dass die Maare der Eifel schon seit langem bekannt,
untersucht und beschrieben worden sind.
So müssten natürlich die Eigenschaften derselben den Vorrang
haben und als typische hingestellt werden.
So unbestreitbar das auf der einen Seite der Fall ist, so liegt
der Grund doch noch tiefer. Die Maare der Eifel sind wirk-
lich typischer als diejenigen unseres Gebietes, aber
wesentlich nur deshalb, weil sie meist geologisch
jünger, mithin besser erhalten sind als die unseren. Auf
der Eifel entstanden diese Bildungen in quartärer ^ Zeit, auf der Alb
bereits in mittelmiocäner. So hat sich bei unseren Maaren das Typische
bereits verwischt: Die Höhe des Maarrandes ist erniedrigt durch
Abtragung, so dass sie jetzt weniger tief erscheinen. Der Rand ist
an einer, bisweilen gar zwei Stellen durchsägt von einem Wasser-
risse. Hier und da ist der erhöht gewesene Rand sogar schon völlig
abgetragen und verschwunden, so dass nun der ursprünglich tiefste
Punkt des Maares mit der umgebenden Fläche fast in einer Ebene
liegt, d. h. es ist keine Vertiefung mehr zu erkennen. An allen
Albmaaren ist ferner der, früher vermutlich auch einmal vorhan-
den gewesene Kranz von vulkanischer Auswurfsmasse längst fort-
^ Die Angaben über dieses Alter lassen einen gewissen Spielraum, v. Dechen
(Vulkane der Vorder-Eifel S. 213, 224, 246) sagt, die Bildung der Maare in der
Eifel begann in mittelmiocäner Epoche und dauerte in spätere Zeiten hinein fort.
Pohlig sagt, die vulkanische Thätigkeit in dem Laacherseegebiet fällt der Haupt-
sache nach in diejenige Zeit, in welcher das Siebengebirgische Centrum seine
Eruptionen beschloss, — in die mitteldiluviale Interglacialperiode. (Zeitschr. d.
deutsch, geol. Ges. ßd. 43. S. 824 u. 826.) Die vulkanischen Ausbrüche in der
Vorder-Eifel fallen der Hauptsache nach in dieselbe Zeit, wie diejenigen des
Laacherseegebietes, also auch in die diluviale. Dagegen haben die Ausbrüche in
der hohen Eifel zum grösseren Teile ziemlich gleichzeitig mit denen des Sieben-
gebirges stattgefunden, nämlich zu tertiärer Zeit. Nur die Bildung der phono-
lithischen Massen dürfte der diluvialen Epoche angehören.
— 93 —
gewaschen, und zwar zum grossen Teile in die Tiefe des Maares
hinabgespült; wie er ja auch bereits bei gewissen Eifeler Maaren
fehlt. Auch von den inneren Abhängen der Trichter ist der sie einst
bedeckende Tuff meist längst in die Tiefe hinabgespült; wie das
gleichfalls in der Eifel schon an manchen Stellen begonnen hat.
Übrigens sind die Maare der Eifel keineswegs alle typisch er-
halten. Von den 26 der Vordereifel sind nur 6 noch rings ge-
schlossen. 11 haben ein Abflussthal. Bei 5 anderen bestehen ein
Abfluss- und ein Zuflussthal. Bei 5 weiteren ist die ümwallung nur
noch teilweise erhalten. Also ganz wie bei uns!
Haben auf solche Weise die Maare der Alb den eigenartigen,
typischen Anblick, welcher diesen Gebilden zukommt, bereits zum
Teil verloren, so ist ihnen auf der anderen Seite durch die Erosion
auch wieder ein Gewinn erwachsen, welcher sie nicht nur vor den
Maaren der Eifel, sondern vor allen anderen bisher bekannten Maaren
der Erde auszeichnet: Die Erosion hat die in die Tiefe führenden,
tufferfüllten Kanäle freigelegt, welche offenbar eine allgemeine, bis-
her nur unbekannte Eigenschaft aller Maare sind.
Ein Maar ist nach der bisherigen Erklärung eine trichterförmige
Vertiefung, ein Explosionskrater. Dieser setzt aber natürhch irgend
einen Ausbruchsweg der explodierenden Gase voraus. W^ie dieser
beschaffen ist, wusste man bisher nicht. Ob das ein rundlicher
Kanal oder ein spaltenförmig schmaler Schlitz ist oder ob die Erd-
rinde hier nur zertrümmert ist, so dass gar kein fest umgrenzter
Hohlraum vorliegt; ob also nur zertrümmertes, aber sonst in situ
gebliebenes Durchbruchsgestein den Weg der Gase kennzeichnet oder
ob derselbe mit Tuffbreccie oder gar mit Basalt erfüllt ist — das
war unbekannt.
In unserem Gebiete von Urach lernen wir 127 solcher Durch-
bruchskanäle von Explosionskratern, also von Maaren, kennen. Wir
sehen nun aber oben auf der Alb, bei zweifellosen, gut erhaltenen
Maaren, durchaus keine ausgesprochenen Trichterbildungen, sondern
vielmehr Kessel auftreten ; d. h. wir haben hier Ausbruchskanäle,
deren oberes Ende nicht, wie man bisher als typisch annahm, sich
stark trompetenförmig erweitert, sondern in höherem Grade denselben
Durchmesser behält, wie in der Tiefe ; also Kanäle mit senkrechten
Wänden, welche sich bei der Mündung gar nicht oder doch nicht
so stark und plötzlich erweitern , sondern diese Erweiterung aus
grösserer Tiefe, also viel allmählicher bilden. S. später: „Die Ge-
stalt der Maarkanäle."
— 94 -
Da nun unsere Bildungen der Gruppe von Urach aber echte
Explosionskratere, mithin Maare sind, so folgt, dass erstens scharfe
Trichterbildung nicht notwendig zum Begriffe eines Maares gehört,
dass aber umgekehrt das Vorhandensein eines Kanales von rund-
lichem oder ovalem Querschnitte notwendig zu diesem Begriffe ge-
hört. Wir müssen also eine Vervollständigung des Maarbegriffes in
der folgenden Weise vornehmen:
EinMaar besteht aus einem, wohl meistmit Tuff\
selten mit festem Eruptivgestein^ erfüllten Ausbruchs-
kanale rundlichen oder ovalen Querschnittes, dessen
oberes Ende entweder stark erweitert, trichterförmig
ist, oder aber wenig erweitert, also kesseiförmig ist,
oder endlich gar keine Erweiterung besitzt. Damit
aber sind wir bei einer einfachen Röhre angelangt. Ob
diese dann ganz bis an den Rand hin mit Tuff bezw.
Basalt erfüllt wurde oder ob der oberste Teil der Röhre
leer blieb, so dass hier eine Kessel- bezw. Trichter-
bildung in die Erdoberfläche eingesenkt erscheint,
das ist nebensächlich, weil zufällig; denn die Tiefe
eines Kessels ist etwas ganz Relatives. Ist das aber
der Fall, dann giebt es gar keinen Unterschied mehr
zwischen einem Maare und einem Tuff- (oder Basalt-)
erfüllten Gange rundlichen Querschnittes, soweit diese
Füllmasse von Anfang an in der Erdrinde verblieb,
nicht aber als Berg über derselben aufgeschüttet
wurde. Es giebt dann Maare mit Trichter, solche mit
Kessel, endlich auch solche ohne Trichter oder Kessel.
Dagegen beginnt der Begriff des echten Vulkanberges
sofort dann, wenn der Tuff bezw. Basalt eine Auf-
schüttung auf der Erdoberfläche bildet. Wird ein solcher
Berg dann abgetragen, dann erscheint in der Mitte seiner Grund-
fläche ganz derselbe Tuff- oder Basaltgang rundhchen Querschnittes
wie dort; und es lässt sich nun gar nicht mehr entscheiden, ob wir
die Röhre eines ehemaligen Maares oder eines früheren kleinen
Vulkanberges vor uns haben.
Möglich wäre es, dass in unserem Gebiete Grabenstetten No. 11
^ D. h. mit Tuffbreccie, bestehend aus vulkanischer Asche und zerschmetter-
tem durchbrochenem Gesteine. S. „Die Beschaffenheit unserer Tuffe" S. 1.
2 Dies ist bereits ein etwas höheres Entwickelungsstadium des Vulkanes.
S. später „Über Maare im allgemeinen".
— 95 —
und Hülben No. 12 derartige, von Anfang an kessellose Maare, also
bis an den Rand erfüllte Röhren waren. Da nämlich in Graben-
stetten der Tuff in einer Ebene mit der höchsten Weiss-Juraschicht,
C, liegt, so kann der Kessel unmöglich sehr tief gewesen sein, denn c
war auch damals schon die oberste Schicht der Alb.
Man wird die Ansicht, dass alle unsere Tuffgänge mit Maar-
kesseln in Verbindung gestanden haben, vielleicht bestreiten und
meinen wollen, anstatt der Maarkessel hätten sich an vielen Stellen
Aschenkegel über den Tuffgängen erhoben. Also richtige , auf der
Erdoberfläche aufgeschüttete Vulkanberge, aber noch ohne Lava-
ströme, mithin ein bereits etwas über den Maarzustand hinaus fort-
geschrittenes Ent wickelungsstadium .
Ich habe an anderer Stelle auseinandergesetzt, dass der in die
Tiefe führende Ausbruchskanal eines solchen Aschenberges ganz ebenso
mit Tuff erfüllt sein wird, wie derjenige eines Maares; denn zu-
sammenhängender Schmelzfluss ist ja dem Berge nicht entströmt,
es ist daher bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich, dass der-
selbe auch nicht die oberen Teile des Ausbruchskanales erfüllt hat,
sondern in der Tiefe geblieben ist. Bevor ich unser vulkanisches
Gebiet so genau kennen gelernt hatte , wie das jetzt der Fall ist,
hatte ich mir gleichfalls die Vorstellung gebildet, dass sich über
den Tuffgängen einst Aschenberge erhoben hätten. Indessen der
Gründe, welche gegen solche Auffassung sprechen, sind die folgenden :
An einer ganzen Anzahl von Stellen haben wir oben auf der
Alb noch heute entweder ziemlich wohl erhaltene oder doch in ihren
Überresten deutlich erkennbare Maarkessel. Unsere vulkanischen
Erscheinungen sind aber nicht nur höchst eigenartig, sondern auch
durchaus einheitlicher Natur. Überall genau dieselbe Beschaffenheit
der Tuffbreccien, überall genau dieselbe Lagerungsweise der letzteren
in Form von Gängen rundlichen Querschnittes. Nirgends auch nur
eine einzige oben aufgelagerte Tuffmasse, trotz der so sehr grossen
Zahl von Tuffpunkten. Bei so völhger Einheitlichkeit wird es daher
überaus wahrscheinlich, dass auch in diesem fraglichen Punkte Ein-
•heitlichkeit geherrscht hat. Sehen wir also noch heute bei einer
grossen Zahl von Tuffpunkten Maarkessel , wenn auch mehr oder
weniger im Zustande von Ruinen, so wird es von vornherein wahr-
scheinlich, dass auch an allen Stellen solche Kessel vorhanden
gewesen sein werden.
An einigen anderen Stellen sodann , an welchen letztere auf
der Alb nicht mehr vorhanden, abrasiert sind, an welchen also der
— 96 —
Tuffgang jetzt zu ebener Erde mündet, finden sich doch Reste von
Versteinerungen, welche zweifellos darthun, dass hier einst ein See,
also auch ein Maarkessel, vorhanden war. Selbst nämlich das Vor-
kommen von tertiären Land Schnecken, wie Helix, in den obersten
Schichten eines solchen, jetzt zu ebener Erde mündenden Tuffganges
bew^eist unwiderleglich, dass sich hier niemals ein Tuffberg über
dieser Stelle erhoben haben kann. Denn wie sollten in das damalige
Innere eines solchen Berges Landschnecken gekommen sein; an die-
jenige Stelle, an welcher die Tuffröhre oben mündet und der, rings
um deren Mündung aufgeschüttete Tuffberg mit grösserer Grund-
fläche als diese beginnt? Selbst das Vorkommen von tertiären Land-
schnecken und Säugetieren in oder auf dem Tuffe thut uns mithin
das ehemalige Vorhandensein einer Vertiefung, eines Maares dar,
auf deren Boden jene Tuffröhre mündete ^.
Drittens: Endlich aber finden wir nirgends auf der Alb auch
nur einen winzigen Überrest eines ehemaligen Vulkanberges. Nirgends
bilden unsere Tuffmassen auf der Alb Erhöhungen, überall liegen sie
nur in vertieften oder ebenen Stellen. Nun ist der Tuff recht hart;
er ist sehr wohl im stände Berge zu bilden. Das sehen wir ja im
Vorlande der Alb, in welchem er sich bei der Erosion fast überall
die Gestalt von Erhöhungen gegenüber den anderen Gesteinen,
welche er durchsetzt, zu erringen wusste. Auch am Steilabfalle der
Alb, im Weiss- Juragebiete , ragt er, aber auch nur infolge späterer
Herausarbeitung , nicht selten schroff' empor : Konradsfels No. 47,
Ulmereberstetten No. 61, Buckleter No. 57, Karpfenbühl No. 65,
Bürzlenberg No. 68, Kugelbergle No. 69, Burgstein No. 70. Warum
also bildet er nicht an einer einzigen Stelle oben auf der Alb heute
eine Erhöhung? Weil er niemals eine solche gebildet hat, das ist
die einzige befriedigende Erklärung.
Nur bei der Teckburg No. 34 Fig. 8 bildet der Tuff einen
kleinen Buckel. Es ist aber zweifellos, dass er diese Gestalt nur
dadurch erlangt hat , dass auf dem schmalen Grate , auf welchem
dieser Gang auftritt, zu beiden Seiten des letzteren die ihn ein-
schliessenden Weiss-Jurakalke abbröckelten und in die Tiefe stürzten,
so dass der Kopf des Ganges nun etwas erhöht herausschaut. Ganz
hinfällig wäre auch die Ansicht, dass ja der Basalt des Dintenbühl
No. 36 und Sternberg No. 37 oben auf der Alb als Berge empor-
ragten. Nicht der Basalt bildet dort einen Berg, sondern der Weiss-
* Über die Versteineruusen s. „Das Alter der Tuffe".
— 97 —
Jurakalk, in welchem der Basalt aufsetzt, thut das ; und diese beiden
Berge sind nichts anderes als Erosionsreste der einst höher gewesenen
kalkigen Hochfläche. Dieselbe Überlegung aber gilt vom Basalte
des Eisenrüttel No. 38, welcher nur an der SO. -Seite darum als
kleine Erhöhung aufragt, weil an dieser Seite durch breite Thal-
bildung der ihn einschliessende Kalk entfernt wurde.
Wir sehen also, dass heute oben auf der Hochfläche nicht ein-
mal der Basalt Berge oder auch nur Reste ursprünghcher Berge
bildet, geschweige denn der Tuff. Das aber ist sicher ebenfalls ein
Beweis dafür, dass das auch ursprünglich nicht der Fall gewesen
ist. Allerdings könnte man einwerfen, dass der Tuff ursprünglich
nicht so hart gewesen ist, sondern eine losere Masse bildete, daher
die etwa aus ihm gebildeten Berge leichter durch die abtragenden
Kräfte beseitigt werden konnten. Dem gegenüber möchte ich auf
die Tuffmassen des Hegau verweisen (s. 1894 S. 674 und 669 ^). Dort
wird ungefähr dieselbe Regenmenge ^ fallen wie in der Gegend von
Urach. Trotzdem sind dort mächtige Tuffmassen und Tuffberge
erhalten geblieben. Warum also nicht auch auf der Alb ? Wiederum
kann die Antwort nur lauten : „Weil auf der Alb niemals aufgeschüttete
Tuffberge vorhanden gewesen sind."
Man sieht also, dass von allen Einwürfen, welche meiner An-
sicht von der Maarnatur gemacht werden könnten, höchstens der
übrig bleiben könnte, dass hier und da ein ganz kleiner, daher jetzt
völlig beseitigter Tuffhügel vorhanden gewesen sein mag. Diese
Behauptung kann ich nicht widerlegen. Ich habe mir natürlich selbst
diesen Einwurf gemacht, halte ihn aber nicht für sehr einleuchtend.
Offenbar handelt es sich bei unseren Ausbrüchen nur um eine kurze
Explosion. So kurz, dass nirgends ein Lavastrom (s. 1894 S. 990)
ausgeflossen ist, obgleich doch an mehr als 130 Punkten Ausbruchs-
versuche stattfanden, also überreichliche Gelegenheit dazu vorhanden
gewesen wäre. So kurz, dass unter dieser gewaltigen Zahl von
Ausbruchsstellen nur einige wenige sind, an welchen der Schmelz-
fluss die Zeit fand, bis nahe an die Oberfläche der Alb zu steigen;
in allen übrigen Fällen blieb er unten in der Tiefe (s. später). Wir
haben also, und darin liegt eben das so überaus Eigenartige unseres
Gebietes, trotz der ganz gewaltigen Zahl von Ausbruchsstellen in
unserem Gebiete, doch überall nur ein kurzes Eintagsleben des
' Welche allerdings etwas jünger sind als diejenigen bei Urach.
- Über die Wichtigkeit derselben bei der Abtragung s. 1894 S. 543 pp.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 189B. 7
— 98 —
Vulkanismus. Unter solchen Umständen aber ist es von vornherein
ganz unwahrscheinlich, dass es zur Aufschüttung von selbst nur
kleinen Aschenbergen gekommen ist.
So wird es im höchsten Masse wahrsch einlich, dass
oben auf der Alb keine aufgeschütteten Aschenberge,
sondern nur Maarkessel vorhanden waren. Was aber
von diesem noch stehengebliebenen Teile der Alb gilt,
das wird wahrscheinlich auch von dem bereits abgetra-
genen Teile derselben, also von den Tuffgängen im
heutigen Vorlande der Alb, gelten. In um so höherem
Grade, als auch hier — wenn auch ganz vereinzelt,
weil ja die oberen Teile der Tuffsäulen abgetragen
sind — Stücke' von im Wasser geschichtetem Tuffe
sich finden.
Die Deutung der Basaltmassen unseres Gebietes in ihrer Beziehung
zu ehemaligen Maaren.
Wohl ist seiner Zeit bereits kurz bei der Beschreibung der
drei Basaltmassen No. 36, 37, 38 gesagt worden, warum man dieselben
notwendig als Maare betrachten muss. Es erscheint aber doch nötig,
dies hier in ausführlicherer Weise noch zu begründen.
Wir haben gesehen, dass alle unsere Tuffvorkommen in Form
senkrechter Gänge von meist rundhchem oder ovalem Querschnitte
auftreten, dass alle diese Gänge ehemals zu Maaren in Beziehung
standen; dass die betreffenden Ausbruchskanäle also an der Erd-
oberfläche in Form von tiefen bis ganz flachen Maarkesseln mündeten,
welche z. T. noch vorhanden, z. T. aber längst abgetragen sind.
Ausser diesen 121 Tuffgängen treten aber in unserem Gebiete
noch 18 bezw. 22 Basaltgänge (s. die Anmerkung) auf. Der grössere
Teil derselben, nämhch 12, setzt in den obengenannten Tuffgängen
auf, tritt aber dort an Masse gegenüber derjenigen des Tuffes weit
zurück. Durch seine Verbindung mit den Tuffgängen ist natürlich
der Zusammenhang dieser 12 Basaltgänge mit ehemahgen Maaren
zweifellos erwiesen.
Es bleiben jedoch noch 6 weitere Basaltmassen, welche nicht
in Tuffgängen aufsetzen, sondern allein für sich, ohne Tuff erscheinend
Hierher gehören die vier auf der Hochfläche der Alb, südlich von
Urach auftretenden Basaltmassen des Eisenrüttel No. 38, Sternberg
1 Über diese Stücke s. S. 20—23.
2 Nur der Gang im Buckleter No. 127 wird von ein wenig Tuff begleitet.
— 99 —
No. 37, Dintenbühl No. 36, sowie der lange, schmale, plattenförmige
Gang bei Grabenstätten No. 126. Zwei weitere Massen finden sich
in zwei in diese Hochfläche einschneidenden Thälern nahe bei der Stadt
Urach: Im Ermsthale am Buckleter No. 127 und No. 125 in dem
Zittelstadtthale ^. Bei diesen Basaltmassen gilt es nun ebenfalls
die Frage zu entscheiden, ob sie in Beziehungen zu Maaren stehen
bezw. standen oder nicht.
Ich beginne mit der Besprechung der grössten Basaltmasse
unseres Gebietes, derjenigen des Eisenrüttel No. 38, welche an der
Erdoberfläche einen Flächenraum von 7 — 8 ha einnimmt. Auf der
NW.- bis SW.-Seite steckt diese Masse, wie wir 1894 S. 982 sahen,
noch ganz im Weiss-Jura e drinnen. Auf den anderen Seiten ist
letzterer bereits etwas abgeschält worden, so dass hier Weiss-Jura-
Berge den Basalt in einiger, aber geringer Entfernung umgeben.
Wie haben wir dieses Vorkommen aufzufassen? Man könnte
zunächst daran denken , dass sich einst hier ein echter Vulkanberg
auf der Alb aufgebaut hätte mit einem Aschenkegel und dem Krater
an der Spitze desselben. Nach dessen Zerstörung wäre nun der
innere basaltische Kern herausgeschält und freigelegt worden, wie
wir das an vielen Orten sehen. Man könnte aber auch sich vor-
stellen, dass an dieser Stelle der Alb, wie an so vielen anderen
derselben, ein einfacher Explosionskrater, ein Maar vorhanden war.
Der Kessel desselben wäre abgetragen, wie ebenfalls so häufig in
unserem Gebiete der Fall , und der mit Basalt erfüllte Ausbruchs-
kanal steckte nun seinen Kopf an der Erdoberfläche heraus. End-
lich könnte dieses Vorkommen ein einfacher Basaltgang sein, welcher
nie mit einem Maare in Verbindung stand. Was ist das Richtige
oder doch Wahrscheinlichere?
Nichts deutet darauf hin, dass sich an der Stelle des Eisen-
rüttel einst ein richtiger Vulkankegel erhoben hat. Nicht die leiseste
Spur eines solchen hat sich erhalten. Nun sind freilich auch an
vielen anderen Orten der Erde solche Vulkanberge spurlos ver-
schwunden. Aber es ist dann der im Innern derselben steckende
feste Kern in Gestalt eines Basalt-, Trachyt- oder Phonolithkegels
herausgearbeitet worden , welcher sich nun über das umgebende
Gelände erhebt und mit einem dünnen, stielförmigen Gange in der
Tiefe wurzelt. Ein solcher Kern liegt hier aber durchaus nicht
vor. Unser Basalt steckt vielmehr noch von der NW.- bis zur SW.-
^ Vier andere Basaltgäuge siud fraglich.
7*
— 100 —
Seite ganz im Weiss-Jura drinnen, er erhebt sich hier nicht im
mindesten über die Hochfläche, und nur an der SO.- Seite ragt er
als kleine Kuppe hervor, weil hier der ihn hoch überragende Kranz
von Weiss-Jura durch Thalbildung abgetragen und unterbrochen ist.
Es ist also ein einfacher Basaltgang, und die Annahme, dass hier
einst ein echter "Vulkanberg auf die Alb aufgesetzt gewesen wäre, ent-
behrt jeglicher Stütze, daher werden wir sie verwerfen müssen.
Nun bleiben zw^ei verschiedene Möglichkeiten übrig : Unser
Gang ist entweder die einfache Ausfüllung einer Spalte, oder er ist
der in die Tiefe hinabsetzende basalterfüllte Ausbruchskanal eines
einstigen Maarkessels. Betrachten wir den ümriss unserer Basalt-
masse, so ergiebt sich ein ungefähres Oval. Unserem Gange liegt
mithin keine langgestreckte Spalte zu Grunde, wie das z. B. bei
dem Basaltgange bei Grabenstetten No. 126 und an zahlreichen Orten
der Erde der Fall ist. Vielmehr haben wir einen Ausbruchskanal
ungefähr rundlichen Querschnittes vor uns. Derartige Kanäle aber
sind für unser Maargebiet ausserordentlich kennzeichnend, wir finden
sie hier in mehr als hundertfacher Wiederholung, und es ist mehr als
wahrscheinlich, dass sie alle einst mit Maaren in Verbindung standen.
Wir werden daher am ungezwungensten unseren Gang am
Eisenrüttel erklären können durch die Annahme, dass derselbe eben-
falls einst zu einem Maare in Beziehung stand. Die Kesselwand
des letzteren ist an der NW.- bis zur SW.-Seite, sowie im SO. durch
Thalbildung, abrasiert, wie das ja so vielfach bei uns der Fall ist;
der in die Tiefe hinabführende Gang ist übrig geblieben. Nun ist
freilich der letztere hier mit Basalt erfüllt, während die Füllmasse
in unserem Gebiete fast immer aus Tuff besteht. Allein das kann
unmöglich ein Grund gegen die obige Annahme sein, denn das ist
etwas Nebensächliches. Sehen wir ja doch in einer freilich nicht
grossen Zahl von Fällen, dass in unseren Tuffgängen wiederum
Basaltgänge aufsetzen. Letztere müssen natürlich nach der Tiefe
hin immer dicker werden und zuletzt den Tuff ganz verdrängen,
so dass dort die Füllmasse in der Tiefe nur aus festem Gestein be-
steht, ganz wie das hier bis zur Oberfläche hin der Fall ist. Warum
soll nicht auch einmal der Basalt höher hinaufgestiegen sein und
die Röhre bis auf den Grund des Maarkessels hin erfüllt haben?
Eine solche Annahme aber scheint mir zur Gewissheit zu
werden, wenn wir unsere Blicke auf zwei benachbarte Basaltmassen
werfen ; diejenige des Sternbergs No. 37 und des Dintenbühl No. 36.
Dort finden wir das in Wirklichkeit, was wir hier nur annehmen
— 101 —
konnten, nämlich kesseiförmige Bildungen, wenn auch nicht mehr
ringsum erhalten. Wie wir bei unseren übrigen Maaren alle Ab-
tragungsstadien vom fast vollkommen erhaltenen Kessel bis zum
völlig abrasierten Schritt für Schritt verfolgen können, so haben
wir auch hier eine solche Reihe. Entsprechend der kleinen Zahl
der Basaltvorkommen ist sie natürlich nur klein. Sie lautet:
Dintenbülil mit vorzüglich erhaltenem Maarkessel, nur die W.-
und NW.-Wand fehlt.
Sternberg mit ebensogut erhaltenem, nur die W.-Wand ist
durchbrochen und der Kessel bereits sehr flach.
Eisenrüttel mit viel stärker abgetragenem Kessel, so dass der
den Ausbruchskanal füllende Basalt z. T. schon aus ebenem Boden
herausschaut. Man mag sich gegen eine solche Vorstellung sträuben,
wie ich das gethan habe. Wenn man aber logischer Schlussfolgerung
sich nicht widersetzen und die Erosionsreihe unserer Maare nicht
verkennen will, dann wird man zu solchem Schlüsse gedrängt.
QuENSTEDT erklärt nun freilich die kesseiförmigen Bildungen
am Sternberg und Dintenbühl für Kratere, er sieht also in diesen
Vorkommen echte Vulkane. Aber der Krater eines solchen liegt an
der Spitze oder auf den Flanken des kegelförmigen Berges, welchen
letztern die Natur aus vulkanischem Materiale sich selbst auf die
Erdoberfläche aufgeschüttet hat. Davon ist hier jedoch gar keine
Rede. Zwar sehen wir auch hier Berge ; aber dieselben bestehen
aus Kalk, sie sind also nur durch die Erosion aus der Hochfläche
herausgenagte Höhen. Wir haben mithin am Sternberg und Dintenbühl
einfache Löcher, welche in die aus Weiss- Jura s bestehende Erd-
oberfläche gesprengt sind, also zweifellose Explosionskratere, Maare,
embryonale Kratere.
Es ist daher auch die Annahme, dass etwa über dem Stern-
berg No. 37 und Dintenbühl No. 36 früher einmal ein echter Vulkan-
kegel aufgetürmt gewesen sein könnte, durchaus hinfällig. Man
denke sich das einmal; stelle sich dann vor, dass derselbe gänzlich
abgetragen worden wäre. Dann würden wir hier eine ebene Erd-
oberfläche haben, nicht aber eine so sauber reingehaltene Kessel-
bildung, welche beim Dintenbühl noch eine ganz ansehnliche Tiefe
besitzt.
Aus allen diesen Gründen folgt mithin, dass die
drei auf der Hochfläche der Alb gelegenen basaltischen
Vorkommen des Dintenbühl No. 36, Sternberg No. 37
und Eisenrüttel No. 38 ebenfalls als Maare zu betrachten
— 102 —
sind, deren Ausbruchskanäle mit Basalt anstatt mit
Tuff erfüllt wurden.
Und doch macht sich ein auffallender Unterschied zwischen
der grossen Schar unserer anderen Maare und diesen dreien geltend.
Fassen wir alle anderen unserer Maare ins Auge: Indem ihre Aus-
bruchskanäle durch die Erdrinde gebohrt wurden, musste diese
letztere aus dem Kanäle herausgeblasen werden. Im zerschmetterten
Zustande finden wir sie in den Tuffen wieder, welche diese Kanäle
füllen. Warum finden wir sie nicht auch in den Basalten wieder,
welche am Sternberg, Dintenbühl und Eisenrüttel die Kanäle füllen ?
Zwar einzelne Kalkstücke zeigen sich hier und da eingeschlossen in
unseren Basalten. Aber was will das sagen gegenüber der ungeheuren
Menge zerschmetterten durchbrochenen Gesteines in unseren Tuffen.
Woher dieser Unterschied ? Eine Antwort liegt nahe : In allen
übrigen Fällen waren grosse Gasmassen im Spiel. Die zahllosen
Explosionen derselben bohrten nicht nur den Kanal, sondern ver-
hinderten auch die Basaltlava als Ganzes in die Höhe zu steigen,
indem sie die jeweiligen oberen Schichten derselben unaufhörlich
zerschmetterten. Daher hier die Tuffbildung. In jenen drei Fällen
des Sternberg, Eisenrüttel und Dintenbühl dagegen war ein minde-
res Mass explodierender Gase in Thätigkeit. Daher hier gar keine
Aschenbildung, sondern ungehindertes Aufsteigen des Schmelzflusses.
Denn an Verschiedenheiten des letzteren kann das nicht liegen;
dieser ist in den Tuffen derselbe basaltische wie in den Basalten.
Diese Erklärung leuchtet ein; aber der Kanal musste doch erst ge-
bohrt werden und das war nur mit Hilfe explodierender Gase mög-
lich , wie bei Besprechung der Entstehung unserer Ausbruchskanäle
gezeigt wird. Die Frage bleibt daher immer noch: Wo blieben denn
die herausgeblasenen Granite und Schichtgesteine? Wir müssen wohl
annehmen, dass die mit Gewalt hochsteigende Lavasäule diese lose
Füllmasse des Kanales vor sich her in die Höhe geschoben, dass sie
sich das Rohr später gereinigt hat. Vielleicht ist auch das Auf-
steigen des Schmelzflusses in dem letzteren so schnell gleich nach
dem Ausblasen des Kanales erfolgt, dass sich in diesem wenig loses
Material anhäufen konnte, so dass der aufquellende Schmelzfluss
leichtes Spiel hatte. Der grösste Betrag des zerschmetterten durch-
brochenen Gesteines wird aus der Röhre herausgeworfen sein und
ist, als lose Masse, jetzt längst beseitigt, der Erosion zum Opfer ge-
fallen. Freilich oben auf dem Kopfe unserer drei Basaltgänge möchte
man gern zur Bestätigung der Wahrheit dieser Auffassung doch
— 103 —
noch etwas von einer solchen Kappe zerschmetterten Materials finden.
Am ersten müsste das beim Sternberg und Dintenbühl der Fall sein,
in deren Kesselbildungen dies Material ja erhalten geblieben sein
könnte. Allein beide Kessel sind nicht mehr völUg geschlossen, jeder
hat ein ihn entwässerndes Abflussthal, welches beim Dintenbühl sogar
eine mächtige breite Lücke im Walle darstellt. Durch diese Pforte
kann natürlich längst der lose oben auf dem Kopfe der Basaltgänge
liegende Schutt herausgefegt worden sein. Überdies finden sich im
Ackerboden des Maarkessels am Dintenbühl Weiss- Jurastücke , die
vielleicht solcher Herkunft sind.
Eines wolle man nicht verwechseln: Unsere Tuffmassen im
Vorlande der Alb sind mit dicken Schuttdecken bekleidet, in welchen
geradezu riesige Blöcke, ganze Fetzen von Weiss-Jura liegen. Der-
artige Riesenblöcke müssten, so könnte man fordern, doch auch im
Kessel des Dintenbühl und Sternberg hegen gebheben sein. Allein
ich habe gezeigt, dass diese Schuttmäntel ^ unserer Tuffberge im Vor-
lande der Alb nicht etwa aus zerschmettertem, bei der Entstehung
des Ausbruchskanales in die Höhe geworfenem Materiale bestehen,
sondern dass ihre Bildung nur durch die Abtragung der Alb hervor-
gerufen wurde. Der Schuttmantel bildet sich aus den letzten Resten
des Nebengesteines, welches unsere Tuffgänge einst umkleidete, aus
den letzten Resten der Alb. Da wir uns nun bei dem Dintenbühl,
Sternberg und Eisenrüttel noch hoch oben auf der Alb befinden,
werden wir auch nicht fordern dürfen, dass wir den aus den letzten
Resten der Alb erst entstehenden Schuttmantel mit seinen Riesen-
blöcken oben auf dem Kopfe unserer Basaltgänge finden könnten.
So ganz fehlt übrigens zerschmettertes durchbrochenes Gestein
nicht auf diesen drei Basalten. Ich erwähnte schon der Kalkstücke
im Kessel des Dintenbühl. Auf oder besser in dem Eisenrüttel liegen
gleichfalls Weiss-Jurakalkstücke ; und Qdenstedt fand dort sogar
eine Gneissscholle.
So haben wir auch diesen Einwurf, welcher der oben vor-
getragenen Deutung unserer drei Basaltvorkommen als Stätten
einstiger Maare im Wege zu stehen schien, widerlegen können. Die
obige Deutung wird daher als die wahrscheinlichste zu Recht be-
stehen bleiben, und wir werden folgern dürfen:
Die ganz über wiegende Mehr zahl der Maare unseres
Gebietes, nämlich 121, ist durch eine Tuff-Füllmasse
ihrer Ausbruchskanäle gekennzeichnet; eine ver-
1 s. S. 33.
— 104 -
schwindende Minderzahl, mit Sicherheit zunächst nur
3, durch eine feste Basaltfüllung derselben ganz^ ohne
Tuffbegleitung. Dass eine solche Deutung dieser Basalt-
gänge als Maar-Kanäle das Richtige trifft, geht aber
weiter daraus hervor, dass z. B. in der Hohen Eifel",
im Maar des grossen Weihers an 9 verschiedenen Punk-
ten, allerdings nur im nördlichen Teile desselben, Basalt
nachgewiesen worden ist. Es ist das eben nur eine etwas
höhere Entwickelungsstufe.
Wir haben aber nun noch 3 andere Basaltgänge in unserem
Gebiete, welche mehr oder weniger ohne Tuffe auftreten. Wir
werden auch diese auf die obige Frage hin zu deuten haben.
Oben auf der Hochfläche der Alb liegt nur noch ein einziger
Gang, das ist der bei Grabenstetten auftretende No. 126. Dieser
etwa 1 km lange, nur 2 m breite Gang ist selbstverständlich die
Ausfüllung einer entsprechend gestalteten Spalte ; er hat also mit
einem Maare nie in Verbindung gestanden.
Dann finden wir im SO. von Urach das kleine Basaltvorkom-
men in der Zittelstadt No. 125. Bei der winzigen Grösse des Auf-
schlusses lässt sich nichts über dasselbe sagen.
Wie dieses so liegt auch das dritte, im Buckleter No. 127,
nicht mehr auf der Hochfläche, sondern bereits unten im Thale, und
zwar im obersten Braun- Jura. Hier zeigt sich etwas Tuff an der
nördlichen Wand des Ganges. Wir werden daher diesen Basaltgang
als einen der in einem Tuffgange aufsetzenden Basaltgänge betrachten
dürfen ; nur dass in diesem Falle hier unten, in der Tiefe des Oberen
Braun-Jura, der Tuff bereits fast ganz durch das feste Basaltgestein
verdrängt ist, während er in den anderen Fällen noch in grössere
Tiefe hinabreicht. Das ist jedoch nebensächlich. Auch im Basalt-
gange des Buckleter No. 127 werden wir daher wohl
den Ausbruchskanal eines einstigen Maares erblicken
dürfen. Genau dasselbe aber gilt natürlich von allen
anderen 12 unserer Basaltgänge; denn diese zeigen
sämtlich nur ein untergeordnetes Auftreten festen Ge-
steines inmitten bedeutend mächtigerer Tuffgänge,
weichesicher einst mitMaaren inVerbindungstanden.
' Ob der Sternberg nicht doch auch etwas Tuif besitzt, lasse ich dahin-
gestellt. Zur Zeit war das nicht zu erkennen.
^ V. Dechen, Geognostischer Führer zur Viükanreihe der Vordereifel.
Bonn. 1861. S. 196.
— 105 —
Die Gestalt der Maarkessel und der Ausbruchskanäle in
der Gruppe von Urach.
Die Maarkessel unseres Gebietes. Durchmesser. Tiefe, Randwall.
Die in die Tiefe hinabsetzenden Ausbruchskanäle der Maare unseres Gebietes.
Runder oder ovaler Querschnitt. Bleibt der Durchmesser der Röhre oben und
unten gleich ? Gegenüber den Gängen nmdlichen Querschnittes steht nur eine
verschwindende Minderzahl langgestreckt spaltenförmiger. Der auffallend drei-
eckige Umriss des Jusiberges. Gänge unregelmässigen Querschnittes; entstanden
durch Zusammenfliessen zweier dicht benachbarter Röhren oder durch Höhlen-
bildung? Möglichkeit einer Täuschung über die Form des Querschnittes und
die Mächtigkeit von Gängen bei senkrechtem Anschnitte letzterer. Nah benach-
barte und Zwillings-Maare bezw. -Maartuffgänge.
Die Maarkessel.
Maarkessel sind in unserem Gebiete nur oben auf der Alb noch
erhalten; am Steilabfalle derselben sind sie noch in Bruchstücken
sichtbar; im Vorlande der Alb sind sie natürlich mit dem Abgetragen-
werden dieser ebenfalls spurlos verschwunden. Aber auch oben auf
der Alb sind sie, infolge ihres hohen geologischen Alters, bereits
mehr oder weniger zerstört. In welcher Weise , das wird in dem
Abschnitte : „Die Denudationsreihe der Maare" später dargelegt wer-
den. An dieser Stelle handelt es sich nur um die Gestalt, Grösse
und Tiefe dieser Kessel.
Ich spreche absichtlich in dieser Arbeit stets von Kesseln,
während bei typischen Maaren wohl mehr von Trichterbildungen
die Rede sein muss. Aber obgleich unsere Maare gewiss ebenso
echte Maare, d. h. Explosionskratere sind, wie diejenigen der Eifel
und Auvergne , so fehlt ihnen eben das typisch Trichterförmige
und wird hier meist durch eine mehr kesseiförmige Bildung er-
setzt. Während also bei jenen Maaren der Eifel und Auvergne
der — bisher zwar noch unbekannte , aber doch sicher ebenso
wie bei unseren vorhandene, aus der Tiefe heraufführende —
Ausbruchskanal sich am obersten Ende stark trompetenförmig
erweitert, ist bei unseren Maaren meistens eine solche Erwei-
terung mehr oder weniger gemildert. Es fallen hier also die
Wände des in die Erdoberfläche eingesprengten Loches weniger
schräg, mehr steil ein. Das beste Beispiel ist das Randecker Maar
No. 39. Doch kommt das andere auch vor; so zeigen die Maare
von Wittlingen No. 14 und Apfelstetten No. 22 eine mehr an das
Trichterförmige erinnernde Bildung, welche durch das Einkerben
eines Thaies in den Rand des Maares noch nicht einmal so scharf
ausgeprägt erscheint, als sie es wirklich ist. Der allerdings sehr typisch
— 106 —
aussehende Trichter des Maares mit dem Hofbrunnen No. 20 scheint
doch erst später durch Erosion entstanden zu sein, nicht ursprünglich.
Übrigens ist dieses Trichterförmige der Mündung gewiss auch
bei anderen Maaren verschieden stark ausgebildet. So schildert uns
E. Nadmann ^ die Entstehung eines Maares am Shirane in Japan,
welches nur völlig senkrechte Wände besitzt. Die Diatremata (s. später
„die Vergleichung ,...") Südafrikas verhalten sich genau ebenso;
hier ist nur eine geringe Erweiterung des Kanales vorhanden.
Über den Dur chmesser der Maarkessel unseres Gebietes
werden in der folgenden Tabelle eingehendere Angaben gemacht
werden. Das grösste Maar, das von Randeck No. 39, misst 1000 m ;
eines der kleinsten, dasjenige von Apfelstetten No. 22, hat etwa 300
und 250 m. Der Umriss der Maare ist ein kreisförmiger oder ovaler,
soweit sich derselbe eben noch feststellen lässt.
Die Tiefe unserer Maarkessel beträgt bei dem Rand-
ecker Maare 60 — 80 m, bei dem von Apfelstetten etwa 20 — 25 m.
Man vergesse aber nicht, dass das nicht mehr die ursprüngliche
Tiefe des Kessels ist: Letztere ist ja verringert worden dadurch,
dass der Rand des Kessels abgetragen wurde, während durch hinab-
gespülten Schutt und Süsswasserablagerungen gleichzeitig auch eine
Auffüllung des Kesselbodens stattfand. So wurde die Tiefe mehr
und mehr verringert bis hinab auf Null. Auf der anderen Seite konnte
sie auch wieder etwas vergrössert werden dadurch, dass ein Ab-
flussthal den Schutt und Tuff hinausführte.
Im allgemeinen muss die Tiefe jetzt geringer wie früher sein.
Wie viel von der Tiefe durch Abtragung der Ränder des Kessels
verloren gegangen ist, lässt sich in jedem Einzelfalle ungefähr fest-
stellen. Denn die Kessel sind zu mittelmiocäner Zeit in die Ober-
fläche des Weiss-Jura eingesprengt worden und höher als bis s und ^
hinauf hat dieser nie gereicht. Es sind auch, wie die Einschlüsse
der Tuffe beweisen, jüngere Schichten über dem Weiss-Jura nicht
abgelagert gewesen. Wenn daher heute ein Maarkessel im d ein-
gesprengt liegt und 50 Fuss Tiefe besitzt, so wird seine ursprüng-
liche Tiefe nicht grösser gewesen sein können als 50 Fuss -\- der
dortigen Mächtigkeit des jetzt abgetragenen s. Das C hat ja eine
beschränkte Verbreitung offenbar schon früher ebenso wie jetzt ge-
habt; es fehlt daher auch meistens in den Tuffen s. 1894 S. 562.
' Petermann's Mitteilungen von Japan. 1893, Ergänzungsheft No. 108.
S. 1-15.
— 107 —
Ein Kranz oder Randwall aus Schutt und Tuff rings
um die Mündung des Maarkessels wird bei manchen, aber nicht bei
allen Maaren jüngeren Alters gefunden. Unseren Maaren der Gruppe
von Urach fehlt er ausnahmslos, nicht der leiseste Rest eines solchen
ist mehr vorhanden. Früher indessen waren vielleicht auch hier
solche Ringwälle vorhanden, die jedoch dann längst der Denudation
zum Opfer gefallen sind.
Welches Gestein den Boden von Maaren bildet, ob Tuff oder
Basalt; wie die Verbindung des Maares mit dem einstigen Schmelz-
herde hergestellt v^rd, ob durch einen runden Kanal oder eine Spalte
oder nur durch eine Zone zerrütteten Gesteines — das war bisher
von keiner als Maar erkannten Bildung bekannt. Zum ersten Male
gewährt uns unsere Maargruppe von Urach einen solchen
Einblick und lässt uns erkennen, dass röhrenförmige
Kanäle in die Tiefe führen, dass sie, fast ausnahmslos,
mindestens bis hinab zu 500 m Tiefe mit Tuff erfüllt sind.
Nur ausnahmsweise erscheint statt des Tuffes Basaltfüllung
der Kanäle. Der Beschaifenheit dieser Kanäle wollen wir uns
daher jetzt zuwenden.
Die Ausbruchskanäle der Maare unseres Gebietes.
Die Gestalt der Ausbruchskanäle unseres Gebietes von
Urach lässt sich leicht erkennen aus den Schnittflächen, welche die
Erdoberfläche durch die Kanäle in senkrechter, wagerechter und
schräger Richtung durch dieselben hindurchgelegt hat.
Oben auf der Hochfläche der Alb haben wir wagerechte Schnitte.
Hier ergiebt sich als die Projektion dieser Tuffsäulen vorwiegend
ein rundlicher oder ovaler Umriss. Freihch wird nicht in allen Fällen,
in welchen die geologische Karte von Württemberg hier oben auf
der Alb einen solchen angiebt , dieser Umriss ein genau richtiger
sein; denn wenn Aufschlüsse fehlen, so ist die eingezeichnete Kreis-
oder Ovalform sozusagen eine Verlegenheitskurve, welche in Ermange-
lung besserer Erkenntnis von dem Darstellenden gewählt wird. Ich
kann daher nicht mit Sicherheit angeben, ob wirklich, wie ich ver-
mute, in allen Fällen dieser rundliche Umriss oben auf der Alb genau
dem Thatsächlichen entspricht.
Es ist das aber sehr wahrscheinlich ; denn unten am Steil-
abfalle der Alb und vor allem im Vorlande derselben, wo die Auf-
schlüsse meist sehr gute sind , finden wir fast immer runde oder
ovale Umrisse der TufFmassen. Dort im Vorlande haben wir wage-
— 108 —
rechte Schnitte durch die unteren, tieferen Teile von Ausbruchs-
röhren. Hier auf der Alb hatten wir Schnitte durch die oberen
Teile solcher. Es liegt nun gar kein Grund vor, anzunehmen, dass
die im Vorlande auftretenden Kanäle, welche ja auch einst bis auf
die Höhe der Alb reichten, anders gestaltet sein sollten, als die
weiter südlich, oben auf der Alb zu Tage ausstreichenden. Wir wer-
den daher mit Recht von ersteren auf letztere zurückschliessen und
sagen dürfen:
In so gut wie allen Fällen werden die Ausbruchs-
kanäle in der Gruppe von Urach gebildet nicht durch
langgestreckte Spalten, sondern durch senkrechte,
kanal- oder schornsteinartige Röhren von rundem oder
ovalem Querschnitte. Da dieser letztere sich oben im
Weissen Jura, unten im Braunen Jura, noch tiefer im
Lias bis in den Keuper hinein in gleichmässiger Weise
zeigt, so behalten diese Röhren eine solche Gestalt
unverändert mindestens bis in eine Tiefe von 5 — 800 m
bei. Falls sie also aus langgestreckten Bruchlinien
der Erdrinde ihren Anfang nehmen sollten, so könnte
dies erst in bedeutender Tiefe der Fall sein (s. später
über diese Frage).
Die zweite Frage würde nun dahin gehen , ob unsere Aus-
bruchsröhren in allen Tiefen, bis in welche wir dieselben hinab ver-
folgen können, einen gleichbleibenden Durchmesser besitzen, oder
ob sie sich nach unten langsam verjüngen. Nun haben wir in einem
und demselben Ausbruchskanale natürlich immer nur einen einzigen
durch die Erdoberfläche herbeigeführten Querschnitt. Mit völliger
Sicherheit können wir daher diese Frage gar nicht entscheiden.
Aber wir können das doch mit sehr angenäherter Sicherheit thun,
indem wir die Durchmesser der im Vorlande der Alb liegenden, also
in tiefem Niveau angeschnittenen, Röhren vergleichen mit denjenigen
der im hohen Niveau, oben auf der Alb, angeschnittenen. Es lässt
sich doch auch hier wieder unmöglich annehmen , dass die etwas
weiter gegen N. gelegenen Gänge durchschnittlich andere Durch-
messer gehabt haben sollten, als die auf der Alb. Finden wir daher
im Vorlande durchschnittlich ungefähr dieselben Durchmesser wie oben
auf der Alb, so werden wir annehmen können, dass der Durchmesser
auch in jeder einzelnen Röhre von oben nach unten gleichbleibt. Finden
wir dagegen im Vorlande durchschnittlich kleinere Durchmesser, so
werden wir folgern müssen, dass sich die Röhren nach oben erweitern.
— 109 —
Ein Blick auf die geologische Karte von Württemberg zeigt
sofort, dass im Vorlande der Alb die Durchmesser der Tuffflecke
kleiner sind, als oben auf der Hochfläche. Auf der hier beigegebe-
nen Karte verschärft sich dieser Gegensatz noch etwas mehr. Oben
auf der Alb habe ich nämlich die auf ersterer Karte eingezeichneten
Tuffiflecke fast sämtlich unverändert in die meinige übernehmen
müssen, da hier meistens Aufschlüsse fehlen und zudem Dörfer das
Gelände zudecken. Unten im Vorlande und am Steilabfalle dagegen
habe ich (s. die Erklärung zu der Karte am Schlüsse der Arbeit)
den grössten Teil der Tuffflecke etwas verändert eingezeichnet; hier-
bei ist wohl keiner derselben grösser, mancher aber kleiner geworden.
Um in dieser Beziehung ganz klar zu sehen , wäre es nötig,
den Durchmesser eines jeden unserer Maare und Tuffgänge anzu-
geben. Ich habe mich in der That dieser Mühe unterzogen und
hierbei noch die im Gebiete des Oberen , des Unteren Braun-Jura
und des Lias zu Tage tretenden Tuffgänge von einander getrennt.
Ich sehe aber doch lieber von einer Veröffentlichung dieser Tabellen
ab, weil ich nicht völlige Genauigkeit erreichen konnte. Teils aus
oben genanntem Grunde, teils weil die topographische Grundlage
der Karte einen zu kleinen Massstab besitzt. Ich will nur die Durch-
messer einzelner Gänge bezw. Maare geben , welche ich durch Ab-
schreiten feststellen konnte.
Rundliche TufFgänge im Vorlande der Alb.
No. 90. Bolle bei Reudern, östhch 28 m und 41 m.
No. 91. » n » westlich 23 m und 36 m.,
Am Authmuthbache, NW. von Kohlberg 30 m.
Kräuterbühl 75 m.
Am Scheuerlesbach 120 m.
Dachsbühl 139 m.
Sulzhalde 195 m.
Bettenhard 210 m.
Maare oben auf der Alb*.
Sternberg 188 m.
Dintenbühl 263 m und 200 m.
Hengen 450 m und 300 m.
Eisenrüttel 600 m und 350 m.
* Von diesen sind nur die Nummern 37 und 36 abgeschritten. Die anderen
mussten auf der Karte gemessen werden, sind also ungenau.
No.
100.
No.
92.
No.
123.
No.
104.
No.
117.
No.
96.
No.
37.
No.
36.
No.
13.
No.
38.
110
No. 15. S. von Hengen 750 m und 450 m.
No. 62. O.-Gang im Zittelstadtthale 750 m und 500 m.
Vergleicht man diese Zahlen, so zeigt sich, dass
der Durchmesser der im Vorlande der Alb angeschnitte-
nen Gänge geringer istals deroben auf derAlbzuTage
ausgehenden. Auch bei anderen Gängen zeigt sich
dieser Gegensatz, so dass man ihn als durchschnitt-
lich vorhanden ansehen kann, wenn gleich Ausnahmen
nicht fehlen. Daraus lässt sich mit sehr grosser Wahr-
N.
w.
Quknh erger S teiofe . VeryrÖJs.KarrenbilcT ct.
cfeologr. K. v.Würüernberg- ,
Y'iq.iS.
scheinlichkeit folgern, dass auch ein jeder einzelne
Gang bezw. Röhre unten einen kleineren Durchmesser
besitzt als oben, dass also die Ausbruchskanäle unse-
rer Maare sich nach oben erweitern. Indessen ist diese
Erweiterung eine allmähliche. Sie verteilt sich auf einen
Höhenunterschied von einigen Hundert Metern. Diese
Röhren gleichen also langen aber umgekehrt gestellten
Fabrikschor nsteinen^: Eine allmähliche Verjüngung, welche
durchaus nicht ident ist mit der trichterförmigen, sich rasch voll-
' Die sich ja nach oben verjüngen.
— 111 —
ziehenden, die sich im Kessel der typischen Maare der Eifel bemerk-
bar macht.
Ausnahmen kommen natürlich insofern vor, als auch im Vor-
lande grosse Durchmesser der Röhren sich finden, wie z. B. am
Jusiberge No. 55, welcher etwa 900 m misst. Aber im allgemeinen
findet wohl Obiges statt.
Gegenüber der erdrückenden Menge von Gängen ungefähr rund-
lichen oder ovalen Querschnittes, welche also auf umgekehrt schorn-
steinartige Röhren zurückzuführen sind, steht eine gänzlich ver-
schwindend kleine Zahl solcher, welche in langgestreckten Spalten
liegen.
Die geologische Karte von Württemberg zwar giebt bei emer
etwas grösseren Zahl von Vorkommen ein derartig langgestrecktes
Vorkommen an. Dies ist der Fall bei den vier Gängen an der
Gutenberger Steige No. 42, 43, 44, 45 ; bei der Diepoldsburg No. 40
und dem Engelhof No. 41 ; endüch bei Erkenbrechtsweiler No. 30
und 31. Ich habe indessen bei der Beschreibung dieser Gänge
nachgewiesen, dass das irrtümhch ist, dass vielmehr auch in diesen
Fällen die Gänge einen rundlichen oder elliptischen Querschnitt be-
sitzen. Vergl. 1894 die Fig. 5 und 6 auf S. 720; 12 und 13 auf
S. 744; endhch Fig. 15 mit Fig. 16 auf S. 114. Es verbleiben
mithin nur die folgenden Vorkommen:
Langgestreckt spaltenförmige Gänge.
No. 126. W. von Grabenstetten Basaltgang 550 m lang, 1 m breit.
No. 3. SO. von Böttingen Tuffgang ?
Man sieht, dass in unserem vulkanischen Gebiete
von Urach unter im ganzen 127 Gängen mit Sicherheit
nur 2 auf langgestreckte spaltenförmige Hohlräume
zurückgeführt werden können.
Wenn man nun geneigt ist, sich Gänge immer als platten-
förmige Ausfüllungen langhinstreichender Spalten zu denken, was
auch dem ThatsächUchen meist entspricht, so könnte man vielleicht
einen Augenblick im Zweifel darüber sein, ob man die Ausfüllungs-
massen solcher röhrenförmigen Kanäle ebenfalls als Gänge bezeichnen
solle. Gewiss ist das der Fall. „Gang ist alles, was einmal durch
das Gestein hindurchgegangen ist" \ lehrt H. Vogelsang; während
1 H. Vogelsang, Zur Theorie der GangbUdungen. Neues Jahrbuch f.
Min., Geol. u. Pal. 1863. S. 32.
— 112 —
Naumann^ deliniert: „Gangartige Gebilde sind alle diejenigen, welche
sich innerhalb eines im Gesteine oder Gebirge vorhandenen präfor-
mierten leeren Raumes entwickelt haben." Der Begriff des Platten-
förmigen ist also für Gänge nicht das Massgebende, weil die Form
des Hohlraumes und des ihn erfüllenden Gesteinskörpers nebensäch-
lich sind.
Dagegen allerdings wäre es gut, diese Hohlräume je nach ihrer
Gestalt mit verschiedenen Namen zu bezeichnen. Den Spalten gegen-
über spreche ich daher in dieser Arbeit stets von Röhren oder Kanälen.
Daübree wendet für solche röhrenförmigen Gänge, welche nur durch
Gasexplosionen entstanden sein können, den Ausdruck „ Diatremata " anl
Abweichend gestaltete TufEgänge.
Der dreieckige Jusi-Gang. Ausser der zahlreichen
Schar röhrenförmiger und der verschwindend kleinen spaltenförmiger
Sreinbru<J;%^7f##^
Bruch Schich,—«^^ '^.9^0 ^^^ß ^^gi^chichr.
tung zeigend '^'^'^' '^'r^'^'-^^-^^^s^^
QmnoCnss otes Jusiberges
Fig.29.
Tuffgänge findet sich in unserem Gebiete möglicherweise einer, welcher
aus einer Vereinigung beider hervorgegangen sein könnte : Der Gang des
Jusi-Berges No. 55. Der auffallend dreieckige Umriss desselben legt
nämlich den Gedanken nahe, dass, wie die obenstehende Fig. 29 zeigt,
zunächst zwei sich ungefähr rechtwinkelig kreuzende Spalten vor-
handen waren. Der Schnittpunkt beider hätte sich dann beim Aus-
bruche zu einem grossen röhrenförmigen Gange erweitert. Indem nun
nicht nur letzterer, sondern auch die drei längeren Halbachsen der
^ Geognosie. Bd. III. S. 507.
^ S. später „Die Vergleichung
113
N
beiden Spalten sich mit Tuff erfü^ten. musste eine Tuffmasse von
etwa dreieckigem Querschnitte entstehen. Vorausgesetzt ist hierbei
freihch, dass auch diese drei Schenkel durch den Ausbruch er-
weitert wurden (Fig. 28).
Deffner stellt sich die Entstehung dieser Form in der Weise
vor, dass durch die Explosion überhaupt erst ein Hochheben der
Erdrinde und dadurch ein Zerspringen derselben in Gestalt -eines
dreieckigen Sternes erfolgtet Anders sind wohl seine Worte nicht
zu verstehen. Nun will aber die heutige Geologie ein derartiges
Hochgehobenwerden der Erdrinde, wie man das früher annahm, nicht
mehr gelten lassen ; aus dem Grunde , weil wir die Erdschichten in
der Umgebung von Vulkanen nie in sol-
cher Weise aus ihrer Lage gebracht
finden. Von den Lakkolithen Nordameri-
kas wird freilich in neuerer Zeit be-
hauptet, dass sie die Erdschichten, wenn
auch nicht zersprengt, so doch hoch-
gehoben und gebogen hätten, auf solche
Weise sich einen unterirdischen Hohl-
raum bildend, in welchen der Schmelz-
fluss eintreten konnte. Es lässt sich
indessen die Biegung der Schichten,
also die Bildung des Hohlraumes, auch
auf gebirgsbildende Kräfte zurückführen,
so dass der Schmelzfluss nur in einen
bereits vorher vorhandenen , durch andere Kräfte erzeugten Hohl-
raum eingetreten wäre, wie dies Süess geltend macht ^.
Wir werden daher die angenommene Spaltenbildung bei dem
Jusi-Berge auch nicht auf eine Emportreibung der Erdrinde durch
die vulkanischen Massen, sondern auf die Gebirgsbildung zurück-
führen müssen. Hierbei ergiebt sich allerdings eine Schwierigkeit:
Man würde in solchem Falle immerhin erwarten, dass diese beiden sich
rechtwinkehg durchkreuzenden Spalten noch weiter, über das kleine
Gebiet des Jusi hinaus sich fortsetzen müssten; denn andernfalls wäre
der Verlauf dieser Spalten nur ein äusserst kurzer. Davon ist je-
doch nichts zu sehen; eine Verwerfung macht sich nicht bemerkbar ;
und darum erscheint mir der hier gegebene Erklärungsversuch der
Fig-.28,
^ Begleitworte zu Blatt Kircheim S. 21.
2 Antlitz der Erde I. S. 218.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895.
114 -
dreieckigen Gestalt des Jusi dock noch sehr fraglich. Ich komme
unten noch auf den Jusi zurück.
Unregelmässiger Querschnitt. Ganz vereinzelt findet
sich aber noch eine vierte Art von Tuffgängen in unserem Gebiete :
Solche, deren Hohlraum einen unregelmässigen Querschnitt besitzt.
Dahin gehört z. B. der zweite Gang, bezw. Maar, an der Guten-
berger Steige No. 43, Fig. 16. Vielleicht kann man hier annehmen,
dass dicht nebeneinander zwei Kanäle elliptischen Querschnittes aus-
geblasen wurden. Die Längsachse des einen von NO. nach SW,
gerichtet, diejenige des anderen von W. nach 0. Beide wären in-
Risshöhe ^mm^!<!!0lll^
Gutenberg-er Steiofe 1,2,3 ^^i'* Gang-
Ficf.^S.
einander verflossen, so dass die trennende dünne Zwischenwand mit
ausgeblasen wurde, oder doch in die Tiefe stürzte. Da nicht selten
in unserem Gebiete nahe beieinander zwei, selbst drei selbständige
Ausbruchsröhren auftreten, so hat die Annahme, hier seien dieselben
ganz dicht nebeneinander gelegen, durchaus nichts Unnatürliches.
Man wird jedoch auch daran denken können , dass derartige
seltene Fälle von Gängen unregelmässigen Querschnittes auf durch
Wasser entstandene Höhlenbildungen zurückzuführen wären. Die
Alb ist, wie zahlreiche Kalkgebirge, mit Höhlen in ähnlicher Weise
durchspickt, wie manche Eruptivgesteine mit Luftblasen. Wenn
das Gebiet der Alb bereits mit Schluss der jurassischen Epoche
zum Festlande wurde, so müssen natürlich die Wasser schon während
der ganzen cretaceischen und tertiären Zeit an Herstellung von
— 115 —
Höhlen im Innern des Weiss-Jura gearbeitet haben. Wir dürfen
daher als sicher annehmen, dass es in der mittelmiocänen Zeit unserer
vulkanischen Ausbrüche bereits Höhlen in der Alb gegeben habe.
Warum sollte nun nicht ein Ausbruchskanal auch einmal durch eine
solche Höhle hindurchgesetzt sein?
Es könnte scheinen, als wenn 1824 Schübler diesen Gedanken
ausgeführt und versucht hätte, ganz allgemein alle Höhlen der Alb
mit diesen tufferfüllten Spalten in Beziehung zu bringen ^ Das ist
jedoch durchaus nicht der Fall. Er sagt, dass ein Teil der Höhlen durch
Wasser entstanden ist, ein anderer Teil durch „Erderschütterungen
und vulkanische Emporhebungen aus der Tiefe". Schübler meint
also nicht etwa, dass die durch Wasser gebildeten Höhlen sich
später mit Basalttuff erfüllt hätten. Er trennt vielmehr ganz richtig
diese echten Höhlen von den durch vulkanische Ereignisse gebildeten
Spalten und Ausbruchskanälen. Der oben genannte Anschein ent-
springt mithin nur daraus, dass er beiderlei Hohlräume, eben weil
sie Hohlräume sind, in einer und derselben Abhandlung besprechen
und miteinander in Verbindung bringen zu müssen glaubt, während
sie doch thatsächlich nichts miteinander zu thun haben ^.
Wenn nun ein Ausbruchskanal zufällig eine durch Wasser
ausgefressene Höhle durchsetzt, so muss der Querschnitt des Ganges
natürlich in diesem einen Niveau, in welchem sich die Höhle be-
findet, dem Querschnitt der letzteren entsprechend, ein unregel-
mässiger sein. Ober- wie unterhalb dieses Niveaus der Höhle dagegen
wird der Querschnitt wieder derjenige der Ausbruchsröhre werden, rund
oder oval. Es leuchtet mithin ein, dass bei allen im Vorlande der
Alb, d. h. auf Lias- und Braun-Juragebiet, gelegenen Gängen sich eine
etwa erfolgte Hineinziehung von Höhlen in den Bereich der vulkani-
schen Röhren und die Erfüllung dieser Höhlen mit Tuff gar nicht
mehr durch die Form des Querschnittes verraten kann; denn hier
sind ja mit der Alb auch die etwa in dieser vorhanden gewesenen
Höhlen abgetragen worden. Nur bei den am Steilabfalle der Alb
aufgeschlossenen Gängen würde man gegenwärtig das überhaupt
* Über die Höhlen der Württembergischen Alb, in Verbindung mit Beobach-
tungen über die Basaltformationen dieser Gebirgskette. Württembergische Jahr-
bücher von Memminger. 1824. Stuttgart. S. 328, 363, 364.
^ Dass er jene Empfindung der Beziehungen beider zu einander wirklich
hatte, geht aus der Anmerkung auf S. 364 deutlich hervor. Eine Wiederholung
dieser Arbeit findet sich in Leonhard's Zeitschrift für Mineralogie. Bd. II. 1825.
S. 307—334 u. 460-488.
8*
— 116 —
sehen können. Hier aber könnte wesentlich nur der S. 114 erwähnte
zweite Gang an der Gutenberger Steige No. 43 in Frage kommen.
Rührte nun bei diesem der unregelmässige Querschnitt daher, dass
hier eine durch Wasser entstandene Höhle bei dem Ausbruche mit
vulkanischem Tuff erfüllt worden wäre, so würde sich das doch wohl
dadurch verraten müssen, dass der Höhleninhalt dem Tuffe bei-
gemengt wäre. In der tertiären Zeit, in welcher der Vulkanismus
in unserem Gebiete thätig war, können zwar natürlich noch nicht
die gewöhnlichen Tierreste der Höhlen in diesen gewesen sein, denn
diese sind diluvialen Alters, sondern höchstens tertiäre \
Von tertiären Säugetierresten ist aber in unseren Tuffen nichts
gefunden worden. Freilich ist es gar nicht notwendig, dass solche
überhaupt in den Höhlen vorgekommen wären. Aber eingeschwemmter
Lehm und Stalaktitenbildungen werden sich doch gewiss zu tertiärer
Zeit bereits ebenso in den Höhlen gefunden haben, wie in diluvialer
und alluvialer Zeit. Mindestens also Stücke von Stalaktiten würde
man im Tuffe erwarten können, falls Höhlen von den Ausbruchs-
kanälen durchsetzt worden wären. Auch davon hat man bisher
keine Spur gefunden. Es ist daher nur möglich, aber durch nichts
bewiesen, dass einzelne Höhlen der Alb mit Tuff erfüllt wurden,
indem ein Ausbruchskanal durch dieselben hindurchsetzte.
Dass im besonderen der dreieckige Grundriss des Jusi durch
eine solche Höhle erzeugt sein sollte , ist ganz unglaublich , denn
die dreieckige Basis des Berges liegt im Niveau des Obersten Braun-
und Untersten Weiss-Jura. Im ersteren aber giebt es keine Höhlen^
im letzteren dürften sie ebenso unmöglich sein, da die weichen
Thone und Mergel sich kaum hierzu eignen.
Möglichkeit einer Täuschung über die Form des
Querschnittes von Gängen bei senkrechtem Anschnitte
letzterer. Bei den oben auf der Alb oder unten im Vorlande
derselben auftretenden röhrenförmigen Gängen, lässt sich der rund-
liche Querschnitt fast immer ohne weiteres erkennen , da es skh
hier um wagerechte oder schräge Schnitte durch diese Röhren handelt.
Bei gewissen, allerdings seltenen, am Steilabfalle der Alb gelegenen
Gängen dagegen ist man leicht der Möglichkeit einer Täuschung
ausgesetzt. Als Beispiele führe ich den Gang No. 51 an , welcher
^ Da im Tuffgange des Florian No. 101 und der Limburg No. 77 , wie
S. 84 auseinandergesetzt, gar keine diluvialen Tierreste gefunden worden sind,,
sondern ganz recente , so darf man nicht etwa schliessen wollen , dass dort
der Ausbruchskanal durch eine solche Höhle hindurchgesetzt sei.
— 117 —
an der Steige von Beuren nach Erkenbrechtsweiler liegt , und die
beiden ganz gleichartigen Gänge No. 52 und 53 an der Steige von
Neuffen nach Hülben. Diese senkrecht stehenden Gänge erleiden
durch den Steilabfall einen senkrechten Anschnitt. Man sieht also
an der vertikalen Wand vor sich rechts und links die horizontalen
Juraschichten jäh abbrechen und die Spalte zwischen ihnen aus-
gefüllt durch Tuff, wie das Fig. 24 zeigt.
Unwillkürlich von der Vorstellung beherrscht, dass Gänge die
Ausfüllungen von langgestreckten Spalten, nicht aber von runden
Röhren sind , glaubt man hier nun zunächst einen solchen aus der
Felswand heraustretenden spaltenförmigen Gang vor sich zu haben,
der auf uns zu streicht und senkrecht zum Streichen angeschnitten
K:
-^m:
b;"r^o
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^v oiuff^: □ ■
5teigfe v.N"euffen nachliülb tn.OhQverGsLYi^
rigr.24-.
ist. Je nach unserer Stellung gegenüber dem Gange, bezw. je nach
der Himmelsrichtung der den Gang anschneidenden Wand, glaubt
man daher die Streichrichtung eines und desselben Ganges bald z. B.
als eine westhche, bald als eine südliche, bald als eine südwestliche
erkennen zu müssen. Stets scheint er auf uns zuzulaufen, bis man
sich endlich davon überzeugt, dass der Gang überhaupt keine Streich-
richtung besitzt, da er röhrenförmig ist, wie Fig. 26 (S. 118) an diesen
beiden Gängen zeigt.
Auch in Bezug auf ihre Mächtigkeit täuschen Gänge
dieser Art. Nur wenn die anschneidende Wand gerade durch die
Achse der Röhre geht, ergiebt sich für uns der wirkliche Durch-
messer derselben. Je mehr sich aber der Schnitt dem tangentialen
nähert, desto geringer wird die Schnittfläche des Ganges, desto
weniger mächtig erscheint er uns daher. So ist z. B. der Anschnitt
des Ganges No. 51 an der Steige von Beuren nach Erkenbrechts-
weiler nur 9 Schritt breit, diejenige der Gänge No. 52 und 53 an
der Steige von Neuffen nach Hülben dagegen 130 — 200 Schritt.
Trotzdem hat jener vielleicht ganz denselben Durchmesser wie diese.
118 —
Wenn nun solche Gänge oberhalb des senkrechten Aufschlusses
noch durch einen ungefähr wagerechten oder auch schrägen Anschnitt
von der Bergfläche getroffen würden, könnte man ihren Durchmesser
wie Umriss leicht erkennen. Indessen pflegt der Kopf dieser Gänge
so durch Schuttmassen bedeckt zu sein , dass das unmöglich wird.
Die Analogie mit anderen Gängen spricht aber auch hier ganz ent-
schieden für eine röhren-, nicht spaltenförmige Gestalt.
Wie sehr ferner die schräg durch einen Gang gelegten Schnitte
uns über die Gestalt desselben täuschen können, zeigt folgendes
Beispiel, welches dem Gange im
N.
s.
2 Tuf fgän je an der Steige
V. ¥eu(fe n nach Hülloen
Elsachthale No. 58 entnommen
ist. Derselbe erscheint am Ge-
hänge der Alb im Weiss-Jura ß
und /. An diesem setzt er senk-
recht von oben nach unten
hinab ; er ist also von der Ober-
fläche des Gehänges schräg durch-
schnitten. Misst man nun oben,
am Waldrande die Breite des
Ganges , so findet man etwa
90 Schritt. Misst man sie unten
in der Thalsohle, so ergeben
sich nur 60 Schritt. Mithin, so
möchte man im ersten Augen-
blick schliessen, verjüngt sich
der Gang in ganz auffälliger
Weise nach der Tiefe zu; siehe
rechts den schrägen Anschnitt
Fig. 34 und 35, welche letztere
des Gehänges im Profil zeigt.
Wäre das Gehänge, also auch der Schnitt durch den Gang,
senkrecht, so würde natürlich jene Schlussfolgerung ohne weiteres
richtig sein. Das Gehänge ist aber schräg, wenn auch steil, so doch
noch mit Acker bedeckt, also kaum über 25 — 30°. Der Schnitt
desselben geht also von oben hinten, nach unten vorn durch
den Gang. D. h. nicht oben ist letzterer 90 Schritt breit, sondern hinten
drinnen im Gebirge ; und nicht unten ist er 60 Schritt breit, sondern
vorn. Der Gang wird also einen kreisförmigen oder ovalen oder
gerundet viereckigen Querschnitt besitzen. Der grösste Durchmesser
oben am Walde beträgt 90 Schritt. Der Teil, welcher dahinter
liegt, steckt noch im Gebirge und ist oben durch herabgestürzten
~ 119 -
Schutt und durch Wald verdeckt. Der Teil, welcher vor der Breite
von 60 Schritt, d. h. im jetzigen Hohlräume des Elsachthales liegt,
ist bereits abgetragen. So gewährt uns der durch das Gehänge
erzeugte Anschnitt des Ganges nur einen direkten Aufschluss über
ThalsoHle derElsach
Ganof amElsach-TPialebei üracH
v:vom gpe sehen
Fiof. 34.
ungefähr die vordere Hälfte desselben. Die in Fig. 35 dick aus-
gezogenen Linien sollen das kennzeichnen, was wir vom Gange sehen,
die punktiert gezeichneten das , was wir nicht sehen ; endlich der
,-.60-7^Thalsohle , — ^</ - ., r • ^^
Mealer Qluerschnitr WiVXIiches Profil
Gangf imElsadi^ThJile.Ficf. 35.
==^W/3r
Querschnitt hnks ein Bild dessen geben, wie ich mir die Sache
denke.
Nahe benachbarte und Zwillingsmaare bezw. Tuff-
maargänge. Sehr bemerkenswert ist die Erscheinung, dass in
unserem Gebiete nicht selten zwei Tuffgänge ganz nahe beieinander
liegen. Mit anderen Worten, dass also zwei Ausbruchsröhren
rundlichen Querschnittes ganz dicht nebeneinander
senkrecht durch die Erdrinde hindurch ausgeblasen
- 120 —
werden konnten, ohne dass dieschmale, sie trennende
Scheidewand des durchbrochenen Gesteines gleich-
zeitig mit zerstört wurde. Das ist z. B. der Fall bei den
folgenden Maaren, bezw. Gängen:
Grafenberg No. 108 und der Gang im NW. desselben No. 109.
Die beiden Tuffmaare von Erkenbrechtsweiler No. 30 und 31.
Die beiden Tuffmaare von der Diepoldsburg No. 40 und dem
Engelhof No. 41.
Die beiden Maartuffgänge des Nabel No. 81 und im Walde
No. 82.
Die beiden Maartuffgänge des Hohenbohl No. 86 und Götzen-
brühl No. 87.
In noch höherem Masse sind aneinandergerückt die beiden
Maartuffgänge des Engelberg No. 94 und Altenberg No. 93, sowie
die beiden des Aichelberges No. 74 und 75.
Bis zum erdenklichen Übermass gesteigert findet sich das aber
bei dem Basaltmaare des Eisenrüttel No. 36. Dieser ist zwar nicht
gänzHch in zwei Maare gespalten, aber es dringt doch eine schmale,
aus Weiss-Jura bestehende Scheidewand so tief in die, im übrigen
einheitliche Basaltmasse ein, dass diese fast quer durch in zwei
Hälften geteilt wird.
Es ist schwer zu erklären, dass diese z. T. so schmalen Scheide-
wände bei dem gewaltsamen Vorgange des Ausblasens des Kanales
erhalten blieben. Man könnte darin vielleicht einen Beweis dafür
sehen wollen, dass diese Kanäle durch einen sanfteren Vorgang, also
vielleicht, wie Vogelsang und Bischof wollen, durch Senkung ent-
standen seien. Allein eine solche, also ein Einsturz, ist wohl nicht
nur ein ebenso gewaltsamer Vorgang wie das Ausblasen; sondern
durch Senkung bezw. Einsturz lässt sich das Stehenbleiben einer
so dünnen Scheidewand überhaupt nicht erklären, da letztere doch
mit einstürzen würde.
Auf solche Weise sind die genannten Fälle von
dicht benachbarten Maarpaaren ein Beweis für die
Entstehung derselben durch Explosion. Übrigens ist nicht
nur unser Gebiet durch solche Erscheinung ausgezeichnet. Auch in
dem Maargebiete der Eifel findet sie sich ; und auf dem Monde
ist sie in einer ganz ungemein viel stärkeren Weise entwickelt
(s. den Schluss dieser Arbeit, welcher sich mit den Mondkrateren
beschäftigt).
— 121
Die Entstehungsweise der Ausbruchskanäle bezw. Maare
im Gebiete von Urach.
Verschiedene Anschauungen über die Entstehung vulkanischer Ausbrüche. Die-
jenigen in der Gruppe von Urach lagen in der Nähe des Meeres. Das Fehlen
von Schuttwälleu um unsere Maare spricht nicht gegen eine Entstehung derselben
durch Gasexplosionen. Es müssen ganz besonders grosse Gasmassen in der
Tiefe gewesen sein ; sie haben auffallenderweise statt nur eines oder einiger
Ausbruchskanäle so sehr viele erzeugt; sie haben endlich nur ganz kurze Zeit
gewirkt, offenbar weil ihr Vorrat erschöpft war. Frage nach der Natur dieser
Gasmassen und nach der Tiefe ihres Sitzes. Rozet's Ansicht kajin keine
Geltung für unser Gebiet haben.
Wenn wir die Verteilung der Vulkane auf Erden betrachten,
so finden wir, dass dieselben entweder als Inseln sich aus dem
Meere erheben oder doch ganz überwiegend an die Küsten der Fest-
länder, also an die Nähe des Meeres, gebannt sind. Man hat daher
vielfach dem Wasser des Meeres selbst eine entscheidende Rolle bei
der Entstehung der Vulkane zugeschrieben, indem es die zum Empor-
steigen des Schmelzflusses nötigen Gase liefern sollte. Allein schon
ein Teil der den Küstenlinien folgenden Vulkanreihen befindet sich
durchaus nicht gerade nahe an dem Wasserbecken. Zudem treten,
freilich ganz vereinzelte , thätige Vulkane auch im Innern von
Festländern auf. Endlich sehen wir, dass erloschene Vulkane
keineswegs immer nahe dem Ufer jetziger oder einstiger Meere ge-
legen sind.
Man hat daher von anderer Seite das Meereswasser bei der
oben genannten Erscheinung als eine mehr nebensächliche Begleit-
erscheinung erkannt und die eigentliche Ursache auf den Verlauf
von Bruchlinien zurückgeführt, welche die Küstenlinien begleiten
und den Boden der Meeresbecken, der abgesunkenen Schollen der
Erdrinde, durchkreuzen.
Aber mit dem Vorhandensein von Spalten ist noch nicht die
Ursache erklärt, welche die Schmelzmassen in diesen Spalten in die
Höhe steigen macht. Einige wollen diese Ursache finden in dem
Drucke, welcher von langsam in die Tiefe sinkenden Erdschollen
auf den dort befindhchen Schmelzfluss ausgeübt wird , der dadurch
in die Höhe gepresst würde. Eine andere Ansicht sieht die hebende
Kraft in den Gasen, welche der Gesteinsbrei von Uranfang her ab-
sorbiert hat. Wieder andere suchen sie hauptsächlich in dem Wasser-
dampfe, welcher auf Spalten aus dem Meere zu dem Schmelzflusse
dringt. Noch andere meinen, dass allein die Ausdehnung, die Volum-
— 122 —
Vermehrung, beim Übergänge aus dem Festen ^ in den flüssigen Zu-
stand die Massen hochtreibe.
Wie verhält sich unser vulkanisches Gebiet von Urach dieser
Frage gegenüber?
Seit der obersten Jurazeit bis auf das Heute war Schwaben
ein Festland ; nur vorübergehend verwandelte sich das südlich der
Alb abgesunkene, zwischen diesem und den Alpen gelegene Gebiet
in ein Meer. Das fand statt zu mittelmiocäner Zeit ^. Während der
obermiocänen. aber war auch dieser letzte Versuch des Meeres, Schwa-
ben abermals zu überfluten-, beendet. Überall herrschte nun Fest-
land. In dieser mittelmiocänen Zeit erfolgten jene zahlreichen Aus-
' Trotz der Schmelztemperatur sind die Massen doch , infolge des hohen
auf ihnen lastenden Druckes , vermutlich in einer gewissen Tiefe fest ; und nur
da , wo eine Spalte aufreist , wo also dieser Druck aufgehoben wird , erfolgt die
Umwandlung in den flüssigen Aggregatszustand. Die obige Annahme, dass sich
hierbei das Volumen vergrössere, ist indessen keineswegs unbestritten. Es
könnte sich möglicherweise auch verkleinern. Eine sehr bemerkenswerte Unter-
suchung haben in dieser Hinsicht Nies und Winkelmann gemacht. (Über
Volumveränderungen einiger Metalle beim Schmelzen. Annalen der Phys. u. Chemie.
(2) Bd. XIII. S. 43—83. Ein kurzer Auszug findet sich in diesen Jahresh. 1888.
Jahrg. 44. S. 40 — 43.) Schon Palmieri hatte beobachtet, dass feste Lavastücke
auf dem flüssigen Lavastrome schwimmen. Ebenso kennt man das Schwimmen
fester Schollen auf dem Halema'uma'u , dem Feuersee im Krater Kilauea. In
gleicher Weise hat Siemens erstarrtes Glas auf flüssigem schwimmend beobachtet.
Es müssen also wohl diese Silikate sich im Augenblicke des Erstarrens ausdehnen ;
oder umgekehrt gesagt, sie müssen wohl beim Übergange aus dem festen in den
flüssigen Zustand sich zusammenziehen. Ist das der Fall, dann kann natürlich
nimmermehr das Aufsteigen der Lava zurückgeführt werden auf Volumvermehruug
beim Übergang in den flüssigen Zustand.
Ferner hat H. 0. Laug es sehr wahrscheinlich gemacht, dass säulenförmige
Absonderung und Parallelfaserung (diese Jahresh. Bd. XXXI. S. 336) nicht, wie
man stets meinte , durch Abkühlung , sondern durch Druck entstehen. Dadurch
wird der indirekte Beweis erbracht, dass Silikate sich beim Erstarren wirklich
nicht zusammenziehen, sondern wie Nies und Winkelmann folgern möchten,
ausdehnen; denn der dabei entstandene Druck war es eben, welcher in der
säulenförmig erstarrten Lava diese Absonderungserscheinung erzeugte. Nies hat
das auch am Eis experimentell nachgemacht, indem beim Gefrieren von Wasser
in einem Cylinder — wobei ja ebenfalls Ausdehnung erfolgt — senkrecht zur
Mantelfläche des Cylinders Eissäulen entstanden.
Endlich aber haben Nies und Winkelmann beide auch an Metallen
wie Eisen und Wismut durch den Versuch dargethan, dass hier feste Stücke
auf flüssiger Masse schwimmen, weil erstere eben weniger dicht sind.
^ Ich nehme hierbei an: Untere Süsswassermolasse = Aquitanische und
Mainzer Stufe = Ober-Oligocän und Unter-Miocän. Meeresmolasse = Helvetische
Stufe = Mittel-Oligocän. Obere Süsswassermolasse = Tortonien = Ober-Miocän.
— 123 —
brüche bei Urach ganz nahe der Meeresküste ; die südlichsten Punkte
etwa kaum 16 km von derselben entfernt, der nördlichste, Scharn-
hausen No. 124, immerhin auch nur 60 km. So folgt also unser
vulkanisches Gebiet von Urach dem Verhalten der über-
wiegend meisten thätigen Vulkane: Es war an die Nähe
eines Meeres gefesselt. Welche Rolle nun das Wasser dieses
letzteren hierbei spielte, muss ich jetzt unentschieden lassen. That-
sache ist, dass sehr viel Gase in dem Schmelzflusse vorhanden gewesen
sein müssen ; sonst wäre unsere nur 20 Quadratmeilen grosse Ge-
birgsplatte nicht von etwa 127 senkrechten Kanälen rundlichen
Querschnittes durchschossen worden.
Ich sage, unsere 127 Röhren sind infolge von Gasexplosionen
durch die Erdrinde hindurchgeschossen worden. Die obere Endigung
dieser Röhren, die Maarkessel, sind also richtige Explosionskratere.
Wie stimmt das überein mit dem Folgenden?
Vogelsang stellt einem durch Explosion entstandenen Maare
gegenüber eine Forderung, welche wir theoretisch als durchaus ge-
rechtfertigt anerkennen müssen und welche von unseren Maaren der
Gruppe von Urach nicht erfüllt wird: Wenn ein Maar durch Ex-
plosion entstand, dann wird die herausgeschleuderte Masse des durch-
brochenen Gesteines nicht verschwunden sein können ; sie muss sich
vielmehr bis zum vollen Betrage im zerschmetterten Zustande in
dem Loche oder um dasselbe wiederfinden lassen ; vergl. den Ab-
schnitt „über Maare im allgemeinen".
Diese Forderung, so einleuchtend sie ist, hat indessen gewiss
nur eine Berechtigung gegenüber einem ganz frischen, soeben erst
entstandenen Maare. Nicht aber gegenüber allen denen, welche be-
reits seit längerer Zeit bestehen ; denn hier wird die Denudation die
losen herausgeschleuderten Gesteinsmassen bereits mehr oder weniger
gänzlich entfernt haben können. In allen solchen Fällen wird ihr
Fehlen in der Umgebung des Loches uns daher nicht nur nicht
wundernehmen, sondern wir müssen dasselbe hier geradezu als eine
Forderung aufstellen. Zweitens aber geben uns die Versuche Daübree's
(s. „über Maare im allgemeinen") noch eine weitere Entschuldigung für
das Fehlen derselben in die Hand : Man ist unwillkürhch geneigt, sich
die herausgeblasene Masse des durchbohrten Nebengesteines nur in
Gestalt mehr oder weniger grober Gesteinsbruchstücke vorzustellen.
Der französische Forscher hat aber bei seinen Versuchen diese Massen
aufgefangen und gezeigt, dass ein Teil derselben aus ganz feinem,
staubartig zerriebenem Gesteine bestand. Niemand aber wird er-
— 124 —
warten können , diesen zu Staub zertrümmerten Teil des durch-
brochenen Gesteines wieder zu finden ; denn derselbe ist jedenfalls
teils gleich fortgeweht, teils sehr bald fortgespült worden.
Wenn daher bei unseren tufferfüllten Ausbruchskanälen der
Gruppe von Urach ein dieselben umgebender Schuttwall , wie wir
ihn bei manchen jugendlichen Maaren finden, gänzlich fehlt, so wer-
den wir diesen Umstand durchaus nicht als einen Beweis gegen die
Entstehung dieser Kanäle durch Gasexplosionen und als einen sol-
chen für ihre Entstehung durch Senkung oder Einsturz geltend
machen dürfen. Unsere Maare der Gruppe von Urach sind eben
bereits mittelmiocänen Alters, d. h. sie sind vielleicht die ältesten
Maare, welche man bisher als solche erkannt hat. Dasselbe aber
gilt auch bezüglich der diamantführenden Diatremata Südafrikas.
Wenn hier geltend gemacht wird, dass sich von dem herausgeschleu-
derten Gesteinspfropfen nur wenig in der Umgebung des Loches fin-
den lasse, so mag das auf ganz dieselbe Ursache wie in der Gruppe
von Urach zurückgeführt werden. Wir haben ja auch Maare in der
Eifel, also jüngere Maare, welchen solch ein Schuttwall fehlt.
Das Fehlen eines solchen herausgeschleuderten Pfropfens in
der Umgebung unserer Maare bei Urach wird mithin kein Beweis
gegen ihre Entstehung und diejenige ihrer in die Tiefe setzenden
Kanäle durch Gasexplosionen sein können. Es ist ja auch durch
die schönen Untersuchungen Daubree's (s. „über Maare im allgemeinen" )
der Beweis geliefert worden, dass Gase in der That die Fähigkeit besitzen,
durch feste Gesteine Durchschlagsröhren zu bilden. Freilich bedurfte
es bei diesen Versuchen feiner Spalten im Gesteinsstück, also Stellen
geringsten Widerstandes, an welchen die explodierenden Gase an-
setzen konnten. Wir werden auf diesen Punkt später noch zurück-
zukommen haben.
Für eine Entstehung unserer Ausbruchskanäle durch Explosionen
spricht aber auch die ungeheure Menge von Stücken der durch-
brochenen Gesteinsarten, welche sich in den Kanälen finden. Wären
letztere durch Senkung entstanden, so müsste die Masse in die Tiefe
gestürzt und dort vom Schmelzflusse eingeschmolzen oder wenig-
stens sehr stark durch seine Hitze verändert worden sein, was doch
nicht der Fall ist (S. 47). Es mögen einzelne Blöcke von
den Wänden des Kanales aus in diesen hineingestürzt und so in den
Tuff gelangt sein. Die ganz überwiegend grosse Masse der Gesteins-
stücke aber ist sicher durch explodierende Gase zerschmettert, hoch-
geworfen, dann wieder in den Kanal zurückgefallen und nun erst, ver-
— 125 —
hältnismässig wenig, durch die Hitze der mitausgeworfenen und zurück-
gefallenen Asche, sowie durch aufsteigende Wärme verändert worden.
Ist auf solche Weise die Entstehung unserer Maarkanäle der
Gruppe von Urach durch Gasexplosionen wohl nicht zu bezweifeln,
so sind wir gezwungen, die ungeheure Gewalt anzuerkennen, welche
diese Gasmassen besessen haben müssen, indem sie die Erdrinde an
gegen 127 Stellen durchbohrten. Bei so grossen Gasmassen und so
grosser Gewalt derselben müsste man folgern, dass dieselben nun
auch grossartige Vulkanberge erzeugt hätten. Das völlige Gegenteil
davon aber ist der Fall.
Es ist überall nur zur Entwicklung embryonaler Yulkanbil-
dungen gekommen. Kein einziger wirklicher Vulkan wurde auf-
geschüttet. Nur an ganz vereinzelten Stellen (Dintenbühl, Stern-
berg, Eisenrüttel) stieg die Lava bis nahe an die Oberfläche, so dass
die Röhre von festem Basalt erfüllt wurde. Also, möchte man
aus dem Verhalten des Gebietes von Urach folgern: Die
Gasmassen, im besonderen derWasserdampfsind nicht
im stände, die Hebung der Lavasäule zu bewirken, dies
geschieht durch andere Kräfte. Freihch muss man auch
zugleich zugeben, dass der Vorrat an Gasen sehr bald erschöpft
gewesen sein wird. Da nun, wie wir aus dem Verhalten des Kilama-
kraters auf Hawai wissen, die Lavasäule mindestens Monate lang
nötig hat, um aus der Tiefe bis zur Oberfläche aufzusteigen — so
könnte man obigen Schluss angreifen und sagen: „Wenn nur die
Gase genügend lange Zeit vorhanden gewesen wären, so würden sie
die Lavasäule schon an allen Orten hochgehoben und zum Über-
laufen gebracht haben."
Fassen wir nun zusammen, so ergiebt sich das Folgende :
Nicht nur das ehemalige Vorhandensein so grosser
Gasmassen in unserem Gebiete ist bemerkenswert.
Auch der zweite Umstand verdient hervorgehoben
zu werden, dass diese Gase auf so beschränktem Gebiete
sich nicht etwa — was doch einfacher und leichter ge-
wesen wäre — eine oder einige Ausbruchskanäle er-
zeugten, sondern die ungeheure Zahl von 127 Kanälen,
welche zum Teil ganz dicht nebeneinander liegen, so
dass unser Gebiet wie ein Sieb durchlöchert wurde.
Aber noch ein drittes ist zu betonen: der Umstand, dass
diese Gasmassen offenbar nur während einer kürzesten
Zeit sich entwickelten, bezw. vorhanden waren.
— 126 —
Wo so zahlreiche Ausbruchskanäle sich bildeten, sollte man
erwarten, dass eine nachhaltige, andauernde Thätigkeit des Vulkanis-
mus sich geäussert haben müsste. Aber im Gegenteil, der letztere
hat nur ein kurzes Eintagsleben fristen können. Ein gewaltiger,
überraschend vielfacher Anfang und ein ebenso schnelles Ende, das
kennzeichnet die Thätigkeit unseres Gebietes.
Das ist höchst auffallend. Deecke^ betont mit Recht, dass die
Annahme einer so vorübergehenden einmaligen grossen Thätigkeit
von Gasen wenig Wahrscheinliches für sich habe. Unser Gebiet von
Urach liefert aber den Beweis, dass dem doch so sein kann.
Offenbar ist mit diesen Ausbrüchen aber auch der
Vorrat von Gasen in der Tiefe erschöpft gewesen. Andern-
falls hätten sie sicher — bei den zahlreichen, ihnen zu Gebote stehenden
nur mit losem Tuff erfüllten Ausbruchskanälen — in ihrer Thätigkeit
fortgefahren und Vulkanberge aufgeschüttet. Da letzteres nicht an
einem einzigen Punkte geschah, so ist damit der Beweis ge-
liefert, dass wirklich an dieser Stelle in der Tiefe keine Gase mehr
vorhanden waren.
Welcher Art waren nun diese Gase? Zumal da ein Wasser-
becken in der Nähe war, so wird man doch an Wasserdampf
zunächst denken, da dieser bei vulkanischen Ausbrüchen eine Rolle
spielt. Freilich ist die Grösse, welche man dieser seiner Rolle zu-
schreibt, je nach der Ansicht der Autoren eine sehr verschiedene.
Manche halten sie für sehr geringfügig.
Bis zu fast gänzlicher Verneinung des Wasserdampfes aus-
gebildet finden wir solche Anschauung bei J. G. Bornemann. Der-
selbe bestreitet fast durchaus, dass Wasserdampf in der Tiefe vor-
handen sei^, dass also dem Wasserdampfe bei vulkanischen Ausbrüchen
irgend eine treibende Kraft zukomme. Nur bei submarinen Vulkanen
lässt er dieselben gelten. Als Beweis für seine Ansicht führt er die
schönen Schlackenkegel an, welche sich in der Stoiberger Bleihütte
beim Erkalten von Schlackenmassen auf deren Oberfläche ohne jeg-
liche Mitwirkung von Wasserdampf bildeten. Die Ursache der Erup-
tionsthätigkeit bei diesen kleinen vulkanähnlichen Bildungen findet
er in der Fähigkeit glühender, bezüglich schmelzender Metalle und
Silikate, Gase aus der Luft zu absorbieren. Den Hochofenschlacken
' Beiträge zur Geologie von Unteritalien. Neues Jahrb. f. Min. , Geol.
u. Pal. 1891. Bd. IL S. 322.
^ Über Schlackenkegel und Laven. Jahrb. d. k. Preuss. geolog. Landes-
anstalt und Bergakademie zu Berlin für das Jahr 1887. Berlin 1888. S. 230—283.
— 127 -
ist durch die Gebläseluft sowie durch die Verbrennungsgase Gelegen-
heit zur Aufnahme solcher Gasmassen gegeben. Anders ist das nach
ihm bei den in den Tiefen der Erde ruhenden glühenden Gesteinen.
Zwar muss die feurigflüssige Erdmasse von Anfang ihrer Entstehung
an grosse Mengen von Gasen absorbiert haben ; allein dieselben sind,
nach seiner Ansicht, jetzt bereits längst zum grössten Teile wieder
ausgeschieden worden , soweit sie nicht in dem flüssigen Magma
chemische Verbindungen eingegangen sind. Es müssen also beim
Ausbruche neue Quellen von Gasentwickelung sich öffnen; und diese
sieht Bornemann in den chemischen Zersetzungen, welche sich in
dem flüssigen Gesteinsbrei vollziehen oder aus der neuen Umgebung
absorbiert werden, wenn derselbe im Kraterschacht emporsteigt.
Hierbei findet infolge der gewaltigen Reibung und der chemischen
Prozesse eine Steigerung der Wärme statt, durch welche nun wiederum
das Magma flüssiger und damit absorptionsfähiger für Gase wird.
Eine wesentliche Unterstützung findet Borneiviann für seine Auf-
fassung in den Beobachtungen, welche Deville an einer Anzahl von
Vulkanen angestellt hat. Derselbe wies nach, dass den betreffenden
Laven ursprünglich kein Wasser innewohnte, sondern dass erst durch
atmosphärische Niederschläge und Schichtwasser, welche von oben
her in den Vulkan eindringen, Wasserdampf gebildet wird, welcher
dann demselben entweicht.
Auf der anderen Seite stehen nun freilich die Erfahrungen,
welche durch von Hochstetter an den Spratzkegeln bei der Gewin-
nung von Schwefel und durch Neümayr an gleichen Bildungen von
Bleiglätte gemacht wurden, denn in beiden Fällen spielte sicher das
vorhandene Wasser als Dampf eine Rolle ^. Bornemann bestreitet
denn auch nicht, dass in gewissen Fällen, wie beim Ausbruche des
Krakatau und des Rotomahana-Sees, sowie bei allen submarinen
Ausbrüchen der Wasserdampf ebenfalls eine hervorragende Wirkung
ausgeübt hat. Für die Landvulkane aber hält er der Regel nach
eine solche für ausgeschlossen.
Ich glaube nicht, dass man sich so weit gehenden Folgerungen
wird anschliessen dürfen, denn es ist zweifellos, dass auch den Land-
vulkanen bei ihren Ausbrüchen gewaltige Massen von Wasserdampf
entströmen. Ob nun diese wirklich, wie Deville meint, nur dem
von oben her in den Ausbruchskanal eingedrungenen Wasser ent-
» Neues Jahrbuch f. Min., Geol. u. Pal. 1871. S. 469—478 u. Erdgeschichte
V. Neumayr, Teil I. S. 161.
- 128 —
stammen , das dürfte gar nicht festzustellen sein. Es ist jedenfalls
auch sehr gut denkbar, dass solches Wasser — rühre es her direkt
von atmosphärischen Niederschlägen oder von Süsswasserseen oder
vom Meere — auf Spalten in sehr grosse Tiefe hinabsetzt und sich
dort dem Schmelzflusse zugesellt. Da nun Spalten keineswegs in
senkrechter Richtung die Erdrinde zu durchsetzen brauchen, sondern
das auch in sehr schräger Richtung thun können, so leuchtet ein, dass
die betreffende Wasserquelle sich gar nicht in so sehr grosser Nähe
des Vulkans zu befinden braucht. Endlich aber braucht der Wasser-
dampf gar nicht eine Zuthat der Oberwelt zum Schmelzflusse zu
sein. Ebensogut wie andere Gase, welche dem letzteren entweichen,
von Uranfang her von demselben absorbiert sein werden, so kann
das auch vom Wasserdampfe gelten, bezw. von seinen Bestandteilen,
dem Wasserstoff und Sauerstoff.
Noch weniger befriedigend wie die vorhergehende Frage nach
der Natur dieser Gase lässt sich die Frage beantworten, in welcher
Tiefe der Herd der Gasmassen, durch welche unsere Maarkanäle erzeugt
wurden, sich befunden haben mag. Ist die Auffassung richtig, dass
unter jedem Vulkanberge ein Maar begraben liegt \ so muss dieser
Herd in derselben Tiefe liegen, welche den Schmelzmassen an der
betreffenden Stelle zukommt. Ich sage „an der betreffenden Stelle";
denn die Annahme hat sehr viel für sich, dass unter den Orten der
Erde, an welchen Vulkanausbrüche vor sich gehen, der Schmelzfluss
in einem höheren Niveau stehe, als an denjenigen Orten, welche frei
von Vulkanen sind. Mit anderen Worten, dass in den Vulkangebieten
die Erdrinde weniger dick ist, als an den anderen. Ob diese ge-
ringere Dicke daher kommt, dass hier die Erdkruste von unten her
abgeschmolzen wird, bezw. dass hier die Schmelztemperatur selb-
ständig in ein höheres Niveau hinaufrückt ^, oder ob dieses Aufrücken
des Schmelzflusses unselbständig erfolgt, indem er nur in mächtige
Höhlungen hineingedrückt wird, das ist nicht klarzulegen. Aber die
^ Mir scheint übrigens diese Auffassung nicht ohne weiteres richtig zu
sein. Gewiss kann sich aus einem Maare ein Vulkan entwickeln und dann liegt
unter dem Vulkane ein Maar begraben. Ein Vulkan kann sich aber auch über
einer breiten klaffenden Spalte aufbauen, aus welcher von vornherein Schmelz-
massen überfliessen; hier kann natürlich nicht von einem begrabenen Maare die
Rede sein.
2 Denn trotz Schmelztemperatur können die Massen in der Tiefe unter
dem grossen Drucke ja fest sein, so dass man eigentlich nicht von Schmelzfluss
sprechen darf, sondern mit Sicherheit nur von der Zone sprechen kann, in welcher
Schmelz temperatur herrscht.
— 129 —
Annahme, dass unter den Vulkangebieten das Niveau des Schmelz-
flusses der Erdoberfläche näher steht, hat sehr viel für sich.
Ist es bereits eine grosse Leistung, dass Gase sich überhaupt
Kanäle durch harte Gesteinsmassen bohren können — selbst wenn
ihnen durch Haarspalten das erleichtert wird — so wird diese
Leistung um so grösser, je dicker die zu durchbohrende Erdrinde
ist. Daher ist eine solche Wirkung der Gase viel verständlicher,
wenn wir an der betreffenden Stelle nur eine geringe Dicke der Erd-
rinde annehmen, als wenn wir die volle Dicke derselben voraussetzen,
welche sie im allgemeinen besitzt.
Auch über diese letztere können wir nichts Sicheres sagen.
Wir können nur die folgende Schätzung machen. Wenn beim Ein-
dringen in die Erde die Temperatur auf rund je 100 Fuss Tiefe
um 1^ C. zunimmt, wie das bei manchen Bohrlöchern durchschnitt-
lich ungefähr der Fall ^.st , so haben wir erst in der ungeheuren
Tiefe von etwa TVg Meilen die Schmelztemperatur von 1800*^ C.
Giebt man nun aucli zu, dass durch den in der Tiefe herrschenden
Druck der Schmelzpunkt erniedrigt wird\ und dass infolge der
Durchdringung der Gesteinsmasse mit überhitzten Wasserdämpfen
eine weitere Erniedrigung des Schmelzpunktes eintritt, so bleibt doch
immer noch die Dicke der Erdrinde so gewaltig, dass es schwer be-
greiflich ist, wie sich durch meilendicke Gesteinsmassen die Gase
Bahn brechen können, selbst wenn ihnen durch Spalten der Aus-
bruch erleichtert würde.
Die Ansbruchsthätigkeit der vulkanischen Gase, welche sich in
der Gruppe von Urach nicht weniger als 127 einzelne Kanäle durch
die Erdrinde bohrten, wird daher um so verständlicher werden, je
weniger dick wir letztere an dieser Stelle annehmen. Auf S.' 15
sind die Gesteinsarten genannt, welche in unserem Gebiete zu Tage
gefördert wurden. Ausser der Jura -Formation und dem Keuper
findet sich Muschelkalk nur an zwei nördlich gelegenen Stellen, er
wird daher in der Tiefe fast überall fehlen. Buntsandstein und Rot-
liegendes sind dagegen nach Deffner's Beobachtungen vorhanden.
