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Full text of "Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft"

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MUSEUM OF COMPARATIVE ZOOLOGY. 


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Jenaische Aeitschrift 


NATURWISSENSCHAFT 


medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft 


zu Jena, 


Vierunddreissigster Band. 


Neve Folge, Siebenundzwanzigster Band. 


Mit 28 Tafeln und 197 Abbildungen im Texte. 


- Jena, 


Verlag von Gustav Fischer 
1900 


Uebersetzungsrecht vorbeh alten. 7 
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UAN 83 1901 


Inhalt. 


Brocu, Leoronp, Schwimmblase, Knochenkapsel und Weser- 
scher Apparat von Nemachilus barbatulus GwUnruer. 
Hierzu Tafel I und II und 12 Figuren im Text 

Bossnarp, Herricn, Zur Kenntnis der Verbindungsweise der 
Skelettstiicke der Arme und Ranken von Antedon rosacea 
Linck (Comatula mediterranea Lam.). Hierzu Tafel IIT 
—VIII : Bods s spat 

SCHELLENBERG, Kaspar, Untareushaneen fiber ine Grotiuen: 
mark der Ungulaten. MHierzu Tafel IX—XII und 44 
Figuren im Text a dee 

Furprincer, Max, Zur seule iden iinet Stats des Beat 
schulterapparates und der Schultermuskeln. Mit Tafel 
XIII—XVII, Fig. 103 —179, und 141 Figuren im Text 

Burcuarpt, Euern, Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus 
lanceolatus, nebst einem ausfihrlichen Verzeichnis der 
bisher iiber Amphioxus verdffentlichten Arbeiten. Mit 
Tafel XVITI—XXVI ; 

Lowea, TaHropvor, Studien iiber das itso arene den ecenizon 
dorsatus (Erethizon dorsatum Cuvier), Hierzu Tafel 


XXVII und XXVIII . 


Seite 


833 


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NATURWISSENSCHAET 


herausgegeben 


von der 
medizinisch-naturwissenschaftlichen Gesellschaft 
gu Jena, 


Vierunddreissigster Band. 
Neue Folge, Siebenundzwanzigster Band. 


Erstes Heft. 
Mit 12 Tafeln und 56 Figuren im Text. 


Inhalt. 


BLocu, LEOPOLD, Schwimmblase, Knochenkapsel und Weber’scher Apparat 
von Nemachilus barbatulus Giinther. Hierzu Tafel I und II und 
12 Figuren im Text. 

BOSSHARD, HEINRICH, Zur Kenntnis der Verbindungsweise der Skelett- 
stiicke der Arme und Ranken von Antedon rosacea Linck (Comatula 
mediterranea Lam.). Hierzu Tafel III—VIII. 

SCHELLENBERG, KASPAR, Untersuchungen iiber das Grosshirnmark der 
Ungulaten. Hierzu Tafel IX—XII und 44 Figuren im Text. 


Preis: 17 Mark. 


Jena, 
Verlag von Gustav Fischer. 


1900. | 


Zusendungen an die Redaktion erbittet man durch die Verlagsbuchhandlung. 
Ausgegeben am 1. August 1900. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


Pauna Arctica. 


Eine Zusammenstellung der arktischen Tierformen, mit beson- 

derer Beriicksichtigung des Spitzbergen-Gebietes auf Grund der 

Ergebnisse der Deutschen Expedition in das Nérdliche Eismeer 
im Jahre 1898. 


Unter Mitwirkung zahlreicher Fachgenossen herausgegeben von 


Dr. Fritz Rémer und Dr. Fritz Schaudinn 
in Breslau in Berlin, 
Erster Band. Erste Lieferung. 
Mit 7 Tafeln, 2 geograph. Karten und 12 Abbildungen im Text, 
1900. Preis: 25 Mark. 


Inhaltsverzeichnis. Fritz Rémer und Fritz Schaudinn, Einleitung, Plan 
des Werkes und Reisebericht, — Franz Eilhard Schulze, Die Hexactinelliden. — 


Johannes Thiele, Proneomenia thulensis nov, spec. — Otto von Linstow, Die 

Nematoden. — Hubert Ludwig, Arktische und subarktische Holothurien, 

Fixirung, Farbung und Bau 
des 


Protoplasmas. 


Kritische Untersuchungen tiber Technik und Theorie 
in der neueren Zellforschung 
von 
Dr. Alfred Fischer, 
a. o. Professor der Botanik in Leipzig. 
Mit einer colorirten Tafel und 21 Abbildungen im Text. 
1899. Preis: 11 Mark. 


Praxis und Theorie 


ler Zellen- und Befruchtungslebre 


von 

Dr. Valentin Hacker, 

a. 0. Professor i. Freiburg i. B. 
Mit:137-A-bbridungeen im dex 
1899. Preis: brosch. 7 Mark, geb. 8 Mark. 


Soeben erschien: 


Der Gesang der Vogel, 


seine anatomischen und biologischen Grundlagen. 
Von 
Dr. Valentin Hicker, 
a. 0. Professor in Freiburg i. Br. 
Mit 13 Abbildungen im Text. 
1900, Preis: 3 Mark. 


SEP 27 1900 


Schwimmblase, Knochenkapsel und 
Weber’scher Apparat 
von Nemachilus barbatulus Giinther. 


Von 


Leopold Bloch. 
Hierzu Tafel I u. II und 12 Figuren im Text. 


1. Vorrede. 


Im Jahre 1894 erschien in der Revue suisse de Zoologie eine 
Arbeit von Jaquet (40): Recherches sur ia vessie natatoire des 
Loches d’Europe!). Er kam durch seine Untersuchungen zu dem 
Schlusse, da diese Fische nicht zu den Physostomen zu 
rechnen seien, da alle 3 Species eine geschlossene Schwimmblase 
besitzen. Seither ist meines Wissens diese Ansicht nicht widerlegt 
worden. Allerdings steht mit derselben eine Anmerkung im Wider- 
spruch, die sich in WirprrsHEtIm’s (71) Lehrbuch d, vergl. Anat. von 
1886, 8.471 findet. [Ich ziehe die Auflage von 1886 zum Vergleich 
heran, weil die neueren auf eine Riicksichtnahme der Cobitiden ') 
iiberhaupt verzichten.] Sie lautet: , Wie es scheint, finden sich bei 
Cobitis fossilis L. (Misgurnus foss. Lach.) ganz ahnliche Verhilt- 
nisse C. Hasse), wie bei den vier Physostomen - Familien: 
Siluroiden, Gymnotiden, Characiniden und Cypri- 
noiden, welche eine Knochenkette, den Wurser’schen Apparat, 
besitzen.“ Ich hielt in Anbetracht dieses Sachverhaltes es fiir 
wiinschenswert, diesen Widerspruch zu heben, d. h. zu entscheiden, 
ob die Cobitiden zu einer der vier mit dem Weser’schen Apparat 
versehenen Familien, also zu den Physostomen, coder aber zu 
den Physoclisten zu rechnen seien. LEimerseits schien mich die Er- 
wagung — da doch im allgemeinen fir die Zuteilung einer Gattung 
zu den Physostomen oder zu den Physoclisten das Vorhandensein 
oder das Fehlen eines Luftganges (Ductus pneumaticus) bestimmend 
ist — dahin zu fiithren, Jaquet’s Auffassung beizupflichten; anderer- 
seits verursachte in mir wiederum die folgende Anmerkung SacGe- 
MEHL’s (57) ernsthaftes Bedenken. Er schreibt S. 22: ,AuS8er 
den angegebenen vier Physostomenfamilien sind zur 


1) Dahin gehéren Misgurnus fossilis Lactr., Cobitis taenia L., 
Nemachilus barbatulus GinrueEr. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVII. 1 


2 Leopold Bloch, 


Zeit keine anderen bekannt, die einen Wespr’schen Apparat 
besitzen und die sich durch die Existenz desselben als nahe Ver- 
wandte der ostariophysen !) Knochenfische charakterisieren wiirden“ 
(d. h. als nahe Verwandte der vier schon genannten Physostomen- 
familien). Weun also die Cobitiden die Weser’schen Knéchelchen 
besitzen und es nach SacemeEuL u. a. keine Physoclisten giebt, welche 
diesen Weser’schen Apparat aufweisen, so ist der Entscheid zu 
treffen, welches dieser zwei Merkmale, von denen das eine nur 
typisch ist fiir gewisse Physostomen, aber nie fiir Physoclisten, das 
andere fiir Physoclisten, Recht auf Beriicksichtigung hat. 

Nach dieser Ueberlegung hielt ich es fiir wahrscheinlich, daf 
Jaquet (40) kaum recht haben konnte, indem wohl das Fehlen 
eines offenen Ductus pneumaticus fiir den Fall, da die Cobitiden 
den Weser’schen Apparat iiberhaupt besitzen, nicht entscheidend 
sein diirfte fiir die Zuteilung derselben zu den Physoclisten, denn 
es ist allgemein bekannt, daf bei Riickbildungen — und mit modi- 
fizierten Schwimmblasen haben wir es bei diesen Cobitiden zu thun 
— ein hiautiger Gewebestrang, wie der Ductus pneumaticus einen 
darstellt, nicht immer konservativ bleiben kann. Und in der That 
fand diese Ueberlegung ihre Rechtfertigung bei der Durchsicht der 
Arbeit von Herzenstein (35, 8. 3—4), wo darauf hingewiesen 
wird, daf dem Baue der Schwimmblase im Gegensatz zu allen 
anderen Organisationsverhaltnissen schwerlich eine iiberwiegende Be- 
deutung zugeschrieben werden kann, und daf ein einziges 
Kennzeichen, welchem Organsystem es auch ent- 
nommen sein mége, niemals zur Begriindung einer 
mehr oder weniger natiirlichen Anordnung, weder in 
hoheren noch in den niedereu Hinheiten des Systems, 
dienen kann. Auch hat schon Drenarocue (13) 8. 189—190 her- 
vorgehoben, in wie gerimgem Zusammenhange die An- oder ginz- 
liche Abwesenheit der Schwimmblase mit der iibrigen Organi- 
sation steht, und speciell die Méglichkeit der An- oder Abwesenheit 
der Schwimmblase innerhalb einer Gattung hervorgehoben. 
Allerdings muf hier bemerkt werden, da keine Ostariophyseae 
bekannt geworden sind, die der Schwimmblase entbehren. Leicht 
liefen sich eine Menge von Beispielen anfiihren, wo bei der An- 
ordnung im System die Vernachlissigung einzelner (differenter) 
Merkmale durch tiefer greifende Uebereinstimmungen gerechtfertigt 
ware. Der Vollstandigkeit wegen sei hier noch erwihnt, daf es 
auch Cobitiden giebt, die einen offenen Ductus pneumaticus 
besitzen, z. B. Nemachilus Strauchii (SérpNsEN, 63). 

Schon beim Studium der einschligigen Litteratur wurde es 
mir zur Gewibheit, daf die Cobitiden Kuropas den Werser’schen 
Apparat besitzen und daf die Zugehérigkeit derselben zu 
den Physostomen, speciell den Cyprinoiden, eine 
schon langst ausgemachte Sache ist. Dennoch entschlof 
ich mich, eiige Verhaltnisse an den vorderen Wirbeln von 


1) Von é6teorov, Knochelchen, und micn, Blase (Sechwimmblase). 
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| 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 3 


Nemachilus barb. genau zu _ studieren, weil ich mich iiberzeugen 
konnte, da’ eine genaue morphologische Beschreibung dieser Ver- 
haltnisse bei Nem. barb. (und wohl auch Cob. taen.) nirgends 
existiert (auch die Beschreibung durch Jaquet, 40, ist nicht ausge- 
nommen), dagegen wohl eine solche von Misgurnus fossilis durch 
Sorensen (63). Daf solch ein genaues Studium der vorderen 
Wirbel, mit denen die Knochenkapsel in Verbindung steht, abge- 
sehen von der Frage, welche sich auf die Wrsper’schen Knéchelchen 
bezieht, nicht iiberfliissig war, mag aus folgendem Beispiel ersehen 
werden. Die Schwimmblase von Nemachilus barbatulus ist namlich, 
wie wir spiater einlaflicher beschreiben werden, eingeschlossen in 
eine Knochenkapsel. Nach Weser (70), Groppen (29), Farro (16) 
steht letztere in Verbindung mit dem zweiten und dritten Wirbel, 
nach Sresonp (61) (bei der Gattung Cobitis tiberhaupt) mit dem 
ersten, nach VALENCIENNES (12) mit dem ersten, zweiten und dritten, 
nach RosenrHan (55) und Jaqurr (40) mit dem ersten und zweiten. 
Man kann nicht sagen, dai die Angaben der Forscher in diesem 
Punkte sich in grofer Uebereinstimmung befinden, doch war ich 
wenigstens sicher, die Schwimmblasenkapsel nicht an den Abdominal- 
wirbeln suchen zu miissen. Auch abgesehen von der Lésung dieser 
Frage, glaube ich im folgenden von friiheren Darstellungen einiges 
Abweichende beibringen zu kénnen. 


2. Einleitung. 


Bei der Betrachtung der Kérperhaut von Nem. barb. unmittel- 
bar hinter dem oberen Rande des Kiemendeckels fallt bisweilen 
eine Stelle durch etwas dunklere Pigmentierung auf. Nachdem 
man die Kérperhaut weggehoben hat, gewahrt man, dal gerade 
hier die dorsalen (ldm Fig. 1) und die ventralen 
(lum Fig. 1) Halften der Seitenrumpfmuskulatur nicht 
zusammenstofen, sondern eine Oeffnung frei lassen 
(tcv), die oval und mit aufgeworfenen Randern (ev) versehen ist. 
In der Tiefe der Oeffnung vermag man eine glanzende Membran 
zn beobachten. Dies ist die Schwimmblase. Die aufgeworfenen 
Rander gehéren der schon erwahnten Knochenkapsel an, welche 
an der Wirbelsiule festgeheftet ist und die Schwimmblase beinahe 
ganzlich umschlieBt. Die vorerwahnte Oeffnung wurde von Hasse 
(33, 5. 595) ,,Introitus capsulae vesicae“ bezeichnet, was der 
lateral cutaneous area“ von Bripce und Happon (7, 8. 313) 


entspricht. Ueber einen Teil der Schwimmblase zieht 
1* 


4 Leopold Bloch, 


also bloB die Haut hinweg. — Wir wollen versuchen, die 
Knochenkapsel, welche komplizierter gebaut ist, als man sich es 
bei fliichtiger Betrachtung denken kénnte, genau zu_ studieren, 
um nachher dann der Schwimmblase selbst noch einige Aufmerk- 
samkeit zu schenken. Diese Knochenkapsel ist verhaltnismafig 
stark mit der Wirbelsiule verschmolzen, sodaf es uns nicht so- 
sleich gelingt, weder die Zahl der Wirbel zu bestimmen, welche 
bei deren Bildung in Mitleidenschaft gezogen wurden, daher jene 
auseinandergehenden Befunde, noch zu begreifen, auf welche Weise 
dies geschah. Es hat die Knochenkapsel von den Forschern die 
verschiedensten Deutungen erfahren, so daf wir diese, sowie auch 
andere Fragen, erst spater beantworten kénonen. 

Normaler Wirbel: Es wird am besten sein, wenn wir 
uns vorerst kurz in Kenntnis setzen vom Bau eines normalen 
Wirbels der Bartgrundel; denn die normalen Wirbel erhalten sich 
deutlich gesondert voneinander, jene, die mit der Schwimmblasen- 
kapsel verschmolzen sind, dagegen nicht immer. Nur die Kenntnis 
der Gestalt eines normalen Wirbels verhilft uns dazu, modifizierte 
Verhaltnisse leicht zu begreifen. Der normale Wirbelkérper hat 
ungefahr die Gestalt eines auf beiden Endflichen ausgehéblten 
Cylinders. Er ist bikonkav oder amphicél. Der zwischen zwei 
Wirbelkérpern liegende, doppelkegelférmige Raum ist von Chorda- 
gvewebe ausgefillt. Diese normalen Wirbelkérper tragen zwei 
Bogensysteme: das obere Bogensystem, welches das Riickenmark 
umhillt, und das untere, das im vorderen Teil des Kérpers seit- 
lich absteht. — Das obere Bogensystem besteht aus Knochen- 
bogen, die in korrespondierenden Paaren jederseits mit der Ober- 
seite der beziiglichen Wirbelkérper verschmolzen sind. Sie stofen 
iiber dem Riickenmark von beiden Seiten zusammen, verschmelzen 
dort miteinander und tragen einen Dornfortsatz, welcher fest 
mit ihnen verwachsen ist. Er bildet gleichsam das spitz ausge- 
zogene Ende der vereinigten oberen Bogen (Fig. 3 p.sp. IV). 
Die Bezeichnung Neurapophysen, Neuralbogen, wollen wir in 
dem tblichen Sinne fiir diese oberen Bogen beibehalten. Sie sind 
jedoch noch nicht erschépfend beschrieben worden, indem von ihrer 
gegenseitigen gelenkigen Verbindung, welche eine den Processus 
articulares der héheren Wirbeltiere analoge Bildung ist, noch nicht 
gesprochen wurde. Wir haben es an den normalen Wirbeln zu 
thun mit zwei Gruppen von Gelenkfortsitzen; die einen sind 
paarige Fortsatze der Neuralbogen (Fig. 2, zy.a V, zy.a IV), 
die anderen solche der Wirbelkérper (Fig. 2, 3, 4 zy.p IV, zy.p V, 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 5 


zy.p VI). Es artikuliert nun jeweilen ein Fortsatz des Wirbel- 
kérpers mit dem Fortsatz des caudalwarts liegenden Neuralbogens. 
Die Fortsitze der Wirbelkérper sind bei den Wirbeln der Bart- 
erundel beinahe bis auf halbe Hohe getrennt von den Bogen, 
allein sie kénnen bei anderen Knochenfischen auch vollstiindig mit 
ihnen verschmelzen. Wir wollen mit Hayek (34, S. 241) und 
Dotto (14, S. 9) diese Gelenkfortsitze Zygapophysen nennen 
(Proc. fulcientes, ,,Laeneproces* SORENSEN, 63, S. 92; vergl. auch 
STANNIUS, 66, S. 115). — Das untere Bogensystem, soweit 
es fiir uns in Frage kommt, besteht pro Wirbel aus je 2 paarigen 
Stiicken. Auf jeder Seite des Wirbelkérpers ist ein konisch ab- 
gerundetes, kurzes Grundstiick, Basalstumpf, in einer Grube 
unbeweglich eingesenkt (Fig. 2,4 ba V). Mit diesen Grundstiicken 
sind nun die Rippen (Fig. 2 co VI), welche sich von vorn-oben, 
schrig nach unten-binten erstrecken, gelenkig verbunden. Es 
kommt bei ihnen nie zu einem ventralen Zusammenschluf’. Am 
erwachsenen Wirbel von Nem. barb. ist also gleich wie bei allen 
tibrigen Teleostiern nur ein Rippenpaar zu beobachten. Am 
primaren Skelett ist allerdings das gleichzeitige Vorkommen 
oberer und unterer Rippenpaare nachgewiesen worden (GOPPERT, 
24). Indessen sind nur die unteren Rippen, ,,Pleuralbogen‘, 
bei den erwachsenen Tieren zur Entwickelung gelangt, und es 
hat schon GOrrE (25) klar erkannt, da8 nur die Selachier und 
Amphibien Skelettstiicke besitzen, die den fiir die Amnioten 
traditionellen Namen ,,Rippen‘“’ beanspruchen diirfen, daf da- 
gegen die unter gleichem Namen _ beschriebenen Gebilde der 
Ganoiden und Teleostier efwas von den Amniotenrippen 
Verschiedenes, ,,Pleuralbogen“ sind. Gleichwohl werden wir fiir 
die als abgegliederte Teile der primitiven Basal- 
stimpfe aufzufassenden Pleuralbogen den Namen 


Rippen gebrauchen, weil dem so tiblich ist. — Unter dem Aus- 
drucke ,Processus transversus” (Fig. 6 pt ID) (apophyse 
transverse — BEAUDELOT, 3, Querfortsatz — Auc. MULuerr, 46, 


TVAERTAP - SORENSEN, 63) wollen wir den Fortsatz des Wirbel- 
kérpers verstehen, welcher das mit dem Wirbelkérper verschmolzene 
Homologon des Basalstumpfes ist. Allerdings will es uns 
scheinen, daf, wenn man die vorher erwihnte Genese der Rippen 
in Betracht zieht, man nie im Stande ist zu behaupten, ein Proc. 
transv. ist ein echter, wenn tiberhaupt keine Rippe zur Aus- 
bildung gelangt ist. SORENSEN (63, S. 86): 


6 Leopold Bloch, 


,l'vaertappen paa 2 den Hvirvel 
er Ribbenets Grundstykke; det 
egentlige Ribbeen er efter mit 
Skjoen ikke kommet til Udvikling. 
Den er altsaa en aegte Processus 
transversus“. 


Der Querfortsatz auf dem 2. 
Wirbel ist das Grundstiick der 
Rippe; die eigentliche Rippe 
ist nach meinem Dafirhalten 
nicht zur Entwickelung gekommen. 
Er ist also ein echter Processus 


transversus." 


In einem Falle, wo die Rippe nicht zur Entwickelung ge- 
langt ist, wird es dem Forscher frei stehen, den Processus trans- 
versus gemif unserer Definition aufzufassen als echten Proc. 
transv. oder aber als Proc. transv. + nicht abgegliederte 
Rippe. Fir beide Auffassungsweisen wollen wir mit SORENSEN 
den Proc. transv. als echten bezeichnen im Gegensatz zu jenen 
falschen Wirbelquerfortsitzen, von denen wir mit Bestimmtheit 
wissen, daf sich an ihnen secundir hinzugetretene Teile 
befinden. 


Erster Wirbel: Suchen wir nun bei der Betrachtung des 
vordersten Wirbels zurecht zu kommen. Im Bereiche der Ab- 
teilung der Teleostier sind Umgestaltungen der ersten Wirbel sowie 
auch Verbindungen derselben mit Knochen des Craniums_ haufig, 
so dafi oft die verschiedenen bei den normalen Wirbeln namhaft 
gemachten Elemente hier nicht leicht oder nicht mehr zu erkennen 
sind. Die einlaBliche Priifung eines einzelnen Falles, wie wir 
einen vor uns haben, gestaltet sich zu einer umfassenden Aufgabe 
und wir diirfen darauf nicht verzichten, auf manche andere Or- 
ganisationsverhaltnisse einzugehen. Wenn man ferner in Betracht 
zieht, daf der Weperr’sche Apparat und die Knochenkapsel der 
Schwimmblase neben den primiiren Umgestaltungen, welche die 
ersten Wirbel der Teleostier im allgemeinen erfabren kénnen, als 
sekundare Einrichtungen aufzufassen sind, so wird ersichtlich, da’ 
die Deutung einzelner Skelettstiicke ohne Riicksichtnahme auf ent- 
wickelungsgeschichtliche Studien sehr schwer fallen wirde, und 
dies, obschon der Charakter des vorderen Teiles der Wirbelsaule 
bei den Cyprinoiden sich weniger von dem gewohnlichen Teleostier- 
typus entfernt als jener der tibrigen Ostariophyseae. — Als ersten 
Wirbel haben wir denjenigen anzusehen, welcher sich dem Os 
occipitale caudalwarts anschlieSt, denn: 

,sedenfalls . . . ist im knéchernen Cranium der Teleostier 


nicht die occipitale Partie desselben als ein vertebraler Abschnitt 
zu betrachten.“ 


(GEGENBAUR, 20, 8. 30; bierher auch Huxtey, Frortep, 17. u. a.) 


Schwimmblase, Knochenkapsel ete. von Nemachilus barbatulusG. 7 


Bei der Priifung des ersten Wirbelkérpers fallt uns zuniachst 
auf, daB er viel kiirzer ist als die folgenden (Fig. 4,5 Z). Bei sehr 
vielen Knochenfischen laft sich eine allmahliche Volumzunahme der 
Wirbelkérper bis zum dritten, vierten oder fiinften konstatieren, 
wo dann gewohnlich fiir den Rumpfteil des Riickgrates eine ziem- 
liche Gleichmafigkeit beginnt. Die ersten Wirbelkérper sind also 
hiufig den anderen gegeniiber kiirzer, zuweilen auch in den anderen 
Dimensionen geringer entfaltet als die folgenden. — Ferner haben 
wir gesehen, da’ die normalen Wirbelkérper der Bartgrundel 
amphicél sind. Hiervon macht der erste (Atlas) eine Aus- 
nahme. Er ist, wie schon bemerkt, kiirzer d. h. etwa halb so lang 
wie ein normaler Wirbel und opisthocél. Seine vordere 
schwach konvexe Fiche ist derart in den Conus des_,,Occipital- 
wirbels‘ eingesenkt (verg]. Srannius, 67, S. 10; GroBBEN, 20; 
SORENSEN, 63, u. a.), dal er gleichsam mit dem Os occipitale 
basilare ein Stiick bildet. Dieser Wirbelkérper tragt jederseits 
einen queren Fortsatz (A Fig. 2, 4, 5), welchen man als echten 
Proc. transy. I. aufzufassen geneigt ist, was nicht richtig ware. 
GROBBEN (29, S. 11): 

Der erste Wirbel hat einen schmalen Kérper, der vorn flach- 
konvex mit zwei sehr kraftigen Querfortsitzen versehen ist, die auch 
eine bedeutende Lange besitzen und sich an die Knochenblase 
anlegen.“ 


JAQUET (40) dagegen schreibt 5S. 438: 


»A son extrémité antérieure, on apercoit la premiére céte cervi- 
cale, laquelle sur presque toute son étendue est intimement 
me a la vessie osseuse. 

Ich habe mich tiberzeugt, dal} von einem Anlegen dieser 
queren Fortsatze I an die Knochenblase wohl gesprochen werden 
kann. nie aber davon, dafi dieselben, wie JaQuer will, innig mit 
der Knochenblase vereinigt sind. Es ist in Fig. 2, 4 und 5 I 
angedeutet, daf es bei etwelcher Vorsicht leicht gelingt, den 
ersten Wirbel samt dessen Fortsatzen zu isolieren, ohne nur im 
geringsten die caudalwarts gelegene Knochenkapsel zu verletzen. 
Nach Fig. 11 Jaquert’s allerdings scheint dies nicht méglich zu 
sein, was damit in Zusammenhang zu bringen ist, daf dieser 
Forscher in seinen Zeichnungen tiberhaupt sich zu viel kiinst- 
lerische Freiheiten erlaubte. — Daf wir unter diesen queren 
Fortsitzen (den ,,premiéres cotes cervicales JAQUET’S) nun_ nicht 
echte Proc. transy. I verstehen miissen, hat SORENSEN (62) 10 
Jahre friiher S. 3 und 21 in seinen Lydorganer hos Fiske iiber- 


8 Leopold Bloch, 


zeugend erwiesen. Er zeigte, da’ bei den Characiniden, Siluroiden 
(Ausnahme Clarias) und Gymnotiden ein vollstandig oder unvoll- 
stiindig verknéchertes Ligament!) von der Scapula (Cuvier) 
auf die Lateralseite des Os occipitale basilare zieht, da ferner 
bei den Cyprinoiden und Gadoiden dieses Ligament sich nicht 
mit dem Os occipitale verbindet, sondern mit dem Centrum 
des ersten Wirbels, in der Weise, dafi die Ossifikation ihren 
Anfang vom proximalen Ende des Ligamentes nimmt und sich auf 
einen kiirzeren oder langeren Teil des Ligamentes erstrecken 
kann. Ferner sagt SORENSEN (62) noch S. 3: 

,»Hos Cyprinoiderne er det »Bei den Cyprinoiden ist es 
tildeels forbenet, idet dets in- (das Ligament) zum Teil ver- 
derste Ende optraeder som 1ste knéchert, indem dessen innerstes 
Hvirvels ,lvaertap.” Ende als Querfortsatz des 

ersten Wirbels auftritt." 

Bei (Cob.) Misgurnus foss. sind die Proc. transv. I + Liga- 
mentverknécherung kurz, bei Nem. barb. aufergewéhnlich lang. — 
Wie steht es nun mit dem oberen Bogensystem des ersten Wirbels ? 
Dasselbe ist auch nicht typisch ausgebildet, indem es Gliedstiicke 
zu dem schon oft genannten Weper’schen Apparat geliefert hat, 
woriiber wir nun im folgenden Abschnitt Naheres erfahren sollen. 


3. Kritischer Ueberblick der alteren und neueren Be- 
funde die Kenntnisse der Weber’schen Kndéchelchen 
betreffend. 


A. Feststellung des Vorkommens derselben bei den ver- 
schiedenen Fischfamilien. 


Im Jahre 1820 veréffentlichte E. Werzerr (70) seine Arbeit 
iiber das Ohr der Wassertiere. Er beschrieb darin in mustergiltiger 
Weise die nach ihm benannte Knéchelchenkette (bei Cyprinus 
carpio, [Cob.| Misgurnus fossilis und Silurus glanis), welche bei 
diesen Fischen die Schwimmblase mit dem hautigen Gehérorgan 
verbindet. An diesem Weser’schen Apparat kann man 4 
paarige Gliedstiicke unterscheiden, welche Wrsrr von vorn 


1) Wohl der erste und einzige Forscher, der das Ligament 
vor SORENSEN noch erwahnt hat, ist C. Merrenuemer (45). Srannius 
(65) hat es Taf. XIII, Fig. 2f. fiir Priacanthus macrophthalmus 
(Percoid) gezeichnet, aber nichts speciell dariiber gesagt. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG., 9 


nach hinten einzeln mit dem Namen: Claustrum, Stapes, Incus und 
Malleus belegte. — Allein es muf gesagt werden, dal RosxEn- 
mHAL (55) schon 8 Jahre friiher in allerdings unvollstandiger 
Weise diese Knéchelchen (er bildet bei Cyprinus [abramis| brama 
nur 2 ab) erwahnt hat. — 1821 giebt ein Anonymus (1) +) 
in Oxen’s Isis eine Beschreibung der Weser’schen Knoéchelchen 
von Cyprinus brama, worin er dieselben nach ihrer Gestalt mit 
anderen als den tiblichen Namen belegt (1. Malleus = Ancora, Anker ; 
2. Incus== Norma, Winkelstab; 3. Stapes==Trulla, Kelle; 4. Clau- 
strum == Pocillum, Becher). Die Benennungen Wesnr’s sind jedoch 
ziemlich allgemein adoptiert, so daf sie auch in vorliegender Arbeit 
beniitzt werden sollen. Auf die von Bringk und Happon (7) ein- 
gefiihrten Bezeichnungen soll a. a. O. (S. 12) hingewiesen werden. — 
5 Jahre spater (1826) schildert Hmusinenr (36) ganz kurz neben einer 
Siluroidengattung den Weeer’schen Apparat bei einem Chara- 
ciniden. — BAr (2) scheint im Jahre 1835 der erste gewesen zu 
sein, der ihn bei einem Gymnotiden gefunden hat. — Erst 1843 
wurde von Jon. MiLurr (47) festgestellt, da’ diese Knéchelchen nicht 
nur bei den Cyprinciden allgemein vorkommen -—— was schon 
aus Wesrr’s Arbeit hervorging — sondern auch bei den Siluroiden 
und bei der von ihm in dieser Abhandlung aufgestellten neuen 
Familie der Characiniden. — Endlich wurde im Jahre 1852 von 
Reinwarpt (53) das allgemeine Vorkommen des Weper’schen Appa- 
rates fiir die Familie der Gymnotiden festgestellt (das Claustrum 
hat er hier nirgends gefunden). 

Unsere Kenntnis, daf die 4 ostariophyseu Knochenfischfamilien : 
Siluroiden, Gymnotiden, Characiniden und Cyprinoiden (Cobitiden) 
den Wepur’schen Apparat besitzen, ist mithin der Arbeit derjenigen 
Forscher zu verdanken, welche vor der Mitte dieses Jahrhunderts 
schon gewirkt haben. 


B. Frage nach der Homologie des Weber’schen Apparates 
und Verschmelzung vorderer Wirbel. 


Weser betrachtete die nach ihm benannten Knéchelchen als 
Homologa der Saugetier-Gehérknichelchen. Infolgedessen hatte 
sich schon friihzeitig unter den Forschern nicht nur die Absicht 
geltend gemacht, diejenigen Fischfamilien kennen zu lernen, welche 
den Weprr’schen Apparat besitzen, sondern auch klar festzustellen, 
ob die Weper’schen Knéchelchen wirklich zu betrachten seien als 
homologe Gebilde za den Gehérknéchelchen der Saugetiere, ,,da 
besonders Grorrroy (22, 23) fortfuhr, dieselben in den Wirbel- 
tieren niederer Ordnung an ganz anderer Stelle zu suchen... .“ 
Anonymus (1) 8S. 273. In dieser Steitfrage bekannten sich zur 


1) Es ist zweifellos Boranus gewesen, der unter diesem Namen 
jene Arbeit verfaSt hat. Im Jahre 1822 befindet sich in der Isis 
unter demselben Pseudonym eine Arbeit, die sicher von seiner 
Hand riihrt. 


10 Leopold Bloch, 


Weser’schen Auffassung: Anonymus') 1821, Treviranus (68) 1821, 
Saaeman Munper (56)?) 1831, Bar (2) 1835, Brescurer (5) 1838; 
gegen dieselbe: Rosenrnan (55) 1816, 18393), Gnorrroy Sr. 
Hinarre (22, 23) 1824, Ownn*) 1846, Retssner (54) 1859 (ohne 
dag er die Aue. Mitier’sche Arbeit [46] kannte). 

Schon Gurorrroy Sr. Hmarre (22, 23) 1824 hatte angefangen, 
die Wesrr’schen Knéchelchen als umgebildete Teilstiicke der 
Wirbel zu betrachten, und wenn schon er bei seiner Deutung eine 


nur sehr wenig zuriickhaltende Meinung bekundete, —— hielt er 
doch die fraglichen Stiicke fiir Teile der oberen Bogen des ersten, 
aweiten und dritten Wirbels — so scheint es doch, als ob sejne 


Auffassung darauffolgenden Forschungen den Weg gewiesen hat. 
— Dieselbe Wirkung mag auch die Arbeit Mecxer’s (44) 1824 
erzielt haben, denn im selben Jahre fiingt auch dieser Forscher 
an, Gliedstiicke des Weser’schen Apparates als Querfortsatze (kurze 
Rippen vergl. 8S. 250) aufzufassen, wobei er auch eine Ver- 
schmelzung des zweiten und dritten Wirbels der 
Karpfenwirbelsaule erwahnt. Er schreibt: ,,Die bei den 
Knorpelfischen sehr allgemeine Neigung der Wirbel des vorderen 
Teiles der Wirbelsiule, zu einem Knochen zu verschmelzen, offen- 
bart sich bei den Gritenfischen weit seltener. Kine Andeutung 
von dieser Bildung ist die Bildung des zweiten Halswirbels bei den 
Karpfen. Er ist betrachtlich gréfer als die tibrigen und auf jeder 
Seite mit zwei Querfortsitzen, einem hinteren lingeren, ab- 
steigenden, einem vorderen kiirzeren, aufsteigenden versehen.“ 
(Weitere Beispiele von Verschmelzungen ,,einer griferen Menge 
von Wirbeln“ werden [S. 231] von Siluroiden angefiihrt.) Wiewohl 
MrcxeL mit dem absteigenden Querfortsatz nur die Mallei gemeint 
haben kann, steht er doch noch auf dem Boden der Wesesr’schen 
Beurteilung, denn er schreibt 8. 234 ,.. . allerdings spricht die 
Lage und Verbindung derselben (der Were. Kn.) sehr fiir diese 
(Weper’s) Ansicht.“ Auf 8. 235 daselbst schreibt er: ,,Naher 
werde ich auf sie (die Wes. Kn.) in der Lehre vom Gehérorgan 
zuriickkommen ... .“ Allein es scheint mir, da’ das MrcKen’sche 
System nur bis 1833 fortgefiihrt wurde, d. h. das Werk scheint 

1) Die von ihm eingefithrte Nomenklatur basiert also lediglich 
auf der von den Gehérknéchelchen der Siiugetiere verschiedenen 
Gestalt. 

2) Und dies, obschon er festzustellen versucht, da die Knéchel- 
chen Weeser’s ein Zubehér der 2 ersten Wirbelkérper sind. 

3) Es war mir nur die 2. unveriinderte Auflage der Ich- 
thyotom. Taf. vom Jahre 1839 zugiinglich, es soll aber nach S6- 
RENSEN schon die 1. Auflage, welche die Jahrzahl 1816 tragt, 
dieselbe Anmerkung tragen wie die 2., daf niimlich R. diese 
Knochen nicht fiir Gehérknochen halten méchte. Hs kann daher 
auch die 1. Auflage erst nach der Arbeit Werprr’s (1820) er- 
schienen sein. 

4) R. Owen, Lectures on the comparative anatomy and _phy- 
siology of the Vertebrate animals, Pt. I, 1846, p. 210—11. 


Schwimmblase, Knochenkapsel ete. von Nemachilus barbatulusG. 11 


nicht zum Abschluf gelangt und die Lehre vom Gehérorgan nie- 
mals begonnen worden zu sein. 

Endgiltig entschieden wurde nun diese Frage von Auc. MULLER 
(46) 1853, welcher die Weser’schen Knéchelchen bei ihrer Ent- 
wickelung an Cyprinen studierte. Einmal bestitigte er dabei fiir 
die Cyprinoiden tiberhaupt das sehr interessante Resultat 
Mucxet’s (44), da der Wirbel, welcher bei den ausgewachsenen 
Tieren der zweite zu sein scheint, in Wirklichkeit hervorge- 
gangen ist aus einer Zusammenschmelzung des zweiten und dritten 
Wirbels. Im ferneren wurde die Erkenntnis dieser Verschmelzung 
nun auch zum Schliissel fiir die richtige Deutung der einzelnen 
Gliedstiicke des Werser’schen Apparates, auf die gleich nachher 
eingegangen werden soll. 

Es méchten vielleicht vorher einige weitere Bemerkungen 
iiber die Verschmelzung vorderer Wirbel der Riickenmarksaule 
am Platze sein. Es ist klar, da’ wir bei Verschmelzungen zweier 
oder mehrerer Wirbel das Verschmelzungsprodukt — und wenn 
es auch am ausgewachsenen Tiere bei oberflachlicher Betrachtung 
eleiches Aussehen hat wie ein normaler Wirbel, welch letzteres 
thatsichlich vorkommen kann — autffassen miissen als einen 
falschen Wirbel (,,la grande vertébre“ Cuvier [12]; ,,complex 
vertebra‘ BripGe und Happon |7|) im Gegensatz zu den isoliert 
auftretenden oder wahren Wirbeln. — Thatsachlich ist bei den 
verschiedenen ostariophysen Familien gar nicht immer die Regel, 
dal blof der zweite und dritte wahre Wirbel zu einem einzigen 
falschen verschmilzt, diese Verschmelzungsart findet nur bei den 
Cyprinoiden statt, zwar doch so, daf bei einer medianen Spaltung 
der Wirbelsiule (durch eine Sage) die Grenze beider fraglichen 
Kérper zu sehen ist, zwischen welchen sich noch ein Raum bhe- 
findet, der von einem Rest der Chorda dorsalis angefiillt ist. Die 
Cobitiden (welche ja zu den Cyprinoiden zu rechnen sind) sind 
nach SORENSEN die einzigen, bei welchen die Kérper ihrer Wirbel 
vainzlich miteinander verschmelzen. Bei einem durch Maceration 
isolierten zweiten falschen Wirbel von Nem. barb. gelang es mir jedoch, 
mit Sicherheit eine Trennungslinie zwischen urspriinglich zweitem 
und drittem Wirbel wahrzunehmen. Auch an mikroskopischen 
Schnittpraparaten konnte ich zum Teil Verhaltnisse konstatieren, 
die auf eine Verschmelzung von zweitem und drittem wahren 
Wirbel hinweisen. — Bei den Siluroiden sind die Kérper der 
zweiten, dritten und vierten Wirbel verschmolzen, ohne im all- 
gemeinen auferlich irgend welche Grenze aufzuweisen (vergl. 
Wricut, 73, S. 250, SORENSEN, 63, 8S. 135). Ja es hat SORENSEN 
sogar bei einem Wels (Plecostomus) des tropischen Amerika nach- 


12 Leopold Bloch, 


gewiesen, dafi dessen erster Wirbel ein Verschmelzungsprodukt 
von mindestens 4, aber eher 5 Wirbeln ist, welche, zusammenge- 
nommen, kaum so grofi sind, wie ein einziger normaler Wirbel. 


Um wieder auf die Untersuchungen Auc. Mtner’s zuriickzu- 
kommen, sei wiederholt, daf es ihm gelang, die Natur der Weserr’schen 
Knéchelchen richtig zu deuten, indem dieselben bei jungen Tieren noch 
erkennbare Gliedstiicke der vordersten Wirbel bildeten; damit war 
nun auch die Nicht-Homologie der Wrper’schen Knichelchen mit den 
Gehérknichelchen der Saéugetiere erwiesen. Avec. Miniter hat zwar 
diese zulaissige *SchluBfolgerung nicht ausdriicklich gemacht; allein 
es ist nicht anzunehmen, daf er die Arbeit von Retcuurt (52) 1837, 
welcher feststellte, da’ die Gehérknéchelchen der Saugetiere vom 
Visceralskelett ableitbar sind, nicht kannte. Auch Retcuertr hat 
sich allerdings (vergl. 8. 201 § 12) jeder weiteren diesbeziiglichen 
Folgerung enthalten. Heutzutage aber stimmen alle Autoren iiber- 
ein, dai diese Homologie nicht besteht. Diese Thatsache nament- 
lich veranlaite Bripce und Hapnpon (7) fiir die Weser’schen 
Knichelchen andere Namen einzufiihren. Sie schreiben (p. 310): 
»Instead of “Stapes” we propose the name “scaphium” in allusion 
to the invariably concavo-convex or spoon-shaped form of this 
ossicle. The “incus” may be renamed the “intercalarium”, from 
its constant intermediate position between the “stapes” and the 
“malleus”, when present. For “malleus” we would substitute “tripus” 
— a name suggested by the three characteristic processes which 
this ossicle invariably possesses. The fourth ossicle, called the 
“claustrum” by Wnueer, forms one of the series of auditory ossicles 
in the Cyprinoid fishes, but has no such physiological significance 
in the Siluroidae, although it is very generally present. As the 
name “claustrum” is open to none of the objections which can 
reasonably be urged against the retention of WerpEr’s nomen- 
clature of the three preceding ossicles, it may with advantage be 
retained.“ 


C. Deutung der Gliedstiicke des Weber’schen Apparates. 


Wir geben Auc. Mttuer’s Deutung der Werer’schen Knichel- 
chen und jene der Forscher, die nach ihm sich mit dieser Materie 
beschaftigt haben, der Kiirze und der Uebersicht wegen in Form 
einer Tabelle (s. S. 14 u. 15) 4). 

Den Forschern der zweiten Hilfte dieses Jahrhunderts blieb 
es also vorbehalten, fiir simtliche 4 ostariophysen Knochenfisch- 
familien im grofen Ganzen die richtige Deutung der Werser’schen 
Knéchelchen durchzufiihren. Abgesehen von den Angaben GrcEn- 


1) Dabei empfiehlt es sich fiir den Leser, nach der Durchsicht 
der ersten Vertikalkolonne (Auc. Mtiumr) die weiteren Vergleiche 
mit Zuhilfenahme des darauf folgenden Textes vorzunehmen, 


Schwimmblase, Knochenkapsel ete. von Nemachilus barbatulusG. 13 


pAuR’s und WixpERSHEIM’s, welche wohl kaum auf der Basis eigener 
Untersuchungen beruhen, ferner abgesehen von den Verschieden- 
heiten der Nomenklatur und endlich abgesehen von den sekundiren 
Umgestaltungen, die da und dort (vergl. die tabellarische Zu- 
sammenstellung nach Sorensen) Platz gegriffen haben mégen, findet 
sich — mit Ausnahme Sacemen.’s (57) in Bezug auf den Incus — 
eine imponierende Uebereinstimmung in der Interpretation der 3 
hinteren Gliedstiicke des Apparates. Diese Thatsache veranlaft 
uns daher, zuerst auf Sacemenn’s unrichtige Interpretation zu 
sprechen zu kommen, um dann erst nachher die verschiedene Auf- 
fassung der Forscher beziiglich der Claustra niher zu wiirdigen, 
da wir ohnehin dort linger zu verweilen haben. 

Deutung der Incudes. Aus der Tabelle ist ersichtlich, 
wenn man von der Beriicksichtigung Guaunpaur’s 1879 (19) Umgang 
nimmt, daf fiinf Autoren vor SaGemenn unter sich iibereinstimmend 
eine von SaGeMEHL abweichende Interpretation beziiglich der In- 
cudes veroffentlichten. Von diesen fiinf Veréffentlichungen scheint 
SAGEMEHL (vergl. S. 55) nur jene von Wricur (73, 74) unbekannt 
geblieben zu sein. Allein dies gereicht ihm noch keineswegs zum 
Vorwurf. Man sollte nun aber meinen, daf ein Forscher hatte 
Bedenken empfinden sollen, wenn er anderer Meinung ist, als jene, 
die vor ihm unter sich iibereinstimmten und von denen drei, die 
ihm bekannt, auf entwicklungsgeschichtlichem Wege zu ihrem 
Resultate gelangt. Sacemrent hat nur an erwachsenen Tieren seine 
Untersuchungen angestellt. Alles, was er schreibt (S. 55) tiber 
diesen Gegenstand, ist folgendes: ,Die Rippe des zweiten Wirbels 
ist zam Incus umgestaltet, der an der Begrenzung des Riicken- 
markkanals niemals irgend welchen Anteil hat, und der somit 
auch kein oberer Bogen sein kann, als welcher er von vielen 
Autoren gedeutet wird.“ SaGempxunt war also unvorsichtig genug, 
sich nicht nur iiber die Resultate friiherer Forscher hinwegzu- 
setzen, sondern auch (wie gleich gezeigt wird) iiber deren Be- 
grindung. Hiatte er dies nicht gethan, so ware er schwerlich im 
Falle gewesen, die Ansicht anderer schlechtweg von der Hand zu 
weisen. Und was ist es nun also, das uns zwingt, jenen Forschern 
vor SAGEMEHL recht zu geben, wie es nach ihm namentlich S6- 
RENSEN (63 u. 64) gethan hat? — Erstens wissen wir, daf es 
leicht gelingt (wenn wir vorlaufig von einer Riicksichtnahme 
auf die Claustra absehen), an jungen Tieren, wie dies vor SAGEMEHL: 
Auc. Miter (46), Nuspaum (44), Grassr (28), Wrieur (73, 74), 
nach ihm Sérensen (63) gethan, die Gliedstiicke des Wersrr’schen 
Apparates noch in ihrem primaren Zusammenhang zu _ begreifen, 
d. h. in dem in Frage stehenden Falle erkennt man die Incudes 
als obere Bogen des zweiten (wahren) Wirbels. — Es kénnen 
zweitens die Incudes auch zweitellos deshalb keine Rippen des 
zweiten Wirbels sein, weil am primiren Skelett die Rippen als von 
den Basalstiimpfen abgegliederte Teile aufzufassen sind (GOpPERT 
[24] u. a.) also miifte bei jungen Tieren eine Lagebeziehung 
zwischen Incudes und Basalstiimpfen zu bemerken sein, woriiber 


14 Leopold Bloch, 
| Miner | BeaupE- IGecen-| Nus- |... : c = | Sace- |BRIDGEU. 
Autoren A. LOT BAUR | BAUM |CRASSI WRIGHT |" irene | ADDON 
1853 18684) | 1874 | 1881 | 1883 1884 1885 1893 
: ; ~ Cypri- | . | ee 4\ Jeeomamna sa eieen ‘aon, 
Calne far Cypri- noiden, | Cypri- | Cypri- Cosine Gynrigniden, Gate é 
ae noiden |Cobitiden, noiden | noiden |, Siluroid: | Siluroiden, e 
Siluroiden Amiurus catus| Gymnotiden physeae 
, ~ wohl entw.- 
see pales vergl. nach | entw.-| entw.- |gesch.und)  vergl. vergl. 
Une Pee. v\canatom.’ | Ans esch. | gesch.| vergl. | anatom. | anatom. 
art schichtl 8 & © 
oe = gaben | anatom. 
pAaees der Occi- 
Ent- ee oar 4 proces-} vom pital- 
Glanstra stehung | GoniuR- | 2? sus spi-|Schidel)Proc.spin. region des) Proc.spin. 
hae nicht be- Shi ck 5) S& nosus ab- I.°)  |Craniums 1:2) 
obachtet re a if leitbar ange- 
; i hoérend *) 
obere lob. Bogen = 8 ob. ob. ob. Bogen ob. Bogen|ob. Bogen 
Stapedes | Bogen”) |" ~~ S 2 & | Bogen | Bogen | * 8 Noe gies 
ge sEkre ASS ibs ara it ‘EL I. if Aide 
aie = ob. ob. job. Bogen) py: 
ee ob. Bogen ob. Bogen 4 & | Bogen | Bogen 1.7 Rippen job. Bogen 
ji AT. It. ong Le II. | (modifi- TL) T9) 
i ziert) 
i oR : 
Ca 
OP 
a5 r 
. 3 wis iS) : (Quer- uer- . : 
Mallei Rippen *) | Rippen ce Rippen |e visatz| fortsatz Rippen | Rippen 
il & If. o; EE 10 Iii. LI; TLE 
A 
Os sus- . : (uer- : 
penso- Rippen Rippen forneatZ Rippen 
rium ') EN, EV: IV. IV. 


1) SOreNSEN nennt die zwei Knochen, welche sich bei den Cyprinoiden, 
Characiniden und Gymnotiden an der unteren Seite des 4. Wirbels_ be- 
finden (Proc. transv. IV), woran das vordere Ende der Schwimmblase be- 
festigt ist, ,,Os suspensorium“, 

2) Nach Ava. Mtuuzr ,,Dorsalstrahlen“. 

3) Nach Ave. Mtuier ,,Bauchstrahlen“. 

4) Diesem Forscher war Mecksr’s und Auc. Mtuer’s Arbeit 
bekannt, so daf seine Resultate auf unabhingige Weise entstanden sind, 

5) Von Braupevor ,,Os intercrurale“ genannt. 

6) Genauer Proc. spin. I + intercalary cartilages, vergl. Kapitel: 
Deutung der Claustra, 8. 22 u. 24. 

7) Der Entscheid erfolgte besonders aus der Betrachtung der hierher 
gehérigen Verhiiltnisse in der Familie der Siluroiden, speciell von Silurus 
glanis (Morph. Jahrb., Bd. X, S. 56). 


un- 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 


15 


+s GEGEN- | WIEDERS- |q 
SORENSED uL. | IDORIAK 
SORENSEN WILI aan HEIM SrIDo a 
1890 und 1895 1898 1898 1898 
A pa: <' ee Gn TAL een ae 2 me Cypri- 
: ngs - alle alle i 
Characi- |Cyprinoi- | 7.-).- Gymno- | ay): ; es noid: 
: / Cobitiden Le Siluroiden | Ostario- | Ostario- ; 
niden den tiden Res Sch ok cae Rhodeus 
oy pie? amarus 
 entw.- fe hon ties nach ; 
gesch. | nach An- 
vergl. gesch.und! vergl. vergl. abe eee eas (v Angaben entw.- 
anatom. | vergl. | anatom. | anatom. INE ee Maher H.) (wohl gesch. 
| anatom. | r ; Mion Sede| BBA ee ew) 
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Schlustiick | “se 4 BOO ‘ 
SchluBstiick Schlubstiick 29 pole) Proc.spin. 
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I as | Sa8 I 
aa be : ae. =A LASSE SL ee q 36, : 
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ob. Bogen | i) ais 
II. + verknéchertes| nur verknéchertes Ligament ae er A 
Ligament ae 8s. 
g a) 
: 5 Te . SSSR ae ee) F ms 
Rippen Bei Clarias_u. Ple- nr Sis 5B 
Ill aE costomus Rippen = 5 aod 
; Tl. + verkn, cae A 
Basal- Schwbl. + verkn. 6 g oF 
teil A) der Rippen ILL. eee Bei ae 2 a as 
Rippe +] +verknécherte Schwimmblase |<" ee ae % Fe "ay 
verknoch.| + verknéchertes Ligament |Rippen OL +] 4 gc 
Schwblase Basalteil ge dr| 48 Bo 
B Rippen verkn. as = 
a verkn. Schwbl. 4+ verkn, (a) ne 
Ligament Ligament 
Teilt: diese 
Basalteil '') oder Rippen IV. + Funktion mit! 
I 
verknécherte Schwimmblase anderen 
Knochen 


8) SaGement stiitzt sich zwar auf Befunde an Characiniden (vergl. 
Morph. Jahrb., Bd. X, 8. 55). Er hat jedoch jedenfalls diese Interpre- 
tation verallgemeinern wollen fiir die 4 Ostariophysenfamilien, sonst wiirde 
er nicht die Deutung von Forschern, welche ihre Resultate gar nicht beim 
Studium der Characiniden erlangten, als irrig hingestellt haben. 

9) ,,With the possible exception of the claustra no distinct or ossi- 
fied intercalary elements are ever present.“ Proc. of the Roy. Soc., 
Vola XLVE, 1890, 1p. 811. 

10) Die Autoren fassen p. 261 den ,,horizontal process“ am_ ,,Inter- 
ealarium“ (Incus Wep.), wenn er vorhanden, als ,the modified transverse 
process of the second vertebra“ auf. Daf dem nicht so ist, hat SORENSEN 
schon in seiner zweiten Arbeit S. 101—102 iiberzeugend nachgewiesen. 
(Siehe auch dessen dritte Arbeit 8. 112—113.) 

11) Oder Processus transversus. 


16 Leopold Bloch, 


uns von keinem Forscher eine Mitteilung vorliegt. Ferner besitzt 
der zweite Wirbel (selbst bei den Characiniden, die Sacummnn ge- 
priift) einen echten Processus transversus. Allein wenn an einem 
Wirbelkérper ein Proc. transv. vorhanden ist, dann ist die Rippe 
an diesem und nicht am Wirbelkérper  befestigt. (Dies hat 
SORENSEN (63), vom Fétus Galeichthys feliceps Cuv. et Van. aus- 
gehend, 8. 101, 102 bewiesen; vergl. auch die dritte Arbeit S. 112, 
113.) Es war dies schon BraupgEtnot’s (3) leitender Gesichtspunkt 
bei der Deutung der Incudes gewesen. Er schreibt p. 333: ,. . . le 
disque simple qui, chez la Carpe représente les corps de la 
seconde et de la troisieme vertébre réunis, se trouve ici (bei der 
Nase) formé de deux segments parfaitement distincts et séparés 
par une cavité articulaire. Au segment antérieur s’attachent deux 
apophyses transverses comme chez la Carpe et les deux enclumes 
(Incudes Wes.); sur le segment postérieur s’articulent les deux 
marteaux et les deux branches élargies de lare supérieur. De 
cette fagon chaque disque vertébral ne supportant plus que deux 
paires d’appendices, se trouve ramené au type normal Beano het 
weiter unten ,Les enclumes sont les branches de Vare supérieur 
de la seconde vertebre, dont l’arc inférieur est représenté 
par deux longues apophyses transverses soudées au 
corps vertébral.“ Ueber die Verhialtnisse bei Catostomus (Cyprinoid) 
der auch von Wricut (73) untersucht wurde schreibt derselbe 
BraupELot p. 334: Chez les Catostomes, les branches de l’are 
supérieur de la seconde vertébre (enclumes) offrent une parti- 
cularité que je ne puis omettre de signaler. Chacune de ces piéces 
est devenue tout a fait rudimentaire, la tige au moyen de laquelle 
elle doit s’articuler normalement avec le corps vertébral a disparu 
et Vosselet se trouve représenté par un simple nodule osseux en- 
chassé vers le milieu du tendon, qui s’étend de l’extrémité an- 
térieure du marteau au sommet de létrier. Cette position isolée 
d’un rudiment d’arc de verteébre, en dehors de la colonne 
vertébrale, est du plus haut intérét. Elle nous montre 
combien le principe des connexions exige de prudence 
dans ses applcations, et combien, dans certains cas il serait 
dangereux de se laisser guider par ce principe seule, sans tenir 
compte en méme temps des regles de la morphologie.“ — An 
dritter Stelle kann angefiihrt werden, da Cyprinoiden, Chara- 
ciniden und Gymnotiden als Reste des unteren Bogensystems am 
zweiten Wirbel echte Processus transversi tragen. Was giebt es 
iiberhaupt Natiirlicheres, als anzunehmen, daf die Incudes die Stelle 
der fehlenden oberen Bogen des zweiten Wirbels 
einnehmen? Leicht liefen sich iibrigens noch mehr Griinde fir 
unsere Auffassung anfiihren. Die obigen drei mégen indessen 
genugen. 


Deutung der Claustra. Da es mir durch das Studium 
der Litteratur klar wurde, da8 gerade heute noch nicht Zuver- 
lassigkeit bei der Interpretation der Claustra angenommen werden 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 17 


kann, so habe ich mich entschlossen, bei der Wichtigkeit des 
Gegenstandes, die Griinde dieser meiner Ansicht eingehend darzu- 
legen. Wer sich nicht speciell fiir dieselben interessiert, auf den 
werden sie ermiidend einwirken und man wird gut daran thun 
auf S. 28 weiter zu lesen. Es gentige zu wissen, daf die Claustra 
mit der unserigen fiinf verschiedene Deutungen erfahren haben, 
von denen, wie mir scheinen will, nur eine bis jetzt mit Sicher- 
heit als unrichtig erkannt wurde. Aus diesem Grunde belegen 
wir die Claustra mit dem Namen SchluSstiicke I, weil sie ver- 
mutlich denselben Ursprung haben, wie jene von ihren zugehérigen 
Neuralbogen gesonderten Knochenstiicke (Schlufstiicke), welche 
caudalwirts von ihnen gelegen sind und die den Riickenmarks- 
kanal bei den Ostariophyseae tiber den ersten 3 oder 4 Wirbeln 
oberseits abschlieBen (vergl. Fig. 4 el, sl IZ, si II). 


Und nun zur Beleuchtung der verschiedenen Interpretationen. 
— Von Ava. Miurr (46), der ja die Claustra bei jungen Tieren 
nicht wahrgenommen hat, kénnen wir absehen. — Auch jene 
Forscher Grasst (28) und Sacempxn (57), die schon von SdRENSEN 
(63) S. 87—89 in jeder Hinsicht widerlegt wurden, sollen uns hier 
nur kurz beschaftigen. Grasst schrieb nimlich 8. 461 (vergl. auch 
Tabelle): ,,.Das Claustrum scheint mir vom Schiadel ableitbar“, 
und dies ohne jede weitere Beweisfiihrung. Sacemenu griindete 
seine Auffassung, da8 die Claustra der Occipitalregion des Craniums 
angehéren, auf Verhialtnisse, die sich auf den Austritt der Spinal- 
nerven beziehen. Doch Sé6rensen wies ihm nicht nur nach, dab 
er falsche Schliisse zog, sondern er fand auch gleich Srannivs'), dab 
bei ein und derselben Art der erste Spinalnerv bald aus dem Os 
occipitale austreten kann, bald zwischen Cranium und erstem Wirbel 
und daf mithin es gefaihrlich sein kann, einseitiges Gewicht auf 
den Nervenaustritt zu legen, wie dies Sacumunut that. Die Deutungen 
von Grasst und Sacement sind also in der Folge entschieden nicht 
mehr zu_ beriicksichtigen. — Ferner muff gesagt werden, daf in 
Bezug auf die Interpretation der Incudes die Ansichten von 
Bravupexor (3), Nuspaum (49), auch von Grasst (28) in Bezug auf 
die Schlufstiicke, Wrient (73), Bripcr und Happon (7) und Sipo- 
RIAK (60) zwar teilweise unter sich auch nicht ibereinstimmend, 
von derjenigen S6RENsEN’s abweichen. Inwieweit, das werden 
wir bald sehen. Doch will es uns scheinen, daf die eben ge- 
nannten Forscher, die ja selbstindige Untersuchungen anstellten, 
nicht ohne weiteres des Anspruches bar zu betrachten sind, 
die Claustra richtig interpretiert zu haben. — Um letztere Be- 
hauptung zu stiitzen, muf ich mir schon erlauben etwas eingehender 


1) Ueber das peripherische Nervensystem des Dorsch, Gadus 
calarias. Miuuer’s Arch f. Anat. u. Physiol., 1842, 8. 328. 
Bd XXXIV, N. F. XXVIL 2 


ol 


18 Leopold Bloch, 


auf Fragen zu sprechen zu kommen, die auf den ersten Blick als 
nicht zur Sache gehérig erscheinen méchten. Wir haben bei der 
Besprechung des normalen Wirbels (vergl. 8. 4) von Nem. barb. 
erfahren, daS der Dornfortsatz gleichsam das spitz ausgezogene 
Ende der vereinigten oberen Bogen bildet. Bei jener Gelegenheit 
wurde absichtlich nicht auf den Bildungsmodus der Dornfortsatze 
im alleemeinen hingewiesen. Wir wollen dies hier nachholen, da 
gerade dies vermutlich dazu berufen ist, auf die Interpretation der 
Claustra bestimmend einzuwirken. — Nicht bei allen Wirbeltieren 
sind die oberen Bogen fest mit den Dornfortsitzen verwachsen. 
Bei niedrigen Formen, z. B. beim Stére (Acipenser) kommt es vor, 
daf zeitlebens zwischen die dorsalwarts sich nicht beriihrenden 
oberen Bogen getrennte Stiicke gelagert sind. Gérrn (25, Bd. 15, 
S. 446) hat von keinen anderen einfachen unpaaren Staiben, welche 
iiber dem Neuralkanal des Stéres liegen sollten, gesprochen, da- 
gegen hat er bei jener Gelegenheit hervorgehoben, daf diese unpaaren 
Stibe den Namen Dornfortsitze nicht verdienen, da sie eine andere 
Bildungsweise besitzen als die Dornfortsitze der Teleostier. Es 
kénnen dieselben mithin kaum etwas anderes sein, als die ,Ossa 
imparia“ SdrensEn’s (63), von denen dieser letztere annimmt, daf 
sie den Schlufstiicken der Ostariophyseae homolog sind, wenn er 
S. 90 schreibt : 


»»olutstykker“ har jeg kaldt 
disse Knogler, som afslutte Ryg- 
marvskanalen foroven. Med Villie 
har jeg givet dem dette in- 
differente Navn, fordi jeg ikke 
gjerne vilde opfore nogen egent- 
lig Homologisering mellem dem 
og den ene eller den anden 
Slags af de hos lavere Fiske 
(Holocephaler, Plagiostomer, Aci- 
penser) forekommende discrete 
Stykker af Hvirvelbuerne — de 
saakaldte Ossa intercruralia og 
Ossa imparia, da Opfattelsen af 
disse vistnok endnu lader endeel 
tilbage at onske. Naermest 
forekomme de mig at 
svare til Ossa imparia 
hos Acipenser.“ 


Ueber denselben Gegenstand 
Leuciscus rutilus L. (Cyprinoid, 


»»ochlufstiicke“ habe ich diese 
Knéchelchen genannt, welche 
den Riickenmarkskanal oben ab- 
schliefen. Mit Absicht habe ich 
ihnen diesen indifferenten Namen 
gegeben, weil ich nicht gerne 
eine eigentliche Homologisierung 
zwischen ihnen und der einen 
oder anderen Art von den bei 
niederen Fischen (Holocephalen 
Plagiostomen, Acipenser) vor- 
kommenden diskreten Stiicken 
der Wirbelbogen — den sogen. 
Ossa intercruralia und Ossa im- 
paria auffiihren wollte, da die 
Auffassung dieser noch gewil 
teilweise zu wiinschen ibrig 
lagt. Zunachst scheinen 
sie mir den Ossa imparia 
des Acipenser zu ent- 
sprechen.‘ 


laut Befunden an einem jungen 
vergl. die nebenstehende Copie 


der SérEnseEn’schen Fig. 1.; Bezeichnungen unwesentlich abgeiindert, 


wodurch sie mit unseren 


,allgemeinen Bezeichnungen“ iiberein- 


stimmen) schreibt Sérmnsen S. 89: 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 19 


»At Knoglen cli Fig. 1 er 
,Claustrum“, anseer jeg for 
utvivlsomt, da den har den 
samme Stilling til 
stapes“ som hos 
de voksne Dyr. 
Men det er til- 
lige ojensynligt, 
at Knoglen cl, der 
ligger i Flugt 
med slII, og 
Shes ter» lat 
samme Natur som 
disse, med andre 


Ord: at'*,,Clau- 
strum“ er 1ste 
Hyirvels —_,,Slut- 
stykke“.“ 


Biovale 


»Dak das Knichelchen cl in 
Fig. 1 das Claustrum ist, sehe 
ich fiir unzweifelhaft an, da es 
die gleiche Stel- 
lung zum_ ,Sta- 
pes“ wie bei den 
erwachsenen Tie- 
ren hat, aber das 
ist zugleich au- 
genscheinlich, dai 
das Kniéchelchen 
cl, welches in der- 
selben Flucht mit 
SELLE: und > sir 
liegt, von gleicher 
Natur ist wie 
diese; mit ande- 
ren Worten: daf 
das Claustrum das 


Schlufstiick des 
ersten Wirbels 
ist.“ 


Es ist namentlich auch nétig, daf{ man die folgende Aeuferung 
Sodrensen’s (lc. 8. 90) im Auge behalt: 


,Om ,,Slutstykkerne“ i det Hele 
taget fra Begyndelsen ere parviis 
optraedende Knogler, some senere 
smelte sammen, eller om de oprin- 
deligt ere uparrede, er mig ube- 
kjendt; men at ,,Claustrum‘ hos 
de voksne optraeder som parret, 
er ialtfald et senere ,,Forhold* ; 
thi paa dette Trin var det upar- 
ret.“ 


»Ob die SchlufSstiicke 
im Ganzen genommen von 
Anfang an paarweise 
auftretende Knéchelchen 
sind, welche spiater ver- 
schmelzen, oder ob sieur- 


spriinglich unpaar sind, 
ist mir unbekannt; aber 
daf das ,Claustrum“ bei den 


Erwachsenen paarig auftritt, ist 
in allen Fallen ein sekundires 
Verhaltnis; denn auf dieser Stufe 
(Fig. 1) war es unpaar.“ 


Da die Claustra nach Sérensmn hervorgegangen sind aus einem 


unpaaren Schlufstiick, so versuchen wir in der Folge, wenn wir 
von den Schlufstiicken im allgemeinen sprechen, zugleich die 
Claustra (paariges Schlufstiick I) zu interpretieren. Daf die 
Claustra der Siluroiden homolog sind mit denen der Characiniden 
und Cyprinoiden, hat nicht nur Sérensen (8. 88) zugegeben, 
sondern es hat dies schon SaGumMpHt angenommen. Auch die 
anderen in Frage kommenden Forscher diirften, selbst wenn dies 
nicht ausdriicklich gesagt wird, dieselbe Ansicht gehabt haben. 
Infolgedessen kénnen wir uns schon berechtigt sehen, die Befunde 
iiber Schlufstiicke bei den Ostariophyseae zu verall- 
gemeinern. Und wenn es nun gelingen sollte, den Wahrschein- 


20 Leopold Bloch, 


lichkeitsbeweis zu erbringen, dafS die Schlufstiicke allge- 
mein bei den Ostariophyseae kaum aufzufassen sind 
als Homologa der Ossa imparia, so dirften wohl 
auch die Claustra nicht mehr aufgefa&t werden als 
solche, da sie, wie wir jetzt ja wissen, das paarig gewordene 
Schlufstiick I sind. — Wir haben es, wenn wir von der Betrach- 
tung unserer tabellarischen Zusammenstellung absehen, bis jetzt 
nur mit der einen unwiderlegten Deutung der Claustra zu thun 
gehabt, mit der von SdrEnsEN, welcher Forscher sagt: die Claustra 
scheinen ihm den Ossa imparia des Acipenser zu entsprechen. 
Drei Jahre spiiter, 1893, erschien die sehr ausgedehnte dritte Pu- 
blikation v. Bripce und Happon (8). Diese Forscher ignorierten 
die Interpretation der SchluBstiicke durch SdérpnsEN, indem sie auf 
S. 260 in ihrer Tabelle einfach den S6rensen’schen Ausdruck 
,iste Hvirvels Slutstykke“ durch ,Neuralspine I.“ ersetzen, ohne 
daf sie bei jener Gelegenheit der Auffassung von S0RENSEN ent- 
gegentraten, oder ihre eigene Ansicht von 1890 (vergl. Tabelle 
S. 15, Fufnote 9) verfochten, welche sich in Uebereinstimmung zu 
befinden scheint mit der Auffassung von Wricut, wie spiater ge- 
zeigt werden soll. Einem solchen unmotivierten Ersetzen eines 
Ausdruckes durch einen anderen, welcher gar nicht denselben Begriff 
darstellt, trat SOrpnspN in seiner dritten Arbeit (8. 110) mit Recht. 
entgegen, indem er schrieb: ,As to the ,,claustrum“ on the contrary, 
T have been careful not to call it a neuralspine, 
and I have shown that atthe first 3 or 4 vertebrae 
in the Ostariophyseae (in other Physostomi only at the first 
vertebra) there exists a separate ossicle, which sometimes 
forms part, sometimes not, of the spinal canal, and which as far 
as I can judge is homologous with the ossa imparia 
in the Acipenser.“ — Bei aufmerksamer Priifung dieser Erwide- 
rung SéreNnsEN’s gegen Bripce und Happon ergiebt sich folgendes: 
SORENSEN verwahrt sich gegen die Auslegung von BripGk und 
Happon, wonach die Claustra aufgefaft werden sollen als Neural- 
spine I. Infolgedessen kann man nicht umhin, auch anzunehmen, 
da SérenspN den normalen Processus spinosus der Ostariophyseae als 
nicht homolog betrachtet wissen wollte zu den Ossa imparia 
des Stéres. Mit anderen Worten: es geht aus seiner Darlegung 
hervor, daf die normalen Processus spinosi der Ostariophyseae 
nicht homolog sind zu den Ossa imparia, wohl aber die 
Schlu&stiicke. Kénnen wir aber mit gutem Gewissen behaup- 
ten, da’ die Schlugstiicke sich nicht auf dieselbe Weise bilden 
wie die normalen Dornfortsatze? Es ist mir kein Forscher be- 
kannt, welcher speciell auf diesen entscheidenden Punkt Gewicht 
legte und es hat auch kein mir bekannter Forscher (es ware denn 
Grasst, welcher sich auf entwickelungsgeschichtlichem Forschungs- 
wege mit der Bildung der Dornfortsitze oder der Schlufstiicke be- 
faite) absolut entscheidende Thatsachen vorgebracht, kraft derer wir 
uns zur SOreNsEN’schen Aufassung hinneigen kénnten. Doch priifen 
wir nun einmal das, was uns ferner iiber die Schluistiicke und die 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 21 


Claustra der vorderen Ostariophyseenwirbel bekannt ist. Braupunor 
(3, p. 833) schreibt: ,,Les claustrum ne sont autre chose qu’un os 
intercrural partagé en deux, et dont les moitiés, trés-rudimentaires, 
sont restées séparées sur la ligne médiane; cette détermination 
s’apuie sur ce fait, que les arcs supérieurs de la seconde et de la 
troisiéme vertebre se trouvent également complétés par une piéce 
intercrurale, et sur cet autre que chez le Silurus glanis les claustrum 
sont constitués par deux lames triangulaires allongées, dont les 
sommets viennent se mettre en contact sur la ligne meédiane 4). 
SORENSEN nennt ohne weiteres 8S, 74 das ,Os intercrurale“ BraupE- 
Lor’s ,oberes Schlufstiick.« Es ist mir unbekannt, ob in dem ,Os 
intercrurale“ zu Braupenor’s Zeit ein Homologon zu einem Os 
impar des Acipenser gesehen wurde. Allein es muf darauf hinge- 
wiesen werden, daf Bravuprnor nicht absolut mafgebend sein kann 
bei der Interpretation dieser Schlufstiicke, da er vergleichend- 
anatomisch und nicht entwickelungsgeschichtlich, welch letztere 
Untersuchungsart wohl allein ausschlaggebend sein diirfte, arbeitete. 
Auch Bringer und Happon (7) haben sehr richtig erkannt, daf die 
Natur der Weser’schen Kniéchelchen sich nicht sicher erkennen 
]aft an erwachsenen Tieren, wenn sie 8. 240 schreiben: “As tar as 
this family (die Siluroiden) is concerned comparative anatomy is of 
but little use in the discussion of this question and embryology 
is the only line of investigation which offers any prospect of a 
satisfactory and final solution of the problem.“ Somit kénnen 
wir behaupten: Brauprnor liefert der Sérunsun’schen Auffassung 
kein entscheidendes Argument. — Nuvspaum (49) schreibt 8. 556: 
» - +. die oberen Bogen dieses (des ersten) Wirbels sind in Stapes 
und sein Processus spinosus in Claustrum umgewandelt. 

. seine (des zweiten Wirbels) oberen Bogen stellen die paarigen 
Gehorknéchelchen (Incudes) vor, von welchen der Processus 
Splnosus ganz getrennt ist. Der dritte Wirbel hat normal 
entwickelte obere Bogen und Processus spinosus,.... . «Diese 
Resultate erlangte Nuspaum beim Studium von jungen Cyprinoiden. 
Es ist infolgedessen kaum anzunehmen, da er je an eine Homo- 
logie der Schlufstiicke (Dornfortsiitze) mit den Ossa imparia des 
Stéres dachte?). Bis jetzt kennen wir also zwei unwiderlegte 
Interpretationen der Claustra. Nach Sdrensen sind letztere Homo- 
loga zu den Ossa imparia, nach Nusspaum der umgewandelte Proc. 
spin. I. Es folgt noch eine dritte Deutung. — Wrienr (73): 
Wahrend Sorensen die Intercruralknochen (BraupELor’s), d. h. seine 
Schlufstiicke als Homologa der Ossa imparia betrachtet, so deutet 
sie dieser, wenn anders ich ihn richtig verstanden habe, als Dorn- 


1) SdérENsEN zeigte, da letzteres bei Silurus nicht der Fall ist. 

2) Es fehlt mir bedauerlicherweise die Kenntnis der aus- 
fiihrlichen Arbeit itiber den namlichen Gegenstand, welche in 
polnischer Sprache, die ich leider nicht verstehe, in der Zeitschrift 
»Kosmos“, Lemberg 1883, erschienen ist. 


22 Leopold Bloch, 


fortsitze, mit denen noch knorpelige Reste verschmolzen sind, die 
homolog waren zu den Interkalarbogen der Selachier: 
denn er schreibt p. 248: “The spinous processes of several of 
the anterior vertebrae in the Cyprinoids are set on ‘intercrurally’: 
they are in part formed of elements comparable to 
the intercalary cartilages described by Goerrrs (25) in 
the Pike“ (Hecht) (vergl. auch Monographie iiber Amiurus). Zu 
erwahnen ist an dieser Stelle noch, daf vermutlich Bringe und 
Happon, denen die Arbeit von Wriaur schon 1890 (6) bekannt 
war, durch letzteren beeinfluft, sich auf die Weise fuferten, wie es 
in Anmerkung 9 unserer tabellarischen Zusammenstellung S. 15 
zu finden ist. Und Gérre (25 Bd. 16, 8 128—29): ,Ich sah 
dort namlich bei 3 ctm langen Hechtchen 2 langliche Knorpel- 
stiicke liegen, welche in der Medianebene zwischen dem Liings- 
bande und dem Riickenmarkskanal sich beriihrten, seitlich aber 
sich abwarts bogen und an der Innenseite der Wirbelbogen endeten, 
ohne noch mit ihnen verwachsen zu sein.... Wir haben also 
in diesen paarigen, von oben etwas hinabziehenden und mit den 
eigentlichen Wirbelbégen wenigstens andeutungsweise alternierenden 
Knorpelstiicken, welche sich unter dem Langsbande vereinigen, 
Homologa der Interkalarbégen der Selachier anzu- 
erkennen ....“ An der Behauptung Wricur’s ist kaum mit all 
ihren Konsequenzen festzuhalten, denn es will mir scheinen, daf 
dieser Forscher absolut keine Beweise fiir sie vorbringt. Er sagt. 
uns sonst nirgends etwas, daf getrennte paarige Knorpelstiicke mit 
einem Dornfortsatze verschmelzen, obschon er am jungen Amiurus 
Beobachtungen anstellte. Und wenn er auch dies wirklich gesagt 
hatte, so wiirde er noch nicht bewiesen haben, daf jene paarigen 
Knorpelstiicke (G6rre) Homologa zu den Interkalarbogen der 
Selachier sind. In der That gelingt es uns, die fraglichen Knorpel- 
stiicke anders zu interpretieren, Sie sollen uns vorlaufig ausschlief- 
lich beschaftigen. Diese fraglichen Knorpelstiicke haben auger 
Gérrp und Wrieut auch noch Srannivs (67, lic. 8. 25—26), Grasstr 
(28, S. 462—63) und ScunExt (58, 8. 19—20) zu schaffen gegeben, 
haben aber eine andere Deutung erfahren. Scuepr’s sehr wahr- 
scheinlich richtige Auffassung ') ist folgende: ,Oberhalb des Riicken- 
marks, zwischen ihm und dem Ligamentum longitudinale superius ent- 
steht ungefihr zu der Zeit, wenn das obere Ende der Neurapophyse 
die Hiéhe des Markes erreicht hat, jederseits an der Innenwand 
des Bogenknorpels, von demselben unabhingig, aber in seiner 
nichsten Nahe, ein kleines Knorpelstiick, welches sich als Decke 
auf die Dura mater auflegt. Bei Forellen von 26 mm Lange liegen 
diese Knorpelstiicke nahe an dem Bogen, fast in ihn itibergehend, 
nur durch das Perichondrium von ihm getrennt (Fig. 12 Br). Sie 
lassen dorsal vom Riickenmark in der Medianlinie einen breiten 


1) Sie ist bis jetzt, soweit ich es beurteilen kann, nicht wider- 
legt worden, 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 23 


Spalt zwischen sich, welcher von Bindegewebe ausgefiillt ist. 
Ueber letzterem liegt das dorsale Liangsband. Bei gréferen Tieren 
(Salmoniden) von 27—80 cm Linge sind beide Knorpel- 
stiicke1) einander mehr entgegengewachsen; dadurch 
ist der Spaltraum zwischen ihnen verengert worden, doch persistiert 
er, selbst nach ihrer Verknécherung; seitlich reichen sie ungefihr 
um ein Drittel der Hihe des Markes abwirts, immer dicht parallel 


5 TAC: 


Fig. 2. Kopie SCHEEL’s, Fig. 12, 
Taf. 2. U.Fl Trager der Riicken- 
flossenstrahlen, Z/.s Ligament. longi- 
tudinale superius, Sr Verbindungs- 
briicke der oberen Bogen, zwischen 
dorsalem Liingsband und Riickenmark, 
O.B oberer Bogen, M Riickenmark, 
Ch Chorda. 


Fig. 2. 


an der Innenseite der Bogenschenkel anliegend. Gorre fand jene 
Knorpelstiicke beim Hecht. Aus dem Umstand, ,,,daf sie nicht 
genau in derselben Querebene wie die eigentlichen Wirbelbogen, 
sondern mit einem Abschnitt vor demselben lagen, so da sie von 
vorn her zwischen diese eingeschoben und mit ihnen andeutungs- 
weise zu alternieren erschienen““, folgerte er, ,,,,da man in ihnen 
Homologa der Interkalarbogen der Selachier anzuerkennen hat.“ “ 
Grasst (27 und 28) beschreibt die betreffenden Gebilde bei Salmo- 
niden und halt sie fiir Homologa der Dornfortsitze. Diese Auf- 
fassung scheint mir eben so unrichtig zu sein, wie die von GOrts, 
und ich finde durch meine Priaparate die Ansicht von Stannius (67) 
bestitigt, dai die Verbindungsbriicke, die durch jene Knorpelstiicke 
tiber dem Riickenmark gebildet wird, den eigentlichen dorsalen Ab- 
schluf{ der Neurapophysen darstellt. Bei vielen Teleostiern (Anguilla, 
Conger, Silurus, Esox, Clupea und andern) bilden niamlich die 
oberen Bogen, indem sie zwischen dem Nervenrohr und dem dor- 
salen Lingsband durch eine Querbriicke verbunden sind, einen 
doppelten Kanal, je einen fiir das Riickenmark und fiir das Lings- 
band. Diese quere Verbindungsbriicke der oberen Bogen iiber der 
Medulla ist auch bei den Salmoniden angedeutet, nimlich in den 
beschriehenen kleinen Knorpeln, nur daf sie hier nicht zu solcher 
Ausbildung gelangt, wie bei den anderen erwahnten Knochenfischen. 
Sie muf den urspriinglich dorsalen Verschlu8 iiber dem 
Riickenmark gebildet haben, das wird durch die Untersuchung 


1) Vergl. auch Gérrn, Lage der Knorpelstiicke. 


24 Leopold Bloch, 


jiingerer Forellenstadien wahrscheinlich gemacht.“ — Daf nun die 
Schlufstiicke (Intercruralknochen) nicht ausschliefSlich aus 
von Wriaur offenbar falschlich bezeichneten Homologa der Inter- 
kalarbogen der Selachier sich bildeten, sondern zugleich auch 
aus normalen Dornfortsatzen, diese Annahme steht einer- 
seits nicht im Widerspruch mit obigem Citat Wricut’s, andererseits 
hat er dies auch auf 8. 249 selbst zugegeben, wenn er schreibt: 
As decribed above the neural arches (I.) “are converted into the 
Stapedes, and the spinous process into the Claustra.“ Wenn es 
uns gelungen ist, Wricut beztiglich der Interpretation 
der “intercalary cartilages“, die er konsequenterweise auf sich 
genommen hat, ziemlich sicher zu widerlegen, so diirfte aus dem 
Vorhergegangenen, um zu resumieren, anzunehmen sein, daf keine 
Teile an den Intercruralknochen (SchluS8sticken) 
als homologe Reste der Intercruralbogen der Sela- 
chier zu erkennen sind und ferner, dass Wrinet nie an 
eine Homologisierung der Intercruralknochen mit 
den Ossa imparia des Acipenser (Sérpnsen) dachte. — 
Steht es nun aber eben so sicher fest, daf jene Knorpelstiicke nun 
tiberhaupt gar keine Beziehung zu den Schlufstiicken erlangt haben? 
Finden wir irgendwo eine Angabe, wie sich die unpaaren knorphgen 
Schlufstiicke bilden? Keineswegs. Soviel ich sehen kann, giebt 
uns aufer Wricut, weder Grassi, Sconret (welch’ letzteren diese 
Frage von nebensichlicher Bedeutung war) noch auch S6RENSEN 
irgendwelchen Aufschluf. Sdrmnsen hat ja sogar ausdriicklich 
hervorgehoben (vergl. das Citat S. 19 dieser Abhandlung), daf es 
ihm nicht bekannt sei, ob die Schlu&stiicke von Anfang 
an paarweis auftretende Knéchelchen seien, die 
spater verschmelzen, oder ob sie urspringlich un- 
paar seien. Ueberall, wo wir uns auch hinwenden, werden wir 
tiber die Natur der schon fertig gebildeten Schlufstiicke unter- 
richtet, aber nirgends, wie sie sich anlegten. Hier ist somit eine 
Liicke und der Knoten der Frage. Stellen wir alles zusammen, 
was iiber die schon gebildeten Schlufstiicke bei jungen Tieren be- 
kannt und vergleichen wir dies mit Befunden von ScuEeL, so wird 
diesen Schlufstiicken einiges von ihrem Ratselhaften benommen, 
und wir miissen dann bei einer Interpretation kaum mehr Zuflucht 
nehmen, weder zu den weithergeholten Interkalarbogen der Selachier 
(Wricut, GOérrr), noch zu den Ossa imparia des Acipenser (S6- 
RENSEN). — Wricut fand, daf (die SchluS8sticke) ,the spinous 
processus of several of the anterior vertebrae“ teilweise aus Ele- 
menten gebildet seien, die zu vergleichen sind mit den von G6rTTE 
beim Hecht beschriebenen ,intercalary cartilages“, was in Zweifel 
zu ziehen wir keine Ursache haben, von denen wir jetzt zufolge 
Scuren jedoch annehmen miissen, daf sie iiber dem Riickenmark 
den eigentlichen urspriinglichen dorsalen Abschlu8 
der Neurapophysen darstellen. — Ferner findet Grassi 
(28) 8. 463: , Auch die beiden Stiicke (Schlufstiicke II und IIT 4), 


1) Vergl. Tabelle. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 25 


welche das Riickenmark der ersten Wirbel bedecken, entwickeln 
sich bei den Cyprinoiden knorplig; das vorderste dieser Knorpel- 
stiicke verliert sich in dem vordersten Ende des Ligamentum ver- 
tebrale superius, das zweite bedeckt das Ligamentum selbst. Wegen 
dieser Lagerung kann man die besprochenen Stiicke nicht mit den 
anderen oben beschriebenen (der Salmoniden) vergleichen.“ Dieser 
Forscher wiirde also nicht anstehen, diese Knorpelstiicke (Schlu8- 
stiicke) mit jenen zwischen dem Mark und dem Liga- 
mentum longitudinale superius bei den Salmoniden 
beschriebenen zu vergleichen, wenn nicht die verschiedene 
Lagerung ihn davon abhalten wiirde. Wir wissen schon von frither 
her (S. 6), daf im Bereich der vorderen Wirbel Umgestaltungen 
keine Seltenheit sind, diese Bedenken infolgedessen nicht zu sehr 
in die Wage fallen diirfen. Betrachten wir aber die Schlufstiicke 
von jenem Standpunkte, wie Grassi es fast selbst gethan hatte 
(d. h. vergleichen wir die Schlufstiicke mit den bei den Salmoniden 
vorkommenden Knorpelstiicken), so findet man in Erinnerung an 
Scuns.’s Citat (S. 22), dai die Schlufstiicke bei den Cyprinoiden 
nichts anderes darstellen kénnen, als den eigentlichen dorsalen Ab- 
schlu8 der Neurapophysen itiber dem Riickenmark. Und warum 
kénnen die diskreten Schlufstiicke in keinem Falle aus- 
schlieSlich umgebildete Dornfortsitze eines normalen Wirbels 
sein? Einfach deshalb, weil die normalen Dornfortsiatze, obschon 
sie diskret, sofort knéchern auftreten: nicht so die Schlubstiicke. 
— Scuren (l.c. S. 16) schildert in trefflicher Weise die Bildung 
der Dornfortsitze beim Cyprinoiden Rhodeus. Wir wollen einiges 
hiervon hier wiedergeben: ,Bei Rhodeus von 8 mm Lange 
reicht der Knorpel des oberen Bogens im 5. und 6. Wirbel etwa 
bis zu ah Hohe des Riickenmarkes; der obere seitliche und dor- 
sale Verschluf iiber letzterem wird durch fibrillares Bindegewebe 
bewirkt, welches in das Perichondrium der Neurapophysen iiber- 
geht.f 2. ~Be Rhedeus vonglO mm. Lange... .-:4 Hier 
sind innerhalb jener Bindegewebsstrange, welche bei 8 mm langen 
Tieren die oberen Teile der Neurapophysen bildeten, sehr diinne 
Knochenspangen gebildet, deren untere Enden hutartig auf dem 
oberen Abschnitt der Bogen ruhen .... Bei Rhodeus von 
14—16 mm Linge .... Die Knochenspangen, welche ihren 
oberen Abschluf bildeten, sind starker geworden, nach unten ge- 
wachsen und umgeben den knorpeligen Teil wie ein Mantel .... 
In den folgenden Wirbelbezirken werden die Bogen immer kiirzer, 
der Bogen des 13. und 14. Wirbels entwickelt nur noch wenige 
Knorpelzellen in seiner Basis. Vom 15. Wirbel an sind die Neurapo- 
physen direkt kniéchern gebildet. Sie werden also nur im Vorder- 
und Mittelrumpf knorplig priaformiert und der Knorpel nimmt von 
vorn nach hinten zu an Menge ab.“ Hs ist bezeichnend, daf 
Scueet erklart: der Knorpel nimmt von vorn nach hinten zu an 
Menge ab“; und 8. 22—23 ,abgesehen von den vier ersten 
Wirbeln ist in den beiden folgenden am meisten Knorpel aus- 
gebildet“. Jener dorsale urspriingliche Abschluf, welcher bei den 


26 Leopold Bloch, 


Salmoniden im Vorder- und Mittelrumpf unabhingig von den 
Schenkeln der knorpligen Neurapophysen iiber der Medulla und 
unter dem Ligamentum longitudinale superius entsteht, vermag 
sich bei den Cyprinoiden mit Ausnahme der vorderen 3 Wirbel 
deshalb nicht mehr zu bilden, weil die Dornfortsitze, welche auch 
die phyletisch jiingere Bildung darstellen (ScuEEL 8. 21), sich so- 
fort knéchern anlegen und die knorplig vorgebildeten Neurapo- 
physen véllig einhiillen, noch ehe sie Zeit gefunden, die Bildung 
der diskreten Knorpelstiicke (,,intercalary cartilages“ Wricut), wie 
sie bei den Salmoniden zu finden sind, von statten gehen zu lassen. 
Im Bezirke der vorderen 3 Wirbel hat sich wohl die phyletisch altere 
Bildung, d. h. die Bildung des urspiinglichen dorsalen Abschlusses 
des Riickenmarkrohres, noch erhalten, in der Form jener diskreten 
oberen Schlufstiicke, die in Uebereinstimmung mit allen bekannten 
Autoren sich knorplig anlegen, jener Schlufstiicke. die SérmnsmN 
als Homologa der Ossa imparia betrachtete. — Es ist mir zwar nicht 
bekannt, ob je speciell bei den Cyprinoiden (Grassi!?) Gymnotiden 
und Characiniden jene phyletisch altere quere ,, Verbindungsbriicke“ 
(die urspriinglich diskreten Knorpelstiickchen) erwahnt oder ge- 
schildert wurde, allein fiir die verwandte Ostariophyseen - Familie 
der Siluroiden wissen wir dies (vergl. Citat Scuernn’s 8. 23 
dieser Abhandlung). Die Zusammengehorigkeit der 4 Ostario- 
physeen-Familien wird heutzutage niemand mehr bezweifeln wollen, 
so daf also auch wenigstens an den vordersten 3 Wirbeln jener 
Fische, die den iibrigen 3 Ostariophyseen - Familien angehéren, 
das Vorhandensein des Homologons zu der_,, Verbindungsbriicke“ 
sehr wahrscheinlich sein wird. Mit andern Worten: im Bereich 
der vordersten Wirbel kann héchst wahrscheinlich die phyletisch 
altere Bildung sich noch unbeeinfluf’t von der phyletisch jiingeren 
entwickeln. Hier diirften also wohl bei allen Ostariophyseae jene 
»intercalary cartilages‘ Wricut’s, d. h. die diskreten paarigen 
Knorpelstiicke Scurst’s zu finden sein. Da diese knorplig prafor- 
miert sind, die normalen Dornfortsitze, wie wir jetzt nach ScHEEL 
wissen, aber sofort knéchern auftreten, so wird folgende Vermutung 
iiber die wahre Natur der Schlufstiicke nicht unméglich sein: 


Kurz nach der Entstehung der diskreten Knorpelstiicke 
(SCHEEL’s), ,,the intercalary cartilages“ (WricHT’s) mégen diese 
in der Medianebene zusammenschmelzen, dagegen ihren Zusammen- 
hang mit den eigentlichen Neuralbogen nie gewinnen (Ossa im- 
paria SOreNSEN’s). Auf diese héchst einfache Weise mag wohl 
die Bildung der diskreten oberen Schlufstiicke vor sich gehen. 
Ob alle ausschlieBlich knorplige Priéformation aufweisen, erscheint 
mehr als fraglich. Jedenfalls thun dies eher die vorderen; denn 
es ist sehr bezeichnend, dali das vorderste unpaare SchluSstiick I 
(wenn es diskret), soviel mir bekannt, niemals Reste einer 
Spina zeigt, dagegen (so auch bei Nem. barb. u. a.) noch das 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 27 


hinterste. Vermutlich deshalb, weil das hinterste bei seiner Ent- 
stehung schon durch die phyletisch jiingere Bildung noch beein- 
flu’t wurde, Daf diese ihrerseits zum mindesten etwelchen An- 
teil nimmt an der Bildung des hintersten Schlufstiickes, diese 
Annahme mag damit begriindet werden, daf das Schlufstiick II 
z. B. auch bei Nem. barb. u. a, eine so gewaltige Spina besitzt. 
Wir wissen ja wenigstens von einem Angehorigen der Ostario- 
physeae, dafi der Proc. spin. des normalen Neuralbogens aus- 
schlieflich die phyletisch jiingere Bildung repriisentiert. Ob nicht 
auch vielleicht bei Nem. barb. in der gewaltigen Spina des Schluf- 
stiickes III (Fig. 2 s/ III) die eigentlichen Reste der Dornfort- 
sitze I, If und If zu suchen sind, kann natiirlich hier nicht 
entschieden werden. — Da wir uns berechtigt glauben, voraus- 
setzen zu diirfen, da8 die Schlufstiicke im allgemeinen 
keine reinen Dornfortsatze sind, — sonst kénnte ihre 
Anlage (wenigstens wie es teilweise sicher der Fall ist) keine 
knorplige sein — noch auch im allgemeinen reine 
Derivate der Knorpelstiickchen Scueet’s, sowohl riick- 
sichtlich Wrieut’s Schilderung (vergl. S. 22 und 24 dieser Ab- 
handlung), also auch in Hinblick darauf, da SchluBstiick III eine 
gewaltige Spina besitzt bei Nem. barb. und vielen anderen, die 
auf eine Anteilnahme der phyletisch jiingeren Dornfortsatzbildung 
schliefen lat, so wird es angezeigt sein, vorliufig an der darge- 
legten Autfassung tiber die SchluBstiicke festzuhalten, auch wenn 
wir mit den neuesten Angaben nicht iibereinstimmen und zwar 
einfach deshalb, weil kein Forscher, so viel uns bekannt, auf den 
Vergleich zwischen SchluSstiick und Dornfortsatzbildung bei ein 
und demselben ostariophysen Tiere eingetreten ist. Leider hat 
auch SCHEEL (1.c. 5. 16), dem allerdings diese Fragen von neben- 
sichlicher Bedeutung waren, kein Licht verbreitet, denn er 
schreibt nur: 


, Wie bei den iibrigen Cyprinoiden, treten auch bei Rhodeus 
die 4 ersten Wirbel vermittelst ihrer oberen Bogen und Dornfort- 
sitze resp. ihrer Rippen zum Gehérorgan in Beziehung und ver- 
binden dieses mit dem Vorderende der Schwimmblase. Genannte 
Wirbelbestandteile werden zu diesem Zwecke modifiziert (WrEBER- 
scher Apparat); sie verlieren ihre funktionelle Bedeutung und 
bleiben deswegen hier unberiicksichtigt.“ 


Wir neigen, wie schon angedeutet, zu der Auffassung hin, 
daf bei ein und demselben Tier kein Schlufstiick sich bei der 
Bildung gleich verhailt wie das andere, was zugleich auch die 


28 Leopold Bloch, 


verschiedene Form erklirt. Jedenfalls scheint aber festzustehen, 
dafi es vor der Hand gewagt ist, die ein oder andere Weise der 
bestehenden Homologisierungsversuche der Schlufstiicke zu billigen, 
und wenn es auch uns nicht gelingen konnte, ohne entwickelungs- 
geschichtliche Studien die Schlufstiicke mit Sicherheit zu inter- 
pretieren — weshalb wir diesen indifferenten Namen Schlu8- 
stiicke beibehalten — so haben diese ziemlich weitlaufigen 
Auseinandersetzungen ihren Zweck doch erreicht, wenn sie zu 
erneuter Priifung Anlafi bieten, damit auch die vordersten Glieder 
in der paarigen Wrper’schen Knochenkette — die Claustra — 
richtig interpretiert sind. Nach unserem Dafiirhalten allerdings 
sind die Claustra wohl ausschlieBlich Derivate jener 
Knorpelstticke, wie sie von Scueet fiir die Salmo- 
niden (vergl. S. 22 dieser Abhandlung) beschrieben wurden. 

Nachdem ich dieses Kapitel eben vollendet hatte, gelangte ich 
in den Besitz der Arbeit von Srportaxk (60). Auch dieser Forscher 
(S. 94) fat die Claustra, speciell auf Grund von Untersuchungen 
an Rhodeus amarus (unser zweigeteiltes Schlufstiick J) auf als 
Processus spinosus. Auf 8. 98 dufert er sich: Ueber die ana- 
tomischen Verhiltnisse, die bei einem ganz erwachsenen Bitterling 
existieren, und tiber den Bau und die Entwickelungsgeschichte der 
Knéchelchen, die sich viel spiater aus der die hinteren Aussack- 
ungen umhiillenden skelettogenen Schicht differenzieren und den 
Zusammenhang mit der Schwimmblase bedingen, hoffe ich in einem 
anderen Aufsatze Naheres mitteilen zu kénnen.“ Es ist zu wiinschen, 
dafi in dieser angekiindigten Arbeit, Srportax’s Auffassung der 
Claustra, mit der wir vorlaufig aus den schon angefiihrten Griinden 
noch keineswegs iibereinstimmen miéchten, durch die nétigen Belege 
gestiitzt wird. 


Wir wollen nun die 


4. Morphologische Betrachtung der vorderen 
Wirbelelemente 


an Hand der Figuren weiterfiihren. In der Reihenfolge der Be- 
schreibung ersterer, beziehungweise deren Abkémmlingen, kénnen 
uns 4 verschiedene Gesichtspunkte leiten. Entweder versuchen 
wir, wie wir zu Anfang vorzugehen beabsichtigten — ehe wir 
uns mit dem kritischen Ueberblick betreffend die Kenntnisse des 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 29 


Wes. Apparates zu beschaftigen hatten — successive von vorn 
nach hinten Wirbel nach Wirbel zu analysieren, bis wir wieder 
auf einen normalen stofen; oder wir betrachten die Wirbel- 
elemente, d. h. deren Abkémmlinge, nach ihrer jeweils einheitlichen 
Funktion, oder wir schildern das, was uns die Betrachtung der 
Wirbelséiule an ihrem vordersten Abschnitt von verschiedenen 
Seiten offenbart; oder endlich wir besprechen vergleichsweise die 
als homolog zu betrachtenden Elemente der vordersten Wirbel 
nacheinander serienweise durch. — Wir schlagen vorerst den 
zuletzt angedeuteten Weg ein, werden indessen bei unserer mor- 
phologischen Beschreibung zugleich auch die funktionelle Be- 
deutung der einzelnen Knochenstiicke einheitlich ins Auge fassen. 


A. Wirbelkoérper. 


Ueber dieselben aft sich nicht viel sagen, denn wir haben 
schon friiher den ersten beschrieben, und wiederum der finfte 
(wahre) Kérper gehért einem normalen Wirbel an. Wir miissen 
uns mithin iiberhaupt nur noch beschaftigen mit der Beschreibung 
des oberen, nicht typisch ausgebildeten Bogensystems I, dem 
zweiten falschen (hervorgegangen aus der Verschmelzung, d. h. 
Synostose des wahren zweiten und dritten Wirbels) und mit dem 
(wahren) vierten Wirbel. 

Wirbelkérper IH. Obschon falsch, ist derselbe trotzdem 
nur ungefihr ?/, so lang wie der Kérper des (wahren) vierten 
Wirbels (Fig. 5 IZ), welcher normale Gréfe besitzt. Bei einem 
Exemplar gelang es mir, makroskopisch genau eine Linie als 
Grenze zwischen urspriinglich zweitem und drittem (wahrem) 
Wirbel festzustellen (Fig. 8 *). Man kann daraus ersehen, dal 
der Kérper Il sehr klein ist. Zwischen den beiden verschmolze- 
nen Wirbelkérpern ist kein Rest der Chorda, welche intervertebral 
sonst wohl zu finden ist, tibrig geblieben, wie ich mich an mikro- 
skopischen Langsschnittpraiparaten iiberzeugen konnte. Die Kérper 
II und III sind also innig miteinander verschmolzen, indem 
auch bei mikroskopischer Betrachtung nur noch eine Linie, welche 
urspriinglich zweiten und dritten (wahren) Wirbel trennt, wahrzu- 
nehmen ist, d. h. die gleiche Linie, welche wir an einem Exemplar 
schon makroskopisch festzustellen imstande waren. — Oberseits, 
jedoch getrennt voneinander, befinden sich eher hinter der geo- 
metrischen Mitte des zweiten Wirbelkérpers 2 seichte Gruben, 


30 Leopold Bloch, 


in welchen die Basalteile der Neuralbogen III (Fig. 8 A JIZ) ein- 
gesenkt sind. 

Wirbelkérper IV. Entspricht einem normalen Wirbel- 
kérper insofern nicht, als dessen zugehérige Bogen nicht mit 
ihm untrennbar verschmolzen sind. 

Wirbelbogen V gehért einem normalen Wirbel an, ent- 
spricht also der Schilderung, die wir friiher gegeben haben. 


B. Oberes Bogensystem. 


Schlu8stiticke. Beziiglich der Auffassung und Nomen- 
klatur derselben verweise ich auf den kritischen Ueberblick, be- 
treffend die Kenntnisse der Wes. Knéchelchen (8. 16, Deutung 
der Claustra). 

Schlu&sttick I von Nem. barb. ist, wie bei allen Ostario- 
physeen-Familien, wo es als diskretes Knéchelchen vorkommt, 
paarig und, wie wir bereits wissen, repriisentieren diese paarigen 
Stiicke die Claustra (Figg. 2, 4, 6, 7, 8, 9, 10: cl) des WEBER- 
schen Apparates. Diese, die ursprtinglich dorsalwarts vom Neural- 
rohr gelegen sind, gleich wie die tibrigen unpaaren Schlufstiicke 
noch beim Erwachsenen, haben sich seit- und ventralwirts des 
Neuralrohres gegen den Wirbelkérper hin verlagert, jedoch so, 
dafi bei Nem. barb., der héchste Punkt des Stiickes links itiber 
dem Neuralrohr, denjenigen des Stiickes rechts gerade noch be- 
riihrt (Fig. 4 cl). Dieser Umstand verhindert, daf Schlufstiick 
II und III (Fig. 2, 4: st ZZ. und sl IIL.) sich cranialwarts 
tiber die Héhe der obersten Punkte der Claustra verschieben. 
(Die Beschreibung der Form samtlicher |paariger] Gliedstiicke 
des Weper’schen Apparates von Nem. barb. erfolgt zusammen- 
hangend im Kapitel: Morphologie des Wes. Apparates.) 

Schlu&Sstick II (Figg. 2, 4, 8, 9, sl IZ) ist gleich wie 
SchluSstiick III unpaar und liegt als diskretes Knochenblattcken 
tiber dem Neuralkanal. Von oben gesehen, hat es eine abge- 
rundet trapezoedrische Form (Fig. 4). Der vordere Rand des 
Schlufstiickes II reicht kaum bis an das erste Drittel des zweiten 
(falschen) Wirbelkérpers hinan. 

Schlu&-stiick III (Figg. 2, 3, 4, 5, 6, 7 st ITZ) schlieft 
sich direkt caudalwarts (iiber dem Neuralrohr) an das Schluf- 
stiick II an. Es besteht aus zwei miteinander einheitlich ver- 
bundenen Teilen. Aus einer basalen, schwach gewélbten, oblongen 
Platte, die das Neuralrohr bedeckt und an ihrem vorderen 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 31 


Ende an die Hinterkanten des Schlufstiickes II direkt anschlieft, 
und aus einer in der Medianebene gelegenen ,,Spina‘‘, welche 
cranialwirts bis iiber die Hohe des ersten Wirbels hinausreicht 
(Figg. 4, 5). An seinen hinteren Randern grenzt Schlufstiick I 
an die Neuralbogen IV gerade dort, wo sie sich in einen normal 
geformten Processus spinosus fortsetzen. 

Die Neuralbogen der normalen Wirbel sind bei Nem. 
barb., wie wir wissen, mit ihren korrespondierenden K6rpern un- 
trennbar verschmolzen; nicht so die Bogen der vorderen Wirbel. 

Neuralbogen I. (Figg. 2, 4, 6, 7, 8, 9 st) sind nicht 
typisch entwickelt; sie bilden die Stapedes des WrseEr’schen 
Apparates und stehen mit ihrem Wirbelkérper in gar keinem Zu- 
sammenhange mehr, denn sie haben sich nach riickwarts verlagert, 
sitzen am vorderen oberen Rande des zweiten (falschen) Wirbel- 
kérpers auf und bleiben vollstindig beweglich. (Formschilderung: 
Morphologie des Wrs. Apparates). 

Neuralbogen II (Figg. 8, 9, 10 2) sind bei Nem. barb. 
zu finden als Rudimente. Ueber ihre Beziehung zum Wes. Apparat 
bei den Ostariophyseae im allgemeinen vergl. Kapitel: Deutung 
der Incudes (S. 13 dieser Abhandlung) und Morphologie des 
Wes. Apparates. 

Die Neuralbogen III (A III. Fig. 8) bleiben diskret, 
d. h. sie verschmelzen mit dem zweiten (falschen) Wirbelkérper 
nicht. Die unteren Enden derselben sind ungefahr beiderseits der 
Wirbelkérpermitte als kurze dicke Pflécke in konische Vertiefungen 
des Koérpers eingesenkt. Man kann genau eine Naht zwischen 
(falschem) Koérper II und nicht weggetrenntem Neuralbogen III 
beobachten. Die seichten Gruben der Wirbelkérper, in denen die 
Basalpartien der Bogen eingesenkt waren, werden sichtbar, 
wenn man die Bogen HI vom Ko6rper trennt, was relativ leicht 
gelingt. Die normale Form der Neuralbogen III kann beim er- 
wachsenen Tier, abgesehen davon, dafi sie keinen normal ent- 
wickelten Processus spinosus besitzen, nicht mehr wahrgenommen 
werden, da diese durch eine Sehnenverknécherung (Aponeurose, 
Figg. 2, 4, 5, 6, 7, 8 a), von der spater noch die Rede sein soll, 
beeinflugt wurde. Nur soviel sei hier erwihnt, da’ ein Teil der 
Aponeurose in Fig. 8 @ weggebrochen gezeichnet wurde, so dab 
der basale Teil des rechten Neuralbogens II (A IJ7) zu Gesicht 
kommt. Den oberen Endflachen der Neuralbogen III, die durch 
die Aponeurosen yerbreitert sind, lagert sich die vordere Halfte 
des seitlichen Randes von Schlufstiick II an (Figg. 2, 4). Mit 


32 Leopold Bloch, 


der Knochenkapsel stehen die Neuralbogen in keinem Zusammen- 
hang. 

Neuralbogen IV sind bei den normalen Cyprinoiden auf 
die gleiche Weise diskret entwickelt wie die Neuralbogen IIL. 
Nach Groppen (29) sind sie bei Nem. barb. (S. 12) untrenn- 
bar mit dem Kérper verbunden. Das Gegenteil diirfte wohl 
richtig sein. Durch starke Maceration sind sie relativ leicht 
vom Kérper trennbar, was bei den Neuralbogen normaler Wirbel 
nie gelingt. Also auch die Neuralbogen IV sind bei Nem. barb. 
oberseits des zugehérigen Koérpers in dort befindliche Gruben 
eingesenkt. Sie tragen, wie schon friiher bemerkt, einen normal 
entwickelten Dornfortsatz. Auferdem kann man an denselben 
noch zwei accessorische Knochenfortsaitze (Figg. 3, 4, 6 af) be- 
obachten, wie sie an den normalen Neuralbogen nicht zu finden 
sind. Dergleichen Gebilde wurden schon von Srannius (67, 8. 27) 
erwihnt. Sie scheinen der Muskulatur als Anheftungspunkte zu 
dienen. Es ist noch zu bemerken, daf die Neuralbogen IV in 
keiner Weise Beziehungen erlangt haben zu der Knochenkapsel, 
was uns namentlich Fig. 3 sehr schén zeigt, wo dieselben sich 
von der Knochenkapsel deutlich abgesetzt erweisen. 

Neuralbogen V. Da diese einem normalen Wirbel ange- 
héren, so wissen wir von ihnen, daf sie mit dem Wirbelkérper 
verschmolzen sind. Bei den normalen Cyprinoiden, d. h. jenen 
mit unmodifizierter Schwimmblase, findet dies sonst am fiinften 
Wirbel nicht statt. 

Riicksichtlich der Verbindung der vorderen Neuralbogen mit 
den Wirbelkérpern lat sich zusammenfassend folgendes anfiihren: 
Die Bogen I und II, die nicht typisch ausgebildet sind, haben 
ihre Beziehung zu den Wirbelkérpern géinzlich aufgegeben; bei 
den Bogen III und IV besteht eine gelockerte Verbindung und 
erst bei den Bogen V und den nachfolgenden findet sich eine 
Verschmelzung mit den Korpern. 


C. Unteres Bogensystem. 


Wihrend fiir das obere Bogensystem konstatiert wurde, daf 
die normalerweise innige Verbindung der Wirbelelemente unter 
sich und zu den Wirbelkérpern im Bereich der vordersten Wirbel 
gelockert erscheint, so kénnen wir in Bezug auf das untere 
Bogensystem (mit Ausnahme der Mallei) gerade das Gegenteil 
behaupten. Alle diese Zustande scheinen lediglich auf den Wechsel 
funktioneller Bedeutung zuriickfiihrbar zu sein. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 33 


Unteres Bogensystem I= Proc. transversus + Ligament- 
verknécherung (Figg. 2, 4, 5 A), was falschlich von Jaquet (40) 
»premiére cote cervicale“ bezeichnet wurde. 


Unteres Bogensystem II (Figg. 2, 4, 6 pt ID) wird 
bei den Cyprinoiden reprasentiert durch grofe Processus trans- 
versi. Die entsprechenden Gebilde bei Nem. barb. haben mit 
der Schwimmblasenkapsel (vergl. Kapitel iiber dieselbe S. 43), 
die zum gréferen Teil eine Verknécherung der Schwimmblasen- 
haut, d. h. der Serosa, darstellt, eine innige Verschmelzung erlangt, 
zwar doch so, daf’ deren Form noch zu erkennen ist. 


Unteres Bogensystem III. Die Basalpartien der 
Rippen II. verschmelzen beiderseits unkenntlich mit dem zweiten 
(falschen) Wirbelkérper, so daf sie nicht mehr zur erkennen sind. 
Die eigentlichen Rippen III, die Mallei des Weser’schen 
Apparates, sitzen ihrer Basalpartie beweglich auf (Fig. 7, 8, 9, 
10 m). Formerklirung siehe Kapitel: Morphologie des Wes. 
Apparates. 

Unteres Bogensystem IV (Fig. 7 péIV) ist bei den 
normalen Cyprinoiden ein typisches ,,Os suspensorium“ (vergl. 
Anmerkg. 1 der tabellarischen Zusammenstellung tiber die Inter- 
pretation d. Wes. Kn.). Bei Nem. barb. ist es mit dem Ké6rper 
des vierten (wahren) Wirbels starr verbunden; aber es_befindet 
sich im Gegensatz zum Proc. transv. II eine feine Linie, welche 
den Kérper vom Proc. transv. abgrenzt. Sie ist nur (aber deut- 
lich) bei auferster Sorgfalt der Beobachtung zu erkennen. (In 
den Figuren nicht sichtbar!) Diese Proc. transv. IV sind mittelst 
dicker, zugespitzter Fortsitze jederseits in Gruben des Wirbel- 
kérpers IV eingesenkt. Da im iibrigen diese Proc. transv. IV 
gleich wie jene des zweiten Wirbels mit der Knochenkapsel ver- 
schmolzen sind, so wird es von Vorteil sein, tiber den Zusammen- 
hang von Proc. transv. II und IV mit der Knochenkapsel erst 
bei Betrachtung letzterer das Nahere zu erfahren. 

Wir sehen, daf die Derivate des unteren Bogensystems 
simtlicher vier vorderer, modifizierter Wirbel im wesentlichen 
(die Mallei, die ,,Hauptstiicke des Wes. Apparates‘‘ SAGEMEHL’S 
nicht ausgenommen) Stiitzpunkte der Teile, mit denen sie ver- 
bunden sind, zu bieten haben, und daf speciell das untere 
Bogensystem II, III und IV mit der Schwimmblase Beziehung 


erlangt hat. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 3 


34 Leopold Bloch, 


D. Morphologie des Weber’schen Apparates. 


Die erste Notiz, die ich ttber den Wrs. Apparat von Nem. barb. 
finden konnte, riihrt von Rosenruan (55) 1816 (vergl. S. 10 Anm. 3) 
her. Seine Angaben sind gewif den Thatsachen wenig entsprechend. 
Er schreibt in seiner Erklarung zu Taf. 10 folgendes: ,,Das sibel- 
formige Knochenstiick (Malleus Wns.) fehlt, doch ist das gestielte 
Becherchen!) (Stapes Wes.) vorhanden, welches hier unmittelbar 
mit der inneren, die knécherne Blase auskleidenden Haut zu- 
sammenhingt.“ Wie schon friiher gesagt wurde (8S. 9), hat Rosun- 
THAL auch bei Cyprinus nur 2 Knéchelchen abgebildet, und wir 
wissen doch, daf dort 4 vorhanden sind. — Webesr (70) 1820, 
der eigentliche Entdecker des nach ihm benannten Apparates, driickt 
sich 8. 67, wortlich iibersetzt, foloendermafen aus: ,,Die drei vor- 
deren Wirbel von Nem. barb. sind gegen das Gehérorgan hin aus- 
gezeichnet mit einem Apparat von gleicher Gestalt wie bei Cob. 
(Misgurnus) fossilis.“ Daf auch diese Auffassung nicht ganz richtig 
ist, wird die nachherige Beschreibung des Apparates erweisen. 
Ob Weser bei Nem. barb. denselben itberhaupt genau untersuchte, 
kann nicht sicher entschieden werden, doch hat er keine Ab- 
bildungen davon gegeben und auger dem oben Citierten nichts 
weiter davon erwihnt. — Vanencrennes (12) 1846 (Cuv. et Vat.) 
hat wahrscheinlich dasselbe Knéchelchen (Malleus) gesehen, wie 
RosentHaL: ,,. . . lenveloppe osseuse de la vessie aérienne“, 
schreibt er (p. 19), ,est une sorte d’hypertrophie des lames verti- 
cales de la carpe. LHlles cachent un trés-petit style osseux, long 
tout au plus d’une demi-ligne, qui est l’os de Wuezser.“ — 
GropBEeNn (29) 1875, dem die Schilderung des Wersur’schen Appa- 
rates von untergeordneter Wichtigkeit war, hat in seiner Arbeit 
von oberen (Neural-)Bogen I gesprochen, nichts aber gezeichnet 
oder gesagt, daf sie durch 2 paarige diskrete Knochenstiickchen 
(Claustra und Stapedes Wes.) reprasentiert sind. Ferner sagt er 
von Cob. (Misgurnus) fossilis, der die gleichen Verhiltnisse auf- 
weise wie Nem. barb. (S. 11): ,,Der zweite (unser falscher) Wirbel 
besitzt einen Kérper von normaler Gréfe mit doppelten Conis, an 
den sich trennbar die Neurapophysen und Neurospina anfiigen.“ 
Dies ist zweifellos ein Irrtum (Groppen kannte die Verschmelzung 
des zweiten und dritten Wirbels bis fast zur Unkenntlichkeit noch 
nicht und faft unseren zweiten (falschen) Wirbel als normalen auf). 
Er hat jedenfalls unser Schlufstiick II oder aber die Aponeurose 
als Neuralbogen IL und Schlufstiick III als Neurospina bezeichnet. 


Dies sind alle Angaben, die ich tiber den Weser’schen 
Apparat von Nem. barb. finden konnte. Es war mir nicht még- 


1) RosmnrHan hat aus nachher erklarlicher Ursache im Malleus 
ein becherférmiges Knéchelchen erblickt, was nicht richtig ist. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 35 


lich, eine vollstandige Abbildung oder richtige Schilderung des- 
selben kennen zu lernen. Wie wir aus dem Vorhergegangenen 
ersehen kénnen, decken sich die Beschreibungen keineswegs; allein 
es ist nicht ganz unbegreiflich, wenn den Forschern die Kennt- 
nis vom genauen Bau des Wes. Apparates hier verborgen blieb, 
denn die Gesamtlainge desselben betragt kaum mehr als 1 mm, 
und von diesem paarigen Apparat ist nur die cranialwirts ge- 
legene Partie sichtbar, indem die caudale von jenen zwei diinnen 
Knochenplattchen tiberdeckt ist, welche, wie friiher erwahnt, mit 
den Neuralbégen III verschmolzen sind und die wir als Apo- 
neurosen aufzufassen haben (Figg. 2, 4, 6, 7, 8 a). Es wird 
jetzt an der Zeit sein, auch hiertiber noch Naheres zu erfahren. 
Bei den tbrigen Cyprinoiden besteht nimlich eine Aponeurose, 
welche sich im Umkreise der grofen Oeffnung des Os occipitale 
laterale tiber die WrBer’schen Knéchelchen ausbreitet. Bei Nem. 
barb. ist die Aponeurose caudalwarts befestigt an Bogen und 
Schlufstiick III, an der dorsalen Wandung der Knochenkapsel 
(genau deren vorderem Drittel) + Proc. transversus II. Der 
knécherne Teil dieser Aponeurose findet hinter dem ersten Wirbel 
seine craniale Grenze (Fig. 4), so da8 bei Macerationspraparaten 
noch Claustra und Stapedes blo8 liegen. Mit ihrem unverknécherten 
Teile ist sie mit dem Occ. laterale verschmolzen. Erst nachdem 
man z. B. die Lamelle rechts, den Proc. transv. IJ + Knochen- 
kapsel weggebrochen hat, wird der Neuralbogen III und die 
rechte Halfte des Wrprr’schen Apparates in seiner ganzen Aus- 
dehnung sichtbar (Fig. 8). 

Die Claustra sind relativ grof und zerfallen in zwei Teile, 
von denen in der Seitenansicht (Figg. 2, 7 u. 8 cl) nur der obere, 
ein wenig schraig hinter dem Stapes gelegene sichtbar ist. An 
ihrem oberen hinteren Rande stofen die Claustra an das unpaare 
Schlufstiick If, ohne mit ihm verschmolzen zu sein. Die unteren 
Partien derselben liegen innerhalb der muschelig geformten 
Raume der Stapedes (vergl. Fig. 9, Vorderansicht) und umschliefen 
die Atria sinus imparis (WEBER). 

Die Stapedes haben die Form muscheliger Schalen (,,concha‘ 
Weper) (Figg. 9, 10). Eigentlich sollten sie, wie dies bei den 
normalen Cyprinoiden der Fall ist, je zwei Fortsatze tragen, 
welche schon von Weser fiir Cyprinus carpio ausfiihrlich und 
richtig beschrieben wurden (vergl. dessen Fig. 9,10). Es besteht 
je ein unterer, welcher in ein Loch der oberen Seite des ersten 
Wirbels eingelagert ist, und ein oberer Fortsatz, der sich an 


36 Leopold Bloch, 


den Neuralbogen III anlehnt. Diese beiden Fortsatze erméglichen 
es dort, dafi sich der Stapes um sie wie um eine Achse drehen 
kann. Es ergiebt sich auch aus dieser Schilderung ohne weiteres 
die Lage der Stapedes bei den normalen Cyprinoiden. Bei Nem. 
barb. stehen die Stapedes indessen in gar keinem Konnex mehr 
mit dem Kérper des ersten Wirbels, was davon herriihrt, dal 
nicht nur die beiden Fortsaétze verschwunden sind, sondern auch, 
daf die Stapedes sich bis hinter den vorderen oberen Rand des 
zweiten (falschen) Wirbels verlagert haben (Figg. 4, 8). Ihre 
stark konkave Seite wenden sie proximal — sie nehmen ja die 
unteren Teile der Claustra auf — ihre konvexe distalwirts. 

Am unteren hinteren Ende dieser konvexen Aufenseite triagt 
jeder Stapes ein kleines Knépfchen, welches zur Befestigung eines 
Ligamentes (A Figg. 8, 9, 10) dient, das bei den Ostariophyseae 
ganz allgemein jederseits zwischen den Neuralbégen I, II (Stapedes, 
Incudes) und den Rippen III (Mallei) [oder bei den Characiniden 
ihren Basalpartien: SORENSEN 63], ausgespannt, und das sehr 
widerstandsfaihig und elastisch ist. An jenen Stellen, wo 
das Ligament an die genannten Knéchelchen grenzt, ist es selbst 
verknoéchert, so daf eine innige Verschmelzung zwischen dem 
Ligament und den typischen Skeletteilen zustande kommt, was 
natiirlich nicht ohne Einflu8 sein kann auf funktionelle Eigen- 
schaften. Allein auch noch in anderer Hinsicht hat dieses Liga- 
ment Bedeutung erlangt. Durch dessen Verknécherung in der 
Nahe der Skeletteile ist letzterer mehr oder minder typische 
Form in Mitleidenschaft gezogen worden, wodurch ein ganz eigen- 
artiges Geprige zustande kommen kann. 

Vor allem sind es die Incudes (Figg. 8, 9, 10 2), welche 
durch ihre Formvariationen unser Interesse beanspruchen. Schon 
von AuG. Miuuer (46, 1. c. 8. 288) wurde die Thatsache fest- 
gestellt, da die Incudes (Neuralbégen II) bei ihrer Entstehung, 
anstatt sich normalerweise flichenhaft zu entwickeln, horizontale 
Fortsatze lateralwarts treiben. Bei der Mehrzahl der Cyprinoiden, 
wo die Incudes ihre erheblichste Gréfe erreichen, sind deren 
Horizontalfortsaitze eingelagert in die breiten Ligamente zwischen 
Stapedes und Mallei, so daf} dadurch Verknécherungen in den 
Ligamenten zustande kommen, welche als adhiirierende Teilstiicke 
der Incudes betrachtet werden miissen, die aber selbst gréSer sind 
als die medianen Knochenpartien, welche mit dem zweiten 
(falschen) Wirbelkérper noch in Zusammenhang stehen und die 
als eigentliche Neuralbégen II aufgefaft werden miissen, indem 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 37 


letztere noch an der Begrenzung des Neuralkanales teilnehmen. 
Allein wir wissen schon von frither her (BEAUDELOT, 3), daB bei 
der Gattung Catostomus keine Teile der Incudes mehr an der 
Begrenzung des Neuralkanales partizipieren, und daf die Incudes 
dort tiberhaupt nur noch durch einfache knécherne Knépfchen in 
den Ligamenten dargestellt werden. Daf man wirklich in diesen 
Knoépfchen die Rudimente der Neuralbégen II zu erblicken hat, 
geht aus den entwickelungsgeschichtlichen Studien von M. RAmMsAy 
Wricut (74) [Amiurus] und SORENSEN (63) |Galeichthys] unzwei- 
deutig hervor, indem die median urspriinglich angelegten Teile 
der Incudes, welche die eigentlichen Neuralbégen II reprisentieren, 
erst bei der nachfolgenden Entwickelung vollstandig resorbiert 
werden, so daf} nur noch jene Knépfchen im Ligament iibrig ge- 
blieben sind. Das, was wir somit bei Catostomus als Incudes be- 
zeichneten, ist, streng genommen, also nicht ganz homolog 
mit dem gleich genannten Knéchelchen der Cyprinoiden. Diesen 
Grad der Reduktion der Incudes hat nun nicht nur allein die 
Siluroidengattung Catostomus (BEAUDELOT’s), Amiurus (WRIGHT’s) 
und Galeichthys (SGRENSEN’s) erreicht, sondern nach SORENSEN 
(vergl. tabellarische Uebersicht tiber die Interpret. d. Wes. Kn.) 
auch Gymnotiden, Siluroiden und (SORENSEN untersuchte Cob. 
{Misgurnus] fossilis und Nemachilus Strauchii Kessu.) Co bitiden. 
Was nun diese Letzteren anbetrifit, so mul fiir Nem. barb. keine 
Ausnahme gemacht werden. Jedoch giebt es wohl Fische, bei 
denen die Incudes den letzten Grad der Reduktion aufweisen, 
weil in dem Ligament, welches den Stapes mit dem Malleus ver- 
bindet, nicht einmal mehr eine Verknécherung, d. h. der Rest des 
Neuralbogens II zu finden ist!). Eine funktionelle Wichtigkeit 
scheint also die Anwesenheit des knéchernen Knoépfchens nicht 
zu besitzen. 

Die Mallei besitzen proximale Wurzelenden, welche zu beiden 
Seiten des zweiten (falschen) Wirbelkérpers (dessen hinteren Ab- 
schnittes, also des dritten [wahren] Wirbels) artikulieren. Die 
Artikulationsflachen der Mallei liegen in Gruben, welch letztere, 
wie in Tig. 8 angedeutet, umsdumt sind von schmalen, niedrigen 


1) Ein solcher Fall wurde schon von BinHarz 1857 (S. 9) bei 
Malapterurus electricus konstatiert. 1859 erwihnte Retssnur (S. 432 
und Taf. XII, Fig. 6) fiir die Siluroiden Rinelepis und Synodontis 
korrespondierende Verhaltnisse. Ebenso 1890 Sorensen fiir die 
Siluroidengattung Plecostomus (vergl. seine Taf. III, Fig. 34). 


38 Leopold Bloch, 


Knochenleisten (/), die den Zweck haben, ein Vorwartsgleiten der 
Mallei zu vermeiden. Die distalen Enden sind relativ dick und 
abgestumpft. An diese abgeschnittenen Enden heftet sich die 
Schwimmblase. Betrachtet man das distale Ende des Malleus 
rechts (wie in Fig. 7 angedeutet ist) bei hoher Einstellung der 
Lupe von der Seite, so sieht man in der That nichts anderes als 
einen Stiel, der an seinem distalen Ende verbreitert erscheint, 
wodurch wirklich die Vorstellung erweckt wird, als hitte man es 
zu thun mit einem ,,gestielten Becherchen“ (ROSENTHAL, 55). — 
Der Fortsatz am distalen Ende des Malleus fehlt (nach Aue. 
Muuuer, 46, 8. 288 und Fig. 7, Taf. VIII) urspriinglich voll- 
stindig. Wir haben in ihm den verknécherten Teil des Liga- 
mentes zu betrachten, von welchem Ligament wir oben sagten, 
da es die typische Gestalt der Skeletteile modifiziere. Wer je 
jene Wesper’sche Beschreibung der Mallei von Cob. (Misgurnus) 
fossilis gelesen hat, wird zugeben miissen, da riicksichtlich ihrer 
Gestalt bei Misgurnus und Nemachilus von Gleichheit der Mallei, 
wie Weser will, nicht die Rede sein kann. 


5. Morphologie von Schwimmblase und Knochenkapsel. 


Schwimmblase und Knochenkapsel gelangten friiher zur 
Beobachtung als der WrpeEr’sche Apparat, wie dies auch bei ihrer 
relativ bedeutenderen Gréfe zu erwarten ist. Daf an der Bildung 
der Knochenkapsel urspringlich typische Skeletteile partizipiert 
haben, geht schon aus dem friiher Gesagten hervor. Es erwéichst 
uns nun noch der Entscheid der Frage, ob sich auch noch andere 
Elemente bei deren Bildung beteiligt haben. Gelegentlich der 
Besprechung der Wirbelelemente machten wir schon jene Skelett- 
teile, die in Frage kommen, namhaft. Es sind dieselben, welche 
friihere Forscher im Auge hatten, die jedoch aus verzeihlicher 
Unkenntnis der Verschmelzung von zweitem und drittem Wirbel 
falsch interpretiert wurden. 

Schon Jon. Gorrn. Scunerper (Lipsiae) 1789, der Entdecker 
dieser Knochenhiillen, faite letztere auf als blasenformig aufgetriebene 
Querfortsitze. Ebenso Wessr (70) 1820 (der Entdecker des nach 
ihm benannten Apparates), Mrcxrnn (44) 1824 (System, 8. 233), 
RatHKE (51) 1826 (8. 103), Vatencrennes (12) 1846 (in Cuv. et 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 39 


Vau., Bd. 18, 8. 18, 39), C. Bronx (9) 1847 (S. 160), E. Reissner 
(54) 1859 (8S. 430—-431), Hasse (33) 1873 (S. 595). — Indessen wurde 
auch schon friithzeitig, d. h. von Scnunrzn (59) 1818 (S. 369) eine 
andere Ansicht geiufert, dafi namlich die knéchernen Kapseln nicht 
zur Wirbelsiiule gehéren, sondern zu dem Organ, welches sie um- 
schlefen, d. h. zur Schwimmblase. In ahnlichem Sinne dufert sich 
auch Huscuxe (38, 8. 36). Doch wurde diese Ansicht zu jener 
Zeit noch nicht acceptiert, vergl. z. B. Wacner (69) 1834—35, der 
sich auf S. 280 folgendermafen aufert: Bei Cobitis (Misgurn.) 
fossilis wird sie (d. h. die Schwimmblase) ganz von den Quer- 
fortsatzen des dritten Halswirbels eingeschlossen, welche in eine 
Knochenblase verwandelt sind; falschlich glaubte man sonst die 
Hiute der Blase selbst seyen verknéchert.“ 

Es diirfte wohl Lrypre (42) 1853 der erste gewesen sein, 
welcher zeigte, da’ die Knochenhille auf Grund mikro- 
skopischer Untersuchungen als verknicherte aiufere 
Bindegewebsschicht der Schwimmblase, die mit den 
Querfortsatzen verwachsen ist, aufgefakt werden mus. — 
Da’ die bindegewebige Membran der Schwimmblase verkniéchern 
kann wie irgend ein anderes Bindegewebe, ist nichts Auferordent- 
liches; aber wo nun die Verknécherung so ziemlich den _ iiber- 
wiegenden Teil der Schwimmblasenoberflache einnimmt, in der Weise, 
daf auch noch zweifelsohne wirkliche Skelettstiicke adhirierende 
Bestandteile der Verknécherung bilden, da reicht auch fiir uns die 
makroskopische Betrachtung nicht mehr aus, und wir sind ge- 
zwengen, histologische Studien aufzunehmen, wenn wir iiber den 
Bildungsvorgang der Knochenkapsel ins Klare kommen wollen; 
denn es ist in der That schwer zu konstatieren, was von der Ver- 
knécherung der Schwimmblase herriihrt und was von den urspriing- 
lichen Skeletteilen, sowie es sich um eine Verschmelzung beider 
handelt. Wir haben also namentlich jene Forscher zu_ beriick- 
sichtigen, welche der Lésung dieser Fragen auf Grund _histo- 
logischer Studien naiher zn kommen suchten. Da sind anfer Lurnie 
vor allem zu nennen Prof. GrosseEn (29) 1875, gegenwartig in Wien 
(durch dessen Giite ich in den Besitz der diesbeziiglichen Ab- 
handlung gelangte), R. Wrieur (74, 75) 1884 und 1886 und der 
schon so oft citierte danische Forscher Sérmnspn (63, 64) 1884 und 
1890, dessen Arbeiten tiberhaupt wirklich eine solche Fille kor- 
rekter und neuer Gesichtspunkte bieten, daf man staunen muf iiber 
den Scharfsinn und Fleif, den dieser Forscher entwickelt. Und es 
ist nur zu bedauern, dai dessen Forschungsresultate gerade heute 
noch nicht von den modernen deutschen Zoologen in gebiihrender 
Weise beriicksichtigt wurden, was wohl in Zusammenhang zu 
bringen ist mit der Schwierigkeit des Umstandes, die dianische 
Sprache zu interpretieren. — Wir wollen auf die niheren histo- 
logischen Details an dieser Stelle noch nicht eintreten, sondern uns 
vorerst mit der Beschreibung der Gestalt von Schwimmblase und 
Knochenkapsel beschiftigen und auch noch vorher mit der Lisung 
des Problems, wie eine solch ungemein eigenartige Form der 
Schwimmblase (bezw. der Knochenkapsel) zustande kommen konnte. 


40 Leopold Bloch, 


Die Schwimmblase erweckt namentlich bei der Prifung von 
der ventralen Seite den Eindruck eines paarigen Organes, denn 
sie setzt sich zusammen aus 2 blaischenférmigen Sackchen, von 
denen jedes je auf einer Seite der Wirbelsiule gelegen und so- 
zusagen vollstindig in die Knochenkapsel eingeschlossen ist (Figg. 3, 
4, 5, 6). Unter dem zweiten (falschen) Wirbel sind die Kapsel- 
halften durch eine zerkliiftete Knochenlamelle (Fig. 5 knl) ver- 
bunden. Ferner kommunizieren beide miteinander durch einen 
engen knéchernen Kanal, der unter dem vierten (wahren) Wirbel 
liegt (Figg. 3, 4, 5, 6, 7 ck). Dieser steht mit dem vierten 
(wahren) Wirbelkérper in keiner Verbindung. Wie schon oben 
angedeutet, giebt die knécherne Umhiillung die Form ihrer ein- 
und allseitiggeschlossenen Schwimmblase wieder, sodaf also auch 
der quere knécherne Verbindungskanal im Innern durch einen 
membranésen ausgekleidet ist. Der Querdurchmesser der Knochen- 
kapsel erreicht eine Linge von 6—7 mm, d. h. es ist dies die 
Breitendimension des Schiidels in der Occipitalregion; der Lings- 
durchmesser ist nur 4 mm, so daf das ganze Organ eine Knochen- 
masse darstellt, die in die Breite ausgezogen ist. Es sei hier 
noch ausdriicklich hervorgehoben, da, wenn man sich hinreichend 
Zeit gonnt, trotz der Kleinheit bei einiger Uebung die Morphologie 
der gesamten Organisationsverhaltnisse zur Beobachtung gebracht 
werden kann. 

Die Knochenkapsel besitzt zwei paarige Oeffnungen 
und eine vergleichend-anatomisch auferst wichtige unpaare. 
Die eine paarige Oeffnung, die laterale, haben wir schon zu 
Anfang unserer Abhandlung kennen gelernt, den Introitus capsulae 
vesicae (Hasse) (Figg. 1, 2, 3, 4, 6 i.cv.), die, oval mit aufge- 
worfenen Randern, unmittelbar unter der auSeren Koérperhaut liegt 
und eine Gesamtlinge von 2'/,—3 mm besitzt. Dieser Introitus 
capsulae vesicae hat im ferneren noch die Kigentiimlichkeit, durch 
eine sehr schmale Scheidewand oder, besser gesagt, Saule (Fig. 2) 
in zwei ungleich groBe Abschnitte getrennt zu werden. — Die 
zweiten paarigen, medianwarts gelegenen, umgekehrt herz- 
formigen Oeffnungen der Kapsel von ca. 1 mm Linge legen zu 
beiden Seiten der Kérper II (falsch) und IV (Fig. 7, Kapsel auf- 
gebrochen, von der Seite gesehen) und erméglichen eine Beziehung 
zwischen Schwimmblase und endolymphatischem Apparate  ver- 
mittelst der WEBER’schen Knéchelchen. Die distalen verbreiterten 
Enden der Mallei sind an diesen, durch die Schwimmblasenhaute 
verschlossenen Oeffnungen direkt an die Schwimmblase festgeheftet. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 41 


Die Oeffnungen lassen in der Tiefe, wenn die Schwimmblase weg- 
maceriert ist, bei genauer Betrachtung aufer dem Malleus noch 
den Kérper II (falsch) und IV erkennen. — Nun kame die fiinfte 
namhaft zu machende kreisrunde unpaare Oeffnung. Diese 
kann an der Oberfliche des oben erwihnten Querkanales (Fig. 5 2s) 
gefunden werden, was indessen an Macerationspraparaten schwer 
halt, und dies einfach aus dem Grunde, weil (wie Fig. 5 nament- 
lich zeigt) dieser knécherne quere Verbindungskanal aufer dieser 
vergleichend-anatomisch wichtigen, von ca. '/, mm Durchmesser, 
noch eine Menge anderer Oeffnungen von derselben Gré8e besitzt. 
Uns soll jedoch speciell diese fiinfte unpaare Oeffnung noch weiter 
beschaftigen, denn sie bietet die Handhabe zur Erklarung der 
Form und zur Homologisierung der Nemachilus-Schwimmblase mit 
denen normaler Cyprinoiden. Und letztere Fragen wollen wir nun 
behandeln. 

Da zweifellos primiér an der Gestalt der Knochenkapsel 
nicht die Skeletteile der Wirbelsiule schuld sind, sondern 
die ganzliche Umegestaltung des Baues der unverknécherten 
Schwimmblase, so miissen wir die letztere und auch die Gestalt 
der knéchernen Umhiillung in natiirlicher Weise zuriickfiihren 
kénnen auf jenen Schwimmblasentypus, welcher betrachtet werden 
muf als die Ausgangsform, d. i. eine Schwimmblase der Vorfahren 
der Cobitiden, welche unbestreitbar eine entsprechende Gestalt 
gehabt haben muf wie jene, die wir noch heutzutage in der 
Regel bei den normalen Cyprinoiden finden. Als Grund der teil- 
weisen Reduktion der Cobitidenschwimmblase miissen wir die 
Lebensweise der Cobitiden verantwortlich machen. — Die ,normale 
Cyprinoidenschwimmblase“ besteht bei den meisten Cy- 
prinoiden (SAGEMEHL, 57, S. 11—12; Cornina, 11) aus zwei 
hintereinanderliegenden Abschnitten, welche unter sich durch einen 
engen, kurzen Gang (Isthmus) miteinander kommunizieren. Der 
vordere Abschnitt ist sackformig; vom hinteren birnformigen 
zweigt sich der schon friiher erwahnte offene Ductus pneumaticus 
(Luftgang) ab und zwar von der unteren vorderen Flache (vergl. 
schematische Textfigur 11, 8. 47 dieser Abhandlung). Oder mit 
anderen Worten: bei den Cyprinoiden ist der hintere Schwimmblasen- 
abschnitt als eine unmittelbare Fortsetzung oder Erweiterung des 

~Ductus pneum., d. h. als wahre Schwimmblase aufzufassen, 
waihrend der vordere Sack ein Diverticulum (Abschniirung) 
des hinteren ist (SORENSEN, 64, S. 521). — In Bezug auf die 
Anheftungsweise des Diverticulums und die Form der Ossa_sus- 
pensoria vesicae natatoriae (Proc. transv. IV) sei bemerkt, da 


42 Leopold Bloch, 


letztere bei den Cyprinoiden durch kurze, dicke, zugespitzte 
Fortsatze in Gruben beiderseits des (wahren) vierten Wirbelkérpers 
eingesenkt sind. Die Ossa suspens. besitzen zwei Teile: einen 
aiuferen, welcher sich aufen um den Malleus legt und bei den 
Cyprinoiden zu einem rippenihnlichen Fortsatz verlingert ist, und 
einen inneren, welcher die Form einer Platte hat‘), die meist 
mit jener der anderen Seite in der Medianlinie unterhalb des 
Wirbels zusammenstoft, wodurch sich zwischen den Platten und 
dem Wirbelkérper ein Kanal bildet, in dem Aorta und Nieren 
liegen. Die inneren Platten, deren Stellung verschieden sein 
kann, sind als Verknécherungen der auferen Schwimmblasen- 
membran aufzufassen (SORENSEN u. a.), in diesem Falle speciell 
der Haute des Diverticulums, denn nur die obere, vordere Wandung 
des Letzteren ist mit den Befestigungsplatten verschmolzen. — 
Bei den meisten Cobitidenschwimmblasen ist der hintere 
Sack, d. h. das Homologon der wahren Cyprinoidenschwimmblase, 
reduziert, selbst oft so sehr, da’ man makroskopisch nichts mehr 
von ihm nachweisen kann. Dessen vollstiindige Reduktion scheint 
in der That gerade bei Nem. barb. eingetreten zu sein, denn man 
kann makroskopisch keinen hinteren Schwimmblasenabschnitt ent- 
decken, und es ist das, was wir bei Nem. barb. als Schwimmblase 
bezeichnen, nur der dem Diverticulum der normalen Cyprinoiden- 
schwimmblase homologe Teil. Dal dem so ist, werden wir spater 
(vergl. Histologie von Schwimmblase und Knochenkapsel) an der 
Hand histologischer Praparate, durch die Anwesenheit eines Ru- 
dimentes des hinteren Schwimmblasenabschnittes zu konstatieren 
fahig sein. Auf welche Weise erlangte indessen dieses bei 
den normalen Cyprinoiden sackférmige Diverticulum eine Form, 
die den Eindruck erweckt, als ob man es mit einem paarigen 
Organ zu thun hatte? Wir wissen jetzt, da’ bei den normalen 
Cyprinoiden das Schwimmblasendiverticulum mit seiner vorderen 
oberen Seite an die Ossa suspensoria (Proc. transv. IV) angeheftet 
ist. Bei den Siluroiden ist die Schwimmblase nicht nur an die 
Proc. transv. IV festgeheftet, sondern es teilen letztere diese 
Funktion mit denen nachfolgender Wirbel. Und es kann absolut 
nicht als unbegreiflich erachtet werden, wenn die Proc. transv. IV 
von Nem. barb. diese Funktion mit den Proc. transv. II teilen. 
sei den normalen Cyprinoiden ist der Proc. transy. II bedeutend 
ero und gerade abstehend. Er steht jedoch mit der Schwimm- 


1) Wueer, Fig. 5; Hassr, Fig. 2, Taf. XXVITI. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 43 


blase in gar keinem Zusammenhang; anders nun eben der Proc. 
transv. If von Nem. barb. Dessen Schwimmblase (speciell das 
Diverticulum) wurde nach vorwirts geschoben, allein da sie an 
die Proc. transy. IV schon festgeheftet war, so fand sie bei der 
Pressung von hinten nach vorn an denselben einen Widerstand. 
Dieser auferte sich auf die Schwimmblase blof8’ im Umkreise der 
Anheftungsstellen, nicht aber auf die mehr lateralwarts gelegenen 
Partien. Diese vermochten sich ungehemmt nach vorwiirts zu be- 
wegen, bis sie mit den seitlich abstehenden Proc. transv. If zu- 


Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. 
Fig. 3—5. Schematische Darstellung der Umbildung einer 
normalen Cyprinoidenschwimmblasenform bis zur modifizier- 


ten von Nem. barb. (Ventralansicht). Os suspensorium unsichtbar; Ductus 
pneum. nicht eingezeichnet; * = Punctum fixum, 


sammenstiefen. Das friiher offenbar sackformige Diverticulum 
(die jetzige Nemachilus-Schwimmblase) hat bei der gleichzeitigen 
Reduktion des hinteren Abschnittes, d. h. der wahren Schwimm- 
blase eine sekundire Paarigkeit erlangt, indem auf die oben an- 
gedeutete Weise eine mittlere Einbuchtung entstand, die sich bei 
Nem. barb. zu einem relativ engen Querkanal verschmialerte. Erst 
nachdem die Schwimmblase (genau gesagt das Diverticulum) ihre 
definitive Form erlangt hatte, muf sich die Kinkapselung vollzogen 


44 Leopold Bloch, 


haben. Und jetzt wissen wir auch, welche vergleichend-anatomisch 
wichtige Bewandtnis jene fiinfte unpaare Oeffnung (is Fig. 5) 
der Knochenkapsel hat. Der Rand dieser Oeffnung umgrenzt den 
Isthmus, d. h. dessen Homologon, in dessen Nahe wir also ein 
eventuell vorkommendes Rudiment des hinteren Schwimmblasen- 
abschnittes (die wahre Cyprinoidenschwimmblase) zu suchen hitten 
und von wo auch der atrophierte Ductus pneum. sich abzweigen 
sollte. Eine nicht zu unterschatzende Thatsache, die der Er- 
wihnung wert ist, bildet ein Befund (von SORENSEN, 63) an Nem. 
Strauchii. Ich meine das schon friiher erwihnte Vorhandensein 
eines offenen Duct. pneum. an einer Form, welche ungefahr als 
Typus 2 unserer schematischen Darstellung der Umbildung einer 
normalen Cyprinoidenschwimmblase gelten kann, was den hinteren 
Abschnitt, d. h. die reduzierte (wahre) Schwimmblase anbetrifft. 
Dort ist der ,,I[sthmus‘S in einen feinen langen Kanal umgewandelt, 
und der Duct. pneum. miindet in die schon reduzierte hintere 
Abteilung in der Weise, da8 letztere sich hier noch 
als direkte Fortsetzung des Luftganges, d. h. als 
wahre Schwimmblase zeigt. Wie Nem. Strauchii in Bezug 
auf letztere als Zwischenform zwischen der normalen Cyprinoiden- 
schwimmblase und derjenigen von Nem. barb. gelten kann, so 
zeigt sich auch die Schwimmblase von Nem. Strauchii als ver- 
mittelnde Form in Bezug auf den Duct. pneum., indem dieser noch 
offen ist, derjenige von Nem. barb. dagegen nicht mehr (vergl. 
Histologie). — Die eigenartige Form der Schwimmblase von 
Nem. barb. ist, um zu rekapitulieren, im wesentlichen auf zwei 
Momente zurtickzuftihren: erstens auf die Reduktion 
der Schwimmblase, namentlich des dem hinteren Abschnitt 
der Cyprinoidenschwimmblase homologen Teiles, 
und zweitens auf die Anheftung des dem Diverticulum 
der normalen Cyprinoidenschwimmblase homologen Teiles nicht 
nur an den Proc. transv. IV (Ossa susp.), sondern auch zu- 
gleich an den Proce. transv. II. 

Nachdem wir die Bildungsweise der Schwimmblasenform von 
Nem. barb. erklairt haben, kehren wir wieder zuriick zu der 
Beschreibung der Knochenkapsel. Was die mit ihr verschmolzenen 
Wirbelelemente betrifft, nimlich Proc. transy. IL und IV, so labt 
sich fir die Processus .ttransversi II (Figg. 2, 4, 6 pt IZ) 
einmal sagen, daf sie das Aussehen von Querfortsitzen beinahe 
ganzlich verloren haben, indem sie fast auf ihrer ganzen Aus- 
dehnung mit der Knochenkapsel verschmolzen sind. Nur ihre 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 45 


distalen Enden, die ein wenig caudalwirts umgebogen sind, sind 
frei und iiberlagern die dorsale Kapselwandung'‘) (Fig. 2, 4, 6). 
Ihre Umrisse als Proc. transv. sind am besten von vorn betrachtet 
wahrzunehmen (Fig. 6.) — Was die Form der Processus trans- 
versi IV (Ossa suspens.) anbelangt, so haben sie ihre fiir die 
Cyprinoiden beschriebene typische Form giinzlich verloren. Wohl 
sind sie noch, gleich wie die Basalstiimpfe der Rippen diskret 
entwickelt sind, nicht nahtlos verschmolzen mit dem Korper IV, 
allein mit der Knochenkapsel sind sie so innig verbunden, daf 
bei der Betrachtung derselben von aufen und von innen die Form 
derselben unkenntlich ist. Eine Naht im Innern (Fig. 7) laSt wohl 
vermuten, da’ hier ein fremder Teil mit der Knochenkapsel ver- 
schmolzen ist. An jener von Misgurnus (Cob.) fossilis findet sich 
jederseits vorn auf der Unterseite der Kapsel ein ,,Apex processus 
iransversi vertebrae tertiae“ [WrBER| (sive quartae, weil ja der 
zweite ein falscher ist), welcher auch von GROBBEN (29), SORENSEN 
(63), JAquET (40), Jacoss (39), und anderen gesehen wurde. Kin 
solcher findet sich bei Nem. barb. absolut nicht. Dies nur zur 
Berichtigung der gegenteiligen Annahme von Prof. GroppBen. 

Bei der Betrachtung der Knochenkapsel von au8en 
gewahrt man auf einem grofen Teil ihrer Ausdehnung von freiem 
Auge schon, da8 sie gleichsam siebférmig durchstochen ist. 
Die meist rundlichen Liicken nehmen nach hinten an Grofe zu, 
so daf diese knécherne Umhiillung bei der Betrachtung von der 
caudalen Seite (Fig 3) dicht von Liticken besetzt ist, die eine 
relativ betrichtliche GréBe erreichen und dort auch oft lang- 
gestreckt, herzfirmig, ellipsoidisch etc. sein kénnen. Auf der 
nimlichen Seite der Knochenkapsel gewahrt man als Fortsetzung 
der groBen lateralen Oeffnung (des Introitus caps. ves., Fig. 3 g/l) 
eine Linie, welche die dorsale Kapselwandung, d.h. die Decke 
der paarigen Kapsel und des Querkanales vom Boden trennt. 
Letzterer ist, namentlich von der Seite betrachtet (Fig. 2), starker 
konvex als die Decke. Die Trennungslinie kann so sehr ausge- 
pragt sein, daf sie gestattet, durch Spalten, die sie da und dort 
aufweist, ins Innere der Kapsel zu blicken. Auer dieser Linie, 
welche wir als Querlinie bezeichnen wollen, findet man auf 


1) Ob die distalen Enden als urspriingliche Rippenenden zu 
deuten sind, ist man am erwachsenen Tier nicht zu entscheiden 
imstande. Bei Gymnotiden soll das untere Bogensystem II, das 
resprasentiert wird durch Pr. tr., noch kleine Rippen tragen. 


46 Leopold Bloch, 


der auferen und inneren Oberfliche der Kapsel noch 2 weitere 
Linienpaare. Das eine Paar (Fig. 4 olp) befindet sich im vorderen 
Drittel der Kapseldecke, das andere im vorderen Drittel des 
Kapselbodens (Fig. 5 uly) Diese Trennungslinien, welche auf- 
fallende Aehnlichkeit mit den Suturen des Craniums_besitzen, 
weisen darauf hin, dal’ die Verknécherung der Kapsel nicht im 
Bereich ihrer ganzen Oberfliche gleichzeitig stattgefunden haben 
kann. Auch die verschiedene Dicke der Kapselwandung bestarkt 
diese Ansicht. Die Ossifikation wird wohl von jenen Stellen aus- 
gegangen sein, wo die in Frage kommenden noch unverknécherten 
Haute der Schwimmblase sich an die mit der Knochenkapsel 
verschmolzenen Wirbelelemente festgeheftet haben. 


6. Histologie von Schwimmblase und Knochenkapsel. 


Khe wir auf das eigentliche Thema eintreten, wird es 
am Platze sein, einige allgemeine Gesichtspunkte vorauszu- 


schicken. — Wir wis- 
Frocessus spinosus. gen, da die Schwimm- 
Neuralrohr blase aufzufassen ist 


Meurcdlboge Bi 

cpyps dvtorae als Ausstiilpung des 
asals ti £ 

Dee. se edt Darmrohres, ferner dak 


ane ase. sie stets retroperito- 
Pl pp. neal, dorsalwarts im 


PLA, Leibesraum liegt zwi- 


SS - Aorta und Urogenital- 
SE huyype apparat) und Darm- 
¢_|+— PA kanal. (WIEDERSH., 71, 
S. 316); ferner ist be- 
kannt geworden (S6- 
RENSEN, 63, 8S. 107), 
daf die Schwimmblase 
umgeben ist von einer 
Fig. 6. (Figurenerklirung s. S. 47.) serdsen Bekleidung, 

der Pleura. Diese 

besteht aus zwei Bliittern, von denen das innere (viscerale) sich 
genau an die Schwimmblase anlegt, wiihrend das iuSere (pari- 


a ale schen Wirbelsiule (resp. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 47 


etale) Blatt.die Wandung des Raumes, worin die Schwimmblase 
liegt, bekleidet und auf seiner ventralen Flache mit der Riicken- 
flache des eigentlichen parietalen Blattes des Peritoneums ginzlich 
verschmolzen ist. (Die Verhiltnisse sind z. B. beim Barsch, der 
Forelle etc. besser zu eruieren als bei den Cyprinoiden.) Wir 
kénnen die in den unten schematisch gehaltenen Figuren darge- 
stellte retroperitoneale Verlagerung der Schwimmblase bei deren 
Entwickelung als die augenscheinlich richtige annehmen ‘), 


Fig. 7—12. D. Darm; v. Vesica nat. (wahre Schwimmblase); D7. Di- 
verticulum der v.; d, p. Ductus pneumaticus; A. Ampulle des d. p.; 
P. Peritoneum; Ph, Peritonealhéhle; Pl.v. viscerales Blatt der Pleura; Pi.h. 
Pleurahéhle; Pl.p. parietales Blatt der Pleura. 


1) Es ist mir leider nicht gelungen, eine einschligige Arbeit 
kennen zu lernen, welche die oben angenommene Genese in Bezug 
auf die Pleuralverhaltnisse bekriftigt hatte. Ich behalte mir vor, 
in einer spateren Arbeit auf eine sichere Bestitigung aller im 
histologischen Kapitel aufgestellten Gesichtspunkte, sowie auch auf 
den Versuch einer zweifellos richtigen Interpretation der Claustra 
zuriickzukommen, 


48 Leopold Bloch, 


Nun ist die Knochenkapsel, streng genommen, nicht aufzufassen 
als eine Verknécherung von bindegewebigen Schwimmblasen- 
membranen, wie wir uns friiher einfachheitshalber ausdriickten, 
sondern als eine Verknécherung der Pleura und sehr 
wahrscheinlich blofS deren parietalem Blatte. — Die Schnitte 
durch Knochenkapsel und Schwimmblase, welche normal zur 
Liingsachse des Korpers gefiihrt wurden, ergeben uns, von aufen 
nach innen verfolgt, Strukturverhaltnisse, die sich im wesentlichen 
mit den von anderen Forschern fiir Nem. barb. beschriebenen 
decken. 

Die bei Lupenbetrachtung wie siebférmig durchstochene 
Knochenkapsel stellt sich im Schnitte folgendermafen dar. Die 
Locher der Knochenkapsel (Taf. 15, Fig. 11 Z) sind von Bindegewebe 
ausgefillt. Die Kapselmasse selbst erscheint im Schnitt als durch 
die Kapsellécher getrennte Knochenbalken (itn. b.). Das Binde- 
gewebe der Liicken tiberzieht auch die Balken. Daf die Knochen- 
kapsel das verknécherte Bindegewebe ist, davon kann man sich, 
wie GROBBEN (8. 5) sehr schén gezeigt hat (und was ich bestiatigen 
kann), insofern tiberzeugen, als sich namentlich an Flachenschnitt- 
priparaten alle Uebergange von der einfachen Bindegewebszelle 
bis zum Knochenkoérperchen auffinden lassen. Auf diese ver- 
knécherte Bindegewebsschicht folgen nach innen zwei weitere 
bindegewebige Haute, von denen die auBere (Ze) weif und atlas- 
glanzend, die innere (72) blaulichweifi ist. — Die iuBere Haut 
(Tunica externa) besteht wiederum aus zwei ungefahr gleichmachtigen 
Schichten, einer dem Schwimmblasenlumen abgekehrten auferen, 
welche aus normal zur K6rperachse verlaufenden stra ffen, bisweilen 
geknickten Bindegewebsfasern besteht, welche Schicht wohl dem 
visceralen Blatte der Pleura entsprechen diirfte, und einer ihr 
eng anliegenden inneren, deren starre Fasern im grofen 
ganzen eher in der Richtung zur Koérperachse verlaufen. Diese 
einzelnen Schichten sind umzogen von Membranen, die aus kern- 
losen, breiten Fasern bestehen, was namentlich an Schnittenden, 
sehr gut zu beobachten ist (GropBEN, 5. 5 ibid.). Flachenpra- 
parate dieser beiden Schichten ergeben sich kreuzende Faserziige. 
Bei hoher Einstellung des Tubus gewahrt man Fasern, die an- 
nihernd parallel verlaufen, bei tiefer Kinstellung ebensolche parallel 
verlaufende Fasern, deren Richtung jene, die bei hoher Einstellung 
zu Gesichte kamen, ungefihr rechtwinklig kreuzen. — Die innere 
bliulichweife Haut (Tunica interna Z%) besteht aus lockigem 
Bindegewebe. Dasselbe unterscheidet sich von gewdéhnlichem, 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 49 


fibrillarem auf keine Weise. In diesem konnte ich sparlich Blut- 
gefiiBe (Gr) konstatiren. Die Fasern liegen in normalem Zustande 
dicht beisammen, und man ist imstande, eine grofe Anzahl dinner 
Faserkerne (#%) zu beobachten. Daf diese innere bliulichweibe 
Haut ihrerseits ebenfalls aus zwei sich rechtwinklig kreuzenden 
Schichten besteht, konnte ich nicht feststellen. Wohl giebt uns 
Jacoss (39), Taf. IX. Fig. 7 fiir Cob. (Misgurn.) fossilis in Bezug 
auf diese innere Haut ein Bild, das zu einer solchen Vermutung 
fiir Nem. barb. fiihren kénnte, allein es ist Grund zu der Annahme 
vorhanden, daf Jacops bei der Herstellung von Flichenpraparaten 
die innere Haut mit der Tunica externa verwechselte, denn es 
pawt nicht nur seine Abbildung, sondern auch seine tibrige Be- 
schreibung (S. 402/3) nicht fiir diese, dagegen wohl fiir jene, wenn 
man die Befunde an Cob. (Misg.) fossilis auf Nem. barb. tibertrigt. 
Auch stehen die hierauf beziiglichen Angaben JAcoss’ an Cob. (M.) 
fossilis in Widerspruch mit jenen von GropBEN, welch letzterer fiir 
die Tunica externa auch bei Misg. (Cob) foss. 2 Schichten 
feststellt, nicht aber fiir die innere Schwimmblasenhaut. — Der 
Binnenraum der Schwimmblase von Nem. barb. ist mit einer diinnen 
Lage einfachen Plattenepithels ausgekleidet (Hp), welches 
yon JAcoBs (39), GROBBEN (29) ebenfalls konstatiert wurde, nicht 
aber von JAQuET. — Ueber den Ductus pneumaticus und 
das Rudiment der hinteren reducirten wahren Cyprinoiden- 
schwimmblase schreibt Jaquet p. 440, der einzige mir be- 
kannte Forscher, der, Nem. barb. betreffend, hieriiber auf Grund 
mikroskopischer Schnittpraiparate sich aufert: 

Du sommet du canal de réunion des deux cavités des vessies 
membraneuses se détache un cordon plein se dirigeant en arriére; 
il sort par une fente du pont osseux pour se rendre 4 un organe 
sphérique, la vésicule qui ne mesure qu'un cinquieme de millimétre. 
Elle est donc a l’extérieur de la vessie noyée dans du tissu con- 
jonctif lache renferment de nombreux yaisseaux sanguins. Les 
parois de la vésicule sont trés épaisses, formées de deux strates 
fibreux concentriques nettement distincts; Vintérieur forme une 
petite cavité close de toute part. A la face ventrale de la vésicule 
est suspendue une tige creuse qui descend sur la face dorsale du 
tube digestif et se soude 4 ses parois. Le canal interne s’oblitére 
aux deux extrémités de cette tige, de sorte qu’elle n’entre en 
communication ni avec |’ intérieur de la vésicule, ni avec 1 ’intérieur 
du tube digestif.“ 

Um die Angaben Jaquet’s bestitigen zu kénnen, fertigte ich 
mir Lingsschnitte an, welche den ,,Querkanal‘ (ck Fig. 5) quer durch- 


schnitten. Nun muf ich allerdings gestehen, daf meine Priparate 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 4 


5O Leopold Bloch, 


nicht, wie gewiinscht, tadellos waren (was mit der Schwierigkeit des 
Entkalkens in Zusammenhang zu bringen ist), aus welchem Grunde 
ich auf eine Abbildung dieser Verhialtnisse verzichtete. Auf alle 
Fiille konnte ich aber konstatieren, dafi der Ductus pneumaticus 
nicht auf dem geraden, kiirzesten Wege zum ,,Querkanal“ zieht, 
sondern vorerst, wie JAQuET richtig angiebt!, sich caudalwarts 
wendet, um sich zu einem blaschenformigen Gebilde (Homologon 
der wahren Cyprinoidenschwimmblase) zu begeben. Erst von diesem 
aus zieht ein, wie mir scheint, solider Strang zum ,Querkanal“ 
der Schwimmblase. Der Ductus pneumaticus, welcher sich bei 
den normalen Cyprinoiden als wegsamer Kanal hinter dem Isth- 
mus einfach zum hinteren Schwimmblasensack erweitert, miindet, 
auch wenn er zu einem soliden bindegewebigen Strang obliterirt 
ist, bei den Cobitiden nicht etwa direkt in das Diverticulum, 
sondern in das Rudiment der wahren Schwimmblase (Nem. barb.) 
oder in den Isthmus |[bezw. dessen Homologon (vergl.; Ja- 
QuET (40), Fig. 6: Misgurnus fossilis; SORENSEN (64), 8. 121: Nem. 
Strauchii Kessi]. Es ist im Vorhergegangenen ferner festgestellt 
worden, dal’, was bei den Cobitiden am hiufigsten der Fall (vergl. 
Dr. Herzenstrein), daf naimlich der vordere Schwimmblasensack 
(Diverticulum) eingekapselt, der hintere (die wahre Schwimmblase) 
rudimentar, auch fiir Nem. barb. giltig ist. 


7. Zusammenfassung. 


1) Der erste Wirbelkérper tragt jederseits einen 
queren Fortsatz, Processus transversus + ver- 
knéchertes Ligament, welcher entgegen JAQuET’s (40) An- 
gaben also keine Rippe und auch nicht mit der Knochenkapsel 
vereinigt ist. 

2) Dafi der zweite (falsche) Wirbel hervorgegangen 
ist aus der Verschmelzung des (wahren) zweiten und 
dritten Wirbels, konnte bei einem Praparat schon bei Lupen- 
vergréferung mit Sicherheit festgestellt werden. 

3) Die Knochenkapsel, in welcher die Schwimmblase ein- 
geschlossen ist, steht in Verbindung mit dem zweiten 
(falschen) und vierten (wahren) Wirbel. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 51 


4) Die Knochenkapsel besitzt fiinf Oeffnungen; 
zwei laterale (icv Figg. 1, 2, 3, 4 und 6), zwei mediane 
(Fig. 7, Taf. 15) und eine unpaare (is Fig. 5), welche auf dem 
knéchernen Querkanal (ck Figg. 3, 4, 5, 6, 7) gelegen ist. 

5) Der Rand der fiinften unpaaren Oeffnung umerenzt 
das Homologon des Isthmus (Isthmus gleich Kommuni- 
kationsgang zwischen Diverticulum und wahrer Schwimmblase 
[vergl. auch 8. 41 ff.]). 

6) Es entspricht also die in die Knochenkapsel 
eingeschlossene Blase nicht einer wahren Schwimmblase, 
sondern nur dem dem paarig gewordenen Diverticulum 
der normalen Cyprinoidenschwimmblase homologen Teile (vergl. 
Textfiguren 8. 43 und 47). 

7) Bei den Cobitiden ist der hintere Sack, d.h. das 
Homologon der wahren Cyprinoidenschwimmblase 
reduziert, selbst oft so sehr (Nem. barb.), da8 man makro- 
skopisch nichts von ihm nacbweisen kann (Textfiguren S. 43 und 47). 

8) An mikroskopischen Schnittpraparaten ist ein Ru- 
diment des der wahren Cyprinoidenschwimmblase homologen 
Teiles zu finden in der Nahe der finften unpaaren Oetinung 
der Knochenkapsel. 

9) Die eigenartige Form der Schwimmblase von Nem. 
barb. ist wesentlich auf zwei Momente zuriickfiihrbar: erstens auf 
die Reduktion der Schwimmblase, namentlich des dem _ hinteren 
Abschnitt der Cyprinoidenschwimmblase homologen Teiles, und 
zweitens auf die Anheftung des dem Diverticulum der normalen 
Cyprinoidenschwimmblase homologen Teiles nicht nur an den 
Proc. transv. IV (Ossa suspensoria: SORENSEN), sondern auch zu- 
gleich an den Proc. transy. II. 

10) Die Knochenkapsel ist aufzufassen als eine Ver- 
knécherung der Pleura und sehr wahrscheinlich blo& deren 
parietalen Blattes (vergl. Figg. S. 47 und Fig. 11). 

11) Die aukere, der (Innenflache der) Knochenkapsel an- 
liegende Schwimmblasenhaut (Tunica externa) besteht aus zwei 
ungefahr gleich machtigen Schichten, die sich aus straffen, bis- 
weilen geknickten Bindegewebsfasern zusammensetzen: einer 
auBeren, welche wohl dem visceralen Blatte der Pleura entsprechen 
diirfte, und einer ihr eng anliegenden inneren (Fig. 11). 

12) Die innere, bliulichweife Haut (Tunica interna) be- 
steht aus lockigem Bindegewebe. Der Binnenraum der Schwimm- 

4% 


52 Leopold Bloch, 


blase von Nem. barb. ist mit einer diinnen Lage einfachen Plat - 
tenepithels ausgekleidet. 

15) Die Cobitiden sind entgegen den irrtiimlichen An- 
gaben JAQUET’S, die, soweit ich es beurteilen kann, nie widerleet 
wurden, echte Physostomen. 

14) Als Angehérige der ostariophysen Physostomenfamilie : 
der Cyprinoiden, sind die Cobitiden und auch Nem. barb. 
im Besitze eines Wes. Apparates. 

15) Nach unserem Dafiirhalten sind die Claustra des 
Wes. Apparates aufzufassen weder als umgewandelte Processus 
spinosi (NusBaum, 49; SrporrAK, 60), noch als Proc. spin., mit 
denen knorplige Reste verschmolzen sind, die homolog zu den 
Intercalarbégen der Selachier (Wricut, 73, BripGe und Happon 6), 
noch als Homologa der Ossa imparia des Acipenser (SORENSEN, 63), 
sondern als Derivate homologer Knorpelstiicke, wie 
sie von SCHEEL (58) bei den Salmoniden beschrieben 
und auch interpretiert wurden (vergl. $8. 22—23 dieser 
Abhandlung). 

16) Bei Nem. barb. sind die Incudes des Wes. Apparates 
gleich wie bei den iibrigen bis jetzt daraufhin untersuchten Co- 
bitiden verknécherte Knépfchen in den Ligamenten, 
die von den Stapedes (WxB.) zu den Mallei ziehen. 

17) Die Mallei des Wes. Apparates besitzen eine Form, 
welche mit der Malleusform von Misgurnus (Cob.) fossilis nicht 
iibereinstimmt. 


Technisches. 


Fang. Die Grundel lebt im allgemeinen isoliert und scheint 
vorzugsweise waihrend der Nacht auf Raub auszugehen. Wahrend 
des Tages halt sie sich gern unter einem Steine verborgen auf. 
Hebt man einen solchen behutsam hinweg, so bleibt sie gewoéhn- 
lich unbeweglich liegen. Man fangt dann diesen kleinen Fisch, 
indem man sachte ein kleines Handnetz (,,Feumer“) dicht vor den 
Kopf plaziert und mit einem diinnen Stab das Tier am hinteren 
K6rperteil beriihrt, worauf es, dessen Bewegungen sich ruckweise 
vol]ziehen, in der Regel in das Netzchen hineinschieSt. — Die 
Maceration von Alkoholpraparaten (!) wurde mit Eau de 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 53 


Javelle vorgenommen. — Behufs Herstellung histologischer 
Praiparate wurden Kopf- und Brustregion des Tieres fixiert und 
entkalkt in MU uier’scher Fliissigkeit. Allein ehe ich die Stiicke 
in diese legte, wurde die Koérperhaut tiber der seitlichen hautigen 
Zone wegprapariert, mit einer feinen Lanzettnadel die Schwimm- 
blasenhaut durchstochen und mit einer diinnen Kapillare Fixie- 
rungsfitissigkeit in das Lumen der Schwimmblase hineingeblasen, 
die Erhaltung des inneren Epithelbelages bezweckend. — F ar be- 
mittel: BOumeEr’s, DELAFIELD’s Himatoxylin, Boraxkarmin, HAn- 
SEN’s (31) Bindegewebsfarbemethode. —- Wenn man den ganzen 
Kopf schneiden will, so empfiehlt es sich, die Augen auszustechen, 
indem das Corpus vitr. glashart, infoleedessen zum Schneiden un- 
geeignet wird. — Zur Einbettung bediente ich mich der ge- 
wohnlichen Paraffineinbettungsmethode. 


Nachtrag. 


Nachdem die vorgedruckte Arbeit bereits vollendet war, ge- 
langte ich in den Besitz des im Anat. Anzeiger No. 9 vom 
29. Juli 1899 erschienenen Aufsatzes der Herren Prof. Dr. Jézer 
Nuspaum und stud. phil. Szymon Srportak: Das anatomische 
Verhiltnis zwischen dem Gehérorgane und der Schwimmblase 
bei dem Schleimbeifer (Cobitis fossilis). Die Darlegungen der 
beiden Autoren bilden eine wertvolle Erganzung der vorziiglichen 
Arbeiten SGRENSEN’s (63), indessen in Bezug auf folgende Punkte 
sehen wir uns veranlaft, den Herren Verfassern zu antworten: 

1) Sie schreiben auf S. 211: 

»Die Cobitiden waren aber. so viel uns bekannt ist, seit 
Hasse (33) von Niemandem untersucht worden. OC. GrGENBAUR 
(vergl. Anat. der Wirbeltiere, 1898) fiithrt in seinem Lehrbuche von 
1898 nur die Siluroiden, Gymnotiden, Characiniden und Cyprinoiden 
an als Fischfamilien, bei welchen die Werser’schen Verbindungs- 
knéchelchen vorhanden sind, die Cobitiden erwihnt er gar nicht; 
dasselbe finden wir bei WrepersHeim (Grundrif d. vergl. Anat. der 
Wirbelt. 1898).“ 

Nun haben aber — aufer Jacoss (39), und Jaquet (40), 
welche die Schwimmblase von Cobitiden einer niheren anatomischen 
Untersuchung unterworfen haben, ohne allerdings mit einem Worte 
zu erwihnen, da’ sie mit den WEeBER’schen Knéchelchen verbunden 


54 Leopold Bloch, 


sind — die Cobitiden, wie bekannt, noch folgende Forscher unter- 
sucht: GRoBBEN (29), 1875 und SORENSEN (63), 1890. Namentlich 
die Ausfiihrungen des Letztgenannten diirfen aber nicht aufer 
acht gelassen werden. Uns will es ferner scheinen, da8 der 
Vorwurf der Autoren, den sie gegen GEGENBAUR und WIEDERS- 
HEIM erheben, die Cobitiden nicht erwahnt zu haben als solche, 
die den Wes. Apparat besitzen, nicht gerechtfertigt ist, indem es 
heute viele Forscher giebt, die die Cobitiden als anormale 
Cyprinoiden betrachten. 

2) Auf eben derselben Seite schreiben die Autoren: 

»Die in der dorsoventralen Richtung abgeplatteten Rippen 
(r Fig. 4) des ersten Wirbels sind stark nach oben gekriimmt und 
mit ihren freien dorsalen Randern mit dem Processus spinosus des 
ersten Wirbels, d. i. dem Claustrum (Wexser)!) vermittelst einer 
bindegewebigen Membran (lig. Fig. 4) verbunden.“ 

Nun wissen wir aber, vergl. das auf 8. 7—8 dieser Abhand- 
lung Bemerkte, daf die Rippe I bei Cobitiden und Cyprinoiden 
gar nicht zur Ausbildung gelangt ist, sondern daf das verknécherte 
Ligament, welches das Centrum des ersten Wirbels mit der Scapula 
(CUVIER) verbindet an dessen Stelle getreten ist. Das, was die 
Herren Autoren unter in ,,dorsoventraler Richtung abgeplatteter 
Rippe des ersten Wirbels“ verstehen, ist offenbar nichts anderes 
als der Teil der Aponeurose, welcher sich im Umkreis des grofen 
Loches des Os occipitale tiber die Wes. Knéchelchen hin erstreckt, 
welcher mit dem Ko6rper des ersten Wirbels verschmolzen ist, 
jener Aponeurose, welche auch bei den normalen Cyprinoiden zu 
finden ist. [Vergl. auch das von SORENSEN (63) S. 120/121 hier- 
iiber Gesagte.] Uebrigens ist auch aus Fig. 4 (der Arbeit von Herrn 
Prof. Nuss. und Sip.) ersichtlich, da das, was von den Autoren 
als ,,(lig.): eine bandférmige Verbindung zwischen der Rippe (7) 
und Claustrum“ bezeichnet wird, nichts anderes ist als der noch 
nicht oder nicht verknécherte Abschnitt der Sehnenverknécherung 
(yr der Fig. 4), welche mit dem Kérper des ersten Wirbels ver- 
schmolzen ist. 

3) Weiter unten auf S. 212 schreiben die Autoren: 

»Der Bogen?) (a2 Fig. 4) samt dem Dornfortsatze des 


zweiten Wirbels ist stark nach vorn verschoben, reicht bis zum 
Hinterhauptsbeine und liegt oben den beiden Claustra an.“ 


1) Vergl. das unter Kapitel: Deutg. d. Claustra 8. 16 in unserer 
Abhandlung Gesagte | 
2) Im Original nicht in Sperrdruck. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulusG. 55 


Ks ist dieses Skelettstiick unserem unpaaren Schlufstiick (si IZ) 
des zweiten Wirbels zu parallelisieren. Wir méchten auch jetzt 
noch an unserer Auffassung (vergl. S. 16—28) festhalten, indem 
der Arcus II bei den Cobitiden gar nicht oder jedenfalls nur 
voriibergehend zur Ausbildung gelangt ist und an eine Ver- 
schmelzung von Bogen II und Proc. spin. II in dem Sinne, wie 
die Autoren anzunehmen scheinen, doch wohl nicht zu denken ist. 
(Vergl. auch das unter 5 des Nachtrages Gesagte.) 

4) Und §. 213: 

»Die Rippen des zweiten Wirbels sind sehr gro8 und in ein 
Paar fliigelformige Fortsitze umgestaltet, welche lings des gemein- 
schaftlichen Kérpers des 2. und 3. Wirbels verlaufen und mit ihren 
Caudalenden weit tiber die hintere Grenze dieser Wirbel ausragen. 
Jede dieser Rippen besteht aus 2 Platten), von welchen die 
obere vom Bogen!), die untere vom Kérper (r Fig. 5) den Ur- 
sprung nimmt, wobei sie distal miteinander vereinigt sind und eine 
groke Rippenhédhle jederseits umschliefen. Die obere Platte 
ist besonders in ihrem hinteren Teile!) mit zahlreichen 
gréBeren und kleineren rundlichen Oeffnungen versehen, die durch 
eine bindegewebige Membran (!) verschlossen sind.“ 

Augenscheinlich entspricht die untere Platte der Rippe II, 
dem, was wir bei Nem. barb. als Proc. transy. II, bezeichneten ; 
allein was die Autoren als ,obere Platte der Rippe II‘ ansehen, 
diirfte nichts anderes sein als ein Teilstiick der oben genannten 
Aponeurose, nimlich derjenige Teil, welcher mit dem dritten 
Wirbelbogen verschmilzt. Nach S6rensen (63) 8. 121 ist zu 
konstatieren : 


»den forbenede Aponeurose »Die verknécherte Aponeu- 
falder i lige saa mange, ved smalle rose zerfallt in gleich viele, 
Striber uforbenet Bindevaey ad- durch schmale Streifen unver- 
skilte, Sykker, som der er faste knécherten Bindegewebes  ge- 
typiske Skeletstykker under den“  schiedene Stiicke, als sich feste 

typische Skelettstiicke unter ihr 
befinden.“ 


5) Ueber das im Ligamentum ossiculorum Weber. vorkommende 
knécherne Knépfchen aufern sich die Herren Prof. Nussaum und 
StporiAk folgendermafen : 


»Diese kleine Verknécherung ist von Wrsrer und Hasse als 
ein selbstandiger, dem ,Incus“ der Cyprinoiden entsprechender 
Knochen gedeutet worden, was aber nach unserer Meinung unbe- 
grindet ist. Beim Karpfen tragt der ,Incus“ zur Begrenzung der 


1) Im Original nicht in Sperrdruck. 


56 Leopold Bloch, 


Riickenmarkshéhle bei und verbindet sich gelenkig mit dem 2. 
Wirbelkérper.“ 

Wie schon friiher bemerkt, sind nach unserem Dafiirhalten 
diese knéchernen Knoépfchen, streng genommen, nicht die Homo- 
loga der Incudes normaler Cyprinoiden, jedoch sind sie als ein- 
zig tibrig bleibende Reste der in embryonaler Lebenszeit ent- 
wickelten oberen Bogen des 2. Wirbels, bezw. als deren Fortsatze 
zu betrachten. (Vergl. das unter S. 36—37 dieser Abhandlung 
Gesagte.) 


6) Auf 8. 214 finden wir folgenden Passus: 


»Der 4. Wirbel besitzt ebenfalls aus je 2 Platten zusammen- 
gesetzte Rippen. Die obere Platte nimmt aus dem Bogen, die 
untere aus dem Korper ihren Ursprung, und beide umschliefen eben- 
falls eine geraumige Rippenhéhle, die mit den Rippenhdhlen der 
vorderen Wirbel in offener Communication steht und wie diese 
letzteren eine lymphatische, zihe, homogene Fliissigkeit enthilt.“ 


Da sich meine Untersuchungen in eingehender Weise nur auf 
Nem. barb. erstreckten, und dort in dieser Hinsicht modifizierte 
Befunde vorliegen, so mu ich den Auseinandersetzungen der 
Herren Autoren unter Zuhilfenahme der SORENSEN’schen Arbeit ent-. 
gegnen. SORENSEN halt die ,,obere Platte der Rippe des 4. Wirbels‘ 
(Nuss. und Sip.) als das hinterste Stiick der Aponeurose (8. 121), 


ee dae ,som smelter sammen ...., Welches mit dem 


med den forreste Deel af 4de 
Hvirvels Bue og derfra straekker 
sig ned paa Os suspensorium, . 


Und auf 8S. 120: 


»Det paa denne Maade af- 
graendsede Rum, som saaledes 
indeslutter de Weberske Knogler, 
staaer gjennem den omtalte store 
Aabning i Occipitale laterale i 
Forbindelse med Craniets Huul- 
hed og er fyldt med det samme 
Vaev (Perilymfe) som denne.“ 


7) Es scheint fast, daB die 


vordersten Teil des 4. Wirbel- 
bogens verschmilzt und von diesem 
sich nach unten auf das Os sus- 
pensorium (Proc. transv. IV) er- 
Streckt, << 4.5" 


»Der auf diese Weise ab- 
gegrenzte Raum, welcher so die 
Wes. Kn. einschlieft, steht durch 
die erwihnte grofe Oeffnung im 
os occipitale in Verbindung mit 
der Héhlung des Cranium und 


ist erfillt mit der gleichen 
Flissigkeit (Perilymphe) wie 
diese. “ 


Autoren die Knochenkapsel als 


ausschlieBliches Gebilde der Rippen und Wirbelkérper betrachten, 


wenn sie auf S. 


215 sich aufern, 


wie folet: 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G, 57 


»Die Knochenkapsel ist also zugleich ein Product der Rippen 
und teilweise des Kérpers des 4. Wirbels, worauf weder WesEr, 
noch Hasse und neulich Jacogs, welche eine genaue Beschreibung 
der Form und des Baues der Kapsel lieferten, die Aufmerksamkeit 
gelenkt haben.“ 

Es diirfte indessen unter Beriicksichtigung der Arbeiten Lry- 
pia’s (42), GRroBBeN’s (29), Wricut’s (74, 75), SGRENSEN’s (63) 
und unserer Kapitel: Morphol. und Histol. d. Knochenkapsel als 
feststehend betrachtet werden, daf auch die verknéchernden 
,schwimmblasenhaute (Pleura) am Aufbau der Kapsel sich be- 
teiligten. 

8) Die Vermutung, die wir auf S. 49 unserer Abhandlung 
ausgesprochen haben, da Jacosps bei der Schilderung der 
Schwimmblasenhiute die innere mit der auBeren verwechselte, hat 
sich durch die Beschreibung, welche die Herren Prof. Nuspaum 
und Srportak auf 8. 222 lieferten, voll und ganz bestatigt. 


58 Leopold Bloch, 


Verzeichnis der angefiihrten Werke. 


1) Anonymus, Wes. Apparat von Cyprinus brama. Oxsn’s Isis, 
Jahrg, 1821, Heft 3, Taf. 4, S. 272—277. 

2) Bawr, K. E., Untersuchungen iiber die Entwickelungsgeschichte 
der Fische, nebst einem Anhang iiber die Schwimmblase, 
Leipzig 1835. 

3) Braupenot, M, E., De la détermination des piéces osseuses qui 
se trouvent en rapport avec les premiéres vertebres chez les 
Cyprins les Loches et les Silures, in: Comptes rendus de l’Acad. 
d. Sc. Paris, 1868, T. LXVI, p. 330—334. 

4) Birwarz, Dr. Tu., Das elektrische Organ des Zitterwelses. 
Anatomisch beschrieben, Leipzig 1857, 8. 9. 


5) Brescuer, Recherches anatomiques et physiologiques sur lorgane 
de Vouie des poissons, Paris 1838. 

6) Briver, T. W., und Happon, A. C., Contributions to the Ana- 
tomy of Fishes. I. The Air-bladder and Weberian Ossicles in 
the Siluridae, in: Proceedings of the Royal Soc. of London, 
Vol XLVI, 1890; p.309: 

7) — — Contributions to the Anatomy of Fishes. II. The Air- 
bladder and Weberian Ossicles in the Siluroid Fishes. Proc. 
of the Roy. Soc. of London, Vol. LIJ, 1892, p. 139. 

8) — — Contributions to the Anatomy of Fishes. The Air-bladder 
and Weberian Ossicles in the Siluroid Fishes. Phil. Trans., 
Vol. CLXXXIV. 

9) Brinn, C., Die Skelettlehre der Fische, Wien 1847, 8. 160. 

10) Carus, C. G., Lehrbuch der Zootomie, Leipzig 1834, Bd. II, 
S. 582. 

11) Cornine, H. K., Beitrage zur Kenntnis der Wundernetzbildungen 
in den Schwimmblasen der Teleostier. Morph. Jahrb., Bd. XIV, 
1888. 


12) Cuvirr et Vatencrennes, Histoire naturelle des poissons de la 
France. Paris 1846, Vol. XVIII, p. 14, 46, Pl. 520. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 59 


13) Detarocue, J., Observations sur la vessie aérienne des poissons. 
Ann. du Mus; d’Hist., I: XIV, Paris: 1809: 

14) Doxxo, Lovurs, Sur la morphologie de la colonne vertébrale. 
Bulletin Sci. de la France et de la Belgique, Extrait du Tome 
XXIV. 

15) Durossn, M., Recherches sur les bruits et les sons expressifs 
que font entendre les poissons d’Europe. Ann. d. Sc. nat., 
Ser. 5, T. XIX, Paris 1874, Article No. 5, p. 19. 

16) Fario, V., Faune des Vertébrés de la Suisse. II. Partie. Pois- 
sons. Genéve et Bale 1890. 

17) Frorrpr, Auc., Bemerkungen zur Frage nach der Wirbeltheorie 
des Kopfskelettes. Anat. Anzeiger, Jahrg. 2, 1887, No. 27, 
S. 815. 


18) Gavurr, E., Die Entwickelung der Wirbelsiule. Zusammen- 
fassende Uebersicht. Zool. Centralbl., Jahrg. 3 u. 4, 8. 333, 
533, 849, 889. 

19) Gecenpavr, C., Grundrif der vergl. Anatomie, 1. Aufl. 1874, 
S. 560. 

20) — Ueber die Occipitalregion und ihre benachbarten Wirbel der 
Fische. Festschrift zu A. v. Kouuiker’s 70. Geburtstag. 
Leipzig 1887. 

1) — Vergleichende Anatomie, Leipzig 1898. 

22) Grorrroy-St. Himarre, Sur une chaine d’osselets découverts 
chez quelques poissons osseux, et annoncés comme les ana- 
logues des osselets de Joreille. Bull. d. Sci. par la Soe. 
philom. de Paris, 1824, p. 100. 

23) — Observations sur les prétendus osselets de louie trouvés 
par Ernest Henri Weser. Ann. d. Sc. nat, T. I, 1824, 
p. 436. 


24) Goppnrt, E., Untersuchungen zur Morphologie der Fischrippen. 
Morph. Jahrb. von Grcrnpaur, Bd. XXIII. 

25) Gorrr, A., Beitrige zur vergl. Morphologie des Skelettsystems 
der Wirbeltiere. II. Die Wirbelsiule und ihre Anhange, in: 
Scuuuze’s Mikr. Anatomie, Bd. XV u. XVI, Bonn 1874 
a. S79: 


26) Gourret, E., Du role de la vessie nat. Ann. d. Sci. nat,, 
T. VI, Sér. 5, Paris 1866. 

27) Grassi, B., Lo sviluppo della colonna vertebrale ne’ pesci ossei. 
Atti della R. Accademia dei Lincei, 1882—-1883. 

28) — Beitrage zur niheren Kenntnis der Entwickelung der Wirbel- 
saule der Teleostier. Morph. Jahrb. von Grcens., Bd. VIII, 
Leipzig 1883. 

29) Groppen, Cart, Ueber die Schwimmblase und die ersten Wirbel 
der Cobitiden. Wiss. Mitt. a. d. Akad. Ver. d. Naturh. in Wien, 
Heft 3, 1875, p. 1—15. 


bo 


60 Leopold Bloch, 


30) Ginrner, A., An introduction of the study of Fishes. Edin- 
burgh 1880. 

31) Hansen, Fr. C. C., Eine zuverlissige Bindegewebsfarbung. Anat. 
Anz, 1898, No. 9; 8, 151. 

32) Hasse, C., Beobachtungen iiber die Schwimmblase der Fische, 
in: Anatomische Studien, Bd. I, 1873, S. 583, Taf. X XVII, 
XXVIII. 

33) — Das Gehérorgan der Fische, in: Anat. Studien, Bd. I, 
Leipzig 1873. Mit Taf. XIX—XXII. 

34) Hayrx, Gust. v., Handbuch der Zoologie, Bd. III, Wien 1885. 

35) Herzenstern, Dr., in: Wissensch. Resultate der von N. M. 
PrzEWALSKI nach Centralasien unternommenen Reisen, Zoo- 
logie, Bd. ITI, Abt. II, Fasc. 1, St. Petersburg 1888, folio. 

36) Heusincer, J. C. C. F., Bemerkungen iiber das Geh.-Werkzeug 
bei Mormyrus, Cyprinoides, Gastroblecus compressus und Pime- 
lodus synodontis. Mzcxer’s Arch. fiir Anat. u. Phys., 1826, 
8. 324. 

37) Hirner, G., Zur physikalischen Chemie der Schwimmblasengase. 
Arch. f. Physiol., Leipzig 1892, 8. 54. 

38) Huscuxr, De organorum respiratoriorum in animalium serie 
metamorphosi et de vesica natatoria piscium, Jenae 1818, 
p-. 36. 

39) Jacoss, Curistran, Ueber die Schwimmblase der Fische, Tii- 
binger zool. Arbeiten, Bd. III, No. 2, Leipzig 1898, Verlag von 
W. Engelmann. 

40) Jaquer, M., Recherches sur la vessie natatoire des Loches 
d’Europe. Rey. suisse de Zool., Genéve 1894. 

41) Kennex, J., Lehrbuch der Zoologie, Stuttgart 1893. 

42) Lnypie, F., Einige histol. Beobachtungen iiber d. Schlamm- 
peitzger (Cob. foss.). Jon. Mttuzr’s Arch. f. Anat. u. Phys., 
1853, S. 3. 


43) — Histologie des Menschen und der Tiere, Frankfurt 1857, 
5. 378. 

44) Mxcxen, J. F., System der vergl. Anat. 2. Teil, 1. Abt, Halle 
1824, S. 230, 234. 

45) Merrennemer, C., Disquisitiones anatomico-comparativae de 
membro piscium pectorali, Berolini 1847. 

46) Miuier, Ava., Beobachtungen zur verg]. Anat. der Wirbelsiule. 
Jou. Mtuier’s Arch. f. Anat. u. Phys., 1853, S. 287. 

47) Miurer, Jon., Untersuchungen iiber die Eingeweide der Fische- 
Abh. d. K. Akad. d. Wiss., Berlin 1843, S. 109. 

48) — Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden. Abh. d. 
Berliner Akad. d. Wiss., 1844, S. 178. 

49) Nuszaum, Zool. Anz., 1881, S. 552. 


Schwimmblase, Knochenkapsel ete. von Nemachilus barbatulus G. 61 


50) Raruxs, M., Beitrige zur Geschichte der Tierwelt. Neueste 
Schr. d. Nat. Ges. Danzig, 1820. 

51) — Bemerkungen iiber die Schwimmblase einiger Fische. Neueste 
Schr. d. Nat. Ges. Danzig, 1826. 

52) Retcuert, C., Ueber den Visceralbogen der Wirbeltiere im all- 
gemeinen und deren Metamorphosen bei den Viégeln und Sauge- 
tieren. Jon. Mtuuer’s Arch. f. Anat. u. Phys., 1837. 

53) Retnnarpt, J.. Om Svémmeblaeren hos Familien Gymnotini. 
Vidsk. Meddel. f. d. naturhist. For. Kjébenhayn, 1852, p. 135. 

54) Retssnur, E., Ueber die Schwimmblase und den Gehérapparat 
einiger Siluroiden. Arch. f. Anat. u. Phys., 1859, S. 421. 


55) Rospenruat, Fr., Ichthyotom. Taf. Berlin 1839, 2. Aufl. (Taf. 10). 


56) Saacman, Muuper, I Bijdragen tot de natuurkundige weten- 
schappen verzamelt door H. C. van Haru, M. Vrorm en G. 
J. Muutprr, Amsterdam 1831. 


57) Sacempun, M., Beitrage zur vergl. Anatomie d. Fische. Morph. 
Jahrb., Bd. X, 1895. 

58) Scuezt, Dr. C., Beitrage z. Entwickelungsgesch. d. Teleostier- 
wirbelsiule. Morph. Jahrb. v. Gecrns., Bd. XX, 1895. 


59) Scuutrzn, C. A. §., Ueber d. ersten Spuren des Knochensystems 
und die Entwickelung der Wirbelsiule in den Tieren. Mucxkst’s 
Arch. f. Physiol. Bd. IV, 1818, 8S. 329. 

60) Stportaxk, Szymon, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des 
endolymphatischen Apparates der Fische. Anat. Anz. Bd. XV, 
No. 7, Jena 1898, 8. 93. 


61) Sresoxp, Th., Die Siikwasserfische von Mitteleuropa, Leipzig 1863. 

62) SdreNsEN, Witi., Om Lydorganer hos Fiske. En physiologisk 
og comparativ-anatomisk Unterségelse, Kjébenhavn 1884. 

63) — Om Forbeninger i Svommeblaren, Pleura og aortas Vig 
Sammensmeltning deraf med Hvirvelséjlen sarlig hos Siluroiderne, 
samt de saakaldte Weberske Knoglers morfologi. Vid. Selsk. 
Skrifter Kjébenhavn (6) Bd. VI, 1890. 


— Are the extrinsic muscles of the aire-bladder in some 
Siluroidae and the ,,elastic spring“ apparatus of others, subordi- 
nate to the voluntary production of sounds? What is, accord- 
ing to our present knowledge the function of the Weberian 
ossicles? A contribution to the biology of fishes. Journ. of 
Anat. und Phys., 1895, Vol. X XIX. 


65) Srannius, H., Zootomische Bemerkungen. Arch. f. Anat. und 
Phys., 1849, p. 397. 


66) — Das peripherische Nervensystem der Fische, anatomisch und 
physiologisch untersucht, Rostock 1849. 


67) — Handbuch d. Anat. der Wirbeltiere, Berlin 1854. 
68) TrevirANnus, Gottinger gelehrte Anzeigen, 1821. 
69) Wacner, R, Lehrbuch d. vergl. Anatomie, Leipzig 1834—35. 


64 


’ 


62 Leopold Bloch, 


70) Weser, E. H., De aure animalium aquatilium, Lipsiae 1820. 
71) Wirprrsnem, Ros., Lehrb. d. verg]. Anatomie, Jena 1886, 2. Aufl. 
72) — GrundriB d. vergl. Anat., Jena 1898, 

73) Wricutr, R. Ramsay, The relationsship between the air-bladder 
and auditory organ in Amiurus, Zool. Anz, Bd. VII, 1884, 
p. 248. 

74) — Monography of Amiurus catus, R. Ramsay Wricut, J. 
Puayrarr, Mc Morricu, A. B. Macaruum and T. Mc Kenzie. 
Proc. of the Canadian Institute, Vol. II, Toronto 1884, p. 251. 

75) — On the skull and auditory organ of the Siluroid Hyp- 
ophthalmus. Mém. et Compt. rend. d. 1. Soc. Roy. du Canada, 
T. III, 1886, Sect. IV, p. 107. 


Schwimmblase, Knochenkapsel etc. von Nemachilus barbatulus G. 63 


Figurenerklirungen. 
Allgemeine Bezeichnungen, 
/\ verknéchertes Ligament zw. Centrum des ersten Wirbels (bezw. 


Proc. transyv.) und der Scapula (Cuv.) 
A Ligamentum der Werser’schen Knéchelchen (Interossicular- 


ligament). 
A III, IV Arcus vertebrarum tertiae et quartae. 
I, 11, 1V,.. Kérper des ersten, zweiten (falschen), vierten .. . 
Wirbels. 


a Aponeurose (Sehnenverknécherung). 
ck Kommunikationskanal der beiden Kapselhialften. 
cl Claustrum (WEBER). 
co Rippe. 
a Incus (WEBER). 
icv Introitus capsulae vesicae (Hassn) = lateral cutaneous area 
(BripGe and Happon). 
m Malleus (WEBER). 
os Os suspensorium (SORENSEN). 
p-sp. Proc. spinosus. 
pt Proc. transversus 
sl II, sl III SchluBstiick des zweiten, des dritten Wirbels. 
st Stapes (WEBER). 
zy.a ZLygapophysen der Neuralbégen. 
ZY-p- <5 ‘ » Wirbelkorper. 


Fig. 1. Kopf und Brustregion, welche die unter der Kérper- 
haut gelegene doppelte Oeffnung der Schwimmblasenkapsel zeigt 
(nach Fario unwesentlich abgeaindert). /dm latero-dorsale Muskulatur ; 
lum latero-ventrale Muskulatur; cv aufgeworfene Rander der Knochen- 
kapsel, die seitliche Kapseléffnung begrenzend. 

Fig. 2. Knochenkapsel, erster, fiinfter und sechster Wirbel 
isoliert; von der rechten Seite gezeichnet. 

Fig. 3. Knochenkapsel, von der caudalen Seite gezeichnet. af 
accessorische Knochenfortsatze der Neuralbégen IV, qi Querlinie. 

Fig. 4. Knochenkapsel, von der dorsalen Seite gezeichnet. af 
access. Knochenfortsatze d. A. IV; olp. oberes Linienpaar, 


64 Leopold Bloch, 


Fig. 5. Knochenkapsel, von der ventralen Seite gez.; knl. die 
Kapselhalften verbindende Knochenlamelle (unter IZ), is fiinfte un- 
paare Oeffnung der Knochenkapsel, ulp. unteres Linienpaar. 

Fig. 6. Knochenkapsel, von der cranialen Seite betrachtet, af 
(vergl. Fig. 3) 

Fig. 7. Kmnochenkapsel, von der rechten Seite gezeichnet, auf- 
gebrochen (halbschematisch). In der Tiefe gewahrt man die median 
eelegene rechte Oeffnung der Knochenkapsel, ferner II. und IV. 
und den Malleus rechts. 

Fig. 8. Zweiter falscher Wirbel, von der Knochenkapsel be- 
freit, Ansicht von rechts, rechte Halfte des Wrperr’schen App. in 
natiirl. Lage gezeichnet. Aponeurose (a) beinahe vollstiindig weg- 
gebrochen, wodurch A JIJ zu Gesichte kommt, / Knochenleiste II. 

Fig. 9. Wee. Apparat von der cranialen Seite aus gezeichnet, cl 
rechts weggelassen, wodurch der schalenférmige Teil des Stapes 
rechts sichtbar wird. 

Fig. 10. Wes. Apparat, von oben gesehen; cl rechts weggelassen. 

Fig. 11. Querschnitt durch Schwimmblase und Knochenkapsel 
von Nem. barb. (300 X). ZL == Liicken, Kn.b Knochenbalken, Te 
Tunica externa, 77 Tunica interna, Hp Epithel, ’% Faserkerne, B ° 
Bindegewebe, Bs straffes Bindegewebe, Gf Gefab. 


Zur Kenntnis der Verbindungsweise 
der Skeilettstiicke der Arme und Ranken 
von Antedon rosacea Linck 
(Comatula mediterranea Lam.). 


Von 


Heinrich Bosshard. 
Hierzu Tafel III—VIII. 


I. Allgemeine Organisation. 


Die Comatulidae, zu denen Antedon rosacea gehort, sind die 
einzige Crinoideenfamilie, deren Vertreter nur auf einem gewissen 
Jugendstadium mit einem Stiele auf dem Meeresboden befestigt 
sind, im geschlechtsreifen Zustande aber durch rudernde Bewegungen 
ihrer Arme sich frei schwimmend fortzubewegen vermégen. Antedon 
gehért der marinen Kiistenfauna an und ist z. B. im Golfe von 
Neapel, woher das von uns untersuchte Material stammt, sehr ver- 
breitet. 

Der ‘uferlich radiér symmetrische Kérper besteht aus einem 
centralen Becher oder Kelche und den von ihm ausstrahlenden 
5 Armpaaren und ihren Verzweigungen, den Fiederchen oder 
Pinnulae. Der von Kalkplatten gebildete Becher tritt hinsichtlich 
seiner GréSe gegeniiber den Armen stark zuriick. Sein Durch- 
messer schwankt zwischen 1,2 und 1,5 cm, wahrend die Arme 
eine Lange von ca. 10 cm erreichen kénnen. Er birgt die EKin- 
geweidemasse des Tieres; ihre Fortsetzungen finden wir in den 
Weichteilen der Arme und Pinnulae wieder. Den Grund des 
Bechers bildet die Centrodorsalplatte, deren Randpartie dicht mit 
gegliederten Anhingen, den Cirren oder Ranken, besetzt ist, die 
den Stengelgebilden der festsitzenden Crinoidea homolog sind (vergl. 
Taf. III, Fig. 1). Die Mitte der Centrodorsalplatte stellt das eine Ende 
der Hauptachse des Tieres, den apicalen, aboralen oder dorsalen 
Pol dar. Das andere Ende der Hauptachse, der ventrale oder orale 
Pol, liegt in der Mundéfinung, die nahezu central die hautige 
Kelchscheibe durchbricht. Wabhrend der kurzen Zeit, da die Larve 
von Antedon, als sogen. Pentacrinusstadium, eine sefShafte Lebens- 


weise fiihrt, ist sie mit ihrem aboralen Pol an einem Stiele be- 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 5 


66 Heinrich Bofhard, 


festigt und wendet ihre Mundéffnung nach oben. Der orale Pol 
ist auch nach erfolgter Losléisung vom Stiele nach oben gerichtet, 
und es kann daher die orale Seite auch als Oberseite, die aborale 
dagegen als Unterseite bezeichnet werden. 

Wahrend die Mundéfinung in der hautigen Kelchdecke eine 
fast centrale Lage hat, erhebt sich die Afterréhre excentrisch in 
einem Interradius derselben. Vom Munde aus verlaufen in der 
Richtung der 5 Hauptradien als rinnenférmige Vertiefungen an 
der Kelchdecke die 5 Nahrungsfurchen (Taf. VI, Nf. Fig. 15), um 
nachher auf die Arme und Pinnulae iiberzutreten. Die gabelartige 
Teilung eines jeden der 5 Arme bedingt auch eine Zweiteilung 
einer jeden Nahrungsrinne in der Nihe des Scheibenrandes. Zur 
Aufnahme dieser rinnenartigen Vertiefungen des Integumentes sind 
die einzelnen Kalksegmente, welche das Skelett der Arme bilden, 
auf ihrer oralen Seite ebenfalls gefurcht; auf diese Weise kommen 
die Ambulacralfurchen der Arme zustande (vergl. Taf. IV, Fig. 8). 
In den Skelettstiicken der Pinnulae ist auf der oralen Seite eben- 
falls eine Furche aufgespart, um die Integumentrinne aufzu- 
nehmen. Die oralen Pinnulae — als solche bezeichnen wir die 
ersten ‘fuferen Fiederchen jedes Armpaares (Taf. I, Fig. 1 
u. 2 Po) — besitzen dagegen weder eine Ambulacralfurche noch 
eine Integumentrinne. Sie stehen auch in keinerlei Beziehung zu 
dem Geschlechtsapparate wie die iibrigen Armfiederchen, die als 
Bildungsstatten der Geschlechtsprodukte die letzten Verzweigungen 
desselben darstellen. Die Annahme Perrter’s, daf diesen oralen 
Pinnulae die Funktionen von Tastorganen zukommen, ist wohl 
durchaus berechtigt. Man sieht sie nimlich bei Beriihrung der 
Kelchdecke mit einer Nadelspitze sich energisch gegen die Mund- 
dtthung hin zusammenneigen. 

Um einen Einblick in die allgemeinen Organisationsverhaltnisse 
von Antedon zu gewinnen, ist es wohl zweckmiafig, von einem 
Querschnitte durch einen Arm auszugehen, wie er beispielsweise 
in Taf. VI, Fig. 15 u. 16 dargestellt ist. (Vergl. auch die Erklarungen 
zu obigen Figuren.) Der Querschnitt ist so gezeichnet, daf die 
orale Seite des Armes nach oben, die aborale dagegen nach unten 
gerichtet ist. Der orale Teil der Arme wird von Weichteilen 
occupiert, die mit den entsprechenden Weichteilen des Kelches 
im Zusammenhange stehen. Auf der aboralen oder unteren Seite 
der Arme dagegen dominiert der Kalk, er steht an der Ursprungs- 
stelle der Arme mit den Kalkpartien des Kelches in Verbindung. 
Auf dem Armquerschnitte treffen wir, von der Oralseite zur 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 67 


Apicalseite fortschreitend, die Weich- und Hartteile in folgender 
Anordnung : 

a) die in die Ambulacralfurche der Skelettstiicke eingesenkte, 
vom Integumente gebildete Nahrungsfurche (N/) mit ihrer epi- 
thelialen Auskleidung und den ihre seitlichen Wande begleitenden 
Tentakeln (7); 

b) in der Tiefe des Epithels den radiiiren Strang des ober- 
flichlichen oralen Nervensystems (Rn); 

c) unter dem Epithel einen nicht auf allen Schnitten sicht- 
baren Kanal, der von den einen Autoren als radiares Blutgefal 
(LupwiG), von den anderen als Schizocél-Lingskanal (HAMANN), 
oder als Gewebeliicke (Voar und YunG) bezeichnet wird. Wieder 
andere (wie z. B. Perrier), fiihren ihn in ihren Darstellungen der 
Armquerschnitte gar nicht auf; 

d) den Radialkanal des Wassergefifsystems (Rh); 


e) die 3 radiiren Sinusse des Armcéloms, von denen der 
dorsale (Ds) durch den Genitalsinus (Gs) von den beiden ventral 
gelegenen (Vs) getrennt ist; 

f) den Genitalkanal mit der Genitalrhachis (Gs und Gr); 

e) das Paar der ventralen Muskeln (JZ); 

h) den Strang des aboralen oder apicalen Nervensystems (Sav); 

i) die dorsale, den ventralen Muskeln der Armgelenke anta- 
gonistisch entgegenwirkende Fasermasse (Df) oder den Kalkkérper 
des Armgliedes (Kgs). 

In der Bezeichnung dieser auf dem Querschnitte zu Tage 
tretenden Gebilde haben wir uns an die von A. Lane (14, 
S. 1004) vorgeschlagene Terminologie gehalten. Wie friiher schon 
hervorgehoben worden ist, gehen die Nahrungsfurchen der Arme 
an der Birfurkationsstelle der letzteren in die zum Munde bhin- 
ziehenden 5 Hauptfurchen der Scheibe tiber. Den Nahrungs- 
furchen schliefen sich in ihrem Verlaufe die Kanile des Wasser- 
gefafsystems aufs engste an. Die Radialkanale der Pinnulae, der 
Arme und der Scheibe vereinigen sich in einem Centralkanal, der 
ringartig die Mundéffnung umgiebt. Die letzten Verastelungen 
des WassergefaSsystems sind die Tentakelkanale (7k). Sie ent- 
springen als seitliche Abzweigungen alternierend den Radialkanalen. 
An den seitlichen Randern der Nahrungsfurchen erheben sich die 
Tentakeln (7), von denen je 3 zu einer Gruppe vereinigt sind. 
Jede dieser Triaden steht durch einen Tentakelkanal mit einem 
Radialgefaifke in Verbindung. Die Tentakeln sind der lokomoto- 

5* 


68 Heinrich Bofhard, 


rischen Funktion vollig entfremdet, sie vermitteln hauptsichlich 
die Respiration und Nahrungszufuhr. Die Frage nach dem Ver- 
halten derjenigen Organe, denen die Zuleitung des Meerwassers in 
das Ambulacralsystem obliegt, kann noch nicht als definitiv ent- 
schieden betrachtet werden, da die Ansichten der Forscher nicht 
in allen Punkten miteinander tibereinstimmen. Lupwia (15) be- 
trachtet die Schlauche, die dem Ringkanal des Ambulacralsystems 
anhangen und nach seiner Darstellung frei in die Leibeshéhle 
miinden, als Gebilde, die den Steinkanilen der iibrigen Echino- 
dermen als morphologisch gleichwertig zu setzen sind, und homologi- 
siert fernerhin die die Kelchdecke durchsetzenden Kelchporen mit 
den Madreporenéffnungen der anderen Echinodermen. Nach seiner 
Ansicht ist also das Wassergefafsystem der Crinoidea in der fiir 
alle Echinodermen typischen Weise ausgebildet. PrrrieR (20) 
unterscheidet periphere Kelchporen (entonnoirs périphériques), 
welche das Meerwasser in das Innere der Arme leiten, und centrale 
Kelchporen (entonnoirs centraux), die das Wasser einem ganz be- 
stimmten Koérperbezirke zufiihren und nicht einfach an irgend einer 
beliebigen Stelle die Verbindung der Aufenwelt mit der allgemeinen 
Leibeshéhle vermitteln. Ueber die Beziehungeu zwischen den 
Kelchporen und den Steinkanalen aufert er sich (I. c., S. 256) 
folgendermafen: ,,En somme chez les Comatules adultes les tubes 
hydrophores puisent dans la cavité générale Peau qui remplit le 
canal tentaculaire et ses dépendances; mais cette eau n’arrive que 
de seconde main, en quelque sorte, aux tubes hydrophores. Chez 
Vanimal adulte, contrairement a ce qui a lieu chez les jeunes, on 
ne peut donc réclamer ancun rapport particulier, fonctionnel ou 
autre, entre les tubes hydrophores et les entonnoirs vibratiles.“ 
Eine direkte Beziehung zwischen den Steinkanaélen und den Kelch- 
poren, namentlich auch in Bezug auf ihre Zahl, wiirde demnach 
nach der Ansicht des franzésischen Zoologen nur auf gewissen 
Jugendstadien zu konstatieren sein. 

Wie die Kanale des Ambulacralsystems, so folgen nun auch 
die Radiarstrange des oberflachlichen oralen Nervensystems (fn) 
dem Verlaufe der Nahrungsfurchen, mit deren Epithelzellen ihre 
Elemente in innige Beziehung treten. Das Centrum dieses ober- 
fliichlichen oralen Nervensystems, dessen Verbreitungsbezirk die 
oberflachlichen Partien des K6érpers, die aborale Seite ausgenommen, 
und der Darmkanal und seine Anhangsgebilde darstellen, liegt in 
einem den Mund umgebenden, ringférmigen Strange. Ohne auf 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 69 


die Meinungsverschiedenheiten naher einzutreten, die sich tiber die 
Natur des Radiarstranges erhoben haben, wollen wir doch kurz 
darauf hinweisen, dafi Lupwia (I. ¢.) zuerst denselben als Nerven 
in Anspruch genommen hat. 

Die auf dem Querschnitt durch einen Arm als Radiarsinusse 
des Armcéloms bezeichneten Hohlraume stehen mit der Leibeshéhle 
des Kelches, bezw. mit den verschiedenen Abteilungen derselben in 
Verbindung. Die beiden ventralen oder subtentaculiren Kanale 
(Vs) sind durch ein vertikales (Vsp) Septum von einander getrennt 
und miinden in den axialen Teil des Kelchcéloms. Der Dorsal- 
kanal ist durch ein horizontales Septum (Hsp) und den Genital- 
kanal (Gs) von den Ventralkanalen geschieden und kommuniziert 
mit der Periintestinalhdhle des Kelches. Die allgemeine Leibes- 
hohle des Kelches zerfallt namlich in einen centralen Teil, der 
den Darmkanal enthalt und als Periintestinalhéhle bezeichnet wird, 
und in einen peripheren Abschnitt, fiir den die Bezeichnung peri- 
phere oder subtegumentare Hohle eingefiihrt worden ist (LANG, 1. ¢.). 
In der Periintestinalhéhle lassen sich wiederum zwei konzentrisch 
angeordnete Abschnitte unterscheiden: ein axialer Teil, der den 
Genitalstolo enthalt und mit dem im Grunde des Bechers gelegenen 
»gekammerten Organ“ und durch letzteres auch mit den Kanilen 
der Ranken in Beziehung steht, und ein peripherer auBerer Teil, 
der den spiralig gewundenen Darm enthalt. 

Der Genitalstrang (Gr) liegt auf dem Armquerschnitte zwischen 
den ventralen Kanalen und dem Dorsalkanal in einem besonderen 
Sinus, der in Bindegewebsmassen eingebettet ist. Jou. MULLER (18) 
hat ibn als Nervenstrang betrachtet. Seine wahre Natur ist dann 
von W. B. CARPENTER erkannt worden. Der Genitalstrang der 
Arme folgt in seinem Verlaufe der Nahrungsfurche, er verastelt 
sieh wie diese, und seine Zweige treten in die Fiederchen ein, wo, 
wie friiher schon erwahnt wurde, die Geschlechtszellen gebildet 
werden. 