Demnächst nur Gneiss und Granit. In welcher Tiefe letztere beide
liegen, entzieht sich seiner genaueren Angabe, da man nicht sagen
kann, ob der Keuper, Buntsandstein und das Rotliegende in der
Tiefe mehr oder weniger mächtig entwickelt sind. Da der Muschel-
' Eine solche Annahme ist nur für den Fall statthaft, dann aber* sicher
richtig, dass die Gesteine sich beim Übergange aus dem festen in den flüssigen
Zustand zusammenziehen. Manche Beobachtungen sprechen dafür, s. S. 122 Anm.
Jahreshefte d. Vereins f. yaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 9
— 130 —
kalk sich offenbar nach S. hin in der Tiefe unter unserem Gebiete
auskeilt, und da auch im benachbarten Ries unterhalb des Keupers
alle Schichten bis auf den Gneiss und Granit fehlen, so spricht eine
gewisse Wahrscheinhchkeit dafür, dass auch unter dem Gebiete von
Urach die Trias und das Rotliegende nicht sehr mächtig sein werden.
Je nachdem mögen daher der Granit und Gneiss in einer Tiefe von
vielleicht 2000 m unter der Oberfläche der Alb liegen. Ist das bereits
eine höchst unsichere Zahl, so lässt sich vollends über die Tiefe
des Schmelzherdes bezw. der Gasmassen unter dem Granit und Gneiss
gar nichts sagen.
Wenn dem nun aber auch so ist, soviel können wir auf Grund
unserer Erfahrungen in dem vulkanischen Gebiete von Urach doch
ganz sicher sagen, dass Rozet's Ansicht von der äusserst geringen
Tiefe des Sitzes dieser Gasmassen für unser Gebiet keine Anwendung
finden kann.
RozET^ stellt sich nämlich die Entstehung der Maare in der
Auvergne in der folgenden Weise vor. In irgend einer Höhlung,
so sagt er, haben sich Gase angesammelt, welche dann explodierend
durchbrachen. Befand sich in der Höhlung noch etwas flüssiger
Basalt, so wurde dieser in Form von Asche und Bomben mit aus-
geworfen. Aus letzterem Satze und aus dem Umstände, dass diese
Maare meist dort im Basalt ausgesprengt sind, geht hervor, dass
RozET sich die betreffenden Höhlungen auch im geflossenen Basalte,
also in sehr geringer Tiefe unter der Erdoberfläche denkt.
Es ist gewiss nicht unmöglich, dass einzelne Explosionskratere
auf diese Weise entstanden sind; wie denn ja auch aus jedem Lava-
strom Gase sich Bahn brechen können.
Auch dass thatsächlich grosse Höhlen in Lavaströmen vorhan-
den sein können, ist bekannt. Lyell ^ erklärt ihre Entstehung an
dem Beispiele einer grossartigen, ganz verzweigten Höhlenbildung
am Ätna dadurch, dass ein Lavastrom über einen Fluss oder See
geflossen sei, wodurch sich die betreffende Wassermasse plötzlich in
Dampf verwandelt habe. Diese Dampfmassen hätten sich dann ihren
Weg durch die flüssige Lava gebahnt und Hohlräume geschaffen.
Es leuchtet nun wohl ein, dass auf solche Weise auch Ex-
plosionskratere entstehen können, wie Rozet sie im Sinne hat ; indem
nämlich der Dampf sich durch die, bereits mit einer Kruste ver-
«^Mem^oire sur les volcans de l'Auvergne. Mein. soc. geol. France. Paris
\8U. S. 120.
2 Principles of Geology. IL S. 24. 11. Aufl. 1872.
— 131 —
sehene Lava Bahn bricht und auf deren Oberfläche einen Explosions-
krater erzeugt. Jedenfalls sind derartige Explosionskratere aber weit
verschieden von denjenigen, welche wir hier im Auge haben, den
eigenthchen Maaren. Deren Sitz befindet sich in unserem Gebiete
in ganz bedeutend viel grösserer Tiefe. S. später.
Unser Gebiet von Urach führt uns nun auf eine Frage von
grosser allgemein geologischer Wichtigkeit. Ich werde zeigen, dass
die Tuffe unseres Gebietes nicht in Spalten, also Brüchen der Erd-
rinde, sondern in röhrenförmigen Kanälen, d. h. in Durchbohrungen
der Erdrinde, liegen. Sind diese letzteren nur die röhrenförmige Er-
weiterung von Spalten, wie das nach heute herrschender Anschauung
kurzweg bejaht werden würde? Oder haben sie sich unabhängig
von Spalten gebildet? Letzteres scheint der Fall zu sein. Wir
müssen daher diese Verhältnisse in einem besonderen Abschnitte
untersuchen.
Sind die 127 Durchbruchskanäle unseres Gebietes selbstän-
dige Durchbohrungen der Erdrinde oder nur erweiterte
Spalten, also abhängig von Bruchlinien der Erdrinde?
Man meint, dass der Schmelzfluss nur auf Bruchlinien der Erdrinde aufsteigen
kann ; man giebt aber zu, dass er sich in den Maaren selbst einen Weg bahnt.
Lösimg dieses Widerspruches. Was sagen uns die Explosionskratere? Eifel;
Mittel-Schottland ; S.-Afrika ; das Gebiet von Urach. Fast nirgends lassen sich
Bruchlinien bei Maaren wirklich nachweisen. Weitere Gründe, welche für die Un-
abhängigkeit der Ausbruchskanäle der Maare von Spaltenbildungen sprechen. Die
Tiefe, bis zu welcher hinab diese Unabhängigkeit zu bestehen scheint, beträgt
mindestens 600 m. In grösserer Tiefe mag eine Spalte den Ausgangspunkt bilden ;
diese aber müsste, entsprechend der Breite des vulkanischen Gebietes, 37 und 45
bezw. 30 km , so breit sein , dass man nur von einer grossen Höhlung reden
dürfte. Deffner's Ansicht von den nach unten sich verbreiternden Spalten in
unserem Gebiete ist nicht haltbar. Löwl's Ansicht von der Unabhängigkeit
der Vulkane von Spalten. Das Gebiet von Urach ein. Einsturzkessel?
Die ältere Geologie nahm an, dass die vulkanischen Massen
sich selbstthätig einen Ausweg aus der Tiefe bahnen könnten, indem
sie die Erdrinde hochhöben und durchbrächen. Die heutige An-
schauungsweise lehrt, dass das nicht der Fall sei. Sie verneint jede
stärkere Selbstthätigkeit der Schmelzmassen; diese sollen nur da
einen Ausweg gewinnen können, wo eine stärkere Kraft, die gebirgs-
bildende, durch Erzeugung von Spalten ihnen denselben gestattet.
Auf diesen Spalten steigen sie auf: Nach der Meinung der
einen, emporgedrückt durch das Gewicht niedersinkender Erdschollen.
9*
— 132 —
Nach der Meinung der anderen, gehoben durch die Ausdehnung,
welche sie erleiden : einmal infolge der Ausdehnung der von ihnen
absorbierten Gase, zweitens infolge ihres Flüssigwerdens in der Spalte ;
denn bevor sich die Spalte bildete, waren sie, trotz Schmelztempe-
ratur, doch fest, infolge des starken Druckes, unter welchem sie
sich befanden.
Wenn so auf der einen Seite dem Schmelzflusse die Fähigkeit
abgesprochen wird, sich selbständig einen Weg aus der Tiefe herauf
bahnen zu können, so steht es mit solcher Anschauung scheinbar
im grellsten Widerspruche, wenn auf der anderen Seite zugegeben
wird , dass Maare Explosionskratere seien ; also Löcher , Auswege,
welche sich die Schmelzmassen doch selbständig machen.
Die Lösung kann wohl nur die folgende sein : Man giebt zu,
dass der Schmelzfluss, bezw. die in ihm absorbierten Gase, sich den
allerletzten, obersten, verschwindend kleinsten Teil des Weges selbst
bahnen können. Aber für den ganzen übrigen, erdrückend grössten
Teil des Weges bleibt man bei der Anschauung stehen , dass der
Schmelzfluss nur gehorsam dem Wege folgen kann, welchen ihm
die Spaltenbildung vorschreibt.
Man wird also nur inkonsequent für den Betrag der Tiefe eines
Maarkanales. Für welchen Betrag also? Tiefe bezw. Länge ist ein
relativer Begriff. Wir haben Maartrichter oder -kessel, welche eine
kaum nennenswerte Tiefe besitzen. Wir haben solche (s. später),
welche an 400 m tief sind. Wo ist denn die Grenze ? Auf welche
Länge seines Weges gesteht man dem Schmelzflusse die Fähigkeit
der Selbstbefreiung zu?
Gleichviel auf welche Länge man das thut, aus dieser Zwei-
seitigkeit der Anschauungen darf man auch weiter folgern, dass die
Geologie zuzugeben geneigt ist, dass derartige Spalten nicht bis an
die Erdoberfläche hin aufzureissen brauchen.
Aber ist es denn überhaupt richtig, dass sich Explosionskratere
unabhängig von Spalten bilden können? Wir wollen sehen, ob und
welche Antwort uns die Maare darauf zu erteilen vermögen.
Über die Frage, ob die Maare der Eifel auf einer solchen Spalte
liegen und über die Schwierigkeit, derartige Spalten überhaupt so
sicher nachzuweisen, dass sie nicht blosse Hypothese sind, äussert
sich V. Decken in folgender Weise ^ :
^ GeognostiscLer Führer zur Vulkaureihe der Vordereifel. Bonn 1861.
S. 327, No. 23.
— 133 -
„Wenn auch auf die Unbestimmtheiten aufmerksam gemacht
worden ist, welche in der Aufsuchung linearer Richtungen einzelner
getrennter Vulkanpunkte liegen, so ist doch zu erwähnen, dass eine
gerade Linie von dem Meerfelder Maare nach dem Laacher See ge-
zogen, zwischen den Dauner Maaren und dem Pulvermaare hindurch
geht und in jener NO. -Fortsetzung dem Ülmer Maare und der Weiher
Wiese, dem Mosbrucher Maare und den beiden zusammenhängenden
Maaren von Boos ziemlich nahe kommt. Auf diese Weise lässt sich
auf die Strecke von 6V4 Meilen ein Zug verfolgen, welcher viele
Maare umfasst und die Richtung von SW. gegen NO. einhält und
die Vulkanreihe ungefähr rechtwinkelig durchschneidet. Die Maare
von Dreis, Walsdorf, Duppach und Steffeln liegen ganz entfernt von
diesem Zuge. Es ist hier anzuführen, was Alex. v. Humboldt im
Kosmos IV. S. 279 sagt: „Gewisse bestimmte Richtungen der ver-
schiedenartigen Erscheinungen vulkanischer Thätigkeit sind auch in
der Eifel nicht zu verkennen. Die Lavaströme erzeugenden Aus-
brüche der Hohen-Eifel liegen auf einer Spalte, fast 7 Meilen lang
von Bertrich bis zum Goldberg bei Ormont, von SO. nach NW. ge-
richtet; dagegen folgen die Maare, von dem Meerfelder an bis Mos-
bruch und zum Laacher See hin, einer Richtungslinie von SW. gegen
NO. Die beiden angegebenen Hauptrichtungen schneiden sich in
den drei Maaren von Daun."
Eine an der Erdoberfläche bemerkbare Bruchlinie derselben ist
also in der Eifel nicht vorhanden, v. Dechex sagt nur, dass diese
Maare in einer bestimmten Linie liegen ; aber den Beweis , dass
dieser Linie eine bestimmte Bedeutung zukommt, dass sie eine bis
an die Erdoberfläche reichende Bruchlinie ist, kann er nicht führen.
Am meisten Ähnlichkeit mit demjenigen von Urach haben die
Tuffgänge in dem grossen vulkanischen Gebiete von Mittel-Schottland.
Ganz ausdrücklich führt aber Geikie^ an, dass dort von Bruchlinien
nichts zu bemerken sei.
Hinsichtlich der eigenartigen diamantführenden „Diatremata" in
Südafrika nahm Daubree zwar an, dass sie auf einer langen Bruch-
linie auftreten. Aber Chaper weist nach^, dass dem keineswegs so
ist, dass sie vielmehr ganz unregelmässig zerstreut über einen 200 km
langen und breiten Streifen Landes sich hinziehen.
In gleicher Weise hat es nun auch den Anschein, dass eben-
falls unsere Maare und Ausbruchskanäle in der Gruppe von Urach
^ S. später „Die Vergleichung".
^ S. später in dieser Arbeit: „Die Vergleichung . . ."
- 134 —
sich mehr oder weniger unabhängig von solchen Bruchhnien der Erd-
rinde gebildet haben werden. Über die Auvergne bin ich im Unklaren.
Wir haben hier ein Gebiet von 20 QMeilen durchbohrt von
127 Ausbruchskanälen ! Es ist, als ob eine dicke Tafel wie ein Sieb
durchlöchert wäre. Ist das nun wirklich, wie bei einem Siebe, ohne
vorherige Zertrümmerung der ganzen Platte vor sich gegangen?
Man sieht, bei einer so gewaltig grossen Zahl senkrechter Durch-
bohrungen, welche ganz beliebig zerstreut liegen, müssten wir nicht
einige, sondern zahlreiche, nach verschiedensten Richtungen hin ver-
laufende Spalten haben, wenn es wirklich wahr wäre, dass kein
vulkanischer Ausbruchskanal sich bilden kann , ohne das vorherige
Dasein einer Spalte. Wir wollen, soweit das für jetzt bereits möglich
ist, festzustellen versuchen, ob und wo sich Spalten und Verwerfungen
in unserem vulkanischen Gebiete finden. — Genau wird das freilich
erst dann möglich sein , wenn wir eine topographische Karte mit
Höhenkurven haben werden.
Wer von Schopfloch auf der Alb nach Gutenberg im Len-
ninger Thale hinabsteigt, hat, bevor der Abstieg beginnt, eine deut-
liche Störung im Weiss-Jura vor sich. Zugleich befinden wir uns
hier nahe dem vierten Gutenberger Gange No. 45 , bezw. dem
obersten dieser vier Maare. In Fig. 16 erläutert der Pfeil, in Fig. 19,
1894 S. 763 und 767, das Profil diese Verhältnisse. Während der
Regel nach in der Alb die Schichten angenähert wagerecht liegen,
nur ganz wenig nach SO. geneigt, finden wir da, wo die nach Guten-
berg hinabführende Steige die Hochfläche verlassen will, ein Ein-
fallen des Oberen Weiss-Jura von 10 — 35° gegen 0. bis SO.
Wir stehen hier hart am Steilabfalle der Alb. Der Leser könnte
daher an eine Abrutschung denken. Allein die Schichten sind nicht
im Sinne des Bergabhanges, gegen W. geneigt, sondern fallen um-
gekehrt, östlich in den Berg hinein. Einer Bruchlinie fallen sie zu,
welche sich deuthch erkennen lässt. Aber diese Bruchlinie verläuft
nicht etwa mitten durch den dortigen Maarkessel. Sie streicht nicht
einmal hart an seinem Rande entlang, sondern wie die Fig. 16
und 19 zeigen, sie zieht in einer, allerdings nicht grossen Entfer-
nung vom Maarkessel dahin. Deutlich kann man hart an der Strasse,
bei ic, sehen, wie die Neigung der Weiss- Jura-C-Schichten aufhört
und plötzhch in das Wagerechte übergeht; und erst letzteres wird
von dem Gange durchbohrt.
Die Erdrinde ist hier also nicht in der Bruchlinie,
sondern, wenn auch in geringer Entfernung, so doch
— 135 —
nur neben derselben durchbohrt. Ich will mm damit keines-
wegs sagen, dass beide Erscheinungen in gar keinem Zusammen-
hange miteinander stehen könnten. Das ist vielleicht doch der Fall.
Aber dann scheinen mir hier eher Ursache und Wirkung vertauscht
werden zu müssen. Nicht, weil eine Spalte vorher hier war, bildete
sich diese vulkanische Ausbruchsröhre. Sondern umgekehrt, weil
letztere auf gewaltsame Weise durchbrach, erzeugte sich auch eine
kleine Zerbrechung der Umgebung auf einer Seite der Röhre. Wäre
nämlich nicht letzteres, sondern ersteres die richtige Lösung, so
müsste der Ausbruchskanal auf der Spalte, nicht aber neben derselben,
ohne sie zu berühren , liegen. Dass sie wirklich nur neben dem
Kanäle herläuft, sieht man auch weiter unten an derselben Steige,
da wo der Hauptaufschluss dieses Maares, bezw. seines Tuffganges
durch die Strasse erzeugt wird. Dort liegen die Weiss-Juraschichten
im Kontakte mit dem Tuffgange noch ganz ungestört.
Bestände nun aber doch ganz allgemein im ersteren Sinne ein
gesetzmässiger notwendiger Zusammenhang zwischen solchen vor-
herigen Spalten und den späteren Ausbruchskanälen in unserem Ge-
biete, dann müssten wir nicht ausser an diesem einen Punkte, auch
an allen anderen der 127 Ausbruchsorte Brüche oder gar Verwerfun-
gen und Schichtenneigungen finden. Das ist aber nicht der Fall.
Unten, bei den ersten Gängen der Gutenberger Steige, zeigt sich eine
geringe kaum nennenswerte Verschiebung. Bei den Maaren vom
Engelhof und der Diepoldsburg No. 40 und 41 verläuft möglicher-
weise eine ähnliche Bruchlinie wie oben an der Gutenberger Steige.
Aber auch hier geht sie nicht durch die Maarlinie, wie Deffner wohl
annahm (s. 1894 S. 749), über das Himmelreich, sondern in einiger
Entfernung von derselben. Es ist übrigens möglich , wie dort er-
klärt , dass es sich hier gar nicht um einen Bruch , sondern um
eine Erosionsfurche handelt. Ganz sicher ist bei den zwei Erken-
brechtsweiler Maaren No. 30 und 31 nicht die von Deffner angenom-
mene Bruchlinie vorhanden , sondern nur eine Erosionsfurche , wie
1894 S. 719 dargethan wurde.
Im Widerspruche mit meiner Ansicht könnte es weiter zu
stehen scheinen, wenn Endriss^ über das Randecker Maar sagt, dass
dieses Gebiet von Klüften und Spalten durchsetzt sei.
Indessen handelt es sich hier zunächst überhaupt nur um
^ Zeitschr. d. dentschen geolog. Ges. Bd. XLI. 1889. S. 83 pp. u. Bd. XLIV.
1892. S. 51—53.
— 136 —
kleinere Zerklüftung, nicht etwa um grosse Spalten; und nur solche
kann man doch wohl mit Recht im Verdachte haben , dass durch
sie die Schmelzmassen aus der Tiefe befreit worden, dass auf ihnen
die Schmelzmassen aufgestiegen seien. Endriss bemerkt ganz aus-
drücklich \ indem er von etwas stärkerer Zerklüftung spricht: „Be-
sondere Verwerfungsspalten konnte ich bis jetzt nicht nachweisen."
Auch möchte ich, wie schon gesagt, als wahrscheinlich an-
nehmen, dass die Zerklüftung der Umgebung dieses und so auch
etwaiger anderer Maare, nicht etwa vor seiner Bildung bereits vor-
handen war, sondern dass sie erst infolge derselben, durch die Gas-
explosionen entstanden ist; dass sie also nicht als Ursache, sondern
als Wirkung des Ausbruches betrachtet werden muss.
In gleicher Weise würde aber auch das Auftreten wirklicher,
grosser Spalten in einem unserer Maare durchaus noch kein Beweis
dafür sein, dass durch diese Spalte die Gase und der Schmelzfluss
entfesselt wurden. Allerdings pflegt man in der Geologie stets mit
einem solchen Schlüsse bei der Hand zu sein. Indessen es müsste
doch erst in jedem Falle nachgewiesen werden, dass die Spalte wirk-
lich vor der Bildung des Maares, bezw. Vulkanes, bereits vorhanden
war. Sie könnte ja auch ebensogut erst nach der Entstehung des-
selben sich gebildet haben. Unsere Maare sind in mittelmiocäner
Zeit entstanden. Die gebirgsbildenden , also spaltenerzeugenden
Kräfte haben seit dieser langen Zeit unablässig fortgewirkt und sind
zweifelsohne noch heute in dieser Thätigkeit begriffen. Warum sollten
also solche Brüche nicht erst nach mittelmiocäner Epoche sich ge-
bildet haben, wenn man deren in unserem Gebiete fände? Dem-
jenigen, welcher eine Spalte oder Verwerfung ohne
Weiteres als Ursache eines zu tertiärer oder gar noch
älterer Zeit erfolgten Ausbruches erklärt, liegt doch
sicher die Verpflichtung ob, vorerst nachzuweisen,
dass diese Spalte bereits vor der Entstehung des Aus-
bruches vorhanden war. Denn andernfalls fehlt einem
solchen Ausspruche doch jene zwingende Beweiskraft,
und man kann zunächst in demselben nur den Ausdruck
der allgemein herrschenden Lehrmeinung sehen. Damit
will ich nicht sagen, dass ich diese Beziehungen zwischen Spalten
und Vulkanen, als Ursache und Wirkung, bestreite. Das kommt
mir gar nicht in den Sinn. Ich will nur einer Verallgemeinerung
' Bd. XLIV. 1892. S. 52. Anm. 1.
— 137 —
dieses Satzes entgegentreten, da ich das Vorhandensein von Spalten,
auf Grund der im Gebiete von Urach gemachten Erfahrungen, nicht
als conditio sine qua non für die Entstehung von Maaren betrach-
ten kan)v
Über eine lange Bruchlinie auf der Alb hat Regelmann in
der That berichtet (Fig. b, s. 1894 S. 515). Sie verläuft auf der Grenze
zwischen der Nord- und der Mittelzone der Alb und in ihrer Ver-
längerung liegen der Eisenrüttel No. 38 und der Sternberg No. 37^.
.Die Nordzone fällt nämlich 0,52*^ gegen N., die Mittelzone 0,98"
gegen S. Diese Ergebnisse sind jedoch nicht etwa gewonnen durch
direkte Beobachtung des Fallens der Schichten, welche die Albhoch-
fläche bilden. Da es sich hier nämlich um ungeschichteten €-Kalk
handelt, so war das gar nicht möglich. Es war auch nicht durch-
führbar, im Liegenden des e, im (J, das Fallen zu bestimmen, da
dieses selbst bisweilen massig , vor allem aber nicht genügend auf-
geschlossen ist. Es gründet sich daher die Bestimmung der Bruch-
linie, also diejenige des Fallens, nur auf die Höhenlage der Spitzen
der, über der Hochfläche aufragenden ^-Massen. Hier tritt aber
natürhch ein unberechenbarer Faktor mit ein : die Verwitterung.
Da durch diese die eine Spitze mehr, die andere weniger abgetragen
sein muss, so kann das Ergebnis ebenfalls kein genaues sein.
Wir dürfen also nicht vergessen, dass diese so gefundene Grenz-
linie zwischen Nord- und Mittelzone — wie ich mündlicher Mitteilung
entnehmen darf — nicht etwa durch direkte Beobachtung als ein
Bruch erkannt wurde bezw. sich überhaupt erkennen lässt, welcher
gerade über den Eisenrüttel No. 38 und den Sternberg' No. 37
verliefe. Sondern diese Linie ist nur konstruiert mit Hilfe der Be-
obachtung, dass auf der Nordzone die Spitzen der £-Berge niedriger
liegen als auf der Mittelzone ^. Der genaue Verlauf der Bruchlinie,
deren Dasein ich nicht bezweifeln will, ist mithin keineswegs über
jene beiden vulkanischen Punkte hin auch wirklich erwiesen. Der
Bruch kann sehr wohl in gewisser Entfernung von denselben ver-
laufen.
^ Eegelmann, Trigonometrische Höhenbestimmungen f. d. Atlasblätter
Ehingen, Laupheim, Eiedliugen. 1877. S. 124.
^ Wenn man nämlich in der Mittelzone alle Hauptspitzeu der «-Berge
durch eine Ebene verbindet, so ergiebt sich also, dass diese Ebene nicht wage-
recht liegt, sondern 0,98° nach S. fällt. Anstatt dass nun diese nach N. ver-
längerte Ebene die Spitzen der f-Berge auf der N.-Zone berührte , liegen diese
hier viel tiefer als sie sollten.
- 138 —
Aber selbst wenn wir annehmen, dass dieser Bruch genau beide
Punkte träfe : Womit ist denn bewiesen , dass derselbe bereits vor
oder zu mittelmiocäner Zeit erfolgte ? Er kann sich sehr wohl, wie
schon oben gesagt, erst nach den vulkanischen Ausbrüchen voll-
zogen haben, braucht also in gar keinem Zusammenhange mit diesen
zu stehen.
Abgesehen von den besprochenen Punkten und
dem nachher zu besprechenden Lauter -Bruche kenne
ich bisher keine Brüche in unserem vereinzelten vulka-
nischen Gebiete von Urach. Wohl wird unter dem ganzen
vulkanischen Gebiete von Urach in der Tiefe ein grosser Hohlraum,
ein Herd vorhanden gewesen sein, in welchem die Schmelzmassen
sich mehr als an anderen Orten der Erdoberfläche genähert befanden,
an welchem sie in einem höheren Niveau standen als anderwärts.
Wohl mögen vielleicht von diesem Herde aus verschiedene klaffende
Spalten nach aufwärts in die Erdrinde gegangen sein, in welchen
die Schmelzmassen abermals höher steigen konnten. Wohl mögen
auch diese Bruchlinien hier und da hinauf bis an die Erdoberfläche
gereicht haben. Trotzdem aber scheint es mir, dass diesen letzten Teil
ihres Weges zur Erdoberfläche unsere Schmelzmassen ganz vor-
wiegend auf Kanälen zurücklegten, welchen sie sich durch ihre
Gase selbst bohrten.
Es scheint mir, sage ich ; denn ich selbst habe bei dieser Ar-
beit dem Vorhandensein von Verwerfungen nicht genügend nachgehen
können, da nur eine vollständige Neukartierung des ganzen grossen
fraglichen Gebietes den gewünschten Aufschluss geben könnte, ich
aber mit der Untersuchung der zahlreichen vulkanischen Punkte
vollauf beschäftigt war. Das Gebiet ist jedoch bereits geognostisch
kartiert und man sollte doch meinen , dass von den betreff'enden
Geologen solche Bruchlinien festgestellt worden wären, wenn sie eben
aufträten. Hierbei habe ich nicht im Sinne, die von Quenstedt auf-
genommenen betreff'enden Blätter unseres Vulkan-Gebietes ; denn die
grosse Aufgabe , welche der hochverdiente Forscher sich für Würt-
temberg gestellt hatte, war eine so vorwiegend paläontologisch-strati-
graphische , dass derartige Fragen ihm in den Hintergrund traten.
Ich denke vielmehr hierbei nur an Deffner, welcher Blatt Kirchheira
u. T., das reichste an vulkanischen Punkten unseres Gebietes,
kartiert hat.
Es ist nun geradezu auffallend, dass Deffner, welcher
sicher ein feines geologisches Taktgefühl für das Auf-
— 139 —
finden von Verwerfungen besass, in seiner Beschreibung
des Kartenblattes Kirchheim u. T. die in dem nicht vul-
kanischen, nördlichen Teile des Blattes auftretenden
Bruchlinien ungemein ausführlich und mit ersichtlicher
Liebe beschreibt, wogegen er in dem vulkanischen, süd-
lichen Teile desselben nur einer einzigen Erwähnung
thut. Unmöglich kann das auf andere Weise gedeutet werden, als
dass er hier eben keine Brüche und Verwerfungen gefunden hat.
Eine Bestätigung dieser Auffassung möchte ich auch in der
Angabe Deffner's^ finden, „dass in dem Gebiete von Metzingen bis
an die Kirchheimer Lauter überall ein Fallen gegen SO., konform
mit dem allgemeinen Schichtenfall des Landes" gefunden wurde;
in diesem grösseren Teile unseres vulkanischen Gebietes fehlen also
Verwerfungen. Erst zwischen Lauter und Lindach zeigte sich ein
Fallen nach NNW. Ungefähr parallel der Lauter müsste man also
eine Bruehlinie annehmen. Ostlich von dieser, nach Göppingen hin,
erhebt sich ein Gewölbe — wie Deffner sagt — eine in Schwaben
sonst nirgends beobachtete Erscheinung. Eben diese Aufwölbung
der Schichten von Albershausen bedingt es, dass am W.-Rande der-
selben jenes Fallen nach NNW. stattfindet ^.
Der Lauterbruch, wie ich die oben angedeutete Bruchlinie
nennen will, setzt sich aber, wie es scheint, auch nach S. in den
Körper der Alb hinein fort , indem er zwischen der Randecker und
Erkenbrechtsweiler Halbinsel hindurchzieht. Die Oberfläche beider
Halbinseln besteht wesentlich aus Weiss- Jura d. Während nun die
höchsten Höhen dieses d auf der im W. gelegenen Erkenbrechts-
weiler Halbinsel bis zu 700, 731, 741, 744 m aufragen, erreichen
diejenigen der Randecker Halbinsel eine Höhe von 732 , 762 , 800,
803 m. Es ragt also das d der Randecker Halbinsel bis zu rund
60 m höher auf als dasjenige der Erkenbrechtsweiler^. Diese Ran-
decker Halbinsel liegt aber in der südsüdwesthchen Fortsetzung des
Schichtengewölbes von Albershausen.
Unser vulkanisches Gebiet zerfiele mithin nach Deffner
^ Begleitworte zu Blatt Kirchbeim S. 55.
^ Albershausen liegt auf der beigegebenen Karte rechts obeu iu der Ecke.
^ Deffner giebt einen Höhenunterschied beider Halbinseln von 75 m au
(1. c. S. 5), indem er die Niveaudifferenz beider Hochflächen ganz allgemein fest-
stellt ; ohne also hervorzuheben, ob er J gegen J', oder auch ö gegen s betrachtet
habe, welches letztere auf die Kandecker Halbinsel noch an mehreren Punkten
aufgesetzt ist.
- 140 —
durch eine ungefähr von N. nach S. verlaufende Bruch-
linie in zwei ungleich grosse Hälften: Eine kleinere, öst-
liche, welche sich gegenüber der westlichen in grösserer
Höhenlage befindet. Sie besitzt in ihrem nördlichen, lias-
sischen Teile den Bau eines in der Sattellinie aufgeplatzten
Gewölbes^; in ihrer südlichen Fortsetzung dagegen, im
Weiss-Juragebiete, zeigt sich weder Aufplatzung noch
überhaupt Qewölbebau. Die grössere, westliche Hälfte
des Gebietes, zwischen Metzingen und Kirchheimer Lauter,
befindet sich gegenüber jener in geringerer Höhenlage,
zeigt jedoch nach Deffner den allgemeinen Schichtenfall
gegen SO. Man möchte daher folgern, dass dieselbe sich in un-
gestörter Lagerung befindet, mindestens keine Brüche besitzt. Freilich
auf S. 58 redet Deffner von „Kluftrichtungen" in dem Gebiete zwischen
Lauter und Steinach, sowie von da rechts und links der Erms^,
geht jedoch nicht näher auf dieselben ein, während er sonst richtige
Bruchlinien und Verwerfungen stets ausführlich beschreibt.
Wenn dereinst eine topographische Grundlage mit Höhenkurven
von diesem Gebiete angefertigt sein sollte, wird es gewiss eine dank-
bare Aufgabe sein, die architektonischen Verhältnisse dieses, durch
seine interessanten vulkanischen Bildungen ausgezeichneten Land-
striches ganz genau festzustellen. Nach dem bis jetzt vorliegenden
Beobachtungsmateriale scheint es mir, als wenn die wenigen Bruch-
linien bezw. Klüfte unmöglich herangezogen werden dürfen, um die
grosse Zahl von mehr als 125 vulkanischen Ausbruchsröhren auf sie
zurückzuführen. Es hiesse geradezu den Dingen, einer vorgefassten
Schulmeinung zuliebe, Gewalt anthun, wenn man hier so zahl-
reiche Spaltenlinien zwischen den einzelnen Ausbruchspunkten kon-
struieren wollte.
Übrigens aber , selbst wenn sich hier und da Spalten nach-
weisen lassen, muss man, ich wiederhole das, doch erst beweisen,
dass diese vor den Ausbrüchen da waren ; sie können ja ebensogut
erst nach denselben entstanden sein. Die Gebirgsbildung bethätigt
sich auf Erden, im besonderen auch im südwestlichen Süddeutsch-
land, noch heute, wie die Erderschütterungen beweisen ; sie hat also
sicher auch von der mittelmiocänen Epoche jener Ausbrüche bis zum
heutigen Tage gewirkt und Spalten gebildet. Die Alb hat ferner im
' s. 1. c. die Figur unten in der Mitte der Deffner 'sehen Tafel.
^ Vergl. auch S. 54 oben.
— 141 —
Braun-Jura und Lias einen weichen, vorwiegend thonigen Unterbau.
Da die Schichtenköpfe der Braun- Jurathone am Steilabfalle der Alb
freigelegt sind, zudem viel Wasser aufnehmen, so können sie leicht
durch den gewaltigen Druck der auflastenden harten Weiss-Jura-
schichten etwas herausgepresst werden. Die Folge davon muss
natürlich ein Zerbersten dieser auflagernden Kalkbänke sein. Leicht
mag es sein, dass ein auf solche Weise entstandener Bruch zufällig
quer über ein Tuffvorkommen oben auf der Alb liefe oder gar von
dem einen zum anderen. Leicht könnte man dann, wie man sieht,
sehr mit Unrecht, geneigt sein, diese harmlose Bruchlinie als die
Ursache jener vulkanischen Ausbrüche anzusehen.
Doch noch ein Weiteres: Wenn zahlreiche mit Verwerfungen
verbundene Spaltenbildungen in dieser vulkanischen Gegend die
Alb durchsetzten, so müssten dieselben vor allem an den unvergleich-
Uch schönen und klaren Aufschlüssen, welche der Steilrand der
Alb darbietet, längst erkannt worden sein. Das aber gilt nicht nur
von solchen Brüchen, welche rechtwinkelig zum Streichen der Alb,
sondern auch von solchen, welche parallel demselben verlaufen würden.
Denn der Steilrand bildet ja keine gerade Linie, er ist durch zahl-
reiche Thäler gleich einem zerfetzten Fahnentuche so stark in Fransen
zerschnitten, dass auch SW.— NO., also parallel mit ihm laufende
Verwerfungen an den einschneidenden Thalrändern, bezw. an den
zahlreichen Vorsprängen längst erkannt wären. Namenthch würde
wieder Deffner an dem vulkanreichen Steilrande auf Blatt Kirch-
heim sie gefunden haben. Er selbst hebt aber auch hervor,
dass Schichtenstörungen bei den Tuff gangen sehr selten
seien.
Etwas schwieriger hegen die Dinge oben auf der Albfläche.
Hier deckt eine Humusschicht das kalkige Gelände. Aber die den
verschiedenen Stufen des Weissen Jura angehörigen Kalke lassen
sich der Regel nach trotzdem hier leicht unterscheiden. Nun weist
Deffner in der nördhchen, bis auf Scharnhausen No. 124 vulkan-
losen, Hälfte von Blatt Kirchheim Verwerfungen von 52 m \ 60— 70 m '^
und 130 m ^Sprunghöhe nach, welche alle ungefähr SO.— NW. streichen,
also etwa rechtwinkelig zu dem südlich davon verlaufenden Albrande
stehen. Um wie viel mehr müsste er nun aber in dem vulkanreichen
südlichen Teile des Blattes, am Steilabfalle und oben auf der Alb
^ Xeckarthailfingeu-Aich.
^ Unterensingen-Horber Wald.
3 Altbach-Oberesslingen.
— 142 —
diese Verwerfungen gefunden haben, wenn sie in dieses Gebiet hinein-
setzten. Gerade hier, bei den Vulkanen, sollte man eher noch viel be-
deutendere Sprunghöhen erwarten, wenn Brüche dort vorhanden wären.
Diese Überlegung gilt, wie oben gesagt, von Blatt Kirchheim.
Die anderen vulkanischen Blätter der Karte, welche ersteres im
0., S. und W. begrenzen, sind nicht von Deffner aufgenommen,
sondern von Qüenstedt, welcher ja den Schwerpunkt seiner Forschung
auf eine andere Seite verlegte als diejenige des Vulkanismus und
der Verwerfungen. Man würde hier also eher meinen können, dass
letztere nur vernachlässigt, aber doch vorhanden wären. Das kann
der Fall sein. Aber die Analogie gestattet doch den Schluss, dass
auch auf diesen Blättern die Dinge ähnlich liegen werden, wie auf
dem von ihnen eingeschlossenen Blatte Kirchheim.
Noch zwei weitere Gründe bestehen indessen, welche gegen
die Annahme sprechen, dass die Ausbruchskanäle der Maare nur mit
Hilfe vorherbestandener Bruchlinien sich bilden konnten.
Der erste liegt darin, dass alle diese Ausbruchskanäle senk-
recht stehen, nie schräg durch die Erdrinde verlaufen. So ist es
im Gebiete von Urach. So ist es auch in S. -Afrika; denn gleich-
viel ob die 17 dortigen Diatremata vulkanischen oder pseudovulkani-
schen (s. später) Ursprunges sind, in jedem Falle sind sie doch
durch aus der Tiefe heraufwirkende Gasexplosionen entstanden.
Senkrecht stehen diese Kanäle, wie wir sehen werden, auch auf
Java und in Japan. Eben dasselbe aber gilt auch von den anderen
Maargebieten der Erde, an welchen wir Trichterbildungen als oberstes
Ende der Kanäle kennen. Nie sind diese Trichter auch einmal schräg
gestellt. Da nun aber Spalten, welche die Er drin de durch-
setzen, dies in allen möglichen Richtungen bezw. Nei-
gungen thun, so müsste, wenn die Ausbruchskanäle
derMaare nichts anderes als erweiterte Spalten war en,
einTeildieserAusbruchskanäledieErdrinde in schräger
Richtung durchlaufen.
Der zweite Beweisgrund, welcher ebenfalls für die Unabhängig-
keit dieser Maarkanäle von den Bruchlinien der Erdrinde spricht,
ist der folgende indirekte : Wenn die Maarkanäle nichts anderes als
röhrenförmig erweiterte Spalten wären, so müsste die Tufffüllung
dieser Kanäle doch auch weit in die Fortsetzung der Spalte rechts
und links von dem Kanäle hineingedrungen sein. Man bedenke die
Feinheit der Asche und die ungeheure Gewalt, mit welcher sie ge-
blasen wurde. Ein Staubsturm von überirdischer Heftigkeit in der
143
Erdrinde wütend ! Weithin wäre die feine Tuffmasse in die Spalten
geblasen, der Querschnitt aller unserer Tuffgänge bei Urach müsste
der folgende sein, wie ihn Fig. 105 a darstellt.
Nie aber ist er ein solcher. Nicht einmal beim Jusi No. 55
ist entfernt Ähnliches vorhanden. So spricht also auch dieser Grund
gegen die Abhängigkeit unserer Maarkanäle von gröberen Spalten.
Obgleich wir also im Gebiete von Urach 127 Aus-
bruchskanäle von Maaren kennen, wurden doch bisher
kaum bei einigen vereinzelten derselben Bruchlinien
beobachtet. Aber auch diese sind entweder zweifel-
haft, vielleicht gar nicht vorhanden, oder sie sind viel-
leicht dieFolge, nicht aber die Ursache der Ausbrüche.
Die grosse Zahl der Ausbruchskanäle, ihre unregel-
mässige Lage, ihr Auftreten auf einem nur 20nMeilen
grossen Gebiete, das stellenweise von ihnen wie ein
Sieb durchlöchert ist, machen aber auch die Annahme
geradezu unwahrscheinlich, dass allen diesen 127 Röhren
Spalten zu Grunde liegen. Die ganze Platte müsste
nach allen Richtungen hin zertrümmert sein. Auch der
runde oder ovale, nie langgestreckte Querschnitt, sowie
der senkrechte Verlauf der Kanäle machen solche An-
nahme unwahrscheinlich, da unter so vielen Spalten
gewiss einTeil in schräger Richtungdie Erdrinde durch-
setz en müsste.
Ebensowenig wie im Gebiete von Urach lassen si ch
übrigens für die Maare der Eifel, die (?Maar-) Tuffgänge
Gen tral-Schottlands und für die Diatremata S.- Afrikas
Bruchlinien nachweisen. Es scheint mithin, dass die
vulkanischen Kräfte doch die Gewalt haben, sich auf
eine beträchtliche Länge den oberen Teil ihresWeges
selbständig durch die Erdrinde zu bahnen, unabhängig
von gröberen Bruchlinien und Verwerfungen. Ob viel-
leicht doch ganz feine Haarspalten, als Fortsetzung
der in der Tiefe befindlichen gröberen Bruchlinien,
- 144 —
bis an die Erdoberfläche setzen und so den explodieren-
den Gasen den Weg anzeigen? Wegen der stets senk-
rechten Stellung der Maarkanäle scheint aber auch das
nicht ganz sicher. Ebenso spricht das Nichtvorhanden-
sein tufferfüllter langhinstreichender Spalten rechts
und links von der Ausbruchsröhre gegen die Abhängig-
keit der letzteren von ßruchlinien. Die allgemein herrschende
Lehre fordert freilich das Bekenntnis einer solchen Abhängigkeit.
Ich gebe auch zu, dass Daubree's Versuche im kleinen nur dann
cylinderförmige Durchbohrungen der Gesteinsstücke von selten ex-
plodierender Gase ergaben (s. später), wenn vorher feine Haarspalten
vorhanden waren. Ich habe daher in Obigem das Dasein solcher
feinen Haarspalten als möghch anerkannt, obgleich man auch hier
fordern müsste, dass dann ein Teil unserer Ausbruchskanäle schräg
durch die Erdrinde setzen würde. Aber zwischen einer solchen feinen
Haarspalte und den Bruchlinien und Spalten, welche nach allgemei-
ner Annahme notwendige Vorbedingung zum Entstehen vulkanischer
Ausbrüche sind, besteht doch ein gewaltiger Unterschied. Erstere
mögen vorhanden sein, letztere scheinen bei uns zu fehlen; jeden-
falls darf man mindestens ihr Dasein nicht behaupten wollen, ohne
es zu beweisen.
Wie weit geht nun aber diese Unabhängigkeit der Kanäle von
Spalten, bis in welche Tiefe hinab? Das lässt sich nicht sagen.
In Centralamerika sind Maare von fast 400 m Tiefe beobachtet
(s. später). In der Gruppe von Urach lassen sich die, ursprünglich im
Weiss-Jura eingesprengt gewesenen Maare, bezw. deren Kanäle, bis
in den Lias, bei Scharnhausen No. 124 sogar bis in den Keuper
hinab verfolgen. Das ergiebt also eine mindeste Tiefe von 6 bis
800 m. Wäre der Ausbruchskanal bei Scharnhausen No. 124 nur
ein erweitert ausgeblasener Teil einer langgestreckten Spalte , so
müsste, wie wir vorher sahen, auch rechts und links von dem Tuff-
gange eine langgestreckte tuffige Spaltenausfüllung auftreten. Eine
solche fehlt. Auch verläuft dort keine Verwerfungslinie durch den
Tuffpunkt. Folglich ist selbst dieser tiefst erodierte , tufferfüllte
Kanal unabhängig von einer Bruchlinie der Erdrinde entstanden,
nur durch die Gewalt der Gase ausgeblasen.
Da wir nun aber in so vielen Fällen die Abhängigkeit der Vul-
kane von Bruchlinien der Erdrinde kennen, so werden wir die Frage
aufwerfen müssen, ob das in einer gewissen Tiefe nicht doch auch
von unseren Maarkanälen gilt. Man kann sich ja vorstellen, dass auch
- 145 —
hier der Schmelzfluss in den tieferen Regionen der Erdrinde auf
breiten Spalten aufstieg. Dass aber dann in einer gewissen Höhe
die im Schmelzflüsse absorbierten Gase die Kraft besassen, die über-
liegende Erdrinde ohne weitere Hilfe von Spalten oder doch nur mit
Hilfe von Haarspalten zu durchschiessen, und zwar auf eine mindeste
Dicke von 800 m.
Ich mache nun aber wiederum aufmerksam darauf, dass in der
Gruppe von Urach 127 solcher Kanäle verteilt sind auf einem Räume
von 20 QMeilen. Hier dichter geschart, dort weniger dicht, in allen
Fällen aber wirr durcheinander, ohne sicher erkennbaren Verlauf
einer Spalte. Wenn daher jene Annahme einer in der Tiefe befind-
lichen Spalte das Richtige trifft, so muss dieselbe eine solche Breite
besitzen, wie der Breite des ganzen von den 127 Kanälen durch-
schossenen Streifens entspricht. Dieser hat 37 km Länge und 45 km
Breite, wenn wir zwischen den äussersten Endpunkten messen, andern-
falls etwa 37 und 30 km. Es müsste also eine ungeheuer breite
Spalte in der Tiefe klaffend und mit Schmelzfluss erfüllt gewesen
sein. Bei solcher Breite dürfte man aber gar nicht mehr von einer
Spalte sprechen, sondern von einer grossen Höhlung, in welche der
Schmelzfluss hinaufgedrungen war.
Vielleicht entstand eine solche Höhlung durch die Durchkreu-
zung zweier sehr breiten Spalten in der Tiefe. An und für sich ist
die Annahme, dass gewisse, in der Tiefe entstandene Bruchlinien
der Erdrinde nicht die Oberfläche erreichen, genau ebenso berechtigt
und gewiss thatsächlich richtig, wie die zweifellose Thatsache, dass
andere, von der Erdoberfläche aus entstandene Bruchlinien hier mehr,
dort weniger tief hinabsetzen.
Trifft diese Überlegung das Richtige, so haben wir
in verhältnismässig geringer Tiefe, zur Zeit der Aus-
brüche, eine grosse Höhlung von 37 und 45bezw. 30 km
Durchmesser erfüllt mit sehr gasreichem Schmelzfluss,
und von dieser ausgehend 127 Kanäle, welche von den
Gasen selbständig und senkrecht durch die Decke der
Höhle gebohrt wurden. Jetzt, nach der Erstarrung,
bildet dieser Schmelzfluss in der Tiefe eine grosse
kuchenförmige Masse. Ist es denkbar, dass die von
Mandelsloh und Degen im Bohrloch zu Neuffen beobachtete
auffallend starke Wärmezunahme (s. 1894 S. 607) sich
noch heute auf diese so hoch emporgedrungene Schmelz-
masse zurückführen lässt?
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 10
— 146 —
Dieser hier entwickelten Anschauung hinsichtlich des Fehlens
von eigentlichen Spalten in unserem Gebiete widerspricht nun aller-
dings die folgende von Deffner ausgesprochene Ansicht.
Derselbe^ schreibt nämlich das folgende: „Auf einen Punkt
aber ist schon hier aufmerksam zu machen, da er auf keinem der
andern Blätter so klar hervortritt. Die deutlicher aufgeschlossenen
Tuffspalten zeigen übereinstimmend eine beträchtliehe Divergenz der
Spaltenwände gegen die Tiefe zu, und verschwinden auf der Hoch-
fläche der Alb oft gänzhch. Wir erinnern an den Basaltgang auf
der Urach-Grabenstetter Steige und die bis auf die Höhe reichende
Tuffspalte von Gutenberg, welche beide die Hochfläche nur in 0,8 m
Breite durchdringen, während die auf der Schopflocher Seite liegen-
den Gangstücke auf dem Plateau gar nicht mehr zur Oberfläche
gelangen. Wenn man die Erweiterung der Spalten gegen die Tiefe
nach diesen Beispielen als eine allgemeinere Erscheinung auffasst,
so ergäbe sich daraus, dass im jetzigen Körper der Alb weit mehr
derartige, mit Tuffen ausgefüllte Spalten eingeschlossen sein müssen,
als heute an der Oberfläche erkennbar sind. Dies bestätigt sich
durch die vergleichsweise weit grössere Zahl der vulkanischen Punkte
im Vorlande der Alb gegen diejenige der auf dem Plateau bekannten.
Vergleicht man in planimetrischer Abmessung der beiden vulka-
nischen Gebiete die Anzahl der auf denselben auftretenden Erup-
tionspunkte, so ergeben sich im Vorlande etwa 2^2 — 3 mal so viel
vulkanische Durchbrüche, als auf der Hochfläche der Alb. Da aber
eine Abnahme der vulkanischen Thätigkeit gegen Südost keineswegs
angezeigt ist, so kann die kleinere Verhältniszahl der Ausbrüche
auf der Hochfläche nur davon herrühren , dass ein grosser Teil der-
selben nicht bis oben durchdringt, sondern noch latent im Körper
der Alb steckt. Wir haben uns deshalb den letzteren von einer
sehr grossen Zahl von Spalten durchzogen zu denken, von denen
wohl nur der kleinere Teil bis zur Oberfläche mit vulkanischen
Stoffen ausgefüllt ist, welche deshalb erst bei fortschreitender Denu-
dation allmählich ans Tageslicht gelangen werden."
Ich kann mich einer solchen Ansicht in keinem Punkte an-
schliessen, wir müssen daher die von Deffner angeführten Beweis-
gründe der Reihe nach besprechen.
Zunächst möchte ich hervorheben, dass Deffner wohl gar nicht
zu einer solchen Vorstellung gekommen wäre, wenn er unsere Aus-
Besrleitworte zu Blatt Kirchlieim. S. 41.
— 147 —
bruchskanäle als solche und in ihrer Beziehung zu Maaren richtig
erfasst hätte, wenn er also nicht stets irrtümlicherweise von
„Spalten" in unserem Gebiete spräche. Es liegen hier eben keine
langgestreckten Spalten vor, sondern röhrenförmige, durch Explosion
entstandene Kanäle rundlichen oder ovalen Querschnittes. Deffner
nahm eben als selbstverständlich an, dass Spalten als Ursache der
Ausbrüche vorhanden sein müssten. Infolge dieser vorgefassten
Meinung zeichnet ja auch Deffner mehrfach irrtümlich langgestreckte
Tuffgänge ein , während solche gar nicht vorliegen ; wie das auf
S. 111, 134 fe. dargethan ist.
Nun gebe ich sehr gern zu, dass die durch gebirgsbildende
Kräfte entstandenen langgestreckten Spalten, von welchen die Erd-
rinde durchsetzt wird, eine ganz verschiedene Tiefe haben können.
Wenn sie von der Tagesfläche an aufreissen, so können sie mehr
oder weniger tief hinabsetzen. Wenn sie dagegen umgekehrt in
der Tiefe entstehen, so können sie mehr oder weniger weit in die
Höhe dringen ; sie können hierbei die Erdoberfläche erreichen oder
aber weit unterhalb derselben bereits sich auskeilen.
Wenn daher in solche Spalten von unten her flüssige Gesteins-
massen eindringen, welche dann als Basalt z. B. erstarren, so können
dieselben im ersteren Falle bis an die Tagesfläche steigen ; im letz-
teren müssen sie dagegen mit dem Schlüsse der Spalte ebenfalls
aufhören. Das ist ja eine ganz geläufige Anschauung, welche sich
vielmals durch Erfahrung bestätigt. Mit fortschreitender Abtragung
der Erdoberfläche werden daher immer tiefere Eruptivgänge und
Eruptivstöcke freigelegt, welche bisher nicht über Tage sichtbar waren.
Dementsprechend mag denn auch der langgestreckte Basalt-
gang No. 126 bei Grabenstetten die Ausfüllung einer solchen Spalte
sein, welche nach oben sich auskeilt und nach unten breiter wird.
Wenn Deffner aber gerade diesen als Beweis anführt, so thut er
das eben iu:r, weil er den tiefergreifenden Unterschied zwischen
solchen Spalten und unseren röhrenförmigen Explosionskanälen gar
nicht erfasst hat. Man kann natürlich nicht das Verhalten einer
Spalte, einer Bruchlinie, als Beweis für dasjenige einer solchen Ex-
plosionsröhre anführen.
Es besteht aber nicht nur in der Entstehungsweise jener Spalten
und dieser Explosionskanäle ein grosser, tiefgreifender Unterschied,
sondern auch in ihrer Füllmasse. Dort handelt es sich um feste
Eruptivgesteine, wie Basalte. Hier liegen in unserem Gebiete (fast)
nur Tuffe in den Kanälen.
10*
— 148 —
Nun will ich auch hier zugeben, dass man sich vorstellen kann,
wie eine Spalte, welche aus der Tiefe nicht bis an die Tagesfläche
hindurchsetzt, sich von unten her mit vulkanischem Tuff erfüllt.
Im Schmelzflusse entstehen Gasexplosionen, diese zerschmettern den-
selben und füllen die Spalte mit Asche. Da die Spalte nicht bis zu
Tage ausstreicht, so thut das natürlich auch nicht der in ihr auf
solche Weise entstandene Tuffgang.
Auch das will ich weiter zugeben, dass dieser Tuff eine Breccie
sein kann, erfüllt mit Bruchstücken des Nebengesteines. Aber —
nie wird in einer tufferfüllten Spalte, welche beispielsweise von unten
her nur bis in den obersten Braun-Jura hinauf reicht, auch nur ein
einziges Stück von Weiss- Jura liegen können, geschweige denn eine
so unzählbare Menge von Weiss-Jurastücken aller Stufen bis hinauf
zum 5, wie das bei allen unseren Tuffen der Fall ist! Dieser eine
Grund allein genügt, um die Vorstellung Deffner's z u
Falle zu bringen, dass die tuff erfüllten Spalten in
unserem vulkanischen Gebiete zum Teile gar nicht die
Erdoberfläche erreicht hätten, also erst bei tiefer-
greifender Erosion freigelegt würden.
Nun führt zwar Deffner noch einen zweiten Beweis für seine
Ansicht an. Es ist das Verhalten des vierten Ganges an der Guten-
berger Steige No. 45. 1894 auf S. 765 habe ich dargelegt, dass hier
allerdings der Anschein obwaltet, als wenn der Tuffgang nicht ganz
bis an die Tagesfläche ausstriche, sondern einige Fuss unterhalb der-
selben bliebe. Allein man kann die auf ihm lagernden Kalkmassen
auch sehr wohl als nicht anstehend auffassen, also als Schutt, welcher
auf dem Kopfe des wirklich zu Tage ausstreichenden Tuffganges
liegt. Sicher zu entscheiden wage ich das nicht; möglicherweise
könnte Deffner in diesem einen Falle recht haben. Nur irrt er,
wenn er diesem Gange die geringe Mächtigkeit von 0,3 m zuschreibt,
welche allerdings bei einem Tuff'gange sehr auffällig sein würde
Dieselbe beträgt nicht weniger als 90 Schritte ! , wie sich durch ge-
naues Absuchen des Aufschlusses im Graben ergab. Wir stehen an
dieser Stelle am Kontakt zwischen Tuff und Weiss-Jura und die
Grenze ist keine ganz geradlinige ; daher verschwindet der Tuff
streckenweise.
Drittens macht nun Deffner für seine Ansicht an anderer
Stelle geltend, dass auch die beiden Gänge an der Diepoldsburg
No. 40 und beim Engelhof No. 41 in solcher Weise durch eine unter-
irdische Spalte, welche nicht zu Tage ausstreicht, in Verbindung
— 149 —
ständen. 1894 auf S. 749 dieser Arbeit habe ich gezeigt, dass das
entschieden nicht der Fall ist.
In letzter Linie stützt Deffner seine Ansicht darauf, dass auf
gleicher Fläche im Vorlande 2^1^ — 3 mal so viel Gänge lägen, als
auf der Alb. Sehen wir uns das genauer an. Wir haben im Vor-
lande 53 Gänge ; auf der Alb 38 und auf ihrem Steilabfall 32, also
zusammen 70 Gänge. Trotzdem mithin die Alb eine Überzahl von
17 Gängen besitzt, sind auf ihr allerdings dieselben weniger dicht
geschart, als im Vorlande. Dass letzteres aber, wie Deffner sagt,
2^/2 — 3 mal dichter damit besäet ist, lässt sich gar nicht so hinstellen.
Wenn man das ganze Vorland rechnet bis hin zum Kraftrain No. 76 im
äussersten NO. und Scharnhausen No. 124 im äussersten NW., so
ist Deffner's Behauptung entschieden falsch; denn diese Fläche ist
zwar nicht ebenso gross wie die betreffende der Alb , aber doch
vielleicht nur 72 kleiner und besitzt 53 Gänge gegenüber jenen 70.
Wenn man dagegen auf das dicht durchlöcherte Gebiet nördlich und
westlich des Jusi bhckt, dann hat Deffner recht; denn dieses ist
noch viel mehr als 3 mal so dicht besäet denn die Alb.
Die Lösung dieser Frage ist daher meines Erachtens noch die
folgende : Nicht das Vorland ist dichter besetzt mit Eruptivmassen
als die Alb, sondern sowohl auf dem Vorlande als auch auf der Alb
lässt sich je eine Stelle finden , auf welcher dieselben dichter ge-
schart sind. Das ist für das Vorland das genannte Gebiet N. und
W. vom Jusi und für die Alb das Gebiet um Urach, d. h. S. und 0.
vom Jusi. Also um die riesige Masse desJusiherum sind
die Durchbruchskanäle zahlreicher entstanden; weiter
von ihm entfernt sparsamer. Nahe dem Jusi (Rangen-
bergle No. 120, Florian No. 101, Höslensbühl No. 118) sind
auch, wie wir sahen, die Granite am massenhaftesten
ausgeworfen. Beides weist darauf hin, dass hier eben
die stärkste vulkanische Thätigkeit das Centrum der-
selben war.
Möglicherweise spielt aber auch noch ein anderer Grund in
diese Erscheinung hinein : Im Vorlande der Alb markieren sich
die Tuffgänge meist als Erhebungen. Oben auf der Alb sind sie
unter der Ackererde und unter Schuttmassen versteckt. Hier sind
sie daher schwerer zu finden, hier kennen wir manche noch nicht.
Ihre Zahl ist hier also vielleicht eine grössere als sie uns zu sein
scheint.
Aber die Annahme Deffner's von den tufferfüllten Spalten,
— 150 —
welche nicht bis an die Oberfläche der Alb reichen sollen, wird auch
noch durch folgende Überlegung geschlagen: Solange man mit
Deffner von „Spalten" spricht, kann man zu seiner Auffassung ge-
langen. Sowie man aber erkannt hat, dass es sich um Kanäle
handelt, welche durch die feste Erdrinde hindurchgeschossen wurden,
ist solche Auffassung unmöglich. Oder soll man annehmen , dass
jene Kräfte explodierender Gase, welche sich eine Röhre durch die
ganze dortige Dicke der Erdrinde hindurch ausbliesen, auf den letzten
50 oder 100 m ihres Weges erlahmt wären und nicht mehr die
Kraft gehabt hätten, bis an die Tagesfläche durchzubrechen? Das
ist ganz undenkbar und darum kann Deffner's Ansicht nicht
richtig sein, dass sich die Ausbruchskanäle unseres
Gebietes nach unten zu erweitern. Im Gegenteil, sie
verengern sich nach unten, wie früher (S. 110) gezeigt
worden ist; es sind auch gar keine Spalten, sondern
röhrenförmige Kanäle, also etwas ganz anderes als
Deffner vorschwebte.
Bereits im Jahre 1886 ist F. Löwl^ für die Unabhängigkeit
der Vulkane von den Spalten eingetreten. Dass die Vulkane vor-
zugsweise auf solchen Schollen der Erdrinde sitzen, welche von
Bruchhnien durchzogen sind, das wird, so sagt Löwl, niemand be-
streiten. „Aber wenn eine Bruchregion der Schauplatz vulkanischer
Ausbrüche ist, so folgt daraus noch nicht, dass diese Ausbrüche an
die einzelnen Bruchlinien gebunden sind." Bei dem hohen Gebirgs-
drucke, welcher bereits in geringer Tiefe in so hohem Maasse herrscht,
dass nach Heim die harten Gesteine plastisch werden, kann sich, so
schliesst Löwl gewiss mit vollstem Rechte weiter, überhaupt gar
keine Spalte offen erhalten. Es bleibt mithin nur die Annahme
übrig, dass die Schmelzmassen sich dennoch unabhängig von Spalten
einen Weg durch die Erdrinde zu bahnen vermögen; den zweifellosen
Beweis dafür sieht er in dem Verhalten der Lakkolithe Nordamerikas,
bei welchen er die Biegung der den Eruptivkuchen umwölbenden
Schichten nicht, wie Süess, auf Höhlenraumbildung , sondern mit
Gilbert auf die Thätigkeit des Magmas, bezüglich der auf letzteres
wirkenden Druckkräfte zurückführt.
Wenn man nun meinen möchte, dass unter solchen Umständen
Löwl der Ansicht ist, dass die im Schmelzflusse absorbierten Gase
durch ihre explosive Arbeit den Schlot quer durch die Erdrinde
'■ Spalten und Vulkane. Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt. Bd. XXXVI.
1886. S. 315.
— 151 —
öffnen, so wäre man im Irrtum. Er will im Gegenteil denselben
nur die Rolle einer Begleiterscheinung zuschreiben. Die wahre Ur-
sache des Aufsteigens des Schmelzflusses ist nach ihm vielmehr zu
suchen „in dem örthch gesteigerten Drucke der Erstarrungskruste".
Wodurch diese Druckunterschiede hervorgerufen werden, darauf ver-
mag er freilich keine Antwort zu geben.
Nach LöwL erzeugt also eine noch unbekannte Kraft einen
Druck auf die Schmelzmassen, so stark, dass sie durch die Erdrinde
hindurchgedrückt werden. Ich kann mich dieser Ansicht in solcher
Form doch nicht gänzlich anschliessen, denn ein jeder der mehr als
120 Ausbruchskanäle unseres Gebietes beweist, dass hier niemals
der Schmelzfluss ^ an die Oberfläche emporgedrückt worden ist. Son-
dern dass die, aus dem in der Tiefe verbleibenden Schmelzflusse
entweichenden Gase sich die Kanäle, oft zu zweien nahe beiein-
ander, durch die Erdrinde gebahnt haben. Das hat für eine gewisse
Tiefe bezw. Dicke der Erdrinde unzweifelhafte Gültigkeit. Wohl
aber bin ich, wie ja auf S. 145 dargelegt, der Ansicht, dass in nicht
zu grosser Tiefe unter unserem Gebiete ein grosser Schmelzherd sich
befunden hat, von dem aus die Gase sich ihre 127 Röhren durch
die Erdrinde bahnten. Die Ursache nun, welche hier die Schmelz-
massen so hoch in der Erdrinde aufsteigen machte, die mag in jener
unbekannten Druckkraft gesucht werden.
Wenn also Löwl mit Reyer^ sagt: „Für unseren Planeten sind
die Zeiten des Spratzens für immer vorbei", so gilt das eben doch
nicht für die oberen Schichten der Erdrinde ; denn wenn der Schmelz-
fluss hoch genug hinaufgestiegen oder gedrängt ist, dann sind es
doch seine Gase, welche durch ihre Spra'tzthätigkeit sich Röhren
durch diese oberen Schichten hindurchschlagen.
Ausser der Frage nach dem Vorhandensein oder Fehlen von
Verwerfungen und Spalten, auf welche man die Entstehung der
zahlreichen Ausbruchskanäle unseres Gebietes zurückführen könnte
oder nicht, tritt uns nun auch die weitere Frage entgegen, ob unser
ganzes vulkanisches Gebiet in einem Einsturzkessel liegt oder nicht.
Wie schon 1894 auf S. 674 und 675 angedeutet, hat bereits Graf
Mandelsloh eine derartige Versenkung auf seiner Karte der Alb an-
gegeben ; doch scheint sich dieselbe nur auf das Vorland derselben
beziehen zu sollen, denn auf der Oberflächenlinie der Alb ist nichts
' Abgesehen von einigen Kanälen, welche mit Basalt erfüllt sind.
^ Beitrag zur Physik der Eruptionen. S. 59.
— 152 —
von einer solchen zu sehen ; auch spricht das Verhalten der Schichten
an der östlichen Verwerfungskluft seines Profiles bei Lorch dagegen.
Deffner dagegen zieht auch die Alb in diese Versenkung hinein,
indem er sagt ^ : „Das specifisch vulkanische Gebiet aber zwischen
Engstingen und Grabenstetten bildet eine tiefe Einsenkung von
durchschnittlich 100 m zwischen der Münsinger Hardt und den
östlich Erpfingen sich erhebenden Höhen. Dass diese Emsenkung
sich bis an den Neckar erstreckt und in der Köngener Mulde und
bei Plochingen ihren tiefsten Punkt erreicht" wird dann von Deffner
an anderer Stelle ^ besprochen. Es muss einer späteren Arbeit,
welcher eine Karte mit Höhenkurven zu Gebote steht, überlassen
bleiben, diese Frage zu entscheiden.
Die Denudationsreihe ^ der Maare und ihrer in die Tiefe
hinabsetzenden, tuff- und basalterfüllten Kanäle.
Stratovulkane und homogene Vulkane.
Allgemeinere Bemerkungen über die Denudation unserer Tuffgänge. Verschiedene
Widerstandsfähigkeit derselben im Vergleiche zu den sie einschliessenden Sedi-
mentärschichten. Die von Deffner aufgestellten beiden Gesetze. Das erste ist
selbstverständlich, das zweite besteht gar nicht. Ganz oder fast ganz ein-
geebnete Tuffgänge. Kegelförmig aufragende Tuffgänge.
Specielle Denudationsreihe der Maare und Maartuff'gänge. A. Die Maare oben
auf der Alb. I. Völlig unverletzte Maare, II. Etwas verletzte. Rand nicht
mehr ganz vollständig erhalten ; ein Abflussthal in denselben eingesägt ; Zu-
fluss- und Abflussthal. Maarkessel als Ausbuchtung eines grossen Erosions-
kessels, ni. Maarkessel mehr oder weniger bis zur Unkenntlichkeit zerstört :
In einem grossen Erosionskessel verschwunden; auf andere Art eingeebnet.
Der Kopf des Tuffganges beginnt sich als Erhöhung über die Erdoberfläche
zu erheben.
B. Die Vorkommen amSteilab falle derAlb und imVor lande der-
selben. I. Noch deutlich erkennbare Maare. II. Maartuffgänge, senkrecht
angeschnitten, Maarkessel verschwunden. Verschiedene Stadien der Blossleguug
und Abschnürung von der Alb bis zum vereinzelt aufragenden Kegel. Zukunfts-
bild unserer Tuff berge; Verallgemeinerung desselben.
In der grossen Zahl von Vulkanen, welche die Erde trägt,
unterschied man früher nach v. Seebach die Stratovulkane und die
^ Begleitworte zu Blatt Kirchheim S. 5.
- 1. c. S. 55 pp.
^ Der treffende Ausdruck „Denudationsreihe" wurde von Suess, Antlitz
der Erde. Bd. I. S. 190, angewendet, um damit die Reihenfolge der, nacheinander
sich an der jedesmaligen Erdoberfläche zeigenden vulkanischen Gesteinsmassen
zu bezeichnen , welche sich ergiebt , wenn die Erdoberfläche durch Denudation
mehr und mehr abgetragen wird.
— 153 —
homogenen Vulkane. Neuere Geologie hat gezeigt, dass beide, ob-
gleich von sehr verschiedenartiger äusserer Erscheinung, doch nur
zwei Glieder in der Erosionskette einer und derselben Bildung sind.
In den Stratovulkanen finden wir die mehr oder weniger un-
verletzten vulkanischen Berge; hierher gehören daher wesentlich
alle in geologisch junger Zeit thätigen oder doch noch bis dahin
thätig gewesenen.
Die homogenen Vulkane dagegen, also die Berge von Basalt,
Trachyt, Phonolith u. s. w. , stellen uns nur den herausgeschälten
inneren Kern einstmaliger Stratovulkane dar. Wir sehen in ihnen
den im Innern des Berges in einem grossen Hohlraum erstarrten
Schmelzfluss. Die äussere Hülle des Berges, die Aschen-, Lapilli-
und Schlackenmassen , bezw. auch die etwaigen Lavaströme , sind
bereits abgetragen. Daher handelt es sich hier wesentlich um geo-
logisch ältere Ausbrüche als bei jenen Stratovulkanen.
Aber eine noch weitergehende, in noch ältere Zeiten hinab-
greifende Folgerung dieser Erkenntnis stellt uns auch die Berge ge-
wisser uralter krystalliner Massengesteine, wie den Granit, ebenfalls
im Zusammenhang mit ehemaligen Vulkanbildungen dar. Wenn wir
in jenen homogenen Vulkanen, den Basalt-, Trachyt-, Phonolith-
u. s. w. Kegeln, den herausgeschälten Kern eines auf die Erdober-
fläche aufgesetzten Vulkanberges erkennen , so sehen wir in diesen
Granit- u. s. w. Bergen die herausgeschälten Kerne von Hohlräumen,
welche sich zu damaliger Zeit noch in grosser Tiefe unter der Erd-
oberfläche befanden. Während der Thätigkeit des damaligen feuer-
speienden Berges erfüllten sich dieselben mit allmählich erhärtendem
Schmelzflusse; und nun, nach unsagbar langen Zeiträumen, sind diese
erstarrten Kuchen durch die Abtragung der über ihnen liegenden
Schichten der Erdrinde an die Erdoberfläche gerückte Ein gross-
artiges Bild der Erosion ist uns auf solche Weise enthüllt.
Aber es giebt noch andere vulkanische Gebilde auf Erden.
Das sind die Maare, Stellen der Erde, an welchen der Vulkanismus
bei dem ersten Schritte ins Leben, an die Erdoberfläche, auch wieder
erstickte. Wie diese embryonalen Vulkanbildungen überhaupt auf
Erden ganz ungemein viel seltener sichtbar sind als die völlig zur Ent-
wickelung gelangten, so kennen wir auch von ihnen bisher noch keine
derartige Erosionsreihe. Zum ersten Male bietet uns unsere
' Dieser Zusammenhang mit einstigen Vulkanen gilt natürlich nur für einen
Teil der altkrystallinen Massengesteine; andere haben auch damals schon die
Oberfläche erreicht.
— 154 —
vulkanische Gruppe von Urach eine solche Erosions-
reihe embryonaler Vulkanbildungen dar. Unddaunsere
Gruppe alle bisher bekannten Maargebiete der Erde
zusammengenommen^ an Zahl der einzelnen Embryonen
überaus weit hinter sich lässt, so gewährt uns unser
Gebiet eine Erosionsreihe von einer Reichhaltigkeit
sondergleichen. Entsprechend der geringen Grösse
eines Embryo wird man den Umfang der hier abgetragenen
bezw. herausgeschälten Massen nicht im entferntesten
vergleichen können mit dem jener völlig zur Entwicke-
lung gelangten Vulkane. Aber sollte die geringe, bis-
weilen bis zum Winzigen herabsinkende Grösse unserer
Bildungen ein Grund sein, denselben eine geringere
Bedeutung beizulegen? So finden wir hier in beispiel-
loser Reichhaltigkeit sämtliche Erosionsstadien von
dem fast völlig erhaltenen Maarkessel an, bis hin zu
dem völlig von der Erdoberfläche abrasierten, zu dem
seitlich geöffneten Ausbruchskanale endlich zu seiner aus
500 m Tiefe herausgeschälten Tufffüllung. Die folgende
Betrachtung soll uns diese Erosionsreihe vor Augen führen.
Bevor wir uns jedoch die einzelnen Erosionsstadien vor Augen
führen, möchte ich einige allgemeine Betrachtungen über diese Vor-
gänge voranschicken.
Allgemeinere Bemerkungen über die Denudation der Tuffgänge.
Man stelle sich einen Ausbruchskanal von rundem Querschnitte
vor; dann bildet die denselben erfüllende Tuffmasse eine Tuffsäule
von entsprechender Gestalt. Diese Tuffsäulen werden bei der Ab-
tragung der Alb und der älteren Juraschichten , welche sie durch-
setzen, natürlich ebenfalls abgetragen. Aber das geschieht nicht im
gleichen Schritte. In der Regel ist das vulkanische Gestein wider-
standsfähiger, bildet also eine Hervorragung. Wir wollen zunächst
das obere Ende derselben, die Oberfläche der Säule, ins Auge fassen.
Diese Oberfläche der Tuffs äulen ist sehr verschieden
beschaffen. Allgemein können wir zwei verschiedene Ausbildungs-
weisen unterscheiden und in deutlichen Zusammenhang mit der
Erosion bringen.
^ Falls man nicht die Tuffgänge in Mittel-Schottland ebenfalls als Kanäle
einstiger Maare betrachten will. Ich glaube, dass man das thun könnte. Geikie
sieht sie indessen als Kanäle ehemaliger Aschenberge an.
— 155 —
1) Solange das obere Ende der Tuffsäule noch in dem Aus-
bruchskanale drinnen steckt und auf dem Boden des unverletzt er-
haltenen Maarkessels mündet, wird die Oberfläche derselben eine
mehr oder weniger ebene sein. Wenn dann der Rand des Maar-
kessels an einer oder mehreren Seiten zerstört ist, wenn also Wasser-
läufe oder doch Erosionsrinnen sich auf dem Boden des Kessels,
d. h. auf der Oberfläche der Tuffsäule gebildet haben, so wird diese
Oberfläche natürlich uneben. Läuft die Erosionsrinne ungefähr durch
die Mitte, so ergiebt sich ein Aufschluss, wie wir ihn im zweiten
Maartuffgange an der Gutenberger Steige No. 43 finden Fig. 17.
N.W Alb Alb S.O.
Schnitt vonNW- S 0 durch den 2 ^i" Gang-
Flgr.f?:
Wir stehen dann in der Seele des Tuffganges an der tiefsten Stelle;
und nach rechts, links und hinten steigt die Oberfläche des Tuffes
an bis sie die Weiss- Jurafelsen, ihre Kanalwände, erreicht.
Besteht das oberste Ende der Tuffsäule aus geschichtetem
Tuff, über dem dann noch Süsswasserschichten anderer Art liegen,
so neigen sich diese Schichten alle gegen das Innere hin, weil ihnen
dort fortgesetzt das Widerlager durch das Wasser entführt wird.
Das Randecker Maar No. 39 bietet das beste Beispiel in dieser
Beziehung.
Bei dem Maar südlich von Mengen No. 15 haben wir die ähn-
liche Erscheinung, nur dass hier die Erosionsrinne aus der Mitte
mehr nach der Seite gerückt ist. Bei dem Maar an der Steige von
Urach nach Böhringen No. 62 und demjenigen an der Wittlinger
Steige No. 63 verläuft die Thalrinne sogar völlig an der Seite, also
im Kontakt zwischen Tuff und Nebengestein. Hierdurch wird natür-
lich die Tuffsäule dann an einer bezw. mehreren Seiten ganz frei-
gelegt. Die übrige Oberfläche der Tuftsäule aber wird dann in un-
regelmässiger Weise uneben, mit Erhöhungen und Vertiefungen
bedeckt.
— 156 -
2) Sowie nun aber der Kanal von allen Seiten zerstört ist,
so dass der Tuff frei in die Luft ragen und das Wasser ringsum
ablaufen kann, so geht in allen Fällen die bis dahin breite, durch-
furchte Oberfläche der Tuffsäule über in eine kegelförmig zugespitzte ;
es bildet sich der Bühl heraus. In Anbetracht der übereinstimmenden
Zusammensetzung aller unserer Tuffbreccien ist es auffallend, dass
hierbei durch Verwitterung und Denudation doch so verschieden-
artige, schroff entgegengesetzte Oberflächenformen hervorgehen. Hier
überragen sie als unersteigliche Nadelfelsen und als kegelförmige
Berge ihre Umgebung, d. h. das Nebengestein, in welchem sie als
Gänge aufsetzen. Dort sind die Buhle bereits wieder eingeebnet,
ragen also gar nicht über ihre Umgebung hervor. Da bilden die
Tuffe sogar seichte rinnenförmige Vertiefungen. Bevor wir die Lösung
suchen, wollen wir diese Verhältnisse etwas näher betrachten.
Wir haben Tuffmassen, welche in Gestalt hoher nadeiförmiger
Felsen aus dem doch so harten Weiss-Jura aufragen, also sich aus-
gesprochen widerstandsfähiger erweisen als selbst dieser. So der
Gang von Ulmereberstetten No. 61 , der aus hartem d aufragt.
Dahin gehören aber auch der Conradsfelsen No. 47 und der Karpfen-
bühl No. 65 , welche beide aus Weiss-Jura y bezw. a hervorragen ;
und das sind, im Gegensatz zu jenem d, weichere Juraschichten,
besonders das a. Nun sollte man wenigstens erwarten, dass alle
aus diesen weichen a- und /-Schichten heraustretenden Gänge sich
gleichmässig erhalten, also ebenfalls so hoch heraufwachsen mussten.
Dem ist aber nicht so. Man betrachte den aus a zu Tage tretenden
Gang am Buckleter No. 57 ; dieser ragt kaum als kleiner Wulst
über seine Umgebung empor und der Tuff ist dabei doch nicht etwa
weich, sondern bildet feste Felsen.
Also bei ungleichem Nebengestein gleiches Ver-
halten der Tuffgänge im ersten Beispiele; und bei
gleichem Nebengestein ungleiches Verhalten der Tuff-
gänge, im zweiten Beispiele.
Noch weiter geht das bei anderen Tuffgängen , welche sogar
in Form von seichten Vertiefungen als breite Rinnen am Gehänge
herabziehen. So der erste Gang an der Gutenberger Steige No. 42.
Dieser bildet in demselben harten Weiss-Jura ß eine Vertiefung, in
welchem andere als Erhöhung aufragen. Sodann der Gang im
Elsachthale No. 58, der ebenfalls im harten ß eine solche Rinne
bildet. Ein wenig auch der im Riedheimer Thal No. 64, welcher
vertieft zwischen dem harten J-Felsen liegt. Das alles sind Gänge
— 157 —
am Steilabfalle der Alb. Gehen wir hinaus in das Vorland derselben.
Dieses besteht vorwiegend aus weichen, thonigen Schichten, sowohl
nahe der Alb im Braun-Juragelände , als auch ferner derselben , in
dem des Lias. Vorwiegend ragt hier der Tuff in Form von Er-
höhungen über sein jurassisches Nebengestein empor ; aber es giebt
auch Stellen, an welchen er, in ganz demselben Nebengestein, völlig
eingeebnet ist.
Deffner's Gesetze. In Bezug darauf stellte nun Deffner ^
zwei Gesetze fest : Erstens zeigt er, dass die Meereshöhe dieser Buhle
von S. nach N. abnimmt. Das ist eigentlich selbstverständlich, denn
im S. erscheinen die Tuffe im hochgelegenen Weiss-Juragebiete ;
nördlich davon in dem schon weniger hochgelegenen des Braun-
Jura; noch weiter nördlich in dem tiefst gelegenen des Lias. Fig. a
lässt das erkennen.
VulICanischeTwff(
N.W
SüdrandderAlb
Bmchlinte.
MuschelKalK
^chematischerDurchschnittv. Nord nachSüd, vonStuttgartbisObersdwaben
rig.a.
Das zweite Gesetz Deffner's lautet dahin, dass auch „die
relativen Höhen der Buhle über ihrer Basis vom Grundgebirge" —
mit anderen Worten, dass der Betrag, um welchen die senkrechten
Tuffgänge bezw. Buhle über ihre jurassische Umgebung aufragen —
ebenfalls von S. nach N. abnimmt und dass sie ganz im N. bereits
völlig eingeebnet sind.
Deffner erklärt das dadurch, dass bei dem allmählichen Rück-
wärtsschreiten des Albrandes von N. gegen S. , die Denudation im
N. ja schon am längsten gewirkt habe. Daher müssten dort die
Hervorragungen des Tuffes , die vulkanischen Buhle am niedrigsten
sein. Das ist indessen ganz sicher ein Trugschluss. Gewiss ist das
Gelände, je weiter nach N., seit desto längerer Zeit bereits denudiert.
Aber das hat doch nicht nur die Tuff buhle betroffen , sondern ge-
* Begleitworte zu Blatt Kirchheim. S. 38 ii. 39.
— 158 —
nau ebenso auch ihr Nebengestein. Das gegenseitige Höhen Verhältnis
zwischen Tuffbühl und jurassischem Nebengestein kann daher durch
die Zeitdauer der Denudation unmöglich beeinflusst sein. Das kann
vielmehr nur geschehen dadurch, dass der Festigkeitsgrad, also die
Widerstandsfähigkeit der Gesteine im N. und im S. verschiedene
sind, und zwar entweder beim Nebengestein, dem Jura, oder
beim Tuffe.
Wäre der Jura im S. weicher als im N. , so müssten natür-
lich, gleiche Härte des Tuffes vorausgesetzt, die Tuffgänge im S.
höher über ihre Umgebung hervorragen als im N. und sie könnten
dann im N. vielleicht ganz eingeebnet sein. Aber das Nebengestein
besteht gerade umgekehrt im S., am Steilabfalle der Alb, aus harten
Weiss- Juragesteinen ; im Vorlande aus weicheren, vorwiegend thonigen
Braun-Jura- und Liasmassen. Innerhalb des Vorlandes aber wird
der Unterschied in der Härte von S. nach N. kein wesentlicher sein.
Besteht also ein Unterschied in der Höhe, mit welcher unsere
Tuffbühle über ihr Nebengestein emporragen, sind die Tuffgänge im
N. eingeebnet und nehmen von da an gegen S. an Höhe zu, so könnte
nur die Härte des Tuffes die Veranlassung davon sein. Im N. müsste
er weniger hart sein als im S. Es Hesse sich allenfalls eine Erklä-
rung dafür finden.
Bei dem Ausbruche ist der Tuff, wie wir früher sahen, als
lose Masse im Ausbruchskanale abgelagert worden. Noch lange
Zeit hindurch hat er diese Eigenschaft beibehalten. Erst allmählich
ist er zu einem festen Gestein cementiert worden, und zwar mit Hilfe
des ihn stets durchtränkenden Wassers (S. 27). In den oberen Teilen
der Röhre, so könnte man jene auffallende Thatsache erklären, ist die
Cementierung im allgemeinen eine etwas stärkere gewesen. Daher
also im S. am Steilabfalle der Alb und im Braun-Juragebiet festere
Tuffe, welche aus ihrer Umgebung höher hervorragen. Weiter nach
N,, im Lias, kommen wir in die tieferen Teile der Röhren. In diesen
herrscht ein geringerer Grad von Cementierung; daher also ihre
geringere Widerstandsfähigkeit, also die geringere Höhe über ihrer
Umgebung, bezw. ihre völlige Einebnung.
Nur auf solche Weise würde sich jenes DEFFNER'sche Gesetz
erklären lassen. Aber besteht denn dieses Gesetz überhaupt? Ich
glaube, es besteht gar nicht. Allerdings sind gerade die im N. ge-
legenen Tuffmassen meist eingeebnet. Aber das gilt auch von vielen
weiter südlich gelegenen in ganz derselben Weise ; die folgende
Übersicht zeigt das an. Wie soll man überhaupt das Eingeebnet-
- 159 —
sein in diesem Falle begrifflich erklären? Gewiss ist ein Tuffgang
ganz eingeebnet, wenn er inmitten einer geschlossenen Lias- oder
Braun- Jurafläche liegt und dieselbe nicht überragt. Aber genau
ebenso sind eigentlich alle diejenigen unserer richtigen Tuffbühle ein-
geebnet, welche in einem Thale liegen und dem Gehänge desselben
als kugelknopfförmiger Berg entspringen, ohne jedoch oben die
Plateaufläche zu überragen, wie Fig. 53 und 54 von der Seite und
von vorn zeigen.
O.N.O. > ^-SW- ^-^ 5.0.
>'7 ' • ^- ■■i„w Ali ach.
Basalt Bach
rig-.53. Kraftrain \vmer^es) Fi(j.5^.
Steht man im Thale, so hat man einen richtigen Tuffberg vor
sich. Steht man dagegen oben auf der Fläche , in welche jenes
Thal eingeschnitten ist, so ist keine Emporragung des Tuffes vor-
handen. Das letztere aber ist doch das Entscheidende; denn wenn
wir uns ein, inmitten einer Liasfläche liegendes, völlig eingeebnetes
Tuffvorkommen denken und hart neben demselben sich ein Thal ein-
graben lassen, in welchem nun der Tuff am Gehänge als runder
Vorsprung hervorragt, dann haben wir ja das Obige.
Es folgt aus dieser Darlegung, dass unter die eingeebneten
Tuffvorkommen auch alle diejenigen einzubegreifen sind , welche in
der geschilderten Art an den Gehängen der Thäler liegen, jedoch
nicht über die Plateaufläche aufragen. Wenn wir nun diese Tuffgänge
überblicken, so zeigt sich eine auffallend grosse Zahl, In der folgen-
den Tabelle habe ich solche in Thälern liegenden mit einem X
versehen.
Die folgenden Tu ff gänge sind ganz oder fast ganz
eingeebnet:
Tritt zu Tage aus
X Scharnhausen No. 12-1 Oberem Keuper
An der Sulzhalde „ 117 Lias «
Am Kräuterbuckel ,, 116 „ ß
X Authmuthbölle „ 115 „ ß
Höslinsbühl im Humphenthal r HS „ ß
— 160 —
Tritt zu Tage aus
X Am Scheuerlesbach No. 123 Lias ß—y
X Kraftrain „ 76 „ J— f
N. von Grossbettlingen, Scheidwasen . . , 114 „ e
S. von Kleinbettlingen, Hengstäcker . . „ 112 Braunem Jura «
Bolle bei Reudern , 90 u. 91 „ , «
Gaisbühl ^122 , „ «
X NW. von Kohlberg, Authmuthbach . . „ 100 „ ,, «
Bettenhard bei Linsenhofen ,96 „ „ «
X Am Ehnisbach ,80 „ , «
Käppele bei Dettingen , 88 „ ^ ß
S.-Abhang des Käppele »89 „ ^ ß
An der Steige Bissingen-Ochsenvpang . . „ 82 ^ ^ ß
BöUe N. von Kohlberg «99 „ ^ ß
N. vom Hofbühl, im Hofwald .... „ 105 „ ^ ß
Schaf buckel ,119 , ^ ß
Aus Obigem ergiebt sich das Folgende : Einmal ist die Zahl
der Tuffgänge im Vorlande der Alb , welche sich nicht oder kaum
in Gestalt von Erhöhungen über ihre Umgebung erheben, eine viel
grössere als man denken möchte, da eben die Kegelberge sich in
den Vordergrund drängen. Zweitens sind diese eingeebneten Gänge
durchaus nicht auf die nördlichsten Gegenden unseres vulkanischen
Gebietes beschränkt, sondern sie treten ganz unregelmässig verteilt
im N. und im S. auf. Drittens erscheinen sie in zwar nicht festen
aber doch immerhin hier härteren und dort etwas weicheren Schich-
ten ; und wenn wir die ganz im S. am Steilabfalle auftretenden
eingeebneten , bezw. gar etwas vertieften hinzunehmen , sogar in
harten.
Wenn wir aber die obige Liste überblicken, so zeigt sich, dass
fast alle diese eingeebneten Tuffgänge zugleich auch mehr oder
weniger bereits des aus Weiss-Juragesteinen bestehenden Schutt-
mantels beraubt sind. Falls das durch menschliche Kultur geschehen
sein sollte, so würde natürlich kein Zusammenhang zwischen beiden
Erscheinungen vorhanden sein ; denn innerhalb weniger Jahrhunderte,
um die es sich hier nur handeln kann , wird ein vorhandener Tuff-
berg nicht durch die Denudation eingeebnet. Wenn aber hier der
Schuttmantel bereits seit längeren Zeiten durch natürliche Kräfte
aufgelöst und abgetragen sein sollte , oder falls er von Anfang an
gefehlt haben sollte (S. 33) — was beides wohl die wesentliche
Ursache seines Fehlens sein dürfte — dann muss ein Zusammenhang
zwischen dem Fehlen des Schuttmantels und der Einebnung des Tuff-
berges vorhanden sein.
— 161 —
Dass nämlich eine auf dem Tuffe liegende Decke harter, ganz
fest gepackter Kalksteine denselben vor der Abtragung und VVeg-
schwemmung in hohem Masse schützen musste, liegt auf der Hand.
Sie wirkte ebenso , wie ein aufgespannter Schirm bei Regen den
Träger schützt. Eine ganz analoge Erscheinung bietet uns das in-
teressante Vorkommen von Stubensandstein unter dem Basalt des
grossen Gleichberges ^ bei Meiningen dar. Ringsherum sind auf weite
Erstreckung hin die höheren Keuperstufen verschwunden. Nur am
Gleichberg wurde durch den sich deckenartig darüber ergiessenden
Basalt der Weisse Stubensandstein vor der Abtragung bewahrt und
so erhalten. Es ist das ganz dieselbe Art und Weise, in welcher bei
wagerechter Schichtenstellung Tafelberge sich bilden. So musste
also der Schuttmantel unsere an sich schon widerstandsfähigen Tuffe
noch widerstandsfähiger machen.
Die Denudationszeit ist mithin für die Einebnung
derTuffbühle ganz ohne Belang; die Härte des Neben-
gesteines ist ebenfalls nur von geringerem Einflüsse.
Die Entscheidung liegt vielmehr in der oft geringeren Härte
des Tuffes selbst und in dem Fehlen eines Schutt-
mantels, welcher den Tuff schützt. Das Gesetz , wel ches
Deffner annahm, besteht mithin nicht. Wir haben daher
gar nicht nötig, zur Erklärung desselben anzunehmen, dass die
tieferen Teile der Tuffgänge weniger stark cementiert, seien als die
höheren. Ein solcher Unterschied mag indessen vielleicht zu gunsten
des allerobersten Teiles der Tuffsäule, welcher im Weiss-Jura steckt,
vorhanden sein. Hier finden sich zum Teil sehr harte, felsige Tuffe.
Es kommen aber hier auch weichere vor. Ganz wie unten im Vor-
lande wechselt das also. Daraus folgt aber, dass ganz regellos
manche der Tuffsäulen stärker cementiert wurden, manche schwächer,
so dass denn bei dem Kampfe mit der Verwitterung der Tuff gegen-
über den Juraschichten hier mehr , dort weniger im Vorteil ist, da
sogar ein wenig den kürzeren ziehen kann.
Ich gebe zur Vergleichung nun die Namen derjenigen Tuffgänge,
welche im Gegensatz zu den vorher betrachteten als Erhöhungen
über ihre Umgebung aufragen.
* H. Bücking, Gebirgsstörungen und Erosionserscheinungen südwestlich
vom Thüringer Walde. Jahrb. d. k. preuss. geol. Landesanstalt f. d. Jahr 1880.
Berlin 1881. S. 104. Citiert aus Emmerich, Geologische Skizze der Gegend
um Meiningen. Realschulprogramm, Meiuingen 1873. S. 13.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Katurkunde in Württ. 1895. 11
162
Kegelförmige Buhle bilden die folgenden Tuff-
gänge:
Tritt zu Tage aus
Ameisenbühl No. 107 Lias y, J
Grafenberg . . .' „ 108 Braun-Jura a
Kräuterbühl „ 92 „ ^ «
Egelsberg „ 79 „ ,, «
Dachsbühl bei Weilheim » '^8 v r «
Nabel (wenig) ^ 81 ,, „ «
Florian ' „ 101 „ „ /9
Metzinger Weinberg „ 102 „ „ /i
Hof bühl :, 103 „ „ /i i\. y
Häldele „ 98 „ „ fi
Dachsbühl bei Metzingen „ 104 y, v 7
Georgenberg „121 „ ,, r
Limburg „ 77 „ „ y
Hahnenkamni • . „ 83 „ „ y
St. Theodor „ 54 Ob. Braun-Jura
Bolle bei Owen „ 49 ^^ „ ^
Hohenbohl „ 86 „ „ „
Kossbühl bei Brücken „ 46 „ „ „
Sulzburg „ 48 „ „ „
Engelberg , 94 „
Altenberg „ 93 „ „ ^
Karpfenbühl „ 65 „ „ „
Jusi 5) 55 „ „ „
Conrads-Felsen „ 47 Weiss-Jura y, ö
Ulmer eberstetten „ 61 „ „ 6
Der grösste Teil dieser Buhle bezw. Felsennadeln ist durch
das Vorhandensein eines schützenden Weiss-Juramantels ausgezeichnet.
Wo ein solcher fehlt, wie' z. B. bei dem Karpfenbühl No. 65,
Conradsfelsen No. 47, Ulmereberstetter Felsen No. 61, da ist sicher
die Härte des Tuffes ein allein genügender Grund der Entstehung
dieser Emporragungen.
Speeielle Denudationsreihe der Maare und MaartufTgäng-e.
A. Die Maare oben auf der Hochfläche der Alb.
I. Völlig unverletzte Maare.
Ein ganz typisches und zugleich völlig unverletztes Maar ist
in unserem Gebiete nirgends mehr erhalten; kein Wunder bei der
gewaltigen Länge der Zeit, welche seit ihrer Entstehung in mittel-
miocäner Epoche vergangen ist. Wenn wir trotzdem aber noch eine
ganze Anzahl recht gut erhaltener Maarkessel besitzen, bei welchen
eine Verletzung nur in Form von Einkerbungen in der Kesselwandung
— 163 —
besteht, so ist das ein sprechender Beweis für die 1894 auf S. 531 dar-
gelegte Ansicht, dass die Abtragung der Alb durch wagerecht wirkende
Erosion unendlich langsam erfolgt, dass sie also wesentlich nur durch
senkrecht wirkende sich vollzieht.
In gewissem Sinne könnte man vielleicht das Maar in der
Torfgrube No. 35 hier nennen. Sein Rand ist wohl ziemlich un-
verletzt. Allein gerade deshalb, weil also nichts aus dem Innern
des Maares herausgeführt werden konnte, ist dasselbe aufgefüllt
worden, so dass es uns nun als ein flaches Becken erscheint, welches
einem typischen, tiefen Maare nicht mehr ähnlich ist. Übrigens ist
gewiss auch die Höhe des Randes, d. h. die Höhe des Plateaus, in
welches dasselbe eingesprengt war , etwas erniedrigt ; ganz ebenso
wie beim benachbarten Randecker Maar No. 39 und anderen.
II. Etwas verletzte Maare.
Der Kessel ist noch deutlich zu erkennen. Aber in allen Fällen
mag er wohl bereits weniger tief geworden sein, als das bei seiner
Entstehung der Fall war : indem nämlich der Rand etwas abgetragen
und das ihm Genommene in das Innere des Kessels geführt und
dort angehäuft wurde. Ausserdem ist die Kesselwandung stets schon
eingekerbt und zwar durch ein oder gar zwei Wasserläufe. Diese
konnten eine Ausfüllung des Maarkessels beschleunigen , wenn sie
nämlich nur Schutt in diesen hineinführten. Sie konnten aber auch
den Kessel vor dem Ausgefülltwerden schützen, indem sie den von
den Wänden hinabgespülten Schutt nach aussen abführten. Es
konnte schliesslich auch beides stattfinden : eine Thalkerbe führt
hinein in den Kessel, eine zweite an der entgegengesetzten Seite
wieder hinaus aus demselben. In diesem Falle erscheint der ur-
sprünglich runde Kessel nur noch wie eine längliche, beckenartige
Erweiterung einer Thalbildung. Diese Fälle finden sich bei unseren
Maaren verkörpert in der folgenden Weise :
a) Der Rand ist nicht mehr ganz vollständig er-
halten; aber es ist doch nicht gerade ein ausgesprochenes Abfluss-
thal in denselben eingesägt. Hierher könnte man vielleicht das
Maar im Dorfe Erkenbrechtsweiler No. 30 stellen. Dasselbe ist
klein, sehr flach, der Rand an verschiedenen Stellen verschieden hoch.
b) Ein ausgesprochen es Abflussthal ist in den Rand
gesägt. Das finden wir bei verschiedenen Maaren, die im übrigen
sehr schön und deutlich den Maarcharakter erhalten haben. So bei
dem Maar von Hengen No. 13, welches nach SO. durch das tiefe
11*
— 164 —
Haigerlochthal entwässert wird. Bei Dottingen No. 21, welches eben-
falls nach SO. eine schmale und flache Entwässerungsrinne besitzt.
Bei Apfelstetten No. 22 wird der Maarkessel durch die nach SW.
in das Heimthal ziehende Thalfurche geöffnet. Am Randecker Maar
No. 39, dem grössten und schönsten von allen, hat sich der Zipfel-
bach eine tiefe Schlucht durch den nördlichen Rand gegraben. Genau
ebenso verhält sich das Sternberger Maar No. 37 , dessen Rand
freilich ausserdem im 0. schon sehr flach geworden ist. Ganz das-
selbe Verhalten zeigt sich beim Maar mit dem Hofbrunnen No. 20,
dessen auffallend typisch erscheinender, tiefer Trichter jedoch wohl
in seiner jetzigen Tiefe nicht ursprünglich ist, sondern durch eben
diese Entwässerungsrinne vertieft wurde.
Bei allen diesen ist eine ausgesprochene Thalrinne vorhanden,
welche den Rand des Maares durchsägt. Dagegen finden wir bei
anderen Maaren die ganze eine Seite des Randes abgetragen, so
dass das Innere des Maares hier in ganzer Breite mit der Aussen-
fläche in Verbindung steht. Das ist z. B. der Fall bei dem Maar
am Hengbrunnen No. 18, vielleicht auch bei dem südöstlich vom
Engelhof gelegenen Maare No. 33. Hierher gehören aber auch die
Maare, deren Ausbruchskanal mit Basalt anstatt mit Tuff erfüllt ist.
Also dasjenige des Dintenbühl No. 36 , dessen Kessel z. T. noch
vorzüglich erhalten ist. Wohl auch dasjenige des Sternberg No. 37,
vergl. darüber unter HI, f. Hier könnte man auch das Basaltmaar
des Eisenrüttel No. 38 nennen. Bei demselben ist die N.- und
NW. -Seite des Walles bereits ganz verschwunden, so dass der Basalt
hier in einer Ebene mit dem Weiss-Jura liegt. An der W.- und
SW. -Seite aber sieht man noch die, wenn auch bereits etwas zurück-
gewichenen Höhen des Randes.
c) Ausser demAbflussthale ist an der entgegen-
gesetzten Seite auch eine Zuflussrinne vorh anden; doch
kann dieselbe wasserlos sein. Das ist bei dem Maar von Wittlingen
No. 14 der Fall; hier besitzt die Zuflussrinne keinerlei Bach, ist
also nur durch Regenwässer seicht eingeschnitten. Weit stärker ist
das ausgebildet bei dem Maare südlich von Hengen No. 15. Quer
durch das ganze Maar läuft eine so tiefe Thalbildung, dass dieselbe
bereits tief in die Tufffüllung des Ausbruchskanales eingekerbt ist
und dieselbe aufschliesst. Dass ganz sicher hier ein Maar vorlag,
beweisen die im geschichteten Tuff gefundenen Schnecken. Hier
ist nun die Wandung des Kessels bereits sehr undeutlich geworden.
Obgleich daher dieses Maar noch oben auf der Hochfläche der Alb
— 165 —
gelegen ist, bildet es doch schon den Übergang zu den am Steil-
abfalle derselben gelegenen, wie die Maare an der Wittlinger Steige
No. 63 und an der Steige von Urach nach Hengen No. 62 im
Zittelstadtthale.
d) Der Maarkessel bildet eine Ausbuchtung eines
Erosionskessels, Der erstere ist also an einer Seite so weit
geöffnet, dass er hier in einen grossen Erosionskessel übergeht. Als
Beispiel nenne ich das Maar von Zainingen No. 8. Auch das Maar
an der Viehweide No. 32 beginnt wohl bereits sich an einer Seite
zu einem Erosionskessel zu erweitern, ist jedoch sonst noch sehr
gut erhalten.
III. Die Maarkessel sind mehr oder weniger bis zur Unkenntlich-
keit zerstört.
e) Der Maarkessel ist in einem grossen Erosions-
kessel verschwunden, welcher sich rings um denselben Inder
Hochfläche der Alb bildete. Derartiges muss notwendig der Fall
sein bei den Maaren von Feldstetten No. 5, Böhringen No. 9, wohl
auch Donnstetten No. 6, Würtingen No. 25. Bei Gross- und Klein-
engstingen No. 28 und 29 dürften sogar zwei Maarkessel in einen
gewaltigen Erosionskessel sich aufgelöst haben.
f) Der Maarkessel ist in anderer Weise eingeebnet.
Sei es, dass er durch eingeschwemmte Massen aufgefüllt wurde, sei
es, dass die Schicht, in welcher er eingesprengt war, in weitem
Umkreise abgetragen wurde. So liegt das Maar von Grabenstetten
No. 11 in einer Ebene mit Weiss-Jura C, und dasjenige von Bulben
No. 12 mit e. Ob hier vielleicht die Tuffmasse ursprünglich den
Kessel fast bis zum. Rande erfüllte, so dass von Anfang an gar kein
oder doch nur ein flaches Becken vorhanden war? Das wäre sehr
gut denkbar. Warum soll der Ausbruch in allen Fällen immer gerade
dann schon beendet worden sein, wenn der Kanal noch lange nicht
bis an seine Mündung mit Tuff erfüllt war, so dass nun ein tiefer
leerer Explosionskessel übrig blieb. Derselbe kann ja auch einmal
nur flach gewesen sein. Man sieht, dass man hier vor dem Über-
gänge des echten Maares zu einem einfachen Tuffgange steht. Ich
komme später noch darauf zurück. So denkbar das aber auch ist,
das Auffinden von Versteinerungen im Tuffe solcher heut kessellosen,
also eingeebneten Maare auf der Alb spricht doch dafür, dass auch
hier einst ein Kessel vorhanden war, der später zerstört wurde.
So z. B. liegen die Dinge bei dem Maar von Sirchingen No. 23.
- 166 -
Auch hier ist der Boden des einstigen Kessels heute in einer Ebene
mit dem umgebenden Weiss-Jura e. Aber es haben sich über dem
Tuffe tertiäre Süsswasserschnecken gefunden. Es war mithin hier
ein See vorhanden , also auch eine Kesselbildung. Der Tuff kann
demzufolge hier niemals die Röhre bis an den oberen Rand hin
erfüllt haben. Ebenso mag es auch in den oben erwähnten Maaren
No. 11 und 12 gewesen sein. Gewiss sind noch an vielen Stellen
beweisende Versteinerungen im Tuffe vorhanden, nur bisher nicht
gefunden.