Die Genitalstrange lassen sich auch in der Kelchdecke bis 
in die Nahe des Mundes verfolgen, ohne daf sich jedoch ein 
direkter Zusammenhang mit dem Axialorgane nachweisen laft, wie 
dies fiir die tibrigen Echinodermen mit Ausnahme der Holothurioidea 
der Fall ist. Aus diesem Grunde sind wohl dem Axialorgane der 
Crinoidea die verschiedenartigsten Funktionen zugeschrieben worden. 
Daf es auch mit einer stattlichen Reihe von Benennungen bedacht 
worden ist, diirfte nicht tiberraschen. 


70 Heinrich Boghard, 


Das aborale oder apicale Nervensystem, dessen radiarer Strang 
(San) auf dem Armquerschnitte ebenfalls getroffen wird, ist bei den 
Crinoidea iiberhaupt in hohem Grade ausgebildet. Trotzdem ist 
seine wahre Natur und Bedeutung verhaltnismafig erst spat fest- 
gestellt worden. Jou. Miuvuer hielt merkwirdigerweise den api- 
calen Armnerven fiir einen Kanal und bezeichnet ihn als Central- 
kanal. Lupwie (1. c.) fiihrt ihn als radiire Fasermasse auf, und 
auch PERRIER (21) stellt seine nervése Natur noch entschieden in 
Abrede, obwohl W. B. CARPENTER schon 1866 den Strang als Nerven 
aufgefaBt hatte. Nachdem er die von W. B. CARPENTER zu Gunsten 
seiner Auffassung des Stranges als Teil des Nervensystems ins 
Feld gefiihrten Argumente allseitig gepriift und erwogen, kommt 
Lupwie (1. c. 8. 335) zu folgendem Schlusse: ,,Bei dieser Lage 
der Sache vermag ich CARPENTER’s Ansicht, daf die Faserstrange 
Nerven seien und folglich den Crinoideen im Gegensatz zu den 
iibrigen Echinodermen aufSer dem ambulacralen noch ein anti- 
ambulacrales Nervensystem zukomme, nicht zu teilen, sondern halte 
zunichst fest an der anderen vorhin geduferten Auffassung der 
Faserstrange‘, und fiigt (1. c. S. 340) hinzu: ,,Die Faserstrange 
sind zu betrachten als unverkalkt gebliebene Teile der binde- 
gewebigen Grundlage der Kalkglieder, deren Aufgabe es ist, aus dem 
BlutgefaBsystem, genauer aus den 5 Kammern, die ernaihrende 
Fliissigkeit aufzunehmen und den Arm- und Pinnulagliedern zu- 
zufiihren.“ Es blieb dann SEMPER (24) und P. H. Carpenter, (5, 6), 
MARSHALL (16) und Jickert (11) vorbehalten, die Auffassung W. 
B. CARPENTER’S hinsichtlich des Apicalstranges histologisch und 
experimentell zu bestitigen. Die Apicalstringe der Arme und 
Pinnulae verlaufen in den Axialstrangen (Aa u. Ar), die fiir sie 
in den Skelettstiicken aufgespart sind, in jedem der letzteren ein 
dorsales und ein ventrales Paar Aeste abgebend. Bevor sich die 
Strange eines jeden Armpaares im Costale primum zu einem 
primaren Strange vereinigen, kommt es zur Bildung eines kom- 
plizierten Chiasmas im Bereich des Costale secundum (C, Fig. 1). 
Dann ziehen die primaren Strange konvergierend zum Grunde des 
Kelches hin, um daselbst in die nervése Hiille einzutreten, die die 
Wandung des ,gekammerten Organs“ bildet und als Centrum des 
aboralen Nervensystems zu betrachten ist. Im Axialkanal der 
Kalksegmente der Ranken (Fig. 9, 11 u. 12 Av) verlaiuft eine 
Rohre, die mit dem Hohlraumsystem des gekammerten Organs 
kommuniziert und deren Wandung von der Fortsetzung der nervésen 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 7] 


Hiille desselben gebildet wird. Die Rankenkanile besitzen dem- 
nach Nervenscheiden als Wainde. Der Vollstaéndigkeit halber wollen 
wir hier noch das dritte Nervensystem der Crinoidea erwihnen. 
Dasselbe ist auf der oralen Seite der Kelchscheibe und der Arme 
entwickelt. Es hat eine subepitheliale Lage und setzt sich aus 
einem Schlundring und 5 Paaren von Armnerven zusammen, die 
zwischen den Ventralkanilen und dem Subtentaculirkanal (/h) 
verlaufen und mit den ventralen Verzweigungen des apicalen 
Stranges in Beziehung treten. Lanq@ spricht (1. ¢.) die Ansicht 
aus, dieses dritte Nervensystem der Crinoidea sei als ein Homo- 
logon zum tiefliegenden oralen System der iibrigen Echinodermen 
zu betrachten. 

Es folgt auf dem Armquerschnitte das Paar der ventralen 
Muskeln (J), und unter denselben die Masse der Dorsalfasern (Df), 
die auf der Dorsalseite der Arme die Artikulationsflachen zweier 
Kalkglieder miteinander verbindet. 

Nach der tibereinstimmenden Ansicht aller Forscher, die sich 
mit der Organisation von Antedon befaSt haben, wird die Ver- 
bindung zweier aufeinander folgenden Skelettstiicke auf der oralen 
oder ventralen Seite der Arme durch echte Muskeln (7) bewerk- 
stelligt. Hinsichtlich der Natur der Fasern aber, die auf der 
Dorsalseite der Arme den echten ventralen Muskeln antagonistisch 
entgegenwirken, gehen die Meinungen der Zoologen so sehr aus- 
einander, dafi eine neue Priifung dieser Frage gerechtfertigt er- 
scheint. Wahrend nimlich die alteren Forscher das Beugen der 
Arme nach unten, d. h. gegen den Apex des Kelches hin, der 
Wirkung der elastischen Interartikularsubstanz (Df) zuschreiben 
und gleichzeitig den Ranken die Fahigkeit, willkiirlich sich zu be- 
wegen, absprechen, betrachten neuere Zoologen die Dorsalfasern der 
Arme und die Fasern in den Gelenken der Ranken (Taf. VII, Fig. 24 
Ff) unbedenklich als Muskeln. Nach diesen orientierenden Be- 
merkungen tiber die allgemeine Organisation von Antedon und die 
Stellung der Echinodermenforschung zur Frage der Verbindungs- 
weise der Skelettstiicke der Arme und Ranken wenden wir uns 
den von uns angestellten Untersuchungen und ihren Resultaten 
zu. Untersucht wurde das Skelett der Arme und Ranken und 
teilweise auch dasjenige des Kelches, namentlich in Bezug auf die 
Artikulationsverhaltnisse, sowie die Verbindungsweise der Skelett- 
stiicke durch die verschiedenen Fasermassen. Zunachst mégen einige 
Angaben iiber die technischen Mittel und Wege, die der Arbeit zu 
Grunde liegen, Platz finden. 


12 Heinrich BoSghard, 


Ii. Technik. 


Ein 5-monatlicher Aufenthalt an der zoologischen Station 
in Neapel setzte uns in den Stand, Beobachtungen an _ einer 
eroBben Zahl lebender Individuen anzustellen und nicht unwesent- 
liche Erfahrungen tiber zweckmaige Konservierung und Ent- 
kalkung des Untersuchungsmateriales zu sammeln. Der hoch- 
verehrten Anstaltsleitung, deren iiberaus liebenswiirdiges Ent- 
gegenkommen uns diesen liingeren Aufenthalt an der Station er- 
mobelichte, sei an dieser Stelle aufrichtigster Dank gesagt. Die 
Entfernung des die Weichteile des Tieres durchsetzenden Kalk- 
skelettes erwies sich als besonders schwierig und in hohem Grade 
zeitraubend. Gelingt es aber nicht, die Kalkmasse bis auf ihre 
letzten Spuren zu entfernen, ohne durch die angewendeten Re- 
agenzien die Gewebe allzusehr in Mitleidenschaft zu ziehen, so ist 
die Herstellung brauchbarer Mikrotomschnitte eine Unmoglichkeit. 
Soweit méglich, wurde das Material nicht blo& an Schnitten und 
Zuptpraparaten, sondern auch in toto und zwar vor und nach er- 
folgter Entkalkung und Farbung mit der Lupe untersucht. Als 
Fixierungsmittel haben sich konzentrierte wisserige Sublimatlésung 
und Kalium bichromicum (4-proz.) sehr gut bewéahrt. Fiir die 
Herstellung der Skelettpraiparate wurde eine ca. 25-proz. Liésung 
von Kalium causticum und zur Entkalkung konzentrierte Salpeter- 
siure mit Erfolg angewendet. Die Fixierung mit Kal. bichromic. 
erwies sich nach zwei Richtungen hin als vorteilhaft: einmal 
wurden die Weichteile, namentlich die Dorsalfasern, sehr gut fixiert, 
und andererseits wurde gleichzeitig noch ein betrachtlicher Teil 
der Kalkmasse aufgelést. Die Anwendung dieses Fixatives machte 
allerdings ein langes (mindestens 24-stiindiges) Auswaschen in 
fliekendem Wasser nétig. Die zu entkalkenden Ranken und Arm- 
stiicke wurden in relativ grofe Mengen Alkohols von 70 Proz. ge- 
legt, dem nur wenige Tropfen konzentrierter Salpeterséure auf 
einmal zugesetzt wurden. Hiéufige Erneuerung der Entkalkungs- 
fliissigkeit mit jeweiligem Zusatz von nur wenigen 'Tropfen Sal- 
petersiure und wochen-, ja selbst monatelanges Ausdehnen der 
Entkalkungsprozedur anf dasselbe Objekt erméglichten allein die 
schen Mikrotome in verschiedenen Dicken angefertigt und nach 
Herstellung gentigend diinner und tiberhaupt brauchbarer Schnitt- 
priparate. Als Einbettungsmasse wurde stets Paraffin angewendet. 
Samtliche Schnitte und Schnittserien sind mit einem ZIMMERMANN- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 73 


schen Mikrotome in verschiedenen Dicken angefertigt und nach 
der Kapillarattraktionsmethode auf dem Objekttrager befestigt 
worden. Diese Methode, die Schnitte aufzuheften, liefert bei 
richtiger Handhabung sehr zuverlassige Resultate und gestattet 
eleichzeitig ein rasches Arbeiten. Die Objekttrager mit den auf- 
gezogenen Schnitten sollten mindestens eine Woche an einem 
trockenen, mafig warmen Orte aufbewahrt werden, bevor sie einer 
weiteren Behandlung unterworfen werden, sonst riskiert man, da 
beim Farben der Schnitte besonders in wisserigen Farbstofflésungen 
und nachherigen Auswaschen in Wasser einzelne Schnitte, oder 
wenigstens Teile von solchen, sich ablésen und verloren gehen. 
Stiick- und Schnittfarbung sind nebeneinander zur Anwendung ge- 
kommen; doch muf der Schnittfarbung entschieden der Vorzug 
gegeben werden, da sie auch bei nicht allzu reichlichem Material 
zablreichere und damit auch mannigfaltigere Tinktionen gestattet 
und eine bestindige Kontrolle der Farbstoffwirkung erméglicht. 
Den einfachen Farbungen reihten sich Doppel- und Mehrfach- 
farbungen an, tiber deren Resultate spaiter berichtet werden soll. 


Hil. Das Skelett im allgemeinen. 


Das Kalkskelett, das im Integumente der Echinodermen zur 
Ausbildung gelangt, ist fiir den ganzen Stamm ebenso charak- 
teristisch wie der strahlige Bau des Korpers oder das Wasser- 
eefaBsystem, und ist auch von ganz eigenartiger mikroskopischer 
Struktur. Das Gefiige dieser Skelettbildungen ist nicht kompakt, 
sondern maschenartig oder schwammig. Die Kalkmasse_ bildet 
stets die Balken des Gitterwerkes, wahrend die Maschen von 
Gewebemassen ausgefiillt werden. Die Thatsache, dal gewisse 
Platten in den Skeletten aller Echinodermenabteilungen wieder- 
kehren, berechtigt wohl dazu, sie als homologe Bildungen und 
als Bestandteile eines urspriinglichen hypothetischen Echinodermen- 
skelettes zu betrachten. Das letztere setzt sich nach A. LANG 
(1. c.) zusammen aus den Platten des oralen und aboralen Systems. 
Das orale System besteht aus 5 Platten, die, kranzartig und 
interradial gestellt, den Mundpol umgeben. Das aborale System 
gelangt im Umkreis des aboralen Poles zur Ausbildung und nimmt 
bei den Crinoidea einen hervorragenden Anteil an dem Aufbau 
des die Eingeweidemasse enthaltenden centralen Bechers. Der 
aborale Pol wird von der Centralplatte occupiert. Um sie herum 


74 Heinrich Bofhard, 


legt sich bei den Crinoidea mit dicyklischer Basis zunachst der 
Kranz der 5 radial gestellten Infrabasalia, an welche sich nach 
aufen hin die 5 interradial angeordneten Basalplatten anlegen. 
An die Basalia schliefen sich die 5 Radialplatten (R Fig. 3), 
die den Abschlu8 des aboralen Systems gegen das perisomatische 
Skelett hin bilden. Bei den Crinoidea mit monocyklischer Basis 
unterbleibt die Bildung der Infrabasalia. Diesem durchaus hypo- 
thetischen Echinodermenskelette kommt dasjenige der Larve von 
Antedon in ihrem Pentacrinusstadium am nachsten. So fehlen 
der erwachsenen Antedon die Oralplatten, wiahrend sie auf ge- 
wissen Jugendstadien deutlich entwickelt sind. Auch die Central- 
platte verschwindet spater als selbstaindige Skelettplatte, indem 
sie bei der Loslésung der Antedonlarve von ihrem Stiele mit dem 
obersten, rankentragenden Stengelgliede und den Infrabasalia zur 
Centrodorsalplatte (Zd Fig. 1) verschmilzt. 


A. Das Skelett des Kelches. 


Am Aufbau des Kelchskelettes der erwachsenen Antedon be- 
teiligen sich neben den bereits erwahnten Platten des aboralen 
Systems auch noch zwei perisomatische Skelettstiicke. Es sind 
dies die auf die Radialia (R) des Kelches folgenden zwei Arm- 
stiicke. Man hat sie friiher als Radiale Il und Radiale LUI be- 
zeichnet, wir wollen sie nach dem Vorschlage Lana’s (I. ¢.) fixierte 
Costalia oder Costale I und Costale Il nennen. Vergl. die Erklarun- 
gen zu Taf. III, Fig. 1, 2 und Taf. IV, Fig. 4. Wird nach Entfernung 
des Eingeweidesackes der Kelch mit den ersten Armsegmenten 
mit einer Aetzkalilésung behandelt, so erliegt die ventrale Mus- 
kulatur in den Gelenken zuerst der Einwirkung des Reagens, 
wihrend die Armstiicke auf ihrer Dorsalseite durch die dem 
Aetzkali gegeniiber viel resistentere Fasermasse noch langere Zeit 
im Zusammenhange bleiben. SchliefSlich lést sich auch die Ver- 
bindung zwischen den Radialia und Costalia, und es bleibt vom 
Kelch eine Skelettmasse tibrig, in der Centrodorsalplatte (Zd), 
Basalia und Radialia (#) vereinigt sind und die von W. B. Car- 
PENTER (3) als ,,Pentagonal Base of the Calyx“ bezeichnet wird. 
Die dorsale Seite der pentagonalen Basis (Fig. 1) wird von der 
Centrodorsalplatte (Zd), ihre obere oder orale Seite von den 
oralen Flachen der 5 Radialia (&) gebildet (Fig. 3). An den 
5 Seitenlinien des Pentagons artikulieren die Costalia I. Basalia 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 75 


und Infrabasalia sind in der Skelettmasse der pentagonalen Basis 
eingeschlossen und dem Auge nicht sichtbar. Die Centrodorsal- 
platte ist auf ihrer dorsalen Seite konvex gekriimmt, ihre Rand- 
partie ist dicht mit Ranken besetzt, die in 2—3 tibereinander 
liegenden Reihen angeordnet sind. Nur der centrale Teil bleibt 
frei von Ranken. Da, wo eine Ranke am Centrodorsale befestigt 
ist, zeigt letzteres eine pfannenartige Vertiefung zur Aufnahme 
der proximalen Artikulationsfliche des ersten Cirrensegmentes 
(vergl. Fig. 1 u. 9). Da zwischen den die pentagonale Basis zu- 
sammensetzenden Skelettstiicken eine gelenkige Verbindung nicht 
besteht, verzichten wir hier auf eine detaillierte Beschreibung der- 
selben und verweisen auf die héchst zuverlissigen Angaben und 
Darstellungen W. B. CARPENTER’s (I. ©.). 

Die 5 Radialia (f), deren orale Flichen in der ventralen 
Ansicht der pentagonalen Basis (Fig. 5) dargestellt sind, haben die 
Form eines regularen Dreieckes. Die Spitzen der 5 Dreiecke sind 
dem Centrum des Pentagons zugekehrt, ihre leicht konvexen 
Grundlinien bilden die 5 Seiten des letzteren. Die aufere oder 
distale Flache eines Radiale artikuliert mit der proximalen Flache 
eines Costale I und zeigt folgende Gliederung (Fig. 3 u. 5): In 
jedem Radiale verliuft von dem einen Eckpunkte der distalen 
Flache zum anderen in gerader Linie eine vorspringende Leiste 
(Articular Ridge W. B. CarpENTER’s) und teilt somit die ganze 
Artikulationsflache in zwei ungleich groBe Partien. Der dorsal von 
der Querleiste liegende Teil ist wie ein Kreissegment konturiert 
und namentlich gegen die Mitte hin ziemlich stark vertieft. Die 
ventrale Partie der Flache ist bedeutend gréfer und wird von 
einer vertikal gestellten Leiste halbiert. Jede Hilfte zeigt zwei 
ungleich tiefe Gruben zur Aufnahme der Fasermassen, welche die 
Verbindung zwischen Radiale und Costale I vermitteln. Die distale 
Flache der Radialia weist also eine horizontale und eine vertikal 
gestellte, vorspringende Leiste auf, dorsal von der Querleiste eine 
unpaarige Gelenkgrube, ventral von der Querleiste und zu beiden 
Seiten der Vertikalleiste 2 paarige ungleiche Artikulationsfelder. 
Vergl. Taf. IV, Fig. 3 und 5 und die dazu gehérenden Erklirungen. 
Die der distalen Flache der Radialia zugewendete proximale Flache 
der Costalia I ist genau von derselben Konfiguration, so daf wir 
hier auf ihre Beschreibung verzichten kénnen. Nach W. B. Car- 
PENTER dient die unpaare dorsale Gelenkgrube zur Aufnahme der 
»Ulastic Ligaments“ (Df), die mittlere, unmittelbar an die Quer- 
leiste stoSende Grube nimmt die ,,Interarticular Ligaments“ (Lf) 


76 Heinrich BoShard, 


auf, und in der oberen, ventralen Vertiefung verlaufen von einer 
Flache zur anderen die ,,Flexor Muscles‘, d. h. die echten ven- 
tralen Muskeln aller Autoren (JZ). Wir sind in der Lage, die 
Angaben CArpPEeNTER’s tiber die Beschaffenheit der Artikulations- 
flichen der Radialia zu bestatigen. Der Axialkanal, in welchem 
der Strang des apicalen Nervensystems (San) verlauft, dffnet sich 
in der distalen F'lache der Radialia an der Kreuzungsstelle zwischen 
der vertikalen und der horizontalen Kalkleiste (Aa). Auf der 
Innenseite der Radialia ist seine Miindung doppelt. An die Radialia 
schliefen sich die Costalia I, deren distale Flachen mit den proxi- 
malen Flachen der Costalia II artikulieren. Die beiden Gelenk- 
flachen der Costalia I sind nahezu parallel, so da8 auch der innere 
und auere Rand des Segmentes gleich lang erscheinen. Vere]. 
Taf. III Fig. 1. Die distale Flache des Costale I ist, wie Fig. 6 
zeigt, wesentlich verschieden von seiner proximalen Flache, welche, 
wie bereits hervorgehoben worden ist, mit der ihr gegeniiber- 
stehenden Fliche des Radiale iiberecinstimmt. Die nahezu elliptische 
Flache wird durch eine Vertikalleiste in ein linkes und rechtes 
Feld abgeteilt. Beide Felder sind grubenartig vertieft und mit 
vorspringenden Réndern eingefaft. Ungefihr in der Mitte der 
Vertikalleiste befindet sich die Oeffnung des Axialkanales (Aq). 
Gegentiber der proximalen Fliche des Costale I ist also seine 
distale Fliche von auffallend einfacher Gestalt. Die zwei einzigen 
seitlichen Gelenkgruben sind nach W. B. CARPENTER nur zur Auf- 
nahme von ,,interarticular ligaments“ aufgespart, und es wiirden 
diesem Gelenke zwischen Costale I und Costale II demnach ,,elastic 
ligaments“ und echte Muskeln fehlen, (,n0 muscular bands being 
here interposed“, J. c. S. 715). Auch Jon. Minuer (1. c. S. 206) 
sagt in Bezug auf dieses Gelenk: ,,Aber das Gelenk zwischen dem 
2. und 3. Gliede (gemeint sind C, und C,) hat bei Alecto euro- 
paea keine Muskeln, dies ist das Gelenk, welches nur Seiten- 
bewegungen oder seitliches Hin- und Herwiegen des 3. Radiale 
(Costale II) zulaBt. Dem Gelenk zwischen dem 2. und 3. Radiale 
fehlt also die Muskelbewegung.“ Das Costale II hat, vom ab- 
oralen Pole von Antedon aus gesehen (Fig. 1), nahezu die Form 
eines Dreieckes mit distal gerichteter Spitze. Es hat 3 Gelenk- 
flichen, von denen die proximale mit dem Costale I artikuliert, 
und 2 distale, von denen jede mit einem Brachiale I (Fig. 1) 
gelenkig verbunden ist. Die proximale Flache verhilt sich analog 
wie die distale Flache des Costale I, wéihrend die 2 distalen 
I'lachen kompliziertere Gebilde sind (vergl. Fig. 7). Sie sind von- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 177 


einander getrennt durch eine Leiste, die vertikal von der ventralen 
zur dorsalen Mitte des Segmentes verliuft. In jeder Flache ist 
wieder eine Querleiste vorhanden, die aber nicht horizontal ge- 
richtet ist, sondern vom dorsalen oder unteren Ende der Mittel- 
leiste unter einem Winkel von ca. 30° schrag nach oben und aufen 
zieht. Jede Flache zeigt wiederum eine dorsal von der Querleiste 
liegende unpaarige Grube, und ventral von derselben 2 paarige 
Vertiefungen, wie wir sie in der distalen Flache der Radialia 
kennen gelernt haben. Im Costale II erfahrt der Axialkanal eine 
dichotomische Teilung, daher ist auch jede der beiden Flachen 
mit einer Oefinung desselben versehen (Aa Fig. 7). Das Gelenk 
zwischen Costale Il und Brachiale I erméglicht also eine Drehung 
um eine von unten und innen schrag nach oben und aufen gerichtete 
Achse. 


B. Das Skelett der Arme. 


Jeder der 10 Arme besteht aus einer gréferen Zahl an- 
einander gefiigter Kalksegmente, deren Durchmesser mit der Ent- 
fernung von der Ursprungsstelle des Armes abnimmt. Die Zahl 
dieser einen Arm zusammensetzenden Kalkglieder lat sich nicht 
wohl genau angeben, da komplette, ganz unversehrte Arme nicht 
allzu haufig zur Verfiigung stehen. In den meisten Fiillen hat 
man es mit unvollstindigen Gebilden zu thun, deren letzte Seg- 
mente abgefallen oder noch nicht ausgebildet sind. W. B. Car- 
PENTER giebt fiir einen Arm von 4” Linge 140 Segmente an. 
Alle Segmente haben auf ihrer ventralen Seite die schon friiher 
erwihnte, als Ambulacralfurche bezeichnete, rinnenférmige Ver- 
tiefung; in der Richtung ihrer Liingsachse sind sie vom Axialkanal 
durchbohrt, ihre proximalen und distalen Flaichen sind, wenn wir 
von den Syzygien (Sg Fig. 1 u. 2) absehen, zu Gelenkfacetten 
ausgebildet und zeigen die zur Aufnahme der Muskeln, Dorsal- 
fasern und Ligamente notwendigen Vertiefungen. Die Artikulations- 
flichen des einzelnen Segmentes stehen nicht vertikal, sondern 
schief zur Langsachse des Gliedes (Fig. 1). Sie sind daher auch 
nicht parallel, sondern konvergieren abwechselnd nach der Innen- 
und Aufenseite des Armes hin (Fig. 2). Jedes Segment hat daher 
auch einen kiirzeren und einen langeren Seitenrand. Die Segmente 
sind im Arme derart angeordnet, dafi z. b. der kiirzere Seiten- 
bezw. Innenrand des ersten mit dem langeren Seiten- bezw. Innen- 


78 Heinrich BoShard, 


rand des nichsten, der liingere Seiten- bezw. AuSenrand des ersten 
mit dem kiirzeren Seiten- bezw. AuBenrand des folgenden zu- 
sammenstéft. Nur die Flichen, die eine Syzygie bilden, stehen 
vertikal zur Liingsachse des Armes und sind untereinander parallel 
(Fig. 2). 

Was die Verbindungsweise der Armglieder untereinander be- 
trifft, so kommen neben den Gelenken noch die schon mehrfach 
erwihnten Syzygien vor. Gelenke und Syzygien wechseln in gesetz- 
inibiger Weise mitemander ab (Fig. 2 u. Erklarung). Der Aus- 
druck ,,Syzygie“ wird nicht von allen Autoren in demselben Sinne 
angewendet. Es mag hier am Platze sein, diese Thatsache an einigen 
deispielen zu illustrieren. Jon. MULLER giebt (1. c. 8. 215) folgende 
Definition der Syzygie: ,,Unter Syzygie verstehe ich die unbewegliche - 
Nahtverbindung zweier Glieder. In diesem Falle fehlen an dieser 
Stelle sowohl die Muskeln als die elastische Interartikularsubstanz. 
Die Verbindungsflichen dieser Glieder sind radiiert.‘‘ Daraus 
geht klar hervor, daf der Ausdruck ,,Syzygie“ fiir MULLER nur 
den Modus einer Verbindung zwischen zwei Segmenten und zwar 
eine unbewegliche Verbindung angiebt und daher im Gegensatze 
zu ,,Gelenk’S zu verstehen ist. Wie aus verschiedenen Stellen 
seiner Arbeiten ,,Ueber den Bau des Pentacrinus Caput Medusae‘ 
und ,,Ueber die Gattung Comatula und ihre Arten‘S hervorgeht, 
halt sich MULuer selbst nicht immer streng an seine Definition in 
der Anwendung des Wortes ,,Syzygie“. Noch weniger konsequent 
scheint P. H. CARPENTER in der Verwendung des Wortes zu sein, 
wie die von BATHER (2) citierten Stellen aus seinen Arbeiten dar- 
thun. Lane (I. c. 5S. 964) unterscheidet, die altere Ansicht tiber 
die Verbindungsweise der Skelettstiicke vortragend, zwischen 
Suturen oder Synostosen, Syzygien und Muskelgelenken. Der 
Begriff ,,Sultur“, wie er hier angewendet wird, wiirde sich zum 
Teil mit der von JoH. MULLER fiir Syzygie gegebenen Definition 
decken, da fiir beide Unbeweglichkeit der Verbindung und Mangel 
jeglicher Faserverbindung (bei MULLER’s Definition wenigstens der 
elastischen Faserverbindung) zwischen den Skelettstiicken als wesent- 
lich charakteristisch hervorgehoben wird. Mit dieser Erklarung 
Lana’s steht der folgende Passus (1. c. 8. 1006) nicht im Ein- 
klang: ,,Wo zwei Skelettstiicke durch eine Sutur vereinigt sind, 
wird diese Sutur durch dicht gedrangte, parallel verlaufende 
Fasern gebildet, welche das Grundgewebe des einen Stiickes mit 
demjenigen des anderen verbinden.‘‘ Nach der citierten Auffassung 
wiirden in den Syzygien elastische Fasermassen die Skelettstiicke 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 79 


verbinden und eine wenigstens passive Beweglichkeit der letzteren 
erméglichen. Als Syzygien miiften nach derselben Ansicht be- 
trachtet werden die Verbindungen der Stiel- und Rankenglieder, 
ferner die Verbindungen zwischen Costale I und HU, Brachiale I 
und II, wo ja die echten, ventralen Muskeln ebenfalls fehlen und 
eleichzeitig auch die von Jon. MULLER, W. B. CARPENTER etc. als 
Syzygien bezeichneten Verbindungen zwischen Brachiale III und IV, 
Brachiale IX und X etc. Diese letzteren Verbindungsweisen diirfen 
aber mit den Ranken- und Stielgelenken nicht identifiziert werden. 
Angesichts dieser verschiedenen Anwendungen des Begriffes 
»oyzygie’ ist es wohl gerechtfertigt, den Vorschligen BatrHeEr’s 
zu folgen und den Ausdruck ,,Syzygie“ nur in seiner urspriing- 
lichen, von Jou. MULLER vorgeschlagenen Bedeutung anzuwenden, 
d. h. fir die unbewegliche, durch Fasermassen vermittelte Ver- 
bindung zweier Skelettstiicke. Demgemaf kommen Syzygien vor 
(Fig. 2): zwischen Br. 3 und 4, 9 und 10, 14 und 15, 18 und 19, 
22 und 23, 26 und 27, 30 und 31, 34 und 35, 38 und 39, 42 
und 43, 46 und 47 u.s.f. In den Endpartien kann dieses gesetz- 
miifige Auftreten der Syzygien gelegentlich eine Storung erfahren; 
doch haben wir nur einen einzigen derartigen Fall konstatieren 
kénnen. 

Konstant ist auch die Verteilung der Pinnulae auf die Arm- 
glieder (Fig. 2). Von den beiden Kalkgliedern, die durch eine 
Syzygie miteinander verbunden sind, traigt das proximale, d. h. 
das sogen. ,,hypozygale“ niemals eine Pinnula, wohl aber das 
distale oder ,,epizygale“ Glied. Bei der Anordnung der Pinnulae 
kommen demnach die zwei durch eine Syzygie verbundenen Kalk- 
stiicke stets nur als eine Einheit in Betracht. AeuBere Fiederchen 
finden sich z. B. an folgenden Brachialia: 2, 5, 7, 10, 12, 15, 17, 
20, 23, 25, 28, 31, 33, 36 u. s. f. Innere Pinnulae tragen die 
Brachialiaw4.°6, 8.1) 13i 1G; b9e21, 24275-2932, 3d5imu. sf 
Wenn wir das erste Brachiale vom aboralen Pol aus betrachten 
(Fig. 1), so fallt in erster Linie der betrichtliche Langenunter- 
schied auf, der zwischen seinem inneren und Auferen Seitenrande 
besteht. Seine proximale Flache stimmt in ihrer Konfiguration 
tiberein mit der ihr zugewendeten distalen Fliche des Costale II. 
Hingegen ist seine distale Fliiche wesentlich verschieden gestaltet. 
Sie ist nach demselben Typus gebaut, wie die distale Fliche des 
Costale I, d. h. das ganze Artikulationsfeld ist durch eine verti- 
kale oder dorso-ventral verlaufende Leiste in zwei seitliche Ver- 
tiefungen abgeteilt, die nach CARPENTER nur Interartikularligamente, 


80 Heinrich BoShard, 


aber keine Muskeln aufnehmen kénnen (,,the distal face is formed 
on the plan of that of the second Radial; being simply divided by a 
vertical ridge into two lateral fossae, in which are lodged inter- 
articular ligaments, but no muscles‘, |. c. 8. 720). PERRIER er- 
wihnt das Fehlen von ,,muscles réfringents“* im Gelenk zwischen 
Costale I und II, unterlaft es aber, darauf hinzuweisen, dafi die- 
selben Verhiltnisse auch fiir die Gelenkverbindung zwischen 
Brachiale I und Brachiale II bestehen. Diesen beiden Gelenken 
kommt gegentiber allen anderen Armgelenken demnach eine 
Ausnahmestellung zu. Diese letztere bezieht sich sowohl auf 
die Gestaltung der miteinander artikulierenden Fliichen, als auch 
auf die Art der Faserverbindung zwischen den beiden Skelett- 
stiicken. 

Die Dorsalansicht des Brachiale II (Fig. 1) hat insofern 
einige Aehnlichkeit mit derjenigen des Brachiale I, als auch 
hier der innere Seitenrand gegentiber dem aéuferen betrachtlich 
kiirzer erscheint. Seine proximale Flache entspricht der distalen 
des vorausgehenden Segmentes und weist wieder die dorso- 
ventral verlaufende Leiste und die seitlich von ihr gelegenen 
zwei Vertiefungen auf. Die distale Fliche ist im ganzen éhn- 
lich der proximalen Flache des Brachiale I, das Auftreten der 
ersten Pinnula verleiht ihr allerdings ein etwas verdandertes 
Aussehen. 

Im Gegensatz zu Brachiale I und If hat nun Brachiale II 
einen lingeren Innenrand, so daf die erheblich schiefe Richtung 
seiner proximalen Flache wiederum kompensiert und eine zur 
Langsachse vertikale Richtung seiner distalen Fliche erméglicht 
wird. Seine distale Flache bildet mit der proximalen Flache 
des Brachiale IV die erste Syzygie (Taf. II, Fig. 1, 2 und 
Taf. IV, Fig. 8). Es ist friiher schon hervorgehoben worden, 
daB diese unbeweglichen Skelettverbindungen niemals_ schief, 
sondern stets vertikal zur Langsachse verlaufen. Daf’ die 
proximale Flaiche im wesentlichen mit der distalen Flache des 
Brachiale II, mit der sie artikuliert, iibereinstimmen muf, ist 
einleuchtend; nur fehlt ihr eine Ansatzstelle fiir eine Pinnula, 
da sie ja einem ,,hypozygalen“ Gliede angebért. Eine ganz 
andere Formation weist nun die distale Fliiche des Brachiale HI 
auf (Fig. 8). Von der Oeffnung des Axialkanales (Aq) strahlen 
radienartig Kalkleisten, welche gegen die proximale Fliche 
des Brachiale [V vorspringen, zum aboralen Rande und zu den 
Seitenrandern der Fliiche aus. Diesen vorspringenden Leisten ent- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 81 


sprechen analoge Gebilde an der proximalen Fliche des vierten 
Brachiale. Zwischen je zwei Leisten liegt eine Vertiefung. Da 
eine Vertiefung in der Flache des Brachiale III mit einer analogen 
Bildung in der Flaiche des Brachiale IV korrespondiert, so ent- 
stehen auf diese Weise Kanile, die von den Oeffnungen des Axial- 
kanales radienartig sich zur Peripherie der Flachen begeben und 
mit ihren Miindungen an der aboralen und seitlichen Oberfliche 
der verbundenen Segmente zu Tage treten. Mit Recht hebt W. 
B. CARPENTER (1. ¢c. 8. 721) hervor, da’ zwei durch eine Syzygie 
verbundene Skelettstiicke sich erst unter der Einwirkung kochender 
Lésungen von Kal. caust. trennen. Ihr gegenseitiger Zusammenhang 
ist demnach ein sehr fester. Seine weitere Bemerkung ‘No liga- 
mentous substance is interposed between them; but an examination 
of decalcified specimens shows that the canals are occupied by 
radial extensions of the ordinary sarcodic basis-substance” diirfte 
dagegen weniger einwandfrei sein, wie aus den Ausfiihrungen 
S. 101 ff. hervorgeht. Das Brachiale IV hat einen langeren Innen- 
und einen kiirzeren Aufenrand und tragt, wie Fig. 2 zeigt, die 
erste Innere Pinnula. Seine distale, dem Brachiale V zugewendete 
Flache weist die nimliche Konfiguration auf wie die proximale 
Flache des Brachiale III, nur daf sie durch die Ansatzstelle der 
ersten inneren Pinnula ausgezeichnet ist. Am Brachiale V ist der 
Liangenunterschied zwischen Innen- und Aufenrand sehr gering, 
so dafS seine beiden Artikulationsflichen nahezu parallel laufen. 
Letztere weisen im tibrigen keine besonderen Merkmale auf, 
sondern zeigen die typische Gliederung. Fir die Brachialia der 
nun folgenden Armpartien ist charakteristisch in erster Linie die 
allmaihliche Abnahme ihres Querdurchmessers ohne entsprechende 
Reduktion ihrer Linge, ferner das Auftreten der Syzygien in 
gleichen Zwischenriumen und die regelmafige Verteilung der 
Fiederchen. 


C. Das Skelett der Ranken. 


Forses und W. B. CARPENTER weisen darauf hin, da die 
Zahl der Ranken bei verschiedenen Individuen keineswegs konstant 
und ihre Form auch nicht einheitlich sei. Wir sind im Falle, 
diese Angaben bestitigen zu kénnen. Die vdllig entwickelte Dorsal- 
cirre besteht nach W. B. CarPenrer in der tiberwiegenden Zahl 


der Fille aus 15 Kalksegmenten. Jede einzelne Cirre ist als 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 6 


82 Heinrich BoShard, 


Ganzes im wesentlichen gekriimmt wie die Endklaue ihres letzten 
Segmentes, d. h. die Konvexitét der Ranke ist ventral oder nach 
oben gerichtet, wihrend ihre Konkavitét der Spitze des Kelches 
zugekehrt ist, also nach unten schaut. In den Endpartien ist 
iiberdies die Kriimmung stirker als im Basalteile und in der Mitte 
(Fig. 14). Die drei Basalsegmente einer Ranke sind gegentiber 
den folgenden Stiicken in ihrer Lingsachse stark verktirzt (Fig. 13). 
Sie stellen cylindrische Scheiben dar, deren Lingendurchmesser 
gegentiber dem Querdurchmesser bedeutend zuriicktritt. Mit dem 
4, Segmente nimmt die Linge der Glieder zu, wiahrend gleichzeitig 
der Querdurchmesser eine Reduktion erfahrt. Das 8. Segment ist 
so ziemlich das lingste, wahrend das 7. den kleinsten Querdurch- 
messer hat. Die Segmente 9, 10, 11 und 12 sind nahezu gleich 
lang. Der obere oder orale Rand der einzelnen Segmente bildet, 
wenn wir 1—5 ausnehmen, nahezu eine gerade Linie, der aborale 
Rand ist dagegen deutlich konkav. Das letzte Glied einer Ranke 
triigt stets eine Klaue und an der Basis der letzteren auf ihrer 
aboralen Seite einen kurzen und spitzen Fortsatz (vergl. Taf. V, 
Fig. 14). Samtliche Glieder sind in der Richtung ihrer Langs- 
achse von dem Axialkanal durchzogen, der von Jon. MULLER als 
Nahrungskanal bezeichnet worden ist (vergl. Allgem. Organ. 8. 71 
und Taf. V, Fig. 9, 10, 11, 12,13, 14).--In den-4:ersten 
Segmenten folgt der Axialkanal in seinem Verlaufe genau der Langs- 
achse jedes einzelnen Gliedes, um sich dann spater mehr und 
mehr dem oralen Rande der Ranke zu nihern. Wir werden sehen, 
daS auch der Gelenkwulst der Artikulationsflichen in den mitt- 
leren und letzten Gliedern eine aihnliche Verlagerung erfahrt. 

Die pfannenartigen Vertiefungen, in welche das 1. Glied jeder 
Ranke eingelenkt ist, sind in 2—3 Reihen am Rande der Centro- 
dorsalplatte angeordnet. In ihrer Kontur nihern sie sich meist 
einem reguléren Fiinfecke, doch sind Abweichungen von dieser 
typischen Form keine Seltenheiten (vergl. Taf. III Fig. 1). Durch 
die Gelenkgrube hindurch zieht sich in der Richtung einer Diago- 
nale der Gelenkwulst, welcher der proximalen Artikulationsflache 
des 1. Basalsegmentes der Ranke gegentibersteht. In der Mitte 
ist er von der elliptischen Oeffnung des Axialkanals durchbrochen 
und nimmt nach beiden Seiten hin bei gleichzeitiger Verjiingung 
auch an Hohe ab. Das 1. Rankenglied ist das kiirzeste und hat 
Cylinderform. Dem Centrodorsale wendet es seine proximale, dem 
2. Rankengliede seine distale Flache zu. Beide Flichen sind 
Gelenkfacetten, aber yon verschiedener Beschaffenheit. Wéahrend 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 83 


die distale Flaiche von dem oben schon erwahnten queren Gelenk- 
wulste durchzogen ist und dorsal und ventral von demselben er- 
hebliche Vertiefungeu zur Aufnahme der die Glieder verbindenden 
Fasermassen aufweist, zeigt die proximale Flache viel weniger 
prignante Erhebungen und Vertiefungen. Das 2. Rankenglied 
unterscheidet sich vom ersten nur durch seine etwas gréfere Linge, 
ebenso verhalt sich auch das 3. Glied gegeniiber dem zweiten (vergl. 
Taf. V, Fig. 11, 12 und 13). Jon. MULLER iuBert sich folgender- 
ma8en tiber die Gelenkfliichen der Cirrenglieder (1. c¢. 8. 191 u. 192): 
»Die Gelenkfacetten der Cirrenglieder, wodurch sie unter sich in 
Verbindung stehen, beschreibt Mrtuer (17) also: ,,,,Sie sind von 
einem erhabenen Saume umgeben. Das Innere ist ausgehoéhlt in 
2 runde Vertiefungen von ungleicher GréSe. Beide Vertiefungen 
sind getrennt durch einen queren Riff, der in der Mitte von dem 
Nahrungskanal durchbohrt ist.‘‘‘‘ Ich finde die Gelenkfliiche der 
unteren deprimierten Glieder von einem queren Riffe durchzogen, 
worin die Centraléffnung. Weiterhin verandert sich die Gelenk- 
fliche, so dali sie sich der von MiiLerR bezeichneten Form niihert. 
Ich sehe immer einen kleinen erhabenen Kreis in der konkaven 
Gelenkflache, dieser Kreis liegt zwischen dem Rande und der 
Centraléffnung, oder richtiger, der kreisférmige Wulst geht durch 
die Centraléffnung durch. Der Raum innerhalb des kleinen Wulstes 
ist wieder vertieft. Der Raum zwischen 2 Gliedern wird von der 
Interartikularsubstanz eingenommen. Durch den Wulst, den sie 
dem ahnlichen Wulste des nachsten Gliedes zuwenden, sind sie in 
den Stand gesetzt, sich aufeinander zu wiegen.‘‘ Diese Darstellung 
der Artikulationsflachen durch MILLER und Jon. MULLER befriedigt 
insofern nicht, als beide Autoren im ungewissen lassen, ob ihre 
Angaben sich allgemein auf die Facetten aller Segmente oder nur 
einzelner derselben beziehen. Im weiteren ist auch der Unter- 
schied nicht erwihnt, der thatsachlich zwischen der proximalen 
und distalen Fliche eines und desselben Gliedes besteht (vergl. 
Taf. V, Fig. 11, 12 u. 13). W. B. Carpenter giebt Plate XXXIII 
in Fig. 8a die Artikulationsfliche eines Basalgliedes und in 8b 
diejenige eines Segmentes aus der mittleren Region einer Ranke 
wieder, ohne anzugeben, ob seine Darstellungen sich auf die proxi- 
male oder distale Flaiche des betreffenden Segmentes beziehen. 
Es ist wohl der Schluf berechtigt, da’ die genannten Autoren 
die Unterschiede in der Konfiguration der beiden Flichen entweder 
iibersehen oder dann als zu geringfiigig betrachtet haben, um sie 


durch Zeichnung besonders hervorzuheben, 
6 * 


84 Heinrich BoShard, 


Der in Fig. 11 dargestellte, elliptische Gelenkwulst kehrt, wie 
Fig. 13 zeigt, in der distalen Artikulationsfliche aller Basal- 
segmente wieder. Die proximalen Gelenkflachen der letzteren 
sind, wie Fig. 12 zeigt, ebenfalls stark konkay und zeigen in ihrer 
Vertiefung auch einen elliptischen Querwulst, der aber in seiner 
mittleren, die Centraléffnung umgebenden Partie so vertieft ist, 
daf seine Grube den konvexen Wulst der distalen Flache des 
vorausgehenden Segmentes aufnehmen kann. Die Beschaffenheit 
der Artikulationsflaichen erméglicht eine wiegende Bewegung der 
Segmente in dorso-ventraler Richtung. Die Gelenkgruben, die 
dorsal und ventral vom Gelenkwulste zur Aufnahme der ver- 
bindenden Fasermasse aufgespart sind, sind vollstandig gleich, 
folglich ist auch die Exkursionsfihigkeit eines solchen Gelenkes 
in dorsaler und ventraler Richtung dieselbe. 

Wie schon an anderer Stelle hervorgehoben worden ist, sind 
in der Mittel- und Endregion der Ranke die Segmente von anderer 
Form als in dem Basalteil; auch die Artikulationsverhaltnisse 
zwischen den einzelnen Gliedern erfahren dort eine nicht geringe 
Modifikation. Die Segmente werden linger, gleichzeitig wird ihre 
dem aboralen Pole zugekehrte seitliche Randlinie gegentiber der 
ventralen Randlinie erheblich verktirzt, so da’ die beiden Artiku- 
lationsflichen eines Segmentes nicht mehr parallel sind, sondern 
in aboraler Richtung konvergieren, wahrend zwei einander zu- 
gekehrte Gelenkflichen in derselben Richtung divergieren. 

Von der Seitenfliche gesehen, prasentieren sich in diesen 
Regionen die Segmente als Trapeze, deren kiirzere Parallelseite 
aboral gerichtet ist. Die Gelenkwiilste und mit ihnen auch der 
Axialkanal erfabren eine deutliche Verschiebung nach oben, wo- 
durch eine Ungleichheit der Gelenkgruben und eine verschiedene 
Lange der sie erfiillenden Fasern bedingt ist (Taf. VIII, Fig. 24). 
Durch diese Einrichtung wird die Exkursionsfihigkeit der Gelenke 
auf der dorsalen Seite erheblich vergréfert und damit auch die 
Fafkraft der Ranke und namentlich ihrer Endklaue wesentlich 
erhoht. 


IV. Histologische Untersuchung. 
Die Frage nach der histologischen Natur der Dorsalfasern in 


den Armgelenken und der Fasermasse in den Rankengelenken ist 
seit dem Erscheinen von Jon. MiLier’s grundlegender Arbeit 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 85) 


eifrig diskutiert worden. Dieser Autor spricht sich hinsichtlich 
der Rankenfasern (1. c. 8. 186) folgendermafen aus: ,,Die Stengel- 
gebilde der Pentacrinen sind ohne alle Muskeln, sowohl die Glieder 
der Saule als die Cirren oder Ranken. Dasselbe gilt von den 
Dorsalcirren der Comatulen. Die Ranken sind bei den Comatulen 
sowohl als bei den Pentacrinen nicht einmal an ihren Befestigungs- 
stellen mit Muskeln versehen.‘‘ Von der Artikulation der Arm- 
glieder sprechend, aufert er sich (1. c. 8. 214) wie folgt: ,,Die 
Riffe der Glieder sind untereinander durch ein unelastisches Band 
verbunden, der ganze tibrige Teil der Artikulationsflichen wird 
aber von der schon beim Stengel beschriebenen elastischen Inter- 
artikularsubstanz eingenommen, die man nach Ausziehen der Kalk- 
erde als ein dickes elastisches Kissen zwischen den Gliedern er- 
halt, ihre Oberflachen sind nicht krausevartig gefaltet, wie es am 
Stengel der Fall ist. Sie hat sonst durchaus denselben Bau wie 
am Stengel und an den Cirren. Durch diese Art von Verbindung 
ist ein Wiegen der Glieder in abwechselnd schiefen Richtungen 
auf den Riffen médglich, wobei die elastische Substanz an der 
einen Seite zusammengedriickt, an der anderen ausgedehnt wird. 

Da nun bei Pentacrinen und Comatulen die Muskeln nur an 
dem ventralen Teile der Artikulationsflichen oder zwischen den 
ventralen Fortsitzen der Glieder liegen, so ergiebt sich hieraus, 
dafi diese Tiere durch Muskelkraft nur die Beugung der Arme 
bewirken kénnen, und daf die Streckung derselben der elastischen 
Interartikularsubstanz anvertraut ist, welche sogleich wirkt, sobald 
ihre Zusammendriickung aufbort.“ W. B. CARPENTER sagt (I. ¢. 
S. 703 ff.): “From the position and action of the ligaments connect- 
ing the pieces of the skeleton of Antedon, I think it is clear that 
some of them are simply interarticular, having for their 
function to tie these pieces together, but allowing a certain free- 
dom of movement between them; whilst others are decidedly 
elastic, their action being to antagonize muscles, as in many 
other well-known cases among Vertebrate and Invertebrate animals” 
und (Il. c. S. 709) “Between the segments (der Dorsalcirren) is 
interposed a ligamentous (not muscular) substance; this is seen in 
the basal joints to be as thick on the oral side as it is on the 
aboral; but as we advance towards the middle of the cirrhus, 
the thickness of the interarticular substance is seen to be much 
greater on the aboral side, the form of the segments being so 
modified as to admit considerable flexure in that direction, 
whereby the prehensile power of the claw is much increased.” 


86 Heinrich Bofghard, 


Nach der Angabe Jos. MtLuer’s soll MILuer (1. c.) von Muskeln 
im Stengel von Pentacrinus sprechen, bemerkt aber dazu (I. ¢. 
S. 187): ,,Wenn Mi~uer in seinen Crinoiden von Muskeln spricht, 
so darf man sich darunter nichts anderes als weiche Teile tber- 
haupt vorstellen, denn in diesem Sinne braucht er den Ausdruck 
auch sonst sehr oft.“ Wir haben von MiLuEr’s Arbeit keine Ein- 
sicht nehmen kénnen und daher darauf verzichten miissen, die 
Angabe Jou. Miver’s auf ihre Richtigkeit zu priifen. Unter 
den alteren Autoren haben Heustrncer (10) und Leuckarr darauf 
hingewiesen, daf die Comatulen die Cirren zum Kriechen bentitzen 
kénnen, und THompson (25) erwdhnt die Fahigkeit der noch ge- 
stielten jungen Comatulen, ihren Stengel in jeder Richtung biegen 
und sogar spiralférmig zusammenzuziehen. 

Unter den neueren Autoren teilt Lupwie (1. ¢.) auch noch 
den Standpunkt Jon. MiLver’s in Bezug auf die Ranken, ohne 
jedoch seine Ansicht auf eigene Beobachtungen und Untersuchungen 
zu stiitzen. JickeEi (1. c.) schreibt den Cirren die Fahigkeit zu, 
sich aktiv zu bewegen, und betrachtet die Fasern der Ranken- 
gelenke und die Dorsalfasern der Armgelenke als Muskeln, die 
sich von den echten ventralen Muskeln wesentlich nur durch den 
Mangel jeglicher Schrigstreifung unterscheiden. Ihm schlieft sich 
HAMANN an, der die in Frage stehende Gewebemasse als ,,spindlige 
Muskelfasern bezeichnet. Er aufert sich dariiber wie folgt (9): 
»Als Antagonisten der Armmuskeln treten uns _ eigentiimliche 
Fasergruppen entgegen, welche mit den in den Cirren vorkommen- 
den Fasern iibereinstimmen. Den Cirren, den beweglichen Ranken 
des Kelches, welche an ihrer Spitze groSe, gekriimmte Haken 
tragen, kommt diese Art von Muskulatur allein zu. Was mich 
dazu fiihrt, diese Fasern als muskulés in Anspruch zu nehmen, 
ist folgendes: Ihr Bau stimmt ganz tiberein mit den in den Cirren 
auftretenden Fasern, und diese sind unzweifelhaft muskulés.“ 
Daf Voar und Yuna von der muskulésen Natur dieser Fasern 
vollends iiberzeugt sind, geht daraus hervor, daf sie (26, 8S. 534) 
die Cirrengelenke einfach als Muskelgelenke bezeichnen und bei 
der Darstellung einer Syzygie (1. c. 8. 567) von einem muskulésen 
oder elastischen Fasergewebe sprechen, welches die strahlenférmig 
angeordneten, die Héhlung der Syzygie durchsetzenden Kanale 
bilden soll. Auf §S. 568 wird dieses Gewebe nicht mehr als 
muskulés oder elastisch bezeichnet, sondern es heift dort: 
Die sehr feinen Fasern dieses elastischen Gewebes fiarben sich 
intensiv durch Pikrokarmin.“’ Auch aus 1]. ¢. 8. 530 scheint mit 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 87 


Sicherheit geschlossen werden zu diirfen, da diese Autoren jede 
Faserverbindung zwischen 2 Skelettstiicken als muskulés betrachten. 
Auffallend ist auch, daf sie des ganz verschiedenen Farbentones 
nicht erwahnen, den echte Muskeln, Dorsalfasern und Syzygial- 
fasern bei der Farbung mit Pikrokarmin annehmen. 

Perrier (1. c. 3™ série t. 1, 8S. 187) auBert sich in Bezug auf 
diese Frage wie folgt: ,,I] est incontestable que le tissu fibreux inter- 
calé entre les régions calcifiées des bras prend deux formes bien 
différentes; mais pourquoi appelle-t-on ligamenteux le tissu qui se 
colore peu, et musculaire celui qui se colore fortement sous l’action 
de Péosine ou du carmin?“ und (1. ¢. 8. 189) ,,En raison des plus 
faibles dimensions des bandelettes protoplasmatiques qui les consti- 
tuent, nous appellerons les muscles dorsaux des bras et les muscles 
analogues des cirrhes et de la tige muscles fibrillaires ou 
encore muscles hyalins; les muscles du coté ventral peuvent étre 
désignés sous le nom de muscles fibreux ou sous celui de 
muscles réfringents, qui fait allusion ala grande réfringence de leurs 
fibres.“ In ,,Etudes morphologiques sur les Echinodermes“ bemerkt 
CuEnot (7) 8. 338: ,Chez les Crinoides seulement, le tissu mus- 
culaire présente des caracteres vraiment inexplicables; voici les faits : 
les articles calcaires des bras et des pinnules sont unis du cdété de la 
rainure ambulacraire par une paire de muscles, parfaitement caracté- 
risés, en tout semblables aux muscles des autres Echinodermes (mus- 
cles réfringents de M. Perrier); du coté opposé, par une masse 
unique de tissu fibrillaire spécial (spindlige Muskelfasern @HAMANN, 
muscles hyalins de M. Perrier), compléetement différent d’aspect, 
que Ja plupart des auteurs, sauf JickeL1, HAMANN et PERRIER, 
ont considéré comme ligamenteux. Dans les cirrhes et la tige, 
il n’ya plus du tout de muscles réfringents, les articles sont simple- 
ment unis par des paquets de ce tissu fibrillaire. Les seules rai- 
sons qui puissent faire considérer ce tissu fibrillaire comme mus- 
culaire sont des raisons physiologiques. .... Mais, si au point 
de vue physiologique comme JICKELI l’a bien prouvé, et comme 
M. Perrrer le fait remarquer avec raison, on est bien forcé 
Wadmettre que ce tissu agit comme un tissu musculaire, il faut 
avouer quil y a d’énormes différences histologiques.“ 

Nach der alteren Ansicht wiirden demnach in den Gelenk- 
verbindungen der Arme 3 differente Fasermassen vorkommen; nach 
der Ansicht der neueren Untersucher wiirde die Verbindung zweier 
Skelettstiicke der Arme durch ventrale und dorsale Muskeln be- 


88 Heinrich Bofghard, 


werkstelligt und eine besondere, nur ligamentiése Fasermasse nicht 
vorhanden sein. 

Schon bei einer makroskopischen Untersuchung der in Frage 
stehenden Gewebemassen fallt ihre verschiedene Farbe sofort auf. 
Die echten ventralen Muskeln sind stets gelb oder braun; wahrend 
die Dorsalfasern dem Auge weif und gliinzend erscheinen. Sind 
nach lingerem Verweilen der Armstiicke in verdiinnter Aetzkali- 
lésung die ventralen Muskeln verschwunden, so wird in der Tiefe 
der Gelenke eine Fasermasse sichtbar, die im auffallenden Lichte 
eine bliuliche Farbung mit deutlichem Perlmutterglanze aufweist. 
Diese Fasermasse tritt namentlich deutlich zu Tage im Gelenk 
zwischen den Radialia und Costalia I, sodann wieder zwischen 
Costalia II und Brachialia I und zwischen Brachialia II und 
Brachialia III, wihrend sie zwischen Costalia I und Costalia II 
und dann wieder zwischen Brachialia I und Brachialia II fehlt 
(vergl. Fig. 4). Diese Fasermasse fehlt demnach in allen den- 
jenigen Gelenken, deren Drehachse eine dorso-ventrale Richtung 
hat und diirfte den CARPENTER’schen ,,Interarticular Ligaments‘ 
und dem ,,unelastischen Bande“ Jon. MULuer’s identisch sein. 
Ihrer grofen Resistenz gegentiber der Aetzkalilisung ist es wohl 
zuzuschreiben, dafi die Skelettstiicke auch trotz langerer Ein- 
wirkung dieses Reagens noch im Zusammenhange bleiben. Das 
Resultat unserer makroskopischen Priifung wiirde demnach eine 
Bestitigung der Angaben W. B. Carpenrer’s hinsichtlich der 
3 Gelenkgruben und der sie occupierenden 3 differenten Faser- 
massen in den Gelenkverbindungen zwischen Radiale und Costale I, 
Costale II und Brachiale I, und Brachiale II und Brachiale III 
sein. Wir werden sehen, daf auch die mikroskopische Unter- 
suchung zu denselben Ergebnissen fiihrt. 

Durch zahlreiche Farbungsversuche haben wir das Verhalten 
der in Frage stehenden Gewebemassen gegentiber den in der 
Mikrotechnik gebrauchlichen Tinktionsmitteln festzustellen gesucht. 
Um méglichst viele Variationen in den Farbungen zu erzielen, 
wurde die Stiickfarbung bald aufgegeben und durch die Schnitt- 
farbung ersetzt. Den einfachen Farbungen mit Himalaun, Hima- 
toxylin, Karmin, Goldchlorid-Ameisensiure und Eisenhamatoxylin 
(n. M. HemENHATN) reihten sich nachstehende Doppelfarbungen an: 

1) Pikrokarmin, 

2) Haimatoxylin und Eosin, 

3) * ) Orange; 

i 55 aurefuchsin, 
D5) R » Pikrinsiure. 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 89 


Ferner wurden zahlreiche Schnitte nach den Angaben 
CuEnot’s (1. c. 8. 316 und 317) gefarbt. Die Ergebnisse, zu denen 
uns diese Methode der Farbung fiihrte, waren teilweise gut, schienen 
uns aber doch noch zu wenig tiberzeugungskraftig zu sein, um darauf 
ein abschlieSendes Urteil zu bilden. Dasselbe gilt auch zum Teil 
in Bezug auf die Resultate der Anwendung des Enruicu-Bronpi- 
schen Farbengemisches. Bei Anwendung einer einzigen Farbe 
zeigen ventrale Muskeln und Dorsalfasern ein verschiedenes Ver- 
halten hinsichtlich der Intensitét der Farbung, die sie erlangen. 
Die verschiedenen Himatoxyline (ausgenommen das nach APATHY) 
fiirben beispielsweise die ventralen oder echten Muskelfasern nur 
schwach blau, wiahrend gleichzeitig Dorsalfasern und Syzygialfasern 
sehr intensiv dunkelblau erscheinen. HerrtDENHAIN’s Eisenhima- 
toxylin farbt die echten Muskeln tief schwarz, wahrend Dorsal- 
fasern und Bindegewebe mit Ausnahme der rundlichen Kerne, die 
ebenfalls schwarz sind, gar nicht gefarbt werden. APATHy’s Hiima- 
toxylin tingiert die Muskelfasern dunkelbraun, Dorsalfasern, 
Syzygialfasern und Bindegewebe nehmen dagegen nur eine duferst 
schwache Firbung an. Bei Anwendung von Goldchlorid-Ameisen- 
siiure erscheinen die Muskeln dem Auge in einem Farbentone, 
der demjenigen der reifen Kirschen sehr nahe steht, Dorsal- und 
Syzygialfasern erscheinen schwarz, der Axialstrang des apicalen 
Nervensystems hell rotbraun. Auf Schnitten, die mit Pikrokarmin 
(n. RANVIER) behandelt worden sind, erhalt die ventrale Muskulatur 
einen fleischfarbenen Ton, wihrend die Dorsalfasern eine schéne 
rosarote Farbung annehmen. Voar und Yune@, die ihre Prapa- 
rate ebenfalls mit Pikrokarmin behandelt haben, erwahnen auf- 
fallenderweise die verschiedenen Fairbungen nicht, welche Muskeln 
und Dorsalfasern durch Pikrokarmin erhalten. Wird mit Ham- 
alaun oder BOuMeER’schem Haimatoxylin vorgefarbt und nachher mit 
Saiurefuchsin nachgefarbt, so tingiert das Himatoxylin die Dorsal- 
fasern tief dunkelblau, die ventrale Muskulatur dagegen erscheint 
schén rot. Werden Hamatoxylin- und Orangefirbung kombiniert, 
so nimmt die Dorsalfasermasse die Farbe des Hiimatoxylins, die 
Muskulatur diejenige des Orange an. Perrier (1. c. 8. 186) erwahnt 
das verschiedene Verhalten der Muskel- und Dorsalfasern zum Eosin 
wie folgt: ,,Entre la 1% et la 2° radiales (Radiale und Costale J), 
le tissu calcifére est remplacé par un tissu avec lequel sa substance 
fondamentale est également en continuité absolue; que l’on peut, 
a premiére vue, considérer comme résultant d’une simple différen- 
ciation de cette substance; mais ici la différenciation est beaucoup 


90 Heinrich BoShard, 


plus avancée que celle de la substance constituant la suture des 
premicres radiales entre elles. Les maticres colorantes accusent, 
en effet, deux couches bien nettes dans ce nouveau tissu. La 
couche inférieure correspondant a la moitié inférieure (dorsal) de 
la surface d’articulation, entre les deux radiales (Radiale und 
Costale I) se colore faiblement par l’éosine, fortement au contraire, 
et en violet, sous laction combinée du bleu de méthyléne et du 
picro-carminate d@’ammoniaque. ... La couche supérieure (ventral), 
beaucoup plus nettement arrétée que linférieure dans son contour, 
se distingue encore de cette derniére parce qu’elle se colore trés 
énergiquement sous laction de l’éosine, faiblement au contraire 
et en bleu sous l’action combinée du bleu de méthyléne et du 
picro-carminate @ammoniaque.“ Wir haben Eosin- und Haima- 
toxylinfarbung kombiniert und gefunden, daf die Dorsalfasern die 
blaue Farbe des Hamatoxylins, die Muskeln dagegen die Farbe 
des Eosins annehmen. 

Die letzten Fiarbeversuche wurden mit der vAN Grrson’schen 
Methode angestellt und lieferten die brauchbarsten Resultate. Die 
Differenzierungen, die wir mit dieser Methode in den Schnitten 
erzielten, sind so pragnant, daf wir nicht umhin kénnen, einzelne 
Schnitte bezw. ihre Tinktionen in den Figuren 15, 16, 17 u. 18 
Taf. VI u. VIL wiederzugeben. Die Schnitte wurden zunachst in 
ziemlich stark verdiinntem Boumer’schen Hamatoxylin vorgefarbt 
und sorefiltig in Brunnenwasser und hernach in Aqua dest. aus- 
gewaschen. Dann wurden sie fiir 1 Minute in das Gemisch von 
gesattigter, wafriger Pikrinsiurelésung und Siurefuchsin gebracht 
und wiederum wihrend 1 Minute in Aqua dest. ausgewaschen. 
Dann erfolgte allmahliche Hartung durch 2—3 Minuten langes Ver- 
weilen in 35-proz., 70-proz., 95-proz. und absolutem Alkohol, 
rasches Abspiilen in Xylol und Einschlu8 in Kanadabalsam. Es 
ist fiir das gute Gelingen dieser Farbungen sehr wichtig, daf die 
ganze Farbungs- und Hartungsprozedur zeitlich auf ein Minimum 
eingeschrinkt wird. Ebenso sehr fallt ins Gewicht das Mengen- 
verhaltnis, in dem Pikrinsdiure und Saurefuchsin miteinander ver- 
mischt werden. Das richtige Mischungsverhaltnis kann nur durch 
zahlreiche Proben eruiert werden. Wir setzten der Pikrinséure 
das Siurefuchsin tropfenweise zu, bis die Mischung etwa die Farbe 
eines helleren Rotweines aufwies. 

Wie die Figuren 15 und 16, welche Armquerschnitte dar- 
stellen und die Figuren 17 und 18, welche einen Langsschnitt 
durch einen Arm darstellen, zeigen, nehmen die echten oder ven- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 91 


tralen Muskeln den Farbenton der Pikrinsiure an. Alle anderen 
Partien der betreffenden Priparate werden von der Pikrinsiure 
in keiner Weise gefirbt. Die dorsale Fasermasse erscheint da- 
gegen auf dem Armquer- und Lingsschnitt intensiv violett ge- 
firbt, ebenso die Grundsubstanz des Kalkkérpers (Fig. 16) und 
— was ganz besonders stark ins Gewicht fallt — auch die Faser- 
masse in den Syzygien, d. h. in den unbeweglichen Verbindungen 
zweier aufeinander folgenden Kalksegmente. Aber auch die Faser- 
masse, welche das CArPENTER’sche Interartikularligament_ bildet, 
nimmt, wie Fig. 18 zeigt, eine spezifische Fairbung an. Thr Farben- 
ton geht ins Dunkelviolette und hebt sich aufs schirfste von der 
Farbung der Muskeln und Dorsalfasern ab. Fassen wir die durch 
die zahlreichen Fiarbeversuche gewonnenen Resultate zusammen, 
so ergiebt sich kurz Folgendes: Ventrale Muskeln und Dorsal- 
fasern verhalten sich den Farbstoffen gegeniiber in allen von uns 
beobachteten Fallen verschieden, wahrend Dorsal-Syzygialfasern 
und Bindegewebe in Bezug auf Firbung in ihrem Verhalten eine 
deutliche Uebereinstimmung an den Tag legen. Auf diese wichtige 
Thatsache hat bereits Cufnot in aller Kiirze hingewiesen; doch 
griindet sich sein Hinweis wohl blof auf die Resultate der Farbung, 
(lie er mit seinem Dreifarbengemisch gewonnen hat. Halten wir 
mit diesen Befunden die Thatsache zusammen, dal Dorsal-, Syzy- 
gial- und ligamentése Fasern der Aetzkalilésung wochenlang erfolg- 
reich zu widerstehen vermégen, so diirfte kein Zweifel mehr 
dariiber bestehen, dafi zwischen den beiden in Frage stehenden 
Fasermassen thatsachlich ganz enorme histologische Unterschiede 
existieren und der 8. 87 citierte Ausspruch CUENOT’s seine volle 
Berechtigung hat. 


a) Die organische Grundsubstanz der Kalkkorper. 


Die Kalkgrundsubstanz zeigt auf Langsschnitten, die durch 
Arme und Ranken gefiihrt werden, dieselben Strukturverhaltnisse 
(Fig. 23). Sie ist von zahlreichen Hohlriumen durchsetzt, die 
vor der Entkalkung mit Bestandteilen des Skelettes ausgefiillt 
waren. Diese Hohlriume sind meist kreisf6rmig oder elliptisch 
und stets scharf umrandet. Die Grundsubstanz selbst firbt sich 
nur schwach, sie ist nicht homogen, sondern es wechseln dunklere 
und hellere Stellen miteinander ab. Oft treten diese dunkler ge- 
farbten Stellen als sehr feine Punkte auf und verleihen dann der 


92 Heinrich BoShard, 


Grundsubstanz selbst ein etwas kérniges Aussehen. Zahlreiche 
kugelige Kérperchen sind gruppenweise in die letztere eingebettet, 
doch lat sich hinsichtlich der Zahl und der Anordnung dieser 
Kérperchen eine Regelmahigkeit oder Gesetzmabigkeit keineswegs 
erkennen. Nur in dem Bereiche der Gelenkflachen, wo die schon 
erwahnten Hohlraume kleiner werden, nimmt die Zahl der Koérper- 
chen zu. Die Kérperchen sind meist von kugeliger oder ellip- 
tischer Form, stark tingiert und lassen keinerlei feinere Struktur- 
verhaltnisse oder Auslaufer erkennen. Offenbar sind diese kugeligen 
Kérperchen nichts anderes als die Kerne der in der Cutis liegenden 
Bindegewebszellen. Dieser kurzen Darstellung der Kalkgrund- 
substanz haben wir Fig. 23 Taf. VIII zu Grunde gelegt und ver- 
weisen auf die diesbeziiglichen Erklarungen. Fir die Angaben 
Perrier’s (1. c. 8. 184): ,,La forme générale des corpuscules 
colorés est arrondie, mais ils présentent toujours sur leur pourtour 
au moins deux prolongements et sont par conséquent fusiformes 
ou étoilés etc.“ haben wir in unseren Praiparaten eine Bestaitigung 
nicht finden kénnen. 


b) Die ventrale Muskulatur. 


Die ventrale Muskulatur, deren Verhalten zu den verschieden- 
artigen Tinktionsmitteln wir bereits kennen gelernt haben, bietet 
einer genaueren histologischen Untersuchung weit weniger Schwierig- 
keiten dar als die dorsalen Fasern. Sie ist auch mehrfach genauer 
studiert worden und ihre feineren Strukturverhaltnisse diirften im 
allgemeinen als hinreichend bekannt betrachtet werden. Wenn 
wir hier trotzdem noch etwas eingehender auf ihre Beschreibung 
eintreten, so geschieht dies wesentlich, um eine Beobachtung, die 
wir an unseren Praparaten gemacht haben, erganzend anzufiigen. 
Jon. Miuuer giebt (1. c. Taf. IV Fig. 9) eine Abbildung der 
Muskelfasern von Pentacrinus Caput Medusae bei 450-facher Ver- 
eréferung. Er stellt die Fasern als bandartige Gebilde mit parallel 
verlaufenden Randern dar. Von Kernen und Sarkolemm ist in 
seiner Abbildung nichts zu sehen. Vergebens haben wir im Texte 
seiner Arbeit nach einer detaillierten Beschreibung dieser Muskel- 
fasern gesucht, wahrend der Interartikularsubstanz in ausfihrlicher 
Weise gedacht ist. Eine gute Abbildung der Muskelfasern giebt 
W. B. Carpenter (]. c. Taf. XLIII Fig. 4 und 4a). Die den 
einzelnen Fasern angehérenden Kerne, deren Gestalt richtig wieder- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 93 


gegeben ist, bezeichnet er in der betreffenden Tafelerklarung als 
»nuclear ?; corpuscles“, deren histologischer Wert ihm nicht recht 
klar sei. Ferner erwihnt er als auffillig den Mangel jeglicher 
Querstreifung und die Unmédglichkeit, die Faser in feinere Ele- 
mente aufzulésen. SCHWALBE (22) hat zum ersten Male die 
Muskelfasern der Echinodermen einer genauen Untersuchung unter- 
zogen und bei Ophiuren eine doppelte Schriagstreifung beobachtet, 
die er ausfiihrlich beschreibt und in Figuren veranschaulicht. Wir 
werden auf seine Ausfiihrungen noch zuriickzukommen haben. 
Lupwie bestitigt im allgemeinen die Angaben CARPENTER’s und 
ergiinzt sie in Bezug auf die Kerne und die Biindelbildung. Hin- 
sichtlich der von ScHWALBE bei Ophiuren erwahnten Schriig- 
streifung dufert er sich (1. c. 8S. 294) wie folgt: ,,Vergeblich habe 
ich mich bemiiht, in den Muskelfasern eine feinere Struktur, Quer- 
streifung oder die von ScHWALBE bei Ophiuren beschriebene 
Schrigstreifung, aufzufinden.“ JickeLt (11) erwihnt eine Schrig- 
streifung, die er an den Muskelfasern von Antedon gesehen haben 
will, unterlaBt es aber, dieselbe genauer zu beschreiben und an 
einer Figur zu verdeutlichen, so dafi seine Angaben tiber diesen 
Punkt unverstiindlich sind. Es ist wohl anzunehmen, daf ihm die 
SCHWALBE’sche Arbeit nicht bekannt war. Die von SCHWALBE be- 
obachtete doppelte Schrigstreifung fand Hamann an Praparaten 
von Intervertebralmuskeln von Ophioderma longicauda und Ophio- 
myxa pentagona wieder, an den Fasern der ventralen Armmuskeln 
von Antedon nahm er stets nur eine Liingsstreifung wahr. PERRIER 
(20, 3™° série t. 1 5. 194) bemerkt, die Strukturverhaltnisse der 
Muskelfaser von Antedon darstellend: ,,La substance des fibres 
musculaires réfringentes est absolument homogéne ou légérement 
striée longitudinalement; on n’y observe pas de stries transver- 
sales.“ 

Wie wir uns an frischen Zupfpriparaten und Lingsschnitt- 
praparaten tiberzeugen konnten, giebt es in den ventralen Arm- 
muskeln von Antedon glatte Fasern, Fasern mit deutlicher Langs- 
streifung und Fasern mit doppelter Schragstreifung, ja es kommen 
sozusagen alle Uebergiinge von der glatten Faser bis zur einfach 
und doppeltschraggestreiften Faser innerhalb desselben Muskel- 
biindels vor. Die Ergebnisse unserer eigenen Beobachtung wiirden 
demnach berechtigen, die Angaben ScHwaLser’s und HAMANN’s 
tiber doppelte Schriagstreifung der Ophiurenmuskeln auch auf die 
Muskeln von Antedon auszudehnen. Sie zeigen ferner, da’ die 
erwihnte, in ihrer Kiirze unverstindliche Mitteilung Jickeri’s 


94 Heinrich Bofghard, 


immerhin auf einer wirklichen Beobachtung beruhte. Im weiteren 
decken sich unsere Befunde fast vollstindig mit den Resultaten, 
zu denen WaAckwitz (27), BatLowirz (1), ENGELMANN (8) und 
Knouu (12 u. 13) in ihren Untersuchungen tiber doppelt schrig- 
gestreifte Muskelfasern der Mollusken gelangt sind. 

Wiihrend nach den iibereinstimmenden Angaben aller derer, 
die sich mit der Histologie von Antedon befaSt haben, die dor- 
salen Fasern in den Armgelenken mit der organischen Grund- 
substanz der Skeletteile in ununterbrochenem Zusammenhange 
stehen, sind die Fasern der ventralen Muskeln an ihren beiden 
Enden scharf abgegrenzt. Die einzelne Faser ist bandartig ver- 
breitert, so daf ihr Querschnitt eine rechteckige Figur dar- 
stellt. Seitlich liegt ihr ein langlicher, elliptischer Kern auf, der 
hiufig von einer etwas helleren kérnigen Zone umgeben ist 
und iiber den das nicht immer leicht wahrnehmbare Sarkolemm 
hinwegzieht. Oft ist das letztere gerade im Bereiche des oder 
der Kerne etwas abgehoben, wihrend es im itibrigen Teile der 
Faser sich enge an die kontraktile Substanz der letzteren an- 
schmiegt. Was nun die erwihnte doppelte Schrigstreifung an- 
betrifft, so ist ihre genauere Untersuchung, bezw. die Feststellung 
der ihr zu Grunde liegenden Strukturverhaltnisse mit einigen 
Schwierigkeiten verbunden. Oft halt es schwer, sie iberhaupt nur 
zu sehen, daher ist es versténdlich, daf ihre Existenz so manchem 
Beobachter entgangen ist. Je nach der Firbung, Einstellung und 
Vergréferung erhalt man verschiedenartige Bilder, so da Tausch- 
ungen nicht leicht zu vermeiden sind. Unsere Untersuchungen, 
zu denen wir durch die ScHwALBE’sche Arbeit und den citierten 
Lupwia’schen Hinweis auf dieselbe veranla8t wurden, erstreckten 
sich auf frische, ungefirbte Zupfpraiparate und auf Langsschnitt- 
priparate der ventralen Armmuskeln, die mit verschiedenen 
Tinktionsmitteln gefirbt waren. Zur Anwendung kamen: 
ReicHerRT Objektiv 8a und Kompensationsokular 4, Zeiss homo- 
cene Immersion 3,0 und 2,0 und Kompensationsokular 6, 8 und 
12. Am giinstigsten erwiesen sich fiir die Feststellung dieser 
feinen Strukturen Lingsschnitte, die mit Haimatoxylin vorgefarbt 
und in Enriicu-Bronpr’schem Gemische nachgefairbt waren. Diese 
kriftige Farbung erlaubte noch die erfolgreiche Anwendung sehr 
starker Vergré8erungen bei der Untersuchung. Nach einem solchen 
Priparate ist Figur 19 gezeichnet, die, mit Apsn’schem Zeichen- 
apparate angefertigt, die Verhaltnisse genau wiedergiebt, wie sie 
sich bei Beobachtung mit Zeiss homog. Immers. 2,0, Kompen- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 95 


sationsokular 8, Vergréferung 1000 darbieten. Wenn ScHWALBE 
bemerkt, im Sarkolemm kénne die Streifung nicht liegen, da das- 
selbe gerade an den Stellen der deutlichsten Streifung weit ab- 
gehoben sei, sondern sie miisse auf ein Strukturverhiltnis der 
kontraktilen Substanz selbst zuriickgefiihrt werden, so kénnen wir 
ihm nur beipflichten. Es mag hier auch noch erwihnt werden, 
da8 die seitliche Randlinie der Fasern nicht gebrochen verlauft, 
wie dies doch der Fall sein miifte, wenn die Streifung auf einer 
Faltungserscheinung im Sarkolemm beruhte. Seine weiteren Aus- 
fiihrungen stehen hingegen mit unseren Befunden nicht mehr im 
Einklang. Wahrend er zwei sich kreuzende helle Liniensysteme ab- 
bildet, welche der isotropen Substanz entsprechen und dunkle 
quadratische Felder, der anisotropen Substanz entsprechend, ein- 
schlieBen sollen, sehen wir in unseren Priparaten umgekehrt 
dunkle Linien schrig von der einen Seite zur anderen hiniiber- 
ziehen und helle Felder umrahmen. Unsere Abbildung steht also 
hinsichtlich der Verteilung der dunkeln und hellen Stellen in der 
Muskelfaser im schrofisten Gegensatze zu den Darstellungen 
ScHWALBE’s und HAmann’s. Bei Beobachtung weniger giinstig 
gefirbter Priiparate und Anwendung schwicherer VergréSerungen 
erhielten wir allerdings auch Bilder, die denen der genannten 
Autoren vollig entsprachen. 

Das in Figur 19 dargestellte Bild zeigt zwei sich kreuzende 
Systeme dunkler Streifen, die nicht in derselben Ebene gelegen 
sind, so daf nicht beide gleichzeitig mit derselben Deutlichkeit zu 
Tage treten. Bei wechselnder Einstellung wird daher bald das 
eine und bald das andere der beiden Liniensysteme deutlicher 
gesehen. Die helle Substanz bildet rhombische oder rechteckige, 
von den dunkeln Streifen eingefafte Felder. Nach unserer Ueber- 
zeugung bilden die stirker lichtbrechenden Teilchen der Faser 
einen ununterbrochenen Faden, der in der Form einer Spirale 
die Faser in der Richtung ihrer Achse umgiebt. Die Faser selbst 
ist im Bereiche ihrer Streifung nicht abgeflacht, sondern ziemlich 
gewolbt, so da’ ihr Querschnitt eine Ellipse ergiebt. Ob die 
beiden dunklen Liniensysteme einer einzigen Spirale angehdéren, 
deren dem Beobachter zugekehrte und abgewendete Halften sich 
kreuzen, wie BALLOWwITz und Wackwirz glauben annehmen zu 
miissen, oder ob die Ansicht, die ENGELMANN und KNOLL ver- 
treten, richtig ist, dahingehend, es handle sich um Anordnung der 
anisotropen Substanz in 2 verschiedenen Spiralen, vermégen wir 
vorlaufig noch nicht zu entscheiden, Ebenso unentschieden miissen 


96 Heinrich BoShard, 


wir die Frage lassen, ob und wie weit diese doppelte Schrig- 
streifung sich auf einen Kontraktionsvorgang zuriickfihren 1]a8t. 
Der Umstand, daf} doppelt schraggestreifte Fasern mit glatten und 
lingsgestreiften Fasern gemischt vorkommen und durch ihren 
elliptischen Querschnitt von den letztgenannten sich unterscheiden, 
wiirde allerdings zu Gunsten derjenigen Ansicht sprechen, die in 
der doppelten Schriigstreifung den Ausdruck eines Kontraktions- 
zustandes erblickt. Knoiu dufert sich iiber diese Frage (1. c.) 
wie folgt: ,,Wenn ich den Unterschied des SchlieSmuskels von 
Lima inflata im verkiirzten und gedehnten Zustande mit Schlag- 
worten kennzeichnen sollte, mii%te ich den Muskel im ersten Falle 
als quergestreift, im letzteren als doppelt schriggestreift bezeichnen.“ 
Kine ausgesprochene Querstreifung haben wir bei Antedon aller- 
dings nie beobachten kénnen. 


c) Die Dorsalfasern. 


Die Ergebnisse unserer zahlreichen Farbungsversuche zeigten, 
daf ventrale Muskeln und Dorsalfasern den Farbstoffen gegeniiber 
sich wesentlich verschieden verhielten und daf die Dorsalfasern die 
Farbenténe der Bindesubstanzen annahmen. Wir verweisen hier in 
Bezug auf diesen Punkt auf friiher Gesagtes und auf die diesbe- 
ziiglichen Figuren 17,18 Von einigen Beobachtern, wie J. MULLER, 
Perrier, W. B. Carpenter, Cutnot, ist nachdriicklich der un- 
unterbrochene Zusammenhang der Dorsalfasern mit dem organischen 
Grundgewebe der Kalksegmente hervorgehoben worden. Eine der- 
artige Kontinuitaét ist in der That vorhanden und auch in unsern 
Priparaten aufs deutlichste ausgesprochen (vergl. Fig. 20). Durch 
dieselbe ist ein weiterer, nicht unwesentlicher Unterschied zwischen 
dieser Fasermasse und den ventralen Muskeln konstatiert, die, wie 
anderen Orts bemerkt worden ist, gegentiber der Kalkgrundsubstanz 
scharf abgegrenzt sind. Wahrend die Fasern der ventralen Muskeln 
im allgemeinen geradlinig verlaufen und nur ausnahmsweise kleinere 
Kriimmungen aufweisen, verfolgen die Dorsalfasern fast stets eine 
geschlingelte Richtung, in vielen Fallen zeigt die gesamte Faser- 
masse in ihrem mittleren Teile eine scharfe Kriimmung, deren 
Konkavitét dem Axialstrange zugekehrt ist, wahrend ihre Kon- 
vexitat sich nach dem aboralen Rande des Armes hinwendet. Der 
wellige Verlauf und der Umstand, da den Konkavititen einer 
Faser die Konvexititen der benachbarten Faser entsprechen, be- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 97 


dingen das Zustandekommen von Hohlriumen, die wie von 
Schleifen eingefaft erscheinen und zahlreichen Anastomosen inner- 
halb der gesamten Masse. In den Liicken zwischen den ein- 
zelnen Fasern bemerkt man ziemlich hiiufig rundliche, dunkel ge- 
firbte Kerne, die mit den friiher erwahnten, in das Maschenwerk 
der Kalkgrundsubstanz eingestreuten nach unserem Dafirhalten 
vollig identisch sind. Untersucht man eine etwas lockere Stelle 
im Faserwerk mit starken Vergréferungen, z. B. Zeiss hom. 
Immers. 2,0, Okular 8, so sieht man um diese Kerne herum 
eine allerdings nur sehr schwach tingierte Plasmamasse, deren 
Kontur genau _ festzustellen, uns nicht gelungen ist. Aber 
daf& es sich hier nicht, wie PErrrer behauptet, um blofe Kerne 
handelt, sondern um vollstandige Zellen, ist unsere durch viele 
Untersuchungen bekriftigte Ueberzeugung. Die Figuren 26 und 
20, auf deren Erklarung wir hier verweisen, geben diese unsere 
Befunde wieder. Wir kénnen uns nicht entschlieSen, der Dar- 
stellung Prrrrer’s zu folgen, der in diesen Gebilden. nervése 
Elemente erblickt und aus dieser keineswegs einwandfreien An- 
nahme die Berechtigung ableitet, die Dorsalfasern als echte Muskeln 
in Anspruch zu nehmen. Wir lassen hier die diesbeziigliche Stelle 
aus der Arbeit Prrrier’s folgen: ,,Seuls les muscles hyalins nous 
ont paru richement innervés; la dénomination de ligament sous 
laquelle ils sont habituellement décrits est donc inexacte. Ce nom 
conviendrait beaucoup mieux aux muscles réfringents, les prétendus 
muscles des auteurs, dont les fibres se développent aux dépens 
de cellules spéciales et gardent chacune un noyau.“ Unsere An- 
nahme geht dahin, diese Zellen mit den Bindesubstanzzellen der 
Kalkgrundsubstanz zu identifizieren. 

In der Nahe des Axialstranges sind die Fasern langer und 
zeigen eine viel dichtere Anordnung als in der aboralen Rand- 
partie, wo sie nach aufen allmahlich kiirzer werden, wahrend 
gleichzeitig die zwischen ihnen liegenden Hohlraume gréfer werden, 
wodurch das ganze Faserwerk ein lockereres Gefiige erhalt. 

Figur 20 endlich diirfte tiber die Herkunft der Dorsalfasern 
AufschluS zu geben geeignet sein. Sie stellt ein Stiick des Grenz- 
bezirkes zwischen der Kalkgrundsubstanz und der Fasermasse dar. 
Die einzelnen Fasern entstehen durch Vereinigung von Fibrillen, 
die die Rander der Hohlriume bilden, zwischen denen sich die 
Intercellularsubstanz ausbreitet, um dann im Bereiche der eigent- 


lichen Fasern ganzlich zu verschwinden. Die die Fasern zu- 
Bd, XXXIV, N. F. XXVII- 7 


98 Heinrich BofShard, 


sammensetzenden Fibrillen erscheinen also hier als Fortsetzungen, 
bezw. Differenzierungen der Grundsubstanz der Kalkkérper. Gegen 
die Mitte der ganzen Fasermasse hin werden die einzelnen Fasern 
stiirker, weil die Zahl der zu ihrer Bildung zusammentretenden 
Fibrillen zunimmt. So ist es auch begreiflich, dal’ manche Autoren 
die Dorsalfasern mit pinselférmig ausstrahlenden Enden dargestellt 
haben. An dieser Stelle mag auch noch ein Hinweis auf die Dar- 
stellung Platz finden, die Jon. MULLER in seiner schon mehrfach 
erwihnten Abhandlung (18) tiber die elastische Interartikular- 
substanz des Stengels und der Ranken von Pentacrinus caput 
Medusae gegeben hat. Das mikroskopische Bild, auf Grund dessen 
er die feinere Struktur der elastischen Interartikularsubstanz dar- 
stellte, muf in der Hauptsache mit Fig. 20 unserer Arbeit 
tibereingestimmt haben. Ein Vergleich des nachfolgenden Passus 
der MULLER’schen Abhandlung mit unserer Fig. 20 wird die Richtig- 
keit unserer eben ausgesprochenen Behauptung darthun. Jon. 
Muuer, (I. c. S. 195) sagt: ,,Untersucht man senkrechte Durch- 
schnitte (vertikale Langsschnitte) dieser Substanz unter dem Mikro- 
skop, so sieht man alsobald, dafi dieselbe aus lauter senkrecht 
stehenden Fasersiiulchen besteht, die durch Reihen bogenférmiger 
Schlingen einfacher Fasern verbunden sind. Dies wird sehr deut- 
lich, wenn man die senkrechten Faserbiindel von einander zieht. 
Sobald der Zug nachlalit, nahern sich die Saulchen einander wieder 
und dies geschieht durch bogenformige Schlingen, welche mit den 
regelmabigsten Arkaden in ganz gleichen Abstinden aus einem 
Fasersiulchen in das andere tibergehen. Jede Arkade wird nur 
aus einer einzigen glatten primitiven F'aser von ungemeiner Fein- 
heit gebildet, deren Schenkel sich in die Faserséulchen verlieren. 
Merkwiirdig ist ferner, dali die Arkaden in der oberen (distalen) 
und unteren (proximalen) Halfte der Dicke der Interartikular- 
substanz entgegengesetzt sind, die oberen Arkaden sind nach oben, 
die unteren nach unten konvex. Das Verhalten der Bogenschenkel 
in den senkrechten Fasersiulchen laft sich nicht direkt aufklaren ; 
denn der Versuch, die Fasersiulchen selbst in Beziehung auf ihren 
Zusammenhang mit den Bogen zu zergliedern, mifilingt. Beim 
Zerlegen der Fasersiulchen tiberzeugt man sich nur, daf diese 
Saulchen nichts anderes sind als die Biindel aller Fasern, welche in 
den Arkaden sich entwickeln. Bei der weiter versuchten Isolierung 
der Fasern in den Saiulchen verschieben sich die Arkaden, und die 
so wunderbar regelmiige Figur wird verwirrt und unentwirrbar.* 

Endlich miissen wir hier noch derjenigen zelligen Elemente 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 99 


gedenken, die sich in denjenigen Partien der Kalkgrundsubstanz 
vorfinden, die unmittelbar an die Dorsalfasermasse der Arme an- 
erenzen und hier wegen ihres haufigen Auftretens den Ursprung 
der einzelnen Fasern verdecken, bezw. seine Feststellung ganz er- 
heblich erschweren. Diese Zellen finden sich tibrigens auch in 
den Partien der Kalkgrundsubstanz, die den Fasern der Syzygien 
und der Rankengelenke benachbart sind; dagegen haben wir sie 
auf der Héhe der echten ventralen Muskeln nie nachweisen kénnen. 
Die einen dieser Zellen — sie sind in Fig. 22 dargestellt — sind 
meist von ovoider Gestalt und scharf konturiert. Das Plasma ist 
fast immer nur schwach gefairbt und verraét eine kérnige Be- 
schaffenheit. Sehr charakteristisch ist fiir diese Zellen die Lage 
des elliptischen, stark tingierten Kernes. Er befindet sich immer 
in einer hellen Zone in unmittelbarer Nahe des Zellrandes, in den 
meisten Fallen am spitzen Pole der Zelle selbst. Diese Zellen 
zeigen keine Spur von Fortsatzbildungen und stehen auch mit 
den Fasern resp. ihrem Ursprung nach unserer Ueberzeugnng in 
keinem Zusammenhang. Neben diesen Elementen, tiber deren 
Natur und Bedeutung wir uns ein abschlieSfendes Urteil noch nicht 
haben bilden kénnen, giebt es noch Zellen, die man wegen ihrer 
charakteristischen Gestalt als birnformig bezeichnen kénnte. An 
diesen Zellen lief sich stets ein Fortsatz nachweisen und ein Stiick 
weit in die Fasermasse hineinverfolgen. Zellplasma und Fortsatz 
sind sehr fein gekérnelt und nur schwach gefiarbt. Der ebenfalls 
elliptische Kern liegt auch in einer hellen Plasmazone dem vorderen, 
seitlichen Rande der Zellen angeschmiegt. PERRIER nennt diese in 
den Randzonen der Fasermasse auftretenden zelligen Elemente 
»gros éléments fortement colerés par l’éosine et le carmin“ und 
erblickt in ihnen Gebilde nervéser Natur, die mit Nervencentren 
in Verbindung stehen sollen. Wir halten diese von PERRIER ver- 
tretene Ansicht vorliufig noch als nicht gentigend begriindet, 
unsere Priparate vermégen uns nimlich nicht diejenigen Auf- 
schliisse zu geben, die berechtigen wiirden, uns den Schluifolge- 
rungen des franzésischen Autors anzuschliellen. Wir enthalten 
uns daher mit Cunnor jeder bestimmten Meinungsiuserung tiber 
die erwihnten Gebilde und begniigen uns vorlaufig damit, ihre 
Existenz bei Antedon zu konstatieren. 

Die Resultate, zu denen uns unsere Untersuchungen tiber die 
Dorsalfasern von Antedon gefiihrt haben, nétigen uns, uns der von 
den alteren Forschern vertretenen Ansicht anzuschlielien, d. h. 


100 Heinrich Boghard, 


die Dorsalfasermasse nicht als Muskeln im Sinne der ventralen 
Muskeln, sondern etwa als elastische Fasermasse aufzufassen. 


d) Die ligamentése Fasermasse. 


Auf Armlingsschnitten, die den Axialstrang des apicalen 
Nervensystems treffen, beobachtet man zwischen der ventralen 
Muskulatur und der Masse der Dorsalfasern eine 3. Fasergattung, 
die von Jon. MULLER als ,,Interartikularsubstanz“, von W. B. Car- 
PENTER als ,,Interarticular Ligament‘* bezeichnet, von den neueren 
Untersuchern aber nicht besonders hervorgehoben und beschrieben 
worden ist. Diese Fasermasse hebt sich durch ihr dichtes Ge- 
fiige und die spezifische Farbung, die sie erlangt, scharf von den 
benachbarten Gewebepartien ab (vergl. Fig. 18). Bei Anwendung 
des nach vAN Girson hergestellten Farbengemisches erhalten diese 
Fasern einen dunkelvioletten, fast blauen Ton, wahrend, wie Fig. 18 
zeigt, die ventralen Muskeln bréunlich und die Dorsalfasern rétlich 
erscheinen. Bei starker Vergréferung (1000) untersucht, weist sie 
auch in ihrer feineren Struktur nicht unwesentliche Unterschiede 
gegentiber der Dorsalfasermasse auf. Vergl. Fig. 21 und die dazu 
gehérige Erklirung. Die einzelnen Fasern sind viel dinner und 
bedeutend kiirzer als die Dorsalfasern. Sie sind ferner in eine 
Grundsubstanz eingebettet, die bekanntlich zwischen den letzteren 
fehlt. Neben starkeren Fasern liegen noch zahlreiche schwache 
Faserchen in der Grundsubstanz, so dal das Priparat als ganzes 
ein filzartiges Aussehen bekommt. Zwischen den stairkeren Fasern 
sieht man dieselben rundlichen Kerne, die sich auch in der Dorsal- 
fasermasse vorfinden; nur gelingt es hier nicht, den dazu gehoérigen 
Zellenleib nachzuweisen. Was die Beziehungen dieser Fasermasse 
zur organischen Grundsubstanz der Kalkkérper anbetrifft, so 
scheinen sie ebenfalls sehr enge zu sein; den gegenseitigen Zu- 
sammenhang genauer festzustellen, gelang uns nicht, weil das Ge- 
fiige des Faserwerkes gerade an den Ursprungsstellen sehr dicht 
ist. Die Fasermasse als Ganzes macht den Eindruck, als wiirde 
sie an ihren beiden, den Gelenkfliichen zugekehrten Enden in einer 
zur Langsachse der Arme senkrechten Richtung mehr oder weniger 
stark gepreft sein. Auffallend ist auch die Thatsache, dal die 
Langsschnitte im Bereiche dieser Fasermasse fast immer Risse 
bekommen, gelegentlich fallt sogar die gesamte Masse aus dem 
Schnitte heraus. Offenbar sind die Grenzzonen hier stark ver- 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 101 


kalkt, und héchst wahrscheinlich setzt sich der Prozef der Kalk- 
ausscheidung auch noch im Bereiche der Fasermasse selbst fort. 
JoH. MULLER und W. B. CARPENTER haben dieser Fasermasse die 
Bedeutung eines blofen Ligamentes zugeschrieben. Wir unserer- 
seits méchten ihr, wie der dorsalen Fasermasse, auch noch elastische 
Kigenschaften zuerkennen. Zu dieser Annahme veranla8t uns in 
erster Linie die Lage, die sie zwischen den artikulierenden Flachen 
einnimmt. Ihre Fasern liegen namlich nicht, wie W. CARPENTER 
angiebt und in Fig. 6 Taf. XLIII |. c. darstellt, ausschlieflich 
ventral vom Axialkanal, d. h. auf gleicher Seite mit den ventralen 
Muskeln, sondern, wie unsere Liangsschnitte unzweifelhaft darthun, 
in ihrer Hauptmasse dorsal vom Axialstrang, bezw. zwischen ihm 
und den Dorsalfasern. Wiirden ihr nun elastische Eigenschaften 
vollstindig abgehen, so wiirde sie die Kontraktionswirkung der 
ventralen Muskulatur sowohl als auch die Elasticitaétswirkung der 
Dorsalfasern nicht unwesentlich beeintrachtigen. Besitzt sie aber 
Elasticitat, was nach ihrer histologischen Struktur keineswegs aus- 
geschlossen ist, so summiert sich die Elasticitaétswirkung stets mit 
derjenigen der Dorsalfasern, indem bei der Kontraktion der ven- 
tralen Muskeln der dorsal vom Axialstrang gelegene Teil ihrer 
Fasern mit den Dorsalfasern durch Zugwirkung gedehnt, der ven- 
tral gelegene Teil ihrer Fasern gleichzeitig zusammengepreft wird. 
Hort die Wirkung der Muskelkontraktion auf, so ziehen sich alle 
dorsal vom Axialstrang gelegenen Fasern zusammen und zwar in 
dem Mae, wie sie durch die Muskelwirkung gedehnt wurden, 
wahrend die ventral vom Axialstrang gelegene Faserpartie aus 
dem Zustande der Pressung in denjenigen der Dehnung iibergeht, 
der Muskelkontraktion demnach ebenfalls antagonistisch entgegen- 
wirkt. So lassen sich nach unserem Dafiirhalten die apicalwarts 
warts erfolgenden Armbewegungen von Antedon durch bDlofe 
Elasticitatswirkung der mittleren und dorsalen Fasermassen hin- 
reichend erklaren, ohne dali man gendtigt ist, den in Frage 
stehenden Fasermassen den Charakter echter Muskeln zuzuschreiben 
und sich dadurch mit den histologischen Befunden und Thatsachen 
in schroffsten Gegensatz zu stellen. 


e) Die Fasermasse in den Syzygien. 


Zwischen den Fasern, die in den Syzygien die organische 
Verbindung zwischen 2 Skelettstiicken herstellen und den Dorsal- 
fasern der Armgelenke vermégen wir einen wesentlichen Unter- 


102 Heinrich Bofkhard, 


schied nicht herauszufinden. Die beiden Fasermassen sind nur in 
der Lange der einzelnen Fasern verschieden. Auf ihr tiberein- 
stimmendes Verhalten gegeniiber Farbstoffen ist friiher schon hin- 
gewiesen worden. Auch in den Syzygien bilden die Fasern an ihren 
Ursprungsstellen jene Schleifen, wie wir sie als Kinfassungen von 
Hohlraiumen friiher schon kennen gelernt haben. Jene S. 99 er- 
wihnten und in Fig. 22 dargestellten Zellen finden sich in den an 
die Syzygialfasern grenzenden Zonen der Kalkgrundsubstanz wieder, 
Wollte man also, dem Beispiele der neueren lorscher folgend, die 
Dorsalfasern als muskulése Elemente auffassen, so miilite man diese 
Auffassung notwendigerweise auch auf die Syzygialfasern ausdehnen 
und die Definition der Syzygie als einer unbeweglichen Nahtverbindung 
vollends preisgeben. HAMANN spricht sich (1. c. S. 127) tiber diesen 
Punkt folgendermafen aus: ,,Ob man die Fasern in den Syzygien — 
das sind die Nahtverbindungen, welche 2 Armglieder an Stelle der 
Muskulatur verbinden kénnen — ebenfalls fiir muskulés erkliren 
will oder nicht, das hangt ganzlich vom Belieben ab. Eine strenge 
Grenze zwischen elastischer Faser und kontraktiler Faserzelle 
kann ich nicht auffinden. Natiirlich erscheint es mir aber, wenn 
man die Armnahte als nur aus elastischen Fasern bestehend an- 
sieht, denen allerdings ein gleicher Bau zukommt wie den kon- 
traktilen Faserzellen.“‘ Diese vollkommene Uebereinstimmung, 
welche hinsichtlich der feineren Strukturverhaltnisse zwischen 
Syzygial- und Dorsalfasern thatsachlich besteht, ist fiir uns ein 
Grund mehr, die letzteren nicht als Muskeln zu betrachten und 
der alteren Auffassung den Vorzug zu geben. 


f) Die Fasern in den Rankengelenken. 


Die Fasern, welche 2 Cirrensegmente miteinander verbinden, 
sind von jeher als mit den Dorsalfasern in jeder Beziehung iiber- 
elnstimmend dargestellt worden. Da unsere Praparate und Unter- 
suchungen nur eine Bestatigung dieser Auffassung ergeben haben, 
so kénnen wir hier unter Hinweis auf die Ausfiihrungen iiber die 
Dorsalfasern auf eine Beschreibung der Rankenfasern verzichten. 
Vom histologischen Standpunkte aus kénnen daher diese Faser- 
massen ebensowenig als echte Muskeln in Anspruch genommen 
werden wie Dorsal- und Syzygialfasern. 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 103 


V. Schlufbemerkung. 


Die vorstehenden Untersuchungen haben ergeben, daf zwischen 
den ventralen Armmuskeln von Antedon einerseits und den Dorsal- 
und Rankenfasern andererseits in Bezug auf ihre feinere Struktur, 
ihr Verhalten gegeniiber den Farbstoffen und chemischen Reagenzien 
so weitgehende, wichtige Unterschiede bestehen, da’ es vom histo- 
logischen Gesichtspunkte aus durchaus unstatthaft ist, Dorsal- 
und Rankenfasern als Elemente des Muskelgewebes aufzufassen. 
Wie verhalten sich nun diese Befunde der mikroskopischen Unter- 
suchung mit den physiologischen Thatsachen? Halt man an dem 
durch die histologischen Befunde gewonnenen Standpunkte auch 
bei der Beurteilung der physiologischen Erscheinungen fest, so 
kann nur die nach oben, d. h. oralwirts erfolgende Kriimmung 
der Arme als Folge von Muskelkontraktionen betrachtet werden. 
Das Strecken und Kriimmen der Arme gegen den Apex des 
Kelches hin, wie man es besonders schén beim Schwimmen der 
Tiere beobachten kann, darf dagegen, wie a. a. O. bereits angefiihrt 
worden ist, nur auf Elasticitatswirkung der ligamentésen und dor- 
salen Fasern zuriickgefiihrt werden. Daf die Elasticitat der in 
Frage stehenden Fasermassen vollkommen ausreicht, um die apical- 
wirts erfolgenden Armbewegungen der Tiere zu erkliren, scheint 
uns aufer Zweifel zu sein, giebt es ja doch unter den Lamelli- 
branchiern Formen, wie Pecten, die durch abwechselndes Oeffnen 
und Schliefen ihrer Schalenhalften ebenso elegant im Wasser 
schwimmen wie Antedon, und doch ist unseres Wissens das Oeffnen 
der Schale auch nur auf die elastische Wirkung des SchloSbandes 
und nicht auf Muskelkontraktion zuriickzufiihren. Da’ bei der 
Abwartsbewegung der Arme ihre eigene Schwere fordernd ein- 
wirkt, ist einleuchtend. Zur Stiitze der von uns vertretenen ilteren 
Ansicht diirfte auch die nachfolgende, mehrfach beobachtete That- 
sache beitragen. Bei Reizung des Apicalstranges abgeschnittener 
Arme, die, beiléufig bemerkt, ihre Lebensfaihigkeit oft erst nach 
10—14 Tagen einbiifen, konstatierten wir als erste Reaktions- 
erscheinung stets ein Einrollen des Armes in oraler Richtung und 
darauf ein Strecken. Niemals aber sahen wir auf einen Reiz hin 
die Arme sich apicalwarts beugen und einrollen und nachher sich 
ventralwarts strecken, was doch wohl ebenso gut der Fall sein 
miiSte, wenn den ventralen Muskeln als Antagonisten auch Muskeln 
von derselben histologischen und physiologischen Natur gegeniiber- 


104 Heinrich BoBhard, 


stehen wiirden. Gegen diese altere Ansicht ist auch der Kinwand 
erhoben worden, dali die Tiere mit weit ausgebreiteter Armkrone 
absterben miften, wenn die Antagonisten keine echten Muskeln, 
sondern nur elastische Ligamente darstellten, indem ja die er- 
schlatienden Muskeln nicht mehr imstande waren, die Elasticitats- 
wirkung der Bandmassen zu kompensieren. Nun zeige die Er- 
fahrung, dal Antedon stets mit geschlossener Armkrone absterbe 
(Lana |. c¢.). Demgegeniiber ist zu bemerken, da bei Ueber- 
fiihrung der Tiere in Mischungen von Meer- und Siifwasser in 
zahlreichen Fallen ein Absterben nicht nur mit flach ausgebreiteter 
Armkrone, sondern sogar mit vollstindig gegen den Kelch zuriick- 
geschlagenen Tentakeln beobachtet werden konnte. Auch PERRIER 
hat die namliche Beobachtung gemacht, wenn er die Tiere lebend 
in Alkohol tauchte. Auffallig ist nun, daf derselbe Autor die 
beiden total verschiedenen Absterbeerscheinungen dazu benutzt, 
um die muskulése Natur der Antagonisten nachzuweisen. Lassen 
wir ihm in Bezug auf diesen Punkt selbst das Wort. Er sagt 
(1. c. S. 187): ,,Lorsque Panimal meurt, les muscles se relachant 
et ne contrebalangant plus les effets de Vélasticité des ligaments, 
il (Vanimal) devrait mourir les bras largement étendus. Or, il 
nen est rien“ und weiterhin ,quand on plonge brusquement une 
Comatule dans l’alcool, elle rabat volontairement tous ses bras 
du coté dorsal et meurt dans cette attitude; ce mouvement ne 
peut guére s’expliquer que par une contraction des prétendus 
ligaments, qui doivent, des lors, étre considérés comme des 
muscles.“* Im ersten Falle wiirde also die muskulése Natur der 
Antagonisten die Ursache der Absterbens mit eingerollter Arm- 
krone sein, im zweiten Falle wiirde dieselbe Eigenschaft der An- 
tagonisten geeignet sein, das Absterben mit entfalteter Armkrone 
zu erkliren. Wir vermégen in den angefiihrten Thatsachen keine 
Stiitze fiir die neuere Ansicht zu erblicken. Sie zeigen vorlaufig 
nur, da’ das Verhalten der Armkrone bezw. der Muskeln und der 
Antagonisten beim Absterben bedingt ist durch die jeweilige Todes- 
ursache. ‘Tritt der Tod unter normalen Bedingungen ein, so er- 
halt sich die ventrale echte Muskulatur im Zustande der Kon- 
traktion, sie erschlafft und erhalt sich in diesem Zustande, sobald 
der Tod plétzlich und in Folge einer Vergiftung herbeigefiihrt 
wird. Nimmt man, wie die neueren Zoologen es thun, die Dorsal- 
fasern als echte Muskeln in Anspruch, so wird man dasselbe auch 
gegentiber den Fasern in den Gelenken zwischen Costale I und 
Costale II und Brachiale I und Brachiale Il thun miissen. Man 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 105 


wird auch genétigt sein, diesen Fasermassen dieselben physio- 
logischen Leistungen zuzuschreiben wie ihren Antagonisten in den 
iibrigen Armgelenken. Man wird ferner nicht leicht eine be- 
friedigende Antwort auf die Frage finden, warum gerade in jenen 
2 Gelenken nur Muskeln der einen Art zur Ausbildung gelangen, 
wihrend in allen anderen Armgelenken beiderlei Muskeln vor- 
kommen. Ebenso unverstandlich wiirde die Thatsache sein, dal 
bei physiologisch gleichen Leistungen an einem und demselben 
Tiere Muskeln vorkommen, die in Bezug auf ihre histologische 
Beschaffenheit und ihr chemisches Verhalten ganz enorme Unter- 
schiede aufweisen. Der Umstand, daf in den vorhin genannten 
Gelenken echte Muskeln fehlen, scheint uns zu beweisen, daf die 
vermeintlichen Muskeln der neueren Zoologen auch hinsichtlich 
ihrer physiologischen Leistungen von ihren Antagonisten differieren. 
Jene Gelenke gestatten wegen der vertikalen Richtung ihrer Achse 
nur eine Drehung in horizontaler Richtung von zudem sehr ge- 
ringem Ausmaf. Ein passiv erfolgendes seitliches Hin- und Her- 
bewegen der Arme in diesen Gelenken, wie JoH. MULLER es an- 
nimmt, reicht jedoch fiir die Bediirfnisse des Tieres hinsichtlich 
der Beweglichkeit seiner Arme vollstindig aus. Da wo also aktive 
energische Bewegung nicht gefordert wird, fehlen die echten ven- 
tralen Muskeln. Nach unserer Ueberzeugung hat also die von 
den alteren Zoologen vertretene Auffassung gegeniiber der neueren 
Ansicht entschieden die gréfere Berechtigung, wenn sie auch nicht 
auf alle sich aufdrangenden Fragen eine véllig befriedigende Auf- 
klirung zu bieten vermag. So steht sie im Widerspruch mit der 
Beweglichkeit der Ranken. Was nimlich die Fahigkeit der letzteren 
anbetrifit, aktive Bewegungen auszufiihren, so wird dieselbe, wie 
eingangs dieser Arbeit bemerkt worden ist, von den Alteren 
Autoren entschieden in Abrede gestellt, von den neueren Unter- 
suchern, wie JICKELI, HAMANN, PERRIER und CuENoT dagegen 
ebenso entschieden bejaht. Zahlreiche Beobachtungen, die wir in 
Neapel an lebenden Tieren zu machen die Gelegenheit hatten, 
brachten uns zu der festen Ueberzeugung, daf} die Ranken in der 
That aktiv bewegliche Gebilde sind. Ihre Bewegungen erfolgen 
aber, wie iibrigens Cugnor schon bemerkt, auferordentlich lang- 
sam und unterscheiden sich in dieser Beziehung in weitgehender 
Weise von denjenigen der Arme. Fiir diese Thatsache eine ein- 
wandsfreie Erklarung zu geben, ist fiir uns eine Sache der Un- 
moglichkeit. 


106 


1) 


2) 


a 


3) 


8) 


9 


Sa 


10) 
11) 


12) 


13) 


Heinrich Bofghard, 


Litteraturverzeichnis. 


Baxiowirz, E., Ueber den feineren Bau der Muskelsubstanzen. 
Scuutrze’s Archiv, Bd. XXXIX. 

Batuer, F. A., The Term ,Syzygy“ in the Description of 
Crinoids. Zool. Anzeiger, Bd. XIX, 1896, No. 495 u. 501, 
Leipzig 1896. 

Carpenter, W. B., Researches on the structure, physiology and 
development of Antedon rosaceus. Philos. Transactions, Vol. 156, 
Part II, 1866. 

—, On the nervous system of Crinoidea. Proceed. Roy. Soc. 
London, Vol. XXXVII, 1884. 

Carpenter, P. H., Remarks on the anatomy of the armes of the 
Crinoids. Journ. of Anat. and Physiology. Vol. 10, 1877. 

— Report on the Crinoidea. I. The stalked Crinoids. Voyage 
of the ,,Challenger“, Vol. XI, Part 32, London 1884. I. The 
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Cutnot, L., Etudes morphologiques sur les Echinodermes. 
Archives de Biologie, T. XI, 1891. 


EncetmMann, Tu., Ueber den faserigen Bau der kontraktilen 
Substanzen, mit besonderer Beriicksichtigung der glatten und 
doppeltschraggestreiften Muskelfasern. Prntcer’s Archiv, 
Bd. XXV. 


Hamann, O., Beitrige zur Histologie der Echinodermen. 4. Heft. 
Anatomie und Histologie der Ophiuren und Crinoiden, Jena 1889. 
(Separat aus d. Jenaischen Zeitschr. f. Naturwissenschaften.) 
Hevusinerr, ©. F., Anatomische Untersuchung der Comatula 
mediterranea. Zeitschr. fiir organische Physik, Bd. III, 1828. 
Jickent, C., Vorliufige Mitteilungen tiber den Bau der Echino- 
dermen. Zoolog. Anzeiger, VII. Jahrgang, 1884. 

Knott, Px., Zur Lehre von den doppeltschriggestreiften Muskel- 
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schaften. Mathem.-naturwissensch. Klasse, Bd. CI, Heft VII, 
Abt. 3, 1892. 

— Zur Lehre von den Struktur- und Zuckungsverschiedenheiten 
der Muskelfasern. Sitzungsberichte der k. Akademie der 
Wissenschaften. Math.-naturw. Kl, Bd. CI, Heft IX, Abt. 3, 
1892. 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 107 


14) Lane, A., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. IV. Abteilung, 
1894. 

15) Lupwie, H., Beitrage zur Anatomie der Crinoideen. Zeitschr. 
f. wissensch. Zoologie, Bd. XXVIII, Leipzig 1877. 

16) MarsHaty, On the nervous system of Antedon rosaceus. Quart. 
Journ. Mic. Sc., Vol. XXIV, 1884. 

17) Minter, J.8., A natural history of the Crinoidea or lily-shaped 
animals, Bristol 1821. 

18) Mttrier, Jou., Ueber den Bau von Pentacrinus caput Medusae. 
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1841. 

19) — Ueber die Gattung Comatula Lam. und ihre Arten. Ab- 
handlungen der Akademie der Wissenschaften, Berlin 1847. 

20) Perrier, E., Mémoire sur Vorganisation et le développement de 
la Comatule de la Méditerranée. (Antedon rosacea Linck), in 
Nouvelles Archives du Muséum d’hist. naturelle, Paris 1886 


—1892. 

21) — Recherches sur l’anatomie et la régénération des bras de 
la Comatula rosacea. Archive de Zoologie expérimentelle, T. I, 
1872. 


22) Scuwarese, G., Ueber den feineren Bau der Muskelfasern wirbel- 
loser Tiere. Archiv fiir mikroskopische Anatomie, herausgegeben 
von Max Scuuurzz, Bd. V, Bonn 1869. 

23) — Beitrage zur Kenntnis der glatten Muskelfasern. Archiv 
fiir mikroskopische Anatomie, herausgegeb. v. Max Scuunrze, 
Bd. IV, 1868. 

24) Semper, C., Kurze anatomische Bemerkungen iiber Comatula. 
Arbeit. Zool. Institut Wiirzburg, Bd. I, 1874. 

25) Tuompeson, J. V., Sur la Pentacrinus europaeus l'état de jeunesse 
du genre Comatula. L’institut, 1835. 

26) Voer und Yune, Lehrbuch der prakt. vergleich. Anatomie, Bd. J, 
Braunschweig 1888. 

27) Wackwirz, Juu., Beitrage zur Histologie der Molluskenmuskula- 
tur, speziell der Heteropoden und Pteropoden. Zool. Beitrage, 
Bd. III, Heft 3, Breslau 1892. 


108 Heinrich BoShard, 


Figurenerklirung. 


Bedeutung der Buchstabenbezeichnungen der Figuren. 


Aa Oeffnung des Axialkanales der Armglieder. 
r a i “ » Rankenglieder. 
Br,, Br., Br,, Br, 1. 2. 3. und 4. Brachialglied. 
z Bindesubstanzzellen. 
C, Costale primum. 
Opes secundum. 
Df Dorsalfasermasse. 
Dfg Gelenkgrube zur Aufnahme der dorsalen Fasern. 
Ds Dorsaler Sinus des Armcéloms. 
Gs Genitalsinus. 
Gr Genitalrhachis. 
Hsp Horizontales Septum. 
Kgs Kalkgrundsubstanz. 
Lf Ligamentise Fasermasse. 
Lfg Gelenkvertiefung zur Aufnahme der ligamentésen Fasermasse. | 
M Muskulatur. 
Mg Grubenférmige Vertiefung in den Gelenkflachen zur Aufnahme 
der ventralen Muskeln. 
Nf Nakrungsfurche der Arme. 
P Pinnula. 
Po Orale Pinnula. 
R Radiale. 
Rk Radiarkanal des Wassergefafsystems. 
Rf Fasermasse der Rankengelenke. 
Rn Radiiirer Nerv des oberflachlichen oralen Systems. 
S Sacculi. 
San Strang des apicalen Nervensystems. 
Sg Syzygie. 
Sgf Fasern der Syzygie. 
T Tentakel. 
Tk Tentakelkanal. 
Vs Ventraler Sinus des Armcéloms, 
Vsp Vertikales Septum. 
Zd Centrodorsalplatte, 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 109 


Tafel, LEE 


Fig. 1. Dorsalansicht des Kelches und der ersten Armglieder 
von Antedon rosacea nach Entfernung der Ranken. Die Ansatz- 
stellen der letzteren im Centrodorsale sind zum Teil eingezeichnet. 
Vergréferung ca. 18. 

Fig. 2. Schematische Darstellung der Verteilung der Syzygien 
und Pinnulae in den Anfangsteilen eines Armpaares. Die durch 
eine Syzygie verbundenen Skelettstiicke sind durch einen grauen 
Ton heryorgehoben. 


Tafel FV, 


Fig. 3. Ventralansicht der pentagonalen Basis des Kelches 
mit den ventralen Flachen der Radialia. VergréfSerung ca. 15. 

Fig. 4. Ventralansicht der pentagonalen Basis des Kelches, 
der Radialia, Costalia I und If und der Brachialia I. Diese Figur 
zeigt ferner die grofen, fir die ventrale Muskulatur aufgesparten 
Gelenkgruben, sowie in der Tiefe gegen den Axialkanal hin die 
Konturen der von der ligamentésen Fasermasse, die ebenfalls ein- 
getragen ist, occupierten Vertiefungen. Gezeichnet nach einem 
langere Zeit mit Aetzkalilauge behandelten Praparate. Die Muskeln 
sind der Einwirkung des Reagens lingst erlegen, wihrend die 
iibrigen Fasermassen sich fast intakt erhalten haben. 

Fig. 5. Distale Flache eines Radiale, mit der proximalen 
Flache des Costale I artikulierend, zeigt die Oeffnung des Axial- 
kanals (Aa), die vertikale und die horizontale Gelenkleiste, die 
grubenartigen Vertiefungen zur Aufnahme der ventralen Muskeln 
(Mg), der ligamentésen (fg) und der dorsalen Fasermasse (Df). 
Vergréferung ca. 15. 

Fig. 6. Distale Flache eines Costale I, mit der proximalen 
Flache eines Costale II gelenkig verbunden, zeigt wieder die Oeff- 
nung des Axialkanales (Aq) in der vertikalen Gelenkleiste und jeder- 
seits eine grubenartige Vertiefung fiir die verbindenden Faser- 
massen (Lfg). Diese Gelenkverbindung hat keine echten Muskeln. 
Vergréferung ca. 15. 

Fig. 7. Distale Flache eines Costale I, mit den proximalen 
Flachen der beiden Brachialia I artikulierend, zeigt die vertikal 
gerichtete Hauptleiste, die beiden schief von unten und innen nach 
auBen und oben verlaufenden Querleisten, die zwei von der Mitte 
der Ventralseite schief nach unten gerichteten Leisten, die doppelte 
Miindung des Axialkanals (Aa) und 10 Vertiefungen zur Aufnahme 
von Muskeln (Mg), ligamentésen (Zfg) und dorsalen Fasern (Df). 
Die distale Fliche eines Costale II ist doppelt, da sie mit der 
proximalen F'liche eines jeden der beiden Brachialia I des Armpaares 
gelenkig verbunden ist. 

Fig. 8. Ansicht einer Flache, die mit der ihr zugekehrten 
Flache des benachbarten Armgliedes eine Syzygie bildet. Von der 


110 Heinrich Bofghard, 


Oeffnung des Axialkanals strahlen radienartig vorspringende Leisten 
gegen die Peripherie des Gliedes aus. Auf der ventralen Seite ist 
die Vertiefung der Ambulacralfurche sichtbar. 


Paiel, V- 


Fig. 9. Darstellung einer pfannenartigen Vertiefung im Centro- 
dorsale zur Vermittelung der Artikulation mit der proximalen Flache 
des 1. Basalgliedes einer Ranke. Quer durch die Vertiefung hin- 
durch geht ein elliptisch konturierter Wulst, der in seiner Mitte 
die Oeffnung des Axialkanales der Ranke (Av), umgeben von einer 
seichten Vertiefung, zeigt. Die Figur ist stark vergréfert. 

Fig. 10. Seitenansicht eines Basalgliedes einer Ranke. 

Fig. 11. Dasselbe von seiner distalen Fliche gesehen, zeigt 
den vorspringenden Wulst mit der Oeffnung des Axialkanals (Ar). 

Fig. 12. Dasselbe von seiner proximalen Fliche gesehen, zeigt 
den Gelenkwulst, aber mit einer Vertiefung, in deren Mitte sich der 
Axialkanal (Ar) 6ffnet. 

Fig. 13 stellt die Basalglieder einer Ranke, von der Seite ge- 
sehen, dar. Der Gelenkwulst der distalen Flachen erscheint als 
zapfenformiger Vorsprung. Der Axialkanal, der hier noch streng 
der Achse eines jeden Ghedes folgt, schimmert durch. 

Fig. 14. Seitenansicht der beiden Endglieder einer Ranke. 
Das letzte Glied zeigt die scharf zugespitzte, aboralwarts gekriimmte 
Klaue und ihr gegeniiber den ebenfalls dorsal gerichteten, dorn- 
artigen Fortsatz. Auch hier ist der durchschimmernde Axialkanal 
in seiner Kontur angedeutet. 


Tafel VL 


Fig. 15. Querschnitt durch einen entkalkten Arm, so gefiihrt, 
dafi die Dorsalfasermasse getroffen ist. Gezeichnet mit Camera, 
Reicuert Obj. 4b und Okular 3. Die Zeichnung giebt genau die 
Farbenténe wieder, die das Praparat durch Anwendung der 8. 90 
beschriebenen v. Greson’schen Farbemethode erlangt hat. 

Fig. 16. Querschnitt durch einen entkalkten Arm, so gefiihrt, 
da’ die Kalkgrundsubstanz quer getroffen ist. Die Farbenténe der 
Zeichnung entsprechen wiederum denen des nach vy. Girson’scher 
Methode gefarbten Priparates. 


Tafel VII. 


Fig. 17. Liangsschnitt durch ein entkalktes Armstiick, ge- 
zeichnet mit Camera, Retcuert, Obj. 4b, Okular 3. Die Farbentéine 
der Zeichnung entsprechen den Farben des nach vy. Grmson’scher 
Methode gefirbten Praparates. Kgs Kalkgrundsubstanz, Df Dorsal- 
fasern, M Ventrale Muskulatur, Sgf Fasermasse einer Syzygie, Bg 
unverkalkte Bindesubstanz. 


Verbindungsweise der Arm- u. Rankenglieder von Ant. ros. 111 


Fig. 18. Armlangsschnitt, gezeichnet mit Camera, RueicHyrt 
Obj. 4b, Okular 3. Der radiare Strang des aboralen Nervensystems 
(San) ist in seiner ganzen Linge getroffen, ebenso ist die ligamen- 
tise Fasermasse (Lf) in ihrer Langsrichtung geschnitten und sticht 
durch ihre intensivere Farbung von den Dorsalfasern (Df) ab. Die 
Farbenténe entsprechen wiederum den Farben des nach v. Grmson- 
scher Methode gefiirbten Praparates. Das Priiparat zeigt auch 
2 Syzygien, bezw. ihre Fasermasse (Sgf). Die Figur soll nur die 
durch die Farbung erhaltenen Differenzierungen der verschiedenen 
Gewebepartien darstellen. Daher fehlt iiberall die Ausfiihrung der 
Details. 


Tete laser re 


Fig. 19. Stiicke von 2 Muskelfasern aus einem ventralen 
Muskelbiindel mit doppelter Schrigstreifung. Gezeichnet mit Camera, 
Zeiss, homog. Immersion 2,0, Okular 8. Vergréferung 1000. Das 
Praiparat ist mit Himatoxylin nach Boéumer vorgefarbt und mit 
Enruicu-Bronpischem Farbengemische nachgefarbt. 

Fig. 20. Stiick aus der dorsalen Fasermasse und dem an- 
grenzenden Bezirke der Kalkgrundsubstanz, zur Darstellung der 
engen Beziehungen, die zwischen den beiden Massen bestehen. Die 
Figur zeigt auch den Ursprung der Fasern, ihre Beziehungen zu 
einander, die Hohlriume, die sie nach Art von Schleifen einfassen, 
die zwischen ihnen liegenden Zellen mit den rundlichen Kernen. 
In der Kalkgrundsubstauz treten dieselben Zellformen vermischt 
mit anderen rundlichen, fortsatzlosen, in ihrem Wesen noch dunklen 
Zellen, wie sie sich (vergl. Fig. 22) auch in der Nahe der Ranken- 
fasermassen vorfinden, auf. Die rundlichen Hohlraume in der Kalk- 
grundsubstanz sind vor der Entkalkung mit Kalk ausgefillt ge- 
wesen. 

Gezeichnet mit Camera, Zniss, homog. Immersion 2,0, Okular 6. 
VergréfSerung 750. 

Fig. 21. Stiick aus der ligamentésen Fasermasse. Die ein- 
zelnen Fasern sind viel kiirzer als die Dorsalfasern und liegen in 
einer Grundsubstanz, die im Bereiche der letzteren fehlt. Die Faser- 
masse hat bei starker Vergréferung ein filziges Aussehen. Die zu 
den rundlichen Kernen gehérenden Zellkérper sind nicht sichtbar. 
Die Fasermasse erhalt durch Farbung mit dem y. Grmson’schen 
Gemisch einen dunkelvioletten Ton, wahrend die Dorsalfasern rétlich- 
violett gefarbt sind. Gezeichnet mit Camera, Zrtss, homog. Immers. 
2,0, Okular 6. Vergréferung 750. 

Fig 22. Zellen, die sich in denjenigen Bezirken der Kalk- 
grundsubstanz vorfinden, die unmittelbar an Dorsal-, Ligament- und 
Syzygialfassermassen grenzen. Offenbar sind diese Zellen identisch 
mit den Prrrimr’schen ,masses ganglionnaires*. 

Gezeichnet nach einem mit Himatoxylin und Eosin gefirbten 
Rankenlangsschnittpraparate mit Camera, Zeiss, homog. Immers. 2,0, 
und Okular 8. Vergréferung 1000, 


112 BoShard, Verbindungsw. d. Arm- u. Rankenglieder v. Ant. ros. 


Fig. 23. Stiick der Kalkgrundsubstanz einer Ranke. Nach 
einem mit Himatoxylin und Pikrinsiure gefarbten Langsschnitt- 
priparate gezeichnet mit Camera, Reicnert, Obj. 8a und Okular 3, 

Fig. 24. Rankengelenk, nach einem entkalkten, mit Pikro- 
karmin gefairbten Totalpraparat gezeichnet. Camera, Zuniss 8,0, 
Okular 2. Der Axialkanal ist gegen den ventralen Rand der Ranke 
hin verschoben. Die dorsal yon ihm liegende Fassermasse ist 
michtiger als die ventrale, und ihre Fasern sind bedeutend linger. 

Fig. 25. Tangentialer Langsschnitt durch die Fasermasse eines 
Rankengelenkes und die Kalkgrundsubstanz der verbundenen Glieder. 
Gezeichnet mit Camera, RetcHert, Obj. 4b und Okular 3. 

Fig. 26. Zellen, die zwischen den Biindeln der Rankenfasern 
liegen, von Prerrisr als blofe Kerne aufgefaft und bezeichnet. Nach 
einem Lingsschnittpraparate gezeichnet mit Camera, Zuiss, homog. 
Immers. 2,0 und Okular 6. Vergréferung 750. 


Untersuchungen iiber das Grosshirnmark 
der Ungulaten. 


Von 
Kaspar Schellenberg 


aus Ziirich. 


Hierzu Tafel IX—XII und 44 Figuren im Text. 


Kinleitung. 


Das Centralnervensystem der Vertebraten ist im Verlaufe der 
letzten Jahre in vergleichend-anatomischer Beziehung von zahl- 
reichen Autoren eingehend studiert worden. Unter den Vertretern 
der niederen Tiere hat das Gehirn der Fische, Amphibien und 
Reptilien zahlreiche, unter den Choriaten haben einzelne Vertreter 
der Edentaten, der Cetaceen, der Rodentier, Insectivoren und 
Carnivoren mehr als einen Bearbeiter gefunden. Auch das Gehirn 
der Monotremen und Marsupialier ist neuerdings untersucht worden, 
desgleichen haben mehrere Forscher das Centralnervensystem der 
Primaten eingehend studiert. Vor allem ist das Gehirn des 
Menschen sowohl nach Formverhaltnissen wie mit Riicksicht auf 
die Histologie und unter Anwendung der vergleichend-anatomischen 
Methode bearbeitet worden. Was dagegen die wichtige Ordnung 
der Ungulaten anbetrifft, so finden sich in der bisherigen Litte- 
ratur nur vereinzelte und im ganzen wenig in die Details dringende 
Arbeiten. Noch von keiner Seite hat diese wichtige, systematisch 
wohl begrenzte Tiergruppe beziiglich Form und Architektonik des 
Grofhirns in zusammenhangender Weise und mit modernen Unter- 
suchungsmethoden eine Bearbeitung erfahren. 

So habe ich mir die Aufgabe gestellt, das Grofhirn der Un- 
gulaten an der Hand eines gréferen Materials sowohl hinsichtlich der 
Oberflachenverhaltnisse und der makroskopischen Beziehungen der 
Rinde zum Grofhirnmark als hinsichtlich der mikroskopischen Ver- 
haltnisse zu studieren. Letzteres geschah unter Anfertigung von 
liickenlosen Schnittserien durch das ganze Organ eines jeden 


Hauptvertreters dieser Tierordnung (Ziege, Schaf, Rind, Pferd, 
Bd, XXXIV. N. F. XXVII 8 


114 Kaspar Schellenberg, 


Schwein). Ueberdies untersuchte ich 5 Ziegengehirne, die neu- 
geboren an der Hirnoberflaiche operiert wurden, und eines mit 
Enukleation eines Augapfels. Endlich unterwarf ich mehrere im 
hirnanatomischen Laboratorium aufbewahrte Schnittserien von 
operierten Katzen- und Hundegehirnen einer eingehenden Revision 
und verglich ich diese Priparate mit den von mir verfertigten. 

Bei der Bearbeitung dieses Gehirnmaterials ging ich von den 
bekannten, bei Carnivoren und beim Menschen festgestellten Ver- 
haltnissen aus und war bemiiht, die einzelnen Windungsgruppen 
bei den Ungulaten nach ihrer phylogenetischen Entwickelung so- 
wie in Bezug auf ihre Homologie einer sorgfaltigen Betrachtung 
zu unterziehen. 

Im ferneren unterwarf ich den Markkoérper einer griindlichen 
vergleichend-anatomischen Untersuchung, da sich bis jetzt niemand 
fiir diese Frage verbreitet hat. Im Anschlusse hieran versuchte 
ich auch die Faserverhaltnisse der tibrigen Hirnteile und die Ge- 
staltung der grauen Substanz hinsichtlich der bekannteren Regionen 
und Bahnen zu eruieren. 

Nachstehende Arbeit wurde im hirnanatomischen Laboratorium 
hiesiger Universitét unter Leitung von Herrn Prof. Dr. C. v. Mona- 
Kow ausgefiihrt. An dieser Stelle ist es mir angenehme Pflicht, 
meinem hochverehrten Lehrer fiir seine Bemiihungen und _ sein 
reiches Interesse an dieser Arbeit den herzlichsten Dank auszu- 
sprechen. 


Material und Technik. 


Die Beschaffung eines guten und frischen Untersuchungs- 
materiales war schwierig, nichtsdestoweniger gelangte ich im Ver- 
laufe der letzten Jahre in den Besitz einer Anzahl zur Unter- 
suchung geeigneter Objekte, teils aus meiner eigenen Praxis, teils 
aus dem anatomischen Institute der hiesigen Tierarzneischale. Ich 
bin dem Vorstande des Institutes, Herrn Prof. Dr. P. Marvin, fir 
dic Ueberlassung von Gehirnen zu bestem Danke verpflichtet. 

Die Gehirne wurden zuerst mit Riicksicht auf dic Oberflachen- 
vestaltung studiert. Zu diesem Zwecke ging eine Hartung frischen 
Materiales in 10-proz. Formol, in chromsauren Salzen und in ab- 
solutem Alkohol voraus. Fiir makreskopische Untersuchung ist Be- 
handlung der Stiicke in Formol sehr zu empfehlen, einmal wegen 
der Kigenschaft dieses Mittels, dem Gewebe eine héhere Elasticitat 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 115 


zu verleihen, und sodann wegen der Fahigkeit, rasch in die Tiefe 
des Organs einzudringen. 

Hierauf wurden die Gehirne in frontaler Richtung in Scheiben 
von 1—5 mm Dicke zerlegt. Es geschah dies mit Hilfe des 
GuppeN’schen Mikrotoms. Nachher schritt ich zur Anfertigung 
von fortlaufenden Schnittserien durch normale und durch experi- 
mentelle Eingriffe vorbereitete Objekte. Die Hartung in Chrom- 
salzen erforderte meist eine Zeitdauer von 2—3 Monaten; nach- 
her wurden die Gehirne fiir kurze Zeit in fliefSendes Wasser gelegt, 
eingebettet und mittelst des GuppEN’schen Mikrotoms unter Wasser 
geschnitten. Die Mehrzahl der Schnitte wurde in wasseriger 
Karminlésung gefirbt*'). Einige Schnitte habe ich indessen auch 
nach PAL mit Karminnachfarbung tingiert. Die fiir feinere histo- 
logische Priifung bestimmten Hirnteile wurden mittelst der NIssL- 
schen Methode behandelt. Die Farbung in Karmin geschieht in 
der von alteren Autoren empfohlenen Weise, wobei besonders Ge- 
wicht darauf zu legen ist, daf die Schnitte vor der Karminfarbung 
mit Alkohol nicht in Bertihrung kommen. Um ganz gute Farbung 
zu erhalten, mu8 jede Ueberhartung vermieden werden, es empfiehlt 
sich auch, diinne Schnitte 1—3 Tage vor der Farbung in ge- 
wohnlichem Wasser liegen zu lassen. 

Im weiteren wurden die Gehirne der zur Untersuchung ge- 
langten Tiere in toto in chromsauren Salzen gehartet, hierauf in 
Scheiben von 3—5 cm Dicke zerlegt und diese in Celloidin ein- 
gebettet. Die nach Wericert und Pat gefirbten Schnittserien 
wurden mittelst des Schlittenmikrotoms geschnitten nach der 
tiblichen Vor- und Nachbehandlung. Es wurde besonderes Ge- 
wicht darauf verlegt, die dicken Scheiben mit Celloidin vollstandig 
zu durchtranken. Vor dem Schneiden wurden die Scheiben auf 
ein besonders angefertigtes Objekttischchen aufgeklebt. Um jede 


1) Ich habe alle Veranlassung, mit den Resultaten der Karmin- 
methode, welche ich allen anderen neueren Methoden vorziehe, zu- 
frieden zu sein, indem dieselbe die Farbung der Fasern wie der 
zelligen Elemente in hiibschen Uebersichtsbildern zur Darstellung 
bringt. 

Auch zur Farbung von Praparaten mit experimentell erzeugten 
sekundiren Degenerationen ist diese Methode nach meinen Er- 
fahrungen, wofiir auch die Praparate im hiesigen Laboratorium 
sprechen, anderen elektiven Methoden bei weitem vorzuziehen, weil 
die sekundir entarteten Abschnitte grauer Substanz in veranderter 
Farbe und Schirfe mit allen ihren histologischen Details zum Vor- 
schein kommen. 

ge 


116 Kaspar Schellenberg, 


Aenderung der Schnittrichtung zu vermeiden und eine vollstandig 
eleichmakige Schnittserie zu erhalten, wurde das Schneiden des 
Blockes gewohnlich in einer Sitzung beendigt. Die der Reihe nach 
aufeinander gelegten und auf Klosettpapier aufgezogenen Schnitte 
lieS ich noch einige Tage in einer schwachen Lésung von Kal. 
bichromic. liegen, bis ich eine Weiterbehandlung derselben vor- 
nahm. Die Markscheidenfarbungen geschahen sowohl nach WEIGERT 
und Pau als auch nach Wouters. Bei der Darstellung der Mark- 
fasern der Rinde war die WourTERs’sche Methode den anderen ent- 
schieden tiberlegen. 

Versuchsweise fanden auch die Osmiummethode nach HELLER 
und die MALLory’sche Himatoxylinfirbung Anwendung. Metall- 
impragnationen habe ich nicht angewendet. 

Fiir die Wiedergabe der feineren Form- und Strukturverhalt- 
nisse der Ganglienzellen leistete die Nissi’sche Methylenblau- 
methode ausgezeichnete Dienste. Die verschiedensten Hirnteile 
von simtlichen zur Untersuchung gezogenen Tieren wurden nach 
dieser Methode studiert. 

Von der Beniitzung der Marcurschen Methode habe ich bei 
den operierten Tieren Umgang genommen, weil bei dieser Methode 
nur die Entartung der Fasern zur Darstellung gebracht wird, nicht 
aber diejenige der grauen Substanz, ich aber vor allem gerade 
die sekundaire Degeneration der letzteren zu studieren beabsich- 
tigte. Zudem hatten die Tiere nach der Operation zu lange ge- 
lebt, auch waren sie zu jung operiert worden, als daf die ge- 
nannte Methode mit genitigendem Erfolg hatte angewendet werden 
kénnen. 

Die Zeichnungen wurden mit Hilfe des Pantographen ent- 
worfen, einem einfachen Apparat, der sich hauptsachlich zur Wieder- 
gabe der gréberen Formverhiltnisse der makroskopischen Serien 
fiir diese Zwecke sehr praktisch erwiesen hat. Schemata habe 
ich nur entworfen, um die Oberfliche der Hemispharen tibersicht- 
lich wiederzugeben, im tibrigen aber absichtlich gemieden und mich 
an die Art und Weise der Reproduktion gehalten, wie sie im 
Werke von D&rJERINE (11) durchgefiihrt wurde. Die Figuren sind, 
wo nichts anderes bemerkt ist, in natiirlicher Gréfe wiedergegeben, 
auch habe ich mich daher auf die zum Verstandnis der von mir 
im Texte behandelten anatomischen Verhaltnisse unbedingt nétigen 
Details im Bilde beschrankt. 

Die Ergebnisse meiner Arbeit lege ich in nachbezeichneten 
zwei Hauptabschnitten nieder: 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 117 


I. Morphologie der GroShirnoberfliche und des GrofShirnmarkes 
im Allgemeinen. 

II. Aufbau und Beziehungen des GrofShirnmarkes zur Hirn- 
rinde und zu den infracorticalen Regionen. 


I Phew: 


Morphologie der Grofshirnoberflache und des Grofshirn- 
markes im Allgemeinen. 


Die Oberflache des GroShirnes der Ungulaten zeigt bekannt- 
lich gyrencephalen Typus. Die Furchen und Windungen verraten 
hier eine Form und Anwendung, die selbst von denen nahe- 
stehender Tierordnungen, z. B. der Carnivoren, wesentlich ver- 


schieden ist. 


Historisehes. 


Auf den eigenartigen Bau der Gehirnoberfliche der Ungulaten 
hatte bereits Cuvier (8) hingewiesen, der das beziigliche Verhalten 
bei mehreren Ordnungen studiert hatte. 

Eingehendere vergleichend-anatomische Untersuchung iiber die 
Grofhirnoberflaiche verdanken wir zunichst Owen (57, 58). Dieser 
ging von dem durch seine einfachen und regelmafigen Furchen aus- 
gezeichneten Felidengehirn aus und priifte hierauf die Oberflachen- 
verhialtnisse nahestehender Tierordnungen. Als erster benannte er 
die Windungen und Furchen (deren er 45 unterschied). Er teilte 
die Furchen und Windungen in primaire und sekundire ein. Zur 
Aufklarung der furchenreichen Gehirne der Ungulaten ging er in 
vergleichend-anatomisch richtiger Weise von den einfachsten Ver- 
hiltnissen, wie sie bei Tragulus und Hyrax bestehen, aus. 

In noch umfassenderer und ausfihrlicherer Weise behandelte 
Levuret (41) die Windungen der Hauptvertreter der Saugetiere. 
Er klassifizierte nach der Windungsanordnung (Aufstellung von 
14 Gruppen) wie Owen und fiigte seinen Untersuchungen zahlreiche, 
sehr anschauliche Figuren bei. Seine Bilder sind von spiteren 
Autoren wiederholt beniitzt und zur Vergleichung herangezogen 
worden. Den Grundtypus erkannte Leurer in jenem System von 
parallel verlaufenden longitudinalen Windungen, wie sie beim Fuchse 
am ausgeprigtesten vorhanden sind. Den Furchen maf er keine 
Bedeutung zu, er lie sie in seinen Beschreibungen ganz aufer acht. 
Die Ruminantier und Herbivoren fafte Laurer zu einer besonderen 


118 Kaspar Schellenberg, 


(9.) Gruppe zusammen, auch das Schweinegehirn brachte er in einer 
eigenen (10.) Gruppe unter. 

Spiaiteren Untersuchern erschien die Leurnr’sche Einteilung zu 
umstaindlich, willkiirlich und nach zu wenig charakteristischen Merk- 
malen geordnet. Man suchte zu vereinfachen. So kam Dargsre (10) 
dazu, nur noch 4 Windungstypen aufzustellen. Die Ruminantier 
wies er neben den Pachydermen dem 3. Windungstypus zu. Aehn- 
lich wie Lruretr (41), an dessen Beschreibung er sich anlehnte, 
ging DarestE (10) von 3 parallelen Windungsziigen aus, von denen 
der an der Mantelspalte gelegene und der nach aufen davon liegende 
occipitalwirts sich erweitern und gabeln, der Aufkerste dagegen von 
den quergestellten Furchen, namentlich der Fissura Sylvi, unter- 
brochen wird. 

Auf dem nimlichen Wege der Vergleichung der Windungen 
kamen auch Lussana und Lemorenk (42) zur Aufstellung von neuen 
Typen, wobei sie tiber die Schranken der natiirlichen Ordnung hinaus- 
gingen. So kam beispielsweise das Pferd in einen eigenen Typus 
(,,tipo equino“), das Schwein mit dem Hippopotamus und Rhinoceros 
zusammen in den ,tipo suino“, die iibrigen Ungulaten wurden in 
den ,,tipo pecorino“ in toto untergebracht. Abgesehen davon, dab 
sie in ihren Schematen die Oberflachenverhialtnisse ganz entstellt 
wiedergaben, entspricht auch ihre Auffassung beziiglich der Wichtig- 
keit des Gehirnwinkels und der Ableitung der Windungen aus 
einer Stammwindung nicht den thatsachlichen Verhiltnissen. 

Kine ganz neue Wandlung in der Lehre und in der Auffassung 
der Oberflichenverhailtnisse verdanken wir Panscu (59). Diesem 
Forscher gebiihrt das Verdienst, die Bedeutung der Furchen in ihr 
Recht eingesetzt zu haben, welche er nach der Tiefe des EHin- 
schnoidens. nach ihrer Konstanz und Liinge als Haupt- und Neben- 
furchen unterschied. 

Gestiitzt auf die von Panscn aufgestellten neuen Gesichtspunkte, 
nahm dann Krune (37) eine nach den Familien der Ungulaten ge- 
ordnete Trennung der Furchen in 10 Hauptfurchen an, welche allen 
Vertretern der Ordnung der Ungulaten zukommen. Die vielen 
Nebenfurchen sind nach ihm zum Teil der Gattung, zum Teil der Art 
eigen. Als solche Hauptfurchen, die auch in der ontogenetischen 
Entwickelung sich zuerst zeigen und die keine verginglichen Vor- 
laufer in der Entwickelung aufweisen, bezeichnete Krure die Fis- 
sura Sylvii, splenialis, suprasylvia, coronalis, praesylvia, lateralis, 
diagonalis, rostralis, postica und genualis. Grenzfurchen nannte er 
die Fissura rhinalis und hippocampi. Seinen Besprechungen der 
10 Ungulatenfamilien fiigte Krure recht tibersichtliche, zum Teil 
von anderen Autoren entlehnte Bilder von Hemisphiiren an. Von 
Krusee wurde ebenfalls die Reihenfolge der Entwickelung der 
Furchen beim Schafe, Rinde und Schweine studiert. Ihm kommt 
auch das Verdienst zu, auf die Verwandtschaft der Hauptfurchen 
der Ungulaten und der Carnivoren zuerst die Aufmerksamkeit ge- 
lenkt zu haben, wobei er die Homologie der Fissura coronalis beim 
Hund und Schaf und auch diejenige der iibrigen Hauptfurchen bei 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 119 


Carnivoren und Ungulaten nicht nur auf anatomischem Wege be- 
griindete, sondern hier auch auf die experimentellen Resultate von 
Hirzie (80) und Marcaccr (45), die erregbaren Rindenstellen be- 
treffend, Riicksicht nahm. Krura konnte durch eigene Versuche 
die Angaben von Marcaccr beziiglich der erregbaren Zone _ be- 
statigen. Die hauptsichlich bei kleinen Tieren beobachtete Neigung 
der Furchen, sich medialwarts von der dem Sulcus longitudinalis 
zugekehrten Seite auf die Konvexitét der Hemisphiare zu verlagern, 
bezeichnete Kruxre als Supination, den umgekehrten Verlagerungs- 
prozef (Pronation) auf die dem Lingsspalt zugekehrte Seite konnte 
er bei grofen Tieren wahrnehmen. 

Wahrend die friiheren Forscher mit Ausnahme von Kruse die 
Oberfliche lediglich vom morphologischen Standpunkte betrachteten, 
eréffnete Muynerr (50, 51, 52) neue Gesichtspunkte in der Be- 
trachtung der GrofShirnoberflache, indem er diese in Beziehung zu 
den Hirnfunktionen brachte und zwar in dem Sinne, daf die Furchen 
als natiirliche Grenzen fiir eine bestimmte Zahl grofer Gruppierungen 
bestimmter Funktionen anzusehen wiren. Er verglich als erster 
die verschiedene Griéfe der Stirnhirnentwickelung bei Carnivoren 
und wies darauf hin, dal eine Verletzung oder Abtragung dieses 
Hirnteiles keine Motilitaétsstérungen zu Folge habe. Fir die Ent- 
wickelung des Stirnlappens hielt er die Gréfe des Linsenkernes, 
die davon abhangige Ausdehnung der Insel und die Hoihe des 
Scheitellappens von grundlegender Bedeutung. Am Zweihufergehirn 
fand er die Bogenfurchen mehr gestreckt, daher zeige sich keine 
Hohlung in der Konkavitiit der ersten Bogenwindung, deshalb liege 
die Insel frei ausgestreckt zu Tage, deshalb sei auch eine stirkere 
Frontalentwickelung vorhanden. Den Schlifelappen  betrachtete 
Meynerr unter die Hinterhauptsgegend geschoben und in 2 Win- 
dungen zerfallend. Den quergestellten hinteren Ast der Fissura 
coronalis des Schafes erklirte er der Fissura centralis der Primaten 
homolog. 

Einen weiteren Schritt vorwarts in dem Verstindnis der Grob- 
hirnoberflache brachten uns die Reiz- und Abtragungsversuche, die 
Munk (56) an Aifen, Hunden und auch am Pferde vornahm. Bei 
diesem letzteren Tiere konnte er durch Exstirpation am Hinterhaupts- 
lappen Erscheinungen von Seelenblindheit, durch solche am Scheitel- 
lappen Bewegungsstérungen am Vorderbein der gegeniiberliegenden 
Seite hervorrufen. Der nihere Ort der Reizung bezw. der Abtragung 
an der Hirnoberfliche wurde yon diesem Forscher, beim Pferde 
wenigstens, nicht genauer angegeben. 

Aehnlich wie Hirzig (30) beim Hunde und Marcaccr (45) beim 
Schafe, so hatte Arnorne (2) auch beim Pferde einzelne erregbare 
Punkte bestimmt. Er schlug vor, den vordersten, nicht erregbaren 
Bezirk am Stirnende als lobe orbitaire‘ von einem hinteren, 
erregbaren ,,lobe fronto-pariétale, occipitale und temporale“ abzu- 
grenzen. 

Wahrend die obengenannten Untersucher bemiiht waren, an 
der Oberflache die Oertlichkeiten nach den Funktionen abzugrenzen, 


120 Kaspar Schellenberg, 


so suchte GuppEN (27) in seinen zahlreichen Arbeiten die Grofhirn- 
oberflache mit Riicksicht auf ihre Verbindungen mit dem Stabkranz 
und den anderen Fasermassen zu erforschen. Seine Untersuchungen 
bilden fiir die Anatomie der GroShirnoberfliche eine neue frucht- 
bare Phase. Durch seine Atrophiemethode stellte dieser Forscher 
bekanntlich bei dem Hunde als erster das Ursprungsgebiet der 
Pyramidenbahn im groben fest. Die betreffende Rindenzone fallt 
nach ihm so ziemlich mit dem motorischen Rindenfeld von Hrrzie 
zusammen. LEinseitige Abtragung dieser Hirnpartie, d. h. des Gyrus 
sigmoideus und des Gyrus coronarius beim neugeborenen Tiere hat 
vollstandige Vernichtung der gleichseitigen Pyramidenbahn zur 
Folge, wahrend Abtragung der weiter occipitalwarts legenden 
Windungen auf die Entwickelung der Pyramiden ohne Kinfluf bleibt. 

Mittelst derselben Methode der Operation am neugeborenen 
Tier gelang es auch v. Monaxow (53, 54, 55), ttberaus wichtige Er- 
gebnisse iiber die Abhangigkeitsverhaltnisse der verschiedenen Stab- 
kranzteile, der Kerne des Sehhiigels und mancher tieferer Hirnteile 
von der Grofhirnoberfliche bei Kaninchen, Katze und Hund festzu- 
stellen und die beziiglichen Faserverbindungen zu erschliefen. Ich 
werde in der Folge noch mehrmals auf diese grundlegenden For- 
schungen zuriickkommen. 

Seit Mmynerr (51) ging unter den neueren Forschern das Be- 
streben darauf hin, die naihere Homologie der Furchen und Win- 
dungen bei den Primaten einerseits, bei den Carnivoren und bei 
den Ungulaten andererseits zu finden. Dahinzielende Versuche finden 
sich in den Arbeiten von Friescu (22) und Famiuaianr (19), welche 
die Furchen des Carnivorengehirnes mit denen des Primatengehirnes 
verglichen. 

In eingehenderer Weise als die genannten Autoren suchten 
Tencuint und Nzearini (70) die homologen Windungen beim Menschen, 
beim Pferd und beim Rind zu ermitteln. Sie gingen dabei von der 
Gefaiverteilung in der Hirnoberfliche aus, doch beriicksichtigten sie 
auch die ontogenetische Reihenfolge des Auftretens der Windungen 
und Furchen. Gleich wie Broca (6) nahmen sie an, daf das Frontal- 
hirn bei Pferd und Rind gegeniiber dem des Menschen eine sehr 
dirftige Entwickelung zeige. Die besonders gute Ausbildung der 
Parietalregion hielten sie fiir das Pferd und das Rind charakteristisch, 
den Occipitallappen betrachteten sie als rudimentir entwickelt und 
magen ihm nur geringe Bodeutung zu. Die Fissura calcarina des 
Menschen verlegten sie auf die mediale Seite des Pferdegehirnes in 
eine unbedeutende Furche am Uebergange des Lobus pyriformis in 
den Gyrus fornicatus. Manche dieser Deutungen sind meines Er- 
achtens als ziemlich willkiirliche zu bezeichnen, ganz besonders aber 
die, daf die prasylvische und Coronarfurche des Pferdes und Rindes 
der Centralfurche des Menschen entspreche. Uebrigens geben die 
beiden Autoren selber zu, da ihre Homologisierungsbestrebungen 
nicht sehr gliickliche waren. Zu ahnlichen gezwungenen Schliissen 
kamen 'Tpncuint und Nearint bei der Vergleichung der Windungen 
der genannten Tiere. Nichtsdestoweniger verleihen der Abhandlung 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 121 


der beiden Autoren die naturgetreue Wiedergabe einzelner er- 
eles und fétaler Gehirne sowie die Uebersicht der arteriellen 
Sefakverteilung einen hohen Wert. 

“Im Anschlusse an die Untersuchungen bei den Waltieren ver- 
suchtén KixkenrHan und ZreHEN (38) bei einer Reihe von Siugetier- 
ordnungéx. die Homologien der GroShirnfurchen wiederzugeben. Nur 
die entwickelungsgeschichtliche und rein morpbologische Betrach- 
tungsweise leitete sie bei der Aufstellung ihrer Schliisse. Grofen 
Wert raumten sie den Variationsméglichkeiten der Fissuren ein, die 
sie nach den vier folgenden yon ihnen aufgestellten Variations- 
gesetzen ordneten: 1) daf eine Furche in ihrem Verlaufe ein- oder 
mehrfach unterbrochen sein kann; 2) dali eine Furche von einer 
oder mehreren Parallelfurchen oft begleitet wird, so daf die Unter- 
scheidung schwer halt; 3) daf jede Furche sich verliingern kann 
unter Beeinflussung benachbarter Furchen; 4) daf Nebeniiste im 
alleemeinen fiir die Konfiguration der Hirnoberflaiche gleichgiltig 
sind. Jede Fissur vergleichen sie innerhalb der betreffenden Ord- 
nung und mit denen nahestehender Ordnungen. Besonders beachtens- 
wert bleibt die Schilderung der Fissura Sylvii und der Fissura cru- 
ciata, welch letztere sie als der Fissura centralis der Primaten 
homolog annahmen. Ihre Studien bilden einen wertvollen Beitrag 
zur vergleichenden Anatomie der Oberfliche gyrencephaler Siuger. 
Thre Untersuchungen haben sie auf den Markkérper des Grofhirnes 
und die tieferen Teile, namentlich auf den Faserverlauf nicht aus- 
gedehnt, was diese Autoren mit Recht als eine Liicke ansehen. 

Von ZibHEN (75, 76) stammen weitere wertvolle Beitrige und 
Untersuchungen iiber die Furchenverhiltnisse bei den Carnivoren, 
den Marsupialiern und den Monotremen. 

Auch Jencersma (32) beschrieb den Bau des Siiugergehirnes. Er 
fand bei den Ruminantiern und Solidungula infolge des griferen 
Kérpergewichtes eine kompliziertere Entwickelung der Furchen und 
Windungen. 

Tourner’s (71) Arbeit brachte eine einheitlichere Anschauung 
iiber die Oberflachengestaltung der Hemisphiare. Er unterscheidet 
sagittale, coronale und bogenférmig verlaufende Fissuren; als Grund- 
typus fiir das Ungulatengehirn stellte er 3 longitudinale Windungs- 
ziige auf, die sich wiederum in Unterabteilungen zerlegen lassen, 
wie z. B. die Randwindung beim Pferd und Rind. 

Zu einer anderen Betrachtungsweise der Bildung der Windungen 
kam Parker (60), welcher den Versuch gewagt hat, auf gleichsam 
mathematischem Wege eine Erklirung der Entstehung der Win- 
dungen zu geben, und der es versuchte, auf diesem Gesichtspunkte 
fuBend, die Homologie der Faltung aufzuklaren. Er fand die Furchen 
und Windungen als einfache Wiederholungen, die bei Carnivoren 
und Ungulaten vollstindig identisch sind. Darauf bauend, stellte 
er eine Entwickelungsreihe, mit dem Peccary (Dicotyles torquatus), 
bei welchem Tier sich auf der lateralen Oberflache nur eine Fissur 
findet, beginnend, auf. Diesem einfachsten Typus folgt das Gehirn 
des Schafes und des Tapirs mit 2, das der Giraffe und des Lama 


122 Kaspar Schellenberg, 


mit 3 Fissuren. Das Pferd mit den 4—5 Fissuren stellte den 
letzten Typus dar. Die beziiglichen Furchen stellte Parksr der 
einen Furche des Peccary gleich. 

Neuere Forscher haben zur Erklarung der Furchenbildung wie 
Parkpr zu eigenen Theorien ihre Zuflucht genommen. Ich nenne 
Reicuert (61) und Serrz 66), die von den Gefafen ausgingen, Mry- 
nERT (50), ScuwauBe (65) und Meyer (49), die den Einfluf der Schadel- 
kapselals bestimmend annahmen, im weiteren Wunpt (74), KOLLIKER (34). 
Srrasser (69), Marvin (46), JerGersma (33), Ecker (15) und Scunopr- 
HAGEN (64), welche simtlich die Ursache im Gehirn selbst suchten. 
Krfreulicherweise liefern die Ergebnisse der pathologisch-anatomischen 
Forschungsrichtung, vor allem die Falle von Makro- und Mikrogyrie 
zweifellos Beweismomente fiir die letztere Annahme, daf die Ur- 
sachen der Rindenfaltung ausschlieflich im Organ selbst zu suchen sind. 

Die heute allgemein giltige Auffassung der Oberfliche beim 
Carnivoren- und Ungulatengehirn hat die von Lrurer (41) auf- 
gestellte Einteilung zur Grundlage. Durch Laneaury’s (389) und 
ELensercer’s (18) Untersuchungen hat dieses Einteilungsprinzip 
fiir die Furchen neue Unterstiitzung gefunden. Enunnpercer (18) 
gelang es, die Verwandtschaft des Hundegehirns mit demjenigen der 
Ungulaten festzustellen. In der Anordnung der Furchen beim 
Schweine fand er den vermittelnden Uebergang zwischen Hund und 
Wiederkiuer. In seiner Darstellung beriicksichtigte er tbrigens 
nur die oberflichlich legenden Furchen, was sich aus seinen 
schematischen Zeichnungen ergiebt, auch laft er das relativ ein- 
fache Schaf- und Ziegengehirn unbesprochen. 

Eine kurze, skizzenhafte Schilderung des Pferdegehirnes haben 
auch Lreer und Lanzmuorri (40) geliefert; sie enthalt indessen 
keine neuen Gesichtspunkte. Die Oberflichengestalt der Hemisphire 
wird selbstverstandlich auch in simtlichen Lehrbiichern der Veterinar- 
anatomie, im allgemeinen indessen nur kurz und schematisch be- 
handelt. In den neueren ausfiihrlichen Handbiichern, wie in dem 
von Franck-Martin (23) und Cuavveau (7), finden sich die Oberflachen- 
verhailtnisse von samtlichen Haustieren geschildert; in dem Hand- 
buch von Mac Fapyan (43) werden nur die Verhaltnisse beim Pferd 
beriicksichtigt. Als Ausgangspunkt ihrer Darstellungen wihlen fast 
alle diese Autoren den einfachen Typus der Bogenwindungen beim 
Hunde. Die Gyri der itibrigen Haustiere werden in summarischer 
Weise mit Zugrundelegung der Oberflaiche des Hundes abgehandelt. 
Das Dexuer’sche Lehrbuch (12) halt sich an die Ausfiihrungen von 
ELLENBERGER und Krurc, was die Furchen anbetrifft, es enthalt 
daneben aber auch wertvolle eigene Untersuchungen des Verfassers 
am Pferde. 

Das neuerdings erschienene ausfiihrliche Buch von Frarav- 
Jacopsoun (20), das den Gegenstand in weit ausfiihrlicherer Weise 
als die. ibrigen Lehrbiicher der Anatomie behandelt und so ziem- 
lich das ganze zu Tage geférderte Material beriicksichtigt und zu- 
sammenfaft, enthalt neue Ergebnisse beziiglich der feineren Ge- 
staltung der Hirnoberfliche der Ungulaten nicht. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 123 


Specieller Teil. 


Furchen und Windungen bei den Ungulaten. 


Allgemeine Bemerkungen. In den Furchen und Win- 
dungen der verschiedenen Vertreter der Ungulaten lassen sich 
verwandte Merkmale erkennen, und doch zeigt wiederum jede Art 
in der Anordnung ihrer Oberfliche ihre besonderen Eigentiimlich- 
keiten. Im allgemeinen kann man sagen, dafi die Anlage der 
Furchen den beziiglichen Verhiltnissen bei den Carnivoren, speciell 
bei den Caniden und Feliden nahesteht. Die Differenzen im Auf- 
bau der Grofhirnoberflaiche sind innerhalb der einzelnen Vertreter 
der Ungulaten bisweilen recht in die Augen fallende, der Grund- 
typus lat sich indessen bei allen leicht erkennen. Es ist nicht 
iiberfliissig, zu bemerken, dafi selbst innerhalb der namlichen Art, 
ja mitunter sogar beim namlichen Individuum mehr oder weniger 
bemerkenswerte Modifikationen in der Windungsanlage sich vor- 
finden. Es stellen sich daher der vergleichenden Untersuchung 
gerade bei den Huftieren und namentlich bei den gréferen Ver- 
tretern unter diesen, bei denen der Furchenreichtum wachst, er- 
hebliche Schwierigkeiten entgegen. Jedenfalls ist da ein Studium, 
bei welchem nur die oberflachlich zu Tage tretenden Furchen be- 
riicksichtigt werden, fiir eine griindliche Orientierung unzureichend, 
und sind Schliisse, die lediglich diese Betrachtungsweise zur Grund- 
lage haben, irreleitend. 

Um nicht auf Abwege zu geraten, mul sich der Untersuchende 
zuerst tiber das, was unter ciner Furche zu verstehen ist, Rechen- 
schaft ablegen. Als Furche bezeichnet man gewohnlich jeden Kin- 
schnitt oder jede Einstiilpung der Oberfliche des Hirnmantels. 
Nun werden gewohnlich nur die bis an die Konvexitaét reichenden 
Spalten bei der Darstellung zu Rate gezogen, wihrend die viel- 
fachen Seiteneinstiilpungen und Taschen der Hauptfurchen, welche 
bisweilen in auSerordentlich komplizierter Weise sich in die Tiefe 
des Hirnmantels einsenken, von der Verwertung ausgeschlossen 
werden. 

Durch diese verschiedenen Einstiilpungen der Rinde, durch 
die mannigfaltigen gréfSeren und kleineren Furchen werden aber 
einzelne Windungen und Windungskomplexe mit ihren Markzungen 
abgegrenzt, und bei diesen letzteren driingt sich die tiberaus wichtige 
Frage ihrer Beziehungen zum Markkorper des GroShirnes und zu 


124 Kaspar Schellenberg, 


weiteren Verbindungsstitten in den Vordergrund, mit anderen 
Worten: neben dem Gesichtspunkt, welcher lediglich die auSeren 
Formverhaltnisse beriicksichtigt, verdient der anatomisch-architek- 
tonische eine besondere Wiirdigung. Es ist dem alten, auf den 
Verlauf der oberflichlichen Furchen sich stiitzenden Einteilungs- 
prinzip bei der Orientierung auf der Grofhirnoberflache ein neues 
architektonisch-physiologisches Einteilungsprinzip, wel- 
ches die Projektionsverhaltnisse des Markkérpers (Stabkranz, Asso- 
ciationsbiindel etc.) zur Grundlage hat, gegeniiberzustellen. Bei 
diesem lJetzteren Prinzip waren unter anderem die Projektions- 
felder der Kerne des Sehhiigels, der verschiedenen Hauben- 
abschnitte, die Kinstrahlungsbezirke des Pedunculus cerebri, ferner 
aber auch die Ursprungs- und Endigungsfelder der wichtigsten 
langen Associations- und Kommissurenbiindel zu Grunde zu legen. 
Jedenfalls wire ein Bestreben darauf zu richten, beide Kinteilungs- 
und Abgrenzungsgrundprinzipe miteinander in richtigen Einklang 
zu bringen. Von letzterem Ziele sind wir allerdings noch ziemlich 
weit entfernt, und zur Erreichung eines solchen ist eine umfassende 
Arbeit in reiner, oberflichentopographischer Beziehung unbedingt 
erforderlich. Bis auf weiteres, d. h. bis die Absteckung der 
Rindenfelder nach architektonisch-physiologischen oder nach histo- 
logischen Momenten weiter gediehen ist, wird auch jede Einteilungs- 
art fiir sich weiter ausgebaut werden miissen. 

Indem ich mich der im Vorstehenden angedeuteten Vorarbeit 
beztiglich einer méglichst erschépfenden Darstellung der Ober- 
flichentopographie bei Ungulaten unterziehe, méchte ich meine 
Betrachtung eréffnen mit der Behandlung der Vorfrage, ob 
Furchen mit aéhnlicher anatomischer Lage bei verschiedenen Tieren 
als einander homolog zu betrachten sind. Gerade bei dieser Frage 
wird die Bedeutung der physiologischen und faseranatomischen 
Gesichtspunkte evident. Ob eine Windungspartie mit einer gleich- 
artig gelegenen einer anderen Tierspecies identisch ist, kann erst 
durch das physiologische und anatomische Experiment, event. durch 
eine feinere histologische Untersuchung der Rinde entschieden 
werden, und erst wenn die betreffende Partie die Proben in letzt- 
genannter Beziehung mit Erfolg bestanden hat, wird man mit 
Sicherheit von ihrer Homologie reden kénnen?). Jedenfalls ist es 
meines Erachtens unrichtig, lediglich aus der Reihenfolge ihres 
Auftretens, aus der Verlaufsrichtung, Oberflichenzeichnung oder 


1) Vergleiche auch ZinHen (77). 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 125 


gar aus den GefaiSbezirken Verwandtschaften von Oberflachen- 
bezirken anzunehmen. Durch physiologische und _ vergleichend- 
anatomische Untersuchungen ist fiir einzelne Grofhirnabschnitte 
wahrscheinlich geworden, daf gleich gelagerte Rindenabschnitte 
verwandte Verbindungsarten, z. B. des Stabkranzes, besitzen. So 
wissen wir beispielsweise, daf fast bei allen bis jetzt zur Unter- 
suchung gekommenen Saugetieren der Hinterhauptlappen, mag er 
oberflichlich gefaltet sein wie immer, die Sehstrahlungen in sich 
birgt und die Sehsphare in sich schlieSt. Wir sind indessen noch 
weit davon entfernt, selbst bei den am besten studierten Saugern 
(Katze, Hund, Affe, Mensch) im einzelnen zu wissen, wie sich die 
feineren Komponenten der zahlreichen Stabkranz- und Associations- 
biindel auf die verschiedenen Windungssegmente und Furchenthialer 
projizieren. Es fehlt uns daher fiir viele Oberflachenabschnitte, 
d. h. fiir die dort angelegten Furchen und Windungen noch jeder 
feinere Anhaltspunkt fiir eine Homologie bei Katze, Hund, Affe 
und Mensch. Fiir die Ungulaten fehlt uns eine Windungshomologie 
mit Bezug auf die soeben genannten bestuntersuchten Vertreter 
der Saugetierreihe einerseits, als andererseits mit Bezug auf die 
einzelInen Arten der Ungulaten selbst nahezu vollstandig. 

Die Bezeichnungen der Furchen und Windungen der Ungulaten- 
hemisphare sind, wie bereits friiher schon angedeutet worden, 
vom Hundegehirn heriibergenommene. Hier hat sich die von 
LANGLEY (39) eingefiihrte Nomenklatur allgemein eingebiirgert. 
So wurden die Bezeichnungen Laneury’s fiir die Furchen von 
ELLENBERGER (18) und anderen Autoren ohne weiteres auf die 
entsprechenden Fissuren des Pferdes tibertragen. Dal dabei manche 
willkiirliche Uebertragungen mit untergelaufen sind, ist selbst- 
verstindlich, wenn man tiberlegt, dafi jenen Forschern bei ihren 
Priifungen nur die oberflaichlich liegenden Furchen zur Grundlage 
gedient haben, und dal’ von ihnen andere Anhaltspunkte mehr 
faseranatomischer Natur aufler Betrachtung gelassen wurden. 

Bei der Darstellung der topographischen Verhaltnisse bediente 
ich mich, soweit méglich, der naimlichen Bezeichnungen, wie sie 
von KLLENBERGER (18) und anderen bei den Ungulaten angewendet 
wurden, d. h. der von LANGLEY (30) und Kruxe (37) aufgestellten, 
soweit wenigstens ihre Homologie nicht zweifelhafter Natur war. 
Aufgerdem aber konnte ich nicht umhin, neue Bezeichnungen ein- 
zufiihren, wobei ich, um nichts zu prajudizieren, mich meist der 
Zahlen und Buchstaben bediente. 

Fiir die vergleichende Darstellung der verschiedenen Bezirke 


126 Kaspar Schellenberg, 


der Oberfliche schien es mir empfehlenswert, die vom Menschen 
heriibergenommene Abgrenzung nach Lappen auch am Ungulaten- 
erofhirn vorzunchmen. Eine solche grobe Abtrennung an der 
Oberfliche 148t sich nicht in der naimlichen Weise wie bei den 
Primaten durchfiihren; es miissen daher zur Vornahme der Tier- 
ordnung entsprechende Grenzen angenommen werden. Vorlaufig 
bemerke ich, daf ich das Gebiet vor der Fissura cruciata und dem 
Balkenknie wie beim Hunde als Frontallappen bezeichne. Das 
Gebiet zwischen der Fissura suprasylvia und F. rhinalis posterior 
occipitalwarts von der F. Sylvii trenne ich als Temporallappen ab; 
die Region hinter der Fiss. cruciata bis zum Balkenwulste, zwischen 
der F. suprasylvia und der F. callosomarginalis, bezeichne ich als 
Parietallappen; das Gebiet hinter dem Balkenwulste, das sich vom 
Parietallappen durch keine natiirlich gezogene Linie abhebt, grenze 
ich als Occipitallappen ab. Das tibrige Gebiet wird vom Riech- 
und Sichellappen eingenommen. 

Ks wird von Interesse sein, wenn ich meinen Studien Angaben 
iiber das Hirngewicht der untersuchten Vertreter der Ungulaten 
vorausschicke. CHAUVEAU (7) und ROGNER (62), besonders aber 
Dusors (14) und Max Weper (73) haben an einem gréferen 
Material Waigungen vorgenommen. Ihren Ergebnissen ist zu ent- 
nehmen, daf auch bei den Ungulaten das Hirngewicht nicht pro- 
portional dem Ké6rpergewicht zunimmt, und dal die Rasse be- 
stimmend einwirkt. Es betrigt im Mittel das Hirngewicht: 


Gramm Proz. des Kérpergewicht. 


Pierda the ivtl at 650 0,12 
Rams ae ee 480 0,096 
Och wel; rsp ait id 120 O,1 
PGE scat cit alate 130 0,17 
PNOFC ve | od) Se 130 0,26 


Da die Bezeichnungen der Windungen und Furchen der Ober- 
fliche des Ungulatengehirnes vom Hunde entnommen sind, wird 
es empfehlenswert sein, an dieser Stelle eine kurze Schilderung 
der Windungsverhaltnisse des Hundes zu geben. 

Die relativ einfache GroShirnoberflache des Hundes stellt einen 
besonderen, héher entwickelten Typus dar, zu dessen Aufstellung 
nach TurNER (71) die 4 konzentrisch angelegten Windungen 
bei Mustela furo als Ausgangspunkt gedient haben mégen. Das 
Canidengehirn la8t indessen 5 solcher parallel und longitudinal 
verlaufender Windungen erkennen, welche in ihrem Verlaut gewisse 
Modifikationen erfahren. 


Untersuchungen iiber das GroBhirnmark der Ungulaten. 127 


Das Riechhirn (Rhinencephalon) trennt sich vom Mantel durch 
die Fissura rhinalis ab. An der Uebergangsstelle des Tractus 
olfactorius in den Lobus pyriformis, dort, wo die Sylvische Furche 
abgeht, zeigt sich eine winkelige Knickung der Fiss. rhinalis, 
welche Veranlassung giebt zur Bildung eines vorderen und eines 
hinteren Astes (Fig. 1). 

Um die leicht hakenférmige, eigentliche Sylvische Furche, 
welche als aufsteigender Ast imponiert, ziehen die bekannten 
3 Haupt- oder Bogenfurchen: die Fiss. ectosylvia, supra- 
sylvia uud lateralis (Fig. 1). Eine im ahnlichen Sinne an- 
gelegte Bogenfurche an der medialen Seite der Mantelkante ist die 
Fiss. callosomarginalis (Fig. 2 cm). 


Fig. 1. Hund. Laterale Fig. 2. Hund. Mediale 
Ansicht. Schema. Ansicht. Schema. 


Die einzige rein transversal zu diesen Furchen verlaufende 
ist die Fiss. cruciata, welche, im vorderen Drittel der Kon- 
vexitait von der Fiss. callosomarginalis abzweigend, in den Gyrus 
sigmoideus einschneidet, indem sie tiber die Mantelkante an die 
Oberfliche tritt. Der an der medialen Seite gelegene Teil bildet 
bereits einen Hauptbestandteil der Fiss. callosomarginalis (Fig. 1, 
Znen): 

Ktwa 1 cm vor der Abzweigung der Sylvischen Furche aus 
der Fiss. rhinalis, die vorderen Schenkel der Bogenfurchen um- 
ereifend, findet sich die Fiss. praesylvia in einem vor der 
Fiss. cruciata schrag aufwarts ziehenden Bogen. 

Durch die Fiss. rhinalis, Sylvii und ectosylvia wird die erste 
Bogenwindung, der Gyrus sylvius, abgeschniirt (Fig. 1 S). 
Der vordere Schenkel dieser Windung steht mit der zweiten oder 


128 Kaspar Schellenberg, 


oder ektosylvischen Windung in Kommunikation; er bildet den 
vom Parietalteil gelieferten Opercularlappen, welcher von der 
vorderen Seite her die Insel bedeckt. Die hinter der Sylvischen 
Furche gelegene Abteilung der Sylvischen Windung bildet den 
temporalen Anteil des Opercularlappens und geht wie im vorderen 
Schenkel ebenfalls in den Gyrus ectosylvius (hinteren Schenkel) 
iiber. Dieser hintere Abschnitt der ektusylvischen Windung ist 
besonders tiber der Spitze der Fiss. Sylvii recht schmal. Die ge- 
nannte Windung ist an ihrem Uebergang zur ersten und dritten 
Bogenwindung besonders machtig angelegt (Fig. 1 ES). 

Die dritte Bogenwindung (Gyrus suprasylvius) hat medial 
die Fiss. lateralis, lateral die Fiss. suprasylvia zur Grenzlinie. 
Occipitalwarts nimmt diese Windung an Machtigkeit und Breite 
zu und spaltet sich hier, eingeschnitten durch die Fiss. ectolateralis, 
in 2 kleinere (obere und untere suprasylvische). Demgegeniiber 
bleibt der vordere, als Gyrus coronarius bezeichnete Ab- 
schnitt schmal. Er umzieht in einem nach aufen konvexen Bogen 
den vorderen Teil der vierten Bogenwindung, den Gyrus sigmoideus. 
Auf die Verbreiterung des occipitalen Abschnittes der supra- 
sylvischen Windung hat besonders Mann (44) hingewiesen, der in 
diese Partie die Vertretung des Gesichtssinnes verlegt. Occipital- 
warts biegt dieser breite Abschnitt rechtwinklig nach dem Tem- 
poralpol, um schlieflich in den Gyrus ectosylvius und marginalis 
iiberzugehen. 

Die vierte Bogenwindung (Fig. 1, 2 M IV) [Gyrus 
marginalis, Gyr. entolateralis + suprasplenialis von LaNne@Lry] 
umfafit das Gebiet der Mantelkante, reicht medialwarts bis an die 
Fiss. callosomarginalis resp. bis zum Gyrus fornicatus und erstreckt 
sich lateralwarts bis zur Fiss. lateralis resp. bis zum Gyrus supra- 
sylvius (Fig. 1, 2). Im frontalen Drittel schlieft sie das Gebiet 
des Gyrus sigmoideus (Fig. 1, 2 ¥) in sich, dessen Faltung 
die Fiss. cruciata darstellt. Der am meisten frontal liegende Ab- 
schnitt spitzt sich konisch zu und bildet das Frontalende bezw. 
den Gyrus prorae (Fig. 1, 2 Pr). Das occipitale Ende des 
Gyrus marginalis stellt die Occipitalspitze der Hemisphare dar, 
die weitere, der Basis zugekehrte Fortsetzung legt sich den Klein- 
hirnhemisphiren an und vereinigt sich nach abwarts mit dem Gyrus 
suprasylvius. 

Der am meisten medial gelegene Gyrus fornicatus stellt 
eine Windung dar (Fig. 2 F'), welche zwischen dem Balken und 
der Fiss. callosomarginalis verliuft. Der Gyrus fornicatus umzieht 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 129 


das Splenium und geht ununterbrochen auf den Gyrus hippo- 
campi tiber, mit anderen Worten: es wird der unterhalb des 
Splenium liegende Abschnitt dieser gemeinsamen Windung als Gyrus 
hippocampi bezeichnet (Fig. 2 H). Im frontalen Schenkel liefert 
der Gyrus fornicatus eine Windungsbriicke zum Gyrus sigmoideus 
anterior. Die genannte Windung biegt schlieSlich nach vorn um 
das Rostrum nach abwarts und vereinigt sich mit dem vorderen 
Teile des Gyrus prorae (Fig. 2 fF’). 

Bei der Katze erscheinen die Bogenwindungen gedrungener 
als beim Hunde, auch ist hier das vordere Drittel der Hemisphare 
verkiirzt. Die Fiss. cruciata ist dem Frontalende somit naher 
gelagert. Famirant (19) schatzte die Strecke zwischen der Fiss. 
cruciata und der Frontalspitze beim Hunde 18—27 Proz. der 
Hemispharenlinge, wahrend diese Entfernung bei der Katze blo’ 
10—18 Proz. betragt. Im tibrigen finden sich zwischen beiden Tier- 
arten starker ausgesprochene Differenzen nicht vor, die fiir die vor- 
liegende Untersuchung von grundlegender Bedeutung sein kénnten. 

GroShirnoberflache bei den Ungulaten. Bei der 
Schilderung der Grofhirnoberfliche der Ungulaten méchte ich von 
den Verhaltnissen bei einem Vertreter der Cavicornier, welche 
dem Hunde in vielen Beziehungen nahestehen, der Ziege, aus- 
gehen. 

Bei diesem Tier fallt im allgemeinen sofort auf bei Betrachtung 
der GroShirnoberflache, daf die Furchen und Windungen weniger 
winklig geknickt, sondern mehr gestreckt sich prasentieren (Fig. 3 
bis 5). Infolge dieser Streckung tritt das Gebiet der Insel, die beim 
Hunde verborgen liegt, frei hervor. Es zeigt sich hier zum ersten- 
mal eine Gabelung der Sylvischen Furche in 2 Aeste, nam- 
lich in den Ramus anterior und posterior (Fig. 4 sa, sp). Der 
hintere Ast ist nur kurz und geknickt, auch vereinigt er sich mit 
der Fiss. rhinalis posterior. Der vordere Ast bleibt lang aus- 
gestreckt gegen das Frontalende hin und kriimmt sich in einem 
nach vorn konvexen Bogen, indem er sich schlieflich gabel- 
formig teilt. 

In der Nahe der Frontalspitze zieht die Fiss. praesylvia, 
welche mitunter aus dem vorderen Aste der Fiss. Sylvii, mitunter 
aus der Fiss. rhinalis hervorgeht und die nach vorn und oben 
zwischen den beiden vorderen Endasten der weiter unten zu be- 
sprechenden Fiss. coronalis sich verliert (Fig. 3, 4 ps). 

Wahrend beim Hunde die ektosylvische Furche un- 


unterbrochen bogenférmig durch die ganze Lange der Hirn- 
Bd, XXXIV. N. F. XXVU. 9 


130 Kaspar Schellenberg, 


oberflache zieht, finden wir bei der Ziege eine Unterbrechung 
dieser Furche im mittleren Abschnitt (Fig. 3, 4). Die Trennungs- 
briicke wird durch die Sylvische Windung gebildet, in welche der 
aufsteigende Ast der Sylvischen Furche einschneidet. Dadurch 
entstehen zwei fiir sich verlaufende Furchenschenkel, namlich die 
Fiss. ectosylvia anterior und posterior (Fig. 3, 4 esa, p). 


= = 
jo QI 
I 1g, dvs 


Fig. 4. 
Ziege. Schema. 


Der vordere Teil dieser 
Furche zieht dem vorderen 
Aste der Sylvischen Furche 
nahezu parallel, er steigt 
schief von oben nach ab- 
warts und gabelt sich an 
seinem vorderen Ende in 
eine schief gestellte Furche, 
die mit dem _ besonderen 
Namen der Fiss. diago- 
nalis von vielen Autoren 
belegt wurde (Fig. 4 esa). 
Hiiufig sind Verbindungsiste 
mit dem Ramus anterior 
fiss. Sylvii vorhanden. Der 
hintere Schenkel der ekto- 
sylvischen Furche (Fiss. ecto- 
sylvia posterior ; Fiss. postica 
von KruEG) ist reich an 

Seitenzweigen, 
welche die ganze 
iibrige Temporal- 
gegend quer und 
lings durchfur- 
chen (Hig: | 3,,.4 
esp). 

Als die Haupt- 
furche des Fron- 
talteils ist bei der 
Ziege wie bei den 
Ungulaten itiber- 
haupt zweifellos 
die Fiss. coro- 
nalis (Fig. 3,4 
cor) zu betrach- — 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 151 


ten. Dieselbe trennt die marginale Partie des Frontalteils scharf 
ab und ist von einer bemerkenswerten Tiefe. In der Mitte ihres 
Verlaufes giebt sie medialwiirts einen bedeutenden Seitenast ab. 
Thr frontaler Abschnitt teilt sich gabelf6rmig und faft die Fiss. 
praesylvia zwischen sich. Der hintere Abschnitt biegt haken- 
formig um, indem er den Gyrus sigmoideus abgrenzt. Der hin- 
terste Abschnitt durchschneidet die marginale Windung vollstandig 
und geht an die mediale Seite des Hirnmantels tiber. Diesen 
letzteren sehr charakteristischen quer verlaufenden Furchen- 
abschnitt bezeichne ich 
als die Fiss. trans- 
versa. (Fig. 3—5 #7) 
(Biigel a Kruse, 37). An 
der Umbiegungsstelle 
des hinteren Schenkels 
der Fiss. coronalis findet 
sich noch ein lateral- 
warts abgehendes Aest- 
chen, welches bisweilen 
mit dem Querast der 
suprasylvischen Furche 
eine Anastomose bildet Fig. 5. 

(Fig. 3, 4). 

In den meisten Fallen umgreift der mediale Querast der End- 
gabelung der suprasylvischen Furche die von mir als Fiss. trans- 
versa bezeichnete Partie der Fiss. coronalis. Die supra- 
sylvische Furche zieht namlich in schwach gewundenem 
Bogen um die Spitze der Fiss. Sylvii und endigt als tiberaus 
machtige Spalte, nachdem sie sich in occipito-temporaler Richtung 
mehrfach geteilt, von der occipitalwarts aufsteigenden Fiss. rhi- 
nalis durch eine Windungsbriicke getrennt (Fig. 3, 4 ss). 

Das mehr occipital gelegene Areal zwischen Fiss. suprasylvia 
und der Mantelkante enthalt die Fiss. lateralis (Fig. 3, 4 /), 
die ca. 11/, cm hinter der Fiss. transversa die Mantelkante leicht 
einschneidet und schrag lateral- und occipitalwarts zicht, um in 
der Nahe des Occipitalpols zu endigen. Zwischen dieser Fiss. 
lateralis und der Fiss. suprasylvia finden sich unterbrochene und 
wenig regelmabige Furchenstiicke, die in toto als Fiss. ecto- 
lateralis zusammengefaft werden kénnen (Fig. 3, 4e/). Als 
Seitenstiicke hierzu sind ganz ahnliche Furchensegmente zwischen 


der Fiss. lateralis und der Mantelkante zu beobachten, welche als 
O* 


132 Kaspar Schellenberg, 


Teilstiicke einer Fiss. entolateralis aufgefakt werden diirfen 
(Fig. 3 enl). 

Auf der medialen Seite zieht wie beim Hunde die Fiss. 
callosomarginalis (Fig. 5 cm), gré8tenteils dem Balken 
parallel verlaufend, dahin. Sie umgreift das Splenium und endigt 
zwischen der Fiss. hippocampi und rhinalis posterior. 

Die Fiss. cruciata ist ganz eigenartig gebildet. Sie stellt 
ein die Mantelkante nur verhaltnismaBig knapp einschneidendes 
Stiick dar, welches mit der Fiss. callosomarginalis in direkter 
Kontinuitat steht (Fig. 3—5 er). 

Im Frontalteil findet sich eine tiefe und mehrfach Seiten- 
zweige abgebende Furche, welche von den Autoren als Fiss. 
genualis bezeichnet wird. Ich méchte diese Furche, auch wenn 
sie durch eine Windungsbriicke von der Fiss. callosomarginalis 
getrennt wird, zu dieser rechnen und sie als vorderes frontales 
Segment der Fiss. callosomarginalis bezeichnen. Die Breite 
der trennenden Windungsbriicke betragt etwa 1 cm. Den nach 
vorn und abwarts abbiegenden Schenkel des genannten Abschnittes 
bezeichnet Kruea als Fiss. rostralis. 

Zwischen der Fiss. callosomarginalis und dem Balken liegen 
sowohl am Rostrum wie am Splenium getrennte kurze Furchen- 
stiicke, welche als Fiss. entogenualis und entosplenialis 
zu bezeichnen sind (Fig. 5 eg, espl). 

Die Windungen der Ziege sind wohl ausgebildet und 
in ihrer Art charakteristisch. 

Dem Tractus olfactorius liegt seitlich die offene Insel an, 
diese zieht frontalwarts und geht mit den Windungen, die ich als 
zweite und dritte Frontalwindung bezeichnen méchte 4), 
eine Verbindung ein. Die Sylvische Windung (dritte Stirnwindung, 
F’,) erweist sich im Frontalteil als recht betrachtlich (Fig. 4). 
Sowohl in ihrem dem Ramus ascendens fiss. Sylvii anliegenden 
Anteil als auch in dem am Frontalende liegenden Stiick verbindet 
sie sich mit der zweiten Frontalwindung. Die zweite Frontal- 
windung trennt sich vom Gyrus sylvius, d. h. als von der dritten 
Frontalwindung ab. An dieser Stelle geht die zweite Frontal- 
windung durch das Verbindungsstiick, das bei allen Ungulaten in 


1) Die bisherige Bezeichnungsweise verlasse ich und iibertrage 
die beim Menschen iibliche auf die Ziege, da mir die Verhaltnisse 
bei diesem Tier noch am meisten Verwandtschaft mit denen beim 
Menschen zu haben scheinen. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 133 


eigenartiger Weise sich abgrenzt und welches ich mit w bezeichne, 
eine Anastomose mit dem Gyrus suprasylyius ein. Die zweite 
Frontalwindung (/’,, Gyr. coronarius ++ ectosylvius anterior), 
Fig. 3, 4) zieht als breite Windung zum Frontalpol, wo sie mit 
der ersten und dritten Frontalwindung Verbindungen austauscht. 
Sie ist seitlich begrenzt durch die Fiss. coronalis und ectosylvia 
anterior. 

Die erste Frontalwindung (/,, Gyr. prorae der Au- 
toren) ist bei der Ziege von einer auferordentlichen Michtigkeit 
und erinnert an die beziiglichen Verhaltnisse beim Menschen. Sie 
ist vom Gyrus sigmoideus nicht scharf geschieden, nur durch 
den Seitenast ( teilweise getrennt. Sie steht mit dem Gyrus 
fornicatus in Verbindung (Windungsbriicke zwischen Hauptteil des 
Sulcus callosomarginalis und dem vorderen Abschnitte). Sie 
nimmt die Mantelkante bis zur Frontalspitze ein, biegt da nach 
unten um, anastomosiert hier mit der zweiten Frontalwindung, mit 
der verlingerten Insel sowie mit dem Riechfeld (Fig. 3—5 F',). 

Die Fiss. transversa grenzt nach vorn den Gyrus supra- 
sylvius ab, wodurch eine quergestellte, zusammengesetzte (gréBten- 
teils aus dem Gyr. suprasylvius, kleinerenteils aus der Marginal- 
windung bestehende) Windung gebildet wird. Die von mir mit 
w bezeichnete hufeisenformige, zwischen der Fiss. transversa und 
der medialen Abzweigung der suprasylvischen Furche gelegene 
Windung kommuniziert mit der zweiten Stirnwindung, an der 
Mantelkante laft sich die genannte w-Windung zum Gyrus 
suprasylvius verfolgen. Als breitester Windungszug erstreckt sich 
der Gyrus suprasylvius (Fig. 3, 4SS) schrag occipitalwarts, 
durch die Stiicke der Fiss. ectolateralis durchfurcht, und verbindet 
sich schlieSlich in der Nahe des Occipitalpoles lateralwirts mit 
dem Gyrus ectosylvius, medialwirts mit dem Gyrus marginalis. 

Der Gyrus marginalis wird lateral durch die Fiss. la- 
teralis begrenzt. Er ist im vorderen Abschnitt schmiler als 
im occipitalen und zeigt eine Kommunikation mit dem Gyrus 
suprasylvius. Am Occipitalpol geht er schlieBlich basalwarts in 
den Lobus pyriformis tiber (Fig. 3—5 J). 

Die Windungen des Temporalteiles gehen bei der Ziege hinter 
der Spitze der Sylvischen Furche aus einer gemeinsamen Windung 
hervor, durch die Fiss. ectosylvia wird naimlich erst ein Gyrus 
sylvius (Gyr. compositus LANGLEY, 39) und ein Gyrus ecto- 
sylvius abgetrennt (Fig. 3, 4 S, ES). 

An der Medialseite bleibt der Gyrus fornicatus in seinem 


— 


134 Kaspar Schellenberg, 


Mittelstiick wohl abgegrenzt, in seinem hinteren Schenkel geht er 
in den Gyrus hippocampi tiber, uachdem eine Partie desselben 
hier durch die entospleniale Furche abgeschieden und als_ be- 
sondere Windung sich abgelést hat. In seinem frontalen Ab- 
schnitt giebt der Gyrus fornicatus jene friiher schon erwahnte 
Windungsbriicke zum Gyrus sigmoideus ab, die auch noch mit 
der ersten Frontalwindung im Zusammenhange steht. Vor dem 
Rostrum wird er durch die Fiss. entogenualis in zwei Neben- 
windungen getrennt, in seinem der Basis zugekehrten Ende kom- 
muniziert er zum Teil mit der Substantia perforata anterior und 
teilweise noch mit dem Septum sowie mit der ersten Frontal- 
windung (Fig. 5 7’). 

Wenn wir die Haupteigentiimlichkeiten, welche dem Ziegen- 
gehirne zukommen, kurz zusammenfassen, so ist vor allem hervor- 
zuheben die freiliegende Insel, die gestreckt verlaufen- 
den Frontalwindungen (deutliche Bildung von 3 Frontal- 
windungen ahnlich wie beim Menschen), ferner ein spirlich ent- 
wickelter, aber doch an die Konvexitit tretender Gyrus sig- 
moideus, und endlich eine Uebergangswindung zwischen 
zweiter Frontalwindung und dem Gyrus suprasylvius (w- Windung). 

Die Oberflichengestaltung der Grofbirnhemispharen beim 
Schafe erfahrt gegentiber der Ziege einige Abiinderungen (Fig. 
6—8). 

Einmal ist die geringere Ausbildung der frontalen Windungs- 
ziige auffillig, hauptsachlich betrifft das die erste Frontalwindung, 
welche im Vergleich zur Ziege eine leichte Depression und Ver- 
kleinerung erfahrt. So steigt beim Schaf die zweite Frontalwindung 
héher empor als die erste, auch fallt es auf, daf beim Schafe die 
Kiss. transversa viel ktirzer ist. 

Die Fiss. cruciata ist zwar als deutliche, auf die Konvexitit 
sich erstreckende Furche sichtbar (Fig. 6—8 er), doch ist sie 
kiirzer, auch ist der Gyrus sigmoideus auffallend kleiner als bei 
der Ziege (Fig. 6—8 3). 

Wenn auch in geringerem Grade als beim letzteren Tiere ist 
die Fiss. transversa immerhin noch ziemlich ansehnlich entwickelt. 
Die Windung w') dagegen ist besser entwickelt als bei der Ziege 
(Fig. 6, 7 w). 

Die Fiss. suprasylvia hat beim Schaf im ganzen einen mehr 
gebogenen Verlauf als bei der Ziege. Der Gyrus sylvius und 
ectosylvius sind beim Schafe deutlich kleiner als bei der Ziege. 


1) Vergl. 8. 133. 


Untersuchungen iiber das GroShirnmark der Ungulaten. 135 


Der Gyrus suprasylvius nimmt, indem er die erste Frontal- 
windung etwas tiberwélbt und dadurch die Fiss. transversa und 
cruciata zuriickdringt, die Gestalt eines S an. Er erscheint in 
seiner Liinge verkiirzt, in der Breite jedoch michtiger als bei 


Fig. 6. 


Fig. 6—S. Schaf, schematisch. 


der Ziege. In seinem hinteren Verlaufe verbindet er sich abnlich 
wie bei der Ziege mit dem Gyrus marginalis und ectosylvius. 
Der hintere Abschnitt der occipitalen Windungen kommt hier, wie 
Mrynert (52) richtig erwihnte, direkt hinter die temporalen 
Windungen zu liegen. Dagegen war es mir nicht mdglich, die 
Kommunikation der Fiss. suprasylvia mit der Fiss. ectosylvia 
anterior zu bestitigen. 

Wenn wir nun zu den Oberflachenverhiltnissen beim Rinder- 
gehirn iibergehen, so zeigt dieses gegeniiber dem der kleinen Wieder- 
kauer bereits bemerkenswerte Verschiedenheiten (Fig. 9—11). 

Schon der Tractus olfactorius unterscheidet sich von dem 
des Schafes und der Ziege dadurch, dali er ebenso wie der Lobus 
pyriformis deutliche, wenn auch nicht tiefe Lingsfurchen zeigt. 


136 Kaspar Schellenberg, 


Ferner ist hervorzuheben, daf beim Rinde die Insel in noch 
gréBerem Umfange als bei den schon erwahnten Tieren frei 


Fie. 10. 
Fig. 9—11. 


Rind. Schema. 


zwischen den Schen- 
keln der Fiss. Sylvii 
zu Tage liegt (Fig. 
10 J7). Die beiden 
Schenkel, d. h. der 
Ramus anterior und 
posterior der Fiss. 
Sylvii kommunizie- 
ren nicht mit der 
Fiss. rhinalis, wie 
dies namentlich bei 
der Ziege der Fall 
ist, doch vereinigen 
sie sich zu einem 
deutlichen aufstei- 
genden Aste, welcher 
wesentlich  kiirzer 
ist als bei den vor- 
erwahnten ‘Tieren. 
Das Gebiet der Insel 
ist von kleinen 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 137 


Querfurchen, die auf der schematischen Abbildung weggelassen 
sind, durchsetzt. 

Im weiteren ist beim Rinde hervorzuheben, daf hier eine 
oréRere Anzahl kleiner Nebenfurchen sich vorfindet als beim 
Schaf und der Ziege, was die Auffindung der typischen Haupt- 
furchen wesentlich erschwert. Ich mache hier nur auf die Menge 
der Nebenaste im Bereich der Fiss. ectosylvia anterior und posterior 
aufmerksam (Fig. 9, 10 esa, esp.). 

Die 3 Frontalwindungen lassen sich auch beim Rinde 
sehr deutlich und durch die niimlichen Furchen wie bei der Ziege 
abgrenzen. Wie beim Schafe, so findet sich auch beim Rinde die 
erste Frontalwindung diirftig entwickelt, machtig ist dagegen die 
zweite und dritte Frontalwindung ausgebildet.  Beziiglich der 
Breite ergiebt sich ein Gréfenverhaltnis der ersten zur zweiten 
und dritten Frontalwindung wie 1 : 2: 3. 

Im tempo- 
ralen Gebiete 
erreicht die 

Sylvische 
Windung eine 
aulerordent- 
liche Machtig- 
keit, sie wird 
hier durch die 
strahlenartig 
veristelten 
Nebenfurchen 
der Fiss. ecto- 
sylvia poste- 
rior unvoll- 
kommen ge- Fig. 11. 

trennt. 

Die Fiss. suprasylvia giebt hinter der Fiss. transversa 
einen Querast ab, der ganz nahe an diese heranriickt und in diese 
oft iiberzugehen scheint. In der Parietalgegend geht die supra- 
sylvische Furche schrig nach hinten, indem sie wahrend ihres 
Verlaufs zahlreiche Nebenistchen sowohl in medialer als in lateraler 
Richtung abgiebt. 

Die Uebergangswindung w ist auch beim Rinde stattlich ent- 
wickelt und bildet einen eigentlichen Haken. Der vordere Win- 
dungswulst des Gyrus suprasylvius ist hinter der Fiss. transversa 


138 Kaspar Schellenberg, 


verhaltnismabig schmaler als beim Schaf und bei der Ziege, weil 
die Fiss. lateralis von der Fiss. transversa durch eine schmale 
Windungsbriicke getrennt ist. 

Der Gyrus marginalis ist wesentlich breiter und mach- 
tiger als bei den kleineren Wiederkiuern, auch wenn man alle 
Gréfenverhaltnisse beriicksichtigt. Er steht zum Gyrus supra- 
sylvius im Verhiltnis wie 2: 2,5. 

An der medialen Flaiche zieht die sehr tiefe Fiss. calloso- 
marginalis in machtigem Bogen, indem sie weit hinter dem 
Splenium, d. h. tiber dem Gyrus hippocampi beginnt und kon- 
zentrisch zum Balken nach vorn geht. Sie biegt in einem gréferen 
Bogen um das Rostrum herum und hort erst kurz vor dem Beginn 
der Area perforata anterior auf. 

Die auffallend diirftig an der Konvexitét entwickelte Fiss. 
cruciata zweigt wie bei der Ziege von der Fiss. callosomarginalis 
und zwar am Beginne des vorderen Drittels von dieser ab. Sie 
ist an der medialen Hemispharenseite zur Mantelkante fast senk- 
recht gestellt und schneidet die erste Frontalwindung, wie bereits 
angedeutet, nur wenig ein. Man kann daher beim Rinde 
von einem eigentlichen Gyrus sigmoideus, wie er 
bei der Ziege sich vorfindet und auch beim Schafe 
noch zu erkennen ist, nicht reden, mit anderen Worten: 
die von dem aufsteigenden Stiicke der Fiss. cruciata eingeschnittene 
Windungspartie ist nichts anderes als die erste Frontalwindung 
(Fig. 9-—11 3). Schon an dieser Stelle méchte ich davor warnen, 
die Fiss. transversa mit der Fiss. cruciata der Carnivoren zu 
identifizieren, wie es fast von allen Autoren und erst jiingst wieder 
von ELLENBERGER geschehen ist‘). GrEGENBAUR (26) geht sogar 
so weit, den Ungulaten tiberhaupt eine Kreuzfurche abzusprechen, 
eine Behauptung, die der Wirklichkeit nicht entspricht. Krura (37) 
bekimpft dagegen die Homologie der Fiss. transversa (Biigel a) 
der Cavicornier mit dem Sulcus cruciatus der Caniden, lat jedoch 
in seinen Figuren die von mir als Fiss. cruciata bezeichnete 
Furche ?) unbezeichnet. 


1) Auch Marrrn (23), weicher die ELLENBERGER’schen Figuren (18) 
reproduziert, begeht den niamlichen Fehler, nur in seinen eigenen 
Figuren 116 If und III, welche fétale Rindergehirne darstellen, 
ist die Fiss. cruciata richtig abgebildet, jedoch nicht bezeichnet. 

2) Auf die Frage der Homologie der Fiss. cruciata, welche 
durch morphologische Betrachtungen allein nicht entschieden werden 
kann, werde ich in einer spateren Arbeit noch zuriickkommen und 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 139 


Der gut abgegrenzte Gyrus fornicatus wird sekundar in der 
Nahe des Rostrum und des Splenium durch eine Furche ein- 
geschnitten, die weder typisch noch konstant anzutreffen ist, nam- 
lich durch den Sulcus entogenualis und entosplenialis. 

Beim Schweine finden sich an der Grofhirnoberfliche 
wichtige Kigentiimlichkeiten vor (Fig. 12—14). 


Fig. 12—14. Schwein. Schema. 


Fig. 14. 


Eine freiliegende Insel, wie bei der Ziege und auch beim Rinde, 
ist beim Schweine nicht nachweisbar. Es ist hier daher auch ein 
vorderer und ein hinterer Ast der Fiss. Sylvii nicht vorhanden, 
d. h. er fallt mit der Fiss. rhinalis zusammen. Dafiir ist aber 
der Ramus acuminis sehr lang hakenférmig ausgezogen und liegt 


meine Auffassung durch Versuchsresultate begriinden. Schon hier 
erwihne ich, daf der Bau der Rinde des Gyrus sigmoi- 
deus ein besonderer, dem der Carnivoren homologer 
ist, und daS aus den Riesenpyramidenzellen des 
Gyrus sigmoideus dieselben Stabkranzanteile wie 
bei den Carnivoren hervorgehen. 


140 Kaspar Schellenberg, 


ziemlich weit zuriick. Infolgedessen erscheint das Frontalhirn 
stark verlingert gegentiber den friiher behandelten Tieren und 
mehr spitz ausgezogen (Fig. 12, 13 s). 

Die Fiss. praesylvia, welche bei der Ziege und beim Rinde 
weiter zurtickliegt, ist hier nach vorn geriickt. Die 3 Frontal- 
windungen lassen sich noch leichter auseinanderhalten wie bei der 
Ziege und beim Rinde (Fig. 12 F,, F,, F's). 

Die Fiss. suprasylvia schlieBt vorn T-formig ab und giebt 
etwa in ihrer Mitte einen starken lateral- und basalwiarts ziehenden 
Ast ¢ ab, letzterer bildet die obere Grenze der dritten Frontal- 
windung. Die T-formige Gabelung auf der Scheitelhéhe schneidet 
mit dem Aste 0 in die zweite Frontalwindung ein, der medial 
abgehende Ast y verliuft der Fiss. transversa leicht parallel, 
schneidet die Mantelkante durch und steht mit der Fiss. calloso- 
marginalis in Kommunikation. 

Die zweite Frontalwindung bildet beim Schweine die 
ausgedehnteste Windung des Frontalhirnes. Ihr hinterster Ab- 
schnitt drangt sich zwischen die beiden Schenkel 0 und « der 
Fiss. suprasylvia; er wird durch eine ca. 1'/, cm lange typische 
Furche 7 in 2 Abschnitte geteilt. Diese Furche 7 wurde schon 
von Lreurer (41) beschrieben und von Kruna (37) bestatigt mit 
der Bemerkung, da’ sie fiir die Suilliden nicht charakteristisch 
sei. Der mediale Windungszug der zweiten Frontalwindung wird 
medial von der Fiss. coronalis und lateral-occipital von dem 
T-formigen Ende y + 0 der Fiss. suprasylvia abgegrenzt. Die 
Fiss. transversa ist hier zwar erhalten, bildet aber nichts anderes 
als den hinteren, medial verlaufenden Schenkel der Fiss. coronalis, 
so daf diese Furche nicht so charakteristisch auftritt wie bei der 
Ziege. 

Kine besondere w-Windung ist mit Riicksicht auf die nur 
andeutungsweise vorhandene Fiss. transversa beim Schweine kaum 
festzuhalten. Die Fiss. coronalis endigt in parietaler Richtung 
bisweilen T-formig und giebt dann Veranlassung zur Bildung einer 
aihnlichen Fiss. transversa wie beim Rinde und Schafe. Bei ein- 
zelnen Tieren fehlt indessen der laterale Fortsatz des I, und es 
findet sich dann nur eine ganz modifizierte Fiss. transversa. Dem- 
entsprechend gelangt eine deutliche w-Windung nicht zur Aus- 
bildung. 

Der vordere Schenkel der ektosylvischen Furche und ebenso 
auch der vordere Schenkel der Fiss. coronalis ist bisweilen kurz, 


9 


es kommunizieren dann die 3 Frontalwindungen am Frontalende 


Untersuchungen iiber das Groghirnmark der Ungulaten. 141 


in gréSerem Umfange als bei den friiher beschriebenen Ungulaten. 
Die Fiss. coronalis ist beim Schweine tiberhaupt sehr einfach an- 
gelegt, wenn auch tief und arm an Seitendsten. 


Wenn man das Schweinegehirn mit dem Gehirn des Rindes 
vergleicht, dann lift sich die Fiss. transversa trotz ihrer Modi- 
fikation ganz leicht identifizieren. Was nun die Fiss. cruciata 
anbetrifit, so findet sich eine den Verhaltnissen beim Rinde ent- 
sprechende, die Mantelkante einschneidende und parallel zur Fiss. 
transversa liegende Furche nicht oder héchstens andeutungsweise 
an der Konvexitaét noch vor. Sie ist kaum 3 mm lang und sehr 
seicht. Die cigentliche Fiss. cruciata liegt beim Schweine an der 
medialen Hirnoberflaiche, wo sie, wie beim Rinde, als eine Seiten- 
furche der Fiss. callosomarginalis abzweigt. Diese Seitenfurche 
ist indessen, wie schon gesagt, kurz und wenig tief. Sicher ist, 
daf der von manchen Autoren als Fiss. cruciata gedeutete, mediale 
Zweig y ber suprasylvischen Furche mit dem Sulcus cruciatus des 
Hundes nichts zu thun hat‘). 


Die erste Frontalwindung beginnt an der Stelle, wo 
der mediale Schenkel der Fiss. transversa tiber die Mantelkante 
ereift. Der am meisten occipital liegende Abschnitt der ersten 
Frontalwindung erscheint auffallend schmal, die dem Gyrus sig- 
moideus entsprechenden Rindenteile miissen demnach zum grofen 
Teil an der medialen Flache gesucht werden (Fig. 14 ¥). An der 
Frontalspitze wird die erste Frontalwindung durch die iss. prae- 
sylvia in zwei kleinere Windungen geteilt; ihr lateraler Abschnitt 
geht in die zweite Frontalwindung tiber, wahrend der mediale die 
eigentliche Frontalspitze darstellt und keulenartig endigt, indem 
er durch den unten anliegenden Bulbus olfactorius nach oben ge- 
driickt erscheint. An der medialen Hemispharenflache sieht man 
einen Uebergang der ersten Frontalwindung in den Gyrus forni- 
catus. Mit ihrem vordersten Teile geht diese Windung, ohne durch 
Furchen unterbrochen zu werden, in die Area perforata anterior 
iiber. 

Die Fiss. suprasylvia liuft in einem nach unten offenen Bogen 
bis hinter den Temporalpol. Die Fiss. ectosylvia posterior zieht 
dem aufsteigenden Aste der Fiss. Sylvii parallel und endigt basal- 
warts T-formig. Infolgedessen liegt der Gyrus ectosylvius beim 


1) Anronint (1), der mir seine Arbeit jiingst iibermittelte, halt 
den Zweig y fiir den richtigen Sulcus cruciatus. 


142 Kaspar Schellenberg, 


Schweine hinter und parallel dem Gyrus sylvius und ganz ahnlich 
wie beim Hunde (Fig. 13 HS). 

Der Gyrus suprasylvius ist deutlich abgegrenzt und labt 
sich, indem er nach hinten an Breite zunimmt, mit einer Pyramide 
vergleichen. Er beginnt sofort hinter dem Aste y der supra- 
sylvischen Furche und verliuft ahnlich wie bei den friiher ge- 
schilderten Tieren. 

Die Fiss. lateralis liegt dem Sulcus longitudinalis auffallend 
nahe, nichtsdestoweniger findet sich zwischen beiden, zumal im 
occipitalen Abschnitt, eine Zwischenfurche, die Fiss. entolateralis. 
Infolgedessen fallen beim Schweine, namentlich gegeniiber Schaf 
und Ziege und in ganz abhnlicher Weise wie beim Rinde, die 
schmalen und longitudinal verlaufenden Windungsabschnitte der 
marginalen Windungsgruppe auf (Fig. 12 MW). Der Gyrus 
marginalis reicht bis zum vorderen T-férmigen Aste y der Fiss. 
suprasylvia (Biigel a Krusra’s), der bis auf die Fiss. calloso- 
marginalis einschneidet. Er erhalt jedoch nur eine Breite von 
1/,—1/, des Gyr. suprasylvius. 

Die Fiss. callosomarginalis erscheint beim Schweine 
nach meinen Beobachtungen auffallend kurz. Sie beginnt wie bei 
anderen Tieren in der Mitte der Occipitalgegend, verlauft ein 
Stiick weit parallel zum Splenium bis in die Mitte des Balkens, 
erstreckt sich von hier unter S-formiger Biegung nach oben, nach- 
dem sie in ihrem vorderen Drittel den Ast der Fiss. cruciata ab- 
gegeben hat. Im _ frontalen Abschnitt laft sich ein deutlicher 
Schenkel einer Fiss. callosomarginalis tiber das Balkenknie hinaus 
nicht beobachten, es miifte denn sein, da’ die von mir als Fiss. 
entogenualis bezeichnete Furche ein abgetrenntes Segment der 
Fiss. callosomarginalis ware. Jedenfalls ist zwischen der letzt- 
genannten Furche und der Fiss. entogenualis ein breites Win- 
dungsgebiet vorhanden, auch liegt die Fiss. entogenualis dem 
Balkenkérper naher als die Fiss. callosomarginalis bei anderen 
Tieren. 

Wie das Gehirn des Schweines, verrat auch die Grofhirn- 
oberfliche des Pferdes eine besondere Eigenart (Fig. 15—17). 

Die Windungen und Furchen des Pferdes sind viel kompli- 
zierter. als diejenigen des Schweines und auch des Rindes und 
erinnern, was den Reichtum der Windungen anbelangt, an die- 
jenigen des Menschen. Eine Menge von Nebenfurchen, welche 
senkrecht in die Windungen einschneiden, lassen auf den ersten 
Blick eine genauere Anordnung an dem Aufbau der Furchen und 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 143 


Windungen vermissen. Alles scheint hier regellos ineinander iiber- 
zugehen. Selbst die Blutgefife der Oberfliche bilden bemerkens- 
werte, wenn auch nur oberflachliche Einschnitte in die Windungen 
und tauschen Furchen vor. Diese Komplikationen mégen daher 
einen Grund bilden, weshalb jeder tiber das Pferdegehirn arbeitende 
Autor andere Schilderungen von Windungsanlagen gegeben hat 
und die Furchen in verschiedener Weise einteilt. Eine klare 
Gruppierung der Windungen versuchten in der That nur wenige 
Forscher zu geben. DrEXxLeER (12), der neuestens die Oberflache 
beschrieb, erklairte, daB ein Vergleich mit dem Hundegehirn be- 
ziiglich Homologie der Furchen auf erhebliche Schwierigkeiten 
stoBe und sich nur gezwungen durchfiihren lasse. 