In diese Abteilung gehört noch eine ganze Anzahl von Maaren :
Dasjenige von Laichingen No. 1, welches nur nach der W. -Seite hin
noch einen Rest des alten Maarrandes erkennen lässt. Das Auffinden
tertiärer Schnecken und sogar Säugetiere im Tuffe beweist auch
hier unwiderleglich, dass einst ein See, also ein Maarkessel vorhanden
war, obgleich man so gut wie nichts mehr von demselben bemerkt.
Genau dasselbe gilt von dem Maar von Feldstetten No. 5, welches
sich im übrigen zu einem grossen Erosionsthale erweitert hat, also in
dieser Hinsicht zu Abteilung e gehört. Das Maar am Mönchberge
No. 10 ist vielleicht auch hierher zu rechnen ; falls nämlich der dort
stehengebliebene Teil der Wand des Kessels wirklich ein solcher ist und
nicht etwa derjenige eines Erdfalles. Die Maare von Gruorn No. 17
und Ohnastetten No. 24 schliessen sich ebenfalls hier an. Nach N.
hin steht der Boden dieser Dörfer mit der Weiss-Jurafläche im selben
Niveau, nach S. hin dachen sie sich dagegen ab. Dieser nach S.
abgedachte Teil der Dörfer führt Tuff; es ist daher im N. noch ein
Teil des alten Maarrandes, wenn auch im bereits abrasierten Zustande,
erhalten. Ganz eingeebnet im 'Q liegt das einstige Maar von Auingen
No. 19.
g. Der Kopf des Maartuffganges beginnt bereits
als kleine Erhöhung sich über die Erdoberfläche zu er-
heben. Hier ist nicht nur der Kessel völlig abgetragen, sondern
aus dem ehemaligen Boden desselben ragt der Kopf des tufferfüllten
Ausbruchskanales bereits in Form einer winzigen oder etwas grös-
seren Erhebung hervor. Es ist also auch bereits das , diesen Tuff-
gang umgebende Nebengestein in seinen oberen Schichten fortgeführt
worden.
Auf der Alb ist diese Erscheinung sehr selten. Sie stellt uns
das am weitesten vorgeschrittene Erosionsstadium dar, welches wir
oben auf der Hochfläche finden. Hierher gehört vielleicht das Maar
von Würtingen No. 25, dessen Tuff bereits als winziger Buckel empor-
— 167 —
ragt. Sonst aber und in stärkerem Masse ist das nur noch bei dem
einstigen Maar bei der Teckburg No. 34 erfolgt; dort bildet der
Tuff bereits eine auf allen Seiten vom Tuff befreite merkliche Er-
hebung, wie Fig. 8 1894 S. 726 zeigt.
B. Die Vorkommen am Steilabfalle der Alb und Im Vorlance derselben.
In dieser Abteilung finden wir die mannigfachsten Stadien der
Denudation, zugleich aber auch die deutlichsten herrlichsten Auf-
schlüsse, welche uns völlig sicheren Einblick in die bisher in der
Geologie noch völlig unbekannten unterirdischen Verhältnisse der
Maare gestatten.
I. Noch deutlich erkennbare Maar e m it angeschnit-
tener und zugleich bis in die Seele hinein aufgeschlos-
sener, senkrechter Tuffsäule des Ausbruchskanales.
Hierher gehören alle die Maare , welche zwar noch oben auf der
Hochfläche der Alb liegen, jedoch nicht mehr wie die bisherigen im
Innern derselben , landeinwärts , sondern hart am Steilabfalle. Nur
die nach der Innenseite zu gelegene Hälfte der Weiss-Jurawand des
Kessels und Ausbruchskanales hängt hier noch mit der Alb zusam-
men. Die nach der Aussenseite zu gelegene der Kesselwand ist da-
gegen ^ durch den mehr und mehr rückwärts schreitenden Steilabfall
bereits senkrecht abgeschnitten und das Abgeschnittene in die Tiefe
gestürzt. Man findet daher die Tufffüllung des Kanales blossgelegt.
Aber nicht nur das, sondern meist auch hat sich in diesen Fällen
schon ein tiefes Thal in die Seele dieser Tuffsäule eingefressen, so dass
letztere bis in das innerste Mark hinein ausgefurcht und freigelegt ist.
Hierher gehören auf der Randecker Halbinsel 4 Maare. Zu-
nächst dasjenige von Randeck No. 39. Hier beginnt erst der Auf-
schluss an der Nordwand sich zu bilden. Trotzdem aber ist derselbe
schon weit genug gediehen, um die Verhältnisse dieses Maares zum
Schlüssel für alle anderen unserer Maare und Tuffgänge zu machen.
Er entblösst uns im Ausbruchskanale von oben nach unten das fol-
gende Profil :
Jungmiocäne Süsswasserschichten.
Geschichteter Tuff mit mittelmiocänen ^ Schnecken.
Massiger Tuff.
Basaltgang im Tuff.
^ Unter Aussenseite ist also die, in das nördliche Vorland der Alb schauende
zu verstehen ; unter Innenseite die nach rückwärts, nach S., SO., SW. gerichtete.
^ s. später „Das Alter der Tuffe".
— 168 —
In einem fast gleichen Erosionsstadium befindet sich der vierte
Gang, bezw. das oberste Maar an der Gutenberger Steige No. 4.5.
Zwar der Maarkessel ist nicht so gross und nicht so schön erhalten
wie bei Randeck. Aber er ist doch deutlich zu erkennen, und wie
dort, so ist auch hier seine nördliche Umwallung durch eine nach
N. hinabziehende Thalbildung zertrümmert. Wie dort ist durch diese
Thalfurche der in die Tiefe hinabsetzende Tuffgang des Maares an-
geschnitten und in einem , bis jetzt noch wenig breiten , Streifen
blossgelegt. Wie dort, so tritt auch hier aus diesem letzteren der
Kopf eines Basaltganges zu Tage. Endlich, wie sicher beim Ran-
decker Maare neben der Erniedrigung des Randes doch auch wieder
eine Vertiefung des Kessels eingetreten ist ^ , so ist das auch hier,
aber schon in viel stärkerem Masse erfolgt.
Schon wesentlich weiter vorangeschritten ist der senkrechte
Aufschluss in den beiden dicht nebeneinander gelegenen Maaren
bei der Diepoldsburg No. 40 und dem Engelhof No. 41. War dort
vielleicht nur ein Achtel des ganzen ümfanges abgeschnitten und
freigelegt, so hier bereits fast die Hälfte desselben, und zwar die
nach W. gerichtete. War ferner dort das Thal erst in die Tuff-
säule des Ausbruchskanales leicht eingeritzt, so ist es hier quer
durch den ganzen Durchmesser derselben hindurchgefressen, so dass
es an der Innen-, der Albseite, bereits bis nahe an die Weiss-Jura-
wand hin einschneidet. Auf fast demselben Standpunkte befindet
sich das Maar nördlich von Erkenbrechtsweiler No. 31, welches der
Erkenbrechtsweiler Halbinsel angehört.
Abermals einen Schritt weiter gediehen ist der Aufschluss bei
dem zweiten Gange an der Gutenberger Steige No. 43. Noch stehen
oben die senkrechten d-Felswände des Kanales , welcher hier den
Körper der Alb durchsetzt und bis hinab in die Sohle des Lenninger
Thaies aufgeschlossen ist. Die ganze SW.-Wand dieser Weiss- Jura-
röhre ist hier in breiter Scharte durch die Thalbildung weggebro-
chen; vom obersten d an bis hinab in das unterste ß. Ein grosser
Teil des Tuffes ist aber durch diesen breiten, wohl an 200 m hohen
Schlitz auch bereits aus dem Kanäle herausgewaschen worden. Treten
wir daher durch die Scharte (das von NO. nach SW. ziehende Neben-
thal des Lenninger Thaies) in das Innere des Ganges ein, so stehen
wir bald in der Seele der langen, weiten Röhre. In dieser Achse
^ Dass durch das Zipfelbaclithal bereits Tuff aus dem Inuern des Kessels
herausgeschafft wurde, beweist wohl die unregelmässige Lage der Schichten.
— 169 —
des Ganges ist der Tuff am tiefsten erodiert; ringsum, nach den
Wänden der Röhre hin, steigt er an. Es ist das ein ganz gross-
artiger Aufschluss, zugleich ein so günstiger, weil hier das Gelände
im Kanäle, der durchfurchte Tuffboden desselben, wenig durch Wald
verhüllt wird, sondern als Acker benutzt ist.
Wiederum etwas weiter vorgeschritten ist die Entschleierung
bei zwei in der Nähe von Urach, im SO. der Stadt, gelegenen gros-
sen Maaren : Dasjenige an der Steige von Urach nach Böhringen
No. 62 und das an der Steige nach Wittlingen gelegene No. 63. In
beiden Fällen läuft die Steige in Windungen quer durch den Tuff-
kanal hindurch. Die Thalbildung aber durchschneidet hier wie dort
nicht den Gang , sondern sie hat sich im Kontakte durchgefressen ;
also zwischen der südlichen Wand der Röhre und der Tufffüllung
derselben. Namentlich bei dem ersterwähnten Maare No. 62 an der
Steige Urach-Böhringen ist das der Fall, wie Fig. 38 zeigt. Wir
haben also hier einen den Gang quer durchfurchenden und einen
an seiner südlichen Aussenseite dahinlaufenden Anschnitt. Bei dem
an der Wittlinger Steige gelegenen fallen dagegen beide mehr zu-
sammen ; doch besteht auch hier wie dort der Unterschied, dass die
Steige mehr in höherem Niveau, die Thalsohlbildung auch in tieferem
den Gang anschneidet. In diesen beiden Fällen erfolgt der Aufschluss
durch die Thalbildung an der S.-, z. T. auch der W.- und 0. -Seite
der Tuffsäule. Letztere steckt also noch mit der N.-Seite in dem,
den Weiss-Jura durchbohrenden Kanäle drinnen.
Dass diese beiden Tuffgänge nichts anderes sind als die in die
Tiefe führenden Röhren zweier Maare, welche letzteren noch vor
geologisch kurzer Zeit oben an der Oberfläche der Alb mündeten,
ist völlig klar. Gleichsam als wollte die Natur das ausdrücklich be-
weisen , hat sie jedem dieser beiden Maartuffgänge sein Vergangen-
heitsbild in nächste Nähe gerückt : Dem Gange an der Steige Urach-
Böhringen No. 62 das Maar von Hengen No. 13, welches nur 2^1^ km
östlich von ihm auf der Hochfläche der Alb liegt. Dem Gange an
der Wittlinger Steige No. 63 das Maar von Wittlingen No. 14, wel-
ches sogar noch nicht 1 km östlich von demselben entfernt auf der
Hochfläche erscheint. Genau so wie diese beiden Maare No. 13
und 14 heute noch aussehen, so haben vor geologisch kurzer Zeit
unsere beiden Maartuffgänge No. 62 und 63 ausgeschaut. Und so
wie letztere heute erscheinen, so wird umgekehrt in geologisch
kurzer Zeit die Erscheinungsweise der beiden Maare No. 13
und 14 sein.
170
II. Maar-Tnffgänge, durch den Steilabfall senk-
recht angeschnitten. Maarkessel zerstört. Die Analogie
mit den vorher geschilderten Gängen fordert gebieterisch, dass wir
auch diese Gänge als in die Tiefe führende Ausbruchskanäle einstiger
Maare auffassen, wenn auch hier der einstige Maarkessel bereits
derart zerstört ist, dass wenig oder nichts mehr von ihm übrig bUeb.
Hierher gehören die Gänge No. 51 an der Steige von Beuren nach
Erkenbrechtsweiler , sowie No. 52 und |53 an derjenigen von
Neuffen nach Hülben bezw. Urach, wie Fig. 22 zeigt. Für die am
Steilabfalle sich emporwindende Steige ist durch senkrechten Ab-
stich Platz geschaffen. Etwa auf dem letzten Viertel des Aufstieges
zeigt die senkrechte Wand uns diese Tulfgänge, welche zwischen
den jäh abbrechenden Weiss-Jura-Schichten saiger in die Tiefe setzen.
K
mn
Jteicfev.Beici-eR-ErKeiabrechtsweilei
Auch bei Urach der Gang im Elsachthale No. 58 und der im
Mohrenteich No. 59 stehen auf ähnlicher Stufe.
Noch einen Schritt weiter geht die Erosion bei den Tuffgängen,
welche das folgende Verhalten zeigen, wie es durch Fig. 48 und 49
zum Ausdrucke gelangt (S. 171 u. 172).
Am Fusse des Steilabfalles der Alb , aber auch irgend eines
anderen Thalgehänges im Gebiete des Braun-Jura oder Lias, springt
ein Berg in das Thal hinaus. Derselbe ist im Umrisse einem kugel-
förmigen Knopfe gleich, vergl. Fig. 43 auf nächster Seite. Aber
nicht dieser ganze Vorsprung besteht aus Tuff. Zwar der Gipfel ist
nur aus vulkanischem Gesteine gebildet. Weiter abwärts aber zieht
sich dieses nur in der Mittellinie als ein breiter Streifen Tuff bis
zur Thalsohle hinab. Kechts und links ist derselbe hier von ge-
schichtetem Gebirge flankiert.
In diesen Fällen sitzt also der Tuff noch mit der Rück-
seite völlig in seinem Ausbruchskanale drinnen. Auf der rechten
und linken Seite dagegen sind die Wände dieser ßöhre bereits in
— 171 —
den oberen Teilen der Tuffsäule ganz von letzterer abgeschält, so
dass hier dieselbe frei als Gipfel aufragt. Im unteren Teil dagegen
umgeben sie noch den Tuffgang. An der Vorderseite schHesslich
ist die Wand der Röhre bereits bis auf die Thalsohle hinab von der
Tuffmasse abgeschält; offenbar
darum, weil hier, auf der in
das Thal hinein schauenden Seite,
die Erosion schon am längsten
gearbeitet hat.
Selbstverständlich wirkt die
Erosion an jedem der Berge
wieder in etwas anderer Weise.
Der Typus der Erscheinung ist
aber doch ein und derselbe.
Man gewinnt zunächst den Ein-
druck , als habe man einen
kegelförmigen Berg vor sich,
dessen untere Hälfte aus Jura,
dessen obere aus aufgelagertem
Tuff besteht. Jedoch in der
Weise, dass die Auflagerungs-
fläche eine schiefe auf uns zu-
laufende Ebene ist. Es ist, als
wenn von einem ursprünglich
nur aus Jura bestehenden Kegel-
berge, Fig. 49, die Kuppe und
die in das Thal schauende Flanke
durch einen schrägen, von hinten-
oben nach vorne -unten ge-
führten Schnitt abgehoben und
nun das Beseitigte wieder durch
Tuff ersetzt sei. So verhalten
sich, mehr oder weniger, die Tuff-
gänge des Lichtenstein No. 71,
Kräuterbühl Nr. 92, Egelsberg
No. 79, Metzinger Weinberg No. 102, Georgenberg No. 121, Kugel-
bergle am Ursulaberg No. 69.
Wiederum einen kleinen Schritt vorwärts auf dem Wege zum
selbständigen Bühl ist die folgende Form geschritten, welcher z. B.
der Bürzlenberg No. 68 angehört. An seiner vorderen und linken
172
westlichen Seite ist er ganz freigelegt; mit der Rückseite und zum
grossen Teil auch der rechten, östlichen sitzt er noch im Weiss-Jura
drinnen, wie Fig. 43 S. 173 zeigt.
Auch hier hat der Berg noch ganz die allgemeine Gestalt eines
kugelknopfförmigen Auswuchses am Thalgehänge.
Linefach
Eine weitere Denudationsform, wiederum etwas vorangeschritten,
ist die folgende.
Hier ist der Tuffgang nicht nur an seiner vorderen, sondern
auch an der rechten und linken Seite bis auf die Thalsohle hinab
aus dem jurassischen Schichtgebirge herausgeschält; nur noch mit
der Rückseite steckt er völlig in letzterem drinnen. Drei Viertel
vom Umfange der Ausbruchsröhre sind hier also bereits bis auf die
Thalsohle hinab zerstört.
Wir können hier zwei Unterabteilungen unterscheiden :
a. Die am Gehänge scheinbar angelagerte Masse liegt dem-
selben nur in Gestalt eines flachen Belages an, weil die Tuffmasse
des Ganges an der vorderen, ins Thal hineinspringenden Seite bereits
stark abgetragen ist. Fig. 99.
Contact-Metam.
Thalsohle Querfhäldien
TuffgaTJOfim Sckeuerlesbach
ricr.99.
Hierher gehören der Gang im Scheuerlesbach No. 123 , der
Gang am Authmuthbache, nordwestlich von Kohlberg No. 100, der
Gang in der Sulzhalde No. 117, derjenige bei Scharnhausen No. 124.
b. Die am Gehänge scheinbar angelagerte Tuffmasse quillt,
ähnlich wie bei Fig. 43 auf nächster Seite in Form eines kugelknopf-
— 173 —
artigen Vorsprunges ins Thal hinein. So verhält sich der Kraftrain
No. 76. Oder er springt wie bei dem Jusi No. 55 ausnahmsweise
in Gestalt eines dreieckigen Vorsprunges hinaus.
Hierher gehören ferner der Burrisbuckel No. 97, der Metzinger
Weinberg No. 102, der Hofbühl No. 103, der Florian No. 101, der
Georgenberg No. 121, welche sämtlich Braun - Juragehängen und
Zungen entspringen ; oder der Bürzlenberg No. 68 , welcher auf
solche Weise dem Steilabfalle der Alb entquillt. Auch das Authmuth-
bölle No. 115 springt auf solche Weise aus dem durch Unteren Lias
gebildeten Gehänge hervor.
Gleichviel nun, ob der Tuff mehr in Form eines flacheren
Belages (a) oder in der eines kugelknopfförmigen Berges auftritt,
stets lehnt er sich hier also an den Steilabfall der Alb oder an die
Wände der in den Braun-Jura oder Lias eingeschnittenen Thäler.
Stets entsteht hier im Beobachter die Frage, ob er nicht doch etwa
nur eine an das Gehänge angelagerte Tuffmasse vor Augen habe.
Leicht lässt sich jedoch nachweisen, dass das nicht der Fall ist,
dass überall Tuffgänge rundlichen Querschnittes vorliegen, welche
den Jura senkrecht durchsetzen. Man vergleiche Fig. 42 und 43.
td>V TuffgranofamBürzlesber^, zugleich;
Verhalten einer angrelagrerten Tufpmssb Verhalten einer emjelag-erten Tuffmasse
Ist die Tuffmasse nur angelagert, so müssen die beiden rechts
und links derselben sich bildenden Wasserläufe sogleich in den
hinter dem Tuffe stehenden Jura einschneiden. Der Kugelknopf
besteht dann nur in seiner vorderen Hälfte aus Tuff, in der hinteren
aus Schichtgebirge. Auch kann das vulkanische Gestein nur vor,
d.h. ausserhalb der ehemaligen Grenze der Bergwand Hegen (Fig. 42).
Bildet der Tuff dagegen einen Gang, so besteht der Kugelknopf
vorn und hinten aus Tuff; und letzterer kann ganz innerhalb der
Grenze der ehemaligen Bergwand auftreten (Fig. 48).
Wenn nun der Tuffgang auch noch an der Rückseite aus dem
Juragebirge herausgeschält ist, dann finden wir eine abermalige,
— 174 —
ganz anders aussehende Erosionsform. Jetzt ist eine vom Neben-
gestein ganz losgelöste Tuffsäule entstanden. Damit beginnt die
Bildung selbständiger Tuffkegel, der Buhle. Wir können vier ver-
schiedene Arten dieses Stadiums unterscheiden , je nach der Ent-
fernung des Tuffbühls von der Alb.
a. Die Säule, denn es ist noch kein echter Bühl geworden,
befindet sich noch mehr oder weniger dicht am Steilabfalle der Alb.
Fig. 20 giebt ein Bild dieser Verhältnisse.
S.W
■W.U
Tuffgrangf des Conrcid-Felsens
Tiq.ZO.
Hierher gehören der Tuffgang des Conradsfelsens No. "47,
welcher als unersteigliche Nadel hart am Steilabfalle der Alb auf-
N.
^B^
fAhgemlschter-
Karpfenbühl
Fig.4f
^r^^5
ragt. Ferner der ebenso auftretende , nur weniger hohe Tuffgang
bei Ulmereberstetten No. 61. Endlich aber auch der, allerdings
175
fast ganz abrasierte Gang im Buckleter No. 57, welcher sich eben-
falls am Steilabfalle der Alb erhebt, jedoch nur ganz wenig über die
steile Ebene des Hanges hervorragt.
b. Durch das Rückwärtsschreiten des Steilabfalles bereits etwas
mehr von demselben entfernt , an seinem Fusse aufragend , finden
wir ein weiteres Erosionsstadium. Hier ist der Bühl, der kegelförmige
Berg schon mehr oder weniger deutlich erkennbar (Fig. 41).
So verhalten sich der Karpfenbühl No. 65 , das Kugelbergle am
Ursulaberg No. 69, der Hahnenkamm No. 83, der Hohenbohl No. 86,
auf dem Bürgli No. 84, das Bolle bei Owen No. 49, der St. Theodor
No. 54.
c. Ähnlich weit oder auch noch etwas weiter vom Gehänge
entfernt sind dann Tuffgänge, welche sich in Form eines kegelförmi-
gen Berges mitten aus einem Thale erheben, welches in die Alb ein-
schneidet, also noch innerhalb derselben liegt. So verhält sich der
Gang des Sulzburgberges No. 48.
Sulzburcf
syäit— \ Basalt
1^-ZA Sulzburaer
\ TT ö **
SuIzburccvS.O.hei
Tigr. 21.
o.LemincjQn
d. Endlich finden wir den Tuffgang als vereinzelt aufragenden
Berg draussen im Vorlande der Alb. Hier können wir abermals
verschiedene Erosionsabarten unterscheiden.
a) Die Erosion hat nicht auch in den Jura eingeschnitten :
Der Bühl ist also nur durch Tuff gebildet. Das ist eine seltene Er-
scheinung, welche in typischer Reinheit wohl gar nicht vorkommt.
An irgend einer Seite hat wohl fast immer die Erosion auch schon
in den Jura eingeschnitten. Der Dachsbühl bei Metzingen No. 104
wäre hier vielleicht zu nennen.
ß) Die Erosion hat bereits tief in den Jura eingeschnitten:
Der Bühl besteht hier in seinem Sockel aus Braun- Jura oder Lias
— 176 —
und nur in seinem Gipfel aus Tuff. Das ist die gewöhnliche Er-
scheinungsform. Ich nenne als Beispiele nur den Grafenberg No. 108
und die Limburg No. 77.
y) Der Tuff ist noch durch einen mächtigen Weiss- Juraschutt-
mantel mehr oder weniger ganz verhüllt. Kegel dieser Art bilden
einen Übergang zu den basalttuffähnlichen Bildungen unseres Ge-
bietes, bei welchen sich das Dasein des Tuffes unter der Schutt-
decke weder durch Aufschluss noch durch andere Kennzeichen verrät.
Hierher gehören der Tuffgang des Kugelbergle am Ursulaberg
No. 69, also noch am Steilabfalle der Alb gelegen. Der Tuff tritt
hier wenigstens an einer Anzahl von Stellen zu Tage. Ferner der
im Vorlande sich erhebende Doppelkegel des Engel- und Altenberges
No. 94 und 93. Nur am S.-Abhange des letzteren schaut der Tuff
verstohlen aus der Schuttdecke an einer kleinen Stelle hervor ; beim
Altenberg dagegen ist er völlig verhüllt, kann also nur vermutet
werden. Auch der Tuffgang des Hahnenkamm No. 83 am Steil-
abfalle der Alb verhält sich ähnlich ; doch soll hier Tuff ganz sicher
unter dem Kalkschutte gefunden worden sein.
d) Der Tuff ist schon mehr oder weniger dieses Mantels be-
raubt, wie z. B. in hohem Masse bei allen eingeebneten Vorkommen
(S. 160), w^elche eben z. T. deswegen eingeebnet sind, weil ihnen
der Schutz des Mantels fehlt.
Diese letzte Erosionsform dieser Tuffkegel ist also eine mehr
oder weniger negative : Die Tuffmasse erhebt sich nur wenig oder
gar nicht über ihre Umgebung.
Das gilt von der Gegenwart. Es wird aber auch für die nächste
Zukunft Geltung besitzen, solange und soweit nämlich in die Tiefe
hinab die Ausbruchskanäle noch mit Tuff erfüllt sind. Stets wird
wohl hier, bei weiter fortschreitender Abtragung der Erdoberfläche,
der des schützenden Schuttmantels beraubte Tuffgang mehr oder
weniger eingeebnet bleiben. Sowie aber später einmal diese Tuff-
füllung der Kanäle in noch grösserer Tiefe ihr Ende finden und einer
festen , basaltischen das Feld räumen wird , muss abermals die alte
Erscheinungsform aufragender Felsennadeln und kegelförmiger Berge
Platz greifen. An Stelle der 121 Tuffgänge bezw. Buhle
werden sich dann ebenso viel Basaltbühle erheben; viel-
leicht schon aus triassischem Gebiete, vielleicht auch erst aus noch
tieferem.
Das scheint mir eine bedeutungsvolle Lehre zu sein, welche
uns unser vulkanisches Gebiet von Urach giebt. Bisher meinte
177
man, solche Basaltberge^ seien der aus dem Aschen-
kegel herausgeschälte innere Kern von auf die Erd-
oberfläche aufgeschütteten Vulkanbergen. Unser vul-
kanisches Gebiet von Urach liefert nun den Beweis,
dass primäre Basaltkuppen sehr wohl auch mit ehe-
maligen Maaren in Zusammenhang gestanden haben
können; dass sie die aus mehr oder weniger grosser
Tiefe der Erdrinde herausgeschälte Füllmasse von Maar-
kanälen rundlichen Querschnittes sein können. Von
Kanälen, welche der Basalt entweder bis nahe an die
Erdoberfläche hin erfüllte oder in welchen er Hun-
derte von Metern tief unter einem Pfropfen von Tuff-
breccie sass, nach dessen Abtragung er enthüllt wurde.
Doch noch ein weiteres Zukunftsbild ergiebt sich bei weiterer
Abtragung für unser Gebiet. Es ist früher dargelegt worden, dass
die zahlreichen Ausbruchskanäle unseres Gebietes zwar anscheinend
ganz selbständig, ohne das vorherige Bestehen von Spalten, durch
die Erdrinde hindurch geblasen zu sein scheinen; dass dagegen in
verhältnismässig geringer Tiefe unter der Erdoberfläche vermutlich
eine grosse Höhlung von 37 und 45 bezw. 30 km Durchmesser be-
stand, von welcher dieselben ausgingen. Der diese Höhlung damals
erfüllende Schmelzfiuss musste nach seiner Erstarrung eine entsprechend
grosse kuchenförmige Masse bilden. Wenn daher dereinst die Ab-
tragung bis auf diese hinabgegriffen haben wird, so muss
dann an Stelle der 127 einzelnen kleinen Basaltberge ein
einziger gewaltiger Basaltberg herausgeschält werden.
Somit ergiebt sich uns von oben nach unten die folgende, drei-
fach mögliche Denudationsreihe , wenn wir uns die Erdrinde durch
ungefähr wagerechte Schnitte mehr und mehr abgetragen denken :
Entweder^
.. ,. , 1) Aschenkegel
sprun ff liehen ^ , , °
Erdoberfläche 2) Basaltherg
Oder^
Oder*
Erdoberfläche
1) Maare
2) Kleine Basaltberge
3) dto.
4) Gewaltige Basalt-
masse
' Natürlich soweit sie ursprüngliche, primäre Kuppen sind und nicht
etwa sekundär aus einer Basaltdecke durch Erosion herausgearbeitete.
Unter der ur- j
sprünglichen j 3) Basaltberg
Erdoberfläche
1) Maare
2) Kleine Tuff berge
3) Kleine Basaltberge
4) Gewaltige Basalt-
masse
^ Im Gebiete von Urach nicht vorhanden.
^ u. * Im Gebiete von Urach vorhanden.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1896.
12
— 178 —
Das Alter der vulkanischen Ausbrüche im Gebiete
von Urach.
Graf Mandelsloh; 0. Fraas; Qüenstedt ; Klüpfel; Deffner; Endriss, Ver-
steinerungen des Maares von Eandeck No. 39. Pompeckj, Versteinerungen
des Maares S. von Hangen No. 15. E. Fraas, Eeste von Böttingen No. 3.
Koch, Schnecken und Säugetiere des Maares von Laichingen No. 1. Schnecken
in anderen Tuffvorkommen unseres Gebietes. Die Entstehung der Maare und
die Ausfüllung ihrer Ausbruchskanäle mit Tuff fällt in eine ältere Zeit als
die oberraiocäne, in welcher sich in diesen Maaren Süsswasserschichten ab-
setzten.
Die erste Bestimmung des Alters der vulkanischen Ereignisse
in unserem Gebiete erfolgte wohl durch Graf Mandelsloh ^ im Jahre
1834. Er führt nämlich an, dass der Süsswasserkalk von Böttingen
No. 3 von dem vulkanischen Tuffe gänzlich in seiner Lagerung ge-
stört und bedeckt worden sei. Da nun dieser Süsswasserkalk die-
selben Versteinerungen wie Steinheim führe , so müsse der Tuff
jünger sein.
Leider ist diese Lagerung jetzt nirgends mehr zu beobachten ;
es ist auch gar nicht ersichtlich, wo in Böttingen je ein Aufschluss
gewesen sein sollte, an welchem man die Schichtenstörung, totale-
ment altere sagt Mandelsloh, beobachten konnte. Eine Überlagerung
des Süsswasserkalkes durch Tuff Hess sich ja durch Brunnengrabung
feststellen, nicht aber ebensogut eine Störung der Lagerung des
Kalkes. Mir will daher diese Angabe, oder besser gesagt Mandels-
loh's Schlussfolgerung, doch als sehr fraglich erscheinen.
Einmal, weil sie dem an anderen Maaren unseres Gebietes Be-
obachteten widerspricht; denn in diesem liegt der Tuff unter den
Süsswasserschichten, nicht über denselben.
Zweitens, weil sich leicht eine andere Erklärung für jene
Schichtenstörung finden lässt, welche in einem Brunnen beobachtet
sein mag. Bei Betrachtung des Randecker Maares No. 39 und
anderer ist gezeigt worden, wie die Ablagerungen von Tuff und
Süsswasserschichten vom Rande, bezw. inneren Gehänge des Maar-
kessels aus allmählich nach der Mitte hin abrutschen. Dadurch
werden nicht nur die Schichten zu einem mehr oder weniger steilen
Einfallen gebracht, sondern es kann auch sehr leicht Tuff vom Rande
aus auf die in der Tiefe des Kessels liegenden Süsswasserschichten
abrutschen. Das kann sich schliesslich mehrmals wiederholen, so
^ Memoire sur la Constitution geologique de l'AIbe du Württemberg. Stutt-
gart 1834. S. 39.
— 179 —
dass dann bei einer Brunnengrabung an solcher Stelle gestörte Lage-
rungsverhältnisse und Überlagerung des Süsswasserkalkes durch Tuff
sich ergeben.
In dritter Linie aber scheint mir Mandelsloh's Behauptung,
dass der Tuff zu Böttingen die Süsswasserschichten durchbrochen
habe, also jünger sei als diese, unglaubwürdig, aus einem palaeon-
tologischen Grunde. Herr Professor E. Fraas besitzt nämlich, wie ich
einer freundhchen Mitteilung entnehme, Helix rugulosa aus dem vul-
kanischen Tuffe von Böttingen. Das ist eine untermiocäne Art,
welche mithin gerade umgekehrt wie Mandelsloh will, für den Tuff
auf ein höheres Alter hinweist, als den Süsswasserschichten zukommt.
Auch in einer späteren Arbeit, aus dem Jahre 1842, kommt
Mandelsloh auf das Alter des Ausbruches bei Böttingen No. 3 zurück.
Die im vulkanischen Tuffe gefundenen Süsswasser- und Landconchy-
lien, Helix, Planorhis, Lymnaea^ lägen, wie er sagt, einzeln und nicht
etwa mit ihrem Muttergestein, dem Süsswasserkalk verwachsen, im
Tuffe. Aus diesem Verhalten zog er abermals den irrtümlichen
Schluss, dass die basaltischen Ausbrüche auf der Alb zu einer Zeit
vor sich gingen, in welcher sich die Tertiärbildung des Süsswasser-
kalkes schon niedergeschlagen hatte ^
Weitere, genauere Anhaltspunkte gab dann 0. Fraas im Jahre
1888^. Bei Gelegenheit der Aufnahme von Blatt Kirchheim u. T.
hatte er mit Deffner in dem Basalttuffe des Randecker Maares eine
Anzahl von Schnecken und in der Blätterkohle Pflanzen und In-
sekten gefunden. Auf Grund dieser bestimmte er das Alter als ein
miocänes.
Bald darauf, 1861, that Quenstedt^ zweier Pflanzen aus dem
Randecker Maare Erwähnung und hob hervor, dass dieselben auf ein
der Oninger Stufe gleiches Alter hindeuten.
Im Jahre 1865 untersuchte Klüpfel^ die Flora aus der Papier-
kohle des Randecker Maares genauer. Er kam zu dem Ergebnis, dass
von dieser Flora gewisse Formen, wie Leonathus (Cinnamomiini)
polymorpJms und Juglans büinica, Leitpflanzen für das ganze Tertiär
wären. Dass dagegen Populus midabilis und Podoyomum Lyellianum
{Gleditschia podocarpa) „für das oberste Tertiärgebilde" kennzeichnend
' Amtlicher Bericht über die 20. Vers. d. Ges. deutscher Naturf. und Ärzte
zu Mainz 1842. Mainz 1843. S. 123—124.
^ Diese Jahresh. Jahrg. 14. S. 42.
^ Epochen der Natur. 1861. S. 789.
" Diese Jahresh. 1865. S. 152—156.
12*
- 180 —
seien. Gemeint ist mit diesem Ausdrucke jedenfalls die Stufe von
Öningen. Jener Ausdruck „das oberste" Tertiär darf daher nicht
etwa wörtHch als jungpliocän verstanden werden, sondern soll jeden-
falls bedeuten: Das oberste Tertiär in Schwaben, also die Oeninger
Stufe.
Noch später fasste dann Deffner diese Beobachtungen Klüpfel's
zusammen und veröffentlichte einen Auszug aus dem Kataloge der
Sammlung im Mineralienkabinet zu Stuttgart. Ich gebe Deffner's
Worte wieder und bemerke nur, dass auch hier der Ausdruck
„jüngstes Tertiär" offenbar nicht wörtlich, sondern so zu verstehen
ist, dass die Öninger Stufe gemeint wird. Deffner sagt über diese
Erfunde im Eandecker Maar^ das Folgende:
„Man findet Pflanzen, Insekten und Schnecken, die zwei ersteren
in den Dysodilgebilden, die letzteren hauptsächhch in den verstürzten
gelben Basalttuffen, welche in Blöcken am Abhang gegen Hepsisau
liegen. Unter den Pflanzen herrscht die Baumform vor, und unter
diesen ist einer der häufigsten ein immergrüner Zimt- oder Kampfer-
baum, CeanotJms, dessen nördlichste Grenze als Waldbaum seiner Zeit
an dieser Lokalität erreicht war, und dessen nächste Verwandte
gegenwärtig in Japan leben. In nahezu gleicher Menge erscheint
ein Nussbaum, Juglans hilinica. Weidenblätterige Eichen, eine nord-
amerikanische Form, treten ebenfalls in grosser Zahl auf. Dazwischen
mischen sich der Ahorn, die Weide, die Pappel, die Ulme, Wegdorn
und Pflaumenarten, wohl meist aussereuropäische Formen. Von
grösster Bedeutung für die Feststellung des Alters jener Flora ist
aber ein Gleditschie , Poäogonium , welche nach Heer auf ein noch
wärmeres Klima als der Zimtbaum hinweist. Sie findet sich gleich-
falls in Öningen und ist eine sichere Leitpflanze für das oberste
Tertiär, wodurch nicht allein diese Ablagerung, sondern auch sämt-
liche übrigen vulkanischen Bildungen dieses Gebiets in jene Epoche
verwiesen werden. Wir sehen somit am Schluss der Tertiärzeit hier
unter einem gemässigt tropischen Klima, wie es gegenwärtig den
subtropischen Inseln eigen ist, eine reiche Waldvegetation südlicher
Formen einheimisch, welcher wohl eine ebenso reiche Fauna ent-
sprochen hat. Von dieser haben sich freilich bis jetzt nur einige
Insekten und Schnecken gefunden, und die Säugetiere und Amphibien,
welche in diesem Becken nicht fehlen können , warten noch ihrer
Aufdeckung. Doch bestätigen Insekten und Schnecken das warme
^ Begleitworte zu Blatt Kirchheim. S. 31.
— 181 —
Klima. Unter den ersteren sind es besonders zwei Arten von Ter-
miten, jene alles zernagenden Ameisen der tropischen Länder, welche
den analogen Nachweis hierfür liefern. Die übrigen gehören haupt-
sächlich den Geschlechtern der Libellen , Schnecken , Wespen,
Wanzen und Aaskäfer an. Die gefundenen Schnecken, sämtlich
Landschnecken, finden sich alle auch in den tertiären Kalken der
Zwiefalter Alb wieder. Auffallend ist, dass nur die kleinen Formen
der in jenen Kalken vorkommenden Gattungen sich bei Randeck
finden. Unter den bis jetzt gefundenen organischen Resten sind nach
dem Kataloge der vaterländischen Sammlung im Stuttgarter Kabinet
anzuführen die unten folgenden Arten."
Ich gebe nun in folgendem aber nicht das Verzeichnis, wie es
Deffner abdruckt, sondern das etwas veränderte und vervollständigte,
welches Endriss ^ veröffentlicht. Dieser hat nämlich in sehr richtiger
Weise die Versteinerungen, welche in den Mergelschiefern und der
Blätterkohle gefunden wurden, getrennt von denjenigen, welche im
Tuffe selbst liegen. Gesammelt wurden dieselben von 0. Fraas in
der Zipfelbachschlucht in verstürzten Blöcken. Auch Endriss fand am
Hohberg zwei Arten ebenfalls in verrutschtem Tuffe. In beiden
Fällen handelt es sich also nicht etwa um Versteinerungen, welche
der Tiefe des Tuffganges entstammen, sondern nur um solche, welche
den obersten, geschichteten Lagen des Tuffes, unter jenen Tertiär-
schichten, angehören (s. 1894 S. 739).
Versteinerungen des Tuffmaares von Randeck No. 39.
a. Versteinerungen der Mergelschiefer und der Papierkohle.
Pflanzen.
Ceanothus polymorphiis Al. Braun.
Podogonium Knorrii Al. Braun.
„ Lr/eUianum Heer.
Acer trüobatum Steg.
Quercus sp.
Salix varians Göp.
Ulmus Braunii H.
Sapindus falcifolius H.
Planera üngeri H.
Zisiphus tiliaefolins H.
Andromeda protogaea Ung.
Diospyros lancifolia H.
Prunus sp.
Colutea antiqua H.
Bambusium sp.
Smilax sp.
Pinus palaeostrobus H.
Taxodium duhium H.
Diatomaceae.
Insekten.
Libellula doris H.
„ Eurynome H.
„ Thoe H.
„ Calypso H.
Forficula primigenia H.
Emathion sp.
Chironomus sp.
Tipula sp.
^ Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. Bd. XLI. 1889. S. 118.
— 182 -
Mycetophila antiqua H.
„ nigritella H.
Sciara sp.
Bibio obsoletus H.
Scolia sp.
Bombus granclaevus.
Sarcophaga sp.
Protomya jucunda H.
Byrrhus Oeningensis H.
Lina populeti H.
Cleonus sp.
Apion sp.
Coccinella sp.
Haltica sp.
Formica tnacrocephala H.
Fortnica occultata H.
„ heraclea H.
„ orbata H.
Termes (Entermes) pristinus Cha.sp.
„ obscurus H.
„ insignis H.
Crustaceen.
Cypris sp.
Schnecken.
Limnaeiis sp.
Planorbis cornu Brongt.
Helix sp.
Ancylus deperdüus Desm.
b. Versteinerungen im Tuffe.
Helix pachystoma Klein.
Clausüia antiqua Schübl. (Unter- und
Obermiocän).
Cydostoma (Tudora) conium Klein.
Helix orbicularis Klein.
„ phacodes Thomäe (Untermiocän).
„ involuta Thomae ( „ ).
„ crebripimctata Thomae.
„ subnitens Klein.
Während nun Deffner auf Grund dieser Versteinerungen dem
Ausbruche im Randecker Maare ein obermiocänes Alter gab, gelang
es Endriss, Gründe zu finden, welche dem Tuffe ein höheres Alter
als jenen Mergelschichten zusprechen. Er macht geltend, dass von
den im Tuife gefundenen Arten Helix phacodes und Helix involuta
auf das Untermiocän verweisen. Auch Clausilia antiqua liegt in der
Gegend von Ulm, beiErmingen, in entschieden untermiocänen Schich-
ten; aber sie kommt auch im Steinheimer Becken zusammen mit
Helix sylvana Klein und den anderen obermiocänen Formen vor.
Clausilia antiqua ist also nicht entscheidend. Cyclostoma conicum
begleitet bei Zwiefalten Helix sylvana, ist also obermiocän. Somit
ergiebt sich, wie Endriss ausführt, gegenüber dem obermiocänen
Mergelschiefer für den unter ihm liegenden Tuff eine zwischen Ober-
und Untermiocän vermittelnde Stellung.
Ein glückhcher Zufall hat es gefügt, dass nun auch in dem
Maar S. von Hengen No. 15 sich Versteinerungen im Tuff gefunden
haben (s. 1894 S. 705). Der betreffende Block lag ganz in der Tiefe des
die Tuffmasse durchfurchenden Thaies, war aber ebenfalls zweifellos
von der Höhe herabgestürzt \ Die rotgelbe Farbe verneinte ohne
' Leider verhindert der die Höhe bedeckende Wald weitere Funde.
— 183 —
weiteres seine Zugehörigkeit zu dem dunkelgrauen Tuffe , welcher
dort, wie allerwärts, in der Tiefe der Tuffgänge ansteht und verwies
ihn auf die Höhe.
Herr Dr. Pompeckj, welcher diese von ihm und Präparator
Kocher gefundenen Reste bestimmte, hatte die Freundhchkeit, hierzu
die folgenden Angaben und Erläuterungen niederzuschreiben:
„Versteinerungen des Tuffes im Maare von Mengen No. 15.
1. Gastropoda.
Helix rugulosa Mart.
QuENSTEDT, Gastcropoden. p. 41. Taf. 186 Fig. 48, 51.
Es liegen 8 Stücke vor, welche z. T. beschalt sind.
Hei. rugulosa gehört dem Untermiocän an.
Helix homalospira Reüss.
Sandberger, Land- und Süsswasserconchylien der Vorwelt. p. 429. Taf. XXIV Fig. 6.
Ein fast vollkommenes Exemplar (ohne Mundrand) und zwei
beschalte Bruchstücke liegen vor.
Untermio cän.
Helix (Trigonostoma) cf. involuta Thomae.
[Vergl. Sandberger, Land- und Süsswasserconchylien der Vorwelt. p. 376, 377,
und 584. Taf. XVII Fig. 17.]
5 Exemplare, welche in ihrer Form fast vollkommen mit der
von Sandberger gegebenen Abbildung übereinstimmen; nur erscheint
der letzte Umgang bei den vorliegenden Stücken etwas stärker ge-
wölbt und der Nabel ein wenig enger als bei Hei. involuta.
Die Bezeichnung „zitzenförmig", welche Sandberger für den
ersten Umgang der Hei. involuta anwendet, trifft für die vorliegende
Form nicht zu, die SANDBERGER'schen Figuren lassen übrigens eine
Zitzenform des ersten Umganges auch nicht erkennen. Die Skulptur
besteht aus sehr dicht gestellten, fast senkrechten „Anwachsrippchen",
welche bereits auf dem zweiten Umgange Platz greifen, nicht, wie
bei Hei. involuta, erst auf dem dritten. Die Skulptur ist am stärk-
sten auf der Oberseite der Windungen, auf der Aussen- und Unter-
seite derselben sind die Anwachsrippchen schwächer ausgebildet.
Wärzchen und in schrägen Kreuzlinien geordnete Haargruben, welche
nach Sandberger Hei. involuta kennzeichnen, fehlen hier.
Die Mundöffnung ist ausgebildet und gestellt wie bei Hei.
involuta.
— 184 -
Hei. involuta ist dem Untermiocän von Hochheim, Tuchofic,
Ulm, Wiesbaden, Hochstadt etc. eigen.
Eine von Sandberger (1. c. p. 584) als var. scabiosa von HeJ.
involuta unterschiedene Varietät aus den obermiocänen Kalken mit
Uel. sylvana und Melanopsis Kleini und im Basalttuff von Hepsisau
entfernt sich von der vorliegenden Art noch mehr als die Grund-
form. Bei. involuta var. scabiosa Sandb. hat wenigere, breitere An-
wachsrippen , welche durch pockenähnliche Auftreibungen unter-
brochen sind.
Ar chaeozonites cf. Hai ding er i Reuss sp.
[Vergl. Sandberger , Land- und Süsswasserconchylien der Vorwelt. p. 4-13.
Taf. XXIV Fig. 26.]
Ein Exemplar mit Schale, ohne Mundrand.
Die Skulptur und die Kantung der Umgänge ist vollkommen
die des Arclmeos. Haidingeri; doch ist letztere Art ein wenig nie-
derer als das vorliegende Stück und der Nabel ist bei Archaeos.
Haidingeri auch ein wenig weiter als bei unserer Art.
Archaeos. subangidaris Reuss sp. [Sandberger 1. c. Taf. XXI
Fig. 15] ist ungefähr ebenso hoch, wie das vorliegende Exemplar,
aber es fehlt die deutliche Kante der Umgänge.
Archaeoz. Haidingeri Reuss sp. gehört dem Untermiocän an.
Hy alinia cf. orbicularis Klein sp.
[Vergl. Sandberger, Land- und Süsswasserconchylien der Vorweit. p. 603.
Taf. XXIX Fig. 28, 29.]
Zwei Exemplare stimmen in ihrer äusseren Form am besten
mit dieser KLEm'schen Art überein. Die Umgänge sind durch tiefe
Nähte getrennt; besonders tief ist die Naht zwischen dem letzten
und vorletzten Umgange , so dass die inneren Umgänge gleichsam
in den letzten Umgang etwas eingesenkt erscheinen. Der Windungs-
anfang tritt in Zitzenform hervor, und zwar deutlicher, als es bei
den citierten Figuren Sandberger's der Fall ist.
Die schwache Einsenkung der inneren Umgänge in den letzten
erinnert an Helix inflexa Klein sp. , doch fehlen auf den Schalen-
lesten der vorliegenden zwei Stücke die für Helix inflexa charak-
teristischen Haargruben; die Skulptur besteht vielmehr nur aus sehr
feinen Anwachsstreifen. Bündelung der Anwachsstreifen, wie Sand-
berger sie für Hyal. orbicularis erwähnt, zeigen die vorliegenden
Exemplare nicht; Sandberger's Zeichnungen lassen dieselbe übrigens
auch nicht deutlich erkennen.
- 185 -
Hyal. orbicularis Klein sp. gehört dem Obermiocän, den
Kalken mit Helix sylvana an.
Clausilia sp. nov. indet.
5 Stücke. Die vorliegende Art weicht von allen bekannten
Clausihen durch das stärkere Dickenwachstum der letzten (unteren)
Umgänge ab, wodurch gegenüber der hohen Kegelform der übrigen
Clausilien mehr eine Keulenform erzeugt wird. Die Mündung fehlt.
Am nächsten steht wohl die untermiocäne Clausilia antiqua
ScHüBL., mit welcher die vorliegende Art die Skulptur gemeinsam hat.
Es liegen ferner noch 6 Bruchstücke einer grösseren schlan-
keren Clausilienart vor, welche aber, da die Schale fehlt, kaum zu
bestimmen sind.
Tudora (Cyclostominn) conica Klein sp.
Klein, Concbylien der Süsswasserkalkfaima Württembergs. Diese Jahresh. 1853.
p. 217. Taf. V Fig. 14.
Sandberger, Land- und Süsswasserconchylien der Vorwelt. p. 607, 608.
20 Exemplare dieser in den obermiocänen Kalken mit
Helix sylvana und malleolata häufigen Art liegen vor.
2. Plantae.
Greivia crenata Ung. sp.
Eine Frucht aus dem Tuff des Maares südlich von Mengen
stimmt vollkommen mit mehreren vorliegenden Früchten dieser Art
aus dem Untermiocän von Tuchoi'ic bei Saatz (Böhmen) überein.
Greivia crenata ist besonders häufig, sogar vorherrschend, im Unter-
miocän des Hohen Rhonen [Sandberger 1. c. p. 470]."
;,Nach dem Obigen gelangen wir zu dem folgenden Ergebnisse :
Sicher untermiocän en Alters sind:
Helix rugulosa Mart.
„ Jwtnalospira Reuss.
Greivia crenata Ung. sp.
An untermiocäne Arten schliessen sich an:
Helix (Trigonostoma) cf. involufa Thomae.
Archaeozonites cf. Haidingeri Reüss sp.
Clausilia sp. (aus der Verwandtschaft der Claus, antiqua).
Sicher obermiocänen Alters ist :
Tudora (Cyclostomum) conica Klein sp.
An obermiocäne Arten schliesst sich an:
Hyalinia cf. orhicularis Klein sp."
- 186 -
So weit Herr Dr. Pompeckj. Dieser kommt also für das Maar
S. von Mengen No. 15 nicht nur zu einer Bestätigung dessen, was
Endeiss zuerst für dasjenige von Randeck No. 39 geltend machte,
sondern sein Ergebnis verschärft die Sachlage noch bedeutend.
Während Endriss im Tuffe des Maares von Randeck unter 8 ober-
miocänen Sclmeckenarten deren zwei feststellte, welche dem Unter-
miocän angehören , und eine dritte , welche in beiden Stufen vor-
kommen soll, finden wir im Maar S. von Hengen No. 15 unter eben-
falls 8 Arten deren 3, welche untermiocän sind und weitere 3, welche
sich untermiocänen Arten anschliessend
Nun beachte man aber noch, wie sich die Erfunde in beiden
Maaren ergänzen. Nicht etwa sind hier wie dort die untermiocänen
Arten dieselben, sondern Endriss hat im Maar von Randeck zwei
ganz andere untermiocäne Arten gefunden, wie Pompeckj in dem-
jenigen S. von Hengen. Dadurch erlangen diese Feststellungen ein
noch höheres Gewicht.
Wie schon eingangs besprochen (s. S. 179) hat E. Fraas
im Tuffe eines dritten Maares, Böttingen No. 3, ebenfalls eine unter-
miocäne Art, Helix rtigulosa, gefunden. Engel dagegen^ fand in
demselben Tuffe die obermiocäne Helix si/lvana, welche auch Qüen-
STEDT anführt^ und gleichalterige Pflanzen.
Noch ein viertes Maar hat Versteinerungen ergeben, dasjenige
von Laichingen No. 1 *. Vor 20 Jahren hat dort Dr. Koch , jetzt
Direktor der Irrenanstalt in Zwiefalten, gesammelt, und nicht nur
Schnecken, sondern auch Reste von Säugetieren gefunden. Letztere
sind ganz besonders hervorzuheben , da Laichingen die einzige Ort-
lichkeit ist, welche bisher Knochen von Säugern geliefert hat. Über
die näheren Verhältnisse der Fundstätte, deren Mitteilung ich der
Liebenswürdigkeit des Herrn Direktor Koch verdanke, habe ich 1894
auf S. 691 berichtet.
Die sehr wichtige Frage, ob diese Reste aus dem eigentlichen
vulkanischen Tuffe oder aus den darüber liegenden Süsswasser-
schichten stammen, lässt sich nach dem noch anhängenden Gesteine
wohl dahin beantworten, dass letzteres der Fall ist. Es ist ein hell-
* Eine dieser drei letzteren, Clausilia äff. antiqua, weist zwar auf unter-
und obermiocänes Alter.
^ Geognostischer Wegweiser durch Württemberg. Stuttgart 1883. S. 278
No. 2.
^ Begleitworte zu Blatt Blaubeuren. S. 19.
* Begleitworte zu Blatt Blaubeuren. S. 14.
— 187 —
gelber Süsswasserkalk, welcher einzelne Quarzkörner enthält. Dazu
gesellen sich freilich einige grünliche Stückchen, welche zersetzter
Olivin zu sein scheinen und etwas Magneteisen. Allein diese beiden
Mineralien können leicht vom inneren Gehänge des Maarkessels in
das Wasserbecken gelangt sein ; sie beweisen also nicht etwa, dass
ein völlig zersetzter TufF vorliegt, welcher in diesem Zustande aller-
dings auch eine solche hellgelbe Farbe besitzen kann. Von den
Schnecken liegen leider nur Steinkerne vor. Qüenstedt hat die-
selben, wie unten folgt, bestimmt. Über die Säugetiere hat er sich
mit kurzen Worten •* geäussert. Herr Dr. Schlosser hatte die Güte,
dieselben durch Vergleichung mit Münchener Material für unsere
Sammlung in unten folgender Weise zu bestimmen, soweit das eben
bei zum Teil mangelhafter Erhaltung möglich war.
Versteinerungen der SUsswasserschichten des Maares von Laichingen
No. 1.
Schnecken.
Helix srilvestrina 1 , , ,
> vorherrschend.
., inflexa )
. carinulata Klein ) , , . , , . , , ,,
„, . . „ > wohl nicht ganz sichergestellt,
, Jbhmgensis Klein j
Clausula antiqua, ziemlich häufig.
Pupa JSlördlingensis Klein, fraglich.
Melanojjsis praerosa, ein Steinkern.
Säugetiere.
Aceratherium incisivum Cuv. sp. Obere D^ und D*. Astragalus, Eadius.
„ incisivum? Unterer Molar, Metatarsale II und IV.
„ sp. Unterer Praemolar \ Lunare, Scaphitoid, Calcaneus, Tibia?, zwei
Halswirbelstücke, Rippe.
Aceratherium ? Sesambein.
Listriodon splenäens H. v. Meyer. Oberer Eckzahn mit daransitzendem Prae-
molar. Astragalus und Phalangenende, Humerus. Oberer Molar, Unterer
Molar ' u. ^, drei lucisivi.
Amphicyon cfr. major Blainv. Metatarsale II, III, IV. Cuboideum, Naviculare.
Astragalus. Scapholunare , Pisiforme, Endphalange, Phalangen (5 Stück).
Amphicyon sp. (major?). Unterer Molar-, Eckzahn. Oberer Molar.
„ sp. (sehr fraglich).
Anchitherium Aurelianetise CxjY. sp. (Oberkiefergebiss). Unterer Molar ^ Rechter
Humerus. Metatarsale III.
Anchitherium (Aurelianense?). Incisivus. Teil vom Becken.
Dicroceras (Palaeomeryx) furcatus Hens. sp. Acht Zähne, Scapula, Calcaneus
(3 Stück), Phalange (I. Reihe), Cuboscaphoid, Astragalus (2 Stück), Humerus.
,.Vier Geweihstücke.
* s. vorige Anmerkung.
— 188 —
Falaeomeryx eminens H. v. Mey. Calcaueus, Phalange I. Eeihe. Drei Astragali.
„ sp. {Bojani H. v. Mey. oder Kaiipi H. v. Mey.). i^wei Phalangen ;
Pyramidale.
Falaeomeryx sp. (??).
Unbestimmbarer Suide, Hauer.
Testudo antiqua H. v. Mey. 4 Stück.
Emys? oder Testudo? nicht direkt bestimmbar. Ob Emys striata? sehr fraglich.
Die obigen, in den Süsswasserschichten des Maars von Laichingen
gefundenen Säugetiere gehören ausnahmslos solclien Arten an, welche
auch in Steinheim vorkamen. Beide Ablagerungen sind also gleich-
alterig und es fragt sich nur, welchen Alters sie sind. 0. Fraas^
stellt Steinheim in das Langhien, so dass diese Fauna älter als die-
jenige von Öningen und der ihr gleichalterigen des Randecker
Maars sein würde, welche dem Tortonien angehört.
Auch 0. BöTTGER^ kommt auf Grund der Untersuchung einer
Anzahl von Landschnecken des Steinheimer Beckens zu der Ansicht,
dass dieselben wesentlich an mittel- und untermiocäne Arten erin-
nern. Er folgert daher ebenfalls , dass die Fauna von Steinheim
(mithin auch diejenige von Laichingen No. 1), wenigstens zum Mittel-
miocän, nicht aber, wie Sandberger will, zum Obermiocän zu rechnen
sein dürften.
Bei der Eigenartigkeit unserer vulkanischen Bildungen und bei
dem Ein tagsleben, welches denselben allem Anschein nach nur be-
schieden gewesen sein kann, werden wir für alle ein gleiches Alter
annehmen dürfen. Man wird daher gedrängt zu der Annahme, dass
der Ausbruch des Maares von Laichingen sich nur kurze Zeit vor
der Erfüllung des letzteren mit Süsswasserschichten ereignete ; wo-
gegen bei denjenigen des Maares von Randeck längere Zeit verstrich,
bevor sich die , dem jüngeren Alter von Öningen angehörenden
Süsswasserschichten über ihm absetzten. Nur auf solche Weise
würden wir ein gleiches Alter für beide Ausbrüche erhalten. In der
That haben ja auch die Untersuchungen von Endriss ergeben, dass
der Randecker Tuff wesentlich älter sein muss als die der Etage von
Öningen angehörenden Süsswasserbildungen über demselben. Es ist
daher der zweite Teil der obigen Annahme überhaupt bewiesen und
der erste Teil, dass bei Laichingen verhältnismässig bald nach dem
Ausbruche eine Erfüllung des Kessels mit Wasser stattfand, ist so
wenig ein gewagter, dass wir die obige Folgerung in der That
werden ziehen dürfen.
Die Fauna von Steinheim. Stuttgart 1870. S. 54.
Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1877. S. 79 u. 80. Briefliche Mitteilung.
— 189 —
Ausser den genannten 4 Orten haben dann noch die folgenden
drei Maare Beste von Helix ergeben : Magolsheira No. 4, Apfelstetten
No. 22, Sirchingen No. 23^. Leider ist die Art aber nicht fest-
stellbar gewesen , so dass wir von diesen Ortlichkeiten hinsichtlich
der Altersbestimmung unserer vulkanischen Ausbrüche ganz absehen
müssen. In Wittlingen No. 14 fand ich in frischem Brunnenaus-
wurfe zwar Süsswasserkalk , als Zeichen, dass auch hier einst ein
Maarsee bestand, aber in demselben keinerlei Schalen, s. S. 96.
Fassen wir nun das Ergebnis dieser verschiedenen Unter-
suchungen zusammen, so gelangen wir zu den folgenden Schlüssen:
Die Süsswasser schichten in dem Maare von Rand-
eck No. 39 gehören der Stufe von Öningen an, sind
also obermiocänen Alters. Die Süss wassers chichten in
dem Maare von Laichingen No. 1 erweisen sich durch
ihre Säugetiere^ als gleichalterig mitSteinheim, sind
mithin älter und demMittelmiocän bezw. dem ältesten
Obermiocän zuzurechnen^.
Die obersten Lagen des unter diesen Süsswasser-
schichten liegenden vulkanischen Tuffes bergen in den
Maaren von Randeck No. 39, S. von Hengen No. 15 und
BöttingenNo. 1^ Schnecken, welche teils für das Ober-,
teils für das Untermiocän kennzeichnend sind.
Die vulkanischen Ausbrüche, bezw. die Entstehung
dieser, und damit sicher wohl aller unserer Maare,
gehören mithin nicht genau derselben Altersstufe an,
wie jene Süss wasserschichten. Sie nehmen vielmehr,
wie Endriss zuerst für das Randecker Maar nachwies,
eine vermittelnde Stellung zwischen dem Unter- und
dem Obermiocän ein. Wie viel älter dieselben gegen-
über jenen Süsswassers chichten sind, lässt sich natür-
lich auf Grund der bisher vorliegenden Reste nicht
genau sagen. Da ich jedoch in dieser Arbeit einen be-
stimmten Ausdruck für dieses Alter notwendig ge-
brauche, so will ich dasselbe als Mittelmiocänbezeich-
^ Begleitworte zu Blatt Blaubeuren S. 17 und zu Blatt Urach S. 14.
^ Auch die Schnecken widersprechen dem nicht, sind jedoch nur in Stein-
kernen vorhanden.
^ Vergl. den Schluss dieses Abschnittes.
* Ob auch in Böttingen Süsswasserschichten über dem Tuffe auftreten, ist
unbekannt.
— 190 —
nen. Es soll damit aber nur ausgedrückt werden, dass
die Entstehung unserer Maare und ihrer Tuff- und
Basalt gänge in eine immerhin ältere Zeit fällt als das
Obermiocän.
Über die Frage selbst, ob man Öningen und Steinheim besser
in das Ober- oder in das Mittelmiocän stellen müsse, soll damit nichts
ausgesagt sein. Die Ansichten über die Abgrenzung von Mio- und
Pliocän gehen ja weit auseinander. Wer die Faunen von Eppels-
heim, Pikermi, Mont Leberon u. a. als Unterpliocän betrachtet, für
den gehören diejenigen von Steinheim, Nördlingen, Öningen, Engels-
wies u. s. w. dem Obermiocän an. Wer dagegen Eppelsheim, Pikermi,
Mont Leberon als obermiocänen Alters ansieht, muss jene letzteren
bereits in das Mittelmiocän einreihen, wodurch natürlich auch das
Alter der tiefer liegenden Meeres- und der Unteren Süsswasser-
molasse in eine entsprechend tiefere Stufe gerückt wird. Das ist
Ansichtssache.
Teil III.
Allgemeines über Tuffe und Maare. Vergleichung der Tuffe
im Gebiete von Urach mit solchen an anderen Orten der Erde.
Das Verschiedenartige in den Lagerungsverhältnissen und
der äusseren Erscheinungsweise vulkanischer Tuffe im
allgemeinen.
Die verschiedenen Arten von Tuffen : Trockeutuife , "Wassertuffe , Sedimenttuffe,
umgelagerte Tuffe, Tuffite, Tuffoide, Schlammlava aus vulkanischem Tuff,
Schlammtuffe. Dreifache Eutstehungsweise von Schlammtuffen durch Regen,
Ausbruch von Kraterseen, schmelzenden Schnee und Eis, auf Java , Island , in
Südamerika. Beschaffenheit der Schlammtuffe , Temperatur derselben , Dicke,
organische Eeste. Der Peperin. Beschaffenheit. Entstehungsweise. Erklärungs-
versuch.
Die Tuffe der vulkanischen Gruppe von Urach weichen in Bezug
auf ihre gangförmige Lagerung in höchstem Masse von dem ab, w^as
wir als das Regelrechte bisher kennen. Es ist auch bei der oft
verhältnismässig geringen Grösse des Durchmessers ihrer Ausbruchs-
röhren und angesichts der, bis zu mindestens 600 m Tiefe hinab-
reichenden Erfüllung dieser letzteren durch Tuff schwer, sich eine
völlig klare, ganz befriedigende Vorstellung von dem Vorgange dieser
Füllung zu machen. Es ergiebt sich drittens als die schliessliche,
wohl einzig mögliche Lösung dieser Frage gerade eine solche, welche
man anfänglich für unwahrscheinlicher als andere halten möchte.
In Anbetracht dieser Umstände war eine möglichst eingehende Prü-
fung aller einschlägigen Verhältnisse nötig. Eine Betrachtung der
verschiedenen Arten vulkanischer Tuffe im allgemeinen und der ver-
schiedenen Formen ihres Auftretens und ihrer Entstehungsweise
musste erfolgen , um Sicherheit zu gewinnen. So ergab sich das
Folgende hier im Teil III erst Angereihte, welches mit als Grund-
lage zu der in Teil II S. 69 — 90 geführten Untersuchung über die
Entstehungsweise unserer Tuffe diente:
— 192 —
Innerhalb der gewaltigen Masse losen vulkanischen Auswurfs-
materiales lässt sich eine ganze Anzahl von Gruppen unterscheiden,
die freilich z. T. durch Übergänge miteinander verbunden sein können.
Walther stellt deren vier auf und kennzeichnet sie in der fol-
genden Weise ^ :
1. Bei der Entstehung der Trockentuffe erfolgt der Aus-
bruch auf dem Lande und die Aschen fallen auf dem Trockenen
nieder. Hierbei kommt es in der Regel zu einer Schichtung. Zwar
werden Asche, Sand, Lapilli und grössere Stücke gleichzeitig empor-
geworfen, aber sie fallen nicht gleichzeitig nieder. In der Luft voll-
zieht sich vielmehr ein Sonderungsprozess , so dass die schwersten
Stücke zuerst die Erde erreichen und dann allmählich die leichteren,
je nach deren Gewichte. So entsteht eine sogen, subaerische Schich-
tung. Die Neigung dieser Schichten aber hängt ganz von der Ge-
staltung des Untergrundes ab, auf welchen die vulkanischen Massen
herabfallen ; sie sind daher bald horizontal, bald mehr oder weniger
geneigt. Sie setzen sich auch nicht auf so weite Entfernung hin
fort, wie bei den im Wasser gebildeten Schichten der Fall. Der-
artige Trockentuffe können Bruchstücke des durchbrochenen Decken-
gesteines enthalten, wenn nämlich die Decke von ihnen zersprengt wurde.
In der Gruppe von Urach gehören fast alle Tuffe zu diesen
Trockentuffen, wie wir S. 88 sahen.
2. Diesen Trockentuffen gegenüber stehen die Wassertuffe,
bei welchen der Ausbruch unter Wasser erfolgt, so dass nun die
Tuffmassen im Meere oder auch in einem Binnensee sich nieder-
schlagen. Sobald der Ausbruch sein Ende erreicht hat, sinkt der
während desselben immer wieder aufs neue durcheinander gemengte
Tuffschlamm in der Nähe des Kraters ungeschichtet als ganze Masse
schnell zu Boden. In weiterer Entfernung dagegen setzt sich der-
selbe schichtenweis nieder.
Diese Art von Tuffen ist in der Gruppe von Urach nicht
vertreten.
3. Bei den Sedimenttuffen endlich erfolgte der Ausbruch
zwar auf dem Lande, die Aschen aber fielen in das nahegelegene
Wasserbecken. Hierbei findet ihr Absatz in Schichten statt, aber
derselbe vollzieht sich nicht nach dem Eigengewichte der Massen-
teilchen, wie das bei den Trockentufifen der Fall ist, sondern sie
^ Studien zur Geologie des Golfes von Neapel. Zeitschr. d. deutschen
geolog. Ges. 1886. Bd. XXXVin. S, 307 pp.
- 193 —
entsteht dm-ch abwechselnde Lagen dichten und porösen Materiales,
da letzteres längere Zeit schwimmt, bevor es sich voll Wasser ge-
sogen hat. Diese Tuffe verhalten sich also wohl ganz so, wie der-
jenige Teil der unter 2. geschilderten Wassertuffe, der sich in
Schichten absetzt.
4. Eine vierte Gruppe würde endlich durch die Transport-
tuffe Roth's, d. h. regenerierte oder umgearbeitete Tuffe, dar-
gestellt werden. Hier wird bereits zum Absätze gelangtes Tuff-
material in Wasserbecken geführt und dort in Schichten abgesetzt.
Dasselbe verhält sich dann also wie die Sedimenttuffe.
Hierher gehört ein kleinster Teil unserer Tuffe von Urach.
5. Deecke^ fügt dem noch eine fünfte Gruppe hinzu. Bei
dieser entsteht der Ausbruch im Meere, die Tuffmasse aber fällt auf
dem Lande nieder. Es ist also hier angenommen, dass der Yulkan-
ausbruch sich an einer, nahe dem Lande gelegenen Stelle des Meeres
ereignet. In solcher Weise denkt sich Deecke den campanischen
Tuff durch einen im Meerbusen von Neapel stattgefundenen sub-
marinen Ausbruch entstanden, dessen Taffe z. T. auf das Land fielen.
Tuffe dieser Art werden sich verhalten müssen wie die oben ge-
schilderten Trockentuffe, denn Deecke redet nur von späteren Regen-
güssen, nicht davon, dass die Asche gleich bei dem Ausbruche als
feuchte Schlammmasse ausgeblasen wurde.
6. Als Tuf fite scheidet dann weiter Mügge^ alle solche Tuffe
aus, bei welchen vulkanisches Auswurfsmaterial gemischt ist mit ge-
wöhnhchen Sedimenten. Diese verhalten sich also ganz wie die
oben besprochenen Wassertuffe.
7. Tuffoide dagegen nennt Mügge^ solche Tuffite, wenn sie
metamorph geworden sind, wobei er jedoch Kontaktmetamorphismus
ausschhesst. Speciell im Auge hat er hierbei Tuffe von hohem geo-
logischem Alter.
8. Ein höchst eigenartiger Tuff würde dasPiperno genannte
Gestein von Pianura in den phlegräischen Feldern sein, falls das-
selbe, wie ScACCHi und dell' Erba^ im Gegensatze zu der Mehrzahl
1 Neues Jahrb. f. Min., Geol. n. Pal. 1891. Bd. II. S. 323. Anm. 1.
- Untersucluxnoen über die Lenneporpbyre m Westfalen. Neues Jahrb.
f. Min., Geol. u. Pal. Beil.-Bd. VIII. Heft 3. 1893. S. 707.
3 Ebenda S. 707.
4 Considerazioni sulla genesi de Piperno. Giornale di mineralogia. Bd. HI.
1892. S. 23—54. Ich entnehme das Obige einem Referate von Max Bauer im
Neuen Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1893. Bd. II. S. 51, 52.
Jahreshefte d. Vereins f. yaterl. Naturkunde in Württ. 1895. lo
— 194 —
der anderen Petrographen wollen, wirklich nicht eine Lava, sondern
ein Tuff ist. Das hellgraue Gestein ist zwar fest, dabei aber in so
gleichmässiger Weise stark porös, wie das bei einer echten Lava
nicht bekannt ist. Zudem geht es allmählich in den überlagernden
zweifellosen Tuff über. Die dem Piperno eingeschalteten dunkleren,
geflammten Lagen, welche dichter und härter sind, sich auch durch
andere Mikrostruktur auszeichnen, hält dell' Erba dagegen für echte
Lavaauswürflinge. Seiner und Scacchi's Meinung nach wäre die Um-
wandlung des Tuffes in Piperno nicht durch hydrochemische Vor-
gänge zu erklären, sondern durch vulkanische Dämpfe und dadurch
herbeigeführte Sublimationen. In kurzen Zwischenräumen erfolgten
abwechselnde Auswürfe von Asche und von Lavafetzen. Die sehr
hohe Temperatur beider bedingte ein Zusammenbacken der so ent-
standenen verschiedenartigen Lagen, während die baldige Überlage-
rung durch neu ausgeworfene Massen den Wärmeverlust verlang-
samte. Dadurch wurde eine Kontaktmetamorphose von selten der
Lavafetzen auf die Asche ausgeübt, wie wir solche ja auch in unseren
Tuffen der Gruppe von Urach überall da beobachten können, wo die
flüssige Basaltmasse gangförmig in die Tuffe eingedrungen ist.
Wir können jedoch noch zwei weitere Arten, bezüghch Er-
scheinungsweisen vulkanischer Tuffe unterscheiden, welche man, zum
Teil wenigstens, vielleicht zu der vierten Gruppe der umgearbeiteten
stellen könnte. Ich muss die Entstehung derselben in ganz aus-
führlicher Weise besprechen , um Anhaltspunkte zur Entscheidung
der Frage zu gewinnen, ob bei der Bildung unserer Tuffe der Vulkan-
gruppe von Urach das Wasser eine Rolle gespielt habe oder nicht,
s. S. 69—90.
Zur Vermeidung von Missverständnissen, welche infolge ähn-
licher Namengebung sich leicht einstellen können , möchte ich das
Folgende vorausschicken.
Wir haben pseudovulkanische Bildungen, die Schlammvulkane,
deren Erzeugnisse im breiigen Zustande fliessen und den Namen
„Schlammlava" führen. Der Name ist so unpassend wie möglich,
da diese Auswurfsmassen gar nichts mit einer Lava und mit Vul-
kanen zu thun haben. Die einzige Ähnlichkeit in der äusseren Er-
scheinung beider liegt in dem stromartigen Fhessen. Wäre dieses
aber ausschlaggebend, so könnte man auch einen Gletscherstrom
eine Eislava nennen. Doch kann das kein Grund sein, den einmal
eingebürgerten Namen der Schlammlava durch einen neuen ersetzen
zu wollen.
— 195 —
Wir kennen dann zweitens bei echten Vulkanen Tuffbildungen,
welche gleichfalls im breiigen Zustande fliessen. Der Name „Schlamm-
strom", welcher für dieselben wohl angewendet wird, birgt die Ge-
fahr in sich, dass ' der Begriff mit demjenigen der Schlammlava ver-
wechselt wird. Auch ist Schlammstrom keine Bezeichnung für das
Gestein selbst. Da es sich um einen zu Schlamm gewordenen echten
Tuff handelt, so werde ich diese Bildungen als „Schlämmt uff
bezeichnen.
Ich wende mich nun zunächst zu den pseudovulkanischen sog.
Schlammvulkanen. Für die vorliegende Arbeit haben die ge-
wöhnlichen Erzeugnisse dieser Gebilde keine Bedeutung; denn die-
selben bestehen aus weichen Sedimentgesteinen, welche durch das
heisse Wasser und die Gase dieser Pseudovulkane umgearbeitet und
als Brei zu Tage gefördert werden. Es handelt sich hier also um
thonige oder sandige Massen.
9. Ausnahmsweise aber treten auf Island^ Schlammvulkane
mitten im Gebiete der vulkanischen Palagonittuffe auf. Hier ist es
also nicht sedimentärer Thon, sondern ein echt vulkanischer Tuff,
welcher durch die aufsteigenden heissen Quellen und Gase gekocht,
zersetzt und nun als pseudovulkanisches Gebilde in eine sog. Schlamm-
lava verwandelt, wieder abgelagert wird; vielleicht wohl vermischt
mit anderem, aus grösserer Tiefe heraufgebrachtem Gesteine.
Nichts steht der Annahme im Wege, dass auch in früheren
Zeiten bei den Schlammvulkanen derartige Fälle vorgekommen sind,
wie sie hier auf Island noch heute eintreten. Zu welchen Folge-
rungen wird dann der Geolog gelangen, welcher vor einer so ent-
standenen Ablagerung steht? Offenbar wird das von der Beschaffen-
heit des Materiales abhängen, aus welchem die Schlammlava besteht.
Wenn nämlich der echt vulkanische Tuff durch das heisse Wasser
und die Gase vollständig zersetzt wu-d, bevor er als Schlammlava wieder
zur Ruhe kommt, dann wird er so verändert sein, dass man seine
ursprünglich vulkanische Herkunft gar nicht mehr erkennt und nun
in keinen Zweifel geraten kann, dass eine Schlammlava vorliegt.
Es ist aber sehr wohl der Fall denkbar, dass eine derartige Schlamm-
lava noch die Bestandteile des vulkanischen Tuffes deutUch erken-
nen lässt. Dann wird man glauben, die Ablagerung einer echt vul-
kanischen Bildung vor sich zu haben, während man doch nur vor
^ S a r 1 0 r i u s v o n W a 1 1 e r s h a u s e n , Physisch-geographische Skizze von
Island. Göttinger Studien. 1847. S. 123.
13*
— 196 —
einer pseudovulkanischen steht. Man hat dann gewissermassen eine
Pseudomorphose , nämlich echt vulkanisches Tuffmaterial in der
äusseren Form eines pseudovulkanischen Schlammlavastromes. Man
erkennt, dass die Masse breiig war, dass sie als Brei den Krater
und den in die Tiefe führenden Kanal erfüllte, dass sie aus dem
Krater als Breistrom geflossen ist. Da aber die Bestandteile dieses
jetzt erhärteten Breies eine vulkanische Herkunft verraten, so wird
der Geolog leicht zu dem Trugschlüsse geführt werden können, dass
er eine alleinige vulkanische Bildung vor sich habe.
Kann es nun schon in einem solchen Falle ausserordentlich
schwierig werden, echte und scheinbare vulkanische Bildungen aus-
einanderzuhalten, so wird die Sachlage noch verwickelter durch den
Umstand, dass es wirkliche, echte vulkanische Tuffe giebt, die gleich
ursprünglich im breiigen Zustande, als Strom geflossen sind. Es ist
das die zweite der weiteren Arten vulkanischer Tuffe , von welcher
ich oben sagte, dass sie für die Frage nach der Entstehung der
Tuffe in der Gruppe von Urach von Wichtigkeit sein könnte.
10. In grossartiger Weise geht die Entstehung dieser S c h 1 a m m-
tuff e an gewissen Vulkanen von Südamerika, Java und Island noch
in der Jetztzeit vor sich. Es muss aber wohl als sicher angenommen
werden, dass auch in vergangenen Zeiten der Erdgeschichte sich
derartige Bildungen vollzogen haben, denn die Entstehung dieser
breiigen Massen wird nur durch solche Ursachen bewirkt, welche zu
allen Zeiten der Erdgeschichte obgewaltet haben.
Ich habe bereits oben gesagt, dass wir diese Bildungen als Schlamm-
tuffe im Gegensatze zu der sogen, pseudovulkanischen Schlamm-
lava bezeichnen wollen. Al. von Humboldt nannte diese Schlamm-
tuffe „Moya". Allein Theodor Wolf hat darauf aufmerksam ge-
macht ^, dass das Wort Moya nur einen sumpfigen Ort bezeichne und
keineswegs, wie Humboldt meinte, als Gesteinsname in Südamerika
gebraucht wird. Höchst wahrscheinlich gehört das, was man in
Italien als Peperin bezeichnet, ebenfalls zu den Schlammtuffen;
Auch das, was Oppenheim „Alluvion stufte" benennt^, gehört
wohl hierher. Wie Oppenheim sagt, entsprechen sie ungefähr den
Transporttuffen Roth's. Wenn man aber so scharf klassifizieren will,
wie das im Vorhergehenden geschah, dann wird man sie vielleicht
besser von diesen trennen müssen ; denn einmal handelt es sich hier
> Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1875. S. 582.
^ Beiträge zur Geologie der Insel Capri und der Halbinsel Sorrent. Zeitschr.
d. deutschen geolog. Ges. 1889. Bd. 41. S. 467.
— 197 —
nicht um Tuffmassen, welche in einem Wasserbecken abgelagert
wurden und zweitens können nicht nur bereits abgelagerte, sondern
auch soeben erst herausgeschleuderte Aschenmassen sofort in Schlamm-
tuff verwandelt werden.
Entstehung der Schlammtuffe. Dieser Schlammtuff
entsteht dadurch, dass die beim Auswurfe stets trockene ^ vulkanische
Asche durch meteorische Wasser später in einen dicken Brei ver-
wandelt wird, welcher nun in Gestalt eines Schlammtuff-Stromes
sich vorwärts wälzt. Allein dieser Fall kann in dreifach verschiedener
Weise zu stände kommen, je nachdem die meteorischen Wasser
wirken: als Regen, als in einem Kratersee angesammeltes Regen-
wasser, als geschmolzener Schnee oder Eis. Wir wollen diese drei
Fälle der Reihe nach an Beispielen betrachten.
Bereits im Anfange unseres Jahrhunderts wurde von Breislak ^
die Ansicht bekämpft, dass Wasserströme aus dem Innern feuer-
speiender Berge ausgestossen werden könnten, und die bisweilen
vorkommenden Schlammtuff-Ströme des Vesuv führte er ganz richtig
auf heftige Regengüsse zurück. In der That können durch die mit
vulkanischen Ausbrüchen häufig verbundenen heftigen Gewitter ge-
nügende Wassermassen geliefert werden, um solche Schlammtuff-
Ströme zu erzeugen. Umsomehr, als auch der vom Vulkane
ausgestossene Wasserdampf durch seine Kondensation diese atmo-
sphärischen Wassermengen vermehren könne ^.
Diese meteorischen Wasser können aber auch in anderer Form
als Regen die Veranlassung zur Bildung von Schlammtuffströmen
geben. Junghuhn hat gezeigt, dass auf Java Ausbrüche von Schlamm-
tuffströmen nicht durch Gewitter entstehen, sondern nur aus solchen
Vulkanen stattgefunden haben, in deren Krateren sich Seen befanden^.
Java besitzt nicht weniger als 18 solcher Kraterseen. Ihre
Entstehung ist durch zwei Umstände bedingt : Einmal an sich schon
durch das tropisch regenreiche Khma der Insel und zweitens durch
1 Da Asche der in feinste Teilchen zerstiebte Schmelzfluss ist, so muss
diese Asche als ursprünglich trocken angesehen werden; denn erst in einem
späteren, wenn auch möglicherweise sofort eintretenden Zeitpunkte wird ihr
soviel Wasser beigemengt, dass sie nass wird.
2 Physische und lithologische Reisen durch Campanien etc. Ins Deutsche
übertragen von Ambros Reuss. Leipzig 1802. Teil I. S. 191 pp. u. 243 pp.
* Borne mann bestreitet freilich, dass Wasserdampf anders als in seiteneu
Fällen von den Vulkanen ausgestossen wird (s. später).
* Java , seine (Jestalt , Pflanzendecke und innere Bauart. Deutsch von
Hasskarl. 2. Ausgabe. Abt. II. Leipzig 1857. S. 133, G39, 717.
- 198 —
die bedeutende Höhenlage dieser Seen, welche sich zwischen
5 — 7000 Fuss Meereshöhe bewegt ^ Diese beiden Umstände erzeugen
dort die Ansammlung grösserer Wassermassen in den Krateren und
bedingen es, dass unter Umständen auch der ganze übrige Krater-
boden „rund um den See herum aus aufgelösten, breiartig-schlam-
migen Materien" bestehen kann ^.
Der Ursprung dieser Kraterseen ist aber ein rein atmosphärischer.
Dem im Kraterbecken angesammelten Regen und nicht etwa Quellen
verdanken sie ihre Wassermasse. Vollends aus der Tiefe herauf ist
niemals Wasser im tropfbarflüssigen Zustande gekommen. Der Aschen-
auswurf erfolgt vielmehr stets im trockenen Zustande; und erst
durch die den Ausbruch begleitenden, entsetzlichen Platzregen, sowie
vor allem durch das Ausbrechen der Kraterseen, deren Umwallung
zerreisst, wird aus der trockenen Asche ein Schlammstrom.
Wiederum in anderer Form erscheinen die, solche Schlammtuff-
Ströme erzeugenden , atmosphärischen Niederschläge auf der Insel
Island und in Südamerika. Was letzteres Land betrifft, so glaubte
man früher auch hier, die Ursache dieser dort so gewaltigen Erschei-
nungen liege in dem Ausbruche grosser Kraterseen. Nach den Unter-
suchungen von W. Reis^ entstehen jedoch diese verheerenden
Schlammtuff-Ströme an den südamerikanischen Vulkanen nie durch
Ausbrüche von Kraterseen, sondern dadurch, dass Lavaströme sich
über die mit Schnee bedeckten Flanken der vulkanischen Bergriesen
ergiessen. In der näheren Umgebung dieser glühenden Lavaströme
und unter denselben schmilzt schnell der Schnee, und nun wälzen
sich die so entstandenen Wassermassen an der Flanke des Berges
hinab , Asche , Lapilli und grosse , selbst glühende Lavablöcke mit
sich führend und sich so in einen Schlammtuff-Strom verwandelnd.
Auch Theodor Wolf hat sich mit diesen Erscheinungen beschäftigt '^;
er führt die wundersame Ansicht des Velasco an, nach welcher die
Wassermassen aus dem Meere herstammen sollen, welches durch
die im Eruptionskanale entstehende Verdünnung der Luft angesogen
würde. Das Verschwinden des Schnees rings um den ganzen Berg
bei einem solchen Ausbruche ist stets nur ein scheinbares, indem
1 Ebenda S. 721.
2 Ebenda S. 639.
^ Über eine Eeise nach den Gebirgen des Iliniza und Corazon u. s. w.
Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. 1873. Bd. XXV. S. 83.
^ Geognostische Mitteilungen aus Ecuador. Neues Jahrb. f. 3Iin. , Geol.
u. Pal. 1875. S. 571 und 1878. S. 147 pp.
- 199 -
der Schnee von der ausgeworfenen dunklen Asche lediglich verhüllt
wird\ Ein wirkUches Schmelzen des Schnees findet dagegen nur
unter und neben dem glühenden Lavastrome statt. Wenn indessen,
wie bei dem Ausbruche des Cotopaxi am 26. Juni 1877, die Lava
sich nicht in einzelnen Strömen, sondern wie aus einem über-
sprudelnden Topfe kochenden Wassers gleichmässig nach allen Rich-
tungen hinaus aus dem Krater ergiesst, dann muss natürlich auch
ein allgemeines Schmelzen der den Berg umgebenden Schnee- und
Eismassen stattfinden^.
Ganz ebenso liegen die Dinge auf der Insel Island. Auch hier
bestreitet Sartoriüs von Waltershausen ^ dass aus dem Innern von
Vulkanen heraus jemals Wasserergüsse stattgefunden hätten. Auch
hier entstehen Schlammtuff-Ströme stets nur durch das Schmelzen
von Schnee und Eis infolge des Austritts glühender Lavaströme.
Was nun die Beschaffenheit solcher Schlammtuffe
anbetrifft, gleichviel, ob ihr Wasser durch Schneeschmelze oder durch
Regengüsse erzeugt wurde, so geben uns Theodor Wolf^ und Jung-
HüHN ein Bild derselben. An allen Punkten, welche über der Vege-
tationsgrenze liegen, enthalten sie erklärlicherweise keine organischen
Substanzen, sondern bestehen fast nur aus vulkanischem Material.
Sowie sie aber in die mit Vegetation bedeckten Gegenden eintreten,
mischen sich in die von ihnen abgelagerten Massen Pflanzenreste
und Daramerde, zuerst in geringer, weiter unten in grösserer Masse,
am bedeutendsten aber da, wo die Schlammtuff-Flut sumpfartiges
Gelände aufwühlte. Dazu gesellen sich dann hier und da auch Reste
landbewohnender Tiere, welche von dem Schlammstrom ereilt und
eingeschlossen werden, wenn er „wie eine hohe Mauer, die sich
fortwährend nach vorn überschlägt" ^ heranstürmt. Namentlich von
dem im Jahre 1877 erfolgten gewaltigen Ausbruche des Cotopaxi
schildert Wolf, wie Gutsgehöfte, Häuser, Herden, Lasttiere mit ihren
Treibern, Reisende, Flüchtende in einem Augenblicke in den schlam-
1 Vergl. Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1878. S. 144.
2 Theodor Wolf, Geognostische Mitteilungen aus Ecuador. Fortsetzung.
(Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1878. S. 132 u. 133.) Dass jedoch auch in
Südamerika bisweilen nur durch Gewitterregen und Wasseranstauuugen derartige
Schlammtuffströme entstehen, beweist unter anderem der Vulkan von Pasto.
Reis berichtet über (Zeitschr. d. deiitschen geolog. Ges. 1872. Bd. XXIV. S. 380)
einen am Pasto derart entstandenen Schlammtuffstrom.
3 Physisch-geograph. Skizze von Island. „Göttinger Studien." 1847. 8.108.
* Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1878. S. 139.
5 Wolf, 1. c. 1878. S. 136.
- 200 —
t
migen Tuffmassen verschwanden. In gleicher Weise können aber
auch wasserbewohnende Tiere in die Schlammtuff-Ströme gelangen,
da letztere mit Vorliebe in den Betten von Bächen und Flüssen thal-
abwärts stürzen und deren Inhalt, Wasser wie Tiere, sich einver-
leiben \ Auch JüNGHUHN schildert, wie auf solche Weise Fische,
Schildkröten, Büffel, wilde Tiere, Affen, Krokodile durch das Wasser
fortgerissen und in den Schlammtuff'-Strömen der javanischen Vul-
kane begraben werden^.
Wir sehen also, dass für derartige Schlammtuffablagerungen
pflanzliche und tierische Reste, und zwar von Land- und Wassertieren,
eine kennzeichnende, wenn auch nicht durchaus notwendige Bei-
mengung bilden.
Die Temperatur des Wassers und somit der Ströme von Schlamm-
tuff kann eine sehr verschiedene sein. Auf Island, wo dieselben oft
Eisstücke mit sich führen , ist sie nicht selten eine recht niedrige ;
doch kann sie auch der Kochtemperatur nahe sein ^. Auf Java sind
sie gleichfalls häufig dampfend heiss"^ und bisweilen von den aus-
gestossenen Dämpfen so sauer, dass sie ätzend wirken. Indessen
mögen wohl die Beine der von Jünghühn erwähnten Büffel mehr in-
folge der hohen Temperatur, als infolge des hohen Säuregehaltes
angefressen gewesen sein.
Auch S. Knüttel berichtet von den Schlammtuffströmen, welche
dem Gunung Awu auf Gross-Sangir ^ am 7. Juni 1892 entquollen:
„Die armen flüchtenden Einwohner wurden nicht nur von den fallen-
den Steinen bedroht, sondern auch von dem heissen Schlamm mit
schauderhaften Brandwunden bedeckt^. „Dass auch hier der Schlamm-
tuff durch den Ausbruch eines Kratersees hervorgerufen wurde , ist
sicher gestellt, wie Knüttel auf S. 269 sagt. Das geht auch daraus
hervor, dass der Ausbruch mit Schlammtuffströmen begann und dann
zu trockenem Aschenregen überging, offenbar, als der See aus-
gelaufen war. Wäre das Wasser aus der Tiefe heraufgekommen, so
ist kein Grund, einzusehen, warum das nicht angehalten haben
1 Wolf, 1. c. 1875. S. 466—468, 470; 1878. S. 137—138. Ferner Oppen-
heim, in Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. 1889. Bd. XLI. S. 467—468.
■ Jung huhu, Java IL S. 111, 500 etc.
^ Sartorius von Walters hausen, Physisch-geographische Skizze von
Island. 1847. S. 109.
* Junghuhn, .Java IL S. 111 u. 493.
• s NNO. von Menado.
^ Tschermak's Mineralog. u. petrograph. Mitteilungen. Wien 1893. S. 267.
— 201 —
soUte. Wie verheerend solche Schlammtuffströme wirken können,
beweist der Ausbruch vom 2.-17. März 1856, desselben Vulkanes,
bei welchem 3000 Menschen durch das mit rasender Geschwindigkeit
herabstürtzende kochende Wasser, bezw. Brei, ihr Leben verloren ^
Die Konsistenz, die Dicke der Schlammtuffströme hängt natür-
lich ganz von der Masse des Wassers ab, welche an dem betreffenden
Orte durch die Schnee- und Eisschmelze oder Regengüsse entsteht.
Die Fluten können dünn, einem Giessbache gleich herabstürzen;
sie können aber auch so dickflüssig werden, dass der Strom sich
nicht ausbreitet, sondern mit erhöhten Rändern wie eine Wulst sich
vorwärts wälzt ^ völhg gleich einem echten Lavastrom. Solche
dickflüssigen Massen aber hat Wolf am Cotopaxi 1877 nicht nur
durch geschmolzenen Schnee entstehen sehen, sondern auch allein
durch Regengüsse.
Nach dem Gesagten werden wir uns nun ein Bild von der
Beschaffenheit der Schlammtuffströme machen können, welche sie
darbieten, nachdem sie ihren Wassergehalt verloren haben. Es ist
eine feste, tuffige Masse, in welcher grosse und kleine Gesteinsblöcke,
Erde, Baumstämme und andere Pflanzenreste, landbewohnende Tiere,
unter Umständen auch wasserbewohnende, eingeknetet hegen, oder
doch wenigstens hier und da vorkommen. War der Strom dick-
flüssig, dann wird er gewiss keine Schichtung besitzen, sondern sich
in dieser Beziehung massig, wie ein Lavastrom verhalten. Doch
wird dickbankige Absonderung entstehen können, wenn von Zeit
zu Zeit neue Schlammtuffströme entstehen und übereinanderfliessen,
oder wenn sie durch lose Aschenauswurfsmassen und Lavaströme
voneinander getrennt hegen. Ist der Strom dünnflüssig, breitet er
sich weithin aus, so wird bei wiederholten Ausbrüchen eine Schichtung
eintreten können. Wenn der Strom auch heiss sein kann, so liegen
doch keine Angaben darüber vor, dass die Temperatur so hoch
gewesen wäre, um Kontaktwirkungen am Nebengestein und an den
Einschlüssen zu erzeugen. Es ist das auch von vornherein nicht
zu erwarten, ja sogar unmöghch, da zur Bewirkung einer Kontakt-
Metamorphose wesenthch höhere Temperaturgrade erforderlich sind,
als dieselbe kochendes Wasser besitzt.
Vergleichen wir mit diesem Bilde dasjenige, welches unsere
Tuffe der Gruppe von Urach bieten, so zeigt sich zweifellos, dass
letztere nicht Schlammtuffe sein können. Zwar haben sie dieselbe
1 Ebenda S. 274.
2 Th. Wolf, 1. c. 1878. S. 135 ii. 136.
— 202 —
massige und Brecciennatur, welche diesen zukommen kann. Allein
ihnen fehlen jene Pflanzen und Tierreste, welche im Schlammtuffe
eingeknetet liegen ; sie zeigen nirgends ein stromartiges Fliessen.
Dagegen haben sie Kontaktwirkungen geübt, welche umgekehrt dem
Schlammtuffe nicht eigen sein können.
Die Peperine. Von Schlammtuffen kann man nicht sprechen,
ohne dass der Blick auf die eigentümlichen, bezüglich ihrer Ent-
stehung immer noch rätselhaften Gesteine gerichtet wird, welche
man Peperin genannt hat ; Gesteine , welche in vieler Hinsicht den
Tuffbreccien der Gruppe von Urach sehr ähnlich sind. Sie wurden
zuerst in Latium beobachtet, und bereits im vorigen Jahrhundert
haben Faujas de Saint -Fond ^ und Cermelli^ darüber geschrieben^.
Nur ganz kurz that auch Breislak^ des Peperin Erwähnung
bei Be.sprechung von Pisolithen, von Leucit und Melanit, welche in
dem Gesteine auftreten. In kennzeichnender Weise hat dagegen
Leopold von Buch den Peperin im Anfange unseres Jahrhunderts ^
geschildert. Später haben sich dann Ponzi^, vomRath^, Penck^ und
^ Mineralogie des Volcans. Paris 1784.
^ Carte corografiche e memorie rigiiardanti lepietre, miniere etc. Napolil792.
Beide Arbeiten waren mir nicht ziigängig.
ä Da die Arbeit von Cermelli in Dentscliland nicht leicht zu erlangen
sein wird, gebe ich den Wortlaut nach einer freundlichen Mitteilung meines
verehrten, früheren Herrn Lehrers Strüver in Kom wie folgt:
,Peperiuo , o come altri dicono Piperino , che copiosamente ritrovasi nelle
vicinanze di Marino, e sul monte Cavo o Albano. Tra i marmi volgari anno-
verasi da taluno (in Anmerkung Gimm a, eRevillas), ed altri (in Anmerkung
Desmarest, Ferber, Dietrich) il considerano come nn tufo vulcanico.
Bigio verdastro e quello di Marino ; bigio o bruno giallastro mescolato di piccoli
cristalli di schoerl bianco farinoso e l'altro, nel quäle s'incontra altresi qualche
pezzo di quarzo (sie !) bianco , e di mica di schoerl in grandi cubi. V'ha chi
crede, che Piperno abbia dato luogo a tale denominazione, perche questa pietra
calcarea e forse stata da principio scavata ne' contorni di quella Cittä ; e pensa
alcuno, che il peperino siasi cosi chiamato per la simiglianza di alcuni suoi grani
con quelli del pepe. Potrebbe qui forse interessare il Naturalista ciö che nel 1737
scrive il R e v i 11 a s ; un' involto di panno-lino fu, dice egli, trovato poc' anui souo
nel mezzo di un gran masso di piperino, che tutto il cingea."
■* Physische und lithologische Reisen di;rch Campanien etc. Ins Deutsche
übertragen von Ambros Reuss. Leipzig 1802. Teil I. S. 121 u. 169.
^ Geognostische Beobachtungen auf Reisen. Teil IL Berlin 1809. S. 70—79.
^ Storia dei Volcani Laziali. Roma 1875.
'' Mineralogisch-geognostische Fragmente aus Italien. Zeitschr. d. deutschen
geolog. Ges. 1866. Bd. XVIII. S. 360 pp.
^ Über Palagonit- und Basalttuffe. Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. 1879.
Bd. XXXI. S. 556 pp.
— 203 -
gleichzeitig di Tdcci ^ mit diesem interessanten Gesteine beschäftigt,
dessen Mineralien Strüver untersuchte.
Seiner Struktur nach muss der Peperin als eine Breccie be-
zeichnet werden, denn er enthält in seiner Grundmasse eingesprengt
zahlreiche eckige Gesteinsbruchstücke. Diese aus Tuff bestehende
Grundmasse ist hellgrau, feinerdig, etwas rauh und nicht selten
porös; der letztere Umstand deutet auf das einstige Vorhandensein
von Dämpfen in dieser Masse hin. Die Poren sind mit Zeolithen
und Kalkspatkrystallen ausgekleidet, welche aus späterer Zersetzung
des Gesteines entstanden. Da das Poröse aber keineswegs überall
dem Peperin eigentümlich ist, so kann es nicht zu seinen wesent-
lichen Merkmalen gerechnet werden. Ganz dasselbe gilt von einer
zweiten Eigenschaft, welche das Gestein häufig, aber nicht immer
besitzt. Es wechseln nämlich dunklere, frischere Partien mit helleren,
weniger frischen, in ganz unregelmässig begrenzten Flecken mit
einander ab; di Tucci schreibt das der Einwirkung von Salzsäure-
dämpfen zu.
Die mikroskopische Untersuchung lehrt nun, dass die Grund-
masse des Peperin aus einer Zusammenhäufung kleiner Aschenteile
besteht, nämlich aus einem Filze poröser, meist farbloser Glas-
scherbchen, welche zahlreiche kleine Augite und Leucite umschliessen.
Diese Glasstückchen werden verkittet durch eine graue Substanz 2.
In dieser Grundmasse hegen makroskopisch eingesprengt zahlreiche
Krystalle von Glimmer, Augit, Olivin, Magneteisen, Leucit u. s. w. ^
Dazu gesellen sich dann zahlreiche Bruchstücke bis hinauf zu grossen
Blöcken, von Basalt und Leucitophyr, sowie von zertrümmertem
Kalkstein. Dieselben Gesteine finden sich in kleinsten Bruchstücken
unter dem Mikroskop. Die Kalksteine sind mehr oder weniger
abgerundet.
Niemals besitzt der Peperin eine so feine Schichtung, wie
solche den marinen Tuffen der Campagne zukommt. Er ist mehr
in dicke Bänke abgesondert. Auch das, was ich im Hernikerlande
unter diesem Namen bezeichnete, besitzt zum Teil solche Bankung,
teils aber tritt es ganz ungeschichtet, massig auf.
Wie in den Schlammtuffen Südamerikas und Javas, so finden
1 Saggio di studi geologici sui Peperini del Lazio. Reale Accad. dei
Lincei. Roma 1879. 40 S. 1 Karte.
2 Penck, Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. 1879. Bd. XXXI. S. 556 pp.
3 Bezüglich der Mineralien vergl. Strüher in Neues Jahi-b. f. Min., Geol.
u. Pal. 1875. S. 619 u. 620; 1876. S. 413. Zeitschr. f. Krystallographie. I.
— 204 —
sich auch im Peperin pflanzhche Reste ; besonders hegen dieselben
jedoch in seiner untersten Bank; ein Beweis, dass er sich damals
über eine mit Vegetation bedeckte Landschaft ergoss.
Von Naumann wurde seiner Zeit vorgeschlagen^, den Namen
Peperin auf alle Gesteine auszudehnen , welche eine ähnliche Be-
schaffenheit besitzen und wahrscheinlich auf ähnliche Art entstanden
sind. Auf solche Weise ist eine Anzahl von böhmischen Tuffen
bereits von Naumann und von Zirkel ^ als Peperin bezeichnet worden.
Auch im Vulkangebiet des Hernikerlandes ^ konnte ich Peperine
nachweisen, welche jedoch schon etwas weniger krystallinisch er-
scheinen, als das bei dem Peperin von Latium der Fall ist. Noch
einen Schritt weiter geht Penck*, indem er sich geneigt zeigt, auch
den Trass des Brohlthales mit dem Peperin zu vereinigen, wie
denn derselbe bereits vor langer Zeit durch Leopold v. Buch,
SteininCtER und von Oeynhausen für das Erzeugnis von Schlamm-
tuffströmen erklärt wurde. Allein von Decken sprach sich gegen
eine solche Auffassung aus, und zwar wegen der horizontalen Schich-
tung, welche das Gestein zum grössten Teile zeigt. Dasselbe that
schon Humboldt^.
Eine überaus weite Fassung giebt Lecoq dem Begriffe Peperin*^,
indem er Reibungsbreccien, Wassertuffe und Schlammtuffe (s. S. 192) ^
sämtlich als Peperin bezeichnet; oder vielmehr als Peperit, in
welchen Namen er das Gestein umtauft.
Das ist gewiss nicht zulässig ; denn, wie schon Penck bemerkt,
es fällt auf diese Weise der Begriff Peperin fast mit dem des Tuffes
überhaupt zusammen. So gehört wohl nur ein Teil des „Peperit"
genannten Gesteins der Auvergne zum Peperin^; der andere Teil
aber nicht.
* Lehrbuch der Geognosie Teil I. 1858. S. 676.
^ Lehrbuch der Petrographie. IL S. 560.
=* W. Branco, Die Vulkane des Hernikerlandes bei Frosinone iu Mittel-
italien. Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1877. S. 572 u. 585.
* 1. c. S. 561.
5 Kosmos IV. S. 280.
^ Les epoques geologiques de l'Auvergne. Bd. IL S. 508 , Bd. IV. S. 35
— 110 u. s. w.
^ Peperites d'eruption . . . . accompaguaut presque toujours les basaltes;
peperites remanies stratifies; breches qui . . . semblant avoir coule sous la forme
d'eruptions boueuses.
8 Penck (Zeitschr. d. deutschen geolg. Ges. Bd. XXXI. S. 535) hob in
seiner Arbeit über die Palagonittuffe mit Recht hervor, dass man mit grösserer
Schärfe als bisher Tuft'e und Konglomerate trennen solle. Tuffe können feinkörnig
— 205 —
Das Entscheidende ist zweifellos die Entstehungsweise. Tuffe
gleicher Entstehungsart werden denselben Namen führen können,
auch wenn sie bis zu einem gewissen Grade petrographische Ver-
schiedenheiten besitzen; denn bei einem Tuffgestein werden sich
solche leicht einstellen.
Welches ist nun aber die Herkunft des Peperins? Leopold
V. Buch nahm an, dass Ausbruchsmassen von Asche, Krystallen,
Lavablöcken und Kalksteinbruchstücken in das Meer geschleudert
wären und dort sich allmählich zu einem festen Gesteine verkittet
hätten. Indessen ein Meer oder Süsswasserbecken waren damals in
jener Gegend nicht mehr vorhanden. Zwar am Ende der pliocänen
Epoche lagen, wie Verriß darthut, die Gegenden des heutigen un-
teren Tiberlaufes und eines Teiles von Latium noch unter dem Meeres-
spiegel und bildeten einen Meerbusen. Indem aber das heutige Küsten-
gebiet über dem Meeresspiegel auftauchte, verwandelte sich dieser
Busen zunächst in einen Süsswassersee. In diesem lagerten sich
die ältesten Aschenauswürfe des jetzt entstandenen Albaner Vulkanes
in Gestalt des grauen Pozzolantuffes ab. Weitere Ausbrüche er-
zeugten dann den roten Pozzolantuff, welcher sich über jenem aus-
breitete, den See aber schon nahezu ausfüllte. Über dem roten
finden wir aber nochmals einen gelben Tuff, welcher eine über mehrere
Quadratmeilen ausgedehnte Decke bildet. Die Entstehung dieses
letzteren ist nach Verri eine andere als die jener beiden ersteren :
er hat sich als Schlammtuffstrom ergossen. Für eine solche Deutung
sprechen, wie Verri ausführt, der Mangel an Schichtung; die ver-
hältnismässig geringe Mächtigkeit ; die Einschlüsse von Kalksteinen,
welche wohl fortgeschoben wurden ; endhch die Einschlüsse von Pflan-
zen und Hirschen.
Der Peperin des Albanergebirges ist jünger als jene. Er kann
sein, wenn sie nämlich aus Aschen und Sanden hervorgegangen sind ; sie können
aber auch das Aussehen grober Konglomerate (besser wäre wohl in vielen Fällen
^.Breccien") annehmen, wenn ihnen grober vulkanischer Schutt beigemengt ist.
In diesem wie jenem Falle sind sie durch Zerstäubung oder Zertrümmerung flüssiger
Lava entstanden. Wogegen Konglomerate und Breccien vulkanischer Gesteine
aus einer Zerstörung bereits festgewordener Massen hervorgegangen sind.
Ich lege in gleicher Weise Gewicht darauf, dass unsere Tuff breccien iu
der Gruppe von Urach durchaus zu den Tuffen gehören ; dass sie also nicht ver-
wechselt werden dürfen mit den basaltischen Reibungsbrecclen, welche sich nicht
selten in Spalten finden.
1 Note per la storia del Vulcano Laziale. Bollettino sog. geol. Italia. Bd. XII.
1893. S. 39-80.
— 206 —
also ebensowenig wie jener gelbe Tuff subaquatisch abgelagert wor-
den sein, denn es war kein Wasserbecken mehr vorhanden.
Es fand daher die Ansicht Ponzi's Anklang, dass der Peperin
als Schlammtuff ausgestossen und dann stromartig geflossen sei.
Also dieselbe Entstehungsweise, welche Verri dem gelben Tuffe zu-
schreibt.
Eine solche Auffassung stösst jedoch auf Schwierigkeiten. So-
viel wir heute wissen, können Schlammtuffströme nur durch Regen-
güsse, durch Ausbruch von Kraterseen oder durch Schmelzen von
Schnee und Eis entstehen (s. S. 197). Stets werden also die
Aschenmassen hierbei ursprünglich lose und trocken ausgeworfen und
verwandeln sich erst dann in einen wässerigen Brei. Ponzi jedoch
lässt fertige Schlammströme gleich aus dem Inneren des Vulkanes
heraufsteigen.
Die zweite Schwierigkeit liegt, wie di Tücci hervorhebt, in der
ungeheuren Mächtigkeit des Peperins, welche am Albaner See bis
auf 800 Fuss steigt. Dieselbe würde daher eine sehr lang anhaltende,
wasserfördernde Thätigkeit des Vulkans in dieser Beziehung bedingen.
Eine dritte Schwierigkeit endlich findet sich, ebenfalls nach
DI Tucci, in den Lagerungsverhältnissen des Peperins. Die Bänke
desselben sind nämlich häufig durch Schichten von loser Asche ge-
trennt, welche letztere genau dieselben Bestandteile wie der Peperin
besitzt. Wenn sich nun auch nicht verkennen lässt, dass auch nach-
träglich eine Verfestigung einst loser Massen durch den Kalkgehalt
des an Kalkstücken so reichen Peperins eingetreten ist, so muss
— das ist der Schluss di Tucci's — doch wohl auch ursprünglich,
gleich beim Auswurfe, ein Unterschied in der Beschaffenheit des
Ausgeworfenen bestanden haben. Wenn nämlich die Verfestigung
des Peperins , wie das einst Gmelin ^ wollte , ganz allein nur durch
spätere Umwandlung entstanden wäre, wie könnten dann Schichten
loser Asche zwischen den Peperinbänken sich unverändert erhalten
haben? Es muss also, schliesst di Tücci, der Peperin ursprünglich
eine andere Beschaffenheit besessen haben, als sie gewöhnlichen
losen Auswurfsmassen zukommt. Ist das nun aber richtig, so würde
man bei der Hypothese Ponzi's annehmen müssen, dass der Vulkan
in jähem und häufigem Wechsel bald trockene, bald durchwässerte
Massen aus seiner Tiefe zu Tage gefördert habe.
* Gmelin, Oryktognostische und chemische Betrachtungen über den
Hauyn . . . nebst geognostischen Bemerkungen über die Berge des alten Latiums.
Schweigger, Journal f. Chemie u. Physik. Bd. XV. Nürnberg 1815. S. 4—17.
— 207 — .
Diesen Gründen gesellt di Tucci^ noch einen weiteren hinzu:
Während Ponzi meinte, dass alle Peperine dem Krater des heutigen
Albaner Sees ihren Ursprung verdankten, weist jener nach, dass auch
verschiedene andere dortige Kratere ein solches Gestein geliefert
haben. Es müssen also die besonderen Bedingungen, unter welchen
der Peperin entstand, nicht nur, wie seine bis zu 800 Fuss steigende
Mächtigkeit am Albaner See beweist, an diesem Krater während
recht langer Zeit obgewaltet haben, sondern sie müssen auch noch
an anderen Ausbruchsstellen eingetreten sein. Es wird daher das
Bedürfnis nach einer ungekünstelten, mit unseren thatsächlichen Er-
fahrungen an heutigen Vulkanen im Einklang stehenden Erklärung
um so lebhafter.
Welches ist nun di Tucci's Ansicht über den Peperin?
Es wird wohl kein Leser der Arbeit di Tücci's völlig klar dar-
über werden, was letzterer in dieser Beziehung für eine Ansicht hat.
Er bekämpft Ponzi, er führt Gründe gegen ihn an, er lehrt uns
Neues kennen, indem er zeigt, dass der Peperin aus mehreren Kra-
teren ausgebrochen ist. Aber die rätselhafte Art und Weise seiner
Entstehung erklärt er nicht. Man kann nur aus seiner Arbeit schlies-
sen, dass er die Peperine des Albanergebirges, ebenso wie Ponzi,
für Schlammtuffströme hält. Ich möchte daher den Versuch machen,
eine Erklärung für die Entstehung des Peperins zu geben.
Zunächst möchte ich betonen, dass ein Unterschied besteht
zwischen dem, was Ponzi sich als wässerigen Tuffstrom vorstellt,
und dem, was wirklich Schlammtuff ist. Ponzi meint, der Peperin
sei als Brei bereits dem Schlünde entquollen, also als Brei aus der
Tiefe heraufgestiegen. Wir haben aber gesehen, dass alle Beobachter
von heutigen Schlammtuffströmen einen solchen Vorgang bestreiten.
In der That, wie oben ausgeführt, lässt sich auch ein Wechsel von
Peperin und losen Aschenschichten sonst gleichartiger Zusammen-
setzung durch PoNzi's Annahme nicht erklären.
Wohl aber ist das sehr gut möghch, wenn — wie wir heute
in drei Erdteilen beobachten können — der Tuff dem Schlünde als
lose Asche entsteigt und nun erst sich in Brei verwandelt : Entweder
in der Luft durch Regen oder gar erst auf den Flanken des Vul-
kanes, indem der Kratersee ausläuft oder Schnee und Eis schmelzen.
Das kann dann sehr wohl einem Wechsel unterworfen sein, es kann
von Zeit zu Zeit auch einmal trockene Asche sich herniedersenken,
^ Saggio di studi geologici sui peperini del Lazio. Keale Accad. dei Liucei.
1879—1880. Memorie; mit geolog. Karte.
• — 208 —
welche dann lose Schichten zwischen den Bänken des massigen Tuffes
bildet \
Wenn wir nun überlegen, in welcher Form wohl das Wasser
dem Peperin sich beigesellt haben mag, so scheint mir der Regen,
abgesehen von untergeordneter Einwirkung, ausgeschlossen. Warum
sollte es im Albaner Gebirge damals so lange geregnet haben, bis
der 800 Fuss mächtige Peperin am Albaner See sich gebildet hat?
Warum sollte es auch gerade im Albaner Gebirge, im Volsker Ge-
birge bei Frosinone und in der Auvergne — wo wir überall solche
Peperine finden — zu einer gewissen Zeit so viel geregnet haben,
zu anderen Zeiten aber nicht, und in anderen vulkanischen Gegenden
überhaupt nicht? Das ist nicht denkbar.
Auch der Ausbruch von Kraterseen kann wohl nur untergeordnet
beteiligt gewesen sein, und zwar ebenfalls in Anbetracht der grossen
Mächtigkeit des Peperin am Albaner See.
Infolgedessen scheint mir als wahrscheinlichste
Lösung die, dass schmelzender Schnee die Ursache der
Peperinbildung war. Zwar haben sich keine Spuren einer Eis-
zeit in Latium erkennen lassen. Allein es bedarf des Eises ja nicht,
Schnee genügt bereits. Da nun in der Diluvialzeit, wie Penck in
einleuchtender Weise dargethan hat, die Durchschnittstemperatur der
Erde um 4 — 5^ C. geringer gewesen sein muss, wie heute, so muss
natürlich auch in den nicht vergletscherten Gegenden zu damaliger
Zeit viel mehr Schnee gefallen sein als heute. Diese Temperatur-
erniedrigung genügt aber für die Gegenden des Albaner Gebirges
vollständig, um eine reichliche Decke von Schnee auf den Vulkanen
zu erzeugen . Dessen plötzliches Schmelzen verwandelt
dann bei Ausbrüchen jene Asche nmassen in Schlamm-
tuff ströme; wogegen beim Fehlen des Schnees sich die
losen Aschenschichten bildeten, welche im Peperin
liegen.
Aus solcher Erklärungsweise folgt, dass der Schluss di Tucci's,
der Peperin müsse notwendig bereits bei seinem Ausbruche anders
beschaffen gewesen sein als die losen Zwischenschichten, nicht stich-
haltig zu sein braucht, und dass es auch nicht zu überraschen
braucht, wenn Peperin sich an mehreren Krateren bildete.
Bei solcher Entstehungsweise lässt sich auch denken , dass
^ Die andere Erklänxngsweise des Wechsels loser und fester Tuffschichten,
welche ich S. 30 gab, passt auf diese Verhältnisse wohl nicht.
— 209 —
dicke Bänke von Peperin entstehen ; indem auf bereits getrockneten
Schlammtuff wiederum Schnee fiel, welcher dann durch auf ihn sich
senkende Asche schmolz und letztere zu Brei verwandelte. Auch
das Poröse des Peperins, welches der des Albaner Gebirges bis-
weilen, andere Peperine wohl gar nicht haben, lässt sich durch die
infolge der Wärme des Tuffes entstehenden Wasserdämpfe erklären.
Das dem Krystallinischen ähnliche Ansehen wäre durch spätere Um-
wandlungen hervorgerufen ; dasselbe findet sich übrigens nur bei dem
Peperin des Albanergebirges und auch dort keineswegs überall. Im
Volsker Gebirge ist nichts davon zu sehen und in der Auvergne
wohl auch nicht. Diese Unterschiede lassen sich aber sehr gut
durch die Verschiedenheiten in der späteren Einwirkung von Wasser
erklären.
Auf schmelzenden Schnee würde sich auch ungezwungen die
Entstehung der Peperine im Volsker Gebirge bei Frosinone zurück-
führen lassen. Gerade die Erscheinung, dass bei Patrica der
Peperin^ teils unten im Thale, teils hoch oben auf dem schmalen
Grate liegt , lässt sich leicht in solcher Weise deuten. Ins Thal
hinab ist er als Strom geflossen. Oben ist er als dicker Brei liegen
geblieben.
In der Auvergne treten gleichfalls Peperine auf, die sogen,
breche volcanique Bertrand Eoux', deren Tuffsubstanz später palago-
nitisch geworden ist. Diese vulkanische Breccie ist im Becken von
le Pay die älteste der dortigen Eruptivbildungen. Aymard, Lecoq und
Felix Robert sind der Ansicht, dass dieselbe als ein Erzeugnis von
Schlammtuffausbrüchen zu betrachten sei^.
In dieser Breccie nun , welche teils geschichtet , teils un-
geschichtet ist, haben Lecoq und Pommerol Pieste von Elephas meri-
dionalis, Eqims caballus, Bhinoceros megarJiinus, Hyaena brevirostris^
Süsswassermollusken, ähnlich den noch heute lebenden und — wie
nach längerem Meinungsstreite endgültig festgestellt wurde — auch
Knochen vom Menschen gefunden. Die Breccie ist also diluvialen
Alters^: und da sie älter ist als die unten in der Ebene liegenden
1 Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1877. S. 571.
2 Vergl. Naumann in Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1869. S. 194
— 201. Wenn das Material daher auch ausserdem noch in einem Wasserbecken
zur Ausbreitung und Ablagerung gekommen sein sollte, so wäre das doch eben
nur im Becken von la Puy der Fall und gälte von anderen Gegenden der Au-
vergne nicht.
ä Bulletin soc. geol. France. 3 ser. T. IX. 1881. S. 282.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkimde in Württ. 1895. 14
- 210 —
Schichten mit Rentierresten, so gehört sie dem älteren Quartär an,
während Douville sie noch dem OberpHocän zuteilt. Jedenfalls würde
auch im letzteren Falle kein Grund gegen die Annahme vorliegen,
dass damals Schnee- und Eismassen vorhanden waren, deren Schmelz-
wasser die Schlammtuffströme erzeugt hätte, welche heute als Peperine
dort vorliegen. Hat ja doch das Centralplateau von Frankreich sogar
sein Inlandeis in jener Zeit besessen.
SelbstverständUch liegt das Schwergewicht bei diesem Erklä-
rungsversuche auf dem Vorhandensein von Schnee zur Zeit der Aus-
brüche und nicht in der diluvialen Epoche. Es ist keineswegs er-
forderlich, dass die Ausbrüche, welche Peperine erzeugten, nur gerade
in diluvialer Zeit erfolgt sein müssen. Wenn wirklich, 1894, S. 538, der
Beginn der Vergletscherung sich bereits in jungpliocäner Epoche voll-
zog, oder wenn genügende Schneemassen noch zu Beginn alluvialer
Zeit in den betreffenden Gebieten vorhanden gewesen sind, dann
kann in letzteren zu jungpliocäner, diluvialer und altalluvialer Zeit
sich Peperin gebildet haben; genau ebenso wie in kälteren Gegenden
als jene noch heute durch schmelzenden Schnee Schlammtuffströme
erzeugt werden, welche in der nächstfolgenden Epoche durch all-
mähliche Umwandlungen in Peperin übergehen werden. Ich hebe
das hervor, weil ein Teil der Peperine des Centralplateaus von Frank-
reich älter als diluvial sein mögen.
Man wird nicht glauben, dass ich mit dieser kurzen Auseinander-
setzung die Frage endgültig gelöst zu haben meine. Das ist über-
haupt vom grünen Tische aus nicht möglich. Zwar sind mir alle
drei Vulkangebiete aus eigener Anschauung bekannt ; aber als ich
dieselben bereiste, habe ich dieser Peperinfrage wenig Aufmerksam-
keit geschenkt. Es käme darauf an, die Verhältnisse in der Natur
nun einmal unter diesem Gesichtspunkte zu betrachten.
Wäre meine Erklärung die richtige, dann würde also der Peperin
als ein normaler Schlammtuff zu betrachten sein. Jedenfalls muss
man daran festhalten, dass ein Schlammtuff durchaus nicht immer
als Strom zu fliessen braucht. Letzteres wird er nur thun, wenn
das Gelände ihn dazu zwingt. Auf ebenem Gelände und wenn er
dickflüssig ist, wird er hegen bleiben und bald erhärten. Wieder-
holter Fall von Ptegen bezw. Schnee und Asche werden hier eine
Absonderung in Bänke erzeugen. Reiner Aschenregen mag hier lose
Bänke geben ; dagegen bei stromartigem Bergabfliessen wird er sich
zu mächtigen ungeschichteten Massen aufstauen können: Alles Er-
scheinungen, welche wir beim Peperin sehen.
— 211 —
Die Entstehungsweise von Maaren im allgemeinen.
Unter jedem Vulkane soll ein Maar begraben liegen. Das scheint durchaus nicht
nötig zu sein.
Ansichten über die Entstehungsart der Maare: Montlosier, v. Strantz,
A. V. Humboldt, Karl Naumann. Gestalt der Maare, Durchmesser, Tiefe,
Tiefe der Maarkanäle ; Zahl der Maare auf Erden. Unser vulkanisches Gebiet
von Urach hat auf nur 20 □Meilen Fläche in seinen 127 Maaren viel mehr
Maare als die ganze Erde zusammengenommen. Vogelsang's Ansicht über
die Entstehung der Maare. Bischof's und v. Richthofek's Meinung. Geikie.
Behrens' Versuche. Datjbr^e's Versuche bestätigen die ältere Ansicht. Unser
vulkanisches Gebiet von Urach beweist die letztere als richtig.
Entstehung von Maaren in neuester Zeit; E. Naumann. Zustand nach der
Entstehung. Noch ältere Entwickelungsstadien des Vulkanismus als Maare.
Drei embryonale Stadien des Vulkanismus.
Es ist im zweiten Teile dieser Arbeit sicher erwiesen worden,
dass die zahlreichen Tuffgänge unseres vulkanischen Gebietes von
Urach nichts anderes sind, als die in die Tiefe hinabsetzenden Aus-
bruchskanäle einstiger Maare. Oben auf der Alb sind die Maarkessel
noch zum ansehnlichen Teile deuthch erkennbar. Am Steilabfalle
der Alb ist das gleichfalls noch teilweise der Fall. Im Vorlande der
Alb verraten uns ganz vereinzelt, wie bei der Limburg No. 77, Bruch-
stücke geschichteten Tuffes das einstige Vorhandensein von Maar-
kesseln. Aber letztere sind hier, im Vorlande, ausnahmslos mit der
Abtragung der Alb verschwunden.
Nicht weniger als 127 Maare also befanden sich in unserem Ge-
biete. An nicht weniger denn 127 Stellen nahm die vulkanische
Kraft den Anlauf zur Erzeugung von Vulkanen; und an keiner
einzigen derselben gelang ihr dies. Stets erstickte das vulkanische
Leben bereits im ersten Keime. Denn offenbar ist das Stadium
eines Maares der erste , gewissermassen embryonale Zustand eines
werdenden Vulkanes. HuxAIBOLdt sagt (s. nächste Seite) : Ein jeder
Vulkanberg war einmal ein Maar , ein einfaches Loch in der Erd-
rinde, unter jedem Vulkanberge liegt ein Maar begraben. Ich glaube,
dass man diese Ansicht nicht so scharf aussprechen darf. Aus
jedem Maare zwar wird sich bei Andauern der vul-
kanischen Thätigkeit ein Vulkan entwickeln können.
Aber nicht ein jeder Vulkanberg braucht aus einem
Maare hervorgegangen zu sein. Viele Vulkanberge haben
sich auf Spalten, d. h. auf Bruchhnien der Erdrinde aufgebaut, aus
welchen die Schmelzmassen mehr oder weniger ungehindert auf-
steigen konnten. Diese Spalten mögen an der Ausbruchsstelle noch
14*
— 212 —
durch Gasexplosienen erweitert worden sein. Aber sie sind etwas
ganz anderes als unsere röhrenförmigen Maarkanäle , welche sich
unabhängig von Spalten bildeten (S. 131 ff.).
Maare sind sehr selten auf Erden. Gilbert (s. später) giebt
sogar nur deren 50 auf der ganzen Erde als bekannt an. Sie sind
gewiss darum selten, weil, wenn einmal vulkanische Kraft sich den
Ausweg an die Erdoberfläche verschafft hatte, sie in der Regel eine
Zeit lang sich den Weg offen erhielt. So dass die sich selbst aus-
weidende Erde dann einen mehr oder weniger hohen Vulkanberg
an der Erdoberfläche aufbauen konnte. Nur ausnahmsweise erstickte
diese Kraft im Keime, das Maar blieb erhalten.
Gewiss ist das zu allen Zeiten so gewesen, stets wird es hier
und da neben vielen Vulkanen einzelne Maare gegeben haben. Aber
die Maare alter längstvergangener Zeiten sind zerstört; ihre Tuff-
gänge bis auf grosse Tiefe hinab abgetragen, so dass nun die Füllung
des Ausbruchskanales mit festem^ Gesteine zum Vorschein kommt.
Kein Mensch kann dann ahnen, dass er hier vor dem unteren Ende
eines Ausbruchskanales steht, welcher einst hoch oben an der frühe-
ren Erdoberfläche als Maarkessel mündete.
Diese Seltenheit der Maare, sowie der Umstand, dass wir in
ihnen embryonale Vulkanbildungen vor uns haben, macht dieselben
ganz besonders interessant. Die Frage nach ihrer Entstehungsweise
ist daher eine naheliegende.
MoNTLOSiER^ soll der erste gewesen sein, welcher 1789 die
Entstehung der Maare auf eine Explosion von Gasen zurückführte
und für dieselben den Ausdruck „Crateres d'explosion" anwendete.
Dann verglich v. Strantz dieselben mit den Bildungen, welche
bei Explosionen von Pulverminen entständen. Er zeigte , wie bei
letzteren ein Teil der hochgeworfenen Masse in die Öffnung zurück-
fällt, ein anderer Teil aber sich zu einem Walle rings um dieselbe
anhäuft, so dass nun innerhalb desselben eine Vertiefung entsteht^.
Diese Anschauung von der Entstehung der Maare erlangte
um so schneller allgemeine Anerkennung, als Alex. v. Humboldt*
1 S. S. 177.
2 Graf Montlosier, Essai sur la theorie des volcaus d'Auvergne. 1789.
Ich eitlere nach C. F. Naumann, Lehrbuch der Geognosie. I. 1859. S. 176.
^ Über die verschiedene Gestaltung der Krater und Erkennungszeichen
ihrer Entstehung. Übersicht der Arbeiten und Veränderungen der Schlesischen
Gesellschaft f. vaterländ. Kultur. Breslau 1846. S. 48.
* Kosmos. Bd. IV. S. 277—279.
— 213 —
sie zu der seinigen machte. Er sagt: „Die Maare erscheinen als
Minentrichter, in welche nach der gewaltsamen Explosion von heissen
Gasarten und Dämpfen die ausgestossenen lockeren Massen (Rapilli)
grösstenteils zurückgefallen sind."
Karl Naumann bespricht gleichfalls die Entstehungsweise der
Maare in diesem Sinne in einer brieflichen Mitteilung an G. Leonhard \
Er sagt darüber das Folgende: „Bei meinem vorjährigen Ausfluge
in die Auvergne hatte ich auch Gelegenheit, einige Maare oder
Explosionskratere zu sehen. Dass diese letztere, von Montlosier
gebrauchte Benennung die Bildungsweise der meisten Maare ganz
richtig ausdrückt, dieses scheint mir kaum bezweifelt werden zu
können. Am Ende muss doch jeder Krater ursprünghch durch
Explosion in seinem Untergebirge eröffnet worden sein, wenn auch
später durch die fortgesetzte explosive Thätigkeit rings um den
zuerst gebildeten Schlund ein mächtiger Wall, oder über ihm ein
kegelförmiger Berg von Schlacken, Lapilh und vulkanischem Sand
aufgehäuft worden ist, durch welchen der anfänglich ausgesprengte
Krater teilweise oder gänzlich verdeckt wurde.
Es war ja nicht eine einzige Explosion, wie die einer Pulver-
mine, sondern es war, wie Poulett Scrope dies so richtig hervor-
hebt, eine fortwährende Reihe von Explosionen, durch welche die
Bildung des Kraterschlundes, des Schlackenwalles und endlich des
mehr oder minder hochaufragenden Schlackenberges bewirkt worden
ist, auf dessen Gipfel nur noch eine kesseiförmige Vertiefung die
aufwärts projizierte Stelle des unter ihr ausgesprengten Krater-
schlundes erkennen lässt. Erreichte die Reihe der Explosionen sehr
bald ihr Ende, so erblicken wir diesen in dem Untergebirge er-
öffneten Schlund, dessen steile Wände dasjenige Gestein erkennen
lassen, welches durchsprengt worden ist, während am oberen Rande
desselben eine mehr oder weniger hohe wallartige Anhäufung von
Schlacken, Lapilli und Lavasand, untermengt mit Fragmenten des
durchsprengten Gesteines zu sehen ist."
Diese Ansicht von der Entstehung der Maare durch minen-
artige Explosionen ist wohl die allgemein herrschende geworden^,
1 Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1869. S. 843—847.
2 Vergl. die Lehrbücher von C. Vogt, Lehrbuch der Geologie und Petre-
faktenkunde. 4. Aufl. Braunschweig 1879. IL S. 327. § 1267. H. Credner,
Elemente der Geologie. 5. Aufl. Leipzig 1883. S. 144. v. Fritsch, Allgemeine
Geologie. Stuttgart 1888. S. 389—394. Leonhard, Grundzüge der Geognosie
imd Geologie. 4. Aufl. durch Hörnes S. 259. Kayser, Lehrbuch der allgemeinen
Geologie. Stuttgart 1893. S. 333. Ule, Die Erde. 2. Aufl. S. 202. Neu-
— 214 —
obgleich 1864 Vogelsang in seiner preisgekrönten Arbeit über die
Vulkane der Eifel den Versuch machte, diese Auffassung zu be-
seitigen und durch eine andere zu ersetzen.
Die äussere Gestalt der Maare ist, nach der üblichen
Definition, gekennzeichnet durch eine Trichterform, wie man solche
aus einer Explosion sich hervorgegangen denkt. Wir werden sehen,
dass dem auch anders sein kann. Der Umkreis dieses Trichters ist
jedoch nicht immer kreisförmig, sondern sehr oft oval. Das gilt
namentlich auch von den gut erhaltenen Maaren der Eifel.
Der Durchmesser schwankt innerhalb weiter Grenzen. Das
ovale Holzmaar in der Vordereifel hat Durchmesser von ^ etwa 300
und 226 m. Der Laacher See hatte früher, vor der Senkung seines
Spiegels ^, ca. 2500 und 1500 m. Derselbe ist bedeutend grösser als alle
Maare der Eifel. Das Randecker Maar No. 39 im Gebiete von Urach
besitzt einen Durchmesser von 1000 m. Der Maarsee von Apoya
in Centralamerika ist 2782 m lang und 1392 — 1859 m breit.
Wenn in Italien der Braccianer See und derjenige von Bolsena
Maare sein sollten, so hätten wir solche von 10,5 km Durchmesser
im ersteren Fall und 16 bezw. 14,5 km im zweiten. Es sind das
aber wohl sicher Einsturzkratere.
Die Tief e des Maarkessels bezw. Trichters hängt bei
den Maaren offenbar zunächst von der Mächtigkeit der Ausfüllungs-
masse ab. Füllt letztere den Kanal bezw. Trichter bis fast an seine
Mündung an der Oberfläche hin aus, so besitzt das Maar nur eine
geringe Tiefe. Bleibt dagegen die Füllmasse mehr in der Tiefe
des Kanales, so ist der leere Raum des letzteren, der Kessel tiefer.
Es mag ferner auch die Heftigkeit der Explosionen in denjenigen
Fällen, in welchen es sich um richtige Trichterbildung handelt, je
nachdem tiefere oder flachere, zugleich grössere oder kleinere
Trichter erzeugen. Endlich spielt selbstverständlich die Abtragung
eine allerdings nur secundäre Rolle.
Centralamerika^ besitzt eine Anzahl von Maaren, welche zwischen
mayr, Erdgeschichte. I. S. 219 u. A. v. Dechen spricht sich ganz entschieden
für die Entstehung der Maare durch Explosionen aus. Gümbel, Grundzüge
der Geologie in „Geologie von Bayern". Kassel 1888. S. 1143. Nachtrag zu
S. 348 sagt nichts Näheres über den Vorgang.
^ 80 und 60 Ruten nach v. Dechen. Die Rute zu 4 m gerechnet.
^ 664 und 400 Ruten nach v. Dechen.
^ K. v. Seebach, Über Vulkane Centralamerikas. Aus den nachgelassenen
Aufzeichnungen. Abhandl. d. Königl. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen. Bd. XXXVIII.
1892. S. 61—63. Ferner Zeitschr. d. deutschen geolog. Ges. Bd. XVII. 1865. S. 458.
— 215 —
den Seen von Nicaragua und von Managua liegen und ganz be-
deutende Tiefen besitzen. Unter diesen ist der See von Apoya
von ovalem Umrisse, etwa Vh Seemeilen --= 2782 m lang und ^U
bis 1 Seemeile = 1392—1859 m breit. Die Höhe seiner Ränder
bis auf den Wasserspiegel hinab schätzte v. Seebach auf 150 m.
Noch gewaltiger ist der Trichter des Sees Asososca, bei welchem
die Steilränder 260 m tief abfallen und sich unter dem Wasser-
spiegel noch 100—130 m tief fortsetzen. Die Tiefe des Kessels
bezw. Trichters beträgt hier also 360—390 m^
Sehr viel weniger tief sind die Maartrichter der Eifel. Die
tiefsten Maare sind hier nur gegen 530 Fuss tief; denn das Pulver-
maar bei Gillenfeld hat bis zum Spiegel des auf seinem Grunde
liegenden Wasserbeckens eine Tiefe von 230 Par. Fuss, während
die grösste Tiefe des Sees mit 302 Par. Fuss angegeben wird 2.
Dem gegenüber sind unsere Maare mit ihrer von 60 m bis
auf Om hinabgehenden Tiefe sehr flach; aber sie sind eben bereits
alt, also abgetragen und zugeschüttet.
Noch weiter gehen die 17 Diatremata in Südafrika (s. später),
denn hier ragt die tuffige Füllmasse in Gestalt kleiner Erhebungen
von mehreren Metern Höhe empor. Ein Kessel ist also nicht mehr
vorhanden. Ich sage nicht „mehr"; denn dass ein solcher früher
vorhanden gewesen ist, das dürfte nach Analogie mit unsern Maar-
kesseln der Alb sehr wahrscheinlich sein; wenngleich es ja auch
denkbar ist, dass jene Kanäle Südafrikas bis an den Rand hin mit
tuffiger Masse erfüllt wurden, so dass gar keine Kesselbildung ent-
stand. Immerhin ist die Hervorragung, welche jetzt die tuffige
Füllmasse dieser Kanäle zeigt, nur ein Werk der Erosion. Wir
haben in der Gruppe von Urach ja ganz dieselbe Erscheinung, dass
der widerstandsfähigere Tuff auf solche Weise schliesslich über seine
Umgebung hervorragt. Ob aber nicht jene kesseiförmigen Vertiefungen
1 Diese Maare Centralamerikas sind darum bemerkenswert, Aveil auf dem
Grunde einiger derselben noch heute dann und wann Ausbrüche vulkanischer
Gase stattfinden : Ein Zeichen, dass hier die vulkanische Thätigkeit noch in den
letzten Zügen liegt, während sie an anderen Orten meist bereits längst erloschen
ist. Durch diese aus der Tiefe ausbrechenden Gase, welche im Maarsee Tiscapa
schweflige Säure führen, werden die Fische in grosser Menge getötet. Auch in
der Eifel steigt aus dem Laacher See noch Kohlensäure auf; und in unserem
Gebiete von Urach haben wir kohlensäurehaltige Quellen noch im Maare von
Kleinengstingen No. 29.
2 V. Dechen, Geognostischer Führer zu der Vulkanreihe der Vordereifel.
Bonn 1861. S. 50.
— 216 —
Südafrikas , welche man als Pans bezeichnet , doch ganz derselben
Bildung angehören, nur weniger erodiert sind?
Die Tiefe der Maark anale entzieht sich natürlich völlig
der direkten Beobachtung. Dass überhaupt Maare mit solchen Ka-
nälen runden oder ovalen Querschnittes in Verbindung stehen, hat
man bisher nicht gewusst; in der Gruppe von Urach lässt es sich
zum ersten Male thatsächlich beobachten.
Hier, in der letzteren, kann man die Tufffüllung der Kanäle
bis in eine Tiefe von 6 — 800 m hinab verfolgen. Mindestens also eine
solche Länge besitzen hier die Kanäle. Mindestens auf eine solche
Erstreckung hin sind die Schmelzmassen nicht auf Spalten empor-
gestiegen, welche die gebirgsbildenden Kräfte ihnen öffneten, sondern
haben sie sich selbst den Weg durch ihre Gasexplosionen ausgeblasen.
Bei den Diatremata der Karoo-Formation — welche ja doch
ebenfalls durch Gasexplosionen entstanden sind, gleichviel woher
letztere kommen — bei diesen Diatremata hat Chaper die Tiefe auf
300 m geschätzt. Das geschah allerdings nur auf Grund des fast
steten Fehlens der Granite unter den Einschlüssen im Tuffe (s. später),
ist also unsicher. Thatsächlich verfolgt hat man bis jetzt den Tuff'
hinab bis in eine Tiefe von 150 m.
Damit aber ist alles erschöpft, was wir über die Tiefe solcher
durch Gasexplosionen erzeugten Kanäle angeben können.
Die Zahl der Maare, welche auf Erden bekannt sind, ent-
zieht sich einer genaueren Angabe. Man müsste die ganze vulka-
nische Litteratur daraufhin sehr genau durchsehen, denn die Maare
sind oft nur nebenbei erwähnt. Gilbert ^ führt an , dass die Ge-
samtzahl aller bekannten Maare noch nicht 50 erreiche. Mir scheint
diese Summe indessen entschieden zu niedrig gegriffen.
Im Laacher See-Gebiete haben wir 2 Maare : den Laacher
See und den Wehrer Bruch^.
In der Hohen Eifel werden 5 Maare gezählt : das Ulmer
Maar, die Weiher Wiese, Mosbrucher Wiese, das 0.- und das W.-Maar
bei Boos^.
^ The moon's face. Philosoph soc. of Washingtou. Bull. Vol. 12. 1893.
S. 241-292 ff. 3.
^v. Dechen, Geognostischer Führer ziun Laacher See. Bonn 1864.
S. 133—136.
^ Dagegen der kraterförmige Kessel bei dem W.-Maare von Boos, sowie
der im N. von Boos werden durch v. Dechen nicht als Maare bezeichnet.
Geoguostischer Führer zu der Vulkaureihe der Vordereifel. Bonn 1861. S. 205, 207.
— 217 —
Die Vorder-Eif el besitzt 25 Maare; dazu kommen vielleicht
noch einige der Kesselthäler, von welchen in dem Abschnitte „Maar-
ähnliche Bildungen" die Rede ist. Ich gebe die folgende Aufzählung
dieser Maare in ausführlicher Weise , um dabei zugleich zu zeigen,
dass ganz dieselbe Einteilung, welche sich durch die Erosion für die
Maarkessel der Gruppe von Urach ergiebt (S. 162), auch für diese
der Eifel gilt. v. Decken ^ giebt ihre Übersicht in der folgenden Weise,
wobei die oben genannten Maare der Hohen Eifel ebenfalls mit er-
wähnt werden.
Die ganz geschlossenen Maare, mit vollständiger, an keiner Stelle
durchbrochener Umwallung sind : das dürre Maarchen , das Pulver-
maar bei Gillenfeld, das flache längliche Maar SO. vom Pulvermaar,
das Dorfmaar bei Udeler, das Gemünder Maar, das Weinfelder Maar
bei Daun.
Die Maare, deren Umwallung nur allein durch ein Abflussthal
unterbrochen ist, aus denen also nur ein abfallendes Thal hervortritt,
sind : das kleine S. von Immerath gelegene Maar , das Immerather
Maar, das Maar aus welchem der Diefenbach heraustritt, das Maar
SO. von Elscheid, das Maar von Oberwinkel, das Maar von Nieder-
winkel, der Mürmesweiher oberhalb Saxler, das Doppel-Maar von
Schalkenmehren, die Kratzheck SO. von Mehren, das Maar zwischen
dem Pfennigsberge und dem Hoh-Licht. Von derselben Beschaften-
heit sind die in der Hohen Eifel gelegenen Maare : das Ülmer Maar,
die Weiher- und Flurwiese , die beiden zusammenhängenden Maare
von Boos.
Die Maare , welche einen Zufluss und einen Abfluss haben,
wobei aber das Thal nicht durch dieselben mitten hindurchgeht,
sondern immer seitlich liegt, so dass die Maarfläche sich nur auf
einer Seite des durchgehenden Thaies ausdehnt, sind : das Holzmaar
bei Udeler, das Meerfelder Maar, der Dreiher Weiher, der Duppacher
Weiher und das Mosbrucher Maar in der Hohen Eifel.
Die Maare, welche nur eine teilweise Umwallung haben, sind
das Walsdorfer Maar, das Maar S. von Auel und die beiden Maare
zwischen dem Waldhauser und Killenberg bei Steffeln.
RozET zählt in der Auvergne 7 Maare auf^: Der Gour-de-
Tazena bei Manzat im Granit ausgesprengt. Sodann ein Maar am
S.-Fusse des Puy de Coquille, im Domit ausgesprengt, ohne irgend-
^ Geognostischer Führer zur Vulkanreihe der Vordereifel. Boiml861. S. 227.
^ Memoire sur les volcaus de TAuvergne. Mem. soc. geol. France. Paris
1844. S. liy pp.
— 218 —
welche Aschen- oder Schlacken-Auswürflinge. Ferner war ein Maar
am Fusse des Puy-de-l'Enfer im Basalt ausgesprengt. Viertens der
lac Pavin ebenfalls im Basalte. Ein anderer Maarsee, von ovalem
Umrisse, liegt am Fusse des Mont-Cinere. Ein weiterer kreisrunder,
4 km von jenem nach W., wird lac Chauvet genannt, er liegt im
Basalt. Ebenfalls im Basalte findet sich der oberhalb la Godivel
gelegene Maarsee.
Somit haben wir in den beiden bisher bekanntesten Maar-
gebieten der Erde die folgende Anzahl von Maaren :
Rheinisches Gebiet 32,
Auvergne 7.
Dazu gesellen sich nun die Maare, welche aus anderen vul-
kanischen Gegenden bekannt sind, wie Centralamerika, Vorderindien,
Sundainseln, Japan (s. später).
Ob gewisse Seen Italiens — Albaner, Nemi-, Braccianer, Bol-
sena-See — Maare oder grosse Einsturzkratere sind , ist strittig.
Aus Nordamerika sind mir keine Maare bekannt, Dana ^ erwähnt die-
selben überhaupt nicht. In England scheinen sie ebenfalls zu fehlen,
denn Lyell ^ sagt gar nichts über Maare und Geikie^ führt kein
einziges aus England an.
Es ergiebt sich also, dass die Zahl der Maare auf
Erden wohl eher mehr als weniger denn 50 betragen
wird. "Wenn das aber auch der Fall ist, unser vul-
kanisches Gebiet von Urach besitzt auf einer Fläche von
nur20QMeilen in seinen 127 Maaren viel mehr solcher
Bildungen als die ganze Erde zusammengenommen.
Gegen die geläufige Definition des Begriffes „Maar" als Explo-
sionskrater sind durch H. Vogelsang^ schwerwiegende Gründe geltend
gemacht worden. Derselbe weist zunächst darauf hin, dass die Maare
nicht von den Eruptionskrateren getrennt werden dürfen, dass Maare
also Kratere sind. Aber die Maare sind nicht etwa denjenigen Kra-
teren gleichwertig, welche sich hoch oben auf dem Gipfel der Vul-
kane befinden, eingesenkt in die Lava- oder die Schlackenmassen
^ Manual of geology 3. Ausgabe.
" Principles of geology. 1872. 11. Ausgabe.
^ Text-book of geology. 1893. 3. Aufl. S. 240.
* Die Vulkane der Eifel, in ihrer Bildungsweise erläutert. Ein Beitrag
zur Entwickelungsgeschichte der Vulkane. Haarlem 1864. Natuurkundige Ver-
handelingen van de Hollandsche Maatschappij der Wetenschappen te Haarlem.
21. deel. S. 41.
— 219 -
des Aschenkegels. Ein Maar ist vielmehr gleichwertig demjenigen
Krater, mit welchem die Bildung des jetzigen Vulkanberges einst
begann; also der trichterförmigen Kraterbildung, über welcher die
ganze Masse des Vulkanberges sich allmählich aufgeschüttet hat.
Den Maaren entspricht mithin bei den Vulkanbergen ein längst nicht
mehr sichtbarer verschütteter, in der Basisfläche des Vulkanes ge-
legener, einstiger Krater.
Es liegt also unter jedem Vulkane ein einstiges Maar begraben.
(Meine Bedenken gegen solche Auffassung habe ich S. 211 geäussert.)
Die aber an der Erdoberfläche noch sichtbaren Maare sind, nach oft
gebrauchtem, kennzeichnendem Ausdrucke, Vulkan-Embryonen, also
Vulkane, deren Wachstum bereits in dem embryonalen Stadium auf-
gehört hat.
Wie der Vulkan später aus dem Embryo sich weiter ent-
wickelte, das wissen wir, es geschah durch Aufschüttung. Auf
welche Weise entstand aber der Embryo? Um diese Frage zu be-
antworten, zeigt VoGELSÄNG, wie sich die Wirkung einer Pulvermine
durch eine Kugel ausdrücken lässt, deren Mittelpunkt in der Ladung
liegt, während die Grösse ihres Radius abhängig ist von der Ex-
plosionskraft und der Grösse des Widerstandes, welchen das um-
gebende Gestein bildet. Infolge dieses Widerstandes nimmt die In-
tensität der Explosionskraft vom Mittelpunkte nach der Peripherie
hin stark ab. Wir werden daher drei verschiedene Fälle unter-
scheiden können :
Nur wenn die Explosion einer bestimmten Ladung verhältnis-
mässig nahe der Erdoberfläche erfolgt, ist sie im stände, einen Trichter
auszuwerfen.
Legt man dagegen dieselbe Ladung in demselben Gesteine ent-
sprechend tiefer, so vermag die Explosionskraft nur noch die Erd-
oberfläche an dieser Stelle hoch zu heben, so dass sie in radialen
Spalten aufreisst.
Wird unter denselben Umständen dieselbe Ladung abermals
wesentlich tiefer gelegt, so vollzieht sich schliesslich nur eine Erd-
erschütterung ohne Spaltenbildung an der Erdoberfläche.
Vogelsang entnimmt zunächst seiner Darstellung, dass der Aus-
druck „minenartige Explosion" ein durchaus unbestimmbarer ist. Bei
der Entstehung der Maare dürfte offenbar nur an Explosionen der
ersten Art gedacht werden, welche in verhältnismässig nur geringer
Tiefe stattfanden. Es müsste ferner an der Erdoberfläche rings um
die Peripherie eines so entstandenen Trichters eine Zone sich be-
— 220 —
merkbar machen, in welcher das Gestein gehoben und von Spalten
zerrissen ist : Erscheinungen , welche nach aussen immer mehr ab-
nähmen. Zum mindesten würden diese peripherischen Störungen in
grösserem Masse sich in jedem festeren Gesteine bemerkbar machen ;
wogegen sie in Sandboden durch das sofortige Nachsinken der Masse
sich wieder verwischen. Nur in einem losen, schüttigen Gesteine
also, wie Sand und vulkanische Asche, würden wir den Anblick eines
regelmässigen Trichters haben. Im festen Gesteine würde dagegen
die peripherische Zertrümmerungszone sich dem inneren Trichter
gegenüber stark bemerkbar machen. Schliesslich müsste bei einer
Mine gefordert werden, dass das Volumen der ausgeworfenen Masse
genau gleich dem Inhalte des Trichters sei.
Weiter fragt sich Vogelsang nun, ob und wie weit die Maare
diesen an einen Explosionstrichter zu stellenden Anforderungen ge-
recht werden und gelangt hierbei zur gänzlichen Verneinung. Die
Maare der Auvergne sind zum Teil in festen , unzerstörten Granit
derart eingesenkt, in welcher eine Flintenkugel ein rundes Loch
durch ein Brett schlägt. „Glaubt man nun wirklich, dass irgend
eine Pulvermine ein rundes Loch aus diesem Gestein herausschlagen
würde ? "
Die unversehrte Trichterform solcher Maare spricht ihm also
entschieden gegen ihre Entstehung durch eine Explosion. Dasselbe
Urteil aber wird gefällt durch die bisweilen sehr geringe Menge der
Auswurfsmassen, welche sich um einen Teil dieser Maare angehäuft
findet. Einzelne Maare sind nur von einem Ideinen, andere aber von
gar keinem Ringwall ausgeworfener Massen umgeben.
Es gesellen sich dazu noch andere Unwahrscheinlichkeiten.
Das Schalkenmehrener und das Weinfelder Maar liegen dicht neben-
einander, nur durch einen schmalen Grat getrennt. Wie konnte, so
fragt der Autor, bei einer Explosion, deren Herd doch offenbar in
ziemlicher Tiefe unter dem tiefsten Punkt dieser Maare lag, dieser
schmale Grat bestehen bleiben, gleichviel, ob beide Trichter gleich-
zeitig oder nacheinander entstanden? Dasselbe gilt von dem nahe-
liegenden Gemünder Maar.
Die Gesamtheit dieser Gründe ist nun von Vogelsang für so
zwingend erachtet worden, dass er auf die ältere ^ Anschauung wieder
zurückgriif, welche die Maare nur für das Ergebnis von Einsenkungen,
nur für Erdfälle betrachtete. Wenn sonst, so schliesst er, keine
Vergl. darüber die Bemerkunoen auf S. 67 seiner Arbeit.
— 221 —
anderen Beweise für einstige vulkane Thätigkeit in der Gegend vor-
handen wären, so würde man gewiss die Kraterseen der Auvergne
und diejenigen ringförmigen Kesselthäler der Eifel, welche gar keine
Auswurfsmassen zeigen, für einfache Erdfälle ansehen. Auch die
beiden Kraterseen von Albano und Nemi bei Rom stellen runde
Trichter dar, welche in den Peperin eingesenkt sind, ohne jede Spur
von Auswürflingen.
VoGELSÄNG geht, bezüglich der Entstehung solcher Einsenkungs-
kessel, von der Vorstellung aus, dass unterhalb aller vulkanischen
Gebiete eine Verdünnung der Erdrinde stattfindet; dergestalt, dass
hier die glühenden Massen nur in einer verhältnismässig geringen
Tiefe unter der Erdoberfläche anstehen. An diesen Stellen wird die
Erdrinde langsam von innen her abgeschmolzen, so dass die Schmelz-
massen hier höher und höher steigen. Auch wenn das Meer oder
grössere Süsswasserbecken nicht in der Nähe sind, so werden doch
einzelne Wasserläufe wenigstens mit diesen allmählich aufwärts
dringenden Schmelzmassen in Berührung kommen. Es müssen hierbei
Dampfexplosionen erfolgen. Da aber die Dämpfe in der Tiefe ihre
grösste Spannkraft besitzen, so werden sie auch hier grössere Zer-
störung anrichten, als an der Oberfläche. Während letztere vielleicht
nur durch dieselben gelockert wird, während hier nur eine heisse
Quelle , eine Dampf-Exhalation oder auch ein schwacher Aschen-
und Schlackenauswurf sich bemerkbar machen, ist in der Tiefe be-
reits eine mächtige Höhlung ausgesprengt worden. Dadurch erfolgt
dann endlich ein Nachsinken der oberen Massen , also die Bildung
eines hohlen Trichters an der Erdoberfläche. Man sieht sogleich,
dass Vogelsang niemals eine solche Vorstellung hätte gewinnen können,
wenn er gewusst hätte , dass ein Maartrichter nichts anderes ist,
als die obere Endigung eines senkrechten Kanales von rundlichem
Querschnitte , welcher die Erdrinde durchsetzt. Aber erst das Ge-
biet von Urach gewährt uns diese Erkenntnis.
So sind also nach Vogelsäng in der Eifel nicht nur diejenigen
Kesselthäler, welche keinerlei Auswurfsmassen aufweisen, sondern
auch im allgemeinen die mit letzteren versehenen Maare durch Ein-
sturz entstanden. In einzelnen Fällen , wie beim Schalkenraehrener
und Weinfelder Maar, lässt Vogelsang jedoch auch eine Entstehung
durch Explosion zu.
Wir wollen nun diese Darlegungen Vogelsang's näher prüfen:
Zunächst stellt sich einer solchen Erklärungsweise dieselbe Schwierig-
keit entgegen, welche die bekannte Hypothese Mallet's zu Fall
— 222 —
bringt. Nach diesem gebt der Scbmelzfluss aus eingescbmolzenem,
bereits fest gewesenem Gesteine der Erdrinde hervor. Die dazu
nötige Wärme aber wird erzeugt durch Reibung der Erdschollen an-
einander, also durch Umsetzung dieser Bewegungsform in Wärme-
bewegung. Wäre das richtig, dann müsste die Lava jedesmal die-
selbe Zusammensetzung zeigen, wie das angeblich eingeschmolzene
Gestein, was aber nicht der Fall ist.
Ebenso bei Vogelsang : Wenn die geschmolzenen Massen der
Tiefe dadurch höher und höher steigen, dass sie die Erdrinde an
dieser Stelle einschmelzen, so muss die Beschaffenheit der Schmelz-
massen durch diejenige der eingeschmolzenen Gesteine mitbedingt
sein. Wären irgendwelche Sedimentärgesteine, wie Kalke oder
Sandsteine eingeschmolzen, so müsste daraus ein Eruptivgestein von
ganz auffallender Zusammensetzung hervorgehen. Das zeigt sich
aber nirgends, also dürfen wir an Einschmelzen nicht denken.
Es will dann weiter bei der von Vogelsang gegebenen Erklä-
rung noch ein anderes nicht recht einleuchten: Wenn den feurig-
flüssigen Massen der Tiefe die Fähigkeit zukommt, die Erdrinde an
einigen Stellen einzuschmelzen, an welchen dieselbe dünner ist,
warum schmelzen sie dann die Erdrinde nicht auch an allen anderen
Stellen ein? Diese Frage ist um so mehr gerechtfertigt, als an
diesen letzteren „anderen" Stellen ja die Erdrinde dicker sein, d. h.
in grössere Tiefe hinabreichen soll ; und in dieser ist sie doch wärmer,
erweichter, also gerade leichter einschmelzbar. Wogegen sie an den
ersteren Stellen, an welchen sie Vogelsang eingeschmolzen werden
lässt, dünner sein, d. h. nicht so tief hinabreichen soll, also gerade
weniger warm und erweicht, mithin schwerer einschmelzbar
sein müsste.
Indessen scheint mir diese Einschmelzungsfrage mehr das Neben-
sächliche an der von Vogelsang vorgetragenen Erklärungsweise zu
sein. Der Schwerpunkt der letzteren dürfte vielmehr darin liegen,
dass er die Entstehung der die Erdrinde durchbohrenden Löcher auf
Einsturz zurückführt, die Explosionskratere also in Einsturz- oder
Senkungskratere verwandelt.
Das was Vogelsang zu gunsten dieser letzteren und gegen die
Explosionskratere anführt, scheint nun freilich recht einleuchtend.
Seine Auseinandersetzung behält auch vollkommen ihre Geltung,
wenn man die feurigflüssigen Massen nicht, wie er will, durch Ein-
schmelzung sich ihren Weg selbst bahnen, sondern einfach auf vor-
handenen Spalten aufsteigen lässt. Vogelsang deutet das schon an.
— 223 -
und wenn er nicht 1864 sondern heute, nach fast 30 Jahren seine
Arbeit geschrieben hätte, so würde er vielleicht auch auf die Ein-
schmelzung ganz Verzicht geleistet haben.
In gleicher Weise wie Vogelsang sucht übrigens auch G. Bischof ^
die Maare, wie überhaupt die Vulkanbildungen durch Senkungen zu
erklären.
Bei oberflächlicher Betrachtung könnte es scheinen, als wenn
auch VON RicHTHOFEN ^ einen Teil der Maare als durch Einbruch ent-
standen ansieht. Er will nämlich bei dem, was man Maare nennt,
zwei hinsichtlich ihrer Entstehung ganz verschiedene Dinge aus-
einandergehalten wissen. Diejenigen sogenannten Maare, an deren
Rand keinerlei Auswurfsstoffe zu bemerken sind, betrachtet er gleich-
falls als Einsturzbecken. Übrigens ist das insofern misslich, als ja
diese Auswurfsstoffe, wie wir fast ausnahmslos bei allen Maaren der
Gruppe von Urach sehen, durch die Erosion später entfernt worden
sein können, so dass dieses Merkmal für die Erkennung von Einsturz-
becken jedenfalls kein durchgreifendes ist; denn unsere Maare bei
Urach sind sicher durch Explosion entstanden. Bei allen Maaren
dagegen, deren Rand von ausgeworfenem Gesteine umgeben ist, er-
klärt VON RiCHTHOFEN die Entstehung durch explodierende Gase für
unanfechtbar.
Wenn man nun „Maar" für ident mit den „Explosionskrateren"
bezeichnen muss, dann ist es überhaupt unstatthaft, ein Einsturz-
becken mit dem Ausdrucke Maar zu belegen. Dieser Ansicht ist
wohl auch von Richthofen, so dass er nicht etwa zur Stütze jener
von Vogelsang und Bischof vertretenen Ansicht citiert werden darf.
Freilich wird es unter Umständen sehr schwierig sein, ein echtes
Maar, dessen Umwallung nur durch Erosion spurlos vertilgt worden
ist, von einem maarähnhchen Einsturzbecken zu unterscheiden. Diese
Schwierigkeit tritt uns in der Eifel entgegen.
In gelindem Masse und bei gewissen Fällen will Geikie eine
Senkung bei Entstehung der Maare gelten lassen. Derselbe berichtet
in dem unten aufgeführten Lehrbuche über ein Maar in Vorder-
indien ^ Dasselbe, Lonar Lake genannt, liegt halbwegs zwischen
Bombay und Nägpür und ist in der dortigen weit ausgedehnten
Basaltdecke ausgeblasen. Der Durchmesser beträgt etwa ^1^ geo-
' Lehrbuch der chemischen und physikalischen Geologie. Bd. III. 2. Aufl.
Bonn 1866. S. 105—117 u. 148.
^ Führer für Forschungsreisende. Berlin 1886. S. 271.
ä Text-hook of geology. 1893. 3. Aufl. S. 240.
— 224 —
graphische Meile, die Tiefe 3—400 enghsche Fuss. Dieses Maar ist
ausgezeichnet dadurch, dass der seinen Boden bedeckende See natron-
haltig ist ; auf solche Weise scheiden sich Krystalle von Trona aus.
Der dieses Maar umgebende Wall besteht aus Basaltblöcken; seine
Höhe wechselt zwischen 40 und 100 Fuss, so dass in ihm kaum der
tausendste Teil der Massen wieder zu finden ist, welche vor der
Explosion den jetzigen Hohlraum erfüllt haben. Wenn nun auch,
so meint Geikie, ein Teil der herausgeblasenen feinen Massen fort-
geweht und durch Denudation entfernt sein mag, so hat sich doch
das Maar nach seiner Bildung durch Explosion noch durch spätere
Senkung vertieft.
Geikie nimmt also an derselben Erscheinung Anstoss, welche
auch Vogelsang veranlasste, die Entstehung der Maare auf Senkung
zurückzuführen. Allein während dieser die Maare ganz allein durch
Senkung entstehen lässt, so dass die Explosionen und der Aus-
wurf erst später aus dem bereits vorher gebildeten Loche vor sich
gingen , so folgert Geikie gerade umgekehrt : Erst die Bildung des
Maarkessels durch Explosion, dann Vertiefung desselben durch
Senkung.
Unser Gebiet von Urach giebt keine Antwort auf die Frage,
ob diese Ansicht Geikie's das Richtige trifft oder nicht. Sicher wird
in einer, durch lose Auswurfsmassen erfüllten Röhre ein allmähliches
Sichsetzen ersterer stattfinden müssen. Dadurch entsteht natürlich
eine Vertiefung des Maarkessels. Aber Geikie scheint noch eine
andere Art der Senkung im Auge zu haben als dieses Sichsetzen
der losen tuffigen Füllmasse des Kanales.
So einleuchtend nun auch die gegen die Auffassung der Maare
als Explosionstrichter gerichteten Ausführungen Vogelsang's zu sein
scheinen — die neueren experimentellen Untersuchungen sprechen
doch entschieden gegen ihn.
Weniger gilt das von den Versuchen, welche Behrens angestellt
hat, um die Gestalt von Maaren zu erzeugen ; denn er wendete keine
explodierenden Gase an, welche ja gerade die Maare bilden sollen^
sondern einen kontinuierlichen Luftstrom , welcher durch Sand hin-
durchgetrieben wurde. Durch diesen erhielt er bei einer Blasöffnung
von 1 mm Durchmesser einen Kanal, welcher unten sehr eng war,
sich jedoch in der oberen Hälfte trichterförmig erweiterte. Mischte
er dem Sande ein wenig Pulver von Tuff und Bimsstein zu, so wur-
1 Vera-1. das Referat im Neuen Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1893. I. S. 82.»
— 225 —
den diese leichteren Bestandteile an die Oberfläche getrieben. Zugleich
entstand ein weiterer Trichter mit flachem Boden. ZeitweiHg bildete
sich eine Unterhöhlung und dann Einsturz des letzteren. Zuletzt er-
folgte gewaltsames Ausblasen, welches die Windöffnung biossiegte.
Wurden dagegen dem Sande Gesteinsbröckchen , also gröbere Teil-
chen, beigemengt, so bewirkten diese eine Hebung und Zerklüftung
der (weichen) Oberfläche und excentrische Auswürfe. Dabei ent-
standen noch weitere Kessel mit flachem Boden und geringer Auf-
schüttung am Rande. Öfters besass der Kessel den löOfachen Durch-
messer der, hier 1,5 mm messenden, Auswurfsöffnung. Auch diesmal
bildeten sich birnförmige Aushöhlungen, deren Einsturz dann jedes-
mal von heftigem Auswurfe gefolgt wurde.
Ganz andere Wichtigkeit dagegen besitzen die Versuche, welche
Daubree mit explodierenden Gasen angestellt hat. Diese lassen uns
die Möglichkeit einer Entstehung solcher die Erdrinde durchbohren-
den Kanäle durch explodierende Gase erkennend Daübree hat dar-
gethan, dass heisse Gase unter hohem Drucke durch ihre mit grosser
Schnelligkeit sich wiederholenden Explosionen im stände sind, Kanäle
durch Cylinder festen Gesteines zu bohren und deutliche Erosions-
spuren in Gestalt von Furchen auf deren inneren Wänden zu er-
zeugen. Wo irgendwelche feinen Sprünge im Gestein vorhanden
waren, benutzten die Gase diese zum Ausweg und verwandelten
dieselben in Kanäle, welche wie mit dem Locheisen durch das Gestein
gestossen schienen. Wo aber Sprünge fehlten, da gaben selbst die
geringsten Unterschiede in der Dicke oder Widerstandsfähigkeit des
Gesteines an seinen verschiedenen Punkten die Ansatzstelle für die
Einwirkung der Gasmassen und ihre Durchbohrung des Gesteines.
Auf solche Weise wurden Gesteinsstücke von Gyps , Kalk, Granit,
Laven und eines Meteoriten durchbohrt, oder mindestens, wie beim
Leucitophyr, Höhlungen in dieselben gebohrt.
Die Untersuchungen Daubree's thun ferner dar, dass durch den
AnpralL der komprimierten Gase und Dämpfe Löcher durch das Ge-
stein in der Weise gebohrt wurden, dass unablässig kleinste Teilchen
desselben fortgeführt werden. Es kommt hierbei aber nicht nur
zu einer solchen Erosion, sondern sowohl die erodierten Flächen
als auch die fortgeblasenen Staubteilchen wurden hierbei an-
geschmolzen. So erklärt es sich, dass in dem fortgeführten Staube
1 Recherches experimentales sur le rOle possible des gaz ä hautes tempfera-
tures Bull. soc. geol. France. T. 19. 1891. S. 313-351 u. 944.
Jahreahefte d. Vereins f. vaterl. Katurkunde in Württ. 1895. lo
— 226 —
sich kleine Kügelchen finden , welche zum Teil hohl sind und
völhg den Kügelchen gleichen, die im kosmischen Staube beobachtet
wurden.
Als Daubkee diese erstaunliche Thatsache im kleinen durch
den Versuch festgestellt hatte , suchte er nach Beispielen in der
Natur, welche zu beweisen vermöchten, dass diese im grossen die
gleichen Wirkungen hervorrufen kann. Er verwies auf jene merk-
würdigen, senkrecht in die Tiefe hinabsetzenden Kanäle Süd-Afrikas,
welche zum Teil Diamanten bergen (s. später) und suchte die Ent-
stehung derselben auf derartige vulkanische Explosionen zurückzu-
führen. Zwar verwahrt sich Chaper ^ ganz entschieden gegen die
Auffassung Daübree's, dass diese merkwürdigen Kanäle Süd- Afrikas
in analoger Weise durch Explosionsgase gebildet seien, wie die von
ihm experimentell erzielten Durchbohrungskanäle von Gesteinsstücken.
Aber wenn er auch kalte Kohlenwasserstoffgase an deren Stelle setzt,
so ist es doch immerhin gleichfalls eine Explosion von Gasen, auf
welche 6r die Entstehung dieser Kanäle zurückführt.
Daubree benennt alle diese, die Erdrinde senkrecht durchsetzen-
den Kanäle , welche wie mit einem Locheisen durch die Erdrinde
gestossen sind, Diatremata. Bezüglich ihrer Entstehung bilden sie
den schroffsten Gegensatz zu jener anderen Art von Bruchstellen
der Erdrinde, den Spalten. Während diese linear verlaufenden Brüche
die Folge des durch die Abkühlung der Erde bedingten seitlichen
Druckes und des Weichens der Erdrinde sind , entstehen jene Dia-
tremata durch Gase, welche, unter sehr starkem Drucke stehend
und mit sehr grosser Geschwindigkeit begabt, ihren Angriff auf einen
einzigen Funkt, dem des schwächsten Widerstandes, richten und
senkrecht von unten nach oben wirken. So Daubree. Also völlige
Übereinstimmung mit dem, was das Gebiet von Urach uns lehrt
(s. S. 131—151).
Wenn also Vogelsang meinte, dass durch eine Ex-
plosion von Gasen nur trichterförmig gestaltete Löcher
an der Oberfläche ausgeblasen werden können, und
dass dieser Trichter kranzförmig von einer Zone ge-
hobenen und zerspaltenen Gesteines umgeben sein
muss, so werden wir durch Daübree's Versuche eines
Besseren belehrt: Durch explodierende Gase können
cylinderf örmig gestaltete Löcher, ohne jeglichen Kranz
' Bull. soc. geol. France. 1891. (3.) 19. S. 943-952.
— 227 —
von Dislokationen, durch ein Gestein hindurchgeblasen
werden.
In glänzender Weise bestätigt nun unser vulka-
nisches Gebiet von Urach — und darin liegt zum Teil
seine hohe wissenschaftliche Bedeutung in allgemein
geologischer Beziehung — diese Versuche ÜAUBREE'ß und
zeigt uns, dass auch die Natur durch Gasexplosionen
derartige cyli ndrische Durchbohrungen der Erdrinde
ohne jeden Kranz von Dislokationen erzeugen kann.
Namentlich vier Gründe sind es, mit welchen unser
Gebiet jene Ansicht ganz unhaltbar macht, dass Maare
durch Einsturz entstanden sein könnten.
Einmal die grosse Zahl, 127, von Maaren auf dem doch nur
kleinen Flächenraume unseres Gebietes von Urach. Zweitens der
oft so geringe Durchmesser derselben. Drittens ihre nicht selten
dicht nebeneinander befindhche Lage, zu zweien oder selbst meh-
reren. Viertens der Nachweis, dass ein Maarkessel nicht etwa ein,
ledigUch in die äusserste Erdoberfläche eingesenktes Loch darstellt,
unterhalb welches die Erdrinde zwar zerklüftet und zerrüttet, aber
doch im übrigen zusammenhängend gebheben ist^ Sondern dass
ein Maarkessel nichts anderes ist, als die obere Endigung eines die
ganze Dicke der Erdrinde an dieser Stelle durchbohrenden Kanales
von meist rundlichem oder ovalem Querschnitte. Solange man die
erstere Vorstellung von einem Maare-Kessel hatte, mochte man sie
sich allenfalls als durch Senkung entstanden vorstellen. Nun hat
aber unser vulkanisches Gebiet von Urach zum ersten Male den
thatsächUchen Beweis gehefert., dass die Maare sich als röhrenförmige
Kanäle in die Tiefe hinab fortsetzen. Wie soll es da denkbar
sjein, dass auf unserem kleinen Gebiete 127 solcher,
zum Teil recht.engen, oft dicht nebeneinander liegen-
den senkre chten, ungeheuer tiefen bezw. langen Röhren
durch Senkung entstanden seien, während rings um
die Röhre herum alles Gestein unverändert stehen
blieb? Das ist unmöglich, nur durch Gasexplosionen
können die Maare und ihre in die Tiefe hinab setzen-
den Kanäle erzeugt worden sein, nicht aber durch
Einsturz.
^ Vergl. z. B. die von E ndri ss gegebene Zeichnung vom Maar von Randeck
No. 39. Zeitschr. d. deutsch, geolog. Ges. 1889. Bd. XLI. Fig. 1 u. 4. Taf. 10.
15*
^ 228 —
Entstehung von Explosionskrateren in heutiger Zeit.
In hohem Grade bemerkenswert sind die Mitteikingen, welche
uns E. Naumann ^ in neuester Zeit über die Entstehung von Explosions-
krateren in Japan macht. Zwei dem Anschein nach erloschene
Vulkane, der Shirane und der Bandai, haben im Jahre 1882 bezw.
1888 Ausbrüche erlitten. Aber keine Lava, keine Feuererscheinung
waren dabei im Spiele. In beiden Fällen erfolgte vielmehr im alten
trockenen Kraterboden, tagelang dauernd, eine Reihe von Explosionen,
welche durch unterirdische Dampfansammlungen hervorgerufen waren.
Dampf, Schlamm und Felsentrümmer wurden ausgeworfen, Schlamm-'
ströme ergossen sich mit gewaltiger Schnelligkeit an den Abhängen
hinab. Es regnete Asche und Schlamm. Das ausgeworfene fein
zerstiebte Material entstammte der Füllmasse des bis dahin ver-
stopften Ausbruchskanales.
Die Explosion des Bandai fand am 15. Juli 1888 an der Flanke
des Kobandai statt. Schlamm- und Sandströme flössen z. T. mit
77 km Geschwindigkeit in der Stunde bergab. („Sand" soll wohl
vulkanische Asche bedeuten.) Da wo dieselben sich an entgegen-
stehenden Hügeln stauten, schwollen sie bis zu 40 und 60 m Mächtig-
keit an. Der grössere Teil des ausgeworfenen Materiales befand
sich, wenn auch durchfeuchtet durch den ausgestossenen Dampf,
im trockenen Zustande. Der Staub wurde auf 100 km Entfernung
bis an das Meer getragen ; dieser Staubregen währte 8 Stunden lang.
Durch die ausgeworfenen Steine wurden Tausende von kegelförmigen
Löchern in die Abhänge des Berges geschlagen, welche eine Tiefe
von 0,2 bis zu 1,0 m besassen. Unter den ausgeworfenen Massen
fanden 461 Menschen ihren Tod. Über 7000 ha wurden verschüttet.
Der durch diese Explosion entstandene Krater besitzt Hufeisen-
form, d. h. er hat eine offene, nach NWN. gekehrte Seite. Sein
Durchmesser beträgt 2234 m.
Wesentlich geringfügiger, ganz ohne VeTluste an Menschen-
leben, aber doch wissenschaftlich sehr bemerkenswert, ist der Aus-
bruch des Shirane am 6. August 1882.
Am Gipfel des Shirane lag ein flacher Kratersee. An dessen
Stelle findet sich jetzt nach der Explosion „ein Minentrichter, ein
Explosionskrater, ein Maar". „Wir lernen, dass die Maare wenigstens
in einer Anzahl von Fällen durch Explosion entstanden sein müssen,
^ E. Naumann, Neue Beiträge zur Geologie und Petrograpbie Japans.
(Petermann's Mitteilungen von Supan. Gotha 1893. Ergänzungsheft No. 108.
S. 1—15.)
— 229 —
wir lernen ferner, dass ein Maar in einem Vulkankrater entstehen
kann und dass derselbe Vorgang, welcher ein Maar erzeugt, auch
die Bildung grosser Spalten, wie am Gipfel des Bandai, erzeugen
kann." So Naumann.
Eine cylindrische Masse von 200 m Durchmesser aus Fels,
Schutt, Schlamm und Sand (aus den im Kratersee abgelagerten
Sedimenten bestehend) flog am Shirane in die Luft. Der ausgeblasene
Kanal ist scharf umgrenzt, besitzt senkrechte Wände und hat einen
kreisrunden Querschnitt. „Keine Schuttmassen, keine Felsblöcke
finden sich in der Nähe des Schlotes. Es macht ganz den Eindruck,
als sei die ausgesprengte Masse zu Staub zerstoben." Die Schlamm-
überzüge auf Gras, Bäumen u. s. w. liessen sich bis auf 5 km Ent-
fernung nachweisen. Die Gesteinsstücke , deren grösste 0,6 m im
Durchmesser hatten, wurden etwa 60 m hoch geschleudert und bis
550 m weit. Die kleineren bis zu 2 km Entfernung. Dieser Aus-
wurf von Steinen hielt nur während der ersten 5 — 6 Tage an.
Wir lernen also aus diesen Mitteilungen E. Naumann's,
dass, wie nicht anders zu erwarten, noch heute Maare
entstehen. Dass Maare wirklich durch Gasexplosionen
gebildet werden. Dass dabei zahlreiche Menschenleben
vernichtet werden können. Dass ein Kanal mit senk-
rechten Wänden ausgeblasen wird; dass also, wie oben
gezeigt, Trichterbildung etwas ganz Nebensächliches
bei einem Maare ist^ Dass keinerlei Schuttwall um die
Auswurfsöffnung angehäuft zu sein braucht. Dass die
ausgeworfenen Massen teils trocken, teils etwas durch-
feuchtet durch den ausgestossenen Wasser dampf sind.
Die senkrechten Wände, das Fehlen eines ausgesprochenen
Trichters und Schuttwalles findet sich genau ebenso
bei gewissen Bildungen in der Gruppe von Urach. Wir
haben mithin alle 127 Vorkommen ganz zu Recht als
Maare aufgefasst; denn dieselben hängen, wie durch
zahlreiche Übergänge im Betrage der Erosion bewiesen
wird, alle zusammen. Was von demRandecker Maar
No. 39, dem zweifellosen Explosionskrater gilt, das
gilt daher auch von dem tiefst erodierten, dem Maar-
Tuffgang bei Scharnhausen No. 124, welcher bereits
aus oberstem Keuper herausgearbeitet ist.
^ s. S. 105—120.
— 230 —
Liefern uns diese beiden japanischen, vor unseren Augen ent-
standenen Maare den zweifellosen Beweis dafür, dass Maare nicht
aus Senkung, sondern aus Explosion von Gasen hervorgehen, so
können wir an anderen, vor bereits etwas längerer Zeit entstandenen
Maaren beobachten, wie sie sich zunächst nach ihrer ersten Bildung
verhalten. Das ist z. B. der Fall bei dem von Jünghuhn (Java Bd. 11
S. 25) beschriebenen Maare, welches den Namen Kawah-Tjiwidai
trägt. Dasselbe ist in tertiärem Sandstein ausgesprengt und liegt
nordöstlich von Gunung Patua mitten im Urwalde. Der 75 — 100 Fuss
tiefe, 400 Fuss im Durchmesser haltende Kessel ist noch nicht von
einem See eingenommen. Sein Boden ist vielmehr mit einem flüssigen,
graulichweissen Schlamme bedeckt, aus welchem an zahlreichen
Stellen Gase hervorzischen.
Ob ein solcher Zustand aber notwendig bei einem jeden Maare
noch eine Zeit lang nach seiner Entstehung andauern muss , das
scheint höchst fraglich. Es ist ebensowohl denkbar, dass in vielen
anderen Fällen die Thätigkeit der Gase mit der Bildung des Maar-
kanals sofort ihr Ende findet. Letzteres scheint mir eher bei den
Maaren in unserem vulkanischen Gebiete von Urach der Fall ge-
wesen zu sein. Überall nämlich da, wo den Vulkanen solche Gase —
also ausser dem Wasserdampf noch Salzsäure, Kohlensäure, Schwefel-
wasserstoff, schwefelige Säure — noch längere Zeit hindurch ent-
strömen, zersetzen sie das vulkanische Gestein, bleichen dasselbe
und machen es weich, bis es schliesslich in eine thonige Masse zer-
fällt. Wenn sich hierbei zu den Gasen noch Wasser gesellt, so wird
der Thon zu einem Schlamme, durch welchen sich die Gase brodelnd
Bahn brechen. Davon ist in unserem Gebiete nirgends etwas zu
sehen, derartig zersetzte Tuffe finden sich nicht; also mögen auch
starke und langdaüernde Gasausströmungen gefehlt haben. Nur
Kohlensäure findet sich noch heute im Maare von Grossengstingen.
S. 1884. S. 995.
Ich habe im Obigen die von Naumann angewendete Bezeichnungs-
weise „Maar" für die beiden Explosionskratere angewendet, deren
Entstehung er beschrieben hat. Wenn man nun aber diese, sowie
anderer Berichte über das, was von ihnen als „ Explosionskrater "
oder „Maar" bezeichnet wird, aufmerksam prüft, so ergiebt sich
meines Erachtens nach, dass hier zwei verschiedene Dinge zu unter-
scheiden sind. Manche der sogenannten Maare liegen auf dem
Gipfel oder auf den Flanken eines Vulkanberges. Sie sind also
offenbar von diesem aus erzeugt, stehen zu ihm in einem Abhängigkeits-
— 231 —
Verhältnisse : Sie wurzeln nicht in der Tiefe, in dem grossen Schmelz-
herde, sondern nur oberflächlich in dem Vulkanberge. Ihr Schmelz-
herd gehört dem Vulkane an , er ist der im Berge bezw. in dessen
Ausbruchsröhre befindliche. Indem von letzterer aus radiale Spalten
im Berge aufreissen , dringt der Schmelzfluss in diese ein und tritt
nun entweder auf den bis an die Oberfläche hin klaffenden Spalten
aus, oder er bricht sich vermittelst Explosionen durch die Bergwand
eine Ausgangsröhre und bildet somit einen im Gehänge eingesenkten
Explosionskrater. Wenn nun aus diesem weitere Ausbrüche erfolgen,
so entsteht ein sogenannter parasitischer Kegel. Unterbleibt das
aber, dann haben wir allerdings einen Explosionskrater, den viele
ein Maar nennen würden, der aber, wenn man schärfer unterscheiden
will, doch kein Maar ist, sondern nur ein parasitischer Explosionskrater.
Zum Begriffe eines wirklichen, echten Maares scheint mir die
Selbständigkeit desselben, seine Unabhängigkeit von einem Vulkan-
berge, sein Wurzeln in der Tiefe, im grossen Schmelzherde zu ge-
hören. Bildet sich durch Gasexplosionen, welcjie letzterem angehören,
eine die Erdrinde durchsetzende Ausbruchsröhre , welche oben als
Trichter oder Kessel in die Erdoberfläche eingesenkt ist, dann haben
wir in diesem Explosionskrater ein echtes Maar vor uns.
Es ergiebt sich somit, dass sich die Ausdrücke
„Explosionskrater" und „Maar" nicht völlig decken.
Jedes Maar ist ein Explosionskrater, aber nicht jeder
Explosionskrater ist ein Maar. Zum Begriffe des Maares
gehört die Unabhängigkeit vom Schmelz her de eines
Vulkanes, also sein selbständiges Entspringen aus dem
in der Tiefe liegenden allgemeinen Schmelzherde ^ Ich
meine daher , man sollte solche , auf den Flanken oder dem Gipfel
eines Vulkanberges, oder auf einem Lavastrome sich öffnenden
Explosionskratere besser nicht „Maare" nennen, sondern „parasitische
Explosionskratere", wenn sie auch echten Maaren zum Verwechseln
ähnlich sehen. Die Entstehung solcher parasitischen Explosions-
kratere ist eben sehr viel leichter zu erklären , denn der Vulkan,
zu welchem sie gehören , besitzt ja bereits eine aus der Tiefe zur
Erdoberfläche führenden Röhre. Dagegen ist bei den echten Maaren,
im engeren Sinne, die Entstehung viel schwerer zu erklären, da es
' Gleichviel ob es nun einen einzigen allgemeinen Sclimelzherd giebt, oder
eine Mehrzahl kleinerer Herde. In beiden Fällen liegen sie doch in der Tiefe
und nicht über der Erdoberfläche, bezw. doch nahe dieser, wie bei den auf einem
Vulkanberge entstehenden parasitischen Krateren.
— 232 —
sich hier um die erstmahge Entstehung dieser Röhre handelt, welche
die Erdrinde durchbohrt.
Wie dem nun auch sei, ob man diese Unterscheidung annehmen
wolle oder nicht, das auf Seite 229 gesperrt Gedruckte behält
doch auch für echte Maare seine Gültigkeit, selbst wenn man dort
stets für „Maar" den Ausdruck „parasitischer Explosionskrater"
setzen wollte, denn beide sich doch immerhin nur dem Grade nach
voneinander unterscheiden. Es bleibt somit auch die Nutzanwendung
auf das Gebiet von Urach zu Recht bestehen.
Noch ältere Entwickelungsstadien des Vulkanismus als Maare.
Ein für die richtige Erkenntnis der Maare wichtiger Umstand
ist der, dass wir ein noch früheres embryonales Stadium des Vul-
kanismus kennen , als unsere Maare. So dürfen wir wohl gewisse
Bildungen auf Java auffassen, welche von Junghuhn geschildert
werden. Derselbe beschreibt nämlich Explosionskratere, welche
unausgesetzt thätig sind, aber offenbar das Entwickelungsstadium
eines echten Maares nicht erreichen können, weil der Schmelzfluss
nicht in dem Kanäle in die Höhe steigt und so zu Asche zerschmettert
werden kann. Junghühn nennt ^ diese Bildungen „Explosionskratere",
freilich ohne ausdrücklich ihre nahe Verwandtschaft mit dem, was
man „Maare" in Deutschland oder crateres d'explosion in Frankreich
genannt hat, weiter hervorzuheben. Aber es handelt sich dort offen-
bar um ganz dieselbe Erscheinung wie hier, was auch A. von Hum-
boldt^ bestätigt.
Gegenüber den durch mehr oder weniger mächtige Kegelbildung
gekennzeichneten Vulkanen unterscheidet nämlich Junghuhn noch
„Kratere ohne Kegel, gleichsam flache Vulkane, ohne alle Rand-
erhöhung der Öffnung, aus welcher oft vehement genug und in
Menge die Dämpfe, aber nur Dämpfe und Gase strömen. Diese
Gase sind an Berggehängen oft in ganz flachen Gegenden
d er Gebirgsketten ausgebrochen, haben die Decke zer-
sprengt, die eckigen Bruchstücke umhergestreut und
sich aufDampf- und Gasexhalationen beschränkt, ohne
feste Produkte auszuwerfen und ohne einen Berg zu bilden.
Solche zum Teil sehr thätigen Krater (Explosionskrater), die, seit man
sie kennt, unaufhörlich Wasser und schwefligsaure Dämpfe mit
^ Java, deutsch von Hasskarl. 2. Ausgabe. Abteilung II. Leipzig 1857.
S. 640—641.
2 Kosmos. Bd. IV. 1858. S. 519. Aura. 96.
— 233 —
Macht exhalieren, Gesteine zersetzen und Schwefel und Alaun bilden,
sind z. B. die Krater zwischen dem Gunung-Salak und Perwakti,
des G.-Wajang, Kawah-Manuk, Kawah-Kiamis und einige im G.-Dieng
und Ajang. Man kann sie als Seitenspalten benachbarter Vulkane
betrachten, die nach Verstopfung des Hauptkanals der einzige Abzug
der Dämpfe wurden. Doch liegen einige etwa 2 bis 3 geographische
Meilen vom nächsten Krater entfernt, z. B. die Kawah-Tjiwidai, die
als echter Explosionskrater durch Sandsteinbänke der Tertiärformation
hervorgebrochen ist.
Man sieht aus dieser Schilderung, dass es sich hier keineswegs
etwa um Schlammvulkane handelt, welche Junghuhn auch gesondert
betrachtet, dass es sich auch nicht um die an Vulkanen so häufigen
Gasausströmungen aus Spalten handelt, sondern um Explosions-
kratere, also eine Art Maare. Dieselben werfen nur das zersprengte
Deckengestein und keine zerstäubte Lava aus. Auch bei den er-
loschenen Maaren der Eifel ist die Masse der vulkanischen Auswürf-
linge bisweilen nur eine geringe; ja, dieselben können sogar wohl
gänzlich fehlen, so dass nur zerschmettertes durchbrochenes Gestein
sichtbar wird. Hier Hegt offenbar ganz dasselbe Entwickelungs-
stadium vor wie auf Java; ein Stadium, welches dem des echten
Maares noch vorhergeht.
Die Abbildung des Explosionskraters Kawah-Tjiwidai, welche
Junghuhn ^ uns giebt, zeigt ein unregelmässig geformtes Becken,
dessen Rand an einer Seite durch einen dasselbe entwässernden
Bach durchsägt ist. Der Boden des Beckens wird teilweise durch
ein Haufwerk scharfkantiger Trümmer des zerschmetterten Tertiär-
sandsteines gebildet, teilweise aus später entstandenem Schlamm.
An Tausenden von Stellen bricht teils Wasserdampf aus dem Boden,
teils schweflige Säure und Schwefelwasserstoff. Von diesen Gasen
werden die Trümmer des Sandsteines angefressen und zersetzt.
Trotzdem wuchert im Innern des Beckens im äusseren Umkreise
desselben eine reiche Waldvegetation.
So können wir nach dem Gesagten drei verschiedene em-
bryonale Entwickelungsstadien des Vulkanismus unter-
scheiden :
1. Gasmaare oder leere Maarkanäle. Mit diesem Aus-
drucke will ich die hier zuletzt von Junghuhn geschilderten Bildungen
bezeichnen. Durch Explosion vulkanischer Gase wird ein röhren-
» Ebenda S. 52. Fig. 1.
- 234 —
förmiger Kanal ausgeblasen. Der Schmelzfluss bleibt aber in so
grosser Tiefe, dass es nicht zum Auswurfe vulkanischer Asche, son-
dern nur zu derjenigen zerschmetterten Durchbruchs-Gesteines kommt.
Dies ist das erste Entwickelungsstadium auf dem Wege zur Bildung
eines Vulkanberges.
Freilich sind obige von Jünghühn erwähnten Bildungen ja nur
„parasitische Explosionskratere". Aber auch in der Eifel finden
sich derartige kesseiförmige Löcher oder Kesselthäler, aus welchen
gar keine vulkanischen Massen ausgeworfen wurden. Dahin ge-
hört ein Teil der von von Decken auf S. 233 im Führer zu der
Vulkanreihe der Vordereifel genannten Kessel. Im letzteren Falle,
Auswurf geringer Mengen vulkanischen Materiales , ergiebt sich
natürlich ein Übergang zu den erfüllten Maaren.
Erfüllte Maarkanäle. In diesem weiter vorgeschrittenen
Entwickelungsstadium ist der Schmelzfluss im Kanäle schon so hoch
gestiegen, dass er zur Mitwirkung gelangt. Je nach dem Grade
dieses Hochsteigens können wir aber wiederum zwei verschieden weit-
gehende Entwickelungsstadien unterscheiden.
2. Maare mit Tufffüllung des Kanales. Hier ist der
Schmelzfluss so hoch im Kanäle aufgestiegen, dass ihn die, sich durch
denselben bahnbrechenden Gase zerschmettern und zu Asche zer-
stäuben können. Diese letztere füllt daher im Vereine mit zerschmet-
tertem, durchbrochenem Gesteine den Kanal. Immerhin aber bleibt
der Schmelzfluss noch in grosser Tiefe.
3. Maare mit Basaltfüllung des Kanales. Hier ist der
Schmelzfluss in der Ausbruchsröhre bereits bis an deren oberen Rand
bezw. nur bis an den Boden des Maarkessels oder Trichters empor-
gestiegen, so dass er nun nach dem Erhärten als festes Gestein die
Röhre erfüllt.
In diesen drei embryonalen Stadien bleiben die vulkanischen
Massen — bis auf die den Ringwall bildenden ausgeworfenen Aschen
— noch ganz im Schosse der Erde, im Maarkanal. Sowie nun aber
die ausgeworfene Asche sich zu einem Hügel oder Berge über der
Auswurfsöffnung auftürmt, oder sowie aus derselben geschmolzene
Massen als Lavastrom ausfliessen, hört dieses Maarstadium auf: der
angehende Vulkanberg ist auf der Erdoberfläche erschienen. Das
trennende Merkmal zwischen Maar und Vulkan liegt also darin, dass
beim Maar die ursprüngliche erste Durchbruchs- und Auswurfsöffnung
noch unverhüllt an der Oberfläche zu sehen ist; gleichviel, ob das
in der Ebene, auf einem Berge, oder gar auf einem Vulkan der Fall
— 235 —
ist. Vulkan dagegen ist alles, bei dem diese erste an der Erdober-
fläche gebildete Durchbruchsöffnung durch aufgeschüttete und über-
geflossene Massen zugedeckt ist.
Nun kann zwar durch spätere Denudation der aufgeschüttete,
zunächst noch kleine Aschenkegel wieder abgetragen werden. Dann
wird die Auswurfsöffnung allerdings von neuem freigelegt. Es leuchtet
aber ein, dass trotzdem ein typisches Maar nicht wieder zum Vor-
schein kommen kann, sondern nur ein bis an die Erdoberfläche hin
mit Tuff oder Basalt erfüllter rundhcher Kanal. Denn indem sich
ein Aschenkegel aufschüttete , erfüllte die Asche ' den Maarkessel
bezw. Trichter bis an den Rand hin und verwischte somit für immer
das, was wir ein typisches Maar nennen.
Solche Aschenvulkane sind beispielsweise der in der Geschichte
der Geologie so berühmt gewordene Monte nuovo am Meerbusen
von Bajae, welcher 1538 entstand und als Maar begann, denn es
entstand zuerst ein Loch im Gelände. Eine ältere derartige Bildung ist
der von Dannenberg kürzlich beschriebene Leilenkopf^ bei Brohl a. Rh.
Maarähnliche Bildungen.
1. Kessel- und tricMerförmige Gebilde. Gewisse Kesselbrüche, Eies, Steinheim,
Kraterseen, Kesselthäler der Eifel, Pans in Südafrika. Erdtrichter. Solle.
2. Röhrenförmige Kanäle, bei Schlammvulkanen und Eanus.
Kessel- oder trichterförmige Gebilde, welche mit Wasser erfüllt
sind, bezw. einst waren, ebenso senkrecht bis zu grosser Tiefe hinab-
setzende Röhren, finden sich an manchen Orten der Erde. Sie können
echten Maaren sehr ähnlich sehen, aber keineswegs immer sind sie
auch solche, also vulkanischer Herkunft.
1. Kessel- und trichterförmige Gebilde. Dahin gehören
zunächst gewisse Kesselsenkungen, wie sie uns auf der Alb,
z. B. im Hegau und dem Ries, vorhegen. Schwerlich wird man den
Kessel des ersteren für ein Maar halten wollen, denn dem Boden des-
selben sind an so verschiedenen Stellen verschiedenartige vulkani-
sche Massen entquollen. Der Kessel des Ries gilt im allgemeinen
für gleicher Entstehung wie derjenige des Hegau. Es ist jedoch
hervorzuheben, dass er von einer Randzone völhg zerrütteten Schicht-
gebirges umgeben ist, wie sie dem Hegau fehlt. Das könnte viel-
1 Bezw. der Basalt oder die Lava, falls der Schmelzfluss so hoch stieg.
2 Der Leilenkopf, ein Aschenvulkan des Laachersee-Gebietes. Jahrb. d.
k. Preuss. geolog. Landesanstalt u. Bergakademie. Für das Jahr 1891. Bd. XII.
Berlin 1893. S. 99—123.
— 236 —
leicht mit anderer Entstehungsweise zusammenhängen. Auch ist
hervorzuheben, dass kein festes Eruptivgestein, nur lose Massen im
Ries bekannt sind, so dass ihm also die Basalt- und Phonolithberge
des Hegau fehlen. Gümbel^ sagt in der That von der Bildung des
Ries: „welche wir als eine Art grossartiges Maar aufzufassen haben".
"Wenn hier nur der Erstlingsversuch der vulkanischen Kräfte vorliegt,
dann ist das Ries allerdings ein Maar (S. 229). Wenn jedoch hier,
wie GüMBEL meint ^, ein richtiger Vulkan bestand , welcher später
zusammenbrach und wieder in die Tiefe versank, dann liegt ein Ein-
sturzkrater vor, nicht aber ein Explosionskrater, ein embryonaler
Vulkan, ein Maar.
In gleicher Weise hat das weitbekannte Steinheimer Becken
auf der schwäbischen Alb eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Maare.
Tektonisch gleicht es dem Rieskessel ; es bildet einen ziemlich regel-
mässigen, kreisförmigen Kessel, dessen Sohle 3 — 400 Fuss tiefer
liegt, als das Albuch, in welches es eingesenkt ist. Der Rieskessei
ist von einer Randzone umgeben, welche aus vollständig zertrüm-
merten Schichten besteht. Ein gleiches Verhalten lässt sich bei dem
Steinheimer Becken leider nicht feststellen, da der Schichtenbau in
seiner Randzone durch Lehm verhüllt ist. Wohl aber zeigt sich um
den Rand ein wahrer Schuttwall von Breccien, gebildet aus scharf-
kantigen Weiss-Jurakalkstücken, welche durch ein tertiäres Cement
wieder verkittet sind; und dieses selbe „Gries"-Gestein findet sich auch
aus ^ am Ries. Hier wie dort ist die Zertümmerung des Kalkes sicher
auf dieselben Kräfte zurückzuführen, nämlich auf diejenigen, welche
den Kessel erzeugten. Mithin wird dasselbe von dem Steinheimer
Kessel gelten müssen. Auch durch den Bau des Klosterberges, wel-
cher sich inmitten des Beckens erhebt, wird das bestätigt, denn
dieser zeigt ganz denselben regellosen Schichtenbau, wie er dem
Ries eigentümhch ist ^. Bunt durcheinander gewürfelt liegen hier
im Tertiär Weiss- Jura ß und a. Unterer Braun-Jura, selbst Spuren
von Oberem Lias finden sich ; also tiefer liegende Schichten sind
wie dort in die Höhe gebracht, nur Granit fehlt.
Gegenüber dem 4 QMeilen grossen Rieskessel misst dieser von
Steinheim nur Vs O^^il^. Bei gleichem tektonischem Verhalten,
also offenbar gleicher Entstehungsweise , zeigt er aber keinerlei
^ Geognostische Beschreibung der Fränkischen Alb. Th. Fischer. Kassel
1891. S. 22.
2 Ebenda S. 22.
^ 0. Fr aas, Begieitworte zu Blatt Heidenheim. S. 12 pp.
— 237 —
Eruptivgesteine. Haben wir hier etwa ein Gasmaar (s. S. 233)
vor uns, das nach Art unserer Ausbruchskanäle in der Gruppe von
Urach durch Explosionen vulkanischer Gase ausgeblasen wurde? Oder
handelt es sich um ein Einsturzbecken , einen Kesselbruch? Das
erstere ist mir nicht recht wahrscheinlich, da man dann grosse
Mengen des herausgeblasenen durchbrochenen Gesteines erwarten
könnte ; denn die Weiss-Jurabreccien sind nicht emporgeschleudertes
Gestein, sondern entstanden durch Reibung an den entstandenen
zahlreichen Spaltenwänden ^
In den bisher besprochenen Fällen kommt es wesentlich auf
die Begrenzung des Begriffes „Maar" an, ob man die betreffenden
Bildungen als solche oder nur als maarähnliche bezeichnen darf.
Ähnhch liegt die Sache bei manchen
Kraterseen. Da ein Maar ebenfalls eine, wenn auch ganz
bestimmte Art von Krater ist, so dürfte die Entscheidung oft schwer
fallen. Die vulkanischen Seen Mittelitahens sind bald als Maarsee,
bald als Kratersee gedeutet worden. Dass ein Maar sich auch auf
der Flanke eines Vulkanes, ja selbst im Krater desselben bilden
kann, erschwert die Deutung. Das war neuerdings im Krater des
Shirane und des Bandai in Japan der Fall, wie Ed. Naumann^ be-
richtet. Ein Maar ist eben der erste Versuch eines Vulkanes, sein
Erstlingskrater. Da ein Maar aber zugleich auch ein Explosions-
krater ist, so nennt man wohl auch jedes auf einem bereits bestehenden
Vulkane durch Explosion neu gebildete derartige Loch ein Maar.
Ich habe jedoch S. 231 auseinandergesetzt, dass, wenn man schärfer
unterscheiden will, in solchen Fällen nur von einem parasitischen
Explosionskrater, nicht aber von einem Maare im engeren Sinne ge-
redet werden darf.
Handelte es sich bisher um die Begrenzung des Begriffes
„Maar", so giebt es andere Fälle, in welchen es zweifelhaft ist,
ob der maarähnhche Kessel überhaupt eruptiv entstanden ist oder
nicht. Zu diesen maarähnlichen Bildungen gehören auch die
Kesselthäler der Eifel. von Decken^ äussert sich über die-
selben in der folgenden Weise*:
1 Gümbel, Geognostisclie Beschreibung der Fräukischen Alb. Kassel
1891. S. 200.
2 Petermaun's Mitteilungen. Gotha 1893. Ergänzungsheft No. 108. S. 1—15.
^ Geognostischer Führer zur Vulkanreihe der Vordereifel. Bonn 1861.
S. 233 sub 18 u. 19.
* Vergl. auch V o g e 1 s a n g , Die Vulkane der Eifel. Haarlem 1864. S. 54 pp.
— 238 —
„Ausser den Maaren kommen kesseiförmige Thäler vor, die
einige Ähnlichkeit mit ihrer Form besitzen , in ihrer Umgebung
aber gar keine vulkanischen Produkte , keine Tuffschichten wahr-
nehmen lassen. Mehrere solche Thäler zeigen sich in der Gegend
von Gillenfeld , Udeler und Saxler, also gerade in der Gegend, wo
die eigentlichen Maare am häufigsten ausgebildet sind. Sehr aus-
gezeichnet ist das Kesselthal in der Eigelbach bei Kopp , durch
kreisrunde Form und engen Ausgang. Auch das Kesselthal S. von
Bewingen , das grössere Kesselthal , worin der kleinere Krater der
Papenkaule liegt, sind hierher zu rechnen. Alle diese Kesselthäler
haben einen Abfluss, stellen sich also als die Erweiterung eines
Thalanfanges dar. Wenn bei einigen wirklichen Maaren nur sehr
geringe Massen vulkanischer Auswürfe vorhanden sind, so wird es
wahrscheinlich, dass manche dieser Kesselthäler eine ganz ähnliche
Entstehung besitzen und als ausgeblasen zu betrachten sind, bei
denen gar keine vulkanischen Produkte ausgeworfen wurden, oder
bei denen die geringe Menge dieser Auswürfe späterhin zerstört und
fortgeschafft worden ist.
Andere kesseiförmige Thäler finden sich mit grossen vulka-
nischen Massen in Verbindung, welche weder als deutliche Kratere,
noch als deutliche Maare betrachtet werden können, aber zu deren
Bildung doch die vulkanischen Ausbrüche wesentlich beigetragen
haben. Hier sind aufzuführen:
Das Thal der Müllischwiese zwischen der Falkenlei und der
Facherhöhe bei Bertrich ^ , das Thal , welches der Wartesberg , die
Langekopp und der Kirberich bei Strohn einschliesst, das Kesselthal,
worin Undersdorf liegt, die Thalerweiterung von Neukirchen, Stein-
born, Waldkönigen und Gens ; das Kesselthal unterhalb Hohenfels,
oberhalb, 0. von Pelm, oberhalb Berlingen, welches letztere mit den
beiden weiten Wiesenthälern von Kirchweiler und mit den beiden
ähnlichen Thälern von Hinterweiler nahe zusammenhängt, das Kessel-
thal oberhalb, SW. von Dockweiler, N. vom Errensberge, NO. vom
Scharteberg, oberhalb Essingen und zu Brück, die grosse Thalrunde
worin Rockeskyll liegt, das Kesselthal, welches sich nach Lammers-
dorf hin öffnet, die Thalerweiterung zwischen Steffeln und Auel."
Ich habe absichtlich diese lange Aufzählung wiedergegeben,
um zu zeigen, wie zahlreich diese maarähnlichen Kesselthäler in der
^ Steinin ger, Geognostische Beschreibung der Eifel S. 43, sagt, dass
diese grosse Vertiefung wohl als eine vulkanische Einsenkung des Bodens be-
trachtet werden möchte.
- 239 —
Eifel sind und wie schwer es ist, festzustellen, ob hier Maare vor-
liegen oder nicht. Bei einigen scheint ersteres der Fall zu sein;
die anderen aber mögen durch Einbruch entstanden sein.
Auch gewisse kleine Kessel in derAuvergne sehen maar-
ähnlich aus, ohne es jedoch zu sein. Es sind Löcher von kreis-
rundem umrisse und mit Wasser gefüllt, welche sich bei la Chaux-
du-Broc auf dem Plateau-de-Grenier finden. Lecoq glaubt, sie seien
entstanden bei der Erkaltung des Basaltes ; in ähnlicher Weise, wie
sich bei der Erstarrung geschmolzenen Wachses oder von Butter
in einem Glase in der Mitte der Oberfläche eine Vertiefung bildet,
in welcher die Masse länger geschmolzen bleibt, als an dem schneller
erstarrenden Bandet
Gewisse andere Kesselbildungen mit senkrechten Wänden
scheinen durch Einsturz unterirdischer Hohlräume erzeugt zu sein.
Dahin gehören z. B. die 30—60 m tiefen , senkrecht abstürzenden
Löcher, welche den Kilaueakrater auf Hawai umgürten, de Lapparent
meint, dieselben seien entstanden durch den Zusammenbruch von
Hohlräumen, welche sich in den Lavaströmen bildeten, aus denen
der Berg aufgebaut ist^. Es scheint sogar, dass auch der grosse
Krater Kilauea selbst, welcher in horizontale Lavaschichten ein-
gesenkt ist, auf solche Weise durch Einsturz entstanden wäre.
Gleiches gilt, nach de Lapparent, auch vom Hauptkrater des Mauno
Loa^. Wir sehen also, dass durch Einsturz von Hohlräumen in
Lavaströmen maarähnliche Kessel entstehen können, welche gar
nichts mit Explosionskrateren gemein haben.
Über die sogen. „Paus", welche, mehrere Meter tief, zahlreich
in die Hochebene der Karoo eingesenkt sind, herrscht hinsichtlich
ihrer Entstehungsart ebenfalls noch Dunkel. Chaper bestreitet, dass
sie gleicher Entstehung seien wie die 17 Diamant führenden Diatre-
mata (s. später).
^ Rozet, Memoires soc. geol. France. Paris 1844. S. 121.
^ Solche Höhlungen kommen in der That nicht selten vor. Sie entstehen
wohl am ehesten am oheren , dem Krater genäherten Ende bezw. Anfang der
Lavaströme. Die ausfliessende Masse überzieht sich mit einer Kruste ; unter
dieser fliesst der Schmelzfluss bergab. So kann es kommen, dass das zuletzt
Emporgequollene hinabfliesst, ohne dass oben neuer Nachschub sich einstellt.
Dann muss hier natürlich unter der Kruste ein Hohlraum entstehen. Auf Island
(Grotte von Surtschellir) , am Ätna , am Mauno Loa kennt man derartige Lava-
höhlen seit Langem. (Vergl. Pf äff, Die vulkanischen Erscheinungen. München
1871. S. 130 u. 131.)
^ Traite de geologie. Paris 1893. 3eme edit. S. 436.
— 240 —
Zahlreich sind die den Maaren ähnhchen Erdtrichter oder
Er d fälle, die sich in Gegenden finden, in welchen Gyps- oder
Steinsalzmassen in der Tiefe aufgelöst und fortgeführt wurden. Auch
auf Kalkgebirgen finden sich solche häufig ; so auf der Alb und dem
Karst. Hier wird der Kalk aufgelöst uud sie können im Karstgebirge
so häufig werden, dass die ganze Fläche wie mit ihnen übersäet ist.
„Blattersteppig" haben die österreichischen Geologen solche Flächen
genannt. Zugleich aber haben sie auch bewiesen, dass dann oft
nicht, wie dort, die Ursache in dem Zusammensturze von unter-
irdischen Höhlen liegt, Avelche durch Auflösung des Kalkes ge-
schaffen wären. Sie stellen vielmehr nur einen Sonderfall der
Karren- oder Schrattenbildung dar; sind also nur die Mündungen
von Kanälen, welche sich das Wasser durch die Kalkschichten hin-
durchgefressen hat.