Fig. 15-17. Pferd. 
Halbe GréBe, schematisch. 


Big. 17s 


Das Riechhirn ist beim Pferde autfallend stark entwickelt. 
Der Tractus olfactorius und der Lobus pyriformis zeigen, wie beim 
Rinde, 2—3 seichte Langsfurchen. Die Fiss. rhinalis grenzt tiberall 
deutlich ab, sie erstreckt sich bis auf die dem Kleinhirn anliegende 
Seite der Hemisphare, 


144 Kaspar Schellenberg, 


Die Fiss. Sylvii giebt, wie beim Rinde, einen Ramus anterior 
und posterior ab, iar Ramus acuminis ist kurz. Der Ramus anterior 
anastomosiert mit der Fiss. ectosylvia anterior (Fig. 16 sa). 

Die Fiss. praesylvia geht aus dem mittleren Abschnitt 
der Kiss. rhinalis anterior hervor, sie steigt von da im Bogen 
empor und geht ohne Unterbrechung in die Fiss. coronalis iiber. 
Bei anderen Tieren besteht an dieser Stelle eine Windungsbriicke 
(Fig. 15, 16 ps). 

Parallel mit der Fiss. praesylvia und frontal von dieser findet 
sich eine nicht sehr tiefe, ebenfalls im Bogen emporsteigende Furche, 
nimlich die Fiss. praesylvia anterior. Sie zieht bis zur 
Mantelkante und schneidet diese ein, um dort zu endigen (Tiss. 
intraorbitalis Brapuey, 5) [Fig. 15, 16 psa). 

Die Fiss. ectosylvia ist ziemlich kurz, giebt einige Seiten- 
zweige ab sowohl nach vorn als nach hinten. Ihr vorderer, quer- 
gestellter Schenkel wird von KrurcG (37) und spateren Autoren 
als Fiss. diagonalis bezeichnet. Die Fiss. ectosylvia anterior 
bildet mit dem Ramus anterior der Sylvischen Furche eine an der 
Oberflache ununterbrochene Furche, hier und da findet sich zwischen 
beiden eine schmale Windungsbriicke, bisweilen liegt dieselbe unter 
der Oberfliche. Der vordere hakenférmige Schenkel der Fiss. 
ectosylvia (Fiss. diagonalis) verastelt sich reichlich. Er bildet im 
Gegensatz zum Schafe und der Ziege eine in ihrem ganzen Langs- 
verlaufe und speciell auch tiber der Spitze der Fiss. Sylvii un- 
unterbrochene Furche und hangt so mehr in geradem Zuge mit 
der Fiss. ectosylvia posterior zusammen. Im Temporalteil ver- 
aistelt sie sich reichlich und anastomosiert mit einzelnen Zweigen 
mit der Fiss. suprasylvia und der Fiss. rhinalis posterior. . 

Von besonderem Interesse ist beim Pferde die Anlage der 
Fiss. coronalis und der Fiss. transversa. Jene Furche 
zieht schrag lateral-frontal zur Fiss. praesylvia (vergl. oben) und 
zeichnet sich durch besondere Tiefe aus. Der mediale Ast der 
iss. transversa, welche tibrigens im ganzen etwas schmialer ist 
als bei der Ziege und beim Rinde, liegt ganz in der Mantelkante, 
waihrend der laterale Ast in den Querast der suprasylvischen 
Furche gewéhnlich tibergeht. In manchen Fallen riicken die beiden 
letztgenannten Furchensegmente nur nahe zusammen.  Letzteres 
wird iibrigens 6fters auch bei den kleinen Wiederkiuern und auch 
beim Rinde beobachtet. Mit Bezug auf das Verhalten des lateralen 
Astes der Fiss. transversa zum Querast der Fiss. suprasylvia finden 
sich in der Litteratur sehr verschiedene Angaben. Die Ver- 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 145 


mutung Krura’s (37), daf eine Anastomose zwischen den beiden 
genannten Furchenabschnitten nur fiir die Artiodactylier und fiir 
diese auch nur zum Teil Geltung habe, halte ich nicht fir 
richtig, ebensowenig wie die, dal} bei den Perissodactyliern die 
Fiss. transversa der Fiss. cruciata der Caniden homolog sei, eine 
Annahme, fiir die sich auch ELLENBERGER (18) erklart hat. 

Gegen die Krus@’sche Auffassung (37) spricht die ver- 
gleichende Betrachtung der verschiedenen Reprisentanten der 
Ungulaten, insbesondere, wie schon bereits hervorgehoben, die 
iiberaus klaren bezitiglichen Verhaltnisse bei der Ziege und beim 
Schaf sowie die Ergebnisse der experimentellen Eingriffe, welche 
spater zur Sprache gebracht werden. Aus der Anlage der Fiss. 
transversa laBt sich kein Unterscheidungsmerkmal zwischen Artio- 
und Perissodactyliern aufstellen. Selbst die Tapiriden besitzen 
immer noch diese charakteristische Uebergangswindung zwischen 
dem medialen Ast der Fiss. transversa und dem vorderen Quer- 
ast der suprasylvischen Furche wie das Pferd und das Rind. 

DEXLER bezeichnete in seinem neuesten Buche (12) beim 
Pferde dieselbe Fissura transversa ibnlich wie ELLENBERGER zwar 
als die Fiss. cruciata, es entgeht ihm aber ganz, daf diese Furche 
(seine F. cruciata und meine Fiss. transversa) mit der Fiss. coro- 
nalis in Kommunikation steht (Fig. 25 der Dex er’schen Arbeit). 
Dieser Autor laft im Gegensatz zu anderen Autoren zwischen der 
Fiss. transversa und dem vorderen Querast der Fiss. suprasylvia 
eine Windungsbriicke bestehen. 

Nach Braptey (5) kommuniziert die Fiss. coronalis nach 
hinten mit der Fiss. lateralis (Fiss. suprasylvia mihi). Den me- 
dialen Ast der Fiss. transversa halt auch dieser Autor der Fiss. 
cruciata der Caniden homolog. 

Die Fiss. suprasylvia verlaiuft ganz ahnlich wie beim 
Schwein schrig lateral occipitalwarts, sie ist auch im Verhialtnis 
michtiger als bei dem genannten Tier und endigt sowohl im 
Occipitalteil wie auf der Scheitelhdhe T-formig (letztere Quer- 
furche wurde oben beriicksichtigt). Letztere Quergabelung um- 
greift haufig den lateralen Ast der Fiss. transversa und grenzt 
auf diese Art die Windung w ab. Diese Windung ist beim Pferd 
auffallend schmal und mehr langgestreckt. 

Die Fiss. lateralis nebst ihrem medialen und lateralen 
Parallelaste (Fiss. entolateralis und ectolateralis) schneidet ziem- 
lich tief in den Mantel ein und verliuft der Mantelkante bis zum 


Occipitalrande parallel. Durch diese Furche ebenso wie durch die 
Bd. XXXIV. N. F. XXVIL. 10 


146 Kaspar Schellenberg, 


bisweilen mehrfach segmentierte Fiss. ectolateralis und ento- 
lateralis wird eine kleine Reihe von schmalen longitudinal, ein- 
ander parallel verlaufenden Windungen gleichen Namens_ nebst 
Zwischenwindungen abgegrenzt, die sich in abnlicher Weise nur 
beim Rind vorfinden, nur sind beim letzteren die Windungsriicken 
entschieden breiter. Doch ist das gesamte Windungsareal vom 
Sulcus longitudinalis bis zur suprasylvischen Furche beim Pferde 
wesentlich breiter, zumal im occipitalen Teile, als beim Rinde. 

An der medialen Seite zieht die Fiss. callosomarginalis 
ununterbrochen in grofem Bogen vom occipitalen bis zum Frontal- 
ende ganz ahnlich wie beim Rinde. Brnepicre Maurice (4) halt 
diese Furche beim Pferdegehirn fiir die machtigste in der ganzen 
Sdiugetierreihe. Auch eine Fiss. entogenualis und entosplenialis 
sowie nach aussen von der Fiss. callosomarginalis gelegene Furchen- 
segmente (Fiss. ectogenualis und ectosplenialis) lassen sich beim 
Pferd deutlich nachweisen. Alle diese Furchenabschnitte sind 
ziemlich seicht, sie verlaufen der Fiss. callosomarginalis parallel 
und sind tiber der Mitte des Balkens unterbrochen (Fig. 17). 

Ks ist schon in Vorstehendem hervorgehoben worden, daf die 
Fiss. transversa der Fiss. cruciata der Caniden nicht entsprechen 
kann. Die dieser letzteren homologe Furche, d. h. die eigentliche 
Centralfurche (Mensch) ist zu verlegen in den 
kurzen, den marginalen Rand durchschneidenden 
Sulcus (Fig. 17 er), welcher aus dem Frontalschenkel 
der Fiss. callosomarginalis schraig aufwairts seinen 
Ursprung nimmt und emporsteigt. Bei der Betrachtung 
der Mantelkante von der Oberflache aus, ohne die beiden Hemi- 
spharen im Sulcus longitudinalis auseinanderzudrangen, laft sich 
von dieser Furche nur selten etwas erkennen. Die Verhaltnisse 
liegen hier somit genau so wie beim Schwein (bei der Ziege, beim 
Schaf und teilweise auch noch beim Rind geht die beziigliche 
Furche, wie schon friiher erwahnt, ziemlich weit an die Oberfliche 
und giebt Veranlassung zur Bildung einer dem Gyrus sigmoideus 
der Carnivoren durchaus gleichartigen Windung). Da somit beim 
Pferd der Sulcus cruciatus die Mantelkante gewéhnlich nicht er- 
reicht, wird selbstverstandlich auch die erste Frontalwindung im 
hinteren Abschnitt gestreckt bleiben. Es entsteht deshalb 
an der betreffenden Stelle keine an den Gyrus 
sigmoideus erinnernde Bildung (Fig. 15 F,, 3). 

Nichtsdestoweniger ist die erste Frontalwindung beim 
Pferde ziemlich miachtig ausgebildet, zumal im frontalsten Teil. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 147 


Hier iibertrifft sie die anderen Stirnwindungen nicht ganz um das 
Doppelte; es verhilt sich demnach die erste zur zweiten und 
dritten Stirnwindung wie 3: 2:1 in ihrer breite. Im weiteren ist 
zu bemerken, dass die erste Frontalwindung im vorderen Abschnitt 
durch die Fiss. praesylvia anterior in zwei Windungshalften ge- 
trennt wird, nimlich in den lateralen Hauptabschnitt und den 
medialen Nebenabschnitt. An den medialen Nebenabschnitt schlieBt 
sich basalwirts der michtige Bulbus und Tractus olfactorius an. 
Letzterer geht wie bei den anderen Tieren in die Substantia 
perforata anterior (Tuberculum olfactorium) und auf den Lobus 
pyriformis tiber, wo er sich verliert. 

Die zweite Frontalwindung anastomosiert mit dem 
Gyrus ectosylvius durch eine schmale Windungsbriicke und ebenso 
auch mit der w-Windung. Der vordere lateral und basal ziehende 
Schenkel der zweiten Frontalwindung geht ohne scharfe Grenze 
in den vorderen freiliegenden Teil der Insel tiber. 

Die dritte Stirnwindung liegt vom Frontalende ziemlich 
weit entfernt zuriick; sie wird wie gewéhnlich nach hinten und 
unten von dem aufsteigenden und dem vorderen Aste der Fiss. 
sylvii, in frontaler Richtung und nach oben von der Fiss. ecto- 
sylvia bezw. von ihrem vorderen Querast abgegrenzt. Zusammen 
mit dem hinter dem Ramus ascendens fiss. sylvii liegenden Gyrus 
bildet sie den Gyrus sylvius der Autoren. 

Die grofe Breite des Gyrus suprasylvius gegeniiber 
dem Gyrus marginalis ist bereits bei der Besprechung der beziig- 
lichen Furchen erwaihnt worden. Dieser Gyrus ist gewdéhnlich 
etwa 4mal so breit wie die beim Pferd auffallend schmale mar- 
ginale Windung. 

Entsprechend der Machtigkeit der Fiss. callosomarginalis ist 
auch der Gyrus fornicatus, welcher in ahnlicher Weise, wie 
dies bei den friiheren Tieren hervorgehoben wurde, von der Area 
perforata anterior emporsteigt, den Balken begleitet und in den 
Gyrus hippocampi tibergeht. 


Ueber die Verwandtschaft zwischen dem Carnivoren- 
und dem Ungulatengehirn. 


Nachdem ich in Ktirze die Oberflichenverhaltnisse einiger 
Hauptvertreter der Ungulatenreihe unter Betonung der verwandten 
und der unterscheidenden Merkmale zur Darstellung gebracht 
habe, wird es nun angemessen sein, das GroShirn desjenigen Ver- 

LO= 


148 Kaspar Schellenberg, 


treters der Ungulatenreihe, welches meines Erachtens beziiglich 
der GroShirnoberflache und speciell des Gyrus sigmoideus dem 
Carnivorengehirn am nachsten stehen diirfte, namlich der Ziege, 
niher zu studieren und zwar unter engerer Vergleichung mit dem 
Hundegehirn. 

Dieser Vergleich soll nicht nur auf die morphologischen Ver- 
haltnisse der Windungen sich beziehen, sondern auch auf den 
Aufbau des Grofhirnmarkes und die anatomischen Beziehungen 
des Markkérpers zu den centralen Ganglien ausgedehnt werden. 
Obwohl die Bezeichnung der Windungen und Furchen bei den 
Ungulaten nach denen beim Hunde vorgenommen wurden, so halte 
ich doch eine Vergleichung des GroShirns des Hundes und der 
Ziege lediglich auf Grundlage der auSeren Gestaltung in Bezug 
auf die Homologie fiir unzureichend; meines Erachtens muf die 
Vergleichung, wenn sie fruchtbar sein soll, von einer viel breiteren 
Grundlage ausgehend sein und den inneren Aufbau sowie Form 
und Grée der Ganglien in weitgehender Weise mitberiicksichtigen. 

Bei einfacher vergleichender Betrachtung der GrofShirnober- 
flache von Vertretern weit auseinanderstehender Arten lassen sich 
weder an reifen noch an unentwickelten Gehirnen wirklich bin- 
dende Homologieen von Windungen und Furchen auffinden. 
Wie weit man unter Anwendung dieser ausschlieflich rein ana- 
tomischen Methode kommt, ersieht man am besten an den ge- 
scheiterten Bemtihungen alter Autoren eine der Centralfurche des 
Menschen homologe Furche in der Saugetierreihe festzustellen. 
Die Homologie wurde hier erst durch das Experiment festgestellt 

Die Bemiihungen von TENcHINI und Nearint (70), welche 
das Gehirn des Pferdes und des Rindes mit demjenigen des 
Menschen in den Einzelheiten vergleichen und Homologien erkennen 
wollten, haben den Wert von Vermutungen. 

Man darf bei der Aufstellung von Homologien iiberhaupt 
nicht vergessen, daf solche nur bis zu einer bestimmten Stufe 
sich ziehen lassen, denn wie die feinere motorische Funktion in 
der Saugetierreihe auferordentlich mannigfaltig gestaltet ist, so 
sind auch die ihr zur Grundlage dienenden nervésen Apparate 
oft grundsitzlich ganz verschieden angelegt. Die Art der Re- 
prasentation der kombinierten Bewegungen in der Rinde z. B. 
ist sowohl mit Riicksicht auf den Modus der Lokalisation an der 
Oberfliche als auch der Ausgestaltung beim Pferd und Hund eine 
ganz verschiedene. 

Eine solche Parallele ist mit Riicksicht auf die zuletzt er- 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 149 


wihnten gewif nicht unwichtigen Punkte meines Wissens_ bisher 
noch nicht aufgestellt worden, ja der Aufbau des Markes (Centrum 
ovale, Markzungen, Balken, Fornix etc.) ist wenigstens bei der 
Ziege tiberhaupt nicht niher studiert worden. Schon aus diesem 
Grunde halte ich eine genaue Schilderung der beziiglichen grob 
anatomischen Verhiltnisse fiir dringend geboten. 

Der in den meisten anatomischen Lehrbiichern vertretenen 
Ansicht, daf' das Schwein beziiglich Anordnungen der Furchen 
und Windungen dem Hunde am nachsten stehe, muf ich auf 
Grund meiner Untersuchungen entgegentreten und méchte mich 
eher der Ansicht zuneigen, daS, ahnlich wie es bereits von KruEG 
ausgesprochen wurde, die Cavicornier den Caniden in der Win- 
dungsanlage wesentlich naher kommen. 

Geeigneter zum Vergleich mit dem Carnivorengehirn als die 
Cavicornier waren vielleicht die Traguliden und die Elaphier, 
allein es war mir nicht méglich, mich in Besitz solcher Gehirne 
zu bringen; tibrigens gewann ich bei der Durchmusterung der 
Litteratur tiber das Gehirn letztgenannter Tiere den Eindruck, 
dafi grundsitzliche Verschiedenheiten im Aufbau der Grofhirn- 
oberflache zwischen diesen Tieren und der Ziege nicht vorhanden 
sind. 

Deshalb habe ich mich der Aufgabe unterzogen, versuchsweise 
das Gehirn der Ziege und des Hundes auf ihre Verwandtschaft 
hin zu priifen. 

Eine wesentliche Differenz im Gehirpbau der Ziege und des 
Hundes besteht in der Bildung des Frontalhirns. Es dehnt 
sich dasselbe bei der Ziege unter Auswachsen mehrerer reich- 
gefalteter Gyri in frontaler und lateraler Richtung, wihrend es 
beim Hunde einen bescheidenen Umfang verrit und nach abwarts 
umgebogen erscheint. Das Frontalende des Hundes, welches das 
ganze Frontalhirn enthilt, besteht eigentlich aus einer einzigen 
spitz ausgezogenen Windung, dem Gyrus prorae (lobus orbitalis 
LANGLEY), welche seitlich wenig tiefe unregelmafige Kinkerbungen 
zeigt. Die Frontalwindungen sind somit beim Hunde nur eben 
angedeutet. 

Basal liegt dem Frontalende der Bulbus und Tractus olfac- 
torius an. Der an Bulbus und Tractus medial anschliefende 
Windungsteil ist der Gyrus rectus. 

Anders bei der Ziege. Da findet sich auBer dem Gyrus fron- 
talis primus (Gyr. prorae) seitlich ein weiterer Windungskomplex an- 
gelagert, nimlich die zweite und dritte Stirnwindung (Fig. 18, F’, 7’). 


150 Kaspar Schellenberg, 


Die Fiss. coronalis schneidet zwischen erster und zweiter Frontal- 
windung von oben her ein, indem sie auffallend tief in den Mark- 
mantel sich einsenkt. Der Bulbus und Tractus olfactorius legt 
sich nicht wie beim Hunde dem Gyrus rectus lateral, sondern rein 
basal an. 

Besser noch als bei Betrachtung der Oberflaiche la8t sich die 
Gesamtdifferenz zwischen beiden Tieren an den Querschnitten aus 
den entsprechend liegenden Ebenen erkennen. 

Beim Hunde (Fig. 19) sind im Frontalende 3 Markzungen 
vorhanden: 1) eine aufwarts gerichtete, welche dem oberen Ab- 
schnitt (Gyr. prorae) des Frontalendes angehért ; 2) das zum Gyrus 
rectus gehérende, abwiirts spitz abschlie{ende Markfeld und 3) 
ein seitlicher, auf dem Querschnitt hackenformiger Fortsatz, welcher 
von dem vereinten Markfelde lateralwarts abzweigt (Fig. 19). 


Fig. 18. Ziege. Fig. 19. Hund. 


Dieselben Markiste lassen sich auch bei der Ziege auffinden. 
Aber welch ein Unterschied in ihrer Gesamtanlage im Vergleich 
zu den iiberaus einfachen Verhiiltnissen beim Hunde. 

Zunichst ist hervorzuheben, da’ die Markzunge, welche die 
erste Frontalwindung und den Gyrus rectus der Lange nach durch- 
setzt, ebenso wie die betreffenden Windungen auffallend schmal 
sind bei der Ziege, jedenfalls schméler als beim Hund. Dann aber 
erscheint der laterale, in die 2. und 3. Stirnwindung sich er- 
streckende Markfortsatz wesentlich machtiger als beim Hunde und 
ganz lang gedehnt, auch giebt er zu den einzelnen frontalen Neben- 
windungen je kleine Markzungen ab (Fig. 18). Wahrend also 
beim Hunde die Hauptmarkmasse von der einzigen Frontalwindung 
eingeschlossen wird, scheint bei der Ziege der gréfere Abschnitt 
der 2. und 5. Frontalwindung anzugehéren. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 151 


Die eigenartige Ausbildung des Frontalendes des Hundes wird 
zum Teil bedingt durch das Zuriickliegen und das tiefe Ein- 
schneiden der Fiss. pracsylvia (Fiss. orbitalis LANGLEY). Letztere 
Furche liegt nimlich bei der Ziege fast ganz am Frontalende. Sie 
schiebt sich da zwischen die vorderen Endiste der Fiss. coronalis 
ein. Die seitliche Anlagerung neuer Windungen an die erste 
Frontalwindung erfolgt beim Hunde hinter der Fiss. praesylvia, 
wo ein deutlicher Uebergang zwischen der Rinde des Frontalendes 
und dem Gyrus ectosylvius anterior, tibrigens ganz ahnlich wie 
bei der Ziege, bei dieser nur viel weiter vorn, vorhanden ist. 

An den Gyrus sigmoideus schliefen sich bei der Ziege wie 
beim Hunde die 3 Bogenwindungen an. Dieser Anschluf erfolgt 
indessen bei der Ziege in einer ganz anderen Weise als wie beim 
Hunde. 

Beim letzteren Tiere imponiert auf dem Frontalschnitt der 
breite Windungsriicken des Gyrus sigmoideus (Fig. 20 3). An 
diesen schlieft sich der wesentlich 
diirftigere Gyrus coronarius an, 
welcher von der prasylvischen 
Furche abgeschlossen wird. Die 
Fiss. coronalis schneidet beim 
Hunde viel weniger tief in den 
Markmantel ein als wie dies bei 
der Ziege der Fall ist. Auch ist 
hervorzuheben, daf die Bogen- 
windungen beim Hund sich erst 
beim Gyrus sigmoideus anschliefen, 
wihrend dies bei der Ziege nicht JV 
zutrifft. Beim Hunde stiilpt die Fig. 20. Hund. 

Fiss. praesylvia einen Rindenfort- 

satz ziemlich tief in den Gyrus sigmoideus ein. Bei der Ziege 
liegt diese Furche weiter basalwarts und ist ganz unansehnlich. 
Der Gyrus coronarius und ectosylvius haben beim Hunde somit 
eine gewisse Verwandtschaft mit der 2. und 3. Stirnwindung bei 
der Ziege aufzuweisen und zwar mit Riicksicht auf ihre Abgrenzung 
durch die Fiss. coronalis und ectosylvia. 

Die Art und Weise der makroskopischen Vereinigung des 
Tractus olfactorius mit dem Gyrus rectus und die Art des Ueber- 
ganges beider in die Substantia perforata anterior ist bei beiden 
Tieren eine ganz ihnliche. 

Das Prinzip des Markaufbaues bei der Ziege andert sich im 


152 Kaspar Schellenberg, 


Frontallappen in weiter nach hinten gelegenen Ebenen, zumal in 
denen der Gyrus sigmoideus in die Schnittflaiche tritt. So sehen 
wir in der durch den Gyrus sigmoideus gelegten Ebene bei der 
Ziege an der Medianspalte eine schmale, relativ reich gefaltete 
Windungsgruppe, welche dem Gyrus sigmoideus  entspricht 
(Fig. 21 %.p). Die Markziige dieser Windung sind ebenso wie 
diejenigen des vordersten Abschnittes der ersten Frontalwindung 
diirftig, aber entsprechend der reichen Rindenfaltung mehrfach 
veristelt. Die auffallend tiefe Fiss. coronalis trennt den genannten 
Windungsbezirk scharf vom tibrigen Mantel ab. 

Kinen wesentlich gréf8eren Win- 
dungsabschnitt stellt die sich an 
den Gyrus sigmoideus anschlieBende 
Mantelpartie dar, welcher durch 
schmale Furchen getrennt von oben 
nach unten die 2. und 3. Frontal- 
windung und noch mehr basalwarts 
die Insel, letztere durch die Fiss. 
Sylvii anterior abgegrenzt, folgt. 
Die Hauptmarkmasse findet sich 
ganz a&hnlich wie in  vorderen 
Ebenen in der 2. und 3. Frontal- 
windung (Fig. 21). Selbstverstandlich ist die Zahl der vom ge- 
meinschaftlichen Markfeld der 2. und 5. Frontalwindung abgehen- 
den Markzungen entsprechend der reichen Faltung daselbst eine 
ziemlich betrachtliche. 

Beim Hunde fallt das Schwergewicht des Markes in den 
Gyrus sigmoideus, wiihrend die viel diirftiger entwickelten von 
der Kiss. coronalis abgetrennten, lateral und basal liegenden Win- 
dungen (Gyr. coronarius, suprasylvius, ectosylvius) nur im Besitze 
wesentlich kleinerer Markfelder sind. Immerhin ist zu bemerken, 
daf& bei der Ziege wie beim Hund, bei jener allerdings in ge- 
ringerem Grade, der medial einschneidende Fortsatz der Fiss. 
cruciata ziemlich tief in den Hirnmantel sich einsenkt und so die 
mediale Rinde des Gyrus sigmoideus einstiilpt. . 

Im weiteren ist zu sagen, daf beim Hunde der Balken sowie 
das Vorderende des Streifenhiigels und des Vorderhorns des Seiten- 
ventrikels von der Frontalspitze viel weniger weit entfernt ist als 
wie bei der Ziege. Diese Thatsache bildet eine der Hauptver- 
schiedenheiten in der Anlage des Frontalhirns. Wiahrend die 
Entfernung vom Balkenknie bis zum Frontalende bei der Ziege im 


Fig. 21. Ziege. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 153 


Durchschnitt etwa 3 cm betriagt, ist sie beim Hunde nur etwa 
14—20 mm je nach Rasse und je nach Gréfe des Tieres. 

Die von mir mit w bezeichnete Windungsbriicke des Gyrus 
coronarius zum Gyrus suprasylvius, welche durch den lateralen 
Ast der Fiss. transversa und den vorderen Querast der Fiss. supra- 
sylvia abgegrenzt ist, gelangt beim Hunde zu deutlich stirkerer 
Entwickelung als wie bei der Ziege (Fig. 21). 

Beziiglich der Frontalwindungen ist noch zu erwahnen, dal 
sie selbstverstiindlich und schon mit Riicksicht auf die bedeutende 
Distanz zwischen dem Frontalende und dem Balkenknie einen 
wesentlich gréferen Raum und Ausdehnung einnehmen wie beim 
Hunde, und dafi bei der Ziege vor allen Dingen die 3. Stirn- 
windung als stattliche und mit bedeutendem Markfeld versehene 
Windung in Betracht kommt, ein Gyrus, welcher beim Hunde 
just als eine kleine Erhabenheit der Grofhirnoberflache sich wahr- 
nehmen aft. Diese Windung liegt beim Hunde ziemlich weit 
zurtick (Gyr. sylvius). 

Bessere Uebereinstimmungen im Bau des Grofhirns der 
beiden Tiere finden sich in den Windungen des Parietal- 
und Occipitalteiles. Es ist da nicht ohne Interesse, bei der 
Vergleichung auch noch die beziiglichen Verhiiltnisse bei der Katze 
heranzuziehen. 

Der Balken und Fornix verhalten sich nach GréfSe und Aus-' 
dehnung in ahnlicher Weise. 

Was die Markfelder der verschiedenen Windungen des Parietal- 
teiles anbelangt, so kann man im allgemeinen sagen, daf beim 
Hunde die Markzungen kiirzer sind, von einander unabhangiger 
verlaufen und daf sie sich radiaér in das Centrum ovale bezw. in 
die innere Kapsel ergieBen. Bei der Katze liegen die Verhalt- 
nisse ganz ahnlich (Fig. 24). 

Bei der Ziege sind die Markfelder entsprechend der griferen 
Dicke der Hemisphirenwand und entsprechend reicheren Ein- 
stiilpung der Rinde wesentlich linger, auch etwas steiler, dafiir 
aber schmiler als wie beim Hunde. Auch sieht man, da einige 
mehreren Windungen angehérende Markzungen, bevor sie in das 
Centrum ovale oder innere Kapsel tibergehen, noch ein gemein- 
sames Markfeld passieren (lig. 26). 

Was die Differenzen der einzelnen Windungen anbetrifft, so 
ist hervorzuheben, daf der Gyrus fornicatus der Ziege wesentlich 
miichtiger entwickelt ist als beim Hund und bei der Katze. 

Beziiglich des Gyrus marginalis ist zu sagen, daf er beim 


154 Kaspar Schellenberg, 


Hund und bei der Katze durch die Fiss. lateralis vom Gyrus 
suprasylvius ziemlich scharf abgegrenzt ist. Bei der Ziege ist die 
Trennung beider Gyri in den mehr nach vorn gelegenen Ebenen 
eine ziemlich oberflichliche, dementsprechend bildet auch der 
Gyrus suprasylvius in diesen Ebenen ein kleines Anhangsel mit 
einem bescheidenen Markanteil an der marginalen Windung. In 
den mehr nach hinten gelegenen Ebenen werden die Verhaltnisse 
bei der Ziege tibrigens ganz éhnlich wie beim Hund und der Katze. 
Die suprasylvische Furche ist zwar bei der Ziege wesentlich tiefer 
als wie beim Hunde und bei der Katze, sie ist indessen auch bei den 
letztgenannten Tieren durchaus nicht nur oberflachlich gebildet. 


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Fig. 24. Katze. Fig. 25. Hund. 


Was die Grenze des Sehhiigels anbelangt, so ist zu betonen, 
dafi beim Hunde die erste Ebene des Sehhiigels in die ersten 
Frontalebenen der Insel fallt, bei der Ziege dagegen riickt die 
vorderste Partie des Sehhiigels verhaltnismafig mehr nach hinten, 
d. h. in die nimliche Ebene, in welcher der Ramus ascendens der 
Kiss. Sylvii in der Hauptsache in die Schnittflache fallt (Fig. 23). 

Der allererste Anfang der Insel fallt bei Katze und Hund in 
dieselbe Schnittebene wie die vordere Kommissur (Fig. 22, 24). 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 155 


Eine noch gréf8ere Uebereinstimmung in der Anlage der Win- 
dungen und Markzungen zeigt sich in der parieto-occipitalen Re- 
gion aller drei zum Vergleich herangezogenen ‘Tiere. 

Bei der Katze ist der Gyrus fornicatus klein und zusammen- 
gedriickt, besser ist er schon beim Hunde entwickelt und am 
ausgeprigtesten zeigt er sich bei der Ziege, wo er langgestreckt 
erscheint (Fig. 29 /’). 

Der Gyrus marginalis grenzt sich bei allen oben erwahnten 
Tieren gut ab, bei der Ziege ist er lang ausgezogen, aber schmal 
(Fig. 29 1). 

Den breitesten Windungsriicken hat bei der Ziege der Gyrus 
suprasylvius, derselbe erfaihrt aber ebenso wie beim Hunde in der 
Regel eine sekundare Zweiteilung (Fig. 26). 


Fig. 27. Katze. 


Fig. 28. Hund. Fig. 29. Ziege. 


Das temporale Windungsgebiet wird bei diesen Tieren durch 
2 Windungen, den Gyrus ectosylvius und sylvius, dargestellt. Den 
Windungen entsprechend gestalten sich auch die denselben zu- 
gehérigen Markzungen (Fig. 24—29). Die Markmasse des Centrum 


156 Kaspar Schellenberg, 


ovale bildet hier wie bei allen Saugetieren ein Dach des Seiten- 
ventrikels. 

In den Ebenen des Uebergangs des Seitenventrikels in das 
Unterhorn sieht man bei allen Vergleichstieren, daf die Rinde des 
Lobus pyriformis allmahlich in diejenige des Uncus und des Gyrus 
hippocampi tibergeht. Die Fascia dentata und die Fimbria 
schliefen sich direkt an den Gyrus hippocampi an. Die Ammons- 
windung zieht in einem nach hinten konvexen Bogen frontalwirts 
bis zum vordersten Ende des Sehhtigels, welchen sie dachférmig 
bedeckt. Auf den Querschnitten (Fig. 26, 27) erscheinen Fascia 
dentata und Gyrus hippocampi ventral vom Balken quergetroften. 

Wenn wir am Querschnitte die Gegend des Occipitalteils 
priifen, so ergeben sich in der Anlage der Windungen keine 
wesentlicheren Differenzen. 


Vergleichung der Hemispharen der verschiedenen 
Ungulaten. 


Nachdem ich in Kiirze vorstehend auf das Wesentlichste mit 
Riicksicht auf Verwandtschaft mit dem Carnivorengehirn  ein- 
getreten bin, sollen nun die wichtigsten Punkte mit Bezug auf 
gemeinsame und differente Merkmale bei den Ungulaten unter 
einander besprochen werden. 

Im Frontalteil des Schafes ergeben sich gegentiber 
der Ziege keine wesentlichen Unterschiede aufer den friiher er- 
wahnten (Fig. 30). 


Fig. 30. Schaf. Fig. 31. Rind. 


Beim Rinde bleibt infolge geringerer Entwickelung die erste 
Frontalwindung betrichtlich gegen die tiberliegende 2. Frontal- 
windung zuriick und zusammengedringt. Eine sehr tiefe Fiss. 
coronalis trennt beide Windungen (lig. 31). 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 157 


Die Gyri am Frontalende des Schweines sind schmal und 
langgestreckt, iihnlich wie bei der Ziege; sie stehen im eigent- 
lichen Gegensatze zu denen des Rindes. Der Tractus olfactorius 
erreicht besondere GréBe und zeichnet sich beim Schweine noch 
dadurch aus, da er im vorderen Teile die Fiss. praesylvia noch 
iiberragt (Fig. 32). 

Der Stirnteil des Pferdes_ besitzt 
besondere Eigentiimlichkeiten. Vor allem 
faillt hier die massige Entwickelung der 
Stirnwindungen auf. Dieses Verhalten 
erinnert in geringerem Grade an die 
Frontalwindungen des Rindes. Die 1. 
Stirnwindung hat wie beim Rinde Neigung 
zum Kinsinken (Fig. 33). 

Was die Markverhaltnisse anbelangt, 
so besitzt vor allen untersuchten Tieren 
das Pferd in den Stirnwindungen die gréSten Markansammlungen. 
Lange schmale Markzungen, wie sie bei der Ziege, dem Schafe, 
dem Schweine und in geringerem Grade auch noch bei dem 


Fig. 32. Schwein. 


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Fig. 33. Pferd. 


Rinde anzutreften sind, fehlen beim Pferde ganzlich. Entsprechend 
der Dicke der Windungen sind auch die Markfortsitze starker, 
weniger spitz ausgezogen an ihren Enden. Die dicken Mark- 
zungen treten zu einem einheitlichen grofen Markfelde vor dem 
Beginn des Seitenventrikels im Frontalhirn zusammen Ein ahn- 
liches Markfeld fehlt den iibrigen Vergleichstieren in dieser Aus- 
dehnung. 


158 Kaspar Schellenberg, 


Auf der Héhe der Fiss. cruciata beginnt schon beim 
Schafe die 1. Frontalwindung gegeniiber derjenigen der Ziege 
etwas kleiner zu werden (Fig. 34). Diese Verkleinerung wird beim 
Pferde und Rinde, besonders aber beim Schweine am ausgeprag- 
testen. Wie friiher schon bertihrt, geht mit dieser Verkleinerung 


Fig. 34. Schaf. Fig.35. Schw ein. 


der 1. Frontalwindung eine Verkiimmerung der Fiss. cruciata 
Hand in Hand, so daf die noch beim Schafe und der Ziege deut- 
liche, tiber die Mantelkante tibergreifende Viss. cruciata beim Pferde, 


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Fig. 36. Pferd. 


beim Rinde und beim Schweine vollends auf die mediale Lippe der 
1. Frontalwindung zuriickgedriingt wird. Diesem Vorgange ent- 
sprechend verhalt sich das Mark. Schaf und Ziege schliefen in 
diesem Teile der 1. Frontalwindung erheblich gréfere Markzungen 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 159 


ein als das Rind oder das Schwein. So stellt die Markzunge an 
der Fiss. cruciata des Schweines und des Rindes eine diinnere 
Lamelle dar, auch beim Pferde erreicht dieselbe durchaus keine 
auBergewohnliche Starke (Fig. 56). 

Die 2. und 3. Stirnwindung weist bei allen Vergleichstieren 
dieselbe grofe Ausdehnung auf, besonders entwickelt sind beide 
Stirnwindungen beim Pferde, bei welchem Tiere sie noch in Unter- 
abteilungen zerfallen. Ihnen kommt bei diesem Tiere ein sehr 
starkes gemeinsames Markfeld zu, das sich in ahnlicher Ausdehnung 
bei keinem der untersuchten Tiere wiederfindet (Fig. 36). 

Der Beginn des Balkens, des Seitenventrikels und des Streifen- 
hiigels fallen bei allen diesen Tieren so ziemlich in dieselbe Ebene. 

Im allgemeinen herrscht auch in der Parietalregion beim 
Pferde entsprechend den gréSeren und breiteren Windungen eine 
erdfere Ausdehnung in den Markfortsatzen vor. Die Enden dieser 
Markleisten sind mehr lappig und ziehen sich nicht wie bei den 
iibrigen Vergleichstieren in spitze Fortsatze aus. Auch zeichnet 
sich das Centrum ovale und die innere Kapsel beim Pferde durch 
auBergewohnliche Starke in hinteren parietalen Ebenen aus. 

Beim Schafe, der Ziege und beim Schweine sind besonders die 
der Mantelspalte nahe gelegenen Windungen und die zugehérenden 
Markfortsaitze lang und schmal (Fig. 37, 26, 38). 


Fig. 38. Schwein. 


Die Insel fallt bei allen Vergleichstieren mit der vorderen 
Kommissur zusammen (Fig. 37, 38, 39). 

Der Beginn des Sehhiigels stimmt mit der bereits bei der 
Ziege beschriebenen Ebene iiberein. 

Septum und Fornixsiule liegen entsprechend wie bei der 
Liege. 

Die Ammonswindung bedeckt, wie schon friiher bei der Ziege 
gesagt wurde, den Sehhiigel von oben und reicht bis wenig itiber 


160 Kaspar Schellenberg, 


seine Mitte nach vorn. Um auf die GréSenunterschiede der 
einzelnen Windungen tiberzugehen, muf hier wiederum auf die 
relativ. geringe Ausdehnung des Gyrus fornicatus beim Pferde 


Fig. 39. Rind. 


und beim Rinde gegentiber der Ziege, dem Schafe und dem 
Schweine verwiesen werden. Beim Pferde ist zudem der Gyrus 


Fig. 40. Pferd. 


marginalis relativ am kleinsten, wihrenddem diese Windung beim 
Schafe, beim Schweine und der Ziege eine Mittelstellung einnimmt. 
Am umfangreichsten ist die Randwindung unbestritten beim Rinde 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 161 


(Fig. 43). Bei diesem Tiere bleibt jedoch der Gyrus suprasylvius 
an Breite zuriick und kommt der nimlichen Windung beim Pferde 
an Umfang bei weitem nicht gleich. Es gehért deshalb auch beim 
Pferde, dem Schafe, der Ziege und bei dem Schweine der gréfBere 
Markanteil nicht der marginalen Windung, wie dies beim Rinde 
der Fall ist, sondern der suprasylvischen Windung an (Fig. 44, 
Al, 26, 42). 


Fig. 41. Schaf. Fig. 42. Schwein. 


In den temporalen Windungen kann ein gréfSerer Unterschied 
nicht herausgefunden werden, auch erreicht der Lobus pyriformis 
bei allen Vergleichstieren den ihrer Gré8e entsprechenden Umfang. 


Fig. 43. Rind. 


Nahe der Occipitalspitze treten bei allen Vergleichstieren 
gegen die Medianspalte hin mehr langgestreckte Markleisten und 
Windungsziige auf, wihrend die mehr lateralen Windungen breitere 


Riicken mit gréferen Markmassen aufweisen. 
Bd. XXXVI, N. F. XXXVI. ial 


1g2r Kaspar Schellenberg, 


Auf die Gréfe der Markansammlung am Uebergange des 
Seitenventrikels in das Unterhorn muf noch besonders aufmerksam 
gemacht werden. Dieses Markfeld erreicht hauptsichlich beim 
Pferde den gré8ten Umfang und nimmt bei allen Vergleichs- 
tieren besondere, schon makroskcpisch erkennbare Schichtung an 
(Fig. 41—44). 


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Fig. 44. Pferd. 


Um itiber die Mengenverhaltnisse des Markes und 
der Rinde des Ungulatengehirnes einigermaSen orientiert 
zu sein, habe ich nach dem Vorschlage von DANILEWSKY (9) und 
His (29) Untersuchungen angestellt. 

Obwohl ich mit einigen Bedenken solchen Berechnungen 
eegentiberstand, erschien es mir wissenswert, gegentiber den Resul- 
taten beim Menschen einige Anhaltspunkte iiber das gegenseitige 
Verhaltnis der weiSen zur grauen Substanz im Grofhirn der Un- 
gulaten zu besitzen. Genau genommen ist es wohl niemals még- 
lich, einen richtigen Aufschluf tiber die gegenseitigen Gréfenver- 
haltnisse zu erlangen, weil ja eine Abgrenzung zwischen grauer 
und weifer Substanz sowohl nach der Rinde wie nach den tieferen 
Teilen hin auf so rohe Weise eine Menge von Fehlerquellen in 
sich schlieBt. 

So erhielt ich Zahlen, die einmal nach der untersuchten Tier- 
art und sodann nach der topographischen Lage der untersuchten 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 163 


Stelle variierten. Im Frontalteil konnte ich ein enges Verhialtnis, 
das mehr dem des Menschen nahe stand, also ein Verhiltnis von 
Mark zu Rinde wie 2:3 ergab, finden. Insbesondere kam der 
Frontalteil des Pferdes dem des Menschen am nichsten. In 
anderen Hemisphirenabschnitten fiihrten die quantitativen Be- 
stimmungen zu entgegengesetzten Resultaten, in denen die Rinde 
um das Doppelte und noch mehr das Mark itibertraf. 


.- Tex]. 


Beziehungen des Grofshirnmarkes zur Hirnrinde und 
zu den infracorticalen Regionen. 


Im Anschluf an die im ersten Teil behandelte Schilderung 
der GrofShirnoberfliche und des Markkérpers bei den Ungulaten 
sollen nunmehr die feineren Beziehungen zwischen den Faser- 
massen und der Hirnrinde sowie den infracorticalen grauen Re- 
gionen zur Darstellung gelangen. 

Zur Illustration des Gesagten sollen auch hier die im vorher- 
gehenden Abschnitte reproduzierten Figuren von Frontalschnitten 
der verschiedenen Gehirne dienen, auf welche jeweilen im Texte 
verwiesen wird. 

Die centralen Markmassen, d. h. das Centrum ovale und die 
Markzungen in den Windungen setzen sich aus Markfasern sehr 
verschiedenen Kalibers zusammen, die an Pau-Praparaten in ihren 
verschiedenen Schnittrichtungen sehr deutlich sichtbar sind. Die 
Dicke der Markscheiden von gleichartigen Biindeln ist bei den 
verschiedenen Reprasentanten der Ungulaten ungefaihr die nam- 
liche, dagegen variiert sie bei dem einzelnen Tiere je nach ana- 
tomischer Bedeutung und auch innerhalb gleichartiger Verbin- 
dungen in ziemlich betrachtlicher Weise, d. h. zwischen 1—5 wu. 
So sind in der Zonalschicht der Rinde bisweilen Fasern zu finden, 
die denen des Stabkranzes zum mindesten im Kaliber gleichkommen, 
ja sie oft noch iibertreffen. 

Bei neugeborenen Tieren hat bekanntlich der Markkérper 
noch nicht dieselbe Beschaffenheit wie bei alteren Tieren; er ist 
kleiner und es finden sich hier die markhaltigen Fasern nur in 

11% 


164 Kaspar Schellenberg, 


beschrankter Anzahl] vor, auch sind sie auffallend diinn. Die 
marklosen Fasern tiberwiegen hier ahnlich, wie es beim Menschen 
der Fall ist und ahnlich, wie es DOLLKEN (13) bei jungen Katzchen 
beobachtet hat. 

Die Markentwickelung erfolgt, wie ich mich beim Studium der 
beziiglichen Verhaltnisse an jungen Ziegen tiberzeugt habe, successive 
und ahnlich, wie es D6LLKEN (13) bei der Katze festgestellt hat 
in einer Reihenfolge, die wohl gréftenteils durch die physiologische 
Bedeutung der Bahnen fiir das junge Tier bestimmt wird. 

Das UngulatengroShirn ist, wenigstens an der Konvexitat, 
charakterisiert durch lange Windungen mit schmalen Kammen 
und daher auch durch lang ausgezogene dtinne Markziige und 
durch auffallend tiefe Furchen. Dem gegeniiber sind die ent- 
sprechenden Windungen beim Hunde und vollends beim Affen und 
Menschen mehr breit, wulstig, dafiir aber niedriger; die Mark- 
zungen sind breiter und kiirzer, die Markleisten der Windungen 
sind dicker und faserreicher als bei den Ungulaten, bei welchen 
iiberhaupt in der Mitte der Konvexitét das Grofhirnmark eine 
nur bescheidene Entwickelung zeigt. 

Eine Sonderung der Fasermassen im Centrum ovale und in 
den Markzungen nach ihrer Herkunft ist bei einer noch so minu- 
tidsen Durchmusterung der Schnittreihen selbstverstandlich nur 
im Groben moglich. Eine fliichtige Betrachtung der nach Pat 
gefarbten Schnitte lehrt indessen, daf bei den Ungulaten nicht 
minder wie bei den iibrigen Saugern die Associationsfasern (kirzere 
und langere) sowohl iiber die Kommissurenfasern als vollends tiber 
die Projektionsfasern stark dominieren. Die kiirzeren Associations- 
fasern scheinen im Centralgebiet weniger reich angelegt zu sein 
wie beim Hunde, Affen und Menschen. Ihr Mangel bedingt gewil 
zum Teil die friiher beriihrten Eigentiimlichkeiten im centralen 
Windungsgebiet der Ungulaten. 

Bei simtlichen von mir untersuchten Ungulaten sind dagegen 
die streckenweise als geschlossene Biindel verlaufenden langen 
Associationsfasern stattlich angelegt und lassen sich anatomisch 
ziemlich gut abgrenzen. Ich nenne hier z. B. die 3 Hauptstrata 
des occipitalen Markes, den Fasciculus cinguli und subcallosus. 

Von den Kommissuren zeigt sowohl der Balken, die vordere 
Kommissur als auch die Commissura hippocampi eine sehr be- 
achtenswerte Ausdehnung, die derjenigen der Carnivoren keines- 
wegs nachsteht. Der Balken ist bei der Ziege und beim Pferde, 
schon nach gréberer Schatzung zu urteilen, relativ weit machtiger 


Untersuchungen iiber das GroShirnmark der Ungulaten. 165 


entwickelt, zumal im Knie, als derjenige der Katze und des Hundes, 
ja sogar des Affen, doch erreicht er die Ausdehnung des mensch- 
lichen bei weitem nicht. 

Was die Projektionsfasern anbetrifft, so lassen sie sich aus 
der Masse der Stabkranzfasern und der inneren Kapsel, ferner 
aus dem Umfang des Pedunculus und der Pyramide am _ besten 
ermessen. Auch die Fornixbiindel dtirfen zum Vergleich heran- 
gezogen werden, doch ist die Zahl der hier verlaufenden Projek- 
tionsfasern eine geringe. 

Der Stabkranz erreicht bei den hoher entwickelten Ungulaten 
(Ziege, Pferd) relativ einen mindestens ebenso bedeutenden Um- 
fang wie bei Katze und Hund und es scheint namentlich der vor- 
dere, frontale Abschnitt besonders machtig entwickelt zu sein, in 
diesem Teile machtiger als bei den Carnivoren. 

Die innere Kapsel verrat demnach bei den Ungulaten, ins- 
besondere in ihrem lenticulo-striaren Anteil, einen sehr bemerkens- 
werten Umfang. 

Auch der Sehhiigel, der bei allen héheren Siugern in seiner 
Entwickelung mit derjenigen des Grofhirnmantels ziemlich Schritt 
halt (ForEL 24), zeigt bei den Ungulaten im vorderen Abschnitt 
eine gréfere Ausdehnung als bei den Carnivoren. 

Der Pedunculus cerebri ist bei beiden Tierordnungen ver- 
haltnismaBig gleich entwickelt, doch nimmt er bei den Ungulaten 
nach abwarts rasch ab, in dem die beziiglichen Faseranteile sich 
teils in der Substantia nigra, teils aber in der Briicke fast vollig 
erschépfen. Der Pyramidenanteil ist selbst bei der Ziege und 
vollends beim Rinde, Schafe, Schweine und beim Pferde autfallend 
schmal; er zeigt bei der Ziege z. B. kaum den absoluten Umfang 
der Pyramide eines Kaninchens. 

Es wird am besten sein, die Beteiligung der verschiedenen 
Markbiindel an der Bildung des Grofhirnmarkes und ihre zu den 
iibrigen Hirnteilen verlaufenden Abschnitte an einer Tierart 
naher zu beleuchten. Ich wahle hierzu das Pferd und ziehe die 
tbrigen Vergleichstiere, sofern ihnen besondere Verhiltnisse zu- 
kommen, zur Vergleichung heran. 


Das Mark des GroBhirnes des Pferdes. 


Allgemeines, 


Die Art der Ausbreitung des Markes im GroShirn des Pferdes 
und speziell die quantitative Verteilung desselben auf die einzelnen 


166 Kaspar Schellenberg, 


Abschnitte des GroShirnes bietet auferordentlich viel Interessantes 
dar und namentlich wenn man die beziiglichen Verhiltnisse mit 
denen des menschlichen Gehirnes vergleicht. 

Studiert man eine ununterbrochene Frontalschnittreihe des 
Pferdes vom Frontalende aus in occipitaler Richtung, dann gestalten 
sich die Verhiltnisse folgendermafen : 

Die Markmasse des Frontallappens, d. h. derjenigen Partie 
beim Pferde, welche vom Frontalpol bis zur vordersten Ebene 
des Balkens sich erstreckt, ist beim Pferde aufSerordentlich reich 
entwickelt. Sie steht der des menschlichen Gehirnes durchaus 
nicht sehr weit nach. Bei wiederholten Messungen zeigt sich, 
da’ beim Pferde die Entfernung vom Frontalpol bis zum ersten 
Beginn des Balkens etwa 4 cm betrigt und somit eher etwas 
gréBer ist als beim Menschen. Dafiir ist allerdings der Balken 
beim Menschen wesentlich linger und volumindéser. 

Auch in der Breite der Hemisphire ist das Centrum ovale 
in fast allen Querschnitten auffallend ausgedehnt. Es erreicht das 
Feld des Centrum ovale in einer Entfernung von ca. 32 mm vom 
Frontalpol da und dort eine Dicke bis zu 3 cm, wahrend die 
Dicke der Hemisphare 45 mm betragt. Beim Menschen mit die 
Breite des Markes auf gleicher Héhe 4—4,5 cm, die Dicke der 
Hemisphare 5,5 cm. Die gré’te Hohe des Centrum ovale betragt 
in dieser Entfernung vom Frontalpol beim Pferde 4,8 cm, die ge- 
samte Héhe des Frontallappens 6,5 cm einschlieflich des Riech- 
lappens, beim Menschen erreicht das Mark des Centrum ovale 
eine Héhe von 5,3 cm, die Hemisphire eine Héhe von 7—7,5 cm. 

Von dieser Ebene (3,2 cm vom Frontalpol entfernt) an gegen 
den Frontalpol zu nimmt die Markmasse beim Pferde ebenso wie 
beim Menschen successive ab, vielleicht etwas rascher als bei 
diesem und es fallen in die Schnittflache die tiberaus tiefen und 
an Seitentaschen reichen Hauptfurchen (Fiss. coronalis, praesylvia), 
wodurch das Centrum ovale mehrfach in Sonderabteilungen zer- 
fallt, resp. in die Markzungen der vordersten Frontalwindungen 
iibergeht. Auch in diesen Ebenen ist die Markanhiufung eine 
sehr bemerkenswerte (Fig. 33). 

Von 3,5 cm hinter der Frontalspitze an sondert sich inner- 
halb des Centrum ovale centralwirts die erste Andeutung paralleler, 
gleiche Richtung (longitudinale) einnehmender Faserstriinge: es 
ist dies der Beginn des frontalen Abschnittes des Stabkranzes 
(Fig. 45). 

Von diesen Ebenen an und bis zu den Ebenen des Balken- 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 167 


knies findet sich im Centrum ovale eine auferordentlich reiche 
Markfiille. Es bezieht sich diese insbesondere auf das dorsale 
Gebiet der Konvexitit, wihrend schon hier und im Gegensatz zu 
den Verhaltnissen beim Menschen die basale Partie, abgesehen 
des beim Pferde aufSerordentlich miachtig entwickelten Lobus 
olfactorius und Gyrus rectus, der Markkérper ebenso wie die 
Windungen (untere basale Halfte der 2. und 3. Stirnwindung) 
wesentlich markarmer sind als beim Menschen. 

Von den vorderen Ebenen des Balkens (Balkenknie) an er- 
fahrt der Markkérper des GroShirnes entsprechend der Eigen- 
tiimlichkeit der Oberflichenfaltung in der parietalen Gegend eine 
sehr bemerkenswerte Modifikation, die mit geringen Schwankungen 
bis zu den Querschnittsebenen durch die Gegend des Ueberganges 
des Seitenventrikels in das Unterhorn ziemlich gleichmafig sich 
erstreckt. 

Mit dem Beginn der schon friiher eingehend geschilderten 
langgestreckten und schmalen Windungen der Konvexitat (welche 
fiir die Ungulaten typisch sind), nimmt die Ausdehnung des eigent- 
lichen Centrum ovale ziemlich rasch ab. Der Markkoérper wird 
beinahe erschépft durch die Markzungen der langen Windungen 
einerseits, durch Stabkranz- und Balkenfaserung andererseits der- 
art, daf die Markfelder, abgesellen der Markzungen und der ge- 
nannten Markabschnitte nur einen sehr bescheidenen Raum ein- 
nehmen (Fig. 41, 44). 

Was im Weiteren und namentlich bei Vergleichung der ent- 
sprechenden Querschnitte des menschlichen Gehirnes auffallt, das 
sind die der auferordentlich diirftig entwickelten basalen Windungs- 
masse (Insel, Operculum, Lobus pyriformis, Schlifenwindungen) 
entsprechenden markfaserarmen und schmachtigen Markzungen 
der genannten Windungen (Fig. 45). 

Von den Ebenen des Balkenspleniums (Uebergangsebenen des 
Seitenventrikels ins Unterhorn) nimmt die Markmasse des Grol- 
hirnes im allgemeinen an Umfang zudem etwas zu bis kurz vor 
der Occipitalspitze, um bald nachher von neuem rasch abzunehmen. 
Dieser Zunahme ist diejenige im Parietallappen des menschlichen 
Gehirnes wohl an die Seite zu stellen. In den genannten Ebenen 
(Ebene des iuferen Kniehéckers und des vorderen Zweihiigels) 
findet sich abermals, abgesehen von den Markzungen der Win- 
dungen, ein kleines Centrum ovale, das jedoch im Gegensatz zu 
dem Centrum ovale im Frontalmark dem menschlichen in ent- 
sprechenden Ebenen nachsteht. Insbesondere fallt die Schmalheit 


168 Kaspar Schellenberg, 


des allgemeinen Markfeldes im Gebiet des Operculum, aber auch 
in dem der medialen Windungen, vollends jedoch im Schlafelappen 
auf. Der Schlafelappen des Pferdes betrigt kaum die Hiilfte des 
menschlichen. 

Dieser Reduktion des Markmantels steht gegeniiber die aufer- 
ordentliche Machtigkeit der weiter unten genauer zu besprechenden 
sagittalen Strahlungen des Hinterhauptslappens und teilweise auch 
des Balkens. 

Occipitalwirts nimmt der Markmantel successive und rascher 
ab als beim Menschen und beansprucht in der Nahe der Occipital- 
spitze im Vergleich zu den reichen Windungen einen auferordent- 
lich diirftigen Raum. 


I. Das Mark des Frontalteiles. 


1. Das Mark des Lobus olfactorius. 


Der Lobus olfactorius zeigt bei seiner Vereinigung mit dem 
Gyrus rectus zwei Hauptfaserschichten, die ich in gleicher Weise, 
wie es KOLLIKER (34) beim Kaninchen gethan hat, in eine ober- 
flachliche, an der lateralen und ventralen Seite des Lobus olfac- 
torius liegende Markschicht und in eine centrale Schicht des 
Riechmarkes, die lateral und ventral dem Ventrikel des Lobus 
olfactorius sich vorfindet, einteile. 

Die Vereinigung des Lobus olfactorius fiihrt zu engeren Be- 
ziehungen des frontalen Markes mit dem oberflachlichen und cen- 
tralen Riechmark. 

Das periphere, oberflachliche Riechmark stellt.die eigentlichen 
Fasern des Tractus olfactorius dar; es ist ein Biindel starker 
Fasern, die an der lateralen Oberflache des Tractus olfactorius 
sich bis in die untere Lippe an der Fissura rhinalis erstrecken, 
medial in kleinen Fascikeln sich in caudaler Richtung iiber die 
Rinde am Streifenhiigelkopfe ausbreiten. Das ganze Biindel zieht 
in sagittaler Richtung bis zur Rinde des Lobus pyriformis. Es 
kann dieses Biindel des Tractus olfactorius schon makroskopisch 
verfolgt werden (Fig. 45). 

Vor dem Tuberculum olfactorium teilen sich die Fasern des 
Tractus olfactorius in einen lateralen und in einen medialen Ast. 
Die umfangreichere laterale Tractuswurzel enthalt die grofe Mehr- 
zahl der Tractusfasern. 


Untersuchungen tiber das GroShirnmark der Ungulaten. 169 


Die mediale kleinere Wurzel biegt um die Rinde an der 
inneren Mantelkante nach einwirts und riickwarts um und verliert 
sich ahnlich, wie das bei den Carnivoren bekannt ist, an der 
Rinde der medialen Wandung bis gegen das Septum hin. 

Beide Tractusschenkel schliefen das Tuberculum olfactorium 
zwischen sich, eine flache, grauweife Erhabenheit, die sich von 
der riickliegenden Area perforata nicht deutlich abgrenzt. DEXLER 
(12) trennte beim Pferde noch eine mittlere Tractuswurzel ab, 
welche sich zum Tuberculum olfactorium erstrecken sollte; ich 
méchte diese Faserung unbedeutenden Umfanges der lateralen 
Wurzel zuteilen. Ein gesonderter Fascikel geht auch beim 
Schweine, bei welchem Tiere die Riechfaserung eine aufergewohn- 
liche Starke erreicht, in das Tuberculum olfactorium nicht tiber 
(Fig. 48). Bei diesem Tiere ist auch das Tuberculum olfactorium 
wenig mehr entwickelt als bei den iibrigen Ungulaten, jedenfalls 
aber bedeutend weniger als beim Maulwurfe, bei Monotremen oder 
bei Marsupialiern. 

Auch GANSER (25) hebt die geringe Anzahl der zum Tuber- 
culum olfactorium ziehenden Tractusfasern beim Schweine hervor 
und ZIEHEN (76) fabt diese wenigen Fasern zu einer besonderen 
Radix tubercularis olfactoria zusammen. 

Diesen oberflachlich liegenden Fasern des Tractus olfactorius 
stehen die tief gelegenen des centralen Riechmarkes gegeniiber. 
Dieses letztere setzt sich teils aus starken Biindeln, teils aus 
feineren Fascikelchen zusammen, die bis in den Bulbus olfactorius 
hinein zu verfolgen sind. Nach riickwirts teilt sich das centrale 
Mark in zwei Lager; das mehr lateral liegende umfangreichere 
erhalt bestindig einen neuen Faserzuzug von der Rinde des Lobus 
olfactorius und zwar von jener Stelle, welche von der lateralen 
Tractuswurzel bedeckt ist (Fig. 48). Dieses Faserbiindel greift 
mehrfach in das Gebiet der basalsten Stabkranzfasermassen tiber 
und steht auch in hinteren Ebenen mit der auferen Kapsel in 
Zusammenhang. Das mediale Biindel wendet sich in der Richtung 
gegen das Cingulum, an dessen Bildung es sich beteiligt; es um- 
faBt den basalen und medialen Abschnitt des Streifenhiigelkopfes 
und die Vorderhornspitze und steigt in der medialen Hemispharen- 
wand empor (Fig. 45, 48). Ein anderer Teil des medialen 
Biindels zieht nach riickwarts an der Rinde der Area bis in die 
Gegend des Chiasma opticum und mischt sich hier mit Fornix- 
fasern. Eine direkte Verbindung mit dem Sehhiigel oder dem 
Ammonshorne habe ich nirgends finden kénnen. 


170 Kaspar Schellenberg, 


Die Endigung der Tractusfasern geschieht somit: 1) am Tu- 
berculum olfactorium, an der Area perforata und am Lobus pyri- 
formis; 2) an der medialen und basalen Partie der Hemispharen- 
wand bis zum Septum hin. 

In beiden Endigungsbezirken riicken die Tractusfasern bis zur 
Pyramidenschicht vor und umfassen die dort oft zu Gruppen ge- 
stellten Pyramidenzellen. Wahrscheinlich splittern sie sich in ein 
dichtes Filzwerk auf, wenigstens ist dort eine reichliche Anhaéufung 
erauer Substanz zu beobachten. Die Verhaltnisse liegen hier ganz 
iihnlich wie sie GANSER (25) fiir die Rinde am Streifenhiigel kopf 
beim Maulwurfe beschrieben hat. 

Allem Anscheine nach gehen aus der lateralen Abteilung des 
centralen Riechmarkes starke Faserbiindel zur vorderen Kommissur 
ab. Auch vom centralen Riechmark her fliefen zu der Pyramiden- 
schicht des Lobus olfactorius massenhaft Fasern zu, welche die 
Zellenhaufen umfassen. 


29, Die Associationsfaserung 1m Frontalteil: 


Die bemerkenswertesten Eigenbestandteile des Lobus_ olfac- 
torius wurden im vorigen Abschnitte erértert. Wenn wir uns nun 
zu einem neuen Bestandteil wenden, so sind in erster Linie die 
Associationsfasern zu beriicksichtigen, welche teils aus der ersten, 
teils aus den anderen zwei Frontalwindungen hervorgehen (Fig. 45). 

Es sind namentlich die die einzelnen benachbarten Windungen 
verbindenden Fibrae propriae in stattlicher Anzahl vorhanden und 
verlaufen in zierlichen parallelen Ziigen. Eine starkere An- 
sammlung von solchen associativen Fibrae propriae findet sich in 
der Tiefe des Sulcus rhinalis anterior vor. 

Es sei auch an dieser Stelle erwaihnt, daf die Zonalfaser- 
schicht der Rinde der ersten Frontalwindung allmahlich in die 
Oberflache des Lobus olfactorius tibergeht und an letzterem Orte 
mit den Fasern des Tractus olfactorius lateralis zusammenflieBt 
(Fig. 45). 

Wie weit Associationsfasern in den Fuss des Stabkranzes 
iibergreifen, lift sich bei Betrachtung der Querschnitte nicht mit 
Sicherheit eruieren. Nach dem Umfange des Querschnittes der 
vorderen Partie der inneren Kapsel zu urteilen, ist die Zahl der 
langen Associationsfasern, welche noch Bestandteil des frontalen 
Stabkranzabschnittes bilden, jedenfalls keine sehr bedeutende. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 171 


3. Der frontale Stabkranz. 


Der Hauptbestandteil des Markkérpers im basalen Abschnitt 
des Frontalteiles wird durch ein miachtiges Querschnittsfeld ge- 
bildet, welches etwa zwei Dritteile der Héhe des Markes ein- 
nimmt und das der Hauptsache nach den frontalen Stabkranz in 
sich birgt (Fig. 45). 

Schon bei der Durchmusterung der Frontalschnittreihe lakt 
sich erkennen, daf aus simtlichen Windungen des Frontallappens 
und zwar hauptsiachlich aus den dem Frontalende naher gelegenen 
Gyri Radiirfasern in dieses Feld einstr6men und zwar auf dem 
kiirzesten Wege und in einfacher Reihenfolge. Der griéSte Teil 
dieses Faserquerschnittes, welcher in den Ebenen des Streifen- 
hiigelkopfes als frontaler Stabkranz bezeichnet werden darf, zieht 
direkt in die innere Kapsel iiber und wendet sich dem unteren 
Thalamusstiel zu. 

Die mehr medial gelegenen Abschnitte dieses Feldes scheinen 
teils in das Cingulum, teils in die Balkenfaserung tiberzugehen, 
wihrend die lateralen Bestandteile teilweise wenigstens Faser- 
anteile zum Fasciculus longitudinalis superior liefern. Eine scharfe 
anatomische Scheidung ist selbstverstiindlich ebensowenig wie beim 
Menschen modglich. 

Es ergiebt sich bei der Betrachtung der Frontalschnitte zur 
Evidenz, da8 der angedeutete frontale Stabkranzanteil beim Pferde 
besonders machtig entwickelt ist, mithin der reichen Rindenfaltung 
im Frontalhirn dieses Tieres Schritt hilt (Fig. 45). 

Im allgemeinen laft sich erwihnen, dali die Radiirfasern aus 
dem untersten Teil der 1. Frontalwindung und dem vorderen Teil 
der Insel sehr sparlich entwickelt sind. 


If. Das Mark des Parietalteils. 


1. Der Stabkranz des Parietallappens‘). 


Der Stabkranz des Pferdes ist verhialtnismafbig recht aus- 
eedehnt. Der frontale Stabkranzanteil, der in Vorstehendem aus- 
fiihrlicher behandelt wurde, erreicht ebenso wie der vordere Ab- 


1) Unter Parietallappen verstehe ich hier die Windungsgebiete, 
welche mit den Frontalschnittebenen des Balkens zusammenfallen. 


172 Kaspar Schellenberg, 


schnitt der inneren Kapsel einen weit gréSeren Umfang als wie 
der des Menschen. 

Der Stabkranz des Parietallappens entspricht so ziemlich der 
Grife des Sehhiigels. Es ist daher beim Pferde nicht nennens- 
wert kleiner als beim Menschen. Wie bei diesem, so fallt auch 
beim Pferde, bei letzterem vielleicht noch in héherem Grade, die 
Einstrahlung des Stabkranzes in Masse in den Sehhiigel auf 
(Fig. 46). Die den verschiedenen Sebhiigelabschnitten  ent- 
sprechenden Stabkranzanteile verlaufen ziemlich separiert ihrem 
Bestimmungsort entgegen. 

Die iibrige Masse des Stabkranzes (kleinerer Teil) senkt sich 
in den Pedunculus cerebri ahnlich wie beim Menschen, auch wird 
ihnlich wie beim Menschen die innere Kapsel durch Fasern der 
Linsenkernschlinge vom Pedunculus cerebri getrennt. In den 
Ebenen des Corpus Luysii ist der Pedunculus cerebri an Faser- 
zahl nahezu vollstindig und nicht wesentlich dinner als beim 
Menschen. Nach meinen Messungen betragt hier die Breite des 
Pedunculus 21 mm und seine Dicke 5 mm. Auf die weiteren 
Schicksale und Verainderungen in seinen Faserbestandteilen in 
caudaler Richtung werde ich spater eintreten. 

Kin kleiner Bruchteil der inneren Kapsel, die in diesen Ebenen 
durch die nimlichen Gebilde wie beim Menschen abgegrenzt wird, 
senkt sich in die Regio subthalamica und in den Markmantel des 
roten Kerns ein. 

In zierlicher Weise préasentiert sich die FEinstrahlung des 
hintersten Abschnittes der inneren Kapsel in das Pulvinar. Hier 
laBt sich der Uebergang der Stabkranzfasern in die genannte Seh- 
hiigelpartie auBerordentlich deutlich und besser als beim Menschen 
wahrnehmen. 

Von den Ebenen des Ueberganges des Seitenventrikels in das 
Unterhorn (Ebenen des Corpus geniculatum externum) an gliedert 
sich die Masse des Stabkranzes, die aus den occipitalen Win- 
dungen hervorgeht, resp. in dieselben zieht, in scharferer Weise ab. 

Die beziiglichen Biindel (laterales Mark des Corpus genicu- 
latum externum) erscheinen an Frontalschnitten quergetroffen. 
Der Hauptsache nach handelt es sich hier um das sagittale Occi- 
pitalmark, welches auch beim Pferde in drei Segmente grob ana- 
tomisch sich abgrenzt (Fasciculus longitudinalis inferior oder das 
Stratum sagittale ext., die eigentliche Sehstrahlung oder das 
Stratum sagittale internum und die sog. Balkentapete). Der Ge- 
samtquerschnitt des sagittalen Markes erreicht beim Pferde ab- 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 173 


solut ungefahr dieselbe Dicke wie beim Menschen, namlich an der 
breitesten Stelle 10 mm, indessen ist er beim Pferde weniger 
hoch. Auch vermift man beim Pferde die Kriimmung oder Um- 
biegung dieses Faserzuges in basaler Richtung, wie sie beim 
Menschen zu beobachten ist und bei diesem dadurch hervor- 
gebracht wird, daf die Strahlung sich der gebogenen Hinterhorn- 
wand anschmiegt. Beim Pferde ist das Hinterhorn nur eben an- 
gedeutet. 

Was die Ausdehnung der einzelnen Felder anbelangt, so 
scheint das Stratum sagittale externum relativ gleichgrof zu sein 
wie beim Menschen, wahrend das Stratum sagittale internum und 
die Balkentapete auch relativ die GréSe der menschlichen nicht 
erreichen (Fig. 47). 

Die Fasern des ganzen sagittalen Markes im mittleren 
Stratum, d. h. die eigentlichen Sehstrahlungen wenden sich vor 
allem auf dem kiirzesten Wege den occipitalen Windungen (be- 
sonders den medialen) zu. 

Beziiglich der occipitalen und parietalen Windungen ist her- 
vorzuheben, daf der Gyrus suprasylvius und ectosylvius be- 
sonders reich an Mark sind, auch in der dem Operculum des 
Menschen an die Seite zu stellenden Sylvischen Windung 1lagt 
sich (auch abgesehen von eigentlichen und bisweilen gabelférmig 
geteilten Markzungen dieser Windung) ein noch ziemlich breites, 
als ein Centrum ovale anzusprechendes und vom Stabkranz sich 
sonderndes Markgebiet erkennen. 

Diesen Windungsgruppen gegeniiber, welche die Hauptmasse 
in der Parietalgegend darstellen, erscheinen der Gyrus fornicatus 
und der Gyrus marginalis diinner und ihr Markgebiet zeigt auf 
dem Frontalschnitt eine geweihartige Form, d. h. es finden sich 
da schmale lange Markzungen mit mehreren gabelférmigen, in die 
Nebenwindungen eintretenden Teilungen (Fig. 46, 47). 

In der letztgenannten Windung ist nach meiner Schatzung 
vor allem die Zahl der Associationsfasern mittlerer Lange, 
welche benachbarte Windungen miteinander verkniipfen, eine 
auferordentlich geringe. Man sieht hier an Frontalschnitten fast 
ausschlieBlich radiar gegen den Stabkranz zu verlaufende Fasern, 
im Gegensatz zu den Verhiltnissen im Frontallappen, wo gerade 
die 1. Stirnwindung und andere dem Sulcus longitudinalis zuge- 
kehrte Windungen sehr breite Markzungen besitzen (Fig. 45). 
Nur von der Inselwindung, dem umgebogenen Teil der 1. Frontal- 
windung und dem Lobus pyriformis ist hervorzuheben, da sie 


174 Kaspar Schellenberg, 


ahnlich wie beim Menschen und wie es Voer (72) auch bei den 
Carnivoren und den Affen gefunden hat, sehr arm an Fasern sind. 
Im Gegensatz zum Frontallappen, wo an einzelnen Stellen 
ein Abgang von radiairen Fasern nur auf kurze abgebrochene 
Strecke oder gar nicht beobachtet werden kann, sind im Gebiete 
des Parietalhirns Windungen, welche eine reichliche Anordnung 
von radiaren, gegen den Stabkranz zu verlaufenden Biindeln ver- 
missen lassen (Projektions- und lange, gegen das Centrum ovale 
verlaufende Associations- sowie Balkenfasern), nicht vorhanden. 


III. Das Mark des Occipitallappens. 


Das Mark des Occipitalteils verraét beim Pferde eine relativ 
geroBere Ausdehnung als wie beim Menschen (Fig. 47). 

So sieht man in einer Entfernung von 116 mm von der 
Frontalspitze, abgesehen des hier ganz central gelegenen und 
ziemlich machtigen, auf dem Querschnitt ca. 16 mm hohen und 
12 mm breiten sagittalen Markes, noch durchwegs konzentrisch 
mit diesem ein 6—8 mm (Entfernung zwischen dem _lateralen 
Rande des sagittalen Markes und den Windungsthalern der Nach- 
barschaft) breites Feld des Centrum ovale, welches sich occipital- 
warts nur allmahlich erschépft, aber noch bis zu einer Entfernung 
von 124 mm von der Frontalspitze durch seine relativ reiche 
Ausdehnung imponirt. Erst 126 mm von der Frontalspitze, d. h. 
erst etwa 12 mm von der Occipitalspitze, verschwindet das Centrum 
ovale des Occipitallappens von der Bildflache. 

Was den Reichtum der Fasern in den einzelnen Markzungen 
anbetrifft, so prasentieren sich die lateral gelegenen occipitalen 
Windungen einschlieSlich der basalen Windungsgruppen (Gyr. 
sylvius) als bei weitem die markreichsten. Demgegeniiber sind 
die an der medialen Seite der Konvexitét gelegenen Windungen 
wiederum an Nebenwindungen reich und enthalten ahnlich wie 
die medialen Windungen des Parietallappens lange und schmale, 
sich bisweilen gabelférmig teilende Markzungen (Fig. 47). 

Soweit man bei bloBer anatomischer Durchmusterung der 
Schnittreihe entscheiden kann, finden sich auch in saémtlichen 
Windungen des Occipitallappens, wenn auch in ungleicher Weise, 
gegen den Stabkranz zu verlaufende radiire Bindel. Auf den 
Querschnitten 15—20 mm von der Occipitalspitze nach vorn ver- 
teilt sich der Markkérper in den hier massenhaft noch durch 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 175 


Seitentaschen der Furchen durchbrochenen Schnittebenen wie ein 
kompliziertes Ast- oder Geweihwerk, d. h. er besteht aus lauter 
in der Dicke auferordentlich wechselnden, gegen die Windungs- 
kuppe zu sich verschmilernden Markzungen, die sich selbstver- 
stindlich aus in verschiedener Richtung durchtrennten Fasern, 
namentlich aber aus schrag getroffenen Fasern zusammensetzen. 


IV. Der Balken. 


Der Balken setzt sich bei den Ungulaten wie beim Menschen 
aus dem Knie mit dem Schnabel, aus dem Koérper und aus dem 
Wulst zusammen. Die Gesamtlange des Balkens betraigt beim 
Pferde 65 mm; er erreicht im Knie eine maximale Dicke von 
5 mm, im Korper eine solche von 3 mm und am Wulst eine 
solche von 4,5 mm. 

Um den Balken in seiner feineren Gestaltung klar zu_ iiber- 
sehen, ist es empfehlenswert, ihn an einer Frontalschnittserie zu 
studieren. 

Wenn wir durch die vordere Ebene des Streifenhiigelkopfes 
einen Querschnitt anlegen, da wo der Balken in seiner Masse im 
Knie getroffen wird, dann sieht man die dorsale Halfte der Bal- 
kenfaserung in derben Ziigen in die beiden Hemisphiren aus- 
strahlen und den Stabkranz, beziehungsweise das Centrum ovale 
durchbrechen, um sich auf diese Weise den Endzielen in den 
verschiedenen Windungen der Konvexitaét zu nahern (Fig. 48, 52). 

Der ventrale Abschnitt, das Rostrum, sendet basalwirts je 
einen starken Fortsatz, welcher sich in die basalen medialen Win- 
dungen nach vorn und riickwarts ergiebt. 

Der dorsale Abschnitt der Balkenfasern zieht in leicht dorsal- 
konkavem Bogen tiber die Mantelspalte hin, er grenzt Vorderhorn 
des Seitenventrikels und Fasciculus subcallosus nach unten ab. 
Die Rostrumfaserung liegt dagegen medial unter dem Ependym 
des Vorderhorns. 

Die Verlaufsrichtung der Fasern in beiden Abschnitten des 
Balkenkniees ist eine verschiedenartige. Die Fasern durchflechten 
sich in ziemlich groben Fascikeln und auf den verschiedenen Héhen 
in ungleicher Weise, so dafi man fortwihrend schrag und langs- 
getrofienen im Rostrum auch quergetroffenen Biindeln begegnet. 
— Eine genaue Verfolgung der Balkenfasern in die Markzungen 
der Windungen ist auf anatomischem Wege _ selbstverstindlich 


176 Kaspar Schellenberg, 


nicht méglich. Aus dem Faserreichtum und der Faserrichtung in 
den Markzungen laBt sich aber schlieSen, da Balkenfasern auch 
in sie reichlich eintreten. 

An dieser Stelle sei auch daran erinnert, daf ein Teil der 
zwischen Rostrum und medialer Rinde verlaufenden feinen Fasern 
nach vorn ziehen, den Balken umgreifen, um teils in den Faser- 
zug der als Stria longitudinalis bezeichnet wird, teils in 
das Cingulum tiberzugehen (Pedunculus corporis callosi) (Fig. 45). 

Die Strahlung des Rostrums wird auf Frontalschnitten nach 
riickwarts successive schmaler, sie trennt sich schlieSlich vom 
Balkenkorper, resp. wird hier durch das beginnende Septum pellu- 
cidum abgedrangt, um sich etwa in der Schnittebene der vorderen 
Kommissur ganzlich zu verlieren, indem die beziiglichen Fasern 
in die mediale Rinde der Basis eindringen. 

Der vom Balkenknie aus gegen den Frontallappen zustrebende 
kompakte Markfortsatz, der Forceps anterior, welcher der 
Vorderhornspalte anliegt und von der medialen basalen Rinde des 
Frontallappens durch eine schmale Markwand aus Associations- 
fasern bestehend getrennt wird, verlauft in gerader Richtung bis 
gegen die Frontalspitze hin, um sich allmahlich strahlenartig gegen 
die verschiedenen Frontalwindungen, insbesondere in die medialen 
zu ergiefen. Dementsprechend wird der beziigliche Querschnitt 
frontalwarts successive kleiner, wahrend die dazwischenliegende 
Markwand an Ausdehnung langsam zunimmt. 

Ein kleinerer, mehr lateral gelegener Fortsatz des Balken- 
kniees wendet sich zunachst dorsal von der Vorderhornspitze und 
zwar oberhalb eines Faserquerschnittes, welcher scheinbar die 
anatomische Fortsetzung des Fasciculus subcallosus darstellt, um 
allmahlich mehr lateralwarts sich zu wenden und sich strahlen- 
formig in den lateralen und dorsalen Windungen des Frontallappens 
aufzulésen. Dieser Abschnitt mischt sich zweifellos mit der Masse 
der Stabkranzfaserung, von der er bald nach seinem Abgang ana- 
tomisch nicht mehr gesondert werden kann (Fig. 45). 

Ob der die anatomische Fortsetzung des Fasciculus sub- 
callosus bildende, frontalwarts ein Stiick weit an Umfang zu- 
nehmende Faserfortsatz auch noch Balkenfasern in sich aufnimmt, 
]aBt sich anatomisch nicht entscheiden; sicher ist indessen, dal 
an der ca. 3 cm von der Frontalspitze entfernt liegenden Frontal- 
schnittebene im Gebiet des Frontalmarkes und im Centrum ovale 
ein miachtiges Faserquerschnittfeld sich abgrenzen laft, in dem 
mit Riicksicht auf die verschiedene Schnittrichtung anatomisch 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 177 


drei Strata unterschieden werden kénnen: ein mediales, ein 
inneres und ein laterales, und daf das mediale fast ausschlieflich 
aus Balkenfasern (frontaler Balkenforceps), das mittlere und das 
laterale zum kleineren Teil aus Balkenfasern, zum gréBeren Teil 
aus dem Stabkranz und dem Fasciculus subcallosus zugehérenden 
Fasern sich zusammensetzt. Bis zu einer Entfernung von 2 cm 
von der Frontalspitze la8t sich das soeben geschilderte centrale 
gemischte Querschnittsfeld (sagittales Frontalmark) noch einiger- 
mafien scharf von der tibrigen Markmasse abgrenzen, eine Schei- 
-dung in besondere Strata ist aber hier bei dem Faserwirrwarr 
nicht mehr moéglich. Die Grenzen verstreichen sich wahrscheinlich 
deshalb, weil die Fasern des Fasciculus subcallosus sich hier in 
losen Ziigen zerstreuen und zwischen die anderen langen Fasern 
des Frontalmarkes hineindringen. Die anatomischen Verhiiltnisse 
im Frontalmark liegen somit beim Pferde ahnlich wie beim Men- 
schen, bei dem ebenfalls drei Strata des centralen Markes im 
Frontallappen sich vorfinden und bei dem die Fortsetzung und 
Aufsplitterung des Fasciculus subcallosus frontalwarts in gleicher 
Weise vor sich geht. Nur der mediale Forceps ist beim Menschen 
wesentlich miachtiger als beim Pferde, wahrend das innere und 
das laterale Stratum einen kleineren Querschnitt zeigen, die somit 
den Umfang wie beim Pferde nicht erreichen. 

Die im Bereich des Parietallappens liegenden Querschnitte 
des Balkenkérpers zeigen fast durchweg eine ungefahr gleiche 
Dicke, erst gegen das Splenium hin tritt eine Abnahme = ein 
(Fig. 46). 

Die Art der Faserdurchflechtung des Balkens in der Mantel- 
spalte und innerhalb des Centrum ovale ist so ziemlich auf allen 
Schnitten eine ganz ahnliche. Man sieht durchweg grébere und 
feinere Fascikel des Balkenkérpers sich durchflechten, nur selten 
und mehr in occipitalwarts gelegenen Ebenen zeigt sich eine An- 
lage von parallelen Fasern. Die Verbreitung der Fasern im Cen- 
trum ovale verrat oft eine zierliche Divergenz, so daf die beziig- 
lichen Biindel noch stiickweise gegen die lateralen und medialen 
Windungen verfolgt werden kénnen. 

Es sei noch hervorgehoben, daf der gesamte Balkenkérper, 
zumal in der naichsten Umgebung der Mantelspalte, durch mehr- 
fach zerkliiftete, longitudinal ziehende Fascikel durchbrochen wird, 
die bis in die Ebenen der Commissura hippocampi verfolgt werden 
kénnen, wo sie an Zahl eher noch zunehmen. Es handelt sich 


da um Faserbiindel, welche dem Fornix dorsalis angehéren. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIU. 12 


178 Kaspar Schellenberg, 


Vom Ende des Balkenkniees ab senkt sich je ein weniger 
machtiger Fortsatz als der frontale Balkenforceps, der Forceps 
posterior, in den medialen Markkorper. Er spaltet sich, nach- 
dem er die Rinde des Gyrus fornicatus durchbohrt hat, in zwei 
Anteile (Fig. 47), von denen der miachtigere dorsale sich lateral 
und dorsal vom Seitenventrikel schlagt, um sich teils den Win- 
dungen der Konvexitat, teils der Occipitalspitze zuzuwenden und 
sich dann im Bereich des Querschnittes des sagittalen Occipital- 
markes zu verlieren, bezw. mit dessen Fasern zu mischen. In 
welchem der drei Strata des Occipitalmarkes die Balkenfasern am - 
reichlichsten vertreten sind, ]aBt sich nur annahernd schitzen, 
wahrscheinlich senken sich nur wenige in das Stratum sagittale 
internum. Zur Balkentapete habe ich vom Forceps posterior aus 
entgegen der Annahme Drexuer’s (12) keine Fasern ziehen sehen. 

Der andere Teil zweigt medial und basalwarts ab und giebt 
unterwegs eine Reihe von Biindeln an die mediale Rinde ab, 
wahrend die Grofzahl, dem zuerst erwahnten Anteile an Faser- 
zahl nachstehend, sich in occipitaler Richtung dem Seitenventrikel 
medial anliegend als isoliertes Biindel successive unter Abgabe 
von Fasern an die medialen Windungen erschopft. 

An den Balkenwulst legen sich ventral die Fasern der Com- 
missura hippocampi an. 


V. Das Septum. 


Unter Septum pellucidum beim Menschen versteht man die 
dem Vorderhorn des Seitenventrikels zugekehrte mediale Hemi- 
spharenwand und speziell die lediglich aus weifer Substanz be- 
stehende Fortsetzung der Rinde, welche sich nach oben dem 
Balken anlegt. 

Das Septum pellucidum erfahrt hinsichtlich seiner Ausgestal- 
tung in der Saugetierreihe abwirts eine Reihe von Modifikationen. 
Wahrend wir beim Menschen zwei durch einen Ventrikelraum 
(VerGA’scher V.) geschiedene Markplatten finden, die nur in den 
vordersten Ebenen basalwarts in Zusammenhang mit der Rinde 
treten, um in occipitaler Richtung basalwarts an die centrale 
graue Substanz Anschlu8 zu finden, die ferner in den Ebenen der 
Einstrahlung der Fornixsiéule ins Tuber cinereum sich stark ver- 
kiirzen, d. h. vor den Schenkeln des Fornix, zwischen diesen und 
dem Balken in stark reduziertem Umfange weiter verlaufen, um 


Untersuchungen tiber das GrobBhirnmark der Ungulaten. 179 


in den vorderen Ebenen des Sehhiigels allmahlich zu verschwinden, 
resp. in den Balken tiberzugehen, stellt das Septum pellucidum 
bei den Nagern ein Stiick wirklicher Hemisphaérenwand mit Rinde 
dar und finden sich hier die Markfasern gegentiber der grauen 
Substanz in einer betrachtlichen Minderzahl. Die graue Substanz 
des Septums reicht dort bis zum Balken und ein Ventrikel zwischen 
den beiden Septumblattern laBt sich nirgends konstatieren. 

Das Ungulatengehirn zeigt beztiglich der Bildung des Septums 
Verhaltnisse, die zwischen denen des Menschen und denen der 
Nager liegen. Das Septum pellucidum beim Pferde nimmt seinen 
Anfang an der occipitalwarts konkaven Kriimmung des Balken- 
rostrums. In den vordersten Ebenen sieht man nur eine sehr 
schmale Markwand des Septums, in welcher ein Ventrikel nicht 
nachweisbar ist. Eine genauere Scheidung seiner Fasern vom 
Rostrum ist anatomisch nicht gut médglich. Auch beim Pferde 
sieht ‘man wie beim Menschen einen successiven Uebergang der 
Septumfasern in die mediale Hemisphirenwand, so da das Septum 
und die Rinde die mediale Wand an der Vorderhornspalte dar- 
stellen. Nur ein kurzes Stiick des Septums besteht lediglich aus 
Markfasern, der gré8te Teil setzt sich ahnlich wie bei den Nagern aus 
der Rinde der medialen Hemisphirenwand zusammen. Mit dieser 
letzteren tritt das Septum in engere Beziehungen, um sich dann 
vor den Fornixschenkeln und mit diesen nach oben und occipital- 
warts gegen den Balken hin fortzusetzen und sich nach Bildung 
einer diinnen, kurzen, Jongitudinal gestellten Scheidewand zwischen 
Fimbria und Balken allmahlich in diesem zu erschépfen. Der 
verdiinnte, lediglich aus weifer Substanz bestehende Abschnitt des 
Septums besitzt beim Pferde im Maximum eine Dicke von 3 mm 
(beide Wande) am geharteten Gehirn. Bei der Ziege und beim 
Schafe ist die doppelseitige Wand selbstverstandlich wesentlich 
diinner und betragt ca. 0,8 mm (Fig. 50, 53). 

Das Septum pellucidum stellt in seinem Markabschnitt Faser- 
verbindungen dar, die aus recht verschiedenen Komponenten be- 
stehen und unter denen die Bestandteile des Fornix den Haupt- 
bestandteil ausmachen. 

Wie bereits friiher bemerkt, sieht man in jeder Halfte der 
medialen Hemispharenwand basalwirts die Rinde teils durch- 
querende, teils in derselben sich zerstreuende Biindel, die auf 
Frontalschnitten meist der Linge nach getroffen werden. Manche 


derselben endigen in der Rinde an der Basis (Olfactoriusrinde) 
12% 


180 Kaspar Schellenberg, 


und im centralen Hohlengrau der Umgebung des Chiasma opticum 
oder nehmen von dort ihren Ursprung (Pedunculus septi pellucidi). 

Auch K6LiLIkER (34) konnte beim Kaninchen diese Biindel 
bis zum Lobus olfactorius hin verfolgen. Die zahlreichen Ganglien- 
zellenhaufen, welche im verdickten Septum und im Tuberculum 
olfactorium sowie in der Area perforata vorhanden sind, werden 
auch bei Ungulaten von diesen Biindeln férmlich umsponnen. Dab 
auch Fasern des Septums noch weiter nach riickwairts bis zur 
Amygdala, zum Temporallappen oder gar zum Thalamus ziehen, 
wie HoneGGer (31) und E. Smirx (67) annahmen, kann ich nach 
meinen Untersuchungen bei Ungulaten nicht bestitigen. Ebenso- 
wenig war ich imstande, eine Verbindung der Septumfaserung zur 
Spitze des Gyrus hippocampi zu finden. Meine Befunde bei den 
Ungulaten schlieBen sich beziiglich der basalen Endigung der 
Septumfaserung (vorderes Ringbiindel von ZieHEN [76] und Fasci- 
culus praecommissuralis von E. Smira [67], Pedunculus  septi) 
vollstandig an diejenigen von K6nLuinikeEr (34, 35) (Katze, Kanin- 
chen, Maus) und ZieHEN (76) (Monotremen und Marsupialier) an. 

Nach oben verbreiten sich die Septumfasern an den Seiten- 
teilen, dringen zwischen die Balkenfasern ein und durchqueren 
diese. Die bis zum Balkenknie sich erstreckenden Fasern ent- 
sprechen dem nasalen Gewolbeschenkel, den Martin (47) bei der 
Katze beschrieben hat. Ein kleinerer Faseranteil des Septums 
durchsetzt den Balken in der Medianlinie; ein gréferer Anteil 
schiebt sich, wie ich mich mit aller Deutlichkeit iiberzeugt habe, 
gegen die Basis des Gyrus fornicatus hin, indem er durch die 
Balkenfasern sich schrag nach oben Bahn bricht. Die zuerst er- 
wahnten Faserbiindel schlieBen sich den Striae longitudinales an, 
die letzteren lateralen verlieren sich im Marke des Gyrus forni- 
catus und gegen das Cingulum hin. 

Aus der Richtung der Fasern im Frontalschnitt lift sich der 
Verlauf der den Balken perforierenden und der iibrigen Septum- 
fasern annahernd erkennen. Im vorderen Abschnitte des Septums 
ziehen die Biindel mehr senkrecht zum Balken, wahrend die mehr 
occipital gelegenen Abschnitte einen mehr der sagittalen Richtung 
sich nahernden Verlauf annehmen und sich der Faserung des 
Fornix dorsalis auflagern. Ich habe in keinem Falle eine Kreuzung 
der Septumfasern erkennen kénnen. Wenn sich der eigentlichen 
Septumfaserung gekreuzte Fasern beimischen, so gehéren diese 
dem Fornix an. 

A. Meyer (48) bringt in seiner Arbeit p. 477 die Bemerkung, 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 181 


daf die graue Substanz des Septums nicht den Charakter der 
Rinde aufweise. Demgegentiber méchte ich hervorheben, daf die 
graue Substanz des Septums den Charakter der Rinde der medialen 
Hemisphirenwand bei Huftieren ganz ausgesprochen zeigt (Schichten 
pyramidenformiger Zellen verschiedenen Umfangs). Aber auch fiir 
das Kaninchen und die Katze liegen die naimlichen Verhiltnisse 
vor wie bei den Ungulaten. Von einem Bau, wie er in den 
centralen Ganglien vorhanden ist, kann bei dem Rindeniiberzug 
der Septumwand nirgends die Rede sein, doch ist einzuraéumen, 
dali die Rinde des Septums successive in die Area perforata 
tibergeht. 

Auch DEXxLEr (12) betrachtete die graue Substanz des Septums, 
die er als besonderen Nucleus septi pellucidi zusammenfabte, als 
eine vom Kopfe des Streifenhiigels abgespaltene Partie. Daf es 
sich jedoch hier um eine richtige Hirnrinde handelt, ist oben be- 
reits hervorgehoben worden. 

Mit Bestimmtheit konnte ich mich davon iiberzeugen, daf 
zerstreute, sowohl dem Septum als der Fornixformation entstam- 
mende Biindel da und dort in die Balkenfaserung sich er- 
gieBen, resp. den Balken mit aufbauen helfen. Diese wurden von 
HonreGGER (31) und spiter auch von A. MEYER (48) bestritten, 
meiner Ansicht nach aber mit Unrecht. In dieser Frage muf ich 
mich auf die Seite von GANSER (25) und KOLLIKER stellen, die 
den meinigen ahnliche Beobachtungen am Maulwurf (GANSER) und 
an Kaninchen, Katzen und am Menschen (KO6LLIKER) mitgeteilt 
haben. Auch Brevor (3) beobachtete bei Affen, dafi die Septum- 
fasern den Balken durchbrechen. 

Wohin die aus dem Septum kommenden und den Balken 
perforierenden Fasern ziehen, la8t sich auf anatomischem Wege 
selbstverstindlich mit Bestimmtheit nicht feststellen, wohl aber 
lat sich ein Uebergang solcher Fascikel bei allen untersuchten 
Ungulaten und zumal an Pat-Priparaten mit aller gewiinschten 
Sicherheit erkennen. Ich halte bestimmt dafiir, daB die beziig- 
lichen Biindel sowohl zur Stria longitudinalis ziehen, als auch in 
noch gréferer Zahl im Gyrus fornicatus sich zerstreuen (Anteile 
des Fornix dorsalis). 

Die Angabe K6LLIKER’s (35), daf die in der Medianlinie des 
Balkens perforierenden Biindel ausschlieBlich zur Fornixsaule ziehen, 
die lateralen dagegen, d. h. die zum Gyrus fornicatus abzweigen- 
den, ausschlieSlich zur Septumfaserung (Riechstrahlung ZucKkeEr- 
KANDL’s) gehoren, trifft fiir die Ungulaten nicht zu. Woher diese 


182 Kaspar Schellenberg, 


lateralen Fibrae perforantes kommen, dariiber giebt KOLLIKER nur 
Vermutungen an. Neben den zum Fornix dorsalis (F. superior 
KO6LLIKER’s) gehérenden Fasern, welche die Gro8zahl der Septum- 
fasern in sich schlieSt, entstammt eine geringere Zahl aus dem 
Fornix ventralis (inferior K6LLIKER’s). Daneben handelt es sich 
meines Erachtens wie in anderen anatomisch geschlossenen und 
scheinbar einheitlichen Faserziigen noch um wechselnde und ver- 
schiedenartige Bestandteile, deren weitere Zusammensetzung auf 
rein anatomischem Wege nicht erschlossen werden kann. 

Aus der Arbeit von F. RurisHauser (63) (sekundare Degene- 
ration nach doppelseitiger Abtragung des Frontalendes und der 
basalen Abschnitte) geht hervor, da’ das Septum pellucidum des 
Affen von dem basalen Rindengebiet des Frontallappens abhangig 
ist und da die beziiglichen Biindel, welche den Schnabel des 
Balkens durchbohren, zur Stria longitudinalis ziehen und mit dem 
Gyrus fornicatus in Verbindung treten. Im weiteren ergiebt sich 
aus dieser Arbeit, daf der Gyrus fornicatus und die Stria longitu- 
dinalis eine Ursprungsstelle des Fornix dorsalis darstellen. Eine 
noch feinere Analyse der Septumfaserung la8t sich indessen aus 
dem Versuche von RUTISHAUSER nicht ableiten. 

Daf die Septumfasern thatsichlich mit ihrem Rindentiberzug 
in engem Zusammenhang stehen und somit Projektionsfasern ent- 
halten, geht aus einem Versuchsergebnisse v. Monakow’s (55) 
mit Bestimmtheit hervor. v. Monakow fand namlich bei einem 
einer Hemisphaire beraubten Hunde im Anschluf an die Verletzung 
der basalen Partie die gleichseitige mediale, das Septum noch ent- 
haltende Hemisphirenwand teilweise und die Septumfasern selbst 
atrophisch. Es ist dies ein Befund, welcher dem RuTISHAUSER- 
schen ganz an die Seite zu stellen ist. 


VI. Der Fornix. 


Wie bereits friiher hervorgehoben wurde, zeigt das Ammons- 
horn bei den Ungulaten einen ganz ahnlichen Bau wie bei den 
Carnivoren. Es stiilpt sich die hintere Partie des Sehhiigels um- 
fassend in den Seitenventrikel hinein und es erstreckt sich die 
dem Sehhiigel dorsal anliegende Partie ungefahr bis zu den 
vorderen Ebenen des Sehhiigels (ventraler Hippocampusbogen), 
(Fig. 46, 54), indem sie sich von der Mitte des Sehhtigels an 
langsam erschépft, resp. um das Balkensplenium herum auf die 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 183 


Oberfliche des Balkens sich umschligt (dorsaler Hippocampus- 
bogen). Der dorsale und der unter dem Balken liegende umge- 
knickte Teil der Ammonsfalte sind jedoch bei Ungulaten stark 
reduziert infolge der bedeutenden Entwickelung des Balkens 
gegentiber der gleichen Bildung bei Marsupialiern. 

Die dem Sehhiigel zugekehrte Rinde des Ammonshorns der 
einen Hemisphire geht mit einer breiten Platte ohne Unter- 
brechung in die Rinde der anderen Hemisphare iiber. Es ist 
dieser basale Rindeniibergang (Uebergangswindung der Fascia 
dentata) dem dorsal vom Balken gelegenen, wo die Rinde eines 
Gyrus fornicatus in diejenige des anderen tibergeht, an die Seite 
zu stellen (Fig. 46, 54). i 

Aus dem Ammonshorn und zwar sowohl aus dem Alveus als 
im kleineren Umfange aus dem Subiculum laft sich ein nach vorn 
stetig wachsender die Ammonshornrinde begleitender Faserzug 
verfolgen. Es ist das die basale Wurzel der Fimbria, welche von 
dem in den Seitenventrikel eingestiilpten Teil des Ammonshorns 
fortwaihrend neuen Faserzuzug erhalt und das hinterste Ende des 
Fornix ventralis darstellt (Fig. 46, 51, 54). 

In den Ebenen durch die hinteren Abschnitte des duberen 
Kniehéckers sieht man bereits ventral vom Balkensplenium und 
von diesem anatomisch schwer zu trennen eine michtige Faser- 
kommissur, welche die beiden Ammonshérner miteinander ver- 
bindet. Diese Ammonshornkommissur, Commissura hippocampi 
(Psalterium dorsale), welche nur unscharf von den lokal hinzu- 
tretenden Fasern der Fimbria zu sondern ist, nimmt ihren Ur- 
sprung, soweit man tibersehen kann, gréBtenteils aus dem Alveus. 
Einige Millimeter weiter nach vorn zeigt sich eine scharfere 
Sonderung der Kommissur von dem Anteil des Fornix dorsalis 
(Fornix longus von FoREL), welcher zwischen Balken und Kom- 
missur gelagert eine longitudinale Richtung einschlagt, wahrend 
die Kommissurenfasern, die nach vorn an Zahl stetig abnehmen, 
quer zur anderen Seite verlaufen (Fig. 46, 51, 54). 

Wahrend nun die Commissura hippocampi etwas mehr fron- 
talwairts sich allmahlich erschépft, zieht die Masse des Fornix 
dorsalis frontalwarts, stetig wachsend, aber ventralwarts noch von 
der Ammonsrinde und dorsal vom Balken umschlossen, bis sie sich 
in den Ebenen des Corpus Luysii (Frontalschnitte) mit dem von 
der Basis des Ammonshorns herkommenden Anteil der Fimbria 
vereinigt. 

Der von der basalen Partie des Ammonshorns herkommende 


184 Kaspar Schellenberg, 


Teil der Fimbria legt sich der in den Seitenventrikel eingestiilpten 
Partie lateral an und findet sich somit im Winkel zwischen dem 
Schweif des Nucleus caudatus und dem Fasciculus subcallosus der 
Hemisphire anliegend. In den vordersten Frontalebenen des 
Ammonshorns liegt der ganze Querschnitt der Fimbria nebst dem 
Fornix dorsalis vereinigt da, immerhin Jat sicht letzterer als ein 
unpaariges, in der Medianlinie und oft nur durch ein kurzes Sep- 
tum vom Balken getrennt liegendes Biindel rein quergeschnittener 
Fasern ziemlich scharf von der Umgebung abgrenzen. Der seitlich 
vom Fornix dorsalis liegende Fimbriaanteil bildet einen leichten 
Haken (Fig. 49), auch sieht man auf einer Reihe weiter nach 
vorn liegender Schnittebenen deutlich eine Kreuzung von der 
einen Seite zur anderen und ventral vom Fornix dorsalis ver- 
laufen. Es werden demnach die am meisten medial gelegenen 
Fasern der Fimbria der Linge nach getroffen (Psalterium ventrale) 
(Fig. 49). 

In den vordersten Ebenen des Sehhiigels vereinigen sich die 
beiden basalen Anteile der Fimbria zu einer im Querschnitt lang- 
lich-ovalen, beim Pferde ca. 15 mm breiten und etwa 3 mm 
dicken Markplatte. Der Fornix dorsalis, welcher als unpaariger 
runder Querschnitt ventral vom Balken liegt, strebt in dieser 
Richtung frontalwarts, wird jedoch bald von dem nach rickwarts 
sich vorschiebenden Septum vom Balken abgedraingt. Die Fasern 
des Fornix dorsalis durchbrechen in verschiedenen Hoéhen den 
Balken bis zum Wulste hin, indem sie je in die linke und rechte 
Balkenhilfte mit feinen Fascikeln eindringen. Es nimmt somit 
der Fornix dorsalis, wie friiher schon angedeutet wurde, aus dem 
oberen tiber dem Balken umgeschlagenen Hippocampusbogen und 
aus der dem Balkensplenium zugekehrten Rinde des Ammonshorns 
seinen Ursprung. 


Auf diesem vergleichend anatomisch durchaus richtigen Ge- 
sichtspunkte iiber den Ursprung der Fornixfaserung aus dem 
Hippocampusbogen basiert auch die von E. SmirH (67) aufgestellte 
Einteilung des Fornixsystems, die ich als fiir die Ungulaten durch- 
aus zutreffend acceptieren méchte. Sie fallt im wesentlichen mit 
der von K6LLIKER (34) aufgestellten Einteilung zusammen. Ks 
enthalt demnach der Fornix ventralis gekreuzte und ungekreuzte 
Fasern, die bei der Balkenentwickelung nicht beriihrt werden und 
aus dem hinteren Hippocampusbogen stammen (Fimbria), wahrend 
die Fasern des Fornix dorsalis, die ungekreuzt sind, durch die 


Untersuchungen itiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 185 


Balkenentwickelung in ihrem Verlaufe gestért werden, d. h. den 
Balken perforieren miissen. 

Vor der Abzweigung der Fimbria in die Fornixschenkel findet 
die Kreuzung der Fasern des Fornix ventralis statt. 
Bekanntlich hat GuppEN (28) dieses gekreuzte Biindel beim Ka- 
ninchen experimentell abgegrenzt. Bei den Ungulaten ist die Zahl 
der die Medianlinie tiberschreitenden, sich kreuzenden Fasern ver- 
haltnismafig sehr machtig und auf eine grofe Reihe von Schnitten 
verteilt; es besteht also eine langgezogene Kreuzung, wie das 
bereits von ZieHEN mit Recht hervorgehoben wurde. Die Kreu- 
zung beginnt bei den Ungulaten unmittelbar vor dem Ammonshorn 
und erst nach Vollendung der Commissura hippocampi. Die mehr 
medial gelegenen Biindel der Fimbria kreuzen sich zuerst, die 
darauf folgenden in mehr frontalgelegenen Kbenen und die am 
meisten lateralzichenden sind héchst wahrscheinlich die Bestand- 
teile des oberen gekreuzten Fornixbiindels von GuppEN, welche 
am meisten frontal vor dem Uebergang in die Fornixschenkel 
kreuzen. Somit erstreckt sich die Kreuzung der Fimbria wesent- 
lich weiter als die kleine Kommissur der Ammonshérner, welch 
letztere in der Saiugetierreihe aufwarts bestandig an Faserreichtum 
zuriickgeht. Auf Frontalschnitten ist beim Pferde nirgends die 
Kreuzung neben der Kommissur zu treffen, wie das beim Kaninchen 
der Fall ist. 

Endlich sei noch einmal hervorgehoben, daf die hintere Partie 
des Balkenspleniums bei den Ungulaten wie bei anderen Saugern 
nicht nur Balken-, d. h. Mantelfasern, sondern auch in sehr reicher 
Menge Ammonshornfasern enthalt und zwar sowohl solche, die der 
Commissura hippocampi angehéren, als auch Anteile, die vom 
Fornix dorsalis zum oberen Hippocampusbogen ziehen. 

Neuere Autoren (SmitH [67], Zienen [76]) nehmen an, dal 
die Commissura superior der Monotremen und Marsupialier teils 
dem Balken, teils der Commissura hippocampi der héheren Saiuger 
entspreche. In der That gehen beide Anteile am Splenium in 
einander iiber und es verlaiuft auch bei den Ungulaten die Com- 
missura hippocampi ventral an das Splenium anschliefSend in einer 
Weise, daS eine anatomische Scheidung zwischen ihr und dem 
Balkensplenium unméglich ist. Die Ausdehnung der Commissura 
hippocampi betragt in frontaler Richtung beim Pferde 15 mm, 
bei den anderen Ungulaten ist sie entsprechend kleiner, am_ kiir- 
zesten beim Schweine (8 mm). 

Der Annahme Honeccer’s (31), dal das Tapetum Fasern 


186 Kaspar Schellenberg, 


aus dem Fornix dorsalis in sich aufnehme, kann ich nicht bei- 
stimmen, ebensowenig wie derjenigen Annahme desselben Forschers, 
daf der Fornix dorsalis in irgendwie nachweisbarer Weise an 
der Bildung des Fasciculus subcallosus beteiligt sei. Ich habe 
auf diese Punkte hin wiederholt die Praiparate mit aller Sorgfalt 
durchgesehen und eine anatomische Grundlage fiir diese Annahme 
nicht finden kénnen. Uebrigens stehen der HonEeGGEr’schen An- 
nahme auch meine spéiter mitzuteilenden experimentellen Befunde 
entgegen. 

Die Masse der Fimbriafasern wendet sich immer noch nicht 
scharf paarig tiber dem vordersten Abschnitte des Sehhiigels wie 
bei allen héheren Saéugern basalwarts; sie giebt auf dieser Wan- 
derung eine Menge von Fasern ans Septum und an die mediale 
Hemisphaérenwand ab. Hervorzuheben ist besonders, dafi sich die 
anschlieSenden Fornixschenkel bei den Huftieren infolge der fron- 
talen Entwickelung des Ammonshorns, das sich ja unter dem 
Balken bis auf die Mitte des Sehhiigels nach vorn schiebt, gegen- 
tiber den gleichen Gebilden beim Menschen auferst verkiirzt 
haben. Sie durchschneiden kurz vor dem Eintritt der vorderen 
Kommissur die mediale Hemisphirenwand der Lange nach, schei- 
den sich da links und rechts je in ein getrenntes Biindel, welches 
in die eigentliche Fornixsaule fortsetzt. Die Fornixséulen biegen 
nach riickwarts um und verlaufen hinter der vorderen Kommissur 
gegen das centrale Héhlengrau und das Tuber cinereum (Fig. 53, 
49). Ueber die weiteren Schicksale der gekreuzten und unge- 
kreuzten Biindel der Fornixsiule (Fasciculus postcommissuralis 
von SmitH, Fasciculus anularis posterior von ZIEHEN) kann ich 
hier nicht naher eintreten, nur soviel sei hervorgehoben, dal der 
Gesamtfaserquerschnitt der absteigenden oder Tuber cinereum- 
Wurzel successive occipitalwarts gegen das Corpus mamillare zu 
sich erschépft und in den vordersten Ebenen des Sebhhiigels beim 
Pferde ungefahr die Ausdehnung der menschlichen Fornixsaule an- 
nimmt. Bei den iibrigen Ungulaten ist sie entsprechend kleiner. 

Von Honeaaer (31) ist die Behauptung aufgestellt worden, 
da8 von der Fornixsiule an die Taenia thalami bei Ungulaten ein 
Faserbiindel abgehe. Auch fiir diese Annahme konnte ich be- 
stimmte anatomische Anhaltspunkte bei den Ungulaten nicht ge- 
winnen. Ich halte dafiir, da’ sich HONEGGER einige Verwechs- 
lungen zu schulden kommen lief. Sicher ist, daf der von 
HonrEGGER angenommene Uebergang beim Menschen wenigstens 
nicht besteht. An einem Falle von totaler Vernichtung einer 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 187 


Fornixsiule und der gleichseitigen Fimbria konnte ich namlich an 
jener bereits von v. MonaAkow anderen Orts (54) mitgeteilten 
Schnittreihe mich tiberzeugen, daf die Zahl der Fasern der Taenia 
thalami wie auch der untere Sehhiigelstiel auf der Seite der feh- 
lenden Fimbria ebenso grof war wie auf der gesunden Seite. 
Ebensowenig stehen auch die Fasern der Stria terminalis mit 
denen der Fornixsiule in Verbindung. 


VII. Striae longitudinales. 


Unter dem Lancrsi’schen Streifen oder den Striae longitudi- 
nales (Gyrus supracallosus ZUCKERKANDL’S, Taenia tecta, Indusium 
griseum) versteht man einen sagittal verlaufenden Zug feiner 
Fasern, welcher tiber der Medianlinie des Balkens einherzieht 
und noch von einer diinnen Schicht Rindensubstanz bedeckt ist, 
die in der Tiefe der Fissura corporis callosi lateralis mit der 
Rinde des Gyrus fornicatus zusammenhangt. Der Anfang dieses 
Biindels, welches zwischen den seitlichen paarigen Teilen (Striae 
laterales) einen mittleren unpaaren (Stria medialis) einschlieSt 
(Fig. 46, 52), kann schon in den vordersten Teilen des Balkens, 
wo es ventral um das Knie umbiegt und gegen die frontale me- 
diale Hemisphaérenwand ausstrahlt, erkannt werden. Es hat alle 
Wahrscheinlichkeit, dafi dieses um das Balkenknie umbiegende 
Striabiindel (Pedunculus corporis callosi, Fasciculus marginalis 
E. Smira (67), das der medialen Abteilung des Forceps anterior 
aufliegt, mit dem centralen Riechmarke in Verbindung steht (Fig. 48). 

Auch mischen sich die in gleicher Weise umbiegenden Cin- 
gulumfasern mit denen der Stria, so daf sie beide in ihrem Ver- 
laufe gegen die basale Olfactoriusrinde hin auch beziiglich ihres 
Ursprunges nicht zu trennen sind. K6LLIkER (35) hat bereits 
die Ansicht ausgesprochen, daf Cingulum und Striae longitudinales 
als zusammengehorige Biindel zu betrachten seien und das Cin- 
gulum selbst nur als ein einfacher Ableger der Striae anzusehen 
wire, der im Gyrus fornicatus eingeschlossen ist. Es erscheint 
mir diese Auffassung fiir die Verhaltnisse der Ungulaten durch- 
aus zutreffend. 

Was die Bogenfasern der Striae, welche von der Oberflache 
des Balkens her das Balkenknie nach vorn und unten umziehen, 
anbetrifft, so bilden diese im ferneren bei Ungulaten noch einen 
betrachtlichen Anteil, der sich von vorn her der Septumfaserung 


188 Kaspar Schellenberg, 


anschliefSt und mit dieser in ununterbrochener Reihe an der me- 
dialen Hemispharenrinde endigt, sowie nach riickwarts sich bis 
zur Area perforata erstreckt. Es kreuzen somit diese Bogenfasern 
der Striae mit denen des Septums unter spitzem Winkel und bei 
den Ungulaten in gleicher Weise, wie es KOLEIKER (35) bei der 
Katze beobachtet hat. 

Occipitalwarts ist die Stria stets in gleicher Weise dem 
Balken aufgelagert und mit diesem bis zum Splenium zu verfolgen, 
wo sie sich der Fascia dentata zuwendet und in diese umbiegt. 
Wihrend ihres Verlaufes wachst sie von vorn nach hinten be- 
stiindig. 

Gegeniiber Honracer (31), der die laterale Stria aus dem 
Subiculum cornu Ammonis hervorgehen lief, mu ich hier auf die 
Untersuchungen von K6LLIKER (34, 35) (Kaninchen, Katze) sowie 
auf meine Ergebnisse, die beziiglich des Ueberganges des Sub- 
iculums iibereinstimmen, zuriickgreifen und am Uebergang des 
Subiculums auf den Gyrus fornicatus unbedingt festhalten. Auch 
sprechen fiir unsere Ansicht die phylogenetische (Smrrn [68], 
ZIEHEN [76]) und die ontogenetische Entwickelung (Martin [47]). 

Die Striae erreichen im lateralen Abschnitt und in mehr 
hinteren Ebenen beim Pferde eine Héhe von 1—2 mm, bei den 
kleineren Ungulaten nur 0,6—0,8 mm. Die Stria medialis ist be- 
deutend diinner und betragt in der Dicke nur 0,1—0,2 mm. 

Beziiglich der Rinde der dorsalen und medialen Hemispharen- 
wand ist hervorzuheben, dafi sie im Gegensatz zu den Verhilt- 
nissen beim Menschen bei den Ungulaten in der Medianlinie des 
Balkens eine Unterbrechung nicht erfaihrt, so da der Boden des 
Sulcus longitudinalis von den ersten Ebenen des vereinigten 
Spleniums mit der Hippocampuskommissur an bis zu den Ebenen 
der absteigenden Fornixsiule von einer Rindenschicht ausgekleidet 
ist, die von einem Gyrus fornicatus zum anderen tibergeht. Diese 
Rindenschicht nimmt mit den Fasern der Striae von vorn nach 
hinten an Dicke zu. Bein Menschen ist sie auSerordentlich diinn 
(Indusium griseum). Bei den Ungulaten nimmt sie gegen das 
jalkenknie hin ab und verschwindet beinahe vollstindig, so daf 
nur noch eine einheitliche Markfaserlage den vordersten Teilen 
des Balkens aufgelagert ist (ig. 52). 

Die Fasern der Striae longitudinales sind sehr fein, ihre 
Richtung ist bei der GroSzahl keine rein sagittale, insbesondere 
iiberwiegen in der medialen Stria die schief und senkrecht zum 
Balken verlaufenden Fasern. Es stehen diese senkrechten Biindel 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 189 


wahrscheinlich mit den Fibrae perforantes des Fornix dorsalis in 
Verbindung. Der Faserreichtum der lateralen Stria ist ein be- 
deutend gréferer als in der medialen Abteilung, auch prasentiert 
sich die graue Rinde der lateralen Stria mit einem oberen und 
einem unteren, dem Balken aufliegenden Markbelag als eine kleine 
langsziehende Windung, deren oberer Markbelag an die Zonal- 
schicht des Gyrus fornicatus anschlieft, waihrenddem der untere 
zu dem direkt anliegenden Cingulum Fasern austauscht. Eine 
Faserverbindung zum Fasciculus longitudinalis superior habe ich 
nicht gesehen. 


VIII. Die langen Associationsbiindel. 


Als Fasciculus subcallosus (Murarorr) (Fig. 46—54) 
(Fasciculus occipito-frontalis von ForEL und ONurrowicz)_ be- 
zeichnet man in neuerer Zeit einen longitudinal verlaufenden, 
zwischen dem Streifenhiigelkopf und dem Balken legenden und 
teilweise die laterale Wand des Seitenventrikels bildenden Faser- 
zug, der sich aus der Balkentapete langsam herausditferenziert 
und bis in den Stabkranz des Frontallappens zu verfolgen ist. 
Hier pflegt er sich in den Markmassen des Centrum ovale auf- 
zulésen. 

Bei allen untersuchten Ungulaten prasentiert sich der Faser- 
zug als ein von der inneren Kapsel und von den umgebenden 
Biindeln anatomisch scharf abgegrenzter Faserstrang. Beziiglich 
der Dicke steht er zwar dem Fasciculus longitudinalis inferior 
bedeutend nach, hinsichtlich seiner Linge tiberragt er ihn bei 
weitem. Er lat sich frontalwarts, durch Fasern verstirkt, den 
Streifenhiigel dorsal begleitend, bis zum Beginn des Ventriculus 
olfactorius verfolgen, d. h. beim Pferde bis zu einer Entfernung 
von 3 cm von der Frontalspitze. Der Querschnitt sondert sich 
von dieser Ebene an immer scharfer von der Umgebung ab, wird 
auch gleichzeitig etwas kleiner. Er erreicht in den Ebenen des 
Uebergangs des Vorderhorns in den Ventriculus olfactorius beim 
Pferde einen Umfang von 4 mm Dicke und 4 cm Hohe. Diese 
Ausdehnung nimmt von den Ebenen des Septums an rasch ab, 
er behalt dann dieselbe Dicke bis zum Uebergang in die Balken- 
tapete, d. h. bis zur Uebergangsebene des Seitenventrikels ins 
Unterhorn. Hier prasentiert er sich als sogen. Balkentapete, ein 
die ganze laterale Wand des Seitenventrikels auskleidender Quer- 


190 Kaspar Schellenberg, 


schnitt, der basalwarts in ein schmales Band quergetroffener, die 
Wand des Unterhornes bedeckender Faserbiindel iibergeht. Hier 
ist tiberhaupt eine deutliche Trennung zwischen Tapete und Fas- 
ciculus subcallosus nicht mehr moéglich; es lat sich hier leicht 
iibersehen, daf der als Tapete bezeichnete Abschnitt nur das ins 
Unterhorn umbiegende hintere Teilstiick des Fasciculus subcallosus 
darstellt (Fig. 47). 

Was die Faserbestandteile des F. subcallosus, welcher dem 
menschlichen viel machtigeren Fasciculus occipito-frontalis ent- 
spricht, anbetrifft, so scheinen diese durchaus nicht einheitlich zu- 
sammengesetzt zu sein. Zu einem gewissen Grundbestand von 
echten langen, vom Occipital- bis zum Frontallappen ziehenden 
Associationsfasern tritt zweifellos ein fortwihrender Zu- und Abfluf 
associativer Biindel aus der Umgebung hinzu, die insbesondere 
von den lateralen Windungen her den Stabkranz durchbrechen und 
auch in den Streifenhiigel sich einsenken. Zur Balkenstrahlung 
bestehen keine auffalligen Faserbeziehungen. 

Die den F. subcallosus begleitende Substantia gelatinosa cen- 
tralis ist bei den Ungulaten weniger umfangreich als beim Men- 
schen; sie liegt zwischen die Faserfascikel eingestreut und zeigt 
eine wechselnde Machtigkeit. Sie begleitet das Biindel in seiner 
ganzen Lange des Verlaufs. 

Abgesehen vom F. subcallosus, welcher die Hauptverbindung 
zwischen dem Occipital- und Frontallappen darstellt, finden sich 
bei Ungulaten noch zwei lange, sagittal verlaufende Associations- 
biindel in der medialen Hemisphirenwand der Konvexitat, namlich 
das Cingulum und ein noch unbenanntes Biindel von 
Fasern, welche die marginale Windung durchziehen. 

Das Cingulum ist als ein sagittales Biindel ziemlich gut 
bei allen Ungulaten abzugrenzen. Seine Fasern ziehen im Marke 
an der Basis des Gyrus fornicatus, durchbrechen die Querbiindel 
des Gyrus und sind von den Ebenen des Balkenwulstes an bis 
iiber das Balkenknie hinaus gegen die mediale Rinde am Gyrus 
rectus und Lobus olfactorius hin zu verfolgen. Ueberdies giebt 
das Cingulum zur Rinde des Gyrus fornicatus und an die Stria 
lateralis Fasern ab, auch sendet es in seiner ganzen Linge, wie 
friiher schon erwihnt, Fascikel, welche den Balken durchbrechen, 
zum Fornix dorsalis und zur Septumfaserung (Fig. 46, 51—54). 

Auch dieses, wie man sieht, aus ziemlich verschiedenen Kom- 
ponenten sich zusammensetzende Associationsbiindel behalt inner- 
halb des ihm zugewiesenen dreieckigen Querschnittareals von hinten 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 191 


nach vorn so ziemlich denselben Umfang bei. Wahrend die Fasern 
des F. subcallosus ein feines Kaliber zeigen, fallt die relative 
Derbheit der Fasern des Cingulums auf. 

In occipitaler Richtung biegen seine Fasern hinter dem Balken- 
wulste basalwarts und dringen gegen die mediale Rinde in der 
Richtung des Ueberganges des Gyrus fornicatus auf den Gyrus 
hippocampi vor (Fig. 47). 

Das marginale Langsbiindel, wie ich es benennen will, 
stellt keinen scharf begrenzten Strang dar, sondern setzt sich 
mehr aus zahlreichen zerstreut liegenden sagittalen Biindelchen 
zusammen. Ueber ihren Ursprung und ihr Ende 1Jaft sich bei 
der Durchmusterung der Querschnittserien wenig Sicheres sagen, 
doch unterliegt es keinem Zweifel, da’ es sich auch hier teilweise 
wenigstens um ziemlich lange Associationsbiindel handelt, die, im 
Gyrus marginalis gelegen, bis in die vordersten (erste Stirn- 
windung) Abschnitte des Frontallappens vordringen, wofiir spiater 
zu besprechende experimentelle Eingriffe bei der Ziege beweis- 
kraftig erscheinen. 

Es handelt sich da offenbar um die namlichen sagittalen 
Fasern, welche v. Monakow (54) im Gyrus marginalis der Katze 
beschrieben hat, die ebenfalls in diinnen Fascikein die Fasermasse 
des Gyrus marginalis durchbrechen und nach Abtragung des 
Occipitallappens bis ins Frontalhirn, resp. bis in den Gyrus sig- 
moideus in toto atrophieren. 

Ein eigentlicher Fasciculus arcuatus ist bei den Un- 
gulaten nicht nachweisbar. An der der Gegend des F. arcuatus 
des Menschen entsprechenden Partie (Sylvische Windung, Insel) 
finden sich eine ganze Reihe von sagittal verlaufenden Biindeln 
vor, dieselben lassen sich aber von den Fasern der auferen Kapsel 
und dem Stabkranz als gesondertes Faserbiindel nicht abtrennen. 

Ganz abnlich verhalt es sich mit dem Fasciculus unci- 
natus, der bei der Besprechung der aufSeren Kapsel noch kurz 
beriihrt werden soll. Wenn ein F. uncinatus besteht, so ist er 
jedenfalls bei den Ungulaten auferordentlich diirftig entwickelt. 

Der laterale Teil des Balkens wird allem Anschein nach von 
sagittal verlaufenden Faserbiindeln durchbrochen, die fascikelweise 
angeordnet sind und die méglicherweise nicht alle zur Stabkranz- 
faserung gehéren. Bei der Betrachtung der Schnitte drangt sich 
die Annahme auf, da’ auch hier Fasern in ganz ahnlicher Weise 
wie im Fasc. subcallosus in frontaler Richtung ziehen, bezw. dal 
vom F. subcallosus abgesprengte Biindel den Weg zwischen Cin- 


192 Kaspar Schellenberg, 


gulum und Stabkranzfaserung nehmen. Als Fasciculus lon- 
gitudinalis superior wire am besten die Gesamtheit aller 
sagittal zum Frontallappen verlaufender Fasern zu bezeichnen, 
d. h. die kurz erwihnten Fasern, das Cingulum, der Fascic. sub- 
callosus und das marginale Lingsbiindel. Wie viele von diesen 
Biindeln schlieSlich noch Fasern zum Querschnitt der Balkentapete 
abgeben, laft sich nur ganz oberflachlich schaitzen, jedenfalls wird 
es nur von einem kleinen Bruchteil zutreffen. 


Fasciculus longitudinalis inferior. 


Verfolgt man eine Frontalschnittreihe vom Occipitalende in 
frontaler Richtung, so findet man im Centrum ovale, ja schon 
etwa 2 cm vom Occipitalpol entfernt ein ziemlich umfangreiches 
Feld sagittal verlaufender Fasern ganz aihnlich wie beim Menschen, 
das sich successive teils nach seiner naiheren Verlaufsrichtung, 
teils nach dem Faserkaliber und der Dichtigkeit der Fascikel 
in besondere Strata abgrenzen lat. Beim Auftreten der Sub- 
stantia gelatinosa centralis, welche bei den Ungulaten dem Hinter- 
horn beim Menschen 6rtlich entspricht, sieht man ganz deutlich 
drei sagittale Strata konzentrisch angeordnet, von denen das in- 
nerste (am meisten medial gelegene) zweifellos die Fortsetzung 
der Balkentapete darstellt und in den F. subcallosus nach vorn 
zu verfolgen ist. Das diesem lateral anliegende Stratum, die 
eigentliche Sehstrahlung oder das Stratum sagittale internum, das 
beim Pferde schon auf dieser Héhe dem entsprechenden Abschnitt 
des Menschen gleichkommt und sich im allgemeinen aus ziemlich 
zarten, etwas weit auseinanderliegenden Fascikelu zusammensetzt, 
wurde schon frither besprochen. 

Als laterale machtige Querschnittswand liegt der Sehstrahlung 
im engeren Sinne der F. longitudinalis inferior oder das Stratum 
sagittale externum auf, das schon hier, vollends aber in nach vorn 
gelegenen Ebenen, die vorhin erwahnten anderen sagittalen Strata 
in seinem Querschnitt iibertrifft. Zudem ist dieses Biindel aus 
Fascikeln derberen Kalibers zusammengesetzt!), die zu einander 
viel dichter liegen, so daf das beziigliche sichelfo6rmige Quer- 
schnittsfeld sich von der Umgebung ganz scharf abhebt. Mit dem 
diesem Feld lateral anliegenden Markkérper (dem Centrum ovale 


1) Dies trifft auch fiir den Menschen zu. Vergl. Monaxow in 
Archiv fir Psychiatrie, Bd. 31. 


DEG 31 1900 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 193 


gehirend) scheint der Fasc. longitudinalis inferior in Faseraus- 
tausch zu stehen, obgleich beide eine Verschiedenheit in der Ver- 
laufsrichtung ihrer Fasern aufweisen. Immerhin mul hervor- 
gehoben werden, daf von den basalen Windungen fortgesetzt Fas- 
cikel in dieses Querschnittsfeld (Fasc. long. inf.) und dariiber 
hinaus in das Stratum sagittale internum tibergehen. 

Der Fasc. longitud. inferior wichst ebenso wie das Stratum 
sagittale internum von hinten nach vorn gegen die innere Kapsel 
zu successive und iiberfliigelt in ausgesprochener Weise die eigent- 
liche Sehstrahlung an Umfang. Es unterliegt daher keinem 
Zweifel, dafi zu dem urspriinglichen Faserkontingent, auch wenn 
es auf weite Strecken sich gleichbleibt, aus den umgebenden 
Windungen fortgesetzt und zwar weiter nach vorn (kurz vor den 
Ebenen des Ueberganges des Seitenventrikels in das Unterhorn) 
aus dem Mark der anliegenden Windungen Faserzuflu8 stattfindet. 
Ich habe den Eindruck gewonnen, daf sowohl zum Balken ziehende 
als Projektionsfasern und gelegentlich auch makig lange Asso- 
ciationsfasern an der Bildung des F. longitudinalis inferior mit 
beteiligt sind (Fig. 47). 

Bald nach dem Eintritt des Sehhtigels und der _ hinteren 
inneren Kapsel in die Schnittebene verliert sich die obere Etage 
des gesamten sagittalen Faserzuges, indem die beziiglichen Biindel 
sich teilweise wenigstens im hinteren Abschnitt des Sehhiigels, so- 
wie im Corpus geniculatum externum auflésen. Ein Bestandteil 
des F. longitudinalis inferior scheint sich ebenfalls in die hintere 
Partie der inneren Kapsel zu senken. Er wird wohl, wie das beim 
Hunde und bei der Katze durch v. Monakow experimentell nach- 
gewiesen wurde, als Stiel des inneren Kniehéckers mit letzterem 
in engere Verbindung treten. Die beziiglichen Fascikel lassen 
sich im Groben auch beim Pferde in die genannten Sehhiigel- 
abschnitte verfolgen. 

Die ventrale Lage des F. longitudinalis inferior ]a8t sich in- 
dessen ebenso wie beim Menschen noch weiter frontal beobachten 
und zwar in der Richtung gegen den Lobus pyriformis und das 
temporale Operculum hin. Hier wendet sich ein Teil in die innere 
Kapsel, um sich im Sehhiigel aufzulésen. Ueber die letzten Aus- 
laufer des 4uferen Kniehéckers hinaus la8t sich nur wenig mehr 
von diesem Biindel entdecken. 

Der geschilderte Verlauf und die Resultate der Experimente 
v. Monaxow’s (54) bei der Katze und beim Hunde, sowie ein 


beziiglicher experimenteller Versuch von mir bei der Ziege machen 
Bd. XXXIV. N. F. XXVIII, 13 


194 Kaspar Schellenberg, 


es sehr wahrscheinlich, dafi auch bei den Ungulaten ein nicht 
unbetrachtlicher Bruchteil der sagittal verlaufenden Fasern des 
F. longitudinalis inferior teils eine Verbindung zwischen dem 
Occipitallappen, dem lLobus pyriformis und den Opercular- 
windungen darstellt, teils aber als Stiel des bei Ungulaten keines- 
wegs unbedeutenden Corpus geniculatum internum anzusehen ist. 

Das als Fascic. longitudinalis inferior bezeichnete Faserfeld 
in Fig. 27 des Dexuer’schen Buches (12) entspricht beim Pferde 
nicht diesem Faserzuge, ebenso sind die Bezeichnungen in Fig. 24 
(III und IV) entsprechend abzuandern. 


IX. Vordere Kommissur. 


Die vordere Kommissur ist bei den untersuchten Ungulaten 
recht stattlich entwickelt, wenn sie schon nicht den Umfang dieses 
Gebildes bei niederen Saéugern, z. B. Marsupialiern oder Nagern 
relativ erreicht. Ihr Querschnitt auf dem Sagittalschnitt betragt 
beim Pferde und Rinde 3,5 mm, beim Schafe und der Ziege 1,5 mm, 
beim Schweine 2 mm. Sie ist also beim Pferde michtiger als 
beim Menschen (Fig. 50, 53). 

Die vordere Kommissur liegt wie bei allen Saugern frontai 
von den ins Tuber cinereum sich einsenkenden absteigenden 
Fornixsiulen. Auch bei den Ungulaten lift sie einen Riech- 
(Pars olfactoria sive anterior) und einen Schlifenanteil (Pars 
temporalis s. posterior) abgrenzen. Der Riechanteil ist ent- 
sprechend der starken Entwickelung des Lobus olfactorius (Makros- 
matiker) wesentlich miichtiger als der Schlafenanteil. 

Beziiglich der Faserbestandteile und zuniichst des Riech- 
anteils ist hervorzuheben, daf aus dem centralen Riechmarke 
Faserbiindel zum Riechanteil der vorderen Kommissur abgehen. 
Von der medialen Vereinigungsstelle an sieht man zunachst in 
frontaler und basaler Richtung je einen Arm der vorderen Kom- 
missur ventral vom Streifenhtigelkopf sich einsenken. Der ge- 
meinsame Arm erfahrt eine gabelf6rmige Teilung in der Weise, 
daf ein lateral ziehender Abschnitt den Querschnitt der inneren 
Kapsel im unteren Drittel durchbricht und occipitalwarts umbiegt, 
um sodann in der déuferen Kapsel nach riickwarts zu ziehen und 
sich an den temporalen Windungen und am Lobus_ pyriformis 
zu erschépfen. Es ist dies die verhaltnismifig wenig umfang- 
reiche Pars temporalis, derjenige Teil, der beim Menschen viel 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 195 


michtiger angelegt ist. Er findet sich lateral und dorsal von der 
Pars olfactoria und zeichnet sich durch Fasern geringeren Kalibers 
aus, die in Pat-Priaparaten heller erscheinen. 

Zu diesen beiden Anteilen der vorderen Kommissur kommt 
noch ein neuer Faserbestandteil hinzu, naimlich ein kleines Bindel, 
das dazu dient, die beiden Striae terminales miteinander in Kom- 
munikation zu bringen. Die beziiglichen Fasern biegen von der 
in gleicher Richtung wie die Fornixsiulen zur Hirnbasis ziehenden 
Stria terminalis rechtwinklig zur vorderen Kommissur ab und 
legen sich, indem sie zur anderen Hemisphire tibergehen, der 
Pars temporalis dorsal an. Dieses Biindel wurde friiher schon 
von HonraGcer (31) beim Schweine beschrieben; ich habe dasselbe 
bei allen Vergleichstieren wiederfinden kénnen. 


X. Aeufere Kapsel. 


Sie erscheint als eine Faserwand, welche dem Linsenkern 
seitlich anliegt und dessen lateraler Flache entsprechend sichel- 
formig gebogen ist (Fig. 49, 50, 53). 

Ihren gréften Faserzuwachs erhalt sie in vorderen Ebenen 
aus dem Lobus olfactorius und aus der Area perforata, teilweise 
auch aus dem Inselgebiet. In der Gegend der Insel schmiegt sich 
der déuferen Kapsel lateral die Vormauer an; in der Parietal- 
gegend erstreckt sich die auGere Kapsel, die nach oben mit der 
inneren Kapsel in Verbindung steht, bis in den Lobus pyriformis. 

Ihre Bestandteile sind in hinteren Ebenen recht verschiedene. 
Einmal enthalt sie longitudinal verlaufende Biindel, welche zum 
Teil der Pars temporalis der vorderen Kommissur angehéren, zum 
anderen Teil aber einem Fasciculus uncinatus des Menschen ent- 
sprechen, d. h. Faserziige, die den Lobus pyriformis mit parietalen 
Windungen verbinden. Recht ansehnlich sind die Stabkranzanteile, 
welche zur inneren Kapsel ziehen, wobei sie hiufig den Linsen- 
kern durchbrechen. Ebenfalls sind in der auferen Kapsel Anteile 
der Striatumfaserung enthalten. 


XI. Stria terminalis. 


Als Stria terminalis (Stria cornea, ‘Taenia semicircularis) be- 
nennt man bei héheren Saugern eine zwischen dem Sehhiigel und 
dem Streifenhiigel dahinziehende wenig erhabene Leiste, die sich 

13% 


196 Kaspar Schellenberg, 


aus dem Ependym, Substantia gelatinosa und einem diinnen Biindel 
Fasern zusammensetzt, welches aus der grauen Substanz vor dem 
Tuber cinereum hervorgeht, dem Streifenhiigel folgt und basal- 
warts umbiegt, um in der Gegend des Uncus zu verschwinden. 

Auch dieses vielfach studierte Gebilde setzt sich zweifellos 
aus sehr verschiedenen Faserbestandteilen zusammen. Der Haupt- 
anteil zieht auf der Héhe der vorderen Kommissur frontal vom 
unteren Sehhiigelstiel und der Fornixsiule basalwarts und zerstreut 
sich in einem Zellenhaufen (Riechrinde), welcher dem Tuber cine- 
reum frontal anliegt (Basalkern von GANSER und KOLLIKER). Kin 
Uebergang einzelner Fasern der Stria in die Fornixsiule findet 
nach meinen Untersuchungen nicht statt; was als Abzweigung der 
Fornixséule in diesen Ebenen imponiert, sind Fasern der Taenia 
thalami und Fornixbiindel, die im centralen Grau endigen und 
mit den Fasern der Stria terminalis nichts zu thun haben. Die 
Taenia thalami liegt der Stria allerdings in ihren vordersten 
Ebenen medial an, trennt sich jedoch von dieser, sobald der Seh- 
hiigel erreicht wird (Fig. 53, 46, 49, 51). 

Die Stria terminalis folgt dann dem Schweife des Nucleus 
caudatus medial, biegt mit diesem ins Unterhorn um und 
fasert sich am Mandelkern bis zum Uncus hin auf. In die innere 
Kapsel treten bestimmt keine Fasern ein. Das ganze Biindel er- 
scheint im Pau-Priparate in hellem Ton und besitzt sehr diinne 
Fasern. 

HoneGGer (31) hat bei der Maus und dem Kaninchen in den 
Thalamus eindringende Striafasern beschrieben. Bei den Ungu- 
laten konnte ich eine solche Verbindung nicht beobachten. Ebenso 
habe ich jene derberen Fasern, wie sie sich in den oberflichlichen 
Schichten des Thalamus vorfinden, in den eigentlichen Striabiindeln 
nicht entdecken kénnen, vielmehr mu ich betonen, daf simtliche 
Fasern der Stria bei den Ungulaten sich, wie schon oben bemerkt, 
durch ein diinnes, ziemlich gleiches Kaliber auszeichnen. 

Ebensowenig gelang es mir, bei den Ungulaten im Nucleus 
amygdalae die drei von Honeaaerr geschilderten Ganglienmassen 
abzugrenzen (Nuclei lenticulares von KO6LLIKER) und dement- 
sprechend drei gesonderte Endbiischel der Stria terminalis zu 
entdecken. Vielmehr zerstreuen sich die Fasern der Stria suc- 
cessive und in unregelmafiger Weise in der gesamten basalen 
Ganglienmasse. Sicher kénnen auch Striabiindel bis zum Uncus 
‘hin verfolgt werden, die dort angekommenen Fasern biegen so- 
dann nach aufen zur Rinde des Lobus pyriformis um. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 197 


XII. Das Vorderhirnganglion und seine Faserung. 


Das Stammganglion des Grofhirns (Corpus striatum)  setzt 
sich bei den Ungulaten wie bei den iibrigen héheren Séugern aus 
dem geschwinzten Kern (Nucleus caudatus), dem Linsenkern (Nu- 
cleus lentiformis), dem Mandelkern (Nucleus amygdalae) und der 
Vormauer (Claustrum) zusammen. Man kann alle diese Abtei- 
lungen insgesamt mit Meynertr als das Vorderhirnganglion be- 
zeichnen. 

Bei allen Huftieren finden sich durchweg zwischen den ein- 
zelnen genannten Ganglien graue Anastomosen, so daf ihre ana- 
tomische Trennung nur eine kinstliche ist. Beriicksichtigt man 
im weiteren, daf diese vier Ganglien, wie GUDDEN und seine 
Schiiler nachgewiesen haben, nach Abtragung einer GroShirnhemi- 
sphare beim neugeborenen Tier kaum nennenswert in ihrer Ent- 
wickelung beeintrachtigt werden und dies im Gegensatz zu den 
Kernen des Sehhiigels und anderen tieferliegenden infrakortikalen 
Gebilden, so ist man auch noch mit Ricksicht auf die phylogene- 
tische Entwickelung vollends berechtigt, sie als eine gemeinsame 
unter sich verwandte graue Masse zu betrachten, die ja auch nach 
den erwabnten operativen Eingriffen ihrer anatomischen Grenzen 
beraubt wird (durch Massenausfall der sie durchsetzenden Faser- 
ziige z. B. der inneren Kapsel). 

Bei den Ungulaten bildet das Corpus striatum ein ziemlich 
umfangreiches Gebilde von retortenformiger Gestalt, das mit dem- 
jenigen des Menschen viel Verwandtes zeigt. Der Kopfteil des 
geschwanzten Kerns ist frontal bis zum Uebergang des Vorder- 
horns in den Ventriculus olfactorius zu verfolgen (Fig. 45); sein 
gréhter Durchmesser findet sich in der Frontalebene des Balken- 
knies, wo von lateralwarts her eine Durchbrechung durch Fascikel 
der inneren Kapsel anhebt, eine Durchbrechung, die occipitalwarts 
rasch zunimmt. Der ziemlich scharf abgegrenzte Durchtritt der 
nunmehr geschlossen verlaufenden Partie der zum vorderen Schenkel 
der inneren Kapsel gehérenden Fasern giebt Veranlassung zur 
Scheidung des Streifenhiigelkopfes in zwei Abschnitte, einen me- 
dialen Teil (Nucleus caudatus) und einen lateralen Teil (Nucleus 
lentiformis), die stellenweise durch graue, die innere Kapsel quer 
durchsetzende Briicken mit einander verbunden sind. 

Der mediale Abschnitt nimmt kaudalwaérts an Volumen sa- 
cessive ab und geht allmahlich in den Schweif des Hee 
Kerns tiber. Dieser Uebergang erfolgt jedoch mehr stufenweise 


198 Kaspar Schellenberg, 


als beim Menschen. In denjenigen Ebenen, in denen der Streifen- 
hiigelschweif an Umfang bedeutend abnimmt (Ebenen des vorderen 
Drittels des Sehhiigels und des Corpus mamillare), schlieSt sich 
an den lateralen Abschnitt, das Putamen des Linsenkerns, eine 
umfangreichere Masse grauer Substanz an, welche von Faser- 
fascikeln in unregelmabiger Weise durchbrochen wird, es ist dies 
die mediale Partie des Linsenkerns (Globus pallidus), in welcher 
deutliche Laminae medullares, wie man sie beim Menschen, aber 
auch teilweise bei den Carnivoren antrifft, sich nicht erkennen 
lassen und somit auch Abgrenzungen von besonderen Linsenkern- 
gliedern nicht vorzunehmen sind (Fig. 53). 


Der ganze Linsenkern erreicht beim Pferde etwa den dritten 
Teil der GréBe dieses Gebildes beim Menschen. 


In caudaler Richtung geht der Linsenkern allmahlich da und 
dort, von diinnen Markwinden unterbrochen, in den Mandelkern 
iiber und erstreckt sich somit in den Lobus pyriformis hinein. 
Als Mandelkern bezeichne ich die dem Linsenkern basal anliegende, 
faserarme Zellenmasse, die der Rinde des Lobus pyriformis medial 
anliegt. In diesen Ebenen findet sich auch der Anschluf des 
Linsenkerns und des Mandelkerns an die Vormauer, welche 
namentlich mit ihrem basalen Abschnitt in den Mandelkern tiber- 
ereift. 


Die Vormauer stellt bei Ungulaten eine verhaltnismafig dicke 
(3—4 mm beim Pferde), lateral von der inneren, medial von der 
ziemlich scharf ausgesprochenen auferen Kapsel begrenzte Wand 
grauer Substanz dar, welche mit der Insel in die Schnittflache 
fallt, nach hinten rasch an Umfang zunimmt, dann wieder mit 
dem Auftreten des Lobus pyriformis wesentlich diinner wird und 
in der friiher erérterten Weise mit dem Mandelkern eine gemein- 
same, nur durch wenige Biindel der auferen Kapsel getrennte 
graue Masse bildet (Fig. 46, 53). 


Das Mark der Insel scheidet die Ganglienmasse des Claustrums 
von der Inselrinde. HonrEaGerr (31) gegeniiber, der das Claustrum 
der Huftiere nach der Gréfe dem der Maus anreihte, muf ich 
hervorheben, dafi die Vormauer bei den Ungulaten von der Insel- 
rinde deutlich durch Markfasern getrennt ist. Ein Zusammen- 
flieken der grauen Substanz der Vormauer und der Inselrinde ist 
bei Ungulaten nirgends nachweisbar, jedenfalls lat sich die in 
beiden Gebilden ganz verschieden angelegte graue Substanz 
(Zellenform und Anordnung) tiberall scharf sondern, 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 199 


Sowohl aus der Gegend des Nucleus caudatus als vom Nu- 
cleus lentiformis her ziehen ahnlich wie bei den Carnivoren und 
beim Menschen ziemlich betrichtliche Faserbiindel medialwirts. 
Sie durchbrechen in losen Ziigen die innere Kapsel und senken 
sich in die Regio subthalamica ein, um sich im centralen Grau 
des Sehhiigels pinself6rmig zu erschépfen. Es ist dies die Lin - 
senkernschlinge. Manche dieser Biindel legen sich dem 
Tractus opticus ziemlich scharf an, ja einzelne begleiten denselben 
ein Stiick weit nach vorn. Die Durchtrittsstelle der Linsenkern- 
schlinge in der inneren Kapsel kann wie beim Menschen als die 
Grenze zwischen dem Pedunculus cerebri und der eigentlichen 
inneren Kapsel betrachtet werden (Fig. 46). 

Ein anderer Anteil zieht um das Vorderende des Hirnschen- 
kels herum und ergieft sich von der ventralen Seite her in den 
Sehhiigel, ohne die innere Kapsel zu durchbrechen (Hirnschenkel- 
schlinge). 

Sowohl der Linsenkern wie der geschwanzte Kern, der Mandel- 
kern und wahrscheinlich auch die Vormauer giebt Faseranteile 
zur Linsenkernschlinge ab. Auer den den Streifenhtigelkopf 
langsdurchziehenden Biindeln finden sich tiberall mehr oder weniger 
starke, quer durch die innere Kapsel verlaufende Faserbiindel, 
welche moglicherweise Verbindungen zwischen den einzelnen Stria- 
tumabteilungen darstellen. 

KOWALEWSKY (36) beschrieb beim Schweine Fasern, die aus 
dem Stabkranz in den Linsenkern treten, ihn durchsetzen und in 
den Pedunculus cerebri tibergehen. Derartige aberrierende Biinde 
der inneren Kapsel kann ich auch bei den tibrigen Huftieren fin- 
den; sie trennen sich meistens vom oberen Teile der auferen 
Kapsel ab und durchziehen den oberen Teil des Linsenkerns. 


Die Linsenkernschlingen entsprechen dem basalen Vorderhirn- 
biindel Eprnaer’s (17) (Radiatio strio-thalamica). Alle unter- 
suchten Huftiere besitzen eine starke Strahlung des Vorderhirn- 
ganglions zum Sehhiigel, die jedoch im Vergleiche zur corticalen 
Strahlung zum Thalamus nur eine auferst diirftige genannt wer- 
den kann. Epincer (17) schrieb der Linsenkernschlinge ein feines 
Faserkaliber zu, das er mit der Kiirze des Verlaufes in Beziehung 
bringt. Bei den Ungulaten zeigen jedoch die Fasern der Linsen- 
kernschlinge trotz ihres kurzen Verlaufes ein bemerkenswertes 
Kaliber, welches dasjenige der kurzen Associationsfasern der Hirn- 
rinde und vollends dasjenige der Pyramidenfasern noch tbertrifft. 


900 Kaspar Schellenberg, 


XII. Das GroBhirnmark der tibrigen Vergleichstiere. 


Gehe ich bei der vergleichenden Betrachtung zunachst von 
der allgemeinen Anlage des Markkorpers aus, dann fallt es auf, 
da die kleinen Wiederkiuer und das Schwein beziiglich des 
Centrum ovale viel primitivere Verhaltnisse darbieten als das 
Pferd. Wenn man als Centrum ovale diejenige centrale Mark- 
masse bezeichnet, die auSer dem Bereich der in die Windungen 
sich erstreckenden Markzungen liegt, so kann man sagen, da8 die 
Ziege und das Schaf nur an wenigen Schnittebenen aus dem 
Frontallappen und an einzelnen des Occipitallappens ein einiger- 
mafen deutliches Centrum ovale. erkennen lassen. Das kleine 
Centrum ovale der Ziege ist etwas miachtiger als das des Schafes 
und vorziiglich des Schweines. 

Im iibrigen, namentlich innerhalb des bei Ziege und Schaf 
verhaltnismaflg sehr machtigen Frontallappens, setzt sich der 
Markkérper fast ausschlieBlich aus weit verzweigten und ziemlich 
dicken Markzungen, welche in die zahlreichen Haupt- und Neben- 
windungen geweihartig ausstrahlen, zusammen. In dieser Be- 
ziehung gleicht der Frontallappen der kleinen Wiederkiuer dem 
der Carnivoren, wenn er auch beziiglich des Umfanges der Win- 
dungen, der feineren Ausgestaltung derselben von ihnen, und zwar 
zu seinen Gunsten, differiert. 

Aber auch beim Rinde ist das Centrum ovale bei weitem 
schwicher entwickelt als beim Pferde, wie denn auch der Frontal- 
lappen bei diesem Tier viel weniger voluminés ist als beim Pferde. 
Immerhin lat sich beim Rinde an einzelnen Schnitten (z. B. in 
den vorderen Ebenen des Streifenhiigels) ein kleines Centrum 
ovale von relativ gleichem Umfange wie bei Ziege und Schaf ab- 
grenzen, desgleichen auch in den Ebenen des Hinterhauptslappens, 
welche sich direkt an das Ammonshorn anschlieBen. Aber auch 
hier an dieser Stelle halt das Centrum ovale den Vergleich mit 
dem des Pferdes nicht im entferntesten aus. Die Markzungen 
sind beim Rinde breiter und derber und auch entsprechend der 
eroken Tiefe einzelner Furchen (Fiss. coronalis, ectosylvia) be- 
deutend langer als bei Ziege und Schaf. 

Hand in Hand mit der wesentlich geringeren Entwickelung 
des Stirnhirns geht auch beim Rinde eine Reduktion der frontalen 
Sehhiigelstrahlung gegeniiber der des Pferdes einher. Der genannte 
vordere Sehhiigelstiel oder vordere Schenkel der inneren Kapsel 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 201 


ist also beim Pferde viel voluminéser als beim Rinde. 
Bei der Ziege und dem Schafe ist dieses Gebilde relativ umfang- 
reicher als beim Rinde, immerhin aber noch deutlich kleiner als 
beim Pferde. Zur iibersichtlichen Vergleichung der Gréfenver- 
hiltnisse des vorderen und des hinteren Schenkels der inneren 
Kapsel lasse ich hier eine Zusammenstellung der Masse folgen. 
Es betragt in Millimetern die innere Kapsel: 


Vorderer Schenkel Hinterer Schenkel 
Linge _ Breite Lange _ Breite 
Pferd 14 7 26 1: 
Rind 10 5 20 8 
Ziege 9,5 as 17 6,5 
Schwein 8 3, 13 5 


Die verhaltnismakig nicht unansehnliche Fasermasse im I’rontal- 
lappen des Schweines ist wohl mit der tiberaus machtigen Aus- 
bildung der Olfactoriusfaserung in Verbindung zu bringen (Fig. 48). 

Der lenticulo-optische Teil (hinterer) der inneren 
Kapsel zeichnet sich bei allen Ungulaten durch Faserreichtum aus, 
bei der Ziege und beim Pferde ist die Zahl der Fasern hier wohl 
am gréften. Immerhin halt sich dieser Abschnitt der inneren Kapsel 
ungefahr in den namlichen Schranken wie bei den Carnivoren. 

Der retrolenticulire Teil der inneren Kapsel sowie die 
sagittalen Strahlungen des Occipitalmarkes iiberragen dagegen bei 
den Ungulaten die entsprechenden Teile der Carnivoren in ziem- 
lich betrachtlicher Weise. Ich habe beziiglich der sagittalen Mark- 
strahlungen genauere Messungen angestellt, die ich hier tabellarisch 
wiedergeben will. In den Frontalebenen des Uebergangs des 
Unterhorns in den Seitenventrikel zeigen die drei Strata nebst 
dem zugehérigen Abschnitt des Centrum ovale in der Dicke folgende 
Werte in mm: 


Fasc. Strat. Strat. ; 
subcallosus sagitt. int.  sagitt. ext. Centrum ‘ovale 
Pferd 3,0 2,5 2,6 2.0 
Rind 18 1,2 15 1,5 
Schwein 10 0,6 0,8 0,6 
Schaf 1,0 0,8 1,3 1,5 
Ziege 1,0 1,0 1,5 15 


Unter Beriicksichtigung der Gréfenverhaltnisse wiirde nach 
dieser Tabelle das Pferd die machtigsten sagittalen Strahlungen 
und auch das gréfte Centrum ovale im Occipitalmark besitzen. 
Ihm folgt die Ziege, dann das Schaf, das Rind und endlich das 


202 Kaspar Schellenberg, 


Schwein. Bemerkenswert ist, dai die Ausdehnung des ge- 
samten Markes im Occipitallappen bei der Ziege 
relativ am machtigsten ist, was mdoglicherweise mit der 
taglichen Erfahrung, daf die Ziege ein auSerordentlich fein ent- 
wickeltes Gesicht hat, in Zusammenhang zu bringen ist. Beim 
Rinde und Schweine ist das fiir die Leitung des Gesichtssinnes 
hauptsachlich in Betracht kommende Stratum sagittale internum 
beim Schweine absolut, beim Rinde relativ, auch wenn man die 
Langenverhaltnisse in Betracht zieht, wesentlich schmiler als bei 
der Ziege, deren eigentliche Sehstrahlung unter Beriicksichtigung 
der geringen Koérpergréfe dieses Tieres gegentiber derjenigen des 
Pferdes wohl die miachtigste Ausdehnung unter den Ungulaten hat. 

Auch beziiglich des Balkens bestehen bei den einzelnen 
Vertretern der Ungulaten betrachtliche Schwankungen in Aus- 
dehnung und Faserreichtum. 


Dicke des Balkens in mm: 
Lange des Lange der 


am Knie Mitte am Wulst Balcones Hemisphare 
Pferd 5 3 4,5 65 130 
Rind 4. 2 3 46 100 
Schwein 3 1 3 30 65 
Schaf 3,5 1 3 34 75 
Ziege 5 2 4 38 75 


Relativ fallt die Lange des Balkens bei der Ziege auf. Auch 
beztiglich der Dicke und des Faserreichtums im Knie, in der 
Mitte und im Wulst zeigt die Ziege teilweise sogar absolut tiber- 
aus reiche Entwickelung. Beim Rinde und beim Schafe sind die 
Balkenfasern bei weitem nicht so machtig entwickelt wie bei der 
Ziege und beim Pferde. Es ist hervorzuheben, da’ die Ziege, 
welche ein michtiges Frontalhirn, aber nur ein relativ kleines 
Centrum ovale besitzt, durch einen besonderen Faser- 
reichtum des Balkenkniees und auch des Spleniums 
ausgezeichnet ist und trotz ihrer geringen Gréfe in dieser 
Beziehung auch absolut dem Pferde kaum nachsteht. Es _ ist 
nicht ohne Interesse, dabei hervorzuheben, daf das beziiglich des 
Hirnbaues der Ziege an die Seite zu stellende Schaf hinsicht- 
lich der Balkenentwickelung ganz bedeutend un- 
giinstigere Verhaltnisse darbietet als die Ziege. 
Ob hiermit nicht die Differenz dieser beiden Tiere in psychischer 
Beziehung in Verbindung zu bringen ist? 

Beziiglich der tibrigen Anteile des Balkens ist nichts Be- 
sonderes hervorzuheben. 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 203 


Zum Septum rechnet man gewohnlich nicht nur die mark- 
haltige verdiinnte Scheidewand, sondern auch das basalwarts an 
diese anschliefende Stiick medialer Rindenwand. 

HONEGGER (31) unterschied bei den Ungulaten zwei ‘T'ypen 
der Septumbildung, zunichst einen solchen mit verdtinnten 
Septumblattern, denen sich lateralwairts etwas Rinde anschlieSt 
und einen anderen Typus, bei dem die Septumwand ohne Rinden- 
bekleidung verbleibt. Nach meinen Erfahrungen ist eine solche 
Trennung undurchfiihrbar. Ich fand den ersten Typus von 
HoneGGerR bei allen Vertretern, dagegen bestehen beziiglich der 
Masse des rindenlosen Teils ziemliche Schwankungen. So ist 
beim Schweine ahnlich wie bei den Nagern der mit Rinde be- 
deckte Abschnitt sehr betrachtlich, der rindenlose sehr klein, 
wihrend beim Rinde gerade umgekehrte Verhaltnisse bestehen. 
Pferd, Schaf und Ziege stehen hier in der Mitte. 

Die Septumfaserung des Rindes ist bisher am eingehendsten 
von Honreccer (31) untersucht worden, welcher die Haupt- 
bestandteiie derselben im Fornix longus und in den gekreuzten 
Fasern der Fimbria erblickt. Damit stimmen auch meine Befunde 
iiberein, dagegen nicht beziiglich der Annahme von HONEGGER (31), 
daf die Septumfasern im Sehhiigel und im auferen Kniehécker 
endigen. 

Beziiglich der Stria longitudinalis ist noch zu_be- 
merken, dafi dieselbe beim Pferde, Rinde und der Ziege stark ent- 
wickelt ist, beim Schafe und Schweine in geringerem Grade. 

Im Fornixsystem sind bei den einzelnen Vertretern der 
Ungulaten keine nennenswerten Unterschiede zu_ konstatieren. 
Ich kann den Befund von E. Smiru (68) fiir das Rind bestitigen, 
dafi der Durchtritt der Fibrae perforantes durch den Balken in 
besonders iibersichtlicher Weise stattfindet. 


XIV. Das Mark der Grofhirnrinde. 


Im Anschlu8 an die Darstellung der morphologischen Ver- 
haltnisse sowie an die Faserverhaltnisse im Grofhirnmark der 
Ungulaten sei es mir gestattet, tiber den feineren Aufbau und 
die Anlage der Markfaserung in der GrofShirnrinde meine Beob- 
achtungen mitzuteilen. 

Die Fasern, welche in den Markzungen der Windungen empor- 
steigen, senden garbenartig ausstrahlende Anteile an die Seiten- 


204 Kaspar Schellenberg, 


lippen und an die Kamme der Gyri, welche sich in der Rinde, 
beziiglich des Ortes ihrer Endigung schwankend, verlieren. Nicht 
alle Abschnitte der Windungen werden in gleicher Weise von den 
Faserbiindeln bevorzugt. Der Windungskamm nebst den diesem 
zunichst liegenden Lippenteilen empfangen verhaltnismaBig viel 
mehr solcher Strahlenbiindel als die dem Windungsthal zuge- 
kehrten Rindenabschnitte. Diese Strahlenbiindel oder Mark- 
strahlen (K6LLIKER [34]), welche aus einer gréferen oder 
kleineren Anzahl aneinandergefiigter, geschlossen verlaufender, fiir 
sich abgegrenzter Einzelfasern bestehen, variieren in ihrer Grofe 
nach der Machtigkeit der Markzungen, welche die betreffende 
Windung versorgen. Es ist demnach auch die Zahl der in die 
Rinde einstrahlenden Fasermassen eine ziemlich verschiedene, wie 
denn auch bereits friiher hervorgehoben, die Markzungen beziig- 
lich ihres Umfanges stark variieren. Dementsprechend nimmt 
der Faserreichtum in den Einzelmarkstrahlen vom Kamme der 
Windung nach dem Thal successive ab, wie das bereits auch von 
KOLLIKER beim Menschen hervorgehoben wurde. In den Thalern 
senken sich nur vereinzelte Fasern in die Rinde ein, wahrend ich 
in den Markstrahlen je nach Lage bis zu 30 Einzelfasern auf dem 
Querschnitt zihlen konnte. 

Der Reichtum der sich in der Rinde aufsplitternden Fasern 
und die Feinheit dieser Aufsplitterung schwankt je nach Windung 
in ziemlich betrachtlichem Umfange. Bei allen Ungulaten sind 
die Strahlenbiischel, die von der Markzunge abzweigen, im Gyrus 
fornicatus, marginalis und suprasylvius viel reicher angelegt als 
in den der Basis zugekehrten Windungen. Sehr diirftig sind die 
corticalen Markstrahlen in der der Syivi’schen Windung, der Insel 
und dem Lobus pyriformis. Diese an Radiarfasern so armen 
Windungsabschnitte wren den ebenfalls an Projektionsfasern 
armen Windungen des Menschen, welche FLecnsia (21) zu den 
Associationscentren zihlt, an die Seite zu stellen und wiirden den 
beziiglichen Feldern, die Voar (72) bei Carnivoren und bei Affen 
gefunden hat, entsprechen. Der Gyrus sigmoideus und die erste 
Frontalwindung stehen beziiglich der Radiarfasern zwischen den 
zuerst genannten Windungen und den an Radiarfasern ganz armen 
in der Mitte, waihrenddem in der zweiten und gar in der dritten 
Stirnwindung der Faserreichtum wieder zurtickgeht. 

Die Bestandteile der Markstrahlen sind allem Anscheine nach 
nicht einheitlicher Natur; es kommen hier sowohl Associations- 
wie Kommissuren- und Projektionsfasersysteme in Betracht und 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 205 


es ist der Anteil jeder dieser Faserarten auf anatomischem Wege 
nicht genauer auszuscheiden. Jedenfalls ist die Zahl der Projek- 
tionsfasern auch bei den Ungulaten eine ganz wesentlich geringere 
als der tibrigen langen Faserziige, sie wird aber, wie aus den 
experimentellen Befunden zu entnehmen ist, in den verschiedenen 
Windungen ebenso eine recht schwankende sein wie in den ver- 
schiedenen Abschnitten der einzelnen Windung. Jedenfalls muf 
man sich hiiten, die Radiirfasern mit Projektionsfasern zu _ ver- 
wechseln und mit diesen zu identifizieren, auch an solchen Stellen, 
wo die Verhiiltnisse relativ einfach zu liegen scheinen und in 
Masse parallel verlaufende Faserziige bis ins Centrum ovale sich 
verfolgen lassen. 

Das Kaliber der einzelnen Fasern der Markstrahlen ist eben- 
falls ein auSerordentlich mannigfaltiges, die diinnsten Fasern be- 
tragen kaum ein Sechsteil des Durchmessers der dicksten. Die 
dicken und die feinen Fasern verlaufen meist innig gemischt; 
sowohl feinste als dickste Fasern lassen sich in allen Abteilungen 
der Rinde wiederfinden. 

Die Markumhiillung der einzelnen Fasern schwindet gewohn- 
lich erst, kurz bevor sich die Fasern in ihre einzelnen Fibrillen, 
resp. feineren Veristelungen auflésen oder bevor der Achsen- 
cylinder in die ihm zugehérige Ganglienzelle eindringt. Dement- 
sprechend ist an Pau-Praparaten die Endigung der einzelnen Fasern 
auf dem Schnitt eine unvermittelte, d. h. die Markfaser bricht 
plétzlich ab. 

Zu dem System der Radiirfasern, d. h. der Markstrahlen, 
kommt in der Rinde der Ungulaten ganz 4bhnlich wie bei dem 
Menschen eine ganze Reihe von Systemen quer, also zur Rinde 
parallel verlaufender und fiir sich abgegrenzter Faserschichten. 
Ks ist diesdasSystem der tangentialen Faserstreifen. 

Bei allen zur Untersuchung gekommenen Tieren prasentieren 
sich die tangentialen Fasersysteme an Palpriiparaten als mit un- 
bewafinetem Auge schon wahrzunehmende Gebilde. Wenn schon 
die Fasern schichtenweise sich prisentieren, so ist die Abtrennung 
in besondere Schichten oder Streifen bei den Ungulaten eine kiinst- 
liche, indem man zwischen den Schichten eine ganze Reihe von 
Querfasern antrifft; immerhin lassen sich wie beim Menschen 
2—3 Schichten annehmen. 

Die an der Oberflaiche der Rinde unter dem Ependym liegende 
Schicht ist die Zonalfaserschicht. Zwei weitere Bander 
liegen zwischen dieser Zonalfaserschicht und der Markzunge: der 


206 Kaspar Schellenberg, 


aiufere oder Vicqg pb’Azyr’sche oder der GrEmmMArrsche Streif 
und der innere oder Baillarger’sche oder Remax’sche Streif, 
beide zusammen bilden die Schicht der mittleren Tangentialfasern 
von KOLLIKER. 

Die Tangentialfasern sind bei den Ungulaten am ausgeprig- 
testen in der hinteren Halfte des Gyrus fornicatus (vergl. Fig. 55 
bei der Ziege). Auch im Gyrus marginalis und suprasylvius 
finden sich diese Faserquerbander in ziemlich reicher Menge. In 
der Rinde dieser letzteren Windungen riicken die zwei mittleren 
(auBerer und innerer) Querstreifen zusammen und sind nicht bis 
zur Rinde des Windungsthales zu verfolgen. Sie brechen also 
gegen das Windungsthal hin ab und fehlen am Uebergange voll- 
stindig. In den temporalen Windungen (Gyrus ectosylvius, sylvius) 
findet sich deutlich eigentlich nur die Zonalschicht ausgesprochen, 
wiihrend die die Rinde in tieferen Schichten durchsetzenden Fasern 
zu einer besonderen Schicht sich nicht vereinigen lassen. Hier 
ist also ein eigentlicher auSerer (mittlerer) Streifen nicht abzu- 
erenzen. In der Rinde des Lobus pyriformis konnte ich bei den 
von mir untersuchten Tieren Tangentialfasern tiberhaupt nicht 
nachweisen, wenigstens nicht auf den Querschnitten. Die Zonal- 
schicht wird hier wohl durch die machtige Strahlung des Tractus 
olfactorius lateralis ersetzt. 

In der Rinde der frontalen Windungen laft sich die Zonal- 
schicht in zwei Lagen trennen (ein Seitenstiick zur KarEs-BEcH- 
TEREW’schen Schicht beim Menschen). Hier sieht man auch die 
Zonalschicht in die Windungsthailer umbiegen und somit in die- 
jenigen der anliegenden Windung tibergehen, was beim mittleren 
Streifen nicht beobachtet werden kann. Neben der doppelt an- 
velegten Zonalschicht findet sich in der Frontalrinde auch ein 
wittlerer Querstreifen, der sich nicht weiter teilen laBt. Im Gyrus 
sigmoidens des Schafes und der Ziege, weniger beim Pferde und 
Rinde, findet sich eine schén ausgesprochene Zonalschicht und ein 
mnittlerer Streif, die beide gegen die Rinde der Frontalwindungen 
zu an Intensitaét abnehmen. In der dritten Stirnwindung und der 
Insel schrumpfen sie bis auf eine ganz diinne Zonalschicht zu- 
sammen. Eine ganz ahnliche allma&hliche Erschépfung der Tan- 
ventialfasern von der ersten Stirnwindung lateralwairts gegen die 
Insel zu findet sich auch beim Schweine, Rinde und Pferde. 

Die Machtigkeit der Streifen variiert je nach dem Tiere in 
ganz betrichtlicher Weise. So betraigt die Breite der Zonalschicht 
am Gyrus fornicatus des Pferdes 0,42, des Rindes 0,32, des 
Schweines 0,28, des Schafes 0,3 und der Ziege 0,31 mm. 


i ial 


Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 207 


Zur Orientierung iiber den Faserreichtum, den Umfang und 
die Lage der Tangentialfaserschichten lasse ich eine Zahlentabelle 
folgen, die sich auf den Gyrus fornicatus der Ziege bezieht. Es 
pen in mm: 


2] 
aga lee Saleen 
SE 5/85/23 
Gu | SH] 8H /.87 
athe a 
Breite des Ependyms. . . . . . «10,015|0,015/0015|0,015 
Breite der Zonalschicht . . . . .| 0,315] 0,445] 0,445] 0,750 
auBere dichte Lage. . . . .  « ||0,090} 0,045} 0,045} 0,150 
innere lockere Lage derselben. . |0,225} 0,890) 0,390} 0,600 
Entfernung des mittleren Streifs von der 
Oberfliche. . . 0,72 10,45 |0,42 | — 
Breite des (mittleren) auSeren| 
bie Lis - Kitson Bb ee lO Osos Oa Si tent 
Entfernung zwischen (mittlerem) iuberem | 
und. innerem Sireif. .. ._. . . .. -{0,87 10,35 |029 | — 
Breite des inneren Streifs . . .|/0,22 |0,19 |0,28 | fehlt 
Entfernung vom inneren Streif bis zur | 
Markzunge . snl fe ot ER e oa! mor 2 SOS Os doteh Or oi hii 
PR dee ds wi amide stone wsinblies ne . ||2,24 |1,50 | 1,62 | 1,50 


Die Zonalfaserschicht liegt direkt unter dem Ependym; sie 
besteht aus Fasern sehr verschiedenen Kalibers, die netzartig nach 
allen Richtungen sich zerstreuen, mit anderen Worten: es finden 
sich da sowohl quer als der Lange nach durchschnittene nnd 
meistens kiirzere Fasern. Am dichtesten ist dieses Netzwerk 
unmittelbar unter der Pia, nach abwarts liegen sie lockerer und 
zerfallen in ein unregelmibig gelagertes Faserwerk von feinerem 
und gréberem Kaliber. Mit Sicherheit konnte ich die Biindel der 
Markstrahlen bis in die Zonalschicht nicht verfolgen. Ich halte 
die iibliche Annahme, daf diese Schicht sich vorwiegend aus kiir- 
zeren Associationsfasern zusammensetze, fiir eine richtige und_ fiir 
das Ungulatengehirn zutreffende. 

Der mittlere Streifen (Vicq p’Azyr’sche) dagegen wird von 
den Markstrahlen erreicht und sogar durchsetzt. Er enthalt kiirzere, 
parallel zur Oberfliiche ziehende Fasern von variabler Breite neben 
Bestandteilen von Markstrahlen. Am Gyrus fornicatus und mar- 
ginalis ist er am stirksten entwickelt und zeigt hier eine Doppel- 
anlage in Form eines inneren Streifens. An der medialen Lippe 
ist er etwas stirker entwickelt als auf der Kuppe oder der late- 
ralen Lippe. Beide Streifen verlieren sich im Thale. Der innere 


208 Kaspar Schellenberg, 


Streifen ist am deutlichsten an den Seitenlippen, er liegt voll- 
stindig zwischen den dicken Markstrahlen, deren Fasern er in 
rechtem Winkel kreuzt. Er ist lockerer angelegt wie der Aufere 
Streifen und enthalt die namliche Faserzusammensetzung wie dieser. 

Bei allen Ungulaten verliert sich in den Thalern zwischen 
den Windungen die tangentiale Streifung bis auf die Zonalschicht, 
haufig auch diese noch. Dafiir tritt hier ein System bogenférmig 
verlaufender Associationsfasern auf, die teils in der Rinde, teils 
im Marke selbst verlaufen: die Fibrae arcuatae (ARNOLD), U-Fa- 
sern (MEYNERT) oder inneren Tangentialfasern (KO6LLIKER). Sie 
vertreten hier die mittleren Querstreifen, indem sie oft die ganze 
Rinde des Thales konzentrisch durchziehen oder ins Mark eintauchen 
um an den Seitenlippen wieder in die Rinde herauszutreten. Sie 
erfiillen oft das ganze Windungsthal und sind in ihrer Dicke wie 
die tbrigen Tangentialfasern sehr variierend. 

Am Uebergange des Gyrus fornicatus auf den Gyrus hippo- 
campi, also an jener Rindenpartie, welche dem vorderen Zweihiigel 
aufliegt, bestehen oft vier tangentiale Streifen neben einem dufberst 
dichten Faserfilzwerk. 

Mit dieser reichen Menge von Markstrahlen und Tangential- 
fasern ist die Reihe der Rindenfasern nicht erschépft. Es lassen 
sich mit EpInGer (16) ahnlich wie beim Menschen innerhalb der 
Markstrahlung noch zwei Flechtwerke unterscheiden, nimlich 
das superradiare zwischen Zonalfaserschicht und mittlerem 
Streifen und das interradiare, welches letztere zwischen den 
mittleren Streifen und den Markkegel zu liegen kommt. Ks ist 
nicht méglich, bei der Betrachtung der Schnittpriparate die Be- 
ziehungen der beiden Flechtwerke unter einander und zu den 
Streifen zu ermitteln. Wahrscheinlich mischen sich hier Kigen- 
fasern der Rinde mit den aus den Markzungen hinzutretenden in 
inniger Weise ebenso wie mit der tangentialen Faserung. 

Die der Mantelspalte naiher liegenden Windungsziige zeigen 
im allgemeinen dichtere Filzwerke als die lateralen. Besonders 
reich entwickelt sind sie im Gyrus fornicatus. 

Indem sich an diesem Orte meine Untersuchungen iiber das 
Grofhirnmark bei Ungulaten abschlieSe, méchte ich noch erwahnen, 
dal die Ergebnisse der experimentellen Untersuchung, die ich im 
Vorstehenden schon hie und da gestreift, in einem spiter zu ver- 
Offentlichenden dritten Teile, der bereits abgeschlossen ist, zum Teil 
als Bestitigung, anderenteils als Erginzung der in vorstehenden 
Untersuchungen gewonnenen Resultate zusammengefaSt wurden. 


1) 


4) 
5) 
6) 


7) 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 209 


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Untersuchungen iiber das Grofhirnmark der Ungulaten, 2i1 


38) Kixentuat, W., Untersuchungen an Waltieren. Jena 1889. 

39) Langtry, J.. The structure of the dogs brain. Journal of 
Physiologie, IV, 1883. 

40) Lueen, F., ed Lanzmorri-Buonsanti, A., Contribuzione allo studio 
delle circonvoluzioni cerebrali del cavallo. Clinica veterinaria, 
VII. Vol. Milano 1884. 

41) Levrer, Fr., et Cratrioner, P., Anatomie comparée du systéme 
nerveux. Paris 1839—1857. 

42) Lussana, F., et Lemoienn, A., Fisiologia dei centri nervosi en- 
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43) Mac Fapyern, F., Anatomy of the horse. Edinburgh 1884, 

44) Mann, G., On the homoplasty of the brain of rodents, insectivores, 
and carnivores. Journal of Anatomy and Physiology, Vol. XXX, 
1895. 

45) Marcacci, Artruuro, Determinazione della zona eccitabile nell’ 
cervello pecorino. Archivio ital. per le malattie nervose, Anno 
14, 1877. 

46) Martin, P., Zur Entwicklung der Gehirnfurchen bei Katze und 
Rind. Archiv fiir wiss. und prakt. Tierheilkunde, Bd. XXI, 1895. 

47) — Bogenfurche und Balkenentwicklung bei der Katze. Jena- 
ische Zeitschrift fir Naturwissenschaften, Bd. XXIX, N. F. 
Bd. XXII, 1894. 

48) Mnyrr, Ap., Zur Homologie der Fornixcommissur und des Sep- 
tum pellucidum der Siuger. Anatom. Anzeiger, 1895, 

49) Mnyzr, L., Ueber den Einfluf der Schadelform auf die Bedeu- 
tung der Grofhirnwincungen. Centralblatt der medizin. Wissen- 
schaften, 1876. 

50) Mrynert, Tu., Ueber das Zustandekommen der Grofhirnwin- 
dungen. Anzeiger der Gesellschaft Wiener Aerzte, 1876. 

51) — Die Windungen der konvexen Oberflaiche des Vorderhirns 
bei Menschen, Affen und Raubtieren. Archiv fiir Psychiatrie, 
Bd. VII, 1877. 

52) — Die anthropologische Bedeutung der frontalen Gehirnent- 
wicklung nebst Untersuchungen iiber den Windungstypus des 
Hinterhauptlappens der Saugetiere. Jahrbiicher fiir Psychiatrie, 
1887. 

53) Monaxow, C. v., Mitteilungen tiber durch Exstirpation circum- 
skripter Hirnregionen bedingte Entwicklungshemmungen des 
Kaninchengehirns. Archiy fiir Psychiatrie, Bd. XII, 1882. 

54) — Experimentelle und patholog.- anatom. Untersuchungen iiber 
die Beziehungen der Sehsphire zu den infracorticalen Opticus- 
centren. Archiv fiir Psychiatrie, Bd. XIV, 1883, Bd. XVI, 1885. 

55) — Experimentelle und patholog.-anat. Untersuchungen iiber die 
Haubenregion, den Sehhiigel und die Regio subthalamica. Archiv 
f. Psychiatrie, Bd. XX VII, 1895. 

56) Munk, H., Ueber die Funktionen der Grofhirnrinde. Berlin 1890. 

57) Owxn, R., On the anatomy of the Cheetah. Transactions Zoo- 
log. Soc. London, Vol. I, 1833. 

58) — The anatomy of Vertebrats, Vol. III, London 1868. 

14* 


212 Kaspar Schellenberg, 


59) Panscu, A., Beitrage zur Morphologie des Grofhirns der Sauge- 
tiere. Morphologisches Jahrbuch, Bd. V, 1879. 

60) Parker, J. A., Morphology of the cerebral convolutions. Jour- 
nal of the Academy of natural Sciences of Philadelphia, New 
Series, Vol: X, 1896. 

61) RercHert, C. B., Bau des menschlichen Gehirns. Leipzig 1861. 

62) Roeyer, V., Ueber das Variieren der Grofhirnfurchen bei Lepus, 
Ovis und Sus. Zeitschrift fiir wissensch. Zoologie, Bd. XXX VIX, 
1886. 

63) Rurisnauser, F., Experimenteller Beitrag zur Stabkranzfaserung 
im Frontalhirn des Affen. Monatschrift fiir Psychiatrie u. Neu- 
rologie, Bd. V, 1899. 

64) ScunoprHacen, F., Die Entstehung der Windungen des Grof- 
hirns. Leipzig 1891. 

65) Scuwause, G., Lehrbuch der Neurologie. Erlangen 1881. 

66) Surrz, J., Ueber die Bedeutung der Gehirnfurchen. Leipzig 1887. 

67) Smirn, E., The relation of the fornix to the margin of the cere- 
bral cortex. Further Observations upon the fornix. Journal 
of Anatomy and Physiology, Vol. XXXII, 1898. 

68) — The fornix superior. Journal of Anat. and Physiol., Vol. 
KRESS 1397. 

69) Srrasspr, H., Gestaltende Krafte bei der Hirnentwicklung. Ref. 
in Merkel und Bonnet, 1892. 

70) Tencuint, L, ed Neerini, F., Sulla corteccia cerebrale degli 
equini e bovini. Parma 1889. 

71) Turner, W., The Convolutions of the brain. Journal of Ana- 
tomy and Physiology, Vol. XXV, 1891. 

72) Voar, H., Entwicklung des Grofhirnmarkes. Ref. in Allg. 
Zeitschr. f. Psychiatrie, Bd. LXV, 1899. 

73) Wneserr, M., Vorstudien iiber das Hirngewicht der Siugetiere. 
Festschrift fiir Gegenbaur, 1896. 

74) Wunpt, W., Grundziige der physiologischen Psychologie, 1880. 

75) Zieuen, T., Zur vergleichenden Anatomie der Hirnwindungen. 
Anat. Anzeiger, Bd. V, 1890. 


76) — Das Centralnervensystem der Monotremen und Marsupialier. 
Jena, 1897. Jenaische Denkschr. Bd. III. 
77) — Ein Beitrag zur Lehre von den Beziehungen zwischen Lage 


und Funktion im Bereich der motorischen Region der Grob- 
hirnrinde. Archiv f. Anatomie u. Physiol., Physiol. Abt., 1899. 

78) ZuckprKanpu, E., Ueber das Riechcentrum. Vergl. anatomische 
Studie. Stuttgart 1887. 


Untersuchungen tiber das Grofhirnmark der Ungulaten. 213 


Figurenerklirung. 


Figuren 1—17: Furchen- und Windungsschemata, mit Angabe 
der Schnittrichtungen der Figuren 18—44. Erklarung im Text. 

Figuren 18—44: Frontale Querschnitte der Gehirne. Erklarung 
im Text; Buchstaben fiir Figuren 1—44 auf Seite 213. 

Figuren 45—55: Frontale Querschnitte : 

Fig. 45: Pferd, Frontallappen, Vergr. 2. 

Fig. 46: Pferd, Parietallappen, Vergr. 2. 

Fig 47: Pferd, Occipitallappen, Vergr. 2. 

Fig. 48: Schwein, Frontallappen, Vergr. 2!/,. 

Fig. 49: Schwein, Parietallappen, Vergr. 2'/,. 

Fig. 50: Schaf, Parietallappen, normale Grobe. 

Fig. 51: Schaf, hinterer Parietallappen, Vergr. 21/9. 

Fig. 52: Ziege, Balkenknie, Vergr. 21/,. 

Fig. 53: Ziege, Septum, Vergr. 21/,. 

Fig. 54: Ziege, hinterer Parietallappen, Vergr. 21/,. 

Fig. 55: Ziege, 6-jahrig. Gyrus fornicatus, Vergr. ca. 50. 

Erklarung zu Fig. 45—55 im Text, Furchen- und Windungs- 
bezeichnungen auf 8. 213. 


Bezeichnungen fiir die Textfiguren und Tafeln. 


Furchen: Windungen: 
cel, EK. corp: callosr lat. A Area olfactoria (per- 
em. F. callosomarginalis. forata). 
cor. EF. coronalis. ES Gyr. ectosylvius. 

cruc. cr. F. cruciata. F G. fornicatus. 

el. F. ectolateralis. F.,,-G. trontalis I 

eg. F. entogenualis. F’,a G. frontalis I ant. 
enl, F. entolateralis. F, G. frontalis I. 
esa. F. ectosylvia ant. I’, G. frontalis IIT. 
esp. FE. ectosylvia post. Fd G. dentatus (Fascia 
espl. F. entosplenialis. dentata). 

h. F. hippocampi. H G. hippocampi. 

I. F. lateralis. I G. insulae (Insel). 
ps. F. praesylvia. M G. marginalis. 


214 Schellenberg, Untersuch. iib. d. Grofhirnmark d. Ungulaten. 


Furchen: Windungen: 
psa. F. praesylvia ant. W Uebergangswindung zwi- — 
rh. a. p. F. rhinalis ant., post. schen #’, und SS. 
s. F. sylvii, ram. acum. Olf. Bulb. u. Lobus olfactor. 
sa. F. sylvii ram. ant. P Lob. pyriformis. 
sp. F. sylvii ram. post. Pr Gyr. prorae. 
ss. F. suprasylvia. R Gyr. rectus. 
tr. F. transversa. S G. sylvius. 
+,a.,p. G. sigmoideus anterior 
u. post. 
SI. Stria longitudinalis. 
‘SG. suprasylvius. 
U Nucus. 


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III. Heft. 
BLOCH, LEOPOLD, Schwimmblase, Knochenkapsel und Weber’scher Apparat 
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Kenntnis der Verbindungsweise der Skelettstiicke der Arme und 
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Neue Folge, Siebenundzwanzigster Band. 


Zweites und drittes Heft. 


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Inhalt. 


FURBRINGER, Max, Zur vergleichenden Anatomie des Brustschulterappa- 
rates und der Schultermuskeln. Mit Tafel XIJI—XVII, Fig. 103—179, 
und 141 Figuren im Text. 


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Jenaische Zeitschrift 
NATURWISSENSCHAFT | 


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zur Morphologie und Systematik der Vogel. 


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zur Anatomie der Stiitz- und Bewegungsorgane. 
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Dr. Max Fiirbringer, 

o. 6. Professor d. Anatdniie ‘y,) Direktor d. anatomischen Instituts d. Universitat Jena. 
Zwei Bande. 
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Hieraus werden einzeln abgegeben: Allgemeiner Theil. Resultate und Reflexionen 
auf morphologischem Gebiete. Systematische Ergebnisse und Folgerungen. Mit 5 Tafeln. 
Preis: 75 Mark, und aus dem allgemeinen Theile, Kap. VI: Die grosseren Vogelab- 


theilungen und ihr gegenseitiger Verband. Versuch eines genealogischen Vogelsystems. 
Mit 5 Tafeln. Preis: 7 Mark 50 Pf 


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tiber die 
Spermatogenese von Paludina vivipara. 
Von 
Professor Dr. Leopold Auerbach 


Mit 2 Tafeln. 
Abdruck aus der ,,Jenaischen Zeitschrift fiir Naturwissenschaft*, Bd. XXX. N,. F. XXIII. 
1896. Preis: 6 Mark. 


Das elektrische Organ 


des 


afrikanischen Zitterwelses 


(Malopterurus electricus Lacépede). 
Anatomisch untersucht 


Dr. Emil Ballowitz, 


: a. 0. Professor der Anatomie an der Universitat Greifswald. 
Mit 7 Jithographischen Tafeln und 3 Holzschnitten im Text. 
1899. Preis: 24 Mark. 


Untersuchungen iiber den Bau der Brachiopoden. 


Zweiter Teil. 
Die Anatomie von Discinisca Lamellosa (Broderip) 
und Lingula Anatina Bruguiere. 


Von 


Dr. Friedrich Blochmann, 
Professor an der Universitit Tiibingen. 
Mit einem Atlas von 12 lithographischen Tafeln und 14 Abbildungen im Text, 
1900. Preis: 30 Mark. 
Preis fiir das vollstiindige Werk: 55 Mark. 


JAN 25 1901 


Zur vergleichenden Anatomie 
des Brustschulterapparates und der 
Schultermuskeln. 


Von 


Max Firbringer. 


IV. Teil. 


Mit Tafel XIII—XVII, Fig. 103—179, und 141 Figuren im Text. 


Dieser Teil bildet die Fortsetzung meiner vor vielen Jahren 
veroffentlichten Untersuchungen, welche unter dem Titel: ,,Zur 
vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln“ 1873 und 1874 in 
der Jenaischen Zeitschrift (Bd. VII, 8. 237-320, und Bd. VIII, 
S. 175—280) und 1875 im Morphologischen Jahrbuche (Bd. 1, 
S. 636—816), sowie unter dem Titel:. ,,Zur Lehre von den Um- 
bildungen der Nervenplexus“ 1879 im Morphologischen Jahrbuche 
(Bd. V, 8. 324—394) erschienen sind. 

Arbeiten anderer Art hatten mich lange Zeit diesem Unter- 
suchungsgebiete entfiihrt und nicht dazu kommen lassen, die bereits 
vor 27 Jahren ausgefiihrten Untersuchungen tiber die Schulter- 
muskeln der Wirbeltiere abzurunden und zu veréffentlichen. Wenn 
ich jetzt dieses Versiumnis wieder gut zu machen suche, so weil 
ich wohl, dafi es sehr spat ist, aber ich glaube nicht, daf es zu 
spat ist. Die Litteratur der letzten Decennien hat mir gezeigt, 
daf die meisten hierher beziiglichen Fragen noch nicht beantwortet 
oder gar abgethan sind. In der inzwischen verflossenen Zeit hat 
sich selbstverstindlich die ganze vorliegende Aufgabe mit allen 
mit ihr verbundenen Fragen vertieft und erweitert, und es will 


mir scheinen, daf der vertieften Betrachtung auf diesem Gebiete 
Bd, XXXIV, NF. XXVII 15 


216 Max Firbringer, 


noch eine weite, an Problemen und hoffentlich auch erfreulichen 
Lisungen reiche Zukunft vorbehalten ist. 

Der vorliegende IV. Teil soll Nachtrage zu Kap. IV. Saurier 
und Crocodile (Morph. Jahrb., Bd. I, 1875, 8. 636—816) bringen 
und in diesen einmal die seitdem erschienenen beziiglichen Arbeiten 
anderer Autoren besprechen, dann aber namentlich die hierher 
gehérenden Gebilde auf Grund neuer eigener Untersuchungen 
an Lacertiliern, Rhynchocephaliern und Crocodiliern behandeln. 
Hierbei wurde zugleich Gelegenheit genommen, eine zusammen- 
fassende Darstellung des Brustschulterapparates und Humerus 
aller ausgestorbenen und lebenden Reptilienordnungen zu geben. 
Den Schlu8 der vorliegenden Abhandlung bildet die genealogische 
Verwertung der erhaltenen Befunde, wobei diese als Ausgang 
dienen, aber selbstverstaéndlich nur einen Teilfaktor fiir die syste- 
matischen und genealogischen Schliisse betreffend die Stellung der 
Sauropsiden und ihrer Unterabteilungen ausmachen. 

Die folgenden, die Végel und Saugetiere behandelnden Kapitel 
sollen sich schnell anschlieBen. Das Schlufkapitel des Ganzen 
wird die Zusammenfassung der erhaltenen Resultate sowohl nach 
der morphologischen als genealogischen Seite hin enthalten. In 
demselben sollen auch die verschiedenen seit meinen letzten be- 
ziiglichen zusammenfassenden Darstellungen von 1879 und 1888 
erschienenen Abhandlungen tiber die gegenseitigen Beziehungen 
von Knochen, Muskel und Nerv, sowie iiber die mit der Theorie 
der Wanderung der Extremitaiten und den metamerischen Um- 
bildungen der Knochen, Muskeln und Nerven zusammenhingenden 
Fragen und die ihr entgegenstehenden Anschauungen besprochen 
und schlieSlich die Homodynamie der Extremititen (Vergleichung 
der vorderen und hinteren Extremitiét, Extremitatentheorie) im 
Zusammenhange behandelt werden. 


Vergleich, Anatomie des Brustschulterapparates ete. 217 


Nachtriige zu Kapitel IV. 


Neuere Litteratur und neue eigene Untersuchungen, 
betreffend die Lacertilier, Rhynchocephalier und 
Crocodilier, sowie die anderen Reptilien. 


Suey 
Schultergirtel, Brustbein und Humerus’). 


Litteratur ”). 


Cuvier, G., Recherches sur les ossemens fossiles des quadrupédes ete. 
4, éd., X, Paris 1836. 


1) Der eigenen Untersuchung stand, im Vergleiche zu dem 
betrachtlichen Umfange des hier behandelten Gebietes, nur ein 
relativ beschranktes Material (Skelette und Spiritusexemplare recenter, 
Gipsabgiisse fossiler Tiere) zur Verfiigung. Die hauptsichlichsten 
Grundlagen fiir die folgende zusammenfassende Darstellung bilden 
die in der Litteratur niedergelegeten Abbildungen und Beschrei- 
bungen anderer Autoren, fiir deren jedesmalige Richtigkeit ich 
selbstverstandlich nicht einstehen kann. Wo ich nachuntersuchen 
konnte, ist es geschehen; in den weitaus meisten Fallen mu8te ich 
mich mit den von Anderen gegebenen Materialien begniigen, habe 
dabei aber nach Méglichkeit nach einer kritischen Verwertung der- 
selben gestrebt. — Bei den Beschreibungen in diesem, wie in den 
vorhergehenden und den folgenden Abschnitten habe ich mich, 
um den schweren Ballast doppelter Namen zu vermeiden, in der 
Regel auf die Wiedergabe der Gattungsnamen be- 
schrankt. Der die Verzeichnisse der untersuchten Tiere und die 
sonst angefiihrten Litteratur-Quellen zu Rate ziehende Leser wird 
schnell und leicht sehen, welche Species dieser Genera der Dar- 
stellung zu Grunde lagen. Selbstverstandlich liegt mir 
nichts ferner, als mit der bloBen Anfiihrung der Gat- 
tungsnamen behaupten zu wollen, da8 alle Species 
einer Gattung so groge Uebereinstimmungen in ihrem 
Bau darbieten, da8 es gleichgiltigist, welche Arten 
von ihnen untersucht werden. Infriheren Veréffent- 
lichungen und in der vorliegenden habe ich zu wie- 
derholten Malen dargethan, da’ nicht allein még- 
lichst viele Arten einer Gattung, sondern auch moég- 
lichst viele Individuen einer Species untersucht 
werden sollten. 

2) Auferdem verweise ich noch auf die 1874 und 1875 (Zur 
vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln, II. und IIT. Teil) 
angegebene Litteratur, von der alles Speciellere hier nicht wieder- 
gegeben wurde. 

15* 


218 Max Firbringer, 


Drstonacuames, E., Mémoire sur le Poecilopleuron Bucklandii, 
grand Saurien fossile, intermédiaire entre les Crocodiles et les 
Lézards; découvert dans les carriéres de la Maladrerie prés Caen. 
Mém. Soc. Linn., VI, 112 pp. Caen 1837 (Megalosaurus.) 

Meyer, H., v., Zur Fauna der Vorwelt. II. Die Saurier des Muschel- 
kalkes. Frankfurt a/M. 1847—52. 

Ratuke, H., Ueber die Entwickelung der Schildkréten. Braun- 
schweig 1848. 

— Ueber den Bau und die Entwickelung des Brustbeines der Saurier. 
Programm. Kénigsberg 1850. 

Pripentncer, Tu., Belodon Plieningeri H. v. Mryur. Wiirtt. naturw. 
Jahreshefte, VIIT, 8S. 389—524. Stuttgart 1852 (Zanclodon.) 

Srannius, H., Zootomie der Amphibien. Berlin 1856. 

Meyer, H. v., Zur Fauna der Vorwelt. III. Saurier aus dem Kupfer- 
schiefer der Zechstein-Formation. Frankfurt a/M. 1856. (Vor- 
wiegend Protorosaurus. ) 

— Reptilien aus dem Stubensandstein des oberen Keupers. I, I. 
Palaeontographica, VII, 8. 253—346. Cassel 1859—61. 

— Yur Fauna der Vorwelt, IV. Reptilien aus dem lithographischen 
Schiefer des Jura in Deutschland und Frankreich. Frankfurt a/M. 
1860. 

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Zoologie, XV, p. 86—90. Paris 1861. 

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des lithographischen Schiefers. II. Schildkréten und Saurier. 
Abh. d. math.-phys. K1. d. K. Bayer. Akad. d. Wiss., [X, Heft 1, 5. 65 
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rhynchus, Ichthyosaurus.) 

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pers, III. Palaeontographica, XIV, p. 99—124. Cassel 1865—66, 

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Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 219 


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of the Fossil Reptilia. IX, 1. On the Therosuchia, Phil. Trans., 
CLXXXV, II, p. 987—101%7, March 1894, London 1895. (Vor- 
zugsweise System.) 

— Researches on the Structure, Organization, and Classification of 
the Fossil Reptilia. IX, 2. The reputed Mammals from the 
Karroo Formation of Cape Colony. Ibidem, CLXXXYV, I, p. 1019 - 
—1027, March 1894. London 1895. (Theriodesmus phylarchus ) 

-— Researches on the Structure, Organization, and Classification of 
the Fossil Reptilia. IX, 5. On the Skeleton in new Cynodontia 
from the Karroo Rocks. Ibidem, CLXXXVIB, p. 59—147, June 
1894. London 1895. (Cynognathus crateronotus.) 

— Researches on the Structure, Organization, and Classification of 
the Fossil Reptilia. IX, 6. Associated Remains of two small 
Skeletons from Klipfontein, Fraserburg. Ibidem, CLXXXVI, I, 
p. 149—161, June 1894. London 1895. (Theromus leptonotus, 
Herpetochirus brachycnemus.) 

— Researches on the Structure, Organization, and Classification of 
the Fossil Reptilia. IX, 4. On the Gomphodontia. Ibidem, 
CLXXXVIB, p. 1—5%7, Nov. 1894. London 1895. (Microgomph- 
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Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 229 


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Ibidem, LII, 8S. 268—366. Bonn 1898. (Enthilt auch Ver- 
gleichendes iiber Skelet und Weichteile, sowie systematische 
Folgerungen.) 

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Sixra, V., Vergleich.-osteologische Bemerkung iiber den Schulter- 
giirtel des Ornithorhynchus paradoxus und der Hidechse Uro- 
mastix spinifer. Zool. Anz. XXII, S. 329—335. Leipzig 1899. 
(Enthaélt auf Grund bekannter Thatsachen eine speciellere Ver- 
gleichung des Brustschulterapparates von Uromastix und Ornitho- 
rhynchus und kommt zu dem wunderlichen Schlusse, daf die 
Uebereinstimmung der Knochen beider Schultergiirtel eine so 
vollkommene sei, ,,dai selbst ein erfahrener Zoologe den 
Schultergiirtel eines Ornithorhynchus, aus dem Skelette heraus- 
genommen, fiir den Schultergiirtel einer Eidechse, nicht fiir jenen 
eines Siiugetieres halten kénnte“. In Wirklichkeit wird das 
auch einem recht unerfahrenen Zoologen nicht passieren.) 

Wituston, 8S. W., Some Additional Characters of the Mosasaurs. 
Kansas Univ. Quart., VIII, A, p. 39—41. Lawrence 1899. 

Auf die trefflichen, genauen Beschreibungen Sigepenrock’s sei 
besonders hingewiesen. 


Die folgende Darstellung enthalt eine zusammenfassende Be- 
handlung des fiir die Schultermuskulatur in erster Linie in Be- 
tracht kommenden Brustschulterapparates und des Humerus und 
kniipft an meine alteren Beschreibungen von 1874 und 1875 an. 
Hierbei lag es nahe, den zu beschreibenden Stoff nicht auf die 
lebenden Reptilien zu beschriinken, sondern auch auf die aus- 
gestorbenen Vertreter derselben auszudehnen. 

Um die Gleichartigkeit der Behandlung mit den folgenden 
Abschnitten (§ 14 und § 15) tiber die Nerven und Muskeln der 
Lacertilier, Rhynchocephalier und Crocodilier zu  wahren, also 


230 Max Firbringer, 


lediglich aus praktischen Griinden, wurden auch hier bei der Be- 
schreibung des Skelettes die noch lebende Vertreter aufweisenden 
Ordnungen (unter anhangsweiser Zufiigung ihrer fossilen Repra- 
sentanten) zuerst behandelt, und daran erst — somit ohne Riick- 
sicht auf die systematische Folge — die fossilen Reptilienordnungen *) 
nebst den Cheloniern (deren Nerven und Muskeln bereits 1874 
Bearbeitung fanden und hier nicht wieder behandelt werden) an- 
geschlossen?). Die Darstellung macht damit dem Systematiker 
einen sozusagen unwissenschaftlichen Eindruck *); die am Schlusse 


1) Bei den fossilen Ordnungen wurden, um den mit der Pala- 
ontologie der Reptilien nicht Vertrauten eine erste Orientierung 
zu geben, einige einleitende Worte iiber Alter und Einteilung der 
betreffenden Vertreter gegeben; die palaéontologisch Geschulten bitte 
ich diese fiir sie tiberfliissigen Mitteilungen freundlich zu entschul- 
digen. Die Darstellung beriihrt iibrigens auch betreffend den 
Brustschulterapparat und den Humerus nur die Hauptpunkte, und 
die Eingangs citierte Litteratur ist weit davon entfernt, vollstandig 
za sein. 

2) Die auch rudimentirer Brustschulter-Elemente entbehrenden 
Ophidier fallen selbstverstandlich auferhalb der Behandlung. 

3) Den gleichen systematisch unwissenschaftlichen Hindruck 
gewahrt auch die Folge in der Behandlung der beziiglichen Skelett- 
teile bei den lebenden Reptilien (exkl. Chelonier), indem dieselben, 
um nicht zu viel ungleichwertige Unterabteilungen in die Dar- 
stellung einzufiihren, einfach in 5 aufeinander folgende Abschnitte 
— Kionokrane Lacertilia, Amphisbaenia, Chamaeleontia, Rhyncho- 
cephalia, Crocodilia — geghedert wurde. Es versteht sich auch 
fiir mich, daB die drei ersten Vertreter der Lacertilier einander 
niher stehen als den Rhynchocephahern und den Crocodiliern und 
dal eine weite Kluft die Crocodilier von den Rhynchocephaliern 
und Lacertiliern trennt. Beziiglich der Dreiteilung der lebenden 
Lacertilier in die Kionokrania, Amphisbaenia und Chamaeleontia 
folge ich noch den ialteren taxonomischen Anschauungen (nament- 
lich Srannius 1856) und unterscheide mich damit z. B. von der 
von Bovuiencrer (1884—87) vorgetragenen und von den meisten 
neueren Herpetologen angenommenen Einteilung, wonach die Cha- 
maeleontia (Rhiptoglossa) als besondere Subordo den Lacertilia vera 
gegentibergestellt, die Amphisbaenia aber als blofe in der niichsten 
Nahe der Tejidae stehende Familie (Amphisbaenidae) den Lacertilia 
vera eingereiht werden. Die Griinde fiir meinen Konservativismus 
liegen hauptsaichlich in meiner Ueberzeugung von der fiir die La- 
certilier nicht unerheblichen differential-diagnostischen Bedeutung 
der Columella, welche durch die neueren beziiglichen Untersuchungen 
bei Anniella und Chamaeleo (vergl. Dotto 1884, Corr 1887, Baur 
1889 und 1894) nur verstirkt wurde — iiber Dibamus scheinen 
mir die Akten noch nicht geschlossen zu sein —, sowie in dem sin- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 231 


dieses ganzen IV. Teiles, also nach Behandlung der Skelettteile, 
Nerven und Muskeln zu gebende Zusammenfassung soll namentlich 
auch systematischen Prinzipien dienen und die genealogischen Be- 
ziehungen der behandelten Reptilien zu erértern suchen. 


A. Kionokrane Lacertilia. 


Alle neueren Untersuchungen iiber Schultergiirtel, Brustbein 
und Humerus ergeben die wesentliche Uebereinstimmung dieser 
Gebilde bei den kionokranen Lacertiliern und schliefen somit ohne 
weiteres an meine friiheren Veréffentlichungen (1875) an. 

Allenthalben bei guter Ausbildung setzt sich der Schult er- 
giirtel aus dem primaren, aus Scapula und Coracoid bestehenden, 
und aus dem sekundaren, durch die Clavicula reprasentierten An- 
teile zusammen; ersterer steht zu dem primaren Brustbein, Ster- 
num, letzterer zu dem sekundaren, Episternum, in direkter Be- 
ziehung ?). 

Durch Riickbildung?) vereinfacht sich der Apparat, indem das 


gularen Verhalten der Lunge der Amphisbaenia gegeniiber dem 
amphisbaenen -ahnlichen Tejiden Ophiognomon (cf. Butter, Proc. 
Zool. Soc., 1895). Ich glaube, daf noch eingehende und ausgebreitete 
anatomische Untersuchungen an Amphisbaenoiden (namentlich Chiro- 
tiden) und Tejiden (namentlich Proctoporus, Scolecosaurus, Cophias 
und Ophiognomon), sowie auch den (iibrigens eine ganz andere 
Richtung einschlagenden) Dibamiden nétig sind, um diese Frage 
definitiv zu entscheiden. Solche Untersuchungen  auszufihren, 
fehlte mir leider das nétige in Betracht kommende Material. 

1) Diese bekanntlich von GrcGenpaur (1865) eingefiihrte und 
tief und ausfiihrlich begriindete Unterscheidung in einen primiaren, 
enchondral verknéchernden, und einen sekundiren, als Deckknochen 
ossifizierenden, Teil des Brustschulterapparates ist, soweit insbesondere 
die Clavicula in Betracht kommt, namentlich von Gorrs (1877) und 
WIEDERSHEIM (1892) angegriffen, von GeGENBAUR (1898) aber wirksam 
verteidigt worden. Sapnatirer (1897) hat selbst die enchondrale 
Natur des Episternums behauptet und ist zu Ansichten gekommen, 
die weiter unten (sub Rhynchocephalia) rekapituliert werden sollen. 
Perrin (1897) vertritt im wesentlichen die gleichen Anschauungen 
wie GrcenBAuR. Auch ich folge (wie schon friiher) auf Grund 
neuer eigener Untersuchungen GEGENBAUR. 

2) Ueber den Riickbildungsprozef der Extremititen und des 
Extremititengiirtels verdanken wir Copr (1892, A) eine wesentliche 
Bereicherung unserer Kenntnisse, indem dessen Untersuchung an 
einem viel umfanglicheren Material als meine altere (1870) angestellt 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 16 


232 Max Firbringer, 


Episternum unter successiver Reduktion ganz schwindet (Pygopus 
lepidopus, Ophisaurus, Dopasia gracilis, Anguis fragilis [ausnahms- 
weise], Anelytropsis papillosus, Feylinia currori), das Sternum den 
Verband mit den Rippen verliert (Ophisaurus, Pseudopus, Dopasia, 
Anguis) und unter allmahlicher Verkleinerung auch ganz verkiimmert 
(Anelytropsis, Feylinia), und indem endlich auch der primare oder 
sckundare Schultergtirtel véllig reduziert wird; in einzelnen Fallen 
persistieren noch Reste des primaren Schultergiirtels allein (Acontias, 
Typhlosaurus)+) oder des sekundaren allein (Feylinia)?) oder der 


ist. Auch Sauvace (1878) und SuHurexpr (1882) machen Mitteilungen, 
ersterer (ohne Kenntnis der meisten vorausgegangenen Arbeiten) 
iiber Ophisaurus apus, letzterer iiber Ophisaurus ventralis. — Nach 
Corr’s Arbeiten, die ich durch die Angaben in BovuLuncnr’s Cata- 
logue of Lizards und die seitdem erschienene Litteratur vervoll- 
standige, findet sich 1) ganzliche Riickbildung der freien vorderen 
Extremitat bei Zonuridae: Chamaesaura (Mancus) macrolepis. — 
Pygopodidae (alle Gattungen). — Anguidae: Ophisaurus (alle Arten 
inkl. die unter den Genusnamen Pseudopus und Dopasia an- 
gefiihrten); Ophiodes (alle Arten); Anguis (fragilis). — Anmniellidae 
(Gattung Anniella mit allen Arten). — Scincidae: Ollochirus (Cops); 
Lygosoma bipes, L. (Soridia) praepeditum, L. (Ophioscincus) ophio- 
scincus; Ophiomorus (einige Arten, z. B. punctatissimus, latastei) ; 
Scelotes (gewisse Arten, z. B. Sc. bipes, Sc. (Podoclonium) guentheri, 
ferner die auch mit dem Gattungsnamen Herpetosaura bezeichneten 
Sc. inornatus, arenicola, bicolor etc.); Herpetoseps (anguinus); Sepsina 
(Dumerilia) bayonii u. A.; Melanoseps (ater); Sepophis (punctatus) ; 
Acontias [die meisten Arten incl. die mit Pseudacontias (madagasca- 
riensis), Paracontias (brochii) und Grandidierna (rubrocaudata) be- 
zeichneten|; Typhlacontias (punctatissimus); Ophiopsiseps (nasutus). 
— Anelytropidae (alle Gattungen und Arten: Anelytropsis, Feylinia, 
Typhlosaurus, Voeltzkowia). — Dibamidae: Dibamus (alle Arten). — 
2) ganzliche Unterdriickung der vorderen Extremitat und 
des Brustschulterapparates bei gewissen Arten von Acontias, 
bei Anelytropsis, Dibamus und Anniella, vermutlich auch noch bei 
anderen Scincidae und noch nicht untersuchten Anelytropidae. (Ueber 
die Verhaltnisse bei den Amphisbaenoiden s. bei diesen.) 

1) Bei Acontias und Typhlosaurus auf Grund meiner 1870 ge- 
machten Mitteilungen (vergl. Die Knochen und Muskeln der Extre- 
mitaten bei den schlangenihnlichen Sauriern, Leipzig 1870, 8S. 15 f.). 
Die dort geauferte Annahme von der méglichen Existenz clavicularer 
Elemente in dem Schultergiirtelrudiment von Acontias niger méchte 
ich jetzt fallen lassen. Immerhin empfiehlt sich Nachuntersuchung 
an anderen Exemplaren. 

2) So bei Feylinia nach Corn. Danach — wenn Copr’s Deutung 
richtig ist — scheint es, daf die Reduktion des Schultergiirtels bei 
den Acontiidae und Anelytropidae zu sehr verschiedenen Ausgingen 
kommt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschuiterapparates etc. 233 


ganze Schultergtirtel verschwindet spurlos (Acontias indiy., Anely- 
tropsis, Dibamus, Anniella). 

Der primare Schultergitirtel‘) reprasentiert ein winkelig 
gebogenes Skelettstiick aus knorpeliger Grundlage, dessen lateraler 
Schenkel, die Scapula, an der Seitenwand des Kérpers aufsteigt 
und dorsal frei ausliuft, waihrend der ventrale Schenkel, das 
Coracoid, in seinem hinteren Bereiche mit dem Sternum artikuliert 
und mit seinem medialen Rande sich bei guter Ausbildung unter 
Ueberschreitung der Mittellinie tiber den Rand des Coracoids der 
Gegenseite schiebt?), Die winkelige Verbindungsstelle von Scapula 
und Coracoid wird in der Jugend durch Synchondrose, im Alter 
durch Synostose gebildet; an ihrem distalen Rande liegt die Ge - 
lenkhoéhle fiir den Humerus *). 

Die Scapula‘) besteht aus dem ventralen schmaleren und 
meist auch kiirzeren Abschnitte, der mit dem Coracoid in der 
‘angegebenen Weise verschmolzen ist und verknéchert, der Scapula 
s. str. (Infrascapulare), und dem dorsalen, breiteren und gréferen 
Teile, der knorpelig bleibt oder nur verkalkt, dem Suprascapu- 
lare®): beide bilden ein Continuum ®), Der vordere Rand resp. 


1) Seapulo-coracoideum: Go6rrn u. a. A. — Osso scapolare: 
ORLANDI. 

2) Ueber diese von Alters bekannte gegenseitige Deckung der 
Coracoide machen Horrmann (1879) und Srepenrock (1894, 1895) 
Mitteilungen; ersterer hielt sie fiir eine Kigentiimlichkeit des von 
ihm untersuchten Goniocephalus dilophus, was von Sirpenrock durch 
Untersuchung zahlreicher anderer, ahnlich sich verhaltender Lacer- 
tilier widerlegt wurde. Bei schwiicherer Ausbildung oder Reduktion 
des Coracoids entfernen sich die beiden Coracoide voneinander; 
bei Acontias niger scheint Verschmelzung beider einzutreten. So- 
mit abnlich wechselnde Verhaltnisse wie bei den Batrachiern. 

3) Cavitas glenoidalis, Fovea articularis, Gelenkhéhle der Au- 
toren. Bei den Arten mit véllig riickgebildeter vorderer Extremitat 
schwindet sie; bei Pseudopus fand ich (1870) individuell noch das 
letzte Rudiment des Humerus syndesmotisch (ohne Ausbildung einer 
Gelenkhéhle) an der entsprechenden Stelle angeheftet. 