Ähnlich verhalten sich auch die eigentümlichen , Solle ge-
nannten und häufig mit Wasser erfüllten Trichter , welche in das
norddeutsche Diluvialgelände eingesenkt sind. Es ist wohl wahr-
scheinlich , dass wir in ihnen echte Erdfälle zu sehen haben ; dass
sie also entstanden sind durch Zusammenbrechen von unterirdischen,
durch die auflösende Thätigkeit des Wassers hervorgerufenen Hohl-
räumen. Finden sich ja doch in Bergwerksgegenden ganz ähnlich
aussehende Trichter, Pingen, welche sich über den abgebauten,
in der Tiefe allmählich zusammenstürzenden Strecken bilden. Es
ist freilich, wenn ich mich recht entsinne, auch ausgesprochen
worden, dass diese Solle der strudelnden Thätigkeit der Gletscher-
wasser, gleich den Gletschertöpfen, ihre Entstehung verdanken sollen.
Erstere Deutung ist indessen wohl die wahrscheinlichere.
Das Sanfte, Weiche, Gerundete des Umfanges und der Böschung,
welches viele Erdfälle, namentlich im Diluvialgelände, besitzen, wird
zum Teil durch die Arbeit der Tagewasser allmählich während oder
nach ihrer Bildung entstanden sein. Denn an sich muss der Zu-
sammenbruch unterirdischer Hohlräume nicht immer kreisrunde,
sondern auch unregelmässig umrissene Erdfälle schaffen.
2. Röhrenförmige Kanäle. Die genannten Kessel und
Trichter besitzen in der Regel keine allzugrosse Tiefe, sind unten
auch oft geschlossen, setzen dann also nicht in Gestalt eines röhren-
förmigen Kanales weiter fort. Es giebt aber unseren Maarkanälen
der Gruppe von Urach ähnliche Bildungen , welche doch nicht vul-
kanischer Entstehung sind.
Derartige Kanäle mit senkrechten Wänden können durch
— 241 -
Schlammvulkane hervorgerufen werden ; also durch Explosionen
von KohlenwasserstofFgasen, Vielehe sich durch Zersetzung organischer
Massen in der Tiefe, bezvv. aus Petroleum entwickeln. Wir werden
später sehen, dass Chaper sich die 17 Diatremata Südafrikas auf solche
Weise entstanden denkt, deren senkrechte Kanäle bereits bis zu 150 m
Tiefe hinab verfolgt worden sind und vielleicht 300 m Tiefe besitzen.
Eine andere Art derartiger tiefer, senkrechter Kanäle, Ranus
genannt, hat uns Jünghühn ^ von Java kennen gelehrt, wo sie im Um-
kreise eines Vulkanes, des Gunung Lamongan, auftreten. Eine Menge
kleiner Seen, in ungleichen Abständen voneinander, aber in einer
Reihe aufeinanderfolgend, umzingelt in weitem Kreise den Kegel-
berg gleich einer Perlenschnur da, wo sein Fuss bereits in die Ebene
übergegangen ist. Diese Ranus, wie die Javaner sie nennen, sind
scharfbegrenzte Löcher von meist rundhchem Umfange und einem
Durchmesser von 300—1000 Fuss. Aus ihrer flachen Umgebung
senken sie sich plötzlich mit mauerartig steilen Wänden in die Tiefe
hinab, welche bis zu 420 Fuss gemessen wurde. In ihrem Grunde
steht Wasser. Also keine Trichter- sondern Kesselbildung.
Da der Rand dieser Seebecken flach ist oder doch nur zufällige
Erhöhungen zeigt und da sich weder von vulkanischer Thätigkeit
noch von Dämpfen eine Spur zeigt, so ist es nach Jünghühn nicht
wahrscheinlich, dass in ihnen Explosionskratere, Maare, vorliegen.
Sie scheinen vielmehr durch Senkung des unterhöhlten vulkanischen,
aus Trümmern bestehenden Bodens entstanden zu sein, vielleicht
infolge von Erdbeben. Von dem einen dieser Seen, dem Ranu Pakis,
wird von den Eingeborenen erzählt, dass (damals) vor 50—100 Jahren
an seiner Stelle noch ebenes Land sich befand. Plötzlich sank der
Grund ein und die Vertiefung füllte sich mit Wasser. Anfänglich
betrug die Tiefe des Kessels nur 5 Fuss, dann nahm sie allmäh-
lich, zugleich sich verbreiternd, zu, bis der jetzige Kessel von
450 Fuss Tiefe sich herausgebildet hatte.
Nun können die zuerst geltend gemachten Gründe nicht durch-
aus gegen die Deutung dieser Bildungen als Maare sprechen: Das
Fehlen einer Trichterbildung, also das senkrechte Hinabsetzen der
Wände der rundhchen Röhre zeigen sich auch an Explosionskrateren ;
so bei denen, deren kürzliche Entstehung durch Explosion von Gasen
uns Ed. Naumann aus Japan schildert ^ (S. 228); so auch bei denen
der Gruppe von Urach.
^ Java. II. S. 757.
^ Petermami's Mitteilungen. Gotha 1893. Ergänzungsheft No. 108. S. 1—15.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wiirtt. 1895. 16
— 242 —
Ebensowenig ist das Fehlen eines Walles rings um die Mündung
der Kanäle ein Merkmal, welches durchaus gegen die Maarnatur
sprechen müsste. Kein einziges der Maare bei Urach besitzt mehr
einen solchen Ringwall. Manche andere unbezweifelte Maare ver-
halten sich ebenso. Noch weniger endlich ist die Abwesenheit auf-
steigender Dämpfe ein solches ausschlaggebendes Kennzeichen.
Aber wenn wirklich an einem dieser Kanäle die allmähliche
Entstehung desselben durch Senkung sich so zugetragen hätte, wie
von den Eingeborenen berichtet wird, dann lägen hier in der That
keine Explosionskratere vor, sondern eigenartige Erdfälle. Allein
die Sache scheint doch sehr anders zu sein:
Herr Knüttel in Stuttgart, welchem wir jetzt die Fortführung
der von C. W. C. Fuchs seiner zeit begonnenen Jahresberichte über
die vulkanischen Erscheinungen der Erde zu verdanken haben \ hatte
die Liebenswürdigkeit, mir aus dem erst jetzt erscheinenden Jahres-
berichte für 1893 die folgenden weiteren Mitteilungen über diese
und andere Ranus zukommen zu lassen. Dieselben sind entnommen
der unten aufgeführten Arbeit von Fennema^ und lauten, wie folgt:
„Ausführlich werden von Fennema die bei dem Lamongan vor-
kommenden Ranus besprochen. Von Junghühn's Erklärung der Ent-
stehung dieser kleinen Seen ^ weicht Fennema gänzlich ab. Er nennt
dieselbe verwirrt und undeutlich (S. 75) und sagt nun weiter: Es
sind Eruptionspunkte gewesen , die rings um ihr Centrum kleine
Kegel aufgeworfen haben, welche aus denselben Produkten bestehen,
wie der Lamongan selber. In dem kleinen Strom, der von dem
kleinen See Klakah abfliesst, sieht man aufeinanderfolgende Schichten
von feinem Tuffe und gröberen Lapilli, die unter einem kleinen Winkel
vom See abfallen. Steigt man die steilen Innenböschungen von
Ranu Pakis, Bedali, Agung und Lading hinab, dann sieht man die-
selben Produkte, auch Lavabänke . welche die abgebrochenen Köpfe
nach dem See kehren.
Es sind kleine parasitische Vulkane ; ihr Herd war gebildet
durch in Spalten eingedrungene Apophysen der Lava des Haupt-
1 Tschermak's Min. u. petrogr. Mitth. 13. 1893. S. 265—89.
2 De Vulkanen Semeroe en Lemongan door den Mijningenieiu' R. Fen-
nema. Bijlagen: 3 Bladeu met 12 Kaarten en 8 Profieleu en eene Teekeniug
in kleurendruk. Zu finden in „Jaarboek van het Mijnwezen in Nederlandsch
Oost-Indie. Uitgegeven op last van zijne excellentie den Minister van Kolonien.
Vijftiende Jaargaug 1886. Wetenschappelijk Gedeelte. Amsterdam Job. G. Stemler
Czn. S. 5 und ferner.
^ Junghuhn, Java. IL S. 757 u. f.
— 243 —
Vulkans. Sie sind gewöhnlich nicht sehr lange thätig gewesen, die
Lava sank bald zurück, was den Einsturz von der Spitze zur Folge
hatte. Nur ein Ringwall blieb übrig, der einen Kessel mit steilen
Wänden umschliesst, von denen einige mit Wasser gefüllt sind. —
Die Aussenneigung dieser kleinen Ringwälle ist oft beinahe ganz
unter jüngeren Eruptionsprodukten des Hauptvulkans versteckt, vor-
zugsweise an der Seite, die gegen diesen zugekehrt ist."
„ Was die Höhe anbelangt, auf der die Ranus vor-
kommen , so liegt bei dem Lamongan die grössere Zahl zwischen
200 und 300 m über Meer, während man auf dem Abhang des Ta-
rub ^ die Mehrzahl auf Höhen zwischen 400 und 600 m findet. "
„ Unter allen bekannten Vulkanen des Indischen
Archipels ist der Lamongan der einzige, welcher eine so grosse Zahl
kleiner parasitischer Kegel aufweist. Bei einzelnen anderen kommen
sie, aber in kleinerer Zahl, auch vor.
Ganz in der Nachbarschaft findet man an dem W.-Abhange
des Hjanggebirges noch einige Ranus von ganz demselben Charakter.
Ob der Ranu Klidungan, der bekannte „kleine See von Grati" am
nördlichen Fusse des Tengger auch zu den parasitischen Eruptions-
punkten gerechnet werden muss, ist weniger sicher. Derselbe ist
ein wirklicher Eruptionspunkt; vorzugsweise, wenn man denselben
von einem höher gelegenen Punkt der Tenggerneigung übersieht, er-
kennt man den sehr wenig geneigten, kleinen, abgestumpften Kegel
mit den viel steiler geneigten Innenwänden nach dem kleinen See
gekehrt. Der Durchmesser des kleinen Sees ist 1750 m. Er liegt
aber ganz in der Strandfläche nördlich des Tenggerfusses und der
Abstand bis zum Centrum des Tengger beträgt nicht weniger als 25 km.
Das bekannte „Blaue Wasser" (Banju biru), ein wenig weiter
SW. gelegen, ist kein Eruptionspunkt. Es ist dieses eine Quelle,
■welche prachtvolles Wasser liefert, das am Ende eines alten Lava-
stromes zum Vorschein kommt und in einem, teilweise durch Menschen-
hand gebildeten Reservoir gesammelt wird. Die kleinen Seen an
dem W.-Abfalle des Gunung Wilis sind nicht näher bekannt.
An dem SO. -Gehänge des Lawu, unterhalb Tjemorosewu, ober-
halb Magetan, liegt ein kleiner See mit Ringwall, welcher für einen
parasitischen Eruptionspunkt gehalten werden muss."
Aus dem Gesagten erhellt wohl zur Genüge, dass diese Ranus
nicht durch Senkung entstanden sind, dass wir auch keine Maare
^ Der Tarub ist der ältere Teil dieses Vulkanes, der Lamongan der jüngere
Eruptionskegel.
16*
— 244 —
in ihnen zu sehen haben , sondern lediglich parasitische Kratere
von Vulkanen.
Esergiebt sich mithin, dass, wie es scheint, tiefe^
senkrecht hinabsetzende Röhren rundlichen Quer-
schnittes auf zweierlei verschiedene Arten entstehen
können: Durch pseudovulkanische Gas- und Schlamm-
ausbrüche, wie das z. B. nach Chaper in Südafrika der
Fall sein soll; sodann durch vulkanische Gasexplosio-
nen, wiez. B. in Japan und in unserer Gruppe von Urach.
Dagegen scheinen durch Senkungen nicht solche senk-
rechten Röhren entstehen zu können.
Vergleichung der vulkanischen Verhältnisse des Gebietes
von Urach mit demjenigen anderer Länder.
Gangförmige Lagerung von Tuffen an anderen Orten der Erde.
Tuifgänge in der Ehön, Lenk, Gdtberlet. In Baden, Steinmann und Graefe,
Sauer. Eifel. Auvergne. Italiens Peperin. Der graue campanische Tuff.
Deecke's und Scacchi's Ansichten üher seine Entstehung. Centralfrankreich ;
Analogie mit der Gruppe von Urach.
Die Karoo des südlichen Afrikas. Gleiche tektonische Verhältnisse wie hei der
schwäbischen Alh : Wagerechte Lagerung, Tafelberge, Spitzkopjes. Auch gleiche
röhrenförmige Ausbruchskanäle rundlichen Querschnittes wie in der Alb. Zweier-
lei verschiedenartige Bildungen : seichte Paus und die 17 tiefen Diatreraata.
Senkrechte Wandung, geringfügige Erweiterung an der Mündung bei letzteren,
Erfüllung mit einer uugeschichteten Tuffbreccie, ganz wie in der schwäbischen
Alb. Die Tuffbreccie ist 150 m tief hinab verfolgt. Durchmesser der Dia-
tremata. Entstehungsweise derselben nach Cohen, Dauerte, Chaper, Modlle.
Gründe für und gegen vulkanische Entstehungsweise. Vergleichung mit unseren
Bildungen in der Gruppe von Urach.
Die Tufigänge rundlichen Querschnittes (Necks) im Carbon Centralschottland,
nach Geikie. Vollständige Übereinstimmung derselben mit den Tuff'maargängen
der Gruppe von Urach. Eückschluss, dass auch erstere einst mit Maaren in
Beziehung gestanden haben mögen.
Wir haben im zweiten Teile dieser Arbeit die z. T. überaus
bemerkenswerten Eigenschaften des vulkanischen Gebietes von Urach
kennen gelernt und uns in den ersten Abschnitten des dritten Teiles
mit den Lagerungsverhältnissen vulkanischer Tuffe und den Maaren
im allgemeinen an anderen Orten der Erde beschäftigt. Es wird
daher nun unsere Aufgabe sein zu prüfen, ob überhaupt und wo
auf Erden gleiche Bildungen bisher bekannt geworden sind.
So gut wie überall findet man in vulkanischen Gebieten die
Aschenmassen ausgeworfen, also auf die jetzige oder frühere Erd-
— 245 —
Oberfläche, bezw. auf den Boden von Wasserbecken aufgelagert. Alle
diese sich regelrecht verhaltenden Gebiete sind daher von vornherein
vom Vergleiche ausgeschlossen, da bei Urach die vulkanischen Bil-
dungen ausnahmslos embryonale geblieben sind und die Tuffe aus-
nahmslos in gangförmiger Lagerung erscheinen ; also nicht oben auf
die Erdoberfläche aufgelagert sind, sondern dieselbe in durchgreifender
Lagerung durchsetzen.
Ebenso ist vom Vergleiche abzusehen gegenüber denjenigen
selteneren Verhältnissen, in welchen basaltische Reibungskonglomerate
bezw. Reibungsbreccien in Spalten liegen, oder in welchen Tuffe
von oben herab in solche Spalten gelangten. Denn bei Urach handelt
es sich um basaltische Tuffe, nicht aber um basaltische Reibungs-
breccien und um schornsteinartige Röhren rundlichen Querschnittes,
nicht aber um langgestreckte Spalten.
Es können daher beim Vergleiche überhaupt nur in Frage
kommen die seltenen Gebiete, in welchen entweder ebenfalls embryo-
nale Vulkanbildungen erhalten blieben, oder in welchen Tuffe in
Röhren gelagert erscheinen, und zwar entweder nur allein in solchen
oder im Vereine mit regelrecht oben aufgelagerten Tuffen.
Auch innerhalb dieses bereits aufs äusserste beschränkten
Kreises vulkanischer Gebiete fallen die wenigen Maargebiete, welche
wir überhaupt kennen , fast ganz fort. Zwar hege ich , auf Grund
der in unserer Gruppe von Urach gemachten Erfahrungen, die feste
Überzeugung, dass bei allen Maaren der Erde ganz dieselbe gang-
förmige Lagerung von Tuffbreccien stattfinden wird wie bei Urach.
Allein soviel ich ersehen konnte, kennt man in diesen Gebieten
nirgends einen Aufschluss, in welchem ein Maar und zugleich seine in
die Tiefe hinabführende Ausbruchsröhre senkrecht angeschnitten sind.
Umgekehrt kennen wir nun ebenso vereinzelte Vorkommen,
bei welchen zwar in Röhren gelagerte Tuffbreccien, aber nicht mehr
die etwa dazu gehörigen Maare vorhanden und angeschnitten sind.
Buchstäblich genommen ist daher, soweit meine
Kenntnisse reichen, unser Gebiet von Urach überhaupt
unvergleichlich, es findet nicht völlig seinesgleichen.
Aber es bildet den Schlüssel, das Bindeglied, welches
die vereinzelten letzterwähnten in Röhren gelagerten
Tuffe mit den vereinzelten Maargebieten in Verbindung
bringt.
Ich habe bereits angedeutet, dass die Frage, ob und wo auf
Erden ebenfalls gangförmig gelagerte Tuffe bekannt sind, enger oder
— 246 —
weiter gefasst werden kann. Bei der weiteren Frage würde es sich
darum handeln, ob und wo vulkanische Tuffe in den so gewöhnlichen
Spalten liegen, welche nichts sind als Bruchlinien der Erdrinde;
bei der engeren darum, ob und wo Tuffe in solchen röhrenförmigen
Kanälen rundlichen Querschnittes auftreten, wie wir sie in der Gruppe
von Urach finden, wie sie vermutlich allen Maaren eigentümlich
sind; und wie sie entstehen dadurch, dass explodierende Gase sich
derartige Köhren senkrecht durch die Erdrinde hindurchblasen.
Nur der letztere Fall giebt uns , wenn wir ihn an anderen
Orten der Erde wiederfinden, wirkliche Analogien mit unserem Ge-
biete. Keineswegs aber thut das auch der erstere, wenngleich auch
hier der Tuff gangförmig gelagert ist. Schon deshalb nicht, weil
in solche gewöhnliche Spalten der Tuff von oben her hineingespült
worden sein könnte, falls in der Nachbarschaft grössere Massen
vulkanischer Tuffe eine Decke bilden , wie das ja oft vorkommt.
Zweitens aber nicht, weil es sich bei einer Spalte, also einer Bruch-
linie der Erdrinde, gar nicht um die Selbstbefreiung des Schmelz-
flusses handelt, während eine solche bei unseren Kanälen der Gruppe
von Urach doch vorliegt^.
Offenbar sind Fälle erster wie zweiter Art überhaupt nur selten
bekannt. Leider aber fehlen zudem noch, bis auf das Gebiet von
Südafrika, in der Litteratur die Angaben, ob es sich im gegebenen Falle
um Spalten oder um solche Röhren handelt; denn bisher lag kein
Grund vor, derartige Unterschiede zu beachten.
Wo überhaupt von vulkanischen Tuffen in gang-
förmiger Lagerung die Rede ist, da dürfte es sich wohl
m eist um Spaltenausfüllung handeln; es liegt in solchem
Falle keine genauere Analogie mit unseren Verhält-
nissen in der Gruppe von Urach vor. Ganz besonders
gilt das, wenn die Füllmasse der Spalten auch noch
aus Reibungsbreccien von Basalt besteht.
Wir wollen nun die verschiedenen Fälle, in welchen eine gang-
förmige Lagerung der Tuffe auf Erden bekannt ist, oder in welchen
wenigstens der Verdacht vorliegen könnte, dass dem so sei, der
Reihe nach betrachten. Selbstverständlich kann es mir nicht in den
Sinn kommen, mit dieser Aufzählung eine völlig erschöpfende Zu-
sammenstellung dieser Fälle geben zu wollen. Zudem wie überhaupt
Tuffe sich einer geringeren Wertschätzung erfreuen wie feste Eruptiv-
1 s. den Abf-'chnitt S. 131 ff.
— 247 —
gesteine, so sind auch die Angaben über gangförmige Lagerung der-
selben recht selten. Vermutlich jedoch nicht allein aus obigem Grunde,
sondern auch weil solche Lagerung bei Tuffen eben bisher nur sehr
selten bekannt ist.
Deutschland. Dass sich gangförmige Lagerung der Tuffe
keineswegs mit den hier beschriebenen Erscheinungen zu decken
braucht, zeigt auf das schlagendste das Verhalten der Tuffe in der
Umgebung des Ries auf der Alb. Gümbel ^ sagt darüber: „Ganz
gleiche vulkanische Tuffabsätze sind aber nicht allein im Rieskessel
und an dessen Rand aufgehäuft, sondern sind auch an geradezu
zahllosen Stellen auf Entfernungen von mehr als 10 km vom Kessel-
rande ringsum über die benachbarten Gebirgsteile ausgestreut. Sie
lagern hier in Spalten . . ." „Dass sie aus Niederschlägen ent-
standen sind, welche in Form von vulkanischer Asche und Bomben
bei dem Ausbruche eines benachbarten Vulkans zur Erde niederfielen,
darüber kann kein Zweifel herrschen." Dieser benachbarte Vulkan
ist aber der Rieskessel. Die Tuffe sind also dort von oben her in
die Spalten gelangt, nicht aber, wie in der Gruppe von Urach, von
unten her, indem sie in den Spalten ausbrachen.
Obgleich also hier wie dort gleiche Lagerung
herrscht, so handelt es sich doch in beiden Fällen um
grundverschiedene Dinge. Dort Spalten, hier Aus-
bruchskanäle; dort Füllung von oberi her, hier Füllung
von unten her; dort Vulkanismus an anderer Stelle,
hier Vulkanismus an Ort und Stelle.
W^eiter kommt gangförmige Lagerung der Tuffe in der Rhön
vor. Ich vermag jedoch nicht zu entscheiden, ob das nicht vielmehr
Reibungsbreccien von Basalt als unseren Tuffbreccien gleiche Massen
sind ; und ob es sich lediglich um Spaltenausfüllungen oder um solche
von Explosionskanälen handelt.
Aus der südlichen Rhön wird in einer neueren Arbeit von
Lenk ^ keines Vorkommens der Tuffe in Gangform Erwähnung gethan.
Bezüglich der vulkanischen Breccien vom Silberhof, sowie derjenigen
östlich von den Schildeckhöfen, welche, obwohl auf Röt lagernd, doch
massenhaft Bruchstücke von Wellenkalk führen, kommt er zu dem
Ergebnis, dass letztere vom Grossen Auersberg bezw. von der Gross-
^ Geognostische Beschreibung der Fränkischen Alb. Th. Fischer. Kassel
1891. S. 22.
^ Zur geologischen Kenntnis der südlichen Rhön. Liaug.-Dissert. Würz-
burg 1887. S. 94 pp.
— 248 —
Schildeckkuppe aus mit dem Tuff dorthin geschleudert worden seien.
Sie sind also auf- und nicht durchgreifend gelagert.
Dagegen sind in der Gegend zwischen Obernüst und Macken-
zell schon 1856 gangförmige Tuffe von Gütberlet ^ beschrieben
worden. Dieser berichtet, dass dort ein Phonolithtuft', eine halbe
Stunde östlich von Morles, „eine 60 — 65 Fuss mächtige Durchsetzung",
d. h. einen Gang bildet. Auch „westlich von dieser Ortlichkeit ist
eine Durchsetzung von 60 Fuss Mächtigkeit". Sie ist, wie die vor-
hergehende, erfüllt mit Trümmern von Basalt, Trachyttuff und
Muschelkalk, obgleich beide Salbänder aus oberstem Buntsandstein
bestehen und der Muschelkalk erst in grösserer, nördlicher Ent-
fernung auf dem Buntsandstein erscheint. Westlich vom Rauschen-
berg bei Fulda liegen gleichfalls Trümmer von Muschelkalk in basal-
tischen Gängen, welche das Röt durchsetzen, während der erstere
auf geraume Entfernung hin verschwunden ist. Diese Verhältnisse
beweisen, sagt Gütberlet, „dass der Kalkstein in einer früheren
Periode das ganze Gebiet mindestens in einer Höhe von 60 Fuss
bedeckte und Fragmente desselben auf ähnliche Weise wie bei Morles
in die von dem aufsteigenden Basalte geöffneten Risse bis tief in
das Röt und den Sandstein hinabfielen. Auch in anderen Gegenden
der Provinz Fulda, auf der Rhön und in Niederhessen, kommen der-
artige Beziehungen vor. Der so entstehende Gangkörper nahm
wesentlich verschiedene Eigenschaften an, je nachdem sich die Kalk-
stücke flüssigem Basalt einkneteten oder mit erkalteten Reibungs-
massen in Yermengung traten. In beiden Fällen gestaltete das
Wasser später das Material an Ort und Stelle um , und es findet
auf diese Weise gar manche Tuffbildung ihre Erklärung."
Leider ist hier nicht angegeben, ob Spalten oder ob röhren-
förmige Kanäle vorliegen. Ich habe indessen den von Gütberlet
gebrauchten Ausdruck „Risse" oben durch Druck hervorgehoben.
Aus demselben wird es wahrscheinlich, dass es sich nicht um Röhren,
sondern um Spalten handelt. Auch scheint die Füllmasse mehr eine
Reibungsbreccie des Basalt als ein Tuff zu sein. Die Analogie dieser
Verhältnisse mit den in unserem Gebiete obwaltenden beschränkt sich
daher zunächst nur auf die gangförmige Lagerung. Diese ist auch bereits
1853 von Gütberlet erkannt worden, bei Gelegenheit einer Exkursion,
welche die geologische Sektion der Versammlung der Naturforscher in
Tübingen in die Gegend von Reutlingen unternahm. Gütberlet sagt in
1 Neues Jahrb. f. Miu., Geol. u. Pal. 1856. S. 24—27.
— 249 —
Bezug auf die hier auftretenden vulkanischen Tuffe : „ ... so wollte man
doch mehrseitig dieses Gebilde für eine Anschwemmung erkennen,
und zwar, weil in demselben Blöcke des Oberen Weissen Juras vor-
kommen, welcher jetzt nicht mehr in der nächsten Umgebung lagert.
Bei dieser Auffassung der Sache Hess man nun gänzlich ausser acht,
dass die erwähnten Blöcke und andere fest eingekitteten Bruch-
stücke in keiner Weise das Gepräge von Gerollen oder des Wasser-
schliffs trugen, vielmehr alle Charaktere von an Ort und Stelle ent-
standenen Bruchstücken besassen. " Die einzig mögliche Erklärung
ist nach Gutberlet die, dass die Weiss- Juraschichten zur Zeit der
Ausbrüche hier noch angestanden haben (1. c. S. 26).
In Oberbaden finden sich, ausserhalb des vulkanischen Kaiser-
stuhlgebirges, aber doch mit demselben in Verbindung stehend, einige
Gänge, welche man ir.jglicherweise ebenfalls für gleichartig mit den
unseren ansehen könnte. Sie liegen bei Maleck nahe Emmendingen,
bei der Berghausener Kapelle auf der S.-Seite des Schönberges und
am Lehenerbergle bei Freiburg. Gleich unseren Tuffgängen führen
sie eine grosse Menge durchbrochener Jurakalke.
Steinmänn und Graeff ^ beschreiben dieselben als Beibungs-
breccien von Nephelinbasalt. Graeff - bespricht diese Gänge aus-
führlicher in der unten aufgeführten Abhandlung, sagt dabei aber
deutlich, dass es Beibungsbreccien seien, „bei welchen der Kitt aus
einem kompakten Eruptivgestein (anscheinend meist Nephehnbasalt)
besteht und in welchem eckige bis rundUche Brocken fremder Ge-
steine eingeschlossen sind. Bei der Eruption des als Bindemittel
fungierenden Magmas wurden losgerissene Brocken der durchbro-
chenen Gesteinsarten mit in die Höhe gebracht und nach dem Er-
kalten des Magmas eingeschlossen." Einer freundlichen Mitteilung
des Herrn Kollegen Steinmann verdanke ich den weiteren Bescheid,
dass diese Gänge nicht langgestreckt, sondern schlotförmig sind.
In dieser letzteren Beziehung, der Gestalt, ebenso wie in dem
Einschlüsse von Stücken der durchbrochenen Gesteine, würde mit-
hin die vollste Übereinstimmung mit unseren Bildungen der Gruppe
von Urach herrschen. Allein aus jener Beschreibung geht deutlich
hervor, dass es sich hier nicht, wie bei uns, um Tuffe, also um einen
zu loser Asche zerblasenen Schmelzfluss handelt , welcher letztere
^ Geologischer Führer durch die Umgehung von Freihurg. Freihurg i. B.
1890. S. 105. No. 2.
- Zur Geologie des Kaiserstuhlgebirges. Mitteilungen der Grossherzoglich
Badischen geologischen Landesanstalt. Heidelberg 1893. S. 435.
— 250 —
selbst in grosser Tiefe blieb. Sondern dass hier der kompakte
Schmelzfluss , wenn auch in Blocklava-ähnlicher Form , bis obenhin
die Röhre erfüllte. Darin liegt ein Unterschied gegenüber unseren
Tuffgängen.
Ob trotzdem diese schlotförmigen Gänge von Reibungsbreccien
ebenfalls mit Maaren einst in Zusammenhang standen, ist nicht zu
entscheiden. Nirgends kennt man dort ein Maar, noch viel v^eniger
also ein solches , dessen in die Tiefe setzender schlotförmiger Aus-
bruchskanal mit Reibungsbreccie erfüllt wäre. Umgekehrt kennt
man im Gebiete von Urach sehr viel Maare , aber kein Ausbruchs-
kanal derselben ist mit Reibungsbreccie erfüllt. Endlich in anderen
Gebieten der Erde kennt man hier und da wohl Maare ; aber dafür
ist nirgends dort der in die Tiefe setzende Schlot aufgeschlossen.
So ist diese Frage also nicht zu lösen; aber nach dem Verhalten im
Gebiete von Urach spricht nichts Entscheidendes für die Annahme,
dass diese Gänge einst mit Maaren in Verbindung standen.
Solche mit Reibungsbreccien irgend eines Eruptivgesteines er-
füllten Gänge sind überhaupt nicht so selten auf Erden, überall
da aber, wo die Breccie als Füllmasse richtiger langgestreckter
Spalten auftritt, hat diese Bildung nicht das Mindeste mit unseren
schlotförmigen , durch die Erdrinde hindurch ausgeblasenen Röhren
bei Urach gemeinsam. Nur da, wo die Reibungsbreccien in derartigen
Röhren liegen, könnte man sie in Beziehung bringen wollen zu ehe-
maligen Maaren ; allein das würde, wie oben gesagt, bisher jeglicher
Begründung entbehren.
Auch Sauer beschreibt neuerdings, wie ich einem mir freund-
lichst übersandten Fahnenabzuge entnehme, aus Baden solche schlot-
förmigen Gänge, welche mit teils fluidalstreifigem, teils breccienhaftem
Porphyr erfüllt sind. Hier handelt es sich also ebenfalls um röhren-
förmige Kanäle und nicht um Spalten. Allein das sind offenbar nicht
etwa Ausbruchskanäle einstiger Maare , sondern , wie Sauer sagt,
„es liegt nahe, dieselben als die Austrittskanäle der Rotliegend-
Porphyrergüsse zu deuten." Diese Bildungen haben also nichts mit den
unserigen gemein, denn sie sind in diesem Falle nicht mehr embryonal.
Vermutlich dem äusseren Ansehen nach ganz gleich unseren
Tuffgängen, aber doch nicht mit Maaren, sondern mit aufgeschütteten
Aschenkegeln oder Decken zusammenhängend, würden gewisse tuff-
erfüllte Gänge der Eifel sein, wenn man sie im aufgeschlossenen Zu-
stande könnte. Ihr Dasein in der Erdrinde aber glaube ich als ganz
sicher annehmen zu dürfen auf Grund der folgenden Aussagen :
— 251 —
VON Dechen spricht die Vermutung aus, dass in der Eifel ge-
wisse kleine Tuifpartien nicht als Erosionsreste einer einst grösser
gewesenen Decke zu betrachten seien, sondern als selbständige Aus-
bruchspunkte'.
Wenn das nun aber der Fall ist, dann muss hier der Tuff
offenbar auch in die Tiefe hinabsetzen und die Ausbruchsröhre er-
füllen. Schwerlich wird hier feste Lava im Schlote sein. Auch
VogelsanCt^ zielt auf Ähnliches ab. Er wirft am Schlüsse seiner
Arbeit über die Vulkane der Eifel die Frage auf, ob wir mit dem
Empordringen von Tuffmassen immer die Vorstellung eines sehr ge-
waltsamen Vorganges verbinden müssen. Nicht in allen Fällen scheint
ihm das notwendig zu sein , wie die langsamen Aschenströme be-
weisen, welche Monticelli 1823 am Vesuv beobachtete. „Vielleicht
Hessen sich gewisse vereinzelte Tuffberge als auf solche Weise ent-
standen, also als selbständige Ausbruchspunkte auffassen. Dieselben
wären dann Analoga der Gesteinskuppen von Basalt." Alle solche
vereinzelten , durch selbständige Ausbrüche an Ort und Stelle auf-
geschütteten Tuffberge müssen natürlich ebenfalls mit Tuff erfüllte
Ausbruchsröhren besitzen. Sind die Tuffberge abgetragen und die
Röhre freigelegt, dann gleicht die Bildung vollständig denen der
Gruppe von Urach. Und doch liegt noch ein starker Unterschied
zwischen beiden. Die tufferfüllten Ausbruchsröhren von Urach, weil
offenbar alle mit Maaren in Verbindung zu bringen, stellen die primi-
tivere Form, den vulkanischen Embryo dar. Die tufferfüllten Aus-
bruchskanäle solcher Aschenberge dagegen stehen mit einem bereits
weiter vorgeschrittenen Entwickelungsstadium des Vulkanismus, mit
aufgeschütteten Bergen in Zusammenhang. Dass aber unsere Tuff-
gänge der Gruppe von Urach sicher nicht mit solchen aufgeschütteten
Bergen, sondern nur mit ehemaligen Maaren in Verbindung standen,
dafür sind die Beweise aufgeführt auf S. 95 pp. sowie am Schlüsse
dieser Arbeit unter den Zusätzen (S. 315 — 318).
In ganz derselben Weise lässt sich aus den Angaben Lecoq's
entnehmen, dass er einen Teil der in der Auvergne auftretenden
Tuffberge für an Ort und Stelle entstanden ansieht, dass er sie also
als selbständige Ausbruchspunkte betrachtet. Ist das der Fall, dann
müssten deren Ausbruchskanäle sich natürlich ebenfalls mit Tuff er-
füllt erweisen, wenn man sie im aufgeschlossenen Zustande kennen
' Vulkane der Eifel. S. 243. No. 26 u. 27.
^ Die Vulkane der Eifel in ihrer Bildungsweise erläutert. Haarlem 1864.
— 252 —
würde. Von anderen dortigen Vorkommen aber hebt M. Boüle ganz
ausdrücklich das Gegenteil hervor, so s. B. von denjenigen, welche
die Felsen von St. Michel und Corneille bilden. Diese treten, wie
er sagt , nicht ^ in durchgreifender Lagerung auf. Es sind in ver-
schiedener Weise cementierte, oben aufgelagerte Tuffbreccien, welche
in ihrer Breccienstruktur viel Ähnlichkeit mit denen der Gruppe von
Urach besitzen.
Auch in Italien finden wir in den Peperinen solche den unserigen
ähnliche Tuffbreccien. Die Ähnlichkeit kann eine so grosse sein,
dass auch hier die Frage sich aufdrängt, ob nicht dieser Peperin
auch hier und da die gangförmige Lagerungsweise mit unseren Tuff-
breccien teile. Im Gebiete von Frosinone in Mittelitalien ist das
entschieden nicht der Fall. Ebensowenig im Albaner Gebirge, wo
der Peperin stromartig geflossen ist (s. S. 202).
Es besitzt nun aber auch der nicht zum Peperin gerechnete
sogenannte graue campanische Tuff in Unteritalien eine gewisse Ähn-
lichkeit mit unseren Tuffen darin, dass er ungeschichtete Massen
bildet, in welchen sedimentäre Gesteine, Kalke und Sandsteine ein-
gesprengt liegen. Da diese letzteren der Mehrzahl nach verändert
sind, so erklärt sie Scacchi als Auswürflinge, welche bei der Ent-
stehung der Asche mit ausgeschleudert wurden ; doch nimmt er an,
dass ihre Hauptmetamorphose erst im Tuffe , nicht schon in dem.
vulkanischen Schlünde erfolgt sei. Deecke^ dagegen betrachtet mit
Johnston-Lavis diese Sedimentärgesteine nicht als Auswürflinge. Er
nimmt vielmehr an , dass dieselben nur durch Abschwemmung und
Abrutschen infolge von Erdbeben von den benachbarten Gebirgen
auf und in den Tuff herabgewaschen und dann den obersten Lagen
des Tuffes eingeschaltet wurden. Er begründet seine Auffassung
mit dem Umstände , dass die Kalkstücke nur in der unmittelbaren
Nähe der den Tuff begrenzenden Gebirge reichlich im Tuffe vertreten
sind, dagegen um so seltener werden, je weiter man sich vom Ge-
hänge entfernt. Da diese Einschwemmung in den Tuff auch während
der Bildung desselben vor sich ging, so erklären sich auf solche
Weise auch die den tieferen Lagen des Tuffes eingeschalteten Kalk-
massen, welche in mehr oder weniger deutlichen Schichten keilartig
^ M. Boule, Description geologique dix Velay. (Bull, des serv. de la
Carte geol. de la France. T. 4. No. 28. Paris 1892. Ich eitlere nach dem Neuen
Jahrbuch f. Min. etc.).
^ Zur Geologie von Unteritalien. No. 3. Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal.
1891. Bd. II. S. 291, 315, 316 pp.
- 253 —
in denselben eindringen. Die Metamorphose aller dieser Kalke kann
daher auch nach der Auffassung Deecke's nur eine nachträgliche
sein, wie das schon Scacchi meinte. Sie wurde bewirkt durch die
im Tuffe eingeschlossenen Gase und Säuren.
Es giebt indessen doch Verhältnisse, welche, wie Deecke selbst
hervorhebt, mit seiner Erklärung nicht in Einklang zu bringen sind,
so dass man in diesen Fällen wirklich Auswürflinge vor sich haben
muss. Dahin gehören diejenigen Kalkblöcke, welche sich, unregel-
mässig verteilt, mitten in den ungeschichteten Tuffmassen befinden.
In noch höherem Masse gilt das aber von den vielleicht mio- oder
pliocänen Sandsteinen , da solche gar nicht in den die Tuffe um-
gebenden Randgebirgen anstehen.
Wie dem nun aber auch sei, es ist auf solche Weise durch
mangelnde Schichtung des Tuffes, sowie durch Beimengung sedi-
mentärer veränderter Gesteine eine gewisse Übereinstimmung mit
unseren Tuffen von Urach vorhanden. Aber es könnten auch die
Lagerungsverhältnisse beider eine gewisse Ähnlichkeit besitzen. Wie
nämlich unsere Tuffe , soweit sie oben auf der Hochfläche der Alb
auftreten, nie oben auf den Hügeln, sondern in kesseiförmigen Ver-
tiefungen liegen , so erscheint auch der campanische Tuff nie auf
den Bergen, sondern meistens in der Tiefe der Thäler in kessei-
förmigen Einsenkungen und Grabenbrüchen des Kalkgebirges. Daher
hat ScÄCCHi die Entstehung dieser zahlreichen, getrennten Vorkommen
des campanischen Tuffes auf ebenso viele gesonderte Schlünde zurück-
zuführen gesucht, aus welchen der Tuff mit den sedimentären Stücken
im Zustande einer Schlammlava herausgequollen wäre. Sollte das
wirklich der Fall sein, dann würde dieser Tuff gewiss auch die, frei-
lich unbekannten , Ausbruchskanäle erfüllen. Das wäre dann eine
Übereinstimmung der Lagerungsverhältnisse mit denjenigen der Gruppe
von Urach.
Eine solche Deutung wird aber von Deecke aus mehrfachen
Gründen bekämpft. Einmal spricht nach ihm dagegen die nahezu
gleiche Beschaffenheit, welche der Tuff an so vielen voneinander
getrennten Orten besitzt, während doch aus so zahlreichen ver-
schiedenen Schlünden auch verschiedenartiges Material gefördert sein
müsste. Sodann hält Deecke überhaupt das Dasein einer so grossen
Zahl von Ausbruchsstellen für wenig wahrscheinlich. Ferner hebt
er hervor , dass Schlammvulkane immer nur aufgeweichtes , bereits
vorhandenes Gesteinsmaterial, also w^esentlich Thone, Mergel und
Sande emporbringen. Endlich weist er darauf hin , dass eine so
— 254 —
grossartige Gasentwickelung, wie sie hierfür nötig wäre, doch nicht
■SO plötzhch wieder zum Stillstand gelangt sein könnte und dass
überhaupt ähnliche Erscheinungen in Campanien weder vorher noch
nachher je wieder beobachtet worden seien. Deecke hält daher den
campanischen Tuff für das Ergebnis eines oder mehrerer, dicht hinter-
einander folgender Ausbrüche eines einzigen grossen Centrums'.
Die von demselben ausgeworfenen Aschenmassen fielen ursprünglich
auch auf die umliegenden Berge. Von diesen aber wurden sie durch
die begleitenden Kegengüsse abgeschwemmt und in den zwischen
•den Höhen liegenden Niederungen angehäuft.
Ich beabsichtige nun durchaus nicht diese von Deecke gegebene
Lösung anzugreifen ; sie mag auch einleuchtender sein als Scacchi's
Ansicht von dem Dasein zahlreicher Schlammvulkane. Um solche
letzteren kann es sich überhaupt da, wo nicht Sand und Thon,
sondern echte vulkanische Asche ausgeworfen wird, gar nicht handeln,
-denn Schlammvulkane (S. 195) sind eben keine Vulkane. Scacchi
dürfte daher höchstens an echte Vulkanausbrüche gedacht haben,
bei welchen die lose Asche durch atmosphärische Wasser (S. 195)
sekundär in Schlammtuff verwandelt worden wäre. Ich denke mir,
dass er nur Derartiges im Sinne gehabt hat, aber auch dem gegenüber
mag Deecke noch recht haben.
Trotzdem aber muss ich einzelne der von Deecke angeführten
•Gründe in Bezug auf ihre allgemeine Gültigkeit bekämpfen. Käme
ihnen nämlich eine solche zu, so würden sie ihre Spitze auch gegen
die in dieser Arbeit vertretene und in fast 121 Fällen zweifellos be-
wiesene Auffassung kehren, dass unsere Tuffe in zahlreichen, ver-
einzelten Ausbruchsherden entstanden sind. Sie würden sich auch
im gleichen Masse gegen die Ansicht wenden, dass in der Auvergne
wenigstens ein Teil des sogen. Peperits in zahlreichen, vereinzelten
Ausbruchsstellen zu Tage gefördert wurde.
Zunächst darf die an zahlreichen Orten so nahezu gleich-
bleibende Beschaffenheit des Tuffes nicht , wie Deecke will , als ein
Merkmal angesehen werden, welches unter allen Umständen nur
durch einen einheitlichen Ausbruch an einer einzigen Stelle der
•Oberfläche erzeugt werden kann. Es kann vielmehr gleichartige
Tuffmasse sehr gut auch durch zahlreiche getrennte Ausbruchs-
öffnungen an der Erdoberfläche ausgeworfen werden, wenn nur der
Ausbruchsherd in der Tiefe ein einheitlicher ist. Ob aus solchem
' 1. c. S. 320.
— 255 —
Herde dann die zerstäubten Massen nur an einer einzigen grossen
Stelle oder aber durch zahlreiche kleine Öffnungen herausgefördert
werden , das ist eine nebensächliche Erscheinung. In dieser Weise
war der Vorgang bei den Ausbrüchen in der Gruppe von Urach, in
welcher an 121 verschiedenen Punkten völlig gleichartiges Material
zu Tage gefördert wurde.
Das gilt von dem eigentlichen Tuffe, also dem rein vulkanischen
Materiale. Was dann aber die dem letzteren beigemengten Sedi-
mentär- oder besser Fremdgesteine ^ anbetrifft , so können dieselben
natürlich auch bei zahlreichen vereinzelten Ausbruchsstellen dann
gleichartig sein, wenn die vom Eruptivmaterial durchbrochenen Ge-
steinsmassen gleichartig waren. Das aber ist und war bei der Gruppe
von Urach der Fall, weil hier fast horizontale Schichtung, der Jura-
formation wenigstens, herrscht.
Wenn dann ferner Deecke überhaupt das Dasein einer so grossen
Anzahl von kleinen Ausbruchsstellen für weniger wahrscheinlich hält,
als die Bildung nur einer einzigen grossen, so stimme ich im all-
gemeinen dem bei; es mag auch in dem campanischen Sonderfalle
sich so verhalten. Aber dass derartige Verhältnisse doch auch vor-
kommen können — was Deecke übrigens auch gar nicht bestreitet —
das zeigt sich eben bei der Gruppe von Urach, wo wir auf 20 | jMeilen
an 127 solcher Ausbruchskanäle ^ besitzen.
Der vierte von Deecke angeführte Grund, dass nämlich eine
so grossartige Gasentwickelung nicht so plötzlich wieder zum Still-
stand gelangen könnte, bezieht sich wohl nicht auf die, dem Schmelz-
niagma beigemengten Gase , sondern auf solche Gasmassen , durch
welche die pseudovulkanischen Erscheinungen der Schlammvulkane
erzeugt werden , also vorwiegend Kohlenwasserstoffe ; denn solche
hat ja, nach Deecke's Ansicht, Scacchi im Sinne, gegen solche muss
sich also sein Ausspruch wenden. Da es sich bei der Gruppe von
Urach um solche nicht handelt, so würde dieser Grund mir nicht als
Einwand entgegengehalten werden können. Wollte man aber das
von Deecke über die Gasentwickelung Gesagte auch auf echte Vul-
kane als allgemein gültig übertragen , so würde ich auch hier Ver-
wahrung einlegen müssen ; denn sowohl bei Urach, als auch vermut-
' Denn es handelt sich bei der Uracher Gruppe auch um ausgeworfene
Granite u. s. w.
^ Ein kleiner Teil derselben ist mit Basalt erfüllt. Daher bald nur die
Zahl 121, wenn es sich nämlich nur um die tutt'erfüUten Röhren handelt ; und
bald 127, wenn die Gesamtzahl s-emeiut ist.
— 256 —
lieh z. T. in der Auvergne, hat eine so grossartige Gasentwickelung,
welcher unsere Tuffe und jene Peperite ihre Entstehung verdanken,
in kurzer Zeit stattgefunden.
Wie man sieht, ist ein grosser Teil der von Deecke gegen
ScACCHi's Ansicht geltend gemachten Gründe hinfällig. Das konnte
freilich Deecke unmöglich ahnen, denn die überaus eigenartigen Ver-
hältnisse des Gebietes von Urach waren bisher nicht bekannt. Es
wäre daher von hohem Interesse, wenn jener campanische Tuff aufs
neue nun mit dem bei Urach gewonnenen Bilde vor Augen ge-
prüft werden könnte.
Sicher sind jedenfalls zwei Dinge : Die "Verhältnisse der Gruppe
von Urach beweisen einmal, dass das, was Scacchi behauptete, nicht
nur möglich ist, sondern auch vorkommt. Zweitens, dass es viel-
leicht gar nicht, wie Scacchi glaubte, der Zuhilfenahme des Wassers,
der Schlammtuifbildung, bedarf, um solche Verhältnisse zu erklären.
Aber selbst in dem Falle , dass Scacchi recht haben sollte,
würde doch keineswegs eine Analogie mit den Verhältnissen der
Gruppe von Urach vorliegen. In letzterer haben wir Maare und tuff-
erfüllte Kanäle rundlichen Querschnittes, welche sich die vulkanischen
Gase selbstthätig ausgeblasen haben, ohne Zuhilfenahme von Spalten.
Dort haben wir deckenförmig, also aufgelagerten Tuff, kennen nicht
die Füllmasse der Kanäle und wissen nicht, ob es röhrenförmige
Kanäle oder Spalten sind.
Frankreich. Das ob seiner Vulkane und Maare berühmte
Centralplateau von Frankreich hat ebenfalls vulkanische Tuffe,
welche gleich denjenigen der Gruppe von Urach Breccien sind. Lecoq
bezeichnet sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit den Peperinen Italiens
als Peperit. Erklärlicherweise habe ich, als ich vor Jahren die
Auvergne durchstreifte, auf die genaueren Lagerangsverhältnisse des
Tuffes dieser Gegenden nicht geachtet. Ich bin daher auf die An-
gaben von Lecoq angewiesen. Aber auch dieser hatte wohl, mangels
günstiger Aufschlüsse, wenig Veranlassung, die Lagerungsverhältnisse
des dortigen Peperins einer genaueren Untersuchung zu unterziehen
und namentlich zu achten auf die Gestalt etwaiger Tuffgänge und
ihren Zusammenhang mit Maaren.
Der Peperin erscheint in der Auvergne teils in Gestalt ein-
zelner Hügel, teils in Form grösserer, ausgedehnter Flächen. Im
letzteren Falle bildet er selbstverständlich eine aufgelagerte Decke.
Im ersteren könnten die Hügel ebenfalls nur Erosionsreste einer
einstigen Decke sein, sie könnten aber auch die Köpfe senkrechter
— 257 —
Gänge bilden, v,äe letzteres in der Gruppe von Urach der Fall. Es
scheint mir nun, dass die Beschreibung Lecoq's Anhaltspunkte dafür
giebt , dass wirklich letzteres bisweilen vorkommt. Lecoq ^ sagt
ganz deutlich, dass die Peperite bald an Ort und Stelle ausgebro-
chen sind, den Kalk durchbohren und kleine Hügel bilden, bald als
Schlaramströme geflossen sind. Ich werde sogleich derartige Stellen
anführen. Ein Teil dieser Peperite ist auch im Wasser abgelagert,
denn er wechsellagert mit Kalkschichten. Das ist z. B. bei Pont-
du-Chäteau, östhch von Clermont, der Fall. Ein anderer Teil ist,
wie gesagt , nach Lecoq als Schlammstrom geflossen. In beiden
Fällen ist also keine Analogie mit unseren Verhältnissen vorhanden.
Dagegen könnte es sich wohl um gangförmige Lagerung des
Tuffes in den folgenden Fällen handeln :
Bd. IV, S. 77 spricht Lecoq von den Phryganeenkalken, welche
sich als „perces par des peperites" erweisen. „Presque partout les
tufs semblent sortir du calcaire. On les retrouve meme sous le
calcaire, lorsque Ton creuse." Wenn also der Peperin den Kalk durch-
setzt, so muss er auch die Gänge in die Tiefe hinab erfüllen.
Bd. IV, S. 77 wird ein Basaltgang erwähnt, welcher rings vom
Peperin umgeben ist, und von letzterem gesagt: „Elles paraissent
s'etre fait jour comme le basalte et en meme temps que lui." Die-
selbe Lagerung also, wie z. B. am Götzenbrühl No. 87, Bolle bei
Owen No. 49 u. s. w. , wo auch der Tuff an Ort und Stelle zur
Eruption gelangt ist, den Kanal erfüllt und seinerseits den Basalt-
kern umschliesst.
Bd. IV, S. 35 wird die Lagerung des Peperin geschildert als
„un filon, dont la direction serait presque NO. — SE." Ist das eine
mit Peperin erfüllte Gangspalte?
Bd. IV, S. 79 ist der kleine Puy de Cornonet geschildert, wel-
cher unten aus Kalkmergel, oben aus Peperin besteht. „Le tuf (pe-
perite) en constitue le sommet et descend ä l'ouest sous la forme
d'une petite coulee. C'est un tuf d'eruption sorti sur ce point meme."
Hier haben wir anscheinend ganz dieselben Lagerungsverhältnisse,
wie sie uns so oft bei der Gruppe von Urach entgegentreten. So
z. B. beim Egelsberg No. 79, dem Lichtenstein No. 71 und anderen.
Auch hier besteht der Fuss des Berges aus Sedimentgestein , die
Kuppe desselben aus Tuff, welcher sich an einer Seite des Berges
als Zunge hinabzieht. Lecoq deutet das als Eruption an der Spitze,
1 Bd. IV. S. 95.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 17
— 258 —
von welcher aus ein Schlammstrom den Berg hinabgeflossen sei.
In unserem Gebiete ist das erweislich kein Schlammstrom, sondern
ein kleiner, an der Flanke zu Tage ausstreichender Ausläufer des in
die Tiefe hinabsetzenden Ganges. Ist vielleicht die Ansicht Lecoq's
irrig, so dass auch dort ein in die Tiefe hinabsetzender Tuffgang
vorläge ?
Bd. IV, S. 82 heisst es: „Le puy de Crouel est le resultat
d'une eruption basaltique, dont les tufs seuls sont sortis."
Genug der Beispiele, aus welchen ersichtlich ist, dass die Tuffe
dort z. T. in Gangform auftreten. Ob das freilich Spalten oder
röhrenförmige Kanäle sind, das ist hier nicht klarzustellen. Wohl
aber gehen die gangförmige Lagerung und die Röhrengestalt der
Kanäle für die Tuffbreccien im Puy-en-Velay hervor aus einer Mit-
teilung Daübree's \ Dieser sagt ausdrücklich, dass die cylinderförmi-
gen Tuffsäulen, welche bei und in Puy-en-Velay aufragen, nichts
anderes als cylinderförmige Tuffgänge seien, welche infolge ihrer grös-
seren Widerstandsfähigkeit als Erhöhungen aufragen.
Im Puy-en-Velay haben wir also dem inneren Wesen
nach ein vollständiges Analogon zu den Verhältnissen
in unserer Gruppe von Urach! Hier wie dort Ausbruchs-
kanäle runden Querschnittes, erfüllt mit einer Tuff-
breccie, also senkrechte Tuffgänge, welche infolge
ihrer Härte in Form von Hügeln über die Umgebung
aufragen. Freilich, ganz vollständig wäre das Analogon
nur dann, wenn dort, wie sicher bei uns, auch Maare
vorgelegen hätten, wenn also der oberste Teil der tuff-
erfüllten Röhre leer geblieben wäre. Vor allem aber
wenn der Tuff dort nicht in Form von Schlammströmen
geflossen wäre, denn Derartiges kommt in unserem
Gebiete nicht vor. Unser Tuff ist ein Trockentuff.
Ich kann nicht entscheiden, ob die Schlammtuffnatur für die Auvergne
wirklich erwiesen ist. Möglicherweise ist das gar nicht der Fall.
Jedenfalls wäre das Fehlen der Maarkessel aber kein schwerwiegendes
Merkmal. Es giebt alle Übergänge zwischen dem Maar mit dem
400 m tiefen Kessel bezw. Trichter, bis zu dem Maar ohne jeden
derartigen Hohlraum ; also alle Übergänge zwischen einer nur 400 m
unter der Erdoberfläche hinauf mit Tuff erfüllten Ausbruchsröhre
und einer bis an die Mündung hin angefüllten. Das sind nur Unter-
^ Bull. soc. geol. France. 3eme serie. T. 19. S. 330.
— 259 —
schiede des Masses, nicht solche des inneren Wesens, welche mithin
ganz belanglos sind, wie früher dargethan wurde.
Südafrika. Wenn wir weiter Umschau halten, wo auf Erden
wir wohl gleiche Lagerungsverhältnisse vulkanischer Tuffmassen wie
in der Gruppe von Urach finden, so wird unser Blick auf Südafrika
gelenkt. Denn dort liegen die weltberühmten Tuffe, aus welchen
so massenhaft Diamanten zu Tage gefördert werden, gleichfalls in
senkrechten, röhrenförmigen Kanälen, welche die Hochfläche der
Karooformation durchbohren.
Das hohe Interesse, welches sich in doppelter Beziehung an
diese merkwürdigen Vorkommnisse heftet — wegen der eigentüm-
lichen Lagerungsverhältnisse und wegen des häufigen Auftretens
der Diamanten — hat erklärlicherweise verschiedentlich die Forscher
zu. Arbeiten über dieses Gebiet angeregt.
Zuerst ist durch E. Cohen auf einer, zur Erforschung der
südafrikanischen Diamantenfelder unternommenen Keise über die
Lagerungsverhältnisse und die Entstehungsweise jener rätselhaften
Kesselbildungen wie ihres Inhalts berichtet worden ^
Dann hat man sich auf französischer Seite mit der Frage
nach der Herkunft dieser Dinge beschäftigt und zwar geschah
das durch Chaper^, Friedel^, Jannetaz'^, Foüqüe und Michel -
Levy^ Auch hat Maille eine „Geologie generale des mines de
diamants de l'Afrique du Sud*^" gegeben. Im Jahre 1891 ist
Daübree auf experimentellem Wege in einer überaus interessanten
' E. Cohen, Geologische Mitteilungen über das Vorkommen der Diamanten.
Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1872. S. 857—861. — Erklärung gegen
Dünn, dessen Bemerkungen das Vorkommen der Diamanten in Afrika betreffend.
Ebenda 1874. S. 514—515. — Über einen Eklogit, welcher als Einschluss in den
Diamantgruben von Jagersfontein, Orange Freistaat, Süd- Afrika vorkommt. Ebenda
1879. S. 864—869. — Die südafrikanischen Diamantfelder. Fünfter Jahresbericht
d. Vereins f. Erdkunde zu Metz pro 1882. Metz. Scriba. 1882. S. 132 pp. Mit
Tafel, — Geognostisch-petrographische Skizzen aus Süd -Afrika. Neues Jahrb.
f. Min., Geol. u. Pal. 1887. Beil.-Bd. V. S. 195—274. Vergl. auch Ad. Schenck,
Über Glacialerscheinungen in Süd-Afrika. Habilitationsschrift. Halle 1889. S. 5 u. 6.
^ Sur les mines de diamant de l'Afrique australe. Bull. soc. mineral.
France. 1879. II. S. 195—197.
^ Sur les mineraux associes au diamant dans l'Afrique australe. Ebenda
S. 197—200.
* Observations sur la communication de M. Chaper. Ebenda S. 200 — 201.
^ Note sur les roches accompagnant et contenant le diamant dans l'Afrique
australe. Ebenda S. 216—228.
^ Annales des Mines. 1885. S. 193 pp.
17*
— 260 —
Abhandlung der Frage nähergetreten, auf welche Weise diese eigen-
artigen Kesselbildungen Südafrikas, zugleich aber auch die Schlote
und Kanäle anderer, sicher vulkanischer, Gegenden entstanden sein
mögen ^ Gleich darauf erfolgte dann aber von Chaper ein die
Folgerungen Daubree's auf die südafrikanischen Verhältnisse ^ zurück-
weisender Angriff gegen denselben.
Auf Grund der Darstellungen der genannten Forscher ergiebt
sich das folgende Bild der einschlägigen Verhältnisse :
Wie die schwäbische Alb, so ist auch die südafrikanische
Kar 0 0 eine Hochebene von grosser Ausdehnung und horizontalem
Schichtenbau. Der Name Karoo hat in Südafrika lediglich die Be-
deutung einer mehr oder weniger wasser- und pflanzenlosen Hoch-
ebene , also einer Wüste. Allein man hat diesen Namen später in
die Geologie übernommen und bezeichnet mit demselben nun auch
die Formationen, aus welchen die Hochebenen der Karoos bestehen.
Das Alter dieser Karoo -Formation ist lange Zeit umstritten
worden. Die untersten Schichten derselben gehören vielleicht noch
dem Unter-Carbon an. Der Tafelberg-Sandstein wird dem Silur oder
Unter -Devon zugerechnet^. Die obersten Schichten reichen aber
vielleicht bis in die oberste Trias, das Rhät hinauf. Jüngere Schichten
als diese der oberen Karooformation treffen wir im Innern Südafrikas
überhaupt nicht. Nur in den Küstengegenden erscheinen solche des
Kreidesystems.
Was die Lagerung der Karooformation anbetrifft, so ist die-
selbe, mit Ausnahme der südlichen Kapkolonie, wo sich eine Faltung
vollzogen hat, eine fast ungestörte. Im N. fallen diese nahezu
horizontalen Schichten etwas nach S. , im S. dagegen besitzen sie
ein schwach nördliches Fallen, in Natal, d. h. im 0., ein solches
nach W. Die Lagerung ist also die eines sehr flachen Beckens
von bedeutender Grösse. Während dasselbe im allgemeinen rings-
herum durch andere Bildungen begrenzt ist, zeigt es sich im 0.
in Natal und Kaffraria, in ähnlicher, nur sehr viel stärkerer Weise
aufgeschlossen, wie unsere Alb an ihrem SO. -Rande. Wie hier
'■ Kecberclies experimentales sur le röle possible des gaz a bautes tempe-
ratures , doiaes de tres fortes pressions et auimes d'un monvemeut fort rapide,
dans divers pbenomenes geologiques. Bull. 80c. geol. France. 1891. 3e serie.
T. 19. S. 313 u. S. 944.
'' Observatious ä propos d'une uote de M. D a u b r e e. Bulletin soc. geolog.
France. 1891. S. 944 pp.
3 Güricb, Neues Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1889. Bd. IL S. 80.
— 261 —
durch die Donaubruchlinie die frühere südhche Fortsetzung der Alb
in die Tiefe hinabgesunken ist (s. 1894 S. 517), so ist auch dort längs
einer grossen Bruchlinie die östliche Fortsetzung der Karoo in
die Tiefe gesunken. Steigt man daher von der 0. -Küste aus gegen
W. wandernd bergauf, so findet man die abgesunkenen Karoo-
bildungen in niedriger Lage an der Küste , während die stehen-
gebliebenen weiter landeinwärts als Hochebene aufragen. Der ab-
gesunkene Teil ist hier also nicht durch jüngere Bildungen wieder
zugedeckt worden, wie das am SO. -Rande der Alb der Fall ist.
Die Gesteine der Karooformation bestehen aus wechselnden
Schichten von Schieferthonen , Mergelschiefern, schieferigen und
anderen Sandsteinen, Diese Schichten werden an zahlreichen Stellen
durchsetzt von Eruptivgesteinen , welche der Gruppe der Diabase
und Melaphyre angehören. Dieselben haben sich vielfach in Form
von Lagern und Decken ausgebreitet, welche teils zwischen die
Schiefer und Sandsteine gelagert sind, teils über den obersten
Schichten derselben liegen. Sie sind härter als die Schiefer und
Sandsteine. Dadurch werden sie nun genau ebenso von entscheideuT
dem Einflüsse auf die Oberflächengestaltung der Karooebene, wie
die harten Kalke des Weissjura auf diejenige der Albebene, welcher
letzteren eruptive Lager ja fehlen : sie schützen die unter ihnen
liegenden weicheren Gesteine wie ein aufgespannter Regenschirm
den Träger desselben schützt.
Hier Avie dort entstehen also Tafelberge. Nur mit dem Unter-
schiede, dass über die ganze Albebene eine einzige zusammen-
hängende harte Decke ausgebreitet ist, während über die Karoo
eine grosse Anzahl kleinerer, räumlich beschränkter harter Decken
sich ausdehnt. Daher bildet die ganze Alb, von N. her betrachtet,
einen einzigen Tafelberg von ungeheurer iVusdehnung ; und nur an
dem, in Fransen zerschnittenen NW.-Rande derselben springen zahl-
reiche kleine Tafelberge, in Form von Zungen oder bereits ganz
abgeschnürten Inseln, als Teile dieses grossen Tafelberges in das
Vorland hinein.
Anders auf der Karooebene. Hier haben sich oben auf der
Hochfläche derselben überall da solche kleineren Tafelberge ge-
bildet, wo und soweit sich eine schützende Decke jener harten
Eruptivgesteine über die Sandsteine und Schiefer ausgebreitet hatte.
Nicht alle Berge aber , • welche auf die Karooebene aufgesetzt
sind, erscheinen als Tafelberge. Es giebt auch spitzkegelförmig
gestaltete, die sogen. „Spitzkopj es". Dass dieselben aus der
— 262 —
Zerstörung einstiger Tafelberge hervorgehen, lässt sich an einzelnen
derselben deutlich erkennen. Von einer Seite erscheinen sie noch
als Tafelberg, von der anderen bereits als Spitzkopf. Genau in
derselben Weise gehen aber auch die kleinen Tafelberge am NW.-
Eande der Alb in spitze Kegel über, so dass von weitem durchaus
den Eindruck hervorrufen können, als seien sie echte Buhle, d. h.
vulkanischer Natur. Sehr deutlich lässt die Achalm bei Reutlingen
diese allmähliche Entstehung des Kegels erkennen. Denn sie er-
scheint von N. gesehen bereits als „Spitzkopf", von W. oder 0.
noch als Tafelberg.
Diese Karoos, welche in Südafrika einen grossen Raum ein-
nehmen , bilden aber nicht eine einzige Hochebene. Sie bestehen
vielmehr aus Stufen, d. h. aus mehreren Hochebenen von ver-
schiedener Meereshöhe, welche 6—900, 900—1000, 12—1400 m
beträgt. Wiederum ganz Ähnliches finden wir in der Alb, deren
Hochfläche gleichfalls (s. 1894 S. 513 Fig. a) aus drei Stufen a, ß, dann
y, d und £, C in steigendem Niveau besteht. Auf eine jede dieser
Karoos sind hier und da wiederum die bereits erwähnten kleineren
tafelförmigen Berge aufgesetzt, die sich von geringer Höhe bis zu
der von einigen 100 m über die Hochebene erheben. Diese Tafel-
berge bestehen entweder ganz aus Eruptivgestein, Diorit, oder sie
werden in ihrem unteren Teile gebildet durch dieselben Sandsteine
und Schiefer, welche der Karooformation eigentümlich sind und erst
ihr Gipfel wird von dem Eruptivgesteine bedeckt.
Eingesprengt in diese Hochebene der Karoo findet sich
nun eine grosse Anzahl von Löchern runden oder elliptischen Um-
fanges, welche jedoch zweifach verschiedener Art sein sollen.
Die zu der einen gehörigen , von den Boeren Pans genannt,
sind Becken von einigen Metern Tiefe, in welchen sich bisweilen
das Wasser sammelt. Moülle vermutete, dass diese Pans ganz dieselben
Bildungen wie die sogleich zu betrachtenden zweiter Art seien. Er
meinte also, dass diese Becken nur die obere Mündung von Kanälen
seien, welche die Erdrinde durchbohren und wie jene mit diamanten-
führendem Gesteine angefüllt wären. Daubree nahm das sogar als
sicher an. Chaper aber trat einer solchen Auffassung sehr scharf
entgegen. Er hält sie für anderer Entstehung als jene und stützt
sich darauf, dass niemals ein Diamant m der Tiefe eines solchen
Pan gefunden sei.
Während diese Pans in grösserer Zahl und in allgemeinerer
Verbreitung auf der Karoo auftraten, ist die zweite Art dieser Löcher,
— 263 —
die Diatremata Daubree's, bisher nur in der Zahl vonl 7 bekannt.
Sie findet sich auch nur auf einem Gebiete, welches sich vom Hart
River (Griqualand) bis Fauresmith (Orange-Freistaat) über Kimberley
ausdehnt und zwar in einer Längserstreckung von 200 km. Wir
haben in der Gruppe von Urach dagegen 127 derartige Kanäle oder
Diatremata und zwar auf einem Gebiete von 37 km Breite und
45 km Länge.
Daubree nahm an, dass diese Diatremata Südafrikas, dem Ver-
laufe einer Spalte folgend, in gerader Linie angeordnet seien. Chäper
sagt jedoch aus, dass es sich keineswegs um ein lineares Auftreten
handele, sondern um eine unregelmässige Verteilung innerhalb eines
breiten Streifens von 200 km Länge. In ganz derselben Weise
scheinen auch in unserem schwäbischen vulkanischen Gebiete Spalten,
d. h. Bruchlinien zu fehlen , so dass die Ausbruchskanäle hier wie
dort unabhängig von zu Tage tretenden Brüchen der Erdrinde aus-
geblasen wären (s. S. 131 ff.).
Im Gegensatze zu jenen Pans bildet nun diese zweite Art von
Löchern nicht Becken von einigen Metern Tiefe. Sie sind vielmehr
bis an den Rand angefüllt mit Gesteinsmasse ; ja diese Füllmasse
bildet in der Regel sogar Hervorragungen, welche sich einige Meter
hoch über die Umgebung erheben. Wiederum wie auf der Alb bei
der Teck-Burg No. 34 und Würtingen No. 25; ausserdem im Vor-
lande die zahlreichen Buhle.
Was diese Löcher, oder vielmehr ihre Füllmasse, so weltberühmt
gemacht hat, das ist der Umstand, dass dieselbe zahllose Diamanten
birgt. Aber auch die Löcher selbst, also die Hohlräume, welche
später ausgefüllt wurden, sind sehr bemerkenswerte Bildungen, deren
Entstehungsweise eine umstrittene ist.
Wie man nach Ausbeutung der diamantenführenden Füllung
feststellen konnte, handelt es sich hier um Bildungen, welche am
besten mit dem Namen Röhre, Kanal oder Schlot bezeichnet werden.
Daubree nennt sie, wie schon bemerkt, Diatremata, weil sie eine
cylindrische Gestalt besitzen und mit senkrechten Wänden in die
Tiefe hinabsetzen , als wenn sie mit einem gewaltigen Locheisen in
das Gestein der Karooformation eingestossen wären. Nur gegen oben
erweitert sich der Cylinder ein wenig. Genau dasselbe Bild gewähren
unsere Ausbruchskanäle der Gruppe von Urach. Die Schichtung
des von ihnen durchsetzten Nebengesteines ist, ebenfalls wie bei
uns, ungestört. Da jedoch, wo letzteres aus Schiefern be.steht, sind
die Schichten derselben auf die Erstreckung von einigen Metern auf-
— 264 —
gerichtet, und da wo das Nebengestein durch feste, krystalline Gesteine
gebildet wird , ist die Oberfläche derselben , also die Innenseite der
Wand des Cylinders, längsgestreift; und zwar wie Daübree sagt, durch
die explodierenden Gase , wie Chaper will , durch die bei den Aus-
brüchen aus der Tiefe aufwärts getriebenen harten Gesteinsstücke.
Unmöglich konnten diese Kanäle anders entstehen , als indem
die an ihrer Stelle befindlich gewesene Gesteinsmasse gewaltsam
entfernt wurde. Von diesem herausgeschleuderten „Pfropfen" aber
finden sich auffallenderweise keinerlei nennenswerte Reste in der
Umgebung; wiederum genau wie bei unseren Kanälen, Dagegen
liegen Reste des Nebengesteines in kleinen und grossen Stücken,
bis hinauf zu riesigen Massen (floating reefs), in der die Löcher jetzt
ausfüllenden, diamantführenden Gesteinsmasse. Ebenfalls ganz wie
in der Gruppe von Urach. Während die Natur dieser Einschlüsse,
je nach derjenigen des Nebengesteines, in den verschiedenen Gruben
wechselt, ist diejenige der eigentlichen Ausfüllungsmasse in allen
Löchern dieselbe. In den oberen Teufen besteht sie aus einem zer-
setzten, hellgelben Stoffe vollständig wie in vielen Fällen bei uns;
mit 15 — 20 m Tiefe dagegen zeigt sich das unveränderte, dunkel-
bläulichgraue , sehr feste , ungeschichtete , also darin ganz wie bei
uns beschaffene Gestein. Dasselbe gleicht nach Cohen durchaus
einem veränderten vulkanischen Tuffe und besteht aus einer serpentin-
artigen Masse. Infolge der zahlreichen, in dieselbe eingebetteten
Bruchstücke des durchsetzten Nebengesteines, muss man diese Masse
als eine serpentinige Breccie bezeichnen; ganz ebenso, wie auch die
Tuffe der Gegend von Urach eine Breccie bilden, erzeugt durch Ein-
sprengunge des durchbrochenen Nebengesteines im vulkanischen Tuffe.
Daübree ^ vergleicht diese Diamanten führende Tuffbreccie Süd-
afrikas mit derjenigen Gesteinsmasse (s. S. 251) , welche sich in
Form von cylinderförmigen Felssäulen in der Umgebung von Puy-
en-Velay und in der Stadt selbst erhebt. Auch dieses Gestein be-
steht aus einer Breccie verschiedener Basalte, Granite und anderer
Urgebirgsarten , w^elche einst , wie das ähnliche Gestein Südafrikas,
eruptive Kanäle erfüllte. Während aber in Südafrika diese Füll-
masse noch in ihren Kanälen bezw. in dem Nebengestein steckt, ist
dieses letztere , weil aus leichter zerstörbaren Schichten bestehend,
im Puy-en-Velay längst abgetragen und fortgeführt, so dass die Füll-
masse nun in Gestalt von Säulen emporragt.
1 Bull. soc. o-eol. Frauce. 3eme. T. 19. S. 330.
— 265 -
Man sieht, dass Daubree diesen Gesteinsmassen im Velay ganz
dieselbe Entstehungsweise zuerkennt, welche für unsere entsprechen-
den schwäbischen Bildungen gilt: er hält sie für an Ort und Stelle
in den Röhren entstanden und für echt vulkanisch.
Da in Südafrika, mit einer einzigen Ausnahme, der Granit unter
den Auswürflingen bezw. Einschlüssen in dieser serpentinigen Masse
fehlt, so hat Chaper gefolgert, dass der Entstehungsherd der
letzteren im allgemeinen über dem Granit liegen muss. Dieser be-
findet sich bei Kimberley mine annäherungsweise in 300 m Tiefe.
Folglich müsste die serpentinige Ausfüllungsmasse der Löcher un-
gefähr bis zu einer annähernd gleichen Tiefe hinabsetzen. Zur Zeit
der Anwesenheit Cohen's hatten die Arbeiten in den Gruben an
einzelnen Stellen bereits die Tiefe von 130 m erreicht. Zudem war
man durch einen Versuchsschacht noch weitere 20 m tiefer gegangen;
immer noch blieb man aber in der Ausfüllungsmasse , ohne deren
Liegendes erreicht zu haben. Auch Moulle führt in dem Jahre 1885
noch keine grössere Tiefen an. Übrigens hat diese Tiefe auch prak-
tisch eine ausserordentlich grosse Bedeutung, weil der Reichtum an
Diamanten mit derselben in hohem Grade zu wachsen scheint ; in
einer Tiefe von 200, 300, 400 Fuss hatte sich der Gehalt von Dia-
manten verdoppelt, verdrei- und vervierfacht gegenüber den obersten
Teufen.
Die Grössen Verhältnisse aller dieser mit Tuff erfüllten
Kanäle sind nur massige. Rir Durchmesser schwankt zwischen 20 m
(Newlands Kopye) bis zu 450 m (Dutoits Pan); durchschnittlich
schwankt er zwischen 150 — 300 m. Indessen ist der Querschnitt
der Röhren meist ein ovaler, so dass die beiden Achsen eine ver-
schiedene Länge besitzen. So hat Kimberley mine, die grösste und
berühmteste Grube, Durchmesser von 270 und 200 m, Old de Beer
350 und 380 m.
Man sieht, diese Grössenverhältnisse fallen ganz innerhalb der-
jenigen Grenzen, welche sich bei den vulkanischen Kanälen der
Gruppe von Urach ergeben (s. S. 109), nur dass in letzterer auch
Durchmesser von 1000 m vereinzelt vorkommen.
Was nun die Entstehungs weise dieser eigenartigen Bil-
dungen anbetrifft, so betrachtet Cohen die zahlreichen Hohlräume,
in welchen der diamantführende Tuff liegt, als ebenso viele Kratere,
aus welchen der letztere in Gestalt einer durchwässerten Asche zu
Tage gefördert wurde. Bei diesem Vorgange erfüllten sich die Hohl-
räume teils direkt, teils aber indirekt durch die Zurückschwemmung
— 266 -
*
der ausgeschleuderten Massen. „Das Material zur Tuffbildung lieferten
wahrscheinlich zum grösseren Teil in der Tiefe vorhandene krystal-
line Gesteine, von denen sich vereinzelt noch bestimmbare Reste
finden. Erst in beträchtlicher Entfernung von den Diaraantfeldern
treten ähnliche Gesteine an die Oberfläche. Bei der durch vulka-
nische Kräfte bewirkten Zerstäubung dieser krystallinen Gesteine
blieb der Diamant, welcher sich wahrscheinlich in ihnen gebildet
hat, teils vollkommen erhalten, teils wurde er in Bruchstücke zer-
sprengt und in beiderlei Form mit dem Tuff emporgehoben
Durch die Eruption wurden die Schichten der Schiefer- und Sand-
steine mit den eingeschalteten Diabaslagern gehoben, durchbrochen
und zertrümmert, und die Bruchstücke lieferten das Material für die
zahlreichen von Tuff eingeschlossenen Fragmente und grossen zu-
sammenhängenden Partien der genannten Felsarten."
Es liegt auf der Hand, dass man bei einer solchen Auffassung
die Entstehung der Kratere auf Explosionen von Gasmassen zurück-
führen wird. Eine derartige Vorstellung findet sich denn auch, wie
wir sahen, in neuerer Zeit vertreten durch Daubree. Dieser kommt
auf Grund seiner experimentellen Untersuchungen über die explo-
siven Wirkungen von Gasen unter hohem Druck ^ zu dem Schlüsse,
dass nicht nur die, mit diamantführender, serpentiniger Masse aus-
gefüllten Löcher, sondern in gleicher Weise auch die vorher be-
sprochenen „Paus" durch Explosionen von Gasen ausgeblasen seien.
Eine solche Erklärung bestreitet nun aber Chaper auf das
entschiedenste^. „Ce ne sont point les gaz qui ont ouvert
et agrandi les events et entraine ä leur suite les boues liquides ;
celles-ci, also die schlammige Masse, sous l'influence d'une sous-
pression, ont perce Fecorce superposee, en profitant probablement
de points de moindre resistance," d. h. auf vorhandenen Spalten,
wie aus S. 948 hervorgeht: „par quelques fissures preexistantes."
Nachdem Chaper so die Entstehung dieser eigentümhchen, senk-
recht hinabgehenden, tiefen Kessel durch Gasmassen bestritten hat,
erklärt er weiter: „C'est la päte fluide qui a agrandi les boutonnieres,
d. h. die Kessel, redresse les schistes au voisinage Un
agent non elastique est seul capable de maintenir l'identite de
diametre de la chemine en traversant les roches les plus durs
Des cailloux durs, projetes avec violence par une des ouver-
* Biül. soc. geol. France. 3eme serie. T. 19. S. 313 u. 944.
2 Ebenda S. 946.
— 267 —
tures auraient ete necessairement corrodes et meme en parties
detruits^"
Chaper stellt sich also vor, dass diese 17 Kanäle durch das
Aufsteigen der schlammigen Massen entstanden seien und sagt, dass
dieser Vorgang nicht stürmisch, wie bei vulkanischen Ausbrüchen,
und auch nicht in einem einzigen Akt erfolgte. Vielmehr sei die
Masse, wie bei der Mine von Bultfontain sich deutlich an den zarten
Schichten erkennen lasse, in mehr- bis vielfachem Ausbruche in die
Höhe gedrungen.
Welche Kraft hat denn nun aber nach Chaper diese schlam-
migen Massen emporgetrieben , welche Kraft hat ihnen die Gewalt
verliehen, die 17 tiefen Kanäle mit senkrechten Wänden zu erzeugen?
Diese Kraft kann doch nur in Gasen zu suchen sein ! In der That
erklärt auch Chaper an anderer Stelle wieder, dass hier Gase im
Spiel gewesen seien. Aber er betont einmal, dass die Tempe-
ratur der serpentinigen Masse offenbar eine niedrige, gewöhnliche
gewesen sei. Es ist das eine Ansicht, welche auch von Moulle
ausgesprochen wurde. Übrigens hat, was freilich nicht genau das-
selbe besagen will, bereits Cohen seinerzeit hervorgehoben, dass sich
von einer Wärmewirkung des Tuffes nichts erkennen lasse. In
unserer Gruppe von Urach ist das anders, dort haben wir Kontakt-
metamorphismus. Zweitens erklärt dann Chaper, dass auch die
Natur, die Art der Gase eine andere gewesen sei, als dies bei vul-
kanischen Ausbrüchen der Fall ist.
Chaper bestreitet also eine vulkanische Entstehung dieses serpen-
tinigen Schlammes. Er denkt vielmehr an ein Analogon der Aus-
brüche, welche sich nicht selten bei Petroleumquellen ereignen. Wie
hier durch Kohlenwasserstoffgase von niedriger Temperatur bisweilen
nicht nur plötzliche Auswürfe von Steinöl, sondern auch mit diesem
durchtränkten Sandes erfolgten , so sei dort in gleicher Weise der
diamantführende serpentinige Schlamm zu Tage gefördert worden.
Ich kenne die südafrikanischen Diatremata nicht aus eigener
Anschauung, darf mir also kein Urteil über dieselben erlauben. Ich
möchte aber doch auf zwei Punkte hinweisen , in welchen Chaper
möglicherweise Trugschlüsse gezogen haben könnte.
Zunächst betrifft es das fast stete Fehlen des Granites in den
Einschlüssen der serpentinigen Füllmasse der Diatremata Südafrikas.
In der Gruppe von Urach finden wir Granite wohl in allen der
Ich habe das besonders zu Betonende gesperrt drucken lassen.
— 268 —
121 Tuffgänge. In den 17 diamantführenden, fraglichen Gängen
Südafrikas fehlt er fast stets. Nun liegt der Granit aber dort, wie
Chaper ausführt, nur in etwa 300 m Tiefe. Aus seinem Fehlen unter
den aus der Tiefe heraufgebrachten Massen schliesst er daher, dass
der Ausgangspunkt derselben in weniger als 300 m Tiefe, also über
dem Granit zu suchen sei. Schwerlich wird jemand einen vul-
kanischen Herd in so geringe Tiefe verlegen ; folglich handelt es sich
nicht um eine vulkanische Erscheinung. So ist die Schlussfolgerung.
Allein zunächst ist die Frage doch die, ob der Granit in allen
diesen südafrikanischen Kanälen nur in der geringen Tiefe von 300 m
liegt, oder ob das nur bei einigen derselben der Fall ist. Es würde
ja sehr gut denkbar sein , dass der Granit im allgemeinen dort in
grosser Tiefe liege und nur unter einigen dieser Kessel, einen Rücken
bildend, bis zur 300 m Teufe emporrage.
Wäre letzteres der Fall, dann würde das fast stete Fehlen des
Granites unter den Einschlüssen der Füllmasse jener Diatremata
hinsichtlich ihrer Tiefe, bezw. derjenigen des Entstehungsherdes gar
nichts beweisen. Es ist eine bekannte Thatsache, dass unter den
Auswürflingen der zahlreichen Vulkane Italiens zweifellose Granit-
stücke zu den grossen Seltenheiten gehören. Auch in den Tuffen
der Eifel finden sich fast gar keine Einschlüsse altkrystalliner Ge-
steine. VON Decken ^ führt nur am Weinfelder Maar Stücke von
Granit und Gneiss als bis dahin bekannt auf. Gleiches aber gilt von
vielen anderen vulkanischen Gegenden.
Es könnte also das Fehlen des Granites in den Einschlüssen
der fraglichen Bildungen Südafrikas nur dann gegen eine vulkanische
Entstehungsweise derselben sprechen, wenn zweifellos nachgewiesen
wäre , dass derselbe allerorten dort in der Tiefe ansteht , und dass
er überall auch bis zur 300 m Tiefe emporragt. Ist das der Fall?
Ich weiss es nicht. Übrigens wollen wir beachten, dass Moülle zu
dem ganz entgegengesetzten Schlüsse wie Chaper kommt, dass näm-
lich das diamantführende Gestein, in welchem der Edelstein ursprüng-
lich lag und aus dessen Zersetzung und Zerstäubung die serpen-
tinige Breccie hervorging, dass dieses unter dem Granite läge !
Ebensowenig kann nun aber zweitens das Fehlen von Kontakt-
wirkungen , welche von dem fraglichen serpentinigen Gesteine in
Südafrika ausgeübt wären , als ein sicherer Beweis gegen die vul-
^ Geognostischer Führer zu der Vulkanreihe der Vordereitel. Bouu 1861.
S. 254.
— 269 —
kanische Entstehungsweise desselben gelten. Vulkanische Aschen-
massen, welche erst in die Luft geschleudert w^urden und dort er-
starrten, brauchen keineswegs eine so hohe Temperatur beim Nieder-
fallen zu besitzen, dass sie metamorphosierend auf das Nebengestein
und auf ihre fremden Einschlüsse wirken, besonders wenn diese wie
in der Karoo aus Schieferthonen und Sandsteinen bestehen. Unsere
vulkanischen Tuffe der Gruppe von Urach haben auch nur in einigen
Fällen (S. 54) auf das Nebengestein , freilich ausnahmslos auf ein-
geschlossene Stücke gewirkt. Aber auf welche? Stets nur auf die
Kalke ! Alle anderen Gesteinsarten sind fast stets unverändert ge-
blieben ^ Wenn also in der Karoo Kalke , welche sich leicht ver-
ändern, anständen, so würde dort vielleicht Metamorphismus zu sehen
sein. Und wenn bei Urach umgekehrt nur Sandstein und Schiefer-
thone anständen, wäre hier wenig oder nichts von Metamorphismus
zu sehen! Das ist also kein Beweismittel, welches die Frage zur
sicheren Entscheidung zu bringen vermag. Ich sollte meinen, dass
dies aber durch die mikroskopische Untersuchung der rätselhaften
serpentinigen Masse sich ermöglichen lassen würde. Bei dem hohen
wissenschaftlichen Interesse, welches die Entstehungsweise dieser
Kanäle Südafrikas darbietet, wäre eine solche Untersuchung sehr zu
wünschen. In hohem Masse bemerkenswert, wenn auch leider nicht
von durchschlagendem Einflüsse auf die Entscheidung der Frage nach
der Herkunft des jene Kessel in Afrika füllenden serpentinigen Ge-
steines, ist eine sehr auffallende Entdeckung von Luzi^. Derselbe
hat dieses Gestein bei etwa 1770 '^ C. geschmolzen, in den Schmelz-
fluss Diamanten eingetaucht und dann das Ganze eine weitere halbe
Stunde dieser Temperatur ausgesetzt. Es zeigte sich nun, dass sich
in den Diamanten grosse Löcher von verschiedener Gestalt gebildet
hatten; wahrscheinlich, weil in dem Silikatmagma auf Kosten der
Diamantmasse Reduktionsprozesse vor sich gingen. Danach möchte
man allerdings schliessen, dass die Diamante nie in einem Schmelz-
flusse gelegen haben, denn sonst würden sie alle derartige Löcher
besitzen. Es wäre danach die serpentinige Masse also doch keine
vulkanische; denn man wird nicht annehmen wollen, dass die Dia-
manten erst später sich in derselben gebildet hätten ; bei solcher,
^ Zwar die Granite sind bisweilen metamorphosiert, das ist jedoch zweifel-
los dann nicht durch den Tuif, sondern schon in grosser Tiefe dnrch den Schmelz-
fluss geschehen.
^ Berichte der deutscheu chemischen Gesellschaft. Jahrg. 25. No. 14. Berlin
1892. S. 2470—2472. Über künstliche Corrosionsfiguren am Diamanten.
— 270 —
aber wohl ganz zu verwerfender, Annahme könnte allerdings doch
ein vulkanischer Tuff vorliegen.
Auf die Bildungsweise dieser diamantführenden serpentinartigen
Tuffe dürfte auch durch die weitere interessante Thatsache kaum
«in Licht geworfen werden, dass nach H. G. Lewis das Muttergestein
der Diamanten auf Borneo ein Serpentin, verwitterter eruptiver Peri-
■dotit ist ^ In Afrika haben wir also Diamanten in demselben Ge-
steine wie auf Borneo, nur dass dasselbe in Afrika tuffig, auf Borneo
fest ist. Leider ist aber nicht festgestellt, ob die afrikanischen Tuffe
■entstanden sind durch späteres Zerblasen eines längst festen Ser-
pentines bezw. Olivingesteines , in welchem die Diamanten sassen ;
in diesem Falle könnte der Tuff das Zerblasen ebensowohl durch
explodierende kalte Kohlenwasserstoffgase , als auch durch heisse
vulkanische entstanden sein ; hier wie da hätten wir aber nur zer-
schmettertes, durchbrochenes Gestein in den dortigen Tuffen zu sehen.
Oder ob diese Tuffe entstanden sind als echt vulkanische Asche,
durch das Zerblasen eines serpentinigen, bezw. ursprünglich olivinigen
Schmelzflusses. Die oben erwähnte Empfindlichkeit der Diamanten
gegen diesen künstlich hergestellten Schmelzfluss spricht gegen letztere
Möglichkeit.
Die Darstellung dieser hochbemerkenswerten Verhältnisse Süd-
afrikas ergiebt, dass wir bei einem Vergleiche derselben mit den eigen-
artigen Bildungen der Gfuppe von Urach zu einem abschliessenden
Urteile nicht gelangen können, weil eben das Urteil über die Ent-
stehung der ersteren wohl erst später ein endgültiges werden wird.
Die Analogien beider Gebiete sind aber schein-
bar schlagende: Hier wie dort eine Hochebene mit
wagerechter Schichtenstellung, Tafelbergen und Spitz-
köpfen mit Erosionsrand und Bruchrand. Indessen ist
das nebensächlich und zufällig. Gleiches gilt von der
weiteren Analogie, dass die harte tuffige Füllmasse der
Kanäle hier wie dort es liebt, in Form von Erhöhungen
über ihre Umgebung aufzuragen^. Nebensächlich ist
auch die Analogie, dass hier wie dort die tuffige Füll-
masse dieserKanäle inderTiefehartunddunkelfarbig^
nahe dem Ausgehenden gelb und weicher geworden ist.
^ Vergl. A. K n 0 p , Separatabdruck a. d. Bericht über die 23. Versammlung
des Oberrhein, geol. Vereins. S. 14.
'^ In unserem Gebiete freilich fast nur im Vorlande der Alb und an deren
Steilabfalle, selten auch oben auf der Hochfläche selbst.
- 271 —
Wichtig dagegen sind andere Analogien: Hier wie
dort diese Hochebene durchbohrt von tiefen Kanälen,
ohne dass, wie es scheint, Spaltenbildung bemerkbar
wird. Hier wie dort diese Kanäle mit senkrechten Wänden
hinabsetzend, von meist rundlichem oder ovalem Quer-
schnitte, ohne jene trompetenartige Erweiterung^ gegen
dieMündung hin, wie wir sie bei Maaren zu finden ge-
wohnt sind. Hier wie dort diese Kanäle erfüllt, nicht
mit festem Eruptivgestein, wie sonst fast stets auf
Erden, sondern mit einer erst später erhärteten, ur-
sprünglich lose und schüttig gewesenen Tuffmasse,
welche zahlreiche Bruchstücke des durchbrochenen
Nebengesteines einschliesst und ungeschichtet ist.
Gegenüber diesen zahlreichen, teils massgebenden,
teils nebensächlichen Analogien stehen zwar auch Unter-
schiede. Allein dieselben sind, wenn auch an sich nicht
wissenschaftlich bedeutungslos, so doch für den Ver-
gleich meist nebensächlich und gleichgültig.
Zuvörderst das vom nationalökonomischen Stand-
punkte aus allerdings bedauernswerte Fehlen der Dia-
manten in unserem Gebiete. Sodann die Seltenheit
dieser Kanäle im afrikanischen Gebiete, die Massen-
haft igkeit derselben in dem schwäbischen, 17 gegen 127.
Dies Verhältnis wird noch sehr gesteigert dadurch,
dass jene 17 Kanäle auf einer 200 km langen Strecke
verteilt sind, diese 127 dagegen nur auf einer 37 bezw.
45 km langen.
Völlig nebensächlich — wenn auch für die Erfor-
schung vom höchsten Werte — ist ferner der Unter-
schied, dass unsere Füllmassen der Kanäle durch die
Erosion an zahlreich en Stellen angeschnitten und frei-
gelegt sind, während es in Afrika erst in später Zu-
kunft einmal dahin kommen wird, so dass jetzt nur
künstliche Entblössung stattfindet. Weniger neben-
sächlich, aber doch nicht von durchschlagender Ent-
scheidungskraft, ist der weitere Unterschied, dass
^ Dass eine solche trompeten- oder trichterförmige Mündung für einen
Explosionskrater durchaus nicht notwendige Bedingung ist, zeigen, abgesehen
von unseren Maaren der Gruppe von Urach, die fast in statu nascendi durch
Naumann beobachteten beiden Explosionskratere auf Japan, S. 228.
— 272 - ■
unsere Tuffe häufig^ eine Kontaktmetamorphos e er-
kennen lassen, jene jedoch niemals.
So ist die Summe der Ähnlichkeiten zwischen den
fraglichen Bildungen beider Gebiete eine erdrückende
gegenüber derjenigen der Unähnlich keiten. In der
Gruppe von Urach liegen zweifellose vulkanische Bil-
dungen vor. Sind jene südafrikanischen Gebilde wirk-
lich nicht vulkanischer Entstehung, sondern nur das
Erzeugnis von Schlammvulkanen, so sind die Ähnlich-
keiten nur äusserlicher Natur. Letztere hat dann auf
zweifach verschiedenem Wege, auf vulkanischem wie
pseudovulkanischem, fast völlig Übereinstimmendes
erzeugt. Nur die Beschaffenheit des Tuffes — hier
basaltischer, eruptiver, echter Tuff; dort zerriebene,
schlammige Masse präexistierender Gesteine — würde
einen massgebenden Unterschied bilden. Sind dagegen
jene südafrikanischen Gebilde gleichfalls echt vulka-
nischer Herkunft, dann haben wir in ihnen für unsere
ziemlich vereinzelt auf Erden dastehenden Bildungen
der Gruppe von Urach ein schönes Analogon gefunden.
Wenn wir nun in den bisher betrachteten Gegenden nur ver-
einzelt und nur fraglich vulkanische Bildungen gefunden haben,
welche mit den im Gebiete von Urach auftretenden so eigenartigen
Verhältnissen übereinstimmen könnten , so finden wir in dem jetzt
zu besprechenden von Central-Schottland die vollste Analogie.
Hier wie dort dieselben Tuffbreccien in derselben gang-
förmigen Lagerung, derselbe meist rundliche bis ovale
Querschnitt der Ausbruchsröhren, dieselbe Unabhängig-
keit der letzteren von Spalten und Bruchlinien. Aber
das Gebiet von Urach besitzt gegenüber jenem den
schwerwiegenden Vorzug, dasswir hier den Zusammen-
hang dieser eigentümlichen Gänge mit einstigen Maa-
ren, in den verschiedensten Denudationsstadien, nach-
weisen können, während man dort, in Schottland, hin-
sichtlich dieser Frage im dunklen bleibt. So bietet
uns das Gebiet von Urach den Schlüssel für das Ver-
ständnis der dortigen Bildungen.
^ Häufig nnr gegenüber den eingeschlossenen Bruchstücken der durchbro-
chenen Gesteine. Selten gegenüber dem Nebengesteine, in welchem sie aufsetzen.
— 273 —
Um die völlige Übereinstimmung vor Augen zu führen, ist es
nötig, näher auf diese schottischen Verhältnisse einzugehen. Das
betreffende Gebiet befindet sich in der Nähe von Edinburg, am Firth
of Forth. Wie bei uns die Schichten des Jura, so sind dort diejenigen
des Carbon von den vulkanischen Massen durchbrochen worden.
Geikie hat dasselbe untersucht und in der unten stehenden Abhand-
lung beschrieben \ auf welche Herr Geheimrat Rosenbusch meine
Aufmerksamkeit zu lenken die Freundlichkeit hatte.
Die Mannigfaltigkeit dieser schottischen Bildungen ist indessen
dort eine viel grössere wie bei uns. Dort treten Basalte und Porphy-
rite auf, hier nur Basalte. Aber auch die Mannigfaltigkeit der
Lagerungsverhältnisse ist dort eine sehr viel grössere, nämlich eine
vierfache: einmal sind dieselben derart, dass zu carboner Zeit Lava-
ströme an der Tagesfläche ausflössen und nun , von späteren Ab-
lagerungen des Carbon bedeckt, denselben eingeschaltet sind. An
anderen Stellen finden sich intrusive Gänge festen Eruptivgesteines,
welches nie die Erdoberfläche erreichte, sondern in der Tiefe blieb,
die Schichten des Carbon durchsetzend oder zwischen sie eindringend.
Gegenüber diesen beiden Lagerungsformen fester Gesteine treten
dann ebenfalls zwei verschiedenartige loser Massen , der Tuffe auf.
Teils sind letztere ausgeworfen und auf diese Weise, wie ja sonst
überall auf Erden, der damaligen Oberfläche aufgelagert worden. Teils
aber findet man sie als Ausfüllungsmasse der Ausbruchskanäle und in
diesen Tuftgängen dann bisweilen aufsetzend wieder kleine Basaltgänge.
Während unserem Gebiete die drei erstgenannten Erscheinungs-
weisen völlig fehlen , stimmt die letztgenannte durchaus hier und
dort überein. Geikie nennt diese tufferfüllten Röhren rundlichen bis
ovalen Querschnittes „necks". Nicht immer ist der Umriss ein so
regelmässiger, ihre Gestalt also derart, als sei ein gewaltiges Bohr-
loch durch die Erdrinde gestossen. Es giebt auch , ganz wie bei
uns^, Abweichungen. So z. B., wenn der Tuff in Spalten und Ritzen
der Röhre hineingeblasen wurde da, wo die Gesteinsbeschaffenheit
überhaupt die Entstehung solcher bei dem gewaltsamen Ausblasen
vermittelte ^. Oder wenn zwei ganz dicht nebeneinander liegende
Röhren zu einer einzigen zerflossen^.
^ On the Carboniferous volcanic rocks of the basiu of the Firth of Forth.
Transact. Royal soc. Edinburg. Vol. 29. 1879. S. 437—518. Taf. 9—12.
^ Zweiter Gang an der Gutenberger Steige No. 43.
•'' Geikie, S. 469. Fig. 12.
* Geikie, S. 457. Fig. 3.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1695. 18
— 274 —
Der Durchmesser dieser Röhren schwankt zwischen kaum
100 Fuss und 1,4 km \ also zwischen ähnhch weiten Grenzen wie
in unserem Gebiete ^.
Höchst eigenartig ist eine Erscheinung , welche in letzterem
ganz unbekannt ist und wohl kaum vorkommt. In der Regel sind
nämlich in Schottland die durchbohrten Schichten im ganzen Um-
Icreis dieser Röhren stark abwärts gebogen. Hierbei sind sie meist
stark metamorphosiert. Die Ursache ist Geikie fraghch. Er ver-
mutet (S. 469), dass die Schichten zuerst durch die Hitze gehärtet
und dadurch brüchig geworden seien. Bei dem später erfolgenden
Sichsetzen der losen Tuffmasse in der Röhre seien die Schichten
dann rings um dieselbe nachgesunken (s. die Fig. auf S. 276).
Die Ausfüllungsmasse dieser necks oder Röhren besteht nun
in Schottland entweder nur aus zerschmetterten Bruchstücken des
Nebengesteines, oder es finden sich diese mehr in den äusseren
Teilen der Röhre, während die Seele derselben mehr durch Tuff er-
füllt ist; oder der Tuff' herrscht ganz vor (S. 458 — 459). Endlich
können Basaltgänge in diesen Tuffgängen aufsetzen oder fehlen.
Also ganz ähnhche Verhältnisse wie in unserem Gebiete von Urach.
In gleicher Weise zeigen sich hier wie dort die im Tuffe
liegenden Bruchstücke der durchbrochenen Schichten metamorphosiert.
Nach den Versuchen von Heddle (S. 459) hat die Temperatur, welche
auf diese Stücke eingewirkt hat, zwischen 660 und 900" Fahrenh.,
also 236 und 321*^ C. geschwankt, sie ist also ebenfalls, wie bei
unseren Tuffen, nur eine massige gewesen.
Wie in unserem Gebiete^, so finden sich auch in Schottland
unter den zahlreichen, mit Tuff erfüllten Röhren einige solche, deren
Füllmasse aus Basalt besteht (S. 451).
Die schottischen Tuffbreccien sind massig; aber häufig zeigen
sich auch deutliche Spuren von Schichtung, besonders da, wo die
Röhre einen grossen Durchmesser besitzt (S. 464). Es wechseln
dann Lagen gröberen und feineren Materiales miteinander ab, und
die dadurch entstehenden unregelmässigen Schichten sind häufig sehr
steil bis senkrecht, so dass sie im Sinne des Bergabhanges fallen.
Alle diese Verhältnisse finden sich mehr oder weniger auch in unserem
Gebiete. Geikie ist der Ansicht, die Neigung dieser Schichten deute
an, dass man sich an der betreffenden Stelle im alten Krater, welcher
^ 37 yards ä 3 engl. Fuss und 1 engl. Meile.
^ Der grösste Durchmesser im Gebiete von Urach beträgt nur 1 km.
ä Eisenrüttel, Dinteubtihl, Sternberg, Zittelstadt, Buckleter.
— 275 —
in seiner Gestalt nie mehr zu erkennen sei — oder doch im obersten
Teil der Ausbruchsröhre befinde (S. 465 u. 470). Es liege ganz
dieselbe Erscheinung vor, wie wir sie noch heute in den Krateren
der Vulkanberge beobachten können, deren Tuffschichten im Innern
des Kraters in diesen hineinfallen. In unserem Gebiete von Urach
nun findet sich eine steile Neigung im Sinne des Bergabhanges
fallender, angedeuteter Schichten, welche letztere ich als Absonde-
rung beschrieben habe, häufig in so tiefem Niveau der Tuffsäule,
dass hier von der Nähe des ehemaligen Kraters nicht die Rede sein
kann. Ich habe diese Verhältnisse auf S. 10 besprochen.
Die in Rede stehenden Tuffbreccien Schottlands enthalten nicht
selten Stücke eines älteren , geschichteten Tuffes als Einschluss im
massigen. Genau wie in unserem Gebiete deutet das auf wieder-
holte Ausbrüche hin, während welcher eine Zeit der Ruhe lag.
Letzteres wird für Schottland noch durch eine weitere Eigen-
tümlichkeit bewiesen, welche unseren Tuffen durchaus fehlt (S. 23).
Es finden sich nämlich dort in den Tuffbreccien überaus häufig Stücke
von Koniferenholz Geikie nimmt daher an , dass der Kraterboden
der betreffenden Röhre während einer solchen Zeit der Ruhe sich
mit Wald überzogen habe, welcher dann bei einem späteren Ausbruche
zerstört worden sei. Da fast alle necks Holz enthalten, so muss man
für das ganze Gebiet eine solche, durch eine lange Pause getrennte
Wiederkehr der Ausbrüche annehmen. Bei uns fehlt Derartiges. Nun
nimmt aber Geikie weiter an, dass die Ausbrüche, welche diese Basalt-
und Porphyrittuffe lieferten, während carboner Zeit vor sich gegangen
seien. Da jedoch in den durchbrochenen Carbonschichten nur andere
Pflanzenreste, nicht aber solche von Koniferen liegen, so sucht er
das in der folgenden Weise zu erklären. Das Gebiet, in welchem
die dortige Steinkohlenformation entstand, war eine Lagune. Aus
dieser ragten als Inseln die Vulkane hervor, deren Tuffgänge in den
necks vorliegen. Letztere führen deshalb Koniferenholz, weil auf
diesen Inseln Nadelwald bestand, während in der Lagune eine Vege-
tation anderer Pflanzen herrschte (S. 470).
Da zahlreiche Stücke der durchbrochenen Carbonschichten in
den Tuffen liegen, so können erstere doch erst nach ihrer Verfestigung,
also wohl nach der Carbonzeit, in den Tuff gelangt sein; die Aus-
brüche können also nicht wohl gleichalterig mit der Steinkohlen-
epoche sein. Wir sind auch so sehr gewöhnt, den Basalt als ein
Gestein tertiären Alters zu betrachten, dass man die Ausbrüche,
welche die Basalttuffe heferten, sogar für sehr viel jünger als das
18*
— 276 —
Carbon halten möchte. Indessen steht mir selbstverständlich über
diese Frage kein Urteil zu ; um so weniger, als wieder andere Röhren
(Braid Hills) mit Felsittuff erfüllt sind, welchem man ohne weiteres
ein hohes geologisches Alter zutraut. Geikie hält auch jene Basalt-
tuffe für palaeozoischen Alters.
Geradezu schlagend muss die Übereinstimmung in der äusseren
Erscheinungsweise dieser Tuffgänge hier und dort sein. Geikie schildert
(S. 455), wie sich dieselben als isolierte Kegel von rundlichem oder
elliptischem Umrisse mit sanften, rasenbedeckten Gehängen über
ihre Umgebung erheben. Da, wo ein Gang von Basalt in denselben
aufsetzt, ragt er als Klippe empor. Da, wo die ganze Röhre nur
mit festem Gestein erfüllt ist, bildet diese eine steilere Emporragung.
Genau also wie in unserem Gebiete besitzen die Tuffbreccien eine
solche Festigkeit, dass sie, der Verwitterung besser Widerstand
leistend, als die Sedimentärschichten, kegelförmig emporragen. Auch
in der Art der Blosslegung dieser Gänge durch die Denudation zeigt
sich Gleiches. So schildert Geikie (S. 472 Fig. 14) den Tuffkegel
des Binn of Burntisland, von dessen Südabhang die Untercarbon-
schichten bereits so tief abgeschält sind, dass er hier als 500 Fuss
hoher Kegel aufragt, während die anderen Gehänge weit höher
hinauf noch in ihrem Nebengestein stecken.
Mf g~asaU iSanc(st.
Binn of B urtislancf nach G e üd e .
iXfJKst. sSchiefer
Es zeigt also eine Vergleichung des Gebietes von Urach und
jener schottischen Tuffgänge, bis auf nebensächliche Unterschiede,
eine vollständige Übereinstimmung. Unser Gebiet von Urach lässt
uns aber mehr erkennen als dasjenige Centralschottlands. Wir
sehen bei uns , dass diese Tuffgänge , wie auch die vereinzelten
Basaltgänge rundlichen Querschnittes, mit ehemaligen Maaren in
engster Beziehung gestanden haben; also mit embryonalen Vulkan-
bildungen. Geikie dagegen nimmt an, dass diese Necksgänge zu
echten Vulkanen gehörten; also zu auf die Erdoberfläche aufgeschüttet
gewesenen Bergen. Solange man hierbei nur an solche Vulkankegel,
wie der Monte Nuovo bei Neapel, denkt, die nur aus losem Materiale
aufgeschüttet sind, wird sich gegen eine solche Vorstellung nichts
— 277 —
einwenden lassen; denn in diesem Falle wird, da der Schmelzfluss
in grosser Tiefe bleibt, auch die in die Tiefe führende Röhre nur
mit losem Materiale erfüllt sein.
Sowie man aber an grössere Vulkane denkt, welchen auch
Lavaströme entquollen , wird eine solche Vorstellung nicht mehr
zulässig sein ; denn in diesen ist die Lava in der Röhre bereits
bis zur Tagesfläche aufgestiegen. Sie hat also den Tuff aus dieser
herausgefegt und nur feste Masse kann nach der Erstarrung die
Röhre erfüllen. Auch in den Fällen, in welchen hier der Schmelz-
fluss nach dem Ausbruche in die Tiefe versinkt, wird er wenigstens
die tieferen Teile der Röhre erfüllen und über diesem festen Pfropfen
könnte höchstens eine von oben herabgespülte und hinabgefallene
Tuffmasse liegen.
Schon diese Umstände machen es mir wahrscheinlicher, dass
in jenen schottischen Tuffgängen rundlichen Querschnittes ganz
dasselbe vorliegt wie in den unseren: nämlich nicht die in die
Tiefe führenden Ausbruchsröhren fertiger, sondern solche embryonaler
Vulkane , von Maaren. Diese Auffassung findet eine gewichtige
Stütze in dem folgenden Verhalten. Wie Geikie berichtet, sind den
dortigen Tuffen zahllose Stücke der durchbrochenen Carbonschichten
beigemengt. Dieselben entstanden, wie er selbst auf S. 455 erklärt
und wie wir auch für unser Gebiet nur annehmen können, dadurch,
dass explodierende Gase eine Röhre senkrecht durch die Erdrinde
ausbliesen. Daraus folgt nun mit zwingender Notwendigkeit, dass
nur bei der Entstehung der Röhre, also bei der ersten embryonalen
Anlage des Vulkans , so zahllose Bruchstücke der durchbrochenen
Schichten gebildet werden und in den Tuff geraten konnten. Hält
dagegen die vulkanische Thätigkeit weiter an , so muss durch die
späteren Ausbrüche jenes ältere Material m.ehr und mehr aus der
Röhre herausgefegt werden. An dessen Stelle wird dann das neue
abgesetzt, welches nur noch vereinzelte 'Bruchstücke erhält, bis auch
dieses durch die aufsteigende Lava herausgeschoben wird. Ich
möchte also schliessen:
Tufffüllung einer A usbruchsrö hre legt bereits den
Verdacht nahe, dass es sich hier um ein einstiges Maar
oder doch nur um einen niedrigen Aschenkegel handele.
Sind diesem Tuffe aber noch zahllose Stücke der durch-
brochenen Schichten beigemengt, so wird es noch
wahrscheinlicher, dass wir es nur mit dem ersten Be-
ginne von Vulkanbildu ng, mit einem Maare zu thun
- 278 —
haben. Da in Schottland der Tuff sich derart verhält,
so ist es wahrscheinlicher, dass die dortigen Necks
zu Maaren als zu fertig ausgebildeten Vulkanen in
Beziehung standen. Auch die im dortigen Tuffe so zahlreichen
Holzstücke hindern eine solche Anschauungsweise nicht. Geikie nimmt
an, die Bäume hätten im Krater gestanden und seien dann später
bei Ausbrüchen in den Tuff gelangt. Sie können aber doch eben-
sogut bereits vor Beginn der Ausbrüche oben auf der Erdoberfläche
einen Wald gebildet haben , so dass sie bei Entstehung der Aus-
bruchskanäle dann auf dieselbe Weise wie die durchbrochenen Ge-
steine in den Tuff gelangten. Dass diese Bäume anderen Arten an-
gehören, als die in den Karbonschichten liegenden, würde sich leicht
dadurch erklären lassen, dass die Ausbrüche geologisch viel jünger
sind, als die Karbonzeit. Die Maarnatur würde also durch die Hölzer
im Tuffe nicht widerlegt werden.
Mindestens möchte man das für die oder doch viele der mit
Tuff erfüllten Röhren geltend machen. Völlig zweifellose Richtigkeit
hat diese Auffassung gegenüber denjenigen Röhren, welche keinen
Tuff führen, sondern nur mit zerschmettertem, durchbrochenem Ge-
steine erfüllt sind ^. Geikie selbst sagt von denselben, dass dies die
erste Phase beim Ausblasen einer solchen Röhre sei. Diese erste
Phase aber ist diejenige eines soeben entstandenen Maares!
Wie in anderen Maargebieten, z. B. dem der Eifel, neben den
Maaren an anderen Stellen auch fertige Vulkane gebildet wurden,
so ist das auch in Schottland der Fall gewesen. Zeugnis dessen
sind die anderen dortigen, nicht in Röhren, sondern der damaligen
Erdoberfläche aufgelagerten Tuffmassen, welche also ausgeworfen
wurden, sowie vor allem die ausgeflossenen Lavaströme.
Aus diesem doppelten Verhalten der schottischen Tuffe, welche
teils in Röhren ein-, teils nur an der Oberfläche aufgelagert sind,
in beiden Fällen aber Kegelberge bilden, geht aufs klarste hervor,
wie notwendig für unser Gebiet die genaue Untersuchung eines
jeden der zahlreichen Tuffvorkommen auf ihre Lagerung hin war.
Mit dem alleinigen Analogieschlüsse, dass, weil ein Teil unserer
Tuffe ersichtlich gangförmig gelagert ist, auch alle übrigen, bei
welchen das nicht so in die Augen fiel, die gleiche Lagerung be-
sitzen müssten, konnte man möglicherweise einen grossen Irrtum
begehen; denn warum hätte nicht auch in unserem Gebiete ein
1 Geikie, S. 458.
— 279 —
Teil der Tuffe einfach aufgelagert gewesen sein können?^ Indem
sich nun aber durch unsere Untersuchung heraus-
gestellt hat, dass hier wohl ausnahmslos alle der etwa
121 Tuffmassen Maartuffgänge bilden, tritt gegenüber
den so verwandten Erscheinungen in Schottland das
Eigenartige unseres Gebietes von Urach um so schärfer
hervor. Dasselbe stellt sich uns dar, wenn der Aus-
druck gestattet ist, als eine Brutstätte von Vulkanen,
in welcher es bei keinem einzigen derselben zur wei-
teren Ausbildung über das embryonale Stadium hinaus-
kam. Diese eigenartige Stellung behält unser Gebiet
von Urach aber auch gegenüber den wenigen anderen,
zweifellosen Maargebieten der Erde, wie der Eifel und
der Auvergne; denn auch in diesen kam es, wie in
Mittelschottland, neben den embryonalen, den Maaren,
zur Ausbildung fertiger, vollendeter Vulkane. Aber
auch hinsichtlich der Dichtigkeit, in welcher die Maare
auftreten, bezw. in welcher ihre Röhren die Gebirgs-
platte siebartig durchbohren, überragt unser Gebiet
von Urach die wenigen anderen Maargebiete weit, und
sogar den dichtesten Teil des schottischen noch um
etwas. Dieser besitzt auf 1 QMeile^ etwa 14 Durch-
bohrungen; dagegen die dichtesten Teile des unserigen
um Owen 18, W. und N. vom Jusi sogar 22.
Zwischen dem schottischen und dem unserigen Gebiete besteht
noch eine weitere Analogie , welcher eine hohe Bedeutung für die
allgemeine Geologie zukommt. Geikie bespricht auch an anderer
Stelle^ diese „necks" genannten Schlote oder Röhren und sagt von
denselben : „Ma-^i könnte annehmen, dass Schlote sich immer
auf Bruchlinien erheben. Aber in Centralschottland,
wo sie im Gebiete des Carbon häufig sind, findet man
nur ganz ausnahmsweise einen Schlot auf einer Spalte.
Im allgemeinen scheinen sie unabhängig zu sein von
der Struktur des sichtbaren Teils der Erdrinde, durch
welche sie sich erheben." Das ist ganz dieselbe Beob-
achtung also, welche sich in unserem Gebiete vonUrach
aufdrängt. Auch hier scheinen die Röhren der Maar-
1 s. 1894. S. 680; Teil II. S. 57.
2 Auf 3,6 □Meilen 50.
3 Text-book of geology. 3 edit. London 1893. S. 584—589 im § 4.
— 280 —
tuffgänge unabhängig von dem vorherigen Dasein von
Spalten quer durch die Erdrinde ausgeblasen worden
zu sein (vergl. S. 131). In gleicher Weise entsteht auch
hier, infolge der dichten Scharung dieser Röhren, das
Bild eines wie ein Sieb durchlöcherten Gebirgsstückes.
Geikie führt nämlich an, dass ein 3 geographische Meilen (15 miles)
langes und l^/g Meile (6 miles) breites Gebiet, der East of Fife-
District, nicht weniger als 50 solcher mit Tuffbreccie erfüllten Röhren
aufweise. Es ist dies der an solchen Bildungen reichste Teil jener
Gegend; die anderen besitzen bei weitem nicht so viele Tuffgänge.
Die vulkanischen Bildungen des Mondes im Vergleiche mit
denjenigen der Gruppe von Urach.
Sind die vulkanischen Bildungen des Mondes Vulkanberge oder Maare? v. Strantz,
Elie de Beaumont, A. v. Humboldt, Dauerte, Gilbert. Gestalt und Grösse
der Mondkratere ; verschiedene Typen derselben nach Gilbert. Die drei ver-
schiedenen Typen der Erdkratere nach Dana : Vesuvischer, Hawaischer, Maare.
Gilbert's Vergleich derselben mit denen des Mondes : Weder mit dem vesuvi-
schen noch mit dem hawaischeu Typus stimmen die Mondkratere überein ; nur
die kleinsten derselben könnten als Maare gedeutet werden. Andere Erklärungs-
versuche der Mondkratere: Durch geplatzte Blasen; durch Gezeiten; durch
Eis ; durch auf den Mond gefallene Meteorite. Gilbert's Möndchen-Hy'pothese
Erklärung noch anderer Oberflächenerscheinungen durch Gilbert's Hypothese.
Gründe , welche trotzdem für eine vulkanische Entstehung der Mondkratere
sprechen. Die Frage, ob noch heute auf dem Monde Vulkanausbrüche sich
vollziehen. Gilbert giebt zu, dass die Hälfte aller Mondkratere Maare sein
könnten. Geringere Schwere und fehlender Luftdruck auf dem Monde. Geringere
Grösse und Häufigkeit der Maare auf Erden als auf dem Monde. Im vulkani-
schen Gebiete von Urach ist die Zahl der Maare bezw. Kratsre auf 1 QMeile
einige 70 mal grösser als durchschnittlich auf dem Monde. Die Innenterrassen.
Die Rillen. Zusammenfassung. Die Ansicht von Prinz, welcher vielen Mond-
krateren und Maaren einen polygonalen Umriss und Entstehung durch Ein-
bruch zuschreibt.
Bei einer Arbeit, welche die Explosionskratere, die Maare zum
Gegenstande hat, wird sich erklärlicherweise der Blick auf die Ober-
flächengestaltung des Mondes richten. Allein die uns zugewendete
Seite desselben trägt nach Faye 20 — 30000 kreisförmige Vertiefungen,
welche irdischen Explosionskrateren ähnlich sehen. Man hat sie
Wallebenen , Ringgebirge , grösstenteils aber Kratere genannt , weil
ihre Ähnlichkeit mit irdischen Vulkankrateren keine andere Deutung
zuzulassen schien. Erst später entstanden dann verschiedene Hypo-
thesen, welche diese eigentümlichen Bildungen auf andere Ursachen
zurückzuführen suchten. Wir werden dieselben später zu besprechen
— 281 —
haben. Namentlich ist von dem amerikanischen Geologen Gilbert —
demselben, welchem wir die bemerkenswerte Arbeit über die eigen-
artigen Lagerungsverhältnisse verdanken, welche mit den Lakolithen
verknüpft sind — neuerdings eine Arbeit erschienen , welche die
vulkanische Entstehung der ]\Iondkratere durchaus bekämpft. Indem
er eine andere Hypothese an Stelle der vulkanischen setzt, sucht
er aber nicht nur die Entstehung der Kratere des Mondes zu er-
klären, sondern aus dieser Hypothese heraus versucht er auch noch
eine Anzahl anderer Probleme der Oberflächengestaltung des Mondes
zu lösen. Ich will zunächst den Inhalt dieser interessanten Arbeit
wiedergeben und dann die Gründe geltend machen, welche meines
Erachtens nach trotzdem die Annahme einer vulkanischen Entstehungs-
weise der Mondkratere einleuchtender machen.
Ich beginne mit einer Beschreibung der Mondkratere^.
Der Umriss der Mondkratere ist, wie Gilbert sagt, fast stets ein
kreisförmiger. Das ist jedoch ein Irrtum, denn nach einer freund-
lichen Mitteilung des Herrn Kollegen Weinland in Prag ist der Um-
riss in Wirklichkeit bald rund, bald oval, bald unregelmässig. Ich
möchte hierbei nicht unterlassen, auf die herrlichen Tuschierungen
und direkten Vergrösserungen aufmerksam zu machen, welche der
Direktor der k. k. Sternwarte zu Prag , Professor Weinland , nach
den von der Lyck-Sternwarte in Californien aufgenommenen Mond-
photographien gemacht hat und noch weiter macht. Wir erhalten
auf solche Weise Bilder der Mondoberfläche von einer Grösse, Schärfe
und Genauigkeit, wie man solche bisher nicht gekannt hat; Bilder,
welche eine neue Ära der Mondtopographie bezeichnen und vieles
Unklare aufhellen werden^. Ich werde später mehrfach Gelegenheit
haben, mich auf die Beobachtungen Weinland's zu berufen.
Der Durchmesser dieses Kreises schwankt nach Gilbert^ zwi-
schen 160 geogr. Meilen und V5 geogr. Meile bezw. noch weniger,
* Die Zahlenangaben betreifend bemerke ich, dass ich 1 engl. Meile
— 5000 engl. Fuss == 1524 in zu rund 0,2 geographische lileilen gerechnet habe.
Wenn letzteres auch nicht ganz genau ist, so thut das hier nichts zur Sache,
da ja die Zahlenangaben selbst nicht ganz genau sein können. Bei Angaben
von Füssen gelten englische Fusse. Ungefähr stimmen diese ja auch mit unseren
überein.
'^ Astronomische Beobachtungen a. d. k. k. Sternwarte zu Prag i. d. Jahren
1888, 1889, 1890, 1891, nebst Zeichnungen und Studien der Mondes. S. 40—89.
9 Taf. Prag 1893. Ausserdem viele neuere Tafeln.
' Gilbert, The moon's face. Philosophical society of Washington. Bull.
Vol. 12. 1893. S. 241-292. Taf. 3.
— 282 —
denn es wird wohl Kratere geben, welche so klein sind, dass wir
sie nicht sehen können. Weinland hat, nach freundlicher Mitteilung,
deren gefunden, welche 0,51 und 0,2 km Durchmesser besitzen.
Der innere Boden des Kraters wird durch eine Ebene gebildet, welche
meist mehrere 1000 Fuss tiefer liegt, als die Ebene der umgebenden
Mondoberfläche.
Wir erhalten also auf solche Weise eine „Innenebene" im Krater
und eine „Aussenebene", d. i. die Mondoberfiäche, in welche der-
selbe eingesenkt ist. Beide sind von einander getrennt durch einen
kranzförmigen Wall, welcher die Innenebene umschliesst. Nach aussen
ist dieser kranzförmige Wall sanft abgedacht; bisweilen zeigt sich
hier eine leise radiale Furchung, wie wenn Lavaströme bergab ge-
flossen wären. Nach innen dagegen fällt der Wall oder Kranz steil
ab. Das geschieht jedoch nicht in einem einzigen Abstürze, sondern
in mehreren Terrassen. Diese wiederum erscheinen nicht regelmässig
ringförmig , sondern sie sind teilweise unterbrochen ; auch sind sie
uneben. So gleichen sie solchen Terrassenbildungen der Erde, welche
durch Abrutschungen entstehen; z. B. an den Flanken einer steil
abfallenden Hochfläche, deren oberste Schicht von einer festen Basalt-
decke eingenommen wird, von welcher dann infolge von Untergrabung
grosse Schollen abbrechen und in geneigter Lage unregelmässig an
dem Steilabfalle liegen (s. Fig. 108 auf S. 285).
Indem die Innenebene tief in die Mondoberfläche eingesenkt
liegt, erhebt sich der Kranz über der Innenebene zwischen 5 und
10 000 Fuss , während er über die Aussenebene nur 2 — 4000 Fuss
aufragt. Je grösser der Durchmesser der Kratere , desto niedriger
ist aber in der Regel der Kranz. Schliesslich kann er sogar gänzlich
fehlen, so dass sich dann keine feste Grenze mehr zwischen solchen
Innenebenen von Krateren und den „Meere" genannten Ebenen
ziehen lässt.
Gilbert unterscheidet nun kleine , mittlere und grosse Mond-
kratere. Die grossen, von über 20 geogr. Meilen Durchmesser, und
die mittleren besitzen einen wagerechten inneren Boden, eine Innen-
ebene und innere Terrassen. Auch ein innerer Kegel kommt hier
vor : Bei der Hälfte aller Kratere mittlerer Grösse ist er vorhanden.
Wenn der Durchmesser aber über 20 geogr. Meilen erreicht, ist er
selten und bei den ganz grossen fehlt er gänzlich.
Gegenüber diesen grossen und mittleren stehen die kleinen
Mondkratere , welche anders beschaffen sind. Der Innenkegel fehlt
hier stets und eine wagerechte Innenebene ist ebenfalls selten, sowie
— 283 —
der Durchmesser unter 1 geogr. Meile herabsinkt. So gleichen diese
kleinen , besonders die von 0,8 geogr. Meilen Durchmesser an ab-
wärts , häufig einfachen Tassenkopf bildungen , und bei den unter
0,4 geogr. Meilen Durchmesser ist das stets der Fall.
Vergleichung der Mond- und Erdkratere.
Vergleichen wir nun mit Gilbert diese Mondkratere mit denen
der Erde, zunächst hinsichtlich ihrer Grösse, so ergiebt sich ein ganz
gewaltiges Übergewicht zu gunsten der ersteren. Während die gröss-
ten Kratere auf Erden einen ungefähren Durchmesser von etwa
3 geogr. Meilen besitzen \ kommt denjenigen des Mondes ein solcher
bis zu 160 geogr. Meilen zu.
Bei weitem nicht so bedeutende Unterschiede ergeben sich be-
züglich der Tiefe der Kratere. Diese erreicht bei denen des Mondes
ein Mass von 0,3 — 0,6 geogr. Meilen; bei denen der Erde bis zu
0,12, vielleicht 0,16 Meilen 2.
Ganz wesentliche Unterschiede ergeben sich dagegen hinsicht-
hch der Gestalt der Vulkane der Erde und des Mondes. Wir
können bei den irdischen drei verschiedene Typen unterscheiden :
Der gewöhnlichste Typus der Erdvulkane, der vesuvische
Typus, welchem fast alle angehören, ist erzeugt von durchwässerten
Laven und daher aufgebaut durch einen Wechsel von Lavaströmen
und losen Auswürflingen. So entsteht ein kegelförmiger Berg mit
einem trichterförmigen Krater an der Spitze, Durch Explosionen
oder Einsturz kann dieser kleine Krater dann zu einem solchen von
ganz bedeutend grösserem Umfange umgewandelt werden, und spätere
Ausbrüche lassen in der Mitte desselben abermals einen neuen Kegel
mit Krateröffnung am Gipfel emporwachsen. Fast immer liegt bei
solchen Krateren des vesuvischen Typus der innere Kraterboden
höher als das den Kegel umgebende Gelände (s. S. 284 Fig. 109),
Mit diesem vesuvischen Typus der irdischen Kratere haben nun
diejenigen des Mondes wenig gemeinsam. Fast stets liegt hier der
innere Boden umgekehrt um mehr als das Doppelte niedriger als
das umgebende Gelände, Der Mondkrater ist also in die Oberfläche
' Der Kratersee Bombon auf der Insel Luzon hat 3,2 und 2,8 geographi-
sche Meilen Durchmesser ; der Krater Asosan auf der japanischen Insel Kiushiu 3 ;
der Kratersee von Bolsena in Italien 2,2 u. 1,8.
^ Der Mondkrater Theophilus hat nach Ebert 15300 engl. Fuss Tiefe.
In Oregon hat man einen Kratersee zu 3000 Fuss Tiefe gemessen und der Pichincha
Tvird zu 3000—4000 Fuss geschätzt.
— 284 —
dieses Trabanten eingesenkt, der Erdkrater dagegen in die Spitze
eines Kegels.
In gleicher Weise, wenn der vesuvische Erdkrater noch einen
zweiten, inneren Kegel besitzt, so hat auch dieser wieder einen Krater
an der Spitze; er ist ein verkleinertes Abbild des grossen Kegels
und kann den äusseren Kraterwall an Höhe überragen. Wenn da-
gegen der Mondkrater einen inneren Kegel besitzt, so hat dieser
nach Gilbert keinen Krater an der Spitze. Er besitzt eine andere
Gestalt als der grosse äussere und erreicht niemals die Höhe dieses
äusseren Ringwalles, sogar nur selten diejenige der äusseren Mondebene.
Aus diesen Unterschieden schliesst Gilbert, dass die Mond-
vulkane nicht, wie diejenigen des vesuvischen Typus der Erde, aus
einer durchwässerten Lava hervorgegangen sein können.
Figr.!09.
NachVelain fdeLapparent psLqA%.)
Enclo^u.PitonBory^InselReunion.
Anders verhalten sich die seltenen Erdvulkane von hawaischem
Typus. Hier enthält der Schmelzfluss so wenig Wasser, dass heftige
Explosionen und damit grosse Aschenmengen fehlen. Der Vulkan-
berg, an dessen Spitze sich der Krater befindet, wird daher wesent-
lich nur durch feste Lavaströme aufgebaut. Im Zustande der Ruhe
steht die Lava in dem Krater gleich einem See und dieser kann
sich unter Umständen auch mit einer Erstarrungskruste bedecken.
Durch letztere entsteht natürhch im inneren Kraterboden eine Ebene.
Bisweilen fliesst die Lava dann wieder in die Tiefe hinein ab. In
der Mitte bricht die Kruste nach; in der Peripherie, in welcher sie
an dem Ringwalle eine Stütze findet, ihm gewissermassen angewach-
sen ist, bleibt sie stehen. Dadurch bildet sich nun natürlich eine
innere Terrasse rings um den Krater, wie das bei dem Kilauea der
Fall ist.
Dana hat schon vor langen Jahren darauf hingewiesen, dass
diese auf Erden seltenen Vulkanberge des hawaischen Typus denen
— 285 —
des Mondes weit mehr gleichen als jene ersteren, gewöhnhchen des
vesuvischen Typus. Die Ähnlichkeit beruht auf dem Dasein der
soeben geschilderten inneren Ebene und der Terrassenbildung am
inneren Abhänge des Kraterwalles.
Trotzdem aber weichen sie von einander in einer Reihe von
Eigenschaften ab, welchen Gilbert das Übergewicht über jene über-
einstimmenden zuerkennen möchte : Der Krater dieser irdischen Vulkan-
berge des hawaischen Typus befindet sich ebenfalls, wie bei dem
vesuvischen Typus, auf dem Gipfel eines Berges. Bei denen des
Mondes ist das aber nicht der Fall, denn sie sind nur in die Mond-
oberfläche eingesprengt. Er entbehrt ferner eines inneren Kegels,
Fig-JOS.
während ein solcher bei ungefähr der Hälfte aller Mondkrater e mitt-
lerer Grösse auftritt. Seine inneren Terrassen sind endlich wage-
recht , bei den Mondkrateren dagegen geneigt , unregelmässig und
unterbrochen. Wir können daher , sagt Gilbert , die Mondkratere
auch nicht für vulkanische Bildungen vom hawaischen Typus halten.
Der dritte Typus irdischer Kratere ist derjenige der Maare.
Hier fehlen Lavaströme und Kegelberge. Nur der durch eine Ex-
plosion von Gasen in die Erdoberfläche eingesprengte Krater ist vor-
handen. Derselbe ist von einem Kranze der ausgeworfenen Bruch-
stücke umgeben. Die Zahl dieser Maare — nach Gilbert sind bisher
weniger als 50 bekannt — ist indessen nur eine geringe. Gleiches
gilt von ihrer Grösse, welche noch nicht an 0,4 geogr. Meilen Durch-
messer heranreicht (S. 214).
Diese Maare gleichen den Mondkrateren darin, dass ihr innerer
Boden gleichfalls tiefer liegt als das umgebende Gelände. Aber ihnen
fehlen, nach Gilbert, eine innere Ebene, innere Kegel, innere Ter-
— 286 —
lassen. Sie weichen daher stark von den Mondkrateren grössten
und mittleren Durchmessers ab und nur mit den kleinen zeigen sie
Übereinstimmung.
Freilich kann man immer noch geltend machen, dass diese
kleinen Mondkratere doch gewisse andere , von denen der Maare
abweichende Eigenschaften haben werden, welche nur wegen der
geringen Grösse uns unsichtbar sind. Will man aber diesen Einwurf
nicht erheben, weil ja ebensogut dann auch noch mehr überein-
stimmende, uns unsichtbare Merkmale vorhanden sein könnten, so
wird man etwa für die Hälfte aller Mondkratere, diejenigen von
kleinem Durchmesser, die Erklärung gelten lassen können, es seien
Maare.
Damit kämen wir nun aber in die Lage , den Mondkrateren
grössten und mittleren Umfanges eine andere Entstehungsweise zu-
zuschreiben als denen kleineren Umfanges; und das wäre in der
That unnatürlich. Man hat daher schon seit langem auf andere
Erklärungsversuche der Entstehung der Mondkratere
als die vulkanische gesonnen.
Das Nächstliegendste war, wegen einer gewissen Ähnlichkeit in
der Gestaltung, vielleicht der Gedanke, dass die grösseren Kratere
bezw, Ringwälle durch Platzen von Gasblasen, während der
Mond sich noch in flüssigem Zustande befand, gebildet seien. Diese
Annahme hält Gilbert für ganz hinfällig.
Eine andere Hypothese sucht die Entstehung der Mondkratere
auf die Einwirkung der Gezeiten zurückzuführen , und zwar
ebenfalls in einer Periode, in welcher der Mond noch flüssig war,
jedoch bereits eine dünne Erstarrungskruste besass. Der Mond drehte
sich damals schneller als heute, war der Erde näher und diese rief
gewaltige Flut- und Ebbewellen auf dem Monde hervor. Diese
Gezeiten zerbrachen die Kruste und drückten an zahlreichen Stellen
Teile des Schmelzflusses heraus. Ein Teil desselben floss nach Ab-
lauf der Flut wieder in die Löcher zurück, aber rings um dieselben
blieben erstarrte Teile hängen. Dieser Vorgang wiederholte sich und
so entstand allmählich ein Ringwall. Zuletzt erstarrte aber auch
die Lava im Linern des Ringwalles und ein letzter schwacher Aus-
bruch verursachte dann öfters noch die Entstehung eines kegel-
förmigen Berges in der Mitte. H. Ebert hat diesen Vorgang auch
experimentell nachgeahmt und auf solche Weise in der That Ring-
wälle erzeugt, welche nach aussen sanft abfielen, nach innen aber steil
und unregelmässig terrassiert waren , wie die Mondkratere es sind.
— 287 —
Gilbert macht nun gegenüber dieser Hypothese geltend, dass
auf dem Monde durch die Fhitwellen wohl grosse Spalten in der
Kruste aufreissen mussten, nicht aber derartige runde Löcher ent-
stehen konnten. Namentlich könnten die zahlreichen kleinen Kratere,
welche auf den Abhängen der grösseren Ringwälle aufsitzen, nicht
auf solche Weise entstanden sein. Denn die herausgedrückte Lava
würde in diesem Falle als Strom am Abhänge hinabgeflossen, nicht
aber wieder in das Loch zurückgetreten sein.
Wieder eine andere Hypothese nimmt an, dass der Mond mit
Schnee und Eis bedeckt sei. Jeder Krater entspreche einem mit
Wasser gefüllten Becken. Da dasselbe Tausende von Füssen tief in
die Mondfläche eingesenkt, also dem heissen Mondinnern nahe-
gerückt ist, muss das Wasser in dem Becken verdampfen. Der auf-
steigende Dampf aber wird in Schnee verwandelt, der zum Teil
wieder in das Becken zurückfällt, zum Teil sich rings um dasselbe
zu einem Ringwalle ansammelt.
Abgesehen davon , dass der Mond schwerlich Wasser besitzt,
so müssten auch die durch Schneefall gebildeten Ringwälle glatt
und regelmässig sein und nicht so uneben und rauh wie sie es in
Wirklichkeit sind. Wie sollen ferner auf diese Weise die centralen
Kegel und die auf den grossen Ringwällen sitzenden kleinen Wälle
entstanden sein? denn letztere sind ja weit von dem heissen Lmern
des Mondes entfernt.
Alle anderen können wir als kosmische Hypothesen zu-
sammenfassen ; denn sie alle suchen die Entstehung der Mondkratere
zurückzuführen auf das Hinabstürzen anderer kleiner Weltkörper
auf den Mond. Sei es, dass dieser noch weich war, sei es, dass die
bereits feste Oberfläche durch aie beim Zusammenstoss sich bildende
hohe Temperatur an der betreffenden Stelle des Mondes schmolz. Wie
ein in einen dicken, zähen Brei geworfener Stein ein Loch mit er-
höhtem Rande erzeugt, so musste auch hier dasselbe entstehen. Auch
die Bildung einer wagerechten Innen-Ebene erklärt sich auf solche Art.
Selbst die grössten der Meteorite, wie sie auf die Erde fallen,
können nun aber natürlich nicht im mindesten so grosse Krater-
bildungen erzeugen, wie wir sie auf dem Monde sehen. Es müssen
also sehr viel grössere Meteorite auf den Mond gestürzt sein. Warum
sind dann aber, so muss man fragen, nicht ebensolche auch auf die
Erde gefallen und haben hier solche Ringwälle erzeugt? Um dieser
Schwierigkeit aus dem Wege zu gehen, nahm man an, dass diese
Ereignisse sich auf der Erde vor sehr langer Zeit vollzogen.
— 288 —
Die auf der Erde in gleicher Weise entstandenen Wurfwunden
wären daher längst durch die Denudation wieder zerstört, während
sie sich auf dem luft- und wasserlosen Monde erhalten konnten.
Denn bei Fehlen dieser beiden Faktoren kann es weder eine durch
Wasser noch eine durch Wind hervorgerufene Abtragung geben;
Wind ist ja nur bewegte Atmosphäre. Ein Zerfallen der Mondober-
fläche ist indessen durch scharfe Temperaturwechsel auf dem Monde
ebensogut möglich wie in Wüsten-Gegenden der Erde.
Nimmt man an, dass ein Stein aus unendlicher Entfernung
auf den Mond fällt, so beträgt seine Geschwindigkeit beim Auf-
schlagen auf denselben in der Sekunde IV2 englische Meilen. Da-
durch würde eine Wärmemenge von 3500*^ Fahrenh. entstehen, also
um die Hälfte mehr als nötig ist, um den Stein zu schmelzen. Nun
haben aber die Meteorite eine 30mal so grosse Geschwindigkeit,
nämlich 45 englische Meilen in der Sekunde. Es muss daher bei
solchem Vorgange nicht nur der auf den Mond aufschlagende Körper,
sondern auch der Mond selbst im weiten Umkreise schmelzen können.
Auf solche Weise würde sich die Bildung wagerechter Innenebenen
auch dann erklären, wenn der Mond zur Zeit des Aufschiagens bereits
erhärtet gewesen wäre.
An Stelle grösserer hinabstürzender Körper nimmt übrigens
Meydenbauer lose Massen an. Die Oberfläche des Mondes sei mit
einem dicken Mantel kosmischen Staubes bedeckt und durch den
Aufschlag von Haufen gleichen Staubes seien wenigstens gewisse
Mondkratere entstanden. Er hat das experimentell nachgeahmt, auch
Centralkegel auf solche Weise erhalten , jedoch nicht horizontale,
sondern nur gewölbte Innenebenen, wie sie nur wenigen Mondkrateren
zukommen. Die grösseren Kratere und die sogen. Maare lässt aber
auch er durch Aufschlag fester Massen und Schmelzung entstehen.
Eine erste Schwierigkeit ergiebt sich uns bei dieser kosmischen
Hypothese in folgender Weise : Das Volumen des Ringwalles muss
bei solcher Entstehungsweise gleich sein dem Rauminhalte des Loches
bezw. Kraters minus dem Volumen des hinabgestürzten Körpers.
Das aber scheint nirgends der Fall zu sein ; der Ringwall ist viel-
mehr teils grösser, teils kleiner als er sein sollte. Ebert hat das
an 92 Krateren des Mondes berechnet. In 28 Fällen war das Vo-
lumen des Ringwalles grösser, in 64 war es kleiner, in 15 davon
sogar nur ein kleiner Bruchteil ; in keinem Falle stimmten die beider-
seitigen Volumina. Namentlich bei den grossen Krateren ist das
Volumen des Ringwalles sehr viel zu klein, um den Krater zu füllen.
— 289 —
Auch hier hat indessen der Versuch im kleinen ergeben, dass
nur bei gleicher Weichheit des Wurfgeschosses und der Scheibe,
der um ersteres sich bildende Ringwall genau dem verdrängten
Rauminhalte entsprach. War jedoch die Scheibe im Innern weicher,
so war der Ringwall kleiner, als er hätte sein müssen.
Die Gestalt der Mondkratere bietet eine zw^eite Schwierigkeit.
Nur bei senkrechtem Aufschlage ergiebt der Yersuchskreis runde
Löcher ; bei schrägem aber ovale. Nun sind aber die Mondkratere
teils kreisrund, zum Teil etwas elliptisch ; sehr wenige ausgesprochen
oval. Folglich müssten die aufschlagenden Meteorite meist ganz
oder fast ganz senkrecht gefallen sein. Das ist indessen unmöglich,
denn schnell sich bewegende Meteorite fallen durchschnittlich etwa
unter 45° auf die Erde. Daher hat Proctor gemeint, dass gleich
nach dem Zusammenstoss das ovale Loch durch elastische Rück-
wirkung kreisrund wurde. Eine unwahrscheinliche Annahme. Gilbert
dagegen hat eine andere Erklärung, die wir im Zusammenhange mit
seiner Hypothese betrachten müssen.
Gilbert's Hypothese. Gilbert greift zur Erklärung dieser
Verhältnisse auf die Ringe des Saturn zurück. Dieselben bestehen
aus zahlreichen kleinen Möndchen , moonlet sagt Gilbert , welche
dicht gedrängt den Saturn in einer Ebene umkreisen. Auch die
Erde ist, nach Gilbert, einst von solchem Ringe umkreist gewesen.
Dieser zerriss, es bildeten sich durch Anziehung anfänglich mehrere
grössere Massen. Aus deren Zusammenballung wieder entstand end-
lich der Erdmond. Die Kratere auf diesem nun wurden hervor-
gerufen durch den Aufschlag der letzten noch freien Möndchen auf
den bereits fertigen Mondball. Da nun aber die Kratere nach Gilbert
(s. S. 281) meist kreisrund sind, so wäre Gilbert gezwungen, an-
zunehmen, dass die Möndchen fast immer senkrecht aufschlugen.
Li einer längeren Auseinandersetzung sucht er daher darzuthun,
wie man dieser Schwierigkeit aus dem Wege gehen könnte.
Das Aufschlagen der Möndchen musste nun aber auch die Um-
drehungsgeschwindigkeit des Mondes beeinflussen. Hatten erstere
eine grössere Geschwindigkeit als letzterer, so wurde diejenige des
Mondes beschleunigt; im umgekehrten Falle verlangsamt. Auch die
Bahn des Mondes und die Stellung seiner Drehungsachse mussten
durch die Zusammenstösse verändert werden. Durch letzteren Um-
stand erklärt es sich, dass die Kratere überhaupt so unregelmässig
über die ganze Mondfiäche verteilt werden konnten, wie sie es eben
sind. Denn bei gleichbleibender Drehungsachse des Mondes hätten
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. l'J
— 290 —
die Möndchen, da sie ihn in seiner Aquatorialebene umkreisten, aucli
nur in der Äquatorialzone aufschlagen können. Mit der Drehungs-
achse hat aber der Äquator des Mondes unaufhörlich gewechselt
und so konnten allmählich die Möndchen an allen beliebigen Orten
aufschlagen.
Gilbert's Versuche zeigen übrigens, dass der Umriss des durch
Aufschlag einer Thonkugel auf eine Thonscheibe erzeugten Loches
abhängig ist nicht nur vom Einfallswinkel, sondern auch von der
Weichheit des Materiales und von der Schnelligkeit des Wurf-
geschosses.
Bei der Bildung der kleinen Kratere durch aufschlagende kleine
Möndchen nimmt Gilbert an, dass letztere nur zerdrückt oder plastisch
umgeformt wurden. Sie erzeugten auf solche Weise eine tassen-
förmige Vertiefung im Monde und einen erhöhten Rand derselben,
den Kranz,
Der Aufschlag eines grösseren Möndchens dagegen bewirkte
das Schmelzen eines Teiles der Masse und die Erweichung eines
anderen. Da nun die Wände der so entstandenen tieferen tassen-
förmigen Löcher so hoch waren , dass sie in ihrer Erweichung ihre
Gestalt nicht zu bewahren vermochten, so sanken sie zusammen.
Ihr unterer Theil floss gegen die Mitte der Tasse zu und quoll dort
zu dem centralen Kegel auf; der nicht geschmolzene Teil des Mönd-
chens aber bildete die Kuppe des letzteren. Dadurch aber wurden
die oberen Teile des Kranzes an der Lmenseite ihrer Unterlage be-
raubt, sie sanken ab und erzeugten so die inneren Terrassen und
Klippen. Andere Teile des Geschmolzenen, welche sich im Kranze
befanden, flössen an den äusseren Abhängen als Lavaströme hinab.
In einigen der grösseren Mondkratere ist auffallenderweise die
Innenebene nicht wagerecht, sondern gewölbt. Teils entspricht der
Betrag dieser Krümmung der normalen Oberflächenwölbung des
Mondes, teils, bei einem Dutzend von Krateren etwa, ist er grösser,
so dass die hochgewölbte Innenebene sich sogar noch über die Ebene
des Ringwalles erhebt. Das ist besonders ausgeprägt im Krater
Mersenius, welcher auf solche Weise einen Dom von 1500 Fuss
Höhe und 30 Meilen Durchmesser bildet. Bei dem Krater Petavius
dagegen sitzt noch eine Gruppe von Spitzen auf dem Gipfel der
Wölbung auf; dieselben haben den Charakter der Centralkegel.
Gilbert lässt nun die Wahl zwischen zwei verschiedenen Er-
klärungsweisen. Entweder ist die durch den Aufschlag seitwärts
auseinandergedrängte, tiefer gelegene Masse des Mondes später wieder
— 291 —
zurückgequollen und hat sich dann zu dieser Wölbung der Innen-
ebene aufgestaut, oder der Stoss eines später sich bildenden be-
nachbarten Kraters hat den Boden des Kessels in die Höhe gedrückt.
Auch der Umstand, dass der gewölbte Boden des Mersenius zerrissen
ist, derjenige des Petavius sogar viele Risse zeigt, lässt sich nach
Gilbert mit dieser Entstehungsweise vereinigen.
Erklärung anderer Oberflächenerscheinungen durch
Oilbert's Hypothese. Nicht nur die Mondkratere, sondern auch
gewisse andere , schwerer zu erklärende Dinge auf der Mondober-
fläche sucht Gilbert nun aus seiner Hypothese heraus zu erklären.
Es leuchtet ein, dass letztere an Wert um so mehr gewinnen muss,
je mehr sie im stände ist, alles Fragliche aus sich heraus auf un-
gezwungene Weise zu erklären. Da ich später gegen Gilbert's
Hypothese sprechen will, so werden wir behufs gerechter Abwägung
auch noch dies zur Stütze derselben Dienende betrachten müssen.
Eine auffallende Erscheinung ist es , dass gewisse Skulptur-
linien in der Mondoberfläche und gewisse Achsen von Hügelzügen nach
dem Mare Imbrium hinlaufen. Gilbert erklärt das so, dass letzteres
entstanden sei durch einen besonders gewaltigen Zusammenstoss des
Mondes mit einem ausnahmsweise grossen Möndchen. Die dadurch
von diesem Punkte aus nach vielen Richtungen hin sich flutartig
verbreitenden , teils geschmolzenen , teils zähen , teils festen Massen
hätten jene Skulpturlinien und Hügelzüge erzeugt, zugleich manche
Kratere wieder vollgefüllt, die Oberfläche des Mondes mithin ver-
ändert und ihr die jetzige Beschaffenheit in dieser Gegend verliehen.
Gleichfalls schwer erklärbar sind gewisse riesige , gerade ver-
laufende Furchen, welche zackige Ränder und ebensolchen Boden
haben. Gilbert vergleicht sie mit den Gletscherschrammen und
meint auch , dass sie z. T. entstanden seien durch schrammende
Möndchen, welche tangential die Mondoberfläche berührten. Andere
aber sind nach ihm die Folge des soeben erwähnten Zusammen-
■stosses, welcher das Mare Imbrium erzeugte, also aufgeplatzte Stellen.
Eines der schwierigsten Probleme des Mondes bilden die Rillen.
Das sind enge Spalten mit senkrechten Wänden, welche z. T. einen
flachen Boden besitzen, während doch irdische Spalten einen Vförmigen
Boden haben. Strombetten können es nicht sein, da sie über Hügel
und Thäler laufen. Auch diese erklärt Gilbert mit Hilfe einer solchen
Schmelzflut, wie sie durch die Entstehung des Mare Imbrium hervor-
gerufen wurde. Diese Flut von geschmolzener zäher Masse hätte
sich quer über die Spalten hinwegergossen. Hierbei sei ein Teil in
19*
— 292 —
die letzteren hinabgeflossen und hätte so deren Boden eben gemacht.
Die Löcher aber, welche man in diesen ebenen Böden beobachtet,
seien entstanden durch Gasexplosionen. Ganze zusammenhängende
Keihen von Löchern, welche nicht in einer sichtbaren Rille liegen,
verraten gänzlich ausgefüllte Rillen. Wogegen die Rillen , deren
Boden vermutlich \/förmig, jedenfalls gar nicht sichtbar ist, noch
unausgefüUte Spalten darstellen.
Eine noch schwierigere Frage aber bilden wohl die merkwürdigen
weissen Streifen, welche sich an manchen Stellen auf dem Monde
zeigen.
Dieselben bestehen in sehr langen, gerade verlaufenden weissen
Bändern , welche jedoch unbestimmte Grenzen besitzen , wie z. B.
der Schwanz eines Kometen. Sie gehen beliebig über Kratere hinauf
und hinab und treten stets in Systemen auf, die meist von irgend
einem Krater ausstrahlen. Auch dieser Krater selbst ist weiss ein-
gefasst und zwar meist noch heller glänzend als die Streifen. Es
sind mancherlei ungenügende Erklärungsversuche gemacht worden.
In einer handschriftlichen, nicht veröffentlichten Mitteilung hält sie
Würdemann für zerspritzte weissHche Teile eines Meteoriten, welcher
den Mond mit grosser Gewalt traf. Gilbert pflichtet dieser Erklärung
vollständig bei. Eine leicht schmelzbare helle Masse sei bei dem
Aufschlage des Meteoriten geschmolzen und nun radial von diesem
Punkte ausgespritzt. Daher der gerade Verlauf dieser Streifen über
Berg und Thal, ihr verschwimmender ümriss, der helle Rand des
getroffenen Kraters. Ob diese Streifen aus Schwefel, oder Phosphor,
oder aus einem anderen Stoffe bestehen, das ist natürlich dem Be-
reiche der Vermutung anheimgegeben.
Gilbert giebt schliesslich noch eine Darlegung, wie er sich
die Verhältnisse bei dem allmählichen Wachsen des Mondes, infolge
der sich mehr und mehr vereinigenden Möndchen denkt, sowie Be-
merkungen über das Alter des Mondes.
Gründe, welche trotzdem für eine vulkanische Ent-
stehung der Mondkratere sprechen. Im Vorhergehenden
ist gezeigt worden , wie die Hypothese Gilbert's nicht nur im stände
ist, die Entstehung der Kratere, sondern auch diejenige gewisser
anderer Erscheinungen zu erklären. Trotzdem glaube ich, dass die
alte Anschauung, welche in den Mondkrateren Äusserungen des
Vulkanismus erblickt, die Dinge ungezwungener erklärt als jene.
Auf jeden Fall hat Gilbert das grosse Verdienst, die unbestimmte,
zu allgemein gehaltene Ansicht, die Mondkratere seien wie irdische
— 293 —
Vulkane, durch sorgfältige Prüfung und genauere Fassung geläutert
zu haben ; denn es giebt eben verschiedenartige irdische Krater-
und Vulkanbildungen (S. 283).
Unsere erste Frage würde die sein, ob etwa gar noch heute
vulkanische Erscheinungen an den Mondkrateren vor sich gehen.
Das scheint nicht völlig ausgeschlossen zu sein. Klein, Jul. Schmidt,
Neisson treten dafür ein, dass gewisse Veränderungen gegen früher
sich vollzogen haben. Freilich ist diese Frage mit annähernder
Sicherheit erst zu entscheiden , wenn der ganze Mond genauer als
bisher aufgenommen sein wird; ein Unternehmen, welches ja bereits
im Werke ist. Wenn sich diese Sache aber bewahrheiten sollte,
dann können jene Veränderungen wohl nur durch vulkanische Aus-
brüche hervorgerufen sein ; dehn das geringe Mass von Abtragung,
welches durch die Schwerkraft auf dem Monde erzeugt wird (s. unten),
reicht sicher nicht hin, um in so kurzer Zeit so grosse Veränderungen
in der Oberflächenbeschaffenheit einzelner Punkte zu schaffen, dass
wür dieselben erkennen können. Stellt es sich nun heraus, dass
noch jetzt Vulkanismus dort thätig ist, so ist das um so mehr ein
Grund, auch frühere Äusserungen dieser Kraft auf dem Monde
anzunehmen.
Bevor wir Gilberts Gründe gegen die vulkanische Herkunft
der Mondkratere besprechen, ist es doch von Wichtigkeit, hervor-
zuheben , dass Gilbert selbst zugeben muss , dass etwa die Hälfte
aller Mondkratere ganz gut vulkanischer Entstehung, nämlich Maare,
sein könnten. Unter solchen Umständen scheint es aber doch von
vornherein geratener, für diese Hälfte der Kratere anzunehmen, dass
sie wirklich Maare sind ; und für die andere Hälfte derselben dann
anzunehmen, dass sie ebenfalls, wie jene, vulkanischer Entstehung
ist, dass also hier modifizierte Maare vorliegen. Ich sage, es scheint
geratener, aus der einen Hälfte heraus, welche durchaus den irdischen
Erscheinungen analog ist, die andere , weniger analoge zu erklären,
als nun für beide zu einer Hypothese zu greifen, für welche auf
Erden gar keine Analogie bekannt ist. Meteore fallen allerdings
auf die Erde, aber nie hat man sie eine, jenen Mondkrateren analoge
Bildung hervorbringen gesehen.
Gehen wir nun in das Einzelne ein, so kann natürlich die viel
bedeutendere Grösse vieler Kratere auf dem Monde kein Hindernis
sein, dieselben für vulkanischen Ursprungs zu halten ; was übrigens
Gilbert auch gar nicht behauptet. Der Schluss liegt nahe , die
bedeutendere Grösse und Tiefe der Mondkratere auf die dort etwa
— 294 —
6 mal so geringe Schwere zurückführen zu wollen. Auch die Ab-
wesenheit einer Atmosphäre spielt dabei eine Rolle. Bei dem Fehlen
des Atmosphärendruckes, des Luftwiderstandes und bei der um ^/e
geringeren Schwere der Gesteine müssen natürlich gleich grosse
Kräfte von Gasen auf dem Monde sehr viel Grösseres leisten als
auf der Erde. Schon im Jahre 1842 betonte v. Strantz diese so
viel geringere Schwere und sprach ^ die Ansicht aus, dass die Mond-
kratere, nach Art unserer Maare und Pulverminen, durch explodierende
Gase erzeugt seien.
Auch Elie de Beaumont^ und A. v. Humboldt traten der Auf-
fassung bei, dass die geringere Schwere auf dem Monde die Bildung
der Explosionskratere dort begünstige'^.
So ohne weiteres werden wir indessen die geringere Schwere
nicht als Erklärung für die so sehr viel bedeutendere Grösse vieler
Mondkratere in Anspruch nehmen dürfen; darum sagte ich „gleich
grosse Kräfte von Gasen". Die Explosivkraft der irdischen vul-
kanischen Gase hängt zum Teil ab von dem Drucke, unter welchem
sie in der Tiefe stehen. Dieser wird erzeugt zum kleinsten Teile
durch das Gewicht der Atmosphäre, zum grössten durch das Gewicht
der Erdrinde, welche auf dem Erdinnern und den von ihm absorbierten
Gasen lastet. Ist nun die Rinde auf dem Monde etwa 6 mal leichter
als auf der Erde, so muss dort der Druck, unter welchem die Gase
stehen, also ihre Explosivkraft, um ebensoviel geringer sein. Soweit
also die Explosionskraft der vulkanischen Gase des Mondes von
dem dort auf ihnen lastenden Drucke abhängt, muss erstere natürlich,
wenn der Druck 6 mal kleiner ist als auf Erden, ebenfalls 6 mal
kleiner sein ; so dass also beides sich aufheben würde.
Allein diese Explosionskraft ist nicht allein durch den Druck
bedingt; und darum werden wir die auf dem Monde herrschende
geringere Schwere sehr wohl zur Erklärung der dort so sehr grossen
Zahl von Krateren und ihrer Entstehungsweise als Explosionskratere,
als Maare, anziehen dürfen.
^ Übersiebt der Arbeiten und Veränderungen der Scblesiscben Ges. f.
Vaterland. Kultur. Breslau 1842. S. 70.
^ Comptes rendus des seances bebdom. Bd. XVI. S. 1032.
3 Ges. f. Vaterland. Kultur. Breslau 1846. S. 49. Ebenso ist neuerdings
Daubree (s. S. 225) durcb seine experimentellen Darstellungen von Durcbschlags-
röhren durcb Gesteine vermittelst explodierender Gase zu der Überzeugung ge-
führt worden, dass auch die Mondkratere derartige Durcbbobrungen explodierender
vulkanischer Gase seien.
— 295 —
Man könnte hierzu auch noch annehmen, dass die Kruste auf
dem Monde , zur Zeit der Entstehung der Kratere , weniger dick
als jetzt auf der Erde gewesen sei. Dadurch würden die Gase,
welche vom Innern absorbiert waren oder sich aus chemischen Pro-
zessen entwickelten, leicht so grosse Kratere ausgeblasen haben.
Wie dem nun auch sei , Unterschiede , welche in der Grösse
zwischen den Erd- und den Mondvulkanen bestehen, sind doch nur
relative. Sie haben also mit dem Wesen der Dinge gar nichts zu
thun ^ ; und wenn wir ihre Ursachen nicht kennen , so ist das kein
Grund gegen eine vulkanische Entstehung.
Auch die Seltenheit der Maare auf Erden und die ungemeine
Häufigkeit derselben , bezw. der Kratere , auf dem Monde — wenn
wir eben einmal die Mondkratere als Maare , als Explosionskratere
auffassen — bildet keinen Grund gegen solche Auffassung; denn
Häufigkeit ist ebenfalls ein relativer Begriff. Übrigens werde ich
am Schlüsse zeigen , dass unser Maargebiet von Urach in dieser
Hinsicht die Durchschnittshäufigkeit der Maare auf dem Monde gegen
70 mal übertrifft.
Gilbert hebt als Beweis gegen die vulkanische bezw. Maar-
natur der Mondkratere den Umstand hervor, dass das Volumen des
Ringwalles sich nicht mit dem Rauminhalte des Kraters deckt (S. 288).
Er geht dabei von der unbestreitbaren Thatsache aus , dass bei
einem durch Explosion entstandenen Loche die ganze herausgeschleu-
derte Gesteinsmasse nun ausserhalb des Loches auf der Oberfläche
liegen muss. Aber so unbestreitbar das ist , ebenso anfechtbar ist
die weitere Voraussetzung Gilbert"s, dass diese herausgeschleuderte
Masse sich auch in der nächsten Umgebung des Loches, also in dem
Ringwalle wiederfinden müsse : Eine solche Übereinstimmung des
Rauminhaltes zwischen Ringwall und Loch mag von einer explodieren-
den Pulvermine gelten. Sie braucht aber keineswegs von der ge-
waltigen Explosion vulkanischer Gase, von der Bildung eines Maares
zu gelten. Die folgende Überlegung wird das veranschaulichen.
Das Loch, der Maarkrater, wird nur ausgehöhlt in der festen
Kruste -. Wenn nun ausser dem zerschmetterten durchbrochenen
Gesteine auch noch Asche- und Lapillimassen ausgeworfen wurden,
so muss natürlich das Volumen des Ringwalles grösser sein, als der
^ Gilbert behaiiptet das übrigeus auch durchaus nicht.
^ Würde die Lochbildung- auch bis auf die geschmolzenen Massen der Tiefe
hinabgreifen, so würde sie in diesem tiefen Niveau sofort wieder zufliesseu, also
verschwinden, mithin doch nur in der Kruste sichtbar, vorhanden sein.
— 296 -
Rauminhalt des ausgeblasenen Loches in der Mondkruste; denn die
Asche und Lapilli stammen nicht aus diesem Loche, sondern aus
der Tiefe. Wenn dagegen gar keine vulkanische Asche, sondern
nur durchbrochenes Gestein der Mondkruste ausgeworfen wurde, wie
bei den Gasmaaren (S. 233) der Fall, so kann das beiderseitige
Volumen nur in dem einen Falle gleich sein, dass alles ausgeworfene
Material sich auch im Ringwalle anhäuft. Sowie nun aber ein Teil
der Auswurfsmassen weiter fortgeschleudert wird, muss das Volumen
des Ringwalles um diesen betreffenden Teil kleiner sein als der
Rauminhalt des Loches. Nun ist aber bei jedem heftigeren Aus-
bruche der Vorgang ein derartiger; rings um die Auswurfsöffnung
häuft sich nur das gröbere Material an, das feiner zerstiebte wird
weiter fortgeschleudert und bildet eine Decke auf der Erdoberfläche.
Genau derselbe Vorgang musste sich bei Mondmaaren vollziehen,
vielleicht sogar in einem noch viel stärkeren Masse als auf der Erde.
Denn wenn zur Zeit der vulkanischen Ausbrüche auf dem Monde
letzterer schon keine Atmosphäre mehr besass, deren Widerstand
die Wurf kraft schnell verringerte, so mussten die feineren Teile
ausserordentlich weit geschleudert werden.
Gerade die bedeutende Grösse der Mondkratere spricht für
sehr grosse Heftigkeit der Ausbrüche. Je heftiger aber ein solcher,
desto mehr fein zerblasenes Material muss entstehen. Auch experi-
mentell hat Daubree (S. 225) nachgewiesen, dass bei der Entstehung
von Durchschlagsröhren ^ durch Gesteine vermittelst explodierender
Gase sehr viel Material als feines Pulver zerstiebt wird.
Wenn daher Ebert (S. 288) nachwies, dass auf dem Monde
in der Regel das Volumen des Ringwalles kleiner ist als der Raum-
inhalt der Kratere, so kann man darin nichts Auffälliges erblicken,
sondern nur etwas Selbstverständliches. Wenn umgekehrt bisweilen
das Volumen des Ringwalles grösser ist, so erklärt sich das eben-
falls ungezwungen durch Vorwalten gröberen Materiales und Hinzu-
treten vulkanischer Massen. Wie unbiUig die Forderung wäre, dass
der Ringwall nicht mehr Material enthalten dürfte als der Hohlraum
des Kraters, wird sofort klar, wenn wir die Sache bis zum Extrem
treiben : Durch vulkanische Ausbrüche entstehe an der Erdoberfläche
allmählich ein, sagen wir, 10 000 Fuss hoher Vulkanberg. Selbst-
verständlich ist das Volumen desselben dann unvergleichlich viel
grösser als der Rauminhalt des Kraters, selbst wenn wir diesen noch
Diatremata nennt er sie.
— 297 —
so tief annehmen ; denn die Erde hat hier ja nicht nur den verhältnis-
mässig geringen Betrag der ausgesprengten Ausbruchsröhre heraus-
gefördert, sondern sie hat den Berg wesentlich aufgeschüttet, indem
sie ihr Inneres ausweidete.
Es ergiebt sich mithin, dass die mangelnde Übereinstimmung
zwischen dem Rauminhalte des Kranzes und des Mondkraters gerade
für vulkanische Entstehung desselben spricht. Während sie um-
gekehrt gegen die kosmische Hypothese zeugt; denn wenn das Loch
durch Aufschlagen eines Möndchens entstanden wäre, dann müsste
man allerdings erwarten, die verdrängte Gesteinsmasse voll und ganz
im Ringwalle wiederzufinden. Jedenfalls dürfte der Ringwall nicht,
wie oft der Fall, so sehr viel kleiner sein als das Loch. Noch viel
weniger aber giebt uns Gilberts Hypothese eine Erklärung für alle
diejenigen Fälle , in welchen das Volumen des Ringwalles grösser
ist als der Rauminhalt des Kessels. Der Versuch im kleinen ergab
nur: Entweder gleiches Volumen, nämlich bei gleicher Weichheit
von Wurfgeschoss und Scheibe, oder kleineres Volumen des Ring-
walles , wenn nämlich die Scheibe im Innern weicher ist. Letzteres
könnte man ja nun für den Mond annehmen. Aber die 28 Fälle
unter den 92, in welchen das Volumen des Ringwalles grösser ist,
bleiben ohne Erklärung. Diese lassen sich eben nur durch vulkanische
Entstehungsweise erklären.
Auch der Umstand darf uns nicht irre machen, dass auf dem
Monde der Kranz bisweilen gänzHch fehlt, so dass dann keine feste
Grenze mehr zwischen solchen Mondkrateren und den sogen. Maaren
mehr besteht. Von unseren Maaren in der Gruppe von Urach besitzt
kein einziges einen Kranz oder Ringwall ! Allerdings mag ein solcher
hier früher vorhanden gewesen und dann zerstört worden sein.* Aber
ganz dasselbe dürfen wir von jenen Krateren auf dem Monde geltend
machen. Zwar giebt es jetzt dort weder Wasser noch Wind \ welche
einen solchen Ringwall abtragen könnten. Aber bei der Einheit der
Naturerscheinungen hat es sicher früher auf dem Monde ebenfalls
Wasser und damit eine Abtragung wie auf der Erde gegeben.
Wir dürfen daher nicht schUessen : Weil es heute keine Denudation
durch Wasser oder Wind auf dem Monde mehr giebt, darum müssen wir
bei der Erklärung aller Oberfiächenformen des Mondes auf das Heran-
ziehen der Denudation und Erosion ganz Verzicht leisten. Das scheint
' Mit dem Fehlen der Atmosphäre fehlt natürlich auch der Wind auf
dem Monde.
— 298 -
mir durchaus nicht nötig zu sein. In früheren Zeiten wird es auch
dort eine Denudation durch Wasser gegeben haben; und wenn diese
Denudationsformen nicht abermals wieder zerstört wurden , sondern
sich erhielten , so liegt das daran , dass seit langen Zeiten schon
keine Denudation durch Wasser oder Wind mehr stattfindet. So ist
also der Mond im Gegensatz zu Erde gewissermassen eine wohl-
erhaltene geologische Mumie.
In geringem Masse allerdings muss auch heute noch, auch seit
dem Verschwinden des Wassers, eine Veränderung in der Oberflächen-
gestaltung des Mondes vor sich gehen : Wie in den regen- und
vegetationslosen wüsten Gebieten der Erde die Gesteine trotzdem
allein durch starke Temperaturwechsel zerfallen, so muss auch auf
dem Monde Derartiges stattfinden. In jenen Gebieten der Erde
kommt dann der Wind und bläst den jeweiligen feinen Verwitterungs-
staub hinweg. Das fehlt allerdings auf dem Monde. Aber wo zer-
fallende Gesteinsstücke dort auf unebenem Gelände liegen, werden
sie infolge der Schwere doch, wie auf der Erde, von der Höhe zur
Tiefe rollen. Durch den Fall des einen Stückes werden wieder
andere in Mitleidenschaft gezogen; teils indem ersteres andere der
Unterlage beraubt und sie so zum Stürzen bringt, teils indem ersteres
auf andere aufschlägt und sie so in Bewegung versetzt.
Auf solche Weise muss also auch heute noch auf dem Monde
eine allmähliche Veränderung der Oberflächengestaltung sich voll-
ziehen, welche dahin geht, die Unebenheiten auszugleichen, die Höhen
abzutragen , die Tiefen auszufüllen. Aber diese Veränderung muss
so unendlich langsam vor sich gehen, dass sie nur innerhalb ausser-
ordentlich langer Zeiträume einen auch nur nennenswerten Betrag
erreicht. Es wird daher das vorher Gesagte zu Recht bestehen
bleiben , dass nämlich die heute auf dem Monde sichtbaren Ober-
flächenformen sehr wohl bereits zu einer Zeit entstanden sein können,
in welcher noch ähnliche Verhältnisse wie auf Erden herrschten, in
welcher es noch Wasser und wohl auch eine Atmosphäre auf dem
Monde gab , so dass also diese Kräfte einst an der Gestaltung der
Oberfläche des Mondes beteiligt, waren.
Nun kann man ja freilich die Annahme, dass sich auf dem
Monde einst Wasser befand, bestreiten wollen. Allein dieselbe gründet
sich doch auf ein ganz analoges Verhalten der Erde. Die Menge
des auf der Erdoberfläche vorhandenen Wassers verschwindet gleich-
falls mehr und mehr. Allerdings vermehrt sie sich , indem durch
die Vulkane Wasserdampf aus der Tiefe zur Oberfläche befördert
— 299 —
wird. Indessen mag ein sehr grosser, wo nicht der grösste Teil
dieses Wassers der Vulkane gar nicht dem Erdinnern entstammen,
sondern nur der Erdoberfläche; d. h. es mag nur in die Tiefe ge-
sickertes und vom Vulkane wieder zur Verdampfung gebrachtes Wasser
sein. So dass also dadurch gar keine Vermehrung der Wassermenge
auf der Erdoberfläche, sondern nur ein Kreislauf derselben erfolgen
würde. Gegenüber der also wohl geringen Wasserzunahme auf der
Erdoberfläche steht indessen eine jedenfalls ganz überwiegende Wasser-
abnahme. Denn seit es Wasser auf Erden giebt, wird dasselbe durch
Hydratbildung von den sich umwandelnden und sich zersetzenden
Minerahen gefesselt, sickert auch mehr und mehr in die dicker
werdende Erdrinde ein.
Hänn sucht zu berechnen, dass auf solche Weise bereits Vn der
ganzen im Anfange dagewesenen Wassermenge festgelegt worden
sei. Bei weiterem Fortschreiten dieses Vorganges muss mithin auch
für die Erde der Zeitpunkt kommen, in welchem ihre Oberfläche
gar kein Wasser mehr besitzt. Das erscheint uns ungeheuerlich,
weil uns des Wassers so viel auf Erden zu sein scheint. Aber
letzteres ist an sich gar nicht der Fall. Derartige Dinge dürfen
nicht mit unserem menschlichen Massstabe, sondern nur mit ihrem
eigenen gemessen werden. Nur so lässt sich ihre wahre Grösse er-
kennen. Wenn wir uns eine Erdkugel machen würden von einem
Durchmesser, welcher etwa der Höhe eines Mannes gleich ist, bei
welcher also 1 geogr. Meile = 1 mm ist, so würde die durchschnitt-
liche Dicke der Wasserschicht, nämhch 3440 m, nur ^!^ mm betragen \
Das W^asser bildet also im Verhältnis zur ganzen Erde nur ein dünnes
Wasserhäutchen, dessen Absorption im Laufe vieler Millionen von
Jahren wohl zu verstehen ist.
Was nun aber von der Erde gilt, wird auch vom Monde gelten
können. Auch dieser wird früher Wasser gehabt haben. Wenn
man solchem Schlüsse etwa entgegenhalten wollte, dass bei einer
Entstehung des Mondes durch Zusammensturz vieler kleinerer Welt-
körperchen — wie Gilbert das annimmt — gar kein Wasser sich
bilden konnte, so wäre dagegen Verschiedenes geltend zu machen:
Einmal ist solche Entstehungsweise nicht bewiesen. Zweitens aber
wird diejenige des Mondes kaum eine andere gewesen sein als die
der Erde. Wäre also der erstere dennoch auf solche Weise ent-
standen, so auch letztere. Hätte daher die Erde auf solche Weise
1 Walt her, Bionomie des Meeres. S. 13.
— 300 —
Wasser bekommen , so auch der Mond ^ Drittens ist eine solche
Entstehungs weise doch nur dem Aggregatzustande nach unterschieden
von derjenigen, welche man nach Kant und Laplace anzunehmen
pflegt. Ob die Stoffe sich aus dem gasförmigen Zustande zu Erde
und Mond verdichtet haben, oder aus dem festen — das ist hin-
sichtlich dieser Wasserfrage gleichgültig. Die Elemente, welche heute
in Erde und Mond vorkommen, müssen in dem einen wie dem an-
deren Falle vorhanden gewesen sein ; also auch diejenigen des Wassers.
Letzteres konnte sich mithin in beiden Fällen bilden.
Das Endergebnis dieser Betrachtung ist also, dass früher auch
auf dem Monde Erosion und Denudation durch Wasser stattgefunden
haben wird, und dass sich die so entstandenen Erosionsformen der
Mondoberfläche nun, seit kein Wasser mehr dort vorhanden ist, durch
ungemein lange Zeiträume fast unverändert erhalten müssen,
Gilbert selbst sieht eine zweite Schwierigkeit für die kosmische
Hypothese in dem Umstände , dass , wie er meint, die Mondkratere
fast immer kreisrund sind. Er sucht auf umständliche Weise das
zu entkräften. Doch ist das nicht nötig, da nach freundlicher Mit-
teilung von Weinland (S. 281) der Umriss der Mondkratere bald
kreisrund, bald oval, bald unregelmässig ist. In gleicher Weise sind
aber auch die Umrisse von Maaren bald rund, bald oval, bisweilen
auch unregelmässig, wie in dieser Arbeit gezeigt worden ist.
Ein dritter Einwurf gegen Gilbert's Hypothese liegt in dem häu-
figen Auftreten centraler Kegelberge in den Mondkrateren. Gilbert
nimmt an, dass diese Centralkegel durch die Schmelzmassen gebildet
seien, welche vom Fusse des Kranzes, des Ringwalles nach der Mitte
des Beckens hin zusammenquollen, und dass die Kuppe des Kegels
bestehe aus dem nicht geschmolzenen, weil hinteren Teile des auf-
schlagenden Möndchens. Diese zweite Annahme erscheint aber doch
wohl ganz unmöglich. Das Möndchen muss wenigstens annähernd
den Durchmesser des von ihm gebildeten Kessels besessen haben.
Eine von seinen ungeschmolzenen, hinteren, also für uns oberen
Teilen gebildete Kuppe müsste daher annähernd den Durchmesser
des Bodens im Kessel erreichen. Dahingegen haben die Central-
kegel ganz wesentlich viel kleineren Umfang. Aber auch der erste
Teil jener Behauptung kann, wenn auch vielleicht theoretisch denk-
^ Es ist auch von anderen, so von Nor denskiöld nnd Graf Pfeil,
geltend gemacht worden , dass die Erde aus Zusammenballung von Meteoriten-
staub entstanden sei. Die Schlussfolgeruug auf den Mond bliebe dieselbe , denn
Meteorite und Staub derselben sind nur der Grösse nach verschieden.
— 301 —
bar, so doch im vorliegenden Falle nicht möglich sein ; denn Wein-
land in Prag hat auf den Lyck-Photographien bei zahlreichen Cen-
tralkegeln kleine Kratere auf dem Gipfel derselben beobachtet, wie
ich einer freundlichen Zuschrift des genannten Astronomen entnehmen
darf. Diese Kratere haben sich wegen ihrer geringen Grösse bisher
der Beobachtung entzogen, denn der Durchmesser beträgt z. T. nur
^2 km.
Daraus folgt aber unwiderleglich, dass diese Centralkegel vul-
kanischer Entstehung sind, und da sie nun im Innern der fraglichen
Mondkratere Hegen, so wird man natürlich auch diese allein schon
aus diesem Grunde als Bildungen des Vulkanismus halten müssen.
Es kommt aber noch eines hinzu: Auch auf den steilen Ab-
hängen dieser Kegelberge sitzen bisweilen Kratere. Nach Gilbert's
Erklärung müssten folgerichtigerweise auch diese durch Aufschlag
kleiner Möndchen erzeugt worden sein. Dem gegenüber macht
Weineck in dem erwähnten Schreiben aber mit Recht geltend, dass
auf so steilem Gehänge ein Meteor abgeprallt sein, nicht aber ein
kreisrundes Loch geschlagen haben würde.
In ähnhcher Weise wie die centralen Kegel sucht Gilbert die
Wölbung der Innenebenen, welche sich ausnahmsweise bei einigen
Mondkrateren findet, dadurch zu erklären, dass die durch den Zu-
sammenstoss erst auseinandergedrückten weichen Massen, später
wieder nach der Mitte hin zusammengeflossen seien und sich dabei
aufgestaut hätten. Er nimmt aber auch als denkbar an, dass der
bei der Entstehung eines benachbarten Kraters ausgeübte Druck das
verursacht haben könne.
Auch hier möchte ich weit eher eine vulkanische Erklärungs-
weise anwenden, denn wir kennen ganz dieselbe Erscheinung auf
Erden und zwar auf Hawai an dem Kilaueakrater, welcher ja gerade
auch durch seine Terrassenbildung und wagerechte Innenebene sich
den Mondkrateren so ähnlich zeigte Auf dem Halemaumau ge-
nannten Feuersee im Krater bildet sich bisweilen eine Erstarrungs-
kruste. Im Jahre 1848 war das z. B. der Fall. Aber diese war
damals nicht eben, sondern sie war domartig, fast 100 m hoch
gewölbt, so dass sie im S. die Wände des Kilaueakraters überragte !
Durch die Risse in dieser Decke konnte man den Feuersee erbhcken.
Diese emporgewölbte Erstarrungskruste hielt sich lange Zeit. 1849
wurde die Lava 20 m hoch aus einer Öffnung derselben heraus-
1 Marcuse, Die hawaisclien Inseln. Berlin 1894. Friedländer. S. 64—72.
— 302 —
geschleudert, bis endlich die Lava wieder, wie sie von Zeit zu Zeit
zu thun pflegt, unterirdisch abfloss. 1852 wurde in der 30 m breiten
Öffnung des Domes der wieder in die Höhe gequollene feurige See
sichtbar; die Öffnung erweiterte sich, die Ränder derselben stürzten
allmählich ein und 1855 erfolgte der Zusammenbruch des ganzen
Domes in den darunterliegenden feurigen Halemaumausee. Im
Jahre 1880 wölbte sich abermals eine domförmige Erstarrungskruste
über den See empor.
Aber nicht nur das. Auch die kalte Lavadecke im ganzen
Becken des Kilauea hebt sich allmählich (1. c. S. 71). Gegenwärtig
ist auch sie domartig gewölbt und ihre höchste Stelle liegt 370 m
über dem Niveau, welches sie vor 70 Jahren einnahm. Diese Hebun«?
erfolgt ungleichmässig , nach den Ausbrüchen ist sie aber immer
am stärksten.
Wenn nun freilich die Ursache des Emporwölbens der Er-
starrungskruste des Sees sowie der kalten Lavadecke nicht ganz
klar hervorgeht, so kann doch an der Thatsache selbst nicht ge-
zweifelt werden. Diese Thatsache aber stimmt so vollkommen mit
der in Rede stehenden Erscheinung eines gewölbten Bodens in einigen
Mondkrateren überein, dass wir keinen Grund haben, für dieselbe
auf dem Monde nach einer anderen Erklärung zu suchen wie auf
der Erde. Es werden also jene Mondkratere vulkanischer Entstehung
sein, vom Typus der hawaischen Kratere.
Übrigens lässt sich für eine domartig gewölbte Decke im Innern
eines grossen Mondkraters noch eine andere, einleuchtende vulkanische
Erklärung geben. Bedingung ist das Vorhandensein eines Vulkanes
von hawaischem Typus; bei welchem also der Schmelzfluss nicht
zu losen Auswurfsmassen zerschmettert wird, sondern nur, gleich
einer sich hebenden und senkenden, langsam atmenden Brust, in
dem Ausbruchskanale abwechselnd aufsteigt und wieder in die Tiefe
versinkt. Dies geschieht beim Kilauea auf Hawai unablässig inner-
halb monate- und selbst jahrelanger Perioden. Hat die Zeit des
Aufsteigens ihren Gipfelpunkt erreicht, so ist der Halemaumausee
angefüllt. Aber dieser Vorgang kann noch weiter fortdauern. Dann
fliesst die Lava über und grössere Teile des Kraterbodens werden
überschwemmt, was beim Halemaumau wirklich vorgekommen ist.
Dadurch wird der Boden natürlich erhöht, denn das Übergeflossene
erstarrt.
Nun denke man sich einen Mondkrater. Derselbe besitzt ur-
sprünglich einen wagerechten Boden, hervorgerufen durch die Er-
— 303 —
starrungskruste der Schmelzflusssäule, welche ihn erfüllt. Wird all-
mählich der ganze Schmelzfluss bis in grosse Tiefe hinab fest, so
bleibt der wagerechte Boden, die Innenebene, wie wir sie bei den
meisten Mondkrateren sehen. Dauern dagegen die Perioden des Auf-
und Absteigens der Lava weiter fort, so können zwei verschiedene
Möglichkeiten eintreten. War die Erstarrungskruste dünn, so musste
sie z. T. der sinkenden Lava nachbrechen. Der stehengebhebene
randhche Teil aber wird später von der wieder hochsteigenden Lava-
säule hochgehoben und dann wieder eingeschmolzen. So bildet sich
nun in höherem Niveau abermals eine wagerechte Kruste bezw. ein
solcher Kraterboden. War dagegen die Erstarrungskruste sehr dick
geworden, so wird sich bei abermaligem Aufsteigen der Lava nur,
etwa in der Mitte, eine Öffnung bilden, aus welcher die Lava über-
fliesst und dabei erstarrt. Dass dabei rings um die Ausflussöffnung
sich mehr Masse absetzen muss, als in weiterer Entfernung von der-
selben, ist selbstverständlich. Es wird sich daher der Kraterboden
bei öfterer Wiederholung dieses Vorganges immer in der Umgebung
der mittleren Ausflussöffnung mehr erhöhen, als in der Peripherie.
Mit anderen Worten, es wird allmählich ein dorn- oder käseglocken-
artig gewölbter Kraterboden entstehen können. Freilich im allgemeinen
wohl nur, wenn der Durchmesser des Kraters ein kleiner ist. Bei
einem grossen Durchmesser dagegen wird die Masse nicht bis an
den Kraterrand fliessen, es wird sich auf solche Weise allmählich
ein innerer Kegel auftürmen; und so erklärt sich die Entstehung
dieser Bildungen ungezwungener als durch Gilbert's Annahme.
Ich habe im Anschluss an die Kegelberge vorgreifend derjenigen
Kraterböden gedenken müssen, welche ausnahmsweise domartig ge-
wölbt sind. Bei den grösseren Krateren sind diese Böden eben und
das Dasein einer solchen Innenebene hält nun Gilbert für unverein-
bar mit eniem Maare. Nur bei Vulkanen vom Havvaitypus kommen
nach Gilbert solche wagerechten Innenebenen vor. Darin irrt der-
selbe aber. Wir finden dieselben, wie die folgenden Beispiele dar-
thun werden, nicht nur bei jenen, sondern auch bei Vulkanen vom
Vesuvtypus und auch bei Maaren.
Ich werde in diesen Beispielen auch zugleich Belege für das
Dasein von Terrassen und Centralkegeln anführen.
Vor dem Jahre 1867 hatte der Krater des Vesuv, bei 700 m
Durchmesser und 60—70 m Tiefe, eine horizontale (aus Tuff ge-
bildete?) Innenebene, zu welcher seine Wände senkrecht abstürzten ^
» de Lapparent, Traite de geologie. Paris 1893. Seine edit. S. 434.
- 304 —
Handelt es sich hier um einen Krater, welcher in dem losen Aschen-
kegel ausgesprengt ist, so finden wir ganz dasselbe auch bei Kra-
teren, deren Wände aus einem Wechsel fester Lavaströme und loser
Massen aufgebaut sind. Das ist z. B. der Fall bei dem Krater des
Piton de la Fournaise auf der Insel Reunion. Im Jahre 1874 besass
dieser, bei einem Durchmesser von 400 m und einer Tiefe von
150—160 m, ebenfalls eine wagerechte Innenebene, welche durch
die Oberfläche der erstarrten Lava gebildet wurde. Die steil ab-
stürzenden inneren Kraterwände bestehen aus einem Wechsel wage-
rechter Lavaströme und loser Auswürflinge. Am Fusse dieses inneren
Steilabfalles liegt, kranzförmig die Innenebene umgebend, ein Ring
von losen Auswürflingen und Blöcken \ ganz wie bei den Mond-
krateren !
Beim Kilauea auf Hawai haben wir endlich einen Krater, wel-
cher mit steil abstürzenden Wänden ganz in horizontale Lavaschichten,
ohne Zwischenlagerung loser Massen, eingesenkt ist und ebenfalls
eine wagerechte Innenebene besitzt, die peripherisch von einer Ter-
rasse umgeben ist. Hier ist der Krater vermutlich nicht ausgesprengt,
wie beim Vesuv, sondern durch Senkung oder Einsturz entstanden.
Gasexplosionen, und damit Erzeugung loser Aschenmassen, fehlen
hier gänzlich; nur Lava fliesst aus, steigt empor und verschwindet
wieder in der Tiefe. Hierbei schmilzt sie gewiss Teile ihres Kanales
im Innern des Berges ein, so dass höhlenartige Erweiterungen des-
selben entstehen, deren Zusammenbruch dann diese Kesselbildung
erzeugte.
Auch der gewaltige Krater, welcher mit einem Durchmesser
von 10 km 250—300 m tief senkrecht in wagerechte Lavaschichten
des Grand Brüle auf Reunion eingesenkt ist und den Namen TEnclos
führt, ist vermuthch durch Einsturz entstanden. Sehr bemerkens-
wert ist es für unsere Yergleichung mit den Mondkrateren, dass in
diesem Krater durch spätere Ausbrüche ein centraler Kegel gebildet
wurde, der Piton Bory. Fig. 108 giebt ein Bild dieses Kraters nach
DE Lapparent. Vergl. S. 284.
Wir sehen also, dass wir auf Erden horizontale Innenebenen
bei verschiedenartigen Krateren finden: In losen Aschenkegeln; in
Kegeln, die aus losen und festen Massen bestehen ; in Kegeln, welche
nur aus festen Strömen aufgebaut sind; in Krateren, welche durch
Explosionen entstanden, also ausgesprengt wurden; endlich in Kra-
' Ebenda S. 436.
— 305 —
teren, welche durch Einsturz hervorgerufen wurden ; schhesshch, wie
wir sehen werden, in Maaren.
Wir sehen ferner, dass wir TerrassenbiMung in verschieden-
artigen Krateren und auf verschiedene Weise entstanden finden:
Durch Abbröckeln, wie beim Piton de la Fournaise auf Reunion,
oder durch Senkung, wie beim Kilauea.
Endlich sehen wir auch bei senkrechten Wänden und wage-
rechter Innenebene centrale Kegel, wie beim Enclos auf Reunion.
Allerdings sind das alles Bildungen, welche auf Vulkanbergen
vor sich gehen, während diejenigen des Mondes einfach in die Ober-
fläche desselben eingesenkt sind; und darin liegt allerdings, wie
Gilbert betont, ein Unterschied. Allein unser vulkanisches Gebiet
von Urach lehrt uns, dass auch bei Maaren horizontale Innenebenen
vorkommen und die Möglichkeit der Vereinigung eines derart ge-
stalteten Maares mit einer inneren Kegelbildung scheint mir sehr
leicht denkbar zu sein.
Wenn Gilbert meint, die Maare hätten nie wagerechte Innen-
ebenen , so hat er nur die typischen Maare im Auge , welche aller-
dings eine trichterförmige Gestalt besitzen. Unsere Gruppe von Urach
aber lehrt uns Maare kennen, welche kesselartig sind und ebenfalls
eine innere Ebene haben, welche durch die Oberfläche der den Aus-
bruchskanal erfüllenden Tuffmassen, bezw. auch einmal durch Ba-
salt, gebildet wird. Es lässt sich daher die Innenebene der Mond-
kratere ganz auf dieselbe Weise erklären. Das ist auch sehr ein-
leuchtend. Wenn Kratere auf dem Monde bis zu 160 geogr. Meilen
Durchmesser ausgeblasen wurden, wo sollte denn die ungeheure
Menge des zerschmetterten, durchbrochenen Gesteines bleiben? Selbst
bei reinen Gasmaaren (s. S. 233), bei welchen der Schmelzfluss so
tief unten bleibt , dass gar keine Asche ausgeworfen wird , sondern
nur Gase explodieren, muss ja das zerschmetterte Gestein, zum Teile
in die Ausbruchsröhre zurückfallend, dieselbe erfüllen. Das Vor-
handensein einer Innenebene ist daher kein Grund, an der Deutung
jener Mondkratere als Maar irre zu werden.
Nun haben wir aber in dieser Arbeit gesehen, dass es in der
Gruppe von Urach auch Maare giebt, deren Ausbruchskanäle nicht
mit Tuff, sondern mit Basalt erfüllt sind (s. S. 98). Auf dem
Boden eines solchen Basaltmaares muss natürlich der Schmelzfluss
eine wagerechte Innenebene bilden. Ich stehe daher nicht an, die
entsprechenden Mondkratere als Analoga dieser Maare der Gruppe
von Urach zu betrachten und in ihrer wagerechten Innenebene nur
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 20
— 306 —
die Oberfläche der den Ausbruchskanal füllenden Tuffbreccie oder des
erstarrten Schmelzflusses zu sehen. Wenn man das frühere Vorhanden-
sein von Wasser auf dem Monde annimmt (S. 297), so kann man ja auch
an Sedimentärschichten denken, ganz wie solche bei unseren irdischen
Maaren wagerechte Böden erzeugen. Aber es ist gar nicht nötig, die
ungezwungen sich ergebende Erklärung dadurch zu komplizieren.
Nun hat ja allerdings Gilbert recht, wenn er betont, dass sich
zu diesen wagerechten Innenebenen noch Terrassen an den inneren
Abhängen des Ringwalles und häufig auch Centralkegel gesellen.
Es wird also dadurch der reine Eindruck eines typischen Maares
verwischt, denn auf der Erde kennen wir keine Maare mit Central-
kegel. Allein man erwäge nur die Entwickelungsreihe der vulkani-
schen Gebilde vom Gasmaar an aufwärts, wie ich sie auf S. 233
besprochen habe. Es ist ja gar nicht notwendig, dass ein Maar
genau auf diesem ersten embryonalen Stadium stehen bleibe, es
kann sich weiter entwickeln.
Betrachten wir unter diesem Gesichtspunkte einmal die Mond-
kratere mit Innenebene und Centralkegel. Wenn sich aus dem
Maare ein Vulkan entwickelt, so geht das gar nicht anders, als dass
sich über dem einfach in die Erdrinde eingesenkten Explosionskrater
ein Kegel aufbaut. Ist nun der Explosionskrater, das Maar, wie
bei den irdischen der Fall, klein, so wird es ganz von dem Berge
verschüttet werden. Man sieht es dann nicht mehr. Ist dagegen
der Durchmesser des Maares sehr gross, so kann sich durch spätere
Ausbrüche im Innern desselben sehr leicht ein Aschenkegel aufbauen,
ohne mehr als einen Teil der Innenebene des Maares zu bedecken.
Das ist auf dem Monde sehr gut denkbar; denn die Mondkratere
mittlerer Grösse, welche zur Hälfte etwa solche inneren Kegel
besitzen, sind immer noch so gross — sie haben bis zu 20 geo-
graphische Meilen Durchmesser — , dass in deren Innern sich sehr
gut ein Aschenkegel aufbauen kann.
Ist diese Deutung nun die richtige, dann würde der einzige
Unterschied der folgende sein: Auf dem Monde wären das dort
riesige embryonale und das, dort kleinere spätere Entwickelungs-
stadium des Vulkanismus an einer und derselben Stelle nebeneinander
sichtbar; wogegen auf der Erde das hier stets kleine embryonale
Stadium verdeckt wird, sowie es zur weiteren Entwickelung des
Vulkanismus kommt.
Es würde also der Mond, gegenüber der Erde, ausgezeichnet
sein dadurch, dass auf ersterem das embryonale Stadium des Vulkanis-
— 307 —
raus zwar ebenfalls klein sein kann, aber zum grossen Teile mit
ganz ungemein viel grösseren Dimensionen entwickelt ist.
Ich gebe zu, man kann mir den Einwurf machen, dass sich
dann in den Mondmaaren alle Übergänge von dem kleinen Kegel
bis zu dem grossen, fast das ganze Maar zudeckenden Berge finden
müssten. Die Sache mag sich auf folgende Weise erklären. Ich
frage: Warum ist es denn in dem vulkanischen Gebiete von Urach
an den 127 Ausbruchstellen ausnahmslos bei dem embryonalen Maar-
stadium verblieben ? Warum hat sich hier nicht ein einziger Vulkan
gebildet? Da niemand die letzte Ursache dieser Erscheinung an-
zugeben vermag, so wird die Antwort nur lauten können : Die Ver-
hältnisse müssen eben derartige gewesen sein, dass der Vulkanismus
nicht über ein embryonales Eintagsleben hinauskam.
Wenn nun dies thatsächlich für unser schwäbisches Vulkan-
gebiet der Fall ist, so kann es ebensogut auch für den Mond der
Fall gewesen sein. Auch dort müssen die Verhältnisse so gewesen
sein, dass die vulkanische Kraft nur unentwickelte Wesen, Maare,
erzeugen konnte. Wenn sie es versuchte darüber hinauszugehen,
so blieb es auch hier bei Versuchen. Nie wurde aus einem kleinen
Centralkegel ein grosser Vulkanberg.
Vielleicht geht gerade Hand in Hand mit diesem Unvermögen
des Vulkanismus, ausgebildete Vulkane zu schaffen, seine Fähigkeit,
recht zahlreiche Vulkanversuche, Maare, erzeugen zu können. Viel-
leicht erklärt sich dadurch der Umstand, dass der Mond eine so ge-
waltige Zahl von embryonalen Krateren besitzt. In der Gruppe von
Urach möchte man wenigstens eine solche Beziehung erblicken : Kein
einziger Vulkan, dafür aber nicht weniger als 127 Maare, bezüghch
embryonale Vulkanbildungen, aufeinem nur 20QMeilen grossen Gebiete.
Auf der uns zugewendeten Seite des Mondes ist nun die Zahl
der Kratere eine ganz gewaltige, 20—30000 nach Faye's Schätzung.
Wie gross das Übergewicht des Mondes in dieser Hinsicht über die
Erde ist, wird erst klar, wenn man erwägt, dass nach Gilbert ^ ein
Gebiet von Nordamerika, welches ungefähr ebenso gross ist wie die
uns zugewendete Mondseite, gegenüber jenen 20—30000 Krateren
nur etwa deren 3000 besitzt'. Mir scheint aber das Übergewicht
' 1. c. S. 246.
^ D. h. 3000 einzelne Kratere, nicht etwa ganze Vulkane. Diese Zahl
scheint sehr hoch; aher Gilbert giebt Anhaltspunkte für dieselbe. Er führt
sogar weiter aus, dass die Zahl von 3000 noch grösser sein würde, wenn man
die älteren, bereits zerstörten mitzählen könnte.
20*
— 308 —
des Mondes in dieser Beziehung noch viel grösser zu sein, denn hier
ist Ungleichwertiges miteinander vergUchen. Die Kratere des Mondes
sind offenbar vorwiegend selbständige Bildungen, die überwiegende
Mehrzahl derselben ist die obere Öffnung eines besonderen Durch-
bruchskanales. Der Mond besitzt also auf der uns zugewendeten
Seite nicht nur 20—30000 Kratere, sondern auch ebensoviel einzelne
Durchbruchskanäle, Diatremata nach Daubree's Ausdrucke. Bei den
irdischen Vulkanbergen dagegen, das gilt also auch von jenen
3000 Krateren Nordamerikas, können auf einen Durchbruchskanal
sehr viele Kratere kommen. Wenn z. B. der Ätna mehrere 100 para-
sitische Kratere besitzt, so sind diese doch nur auf Spalten des
Berges aufgesetzt, also lediglich auf den einen die Erdrinde durch-
bohrenden Ausbruchskanal, höchstens auf einige zurückzuführen, in
welchem die Laven aufsteigen. Die dem Monde gleiche Fläche
Nordamerikas besitzt also nicht etwa 3000, sondern eine ungemein
viel geringere Zahl von solchen selbständigen Durchbruchskanälen.
Demgegenüber tritt nun aber das überaus Eigen-
artige unserer vulkanischen Gruppe von Urach recht
in dasLicht. So übergewaltig auch der Erde gegenüber
die Zahl der Durchbruchskanäle auf dem Monde ist,
das Gebiet von Urach ist letzterem in dieser Hinsicht
nicht weniger als 73mal überlegen, wenn wir vom Monde
die Durchschnittszahl der Kratere, d. h. der selbstän-
digen Durchbruchskanäle nehmen. Auf IIV2 D^eilen
derMondoberfläche kommt durchschnittlich ein solcher
Kanal, falls jedem der 30000 Kratere ein solcher ent-
spricht. Das macht auf 20 n^eilen, so gross ist etwa
das vulkanische Gebiet von Urach, noch nicht ganz
1^/^ Kanäle (1,74), wogegen unser Gebiet von Urach deren
mindestens 127 besitzt^ Führt man nun aber an, dass dies
nur eine Durchschnittszahl ist, dass also einzelne Gegenden des
Mondes viel reicher an Krateren bezw. Durchbruchskanälen sind, so
kann man dasselbe von unserem Gebiete geltend machen. Durch-
schnittlich haben wir hier auf 1 DMeile auch nur 6,3 Durchbohrungen,
während die Gegend im W. und N. vom Jusi auf der Fläche von
1 Die Oberfläche des Mondes zu 688 635 nMeilen gerechnet, ergiebt sich
für die Hälfte derselben die Summe von 344 318 nMeileu. Hierbei ist allerdings
vernachlässigt, dass infolge der Libration mehr als die halbe Moudfläche für uns
sichtbar wird; dafür habe ich aber nicht das Mittel von 20-30000, sondern
30000 gerechnet.
— 309 —
1 □Meile 22, diejenige um Owen hemm 18 solcher Durchbohrungen
zählt. Demgegenüber hat der Mond durchschnittlich auf 1 QMeile
nur 0,087 Durchbohrungen.
Doch noch ein Weiteres in Beziehung auf die Zahl dieser
Kratere. Gilbert hebt hervor, dass wir auf dem Monde so sehr
viele Kratere, auf Erden aber noch nicht 50 Maare besitzen; unter
anderem spräche das ebenfalls gegen die Deutung der Mondkratere
als Maare. Nun ist diese Zahl von 50 wohl etwas zu klein, wie
ich S. 218 gezeigt habe. Es gesellen sich auch dazu die 127 des
Gebietes von Urach und vermuthch diejenigen Mittel-Schottlands.
Aber abgesehen davon ist ihre Zahl doch auf Erden noch sehr viel
grösser ; denn unter vielen Vulkanen liegt ein Maar begraben. Auch
sind im Laufe der Zeiten wohl manche Maarkessel auf Erden ab-
getragen worden und unkenntlich gemacht.
Erwägt man nun, dass der wasser- und luftlose Mond als geo-
logische Mumie alle Kratere seit vielleicht ungeheuer langen Zeiten
aufbewahrt hat, während auf der stetig ihre Oberfläche abtragenden
Erde im Laufe dieser Zeiten zahlreiche Vulkane abrasiert wurden,
so folgt abermals, dass die Zahl der Kratere bezw. Maare auf Erden
sehr viel grösser sein würde, wenn alle, wie auf dem Monde, erhalten
wären. Gilbert selbst weist ja auf diese verschwundenen Kratere
hin (S. 307 Anmerkung 2 dieser Arbeit).
Aus alledem folgt — und Gilbert legt darauf auch gewiss
kein grosses Gewicht — dass die grosse Zahl der Mondkratere uns
nicht im geringsten in der Deutung derselben als vulkanischer Bil-
dungen wankend machen kann.
Doch Gilbert erhebt noch einen anderen Einwurf: das Auftreten
innerer Terrassen in vielen Mondkrateren. Dieselben sind nach seiner
Schilderung nicht so regelmässig wie die innere Terrasse in dem
irdischen Krater des Hawai-Typus. Gilbert vergleicht sie mehr mit
Abrutschmassen (S. 282). Vom Standpunkte unserer vulkanischen
Hypothese lässt sich die Entstehung derselben auf drei verschiedene
Weisen erklären. Entweder nehmen wir das Vorhandensein von
Wasser zur Zeit der Ausbrüche an ; dann sind es infolge der Wirkung
des Wassers abgerutschte Massen. Im Randecker Maar No. 39
rutscht ringsherum an der Innenseite alles allmähhch auf solche
Weise hinab. Oder wir verzichten darauf; dann können allein durch
die Schwere im Laufe sehr langer Zeiten diese Massen niedergebrochen
sein. Oder wir nehmen Mondbeben an, welche sich doch gewiss
bei der Bildung so zahheicher Kratere eingestellt haben ; dann sind
- 310 —
diese Massen plötzlich abgebrochen. Das letzte ist vielleicht das
am meisten ausschlaggebende.
Fragen wir aber, welcher Beschaffenheit denn nun die ab-
gerutschten Massen waren, so mögen dieselben zum Teil lose, zum
Teil aber auch fest gewesen sein. Ich denke im letzteren Falle
an Erscheinungen, wie sie sich im Halemaumau zeigen (S. 284).
Der Schmelzfluss bildet eine Erstarrungskruste. Diese wächst in
ihrem randlichen Teile an die inneren Gehänge des Kraters an.
Nun sinkt die Lava in dem Feuersee. In der Mitte bricht die Er-
starrungskruste nach und schmilzt ein. Am Rande hält sie sich
eine Zeit lang, bis sie auch hier nachbricht. In schräger Lage ruht
sie dann auf dem inneren Gehänge. Gilbert schildert den Eindruck
dieser Terrassen ja ganz ähnlich : Es sehe aus, als wenn vom Rande
einer, mit einer festen Basaltdecke überzogenen Hochfläche Fetzen
herniedergebrochen wären. Übrigens betrachtet Gilbert selbst ihre
Entstehung ja ledighch durch Abrutschung. Nur dass er diese sich
hervorgerufen denkt dadurch, dass der untere Teil des inneren Ge-
hänges durch den Zusammenstoss schmolz, wegfloss und dadurch
den oberen der Unterlage beraubte.
Was jene Rillen oder Spalten (S. 291) anbetrifft, welche einen
ebenen , nicht V förmigen Boden besitzen, so glaube ich, dass man
diese Eigenschaft in viel ungezwungenerer Weise als durch Gilbert's
Schmelzflut erklären kann. Genau so, wie auf Erden der Schmelz-
fluss von unten her in die Spalten dringt, so wird das auch auf
dem Monde der Fall gewesen sein. Daher muss der Boden dieser
Spalten natürlich eben sein. Der Schmelzfluss braucht eine Spalte
durchaus nicht bis an die Oberfläche hin zu erfüllen. That er das
aber auf dem Monde, so entstand jene zweite Art von Spalten,
deren Verlauf sich nur noch durch eine Reihe von Löchern verrät.
Diese Löcher möchte ich, ganz wie Gilbert, durch Gasexplosionen
erklären.
Zusammenfassung. Gilbert's Gründe für seine kosmische
Hypothese sind die folgenden : Die Mondkratere können unter keiner
Bedingung — und dem muss jeder beipflichten — als Vulkane vom
Vesuv-Typus betrachtet werden. Wir können sie aber auch nicht
einmal für solche des Hawai-Typus ansehen ; denn letztere liegen auf
Erden auf einem Berge, ihnen fehlt ein innerer Kegel, ihre Terrassen
sind wagerecht. Die Mondkratere sind dagegen einfach in die Mond-
ebene eingesenkt, sie haben zum Teil innere Kegel, ihre Terrassen
sind schräg, uneben. Gilbert sagt weiter: Abgesehen von den
- 311 —
kleinen unter den Mondkrateren , können wir letztere aber auch
nicht als Maare betrachten; denn letztere sind zwar auf Erden
ebenfalls nur in die Oberfläche eingesenkt. Aber sie besitzen hier
keine Innenebene, keine Centralkegel, keine inneren Terrassen ; auch
sind sie selten. Die Mondkratere besitzen auch bisweilen domförmig
gewölbte Böden.
Demgegenüber hebe ich hervor: Zahl und Grösse sind neben-
sächliche Dinge. Innenebenen kommen auch bei Maaren vor,
gewölbte Böden bei dem Hawai-Typus. Die Centralkegel der Mond-
kratere sind Vulkane, schon weil sie Kratere an der Spitze tragen.
Die Mondkratere sind also vulkanischen Ursprunges. Zum Teil sind
es Maare ; zum Teil sind sie über dieses Stadium hinaus entwickelt,
ohne jedoch fertige Vulkane geworden zu sein. Sie sind mehr Maar
als Vulkanberg, oft ein Zwischending zwischen beiden mit Anlehnung
an den Hawai-Typus.
In völhg anderer Weise wie Gilbert sucht neuerdings Prinz ^
die Entstehung der Kraterbildungen des Mondes zu erklären. Schon
GwYN Elger hatte die Ansicht ausgesprochen, dass der ümriss der
Mondkratere nur ein kreisförmiger zu sein scheine, dass dieser Em-
druck aber verschwinde, sowie man stärkere als die gewöhnhchen
Vergrösserungen anwende, bei welchen sich dann ein polygonaler
Umriss ergebe. Auch früher bereits waren von anderen gleiche
Beobachtungen gemacht worden und Prinz fügt diesen nun weitere
hinzu. Derselbe unterscheidet vier verschiedene Typen: Hexagonale
Kratere ; solche mit mehr oder weniger als 6 Seiten, nämlich hepta-
und pentagonale ; sodann fast quadratförmige oder rhomboidale;
endlich solche mit teilweise winkhgem Umrisse.