4) Scapula, Scapola, Scapulum, Omoplate der Autoren. — Por- 
zione verticale e dorsale dell’ osso scapolare: ORLANDI. 


5) Episcapulum: Sapatrer. — Soprascapola: Ficaupi. — Supra- 
scapulare: Srepenrock. — Porzione dorsale dell’ osso scapolare: 
ORLANDI. 


6) Eimige Messungen ergeben mir hinsichtlich des gegenseitigen 
Lange-Verhaltnisses (dorso-ventrale Ausdehnung) der Scapula 
s. str. und des Suprascapulare: 1:2 bei Phrynosoma; 2:3 bei Hemi- 
dactylus; 3:4 bei Gecko, Varanus; 4:5 bei Lacerta; 1:1 bei 

alts 


234 Max Firbringer, 


Vordersaum der Aufenflache der Scapula tragt bald an der Grenze 
von Infrascapulare und Suprascapulare, bald an ersterem oder an 
letzterem einen kleinen, fiir die Aufnahme der Clavicula bestimmten 
Processus clavicularis s. Acromion'). Membranés ver- 
schlossene Fensterbildungen im vorderen Bereiche der Scapula 
(Fenestra scapularis)”) oder an der Grenze der Scapula und des 
Coracoids (Fenestra coraco-scapularis) *) finden sich nicht selten; 
letzteres ist die haufiger vorkommende Bildung. Mitunter wird 


Ameiva; 3:2 bei Calotes, Uroplates. Die Breite- Dimensionen 
(sagittale Dimensionen) dieser Teile kénnen in Wirbellaingen als 
Einheiten folgendermagen ausgedriickt werden: geringste Breite 
der Scapula s, str.: 11/, bei Varanus; 1 bei Ameiva, Phryno- 
soma, Calotes; */; bei Lacerta; 3/, bei Gecko, Hemidactylus, Uro- 
plates; gré8te Breite des Suprascapulare: 31/, bei Va- 
ranus; 3'/, bei Gecko, Hemidactylus; 31/, bei Lacerta; 3 bei Ca- 
lotes, Uroplates; 2?/, bei Ameiva, Uroplates; 1°/, bei Phrynosoma. 
— Uroplates wies im ganzen die schlankeste und am _ weitesten 
verknécherte Scapula auf und nahert sich damit unter allen wahren 
(kionokranen) Lacertiliern am meisten den Chamaeleontiden. 

1) Bei den Saugetieren ist die betreffende Bildung viel héher 
ausgebildet und namentlich auch in ihrer Lage fixiert, weshalb eine 
specielle Homologie zwischen dem Acromion der Saugetiere und 
Lacertilier von GEGENBAUR (1865) nicht angenommen wurde; daf 
es sich aber um gleichartige Bildungen handelt, ist zweifellos und 
wird auch durch Annahme der betreffenden Bezeichnung fiir die 
Lacertilier neuerdings (1898) durch Grerenspaur dokumentiert.- Sa- 
BATIER nennt dasselbe Acromion scapulaire. Srepenrock, der das 
Gebilde bald als acromion-ahnlichen Fortsatz, bald als Acromion 
bezeichnet, macht eingehendere Mitteilungen iiber sein wechselndes 
Verhalten bei vielen Lacertiliern (1893, 1894, 1894) und hebt bei 
den Scincidae namentlich auch die Lage an der Aufenflache 
und in einiger Entfernung von dem vorderen Rande der Scapula 
hervor (1895, A); ich kann seine Angaben bestitigen. 

2) GeGENBAUR’S Fenster No. 4. — Scapular Fenestra, Scapular- 
fenster: Parker, SIEBENROCK. 

3) GreenBaur’s Fenster No. 3, wodurch zugleich die gréfere 
Haufigkeit gegeniiber dem dorsal von ihm gelegenen Fenster No. 4 
ausgedriickt wird. — Foramen crico-coracoidien: Gmrvars. — Coraco- 
scapular Fenestra: Parker. — Die beide Fenster scheidende resp. 
das untere dorsal begrenzende Skelettspange (Trabecula) wird von 
ParKER als Mesoscapula hervorgehoben ; SaBariur bezeichnet sie als 
Préscapulum, Ficansr als Apofisi o processo mesoscapolare, Copx als 
Proscapular process, Sirpenrock als Processus anterior scapulae. — 
Mir scheinen die Bezeichnungen Mesoscapula und Préscapulum die 
Bedeutung des fraglichen Gebildes weit zu iiberschatzen; von Fort- 
satzbildungen méchte ich aber auch nicht sprechen, da es sich hier 
offenbar nur um Aussparangen infolge der sekundiren Fenster- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 235 


die sie vorn verschlieBende Skelettspange') sehr fein und _ bildet 
sich selbst zum Bande um’); dann kann man von Incisurae ob- 
turatae oder Semifenestrae an Stelle der Fenster sprechen. 


Fig. 1. Fig. 2. 


Fig. 1. Brustschulterapparat von Iguana tuberculata juv. 3. Cl Cla- 
vicula. Co Rippe. Cr Coracoid. st Episternum. F.spe Foramen supra- 
coracoideum. Pst Prosternum. Sc Scapula. SS Suprascapulare. Xst Meta- 
sternum (Xiphisternum). Z Fenestra coracoidea anterior. 2 Fen. cor. post. 
& Fen. coraco-scapul. 4 Fen. scap. (Nach W. K. PARKER.) 

Fig. 2. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. }. Zer Epi- 
coracoid. #F.gl Fossa glenoidalis humeri. 4 Incisura obturata (Semifenestra) 
scapularis. Uebrige Bezeichnungen s. Fig. 1. (Nach W. K. PARKER.) 


Das Coracoid®*) bildet eine breite horizontale Platte, welche 
in ihrem an die Scapula grenzenden lateralen Abschnitte ver- 


bildung, also um Trabekeln, handelt. — Ueber die Existenz der 
beiden Fenster verdanken wir StmpEnrock (1894, 1895) genaue Mit- 
teilungen; dieselben wechseln selbst bei nahen Verwandten erheblich. 
— Sie dienen mit ihren Umrahmungen bald dem M. scapulo- 
humeralis anterior, bald diesem Muskel und dem dorsalen Teile 
des M. supracoracoideus als Ursprungsstellen. 

1) Von Parker und Gérre als Praescapula, Praescapular belt, 
Praescapulare benannt. Auch dieser Bezeichnung méchte ich aus 
dem in vorhergehender Anmerkung angegebenen Grunde nicht das 
Wort reden. Hinsichtlich des wechselnden Verhaltens verweise ich 
gleichfalls auf Srtepenroce’s Mitteilungen, aus denen auch das Ent- 
sprechende iiber das gewebliche Verhalten dieser Spange zu er- 
schliefen ist. 

2) Genaueres dariiber s. u. a. bei Gorrr (1877). 

3) Coracoid, Coracoide, Osso coracoideo der Autoren. — Porzione 
ventrale dell’ osso scapolare: Ortanpi. — Die alte Deutung als Cla- 
vicula scheint allgemein verlassen zu sein; das Bilderwerk von 
Briun, der nach Srpsenrocr’s Mitteilung den knorpeligen Teil als 
Chondro-claviculare bezeichnet, stand mir nicht zur Hand. Ueber 
die Richtigkeit der Deutung als Coracoid braucht nicht mehr dis- 
putiert zu werden. 


236 Max Firbringer, 


knéchert, in ihrem medialen und vorderen (kranialen) Bereiche 
aber in wechselnder Ausdehnung knorpelig bleibt'). Mit ihrem 
hinteren medialen Rande greift sie in den Sulcus coracoideus des 
Sternums ein und ist durch Vermittelung eines schlaffen Kapsel- 
bandes gelenkig mit ihm verbunden; medial steht sie zu dem 
Coracoid der Gegenseite in den bereits angegebenen Bezichungen ; 
vorn ragt sie frei vor, wobei sie meist von der Clavicula bedeckt 
wird, ohne aber mit derselben in Beriihrung zu kommen.  Selten 
(Helodermidae) ?) bildet sie eine — abgesehen von dem noch zu 


Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. 


Fig. 3. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. ?. Bezeich- 


nungen s. vorhergehende Figuren. (Nach SHUFELDT.) , 
Fig. 4. Brustschulterapparat von Gerrhonotus imbricatus. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 
Fig. 5. Brustschulterapparat yon Varanus bengalensis. %. 3 Incisura 
obturata (Semifenestra) coraco-scapularis. Uebrige Bezeichnungen s. vorher- 
gehende Figuren. (Nach W. K. PARKER.) 


erwihnenden Foramen  supracoracoideum — _  undurchbrochene 
Platte; in allen tibrigen Fallen guter Ausbildung ist sie von einem 
meist grofen, mit Membran gefiillten Fenster (Fenestra coracoidea 


1) Der knorpelige resp. knorpelig gebliebene Abschnitt wird 
auch von verschiedenen neueren Autoren nach dem Ursprunge 
Cuvier’s als Epicoracoide, Epicoracoideo, Epicoracoid (GorrTs, 
SABATIER, Ficauei, SIEBENROCK), von Brinn als Chondro-claviculare 
bezeichnet. Srepenrock stellt ihn dem knéchernen Coracoid gegen- 
iiber zu sehr in Gegensatz; beide bilden ebenso wie Scapula s. str. 
und Suprascapulare ein einheitliches Skelettstiick. 

2) Hinsichtlich dieses bemerkenswerten, an die Chamaeleontiden 
erinnernden Verhaltens des primiaren .Schultergiirtels von Heloderma 
verweise ich des niheren auf Suurenpr und Corr. Selbstverstind- 
lich begriindet dieses Verhalten keine besondere systematische Stel- 
lung der Helodermidae jenseits der iibrigen kionokranen Lacertilier 
(vergl. auch BouLENnGEr). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 237 


principalis s. anterior) 1) durchbrochen, zu dem nicht selten noch 
ein zweites, caudalwarts dahinter gelegenes (Fenestra coracoidea 
posterior) *) hinzukommen kann. Das ersterwihnte Fenster, das 
bei vielen Lacertiliern das einzig vorkommende im primaren 
Schultergiirtel ist, tritt, wie GEGENBAUR hervorgehoben hat, vor 
allen anderen Fensterbildungen in Scapula und Coracoid als 
Hauptfenster in den Vordergrund und lat sich auch mit den 
Fensterbildungen bei anderen Reptilien und den Amphibien ver- 
gleichen, wahrend die iibrigen Fenster (No. 2, 3 und 4) specielle 
und sehr wechselnde Differenzierungen (Nebenfenster) innerhalb 
der kionokranen Lacertilier bilden. Angesichts dieser fundamen- 


w Fst 

m ir Cc Cl Se SS 
< Pst 

WANN Col 


Co.4 
Xst 


Fig. 6. Fig. 7. 


Fig. 6. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 

Fig. 7. Brustschulterapparat von Iguana tuberculata. 4. (Nach W. K. 
PARKER.) 


1) Primares Fenster, Hauptfenster, Fenster No. 1: GrarHpaur. 
— Upper coracoid fenestra: Parker. Sriepenrock gebraucht beide 
Bezeichnungen. Nach Gorre entstehen alle Fenster erst sekundiar 
wahrend der ontogenetischen Entwickelung. — Das Hauptfenster 
dient mit seiner Umrahmung dem M. supracoracoideus als Ursprungs- 
stelle. 


2) Sekundiares Fenster, Fenster No. 2: Grcensaur. — Lower 
coracoid fenestra: Parker. — Nebenfenster: Srepenrock (der auch 
die anderen Benennungen wiedergiebt). — In der Haufigkeit seines 


Vorkommens rangiert dieses Fenster etwa mit dem coraco-scapularen 
Fenster. Von der es auskleidenden Membran und der Umrahmung 
des Fensters entspringt der proximale Kopf des M. biceps brachii. 


238 Max Firbringer, 


talen und weitgehenden Bedeutung +) reprasentieren auch die es 
umgrenzenden Skeletteile wichtige Strecken des Coracoids?): die 
vor (kranial) ihm liegende Spange ist das Procoracoid %), die 
medial davon befindliche das Epicoracoid®‘), der hinter (caudal) 
und lateral von ihm gelegene Hauptteil des Coracoids das Cora- 
coid s. str.°). Von viel geringerer Wichtigkeit ist bei der Aus- 
bildung von zwei coracoidalen Fenstern die zwischen diesen beiden 
gelegene Spange °). Bei Reduktion des Coracoids wird die procoraco- 
idale und epicoracoidale Spange schmaler und schmiler, erstere kann 
sich auch ligamentés zuriickbilden, in welchem Falle das Haupt- 
fenster zur Incisur’) sich umwandelt; weiterhin bei noch héheren 
Graden der Verkiimmerung kann auch die coracoidale und scapulare 
Fensterbildungen resp. Incisuren trennende Spange in Wegfall 
kommen, wodurch eine gemeinsame coraco-scapulare Incisur ent- 


1) G6érrr und, ihm folgend, Horrmann und WiepursHerm halten 
im Gegensatz zu GrGENBAUR dieses Hauptfenster den iibrigen 
Fensterbildungen im primiaren Schultergiirtel fiir gleichwertig und 
vermégen darum auch, namentlich im Hinblick auf die fensterlosen 
Coracoide von Chamaeleo und Sphenodon, die fundamentale Bedeu- 
tung desselben und der es umschliefenden drei Strecken des Cora- 
coides nicht anzuerkennen. Prrrin unterscheidet dieselben sehr 
wohl. 

2) Es handelt sich somit, worauf einiges Gewicht zu legen ist, 
nicht um drei durch separate Verknicherungen gesonderte Teile, 
sondern blof um verschiedene Regionen des Coracoids s. lat., und 
damit ist ein gewisser Unterschied gegeniiber den Bildungen der 
Saiugetiere und einzelner anderen Reptilienabteilungen (Anomodontia, 
Plesiosauria) gegeben, bei denen das Coracoid mit zwei lange ge- 
trennt bleibenden Centren ossifiziert. Howes (1893) unterscheidet 
danach auch die meisten Sauropsiden (und Amphibien) als unicora- 
coidale Tiere von den zuvor genannten Reptilien und Mammalia, 
auf die er den Terminus bicoracoidal anwendet. 


3) Précoracoide, Praecoracoid: Sauvacn, SHurELDT. — Précora- 
coide et Epiprécoracoide: Sasarizr. — Apofisi 0 processo precora- 
coideo: Ficansi. — Procoracoid: Gérrr, Cope. 


4) Epicoracoide, Epicoracoid, Epicoracoideum : SAuvAGE, SHUFELDT, 
SIHBENROCK. 

5) Coracoid s. str. der Autoren. — Coracoide et Epicoracoide: 
SABATIER. 

6) Mesocoracoid, Mésocoracoide, Mesocoracoideo: Parker, GOTTE, 
Sapatrer, Ficaupr. — Wegen der Unbestindigkeit des hinteren 
Coracoidfensters kann ich dieser Spange nicht die Bedeutung bei- 
messen, die mit der erwihnten Bezeichnung (als integrierender Teil 
des Coracoids) ausgedriickt wird, 

7) Emargination: Cop. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 239 


steht (Anguis, GOTTs); endlich bei noch weiterer Reduktion fehlt 
jede prozonale Incisur, indem nur ein schmales Rudiment des 
Coracoids s. str., das lateral in das scapulare Rudiment auslauft, 
iibrig bleibt. — Zwischen dem Hauptfenster und der Gelenkhéhle 


Fig. 8. Brustschulterapparat 
von Phrynosoma cornutum. 3. 
1 + F. spe Fenestra coracoidea 
anterior, durch das zugleich der 
N. supracoracoideus tritt. Uebrige 
Bezeichnungen s. vorhergehende 


Figuren. (Nach der Natur.) 


fiir den Humerus wird das Coracoid von dem Foramen supra- 
coracoideum') durchbohrt, welches dem Durchtritte des Ner- 
vus supracoracoideus und der gleichnamigen Gefaife dient. Es 
liegt immer im Bereiche des Coracoids s. lat. und kann in einzelnen 
Fallen in den Rand des Hauptfensters treten; bei starker redu- 
ziertem Brustgiirtel tritt der Nerv, wenn noch vorhanden, vor 
(kranial von) dem coracoidalen Rudimente nach aufen '), 

Der sekundare Schultergiirtel wird durch die als 
Deckknochen ossifizierende Clavicula?) reprasentiert, eine den 
vorderen (kranialen) Rand des Schulterapparates einnehmende 
quere Knochenspange oder Knochenplatte, welche zwischen dem 
Anfange des Episternums und dem Proce. clavicularis (Acromion) 
der Scapula erstreckt ist und dementsprechend auch eine ahnliche 
winkelige Biegung wie der primire Schultergtirtel zeigt. 

Beziiglich ihrer Verbindung mit dem Episternum *) habe ich 
meinen Mitteilungen von 1875 kaum etwas zuzufiigen: ist das 


1) Trou coracoidien: Sauvage. — Nervenloch: Srepenrock. — 
SIEBENROCK macht genauere Mitteilung iiber sein Vorkommen und 
findet auch bei Scincus (entgegen GrcEnBaur’s Alterer Angabe), 
da8 es sich nicht an der Grenze von Coracoid und Scapula finde. — 
Insbesondere bei den mir vorliegenden Exemplaren von Phrynosoma 
und Uroplates fallt es in den Bereich des bei letzterem recht 
kleinen coracoidalen Fensters. Auch Siesenrocx bildet fiir Uro- 
plates kein separates Foramen supracoracoideum ab. 

2) Clavicula, Clavicule, Clavicola der Autoren. — Dermo-clavi- 
culare: Brisa. 

3) Hinsichtlich des selbst innerhalb engerer Familienverbinde 
recht wechselnden Details verweise ich namentlich auf Stmpenrock 
(1893—95). 


240 Max Firbringer, 


Episternum T-férmig, so sind die beiden Clavikeln in gréferer Aus- 
dehnung mit dessen Querschenkeln vereinigt; ist es kreuzformig, so 
findet sich die konstante direkte Verbindungsstelle an der Spitze des 
Liingsschenkels, wozu mitunter noch ein direkter Verband mit den 
Enden der queren Schenkel kommen kann, wihrend sich zwischen 
den voneinander entfernteren Strecken der Clavicula und der epister- 
nalen Querschenkel eine mabig entwickelte Membrana episterno- 
clavicularis erstreckt; wird das Episternum nur durch einen 
Lingsstab reprasentiert, so liegt die Clavicula blof dem Anfange 
desselben an. Bei weiterer Riickbildung des Episternums lést 


Fig. 10. Fig. 11. 


Fig. 9. Brustschulterapparat von Gerrhonotus imbricatus. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 

Fig. 10. Clavicula, Sternum und Episternum yon Zonurus cordylus. 4. 
(Nach der Natur.) 

Fig. 11. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. 3. (Nach 
SHUFELDT.) 


sich der Verband mit der Clavicula; das episternale, meist nur 
noch im sternalen Bereiche erbaltene Rudiment liegt dann in mehr 
oder minder grofer Entfernung von der Clavicula!). Bei ganz- 
lichem Schwunde des priméren Schultergiirtels und der Brustbein- 
bildungen legen sich die medialen Enden der beiden Clavikeln an 
die von den vereinigten Sternocostalien der ersten Thorakalrippe 
eebildete Spitze an (Keylinia, Cope) ?); haufiger schwinden die 


1) Diese Liésung und Riickbildung konnte von Gort bei An- 
guis auch ontogenetisch nachgewiesen werden. 

2) Diese Angabe Copn’s von der Persistenz der Clavicula bei 
ginzlich geschwundenem primaren Schultergiirtel ist sehr auffallend. 
Der beziigliche Befund bei Feylinia wiirde eine Ausnahme von dem 
Verhalten aller anderen Tetrapoden (Amphibien, Sauropsiden und 
Mammalia) darbieten. Erneute Untersuchungen sind sehr erwiinscht. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 241 


Clavikeln noch vor dem primaren Schultergiirtel oder mit diesem 
zugleich (Acontias, Anelytropsis, cf. Corr). In allen diesen Fallen 
ist das gegenseitige Verhalten der rechten und linken Clavicula 
ein wechselndes; zwischen den Extremen einer ausgedehnteren 
Verbindung beider miteinander und einer mabigen Entfernung 
voneinander finden sich alle Ueberginge. 

Der Verband mit der Scapula erfolgt an der bei dieser an- 
gegebenen Stelle (Acromion) und kann bald an der Scapula s. str., 
bald am Suprascapulare, bald an der Grenze beider stattfinden ; 
diese Stelle liegt meist am Vorderende der Scapula s. lat., bei 
zahlreichen Lacertiliern (namentlich Scincidae) aber auch an der 
AuSenflaiche. 


SS 


Ss 


Fig. 12. 


Fig. 12. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama atra. (Nach 
SIEBENROCK.) 


Fig. 13. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis. 2. Vergl. Fig. 5. 
(Nach W. K. PARKER.) 


Die Gestalt der bei guter Ausbildung des Schultergiirtels 
winklig gebogenen, bei weiter gegangener Riickbildung desselben aber 
weniger gekriimmten Clavicula ist einem grofen, insbesondere von 
Cope und BouLeNGER systematisch verwerteten Wechsel unter- 
worfen: 1) einen diinnen und auf dem Querschnitte rundlichen 
Stab bildet sie bei den Uroplatidae, Zonuridae, Anguidae, Pygo- 
podidae, Helodermatidae, Xenosauridae, meisten Iguanidae, meisten 
Agamidae, Varanidae, denen Feylinia, sowie vereinzelte aberrante 
Geckonidae, Scincidae, Lacertidae und Tejidae (bei denen sich 
wohl sekundar die schlankere Form aus der breiteren bildete) 
angereiht werden kénnen; 2) wiahrend die laterale Halfte in der 
Regel schmal bleibt, ist die mediale Halfte verbreitert, zuniichst 
im maifigem Grade (einzelne Vertreter der Familien der Gecko- 


242 Max Firbringer, 


nidae, Scincidae, Zonuridae, Anguidae, Iguanidae'), Agamidae) 
oder in ausgedehnterer Weise zu einer breiteren Platte, die meist 
von einem mehr oder minder ansehnlichen querovalen Fenster 
durchbrochen ist (iiberwiegende Mehrzahl der Geckonidae, Scincidae, 
Eublepharidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, Tejidae, Xantusiidae ”); 


Fig. 14. Clavicula und Episternum von Laemanctus longipes. §. (Nach 
W. K. PARKER.) 

Fig. 15. Brustschulterapparat von Tiliqua nigrolutea. %. (Frei nach 
W. K. PARKER.) 

Fig. 16. Clavicula und Episternum von Mabuia multifasciata. (Nach 
STEBENROCKE.) 

Fig. 17. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. 7. (Nach 
W. K. PARKER.) 

Fig. 18. Clavicula und Episternum von Trachysaurus rugosus. }. (Nach 
W. K. eee 


1) Bei Laemanctus selbst mit kleinem Fenster (PARKER 1868). 
2) Bei Mabuia findet Stepenrock (1895) 2 hintereinander ge- 
legene Fenster; Ortanpr bildet bei Macroscincus hinter dem grofen 
Fenster noch 2 ganz kleine Oeffnungen ab. Der das Fenster 
hinten begrenzende Knochenrand kann (vergl. Simpenrock, sowie 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 243 


bei Cophias, Tiliqua und Trachysaurus, wo die medial (bei Trachy- 
saurus in hohem Grade) verbreiterte Clavicula die gréfte Massig- 
keit erreicht, fehlt in der Regel die Fensterbildung '). 

Mit dieser Ausbildung verbindet sich eine verschiedenartige 
Konturierung des hinteren (caudalen) Randes der clavicularen 
Platte; von den hier zur Beobachtung kommenden Einschnitten, 
Zacken und Vorspriingen ist derjenige an der Verbindungsstelle 


Fig. 19. 


Fig. 19. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus. (Nach SIEBEN~- 
ROCK.) 

Fig. 20. Brustschulterapparat von Lacerta simonyi. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 


mit dem lateralen Schenkel des kreuzformigen Episternums hervor- 
zuheben”). Ein geradliniger Verlauf der Clavicula ist hierbei 
nicht der gewohnliche; haufiger besitzt dieselbe (abgesehen von 


eigene Beobachtung) bei mehreren, von Smmpenrock mit Namen auf- 
gefiihrten Lacertidae durch Ligament vertreten sein: dann resultiert 
— am macerierten resp. seiner Membranen beraubten Skelette — 
auch im medialen Bereiche eine schmale, nur durch den vorderen 
Fensterrand gebildete Clavicula. Auch bei einzelnen Iguanidae 
(Laemanctus, Basiliscus) wird eine Perforation des verbreiterten 
medialen Teiles der Clavicula angegeben (BouLENGER). 

1) Das von Parker untersuchte und abgebildete Exemplar von 
Trachysaurus zeigt ein kleines Fenster; Werrser, Gueensaur, ich, 
Corr, Srepenrock vermiften es. Offenbar handelt es sich bei 
diesem Scinciden um einen sekundaren Verschluf. 

2) Srepenrock macht iiber diese Verhaltnisse genauere Mit- 
teilungen. Auch Sauvace (1878) bildet die am hinteren Rande sehr 
zackige Clavicula von Gongylus ab. 


244 Max Firbringer, 


der oben angegebenen winkligen Biegung) eine mehr oder minder 
ausgesprochene S-formige Kriimmung. 

Bei Riickbildung des Schultergiirtels wird die Clavicula durch- 
weg diinner, schmaler und mehr geradlinig. 

Das primare Brustbein, Sternum!), ist einesteils Tra- 
ger des Coracoids und des Episternums, wie es anderenteils im gut 
ausgebildeten Zustande von Rippen getragen wird, entsteht durch 
die Verschmelzung der ventralen verbreiterten Rippenenden und 
bleibt wie diese in der Regel knorpelig; nicht selten kann der 
Knorpel verkalken. Es besteht aus einer vorderen breiteren, un- 
paaren, rhomboidalen Platte, an welche sich hinten ein schmalerer 
Teil in Gestalt rippenartiger Fortsatze oder eines unpaaren Stabes 
anschlieBt; der vordere Teil reprasentiert das Sternum s. str. 
(Prosternum), der hintere das Xiphisternum (Metasternum). 

Die rhomboidale, meist in maBigem Grade nach aufen ge- 
wolbte?) Platte des Sternum s. str. (Prosternum)?) ist der 
altere, d. h. friiher aus den Rippen hervorgegangene Hauptteil 
des Sternums; ihre beiden vorderen Rander tragen die Gelenk- 
flachen fiir die Coracoide, Sulci articulares coracoidei 
(mit einem Labium externum und internum), ihre beiden hinteren 
Rander verbinden sich mit einer wechselnden Zahl von Rippen- 
knorpeln (Sternocostalien)*), meist 3 bei gut ausgebildeten Brust- 
beinen °); zwischen den vorderen und hinteren Randern findet sich 


1) Sternum der Autoren, Plaque sternale: Gervais. 

2) Bei Uroplates ist der Anfang starker nach aufen gewélbt. 

53) Portion rhomboidale: Saparinr. — Sterno: Frcaupr. — Prae- 
sternum: PARKER, SIEBENROCK. — GEGENBAUR (1898), wenn ich ihn 
recht verstehe, citiert Parker als Gewahrsmann fiir die Bezeichnung 
Mesosternum, die er selbst gebraucht. 

4) Rippenknorpel, Cartilagines costarum der Autoren. — Sterno- 
costalleisten: Srannius. — Gastropleuralia: Brinn. 

5) Die Dreizahl der mit dem gut entwickelten Praesternum 
verbundenen Rippen ist das weitaus haufigste Vorkommnis und wird 
auch von SirsenRocK als Regel angegeben. Manche anders lautende 
Angaben lassen sich daraus erklaren, da’ die letzte prosternale 
oder die erste xiphisternale Rippe gerade an der Grenze beider 
Brustbeine sich einlenkt und dann von den Autoren bald dem vor- 
deren, bald dem hinteren zugeteilt wird. Eine wohl nicht zu _ be- 
zweifelnde Vierzahl mit dem Prosternum verbundener Rippen 
wird bei Phyllodactylus, Grammatophora, Agama, Liolepis, Uromastix, 
Laemanctus, [guana, Dipsosaurus, Crotaphytus und Oplurus, eine 
Zweizahl (zum Teil wohl individuell) bei Sitana, Lyriocephalus, 
Calotes, Anolis, Phrynosoma, Mancus, Psammosaurus, Varanus, Mo- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 245 


die laterale Ecke, die bei verschiedenen kionokranen Lacertiliern 
in einen mehr oder minder ansehnlichen Processus lateralis aus- 
gezogen sein kann‘). Der Medianlinie der Aufenfliche des Pro- 
sternum ist das Episternum in wechselnder Ausdehnung aufgelagert 
und eingewachsen. Eine mediane, hinten an das Episternum an- 
schlieBende Erhebung der aiuSeren Prosternalflache, also die erste 
Andeutung einer Crista sterni, fand Stepenrock bei einzelnen 
Agamiden (Moloch, Lyriocephalus). 

Der hintere und jiingere Teil des primairen Brustbeines, das 
Xiphisternum (Metasternum)?), befindet sich, wie auch 


nitor und Chalcides angegeben oder abgebildet; danach sind also 
namentlich innerhalb der Agamidae und [guanidae die Differenzen 
erhebliche. Noch weniger Rippen finden sich bei den in Riick- 
bildung befindlichen Brustbeimen (s. unten). — Die erste Ster- 
nalrippe gehért in der Regel dem 9. Wirbel an; bei den Vara- 
nidae, aber nicht ausnahmslos (s. v. JHERING), sowie vereinzelt und 
wohl individuell auch bei den anderen Lacertiliern (Agama stellio, 
v. JHERING) ist sie wie bei den Crocodilen erst mit dem 10. Wirbel 
verbunden. Anders lautende Angaben beziiglich gut entwickelter 
Brustschulterapparate (z. B. die von Werser) beruhen wohl auf Ivrtum. 
— Mit Riickbildung des Brustbeines und Schultergiirtels scheint 
sich eine kranialwarts gehende Vorwanderung desselben um 1—2 
Metameren zu verbinden; doch ist die genauere Bestimmung hier 
mit Schwierigkeit verbunden, weil in diesen Fallen die Verbindung 
des Sternums mit Rippen in der Regel aufgegeben ist. Daher 
schwanken auch hier die Angaben auferordentlich; irrig sind jeden- 
falls diejenigen, welche als Cervicalwirbel nur diejenigen auffassen, 
welche keine beweglichen Rippen tragen (da bekanntlich bei den 
gut ausgebildeten Lacertiliern eine ganze Anzahl hinterer Hals- 
wirbel, meist 5, mit beweglichen Rippen verbunden sind), oder 
welche alle mit Hamapophysen versehenen vorderen Wirbel zum 
Cervicalgebiete rechnen (vergl. hieriiber die gute Kritik von SIEBEN- 
rock, 1895, S. 18). Die richtige Bestimmung kénnte einmal an 
der Hand der Ontogenese, falls sie nicht versagt, gegeben werden 
(bei Anguis-Embryonen z. B. konnte G6rrr noch einen Verband des 
Sternums mit einer [der ersten} Rippe nachweisen), dann auch durch 
die genauere Vergleichung der Plexus brachiales, insbesondere den 
Verlauf der prozonalen und postzonalen Zweige derselben gegeben 
werden. Das ist im Detail noch ein Desiderat fiir zukiinftige Spe- 
cialarbeiten. Auf Grund der Untersuchung des Plexus von 
Pseudopus und Anguis bin ich geneigt, hier eine Verminderung des 
Brustschulterapparates um 1—2 Wirbel anzunehmen. 

1) Vergl. Stesenrock, 1895 B. p. 1164. 

2) Xiphisternum, Xiphosternum, Xiphisternale, Xifisterno der 
meisten Autoren. — Os hyposternale s. Processus ensiformis: 


246 Max Firbringer, 


GEGENBAUR ,hervorhebt, gegeniiber den ihn produzierenden Rippen 
noch in statu nascendi, man kann seine allmahliche Ausbildung und 
Abgliederung von diesen durch die Vergleichung der verschiedenen 
Lacertilier successive verfolgen'). Bald verbindet sich nur ein 
Paar hinterer Rippenknorpel mit dem hinteren Ende des Pro- 
sternum (Kublepharis, Uroplates, Heloderma, Phrynosoma, ver- 


Fig. 21. Fig. 22. 


Fig. 21. Brustschulterapparat von Lacerta simonyi. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 


Fig. 22. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus. (Nach SIEBEN- 
ROCK.) 


schiedene Agamidae, Psammosaurus, Varanus), bald sind es die 
durch die Verbindung zweier Rippenknorpel gebildeten paarigen 
Spangen (Mehrzahl der kionokranen Saurier), welche sich ihm an- 
fiigen. Diese paarigen Spangen liegen zumeist in mafiger Ent- 
fernung neben einander, kénnen sich aber betrachtlich vonein- 
ander entfernen [Stenodactylus, verschiedene Agamidae?) und 


WerBER. — Common haemapophysis or ,,xiphoid rood“: Corr. — 
Metasternum: Grarnnpaur. — Parker findet in dem Xiphosternum 
vieler Lacertilier auch ein Mesosternum, was ich fiir eine unnétige und 
auch nicht berechtigte Specialisierung halte. Ich ziehe als Synonym 
zum Xiphisternum die Bezeichnung Metasternum vor, die ParkEr 
auch — aber an anderer Stelle und mit anderem Sinne — gebraucht 
(vergl. auch GrGENBAUR). 

1) Die folgende genetische Zusammenstellung beruht nur zum 
kleineren Teile auf eigenen Beobachtungen. In der Hauptsache 
wurden dazu die zahlreichen Einzelmitteilungen von Corr und 
SreBpnrock benutzt. 

2) Bei Amphibolurus, Stellio, Agama, Moloch, Phrynocephalus 
(vergl. auch Parker und SrpBENROCK). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 247 


Iguanidae !)|, in welchem Falle man nicht von einer hinteren Spitze, 
sondern von einem hinteren Querrande zu sprechen hat, oder in 
intime Nachbarschaft und selbst Beriihrung miteinander treten [unter 
anderen Platydactylus, verschiedene Agamidae?), sowie Psammo- 
saurus und Varanus|. Damit leitet sich die partielle oder totale 
Verschmelzung beider Spangen ein, welche zur Ausbildung eines 
unpaaren, oft von Fenstern durchbrochenen, meist 2 Rippen tra- 
genden Metasternum von der Form eines Stabes oder einer schmalen 
Platte fiihrt, die bald in geringerer, bald in gréSerer Selbstandig- 
keit gegentiber dem Prosternum und den mit ihr verbundenen Sterno- 
costalien auftreten kann (so bei zahlreichen Scincidae, Zonosaurus, 
Ophiognomon). Xiphosternale Bildungen anderer Art kommen 
durch Abgliederung der Sternocostalien oder Teilstiicke derselben 
von den zugehérigen Rippen und weitere Ausbildung derselben 
zur Entstehung; dieselben reprisentieren frei auslaufende paarige 
Stabe, welche dem hinteren Ende des Prosternum angegliedert 
sind (namentlich bei vielen Agamidae, gewissen Iguanidae, Zon- 
urus)*); in diesen Fallen sind eigentliche wahre Rippen nicht 
mit dem Metasternum verbunden. 

Das gesamte Sternum steht sonach im normal ausgebildeten 
Zustande bei der tberwiegenden Mehrzahl der Lacertilier mit 5, 
mitunter aber auch mit 6 (Phyllodactylus, Macroscincus, Gongylus, 
einige Iguanidae und Agamidae) oder mit 4 (Kublepharis, Uroplates, 
Zonurus, Heloderma, Phrynosoma, die meisten Agamidae, Varanus 
indiv.) oder nur mit 3 Rippen (Phrynosoma indiv., zahlreiche 
Agamidae, Psammosaurus, Varanus indiv.) in Verband‘). 


1) Bei Sceloporus, Crotaphytus, Phymatura, und besonders weit 
entfernt bei Sauromalus und Phrynosoma (Cops). 

2) Bei Draco, Sitana, Lyriocephalus, Calotes (Sresrnrocx), 

3) Agamidae: Draco (Raruxr, Sresenrock), Lyriocephalus 
(R.), Lophyrus (R.), Histiurus (R.), Grammatophora (R.), Agama 
stellio (PARKER), Ag. mutabilis und colonorum (R.), Ag. pallida (S.), 
Moloch (R.), Phrynocephalus (R., 8.), Liolepis (S.), Uromastix (R., 
S.). Iguanidae: Basiliscus (R.), Phrynosoma (R., eig. Unters.); — 
Zonurus (R.). — Bei Phrynosoma reprasentieren diese Stabe das 
kraftig weiter entwickelte rechte und linke sternale Glied des 
3. Sternocostale, das sich von dem costalen Gliede abgelést hat; 
letzteres zeigt eine ungleich schwachere Ausbildung und lauft fein 
und spitz aus (eig. Unters.). 

4) Diese vornehmlich nach Parkur, Cope und Simpenrock zu- 
sammengestellte Uebersicht ist weit davon entfernt, vollstandig zu 
sein. Hinsichtlich des Details verweise ich auf die genannten 
Autoren. 

Bd, XXXIV, N. F, XXVI. 17 


248 Max Firbringer, 


Fensterbildungen ') sind weder im Prosternum (Mesosternum) 
noch im Metasternum eine Seltenheit. Im ersteren treten sie 
hiufiger auf, und zwar in der Regel als unpaares, hinter der 
caudalen Spitze des Episternum gelegenes Fenster von langovaler 
oder herzformiger Gestalt und wechselnder Gréfe (bei zahlreichen 
Scincidae, Gerrhosaurus, vielen Lacertidae, Iguanidae), minder 
hiufig als paarige, teilweise auch durch den hinteren Schenkel 
des Episternum geschiedene Oeffnungen (bei Lacerta muralis var. 
coerulea, den meisten Agamidae)”). Im Metasternum wurden sie 


2 
7) 


1 + F. spe i 


Fig. 23. Fig. 24. 


Fig. 23. Brustschulterapparat von Phrynosoma cornutum. 2. Vergl. 
Fig. 8. (Nach der Natur.) 

Fig. 24. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama stellio. (Nach 
SIEBENROCK.) 


namentlich bei den Scincidae, bald in bedeutenderer (Mabuia, Able- 
pharus), bald in geringerer Gréfe (Zonosaurus, sowie Chalcides, 
Trachysaurus, Macroscincus, Cyclodus) gefunden. In der Jugend 
sind sie in der Regel gréfer als im Alter; nach verschiedenen 
Beobachtungen namentlich am Metasternum diirfte ihre Entstehung 
zu der Verwachsung der einstmals paarigen Halften des Brust- 
beins im Konnexe stehen (RATHKE, GOTTE). 

Bei der Riickbildung des Brustschulterapparates verkiirzt 
sich das Sternum von hinten her, so da8 zuerst das Xiphisternum 
(Metasternum), danach der hintere Bereich des Prosternum in 
Weefall kommt; damit koincidiert der Verlust des Verbandes mit 
den Rippen, der auch von hinten nach vorn fortschreitet. So 
vermindert sich die Zahl der wahren Sternalrippen auf 3 (Chamae- 


1) Fontanellen: Werrser, Corr. — Orifice elliptique: SaBarrer. 
— Fenster: SrEBENROCK. 

2) Auch 2 hintereinander liegende (Ablepharus, Simpenrock) 
resp. 3 Fenster (gewisse Agamidae, Srepenrock) werden ange- 
geben. MHinsichtlich weiterer Angaben ist namentlich SreBENROcK 
zu vergleichen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 249 


saura (Mancus) macrolepis, Chaicides c¢. p.), 2 (Ophiodes, Ophio- 
gnomon (Propus) vermiforme, Acontias, Evesia) und 1 (Pygopus), 
bis endlich das sehr verkiirzte Sternum sich giinzlich von den 
Rippen loslést und frei in der Bauchmuskulatur liegt [Ophi- 
saurus incl. Dopasia, Anguis‘)]. SchlieSlich kann jede Spur des 
Sternums verschwinden (Acontias e. p., Anelytropidae, Dibamus, 
Anniella). 


Die auf die Sternalrippen folgenden abdominalen oder 
metasternalen Rippen zeigen ein wechselndes Verhalten: 
entweder enden sie frei, in verschiedener Entfernung von der 
ventralen Mittellinie, oder sie sind nur ligamentés miteinander 
verbunden, oder sie treten beiderseits in geringerer oder gréferer 
Anzahl mit ihren verlaingerten terminalen Knorpeln (Abdomini- 
costalien) in der Mittellinie in mehr oder minder intimen Zu- 
sammenhapg und bilden so quer, meist winklig oder bogen- 
formig nach vorn gebogene Knorpelspangen, die auch verkalken 
kénnen *), meist den Zusammenhang mit ihren Rippen beibehalten, 
nicht selten aber auch sich von ihnen abgliedern und damit eine 
gewisse Selbstindigkeit gewinnen*). Solche knorpelige Verbin- 
dungen der ventralen Rippenstiicke sind namentlich bei Geckonidae, 
Scincidae, Anelytropidae, Iguanidae, Uroplatidae und Chamaeleon- 
tidae beobachtet worden. Bei den Geckonidae und der Mehrzahl 
der hierher gehérigen Scincidae und Iguanidae ist ihre Zahl gering 
(1—3); sie kann aber bei Uroplates, einzelnen Scincidae (Able- 
pharus, Chalcides, Acontias), den Anelytropidae, gewissen Iguanidae 
aus der Anolis- und Polychrus-Gruppe und den Chamaeleontidae 


1) Bei Embryonen von Anguis fand Gérrr noch den Verband 
mit einer (der 1.) Rippe, der sich wahrend der weiteren Entwicke- 
lung unter Riickbildung des beziiglichen Sternocostale liste. 

2) Auch ossifizierte und zum Teil selbstiindige Abdominalrippen 
werden angegeben, was selbst an rudimentiire Parasternalia denken 
laft. Ich habe iiber diese Vorkommnisse keine eigene Erfahrung 
und halte weitere genauere Untersuchungen iiber die Art dieser 
behaupteten Ossifikation zur Entscheidung dieser Frage fiir not- 
wendig. Was ich auf diesem Gebiete bei Lacertiliern beobachtete, 
steht zu Rippen, aber nicht zu einem Parasternum in niherer Be- 
ziehung. 

3) Beides, mit den Rippen noch verbundene und von ihnen 
abgegliederte Abdominicostalia, kann sich an demselben Tiere zu- 
sammen vorfinden. 

bys 


250 Max Firbringer, 


auf 4—27 steigen'). Sehr tiberraschend ist in diesem Stiicke die 
Aehnlichkeit zwischen Uroplates und den Chamaeleontidae. 

Das sekundare Brustbein, das Episternum?), bildet 
in gut entwickeltem Zustande ein meist T- oder kreuzférmiges 
unpaares Knochenstiick, weleches im Zusammenhange resp. in der 
direkten Nachbarschaft der Clavicuila®) wie diese als Deckknochen 
entsteht und mit seinem hinteren Abschnitte der Aufenflache des 
Sternum in wechselnder Ausdehnung median angewachsen ist. 
Infolge seiner charakteristischen wechselnden Gestalt ist es auch 
zu klassifikatorischen Zwecken verwendet worden (BouLENGER, 


Fig. 25. Fig, 26. 


Fig. 25. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama atra. (Nach 
SITEBENROCKE.) 

Fig. 26. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis. °. Vergl. Fig. 5. 
(Nach W. K. PARKER.) 


1) Uroplates fimbriatus hat 14, wovon die 4 letzten sich von 
den Rippen abgelést haben, Ablepharus pannonicus 4, Chalcides 
mionecton 5, Ch. tridactylus 9, Acontias plumbeus (niger) 23, Ac. 
meleagris 27, Feylinia currori 7, Typhlosaurus aurantiacus 25, Anolis- 
Gruppe 4—5, Polychrus-Gruppe 7—10, Chamaeleo vulgaris 8, 
Brookesia superciliaris 6 (vergl. auch Srannius, Corn, SrEBENROCK). 

2) Interclavicula, Interclavicle: Sauvage, SHUFELDT, Corr. — 
Episternum ou interclaviculaire, Episterno o interclavicola: SaBaTipr, 
Ficausi. — Episternale, Episternum, Episterno: Bri, SrmBENROCK, 
ORLANDI. 

3) Am ersten Anfange der Ontogenese, noch vor der Ver- 
kalkung hingen die Anlagen von Clavicula und Episternum zu- 
sammen, wie das ja in so friihen Entwickelungszustanden auch 
anderswo in der Regel der Fall ist. Danach tritt die Sonderung 
ein. Die vergleichende Anatomie lehrt, daf beide Gebilde phylo- 
genetisch gesondert und selbstiindig auftreten. WrepErsini betont 
nur die selbstiindige ontogenetische Anlage der im Anfang noch 
paarigen Episterna gegeniiber den Claviculae. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 251 


Corr). Ein T- oder ankerférmiges Episternum kommt im allge- 
meinen den Agamidae, Iguanidae (inkl. Anolidae) und Vara- 
nidae zu; ein kreuzférmiges oder annihernd kreuzformiges findet 
sich bei der tberwiegenden Mehrzahl der tibrigen kionokranen 
Lacertilier, speciell den Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, 
Tejidae, Xantusiidae‘), Zonuridae, Anguidae, Xenosauridae ‘), sowie 
gewissen Geckonidae, wobei beide Formen im Detail einen grofen 
Wechsel hinsichtlich der Linge und Breite der Langs- und Quer- 
schenkel aufweisen?). Bei grofer Verkiirzung des vorderen Langs- 


Fig. 29. Fig. 28. 


Fig. 27. Clavicula und Episternum von Mabuia multifasciata. (Nach 
SIEBENROCK.) 
Fig. 28. Brustschulterapparat von Tiliqua nigrolutea. §. (Frei nach 


6 


W. K. PARKER.) 
Fig. 29. Clavicula und Episternum von Trachysaurus rugosus. 2. (Nach 
W. P. PARKER.) 


schenkels kann sich die Kreuzform der T-Form néihern (gewisse 
Geckonidae, einzelne Lacertidae, namentlich aber Anguidae und 
Zonuridae) und umgekehrt finden sich auch bei den Familien mit 
gemeinhin T-formigen Episterna Ueberginge zur Kreuzform 
(einzelne Iguanidae und Agamidae). Plumpere Gestalten mit 
kiirzeren und breiteren Schenkeln bieten gewisse Scincidae und 


1) Bei den Xenosauridae und Xantusiidae giebt Corr (1892) 
ein kreuzférmiges, BouLtnnenr (1885) ein T-formiges Episternum 
an. Ich hatte keine Gelegenheit, Vertreter derselben zu unter- 
suchen. 

2) Hinsichtlich dieses Wechsels in der Gestalt und den Dimen- 
sionen der Teile verweise ich namentlich auf die Beschreibungen 
und Abbildungen von Ratuxr, GreGenpaur, Parker, Bouncer, 
Corr und SreBEenrock. 


252 Max Firbringer 


viele Agamidae, gracilere Gebilde mit lingeren und schlankeren 
Schenkeln zahlreiche Lacertidae und die Varanidae dar. Daneben 
finden sich namentlich unter den Geckonidae, Iguanidae und Aga- 
midae intermediaére und aberrante Formen vor, die nicht immer 
leicht der T-Form oder Kreuzgestalt cingereiht werden kénnen; 
dies ist z. B. der Fall bei gewissen Geckonidae, wo subrhomboidale 


Pst 


Fig. 30. Higa3l. 


Fig. 30. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. 7. (Nach 
W. K. PARKER.) 

Fig. 31. Clavicula, Sternum und Episternum von Zonurus cordylus. +. 
(Nach der Natur.) 


Formen vorwiegen, bei zahlreichen Agamidae und Iguanidae, welche 
einen ungemeinen Wechsel der verschiedenartigsten Umbildungen, 
Riickbildnngen und Zusammendringungen der T-Gestalt aufweisen 
(bei Phrynosoma ist in Korrelation zur Verktirzung des ganzen 
Kérpers der hintere Langsschenkel des Episternum sehr verkiirzt 
oder kann selbst fehlen). Stabférmig, d. h. nur aus dem Langs- 
schenkel bestehend, ist das Episternum bei Heloderma (sowie bei 
den mehr riickgebildeten Brustschulterapparaten von Ophiognomon 
|Propus| vermiforme und Acontias [Evesia] monodactylus)!). Uro- 
plates zeigt bei sonst gut entwickeltem Brustschultergiirtel ein 
sehr reduziertes Episternum, welches in Gestalt einer kleinen, sub- 
rhomboidalen Platte der vorderen Spitze des Sternum fest ange- 
wachsen ist. — Ungemeine Verschiedenheiten weist ferner die Aus- 
dehnung der episterno-sternalen Synchondrostose auf: zwischen 
einer kurzen, auf den vorderen Bereich des Sternum beschrainkten 


1) Bountencer (1891) reiht Lophura hier noch an; das ist ein 
individueller Befund; Sispenrock und ich fanden kurze Seiteniste. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 253 


Vereinigung (so bei gewissen Geckonidae, einzelnen Scincidae, Uro- 
plates, vielen Agamidae) und einer Verbindung in dem gréferen 
Teil resp. beinahe der ganzen Linge des Sternum (mehrere Tejidae, 
Agamidae und Varanidae) finden sich alle Zwischengrade ‘) ; 
zwischen den Seitenschenkeln des Episternum und dem coraco- 


Fig. 32. Clavicula, Sternum und Episternum von Goniocephalus kuhli. 
(Nach SIEBENROCK.) 

Fig. 33. Clavicula, Sternum und Episternum von Lyriocephalus scutatus. 
(Nach SIEBENROCK.) 

Fig. 34. Clavicula, Sternum und Episternum yon Liolepis bellii. (Nach 
SIEBENROCK.) 

Fig. 35. Clavicula, Sternum und Episternum von Moloch horridus. 
(Nach SrEBENROCE.) 

Fig. 36. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama stellio. (Nach 
SIEBENROCK.) 


idalen Seitenrande des Sternum ist meist eine diinne Membrana 
sterno-episternalis erstreckt, die in einem gewissen Konnex zu der 
Ursprungsaponeurose des M. sterno - episterno - cleido - mastoideus 

1) Auch hier sei namentlich auf Raraxer, Parker und Siespen- 
ROCK verwiesen. 


254 Max Firbringer, 


steht (s. unten bei diesem Muskel). — Eine Fensterbildung im 
Episternum, ungefihr in der Mitte desselben, bildet Parker bei 
Hemidactylus ab. 


See 
= ree 
Spy Esp 
= \\ \ 


U, Ly 


ae Me SF = WOE ree x age tt 
7 | ) <4 Cll «SS Fig. 37. Brustschulterapparat 
2 \ es von Phrynosoma cornutum. 2. 
i_ Biss » Wy } \Cr 4 
Peres nay Wi \. Bese (Nach der Natur.) 


Bei Reduktion des Brustschulterapparates tritt das Epi- 
sternum zuerst in Riickbildung. Dieselbe vollzieht sich meistens 
unter Verminderung der Liangendimension, und zwar haufiger 


mm SS Es 
CNS an 
{f \\ i} “CrCl jScass: 

1+ Ff. spe \\ Wy \ Est 

Y . rae Pst 

AX Ff. spe oy 
Co. 4 
aS S 
Fig. 38. Fig. 39. 


Fig. 38. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. #. (Nach 
SHUFELDT.) 

Fig. 39. Brustschulterapparat und erste Bauchrippen von Uroplates fim- 
briatus. 3. (Teils nach SIEBENROCK, teils nach der Natur.) 


(Ophisaurus apus und ventralis, Anguis) unter Schwund des 
vorderen Teiles‘!), wodurch die Lésung von der Clavicula herbei- 
eefiihrt wird, seltener (Ophiodes) unter Ablésung des _hinteren 
Abschnittes vom Sternum; im ersteren Falle bildet das Episternum 
ein kurz T-formiges bis queres resp. ein noch mehr zusammen- 

1) Diese Riickbildung des vorderen Schenkels und die Liésung 
des Episternums wie der Clavicula hat Gérrr auch ontogenetisch 
bei Anguis nachgewiesen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 25D 


gezogenes Knochenplattchen, welches dem vorderen Teil des 
Sternumn fest auflagert, im letzteren ein der Clavicula angelagertes 
T-formiges Stiick, welches mit seinem hinteren Ende nicht mehr 
das Sternum erreicht. In anderer Weise, unter Verkiimmerung 
der Querschenkel, verlauft die Reduktion bei Ophiognomon (Propus) 
und Acontias (Evesia); hier persistiert, wie bereits angegeben, 
ein kurzes medianes Stabchen, welches sich zwischen Clavicula 
und Sternum ausspannt. Bei Pygopus, Ophisaurus (Dopasia) 
gracilis, wie es scheint, auch individuell bei Anguis (Corr) ist das 
Episternum bei sonst noch leidlich persistierendem Brustschulter- 
giirtel véllig geschwunden. Dieselbe ginzliche Reduktion findet 
sich bei Acontias und Typhlosaurus, wo nur noch ein rudimen- 
tiirer primirer Schultergiirtel, bei Feylinia, wo allein ein Rudi- 
ment der Clavicula angegeben wird; bei Acontias (ind.) und 
Anelytropsis ist mit dem Episternum auch der gesamte Brust- 
schultergiirtel in Wegfall gekommen 4). 

Parasternale Gebilde (s. bei Rhynchocephalia p. 280f.) gehen 
allen bisher bekannt gewordenen Lacertiliern ab (vergl. auch p. 249 
Anm. 2). Ob gewisse Hautverknécherungen in der entsprechenden 
Gegend bei Scincidae z. B: primordiale Stadien derselben vor- 
stellen’), erscheint sehr zweifelhaft; ich méchte eher sekundire, 
spaiter entstandene Bildungen darin erblicken. 

Der Humerus®) der kionokranen Lacertilier laft in seinen 
meist sehr entwickelten Fortsatzbildungen die grofe Rolle erkennen, 
welche er als Ursprungs- und Endpunkt fiir kraftige Muskelmassen 
bildet; dementsprechend ist er im proximalen und distalen Be- 
reiche meist erheblich starker und breiter als in der Mitte; distal 
wirkt auch die ausgedehnte Artikulation mit den beiden Vorder- 
armknochen sehr verbreiternd. Seine relativen Dimensionen sind 
tibrigens einem grofen Wechsel unterworfen, indem in extremen 
Fallen die Linge die gréfte Breite einerseits nicht ganz um das 
3-fache (Varanus), andererseits nahezu um das 7-fache (Calotes) 
tibertreffen kann. Zwischen diesen Extremen finden sich alle még- 
lichen Zwischenstufen, wobei erdlebende und gréfere Lacertilier 
einen relativ kiirzeren und massigeren, baumlebende und kleinere 


1) Hinsichtlich aller dieser Verhaltnisse sind meine Alteren 
Darstellungen (1870), sowie diejenigen Copn’s (1892 A) zu ver- 
gleichen. 

2) Dieser Auffassung ist Hancken (1895, p. 346) zugeneict. 

3) Humerus, Humérus, Omero der Autoren. 


256 Max Firbringer, 


einen schlankeren Humerus aufweisen. Die Mehrzahl der Lacer- 
tilier hat einen 3—3*/, mal lJangeren als breiteren Humerus; 
unter den schlanken Formen kann auch Uroplates mit einer etwa 
5mal die Breite tbertretienden Humeruslinge hervorgehoben 
werden. Der proximale Teil des Humerus (proximale Epiphyse) 
beginnt mit dem tiberknorpelten Caput humeri'), welches mit 
ellipsoidischer Gelenkfliiche in die Pfanne des primaren Schulter- 
giirtels einlenkt und mit dieser unter Vermittelung eines schlaffen, 
aber partiell verstirkten Kapselbandes das freie Schultergelenk 
bildet. Daran schliefen die beiden fiir die Insertion der meisten 
Schultermuskeln bestimmten Processus an, der sehr ansehnliche, 
ventralwarts vorragende und in der Regel tiber das proximale 
Drittel des Humerus ausgedehnte Processus lateralis?), der 
mit einem wenig entwickelten Tuberculum laterale beginnt, da- 


Fig. 40. Linker Humerus von Varanus 
niloticus. Ventralansicht. 2. C.7 Condylus 
radialis. C.w Cond. ulnaris. Ca.n.7 Canalis 
nervi radialis (ectepicondyloideus). Cp Caput 
humeri. £c.r Epicondylus radialis. Ze. w Epi- 
cond. ulnaris. #.bé Fossa bicipitalis. Pr. 
Processus lateralis. Pr.m Proc. medialis. (Nach 
der Natur.) 


nach an Hohe bis zu seiner Mitte zunimmt und distal in den 
Schaft des Humerus ausliuft, und der kiirzere Processus 
medialis*), der gleich hinter dem Caput sich in seiner gréften 
Hoéhe erhebt (Tuberculum mediale) und schon am Anfang des 
zweiten Sechstels des Humerus endet. Beide Processus markieren 
eine flache Stelle an der humeralen Ventralflache (Iossa inter- 


1) Testa: Frcausr. — Head of the Humerus: Suureipt, Corr. 
— Caput humeri (Condylus articularis): SrmBEnRock. 
2) Tubérosité externe, Tuberosité latérale externe: SABaTiER. — 


Radial tuberosity: pz Vis. — Trochitere: Ficaus1. — Bony crest 
to the radial side: Saurrtpr. — Condylus lateralis: SresBenrocx. 


Eine namentlich bei Agama gut ausgeprigte starke Leiste an seiner 
lateralen (dorsalen) Flaiche beschreibt Srmpenrock als Condylus III. 

3) Tubérosité interne: Sapariter. — Ulnar tuberosity: pe Vis. 
-—— Condylus medialis: SrmBENRocK. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 257 


tubercularis s. bicipitalis), welche den Mm. biceps und coraco- 
brachialis als Unterlage dient; dorsal findet sich zwischen ihnen 
die nicht immer gut ausgepragte Linea m. latissimi dorsi‘) fiir 
die Insertion des genannten Muskels. Das Mittelstiick (Schaft, 
Diaphyse) des Humerus?) ist verschméalert und besitzt einen an- 
nihernd rundlichen Querschnitt. Im distalen Bereiche verbreitert 
sich der Humerus wieder und endet mit den beiden ftir Ulna und 
Radius bestimmten Gelenkhéckern, dem gréferen Condylus 
(Trochlea) ulnaris s. medialis*) und dem kleineren Con- 
dylus radialis s. lateralis‘), tiber denen der Humerus 
namentlich durch eine an der Ventralfliche ausgeprigte Ver- 
tiefung (fiir die proximalen Vorragungen der Vorderarmknochen), 
die Fossa supratrochlearis ventralis °), verdiinnt ist. Am lateralen 
Rande erhebt sich der Humerus hier zu dem Epicondylus 
radialis s. lateralis), der sehr haufig in Gestalt ciner 
langeren Crista proximalwarts in den Schaft ausliuft (Crista late- 
ralis) und dem kiirzeren aber héheren Epicondylus ulnaris 
s. medialis’). Oberhalb des Epicondylus (Crista) radialis resp. 
im proximalen Bereiche desselben wird der Humerus der meisten 
kionokranen Lacertilier mit wohlentwickelten Extremitaten von 
einem schragen Kanale fiir den Nervus radialis und die ent- 
sprechend verlaufenden Gefafe, dem Canalis nervi radialis 
s. ectepicondyloideus'), durchsetzt. 


1) Short ridge on the posterior external surface: pE Vis. — 
Rauhe Leiste fiir den M. latissimus dorsi: Siesenrock (bei manchen 
Lacertiliern als separater Knochensplitter ossifizierend). 


2) Shaft: Corr. — Mittelstiick: SreBenrock. 

3) Troclea, Trochlea: Ficatp1, Stzpenrock. — Ulnar tubercle: 
Suuretpt. — Median roller: Cops. 

4) Condilo: Frcarpr. — Radial tubercle: SHureipr. — External 
rib: Copr. — Capitulum: Sresenrock. 


5) Die Fossa supratrochlearis ist oberhalb der Trochlea ulnaris 
besser ausgeprigt als oberhalb des Condylus radialis, weshalb 
Siepenrock, nachdem er zuerst (1894) von einer Fossa supra- 
trochlearis anterior und F. supracapitata anterior gesprochen, spiter 
(1895) nur die erstere erwahnt. 

6) Ridge above the radial tubercle: Suurenpr. — External 
epicondyle: Copn. — Condylus externus: Wrepersunm. — Epicon- 
dylus lateralis: Sresenrock (mit starker zum Mittelstiick des Humerus 
ziehender Crista). 

7) Inner condyle, internal epicondyle: pr Vis, Copr. — Con- 
dylus internus: Wrepersuem. — Epicondylus medialis: Srmpenrock. 

8) Bekanntlich schon von H. von Meyer (Die Saurier des 
Muschelkalkes, Frankfurt a/M, 1847—1855, p. 52, 53) nachge- 


258 Max Firbringer, 


Bei den Sauriern mit verkiimmerten Gliedmafen zeigt der 
Humerus alle méglichen Grade von Riickbildung, die sich nament- 
lich in der Reduktion seiner Muskelfortsitze und Dimensionen 
aussprechen und schliefSlich zu seinem vollkommenen Schwunde 
fiihren. Eine ausfiihrliche, meine friiheren beziiglichen Mitteilungen 
(1870) wesentlich erginzende Zusammenstellung dieser Verhalt- 
nisse giebt Cope (1892 B). Abgesehen von den zahlreichen 
Formen der Diploglossa und Leptoglossa, deren vordere Extremi- 
tiiten nur im distalen Bereiche (Hand) integrierende Defekte in 
ihren Komponenten aufweisen, deren Humerus aber nur verkleinert 
und vereinfacht ist, beginnt die weiter vorschreitende Verkiimme- 
rung desselben mit der hochgradigen Degeneration des Vorder- 
armes (Ophiognomon) und fiihrt zu seiner (des Humerus) voll- 
kommenen Reduktion bei den Pygopodidae, Mancus, der Mehrzahl 
der Anguidae, vielen Scincidae (inkl. Acontias), Dibamus und 
den Anelytropidae. Arten, die in der Regel keinen Humerus 
mehr besitzen, kénnen individuell noch minimale Rudimente des- 
selben auch im erwachsenen Zustande aufweisen (Pseudopus, 
DumeErIL ct Brsron, Firsrincer). Bei jungen Embryonen von 
Anguis beschreibt Born (1883) eine bald wieder verschwindende 
rudimentiire frei hervorragende vordere Extremitat. 


B. Amphisbaenia‘). 
(Vergl. Taf. XII, Fig. 103—112.) 


Ueber diese nahe verwandten Tiere liegen neuecre Veréffentlich- 
ungen von SMALIAN (1885: Amphisbaena fuliginosa, Blanus cinereus, 


wiesen und von verschiedenen Autoren bestitigt. —- Canal ectépi- 
condylien: Dorio. — Canalis nervi radialis s. supracondyloideus 
lateralis s. ectepicondyloideus: Firprincer. — Canalis ectepicon- 
dyloideus: Baur, WiepErsHemm, Srepenrock (1895). — Hierher ge- 
hért wahrscheinlich auch Suuretpt’s Incompleted Foramen at the 
middle of the radial ridge. Simspenrock (1894) erinnert das Loch 
an die Bildung bei den Saugetieren (die in Wirklichkeit einen 
Canalis nervi mediani s. entepicondyloideus darstellt); 1895 giebt 
er die richtige Deutung und Benennung. — Ich habe diesen Kanal 
bei keinem der von mir untersuchten kionokranen Lacertilier mit 
wohl entwickelten Extremititen vermift; mitunter war er nicht 
leicht zu finden. Dotto (1884) fiihrt mehrere Genera aus den 
Familien der Scincidae, Tejidae, Iguanidae und Agamidae an, bei 
denen er den Kanal nicht sah. 

1) Die Anniellidae (Aniellidae), fiir die Cope bekanntlich 1887 
eine besondere Unterordnung (Anguisauri Corr) in der nichsten Nahe 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 259 


Anops kingii, Trogonophis wiegmanni) und Cope (1892: Chirotes 
canaliculatus, Amphisbaena occidentalis, Rhineura floridana) vor. 
Ich konnte Blanus cinereus Vanp., Bl. strauchii Bepr., Amphis- 
baena alba L. (2 Ex.), A. fuliginosa L., Anops kingii BEtt, 
Monopeltis sphenorhynchus Prrers, Rhineura floridana Batrp, 
Lepidosternon microcephalum Waau., L. phocaena D. et B. und 
Trogonophis wiegmanni Kaup (2 Ex.) auf ihre Skelettelemente 
untersuchen, von denen ich einen grofen Teil der Giite der Herren 
Geheimrat Prof. Kk. Mépius 
und Prof. G. TornierR ver- 
danke. Chirotes zu erlangen, 
eliickte mir leider trotz 
vieler aufgewendeten Miihe 
nicht. 

Der Brustschulterapparat 
des von CopE untersuchten 
Exemplares von Chirotes!), 
als Vertreter der Chirotinae, 
zeigt in der Hauptsache das- 
selbe Verhalten wie die friiher 
von J. Mier, DuméR. et 
Brsron und PARKER be- 
schriebenen Tiere; im De- 
tail weichen dieselben, von 
denen das Parker’sche das \ 


jiingste zu sein scheint, et- Fig. 41.  Brustschulterapparat von 
; PPS J mn is crise 
was voneinander ab. Chirotes canaliculatus. 7, Or Coracoid. 
eS F.gl Fossa glenoidalis pro humero. Psé Pro- 
Der primaire Schul- sternum. se Scapula, SS Suprascapulare. 
tergtirtel, der in der  Xs¢ Metasternum (Xiphisternum). 


der Amphisbaenia (Opheosauri Corn) gebildet, und die er 1892 
als sehr distinkte Familie zu den Amphisbaenia gestellt hatte, be- 
sitzen nach Baur’s Nachweis (The Relationship of the Lacertilian 
Genus Anniella Gray. Proc. U. 8. Nat. Museum, XVII, p. 345 f. 
Washington 1894) eine Columella und bilden eine degenerierte Familie, 
die zu den Anguidae in demselben Verwandtschaftsverhaltnis steht 
wie Acontias zu den Scincidae. Das entspricht im wesentlichen 
dem systematischen Platze, den ihnen BoutuncEr (Catal. of Lizards, 
II, 1884) neben den Anguidae anweist. 

1) Corr’s Beschreibung enthalt zwei sinnstérende Druckfehler, 
indem das Suprascapulare als Supraclavicle, die Scapula als Clavicle 
angefiihrt ist. 


260 Max Firbringer, 


Jugend Scapula und Coracoid noch separat besitzt (PARKER’s Abbil- 
dung), bildet im ausgewachsenen Zustande ein einheitliches Knochen- 
stiick, dessen scapularer Anteil aus der recht schmalen Scapula 
und dem etwas breiteren verkalkten (oder verknécherten?) Supra- 
scapulare besteht, wahrend das Coracoid den in der sagittalen 
Dimension breitesten (in der transversalen kiirzesten) Abschnitt 
darstellt, und nahezu mit seinem ganzen medialen Rande mit dem 
Sternum artikuliert'). Fensterbildungen und Foramen supra- 
coracoideum werden nicht angegeben. Die Gelenkhéhle fiir den 
Humerus wird in der iiblichen Weise von Scapula und Coracoid 
eebildet, befindet sich daher entsprechend der transversalen Schmal- 
heit des Coracoids in sehr medialer Lage. 

Das primare Brustbein, Sternum, entbehrt der Ver- 
bindung mit Rippen und besteht aus einem nicht unansehnlichen 
pentagonalen verkalkten (oder knéchernen?) Prosternum, das vorn 
mit querem Rande abschlieSt, mit seinen langen antero-lateralen 
Seiten die Coracoide trigt, und mit oder ohne Fensterbildung ist, 
sowie einem daran anschliefSenden langen und schmalen Xiphi- 
sternum, das, wie es nach der Abbildung scheint, aus zwei dicht 
cinander angeschlossenen Stiben besteht, in seinen vorderen ?/, 
verkalkt (oder verknéchert?) und seinem hinteren 1/, knorpelig 
ist und hier in zwei kurze Lappen ausliuft °). 

Die sekundéren Bestandteile des Schultergiirtels (Clavicula) 
und Brustbeins (Episternum) fehlen. 

Der Humerus der kleinen vierzehigen vorderen Extremitat *) 
besteht aus einem ziemlich kurzen und schwachen etwas gebogenem 
Knochen, dem besser entwickelte Muskelfortsitze abgehen und der 
proximal mit dem Coraco-scapulare, distal mit Radius und Ulna 
artikuliert. 

Hinsichtlich der Existenz der Schultergirtel-Rudi- 


1) Corr spricht ihm deshalb auch einen procoracoidalen Anteil 
ab. Ich méchte wegen seiner betrachtlichen sagittalen Ausdehnung 
ihm denselben zuerkennen, somit annehmen, dass es, ahnlich wie 
das undurchbrochene Coracoid s. lat. von Heloderma, die Elemente 
von Coracoid s. str., Procoracoid und Epicoracoid enthilt. 

2) Das Xiphisternum des jungen von Parxker untersuchten 
Exemplares ist knorpelig und deutlich aus paarigen Stiiben (Sterno- 
costalien) zusammengesetzt, die vorn (Mesosternum ParkErR) einander 
dicht anliegen, hinten (Xiphisternum Parker) in ziemlich langer 
Strecke auseinanderweichen. 

3) Corr (1894) fihrt bekanntlich auch dreizehige Vertreter 
(Hemichirotes Corn) an und unterscheidet die drei Genera Bipes, 
Euchirotes und Hemichirotes der Chirotidae. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 261 


mente der Amphisbaeninae (Amphisbaena, Blanus, Anops, 
Rhineura) und Trogonophinae (Trogonophis) gehen die An- 
gaben auseinander. Wihrend Corr dieselben bei allen ihm zur 
Verfiigung stehenden Tieren vermifte (bei Amphisbaena wohl 
wegen mangelhafter, nicht selbst vorgenommener Priparation), 
findet SMALIAN — in teilweiser. Uebereinstimmung mit RATHKE’s 
und meinen fritheren Angaben (1854 und 1870) — bei Amphis- 
baena und Blanus sehr kleine, walzenférmige, bei Trogonophis ein 
wenig gré8ere, hakenférmige Knochenstiickchen als letzte Reste 
des primaren Schultergiirtels; bei Anops vermifte er sie. Sternale 
Rudimente wurden bisher von keinem Untersucher gefunden. 
Meine neueren Untersuchungen ergaben mir die geringste 
Verkiimmerung des Brustschultergiirtels bei Trogonophis, daraut 
folgt Blanus, dann Amphisbaena, wahrend ich bei Anops, Lepido- 
sternon, Monopeltis und Rhineura keine Rudimente mehr fand. 
Bei Trogonophis wiegmanni (Exemplar von 17,8 cm 
Linge, Fig. 106 und 112) findet sich ein rechter und linker 
Schultergiirtel, die an ihrem medialen Bereiche mit einem unpaaren 
Sternum verbunden sind. Der primare Schultergirtel, 
Scapulo-coracoid (SeCr), bildet einen langen und schlanken, 
etwas gekriimmten, in ascendenter (caudo-dorsal nach rostro-ventral) 
Richtung in die Muskulatur eingebetteten Knochenstab, der seine 
konvexe Seite nach vorn und aufen wendet und an seinen beiden 
Enden in kurze Knorpelstiicke tibergeht; der vordere mediale und 
ventrale Knorpel (C7’) ist ein wenig breiter als der hintere laterale 
und dorsale (Sc’). Eine Sonderung des knéchernen Stabes in ein 
medio-ventrales Coracoid und eine latero-dorsale Scapula ist nicht 
vorhanden; die beiden Knorpel entsprechen den Knorpelteilen von 
Coracoid und Scapula (Suprascapulare). Das primaire Brust- 
bein, Sternum (S?), bildet eine quere ventral gelegene einheit- 
liche Knorpelspange von doppelter Kriimmung, indem ihr mittlerer 
Abschnitt stark konvex nach hinten gekriimmt ist, wahrend die 
kiirzeren seitlichen Abschnitte von der vordersten Vorragung des 
Sternums aus in einem stumpfen bis rechten Winkel schriig nach 
hinten abweichen; diese seitlichen Teile sind jederseits syndesmo- 
tisch (durch ein Lig. sterno-coracoideum, Z. stc.) mit den Coracoiden 
verbunden, ohne daf Andeutungen von Gelenken vorliegen. Be- 
ziehungen des Sternums zu den Rippen fehlen'). Sekundare 


1) Vermutlich ist aber das Sternum durch die ventrale Ver- 
bindung eines Rippenpaares urspriinglich entstanden. Fraglich er- 
scheint, ob sich dies noch ontogenetisch nachweisen laft. 


262 Max Firbringer, 


Skelettteile (Clavicula, Episternum) sind nicht vorhanden. Die 
Linge des primiren Schultergiirtels wurde zu 4,4 mm, seine 
kleinste Breite’) zu 0,25 mm, seine grifte Breite zu 0,36 mm ge- 
messen. Die transversale Ausdehnung (quere Linge) des Sternums 
betrug 3,3 mm, seine sagittale Dimension (Breite oder Dicke) 
0,36 mm. Die medialen Enden der beiden Schultergiirtel sind 
2,1 mm voneinander entfernt. Aehnliche Dimensionen zeigt ein 
zweites etwas kleineres Exemplar von 17,0 cm Lange. 

Blanus schlieBt sich Trogonophis in der etwas weiter fort- 
geschrittenen Riickbildung seines Brustschulterapparates an ?), und 
zwar zeigte das untersuchte Exemplar von Blanus cinereus (von 
16,2 cm Kérperlinge) einen etwas minderen Reduktionsgrad als 
das von Blanus strauchii (von 17,2 cm Lange). Diese mehr vor- 
geschrittene Reduktion von Blanus zeigt sich in dem Brustbein 
und den Dimensionen des Schultergiirtels, nicht aber in dessen 
Form, die in mancher Hinsicht die Konfiguration des Schulter- 
giirtels der typischen Lacertilier noch besser bewahrt hat als Trogo- 
nophis. Bei Blanus cinereus (Fig. 105 und 111) reprasen- 
tieren die beiden primaren Schultergiirtel, Scapulo-coracoide 
(Se Cr), kiirzere und quer (transversal-ascendent) gestellte Skelet- 
teile von komplizierter Kriimmung, welche recht weit voneinander 
und von den sternalen Rudimenten entfernt sind. Sie bestehen 
aus einem mittleren Knochenstiick, das in einen kiirzeren medio- 
ventralen (Cr’) und einen langeren latero-dorsalen Knorpelabschnitt 
(Sc) tibergeht; letzterer erinnert in seiner Form sehr an ein 
schlankes, iibrigens leidlich gut ausgebildetes Suprascapulare der 
Lacertilier. Eine Scheidung des knéchernen Abschnittes, der etwa ?/, 
der Gesamtlinge des Schultergiirtels betragt, in einen coracoidalen 
und scapularen Anteil ist unméglich. An Stelle des Sternum 
finden sich paarige, sehr kleine, auferst diinne querovale Knorpel- 
plittchen (S¢), die ziemlich weit voneinander entfernt sind, wenn- 
eleich sie sich der ventralen Mittellinie mehr nahern als die 
coracoidalen Enden des Schultergiirtels; das linke sternale Rudi- 


1) Annihernd in der Mitte der Linge. Auch fiir die folgenden 
Messungen bezieht sich die angegebene kleinste Breite (Dicke) auf 
intermediare Abschnitte der betreffenden Skelettteile, nicht aber auf 
deren verjiingte Enden. 

2) Smanran findet die Rudimente von Blanus (8. 194, Fig. 19 
—21) in Uebereinstimmung mit denen von Amphisbaena. Falls das 
untersuchte Tier richtig bestimmt war, so vermute ich, dai die 
Knorpelteile tibersehen wurden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 265 


ment war bei dem untersuchten Exemplare etwas gréfer als das 
rechte. Ein schleierartiger Faserzug (1. ste.) giebt eine Andeutung 
des Lig. sterno-coracoideum von Trogonophis. Sekundare Skelet- 
teile fehlen. Die Lange des Schultergiirtels wurde zu 2,1 mm, 
seine kleinste Breite zu 0,18 mm, seine gréfte Breite (Supra- 
scapulare) zu 0,72 mm gemessen. Die Breite des linken sternalen 
Rudimentes betrug 0,23, des rechten 0,18 mm. Die Entfernung 
der medialen Schultergiirtelenden voneinander wurde zu 2,1 mm, 
die der beiden sternalen Plattchen zu 1.2 mm bestimmt. Bei 
Blanus strauchii (Fig. 104 und 110) zeigen die ein wenig 
kiirzeren Rudimente des Schultergtirtels (SeCr) eine ahnliche 
Gestalt und Lage wie bei Blanus cinereus; doch tritt der knécherne 
Teil mehr gegen die knorpeligen Abschnitte (Sc’, Cr’) zuriick, indem 
er im Mittel nur 1/, der Gesamtlinge des Schultergiirtels betrigt '). 
Auch ist die Form des Suprascapulare (Sc’) nicht so ausgeprigt 
wie bei der verwandten Art. Die hier gleich grofen Rudimente 
des Sternum (S¢) entsprechen denen von Bl. cinereus. Das 
Gleiche gilt fiir die Andeutung des Lig. sterno-coracoideum (LL. séc.). 
Die Lange des Schultergiirtels betragt 1,8 mm, seine kleinste und 
erékte Breite 0,17 mm und 0,7 mm, die Breite der sternalen 
Rudimente 0,2 mm. Die gegenseitige Entfernung der Schulter- 
giirtel wurde zu 1,92 mm, die der beiden Brustbeinrudimente zu 
1 mm gemessen. 

Auf Grund dieses Befundes besteht namentlich im Quale der 
Konfiguration des Brustschulterapparates eine nahe Verwandtschaft 
zwischen Trogonophis und Blanus. 

Erheblich weichen die Rudimente von Amphisbaena ab. 
Sie bestehen in recht kurzen und diinnen, annaihernd walzen- 
formigen oder besser keulenférmigen, latero-dorsal etwas verdickten 
und mitunter in der Mitte etwas eingeschniirten Knochenstiabchen, 
welche, weit voneinander entfernt, in transversaler Lage tief in 
die Muskulatur eingebettet sind und an ihrem medialen und 
lateralen Ende mit deren Myokommata (Inscriptiones tendineae 
(MC) zusammenhangen. Dieselben reprisentieren ein weiter vor- 
geschrittenes Riickbildungsstadium des primaren Schulter- 


1) Linkerseits war der Knochenteil ein wenig linger als rechter- 
seits. Ob die geringere Entwickelung des knéchernen Abschnittes 
bei dem untersuchten Exemplar von Blanus strauchii gegeniiber 
Bl. cinereus eine specifische Differenz bedeutet, oder ob nur yer- 
schieden alte Tiere zur Beobachtung vorlagen, ist an mehr Material 
zu entscheiden. 

Bd, XXXIV, N. F. XXVIL. 18 


264 Max Firbringer, 


eiirtels (SceCr), an dem der coracoidale Anteil ebensowenig 
wie bei Trogonophis und Blanus von dem scapularen zu sondern 
ist. Knorpelteile fehlen ganz oder sind, wenn vorhanden, ganz 
minimal. Sternale Rudimente wurden vergeblich gesucht !); sekun- 
dire Brustschulterelemente fehlen gleichfalls. Bei Amphisbaena 
fuliginosa (Exemplar von 31,5 cm Linge, Fig. 109) wurde die 
Liinge des Rudimentes zu 1,5 mm, seine geringste Dicke zu 
0,15 mm, seine gréf’te Dicke zu 0,23 mm gemessen. Bei 2 
Exemplaren von Amphisbaena alba von 52,4 cm (Fig. 103 und 
108) und 60,5 cm Lange (Fig. 107) betrugen die entsprechenden 
Dimensionen: Linge 1,6 mm (linkerseits) und 1,5 mm (rechterseits) 
resp. 3,2 mm’), geringste Dicke 0,3 mm resp. 0,4 mm, gré’te Dicke 
0,45 mm resp. 0,58 mm. Ich fiige noch, in Centimeter und Milli- 
meter umgerechnet, 2 Messungen von RATHKE (1853) hinzu. Der- 
selbe fand bei einer Amphisbaena fuliginosa von 35,3 cm Ké6rper- 
linge ein Rudiment von ,,wenig mehr als“ 2,2 mm, bei einer A. 
alba von 48,4 cm Lange ein Rudiment von 2,2 mm. 

Die absoluten und relativen Lingen der gefundenen Rudi- 
mente des primiaren Schultergtirtels (Coracoid -+- Scapula), letztere 
auf eine Kérperlange von 100 bezogen, verhalten sich danach, 
wie die Tabelle auf p. 265 zeigt. 

Bei den anderen untersuchten Amphisbaeniden Lepido- 
sternon, Anops, Monopeltis und Rhineura, finde 
ich, wie schon SMALIAN bei Anops kingii erwahnt, die Stelle, wo 
die Schultergtirtelrudimente liegen wiirden, durch eine deutliche 
Inscriptio tendinea (sehnige Verwachsungsstelle der Muskulatur) *) 
markiert, von ihnen selbst aber keine Spur‘). Bei Lepidosternon 


1) In meiner Erstlingsarbeit von 1870 habe ich bei Amphis- 
baena fuliginosa eine rechts und links von der ventralen Mittellinie 
befindhiche breite Inscriptio tendinea beschrieben und auf Grund 
ihrer Gestalt als Sternalaponeurose mit dem Sternum von Chirotes 
verglichen. Dieser Vergleich ist nicht haltbar, da mit dem Auf- 
héren des Knorpelgewebes auch der Begriff des Sternum ver- 
schwindet. Auch jetzt fand ich bei Amphisbaena fuliginosa und 
alba diese breite Inscriptio, aber auch bei mikroskopischer Durch- 
musterung derselben keine Knorpelelemente. 

2) Also eime erhebliche individuelle Schwankung. 

3) Muskellose Linie SMALIAN. 

4) Ravruxe fand bei einem 56,2 cm langen Exemplar von 
Lepidosternon microcephalum sehr kleine, nicht véllig 2,2 mm 
(somit 0,39 Prozent der Kérperlinge betragende) lange, bohnenférmige 
knécherne Rudimente des Schultergiirtels, wihrend ich dieselben bei 
meinen friiheren und jetzigen Untersuchungen stets vermifte. Ent- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 265 


Absolute |Absolute Liange|Relative Lange 
Linge des} des Schulter- | des Schulter- 
Tieres giirtels girtels in Proz. 
in mm in mm der Kirperlinge 
Trogonophis wiegmanni 18 44 2,47 Proz. 
(F pr.) 
Blanus cinereus (F sr.) 16,2 2,1 lige eye 
strauchii (Fsr.) Ist | 1,8 lb 607 ie 
Amphisbaena fuliginosa 35,3 wenig mehr als\wenig mehr als 
(RATHKE) | 2,2 0,62 Proz. 
A. alba (F sr.) 60,5 3,2 3 Olbavrmes 
A. fuliginosa (Fr.) 31,5 1.5 O48. 4 
A. alba (RatHKe) 48,4 2,2 0,45... 5 
A. alba (Fsr.) 52,4 1,55 1) OO bs 


microcephalum und L. phocaena, wie bei Anops kingii ist diese 
bindegewebige Stelle sehr gut ausgepriigt und von einiger Breite, 
bei Monopeltis sphenorhynchus (verletztes Exemplar) und Rhineura 
floridana dagegen minder deutlich, doch auch ohne Miihe nach- 
weisbar. 

Bei allen von mir untersuchten Amphisbaeniden findet sich 
die Stelle des Schultergiirtelrudimentes oder der eben erwihnten 
Inscriptio tendinea im Niveau des 3. oder 4. Wirbels. 


C. Chamaeleontia (Rhiptoglossa). 


Unsere Kenntnis des Brustschultergiirtels und des Humerus 
des Chamaeleontia (Rhiptoglossa) hat durch die genaue Unter- 


weder liegt hier eine weitgehende individuelle Variierung oder eine 
falsche Bestimmung des untersuchten Tieres vor, woran angesichts 
der sehr grofen von RatHKE angegebenen Kérperdimension, die 
gemeinhin Lepidosternon microcephalum nicht erreicht, wenigstens 
zu denken ist. — Bei den mir vorliegenden Exemplaren von Lepido- 
sternon, Anops, Monopeltis und Rhineura geschah iibrigens die 
Untersuchung mit Riicksicht auf die gebotene Schonung der Tiere 
am ganzen Kérper bei mifiger (14-facher) Lupenvergréferung, 
nicht aber bei mikroskopischer Behandlung der betreffenden ausge- 
schnittenen Kérperstellen. Ich halte es fiir méglich, daS die ge- 
nauere mikroskopische Untersuchung die eventuelle Existenz von 
kleinen Skeletrudimenten ergeben mag. 

1) Mittelzahl aus 1,6 mm (linkerseits) und 1,5 mm (rechterseits). 

18* 


266 Max Firbringer, 


suchung von Brookesia durch StepenrocKk (1893) eine Bereiche- 
rung erfahren; auch Copr (1892) verdanken wir eine gelegentliche 
Bemerkung. 

Brookesia besitzt wie Chamaeleo und Lophosaura lediglich 
einen primiéren Schultergtirtel und ein primiares Brustbein, wah- 
rend die sekundairen Bestandteile derselben (Clavicula, Episternum) 
ithnlich wie bei Chirotes — in vollkommene Reduktion ge- 
treten sind. 

Der primare Schultergiirtel besteht aus den in der 
Jugend synchondrotisch, im ausgewachsenen Zustande synostotisch 
verbundenen scapularen und coracoidalen Anteilen. Die knécherne, 
des Acromions entbehrende Scapula ist recht schlank und geht 
dorsal in das breitere, knorpelige Suprascapulare tiber, das aber 
nicht die Dimensionen wie bei den typischen kionokranen Lacer- 
tiliern erreicht!). Das Coracoid stellt eine die Scapula etwas 
an Breite iibertreffende Knochenplatte dar, hat einen schmalen 
medialen Knorpelsaum und artikuliert mit der ganzen Linge 
desselben mit dem Sternum. Hier besteht das Coracoid in der 
Hauptsache aus dem Coracoid s. str.; procoracoidale Elemente 
sind gréStenteils (wenn nicht ganz) unterdriickt. Fensterbildungen 
evehen dem Schultergiirtel ab; ein Foramen supracoracoideum 
durchbohrt das Coracoid in mehr lateraler Lage als bei den 
anderen Lacertiliern, kann selbst der Grenze von Coracoid und 
Scapula nahekommen. Die Gelenkhéhle fiir den Humerus liegt 
an der iiblichen Stelle; ihr gegeniiber findet sich am vorderen 
Rande des Schultergiirtels eine Prominentia coraco - scapularis, 
welche, weil von beiden Anteilen desselben (Coracoid und Scapula) 
gebildet, und nach sonstigem Verhalten (Mangel der Clavicula) 
einem Acromion nicht verglichen werden darf. Von allen Bil- 
dungen bei den kionokranen Lacertiliern steht der  primire 
Schultergiirtel von Uroplates dem der Chamaeleontiden relativ am 
nichsten. 


1) Ich finde bei Chamaeleo und Brookesia das gegenseitige 
Lingeverhiltnis von Scapula s. str. und Suprascapulare wie 3:1; 
die geringste Breite (sagittale Dimension) der Scapula s. str. betrug 
bei Brookesia ?/,, bei Chamaeleo 1/, Wirbellinge, die griiite Breite 
des Suprascapulare bei Brookesia 11/,, bei Chamaeleo 1'/, Wirbel- 
linge. Chamaeleo zeigt somit die grifte Schlankheit; da’ Uro- 
plates sich in dieser Hinsicht den Chamaeleontiden annihert, wenn- 
gleich sie noch lange nicht erreicht, geht aus den oben (p. 233 f,. 
Anm. 6) mitgeteilten Magen hervor. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 267 


Das primare Brustbein, Sternum, bildet bei Brookesia 
eine in seinem vorderen Teile, Prosternum, einheitliche, ziemlich 
stark nach aufen gewodlbte rhomboidale Knorpelplatte'), welche 


mit ihren antero-late- 
ralen Randern die Co- 
racoide in den Sulci 
coracoidei aufnimmt 
und mit ihren anschlie- 
Senden lateralen Seiten 
mit 2 Paar Rippen ver- 
bunden ist; der hintere 
Teil befindet sich noch 
in statu nascendi und 
wird durch die Sterno- 
costalien des 3. Rip- 
penpaares —reprasen- 
tiert, welche sich dem 


hinteren Ende des Pro- - 


sternum anfiigen. Bei 
Chamaeleo und Lo- 
phosaura haben sich 
diese Rippenpaare in 
der Kinzahl (3. Rippen- 
paar) oder Zweizahl (3. 
und 4. Rippenpaar) zur 
Bildung eines unpaari- 
gen Xiphisternum ver- 
einigt, das dieselben 
selbst etwas nach hin- 
ten tiberragt. Zugleich 
ist durch einen wahr- 
scheinlich sekundaren 
Abgliederungs- und 
Verschmelzungsprozef 
bei der Mehrzahl der 
Exemplare dem Pro- 
sternum der hintere 


F.spe Se SS 
~ Pst 


Co.1 


Fig. 42. Brustschulterapparat und erste 
Bauchrippen von Brookesia superciliaris. +. (Teils 
nach SIEBENROCK, teils nach der Natur.) 

Fig. 43.  Brustschulterapparat und_ erste 
Bauchrippen von Uroplates fimbriatus. 3. (Teils 


nach SrEBENROCK, teils nach der Natur.) 


1) Diese starke Wélbung des ganzen Sternums bietet sich als 
eine hohere und weitere Aushildung des bei Uroplates nur am 
vorderen Ende begonnenen Wéolbungsprozesses dar (cfr. Anm. 2 


auf S. 244). 


268 Max Firbringer, 


(die 2. Rippe tragende) Abschnitt abgegliedert worden, so dafi nun 
das Prosternum (Prosternum vermindert um seinen hinteren Ab- 
schnitt) von Chamaeleo und Lophosaura mit nur 1 Rippe, das 
Xiphisternum (Xiphisternum vermehrt uw den hinteren Abschnitt 
des Prosternum) mit 2 (Chamaeleo) bis 3 Rippen (Lophosaura) ver- 
bunden ist'). Die Gesamtzahl der mit dem Sternum verbundenen 
Rippen ist sonach 3 (Brookesia, Chamaeleo) bis 4 (Lophosaura) ”). 

Auf das Sternum folgt bei den Chamaeleontia eine Anzahl 
(8 bei Chamacleo, 6 bei Brookesia) querer resp. winkelig oder 
bogenfoérmig nach vorn vorspringender Knorpelspangen, welche den 
M. rectus abdominis quer durchsetzen und aus der Verbindung 
oder Verschmelzung der rechten und linken Rippenknorpel der den 
Sternalrippen folgenden Rippen hervorgegangen sind. Sie gleichen 
in allen wesentlichen Kigenschaften den entsprechenden Knorpel- 
bogen der kionokranen Lacertilier (vergl. S. 249, 250). Auf die 
groBe Achnlichkeit zwischen Uroplates und den Chamaeleontidae 
wurde schon dort aufmerksam gemacht. 

Sekundare Bestandteile (Clavicula, Episternum, Para- 
sternum) konnten bisher nicht an dem Brustschultergiirtel der 
Chamaeleontia aufgefunden werden und sind wahrscheinlich seit 
langem verkiimmert*). Auch hier sei auf das sehr reduzierte 
Episternum des kionokranen Uroplates hingewiesen. 


1) Diese EHrklarung ist nur ein Versuch, den ich mit allem 
Vorbehalte gebe und der an der Hand der Untersuchung erst noch 
zu priifen ist. Gerade hier besteht noch viel Dunkel — auch hin- 
sichtlich des hinteren, die 3. Rippe tiberragenden, vielleicht einer 
(spiter riickgebildeten) 4. Rippe entstammenden Teiles des Xiphi- 
sternum von Chamaeleo — und Widerspruch in den Angaben der 
Autoren (vergl. Raraxe und Parker). Eigentiimlich ist die Be- 
obachtung Parxsr’s, der bei einem Exemplar von Chamaeleo vulgaris 
an der linken Seite des Prosternum vor der gewoéhnlichen ersten, 
dem 6. Wirbel angehérenden Sternalrippe noch ein Sternocostale 
fand, das aber nicht mit der Rippe des 5. Wirbels, sondern mit 
Ueberspringung derselben mit derjenigen des 4. Wirbels verbunden 
war wahrscheinlich ein sekundirer, abnormer Befund. 

2) Die erste Sternalrippe der Chamaeleontiden gehért dem 6. 
Wirbel an. Der Brustschulterapparat derselben befindet sich somit 
in einer erheblich kranialeren Lage als derjenige der typischen 
kionokranen Lacertilier mit wohl entwickelten Extremititen. Bei 
Riickbildung desselben tritt auch hier eine Vorwiartsbewegung nach 
dem Kopfe zu ein (s. sub Nervensystem). 

3) Srepenrock (1893, p. 707) wirft die Frage auf, ob eventuell 
das Sternum und Scapula verbindende Ligament als Clavicula zu 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 269 


Der Humerus der Chamaeleontia entspricht im ganzen 
demjenigen der typischen kionokranen Saurier und unterscheidet 
sich nicht wesentlich von ihm durch etwas gréfere Schlankheit 
und geringere Ausbildung der Muskelfortsaétze im proximalen und 
distalen Bereiche; namentlich der sonst recht kraftig entwickelte 
Epicondylus medialis tritt sehr zuriick oder fehlt beinahe (Corr). 
Seine Linge tibertrifft die gré%te Breite annihernd d5mal (Chamaeleo) 
bis 7mal (Brookesia). Calotes und Verwandte sowie Uroplates 
unter den kionokranen Lacertiliern kommen ihm in dieser Hinsicht 
am nachsten. Kin Canalis n. radialis wurde vermibt. 


Anhang zu den Lacertilia. 
Dolichosauria. Mosasauria. Telerpetidae. 


Die kionokranen Lacertilia, Amphisbaenia und Chamaeleontia, 
werden bekanntlich von den meisten Autoren mit den Ophidia zu 
der héheren Abteilung (Ordo resp. Legio) der Squamata (Strepto- 
stylica, Lepidosauria, Pholidota) vereinigt. Zu diesen werden noch 
zwei fossile kionokrane Abteilungen aus der Kreide, die Dolicho- 
sauria und die Mosasauria (Pythonomorpha), gestellt, 
wobei die einen (CUviIER, OWEN, BAuR, MrERRIAM u. A.) einer Ein- 
reihung derselben in die Lacertilier (in der Nahe der Varanidae) 
das Wort reden, die anderen (Core, ZrvreL, BOULENGER, HAECKEL 
u. A.) fiir eine selbstandige Stellung zwischen Lacertiliern und 
Ophidiern eintreten. 

Beide Abteilungen haben einen verlingerten schlangenahn- 
lichen Kérper mit verkleinerten Extremititen und zeigen eine An- 
passung an das Wasserleben, die bei den Dolichosauriern noch in 
den Anfangsstadien sich befindet'), bei den Mosasauriern in 
héherem Grade und unter Ausbildung von flossenartigen und durch 
Phalangenvermehrung (Hyperphalangie) gekennzeichneten Extremi- 
taten sich entwickelt hat. Die Dolichosaurier beginnen mit ziem- 


betrachten sei. Dieselbe ist zu verneinen. Dieses, iibrigens ganz 
kraftige Band geht vom Sternum an den Vorderrand der hervor- 
ragenden Verbindungsstelle von Coracoid und Scapula, also an eine 
ganz andere, viel ventralere Stelle als die Clavicula normalerweise 
(Acromion), Auch fehlt ein Acromion. Das Band ersetzt die Clavi- 
cula zum Teil funktionell, nicht aber morphologisch. 

1) Die altesten Vertreter derselben, die Aigialosauridae, méigen 
noch erdlebende Lacertilier gewesen sein (GorJANOVIC-KRAMBERGER). 


270 Max Firbringer, 


lich kurzhalsigen Formen, Aigialosauridae, in der unteren Kreide 
und erheben sich in der oberen zu den langhalsigen Dolicho- 
sauridae; die Mosasaurier waren von mafiger Lange des Halses 
und lebten in der oberen Kreide '). 


Dolichosauria. 


Der Brustschulterapparat der Dolichosaurier ist noch un- 
vollstindig bekannt; die meiste Aufklirung bietet KoRNHUBER’sS 
Fund, Carsosaurus, dar ”). 

Der primaire Schultergiirtel weist eine recht mafig entwickelte 
knécherne Scapula auf, die, wie es scheint, mit dem breiteren 
knéchernen Coracoid®) synostotisch verbunden ist; letzteres hat 
ein gut entwickeltes Foramen supracoracoideum und am medialen 
convexen Rande 2 Incisuren, die unter Vergleichung mit dem 
Brustgtirtel von Varanus zu dem Hauptfenster und dem hinteren 
coracoidalen Fenster erginzt werden kénnen. Beziiglich der Aus- 
dehnung der knorpeligen Teile von Scapula 
und Coracoid fehlt jede Andeutung. Der 
sekundare Schultergiirtel, die Clavicula, 
bildet ein diinnes und schlankes Knochen- 
stiibchen, welches dem lateralen Schenkel 
des Episternum vorn aufliegt und sich 
nach der Gegend der Scapula erstreckt. 

Fig. 44. Clavicula und Das primaire Brustbein, Sternum, 
Episternum von Carsosau- weil knorpelig, ist nicht mehr erhalten; 
rus marchesettii. 3. (Nach pach der Lage der noch vorhandenen 5 
ving ca erga Sternocostalien auf KoORNHUBER’s Tafeln 
scheint es von bedeutender Grofe gewesen zu sein. Das sekun- 
dire Brustbein, Episternum, reprasentiert einen schlanken, 


1) Die Halswirbelzahlen sind (auf Grund der Revisionen von 
Dotto und Bovunencer): Aigialosauridae 9-—10, Dolichosauridae 
15—17, Mosasauria 9—10. Unter den lebenden Lacertiliern bieten, 
als regelmifiges Vorkommen, die Varanidae 9 Halswirbel dar. 

2) Kornuuser ist geneigt, Carsosaurus als besonderes Genus 
neben Varanus den Varanidae zuzuzihlen. Mit Dotto stelle ich 
ihn zu den Aigialosauridae. 

3) Die oben gegebene Determination weicht etwas von der- 
jenigen Kornuuser’s ab. Ich bin nach genauer Ansicht des Licht- 
druckes geneigt, die virtuelle Grenze von Scapula und Coracoid 
namentlich vorn mehr scapularwirts zu verlegen und die dort 
von Kornuuper angegebene Sutur als Bruchstelle aufzufassen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 271 


T-formigen Knochen, der in seiner Form zwischen derjenigen der 
Iguaniden und Varaniden steht. 
Parasternale Gebilde fehlen wie bei den Lacertiliern durchaus. 
Der Humerus der Dolichosaurier (Pontosaurus, Carsosaurus) 
ist im Vergleich zu dem der typischen Lacertilier etwas zuriick- 
gebildet und verktirzt, doch tiberwiegt die Langendimension noch 
in erheblichem Mae tiber die Breite (ca. 3:1). 


Mosasauria (Pythonomorpha),. 


Bei den Mosasauriern zeigt der primaire Schultergiirtel eine 
auffallend breite knécherne Scapula und ein ansehniiches, noch 
breiteres knéchernes Coracoid, das von einem Foramen supra- 


Fig. 45. Brustschulterapparat von Varanus 
bengalensis juv. 2%. (Frei nach W. K. PARKER.) 

Fig. 46. Knoécherne Teile des Brustschulter- 
apparates von Clidastes dispar. (Frei nach MARSH; 
Stellung des Schultergiirtels verdndert.) | 

Fig. 47. Knécherne Teile des Schultergiirtels XU 
von Clidastes westii. 5. (Nach WILLISTON.) 

Gemeinsame Bezeichnungen: Cr Coracoid. F. co 
Facies articularis costae. /.gl Fossa glenoidalis pro 
humero. F.spe Foramen supracoracoideum, Pst Pro- Fig. 47. 
sternum. Se Scapula. 1 Teil der Fenestra coraco- 
idea anterior. 3 Teil der Incisura coraco-scapularis. 


Cr : 
F.spe F. gl 


coracoideum durchbohrt ist und an seinem medialen Rande bald 
einen Einschnitt zeigt (Plioplatecarpus, gewisse Arten von Plate- 
carpus und Clidastes), bald ganzrandig ist (Hainosaurus, Tylo- 
saurus, gewisse Arten von Platecarpus [Holosaurus| und Clidastes, 


272 Max Firbringer, 


Baptosaurus) '). Ueber die Knorpelteile des primairen Schulter- 
giirtels wissen wir nichts, doch sind dieselben vermutlich wie bei 
den Lacertiliern (Varanidae) sehr ausgedehnt gewesen ?); auch kann 
der Einschnitt ohne Bedenken zum Hauptfenster des Coracoids 
erginzt werden, das bei Plioplatecarpus ahnlich wie bei den 
Varanidae ziemlich ansehnlich ist, bei einigen Arten von Plate- 
carpus und Clidastes sich verschmalert hat und bei den anderen 
oben erwahnten Mosasauriern geschlossen ist. Ftir diesen succes- 
siven Schlu8 der Fenster zeigen auch die Lacertilier Parallelen, 
namentlich die den Varanidae*) nicht ganz fern stehenden Helo- 
dermidae weisen ein solides Coracoid auf. 

Die Existenz eines sekundaren Schultergiirtels in Gestalt einer 
kleinen und schlanken Clavicula wird von Baur (1890) an- 
eegeben. Andere Untersucher auf diesem Gebiete fanden sie noch 
nicht, doch lat die Beschaffenheit des von WILLIsTon (1899) be- 
schriebenen Episternums (ovale Gelenkfacetten am vorderen Ende) 
auf deren Existenz schliefen. 

Das primaire Brustbein, Sternum, bildet bei Clidastes dispar 
(Marsu 1880) eine ganz ansehnliche, mafig breite, aber lange, 
schwach nach aufen gewolbte verknécherte Platte, welche vorn die 
beiden einander genaherten Sulci coracoidei, an ihren langen, nach 
hinten etwas konvergierenden Seitenrindern 5 Gelenkfacetten fiir 
die Sternocostalia trigt. Ganz abweichend davon findet WILLIsTon 
(1898, 1899) bei Platecarpus coryphaeus ein breit- halbmond- 
formiges, gut ossifiziertes Sternum mit hinterem konkaven Rande, 
dessen coracoidale Gelenkfurchen weit voneinander entfernt sind‘). 
Angesichts dieser fundamentalen Differenzen der beiden nahe ver- 
wandten Gattungen und der grofen Abweichungen von dem Lacer- 
tilier-Typus sind weitere aufklirende Funde sehr erwiinscht. 

1) Das wechselnde Vorkommen der Incisur wurde von Marsu 
(1872) und Merriam (1894) als generisches Merkmal aufgefaft, von 
Wiuuiston und Cas (1898) an der Hand eines umfangreichen Ma- 
teriales héchstens als Differentialcharakter der Species erkannt. 

2) Auch Wituiston (1897) erginzt ein sehr ansehnliches Supra- 
scapulare. 

3) Bekanntlich zeigen die Varanidae (ebenso wie Carsosaurus 
nach meiner Deutung) 2 coracoidale Fenster, von denen aber das 
hintere in wechselnder Weise den Verschluf vorbereitet; bei den 
bekannten Mosasauriern ist dasselbe stets geschlossen und nur noch 
das Hauptfenster bei gewissen Vertretern offen. 

4) Wiuutston erblickt in der Verknécherung des beobachteten 
Sternum an Stelle der gewéhnlichen Knorpelverkalkung einen in- 
dividuellen resp. pathologischen Befund. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 273 


Das sekundire Brustbein, Episternum, reprisentiert einen 
knéchernen Lingsstab, der vorn ein wenig geteilt ist resp. in 
zwei kurze seitliche Zipfel ausgeht (BAUR 1890, Dono 1892); 
Wiuuiston (1898, 1899) beschreibt ein breites und diinnes, spatel- 
formiges Episternum, das an seinem vorderen abgestutzten Ende 
zwei ovale Gelenkflichen tragt. In dieser Hinsicht niihert sich 
das Episternum der Mosasaurier, falls keine Liisionen vorliegen, 
mehr demjenigen gewisser Iguanidae und der Helodermatidae als 
dem der Varanidae. 

Parasternale Elemente fehlen den Mosasauriern wie den Do- 
lichosauriern und anderen Lacertiliern. 


Pim 
Fig. 48. Linker Humerus yon Cli- 
dastes westii, Ventralansicht. 1. C.r Con- Pl 
dylus radialis. C.«w Cond. ulnaris. Ze.r 
Kpicondylus radialis. £e.w Epicond. ul- fey 4 PA 
naris. P./ Processus lateralis. P.m Proc. mm Ki 2 ay ee 
medialis. (Nach WILLISTON.) Ci = = Cir 


Der Humerus der Mosasaurier zeigt die typische Form des 
Elementes einer zur Flosse umgestalteten Extremitét. Er ist kurz, 
breit, flach. und seine Liingendimension iibertrifft dic der Breite 
nur wenig oder gar nicht. Dabei besitzt er ansehnliche Vor- 
spriinge, von denen namentlich der Processus lateralis, sowie die 
beiden Epicondylen, deren medialer am kraftigsten entwickelt ist, 
hervortreten. Dadurch ist sein Mittelstiick gegentiber den breiteren 
Enden mehr oder minder betrichtlich eingeengt. 