Ganz entsprechendes Verhalten zeigen nach Prinz von irdischen
Krateren der Kilauea and der Mokua-weo-weo des Mouno Loa. Am
ersteren sucht er einen ungefähr hexagonalen Umriss nachzuweisen ;
am letzteren einen 6 bis 7seitigen, wobei einzelne der Seiten einen
konvex nach innen gekrümmten, flachen Bogen beschreiben. Natür-
hch gelingt eine solche Zeichnung (Fig. 2 und 4 auf S. 14 und 17
seiner Abhandlung) bei einem Krater von unregelmässiger Gestalt
unter Umständen ganz gut. Irgendwelche Regelmässigkeit aber wird
wohl niemand in dem so gewonnenen polygonalen Umrisse erkennen
können.
1 Esquisses selenogiques. I. L'origine du contour polygonal et hexagonal
de certains volcans lunaires. Bruxelles. Extrait de la Revue ,Ciel et Terre''.
14 eme annee. 1893. .37 S. 1 Taf. 10 Textfig.
— 312 —
Prinz geht nun aus, einmal von der durch Suess^ gegebenen
Beschreibung von Senkungsfeldern, bei welchen derselbe peripherische
und radiale Brüche unterscheidet ; es entstehen hierbei Kesselbrüche,
wie z. B. in der schwäbisch-fränkischen Alb das Hegau und das
Ries, von gerundeter oder unregelmässig winkliger Umrandung. So-
dann zweitens von Versuchen, bei welchen ein auf den Mittelpunkt
einer festen, homogenen Platte ausgeübter Druck oder Stoss einen
Sternbruch erzeugt. Derselbe wird gebildet durch drei Bruchlinien,
welche sich unter 60*^ durchschneiden, also genau wie die drei
Nebenachsen des hexagonalen Krystallsystems. Das sind die radialen
Sprünge. Peripherische aber bilden sich gleichfalls bei weiter an-
dauernder Einwirkung, indem sie — gleich der Projektion einer
hexagonalen Pyramide auf eine Ebene — ein zu jenem Achsenkreuz
gehöriges Sechseck darstellen, dessen Seiten entweder gerade oder
nach innen konvex verlaufen.
Es ist nun nach Prinz ganz gleichgültig, ob man statt „Druck"
oder „Stoss" den Ausdruck ,,Senkung" setzen will. Die ideale Um-
randung eines Senkungsfeldes ist daher, nach Prinz, eine hexagonale.
Wenn ein solches diese Idealgestalt in der Wirklichkeit niemals besitzt,
so hegt dies an mangelnder Homogenität der Erdrinde und anderen
Ursachen.
Die Mondkratere und auch gewisse sogenannte Meere des Mon-
des sind also nach Prinz solche Kesselbrüche ; daher ihr, nach ihm,
vorwiegend hexagonaler Umriss.
Mehreres möchte ich dem entgegenhalten. Wenn die Senkungs-
felder und Kesselbrüche auf der Erde nicht diesen hexagonalen
Umriss besitzen — und das ist eben nicht der Fall — wie sollten
denn die gleichen Bildungen auf dem Monde diese Gestalt erlangen?
Ob die Erdkruste oder die Mondkruste einbricht, scheint doch
gleichgültig.
Zweitens besitzt kein einziges der 127 Maare, bezw. der Aus-
bruchskanäle derselben, in unserem Gebiete einen polygonalen, ge-
schweige denn hexagonalen Umriss. Diese Kanäle sind aber doch
ebenfalls entstanden durch Stösse, ausgeübt von explodierenden
Gasen. Bei keinem dieser Kanäle zeigt sich auch ein solcher sechs-
strahliger Sternbruch, welcher im Umkreise derselben das Gestein
zerklüftete.
In wie weit drittens überhaupt der hexagonale Umriss vielen
' Antlitz der Erde. Bd. I. 1883. S. 165.
— 313 —
Mondkrateren wirklich eigen ist, vermag ich nicht zu entscheiden.
Die schönen vergrösserten Bilder, welche Weinland von einer ganzen
Anzahl von Photographien der Lyck-Sternwarte giebt, lassen nichts
Derartiges erkennen. Vergl. Fig. 110.
Endhch sprechen auch die Ringwälle der Mondkratere gegen
ihre Auffassung als Senkungsfelder bezw. Kesselbrüche. Wenn alles
in die Tiefe versinkt, wie soll da ein Ringwall entstehen? Haben
tr-'-^^-'^m
^:i^:i
,^%^*'
Clavius nach WeiiiecK.f igf.llO,
wir etwa um die Einsturzbecken des Hegau und des Ries einen
solchen erhöhten Ringwall? Ein solcher kann doch nur durch Aus-
wurfsmassen aufgetürmt werden. Mindestens in allen den Fällen,
in welchen sich auf dem Monde ein solcher Ringwall zeigt, muss
daher "Vulkanismus im Spiele sein; wenn auch zugegeben werden
muss, dass ursprünglich ein Einsturz erfolgt sein könnte und erst
dann ein Ausbruch. Im letzteren Falle wäre aber sicher der hexa-
gonale Umriss wieder verwischt worden. Des Ferneren : Wie will
man die centralen Kegel in den Mondkrateren erklären, wenn man
in letzteren Einsturzbecken sieht? Auch überall da, wo Mondkratere
dicht benachbart sind, wo sie im Innern einer grösseren Einsenkung
— 314 —
liegen, wo sie auf dem Ringwalle einer anderen oder gar auf der
Flanke eines Centralkegels aufsitzen, wird man keine Entstehung
durch Einsturz annehmen dürfen.
Dass dagegen andere Mondbildungen ohne Ringwall, wie ge-
wisse sogenannte Meere, durch Einsturz entstanden sind, wäre nicht
undenkbar ; denn warum sollten sich auf dem Monde keine Spalten-
bildungen und Einbrüche vollzogen haben? Nur dass sie infolgedessen
einen sechseckigen Umriss besitzen müssten, erscheint, im Hinblicke
auf irdische Einbruchsfelder, nicht wahrscheinhch.
Verbesserungen und Zusätze.
Bohrtabelle des Bohrloches bei Neuffen.
In der Tabelle 1894 auf S. 655 ist der den Bonebed-Sandstein
vom Lias trennende Strich aus Versehen unter die No. 23 gekommen,
während er über derselben gezogen sein müsste , da No. 23 , wenn
reiner Sandstein, dem Keuper angehört.
Auf S. 656 1894 ist das über No. 23 Gesagte dahin zu berichtigen,
dass die Zone des Ä. planorhis in Schwaben wohl nirgends in so
sandig-kalkiger Art entwickelt ist, wie das hier, einer mir zugegangenen
irrtümlichen Mitteilung zufolge, als möglich angenommen wurde.
Zu S. 98 oben : Den Gründen, welche dafür sprechen,
dass alle unsere Tuffgänge mit Maaren in Verbindung
standen, dass es bei keinem zur Aufschüttung eines
grösseren Aschenkegels auf der Erdoberfläche kam,
möchte ich noch die beiden folgenden zugesellen :
Unsere Tuffe sind ausnahmslos gekennzeichnet durch die über-
aus grosse Zahl von Stücken der durchbrochenen Gesteinsmassen.
Eine solche Beschaffenheit ist aber doch sicher ein Beweis dafür,
dass wir hier nur Erstlingsauswürfe des Vulkanismus vor uns haben.
Nur solange der Ausbruchskanal noch ausgesprengt wird , können
den losen Aschenmassen so gewaltige Mengen der durchbrochenen
Gesteinsreihen beigemengt werden. Ist der Kanal fertig gebildet,
dann mag wohl hier und da einmal eine Erweiterung desselben statt-
finden, so dass dann und wann wiederum durchbrochene Gesteine
mit herausgefördert werden ; im allgemeinen aber werden doch dann
nur rein vulkanische Massen, entweder lose oder flüssige, aus der
Röhre zu Tage kommen können.
Dauern also die Ausbrüche an, so werden die losen, mit Durch-
bruchsgestein so sehr stark gemengten , Massen , welche den Kanal
anfänglich erfüllten, sehr bald zu Tage gefördert werden. Es wird
aus ihnen ein Berg aufgeschüttet , so dass sich die nun reingefegte
— 316 —
Röhre entweder mit alleiniger vulkanischer Asche oder mit Schmelz-
fluss anfüllt. Zweifellos tritt fast immer sehr bald das letztere ein,
denn wir kennen eben nur wenig tufferfüllte, dagegen sehr viel mit
festem Basalt u. s. w. erfüllte Ausbruchskanäle. Es wird also
eine so starke Vermengung der Asche mit Stücken der
durchbrochenen Ge Steinsreihen stets ein Beweis dafür
sein, dass es sich hier um die Erstlingsprodukte einer
neuen Ausbruchsröhre handelt, bezw. um eine starke
Vergrösserung einer schon bestehenden, was auf das-
selbe hinausläuft. Da nun im Gebiete von Urach sich nirgends
reine Aschenmassen, sondern stets nur in der geschilderten Art durch-
mengte finden, so folgt daraus mit Notwendigkeit, dass wir hier
wirklich nur Vulkanembryonen vor uns haben.
Aber noch ein weiterer Beweis lässt sich dafür erbringen, dass
es in unserem Gebiete nicht zur Aufschüttung von Aschenkegeln
gekommen ist. Hand in Hand mit einem solchen Vorgange würde
selbstverständlich auch eine Aschendecke sich weithin über das ganze
Gelände gelegt haben, wie das z. B. im Hegau der Fall war. Hierbei
müsste natürlich die niederfallende lose Gesteinsmasse in Spalten ^
der Alb entweder direkt gelangt oder bald durch Wasser gespült
sein, wie das z. B. im Ries der Fall ist, wo nach Gümbel der Tuff
z. T. auf der Oberfläche, z. T. in solchen Spalten liegt. Auch in
irgend eine der im Gebiete von Urach liegenden Höhlen würde durch
das Regenwasser etwas von der Decke dieser Tuffbreccie hinein-
gespült sein können. Nichts von alledem ist der Fall ; der Tuff
findet sich nur in den Ausbruchsröhren, nicht in Spalten oder Höhlen.
Wie sich in unserem vulkanischen Gebiete, z. B. in den Spalten des
Breitensteins, tertiäre Sande eingespült finden, so müsste in den-
selben auch Tuff liegen, denn er ist rings umgeben von nahegelegenen
vulkanischen Punkten^.
So sprechen also auch diese beiden Gründe dafür, dass in
unserem Gebiete nur ein kurzes , vorübergehendes Aufflackern der
vulkanischen Thätigkeit stattfand, dass keine Berge auf der Erd-
oberfläche aufgeschüttet wurden.
Sicher ist so viel, dass meine Auffassung aller
unserer Tuff vorkommen als Ausbruchskanäle ehemaliger
' D. li. durch Bruch entstandene Spalteu, nicht in Ausbruchsröhren.
^ Randecker Maar, Torfgrube, Diepoldsburg, Engelhof, Rossbühl bei Brücken,
Teck, Nabel, Limburg umgeben den Breitenstein, die NW. -Spitze der Randecker
Plateauhalbinsel, von allen Seiten.
317 —
Maare mit der Deutung des Randecker Maares steht
und fällt. Ist dieses ein Maar, so sind es auch alle
anderen Vorkommen gewesen. Wer dagegen letzteres
nicht anerkennen will, muss auch vom Randecker Maare
sagen, dass dasselbe lediglich ein durch Erosion im
Tuff entstandener Kessel, aber kein Explosionskrater
sei. Niemand wii-d solches behaupten wollen, denn die obermio-
cänen Versteinerungen beweisen, dass hier ein Maar bestand. Also
darf man es auch nicht den anderen Tuff- und Basaltvorkommen
gegenüber bestreiten \ wenn auch diese heut mehr oder weniger
im Zustande von Ruinen erscheinen. Bleibt doch eine menschhche
Bildsäule stets eine solche, auch wenn der Kopf der Figur verletzt
ist, auch wenn er schliesshch ganz fehlt. Genau dasselbe gilt von
unseren Maargängen bezw. Maaren.
Nur Wortklauberei also könnte sagen: „Weil man heute, auch
oben auf der Alb, an vielen Stellen nichts mehr von dem Maar-
trichter sieht, so darf man auch nicht von Maaren sprechen, denn
nur der Trichter heisst Maar." Gewiss, aber es bleibt dann doch
immer zu Recht bestehen, dass ein ehemahges Maar vorliegt.
Ich habe gesagt, mit dem Randecker Maare, dessen Maarnatur
gewiss niemand bezweifeln wird, steht und fällt meine Auffassung
von derjenigen unserer anderen vulkanischen Vorkommen. Zum Be-
lege dessen möchte ich hier nur auf alle die Maare , bezw. Maar-
tuifgänge aufmerksam machen, welche gleich dem Randecker Maar
hart an den Steilabfall der Alb gerückt, aber doch bereits stärker
durch diesen angeschnitten sind, so dass auf den ersten Bhck gar
nichts vorhanden zu sein scheint, was den Gedanken an ein Maar
erweckt. Es sind das die Maare, bezw. Maartuffgänge: N. von Er-
kenbrechtsweiler No. 31; bei der Diepoldsburg No. 40; beim Engelhof
No. 41 ; an der Gutenberger Steige 2. Gang No. 43, 4. Gang No. 4o ;
in der Zittelstadt No. 62 ; an der Wittlinger Steige No. 63 ; an der
Steige von Beuren nach Erkenbrechtsweiler No. 51 ; an der Steige
von Neuffen nach Hülben No. 52 und 53. Beim Randecker Maar
ist nur erst eine Scharte in den Rand desselben eingegraben worden,
bei jenen ist die Hälfte bis zwei Drittel des Randes bereits entfernt
und dadurch viel Tuff durch diese grosse Lücke hinausgeschafft.
Dadurch sehen sie völlig anders aus. Wird aber im Ernste ein Geolog
behaupten wollen, dass diese Vorkommen ihrem innersten Wesen
1 Ausgenommen ist der spaltenförmige Basaltgang bei Grabenstetten No. 126.
— 318 —
nach etwas anderes sind als das Maar von Randeck, obgleich sie so
ganz anders aussehen ? Wird im Ernste ein Geolog behaupten wollen,
dass das von ihm als Maar unbezweifelte Randecker Maar in späteren
Zeiten genau ebenso aussehen wird wie jene? Wird er bestreiten
können, dass dann auch das Randecker Maar nur wie ein am Steil-
abfalle in die Tiefe hinabsetzender, saigerer Tuffgang erscheinen
muss, welcher an der Albseite — dem noch stehengebliebenen Teile
des Maarrandes — hoch oben über dem Tuffe die steil aufragende
Weiss- Jurawand zeigen wird?
Jene beiden Behauptungen kann kein Geolog aussprechen und
verteidigen, diese letztere Aussage kann er nicht bestreiten. Mithin
sind auch diese, gar nicht wie Maare mehr aussehenden
Tuffgänge unbestreitbar gleichfalls ehemalige Maare.
Damit aber sind notwendig auch alle anderen Tuff-
gänge unseres Gebietes ehemalige Maare, denn sie sind
mit jenen durch alle Übergänge verbunden, wie abermals kein Geolog
bestreiten wird. s. „Die Denudationsreihe" S. 151 ff.
Endlich aber ein letzter Grund: In der Eifel sind keineswegs
alle Maare noch unverletzt erhalten. Auch hier zeigen sich bereits
ganz dieselben Einkerbungen im Rande (S. 217) und Zerstörungen
des Randes des Kessels durch Thalbildungen, wie in unserem Ge-
biete. Nur viel weitergehend, viel stärker sind diese Zerstörungen
in unserem Gebiete, das ist der ganze Unterschied. Vor allem fehlt
in der Eifel der Steilabfall, durch welchen die in die Tiefe setzenden
Tuffkanäle angeschnitten und sichtbar würden.
Übrigens möchte ich doch noch eines hervorheben: Das Eigen-
artige, Merkwürdige unseres vulkanischen Gebietes
liegt vielmehr darin, dass alle 127 Vorkommen aus-
nahmslos Vulkanembryonen sind, dass also die vul-
kanischen Kräfte, kaum wach geworden, wieder erstick-
ten, als darin, dass hier 127 Maarkessel vorhanden
waren. Letzteres ist ja etwas ganz Nebensächhches. Ob in einer
mit Tuff erfüllten Röhre der oberste Teil derselben leer bleibt, also
einen Kessel bildet, oder nicht ; ob dieser Teil lang, der Kessel also
tief ist oder kurz, der Kessel also flach — das sind doch nur grad-
weise Unterschiede. Das Wesenthche also liegt im Embryonalen
unseres Gebietes. Dieses aber bleibt zu Recht bestehen, auch wenn
in demselben auch nicht ein einziger Maarkessel jemals vorhanden
gewesen wäre.
— 319 —
Berichtigung zu der grossen geologischen Karte.
Bei dem Ran deck er Maar No. 39 ist die nach N. gerichtete
keilförmige Verlängerung des roten Tufffleckes viel zu lang geworden,
wodurch ein unnatürliches Bild entsteht. Die 1894 auf S. 737 ein-
geschaltete Fig. 11 gewährt das richtigere Bild, wenn man sich denkt,
dass das Innere des Kessels mit roter Farbe angetuscht sei und dass
letztere sich in dem Abflussthale hinabzieht nur bis an die Linie, welche
durch Punkt 1 gelegt ist. Nördhch dieser Linie beginnt bereits,
wie Fig. 11 angiebt, der Weisse Jura. Es ist jedoch auch dieser
Fig. 11 gegenüber zu berücksichtigen, dass — wie 1894 auf S. 995 m
„Erläuterung zu den Profilen" gesagt wurde — hier nur flüchtig im
Felde gemachte Skizzen vorhegen, welche in den Verhältnissen nicht
genau sind. Es mag daher auch in Fig. 11 die Ausdehnung des
Tuffes gegen N. noch" etwas zu weit vorgeschoben sein. Thatsächhch
handelt es sich bei dieser nördhchen Verlängerung des roten Tuff-
fieckes nur um den, durch die schräg abwärts ziehende Zipfelbach-
Schlucht bewirkten Anschnitt des in die Tiefe niedersetzenden, tuff-
erfüllten Ausbruchskanales.
Veränderungen der grossen geologischen Karte gegenüber
der geologischen Karte von Württemberg.
Der dieser Arbeit beigefügten grossen geologischen Karte im
Massstabe von 1 : 50000 liegt die vom statistischen Landesamte
herausgegebene geognostische Karte von Württemberg zu Grunde.
Es erwies sich als nötig, einen Teil der die vulkanischen Punkte
betreffenden Einzeichnungen zu verändern. Ich führe diese Verände-
rungen im folgenden auf:
Neu hinzugekommen sind die folgenden Tuff punkte:
No. 32. An der Viehweide, W. von Erkenbrecbtsweiler.
„ 33. SO. vom Engelhof.
„ 35. Torfgrube bei Ochsenwang.
58. Im Elsachthale.
n
59. Im Mohrenteich.
„ 80. Am Ehnisbach.
« 124. Bei Scliarnhausen.
Neu hinzugekommen sind die folgenden Basalt-
Punkte:
No. 20. Im Hofbrunnen-Maar.
„ 45. An der Gutenberger Steige, Gang 4.
— 320 —
No. 48. Am Sulzburgberg.
„ 122. Am Gaisbühl.
„ 125. In der Zittelstadt.
„ 126. W. von Grabenstetten an der neuen Strasse.
An Stelle nur eines eingezeichneten Tuffvorkom-
mens ergaben sich deren je zwei:
No. 71. Lichtenstein und
„ 72. Sonnenhalde.
„ 74. Aichelberg N.-Gang und
„ 75. „ S.-Gang.
„ 90. Bolle bei Reudern O.-Gang und
„ 91. „ „ „ W.-Gang.
Zwei Vorkommen wurden in eines zusammengezogen:
No. 122. Gaisbühl.
An Stelle der in Form langgestreckter, platten-
förmiger Tuffgänge eingezeichneten Vorkommen wurden
als Gänge rundlichen Querschnittes dargestellt:
No. 40. Diepoldsburg.
« 41. Engelhof.
„ 30. Erkenbrechtsweiler im Dorfe.
„31. „ N. vom Dorfe.
„ 42. Gutenberger Steige 1. Gang.
44. 3.
45 4
An einer anderen Stelle mussten eingezeichnet
werden:
No. 7. Am Leisgebronn.
„ 17. Im Hengbrunnen.
„ 57. Im Buckleter.
„ 60. Zittelstadt, W.-Gang.
„ 114. Scheidwasen.
Ganz fortgelassen wurden die Vorkommen:
1894 S. 703. Basalt bei Bulben.
„ „ 966. No. 1. Burris bei Gutenberg. Basalttuffähnl. Bildung.
„ „ 969. „ 6. N. von Beuren. „ „
„ „ 967. „ 4. Bett der Lauter. „ „
„ „ 970. „ 10. W. von Kohlberg. „ „
„ „ 971. „ 17. Falkenberg bei Metzingen. „ „
„ „ 972. „ 19—22. S. vom Karpfenbühl. „ „
— 321 —
Basalttuf fähnliclie Bildung wurde als Tuff ein-
gezeichnet:
No. 56. Auf dem Blohm,
„ 95. N. von Beuren.
„ 99. Bolle bei Kohlberg.
„ 109, 110, 111. Bei Grafenberg, NW.-, NO.-, SO.-Punkt.
„ 112. Hengstäcker.
„ 114. Scheidwasen.
„ 119. Schafbuckel.
Als grösseres Vorkommen erwies sich:
No. 82. Weg von Bissingen zum Hahnenkamm.
Verkleinert wurden die Vorkommen:
No. 34. Teck.
„ 37. Sternberg.
„ 46. Rossbühl bei Brücken.
„ 109, 110, 111. Grafenberg NW.-, NO.-, SO.-Punkt.
„ 123. Scheuerlesbach.
Sonst etwas geändert wurden:
No. 79. Egelsberg.
„ 96. Bettenhard.
„ 101. Florian.
Reiseplan für einen geologischen Ausflug in das vulkanische
Gebiet von Urach.
Bei der, 130 übersteigenden Zahl vulkanischer Punkte in un-
serem Gebiete dürfte es angezeigt sein, demjenigen, welcher dasselbe
kennen lernen will, einen Reiseweg an die Hand zu geben, der zu
einer Anzahl der aufschlussreicheren Punkte hinführt. Wegen der
weiten Entfernungen und der nicht überall vorhandenen Möghchkeit
guten Nachtlagers, ist die Reise zu Wagen angenommen.
Ausgangspunkt derselben bildet Kirchheim u. Teck. Da man
sowohl von Tübingen als auch von Stuttgart aus erst gegen 10 Uhr
vormittags in Kirchheim eintreffen kann, so ist es zu besserer Aus-
nützung der Zeit geraten, in Kirchheim zu übernachten, so dass
man früh morgens von dort aufbrechen kann. Andernfalls findet
man den Wagenvermieter ülmer auf dem Bahnhofe bei der Ankunft
eines jeden Zuges. Es ist hier eine dreitägige Exkursion angenom-
men. Indessen ist auch jede einzelne Tagereise derart angegeben,
dass man am Abend derselben wieder zurückkehren kann.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895, 21
— 322 —
Erster Tag; Zu Wagen nach Weilheim, jedoch kurz vor dem
Orte rechts abbiegen und über die Bleiche bis an den Fuss des Egels-
berg No. 79 fahren. Von der 0. -Seite auf den Berg steigen (Braun-
Jura a bis nahe an den Gipfel), an der SW.-Seite im Tuff hinab.
Rückfahrt über die Bleiche nach Weilheim. Dort hat der Kutscher
1 Stunde Zeit zum Ausspannen ; dann fährt er auf der Strasse nach
Hepsisau bis dahin, wo dieselbe die Lindach überschreitet (am SO.-
Fusse des Limburgberges) und wartet dort. Unterdessen zu Fuss
auf die Limburg; oben auf dem, etwa wagerecht den Berg um-
kreisenden Wege die Aufschlüsse im Weiss- Jura-Schuttmantel sehen.
Hinab; Weiterfahrt nach Hepsisau und auf der neuen Steige zum
Randecker Maar. In ziemlicher Höhe zur Linken der Kontakt zwi-
schen dem Weiss-Jura und der in die Tiefe niedersetzenden Tuffröhre
des Maares. Bei weiterem Ansteigen Schuttmantel und Tuff. Kurz
vor dem Eintritt in das Innere des Maares an der Strasse das fol-
gende Profil von oben nach unten : Lehm, Papierkohle, geschichteter
Tuff. Steigt man von hier aus hinab auf die nahegelegene alte
Steige, so findet man auf dieser Basaltstücke im Tuffe. Die nun
zu verfolgende neue Strasse durch das Maar zeigt mehrfache Auf-
schlüsse in Süsswasserschichten und Tuff (s. 1894 Fig. 11, S. 737).
Weiterfahrt über Schopfloch hinab nach Gutenberg, wo der voraus-
fahrende Kutscher ausspannt. Unterwegs den Wagen verlassen da,
wo die Steige bergab zu gehen beginnt, am S.-Ende des obersten
(4.) Ganges No. 45 an der Gutenberger Steige. Im Graben dort
(s. 1894 S. 763, Fig. 16) Tuff, welcher unter dem Weiss-Jura heraus-
schaut. Beim weiteren Abstieg die gegen das Maar hin fallenden
Weiss-Jura-Schichten. Nach Umschreiten des Berges führt die Steige
an diesem Tuff-Maargange vorbei. Im W.-Kontakt der schwarz ge-
brannte Kalk; daneben kleine Basaltapophyse im Tuff; im Walde am
Gehänge bergabwärts findet sich mehr Basalt. Hinter dem 0. -Kontakt
feuerrote Färbung in Spalten des zersetzten Kalkes. Weiter abwärts
an dem leicht zu übersehenden, überwachsenen, schmalen 3. Gange
No. 44 vorbei zum 2. Gange No. 43. An der spitzen Biegung der
Steige rechts bergaufwärts, dem Fusswege folgend in das Seitenthal
eindringen ; man steht mitten in der Seele des Tuffganges zu beiden
Seiten am Gehänge Tuff; oben die senkrechten Weiss-Jura-(?-Mauern
der Röhre. Zurück und weiter auf der Steige; dieselbe durchfährt
die festen Tufffelsen. Bei dem rechtwinkeligen Umbiegen nach rechts
wieder eine Partie stehengebliebenen Kalkes und abermals Durch-
fahren des Tuffes. Kalk im 0. -Kontakte schwarz gebrannt. Dann
— 323 —
weiter an dem mit Rasen zugewachsenen 1. Gange No. 42 vorbei
nach Gutenberg ; Weiterfahrt nach Owen, Hnks die steile Nadel des
Konradsfelsens No. 47, Fig. 20, dann der Tuffgang des Sulzburg-
berges No. 48. Zu Owen, in der Post, übernachten; oder zurück
nach Kirchheim bei Abbrechen der Reise.
Zweiter Tag: Zu Fuss zum Götzenbrühl No. 87, Fig. 61—63
von Norden her in den Einschnitt gehen ; Moränen-ähnliches Aus-
sehen der Tuffbreccie, harter Tuff im Innern, nahe dem Basaltkerne.
Zurück nach Owen und zu Wagen von dort auf Beuren zu. Am
„ Alte Reuter" No. 50 ein Tuffgang, Granit im Tuffe, gerades Abschneiden
des Tuffes gegen den Braun-Jura an der W.-Seite. Von hier aus
aufwärts nach Erkenbrechtsweiler. Unterwegs ein Tuffgang No. 51,
welcher den Kontakt zwischen Jurakalk und Tuff zeigt. Das im
Dorfe Erkenbrechtsweiler gelegene Maar ist wenig deutlich; besser
das im N. des Dorfes gelegene. Bei der Kirche geht man rechts
die Seitenstrasse ab. Sobald man hier die Wasser „hülbe" erreicht
hat, führt abermals rechts ein Fussweg durch den das Maar erfüllen-
den Tuff. Die W.-Wand des Maares und Maarkanales ist bereits
verschwunden, da hier der Steilabfall der Alb. Nun zu Wagen über
die Hochfläche zum Burrenhof und von da abwärts nach Neuffen.
Beim Abstieg die beiden Tuffgänge No. 52 und 53 mit gutem Kon-
takte. Von Neuffen nach Kohlberg. Dort spannt der Kutscher aus.
Zu Fuss zum NW. -Arm des Jusi. Dieser ist vom Raupenthal aus
(S.-Gehänge des NW.-Armes) zu ersteigen. Oben ziemlich mächtige
geschichtete Tuffe. Oberhalb Kappishäusern Basaltgänge im Tuff.
Zurück nach Kohlberg und weiter nach Metzingen. Halbwegs der
Dachsbühl No. 104 , welcher von der Strasse durchschnitten wird.
Kontakt zwischen Braun-Jura y und Tuff an der W.-Seite. Da, wo
die Strasse dann am Metzinger Weinberg No. 102 sich im scharfen
Bogen hinabwindet, ist der Aufschluss, welcher zeigt, wie der Tuff im
BraunJura in die Tiefe setzt. 1894. S. 913. Fig. 80. Übernachten
in Metzingen am Bahnhofe, oder noch besser mit der Bahn nach Urach.
Dritter Tag: Von Urach zu Wagen nach Hengen, das in
einem Maarkessel liegt, No. 13. Etwa halbwegs der grosse Gang
No. 62, in welchem wir das Zukunftsbild des Hengener Maares sehen,
wenn dereinst die Thalfurche sich bis über Hengen hinaus ein-
geschnitten haben wird. Dieser Gang steckt ebenso wie der südlich
gelegene No. 63 noch mit der N. -Seite ganz im Jura, während er
an der S.-Seite durch die Thalbildung freigelegt ist. Bereits weiter
abwärts fand sich ein Gang No. 60; schlecht aufgeschlossen, aber
21*
— 324 —
im Chausseegraben der weisse Jurakalk geschwärzt im W.-Kontakte.
Von Hengen über Aglishardt nach Gruorn, wo der Kutscher aus-
spannt. Zu Fuss zum Basaltmaar des Dintenbühl No. 36 ; die Kessel-
wand im 0. und S. noch erhalten. Zurück nach Gruorn. Zu Wagen
über den Meierfelsen , südwestlich , auf den Uhenhof zu. An der
Biegung der Strasse hält der Wagen und wartet. Zu Fuss südlich
zum Maar mit dem Hofbrunnen No. 20, fast dem schönsten
Maartrichter der Alb, der seine jetzige Tiefe aber z. T. späterer
Erosion verdankt. Hinab über den Uhenhof nach Seeburg und Urach.
Rückfahrt im Ermsthale bis zum Faitel (Wittlinger) Thale. In diesem
aufwärts nach Wittlingen. Halbwegs der grosse Tuffgang No. 63, der
an verschiedenen Stellen durch die Steige und das Thal angeschnitten
wird. Wittlingen selbst liegt auch in einem Maarkessel No. 14.
Dieses Wittlinger Maar ist das Vergangenheitsbild desjenigen No. 63 ;
und umgekehrt, No. 63 ist das Zukunftsbild des benachbarten Witt-
linger Maares.
Inhaltsverzeichnis.
Teil I.
Vorwort S. 505 1.
I. Kurze Erklärung der Verhältnisse S. 506—512.
II. Die schwäbische Alb und ihre ehemalige Ausdehnung S. 512—552.
Ihr Aufbau. Verschiedene Entstehung ihres NW.- und i^res SO.-Randes. Der
SO -Rand durch Bruch entstanden S. 517; v. Oeynhausen, Gumbel Benecke
Zeit der Bildung dieser Verwerfung. Sprunghöhe derselben. Ausdehnung der
^gesunkenen Albtafel gegen S. Der NW.-Rand S. 521. Erklärungsversuche
seiner Entstehung von E. Schwakz, üraf Mandelsloh, Quenstedt, Dorn. Der
NW -Rand ist lediglich durch Abtragung und Untergrabung entstanden b. olf.
Die Abtragung erfolgt in senkrechten, nicht wagerechten Schmtten und m
mehitren Stufen. Die .-Mulden S. 526, eine Riffbildung, Engel. Bei der Ab-
tragung entstehen Halbinseln, Sporne, Inselberge. Schnelle Beseitigung der
niedergebrochenen Massen. Der Alb-Trauf. Der Zusammensturz und die Fort-
schaffung des Zusammengestürzten halten gleichen Schritt Jura-Versenkung
von Langenbrücken S. 533. Einstige Ausdehnung der Alb bis dorthin. Be-
weise für das Verschwinden von Schichten auf diesem Gebiete b. odo. Die
Frage ob die Trias- und Jura-Schichten auch den heutigen Schwai'zwald über-
deckten S. 537. Thatsachen, welche dafür sprechen. Erfunde von Oberem Bunt-
sandstein, Muschelkalk, Lias, Braun- und Weiss-Jura auf der Hohe S. 541
Schätzende Berechnung der Möglichkeit, dass diese Decke gegenwartig gänzlich
abgetragen worden sein kann S. 543. Regelmann's Nachweis, dass Trias und
Jura zum Schwarzwald hin weniger mächtig werden S. o47.
III Schlüsse, welche sich aus den Fremdgesteinen in unseren Tuffen auf
die Alb ziehen lassen S. 552—565.
Aufbau der Alb zur Zeit der Ausbrüche im vulkanischen Gebiete^ Relative Ge-
schwindigkeit, mit welcher der NW.-Rand der Alb gegen SO. zurückweicht
S 554 Verhältnismässige Länge der Zeiträume , während welcher die^ Alb
sich von dem Rheinthale an bis in ihre jetzige Linie zurückzog und wahrend
welcher sie schliesslich ganz verschwunden sein wird S. oo6.^ Das Kreidesystem
war in Württemberg niemals über dem Jura abgelagert b. o5y. Das btem-
kohlensystein fehlt in der Tiefe.
IV. Das unterirdische Gebiet der schwäbischen Alb S. 565—568.
V. Einige in neuerer Zeit beobachtete Veränderungen der Höhenlage in
unserem vulkanischen Gebiete S. 568—571.
VI. War die Alb einst vergletschert? S. 571—580.
Gründe für eine solche Annahme; Deffner, 0. Fraas. Ablagerungen, welche
für Moränen gehalten werden, ohne dass die Gesteinsblöcke Glattung und
1 Die Seitenzahlen von Teil I beziehen sich auf Jahrgang 1894.
— 326 —
Schrammung zeigen: im Elsass S. 576, Daubbee, Schumacher; im südlichea
Baden, Steinmann. Bedenken gegen eine etwaige Uebertragnng solcher Auf-
fassung aiif die Alb S. 578.
VII. Jungpliocäne und diluviale Flussschotter im allgemeinen S. 581—594.
Mehrfache Vergletscherungen. Deckenschotter, Hochterrasseuschotter , Nieder-
terrassenschotter. Frühere Auffassung aller Flussschotter als diluvial S. 583.
Als pliocänen Alters erkannte Flussschotter: v. Fritsch in Thüringen;
V. KoENEN in Norddeutschland ; Fontannes, Delab'ONd bei Lyon ; Schumacher,
VAN Werveke, Andreae im Elsass; du Pasquier in der Schweiz S. 586.
Fluvioglaciale Schotter Penck's. Beziehungen der drei Schottermassen zu drei
Vergletscherungen S, 587. Anwendung dieser Verhältnisse auf die Alb S. 592.
Vin. Sind die ältesten Flussablagerungen des Neckars in unserem Gebiete
pliocänen Alters? S. 594—604.
Höhen, bis zu welchen in Württemberg alte Flussablagerungen über die heutige
Thalsohle ansteigen. Höhen, bis zu welchen diluviale Tierreste in diesen
Ablagerungen gefunden wurden S. 597. Wahrscheinlicher sind die höchst-
gelegenen Neckarschotter in unserem Gebiete, zwischen Plochingen und Horb,
diluvial als pliocän S. 603. Gegenseitiges Längenverhältuis der Zeiträume
Mittelmiocän -|- Pliocän zu Diluvium -f- Alluvium , geschlossen aus der Rück-
zugslinie des NW.-Randes der Alb S. 603.
IX. Andere hydrographische Verhältnisse in diluvialer bezw, pliocäner Zeit
S. 604—607.
In Württemberg, E. Fraas. In der Rheinebene, E. Schumacher.
X. Versuch einer Kritik der Beobachtungen über die auffallend starke
Wärmezunahme in dem im vulkanischen Gebiete von Urach gelegenen
Bohrloche zu Neuffen S. 607—654.
Die Angaben über die Wärmezimahme im Bohrloche zu Neuffen übertreffen alle
anderen derartigen Angaben. Prüfung, ob das in dieser Arbeit untersuchte
Geothermometer wirklich das von Mandelsloh oder Degen im Bohrloch zu
Neuffen benutzte ist S. 612. Prüfung der Berechnung Mandelsloh's S. 619;
dieselbe ist etwas irrtümlich. Beschreibung und Abbildung des Neuffener
Geothermometers S. 621. Besprechung der Einflüsse, welche fehlererzeugend
bei den Messungen gewirkt haben könnten S. 623. Wärme von der Bohr-
arbeit, Wasser, Wärmeleitung der Gesteine. Prüfung der Temperaturangaben
Mandelsloh's S. 627. Letzterer giebt in der Tiefe von 100 Fuss eine zu hohe
Temperatur an; das ist kein Beweis gegen die Zuverlässigkeit seiner Beob-
achtungen, wie durch Analoges in Sperenberg sich erkennen lässt S. 630.
Fehlerquellen, welche unrichtige Temperaturangaben erzeugt haben könnten:
Luftdruck S. 631 , Zersetzung von Eisenkies , zu kurze Dauer der Versuche.
Prüfung des Geothermometers S. 634. Tropfengrösse, Lumen der Quecksilber-
röhre S. 636. Wahrscheinlichkeitsgründe, welche für die Richtigkeit der Mes-
sungen Mandelsloh's sprechen S. 642 : Kontrollemessungen Degen's ; Regel-
mässigkeit der Temperaturzunahme; starkes Anwachsen der Temperatur im
Bohrloche zu Sulz, zu 3Ionte Massi. Unsere Unkenntnis von der Wärme-
zunahme im allgemeinen S. 647. Ergebnis der Untersuchung S. 651.
XI. Prüfung des Bohrregisters im Bohrloch zu Neuffen hinsichtlich der ge-
waltigen Mächtigkeit des Unteren Braun- Jura S. 654—664.
Bohrregister S. 655. S.Verbesserungen dazu am Schlüsse des dritten
Teiles S. 315.
Alle Stufen des Lias sind deutlich zu erkennen ; sie besitzen im allgemeinen die
Mächtigkeit, welche ihnen in dieser Gegend nach Messungen über Tage zu-
erteilt wird. Der Braun-Jura n -\- ß hat dagegen im Bohrloche fast noch
— 327 —
einmal so grosse Mächtigkeit ergeben, als ihm nach Messungen über Tage dort
zuerkannt wird S. 658. Der Erklärungsversuch dieser Erscheinung, Verwerfung
mit Ueberschiebung, ist unmöglich S. 660 ; ein Irrtum oder Betrug heim Bohren
sind gleichfalls ausgeschlossen. Der Untere Braun-Jura muss also wirklich
eine etwa doppelt so grosse Mächtigkeit besitzen, wie man ihm nach Messungen
über Tage zuerteilt.
XII. Die vier vulkanischen Gebiete der schwäbisch-fränkischen Alb S. 664 — 672.
Die Basalte am N.-Ende derselben. Kies S. 666. Hegau S. 669. Gruppe von
Urach.
XIII. Vergleich der Gruppe von Urach mit den drei anderen Vulkangebieten
der fränkisch-schwäbischen Alb S. 672—676.
XIV* Das vulkanische Gebiet von Urach S. 676—997.
Erklärung der Bezeichnungen: Tuff-Maar, Basalt-Maar, Maar-Tuffgang, Maar-
Basaltgang S. 677.
Allgemeiner Ueberblick über das Gebiet S. 677. Geschichtliches S. 681. Einteilung
des Stoffes S. 685.
Beschreibung der einzelnen Tuff-Maare und Maar- Tuffgänge.
I. Die 38 auf der Hochfläche der Alb gelegenen S. 687.
II. Die 32 am Steilabfall der Alb gelegenen S. 730.
III. Die 54 am Fusse und im Vorlande der Alb gelegenen S. 840,
Beschreibung der basalttuffartigen Gebilde *S. 962.
Die Basalte S. 976.
Beschreibung der einzelnen, 3, Basalt-Maare S. 979.
Beschreibung der anderen Basaltgänge S. 987.
a) Basaltgänge ganz oder fast ganz ohne Tuff S. 987.
b) Die in den Maar-Tuffgängen aufsetzenden Basaltgänge S. 992.
c) Fragliche Basaltgänge S. 993.
Ehemalige heisse Quellen im vulkanischen Gebiete S. 994.
Berichtigung zu dem Bohrregister von Neuffen und zum Rand-
ecker Maar S. 997.
Erläuterung zu den im Texte eingeschalteten Profilen S. 995.
Aufzählung der einzelnen, im Abschnitte XIV beschriebenen Vorkommen
in der Reihenfolge ihrer Nummern.
Ein X vor dem Namen bedeutet, dass hier Basalt auftritt; entweder als
Gang im Tuffe oder ohne letzteren.
I. Oben auf der Alb, 35 Tu ff- Maare, 3 Basalt-Maare.
No. Seite
1. Tuff-Maar von Laichingen 690
2. „ „ Böttingen 692
3. Tuffgang SO. von Böttingen 694
4. Tuff-Maar von Magolsheim 695
5. „ , Feldstetten 696
6. , „ Donnstetten . . • 697
7. „ am Leisgebronn, W. von Donnstetten 698
8. „ von Zainingen . . • 699
9. „ „ Böhringen • 699
10. „ am Mönchberge, SW. von Böhringen 700
11. , von Grabenstetten 701
12. „ , Hülben 702
13. „ „ Hengen 703
14. , „ Wittlingen 703
15. „ S. von Hengen (Fig. 1—3) 704
16. „ am Hardtburren, SO. von Wittlingen 707
— 328 —
NO. "^pitfi
17. Tuff-Maar N. von Gruorn 708
18. ^ am Hengbrunnen, W. von Gruora (Fig. 4) 708
19. „ von Auingen 710
20. X „ mit dem Hofbrunnen, SW. von Gruorn (Fig. 4 a, 4 b) '. . 710
21. „ von Dottingen 713
22. „ „ Apfelstetten 714
23. „ „ Sirchingen 714
24. „ „ Ohnastetten 715
25. „ „ Würtingen 715
26. Tuffpunkt zwischen Würtingen und Ohnastetten *. 7i6
27. „ „ Gächingen uM Ohnastetten 716
28. Tuff-Maar von Gross-Engstingen 716
29. „ „ Klein-Engstingen 717
30. „ im Dorfe Erkenbrechtsweiler (Fig. 5, 6) 719
31. „ N. vom Dorfe Erkenbrechtsweiler (Fig. 5, 6) 721
32. „ an der Viehweide, W. von Erkenbrechtsweiler (Fig. 7). . 723
33. „ SO. vom Engelhof 724
34. „ bei der Teckburg (Fig. 8, 9) 725
35. „ der Torfgrube bei Ochsenwang (Fig. 103, 104) ..... 729
36. X Basalt-Maar des Dintenbühl 985
37. X , „ Sternberg (Fig. 102) 982
38. X „ „ Eisenrüttel (Fig. 107) 979
n. Am Steilabfall der Alb, 32 Tuff-Maare, bezw. Maar-Tuffgänge.
IIa. Kandecker Halbinsel.
39. XTuff-Maar von Eandeck (Fig. 11) 732 u. Teil III 319
40. „ bei der Diepoldsburg (Fig. 12, 13) 741
41. „ , dem Engelhof (Fig. 12, 13) 747
42. 1. Maar-Tuffgang an der Gutenberger Steige (Fig. 14—16) . . 751 u. 759
43. 2. „ „ „ „ ^ (Fig. 15-18) .... 753
44-3. „ „ „ „ „ (Fig. 15, 16) ... . 760
45. X 4. „ und Maar an der Gutenberger Steige (Fig. 15, 16, 19) 762
46. Maar-Tuffgaug am Eossbühl bei Brücken 769
IIb. Erkenbrechtsweiler Halbinsel.
47. Maar-Tuffgang des Conradfelsens (Fig. 20) 771
48. X „ „ Sulzburg-Berges (Fig. 21) 773
49. X „ BöUe bei Owen 778
50. „ Alte Eeuter (Fig. 26a) 780
51. „ an d. Steige v. Beuren nach Erkenbrechtsweiler (Fig. 22) 782
52. Unterer Maar-Tuffgang an der Steige v. Neuffen nach Hülben (Fig. 23, 26) 784
53. Oberer Maar-Tuffgang an der Steige v. Neuffen nach Hülben (Fig. 24—26) 78 1
54. Maar-Tuffgang St. Theodor (Fig. 21a) 787
55. X „ des Jusiberges (Fig. 27—31) 789
56. „ auf dem Blohm (Fig. 32) 807
57. „ im buckleten Teiche (Fig. 33) 809
58. „ „ Elsach-Thale (Fig. 34, 35) 810
59. „ am Mohrenteich (Fig. 36) 814
60. Westlicher Maar-Tuffgang in dem Zittelstadtthale 816
61. Maar-Tuffgang bei Ulmereberstetten (Fig. 37) 818
62. Oestlicher Maar-Tuffgang in dem Zittelstadtthale (Fig. 37, 38) . . 820
63. Maar-Tuffgang an der Wittlinger Steige (Fig. 38) 823
II c. St. Johann-Halbinsel.
64. Maar-Tuflgang im Eietheimer Thale (Fig. 39, 40) 827
65. „ des Karpfenbühl (Fig. 41) 829
66. Tuffvorkommen SO. neben dem Karpfenbühl 831
— 329 —
No. Seite
67. Maar-Tuffgang am Pfaubruunen 832
68. „ „ Bürzlenberge bei Eningeu (Fig. 42—44) .... 832
69. „ des Kugelbergle am Ursulaberg (Fig. 45, 46) ... 836
70. „ am Burgj^tein bei Holzellingen (Fig. 47) 838
III. Im Vorlande der Alb, 54 Maar -Tuffgänge.
Illa. Zwischen Butzbach und Lindach.
71. Maar-Tuffgang am Lichtenstein (Fig. 48, 49) 841
72. „ an der Sonnenhalde (Fig. 48, 50) 846
73. Tuffvorkommen am Dobelwaseu ■ 848
74. Nördlicher Maar-Tuffgang des Aichelberges (Fig. 51, 52) ..... 849
75. Südlicher „ „ „ (Fig. 51, 52) 849
76. X Maar-Tuffgang des Kraftraiu (Fig. 53, 54) 852
III b. Zwischen Lindach und Kirchheimer Lauter.
77. Maar-Tuffgang der Limburg, S. Weilheim 855
78. „ des Dachsbühl, W. Weilheim 860
79. „ „ Egelsberg, W. Weilheim (Fig. 55—57) 861
80. Tuffvorkommen am Ehnisbach, W. Weilheim 865
81. Maar-Tuffgang des Nabel, SO. Bissingen 865
82. „ im Walde an der Steige Bissingen-Ochsenwang (Fig. 58) 866
83. ,, des Hahnenkamm 867
84. „ auf dem Bürgli (Fig. 9) 868
85. Tuffvorkommen am O.-Fusse des Teck-Spornes 869
86. xMaar-Tuffgaug des Hohenbohl (Fig. 59. 60) 869
87. X , „ Götzenbrühr (Fig. 61-63) 872
III c. Zwischen Lauter und Tiefenbach.
88. Maar-Tuffgang NO. am Käppele, SW. von Dettingen (Fig. 64) . . 879
89. „ am S.-Abhauge des Käppele,SW. von Dettingen (Fig. 64) 880
90. „ 0. auf dem BöUe bei Reudern (Fig. 65, 66) ... . 881
91. „ W. auf dem Bolle bei Reudern (Fig. 65, 66) ... . 882
92. „ des Kräuterbühl, SO. von Nürtingen (Fig. 67—69) . 883
III d. Zwischen Tiefenbach und Steinach.
93. Maar-Tuffgang des Altenberg, N. von Beuren (Fig. 70) 886
94. „ „ Engelberg, N. von Beuren (Fig. 70) 888
95. „ N. von Beuren an der Strasse ins Tiefenbachthal . . 889
96. X „ der Sandgrube im Bettenhard, NO. von Linsenhofen
(Fig. 71—73) 889
nie. Zwischen Steinach und Erms.
97. Maar-Tuffgang des Burrisbuckel im Egart, SW. von Frickenhausen
(Fig. 74, 75) 893
98. Maar-Tuffgang des Häldele, NO. von Kohlberg (Fig. 76, 76 a) .. . 896
99. „ „ BöUe, N. von Kohlberg 901
100. X V am Authmuthbach , NW. von Kohlberg (Fig. 77, 78) 901
101. „ des Florianberges (Fig. 79) 904
102. „ „ Metzinger Weinberges (Fig. 80, 80 a, 80 b, 80 c) . 910
103. , „ Hof buhl, 0. von Metzingeu (Fig. 81, 81a) . . . 916
104. „ „ Dachsbühl, 0. von Metzingen (Fig. 82) .... 918
105. „ im Hofwald, N. vom Hof buhl (Fig. 83, 83 a) . . . . 920
106. X „ am Hofwald, N. vom Hof buhl (Fig. 83 a) 921
107. „ des Ameisenbühl. N. von Metzingen 922
108. „ „ Grafenberg (Fig. 84, 85) 924
109. , NW. vom Grafenberg 926
121. Maar-Tuffgang des Georgenberg, S. Reutlingen (Fig. 96, 97)
122. X „ „des Gaisbühl, SW. Reutlingen (Fig. 98) .
— 330 —
No. Seite
110. Maar-Tuffgang NO. vom Grafenberg 928
111. „ SO. vom Grafenberg (Fig. 86) ." 928
112. ,, auf den Hengstäckern, S. von Klein-Bettlingen (Fig. 87) 929
113. „ des Geigersbühl (Fig. 88) 931
114. , auf dem Scheidwasen, N. von Gross-Bettlingen . . . 935
115. , des Authmuthbölle (Fig. 89, 90) 935
116. y, y, Kräuterbuckel, SW. von Raidwangen (Fig. 91) . 988
117. „ inderSulzhalde, SW. von Neckarthailfingen (Fig. 92,93) 939
118. „ d. Höslensbühl i. Humpfenthale, S. V. Nürtingen (Fig. 94) 934
Ulf. Zwischen Erms und Echaz
119. Maar-Tuffgang des Schafbuckel, SSW. von Neuhausen (Fig. 95) . . 945
120. „ „ des Rangenbergle, N. von Eningen 946
Illg. Zwischen Echaz und Wiesaz.
. 948
Igen (Fig. 98) ... . 951
123. „ am Scheuerlesbach, W. Reutlingen (Fig. 99, 100) . . 955
inh. Auf dem linken Neckarufer.
124. Maar-Tuffgang bei Scharnhausen, SO. von Stuttgart (Fig. 101) . . 958
Schuttbreccien oder basalttuffartige Gebilde S. 962.
I. Schuttmassen am Steilabfalle der Randecker Halbinsel.
1. Der Burris oder Heiligenberg im Lenninger Thale 96B
2. No. 85. Das Vorkommen am O.-Fusse des Teck-Spornes 967
3. Die Schuttmasse auf dem Teck-Sporn 967
II. Schuttmassen im Vorlande der Alb zwischen Lauter und
Tiefenba eh.
4. Das Vorkommen von Weiss-Jura-Blöcken am Bette der Lauter . . . 967
5. No. 92. Der Xräuterbühl, SO. von Nürtingen 968
III. Schuttmassen zwischen Tiefenbach und Steinach.
6. Das Vorkommen nördlich von Beuren 969
7. No. 129. Der Schuttkegel SO. von Beuren 969
IV. Schuttmassen zwischen Steinach und Erms.
8. Das Vorkommen SO. von Neuffen 970
9. No. 99. Das Vorkommen auf dem Bolle N. von Kohlberg 970
10. Das Vorkommen W. von Kohlberg 970
11. No. 112. Das Vorkommen auf den Hengstäckern S. von Klein-Bettlingen 971
12. 13. 14. No. 109. 110. 111. Die Vorkommen NW., NO., SO. von
Grafenberg 971
15. No. 114. Das Vorkommen N. von Gross-Bettlingen 971
16. No. 105. Das Vorkommen N. vom Hofbühl 971
17. Das Vorkommen auf Falkenberg, NO. von Metzingen 971
V. Schuttmassen am Fusse der Erkenbr echts weiler Halbinsel.
18. No. 56. Das Vorkommen auf dem Blohm 972
VI. Schuttmassen am Steilabfalle der St. Johann-Halbinsel.
19. 20. 21. 22. Die vier Schuttmassen südlich vom Karpfenbühl .... 972
23. 24. 25. Die drei Weiss-Jura-Schuttmassen südwestlich von Dettingen
im Ermsthale : der Katzenbuckel No. 130, der Linsenbühl No. 131, im
Egartsgässle No. 132 973
— 331 —
No ^®''*^
26. No. 119. Das Vorkommen am Schafbuckel SSW. von Neuhausen . . 974
27. Der Schuttkegel im Arbachthaie, SO. von Eningen, No. 133 974
28. No. 69. Das Kugelbergle am Ursulaberg, S. von Eningen 974
29. No. 70. Am Burgstein' an der Holzelfinger. Steige 975
30. Der Kugelberg oder die Altenburg bei Bronnweiler 975
Basaltgänge.
125. Basaltgaug i. d. Zittelstadt bei Urach 987
126. „ W. von Grabenstetten (Fig. 105) 988
127. , im Buckleter, NW. von Urach (Fig. 106) 991
128. ? l am Hohen-Neuffeu 993
Aufzählung der im Abschnitte XIV beschriebenen Vorkommen in alpha-
betischer Ordnung.
No. Seite Fig._
Aichelberg, nördlicher Maar-Tuffgang 74 849 , pj-
südlicher Maar-Tuffgang 75 849 ol. 52
Altenberg, N. von Beuren, Maar-Tuffgang 93 887 70
Ameisenbühl, N. von Metzingen, Tuft'gang? 107 922
Apfelstetten, Tuff-Maar 22 714
Arbachthal bei Eningen, Schuttkegel 133 974
Auingeu, Tuff-Maar 19 710
Authmuthbölle, Maar-Tuffgang 115 9bo 89. 90
Authmuthbache, am, NW. von Kohlberg, Maar-Tuffgang 100 901 /7. 78
Bettenhard, NO. von Linsenhofen, Maar-Tuffgaug ... 96 889 71—73
Beuren, an der Strasse ins Tiefenbachthal, Maar-Tuffg. 95 889
SO. von, Schuttkegel 129 969
" a. d. Steige n. Erkenbrechtsweiler, Maar-Tuffg. 51 782 22
Bissingen— Ochsenwanger Strasse, im Walde, Maar-
Tuffgang
82 866 58
Blohm, 80. von Dettingen, Maar-Tuffgang 56 807 32
Böhringen, Tuff-Maar 9 699
Bolle bei Owen, Maar-Tuffgang 49 7^8
„ Keudern, östlicher Maar-Tuftgang 90 881 bö. bb
„ westlicher „ 91 882
, Kohlberg, Maar-Tuffgang 99 901
Böttingen, Tuff-Maar 2 692
SO. von, Maar-Tuffgang 3 694
Buckleter Teiche, im, Maar-Tuffgaug 57 809 33
Buckleter, NW. von Urach, Maar-Basaltgaug .... 127 991
Bürgli, nahe der Teck, Maar-Tuffgang 84 868
Bürzlenberg bei Eningen, „ 68 832 42—44
Burgstein bei Holzelfingen, , 70 838 47
Burris oder Heiligenberg im Lenninger Thal, Schuttmasse 1 966
Burrisbuckel im Egart bei Frickenhauseu, Maar-Tuffgang 97 893 74. 75
Conrad-Felsen, Maar-Tuffgang 47 771 20
Dachsbühl bei Weilheim, Maar-Tuffgang 78 860
0. von Metzingen, „ -104 918 82
Diepoldsburg, Maar-Tuffgang 40 741 l^-^
Dietenbühl, Basalt-Maar 36 730. 985 103. 104
Dobehvasen, 0. von Weilheim, Tuffvorkommen .... 73 848
Donustetten, Tuff-Maar 6 697
Dottingen, , 21 713
Egartsgässle, im, bei Neuhausen, Schuttmasse .... 132 973
Egelsberg bei Weilheim, Maar-Tuffgang 79 861 55— o7
Ehnisbach, am, bei AVeilheim, Tuft'vorkommen .... 80 865
Eisenrüttel, Basalt-Maar 38 730.979 10 r
Elsachthale, im, bei Urach, Maar-Tuffgang 58 810 34. So
— 332
No.
Engelberg bei Beuren, Maar-Tuffgang 94
Engelhüf, SO. vom, Tuff-Maar 33
„ Tuff-Maar 41
Erkenbrechtsweiler, im Dorfe, Tuff-Maar 30
„ nördlich des Dorfes, Tuff-Maar . . 31
Feldstetten, Tuff-Maar 5
Florianberg, Maar-Tuffgang 101
Gaisbübl, SW. von Reutlingen, Maar-Tuffgang .... 122
Geigersbühl, N. von Grossbettlingen, „ .... 113
Georgenberg, S. von Reutlingen, Maar-Tuffgang . . . 121
Götzenbrühl, NW. vom Teck-Sporn ,, ... 87
Grabenstetten, Tuff-Maar 11
„ Basaltgang 126
Grafenberg, Maar-Tuft'gang 108
„ NW. vom, Maar-Tuffgang 109
NO. vom, „ 110
SO. vom, „ 111
Gross-Engstingen, Tuff-Maar 28
Klein-Engstingen, „ 29
Gruorn, Tuff-Maar 17
Gutenberger Steige, erster Maar-Tuffgang 42
„ „ zweiter „ 43
dritter , 44
„ „ vierter „ 45
Häldele, NO. von Kohlberg, Maar-Tuffgang 98
Hahnenkamm, Maar-Tuffgang 83
Hardtburren, SO. von Wittlingen, Tuffvorkommen . . 16
Heiligenberg, Maar-Tuftgang, s. Burris.
Hengbrunnen, N. von Gruorn, Tuff-Maar 18
Hengen, Tuff-Maar 13
„ S. von, Tuff-Maar 15
Hengstäcker, S. von Kleinbettlingen, Maar-Tuftgang . 112
Hofbrunnen, m. d., 0. von Seeburg, Tuff-Maar .... 20
Hofbühl, 0. von Metzingen, Maar-Tuffgang 103
Hofwald, im, 0. von Metzingen „ 105
„ am, 0. „ „ Maar-Basaltgang . . . 106
Hohenbohl, NW. vom Teck-Sporn, Maar-Tuffgang . . 86
Jusiberg, Maar-Tuffgang 55
Käppele bei Dettingen, Maar-Tuffgang 88
„ am Südabhange, „ 89
Karpfenbühl, SO. am, Tuffvorkommen . 66
„ Maar-Tuffgang 65
Katzenbuckel, SW. von Neuhausen, Schuttmasse . . . 130
Kräuterbuckel, SW. von Raidwangeu, Maar-Tuffgang . 116
Kräuterbühl im Tiefenbach thal, Maar-Tuffgang .... 92
Kraftrain, Maar-Tuffgang 76
Kugelberg oder Altenburg bei Bronn weiler, Erosions-
rest der Alb 30
Kugelbergle am Ursulaberg, Maar-Tuffgang 69
Laichingen, Tuff-Maar 1
Leisgebronn, W. von Donnstetten, Tuffvorkommen . . 7
Lichtenstein bei Neidlingen, Maar-Tuftgang 71
Limburg, Maar-Tuft'gang 77
Linsenbühl bei Neuhausen, Schuttmasse 131
Magolsheim, Tuff-Maar 4
Metzinger Weinberg, Maar-Tuffgang 102
Mönchberg, am, 0. von Urach, Tuft-Maar 10
Mohrenteich, am, bei Urach, Maar-Tuffgang 59
Nabel, S. von Bissiugen, „ 81
Seite
888
Fig.
70
724
747
12
719
5. 6
721
696
904
79
951
98
931
88
948
96. 97
872
61—63
701
988
105
924
84. 85
926
928
928
86
716
716
708
4
752
14
753
15—18
760
762
19
896
76. 76a
867
707
708
703
704
1—3
929
87
710
4a. 4b
916
81
920
83. 83 a
921
869
59. 60
789
27—31
879
64
880
831
829
41
973
938
91
883
67—69
852
53. 54
975
836
45. 46
690
698
841
48. 49
855
973
695
912
80. 80a-c
700
814
38
865
— 333 —
No.
Neuffen— Hülbener Strasse, Unterer Maar-Tuffgang . . 52
„ Oberer , . . o3
Neuffen— Hohen, Basaltgang? 128
Ochsenwanger Torfgrnbe, Tuff-Maar ob
Ohnastetten, Tuff-Maar ••••.;•••••■••■ it
„ und Gächingeu, zwischen, ? Tuffgang . . 27
Pfaubrunnen, am, Maar-tuff'gang 67
Eandeck bei Ochsenwang, Tuff-Maar oy
Rangenbergle, N. von Eningen, Maar-Tuffgang 12Ü
Reuter, alte, a. d. Strasse Beuren— Owen, Maar-Tuffgang 50
Riedheinaer Thale, im, Maar-Tuffgang ........ 64
Rossbühl, 0. von Brücken, Maar-Tuffgang ...... 4b
Sandgrube im Bettenhard, „ s. Bettenhard
Schafbuckel, S. von Metzingen „ • 119
Scharnhausen, SO. von Stuttgart, Maar-Tuffgang ... 124
Scheidwasen, N. von Grossbettlingen, , m i^ ' ' Joo
Scheuerlesbach, am, W. von Reutlingen, Maar-Tutlgang 12d
Sirchingen, Tuff-Maar 23
Sounenhalde bei Neidlingen, Maar-Tuffgang ^2
St. Theodor, 0. vom Jusi, ^ '"''.' on
Steruberg, Basalt-Maar * • ^'
Sulzburg, Maar-Tuffgang ^•.; • • * .tn
Sulzhalde, SO. von Neckarthailfingen, Maar-Tuffgang . 117
Teckburg, Tuff-Maar 3?
Teck-Spornes, am Ostfusse des, Tuffvorkommen ... »o
Ulmer Steige, 0. von Urach, Maar-Tuffgang,. s. Zittelstadt.
Ulmer eher stetten, Maar-Tuffgang 61
Wittlingen, Tuff-Maar 1|
Wittlinger Steige, Maar-Tuffgang od
Wüi-tingen, Tuff-Maar ;•;••■ S
und Ohnastetten, zwischen, Tuffpunkt . . 2b
Zainingen, Tuff-Maar .; ' " ' n^
Zittelstadt, Westgang, 0. von Urach, Maar-Tuffgang . bU
„ Ostgang, 0. von Urach, „ ' -,o^
0. von Urach, Basaltgang 125
Teil II.
Die Beschaffenheit und Entstehung der Tuffe und Basalte, sowie
die Erosionsreihe der Maare des Gebietes von Urach. Allgemeines
über Tuffe und Maare.
I. Die Beschaffenheit der Basalte und der vulkanischen Tuffe des Gebietes
von Urach S. 1—56.
1 Die Basalte S. 1. MelUith-, Nephelin-, Feldspatbasalte.
2 Die Tuffe S. 3. Breccien- Struktur derselben durch zahllose Einsprenglinge
" der durchbrochenen Gesteinsmassen. Chondritische Struktur der eigentlich
vulkanischen Bestandteile S. 6. Massige Beschaffenheit S. 8. Untergeordnete
Schichtung. Diese ist teils subaquatisch , teils subaerisch. Entstehung dieser
Schichtung. Absonderungserscheinungen S. 11. Die Einschlüsse von Fremd-
gesteinen in den Tuffen S. 11; ihre Gestalt; ihre Arten S 15: Schichtgesteine
und altkrystalline Gesteine; Tuffstücke anderer Art im Tuffe K 20 ; Kohle?
S 23; Mineralien S. 24. Magnetisches Verhalten des Tuftes S. 2o. Festigkeit
des Tuffes S. 27; spätere Entstehung derselben. Der Schuttmantel der Intt-
berge S. 33; seine Entstehungsweise. , , -, -r.- v ft.
Beziehungen des Tuffes zur Kultur S. 41: Wasserhaltende Eigenschaft;
Acker- und Waldboden. Technische Verwendung S. 45.
Peite
Fig.
784
23.
26
784
24-
-26
993
729
715
716
832
732
11
946
780
26 a
827
39
. 40
769
945
95
958
101
935
955
99.
lüO
714
846
50
787
21a
730. 982
773
21
939
9i
!. 93
725
8. 9
869
818
703
823
715
716
699
817
37
820
38
987
- 334 —
n. Die Kontaktmetamorphose der Tuffe und Basalte des Gebietes von
Urach S. 47—56.
Umwandlungen der in den Tuffen S. 47 und den Basalten S. 53 eingeschlossenen
Fremdgesteiue. Umwandlungen des Nebengesteines am Salbande der Tuffe S. 55.
in. Die Beweise für die gangförmige Lagerung aller Tuffvorkommen im
Gebiete von Urach S. 56—69.
Erläuterung der Verhältnisse. Beweise S. 58 : Augenschein bei einer Anzahl der
am Steilabfalle der Alb angeschnittenen Gänge. Basaltgänge in den Tuff-
massen aufsetzend. Schräger Anschnitt der Tuffmassen im Vorlande der Alb.
Niedersetzen der Tuffmassen bis in die heutigen Thalsohlen S. 61. Kontakt-
metamorphose, welche die Tuffe auf das Nebengestein ausübten. Bohrung in
ganz zweifelhaften Fällen. Analogiebeweis. Fernere Gründe, welche gegen
die Möglichkeit sprechen, dass ein Theil der Tuffmassen nur aufgelagert sein
könnte S. 63.
IV. Die Entstehungsweise der, die röhrenförmigen Kanäle füllenden Tuff-
massen des Gebietes von Urach S. 69—90.
Anschauungen von Schübler, Qüenstedt, Deffner S. 69. Prüfung der Fragen :
Sind unsere Tuffe unter Mitwirkung von Eis entstanden ? S. 73. Sind sie unter
derjenigen von Wasser im fliessenden Zustande entstanden? S. 80. Sind sie
als Schlammtuffe entstanden? S. 85. Oder als sogenannte Schlammlava? S. 87.
Welcher Abteilung von Tuffen gehören diejenigen der Gruppe von Urach also
an? S. 88.
V. Die Deutung aller vulkanischen Bildungen in der Gruppe von Urach
als ehemalige Maare S. 90 — 104.
■Sind unsere Tuffvorkommen auf der Alb wirklich ehemalige Maare und die Tuff-
gänge am Steilabfall und im Vorlande wirklich die in die Tiefe führenden
Ausbruchskanäle ehemaliger, längst abgetragener Maare? Vervollständigung
des Maarbegriffes S. 94. Gründe, welche dagegen sprechen, dass sich in
unserem Gebiete einst Aschenkegel über der Erdoberfläche erhoben S. 95.
s. auch Teil III S. 315—319.
Stehen unsere tufffreieu Basaltvorkommen ebenfalls in denselben Beziehungen zu
ehemaligen Maaren wie die Tuffe? S. 98. Eisenrüttel, Sternberg, Dintenbühl.
Unterschied gegenüber den Tuffmaaren S. 102. Grabenstetten, Zittelstadt,
Buckleter.
VI. Die Gestalt der Maarkessel und der Ausbruchskanäle in der Gruppe
von Urach S. 105—120.
Die Maarkessel unseres Gebietes. Durchmesser. Tiefe. Randwall S. 107.
Die in die Tiefe setzenden Ansbruchskanäle der Maare unseres Gebietes. Runder
oder ovaler Querschnitt S. 108. Bleibt der Durchmesser der Röhre oben und
unten gleich? Gegenüber den Gängen rundlichen Querschnittes steht nur eine
verschwindende Minderzahl langgestreckt spaltenförmiger S. 111. Der auffallend
dreieckige Umriss des Jusiberges S. 112. Gänge unregelmässigen Querschnittes
S. 114, entstanden durch Zusammenfliessen zweier dicht benachbarter Röhren
oder durch Höhlenbildung? Möglichkeit einer Täuschung über den Querschnitt
und die Mächtigkeit von Gängen bei senkrechtem Anschnitte letzterer S. 116.
Nah benachbarte und Zwillings-Maare bezw. Maartuffgäuge S. 119.
VII. Die Entstehungsweise der Ausbruchskanäle bezw. Maare im Gebiete
von Urach S. 121—131.
Terschiedene Anschauungen über die Entstehung vulkanischer Ausbrüche. Die-
jenigen in der Gruppe von Urach lagen in der Nähe des Meeres S. 122. Das
Fehlen von Schuttwällen um unsere Maare spricht nicht gegen eine Entstehung
durch Gasexplosionen S. 123 Es müssen ganz besonders grosse Gasmassen in
— 335 —
der Tiefe gewesen sein ; sie haben auffallenderweise statt nur eines oder einiger
Ansbruchskauäle so sehr viele erzeugt ; sie haben endlich nur ganz kurze Zeit
gewirkt, offenbar weil ihr Vorrat erschöpft war S. 126. Frage nach der Natur
dieser Gasmasseu und nach der Tiefe ihres Sitzes. Rozet's Ansicht kann
keine Geltung für unser Gebiet haben S. 130.
Vni. Sind die 127 Durchbruchskanäle unseres Gebietes selbständige Durch-
bohrungen der Erdrinde oder nur erweiterte Spalten, also abhängig von
Bruchlinien der Erdrinde? S. 181—152.
Man meint , dass der Schmelzfluss nur auf Bruchlinien der Erdrinde aufsteigen
kann ; man giebt aber zu, dass er sich in den Maaren selbst einen Weg bahnt.
Lösung dieses Widerspruches S. 132. Was sagen uns die Explosionskratere ?
Eifel S. 132, Mittel-Schottland, S.-Afrika; das Gebiet von Urach S. 134. Fast
nirgends lassen sich Bruchlinien bei Maaren wirklich nachweisen. Weitere
Gründe, welche für die Unabhängigkeit der Ausbruchskanäle der Maare von
Spaltenbildungen sprechen S. 142. Die Tiefe, bis zu welcher hinab diese Un-
abhängigkeit zu bestehen scheint, beträgt mindestens 6üO m S. 144. In grösserer
Tiefe mag eine Spalte den Ausgangspunkt bilden; diese aber müsste, ent-
sprechend der Breite des vulkanischen Gebietes, 37 und 45 bezw. 30 km, so
breit sein, dass man nur von einer grossen Höhlung reden dürfte S. 145.
Deffner's Ansicht von den nach unten sich verbreiternden Spalten in unserem
Gebiete ist nicht haltbar S. 146. Löwl's Ansicht von der Unabhängigkeit
der Vulkane von Spalten S. 150. Das Gebiet von Urach ein Einsturzkessel?
IX. Die Denudationsreihe der Maare und ihrer in die Tiefe hinabsetzenden,
tuff- und basalterfüllten Kanäle S. 152—177.
Strato Vulkane und homogene Vulkane.
Allgemeinere Bemerkungen über die Denudation unserer Tuffgänge b. 154. Ver-
schiedene Widerstandsfähigkeit derselben im Vergleiche zu den sie einschlies-
senden Sedimentärschichten. Die von Deffner aufgestellten beiden Gesetze
S 157. Das erste selbstverständlich, das zweite besteht gar nicht. Ganz oder
fast ganz eingeebnete Tuffgänge S. 159. Kegelförmig aufragende Tuftgänge
S. 162.
Specielle Denudationsreihe der Maare und Maartuffgänge:
A. Die Maare oben auf der' Alb. I. Völlig unverletzte Maare S. 162.
II. Etwas verletzte. Rand nicht mehr ganz vollständig erhalten ; ein Abfluss-
thal in denselben eingesägt S. 163; Zufluss- und Abflussthal S. 164. Maar-
kessel als Ausbuchtung eines grossen Erosionskessels S. 165. III. Maarkessel
mehr oder weniger bis zur Unkenntlichkeit zerstört : In einem grossen Erosions-
kessel verschwunden; auf andere Art eingeebnet S. 165. Der Kopf des Tuff-
ganges beginnt sich als Erhöhung über die Erdoberfläche zu erheben S. 166.
B.^Die Vorkommen am Steilabfalle der Alb und im Vorlande der-
selben. I. Noch deutlich erkennbare Maare S. 167. IL Maartuffgänge, senk-
recht angeschnitten, Maarkessel verscliwunden S. 170. Verschiedene Stadion
der Blosslegung und Abschnürung von der Alb bis zum vereinzelt aufragenden
Kegel S. 174. Zukunftsbild unserer Tuff berge; allgemeinere Bedeutung des-
selben S. 176.
X. Das Alter der vulkanischen Ausbrüche im Gebiete von Urach S. 178—190.
Graf Mändklsloh; 0. Fraas; Quenstedt ; Klöpfel ; Deffner; Endriss S. 178,
Versteinerungen des Maares von Randeck No. 39 S. 181. Pompeckj, Versteine-
rungen des Maares S. von Hengen No. 15 S. 183. E. Fraas, Reste von Böt-
tingen No. 3 S. 186. Koch, Schnecken und Säugetiere des Maares von Laichingen
No. 1 S. 187. Schnecken in anderen Tuffvorkommen uuseies Gebietes S. 189.
Die Entstehung der Maare und die Ausfüllung ihrer Ausbruchskanäle mit Tuff
fällt in eine ältere Zeit als die obermiocäue, in welcher sich in diesen Maaren
Süsswasserschichten absetzten S. 189.
336
Teil III.
Allgemeines über Tuffe und Maare. Vergleichung der Tuffe im Gebiete
von Urach mit solchen an anderen Orten der Erde S. 191—280.
1. Das Verschiedenartige in den Lagerungsverhältnissen und der äusseren
Erscheinungsweise vulkanischer Tuffe im allgemeinen S. 191—210.
Die verschiedenen Arten von Tuffen: Trockentuffe, Wassertuffe, Sedimenttuffe
umgelagerte Tuffe, Tuffite , Tuffoide, Schlammlava aus vulkanischem Tuff,
Schlammtuffe S. 191. Dreifache Entstehungsweise von Schlaramtuffen durch
Regen, Ausbruch von Kraterseen, schmelzendem Schnee und Eis, auf Java,
Island, in Südamerika S. 197. Beschaffenheit der Schlammtuffe, Temperatur
derselben, Dicke, organische Reste S. 199. Der Peperin. Beschaffenheit. Ent-
stehungsweise. Erklärungsversuch S. 202.
II. Die Entstehungsweise von Maaren im allgemeinen S. 211—235,
Unter jedem Vulkanberge soll nach v. Humboldt ein Maar begraben liegen; das
scheint durchaus nicht nötig zu sein.
Ansichten über die Entstehungsart der Maare: Montlosier, v. Strantz, A. v. Hum-
boldt, Karl Naumann S. 211. Gestalt der Maare, Durchmesser, Tiefe, Tiefe
der Maarkanäle; Zahl der Maare auf Erden. Unser vulkanisches Gebiet von
Urach hat auf nur 20 [jMeilen Fläche in seinen 127 Maaren viel mehr Maare
als die ganze Erde zusammengenommen S. 214. Vogelsang's Ansicht über
die Entstehung der Maare S. 218. Bischof's und v. Richthofen's Meinung.
Geikie S. 223. Behrens' Versuche S. 225. Daubr^e's Versuche bestätigen
die ältere Ansicht. Unser vulkanisches Gebiet von Urach beweist die letztei'e
als richtig S. 225.
Entstehung von Explosionskrateren in neuester Zeit; E. Naumann. Zustand nach
der Entstehung. Unterscheidung zwischen echten Maaren und parasitischen
Explosionskrateren S. 228. Noch ältere Entwickelungsstadien des Vulkanismus
als Maare. Drei embryonale Stadien des Vulkanismus: Gas- Maare, Maare
mit Tuff- und Maare mit Basalt-Füllung des Kanales S. 232.
III. Maarähnliche Bildungen S. 235—244.
I.Kessel- und trichterförmige Gebilde. Gewisse Kesselbrüche, Ries, Steinheim,
Kraterseen, Kesseithäler der Eifel, Paus in Südafrika. Erdtrichter, Solle S. 235.
2. Röhrenförmige Kanäle, bei Schlammvulkanen und Ranus S. 240.
IV. Vergleichung der vulkanischen Verhältnisse des Gebietes von Urach
mit demjenigen anderer Länder S. 244—280.
Gangförmige Lagerung von Tuffen an anderen Orten der Erde:
Tuffgänge in der Rhön, Lenk, Gutberlet S. 247. In Baden, Steinmann und
Graeff, Sauer S. 249. Eifel. Auvergne. Italiens Peperin. Der graue cam-
panische Tuff. Debcke's und Scacchi's Ansichten über seine Entstehung S. 251.
Centralfrankreich S. 256. Analogie mit der Gruppe von Urach S. 258.
Die Karoo des südlichen Afrikas. Gleiche tektonische Verhältnisse wie bei der
schwäbischen Alb : Wagerechte Lagerung, Tafelberge, Spitzkopjes S. 259. Auch
gleiche röhrenförmige Ausbruchskanäle rundlichen Querschnittes wie in der
Alb. Zweierlei verschiedenartige Bildungen: seichte Paus und die 17 tiefen
Diatremata. Senkrechte Wandung, geringfügige Erweiterung an der Mündung
bei letzteren, Erfüllung mit einer ungeschichteten Tuffbreccie, ganz wie in der
schwäbischen Alb. Die Tuffbreccie ist 150 m tief hinab verfolgt. Durchmesser
der Diatremata S. 262. Entstehungsweise derselben nach Cohen, Daubr]6e,
Chaper, Moulle. Gründe für und gegen vulkanische Entstehungsweise S. 265,
Vergleichung mit unseren Bildungen in der Gruppe von Urach S. 271.
— 337 —
Die Tuffgänge rundliclien Querschnittes (Necks) im Carbon Centralschottland,
nach Geikie S. 273. VoUstäurlige Uebereinstimmung derselben mit den Tuff-
maargängeu der Gruppe von Urach S. 279. Eückschluss , dass aucli erstere
einst mit Maaren in Beziehung gestanden haben mögen S. 279.
V. Die vulkanischen Bildungen des Mondes im Vergleiche mit denjenigen
der Gruppe von Urach S. 280 — 314.
Sind die vulkanischen Bildungen des Mondes Vulkanberge oder Maare? v. Strantz,
Elie de Beaumont, A. v. Humboldt, Dauerte, Gilbert. Gestalt und Grösse
der Mondkratere S. 280. Verschiedene Typen derselben nach Gilbert. Die
drei verschiedenen Typen der Erdkratere nach Dana : Vesuvischer, Hawaischer,
Maare. Gilbert's Vergleich derselben mit denen des Mondes : Weder mit dem
vesuvischen noch mit dem hawaischen Typus stimmen die Mondkratere überein ;
nur die kleinsten derselben könnten als Maare gedeutet werden. Andere Er-
klärungsversuche der Mondkratere: Durch geplatzte Blasen; durch Gezeiten;
durch Eis ; durch auf den Mond gefallene Meteorite S. 283. Gilbert's Mönd-
chen-Hypothese S. 289. Erklärung noch anderer Oberflächenerscheinungen durch
Gilbert's Hypothese S. 291. Gründe, welche trotzdem für eine vulkanische
Entstehung der Mondkratere sprechen. Die Frage, ob noch heute auf dem
Monde Vulkanausbrüche sich vollziehen. Gilbert giebt zu, dass die Hälfte
aller Mondkratere Maare sein könnten. Geringere Schwere und fehlender Luft-
druck auf dem Monde. Geringere Grösse und Häufigkeit der Maare auf Erden
als auf dem Monde S. 292. Im vulkanischen Gebiete von Urach ist die Zahl
der Maare bezw. Kratere auf 1 [jMeile einige 70 mal grösser als durchschnitt-
lich auf dem Monde S. 308. Die Innenterrassen. Die Rillen S. 309. Zusammen-
fassung. Die Ansicht von Prinz, welcher vielen Mondkrateren und Maaren
einen polygonalen Umriss und Entstehung durch Einbruch zuschreibt S. 310.
Verbesserungen und Zusätze S. 315 — 318.
Erklärungen zu der geologischen Karte, betreffend Fehler und Änderungen
gegenüber der geologischen Karte von Württemberg S. 319 — 321.
Reiseplan für einen geologischen Ausflug in das vulkanische Gebiet von
Urach S. 321—324.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Wiirtt. 1895. 22
Verbreitung und Wert der in Sammlungen auf-
bewahrten Meteoriten.
Von E. A. "Wülfing in Tübingen.
Die Universität Tübingen besitzt eine kostbare Meteoriten-
sammlung, welche ein Vermächtnis des Freiherrn von Reichenbach
ist und nach dessen Tode im Jahre 1869 in die mineralogische und
geognostische Sammlung gelangte. Im Jahre 1871 ist von Qüenstedt
ein kurzes Verzeichnis dieser Sammlung herausgegeben worden ^ Seit-
dem hat dieselbe, wenn man die Spekulationen des Herrn Dr. Hahn
ausnimmt, zu keiner wissenschaftlichen Untersuchung gedient. Dank
dem liebenswürdigen Entgegenkommen des Vorstands der minera-
logischen und geognostischen Sammlung, Herrn Professor Dr. Branco,
und im Einverständnis mit demselben habe ich mir die Bearbeitung
eines Teiles dieser Sammlung, nämlich der Meteorsteine zur Aufgabe
stellen können.
Wenn man die bisherigen systematischen Arbeiten über Meteo-
riten durchsieht, wird man finden, dass jeder Autor sein eigenes
System aufgestellt hat, welches sich mehr oder weniger an die voran-
gegangenen Systeme anlehnt. Bei meinen Arbeiten komme ich zu
einem ähnlichen Resultat, indem es auch mir scheint, als wenn die
bisherigen Systeme dem Fortschritt unserer petrographischen Wissen-
schaft entsprechend einer Umformung bedürfen; als ich aber ver-
suchte, mein nach diesem oder jenem Gesichtspunkt aufgestelltes
System näher zu prüfen, stiess ich auf mannigfache Schwierigkeiten,
da es mir sehr häufig an Material fehlte. Bei jeder ferneren syste-
matischen Untersuchung auf dem Gebiete der Meteoriten dürfte diese
DieMeteoriten der Tübinger Universitätssammlung. Tübingen August 1871.
— 339 —
Schwierigkeit, das dazu nötige Material zu erhalten, sich wieder-
holen. Denn auch die grössten Sammlungen sind nicht in der Lage,
das für die Begründung der bisherigen Systematik oder für die in
der nächsten Zeit zu erwartende Abänderung in der Systematik not-
wendige Material zu beschaffen. Diese Schwierigkeiten haben sicher-
lich sämtliche früheren Autoren schon empfunden ; bei einigen
z. B. bei Rammelsberg finden sie auch darin einen Ausdruck, dass
eine Desideratenliste von Meteoriten, welche einer neuen Unter-
suchung bedürfen, aufgeführt wird.
Die Liste enthält nachstehend aufgeführte Meteoriten. In
Parenthese sind die Bezeichnungen Rammelsberg's, von denen „Ala-
bama Frankfort" und „Alabama Franklin Co." sich auf den gleichen
Fall beziehen, beigefügt^:
Alessandria, Motta cli Conti (Casale),
Bandong-, Nulles (Barcelona),
Daniels Kuil (Griqualand), Netschaevo (Tula),
Frankfort 5. Dec. 1868 (Alabama, Omans,
Frankfort), Koda,
Krähenberg, Sankt Nicolas (Mässing),
Lance, Schönenberg.
Limerick (Adare),
Mit einer solchen Desideratenliste von Meteoriten, die gegen-
wärtig wohl bedeutend vergrössert werden könnte, ist aber wenig
geholfen ; und in der That ist auch meines Wissens keiner jener
Meteoriten seit dem Jahre 1879 , als die Liste aufgestellt wurde,
wieder untersucht worden. Um derartige Untersuchungen neu an-
zuregen, wäre es notwendig, auch anzugeben, wo und in welcher
Verbreitung das zu untersuchende Material sich befindet; es wäre
also erforderlich, Aufschluss über sämtliches Meteoritenmaterial,
welches in allen der wissenschaftlichen Forschung zugänglichen
Sammlungen aufbewahrt wird, zu erhalten. Wir besitzen bereits
eine Arbeit, welche diese Frage zu beantworten sucht, nämlich
Dr. Otto Buchner's Werk „Die Meteoriten in Sammlungen" vom Jahre
1863. In den letzten 30 Jahren haben aber die Besitzer der Meteo-
riten stark gewechselt; vor allem sind einige grössere Privatsamm-
' In bezng auf die Benennung der Meteoriten scbliesse icb mich dem
äusserst sorgfältig zusammengestellten „Gesamtortsregister mit den Daten über die
Hauptlokalitäten" Brezina's au, wie dasselbe seiner Abhandlung : Die Meteoriten-
sammlung des k. k. mineralogischen Hofkabinets in Wien am 1. Mai 1885, bei-
gefügt ist. Jahrb. d. k. k. geol. Reichsaust. Wien 1885. Bd. XXXV. p. 250—272.
— 340 —
langen an öffentliche Institute, teils durch Schenkung, teils durch Kauf
übergegangen. So gelangte durch Schenkung die REiCHENBAcn'sche
Sammlung nach Tübingen, befindet sich die SnEPARD'sche Sammlung
im National-Museum in Washington, kam die E. von BAUMHAUER'sche
Sammlung grösstenteils in das National-Museum nach Budapest,
wurden die Sammlungen von Dr. med. K. G. Zuvimermann f 1876
und Dr. phil. J. G. Fischer f 1888, beide dem Naturhistorischen
Museum der Stadt Hamburg einverleibt, kam die Sammlung des
Dr. Otto Buchner grösstenteils an Freiherrn von Braun in Wien
und die Sammlung von L. Smith an die Harvard üniversity Cam-
bridge Mass.
Ausser diesem Wechsel im Besitz haben aber die in den Samm-
lungen aufbewahrten Meteoriten sowohl bezüglich des Gewichtes,
als auch bezüghch der Fall- und Fundorte ganz ausserordenthch
stark zugenommen, am gewaltigsten wohl die Sammlung des k. k.
Naturhistorischen Hofmuseums in Wien, so dass der Zeitpunkt ge-
kommen sein dürfte, eine neue statistische Erhebung zu veranstalten.
Bei dieser Erhebung wird weniger Gewicht darauf zu legen sein,
wieviel Material eines bestimmten Meteoriten ursprünghch gesammelt
wurde, was ja in den meisten Fällen aus der Litteratur mehr oder
weniger sicher zu erfahren ist; vielmehr soll es darauf ankommen,
festzustellen, wieviel in den Sammlungen aufbewahrt wird und der
Forschung zugänglich ist.
Wenn es aber auch gelingen sollte, einen solchen Index der
Meteoriten in einer dem oben angedeuteten praktischen Bedürfnis
entsprechenden Weise herzustellen, so würde damit die Aufgabe noch
nicht gelöst sein; hierzu wäre noch erforderhch, eine Vereinbarung
über den Tauschwert der Meteoriten zu treffen.
Es ist gewiss eine schwierige, vielleicht unlösbare Aufgabe,
den Wert wissenschafthcher Objekte zu bestimmen, da man hier gar
zu leicht auf das Gebiet der Liebhaberpreise gelangt, die sich infolge
ihres ihnen anhaftenden persönhchen Momentes jeder Berechnung
entziehen. Auch bei den Meteoriten begegnet man nicht selten
solchen Liebhaberpreisen ; wie wäre es anders zu erklären, dass einige
dieser Steine mit dem achtfachen Werte des reinen Goldes auf-
gewogen werden! Nicht so unlösbar scheint mir die Aufgabe zu
sein, eine Wertliste der Meteoriten zu bestimmen, wenn man den
Tauschwert der Meteoriten untereinander, also das Wertverhältnis
eines Meteoriten gegenüber einem andern zu ermitteln sucht.
Die Ermittelung dieser Tauschwerte hat eine um so grössere
— 341 —
Bedeutung, als viele Meteoriten gar nicht im Handel vorkommen,
oder nur in so kleinen Mengen zu erwerben sind, dass dies ohne
wissenschaftliche Bedeutung ist. Wenn es gelingen sollte, eine Wert-
liste der Meteoriten auf rationeller Basis aufzustellen, so ist kaum
zu zweifeln, dass der Tausch unter den verschiedenen Sammlungen
ausserordenthch erleichtert und dass eine viel allgemeinere Verbrei-
tung der verschiedenen Typen unter die grösseren Sammlungen mög-
lich sein wird. Viele der kostbaren Steine werden wohl nur deswegen
so ängstlich gehütet, weil man keinen rechten Massstab für ihren
Wert besitzt und weil man Gefahr zu laufen fürchtet, einen un-
vorteilhaften Tausch einzugehen. Manche Steine müssen natürlich
in toto erhalten bleiben, weil eben ihr Wert in ihrer äusseren Form
liegt ; ich meine damit die orientierten Steine. Bei anderen aber, die
schon in Bruchstückform vorliegen — und dieses sind weitaus die
meisten aller Meteoriten — haben solche Bedenken keine Geltung.
Um nur ein Beispiel herauszugreifen, so besitzt die Tübinger Samm-
lung einen der vorzüglichst entwickelten „Kügelchenchondrite" (Cc),
nämlich den Stein von Borkut, Ungarn, gefallen am 13. Oktober 1852
im Gewicht von 3430,7 g. Der Stein soll ursprüngUch etwa 6 kg
gewogen haben; ausser der Tübinger Masse scheint aber nicht viel
erhalten zu sein, denn ich finde in 105 Meteoritenverzeichnissen, die
mir seit Juli vorigen Jahres zugeschickt wurden, nur folgende Mengen
aufgeführt; die nähere Bezeichnung der Sammlungen ist unten auf
S. 347—352 zu ersehen:
BEMENT'sche Sammlung . . 1,8 NEUMANN'sche Sammlung . 8,4
V. BRAUN'sche Sammlung . 6,5 Paris 8,0
Budapest 220,8 WARo'sche Sammlung . . 0,1
London, Br. M 40,0 Wien (1885) H. M 191,0
MELiON'scbe Sammlung . . 0,2
Zusammen 476,8 g.
Das Stück der Tübinger Sammlung ist stark abgestossen und
nur noch zu Vs berindet; nachdem ein sorgfältiges Modell dieses
Steines in seiner jetzigen Form abgenommen ist, würde es nach
meiner Meinung für die Meteoritenforschung nur förderlich sein, wenn
von diesem Meteoriten Stücke zur Verteilung gelangten ; freihch nur
unter der Voraussetzung, dass man im Stande wäre, das richtige
Äquivalent dafür anzugeben, und dass andere Sammlungen sich dem
Vorgang der Tübinger Sammlung in bezug auf andere Steine an-
schliessen würden.
— 342 —
Was also für den Stein von Borkut und viele andere Meteo-
riten in der Tübinger Sammlung gilt, das würde sich bei anderen
Sammlungen in bezug auf andere Meteoriten wiederholen.
Die Hauptschwierigkeit, diesen Tauschverkehr in grösserem
Massstab zu ermöglichen, liegt eben in der Ermittelung einer Wert-
skala, deren Aufstellung ich mir, wie ich glaube, im Interesse aller
Sammlungen zur Aufgabe mache. Da ich nicht weiss, wie weit
meine Vorschläge bei den Vorständen der grossen Sammlungen, ohne
deren Zustimmung eine Wertskala nur einen begrenzten praktischen
Wert haben kann, Entgegenkommen findet, so möchte ich hier nur
in aller Kürze auseinandersetzen , worauf es nach meiner Ansicht
bei der Wertbestimmung der Meteoriten ankommt, ohne mich schon
auf alle Einzelheiten, welche ich später ausführlicher zu veröffent-
lichen gedenke, näher einzulassen. Ich würde sehr dankbar sein,
wenn meine Vorschläge von anderen Seiten kritisiert und verbessert
würden.
Man wird vielleicht aus dem folgenden ersehen, dass die Haupt-
rolle bei einer solchen Wertbestimmung eine genaue Kenntnis des
gegenwärtig in Sammlungen aufbewahrten Materials spielt. Die
statistischen Erhebungen, welche zu dem Ende von mir angestellt
worden sind, haben noch kein vollständig befriedigendes Resultat
ergeben. Um ein solches zu erlangen, möchte ich noch
einmal auf diesem Wege die geehrten Vorstände der
meiner Liste leider noch fehlenden Sammlungen um
baldgefällige Einsendung ihrer Verzeichnisse bitten.
Auch kleinere Sammlungen sollten in diesem Index der Meteo-
riten nicht fehlen , da derselbe ein um so besseres Bild von der
Verbreitung giebt, je grösser die Zahl der darin aufgeführten Samm-
lungen ist.
Der Wert der Meteoriten hängt, soweit ich mir die Sache über-
legt habe, ab:
1. Von der Menge des erhaltenen Materials, wobei es, wie oben
schon erwähnt, nur auf das in den der wissenschaftlichen Forschung
zugänglichen Sammlungen aufbewahrte Material ankommt, und ganz
kleine Mengen, als nur von historischem Werte, ausser acht zu
lassen sind.
2. Von besonderen Eigenschaften der betreffenden Meteoriten,
wonach der Wert eines Meteoriten mit der Anzahl der Vertreter
einer bestimmten Gruppe, zu welcher derselbe gehört, abnimmt. Da
nun die Gruppen von der jeweiligen Systematik beeinflusst werden,
- 343 —
so könnte es scheinen, als wenn mit jeder neuen Systematik die
ganze Wertskala abzuändern wäre; indessen ist es wahrscheinlich,
dass jede neue Systematik sich an die früheren Systeme anlehnt.
Es ist wahrscheinlich — um ein Beispiel anzuführen — dass die im
wesentlichen aus rhombischen Pyroxenen bestehenden Meteoriten,
welche man wohl als Chladnite zu bezeichnen pflegt, für lange Zeit
eine Gruppe für sich bilden, und dass ebenso die Eukrite, aus An-
orthit und Augit sich aufbauend, nicht mit anderen Gruppen vereinigt
werden.
Die Gruppe der Chladnite ist durch folgende Fälle vertreten:
BishopvlUe, wovon höchstens 6,5 kg erhalten sind.
Ibhenbüren, , .,, 2,0 ., , „
Manegaon, „ „ 0,1 „ „ „
Shalka, „ , 4,0 , , „
Die Gruppe der Eukrite baut sich aus folgenden Meteoriten auf :
Juvinas, wovon mehr als 48,0 kg erhalten sind.
Saintonge, ,, , „ 1,4 „ ^ „
Stannern, „ » ^ 30,0 „ „ „
Die Gruppe der Chladnite ist also höchstens mit einem Gewicht
von 12,6 kg vertreten, während von den Eukriten mindestens 79,4 kg
erhalten sind.
Angenommen, die statistischen Erhebungen hätten dahin ge-
führt, dass von den Chladniten 10 kg und von den Eukriten 80 kg
erhalten seien , so würde man zur Zeit das Wertverhältnis der
beiden doch nicht wie 8 : 1 annehmen können ; denn dieses Wert-
verhältnis wird heutzutage noch von einem dritten Moment beein-
flusst, nämlich:
3. Von der Verbreitung des Materials, oder von der Zahl der
Besitzer. Die Verbreitung spielt heute noch eine grosse Kolle bei
der Wertbestimmung der Meteoriten. Wenn von einem Meteoriten
im Gewichte von 5000 g je 1000 g in fünf Sammlungen vorhanden
sind, so dürfte das Material leichter und bilhger im Tausch zu er-
halten sein, als wenn es sich auf zwei Besitzer im Verhältnis von
4990g und 10g verteilt. In ersterem Falle können mehrere Be-
sitzer abgeben und man kann sich an mehrere wenden ; im letz-
teren Fall kann füglich nur einer abgeben und er wird daher
höhere Forderungen stellen. Dies Moment der Verbreitung wird
aber um vieles vermindert werden, wenn man die Voraussetzung
macht, dass jede Sammlung gleiches Interesse daran hat, unsere
— 344 —
Kenntnis auf dem Gebiete der Meteoriten zu fördern und wenn
die Überzeugung durchgedrungen ist, dass bei einem lebhaften
Tauschverkehr jede Sammlung, auch die grösste, eine Verbesserung
erfährt.
4. Sodann wäre noch für die Wertbestimmung der Einfluss
des in Zukunft fallenden oder aufzufindenden Materials zu betrachten.
Wenn morgen ein grosser Meteorit von der Beschaffenheit des Steines
von Bustee oder des Steines von Angra dos Reis , der Meteoriten,
die wohl am stärksten von den irdischen Gesteinen abweichen, auf
die Erde herabfällt, so sinkt natürlich der Wert dieser Meteoriten,
die heute mit einem Gewicht von höchstens V/^ bezw. 2 kg ver-
treten sind, bedeutend herab ; denn ob der Stein in Indien oder Süd-
Amerika oder in irgend einem anderen Lande niederfällt , hat viel-
leicht für den Fundorts-Sammler einiges Interesse, für die Forschung
aber keine Bedeutung. Nach den Erfahrungen der letzten hundert Jahre
müssen wir annehmen, dass die Meteoriten, welche seltenen Gruppen
angehören, auch in Zukunft selten fallen werden. Um aber den
Einfluss des neu zu erwartenden Materiales auf ein Minimum herab-
zudrücken, und um die Forschung dieser interessanten Körper im
ganzen zu erleichtern, sollte man daran denken, wenigstens die neu
fallenden Meteoriten zu verstaatlichen. Man sollte dies um so
eher in Anregung bringen, als es noch eine juristisch offene Frage
zu sein scheint , ob der Finder eines Meteoriten , oder der Besitzer
des Grundstücks, auf welches der Meteorit niederfiel, als der Eigen-
tümer zu bezeichnen ist^.
5. Als fernere Bestimmgründe für den Wert der Meteoriten sind
schliesslich die Gewinnungskosten , der Erhaltungszustand und das
Interesse, welches sich an die einzelnen Gruppen knüpft, zu erwähnen.
Diese Gründe können in einzelnen Fällen von Wichtigkeit werden,
über deren Grösse eine Diskussion zu eröffnen wäre. Nach meiner
Überzeugung glaube ich, dass sie bei der Mehrzahl der Meteoriten
von geringerer Bedeutung sind.
^ Bei dem von Büchner erwähnten Stein von Bourbon-Vendee, Roche
Serviere, Vendee, Frankreich, gefallen 5. November 1841, der wohl mit dem von
Daubree Compt. rend. Acad. 91 (1880) p. 30 besprochenen Stein von St. Christoph
la Chartreuse, Roche Serviere, Vendee, gefallen 6. September 1841, identisch ist,
soll ein Prozess zu Gunsten des Finders entschieden worden sein. Auch wegen
des Meteoriten von Lance, gefallen 2.S. Juli 1872, erhob sich ein Prozess zwischen
Eigentümer des Bodens, der Gemeinde und dem Finder, über dessen Ausgang ich
nichts erfahren habe.
— 345 —
Die Hauptsache bei der Herstellung einer Wertskala bleibt
immer ein genaues Verzeichnis der bis jetzt vorhandenen Me-
teoriten.
Kundige Fachleute, welche ich über diese meine Absicht, ein
solches Verzeichnis herauszugeben, befragte, leugneten nicht die
Nützhchkeit eines solchen Unternehmens, zweifelten aber auch sehr
an dem Gelingen desselben. Die anfänglich auch bei mir auftau-
chenden Zweifel, dass dieser Versuch gehngen könnte, sind indessen
geschwunden. Seit Juh vorigen Jahres schickte ich an alle mir be-
kannten mineralogischen und geologischen Sammlungen aller Staaten
eine Aufforderung folgenden Inhaltes:
Hochgeehrter Herr!
Vor 30 Jahren bemühte sich Dr. Otto Buchner in seinem
Werke „Die Meteoriten in Sammlungen" das Gewicht der einzelnen
Meteoritenfälle und die Verteilung des erhaltenen Materiales in den
verschiedenen Sammlungen zu ermitteln. Die damals gewonnenen
Zahlen haben teils durch neue Meteoritenfälle, teils durch neu auf-
gefundene Meteoriten und neue Publikationen vielfache Abänderungen
erfahren, so dass es für die Meteoritenforschung von Nutzen sein
dürfte, eine Zusammenstellung des heute vorhandenen Meteoriten-
materiales zu besitzen.
Wenn Sie, hochgeehrter Herr, ebenfalls von der Zweckmässig-
keit einer solchen Zusammenstellung überzeugt sind, so möchte ich
es mit Ihrer werten Hilfe versuchen, dieselbe in Form von Tabellen
herauszugeben. Diese Tabellen sollten dann den Bestand der
Sammlungen am 1. Juh 1893 enthalten; und da der Wert einer
solchen Aufstellung allein von der Vollständigkeit derselben ab-
hängt, so bitte ich Sie — damit durch das Fehlen Ihrer Samm-
lung keine Lücke entsteht — um gütige Mitteilung Ihres Ver-
zeichnisses vom 1. Juli 1893 mit Gewichtsangabe der einzelnen Fälle
in Grammen.
Die beifolgende Aufzählung ^ enthält die Sammlungen, an deren
Besitzer bezw. Vorstände ich die gleiche Bitte gerichtet habe. Sie
würden mich zu besonderem Danke verpflichten, wenn Sie diese
Liste auf ihre Vollständigkeit prüfen und eventuell ergänzen wollten,
soweit Ihnen dies ohne weitere Mühe mögüch ist.
^ Die ich hier übergehe.
— 346 —
Indem ich Ihnen im voraus meinen ergebensten Dank aus-
spreche, verbleibe ich in vorzügHchster Hochachtung
Tübingen, den 1. Juh 1893.
E. A. Wülfing,
Privatdocent der Mineralogie und Petrographie
an der Universität Tübingen.
Dieses Schreiben wurde ausserdem noch in englischer und fran-
zösischer Sprache verfasst, und an etwa 350 Sammlungen verschickt.
Ich erhielt bis jetzt 116 Antworten, welche die Verzeichnisse der
Meteoriten von 105 Sammlungen enthalten. Diese Sammlungen
mögen hier in Kürze mit der Anzahl und dem Gewicht ihrer Me-
teoriten aufgeführt werden, um ein Bild von dem jetzigen Stand
dieser statistischen Erhebung zu geben. Es wurden in das Ver-
zeichnis auch kleine Sammlungen aufgenommen, da man hierdurch
ein besseres Bild über die Verbreitung der Meteoriten gewinnt. Das
Verzeichnis zählt nur solche Meteoriten auf, welche sicher identifiziert
werden konnten; eine Arbeit, welche eine grosse Korrespondenz er-
forderte und noch nicht zum definitiven Abschluss gelangt ist, so
dass die unten folgenden Zahlen noch einige kleinere Abänderungen
erfahren dürften ^
^ Die grosse Verwirniug, welche auf dem Gebiete der Namengebung bei
deu Meteoriten herrscht, könnte leicht vermieden werden, wenn man sich wenigstens
in bezug auf die älteren Fälle der von Brezina gewählten Nomenklatur be-
diente. Die oben S. 339 augeführte Arbeit dieses Autors enthält ein so vollständiges
Verzeichnis der bis zum Jahre 1883 bekannt gewesenen Meteoriten, dass spätere
Publikationen hieran nur wenig geändert haben. Mag auch Brezina bei dem
Bestreben, für eine jede Lokalität den Namen des dem Fall- oder Fundorte
nächstgelegeneu Ortes zu wählen, etwas radikal in der Umtaufung der Namen
vorgegangen sein, er hat doch das grosse Verdienst, zum erstenmal Ordnung in
dieses Chaos gebracht zu haben, und man sollte nicht zögern, ihm zu folgen.
Die verehrten Vorstände der meiner Liste noch fehlenden Sammlungen
möchte ich bitten, ausser dem Namen auch die Zeit des Falles oder des Fundes
anzugeben. Ich erhielt mehrfach die Angabe „Atacama" ohne weitere Bezeich-
nung ; nun ist es ja sehr wahrscheinlich , dass hierunter meist der Pallasit von
Imilac, gefunden 1800, in grössere Verbreitung gelangt 1827 (daher auch sehr
häufig „Atacama gefunden 1827" oder Jmilac gefunden 1827" genannt) zu ver-
stehen ist, die einfache Bezeichnung „Atacama" kann hierüber nie Sicherheit
geben, da wir aus dieser Gegend mehr als ein Dutzend verschiedene Meteoriten
kennen. Die grösste Verwirrung herrscht bei den nordamerikaniscben Meteoriten,
bei denen eine genaue Orts- und Zeitangabe die Einreihung ausserordentlich er-
leichtern würde.
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Aus dieser Liste gewinnt man kein vollständiges Bild von dem
gegenwärtigen Stand der statistischen Erhebungen, da man daraus
nicht zu ersehen vermag, wie weit das Material in bezug auf die
einzelnen Lokalitäten dem Besitzer nach bereits bekannt ist. Ich
knüpfe daher noch einmal, um ein beliebiges Beispiel herauszugreifen,
an die Desideratenliste Rammelsberg's an und zeige an diesem Bei-
spiel gleichzeitig, in welcher Form ich den Index, soweit er sich
auf die Verbreitung der Meteoriten bezieht, verfassen möchte.
Von den nach Rammelsberg neu zu untersuchenden Meteoriten
sind nach den obigen 105 Sammlungen folgende Massen erhalten ^.
1. Alessandria, Piemont; gefallen 2. Febr. 1860 (Cga)
Gesammelt wurden ursprünglich 7 Bruchstücke, wovon jedes 300
bis 1000 g gewogen haben soll.
Es besitzen :
Berlin, Universität ... 1,0 g London, M. p. G. ... 0,5 g-
Bologna 12,4 , NEUMANN'sche Sammlung 3,7 „
Budapest 100,0 ,, Paris 52,0 ,,
Dorpat 40,5 „ Turin 256,0 ,
London, B. M 35,0 „ Wien (1885) 78,0 „
Gesamtgewicht; 579,1 g; der grösste Teil fehlt noch, es ist aber
fraglich, ob derselbe erhalten ist.
2. Bandong, Goemoroeh, Java; gefallen 10. Dez. 1871 (Cwb).
Gesammelt wurden 8200 + 2240 + 680 + 150 zusammen: 11 270 g.
Es besitzen:
Berlin, Universität ... 1,5 g MELiON'sche Sammlung . 1,1 g
BAiLEY'sche Sammlung . 2,9 „ Paris 2075,0 „
Batavia 8125,0 „ Strassburg 5,6 „
BEMENT'sche Sammlung . 28,1 ,. Troyes 1,0 „
Bologna 1,5 n Utrecht 7,0 ,,
V. BRAUN'sche Sammlung 12,5 „ Washington 1,6 „
Budapest 192,5 „ Washington, Sh. Coli. . 50,9 „
Greifswald 6,8 „ Wien (1885) • 112,0 „
London, B. M 14,0 ,
Gesamtgewicht: 10 639,0 g; es fehlen 631 g.
3. Daniels Kuil, Griqualand, Süd- Afrika; gefallen 20. März
1868 (Ck). Gesammelt 1 Stein von 2 Ib. 5 oz. , also wahrschein-
lich 901 2.
^ Ich habe hier die Sammlung des Wiener k. k. Hofmuseums nach dem
Verzeichnis von 1885 mitberücksichtigt, da in bezug auf diese älteren Steine
keine wesentlichen Veränderungen stattgefunden haben dürften.
Jahreahefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1896. 23
— 354 —
Es besitzen:
BAiLEY'sche Sammlung . 2,0 g
Belgrad 3,0 „
BEMENT'sche Sammlung . 2,2 ,,
Bologna 1,0 »
Budapest 17,7 .,
Christiania 59,0 „
London, B. M 449,5 g
London, M. p. G. ... 77,9 ,,
Paris 10,0 ,.
Troyes 1,0 ,.
Washington, Sh. Coli. . 4,6 ,.
Wien (1885) 19,0 „
Gesamtgewicht : 646,9 g ; es fehlen 254 g.
4. Frankfort, Franklin Co., Ala., U. S. A.; gefallen 5. Dez.
1868 (Ho.). Gesammelt 1 Stein 615 g.
Es besitzen :
Paris 9,0 §■
Strassburg 2,0 „
WARD'sche Sammlung . . 0,5 „
Washington, Sh. Coli. . 4,7 „
Wien (1885) 60,0 „
BAiLEY'sche Sammlung . 20,0 g
Budapest 3,0 „
CoHEN'sche Sammlung. . 0,4 „
London, B. M 32,0 ,
London, M. p. G. . . . 3,9 ,,
New Haven 255,0 „
Gesamtgewicht 390,5 g; es fehlen 224 g.
5. K r ä h e n b e r g , Zweibrücken , Bayrische Pfalz ; gefallen
5. Mai 1869 (Ch). Gesammelt 1 Stein etwa 16V'2 kg.
Es besitzen :
Berlin, Universität ... 5,5 g
V. BRÄUN'sche Sammlung 0,4 „
Budapest Splitter
KKANz'sche Sammlung . 4,9 g
London, B. M 2,8 ,
London, M. p. G. . . . 2,6 ,,
DE MAüROY'sche Sammlung 0,9 g
New Haven 2,0 ,,
Paris 3,0 „
Speyer 14950,0 „
Wien (1885) 93,0 ,
Gesamtgewicht: 15 065,1 g; es fehlen 1^1^ kg, die wohl grössten-
teils verloren sind.
6. Lance, Authon, Orleans, Frankreich; gefallen 23. Juli 1872
(Cc). Gesammelt 1 Stein 47 000 g, 1 Stein 250 g. Im Jahre 1874
in derselben Gegend 4 Steine gesammelt von 3000, 620, 600, 300 g.
Im ganzen also 51 770 g.
Es besitzen :
Budapest 6,0
London, B. M 332,9
London, M. p. ü. . . . 12,3
DE MAUROY'sche Sammlung 1,7
New Haven 27,0 g
Paris 1466,0 ,
Washington 7,0 „
Wien (1885) 46915,0 ,
Gesamtgewicht : 48 767,9 g ; es fehlen 3 kg.
7. Limerick, Adare, Irland; gefallen 10. Sept. 1813 (Cga).
Gesammelt 1 Stein 30 kg, 1 Stein 11 kg, 1 Stein 8 kg, 6 — 7 kleinere
Steine. Zusammen etwa 50 kg.
— 355 —
Es besitzen :
BEMENT'sche Sammlung-
Berlin, Universität
Budapest ....
Greifswald. . . .
London, B. M. . .
London, M. p. G.
NEUMÄNN'sche Sammlung
1,7 g-
3,5 „
23,0 ,,
'7,8 ,!
114,5 „
126,4 ,
8,4 ,
NEWTON'sche Sammlung . 0,6 g
Paris 185,0 „
Strassburg- 8,0 „
Tübingen 1156,2 „
WARD'sche Sammlung . 30,0 „
Wien (1885) 163,0 „
Gesamtgewicht: 1828,1 g; es fehlt noch der grösste Teil, der in
Dublin liegen soll.
8. Motta di Conti, Casale, Piemont; gefallen 29. Febr.
1868 (Ci). Gesammelt 1 Stein 6700 g, 1 Stein 1920 g; Bruch-
stücke im Gesamtgewicht von 300—500 g; also zusammen etwa 9 kg.
Es besitzen :
Bologna 15,0 g
Budapest 5,1 ;,
Paris 19.0 ..
Turin 6309,0
Washington, Sh. Coli. . . 1,5
Wien (1885) 2,0
Gesamtgewicht: 6351,6 g; es fehlen etwa 2^/., kg.
9. Nulles, Catalonien, Spanien; gefallen 5. Nov. 1851 (Cgb.).
Gesammelt 1 Stein 10 kg, 1 Stein 0,69 kg ; ausserdem viele Bruch-
stücke. Zusammen über 11 kff.
Es besitzen :
Budapest 26,0
London, B. M 4,5
Paris 166.0
Tübingen 0,8 g
Utrecht 18,0 „
Wien (1885) 27,0 ,
Gesamtgewicht: 242,3 g; es fehlt also noch die grösste Menge,
welche in Madrid sein soll.
10. Netschaevo, Tula, Russland ; gefunden 1846 (Eisen Omn,
im Innern Silikate). Gesammelt eine Masse von 24572 ^S-
Es besitzen :
BAiLEY'sche Sammlung . 20,5 g
Berlin, Polytechnikum . 139,3 ,.
Berlin, Universität . .' . 562,0 ..
Breslau 11,0 ..
Budapest 33,4 „
Dorpat 257,7 „
Freiberg i. S 25,0 „
Halle 206,0 „
London, B. M 1076,8 „
London, M. p. G. ... 92,9 g
Moskau 607,0 „
NEUMÄNN'sche Sammlung 10,6 „
New Haven 31,0 „
Paris 106,0 „
Tübingen 398,6 .
Washington, Sh. Coli. . 62,0 ,
Wien (1885) 1192,0 ,
Gesamtgewicht: 4831,8 g; es fehlt also noch die grösste Menge.
11. Omans, Sahns, Doubs, Frankreich; gefallen 11. Juli
1868 (Cco). Gesammelt?
23*
356
Es besitzen :
BAYLEY'sche Sammlung . 21,0 g
BEMENT'sche Sammlung . 3,6 „
Berlin, Universität . . . Splitter
Budapest 11,0 »
Greifswald 2,5 „
London, B. M 1018,5 „
London, M. p. G 19,2 g
NEWTON'sche Sammlung . 102,0 .,
Paris 3707,0 ..
Troyes 0,3 ,
Washington 6,0 ^
Wien (1885) 26,0 ,
Gesamtgewicht: 4917,1 g. Wieviel von der ursprünglichen Masse
fehlt, habe ich nicht ermitteln können.
12. Boda,Huesca, Aragonien, Spanien; gefallen Frühjahr 1871
(Ro). Gesammelt 200 g (400 g?).
Es besitzen:
Bologna 0,9 8'
V. BßAUN'sche Sammlung 1,0 „
Budapest 1,5 n
London, B. M 7,7 g
Paris 125,0 .
Wien(1885j 11,0 ,,
Gesamtgewicht: 147,1 g; es fehlen etwa 50 g.
13. Sankt Nicolas, Mässing, Bayern
1803 (Ho). Gesammelt 1 Stein 1,6 kg.
Es besitzen :
gefallen 13. Dez.
BAiLEY'sche Sammlung . 0,7 g
Berlin, Universität . . . 22,5 „
CoHEN'sche Sammlung . . 2,0 „
NEDMANN'sche Sammlung 0,3 „
Paris 22,0
Strassburg 0,5
Tübingen 0,2
Wien (1885) 2,0
Gesamtgewicht: 50,2 g; es fehlt der grösste Teil, der aber nach
Büchner ^ nicht mehr erhalten sein soll.
14. Schönenberg, Provinz Schwaben, Bayern; gefallen
25. Dez. 1846 (Cwa).
Es besitzen :
V. BRAUN'sche Sammlung
KßANz'sche Sammlung .
Gesammelt 1 Stein 8015 g.
4,0 g Paris 41,0 g
17,0 „ Stuttgart 4,0 „
Wien (1885) 1,0 „
London, B. M 42,0 „
Gesamtgewicht: 109 g; es fehlt der grösste Teil, der in München
aufbewahrt wird.
Um hieran anknüpfend den Plan, wie ich mir die Wertbestim-
mung denke, zu erläutern, möge einmal angenommen werden, dass
die obigen Gewichte wirklich alles erhaltene Material darstellen und
möge ferner angenommen werden, dass das System Tschermak''s mit
der Erweiterung, welche es durch Brezina erfuhr, unserem heutigen
1. c.
— 357 —
petrographischen und mineralogischen Wissen entspreche, dann be-
sässen wir von :
Howarditeu (Ho) : Frankfort und Sankt Nicolas 440,7 g
Howarditischen Chondriten (Ch): Krähenberg 15 065,1 „
Weissen Chondriten, geädert (Cwa): Schönenberg 109,0 ,.
Weissen Chondriten, breccienähnlich (Cwb): Bandong . ■ . 10 639,0 ,,
Intermediären Chondriten (Ci) : Motta di Conti 6 351,6 ,
Grauen Chondriten, geädert (Cga) : Alessandria und Limerick 2 407,2 „
Grauen Chondriten, breccienähnlich (Cgb): Nulles 242,3 „
Kügelcheuchondriten (Co) : Lance ^8 767,9 „
Kügelchenchondriten, Ornansiten (Cco): Omans 4 917,1 ,,
Krystallinischeu Chondriten (Ck) : Daniels Kuil 646,9 „
Kodit (Ro): Roda 1^'^.^ r
Eisen mit Silikaten: Netschaevo 4 831,8 „
Der kostbarste Stein würde dann nach den obigen Wertmessern,
insbesondere auch unter der Annahme, dass jede Gruppe gleiches
Interesse beansprucht, der Stein von Schönenberg sein\ Diesem
würde der Stein von Roda an Wert folgen u. s. w.
Jene obigen Zahlen geben nun aber keineswegs den Gesamt-
bestand des erhaltenen Meteoritenmateriales an. Die verzeichneten
105 Sammlungen besitzen zwar ein recht erhebliches Gesamtgewicht,
nämhch von :
2 274 821 g Meteorsteinen
1 226 935 „ Mesosideriten und Pallasiten
15 012 352 „ Meteoreisen
zusammen 18 514 108 g
und enthalten Material von mehr als 500 selbständigen Lokalitäten.
Wenn man sich erinnert, dass
Büchner im Jahre 1863 ... 264 Lokalitäten
Brezina „ „ 1885 ... 407 Lokalitäten
Huntington „ „ 1887 ... 424 Lokalitäten *
aufführt, so sieht man, dass die statistischen Erhebungen wenigstens
das Resultat ergeben haben, die Zahl der Meteoriten, von denen
Material in Sammlungen aufbewahrt wird, bedeutend zu erhöhen.
Aus der Zusammenstellung, welche sich auf die 14 Meteoriten
Rammelsberg's bezieht, ergiebt sich, dass von 6 Fallorten, nämlich
^ Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass jene 109 g alles erhaltene
Material repräsentierten und man von dem in München deponierten Stein keine
Kenntnis hätte.
' 0. W. Huntington, Catalogue of all recorded Meteorites. Proc.
Americ. Acad. Arts and Sciences. Bd. XXXIII. 1888. p. 37—110.
— 358 —
Alessandria, Limerick, Nulles, Netschaevo, Omans, Sankt Nicolas, die
grössere gesammelte Masse dem Besitzer nach noch nicht bekannt
ist. Dagegen lässt sich von den übrigen Fallorten, nämlich Bandong,
Daniels Kuil, Frankfort, Krähenberg, Lance, Motta di Conti, Roda,
Schönenberg, entweder die Hauptmasse oder doch ein erheblicher
Teil auffinden. Und prüft man an Hand der Litteratur, wie weit
die 500 Lokalitäten dem Besitzer nach bekannt sind, so bemerkt
man, dass vielleicht erst die Hälfte des gesamten Materials in diesen
Listen enthalten ist.
Es fehlen also noch eine ganze Reihe wichtiger Sammlungen,
und ich darf wohl die Hoffnung aussprechen, auch deren Verzeich-
nisse bald zu erhalten, um das Werk noch in diesem Jahre zum Ab-
schluss bringen zu können. Damit keine Angaben sich wiederholen,
möchte ich noch hervorheben , dass trotz der später erfolgenden
Einsendung doch der 1. Juli 1893 als Schlusstermin aufrecht zu
erhalten ist ; hiervon ausgenommen wären nur solche Steine, welche
inzwischen neu gefallen sind, oder aufgefunden werden, und welche
noch keine weitere Verbreitung erfahren haben.
Ueber das Versehwinden einiger grösserer Raubvogel-
arten aus der Fauna Württembergs.
Von F. A. Tscherning in Tübingen,
Professor Dr. Leydig bemerkte in der Beschreibung des Ober-
amts Tübingen: „Jedem, der irgend einen Fleck Erde seit längeren
Jahren mit Rücksicht auf die Fauna entweder selbst ins Auge ge-
fasst hat oder die hierauf bezüghchen Angaben früherer Beobachter
vergleicht, muss die grosse Veränderung, mit anderen Worten das
Verschwinden vieler Formen der freien Tierwelt sich bemerkbar
machen. Namentlich in neuerer Zeit geht das Vernichtungswerk
einen sehr raschen Gang." Den Grund findet Leydig in der mensch-
lichen Übervölkerung und in der durch sie bedingten immer weiter
gehenden Kultur des Bodens, insbesondere auch in der jetzigen Be-
handlung des Waldes als „Forst" ^
Das Gesagte gilt unzweifelhaft auch von der Vogelwelt, denn
dass die Zahl der bei uns einheimischen Vogelarten früher grösser
war als jetzt, ist nicht zu bestreiten , und im Folgenden will ich
dieses an dem Beispiel einiger der grössten Raubvogelarten nach-
weisen.
Von den Raubvögeln, deren Ausrottung in W^ürttemberg schon
längst als eine vollendete Thatsache anzusehen ist, erscheint als der
bemerkenswerteste der Steinadler {Aquila chrysaetos), welcher
heutzutage in der Fauna unter den „Irrvögeln" aufgeführt wird,
weil er nur in seltenen Fällen einmal aus den Hochalpen in unsere
Gegenden sich verstreicht, noch seltener bei uns erlegt wird. Dass
es sich damit einst anders verhielt, ja dass die Zeit, in welcher es
sich anders verhielt, noch nicht einmal sehr weit hinter uns liegt,
weiss heute eigenthch niemand mehr. Selbst Freiherr v. Wagner
» Beschreibung des Oberamts Tübingen, herausgegeben vom K. statist.-
topogr. Bureau. Stuttgart 1867. S. 42.
— 360 —
vermochte in seinem auf umfassende archivalische Studien gegrün-
deten Werk über das württembergische Jagdwesen unter den Her-
zogen über den Steinadler weiter nichts beizubringen, als dass unter
der Regierung des Herzogs Johann Friedrich (1608—1628) ein solcher
als Seltenheit bei Herzogsweiler auf dem Schwarzwald in einer Wolfs-
grube sich gefangen habe, zwei weitere auf der Alb erlegt worden
seiend Nun hat sich aber in den Waldvogteirechnungen des Tü-
binger Forsts eine Anzahl Aufzeichnungen erhalten, welche, aus An-
lass der Verwilligung von Schussgeldern für „schädliches Raubzeug"
gemacht, die Sache in einem wesentlich anderen Licht erscheinen
lassen und darthun, dass der Steinadler noch im ersten Viertel des
vorigen Jahrhunderts im genannten Forst ein nichts weniger als
seltener Vogel gewesen ist, auch, nach allen Umständen zu schhessen,
regelmässig daselbst gehorstet hat. Leider beginnt die Aufzeichnung
der erlegten Steinadler in jenen Rechnungen erst mit dem Jahr 1675
und hört schon mit dem Jahr 1721 zufolge höherer Anordnung,
deren Grund nicht zu ersehen ist, wieder auf. Dabei sind nicht
wenige der Rechnungen im Laufe der Zeit abhanden gekommen, so
dass selbst das von genannter Zeitperiode Gelieferte fragmentarisch
bleibt. Gleichwohl dürfte auch dieses noch Interesse genug bieten
und hinreichen, das Vorhandensein des Vogels in grösserer Zahl für
unsere Gegend nachzuweisen.
Der unten folgende Auszug aus den Waldvogteirechnungen von
1675—1721, soweit sie noch vorhanden sind, giebt die Zahl der
jedes Jahr im ganzen und in den einzelnen Hüten (Forstrevieren)
erlegten Steinadler, nebenbei auch der übrigens weniger in Betracht
kommenden Fischadler ^ an. Es mögen unter diesen Zahlen wohl
auch diejenigen ausgenommener Nestjungen mit begriffen sein. Als
gross kann aber der auf sie entfallende Anteil schwerlich angenommen
werden in Betracht, dass der Steinadler des Jahrs selten mehr als
zwei Junge, sehr häufig nur eines ausbrütet. Zur Erläuterung der'
Übersicht ist Folgendes vorauszuschicken.
Die Ausdehnung des Tübinger Oberforsts, in welchem die Er-
legung stattfand, ist aus der dem obengenannten v. WAGNER'schen
* Freiherr v. Wag u er, K. württemb. Staatsministev, Das Jagdwesen in
Württemberg unter den Herzogen. Tübingen 1876. S. 209.
^ Der Fischadler, Pcmdion haliactus, wird in Württemberg noch unter den,
wenn auch seltenen Standvögeln aufgeführt. Im Tübinger Forst ist er seit
Menschengedenken nicht mehr als Brutvogel vorgekommen. Nur hin und wieder
wird ein einzelner am Neckar beobachtet.
— 361 —
Werke beigegebenen , allerdings in kleinem Massstab gehaltenen
Übersichtskarte zu entnehmen. Sie fällt mit der Ausdehnung des
jetzigen Tübinger Forsts nicht in allen Teilen zusammen. Während
in jener Zeit die sämtlichen vorderösterreichischen Waldungen der
Reviere Bodelshausen und Kottenburg, wie auch das ganze Revier
Böblingen fehlten, waren dem alten Oberforst die Reviere Hildriz-
hausen und Gomaringen noch zugeteilt, so dass seine Grenzen in
nordwestlicher Richtung zwischen Herrenberg und Wildberg noch
den Rand des Schwarzwalds erreichten, in südlicher aber, was für
uns besonders in Betracht kommt, von Pfullingen bis in die Nähe
von Hechingen nicht nur den nordwestlichen Abhang der Alb und
seine Vorberge, sondern auf den Markungen von Genkingen, Undingen
und Willmandingen auch noch ein Stück vom Plateau der Alb selbst
umfassten. Von den in der Übersicht genannten Hüten gehören
Bebenhausen (damals kirchenrätliche ehemalige Klosterwaldungen),
Dettenhausen, Einsiedel, Häslach, Entringen, Hagelloch, Mönchberg,
Neuenhaus, Plattenhardt, Steinenbronn, Walddorf, Waidenbuch, Weil
im Schönbuch, Hildrizhausen der Gegend links vom Neckar und mit
Ausnahme von Hildrizhausen dem alten Reichsforst Schönbuch, da-
gegen der (kirchenrätliche) Wald Grossholz bei Lustnau, die Hüten
Jettenburg , Ofterdingen , Bodelshausen , Mössingen und Pfullingen
der rechten Seite des Neckars, die beiden letztgenannten den Alb-
bergen an.
Die Brutorte der erlegten Vögel hat man wohl bei der Mehr-
zahl derselben in nicht sehr grosser Entfernung vom Ort der Er-
legung zu suchen, denn dass sich viele von ihnen aus weit entlegenen
Gegenden hierher verstrichen haben sollten, ist bei ihrem regelmässigen
Auftreten in grösserer Zahl, und weil die Vögel, wie wir zeigen
werden , an anderen Teilen der Alb und im Schwarzwald in weit
späterer Zeit gleichfalls noch horstend angetroffen wurden, nicht
anzunehmen. Von den im Forstbezirk erlegten hatte ohne Zweifel
ein grosser Teil ihre Horste an den Felswänden des nordwestlichen
Albabfalls, und gilt solches sicher von sämtlichen bei den Hüten
Pfullingen, Mössingen, auch Ofterdingen und Bodelshausen auf-
geführten Steinadlern. Indessen bot gewiss auch der Schönbuch mit
seinen hohen Wildständen, den tief eingeschnittenen Schluchten des
Keupergebirgs und einer grossen Anzahl uralter, breit verasteter
Eichen diesen Vögeln zu jener Zeit willkommene Brutorte noch genug.
Zeigte doch der genannte Wald noch vor 50 — 60 Jahren ein vom
gegenwärtigen wesentlich verschiedenes Bild. Die Hauptthäler des
362
Goldersbachs und der Schaich waren, da die regellose Fahrbahn auf
ihrer Sohle immer wieder auf kurze Entfernung vom Bach durch-
schnitten wurde , dem Fussgänger nur bei ganz niederem Wasser-
stand zugänglich, und ihre wild zerrissenen Seitenklingen wurden
überhaupt nur selten von einem menschlichen Fuss betreten. Man
wird daher annehmen dürfen, dass die in den inneren Hüten des
Schönbuchs, Bebenhausen, Dettenhausen , Entringen, Hagelloch,
Steinenbronn, Weil im Schönbuch erlegten Vögel meist diesen Teilen
des Walds entstammten.
Erlegt wurden die Vögel gewöhnlich von dem Förster der Hut,
welcher damals den Titel Forstknecht führte, oder wohl auch von
einem der ihm in geringer Zahl beigegebenen ünterknechte , Jäger-
pursche und Scharfschützen. Mehrmals ist auch als Schütze der
Waldvogt und sein Diener angegeben. Der Titel Waldvogt kam als
eine Art Auszeichnung den Forstmeistern des Schönbuchs zu, er
stammte ohne Zweifel noch aus der pfalzgräflichen Zeit und hörte
erst mit dem Jahre 1707 auf, in welchem adelige, meist vom Aus-
land stammende Forstmeister an die Stelle der dem bürgerlichen
Stand angehörigen Waldvögte traten. Wo der Waldvogt als Erleger
angegeben ist, lässt sich der Ort der Erlegung nicht bestimmen,
weil, wenn schon er seinen Wohnsitz in Waidenbuch hatte, sein
Wirkungskreis den ganzen Oberforst umfasste. In den Jahren 1674
— 1701 bekleidete das Waldvogtamt Jonathan Martin, augenscheinlich
ein tüchtiger Schütze und Jäger, welcher zuvor lange Zeit im persön-
lichen Dienst des Herzogs gestanden hatte.
Verzeichnis der erlegten Steinadler und Fischadler.
Kechimngs-
jahr
Stein-
adler
Fisch-
adler
Ort der Erlegung
1675/76
1
—
Erlegt von dem Diener des Waldvogts.
1676/77
10
„ vom Waldvogt 1, in den Hüten Bebenhausen 3,
Einsiedel 1, Entringen 2, Walddorf 1, Steinen-
bronn 1, Mössingen 1.
1677/78
6
—
„ vom Waldvogt 1, in den Hüten Bebenhausen 2,
Entringen 1, Mössingen 2.
1678/79
14
„ vom Waldvogt 1, in den Hüten Bebenhausen 5,
Lustnau-Grossholzl, Walddorf 1, Waidenbuch 1,
Weil i. Seh. 1, Steinenbronu 1, Mössingen 3.
1679/80
2
—
„ in der Hut Mössingen 2.
1680/82
—
2
„ in der Hut Bebenhausen 1, Weil i. Seh. 1.
1684/85
4
—
„ vom Waldvogt 1, in der Hut Einsiedel 2,
Walddorf 1.
36c
Rechnungs-
jahr
Stein-
adler
Fisch-
adler
Ort der Erlegung
1685/86
1686/87
4
3
1
2
Erlegt Steinadler in der Hut AValdenbuch 2, Steinen-
bronn 2. — Fischadler Waidenbuch 1.
3 Steinadler vom Waldvogt 2, in der Hut Weil
i. Seh. 1. — Fischadler Weil i. Seh. 2.
1687/88
5
2
„ Steinadler vom Waldvogt 1, in der Hut Neuen-
haus 1 (lebendig gefangen), Bebeuhausen 1,
Walddorf 2.
1688/89
1689/90
1691/92
2
4
6
1
., in der Hut Einsiedel 2.
, Steinadler in der Hut Einsiedel 1, Walddorf 1,
Mössingen 2. — Fischadler Dettenhausen 1.
in der Hut Plattenhardt 3, Häslach 2, Jetteu-
1697/98
13
1
burg 1.
. Steinadler in der Hut Häslach 1, Hildrizhausen 2,
Jettenburg 1, Mössingen 9. — Fischadler Jetteu-
1698/99
1699/1700
1700/01
1701 02
3
3
2
6
2
1
burg 1.
Hut Einsiedel 2, Plattenhardt 1.
„ Hut Einsiedel 1, Walddorf 2.
., Steinadler Hut Pfullingen 2. — Fischadler Ein-
siedel 2.
Steinadler Hut Walddorf 5, Jettenburg 1. —
Fischadler Einsiedel 1.
1702,03
1707/08
1708/09
1710/11
1715/16
1
9
5
4
8
1
Hut Jettenburg 1.
., Hut Mössingen 1, Pfullingen 8.
Hut Plattenhardt 1, Jettenburg 1, Pfullingen 3.
Hut Einsiedel 1, Pfullingen 3.
., Steinadler Hut Waldenbucli 2, Pfullingen G.
— Fischadler Neuenhaus 1.
1719/20
17
3
_ Steinadler Forstmeisters Diener 2, Hut Hagel-
loch 1, Mönchberg 1, Walddorf 1, Neuenhaus 1.
1720/21
4
1
Pfullingen 11. — Fischadler Häslach 3.
„ Steinadler Hut Hagelloch 2, Pfullingen 2. —
Fischadler Neuenhaus 1.
Während wir also bedauerlicherweise von unseren Aufschrieben
zu einer Zeit verlassen werden , in welcher ohne Zweifel die Aus-
rottung des Steinadlers im Tübinger Forst noch lange nicht vollendet
war, begegnen wir einer anderen Nachricht, aus welcher hervorgeht,
dass derselbe gegen Ende des 18. Jahrhunderts auf der Ulmer Alb,
gleichfalls am nordwestlichen Abfall des Gebirgs, aber auf eine Ent-
fernung von 6 — 7 Meilen von den Brutorten bei Pfullingen und
Mössingen, als Standvogel noch immer regelmässig vorkam. In einer
Beschreibung des ülmer Gebiets von J. H. Haid von 1786 ist näm-
— 364 —
lieh gesagt ^ : Selbst der König der Vögel, der Adler, hat in unserem
Lande Nester. In den holzreichen Klüften bei Ravenstein ^, auf den
hohen Gebirgen bei Kuchalb ^ u. s. w. sind schon manche lebendig
gefangen und erlegt worden. — Bei dem Albuchorte Steinenkirch
bemerkt Haid nach Erwähnung verschiedener grosser Waldungen,
des Sielforsts gegen Gussenstadt, des felsigen Rockenthals bei Eybach
u. s. w. : Die Hölzer und Gebirge da herum sind die Wohnung des
Gewilds, der Adler, Uhu, Käuzlein und Nachteulen ^ — Es waren
hiernach die Waldungen und Felswände des westlichen Albuch, des
Eybach- oder Rockenthals unweit Geislingen bis hinüber zu den fel-
sigen Waldabhängen gegen Donzdorf und das Lauterthal, welche
dem Steinadler damals noch Brutorte gewährten — wie lange aber
und ob noch in das jetzige Jahrhundert herein, vermochte ich nicht
zu ermitteln. Dass auch im Tübinger Forst der Steinadler wenigstens
die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch erlebt habe, wird
durch dieses Vorkommen am Albuch immerhin sehr wahrscheinUch.
Von noch späterem Vorkommen des Steinadlers im badischen
Schwarzwald in nicht sehr grosser Entfernung von der württem-
bergischen Grenze berichtet Graf v. Sponek^ Nach ihm wurden
noch im Jahr 1816 im Revier Herrenwiese auf der Höhe des Schwarz-
walds bei Gernsbach, südlich von Baden-Baden, einige Jahre vorher
auch bei Forbach im Murgthal Steinadler auf hohen Tannen horstend
angetroffen, zum Teil auch erlegt. Da Graf v. Sponek dieses im
Jahr 1817 schrieb, ist es nicht unmöglich, dass im Schwarzwald der
Vogel auch noch in späterer Zeit Versuche, sich wiederum anzu-
siedeln, gemacht hat.
Ein anderer bemerkenswerter Raubvogel, welcher einst nicht
selten bei uns gewesen sein kann, aber sich längst nicht mehr findet,
war der zur Zeit der Falkenjagd in hohem Ansehen stehende, unter
dem Namen „Blaufuss", auch „Schlacht- oder Schlechtfalke" be-
rühmte Edelfalke, welcher nach jetzt allgemeiner Ansicht dem heu-
tigestags unter der Bezeichnung „Würgfalke", Falco lanarius, be-
kannten, in der Jugend durch blaue Füsse und blaue Wachshaut
ausgezeichneten Vogel entsprach ''. Unter den deutschen zur Jagd
' J. H. Haid, Ulm mit seinem Gebiet. Ulm 1786. S. 450.
^ Markung Steinenkirch.
■^ Markung Donzdorf.
* Haid, a. a. 0. S. 613.
^ Graf V. Sponek, Der Schwarzwald. Heidelberg 1817. S. 280.
" Wenn Bechstein in seiner Jagdzoologie den Blaufuss für den Hühner-
habicht {Astur iialumharius) erklärt, so befindet er sich in offenbarem Irrtum.
— 365 —
verwendeten Falken nahm er den ersten Rang ein und seine Hegung
und Einlieferung wurde in Württemberg während des 16., teilweise
auch 17. Jahrhunderts durch herzoghche Verfügungen, namenthch
noch die Forstordnung von 1614, den Forstbediensteten wiederholt
zur Pflicht gemacht ^ Jetzt ist er nicht nur aus der württem-
bergischen, sondern aus der gesamten deutschen Fauna verschwunden,
und in Niederösterreich, insbesondere in den Umgebungen Wiens,
finden sich die uns nächstgelegenen Orte, an welchen er noch regel-
mässig brütet. Von da erstreckt sich sein Verbreitungsbezirk über
Böhmen, Ungarn, die Balkanhalbinsel, durch Mittelasien bis nach
China. Nahe verwandt ist ihm der bei uns nur noch als ziemlich
seltener Winterzugvogel beobachtete, etwas kleinere Wanderfalke,
Falco peregrinus, für die Jagd einst kaum weniger geschätzt als
der Würgfalke. Deshalb und da auch er in der Jugend bläuliche
Füsse zeigt, könnte es sich fragen, ob unter dem in den herzoglichen
Verordnungen genannten Blaufuss nicht der Wanderfalke verstanden
worden sei. Entscheidend scheint aber, dass während der Wander-
falke in Deutschland fast nur auf unzugänglichen Felsen horstet,
der Würgfalke für seinen Horst beinahe ausschliesslich höhere Bäume
wählte und dass in Württemberg zum Zweck der Erlangung der
jungen Nestvögel des Blaufusses selbst von Unbefugten Fällung der
Bäume, auf welchen die Horste sich fanden, nicht selten angewendet
wurdet Während des 17. Jahrhunderts scheint der Würg- oder
Schlechtfalke bereits selten bei uns geworden zu sein, wie daraus
hervorgeht, dass trotz der Verfügungen zu gunsten seiner Hegung
in der zweiten Hälfte desselben die für die herzoghche Jagd nötigen
Falken beinahe alle mit grossem Aufwand aus dem Ausland bezogen
wurden*, während die Verfügungen betreffend Hegung der einheimi-
schen Falken aufhören. Herzog Johann Friedrich (1608—28) erhielt
noch aus Mömpelgard 8 Schlechtfalken zum Geschenk, um 1615
unter anderen Jagdfalken ein Blaufuss-Männchen (Terz) und auch
Der Hühnerhabiclit wurde zwar gleichfalls zur Jagd benützt, kam aber dem Blau-
fuss an Bedeutung und Wertschätzung nicht gleich und wird in den herzoglichen
Verordnungen stets neben diesem und von ihm getrennt aufgeführt.
1 (Pfeil) Eeal-Index der Forstordnung. Stuttgart 1748. S. 87.
2 Brehm's Tierlebeu. VI. Vögel. III. Leipzig 1892. S. 222, 227.
3 (Pfeil) Real-Index. S. 87.
* Es kamen neben dem Schlechtfalken und Habicht hauptsächlich die eigent-
lichen nordischen Jagdfalken, Falco arcticus und norvegicus, letzterer unter dem
Namen Gerfalke bekannt, zur Verwendung, v. Wagner, a. a. 0. S. 378, 388;
cf. Brehm, a. a. 0. S. 215, 216.
— 366 —
von anderwärts mehrfach Schlechtfalken ^ In den Tübinger Wald-
vogteirechnungen sind nur ein einziges Mal zum Jahr 1629/30
3 Blaufüsse aufgeführt, wobei es sich wahrscheinlich um gelieferte
Nestjunge, nicht um erlegte Vögel handelte. Nach allen Umständen
zu schliessen, hat der Würgfalke unsere Gegenden schon vor dem
Steinadler verlassen.
Eine interessante Nachricht betreffend zwei weitere Eaubvogel-
arten, welche teils gar nicht mehr, teils nicht mehr als Standvögel
bei uns vorkommen, verdanken wir dem Sammlerfleiss des Tübinger
Professors Martin Crdsius (1559 — 1607). Er erzählt in den Nach-
trägen zu seiner schwäbischen Chronik von 1596 bei Beschreibung
des auf dem Albplateau südöstlich von Reutlingen gelegenen Orts
Holzelfingen : Ringsum sind hohe Felsen Der vierte und grösste
ist derjenige, auf welchem einst die Herren von GreifPenstein ihren
Sitz hatten. Auf diesem Felsen wird alljährlich eine edle Gattung
von Vögeln ausgenommen, welche man Blaufüsse nennt. Eine schäd-
liche Art von Geiern, Aasgeier genannt, welche auf einem anderen
Felsen haust, pflegt aber diese zu zerreissen^.
Augenscheinlich geht aus dieser Nachricht hervor, dass auch
der nur auf unzugänglichen Felsen horstende Wanderfalke zur
Zeit des Crüsius noch als Standvogel bei uns vorgekommen, dass
auch er mit dem Namen Blaufuss bezeichnet und ohne Zweifel zu
Zwecken der Jagd noch im 16. Jahrhundert regelmässig aus seinen
Horsten ausgenommen worden ist. Da aber unzugängliche Felsen
im ganzen bei uns nicht häufig vorkommen, er also nur schwer die
ihm zusagenden Brutorte zu finden vermochte, so scheint er im
Vergleich mit dem Würgfalken von Anfang an selten gewesen, als
Standvogel auch bald ganz ausgerottet worden zu sein , und mag
es hierauf beruhen, dass er in den herzoglichen Verfügungen des
16. und 17. Jahrhunderts nicht besonders genannt wird. Indessen
finden sich unter den um jene Zeit bei uns zur Falkenjagd benützten
Beizvögeln neben Blaufuss, Habicht und den nordischen Jagdfalken
unter dem Namen Reviervögel, Feuervögel u. s. w. noch mehrere
weitere aufgeführt, deren Art sich nicht mehr bestimmen lässt, unter
^ V. Wagner, a. a. 0. S. 378.
^ Martini Crusii paralipomenos rerum Suevicarum über. Francofurti
1596. p. 45. H<)lzelfinga. Petrae circum altae sunt Quarta est maxima, ubi
Greiffensteiniorum quondam habitatio fuit. In eo saxo quotannis nobile genus
avium exceptatur, quas „Blaufuss" (quasi duas Glaucipedes) appellant. Eas in
alia petra degens damnosuni vulturum genus, Aasgeyer yocatum laniare solet.
— 367 ~
welchen also möglicherweise auch der Wanderfalke gewesen sein
könnte ^
UnzugängUche Felsen des Thüringer Walds und des Elster-
gebiets im Königreich Sachsen scheinen die uns nächstgelegenen
Stellen zu sein, an welchen der Wanderfalke noch jetzt regelmässig
horstet, während sein eigentliches Brutgebiet mehr dem höheren
Norden (der Tundra etc.) angehört.
Die Felspartien des Schwarzwalds, der Alb und anderer Landes-
gegenden, welche den Namen „ Falkenstein " führen, waren vermuthch
einst Brutorte des Wanderfalken, wogegen da, wo der Name des
Falken bei Waldungen ohne Felsen vorkommt, wie bei der „Falken-
ebene" am Bromberg im Revier Weil im Schönbuch, anzunehmen
sein wird, dass hier der eigentliche Blaufuss heimisch gewesen sei.
Dass Vögel des Geier- Geschlechts (Vulturidae) bei uns ein-
heimisch gewesen, ist gleichfalls eine längst vergessene Thatsache,
und findet man als besondere Merkwürdigkeit verzeichnet, dass im
Jahr 1835 ein brauner Geier als Irrvogel bei Weingarten erlegt
worden sei ^ Auch aus früherer Zeit liegen nicht viele Nachrichten
über deren Vorkommen in unseren Gegenden vor. Doch wurde noch
unter Herzog Eberhard Ludwig in den Jahren 1710 — 14 mit Falken
auf Geier gejagt und sollten aus den vorhandenen Beizvögeln im
Jahr 1710 ein Flug, im Jahr 1714 deren zwei besonders für Geier
zusammengestellt werdend Im Jahr 1714 wurde die Falknerei in
Württemberg bleibend abgeschafft und hören also auch die Nach-
richten über Falkenjagden auf Geier auf. Dagegen findet sich noch
ein General-Reskript vom 18. Juni 1745, in welchem den in den
herzoglichen Leibgehegen gesessenen Fasanenmeistern und Forst-
knechten zunächst wohl zum Schutz der Fasanerien ein Schussgeld
von 10 Kreuzern für jeden erlegten Geier (von 30 Kreuzern für
einen Hühnerhabicht) zugesagt ist*. Spätere Nachrichten sind mir
nicht bekannt. Auch finden sich in den Tübinger Waldvogteirech-
1 V. Wagner, a. a. 0. S. 377.
2 Das Königreich Württemberg, herausgegeben von dem K. statist.-topogr.
Bureau. I. Stuttgart 1882. S. 488.
^ Auf ein zu erjagendes grösseres Wild wurden gewöhnlich mehrere Beiz-
vögel zugleich geworfen d. h. losgelassen, um die Jagd abzukürzen und den Er-
folg zu sichern. Die so miteinander arbeitenden , auf jede Wildgattung beson-
ders abgerichteten Vögel hiessen ein Flug, und bestand ein solcher aus 5—6 Stück,
wobei nicht selten Falken und Habichte nebeneinander zur Verwendung kamen;
cf. V. Wagner, a. a. 0. S. 383.
* (Pfeil) Keal-Index. S. 312.
— 368 -
nungen Geier nirgends aufgeführt, wahrscheinlich weil sie vorzugs-
weise von Aas sich nähren, nur ausnahmsweise einmal auch ein
krankes Tier angreifen oder ein Nest plündern, und deshalb, ab-
gesehen von der Nähe der Fasanerien, als überwiegend nützliche
Vögel galten, bei welchen die Aussetzung von Schussgeldern nicht
gerechtfertigt erschien. Ohne Zweifel sind auch die Geier vor Ab-
lauf des vorigen Jahrhunderts aus unserer Fauna geschieden.
Noch fragt es sich aber, welcher Art die bei uns vorkommen-
den Geier angehört haben, da die bei Crusius zu findende Bezeich-
nung als Aasgeier denn doch nicht bestimmt genug ist. Von den
in Europa vorkommenden horsten ausser dem Lämmergeier, an
welchen bei uns kaum zu denken sein wird, 2 Arten regelmässig
auf Felsen, nämlich der unter dem Namen fahlbrauner, Aas- und
Gänsegeier, Vultiir oder Gyps fulvus bekannte, und der sogen.
Schmutzgeier, Vtdtur oder Neophron percnopterus , stercorarius.
Der erstere ist ungleich grösser und stärker, er erreicht die be-
deutende Länge von 1,12 m, eine Breite von 2,56 m und ist als ein
händelsüchtiger und bösartiger Vogel bekannt, während der zweite
nur 0,7 m lang und 1,6 m breit wird, dabei im Gefühl seiner Schwäche
stets friedfertig und verträglich bleibt. Angriffe auf Nestjunge so
mutiger und streitbarer, ihm an Kraft weit überlegener Vögel, wie
der Wanderfalken, hat der Schmutzgeier ohne Zweifel nicht gewagt.
Crusius kann daher unter dem Aasgeier nur den grossen fahlbraunen
Geier {Gyps fulvus) verstanden haben, und dass es sich auch bei
den Jagden auf Geier zu Anfang des vorigen Jahrhunderts nur um
diesen gehandelt habe, geht aus dem Umstände hervor, dass man
gegen ihn ganze Flüge von 5 — 6 Falken zusammenstellte, was gegen
den viel kleineren und schwächeren Schmutzgeier sicher nicht nötig
gewesen wäre. Wie der Würgfalke ist auch der fahlbraune oder
Gänsegeier jetzt weit nach Osten zurückgedrängt und gegenwärtig
sind die. Salzburger Alpen sein uns nächstgelegener Brutort.
Es ist vorherzusehen , dass diesen grössten unserer Kaubvögel
in nicht ferner Zeit eine Reihe anderer folgen wird , welche bisher
ein Schmuck des deutschen Waldes waren, bei welchen aber ein
starker Rückgang der Individuen keinem entgehen kann, welcher
sich der Zustände vor einer Reihe von Jahrzehnten noch erinnert.
Die Verhältnisse, welchen Leydig die stetige Verminderung der Fauna
zuschreibt, haben sich ja auch seit jenem Ausspruch nicht etwa
günstiger, sondern entschieden ungünstiger gestaltet. Den Raub-
vögeln mit Einschluss der Eulen und anderer überwiegend nützlicher
- 369 —
Arten wird die fortwährend steigende Anzahl der Schiessjäger und
sonstiger Jagdkartenbesitzer, die Aussetzung von Schussprämien,
daneben aber allerdings auch manche forstwirtschaftliche Massregel
verderblich, wie die Lichtung der Wälder durch frühzeitige über-
mässige Durchforstungen und die in Württemberg zur Modesache
gewordene Zerteilung grösserer Waldungen in eine Unzahl kleiner
und kleinster, ringsum von Wegen und breiten Richtstätten um-
gebener Waldstücke, welche jene Vögel der ihnen nötigen ruhigen
Brutstätten beraubt.
Als ein gerade gegenwärtig im Aussterben begriffener, vielleicht
bereits ganz ausgerotteter, wenn auch nicht zu der Familie der
eigentlichen Raubvögel zählender, grösserer Vogel wäre der Kolk-
rabe, Corvus corax, zu nennen. Dieser schöne Rabe kam noch vor
50 — 60 Jahren in der Umgegend von Tübingen vor, und ich erinnere
mich aus meiner Jugendzeit, dem Anfang der dreissiger Jahre, eines
überaus stattlichen Exemplars, welches dem dortigen Thorwart ge-
hörig, seine Aufstellung gewöhnlich auf der Brüstung der kleinen
Ammerbrücke vor dem Tübinger Schmidthor genommen hatte und
durch seinen gewaltigen Schnabel sowie ein unheimlich blitzendes
Augenpaar den Vorübergehenden Respekt einflösste. In der Nähe
von Leonberg auf den Höhen über Eltingen konnte ich in den Jahren
1835 — 37 allabendUch noch ein aus der Ebene des Strohgäus heim-
kehrendes, den ausgedehnten Waldungen zwischen Warmbronn und
Magstadt zustrebendes Paar dieser Vögel beobachten und ihren
dumpfen Ruf vernehmen. An beiden Orten, wie in so vielen anderen
Teilen des Landes, ist er längst ausgerottet, und ob er sich über-
haupt noch irgendwo in Württemberg findet, ist mir unbekannt.
Jahreshefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 24
Ueber die Versteinerungen der Meeresmolasse
in Obersehwaben.
Von Pfarrer Dr. Probst in Essendorf.
Die Hauptmasse der Versteinerungen in der Meeresmolasse
überhaupt, und specieli auch in der oberschwäbischen, gehört den
Plagiostomen an, d. h. den Rochen und Haien. Dieselben weisen
auf eine sehr grosse Zahl und Mannigfaltigkeit der Familien, Ge-
schlechter und Arten dieser Tierklasse hin. Die Reste sind aber
vollständig zerstreut; in überwiegender Anzahl sind die Zähne vor-
handen ; dann auch Hautplatten, Flossenstacheln und Wirbel. Aber
gerade die grosse Mannigfaltigkeit, verbunden mit der Vereinzelung
der erhaltungsfähigen Hartgebilde des Skeletts, bewirkten, dass dieses
Material auf die Palaeontologen keine rechte Anziehungskraft aus-
zuüben vermochte. Agassiz hat zwar in seinem bekannten Werke
über die fossilen Fische auch den Resten der Plagiostomen die ge-
bührende Aufmerksamkeit zugewandt; allein bei Vergleichung der
fossilen Reste aus der oberschwäbischen Meeresmolasse stellte es
sich doch schon frühzeitig, in den sechziger und siebziger Jahren,
heraus, dass ihm die kleineren und kleinsten Stücke, die gerade
in der oberschwäbischen Meeresmolasse zahlreich gefunden wurden,
nicht zu Gebot gestanden haben. Der Wunsch war deshalb gerecht-
fertigt, das gesamte Material einem Palaeontologen zur Bestimmung
zu übermitteln. Das stiess aber auf Schwierigkeiten, bezw. es gelang
nicht. Zur Begründung der Ablehnung meines Anerbietens wurde
mündlich oder schriftlich geltend gemacht: es sei eine allzu müh-
selige Arbeit, Tausende von Zähnen, überdies noch Wirbel, Flossen-
stacheln, Hautplatten, auch nur zu sichten und dieselben mit den
lebenden Geschlechtern und Arten zu vergleichen ; überdies sei es
sehr fraglich, ob die aufgewandte Mühe auch nur einigermassen
entsprechend sich lohnen werde etc. Unter solchen Umständen
bheb keine andere Wahl übrig, als die Arbeit selbst, soweit mög-
lich, in Angriff zu nehmen und bekannt zu geben, was ungefähr
von Plagiostomenresten in der oberschwäbischen Meeresmolasse vor-
- 371 —
handen sei. Ausser der einschlägigen Litteratur wurden hierbei beson-
ders die in der öffentlichen Staatssammlung in Stuttgart befindUchen
Originalien von lebenden Plagiostomen zur Grundlage der Vergleichung
gemacht. Die Stuttgarter Sammlung war dazumal schon durch Er-
werbungen aus dem Roten Meer, die durch Herrn Prof. Dr. Klunzixger
an sie übermittelt worden waren, ansehnlich bereichert und erwies
sich als eine zur Vergleichung der fossilen Reste aus den oberschwäbi-
schen Schichten recht geeignete Grundlage. Es sei erlaubt, hier nur
hervorzuheben, dass für das fossile Geschlecht Uemiprisüs, das in
der Molasse sehr weit verbreitet ist, hier auch das entsprechende
lebende, wenn auch äusserst selten gewordene Tier vorzufinden gelang.
Bald darauf aber ergab sich ein erfreulicher Umschwung in
der Wertschätzung dieser Versteinerungen aus der Meeresmolasse ;
es entstand sogar eine nicht erwartete lebhafte Nachfrage nach
denselben; noch nicht von selten der Palaeontologen , die in ihrer
Reserve zunächst noch beharrten, aber der Anstoss ging aus von
Seiten der vergleichenden Anatomie.
Die Anatomen, an ihrer Spitze der berühmte Anatom Gegenbaur,
kamen nämhch auf Grund ihrer vergleichenden Untersuchungen zu
der Aufstellung, dass man, um für den gesamten grossen Stamm
der Wirbeltiere mit all seinen Verzweigungen den Ausgangs-
punkt zu finden, auf die Klasse der Plagiostomen zurückgreifen
müsse; mit andern Worten, dass, um ein natürliches System
für die Wirbeltiere überhaupt aufstellen und begründen zu können,
von den Rochen und Haifischen auszugehen sei.
Es kann hier nicht die Rede davon sein, zu erörtern, wieweit
diese Aufstellungen unanfechtbar oder anfechtbar seien, es genügt
zu konstatieren, dass hiermit die Plagiostomen ganz in den Vorder-
grund des gesamten zoologischen Interesses gerückt wurden
und sich bis auf den heutigen Tag darin erhalten haben.
Nun musste aber alsbald die Frage auftauchen und beantwortet
werden: was sagt hierzu die Palaeontologie? Kann sie diesen
Anschauungen nach ihren Erfunden ihre Zustimmung erteilen, oder
muss sie dieselben ablehnen oder modifizieren?
Damit ergab sich aber eine lebhafte Nachfrage nach den
Resten von Plagiostomen aus allen Formationen, auch nach jenen
aus der Meeresmolasse. Zum Beleg dafür mögen einige persönliche
Erfahrungen dienen.
Der Anatom Herr Prof. Dr. Hasse in Breslau fing an (1880),
ein grösseres Werk über die Wirbelsäule der Plagiostomen heraus-
24*
— 372 —
zugeben. Das recente Material stand ihm zu Gebot; er erkannte
aber klar die Notwendigkeit, auch das fossile Material von Wirbeln
zur Kontrolle herbeizuziehen. Daran konnte kein Zweifel sein, dass
fossile Wirbel von Haien und Rochen in den Sammlungen lagen,
aber es kostete Mühe, dieselben in genügender Anzahl zu erlangen,
weil sie eben bislang allzu wenig Beachtung gefunden hatten; und
es gereichte Hasse zu lebhafter Befriedigung, dass ihm auch eine
stattliche Anzahl von fossilen Wirbeln aus der oberschwäbischen
Molasse zur Verfügung gestellt werden konnten. Ebenso hat in
neuester Zeit, angeregt durch die Aufstellungen der Anatomen, Herr
Dr. Jäckel in Berlin sich der speciellen Untersuchung der Plagiostomen
zugewandt; er machte zu diesem Zwecke ausgedehnte Reisen in
ganz Deutschland, nach Belgien und in die Schweiz, nach Frankreich,
Italien, England und Nordamerika, in der Absicht, nicht bloss die
lebenden Plagiostomen in den zoologischen Sammlungen kennen zu
lernen, sondern auch die fossilen Reste derselben aus allen For-
mationen zu studieren. Beide Gelehrte erwiesen hierbei auch den
fossilen Wirbeln und Zähnen die Ehre einer mikroskopischen Unter-
suchung ganz so, wie anatomische Präparate behandelt zu werden
pflegen ; sie fertigten Dünnschliffe derselben an, um dieselben unter
dem Mikroskop mit aller Genauigkeit zu untersuchen. Die Anwen-
dung dieser Methode, die bisher in der Palaeontologie doch nur
ausnahmsweise stattfand, beweist deutlich genug, dass diese Ver-
steinerungen, auch aus der Meeresmolasse , an Wertschätzung von
Seiten der Naturforscher w^esentlich gewonnen haben.
Ganz ähnlich erging es auch bei den Resten der Cetaceen,
d. h. der delphinartigen Tiere. Die Reste dieser Tiere sind in
der Meeresmolasse überhaupt, und auch in der oberschwäbischen,
offenbar recht mannigfaltig, aber auch sehr zerstreut, also ähnlich
vertreten wie die Plagiostomen. Die Folge davon war die gleiche,
dass auch diese Reste auf die Palaeontologen zunächst längere Zeit
hindurch keine rechte Anziehungskraft auszuüben vermochten, bis
auch hier ein kräftiger Anstoss von der vergleichenden Anatomie
ausging. Die Anatomen gelangten nämlich bei ihren vergleichenden
Untersuchungen zu dem Resultate, dass hier eine merkwürdige
rückläufige Bewegung sich offenbare, dass die Urahnen der
Cetaceen ursprünglich Landtiere gewesen sein müssen, die aber
das feste Land wieder verlassen haben müssen, um sich dem Element
des Wassers anzubequemen, aber doch nicht so, dass nicht in ihrem
Skelettbau sich noch Merkmale erhalten hätten, welche offenbaren.
— 373 —
dass sie wirklich von Landtieren abstammen. Es kann auch hier
nicht die Rede davon sein, diese Resultate zu prüfen, aber es war
hiermit die Frage gestellt: Wie verhält sich diesen Aufstellungen
gegenüber die Palaeontologie, die offenbar berechtigt und verpflichtet
ist, solchen Aufstellungen gegenüber ihrerseits Stellung zu nehmen.
Hiermit gewann auch diese Klasse von Versteinerungen der Meeres-
molasse an Bedeutung und Wertschätzung. Hier waren es die
Herren v. Beneden in Löwen und Gervais in Paris, welche in einem
umfassenden Werke das recente und fossile Material eingehend be-
arbeiteten und verglichen.
Es möge gestattet sein, noch auf einen weiteren Gesichtspunkt
hinzuweisen. Die palaeontologischen Werke der neuesten Zeit geben
einen Überblick darüber, wie die verschiedenen Landsäugetiere in
der Reihenfolge der Formationen nacheinander aufgetreten sind, und
Herr Prof. Dr. v. Zittel in München konstatiert insbesondere in seinem
neuesten Werk, dass zwischen den Landsäugetieren der unteren
Süsswassermolasse und jenen der oberen Süsswassermolasse ein
starker , nicht erwarteter Unterschied sich kund gebe ; dass z. B.
die grossen Rüsselträger (Mastodon) in der unteren Süsswassermolasse
noch ganz fehlen, während sie in der oberen alsbald in allgemeiner
Verbreitung auftreten. Ferner, dass die Hirsche der unteren Süss-
wassermolasse keine Spur von Geweihen zeigen, während in der
oberen dieselben alsbald und zahlreich gefunden werden, und noch
einige andere Unterschiede. Herr Prof. v, Zittel weist zur Er-
klärung dieses unerwarteten Unterschiedes darauf hin , dass die
Schichten der Meeres molasse sich zwischen die untere und obere
Süsswassermolasse hineingelagert haben, während welcher Zeit somit
die Änderung allmählich vor sich gegangen sein könne. Es könnte
somit im günstigen Falle auch durch Erfunde aus der Meeresmolasse
die nur scheinbare Kluft zwischen den Landtieren der beiden Süss-
wassermolasse ausgefüllt werden. Das trifft nun in Wirklichkeit
zu, und trifft speciell zu bei der oberschwäbischen Meeresmolasse.
Diese ist nämlich ganz vorherrschend eine Uferbildung, in welcher
sowohl Reste von Meerestieren, und diese in weit überwiegender
Anzahl, als auch Reste von Landtieren begraben wurden. Im gleichen
Gesteinsbrocken kann, neben einem Haifischzahn, auch der Zahn
eines Nagers oder Wiederkäuers stecken. Es ist nun wirklich ge-
lungen, in der oberschwäbischen Meeresmolasse, wie auch anderwärts
solche Landtierreste, wenn auch nur selten, zu finden, welche ganz
geeignet sind , die Kluft zwischen der unteren und oberen Süss-
— 374 —
wassermolasse mehr oder weniger zu überbrücken. Speciell fanden
sich schon in der Meeresmolasse , wenn auch selten, Zähne von
Mastodonten ; ein Beleg dafür, dass diese Tiere unzweifelhaft während
der Zeit, da auf einem grossen Teil des Gebietes die Schichten der
Meeresmolasse sich ablagerten, in diese Gegenden einwanderten,
wenn es auch noch eine offene Frage ist, von woher dieselben ein-
gewandert sein mögen. Ferner lieferte die oberschwäbische Meeres-
molasse auch eine (nach der Bestimmung von H. v. Meyer und
Rütimeyer) ganz zweifellose Geweihgabel eines Hirsches; dieselbe
ist nur sehr klein, kaum halbfingerlang, von ganz primitivem Aus-
sehen, aber gerade dadurch ein genügender Beleg dafür, dass während
der Zeit, da auf einem Teil des Gebietes die Schichten der Meeres-
molasse sich niederschlugen, die Hirsche auf dem benachbarten Fest-
land anfingen aufzusetzen, d. h. diese Waffe sich zu erwerben.
Auch solche Erfunde von Versteinerungen aus der Meeres-
molasse tragen offenbar dazu bei, die Wertschätzung derselben in
den Augen der Naturforscher zu steigern.
Das ist aber der praktische Zweck der bisherigen
Erörterungen: der konkrete Nachweis, dass die Versteinerungen
der Meeresmolasse auch künftig eine fortgesetzte Beachtung und
Aufsammlung recht wohl verdienen.
Vor zwei Jahrzehnten noch standen eine Anzahl von Stein-
brüchen in der oberschwäbischen Meeresmolasse in lebhaftem Betrieb,
welche dem Sammler eine ermutigende sichere Ausbeute lieferten
und dadurch den Sammeleifer nährten. Diese sämtlichen Stein-
brüche sind aber nunmehr ausser Betrieb, und es ist keine Aussicht
vorhanden, dass sie je wieder eröffnet werden; sie sind durch die
übermässige Konkurrenz der Cementfabrikation lahmgelegt
worden, welche wohl kaum schwächer, eher stärker werden wird.
Das Sammelfeld ist also in dieser Gegend wesentlich eingeengt und
beschränkt worden. Damit ist aber die Gefahr verbunden , dass
auch die Sammielthätigkeit erlahme und erlösche. Das wäre aber
im Interesse der Wissenschaft, wie oben ausgeführt wurde, lebhaft
zu bedauern. Eine unabwendbare Folge der bestehenden Zustände
ist es noch nicht; denn auch jetzt noch bestehen da und dort
Sandgruben und Mergelgruben und wird bei Kellergrabungen neues
Material zu Tage gefördert, so dass auch jetzt noch, Vv^enn nur
diesen Lokalitäten die gebührende Aufmerksamkeit zugewandt wird,
die Mühewaltung der Aufsammlung der Versteinerungen, wenn auch
nicht gerade reichlich, aber doch angemessen sich lohnen dürfte.
Beiträge zur Moosflora des mittleren und südliehen
württembergisehen Sehwarzwaldgebiets .
Von Lehrer Walde in Röthenbach- Alpirsbach.
Ein sehr engbegrenzter Raum unseres Vereinsgebiets ist es,
dessen bryologische Schätze zu heben ich mir vor einigen Jahren
zur Aufgabe machte. Zwar konnte es sich bei dieser Arbeit der
Hauptsache nach nur um eine Nachlese handeln, sofern der grösste
Teil dieses Gebiets von sehr namhaften Bryologen unseres Landes,
wie von Prof. Dr. Hegelmaier, vor Jahren schon so gründlich durch-
forscht wurde, dass von Anfang an wenig Hoffnung auf Bereicherung
unserer einheimischen Moosflora vorhanden sein konnte. Allein auch
eine Nachlese ist immerhin ein ebenso interessantes wie fruchtbares
Beginnen; denn das bryologische Bild aller von der Kultur be-
einflussten Örtlichkeiten ist bekanntermassen stets wiederkehrenden
Änderungen unterworfen. Anderseits leuchtet auch ein, dass selbst
dem geübten Auge des Sammlers sich manche Moosarten, welche
sogar an den entsprechenden Lokalitäten mit Recht vermutet werden,
entziehen.
Das obenbezeichnete Gebiet ist eingeschlossen vom oberen
Neckar (von Oberndorf bis Sulz), von der Glatt und dem Heimbach,
der Kinzig und der Schiltach. Dazu kommt noch das Gebiet des
Kniebis und die Hochfläche von Ruhestein bis zum Katzenkopf (1151 m).
In den beiden letztgenannten Teilen herrscht der Buntsandstein vor,
während im erstgenannten Gebiet auf der östlichen Hälfte der
Muschelkalk mit dem Lettenkohlensandstein, auf der westlichen aber
das Urgebirge mit dem aufliegenden Buntsandstein auftritt. Der
letztere tritt auch im unterlaufe des Heimbachs zu Tage. Rechnen
wir nun die Muschelkalklandschaft nach bisheriger Übung zum
Hügelland (1), das übrige Gebiet zum Schwarzwald (H) und ver-
gleichen das von Prof. Hegelmaier in Bd. 29 u. 40 unserer Vereins-
— 376 —
Schrift entworfene bryologische Bild der hier in Betracht kommenden
Landesteile mit dem nachfolgenden, so springt uns bald die inter-
essante Thatsache in die Augen, dass eine nicht kleine Anzahl
der dem Hügellande eigentümlichen Moosbewohner im Schwarz-
walde sich angesiedelt und zum Teil sehr verbreitet hat, während
das Umgekehrte nicht der Fall zu sein scheint. Infolgedessen
hat sich die Zahl der den Schwarzwald bewohnenden Arten
wieder um einige vermehrt. Die neu hinzukommenden Arten sind
folgende :
Fegatella conica, Didymodon rubellus,
Aiuura pinguis, Bryum roseum,
Orthotrichum diaphanum, Biixbaumia aphylla,
„ Lyellii, Thuidium abietinum,
Fissidens taxifolius, Anomodon attenuatus,
Camptothecium nitens,
Brachythecium glareosum,
JRhynchostegium depressum,
Hypnum vernicosum,
,, rugosum,
„ cordifoUum,
Hylocomium brevirostre und
Philonotis ealcarea.
Die beiden letztgenannten Arten finden sich jedoch ausserhalb
des Vereinsgebiets (bei Schiltach) ; doch ist kaum zu zweifeln, dass
sie auch innerhalb desselben vorkommen.
Als im Vereinsgebiete bisher unbekannte Arten sind zu nennen:
Jungermannia cordifoUa,
Dicranum palustre,
Dicranoweisia cirrhata und
Racomitrium fasciculare.
Bezüglich der Auswahl des beigebrachten Materials hielt ich
mich an bekannte Vorgänge. Ich stellte alles zurück, was ich nicht
selbst gesammelt und was mir nicht über jeden Zweifel erhaben
schien. In schwierigen Fällen hatte Herr C. Warnstorf in Neu-
Ruppin die Liebenswürdigkeit, mir bei der Bestimmung behilflich
zu sein ; es sei ihm daher auch hier der wohlverdiente Dank aus-
gesprochen.
Wie bereits angedeutet, machen diese Ausführungen durchaus
keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie werden vielmehr, wenn
möghch, noch Nachträge zur Folge haben. Unter den nachfolgenden
Standortsangaben befinden sich auch bereits bekannte. Die sogenannten
„gemeinen" Moose blieben unberücksichtigt.
— 377 —
Lebermoose (Musci hepatici).
Anthoceros laevis L. I. Auf einem schattigen, lehmigen Wege bei
Marschalkenzimmern, OA. Sulz a. N., in Gemeinschaft mit JRiccia
glauca L., Fossombronia pusilla N. ab E. und Blasia pusilla L.
üiccia ciliata Hoffmann. I. Auf Lehm bei Weiden, OA. Sulz.
M. glauca L. L Auf feuchtem Lehmgrund bei Winzeln, OA. Obern-
dorf, bei Weiden und Marschalkenzimmern.
Feyatella conica Corda. L Auf feuchtem Waldboden im Lauterbach
bei Oberndorf a. N. IL Bei Alpirsbach, Röthenbach und Schram-
berg (steril).
Marchantia polymorpha L. Mit Fruchtträgern: L Bei Oberndorf a. N.,
Aistaig und Weiden, OA. Sulz. II. Bei Alpirsbach, Röthenbach
und Schramberg.
Metsgeria puhescens Raddi. IL Bei Schramberg am Fusse des
Falkenstein.
Aneura pinguis Bmi. I. Bei Weiden. IL Bei Alpirsbach und Röthenbach.
A. muUißda Dum. IL Am Glaswaldbach bei Alpirsbach.
PelUa epiphylla N. ab E. I. Bei Aistaig am Lauterbach und Surren-
bach , bei Weiden auf feuchten Waldwegen. IL Bei Alpirsbach
und Röthenbach; im Gebiete der Rotmurg häufig.
Blasia pusilla L. I. Bei Marschalkenzimmern (mit Brutröhren).
Fossombronia pusilla N. ab E. I. Bei Marschalkenzimmern.
Lejeunia serpyUifolia Lib. L Bei Weiden im Spitzwald ; bei Hopfau,
OA. Sulz, an Fagus. IL Bei Schramberg an feuchten Forphyr-
felsen.
Ptilidiuni ciliare N. ab E. IL Bei Schramberg am Falkenstein; beim
Wildsee, Ruhestein und bei Freudenstadt.
Trichocolea tomentella N. ab E. I. Bei Weiden im Spitzwald ge-
meinschaftlich mit Aneura pinguis Dum. und Bryum roseum Sch. ;
bei Hopfau im Dobelthal mit Bryum roseum Schr.
Mastigobryum trilohatum N. ab E. I. Im Waldteil „Sumpf" bei
Marschalkenzimmern, bei Weiden. In IL gemein.
M. defiexum N. ab E. IL Beim Dreifürstenstein (Katzenkopf) und
über dem Wildsee beim Ruhestein, am Bettelmännle bei
Röthenbach.
Lepidozia reptans N. ab E. In I. verbreitet: so bei Weiden, Mar-
schalkenzimmern u. a. Ort. In IL gemein.
Calypogeia Trichomatiis Corda. I. Bei Marschalkenzimmern an einem
Grabenrand. IL Im Gebiet der oberen Murg und Kinzig sehr
verbreitet.
— 378 —
ChiloscypJius polyanthus Cokda. I. Auf feuchtem Waldboden im Lauter-
baeh bei Oberndorf a. N., hier fruchtend; bei Hopfau.
var. rivularis Syn. Hep. In I. bei Aistaig. In IL im Glas-
waldbach bei Alpirsbach.
Jungermannia trlclioplujlla L. Fruchtbar in I. bei Weiden, Mar-
schalkenzimmern und Hopfau etc. II. Bei Alpirsbach und
Röthenbach.
J. quinquedentata N. ab E. IL Bei Röthenbach und Schramberg.
J. tninuta Crantz. IL Bei Schramberg verbreitet, bei Steriieck,
OA. Sulz.
/. incisa Schrad. IL Am Weg zum Wildsee, auf Kniebis, im Glas-
wald bei Alpirsbach und bei Schramberg.
J. ventricosa Dicks. IL Am Weg zum Wildsee, bei Alpirsbach und
Röthenbach, auf nacktem Boden und Gestein.
J. inßata Huds. IL Über den Sandsteinblöcken am östlichen Absturz
des Katzenkopfs.
J. tersa N. ab E. IL Am Reuthiner Weg bei Alpirsbach, an feuchten
Sandsteinfelsen Massenvegetationen bildend.
J. Taylori Hook. IL Auf der Höhe über dem Wildsee.
J. cordifolia Hook. IL Im Berneckthal bei Schramberg (August
1894).
Scapania nemorosa N. ab E. I. Bei Oberndorf und Weiden (steril!).
In IL verbreitet und auch häufig fruchtend.
S. undulata N. ab E. IL Auf überrieseltem Buntsandstein am Wege
zum Katzenkopf und bei Freudenstadt.
Plagiochila asplenioides N. et M. I. Mit Sporenkapseln bei Weiden.
Sarcoscyphus Ehrharti Corda. IL Am Katzenkopf, bei Alpirsbach,
Röthenbach und Schramberg.
Laubmoose (Musci frondosi).
Sphagnum acutiiolium Ehrh. I. Im Waldteil „Sumpf" bei Marschalken-
zimmern , mit Sporenkapseln ; bei Weiden an einigen Stellen
steril. IL Verbreitet und öfters auch fruchtend, z. B. auf dem
Kniebis, am Wildsee etc.
S. cuspidatum Lindb. {S. laxifolium C. M.). In IL um den Wildsee.
S. Girgensohni Russow. An feuchten Stellen in IL ; in der Rotmurg,
bei Freudenstadt, bei Alpirsbach und Röthenbach.
S. squarrosimi Pers. In IL an quelligen Stellen in der Rotmurg,
am Sankenbach , am Elbachsee ; im Glaswald bei Alpirsbach
und bei Röthenbach.
— 379 —
Sphagnum cymhifolium Ehrh. I. Bei Marschalkenzimmern (im Sumpf) ;
im Fluorner Wald bei Fluorn, mit Kapseln. In IL auf allen
Sümpfen und meist reichlich fruchtend.
S. rufescens (Bryolog. germ.) Warnst. In II. am Elbachsee und bei
Reinerzau.
Pleuridmm subulatum B. Sch. I. Bei Weiden an mehreren Orten.
IL Bei Röthenbach.
Weisia viridula Brid. I. Bei Oberndorf, Aistaig, Römlinsdorf,
OA. Oberndorf. IL Bei Röthenbach.
Dicranoweisia cirrhata Lindbg. IL Auf dem Dach einer Bretter-
hütte bei Alpirsbach (Juli 1893).
D. Bruntoni Sm. IL Bei Röthenbach und Schramberg.
Cynodontium polycürpum Schp. IL Im Lauterbachthal bei Schram-
berg.
Dichodontium pellucidum Schp. I. An Kalkgestein im Lauterbach
bei Oberndorf c. fr., bei Weiden u. a. Ort. IL Verbreitet und
fruchtend u. a. bei Alpirsbach, Röthenbach und Schramberg.
Dicranella Schreheri Schp. I. Auf einem Wege im hinteren Lauter-
bach bei Oberndorf a. N.
D. squarrosa Schp. IL An der alten Strasse von Oberthal nach
Ruhestein , am Sankenbachfall bei Baiersbronn , im Glaswald
bei Alpirsbach und am Bettelmännle bei Röthenbach.
D. varia Schp. I. Im Lauterbach- und Surrenbachthal bei Aistaig.
D. rufescens Schp. IL Am Glaswaldwege bei Alpirsbach.
D. heteromalla Schp. In I. und IL verbreitet;
var. sericea Schr. IL Bei Röthenbach.
Dicranum Jongif oliimi Hedw. IL Bei Hinterlangenbach , Wildsee,
Röthenbach und Schramberg.
D. palustre B. Sch. IL Auf nassen Wiesen bei Röthenberg (Kessler-
Moos), Alpirsbach im Glaswald, Röthenbach und bei Reinerzau.
Dicranodontium longirostre B. Sch. In IL fruchtend am Elbachsee,
im Glaswald bei Alpirsbach und bei Röthenbach.
Campylopus flextioms B. Sch. IL Bei Kniebis, Röthenbach c. fr.
und bei Schramberg.
Leucobryum glaucum Hampe. L Bei Marschalkenzimmern. IL Im
Glaswald bei Alpirsbach prächtige Rasen.
Fissidens hryoides Hedw. I. Bei Oberndorf, Aistaig, Weiden, Mar-
schalkenzimmern, Hopfau u. a. Ort. [Scheint in IL zu fehlen.]
J*". exilis Hedw. {Bloxami Wils.) I. Im Almandwald und im Sumpf
bei Weiden.
— 380 -
Fissidens pusiUus Wils. I. An Kalkgestein im hinteren Lauterbach
bei Oberndorf, bei Weiden im Dobelthal.
F. taxifolius Hedw. I. Bei Weiden und Hopfau c. fr. IL Bei
Röthenbach.
F. adiantoides Hedw. L Bei Winzeln auf den Eschachwiesen, bei
Reuthin, OA. Oberndorf, und bei Weiden. IL Bei Röthenberg
auf dem Kessler -Moos, auf den Glaswaldwiesen bei Alpirsbach
und schön fruchtend bei Röthenbach.
Seligeria recurvata B. Sch. Auf Kalkgestein im Lauterbach bei
Oberndorf und im Dobelthal bei Hopfau.
Phascum cuspidatum Schreb. I. Bei Oberndorf, Aistaig und Weiden.
IL Bei Schramberg.
Ph. curvicollum Hedw. I. Bei Weiden, an der Strasse nach Sulz.
Pottia cavifolia Ehrh. I. Bei Oberndorf (Lauterbach).
P. lanceolata C. Müll. I. Bei Oberndorf und Weiden. IL Bei
Röthenbach.
Didymodon ruhellus B. Sch. I. Bei Oberndorf und Aistaig. IL Bei
Röthenbach und Schramberg c. fr.
Barbula rigida Schultz. I. Bei Aistaig, an der Strasse zum Herren-
waldhof.
£. convoluta Hedw. I. Bei Oberndorf, im hinteren Lauterbach.
B. tortuosa W. et M. I. Bei Oberndorf c. fr., Weiden. IL Bei
Röthenbach und Schramberg.
LeptotricJmm Jiomomallum Schp. IL Bei Kniebis, Alpirsbach und
Röthenbach, reichlich fruchtend.
L. flexiccmle Hampe. I. Bei Weiden, Reuthin, OA. Oberndorf, aber
nur steril.
Grimmia ovata W. et M. IL Bei Alpirsbach im Glaswald, Röthen-
bach am Schnabelstein.
Pacomitrium patens Schp. IL An Sandsteinfelsen beim Wildsee und
Ruhestein.
P. aciculare Brid. IL Im oberen Murg- und Kinzigthal, auch nicht
selten fruchtend.
P. protensum A. Br. IL Bei Alpirsbach auf Granit.
jR. heterostichum Brid. IL Im Kinzigthal und bei Schramberg ver-
breitet. Auch auf dem Katzenkopf.
P. microcarpum Brid. IL Auf dem Katzenkopf.
P. lanuginosum Brid. IL Auf dem Gaiskopf beim Steinmäuerle
(1056 m), beim Ruhestein, im Berneckthal bei Schramberg.
P. fasciculare Brid. IL An Buntsandstein auf dem Katzenkopf.
— 381 -
Hedmgia ciliata Hedw. II. Im Kinzigthal und bei Schramberg nicht
selten, auch c, fr.
var. viridis Sch. Syn. II. Bei Schramberg.
Ftychomitrium polyphyllum Fürnr. II. Im Berneckthal bei Schram-
berg. (Ausserhalb des Vereinsgebietes bei Schiltach an Granit.)
Amphoridiuni MougeotU Sch. IL Bei Röthenbach und Schramberg.
An Granit im Reinerzauer Unterthal.
Uhta Ludivigii Brid. IL An Sorhiis beim Ruhestein.
U. Bruchii Brid. IL An der Strasse von Oberthal nach Ruhestein.
U. crispa Brid. I. Bei Weiden und Hopfau.
U. crispula Br. I. Bei Weiden.
Orthotrichum diaphanum Schrad. IL Bei Schramberg.
0. Lyellii Hook, et Tayl. I. Bei Hochmössingen , OA. Oberndorf,
hier c. fr., bei Weiden, Sulz u. a. 0. IL Bei Röthenbach.
Encalypta vulgaris Hedw. I. Im OA. Sulz an der Holzhauser Steige
und bei Hopfau c. fr., bei Weiden und Marschalkenzimmern.
E. ciliata Hedw. IL Bei Schramberg.
E. streptocarpa Hedw. L In den OA. Oberndorf und Sulz sehr verbreitet.
IL A. d. Kniebis c. fr., beiAlpirsbach, Röthenbach und Schramberg.
Physcomitrium pyriforme Brid. I. Bei Oberndorf a. N., Weiden an
Gräben.
Leptohryum pyriforme Sch. I. Am Gemäuer der Ruine Albeck bei
Sulz a. N.
Webera carnea Sch. I. Auf einem Waldweg im Lauterbach bei
Oberndorf c. fr. (Mai 1892), bei Aistaig im Tuffsteinbruch c. fr.
Bryum pseudotriquetrum Hedw. IL Bei Alpirsbach im Glaswald, im
Reinerzauer Unterthal in c? und $ Rasen.
B. alpinum L. IL Bei Alpirsbach, Röthenbach, Schramberg und
Reinerzau, stets steril.
B. roseum Sch. I. Ziemlich verbreitet; bei Hopfau im Dobelthal
mit Kapseln. IL Bei Alpirsbach, Röthenbach und Schramberg,
aber steril.
Mnium undulatum Hedw. I. Mit Früchten bei Oberndorf, Weiden
und Hopfau. IL Ebenso im Glaswald bei Alpirsbach.
M. rostratimi Schwgr. I. Bei Oberndorf, Aistaig und Weiden c. fr.
IL Bei Alpirsbach und Schramberg.
M. hornum L. I. Bei Oberndorf im Lauterbach. IL Bei Alpirsbach,
Röthenbach und Schramberg; hier c. fr.
M. stellare Hedw. I. Auf Muschelkalk im Lauterbach bei Obern-
dorf a. N., c. fr.
— 382 —
Mnium punctatum Hedw. I. Bei Oberndorf a. N., Aistaig, Weiden
u. a. Ort. c. fr. II. Überall verbreitet und meist auch fruchtend.
Aulacomnium androgynum Schwgr. II. Auf Sandstein bei Röthen-
bach und bei Schramberg auf Porphyr.
A. palustre Schwgr. I. Bei Winzeln, OA. Oberndorf, auf den Eschach-
wiesen; bei Oberndorf im Lauterbach, Weiden auf der hinteren
Wiese. II. Bei Alpirsbach auf den Glaswaldwiesen, Röthenbach
c. fr., auch bei Oberthal.
Bartramia ithyphylla Brid. I. Bei Weiden, allerdings in spärlichen
Raschen.
JB. pomiformis Hedw, II. Im Kinzigthal und bei Schramberg verbreitet.
B. Oderi Sw. II. Bei Schramberg am Falkenstein.
Philonotis fontana Brid. I. Bei Winzeln (steril!). In II. häufig und
mit Kapseln.
JPh. calcarea Schp. Dürfte noch im Kinzigthal diesseits des Vereins-
gebietes oder bei Schramberg zu finden sein.
Pogonatum nanum P. Beauv. I. Auf Waldboden bei Weiden.
P. dloides P. Beauv. I. Bei Marschalkenzimmern. In II. verbreitet.
P. urnigerum Sch. I. Bei Marschalkenzimmern. In II. gemein.
Polytrichum püiferum Schrb. I. Auf dürrem Waldboden bei Weiden.
II. Verbreitet.
P. juniperinum Hedw. I. Bei Marschalkenzimmern. II. Häufig.
Buxhaumia aphylla Hall. II. Zufällig in einem Polytrichum-Rasen
aus Schramberg entdeckt.
Neckera pennata Hedw. I. Bei Oberndorf (Lauterbach), an der Langen-
steige nach Sulz, mit Früchten. II. In der Rotmurg bei Oberthal.
N. puinila Hedw. I. Bei Weiden häufig an Waldbäumen. II. Bei
Röthenbach.
N. crispa Hedw. I. Bei Weiden im Almandwald, an der Langen-
steige nach Sulz mit Früchten. II. An der Ruine Falkenstein
bei Schramberg c. fr.
N. complanata B. Sch. In I. und II. verbreitet. In I. bei Weiden
mit Früchten.
Antitrichia curtipendula Brid. In I. und 11. verbreitet. I. Mit
Früchten bei Fluorn, Marschalkenzimmern, Weiden, Sulz a. N.
In II. bei Alpirsbach c. fr.
Pterygophyllum lucens Brid. II. An der alten Ruhesteinstrasse unter-
halb Ruhestein c. fr., am Sankenbach, an mehreren Stellen im
Glaswald bei Alpirsbach in schönfruchtenden Rasen. (Hier
schon 1825 von Köstlin und später von Hegelmaier gefunden.)
— 383 —
Anomodon longifolius Hrtm. II. Bei Schramberg.
A. attenuatus Hrtm. I. Bei Oberndorf, Aistaig, Weiden, Hopfau,
Sulz u. a. Ort. IL An Granit bei Röthenbach.
Heierocladium heteropteruni B. Sch. II. Auf Porphyr bei Schramberg
am Lauterbach.
Thuidium tamariscinum B. Sch. I. Mit Früchten bei Weiden an
mehreren Stellen. IL Im Kinzigthal und bei Schramberg an
vielen Stellen.
Th. abietinum B. Sch. IL Bei Alpirsbach und Röthenbach, auch bei
Schramberg.
Fteriyynandrum filiforme Hedw. I. Bei Weiden an Pynis. IL In
den Wäldern bei Ruhestein.
Ci/lindrothecium concinnum Sch. I. Bei Oberndorf, Aistaig, Weiden,
Busenweiler, OA. Sulz, und an der Langensteige bei Sulz a. N.
Climacium dendroides W. et M. Verbreitet in I. und IL In IL bei
Röthenbach c. fr.
Isothecium myuriim var. robustum Sch. IL Im Glaswald bei Alpirsbach.
Camptotliecium nitens Sch. I. Bei Bochingen, OA. Oberndorf. IL Im
Kinzigthal auf Sumpfwiesen ; bei Röthenbach in grossen, reinen
Rasen mit Früchten.
Brachytliecium glareosum B. Sch. I. Bei Aistaig und Weiden. IL Bei
Röthenbach. Stets steril!
B. albicans B. Sch. IL Bei Alpirsbach und Röthenbach.
JB. popideum B. Sch. L Bei Weiden.
Eurhynchiimi myosuroides Sch. IL Auf Granit im Glaswald bei
Alpirsbach und bei Röthenbach.
Bhynchostegium depressum B. Sch. IL Auf überrieseltem Sandstein bei
Freudenstadt.
B. rusciforme B. Sch. Mit Früchten in I. bei Aistaig. In IL bei
Alpirsbach im Glaswaldbach.
Thamnium alopecurum Sch. I. Bei Oberndorf und Aistaig c. fr,
IL Im Kinzigthal und bei Schramberg nicht selten, aber stets
steril.
Blagiothecium denticulatum Sch. I. Bei Oberndorf und Weiden mit
Früchten. IL Im Kinzigthal verbreitet.
P. silvaticum Sch. IL Bei Kniebis, Sankenbach, Freudenstadt, Alpirs-
bach am Reuthinberg, Röthenbach und Schramberg.
P. undiüatuni Sch. IL Im Gebiet der oberen Murg und Kinzig; mit
Früchten beim Wildsee, bei Freudenstadt, bei Alpirsbach am
Reuthinberg und bei Röthenbach.
— 384 —
Ämhlystegium irrigiium Sch. II. Im Glaswaldbach bei Alpirsbach
und im Köthenbächle bei Röthenbach c. fr.
A. riparium B, Sch. L Bei Oberndorf in Brunnentrögen. IL Bei
Röthenbach.
Hypnum chrysophyllum Brid. I. Bei Oberndorf und Weiden.
H. stellatum Schreb. I. Bei Oberndorf c. fr., Weiden u. a. Ort.
H. vernicosum Lindb. II. Auf einer sumpfigen Stelle bei Röthenbach
in Gemeinschaft mit H. gigmiteum, H. Sendtneri var. Wilsoni^
Camptothecium nitens und Äulacomnium palustre, beide letztere
c. fr. , umrahmt von zahlreichen , prächtigen Exemplaren der
Pinguicula vulgaris L.
H. Sendtneri Sch. I. Auf nassem Lehmboden bei Winzeln, Röthen-
berg (in Gemeinschaft mit Pinguicula vulgaris L.) und bei
Reuthin, sämtliche im OA. Oberndorf.
H. Sendtneri var. Wilsoni Sch. L Auf sumpfiger lehmiger Stelle
bei Sulzen, OA. Oberndorf. IL Bei Röthenbach.
H. exannulatum Gümb. IL In einem Torfgraben bei Röthenbach.
H. fluitans Dill. IL In Sümpfen auf dem Kniebis.
H. uncinatum Hedw. IL Sehr verbreitet und im Kinzigthal auch
reichlich fruchtend.
H. commutatum Hedw. I. Bei Oberndorf, im Lauterbach ; bei Hopfau
im Dobelthal an kalkigen Quellen.
H. ßlicinum L. I. An feuchten Stellen häufig. IL Im Kinzigthal c. fr.
H. fallax Brid. I. Bei Oberndorf und Aistaig im Neckar und Lauter-
bach, im Surrenbach und in dem Dobelbach bei Hopfau.
H. rugosum Ehrh. I. Sehr verbreitet; in besonders schönen Rasen
im hinteren Lauterbach bei Oberndorf. Auch in IL ; so im
Kinzigthal bei Alpirsbach und Röthenbach und massenhaft am
Falkenstein bei Schramberg.
H. incurvatum Schrad. I. Bei Weiden und Aistaig.
H. arcuatum Linde. I. Eschachwiesen bei Winzeln.
H. crista castrensis L. I. Bei Oberndorf (im hinteren Lauterbach
c. fr.), im Fluorner Wald bei Fluorn, im Dobelthal bei Weiden
und an der Langensteige nach Sulz.
H. ochraceum Turn. IL Am Rotwasser an der Kniebisstrasse, in
der Rotmurg bei Oberthal.
H. cordifolium Hedw. I. In Waldgraben bei Weiden. IL Beim
„Schänzle" bei Röthenberg.
H. giganteum Sch. IL Ist auf dem Kessler -Moos bei Röthenberg
mit H. scorpioides und anderen bryologischen Schätzen infolge
— 385 —
Drainierung des Moors verschwunden. Dagegen findet es sich
an einer sumpfigen Stelle bei Röthenbach.
Hypnum strammeum Dicks. II. In Sümpfen auf dem Kniebis
zwischen Lamm und Alexanderschanze.
Hi/hcommm brevirostre Sch. Dürfte noch im Kinzigthal oder bei
Schramberg gefunden werden.
H. squarrosum Sch. Mit Früchten in I. im Fluorner Wald.
U. loreum Sch. I. Mit Früchten bei Weiden. In II. gemein.
Jahreahefte d. Vereins f. vaterl. Naturkunde in Württ. 1895. 25
Erdbeben-Kommission.
Jahresbericht für die Zeit vom 1. März 1894 bis
1. März 1895.
Von Prof. Dr. A. Schmidt in Stuttgart.
1) 12. Juli 1894. Die Schwäbische Chronik, 13. Juli, Mittags-
blatt berichtet:
Onstmettingen, 12. Juli. In der vergangenen Nacht, in
welcher noch der Westwind sauste , wurde hier 18 Minuten nach
2 Uhr eine Erderschütterung wahrgenommen. Zwei ziemlich starke
Stösse folgten schnell nacheinander, dröhnend wie ferner Kanonen-
donner, worauf die Fenster klirrten, Ofenthürchen zuklappten und
viele Häuser so erschüttert wurden , dass die Schlafenden plötzlich
aufwachten und die Familienväter das Haus durchsuchten, in der
Meinung, es sei irgend etwas zusammengebrochen oder eingestürzt.
Nach meinem Dafürhalten kamen die Stösse und dumpfen Töne von
Westen her, einige meinen sie seien von Norden gekommen. Um
2 Uhr soll es auch gedonnert haben. Auf der Bühne eines Hauses
lagen einige Kalkstücke, die sich infolge der Erderschütterung von
der Wand losgelöst hatten.
Dieselbe Zeitungsnummer brachte einen Bericht aus
Hechingen, 12. Juli. Stürmische Witterung , starker Erd-
stoss verbunden mit dumpfem Geräusch, Zeit aber (abweichend von
oben) V22 Uhr.
Das Abendblatt vom 16. Juli berichtete aus
Bodelshausen, 14. Juli. Die von Onstmettingen und
Hechingen berichtete Erderschütterung ist auch hier um dieselbe
Zeit, wie in Onstmettingen, nachts zwischen 74 und ^l.ß Uhr (nicht
^1^2 Uhr, wie nach Bericht von Hechingen) verspürt worden (im Pfarr-
haus, Schulhaus und in anderen Gebäuden), auch unter ganz ähn-
lichen Erscheinungen wie dort: 2 schnell einander sich folgende
Stösse , Dröhnen , wie vom Abstürzen der Decke im unteren Raum
— 387 -
des Hauses, Wanken von Hausgeräten, Klirren des Ofenrohrs und
Geschirrs. Die Richtung der Stösse schien nicht bloss nach den
Wahrnehmungen der aus dem Schlaf geweckten Hausbewohner, son-
dern auch nach Aussagen eines beim Eintritt der Erschütterung noch
wachenden Bewohners von Westen nach Osten zu gehen. Die be-
zeichneten Gebäude, in denen die Erschütterung verspürt wurde,
liegen teils auf der Höhe, teils in der Thalsohle.
Auf Erkundigung berichtete Herr Pfarrer Merckle aus Onst-
mettingen der Erdbebenkommission : Zeit 2^ 18 — 20' nach Telegraphen-
uhr, Beobachtung im ganzen langgestreckten, auf Jura liegendem
Ort gemacht , 2 Stösse , einzelne sagen 3 , im Zwischenraum von
1, 2 höchstens 3 Sekunden, Richtung West nach Ost, den Stössen
nachfolgendes Donnerrollen, wie bei nahendem Gewitter, nur wenige
Sekunden während. Herr Pfarrer Faber aus Bodelshausen teilt mit, dass
auch inDusslingen und Mössingen der Erdstoss verspürt wurde.
2) 17. Juh. Die Schwab. Chronik vom 19. Juli, Mittagsblatt,
berichtet:
Hechingen, 18. Juli. Gestern abend V4I2 Uhr wurde hier
wieder ein Erdbeben verspürt. Die Erschütterung war nicht so
stark, wie in der Nacht vom 11. auf den 12. d. M. Die Bewegung
ging in der Richtung von Osten nach Westen.
Nach Bericht von Herrn Pfarrer Faber an die Erdbebenkommission
wurde auch dieser Erdstoss im Pfarrhaus von Bodelshausen wahr-
genommen.
3) 9. Dezember. Die Schwab. Chronik vom 10. Dezember,
Mittagsblatt, berichtet :
Hechingen, 9. Dezember. Heute früh ^j^o Uhr ist hier ein
ziemlich starkes Erdbeben, von Südwesten" nach Nordosten gehend
und von starkem Getöse begleitet, verspürt worden.
4) 13. Januar 1895. Der Schwarzwälder Bote vom 17. Januar
berichtet von einem Erdbeben, das am 13. Januar 5^ 20' nachmittags
den ganzen südlichen Schwarzwald , besonders stark die Umgegend
von Todtnau erschütterte. In Württemberg scheint nur Schräm -
berg die Erschütterung verspürt zu haben. Der Schwarzwälder
Bote vom 21. Januar berichtet nach Sehr. A. : Auch hier wurde die Er-
schütterung um 5^ 30' (nach der Kirchenuhr) bemerkt und zwar in der
Dauer von etwa 4 Sekunden in der ungefähren Richtung SO. — NO.
5) 26. Januar 1895. Die Schwab. Chronik, Mittagsblatt, berichtet :
Aus dem Oberamt Balingen. In der Nacht vom Samstag
auf Sonntag, etwa 20 Minuten nach 11 Uhr, wurde in der Richtung
— 388 —
vom Hohenzollern her ein nicht unbedeutender Erdstoss verspürt.
In den Häusern hatte man das Gefühl, als ob auf der Bühne eine
schwere Last zu Boden gefallen wäre, die das ganze Haus erzittern
und die beweglichen Gegenstände wanken machte.
Auch aus Hechingen und Wankheim, letzterer Bericht
nach der Tübinger Chronik, brachte die Schwab. Chronik vom
29. und 27. Januar, je Mittagsblatt, Berichte. Die nähere Erkundi-
gung der Erdbebenkommission bei der Tübinger Chronik blieb ohne
Erfolg, dagegen erhielt die Erdbebenkommission bestätigende Berichte
aus Hechingen von Herrn Egler, Redakteur der Hohenzollern'-
schen Blätter, und aus Engstlatt von Herrn Pfarrer Gmelin. Diese
geben als Zeit 26. Januar abends ^/^12 Uhr der erstere, 11^ 18' der
letztere, Uhren je nach der Bahnuhr gehend. An beiden Orten je
ein Stoss. Eine Frau in Engstlatt, die mit Spinnen beschäftigt war,
wurde vom Kanapee aus in die Höhe geworfen und flüchtete sich
vor Angst in die Schlafkammer. Die Richtung in Engstlatt schien
dem Berichterstatter die von Norden her zu sein, einer Nachbarin
die von SW. — NO. Geräusch, wie wenn im oberen Stock ein Kasten
umgestürzt wäre oder, wie die Ortsbewohner sagten, als liesse man
auf der Bühne schwere Säcke niederfallen.
6) 28. Januar. Das Stuttgarter Neue Tagbl. v. 30. Jan. berichtet :
Tübingen, 29. Januar. Vergangene Nacht 74^ Uhr vernahm
man zwei rasch aufeinanderfolgende und mit ziemlich starkem Ge-
räusch verbundene Erdstösse. Die Kälte betrug diesen Morgen 23° R.
Nähere Erkundigung durch die Erdbebenkommission blieb ohne
Erfolg, das Seismometer des Tübinger mineralogischen Instituts zeigte
keine Störung.
7) 4. Februar. Die Schwab. Chronik vom 5. Februar, Mittags-
blatt, schreibt:
Hechingen, 4. Februar. Heute früh 4*^20' wurden hier zwei starke
Erschütterungen mit donnerähnlichem Getöse wahrgenommen. Die letzte
Bewegung ging von 0. nach W. mit einem gewaltigen Stoss nach oben.
Herr Redakteur Egler berichtet auf Anfrage : Zeit : 4. Februar
4^ 40'. Die Erschütterung wurde in Hechingen in allen Stadtteilen
beobachtet, auch von Haigerloch wurde das Beben gemeldet.
Entgegen dem Merkurberichte nur 1 Stoss, dem kurz vor 12 Uhr
nachts ein Donner vorausging, Stoss von unten mit ostwestlicher
Richtung mit gleichzeitigem Getöse.
8) 5. Februar. Die Schwab. Chronik vom 7. Februar, Mittags-
blatt, berichtet:
— 389 —
Hechingen, 6. Februar. Gestern nachmittag 12^45' wurde
hier schon wieder ein ziemlich starkes Erdbeben mit Getöse ver-
spürt. Die Bewegung ging von 0. nach W.
Herr Redakteur Egler berichtet an die Erdbebenkommission
übereinstimmend die Zeit 12^45' mittags, 1. Stoss, Richtung wie am
26. Januar und 4. Februar 0. — W. , gleichfalls von gleichzeitigem
rasselndem Getöse begleitet.
Von Seismometerbeobachtungen sind als bemerkenswert, weil
von mehreren Apparaten angezeigt, zu berichten :
1) 26. Mai 1894. Störungen mit Uhrauslösung in Hohenheim,
8^ 53' 8'' (a. m. oder p. m. unbestimmt) , Plieningen , Seismometer
nach Lasaulx, 4^ 4' p. m. und Stuttgart Realgymnasium 5^ 24' 54"'
p. m. mit stärkerem vertikalem (2 mm) und schwachem nordsüd-
lichem (V2 mm) Ausschlag in Stuttgart, während in Hohenheim alle
Apparate ostwestlichen Ausschlag anzeigten.
2) 7. Juni 1894. Störungen der Seismometer in Stuttgart und
Tübingen.
3) 5. Juli. 4'^ 9' 4" a. m. Auslösung der Uhr im Realgymnasium,
Ausschläge vert. 1 mm, nordsüdlich 3 mm.
4) 12. Juli. 10^ 19' 2" a. m. Auslösung ebenda, vert. 1 mm u. s.
IV2 i^m.
5) 26. — 30. September. Uhrauslösung zwischen 26. — 27. Sep-
tember, zu spät beobachtet, um die Zeit zu berechnen. Starke
Störungen aller drei, auch des ostwestlich schwingenden Pendels.
Um dieselbe Zeit, nach Mitteilung von Prof. Dr. Gerland, Störungen
am Seismometer in Strassburg.
6) 27. November. 3*^ 34' 13" p. m. vert. V2 ^^^ nordsüdlich
2 mm, Störungen an diesem Tage ebenfalls in Strassburg beobachtet.
Erdbeben am Gardasee morgens nach 6 Uhr.
Die Tage des japanischen Erdbebens vom 22. März 1894 und
des venezolanischen vom 28. April 1894 (vergl. Petermann's Mittei-
lungen 1895, Heft 1 u. 2) zeichneten sich am Apparate des Real-
gymnasiums durch nordsüdliche Ausschläge (3 mm resp. 2 mm) aus.
Vom 8. Januar 1895 bis 23. Februar 1895 sind im ganzen
16 Mal auffallende nordsüdliche Störungen je im Betrage von
2 — 4 mm beobachtet worden , fast ausnahmslos ohne begleitende
vertikale oder ostwestliche Störungen. Eine lokale Ursache war
nicht zu ermitteln. Alle berichteten Ausschläge sind solche des
Apparates mit dreifacher Übersetzung der Bodenbewegung.
— 390 -
Berichtigungen.
Seite 360, die Zeile 3 u. 4 v. o. befindliche Angabe „unter der Regierung des
Herzogs Johann Friedrich (1608 — 1628)" ist Zeile 6 zwischen die Worte
„zwei weitere" und „auf der Alb" zu stellen.
Seite 361, Zeile 21 v. o. sind die Worte „Ofterdingen, Bodelshausen" zu streichen.
Ibid. Zeile 7 v. u. sind die Worte „auch Ofterdingen und Bodelshausen" zu
streichen.
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Mitteilungen.
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auf Verlangen 25 Separat -Abzüge gratis; eine grössere Zahl gegen
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der Verlagshandlung von jedem Wechsel des Wohnortes An-
zeige zu machen.
EinToand-Decken zu den Jahresheften.
Auf mehrfaches Verlangen haben wir zu den Jahresheften
Einband-Deeken in brauner Leinwand ä 70 Pf.
herstellen lassen, und zwar von Jahrgang 1884 an (mit Beginn des
vergrösserten Formates).
Falls Sie die Decken zu haben wünschen, so bitte gef. zu
verlangen.
Nach Wunsch können auch von 1896 an die Jahreshefte gleich
gebunden zum Preise von M. 6.— geliefert werden.
'] ■ E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch).
3 2044 106'IS7lf
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