Die Aehnlichkeit der erwahnten Skeletteile der Dolichosaurier 
und Mosasaurier mit denen der kionokranen Lacertilier ist er- 
sichtlich. Ueber meine Ansicht betretfend die speciellere syste- 
matische Stellung dieser beiden Abteilungen werde ich mich am 
Schlusse dieser Arbeit iufern. 


Telerpetidae. 


Ich reihe hier noch die sehr unvollstindig bekannten Gat- 
tungen Saurosternon aus der Karrooformation (untere Trias) und 
Telerpeton aus dem Elgin-Sandstein (obere Trias) an. Huxtry 
hat Telerpeton 1866 mit groBer Bestimmtheit als kionokranen 
Lacertilier gekennzeichnet, 1873 aber ohne Angabe von Griinden 
den Homoeosauria eingefiigt. LypekKrr (1888) verbindet Sauro- 


274 Max Fiirbringer, 


sternon und Telerpeton zur Familie Telerpetidae und _ vereinigt 
dieselbe mit seinen Familien Homoecosauridae (= Homoeosauridae 
und Sauranodontidae) und Pleurosauridae (= Acrosauria) zt 
der Subordo Homoeosauria, wihrend sie Zirren (1889) zu den 
Proterosauridae stellt. Beide Autoren reihen sie also, im Einzelnen 
iiber ihre speciellere Stellung recht differierend, den Rhyncho- 
cephalia ein. 

Von Saurosternon sind meines Wissens keine Fragmente des 
Brustschulterapparates bekannt, von Telerpeton hat dagegen 
Huxtey (1866) ein Exemplar beschrieben und teilweise abgebildet, 
das einen leidlich gut erhaltenen Schidel, Wirbelséule mit Rippen 
und bemerkenswerte Teile des Schultergiirtels, Beckens, der vor- 
deren und namentlich der hinteren Extremitat aufweist. Hux Ley 
kommt dabei, wie schon erwahnt, zu dem Ergebnis, Telerpeton 
zu den Lacertiliern, und zwar auf Grund der amphicélen Wirbel 
zu den primitiveren Formen derselben zu rechnen. 

Ich kann ihm in der Diagnose von 1866 nur beistimmen, 
wiihrend ich die genauere Begriindung der spiter (1873) behaup- 
teten Zugehoérigkeit zu den Homoeosauriern vergeblich suche. 
Der abgebildete Schidel erinnert nach Verhalten des Schlafen- 
bogens (der ventrale fehlt) und des Quadratums weit mehr an 
einen Lacertilier als an einen Rhynchocephalen; das akrodonte 
Gebif nétigt nicht zu der Einreihung in die Rhynchocephalen, 
denn auch die Agamidae besitzen ein solches; der Tarsus mit 
seinem grofen proximalen und seinen drei‘) distalen Tarsalia fallt 
eleichfalls in den Rahmen der Lacertilier (nach GEGENBAUR’S 
Nachweisen 1864 besitzen die Geckonidae 3 distale Tarsalia) ; 
endlich fiir das eigentiimliche Verhalten der 5. Zehe mit ihren 
2 Phalangen bieten nicht die Rhynchocephalen, wohl aber die 
Lacertilier, und zwar die Agamidae, Aehnliches dar: durch SreBEN- 
rock (1895) wissen wir, daf anstatt der iiblichen Vierzahl der 
Phalangen dieser 5. Zehe bei gewissen Vertretern derselben auch 
nur 3 (Lyriocephalus) oder 2 (Moloch) vorkommen, oder dal 
diese 5. Zehe gainzlich reduziert sein kann (Sitana). 

Der Brustschulterapparat von Telerpeton ist unvoll- 
stindig bekannt. Die knécherne Scapula reprasentiert einen 

1) Im Text werden ausdriicklich 3 distale Tarsalia angegeben, 
auf der beigegebenen Textfigur aber 4 abgebildet. Aber auch die 
Vierzahl dieser Tarsalia wiirde nach Graensaur’s Untersuchung der 
Jugendzustande von Lacerta keine Schwierigkeit gegen eine Ein- 
reihung in die Lacertilier bilden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 275 


langen, diinnen und ziemlich schmalen Knochen, der an seinem 
ventralen, dem Coracoid wohl durch Sutur verbundenen Ende ver- 
breitert und verdickt ist und hier einen rostralen Vorsprung zeigt, 
der mit dem Schaft der Scapula eine Incisura (Semifenestra) 
scapularis, vielleicht auch ein scapulares Fenster umschlof. Das 
Coracoid bildet eine nach ihrer sagittalen und namentlich trans- 


Fig. 49. Schultergiirtel von Tel- 
erpeton elginense. +. Cr Coracoid. Se Sca- 
pula. 7 Fenestra coracoidea (anterior). 


(Nach HUXLEY.) 


versalen Dimension sehr ansehnliche Platte, beteiligt sich mit 
der Scapula in der tiblichen Weise an der Bildung der Gelenk- 
fliche fiir den Humerus und scheint, nach der von HuxLey ge- 
gebenen Restauration, mit einem ansehnlichen Fenster (coracoidales 
Hauptfenster) versehen gewesen zu sein. Dasselbe erinnert etwas 
an die tiefe Incisur der parasuchen Crocodile (Phytosaurus). Eine 
Clavicula war vorhanden, doch giebt Huxtry keine genauere 
Beschreibung derselben. 

Brustbeinbildungen, Sternum und Episternum, sind bisher 
nicht bekannt geworden; dai sie vorhanden waren, unterliegt wohl 
keinem Zweifel. 

Auch von sog. Bauchrippen (Parasternum) erwihnt Huxiry 
nichts; nach ZirreL scheinen sie zu fehlen. 

Der Humerus war nicht langer als die knécherne Scapula, 
proximal und distal verbreitert und verdickt, mit ansehnlichem 
Proc. lateralis versehen, in der Mitte eingeengt. Nervenkaniile 
werden nicht angegeben. 

Alle diese Angaben gewiihren nicht genug Anhalt, um Tel- 
erpeton mit Sicherheit unter den besser bekannten Reptilien unter- 
zubringen. Doch weist das, was bisher vom Brustschulterapparat 
bekannt geworden ist, mehr auf die Lacertilier als auf die Rhyn- 
chocephalier hin. 

Vorliufig, bis nicht genauere Beschreibungen der bisher be- 
kannten Funde oder bis nicht neue modifizierende Funde vorliegen, 
bin ich geneigt, Telerpeton als Vertreter einer besonderen Familie 
in der Nihe der Geckonidae und Agamidae den kionokranen 
Lacertiliern einzureiien. Ueber die systematische Stellung von 
Saurosternon dufere ich mich nicht, da mir die bisher davon be- 


276 Max Fiirbringer, 


kannten Fragmente noch weniger zu geniigen scheinen, um seine 
verwandtschaftlichen Beziehungen zu anderen Reptilien zu be- 
stimmen. 


Endlich fiihre ich noch gewisse als Reptilien erkannte Micro- 
saurier, Hylonomus und Petrobates, an. Dieselben kénnen 
zu den Lacertiliern oder zu den Rhynchocephaliern gehéren; ich 
werde das, was man von ihrem Brustschulterapparat weil, bei 
den letzteren besprechen. 


D. Rhynchocephalia '). 
(Vergl. Taf. XVI und XVII, Fig. 168 und 178.) 


Der Brustschulterapparat des noch lebenden Vertreters der 
Rhynchocephalia, Sphenodon (Hatteria)?), schlie&t sich in der 
guten Ausbildung primérer und sekundarer Skeletteile dem der 
typischen kionokranen Lacertilier niher an als denjenigen der 
Chirotiden und Chamaeleontiden, welche der sekundaren Bestand- 
teile entbehren. Der Humerus weicht dagegen in einem Punkte 
(Anwesenheit eines Foramen nervi mediani) erheblich von den 
Humeri aller Lacertilier und der meisten Reptilien iiberhaupt ab. 
Dazu kommt noch die Existenz eines Parasternum, welches Sphen- 
odon mit den Crocodilen, Cheloniern (die es in umgewandelter Form 
besitzen), mehreren anderen ausgestorbenen Reptilien-Ordnungen 
und Archaeopteryx teilt, welches aber den Lacertiliern abgeht. 


1) Ueber die systematische Stellung yon Sphenodon sind bis 
auf den heutigen Tag die Ansichten sehr geteilt. Zwischen den- 
jenigen, welche dieses Reptil mit seinen Verwandten als den Re- 
praisentanten einer besonderen, sehr viel eigentiimliche und ur- 
spriingliche Ziige aufweisenden Ordnung der Reptilien resp. als den 
primitivsten lebenden Sauropsiden auffassen, und denen, welche es 
als einen zu den Agamidae gehérigen oder wenigstens dieser Fa- 
milie nahestehenden Lacertilier betrachten, finden sich alle még- 
lichen vermittelnden Anschauungen vertreten. Dariiber wird am 
Schlusse dieser Abhandluug noch des weiteren zu sprechen sein. 

2) Nach Baur’s historischer Darlegung (Zoologischer Anzeiger, 
X, 8S. 120f. Leipzig 1887) hat der Name Sphenodon (1831) 
den Vorzug vor der Bezeichnung Hatteria (1842); auch BounEncER 
(1879), Gucenpaur u. a. gebrauchen ihn. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 277 


Der primaire Schultergitirtel') wird wie bei den Lacer- 
tiliern von Scapula und Coracoid gebildet, welche, ungefaéhr im 
rechten Winkel sich treffend, in der Jugend synchondrotisch, im 
ausgewachsenen Zustande synostotisch verbunden sind und hier 
am distalen Rande die Gelenkhéhle fiir den Humerus (CGI, F’. gl) *) 
tragen. Die Scapula (Sc)*) besteht aus der schmaleren kné- 
chernen Scapula s. str. (Sec, Infrascapulare), welche dorsalwarts 
in das etwas kiirzere, aber erheblich breitere Suprascapulare (SS) 
ausliuft, welches noch knorpelig geblieben ist*). An dem Vorder- 


F. gl Se SS 
Cl 

Cr 

Est 

St 


Fig. 50. Brustschulterapparat von-Sphenodon punctatus. 4. CZ Clavi- 
cula. Cr Coracoid. Fst Episternum. F.g/ Fossa glenoidalis pro humero. F. spe 
Foramen supracoracoideum. Se Scapula. SS Suprascapulare. S¢ Sternum (Pro- 
sternum). & Incisura coraco-scapularis. (Nach der Natur.) 


rand der knéchernen Scapula, etwa.in der Mitte seiner Liinge, be- 
findet sich der Processus clavicularis (Acromion)*®), mit dem das 
laterale Ende der Clavicula verbunden ist. In dieser ausgedehnten 
Verknécherung der Scapula s. str. und Lage des Acromion 
spricht sich ein den hoheren Lacertiliern ‘aquivalentes Kntwicke- 
lungsstadium aus. Fensterbildungen fehlen der Scapula wie dem 


1) Scapulo-Coracoid: Osawa. 

2) Cavitas glenoidalis: Osawa. 

3) Scapula der Autoren. 

4) Ich finde das gegenseitige Liingenverhiltnis von Scapula 
8. str. zu Suprascapulare wie 2:3; die geringste Breite der Scapula 
s. str. betragt 11/,, die gréfte Breite des Suprascapulare 4?/, Wirbel- 
einheiten — somit Dimensionen, welche diejenigen bei den Lacer- 
tiliern nicht unerheblich iibertreffen. 

5) Acromial tuberosity, Tuberositas acromialis: Ginrumr, 
Osawa. — Osawa bezeichnet auch den coracoidalwirts gleich daran 
anschliekenden Einschnitt als Incisura scapulae. 


278 Max Firbringer, 


Coracoid, doch findet sich gerade an der Verbindungsstelle beider 
ein mit Membran ausgefiillter Einschnitt, Incisura obturata coraco- 
scapularis, welcher der Semifenestra scapulo-coracoidea der kiono- 
kranen Lacertilier verglichen werden kann. Das Coracoid (Cr) 1) 
stellt eine solide Platte dar, die in der sagittalen Dimension be- 
trichtlich langer, in der transversalen etwas kiirzer als die Scapula 
ist. Der der Scapula und der Gelenkhoéhle fiir den Humerus be- 
nachbarte caudo-laterale Abschnitt ist verknéchert, der mediale 
und vordere in ziemlich grofBer Ausdehnung noch knorpelig. Mit 
seinem medialen Rande ist das Coracoid in ansehnlicher Linge in 
den Sulcus coracoideus des Sternum eingefiigt, der vordere Teil 
ragt frei tiber das Sternum vor und tritt mit seinem medialen, 
dorsal hinter dem freien Teile des Episternum gelegenen Saume 
etwas iiber die Mittellinie, wobei das rechte Coracoid ventral 
unter das linke zu liegen kommt. Hierdurch unterscheidet es 
sich nicht unwesentlich von dem Coracoid von Chamaeleo und 
nihert sich mehr dem der kionokranen Lacertilier, insbesondere 
dem von Heloderma, enthalt somit bei mangelnder Fensterbildung 
coracoidale, epicoracoidale und procoracoidale Elemente in sich. 
An der iiblichen Stelle wird es von dem Foramen supracoracoideum 
fiir den Nervus supracoracoideus?) und die gleichnamigen Gefafe 
durchbohrt. Der hintere, von dem Schultergelenke nach dem 
Sternalgelenke verlaufende Rand ist konkav, mitunter besonders 
tief eingeschnitten. 

Der sekundare Schultergiirtel, die Clavicula (Cl) *), 
ist von miifiger Linge und Breite und reprasentiert, &hnlich der 
Clavicula der Iguanidae und gewisser Agamidae, einen mafhig ge- 
bogenen, schlanken Knochen, welcher in seiner medialen Hilfte 
der rostralen Fliche des Seitenschenkel des T-férmigen Episternum 
je nach dem Alter durch ziemlich straffe Syndesmose oder durch 


1) Coracoid der Autoren. 

2) Foramen supracoracoideum: Osawa. 

3) Clavicula der Autoren. — Sapatier (1897) behauptet, dal 
die Clavicula der héheren Vertebraten ein knorpelig priformierter 
Knochen (Os de cartilage) sei und dafi sie ein von dem Vertebro- 
costale abgelistes und mit dem prathorakalen Segment des Ster- 
num, der Interclavicula, verbundenes prithorakales Sternocostale 
reprasentiere. Ich brauche nicht auseinanderzusetzen, daf diese 
Behauptung und Deutung von Clavicula und Episternum (Inter- 
clavicule) fiir mich gianzlich unannehmbar ist. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 279 


Sutur verbunden ist'). Die medialen Enden der rechten und 
linken Clavicula sind hierbei etwa um die Breite des Liingsschenkels 
des Episternum voneinander entfernt oder ein wenig mehr ge- 
nahert. Das Alter scheint hierbei keine Rolle zu spielen. Lateral 
hangt die Clavicula mit dem von der knéchernen Scapula gebil- 
deten Acromion beweglich syndesmotisch zusammen; diese Stelle 
liegt ungefahr in der Mitte der scapularen Vorderrandes, also 
etwas ventraler als bei den kionokranen Lacertiliern. 

Das primare Brustbein, Sternum (S#)”), bildet eine 
ebene, rhomboidale bis pentagonale Knorpelplatte, deren beide 
antero-laterale Rander die Sulci coracoidei*) mit auferem und 
innerem Labium fiir die Coracoide tragen, wahrend die disto- 
lateralen Seiten sich mit 3—4 Paar Sternocostalien (Co. th. I—IV) 
verbinden‘); da die Insertionen des letzten Rippenpaares seitlich 
weit auseinanderweichen, findet sich, wie bei einigen Iguanidae 
und Agamidae (p. 247), an Stelle der hinteren Spitze ein ziemlich 
breiter querer hinterer Rand, der meist in der Mittellinie etwas 
konkav eingebuchtet ist resp. mit zwei seitlichen Konvexititen 
endet. Es stellt somit lediglich ein Prosternum (Mesosternum) 
dar; das Bildungsmaterial fiir das Xiphisternum liegt in dem 
letzten Sternocostale, ist also noch nicht so weit differenziert, 
dafi man von dieser Sternalbildung sprechen kénnte. 

Das sekundaére Brustbein, Episternum (ES?)°), 


1) Die Grenzen zwischen den Claviculae und dem Episternum 
werden von GinrHER, aber nicht von Osawa abgebildet; Osawa 
spricht jedoch von einer ,,Artikulationsflache* des Episternum fiir 
die Clavicula. Ich finde hier nichts einem Gelenk Vergleichbares. 
— Auf Crepner’s Abbildung sind die medialen Enden beider Cla- 
viculae ziemlich weit voneinander entfernt, auf derjenigen von 
Smeets beriihren sie sich beinahe in der Mittellinie. Prrriy findet 
sie fest mit dem Episternum verbunden (soudée) und erblickt darin 
ein primitives Verhalten, das bei den Lacertiliern einer freieren 
Verbindung (,,se détache successivement“) Platz gemacht habe. 

2) Sternum der Autoren. 

3) Grooves for the reception of the coracoid: GinrHEer. — 
Suleus coracoideus: Osawa. 

4) Incisurae costales: Osawa. — Die 1. Sternalrippe gehért 
wie bei den meisten kionokranen Lacertiliern dem 9. Wirbel an. 
Hiufiger verbinden sich nur 3 Sternalrippen mit dem Brustbein; 
doch wurden von mir auch 4 beobachtet (so in dem auf den 
Tafeln abgebildeten Exemplare). 

5) Episternum: GecEnpaur, Crepner, ZitTen, GUNTHER, Osawa. 
— Interclavicle: Smpers, Savatier, BouLENGER, meiste Palaiontologen. 

Bd. XXXIV. N. F. XXVIL, 19" 


980 Max Firbringer, 


bildet einen T-férmigen Knochen, dessen vordere Querschenkel in 
der bereits angegebenen Weise mit den medialen Hilften der 
Clavikeln verbunden sind, wiahrend der Langsschenkel in seinem 
rostralen Drittel frei tiber das Sternum vorragt, in seinen cau- 
dalen 2 Dritteln mit dessen Mittellinie (im Bereiche der vorderen 
2/. desselben) verwachsen ist'); zwischen dem Hinterrande der 
episternalen Querschenkel und dem vorderen Sternalrande er- 
streckt sich ahnlich wie bei den Lacertiliern eine diimne Membrana 
sterno-episternalis (JZ. stest). 

Direkt auf das Sternum folgt, den hintersten Saum desselben 
ventral etwas tiberlagernd?) und mit ihm durch Band _ver- 
bunden, der Komplex jener queren Knochenspangen, welche sich 
bis zum Bereich des Beckens erstrecken und von GEGENBAUR als 
Parasternum (PS?)*) zusammengefaft werden. Sie kommen 
in der Zahl von 20—26, meist 24, also in der doppelten Anzahl 
wie die Wirbel und Rippen der entsprechenden Kérperregion (je 
2 parasternale Metameren auf 1 Rumpfmetamer) vor, bestehen 
jede (mit Ausnahme der ersten) aus einem mittleren unpaaren 
Schenkel, dem sich seitlich paarige Stiicke, ein rechtes und ein 


1) In der von GtnrnEer gegebenen Abbildung ist das Epi- 
sternum reichlich mit den vorderen */, des Sternum verwachsen, 
wiihrend Osawa es von der vorderen Ecke des Brustbeins nach 
vorn gehen lat. Letztere Angabe beruht wahrscheinlich auf eimem 
Irrtum. 

2) Bereits von BoutEnerr (1889) hervorgehoben und leicht zu 
bestatigen. 

3) Abdominal ribs, Bauchrippen: Ginrner, Knox, Newman, 
WiepEersHEm. — Plastron (Sternum abdominal): Donto. — Ver- 
knécherte Inscriptiones tendineae der Bauchmuskeln: v. Ammon, 
WirpersHeim. — Plastron: Boutpncur. — Abdominalskelet: ANDREAE. 
— Abdominal ossicles: Baur (1896). — Gastralia: Baur (1897). — 
Parasternum: GrGENBAUR (1898). — Ventrale Abdominalrippen: 
Osawa (1898). — Gonruer und Newman faften diese parasternalen 
Gebilde als endoskeletale auf und verglichen sie den verbundenen 
Sternocostalien der Lacertilier, wihrend Knox, Roiurstron, Bou- 
LENGER, Baur, Gr@pnpaur und die Mehrzahl der Palaontologen 
ihre wahre Natur als rein dermale Ossifikationen und ihre prinzi- 
pielle Verschiedenheit von den knorpelig praformierten Rippen 
richtig erkannten. Im Gegensatz zu dieser gewonnenen Erkenntnis 
homologisiert sie Sanarrer (1897) wieder mit der Interépineux 
ventraux und faft sie als Homodyname der Arcs pubiens und des 
Sternum auf; diese Anschauungen Saparinr’s sind fiir mich ebenso 
unannehmbar wie seine Deutungen der Clavicula und des Episternum 
(vergl. S. 278, Anm. 3). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 281 


linkes, anfiigen, und tragen alle Merkmale von dermalen Deck- 
knochen an sich. Sie sind abwechselnd, eine um die andere (d. h. 
die 1., 3., 5. bis 17., 19. und 21.), mit den ventralen Enden von 
11 verkalkten Rippenknorpeln (deren erster sofort auf die letzte 
sternale Rippe folgt) verbunden, und zwar derart, daf diese mit 
seitlichen Schaufeln versehenen und den Sternocostalien ent- 
sprechenden Rippenknorpel ziemlich lateral an die lateralen 
Enden der Mittelstiicke und die daneben befindlichen Stellen der 
Seitenstiicke sich anheften. Die dazwischen gelegenen para- 
sternalen Spangen (d. h. die 2., 4. bis 18. und 20.), sowie die 
3 letzten (die 22. bis 24.) entbehren des costalen Verbandes. 

Im tbrigen sind sie von aufen her in den Musculus rectus 
abdominis, den sie oberflachlich durchsetzen und segmentieren, 
eingebettet und mit den Mm. pectoralis, obliquus abdominis ex- 
ternus superficialis und profundus verbunden'). Alle diese Zu- 
sammenhinge mit der Muskulatur sind héchst wahrscheinlich erst 
sekundaér erworben. Die parasternalen Elemente reihen sich so- 
mit in gewisser Weise, auch in ihrer Zusammensetzung aus einem 
mittleren unpaaren und seitlichen paarigen Staben, den episternalen 
und claviculiren Gebilden genetisch an, wobei ich indessen einer 
specielleren Homodynamie beider noch mit Vorsicht gegeniiber- 
stehe. Parasternale Gebilde gehen samtlichen sicher erkannten 
Lacertiliern (inkl. Amphisbaenia, Chamaeleontia, Dolichosauria 
und Mosasauria, sowie den Ophidia) ab — denn die bei diesen 
von verschiedenen anderen Autoren damit verglichenen Gebilde 
sind Produktionen der echten Rippenknorpel — finden sich aber, 
in sehr wechselnder Ausbildung, noch bei den Ordnungen der 
Ichthyosauria, Chelonia, Sauropterygia, Crocodilia, Dinosauria, 
Patagiosauria (Pterosauria) und Saurura (Archaeopteryx) ”). 

Der Humerus (H)*) von Sphenodon zeigt im grofen und 
ganzen ahnliche Verhaltnisse wie bei den mit kraftiger Muskulatur 
versehenen kionokranen Lacertiliern; doch ist sein proximales 
und distales Ende breiter entwickelt als bei diesen, wodurch seine 
Lange nur das 21/,-fache seiner gréften Breite bildet. Der proxi- 

1) Vergl. hieriiber Maurer (1896, S. 193 f.), dessen Angaben 
ich durchaus bestitigen kann. 

2) Siehe Guannsaur (1898, S. 307) und die betreffende palionto- 
logische Litteratur. Auch die folgenden Darstellungen der beziig- 
lichen Skeletteile der fossilen Reptilien werden sich wiederholt mit 
ihnen beschiftigen. 

3) Humerus, Omero der Autoren. 

19% 


989 Max Firbringer, 


male Teil beginnt mit dem lang-ellipsoidischen Caput humeri 
(CH, Cp)*), welches mit der coraco-scapularen Pfanne artikuliert, 
und triigt an der Aufenseite den langen und miichtig ventralwarts 
vorragenden Processus lateralis (PL, Pr.!)?), sowie an der 
Innenseite den kiirzeren, aber auch gut entwickelten Processus 
medialis (PM, Pr.m)*); beider Anfange kann man wie bei den 


Tim. ld 


Ca.n.m x 
z Ca.n.7r 
KHeu Ee.r 
Cou od 
EHeu 


Fig. 52. 


Fig. 51. Linker Humerus von Sphenodon punctatus. Ventralansicht. +. 
(Nach der Natur.) 

Fig. 52. Linker Humerus von Sphenodon punctatus. Lateralansicht. +. 
(Nach der Natur.) 

Gemeinschaftliche Bezeichnungen: C.r Condylus radialis. C.w Cond. ul- 
naris. Oa.n.r Canalis nervi radialis (ectepicondyloideus). Ca.n.m Canalis n. 
mediani (entepicondyloideus). Cp Caput humeri. Ze.r Epicondylus radialis. 
Ec.u Epicond. ulnaris. 2m./d Eminentia (Linea) m. latissimi dorsi. F. bi Fossa 
bicipitalis. Pr.J Processus lateralis. Pr.m Proc. medialis. 


Lacertiliern als Tubercula (laterale und mediale) bezeichnen. 
Zwischen beiden Processus findet sich ventral die Fossa inter- 
tubercularis s. bicipitalis+); dorsal ist die Eminentia (Linea) m. 
latissimi dorsi ziemlich gut entwickelt. Das Mittelstick 
(Schaft)°) ist verengt und von rundlichem Querschnitte. Im 
distalen Bereiche verbreitert sich der Humerus wieder und zwar 
noch mehr als im proximalen. Am Ende trigt er die Gelenkvor- 
spriinge fiir Ulna und Radius, Condylus (Trochlea) ulnaris®) 


1) Kopf, Téte: Bayer, Dotto. 

2) Processus lateralis s. Tuberculum majus: Bayer, Osawa. — 
Créte delto-pectorale: Doo. 

3) Processus medialis s. Tuberculum minus: Bayrr, Osawa. 

4) Fossa intertubercularis: Osawa. 

5) Schaft: Bayer, Osawa. — Mittelstiick: Crepnemr. 

6) Condylus ulnmaris: Bayer. — Entocondyle: Dotto, — 
Trochlea: Osawa. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 283 


und Condylus radialis'), tiber denen sich ventral die Fossa 
supratrochlearis ventralis”) findet. Auf beiden Seiten erheben sich 
in dieser Gegend, die grofe Verbreiterung des Humerus hier be- 
dingend, die beiden Muskelfortsitze, Epicondylus ulnaris s. 
medialis (ZU, Ee.u)*) und Epicondylus radialis s. late- 
ralis (ZR, Ec.r)*). Proximal von ihnen resp. in ihrem proximalen 
Bereiche wird der Humerus von 2 schragen Kaniilen durchbobrt, 
dem Canalis n. radialis s. ectepicondyloideus (CanR, 
Ca.n.r)°), welcher dem Durchtritt des Nervus radialis und der 
mit ihm verlaufenden Kanale dient und dem gleichnamigen Kanal 
der Lacertilier und vieler anderer Reptilien homolog ist, und 
dem Canalis n. mediani s. entepicondyloideus (Can, 
Ca.n.m)"), welcher fiir den Nervus medianus und die Brachialgefabe 
bestimmt ist, den Lacertiliern und meisten Reptilien abgeht, aber 
dem Kanale der theromorphen Reptilien sowie der Mammalia zu 
vergleichen ist. Durch die gleichzeitige Koésistenz dieser beiden 
Kanale stellt sich Sphenodon nicht allein allen lebenden Reptilien, 
sondern selbst allen lebenden Amnioten gegentiber und teilt nur 
mit einigen anderen fossilen Rhynchocephaliern, sowie den thero- 
morphen Deuterosaurus (Brithopus), Gomphognathus und anderen 
von H. y. Meyer nicht niher bezeichneten Resten aus dem Perm, 
sowie den Nothosauriern diese Eigentiimlichkeit ’). 


- 


1) Condylus radialis: Bayer. — Ectocondyle: Dotto. — Emi- 
nentia capitata: Osawa. 


2) Vertiefung: Bayer. — Fossa supracondyloidea: CrepNer. 
— Fossa cubitalis anterior: Osawa. 

3) Entépicondyle: Dortuo. — Condylus internus: WrepERSHEIM, 
— Epicondylus ulnaris: Osawa. 

4) Ectépicondyle: Dotto. — Radial condyle: Brooxs. — Con- 
dylus externus: Wirprersuerm. — Epicondylus radialis: Osawa. 

5) Oeffnung o’: Bayur. — Canalis ectepicondyloideus: Doxuo, 
Baur, WrepersHem, Osawa. — Canalis n. radialis s. supracondylo- 
ideus lateralis s. ectepicondyloideus: Firsrincer. — Foramen ect- 
epicondyloideum: Baur. 

6) Oeffnung 0: Bayrnr. — Canalis entepicondyloideus: Doxno, 
Baur, WieprrsHem, Osawa. — Canalis n. mediani s. supracondylo- 
ideus medialis s. entepicondyloideus: Firsrincrer. — Foramen ect- 
epicondyloideum: Crepner. — Foramen entepicondyloideum: Baur. 


7) Die Koéxistenz der beiden Kaniile von Sphenodon hat zuerst 
Bayer (19. VI. 1884) gefunden und abgebildet, aber nicht naher 
pracisiert. Die genauere Kenntnis von ihrer Bedeutung verdanken 
wir Donno (24. VIL 1884, Dezember 1884), dem dann die Ver- 


284 Max Firbringer, 


Anhang: Fossile Rhynchocephalia, Acrosauria, Microsauria. 


Sphenodon ist der letzte tiberlebende Reprasentant der alten 
Ordnung der Rhynchocephalia, deren Reste schon in den jiingeren 
paliozoischen Schichten (Perm) und namentlich in den mesozoischen 
Lagen gefunden werden; gewisse Vertreter dieser Ordnung gehéren 
somit zu den altesten bisher gefundenen Reptilien. HArcKEL 
nannte sie, um damit ihre primitive, Ausgang gebende Stellung zu 
bezeichnen, Tocosauria. 

Ueber den Umfang, die Grenzen und die Einteilung ist noch 
nicht einmal in den Grundziigen Einheit erzielt; die einen Unter- 
sucher reihen ihnen Formen ein, welche die anderen bei anderen 
Ordnungen unterbringen. Das erklart sich zum Teil aus der 


éffentlichungen von mir, Baur, Crepner u. A. folgten. — Ruan 
(Beitrage zur Gefiflehre des Menschen, Morph. Jahrb, IX, 1884, 
S. 341) hilt dafiir, da’ der Canalis supracondyloideus (Canalis n. 
mediani) der Saéugetiere bei Reptilien, sehr wahrscheinlich durch 
die Muskulatur, angebahnt und ausgebildet worden sei. Wuirpmrs- 
HEIM (1892, S. 240), dem spiiter Osawa (1898) zustimmt, ist da- 
gegen der Ueberzeugung, ,daf jene Kanile eine viel langere 
Stammesgeschichte hinter sich haben, und daf ihr Ursprung in der 
polymeren, auf die Konkrescenz von Radien zuriickzufiihrenden 
Anlage des Basale beruht, wie wir eine solche bei der Selachier- 
bezw. der Ganoiden-Flosse konstatieren konnten*. Ich kann WiepeErs- 
nEIM nicht beistimmen, einmal weil jener vermeintliche Nachweis 
einer Konkrescenz von Radien in den genannten Flossen auf einem 
Beobachtungsfehler beruht, dann weil die Nerven in der dem freien 
Chiropterygium entsprechenden Region des Ichthyopterygiums meist 
ihre ventrale und dorsale Lage wahren und, wenn sie doch in ihrem 
weiteren Verlaufe auf die Gegenseite der Extremitit iibergreifen, 
memals zwischen deren Radien dahin gelangen. Diese Kanile am 
Humerus der Amnioten sind — und darin begegnet sich meine 
Anschauung viel mehr mit der Rueu’s — erst zu einer Zeit ent- 
standen zu denken, wo der Humerus sich im Chiropterygium bereits 
zu seiner typischen Ausbildung erhoben hatte, und zwar dadurch, 
daf die am lateralen und medialen Rande des Humerus in Spiral- 
touren verlaufenden Nn. radialis (resp. brachialis superior) und 
medianus (resp. brachialis inferior) yon dem sie umgebenden und 
zunchmenden Skeletgewebe umrandet und _ schlieflich umwachsen 
wurden, wodurch es sucessive zur Bildung von Rinnen und Kanilen 
fiir diese Nerven und die mit ihnen verlaufenden Gefafe kam. Um- 
gekehrt konnten sich die einmal gebildeten Kaniale unter Rarefizierung 
der sie umgebenden Skelettteile wieder in Rinnen umwandeln und 
auch diese schlieflich ganz verschwinden, wie das sehr haufig zu 
beobachten oder zu erschliefen ist. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 285 


Mangelhaftigkeit des bisher verfiigbaren Materiales; doch sind 
dabei auch verschiedene Anschauungen der einzelnen Bearbeiter 
mafSeebend. Um die Kenntnis und Einteilung derselben haben 
sich namentlich H. v. Meyer, Huxtry, Dono, SEeLey, Baur, 
CREDNER und BouLenGer verdient gemacht; die Kenntnis von 
Palaeohatteria und Kadaliosaurus verdanken wir CrepNER. Die 
iiltesten amphicélen Formen werden als Subordo Proterosauria 
(Protorosauria) !) mit den Haupttypen der Palaeohatteriidae (Palaeo- 
hatteria) aus dem unteren Rotliegenden und den Proterosauridae 
(Proterosaurus, Aphelosaurus u. a.) aus dem Zechstein zusammen- 
gefalt; zwischen beide Familien stellen sich, falls sie iiberhaupt 
hierher und nicht zu den Lacertiliern gehdren, wohl die leider 
noch unvollkommen bekannten Kadaliosauridae (Kadaliosaurus) 2) 
aus dem unteren Rotliegenden; als letzte Auslauter der Protero- 
sauria werden, ohne dal bisher verbindende Formen aus den 
Zwischenschichten bekannt geworden sind *), die spaten Champso- 
sauridae (Champsosaurus) aus der oberen Kreide und dem unteren 
Eociin angesehen. Die naiheren Verwandten von Sphenodon bilden 
die Subordo Rhynchocephalia s. str. (Rhynchocephalia 
vera); sie sind erst aus den mesozoischen Schichten bekannt und 
verteilen sich in die vier Familien Hatteriidae (Sphenodon) aus 
der Jetztzeit, Homoeosauridae (Homoeosaurus und Verwandte) ‘) 
aus dem oberen Jura, Rhynchosauridae (Rhynchosaurus, Hyperoda- 
pedon) aus der oberen Trias (Keuper) und Sauranodontidae 
(Sauranodon s. Sapheosaurus) aus dem oberen Jura®); die drei 
ersten Familien haben amphicéle, die letzte procéle Vertreter. 


1) Die Proganosauria Baur’s, welche aufer Proterosaurus noch 
Mesosaurus und Stereosternum umfaften, sind auf Grund der in- 
zwischen gewonnenen genaueren Kenntnis aufzulésen; die Mesosauria 
gehéren an andere Stelle (s. unten), 

2) An dem einzigen, iibrigens vortrefflich erhaltenen Skelet von 
Kadaliosaurus fehlt Kopf und Brustschulterapparat. 

3) Von den Mesosauria aus dem oberen Perm und der unteren 
Trias ist abgesehen. 

4) Exklusive Pleurosaurus und Acrosaurus, die wohl aus den 
Homoeosauridae zu entfernen sind und eine besondere Abteilung 
(Acrosauria BouLenGcEr) bilden. 

5) Es liegt auf der Hand, dafi die bisherigen Fundstatten der 
verschiedenen Familien der Rhynchocephalia ganz unvollkommene 
und liickenhafte sind. Von den Hatteriidae z. B., die gewif schon 
in palaiontologischer Zeit lebten, ist nur der recente Sphenodon 
bekannt. 


286 Max Firbringer, 


Die zumeist den Rhynchocephalia, speciell den Homoeosauridae 
zugerechneten Gattungen Pleurosaurus und Acrosaurus aus dem 
oberen Jura, die aber schon H. v. Meyer als selbstaindige Ab- 
teilung Acrosauria hervorhob, wurden neuerdings von BOULENGER 
auf Grund ihres einfachen lacertilierartigen Schlafenbogens zwischen 
Rhynchocephalia und Squamata gestellt und zur Ordnung Acro- 
sauria erhoben. 

Ferner sind die triassischen Gattungen Telerpeton und Sauro- 
sternon, von LypeKKeR zur Familie Telerpetidae vereinigt, 
von den neueren Paliontologen, speciell von LypEKKER und 
ZirteL, den Rhynchocephalia eingereiht worden. Ich habe die- 
selben bereits bei den Lacertilia behandelt, wobei mir die von 
Hux.Ley gegebene Beschreibung (1866) als Grundlage diente‘). 

Endlich sei noch auf gewisse Vertreter der den Stegocephalen 
eingereihten karbonischen und permischen Microsauria, speciell 
auf die von CREDNER genauer untersuchten Hylonomus und 
Petrobates aus dem unteren Rothliegenden hingewiesen, die 
Baur (1897) an der Hand der Crepner’schen Abbildungen auf 
Grund der Beteiligung von 2 Wirbeln an ihrer Sacralbildung als 
primitive Reptilien ansprach. Hylonomus zeigt in der Anordnung 
seines Parasternums mehr stegocephale, Petrobates dagegen mehr 
rhynchocephale Eigenschaften. 

Diese alten und kleinen Formen, bei denen man zweifelhaft 
sein kann, ob sie zu den Lacertiliern oder Rhynchocephaliern zu 
rechnen seien, bei denen selbst die Zugchérigkeit zu den Reptilien 
mir noch nicht endgiltig entschieden zu sein scheint, lassen, wie 
schon CREDNER andeutet, auf Grund ihrer Konfiguration auf noch 
primitivere und mehr generalisierte Vorgiinger aus dem Karbon, 
moéglicherweise aus noch iilteren palaozoischen Schichten mit ter- 
restrer Formation schlieBen, die zum ersten Male eine reptilien- 
artige Existenz erméglichten und die Frage der Abstammung der 
Reptilien lésen diirften. Hier liegt eine grofe Zukunft 
fiir die Forschung, die gerade in diesem Punkte nicht hoff- 
nungslos aussieht. 


Die Kenntnis des Brustschulterapparates und des 
Humerus der Rhynchocephalier lait bei den alteren, noch viel 


1) In der Anatomie der Wirbeltiere (1873) fiigt er sie ohne 
Angabe von Griinden den Homoeosauria ein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 287 


Knorpel im Skelett darbietenden Vertretern manches zu wiinschen 
iibrig. Immerhin verfiigen wir bei einzelnen Formen, namentlich 
betreffs des sekundiren Deckknochenapparates, iiber relativ recht 
eute Grundlagen. 


Proterosauria (Protorosauria). 
Palaeohatteria. 


Ueber die Proterosauria sind wir dank CREDNER’s vortrefflicher 
Darstellung der knéchernen Ueberbleibsel von Palaecohatteria gut 
unterrichtet; von den Knorpelteilen ist nichts mehr erhalten. 

Vom primaren Schultergiirtel existiert ein ganz ansehnlicher, 
ziemlich langer, vorn diinner und hinten dicker Knochenkern, die 
Scapula, und eine kleinere, diinne und runde Platte, das 
Coracoid; beide scheinen durch ausgedehnten Knorpel verbunden 


Wits Ca. 2.170 
Ee.r 
Ee.u 


Fig. 53. Brustschulterapparat von Palaeohatteria longicaudata. !. Ca.n.m 
Canalis nervi mediani. Cl Clavicula. Cr Knochenkern des Coracoids. Ee. 7 
Epicondylus radialis. “ce. Epicond. ulnaris. “st Episternum. Pr.J Processus 
lateralis humeri. Se Knochenkern der Scapula. (Nach CrEDNER; Humeri 
wohl verdreht.) 
eewesen zu sein, ein recht primitiver, embryonalen Zustinden der 
Iebenden Amphibien und Reptilien gleichzustellender Befund. 
Ueber die Gestaltung der sonstigen Knorpelteile (Suprascapulare, 
Epicoracoid, Procoracoid) lat sich nichts aussagen. Der sekunddre 
Schultergtirtel, die Clavicula, ist als reiner, keine Knorpelteile 
enthaltender Deckknochen in seiner ganzen Ausdehnung wohl er- 
halten und stellt eine sichel- oder bumerangartig gebogene Platte 
dar, die héchstwahrscheinlich mit ihrem breiteren medialen Ende 
mit dem Episternum, mit ihrem schmileren dorso-lateralen Ab- 
schnitte mit der Scapula resp. dem Suprascapulare verbunden war. 
Durch ihre mit Ausnahme des schmileren scapularen Endes breitere 
Form unterscheidet sie sich von der Clavicula von Sphenodon und 


288 Max Fiirbringer, 


nihert sich mehr den primitiven Verhaltnissen bei den Stego- 
cephalen; hervorzuheben ist, daf die breiteste Stelle wie bei zahl- 
reichen Lacertiliern dem medialen Teile entspricht. 

Das primitive Brustbein, Sternum, weil knorpelig, ist 
unbekannt; doch macht die Form des Episternum und der Ver- 
eleich mit Sphenodon wahrscheinlich, daf es eine ansehnliche 
Platte, vermutlich von rhombischer Form, darstellte. Das sekun- 
dare Brustbein Episternum'), reprasentiert den weitaus an- 
sehnlichsten Teil des Brustschulterapparates und stellt eine lange 
spatelformige Platte vor, die vorn rhomboidal verbreitert und quer 
verdickt ist, und nach hinten in einen schmaleren, wahrscheinlich 
mit dem Sternum verbundenen Stiel auslaéuft. An der vorderen 
rhomboidalen Verbreiterung kann man einen centralen verdickten 
Teil in Gestalt eines kurzschenkeligen Kreuzes unterscheiden. 

Das Parasternum besteht aus zahlreichen Metameren, von 
denen abweichend von Sphenodon (wo sich je zwei auf ein Rumpf- 
metamer fanden) drei auf eine Rippe (Rumpfmetamer) kommen. 
Noch gréfer ist die Abweichung hinsichtlich der queren Gliederung 
jedes parasternalen Metamers. Wahrend dasselbe bei Sphenodon 
nur aus drei langeren (einem mittleren und paarigen seitlichen) 
Stiben bestand, verbinden sich bei Palaeohatteria zahlreiche 
kiirzere, spindelférmige, schmal schuppenartige Knochenstabchen 
als Glieder angereiht mit einander und lateral durch Mittel feiner 
Knochenfaidchen mit den Rippenenden (je 3 mit einer Rippe). In 
dieser grofen Zahl begegnen uns an Stegocephalen erinnernde 
Verhaltnisse; doch sind bei diesen die Knochenstibchen meistens 
durch breitere Knocheuschuppen vertreten. 

Der Humerus, dessen proximales und distales Knorpelende 
nicht erhalten ist, zeigt eine ziemlich gute Entwickelung, besitzt 
einen gut ausgepriigten Proc. lateralis, sowie, nach seiner distalen 
Verbreiterung zu schliefen, auch gut ausgebildete Epicondylen 


1) Episternum: Crepner u. A., Interclavicula vieler Palionto- 
logen. — Koxen (1893) scheint die Bezeichnung Interclavicula in 
jeder Beziehung vorzuziehen, da diese Platte weder mit der Sterna- 
lisierung der Rippen noch des Schultergiirtels (Omosternum) etwas 
zu thun hat. Ich kann ihm nicht beistimmen; einmal hat die Be- 
zeichnung Episternum die Prioritit vor dem englischen Terminus 
Interclavicle und in GxrGEnBAuR einen recht guten Gewihrsmann, 
dann aber halte ich auch das Episternum fiir ein fiir die Genese 
des Sternums recht wichtiges Element (dariitber spater in der 
Zusammenfassung). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 289 


und proximal vom Epicondylus medialis einen Canalis nervi me- 
diani (entepicondyloideus). Das Verhiiltnis seiner Lange zur gréften 
Breite mag etwa Sphenodon entsprochen haben. 


Kadaliosaurus. 


Von Kadialiosurus ist bisher nur das Parasternum und der 
Humerus bekannt geworden, ersteres in wundervoler Erhaltung. 

Das Parasternum nimmt in grofer Ausdehnung etwa in 
der Lange von 14 Rumpfmetameren die Bauchflache zwischen 
Brustschulter- und Beckengiirtel ein und setzt sich aus sehr zahl- 
reichen Knochenstaben zusammen, die sich in etwa 80 para- 
sternalen Metameren, von denen somit 5 bis 6 (also die doppelte 
Anzahl wie bei Palaeohatteria und die 3fache wie bei Sphenodon) 
auf je 1 Rippe (Rumpfmetamer) kommen, verteilt. Jedes para- 
sternale Metamer besteht ahnlich wie bei Sphenodon aus einem 
rechten und linken schraggestellten Schenkel, die sich in der 
ventralen Mittellinie treffen; aber in wesentlicher Differenz zu dem 
lebenden Rhynchocephalier und in gréferer Uebereinstimmung mit 
Palaeohatteria sind es héchst zahlreiche Glieder, welche in Gestalt 
kurzer und schmaler, eigentiimlich miteinander  verbundener 
Knochenstébchen (ein kleines unpaares Medianstiick, rechts und 
links von paarigen Medianstiicken begrenzt wird, sowie bei guter 
Ausbildung 5 bis 6 seitliche Stiicke, alle nach CREDNER’s Nomen- 
klatur) die Schenkel zusammensetzen und ebenfalls wie bei Palaeo- 
hatteria, aber in vermehrter Anzahl, durch lateral an sie an- 
schlieBende feine, auch aus Gliedern aufgereihte Knochenfadchen 
(Verbindungsstiicke CREDNER’s) mit den Rippenenden (je 5 bis 6 auf 
1 Rippe) sich verbinden. Im hinteren Bereiche des Bauches sind 
die parasternalen Metameren minder entwickelt resp. zum Teil redu- 
ziert; hier fehlen die Medianstiicke, die seitlichen Stiicke sind in 
der Zahl vermindert (je 2 bis 3 auf jeder Seite), auch die Ver- 
bindungsstiicke kénnen fehlen (letztes parasternales Metamer). Der 
ganze parasternale Apparat setzt sich somit aus etwa 1000 feinen 
Elementarteilen zusammen. Der Vergleich mit Sphenodon ergiebt 
mit Wahrscheinlichkeit, daf der unpaare mittlere Sckenkel jedes 
parasternalen Metamers aus der Vereinigung der 3 Medianstiicke 
von Kadaliosaurus, die paarigen seitlichen Stibe desselben aus 
der Verschmelzung der zahlreichen seitlichen Stiicke des per- 
mischen Reptils hervorgegangen sind oder ihnen wenigstens ver- 
glichen werden kénnen. 


290 Max Firbringer, 


Der Humerus von Kadaliosaurus kommt im_ wesentlichen 
Verhalten mit dem der Lacertilier und der beiden besprochenen 
Rhynchocephalier (Sphenodon und Palaeohatteria) tiberein, ist 
aber erheblich schlanker als der rhynchocephale Humerus, indem 
seine Lange mehr als das 3-fache seiner gréften Breite betrigt. 
Insofern steht er dem Humerus der Lacertilier naher. Auch 
findet sich wie bei diesen und abweichend von Sphenodon und 
Palaeohatteria am distalen Ende nur ein Canalis n. radialis (entepi- 
condyloideus). 


Proterosaurus (Protorosaurus). 


Bei Proterosaurus ist die Ossifikation des primaren Schulter- 
giirtels erheblich weiter vorgeschritten. Leider gestattet, wie viele 
Exemplare von Proterosaurus und in H. von Mrysr’s ausge- 
zeichneter Monographie (1856) auch abgebildet sind, die Erhaltung 
gerade des Brustschulterapparates keine sicheren Schliisse tiber die 
Gestalt der ihn zusammensetzenden Teile. Die Scapula scheint 
aus einem ziemlich schmalen Schafte und einem betrachtlich ver- 
breiterten und verdickten ventralen Ende zu bestehen, das sich 
mit dem Coracoid verbindet und mit ihm die Gelenkhohle fiir den 
Humerus bildet. Das Coracoid reprasentiert eine ansehnliche, 
namentlich in der sagittalen Dimension ausgedehnte und mit einem 
Kinschnitt!) versehene Knochenplatte. Ueber die eventuellen 
Knorpelteile des primaren Schultergiirtels la8t sich nichts aussagen. 
Der sekundire Schultergiirtel, die Clavicula, lat sich von der 
Clavicula von Palaeohatteria ableiten; sie scheint nur am epister- 
nalen Ende verbreitert, tibrigens aber in ihrer gréferen Aus- 
dehnung ziemlich schlank gewesen zu sein. 

Das primare Brustbein, Sternum, ist, weil aus Knorpel be- 
stehend, nicht mehr erhalten. Das sekundare Brustbein, Epister- 
num, schlieft gleichfalls an dasjenige von Palaeohatteria an; es 
ist aber schlanker und am vorderen rhomboidalen Ende mehr ver- 
kiirzt und in die Breite gezogen, wodurch es den Uebergang zu 
den T-formigen Episterna anbahnt. Beide sekundéire Knochen 


1) An welchem Rande des Coracoids dieser Einschnitt lhegt, 
ist nicht aufgeklart. Zrrren verlegt ihn an den Vorderrand, nach 
H. v. Meyer’s Abbildung und Erklarung des Miinster’schen Exem- 
plares scheint er dem Hinterrand anzugehéren und damit eine 
pragnantere Ausbildung der schon bei Sphenodon angegebenen 
erofen Konkavitiit dieses Hinterrandes darzubieten. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 291 


(Clavicula und Episternum) bieten damit eine gréfere Anniherung 
an die Formen von Sphenodon und gewissen Lacertiliern (einige 
Agamidae und Iguanidae mit medial verbreiterten Clavikeln und 
Uebergiingen von rhombischen zu T-formigen Episternen) dar. 

Das Parasternum wird von zahlreichen Metameren ge- 
bildet, deren je 3 (also wie bei Palaeohatteria) auf 1 Rumpf- 
metamer (Rippe) kommen. Jedes parasternale Metamer setzt sich 
aus zahlreichen kurzen und spindelférmigen (nach CREDNER spitz- 
haferkornahnlichen) Knochenstaébchen zusammen, von denen die 
am meisten lateralen durch fadenformige knécherne Verbindungs- 
stiicke mit den Rippenenden verbunden waren. Unpaare Mittel- 
stiicke scheinen riickgebildet gewesen zu sein. 


Fig. 54. Fig. 55. 


Fig. 54. Clavicula und Episternum von Proterosaurus spenerl. j}. (Nach 
CREDNER.) 

Fig. 55. Linker Humerus von Proterosaurus speneri (verletzt). Ventral- 
ansicht. 3. (Nach H. v. MEYER.) 


Der Humerus bildet einen robusten Knochen, der proximal 
und distal verbreitert, in der Mitte mehr eingeengt ist. Die Linge 
iibertrifit die gréBte Breite etwa 2°/, mal. Proximal sind Proc. 
lateralis und medialis, namentlich der erstere, distal die beiden 
Epicondylen (radialis und ulnaris) gut entwickelt. H. von Meyer 
leugnet die Existenz von Nervenkanilen. CrepNer und BoULENGER 
geben einen Canalis n. radialis (ectepicondyloideus), Baur und 
ZITTEL einen Canalis n. mediani (entepicondyloideus) an. 


Champsosaurus. 


Der an das Wasserleben angepafte und vielleicht den letzten 
seitlichen Ausliufer der Proterosauria bildende Champsosaurus 


292 Max Firbringer, 


(Simoedosaurus) zeigt eine noch erheblich héhere Entwickelung 
seines Brustschulterapparates. Die Knochenteile von Scapula 
und Coracoid sind recht ansehnlich, erstere mit einem kleinen 
vorderen Ausschnitt versehen'), letzteres von gestreckter Form 
und ohne Foramen supracoracoideum. Die Clavicula_ ist 
spangenformig mit Verbreiterung in ihrer Mitte (nicht am medialen 
Ende). 

Vom Sternum ist nichts mehr erhalten; das Episternum 
ist T-formig. 

Dem Parasternum scheinen, aihnlich wie bei Proterosaurus, 
die mittleren Stiicke zu fehlen, so daB8 es nur aus der paarigen 
Reihe seitlicher Stabe besteht. 


Fig. 56. Fig. 57. 


5 


Fig. 56. Clavieula und Episternum von Champsosaurus. $. (Nach DoLLo.) 
2 


Fig. 57. Linker Humerus von Champsosaurus. Dorsalansicht. 3. Ca.n.r 
Canalis nervi radialis (ectepicondyloideus). Cp Caput humeri. Zc. 7 Epicon- 
dylus radialis. Zc. Epicond. ulnaris. Pr.m Proc. medialis. (Nach DoLwo.) 


Der Humerus zeigt, entsprechend der Anpassung an das 
Wasserleben, eine gewisse Abflachung und eine relativ geringe 
Entwickelung seiner Fortsaitze; auch bietet die Anordnung seiner 
proximalen und distalen Muskelfortsitze eine gewisse Verlagerung 
dar. Seine Linge betrigt etwa das 2°/,-fache seiner gréften 
Breite. Ein Canalis resp. Sulcus n. radialis (ectepicondyloideus) ist 
vorhanden. 


1) Dieser Ausschnitt, Fossette scapulaire Douo’s, erinnert an 
die Verhiltnisse von Sphenodon und gewissen Lacertiliern. An 
dieser Stelle fand sich vermutlich eine von Scapula und Coracoid 
gebildete Incisura obturata s. Semifenestra coraco-scapularis. Das 
Auffallende des Mangels eines Foramen supracoracoideum hebt 
Douuo hervor. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 293 


Alles dies, namentlich das Verhalten von Coracoid und Para- 
sternum, zeigt eine Specialisierung der betreffenden Teile, welche 
Champsosaurus betriachtlich tiber Proterosaurus, selbst iiber den 
lebenden Sphenodon erhebt. 


Rhynchocephalia s. str. 


Sphenodon wurde schon oben (p. 276—283) behandelt. 

Homoeosaurus gleicht in allen wesentlichen Verhaltnissen 
seines Brustschalterapparates Sphenodon. Der Knochenteil des 
Coracoids ist noch kleiner als bei diesem und durch Naht mit 
der Scapula verbunden. Episternum und Parasternum 
sind gleichfalls in entsprechender Form, das Parasternum mit drei- 
gliedrigen Metameren, und je 2 parasternale Metameren auf 1 
Rumpfmetamer kommend, vorhanden. Ueber die Nervenkanile 
des Humerus gehen die Angaben auseinander: H. v. MryEr, 
v. Ammon und Baur schreiben ihm einen Canalis n. radialis 
(ectepicondyloideus)'), ZirreL und BouLENGER einen Canalis 0. 
mediani (entepicondyloideus) zu; méglicherweise besa’ er beide 
Kanale gleichzeitig (BAuR) und vielleicht individuell in verschiedener 
Weise entwickelt. 

In der Hauptsache mit ahnlichen Bildungen schliefen sich die 
Rhynchosauridae und Sauranodontidae an, so dafi auf 
das Detail der Darstellung des Brustschulterapparates verzichtet 
werden kann. Dem Parasternum der Rhynchosauridae werden 
(ahnlich Kadaliosaurus) je 5—6, dem der Sauranodontidae (iiberein- 
stimmend mit Sphenodon und Homoeosaurus) je 2 Metameren 
auf 1 Rumpfmetamer zugeschrieben. Von dem Humerus beider 
Familien wird ein Canalis n. radialis (ectepicondyloideus) angegeben. 


Die grofe Variabilitat in den Angaben iiber die Verteilung 
der Nervenkanaile des Humerus bei den verschiedenen Vertretern 
der Ordo Rhynchocephalia 1aé8t noch umfassendere Untersuchungen 
iiber diese Kaniale als sehr wiinschenswert erscheinen, namentlich 
mit Ricksicht auf die Beantwortung der Frage, ob denselben die 
héhere systematische Bedeutung, welche ihnen von verschiedenen 
Autoren (namentlich Dotto und Baur) zugeschrieben wird, bei- 
zulegen sei oder nicht. Die bisher bekannten Verhaltnisse bei 


1) Auf den Abbildungen von H. v. Meyer und v. Ammon finde 
ich einen Kanal, der nur als Canalis n. radialis gedeutet werden 
kann. 


294 Max Fiirbringer, 


den Rhynchocephaliern lassen in ihnen ein mehr untergeordnetes 
Differentialmerkmal erblicken. 


Acrosauria. 


Die gleich den Champsosauridae an das Wasserleben ange- 
pagten und zugleich durch eine schlangenihnliche Verlangerung 
ihres Kérpers und eine Verkleinerung ihrer Extremitaten gekenn- 
zeichneten Acrosauria (Acrosauria H. v. Meyer; Fam. Pleuro- 
sauridae LyDEKKER; von ZirrEL ohne besondere Abgrenzung den 
Sphenodontidae eingereiht; Fam. Acrosauridae ANDREAE und 
Dames; Ordo Acrosauria BOULENGER 1895) besitzen entsprechend 
der Riickbildung ihrer Gliedmafen einen relativ kleinen primaren 
Schultergiirtel, dessen Teile, Scapula und Coracoid, durch 
Naht resp. Synchondrose (junges Exemplar von Dames) getrennt 
sind und in ihren knéchernen Ueberbleibseln ebenso gut an Sphen- 
odon wie an Lacertilier erinnern'); die Scapula entbehrt des Acro- 
mions, das méglicherweise wie bei Lacertiliern im Knorpelbereiche 
(Suprascapulare) lag oder in Korrelation zur Riickbildung der 
Clavicula reduziert war. Die Clavicula ist sehr klein und 


yy 

F. gl Se eae 
Fig. 58. Fig. 59. Fig. 60. 

Fig. 58. Knochenteile des Coracoids und der Scapula von Pleurosaurus 
minor. 3. (Frei nach DAMES; gegenseitige Lage von Cr und Sc verindert.) 

Fig. 59. Clavicula und Episternum von Pleurosaurus goldfussi. 4. (Nach 
DAMES.) 

Fig. 60. Linker Humerus von Pleurosaurus minor. Ventralansicht. 4. 
(Nach DAMES.) 


1) Dames (1896) giebt davon eine Abbildung nach der Platte 
des Berliner Exemplares, in welcher beide Knochen gegenseitig ver- 
lagert sind, und verwechselt in der Beschreibung die Riinder des 
Coracoids. Die von ihm daraufhin hervorgehobene Eigentiimlich- 
keit des hinteren Randes (Konvexitiit!) des pleurosauren Coracoids 
besteht in Wirklichkeit nicht. 


Pril 
Ca.n.m 
iF Ca.n.7 
1] | 
Kew Ee. r 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 295 


schlank und befindet sich, falls bei dem Haarlemer Exemplar ein 
intakter Knochen vorliegt, in weit vorgeschrittener Riickbildung. 

Das Sternum ist nicht erhalten, das Episternum im 
Vergleich zu der Clavicula ansehnlich, T-férmig und mit ebenso 
langen Querschenkeln wie der Langsschenkel. Darin liegt ein 
Mifverhaltnis zur Ausbildung der Clavicula, das hoffentlich durch 
weitere Funde von Clavikeln erwiinschte Aufklirang findet. DAmgEs 
weist mit Recht auf mehrfache Aehnlichkeiten sowohl mit Sphen- 
odon wie mit Ichthyosauriern hin. 

Die Existenz eines zarten Parasternum wird von H. 
v. Meyer, BOULENGER und namentlich ANDREAE (1893) bezeugt. 
Es setzt sich aus parasternalen Metameren zusammen, von denen 
wie bei Sphenodon wohl je 2 auf 1 Rumpfmetamer kommen und 
von denen jedes ebenfalls wie bei Sphenodon und den Rhyncho- 
cephalia vera aus einem winkeligen Mittelstiick und einem rechten 
und linken Seitenstiick zusammengesetzt ist. 

Der ziemlich kleine (und bei dem wohl jugendlichen EKxem- 
plar von Dames unvollkommen verknécherte) Humerus besitzt 
wie Sphenodon beide Nervenkanile; der Canalis n. mediani ist 
erdfer als der fiir den N. radialis bestimmte. 


Reptilische Microsauria. 


Unter den zumeist zu den Stegocephalen gerechneten Micro- 
sauria hat Baur die Gattungen Hylonomus und Petrobates 
auf Grund der Bildung ihres Sacrums fiir primitive Reptilien 
erklirt. Der Brustschulterapparat und Humerus dieser Tiere ist 
uns, namentlich dank CreEpNER’s Forschungen, recht gut bekannt 
geworden. 

Von dem primaren Schultergiirtel liegen die Knochenkerne 
von Scapula und Coracoid vor'), die mancherlei Ueberein- 
stimmungen mit denen von Palaeohatteria darbieten. Der langere, 
hinten (caudal) verdickte und vorn (rostral) zugescharfte diirfte 


1) Crepner (1890) ist geneigt, simtliche Knochenkerne (die 
er vermutlich vor endgiltiger Redaktion des Textes auf den Tafeln 
durchweg als Scapulae bezeichnete) als Coracoide anzusprechen, so 
dag, wenn ich ihn recht verstehe, Hylonomus und Petrobates ver- 
knécherte Scapulae iiberhaupt abgehen wiirden. Ich glaube aber, 
da8 die Crepner’schen Abbildungen uns das Recht geben, 
zwischen scapularen und coracoidalen Knochenkernen bei diesen 
Tieren zu unterscheiden. 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 20 


296 Max Firbrin ger, 


als Scapula, der kiirzere rundliche resp. halbrunde als Coracoid 
anzusprechen sein. Die Knorpelpartien waren gewif sehr ausge- 
dehnt. Alles deutet auf Mangel an Fensterbildungen hin. Der 
sekundire Schultergiirtel, die Clavicula, ist als reiner Deck- 
knochen in toto erhalten und reprisentiert einen kraftigen, winkelig 
gebogenen Knochen, der in allen wesentlichen Eigenschaften dem 
von Palaeohatteria gleicht und auch im medialen Bereiche etwas 
breiter als im lateralen ist. Eine etwas grifere Schlankheit und 
Zuschirfung auch am medialen Ende kennzeichnet die Clavicula 
der beiden Microsaurier gegeniiber der von Palaeohatteria. 

Von dem primaren Brustbein, Sternum, zweifellos einem 
rein knorpeligen Gebilde, ist nichts mehr erhalten. Um so mehr 
dominiert das sekundire Brustbein, Episternum, in Gestalt 
eines langen unpaaren Knochens, der vorn mit breiter rhombischer 
Platte beginnt und hinten in einen langen, stielférmigen Fortsatz 
ausgezogen ist. Im Vergleich mit Palaeohatteria ist die vordere 
Platte etwas quer verbreitert. 


Fig. 61. Fig. 62. Fig. 63. 


Fig. 61. Episternum von Palaeohatteria longicaudata. 4. (Nach CREDNER.) 
Fig. 62. Episternum von Petrobates truncatus. 3. (Nach CREDNER.) 
Fig. 63. Episternum von Hylonomus geinitzi. 4. (Nach CREDNER.) 


Das Parasternum besteht bei Hylonomus aus aahl- 
reichen schriigen, sich etwas deckenden Schuppenreihen, welche 
vorn in der Mittellinie im stumpfen Winkel sich treffen und von 
denen je 2 auf 1 Rumpfmetamer kommen. Jede Schuppenreihe (para- 
sternales Metamer) besteht aus vielen breiten, querovalen Schuppen, 
die sich auch in der Quere dachziegelf6rmig decken und von ihrem 
leistenférmig verdickten Hinterrande aus nach vorn verdiinnen. 
Dieses Parasternum gleicht in der allgemeinen Anordnung dem 
der Rhynchocephalier, weicht aber in der speciellen Form seiner 
Komponenten von diesen Reptilien ab und zeigt mehr Ueberein- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 297 


stimmungen mit den aus breiten Dermalschuppen zusammen- 
gesetzten Parasterna der meisten Stegocephalen!). Bei Petro- 
bates setzen sich die parasternalen Metameren, von denen ebenfalls 
je 2 auf 1 Rumpfmetamer kommen, jederseits aus Schragreihen von 
5—6 schmalen, spindelférmig zugespitzten Stabchen zusammen *), 
die somit mancherlei Uebereinstimmung mit denen der Protero- 
sauria darbieten; mittlere unpaare Glieder fehlen ebenso wie bei 
Proterosaurus und dem hinteren Abschnitte des Parasternum von 
Kadaliosaurus, vermutlich infolge von Riickbildung. Petrobates 
nimmt somit in der Bildung seines Parasternum eine hoéhere Stufe 
als Hylonomus ein *). 

Der Humerus zeigt die tiblichen Verbreiterungen des proxi- 
malen und distalen, die Gelenke tragenden und vorwiegend mit 
der Muskulatur verbundenen Endes, wahrend das Mittelstiick ein- 
geengt ist. Bei Hylonomus ist er ziemlich schlank und etwa 
3mal so Jang wie seine gréfte Breite, bei Petrobates dagegen 
kiirzer und stiimmiger, indem hier die Lange die gréSte Breite 
nur reichlich um das Doppelte tibertrifft. Nervenkanaile werden 
nicht angegeben, fiir Hylonomus von CreEDNER direkt abgeleugnet ; 
an dem breiteren Humerus von Petrobates ist die Existenz beider 
oder wenigstens eines derselben sehr méglich. 


E. Crocodilia. 


Ueber den Brustschultergiirtel und den Humerus der lebenden 
Crocodilier (Emydosaurier) sind seit meinen friiheren Mitteilungen 
(1875) keine Untersuchungen von Umfang gemacht worden. Ich 
kann daher auf meine damalige Darstellung verweisen, der ich 


1) Ausdriicklich sei hervorgehoben, daf bei Stegocephalen auch 
Parasterna mit schmalen, stabchenformigen Gliedern (ahnlich denen 
der Rhynchocephalen) vorkommen. 

2) Dieselben sind ahnlich denen von Archegosaurus an der 
Innenseite konkav ausgehéhlt. Die Vermutung Crepner’s (1890, 
S. 255), daf sie hier im Inneren knorpelig blieben, kann ich nicht 
teilen. Angesichts der rein dermalen Natur dieser Deckknochen- 
gebilde kann es sich nur um eine bindegewebige Fiillung der 
Konkavititen handeln. 

3) Crepner fiihrt auch an (1890, S. 257), da’ Hylonomus mehr 
zu den Stegocephalen neigt, Petrobates sich mehr den Rhyncho- 
cephaliern niihert. 

20* 


298 Max Firbringer, 


nur einiges, damals minder bedeutsam Erscheinendes oder seitdem 
von den Autoren Gefundenes zufiige. 

Der primare Schultergiirtel besteht, wie damals des 
eenaueren beschrieben worden, aus einer Scapula und einem 
Coracoid, die in ihrer Verlingerung, ihrer rostralwirts gehen- 


—y SS 


F. gl 


Em. seer 
F’. spe 


Cr 


Fig. 64. 


Fig. 64. Linker primiirer Schultergiirtel von Crocodilus americanus. 
Lateralansicht; Coracoid in die gleiche Ebene projiziert. +. (Nach der Natur.) 

Fig. 65. Brustschulterapparat von Caiman sclerops. 4. (Zum Teil nach 
Brin, zum Teil nach der Natur.) 

Gemeinsame Bezeichnungen: Co Sternalrippe. Cr Coracoid. 2m. secr Emi- 
nentia scapulo-coracoidea. “st Episternum. F. gl Fossa glenoidalis pro humero. 
F. spe Foramen supracoracoideum. Pst Prosternum. Se Scapula. SS Supra- 
scapulare. Xs¢t Metasternum (Xiphisternum). 


den Richtung und ihrer vorn befindlichen synchondrotischen resp. 
symphytischen Verbindung bereits eine gewisse Parallele zu dem 
bei den carinaten Végeln viel weiter ausgebildeten Verhalten der 
beiden Knochen zeigen [GEGENBAUR, FURBRINGER, SABATIER !)]. 
Die Scapula zeigt im ventralen Bereiche ihres vorderen Randes 


1) Sasatipr benennt die Vorragung der coraco-scapularen Ver- 
bindungsstelle Eminence scapulo-coracoidienne, eine Bezeichnung, die 
ich gern iibernehme. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 299 


eine Leiste (Spina scapulae s. Crista deltoidea), welche dem M. del- 
toides inferior als Ursprungsstelle dient. An dem soliden, nicht 
durchbrochenen Coracoid lief sich als Rudiment des bei den 
Lacertiliern bestehenden Procoracoids ein geringfiigiger Proc. 
procoracoideus!) nachweisen; das Foramen supracoracoideum 2) 
ist entsprechend der Verlangerung und Richtungsiinderung des 
Coracoids nach vorn geriickt. 

Der sekundare Brustgitirtel, die Clavicula, fehlt 
den lebenden Crocodilen *). 

Das primare Brustbein, Sternum, besteht aus dem 
vorderen breiten Prosternum (Mesosternum)*) und dem _hin- 
teren schmiileren und langeren Xiphisternum (Metasternum) °), 
beide aus Knorpel, die bald direkt zusammenhingen, bald von- 
einander abgegliedert sind. Das erstere trigt die Coracoide und 
das Episternum und artikuliert meist mit 2 Sternocostalien; das 


1) Den Anschauungen Goérre’s und WirpEeRsHEIM’s, wonach in 
der Coracoidplatte selbst das Procoracoid der kionokranen Lacer- 
tilier enthalten sei, kann ich nicht beistimmen; das procoracoidale 
Rudiment, wenn noch vorhanden, markiert sich, wie GuaENBAUR mit 
Recht betont, als kleiner Fortsatz dieser Platte. Vergl. auch Anm. 3. 

2) Gefafloch: Briuu. 

3) Daf die Clavicula erst infolge sekundarer Riickbildung bei 
den lebenden Crocodilia (und iiberhaupt den Eusuchia) in Wegfall 
gekommen ist, darf billigerweise angenommen werden und wird 
auch durch ihr Vorkommen bei den Parasuchia und Pseudosuchia 
(s. unten) bestatigt. — Horrmann ist der Ansicht, daf der vordere 
verdickte Rand der Membrana episterno-coracoidea als Rudiment 
einer Clavicula anzusprechen sei; darin kann ich ihm nicht folgen. 
— Wiepersuem findet bei Embryonen von Crocodilus porosus 
(biporcatus) an der entsprechenden Stelle einen prochondralen, ,,an 
ein Procoracoid erinnernden“* Vorsprung der Scapula, der sich 
weiterhin von derselben abgliedere und nicht in Knorpel, sondern 
in das sonst den clavicularen Anlagen zukommende dichtzellige 
Gewebe umwandle, spiter aber ganz verschwinde; dies sei die 
Anlage der Clavicula des Crocodils. Diese Beobachtung verdient 
Beachtung, fordert aber zugleich zu weiteren Untersuchungen auf; 
GEGENBAUR (1898) erblickt in dem von WiepERsHEIM beschriebenen 
embryonalen Gebilde eher eine abortive Anlage des Procoracoids, 
welcher Deutung ich zustimme. 

4) Vorderstiick, vordere Rhomboidalplatte: Brinn. — Prae- 
sternum: Parker. — Mesosternum: GEGENBAUR (1898). 

5) Hinteres Knorpelblatt, Xiphoidealplatte: Briiut. — Meso- 
sternum und Xiphisternum: Parker (wobei dieser Autor den un- 
paaren ‘Teil als Mesosternum, den paarigen als Xiphisternum an- 
spricht). — Metasternum: GucENnBAuR (1898). 


( 


300 Max Firbringer, 


letztere ist mit 4—7 Sternocostalien verbunden ') und lauft hinten 
in schmale, paarige und weit divergierende Schenkel aus, zu denen 
(bei Alligator) noch ein kiirzerer unpaarer Fortsatz kommt, der 
auch ein kleines Fenster haben kann ”). 

Das sekundéire Brustbein, Episternum®*), existiert 
in der Gestalt eines Lingsstabes, der hinten, wo er dem Pro- 
sternum (vordere ”/, bis ganze Linge desselben) aufgewachsen 
ist, eine etwas gréfere Breite zeigt also vorn, wo er dasselbe 
iiberragt und bald stumpf, bald spitz frei auslauft. 

In einiger Entfernung hinter dem Sternum findet sich ein 
Parasternum‘), das — im Gegensatz zu Sphenodon — aus 
einer beschrankteren Zahl (7—8) voneinander weiter entfernter 
und den Rippenzahlen (Rumpfmetameren) entsprechender Meta- 
meren besteht, von denen jedes aus medialen und lateralen paarigen 
schlanken Knochenstiben zusammengesetzt ist. Darin zeigt sich 
im Vergleich mit Sphenodon eine Reduktion, einmal in der ge- 
samten Ausdehnung des Parasternum, die bei den Crocodiliern 
geringer ist, dann in der Folge dieser Metameren, die bei Sphen- 
odon in doppelter, hier aber nur in einfacher Zahl auf die 
(echten) Bauchrippen kommen, endlich in der queren Gliederung 
jedes Metamers, das bei Sphenodon aus einem unpaaren medianen 
und einem Paar seitlicher Stabe, bei den Crocodiliern aber aus 
paarigen medialen und lateralen Stiicken besteht, von denen die 


1) Raraxe giebt als Gesamtzahl aller mit dem Sternum ver- 
bundenen Rippen bei mehreren Arten von Alligator, sowie bei 
Crocodilus niloticus (vulgaris) und Cr. americanus (acutus) 7 an, 
was ich bestiatigen kann, bei Crocodilus porosus (biporcatus) 8, 
bei Tomistoma (Gavialis) schlegeli 9. Britut bildet bei Alligator 
mississippiensis (lucius) und Crocodilus sp. 8 Sternalrippen ab. 
Parker findet bei Crocodilus niloticus (vulgaris) nur 6 mit dem 
Sternum wirklich verbundene Rippen, wahrend die 7. nur beinahe 
mit ihm in Kontakt kommt. Also mannigfache Variierungen. — 
Die erste Sternalrippe gehért bei den Crocodilen dem 
10. Wirbel an. 

2) Diese Angaben beruhen auf der Untersuchung eines an 
Zahl sehr geringen Materiales und diirften noch manche Modi- 
fikationen erfahren. 

3) Interclavicle, Interclavicula der meisten Autoren. — Clavi- 
culares Sternum: Horrmann (1879). 

4) Costae abdominales, Abdominal ribs, Abdominalrippen der 
Autoren. —- Abdominal ossicles, Gastralia: Baur (1896, 1897, vergl. 
auch §. 280 Anm. 3). — Parasternum: GrcGENBAUR. — Beziiglich 
SapatiEr’s Deutung verweise ich gleichfalls auf S. 280, Anm. 3. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 301 


paarigen medialen wahrscheinlich, ahnlich f- 
wie bei Proterosaurus und zum Teil Kadalio- AAW / 

‘ Pr.m <i Ne 
saurus, durch Ausfall des unpaaren Median- Ei 
stiickes entstanden sind. 


Der Humerus ist schlanker als bei den 
meisten Reptilien, nur gewisse kionokrane La- 
certilier iibertreffen ihn an Schlankheit; seine 
Linge ist etwa 4mal so grof wie die gribte 
Breite. Seine Muskelfortsitze im proximalen 
und distalen Bereiche sind im ganzen ziem- 4°” 
lich schwach entwickelt; nur der Processus a ri ok 
lateralis erhebt sich zu einer ansehnlicheren Fig. 66. Linker Hu- 
Entfaltung. Dementsprechend fehlen auch, Faia eee 
soweit bekannt, Nervenkanile oder Nerven-  ¢ralansicht. 3. (Nach 
rinnen den lebenden Crocodiliern. der Natur.) 


Anhang: Fossile Crocodilia. 


Huxtey (1875) hat bekanntlich die Crocodilier in die in strati- 
eraphischer Reihe aufeinander folgenden Parasuchia'), Mesosuchia 
und Eusuchia eingeteilt und in denselben zeitlich aufeinander 
folgende Entwickelungsstufen des Crocodiltypus erblickt. Gegen die 
Allgemeinheit dieser Theorie ist namentlich Koken (1886, 1887) 
aufgetreten, indem er wohl die beiden letzten Abteilungen als die 
successiven Vorlaufer der lebenden Crocodile betrachtete und mit 
ihnen als Crocodila vera zusammenfafte, die Parasuchia dagegen 
als einen friihzeitig und selbstindig abgegangenen und aus- 
gestorbenen Seitenzweig des Crocodilstammes auffabte. Die meisten 
Autoren sind ihm darin gefolgt. Nach der Entdeckung und ge- 
wonnenen Kenntnis von Aétosaurus (1877) wurde auch dieser den 
Crocodilia eingereiht (Pseudosuchia) ?). Zrrren (1890) *) unterschied 
sonach die Subordo Parasuchia (Phytosauridae s. Belodontidae 
und Parasuchidae) aus der oberen Trias (Keuper), die Subordo 
Pseudosuchia (Aétosauridae) gleichfalls aus dem Keuper und 
die Subordo Eusuchia (Amphicoelia und Procoelia Owen’s, 


1) Einem Teile der Thecodontia Owen’s entsprechend. 

2) Die Pseudosuchia sind auch von anderen Autoren bald zu 
den Rhynchocephalia, bald zu den Theromorpha gestellt worden. 

3) LypeKker’s Einteilung (1888) ist ahnlich, doch fihrt der- 
selbe Aétosaurus nicht an. 


302 Max Firbringer, 

Mesosuchia und Eusuchia Huxney’s, Crocodilia vera KOKEN’s, mit 
zablreichen Familien) vom Jura bis zur Neuzeit. HAECKEL (1895) 
vereinigt die beiden ersten Unterordnungen zu den Protosuchia 
und stellt sie den von ihm als Typosuchia bezeichneten Eusuchia 
gegeniiber. Die manche Abweichungen vom speciellen Crocodil- 
typus und gewisse Anklinge an die Rhynchocephalier und Dino- 
saurier darbietenden Parasuchia und Pseudosuchia werden auch 
als selbstindige Ordnungen, Phytosauria und Aétosauria, ganz von 
den Crocodilia abgetrennt (namentlich von Baur 1895) oder den 
Theromorpha als besondere Subordines eingereiht (Cope 1889) 
oder als primitive Saurischia betrachtet (SrmLEy 1892). Ich folge 
dem, im wesentlichen im Anschlusse an HuxiLEy gegebenen, Systeme 
ZITTEL’s, wenn ich auch mit diesem Autor hervorhebe, da hin- 
sichtlich der Parasuchia und namentlich der Pseudosuchia noch 
manches zu thun tibrig bleibt. 


Parasuchia (Phytosauria). 
Phytosaurus (Belodon). 


Der Schultergiirtel von Phytosaurus kennzeichnet sich 
durch eine relativ hohe Ausbildung des primaren und ein Zuriick- 
treten des sekundéren Anteiles desselben. Er nimmt insofern 
gegentiber dem primitiveren Schultergiirtel 
der Rhynchocephalia eine hohere, einseitiger 
differenzierte Stellung ein und zeigt in dem 
Verhalten der Scapula Anklainge an die 
Bildung bei den lebenden Crocodilen, wah- 
rend das Coracoid recht abweichende Ver- 
hiltnisse darbietet. Die knécherne Scapula 
reprasentiert einen ansehnlichen  platten 
Knochen von mafiger Breite, aber betricht- 
licher Lange (annahernd dreimal so lang wie 
breit), der in seinem ventralen, mit dem 
Coracoid durch* Synchondrose (resp. Sym- 


Linker 


Bie G7, 
primirer Schultergiirtel 
von Phytosaurus_plie- 
ningeril. Lateralansicht. 


fs» Cr Coracoid. F. gl 
Fossa glenoidalis pro 
humero. J.cr Incisura 
coracoidea, Sc Scapula. 
(Freinach H.v. MEYER.) 


physe) oder Naht, bei alteren Tieren zum Teil 
auch synostotisch verbundenen und an der 
Bildung des Schultergelenkes Anteil nehmen- 
den Bereiche am dicksten und breitesten ist 
und in transversaler Richtung — also in 
primitiver Lage wie bei Lacertiliern und 
Cheloniern — am Rumpfe nach unten steigt. 
Der dorsale Knorpelteil (Suprascapulare) 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 303 


wird vermutlich nicht grof gewesen sein. Das _ knécherne 
Coracoid ist in der transversalen Dimension erheblich schmiler 
als die Scapula, in der sagittalen aber (ahnlich wie bei Lacerti- 
liern und Rhynchocephalen) doppelt so breit wie dieselbe. Sein 
hinterer (caudaler) Teil, der mit der Scapula an der Bildung 
der Gelenkhéhle fiir den Humerus sich beteiligt, ist kraftiger als 
der vordere; medial zeigt er eine deutlich ausgepragte schneidende 
Gelenkfliche fiir das Sternum. Der diinnere vordere Teil (vordere 
Halfte) bildet einen medial und vorn abgerundeten Kontur und 
zeigt lateral einen ansehnlichen und tiefen rundlichen Einschnitt, 
der in der Richtung nach der Scapula zu gewandt ist; er entspricht 
zum Teil einem Procoracoid resp. Epicoracoid. Ueber die Aus- 
dehnung des wahrscheinlich auch nicht grofen Knorpelteiles des 
Coracoids laft sich keine genauere Angabe machen; der Einschnitt 
war vermutlich durch eine Knorpelspange oder einen starkeren 
Bindegewebszug zu einem coracoidalen Fenster geschlossen, wobei 
aber eine maifige Anteilnahme der Scapula an diesem Verschlusse 
nicht ganz ausgeschlossen ist; in letzterem Falle wiirde eine 
Fenestra coracoscapularis vorliegen. Einige Aehnlichkeit mit 
dem Coracoid der Rhynchocephalier und Ichthyosaurier ist nicht 
ganz von der Hand zu weisen; dieselbe darf aber nicht tiberschatat 
werden. Der sekundére Schultergiirtel wird durch eine etwas an 
die der Rhynchocephalia vera erinnernde Clavicula von mabiger 
Grofe reprisentiert (ZiTvEL). 


Fig. 69. 


Fig. 68. Linker Humerus yon Phyto- 
saurus plieningeri. Ventralansicht. 1. (Nach 
H. v. MEYER.) 

Fig. 69. Unteres Ende des linken Hu- 
merus von Phytosaurus plieningeri. Dorsal- 
ansicht. 4. S.n.r Sulcus nervi radialis (ect- 
epicondyloideus). (Nach H. v. MEYER.) 


Kin primires Brustbein, Ste rnum, war, nach dem 
Coracoid und Episternum zu schliefen, sicher vorhanden, ist aber 
wegen seiner knorpeligen Beschaffenheit nicht mehr erhalten. Das 
sekundire Brustbein, Episternum, wird durch einen lang- 


304 Max Firbringer, 


gestreckten, aufen mit Skulpturen bedeckten Knochen gebilde 
(ZITTEL). 

Kin Parasternum ist vorhanden. Abweichend von den 
lebenden Crocodilen bestehen seine Glieder aus einem unpaaren 
mittleren Stiicke, das winkelig gebogen ist und an die Verhaltnisse 
bei den Rhynchocephalia vera erinnert, und aus paarigen seitlichen 
Stiben. 

Der Humerus (siehe vorhergehende Seite) gleicht im wesent- 
lichen dem der lebenden Crocodile und zeigt bei ein wenig 
flacherer Beschaffenheit auch eine etwas schwachere Ausbildung 
seiner Muskelfortsitze. Dagegen ist ein Sulcus n, radialis (ectepi- 
condyloideus) entwickelt. 


Erpetosuchus. 


Bei dem verwandten Erpetosuchus (NEwron 1893) zeigt die 
Scapula eine noch gréfere Schlankheit als bei Belodon und ist 
zugleich mit ihrem dickeren ventralen Teile etwas nach vorn ge- 
bogen, womit Verhaltnisse erreicht werden, die einerseits eine ge- 


Fig. 70. Fig. 71. Fig. 72. 


Fig. 70. Linker Schultergiirtel von Erpetosuchus granti. Lateralansicht. 
1, (Nach NEWTON.) 

Fig. 71. Episternum von Erpetosuchus granti. Dorsalansicht. 4. (Nach 
NEWTON.) 

Fig. 72. Linker Humerus von Erpetosuchus granti. Ventralansicht. +. 
(Nach NEwrTon.) 


wisse Parallelitét zu den Chamaeleontia darbieten, andererseits 
schon eine Tendenz zu der Richtungsinderung der Scapula_ bei 
den jiingeren Crocodilen zeigen. Das Coracoid scheint erheblich 
kleiner als dasjenige von Belodon zu sein; doch ist aus den Ab- 
bildungen Newron’s nicht deutlich zu ersehen, ob hier ein Bruch- 
stiick oder ein komplettes Coracoid vorliegt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 305 


Das Episternum ist ein ansehnlicher Knochen von lang- 
gestreckt rhombisch-stabférmiger Gestalt mit lingerem hinteren 
Schenkel, gréf%ter Breite am Ende des vorderen Drittels und 
miviger Zuschairfung nach dem rostralen Ende zu, der mit einem 
Knoépfchen endet. Ob dasselbe mit einer Clavicula in Verband 
stand, kann nicht angegeben werden. 

Der Humerus zeigt die gewéhnlichen Verhaltnisse. Ein 
Kanal oder eine Furche fiir Nerven existiert nicht. 


Pseudosuchia (Aétosauria). 
Aétosaurus. 


Der primire Schultergtirtel von Aétosaurus besteht aus 
einer an der Verbindungsstelle mit dem Coracoid recht breiten, 
im iibrigen aber schlanken und ahnlich wie bei 
Erpetosuchus eine ascendente Richtung dar- 
bietenden Scapula‘') mit einem ihr durch 
Sutur verbundenen breiten Coracoid von 
»verzerrter Beilform’’ (FRAAS), das, wie es 
scheint, einen rostro-lateralen Einschnitt besitzt, 
der mit dem Anfang der Scapula eine Semi- 
fenestra coraco-scapularis bildet und ein deut- 
liches Foramen supracoracoideum aufweist. Ueber Ve aloo eel 
die Clavicula wird nichts angegeben, doch ist eee hee ren 
sie aus den 2 Ansatzfliichen am Anfang des Epi-  caurus ferratus. 4. 
sternum zu erschliefen ”). Est Episternum. Est? 

Vom Sternum ist nichts bekannt. Das _ vielleicht episterna- 
Episternum ist ansehnlich, mit langem und Siem eee ‘ 
breitem hinteren Langsschenkel, der vorn in 2 es sane (Nach 
ganz kurze Querschenkel tibergeht und Ansatz-  pRaas,) 
flichen, wahrscheinlich fiir die Clavicula besitzt’). 


1) Fraas bezeichnet sie nach Richtung und Gestalt als vogel- 
artig. 

2) Auf Taf. III, Fig. 5 der Abhandlung von Fraas (1877) 
befindet sich auf der linken Seite neben dem kurzen Querschenkel 
des Episternum ein kleines Knochenstiickchen, das vielleicht ein 
Bruchstiick der Clavicula repriisentiert (das Fragment rechts ist 
wahrscheinlich die abgebrochene Spitze des rechten Querschenkels 
des Episternum). 

3) Fraas, der es einem Sternum resp. Manubrium sterni ver- 
gleicht, bezieht die Ansatzflachen auf ein ventrales Rippenpaar. 
Davon kann natiirlich keine Rede sein. 


306 Max Fiirbringer, 


Ueber ein Parasternum, das sehr wahrscheinlich vor- 
handen war, ist nichts bekannt. 

Der Humerus ist lang und schlank, etwa 4mal so lang 
wie breit, ziemlich gerade, mit mafigen Muskelfortsitzen und ohne 
Nervenkanale; er diirfte noch am ehesten auf den Crocodil-Typus 
zu beziehen sein. 

Soweit die mangelhafte Kenntnis Schliisse gestattet, besteht 
gegentiber den Parasuchia manche Besonderheit, zugleich aber auch 
manche Aehnlichkeit, die dem Brustschulterapparat von Aétosaurus 
einen Platz neben oder in der Nahe der Parasuchia anweist. 


Eusuchia (Crocodilia vera). 


Der Brustschulterapparat und Humerus der fossilen Eusuchia 
eleichen, so weit gut bekannt, in allen wesentlichen Kigenschaften 
denen der lebenden Vertreter dieser Abteilung. 

Die Scapula hat eine Belodon-iihnliche Form, liegt aber, in 
héherer Ausbildung des bereits bei Erpetosuchus und Aétosaurus 
angedeuteten und entwickelten Verhaltens, in ascendenter Richtung 
dem Rumpfe an und ist mit ihrem etwas verdickten und ver- 
breiterten ventralen Ende nach vorn geriickt. Das Coracoid 
zelgt gleichfalls, sehr abweichend von den Parasuchia, eine 
Streckung (Verlingerung) und eine derartige Lage, daf sein 
urspriinglich medialer, mit dem Sternum artikulierender Teil hinten, 
sein urspriinglich lateraler, mit der Scapula verbundener Abschnitt 
vorn liegt (Eminentia scapulo-coracoidea, s. p. 298). Damit verbindet 
sich eine Vereinfachung der Konfiguration des Coracoids, an dem 
der ganze vordere diinne Abschnitt der Parasuchia mit seinem 
abgerundeten Kontur und seiner ansehnlichen Incisur zu dem 
gerinefiigigen Processus procoracoideus resp. epicoracoideus redu- 
ziert oder giinzlich abhanden gekommen ist, das aber zugleich in 
seiner Verlingerung und nach vorn gehenden Richtung specielle 
Verhaltnisse aufweist, die in paralleler Weise und zum Teil noch 
weiter vorgeschritten bei Patagiosauriern und Végeln zur Aus- 
bildung gekommen sind. Die Clavicula ist zuriickgebildet. 

Beziiglich der Konfiguration des Sternum und Epister- 
num, sowie des Humerus verweise ich auf die Beschreibung 
der Verhiltnisse bei den lebenden Crocodilen. Am Paraster- 
num sind die unpaaren Mittelglieder in paarige Stiicke zerfallen, 
so dali wie bei den lebenden Crocodiliern mediale und _ laterale 
paarige Stabe dasselbe zusammensetzen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 307 


F. Uebrige Reptilien: ichthyopterygia, Chelonia, 
Sauropterygia, Mesosauria, Theromorpha, Dinosauria, 
Patagiosauria. 


Dieser Abschnitt soll einen nur die Hauptsachen beriihrenden 
Ueberblick iiber die entsprechenden Verhiltnisse des Brustschulter- 
apparates und des Humerus bei den tibrigen im Vorhergehenden 
noch nicht beriihrten Ordnungen der Reptilien geben. Mit Aus- 
nahme der Chelonier sind dieselben simtlich ausgestorben und 
repriisentieren die divergentesten Typen der grofen Reptilien- 
klasse *). 


I, Ichthyopterygia. 


Die Ichthyopterygier (Ichthyosaurier) sind sehr friihzeitig und 
in extremem Grade?) an das Wasserleben angepaSte kurzhalsige 
(brachytrachele) Reptilien, deren Extremititen friiher, als die 
Skelettverhiltnisse der fiir diese Frage in Betracht kommenden 
den Ausgang gebenden Reptilien nicht geniigend bekannt waren, 
gegeniiber den iibrigen, namentlich terrestren Formen als sehr 
primitive Gebilde aufgefa&t wurden (GrEGENBAUR 1865, 1870) %). 


1) Selbstverstindlich soll die rein aus praktischem Grunde 
(um die Gleichmafigkeit der Bezifferung der Ueberschriften des 
osteologischen, neurologischen und myologischen Teiles dieser Arbeit 
nicht zu stéren) erfolgte Vereinigung aller dieser Abteilungen unter 
gemeinsamer Ueberschrift keine niheren Beziehungen aller zu einander 
ausdriicken. Auf die Lacertilier mit Verwandten und Rhyncho- 
cephalier mit den Acrosauriern folgen die Ichthyopterygier, hierauf 
Chelonier, Sauropterygier, Mesosaurier, Theromorphen, dann erst die 
Crocodilier, und danach die Dinosaurier und Patagiosaurier. 

2) Die flossenartige Ausbildung ihrer Extremitiiten geht mit 
Phalangenvermehrung (Hyperphalangie) und, wie wenigstens mit 
Griinden behauptet wird, auch mit Vermehrung der Radien resp. 
Finger und Zehen (Hyperdactylie), sowie mit Gleichgestaltung der 
Glieder des Flossenskelettes (Homéomerie) vor sich,  iibertrifft 
somit graduell die Wasseranpassungen simtlicher anderen wasser- 
bewohnenden Reptilien (gewisse Chelonier, Lacertilier, Dolicho- 
saurier, Mosasaurier, Champsosaurier, Acrosaurier, Plesiosaurier) bei 
weitem. Recht instruktiv ist die von Dotno (Mosasaurier 1892) 
gegebene Zusammenstellung der Grade dieser Anpassung. 

3) Die sehr primitive Struktur der Flosse der Ichthyosaurier 
ist nicht zu verkennen; dieselbe ist zum Teil als eine wirklich 


308 Max Fiirbringer, 


BLAINVILLE (1835) hat sie sogar allen Amphibien und Reptilien 
gegentibergestellt, und auch Copr gab ihnen noch viel spiter 
(1887, 1900) eine selbstindige Stellung gegeniiber allen anderen 
Reptilien resp. an dem Anfange der Reihe derselben. Eine andere 
Auffassung vertrat schon 1866 (Generelle Morphologie, Bd. I, 
S. CXXXIV) HArckeL, indem er die Halisaurier von terrestren 
Reptilien ableitete, zu denen sie sich so verhielten wie die Ceta- 
ceen zu den anderen Saugetieren, und diese von Voar (Revue 
scientifique, 1881, p. 318 f.) weiter ausgefiihrte Anschauung hat in 
Baur (1886, 1887, 1894) den beredtesten Vertreter gefunden. 
Wiederholt hat derselbe, und Andere (so vor allen auch ZirrEL 
1889, Fraas 1891 und Dotto 1892) sind ihm gefolgt, im Detail 
die Anpassungen an das Wasserleben genauer verfolgt und zu- 
gleich auf viele gemeinsame Ziige im Bau der Rhynchocephalier 
hingewiesen. Er bezeichnet sie danach schlechtweg als an das 
Wasserleben angepafte Rhynchocephalier'). Baur unterscheidet 
zugleich die altesten Formen aus der mittleren Trias, deren 
Vorderarmknochen noch durch gestrecktere Gestalt vor den 
tbrigen distalen Teilen der Flosse hervortreten, als Mixosauridae 
von den Ichthyopterygidae, welche die Meere der oberen Trias, 
des Jura und der unteren Kreide bevélkerten und bei denen zu- 
folge der vollendeten Ausbildung der Flosse Radius und Ulna den 
Elementen der Hand gleichen. Noch mehr Familien (Baptosauria, 
Pontosauria, Ichthyosauria und Baptanodontia) stellt HAECKEL auf. 

Der Brustschulterapparat der Ichthyopterygier zeigt, 
ungeachtet mehrfacher Abweichungen im Detail, doch im grofen 
und ganzen gemeinsame Ziige mit demjenigen der Rhynchocephalier. 
Die Ichthyopterygier bieten sich danach als eine den Rhyncho- 
cephaliern nahe verwandte, aber selbstindige Ordnung dar; so 


primordiale zu beurteilen, zum Teil aber auch auf sekundire 
Vereinfachungen infolge der vereinfachten und degradierten Funk- 
tion ihrer einzelnen Bestandteile zuriickzufiihren. 

1) Die auch an das Wasserleben angepaften Sauropterygier 
(Plesiosaurier) stehen ihnen genetisch fern, wie nicht allein an der 
Gesamtorganisation, sondern speciell auch an der Flosse nachge- 
wiesen worden ist (Gra@ENnBAUR 1870). Ich kann es daher nicht 
verteidigen, wenn sie als nahe Verwandte neben diese gestellt oder 
gar mit ihnen vereinigt werden, wie dies namentlich friiher unter 
verschiedenen Namen (Halisauria, Enaliosauria, Nexipodes) durch 
Corypearn, H. vy. Meyer, Owen, Harcxen u. A. geschah. SEELEY 
setzt sie als besondere Ordnung zwischen Nothosauria und Thero- 
morpha. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 309 


stringent erscheinen mir die Uebereinstimmungen hier und im 
iibrigen Skelett nicht, daB ich sie den Rhynchocephaliern einreihen 
michte. 

Der primaire Schultergiirtel setzt sich aus der 
schlankeren Scapula und dem breiteren Coracoid zusammen, die 
beide durch Synchondrose resp. Sutur verbunden sind, und sich 
in der iiblichen Weise an der Bildung des Schultergelenkes be- 
teiligen. Die knécherne Scapula reprisentiert einen ansehnlicheu 
langen Knochen, der dorso-lateral ziemlich schmal beginnt und 
ventralwirts bis zur Vereinigung mit dem Coracoid sich mehr 
oder minder erheblich verbreitert; doch wird nur die hintere 
(caudale) Halfte ihres breiten ventralen Endes von der Gelenk- 
héhle und der Verbindung mit dem Coracoid eingenommen; die 
vordere (rostrale) Halfte ragt frei tiber die Incisur des Coracoids 
iiber und dient der Clavicula mit ihrem vorderen Rande ausgedehnt 


Cl Est Cl 


« 


Fig. 74. Brustschulterapparat von Ophthalmosaurus icenicus. Ventral- 
ansicht (dorsale Grenze von Clavicula und Episternum mit Punktlinie ein- 
gezeichnet). GréBe der Originalabbildung. Cl Clavicula. Cr Coracoid. 2st Epi- 
sternum. F.crse Fenestra coraco-scapularis. /. gl Fossa glenoidalis pro humero. 
Se Scapula. x Ansatzstelle des Knorpels an der Scapula, xx desgl. an dem 
Coracoid. (Frei nach SEELEY.) 


als Unterlage. Darin zeigt sich eine wesentliche Differenz gegen- 
tiber Sphenodon, wo gerade der ventrale mit dem Coracoid ver- 
bundene Teil eine Verschmilerung (Kinengung unter Bildung einer 
Incisura obturata coraco-scapularis) zeigte. Das knécherne Cora- 
coid ist eine breite ansehnliche Platte, die hinten und medial 
(medio-caudal) abgerundet endet, medial neben dem Coracoid der 
Gegenseite liegt und vorn teils (medial) frei vorragt, teils (lateral) 
einen grofen Ausschnitt (Incisur) zeigt, welcher lateral von dem 
freien ventro-rostralen Ende der Scapula begrenzt wird. Ein 
separates Foramen supracoracoideum fehlt; die entsprechenden 
Nerven und Gefafe verliefen hiéchst wahrscheinlich durch den hin- 


310 Max Firbringer, 


teren Teil der Incisur. Mit diesen knéchernen Teilen haben sich 
wahrscheinlich ausgedehnte Knorpelteile verbunden. Dorsal wird 
sich an die Scapula ein mehr oder minder ansehnliches Supra- 
scapulare angeschlossen haben. Ein ansehnlicher Knorpelstreif, 
und hier stimme ich SeELEy (1892, 1893) bei, wird fernerhin das 
beschriebene freie Ende der Scapula mit dem vorderen Rande des 
Coracoides‘) verbunden und damit die erwahnte Incisur zur Fe- 
nestra coraco-scapularis abgeschlossen haben; dieser Knorpelstreif 
wiirde in der Hauptsache einem Procoracoid entsprechen. Ob ein 
knorpeliges Epicoracoid entwickelt war, ob sonach die beiden 
Coracoide (s. lat.) sich wie bei Lacertiliern und Rynchocephaliern 
in der Mittellinie tiberkreuzten oder ob sie sich hier nur beriihrten, 
indem die knéchernen Grenzen auch die natiirlichen Grenzen waren, 
entzieht sich der Beurteilung. 

Der sekundiaire Schultergiirtel, die Clavicula, bil- 
det einen schmalen und langen, medial ein wenig verbreiterten 
Knochenstab, der mit seinem medialen Teile mit dem Episternum 
durch Sutur oder Syndesmose verbunden ist, mit seinem lateralen 
Teile in grofer Ausdehnung dem vorderen Rande der Scapula auf- 
liegt (wahrscheinlich bindegewebig damit verbunden). In diesem 
Verhalten erinnert die Clavicula sehr an die Rhynchocephalia; der 
Verband mit der Scapula ist sogar etwas ausgedehnter, so wie er 
bei gewissen primitiven Theromorphen (s. u.) zur Beobachtung 
kommt. 

Das primaire Brustbein, Sternum, ist, weil knorpelig, 
nicht erhalten. Ueber seine Existenz oder Nichtexistenz sind die 
Ansichten der Autoren sehr geteilt?). Ich neige auf Grund der 
Konfiguration des gesamten Brustschulterapparates, insbesondere 
des Coracoids und des Episternum dazu, ein kleines knorpeliges, 
in Riickbildung begriffenes Sternum anzunehmen. 


1) In der feineren Konfiguration der beteiligten Knochenrinder 
des von SrELry abgebildeten Schultergiirtels von Ophthalmosaurus 
(1893, p. 151) sind sehr unterstiitzende Momente fiir die erwahnte 
Rekonstruktion des Knorpels gegeben. GucEnsaur (1899) stimmt 
auch SEELEY zu. 

2) Grennpaur (1865) lat das Sternum fehlen. Huxtmy (1873) 
giebt an, da es entweder ganz gefehlt habe, oder wenigstens sehr 
klein gewesen zu sein scheine. Baur (1891, Pelvis of Testudinata, 
p- 354, Anm. 1) hat keinen Zweifel, da’ die Ichthyosaurier ein 
kleines knorpeliges Sternum besafen, was durch die Morphologie 
des Schultergiirtels unterstiitzt werde, und Hunks (1892/93) stimmt 
ihm bei. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. att 


Das sekundire Brustbein, Episternum, ist wie bei 
den Rhynchocephaliern T-f6rmig, wobei es den Clavikeln hinten an- 
liegt oder zwischen sie eingeschaltet ist, und besitzt einen kiirzeren 
Langsschenkel und kiirzere Querschenkel als die meisten Vertreter 
derselben; es macht den Eindruck, als ob es in Riickbildung be- 
eriffen wire. In diesem gegenseitigen Verhalten der beiden Re- 
prasentanten des sekundaren Brustschulterapparates entfernen sich 
die Ichthyosaurier ziemlich weit von den Acrosauriern, wo Epi- 
sternum grof} und Clavicula klein war, und nehmen das andere 
Extrem gegentiber den eusuchen Crocodiliern ein, bei denen bei 
guter Ausbildung des Episternum die Clavicula ganz in Wegfall 
gekommen ist. 

Das Parasternum ist ansehnlich und nach dem Typus der 
Rhynchocephalia vera ausgebildet (unpaare Mittelstiicke und ein- 
fache paarige Seitenstabe). Doch entspricht jedem Rumpfmetamer 
ein parasternales Metamer. Somit in dieser Hinsicht eine ein héheres 
Entwickelungsstadium —_reprasentie- 
rende Vereinfachuug des_paraster- 
nalen Apparates. 

Der Humerus ist bei den 
ausgebildeten Ichthyopterygiern er- 
heblich verkiirzt und abgeplattet, 
meistens nicht mehr als um die 
Halfte linger als breit, tritt aber vor 
den anderen Elementen der Flosse 
durch seine GréSe und Gestalt her- Fig. 75. Linker Humerus 
SRM p is Processus! latenlis- ami acce Ichthyosaurus intermedius (?). 
. : : Ventralansicht (?). (Aus LyDEK- 
proximalen und die beiden Epicon- pp) 
dylen am distalen Ende sind nach- 
weisbar. Nervenkanaéle scheinen bisher noch nicht gefunden zu 
sein und fehlen vermutlich; doch sind die Akten dariiber noch 
nicht abgeschlossen. 


II. Chelonia (Testudinata). 


Ueber Brustschulterapparat und Huinerus, sowie die Schulter- 
muskeln und die sie versorgenden Nerven habe ich schon 1874 
gehandelt und verweise auf die damals gegebenen Ausfiihrungen. 
In der Folge soll nur das betreffende Skelet behandelt werden, 
wobei auch die wichtigeren seitdem erschienenen Arbeiten, ohne 


irgend welches Detail zu beriihren, ganz kurze Besprechung finden. 
Bd, XXXIV. N. F, XXVIII. 91! 


312 Max Firbringer, 


Der Schultergirtel der Chelonier wird bekanntlich von 
einem dreischenkeligen Skelettkomplex gebildet, dessen dorsaler, 
vorwiegend vertikaler Schenkel an der Innenfliche des Riicken- 
schildes im Bereiche des ersten Riickenwirbels befestigt ist und 
von da schrég nach aufen und unten steigt, um mit seinem ven- 
tralen Ende an der Gelenkhohle fiir den Humerus Anteil zu 
nehmen und unter einem rechten bis stumpfen Winkel in die 
beiden ventralen, in der Hauptsache schrig medio-ventralwiirts 
verlaufenden Schenkel iiberzugehen. Der vordere von diesen ven- 
tralen Schenkeln setzt sich beim ausgebildeten Tier ohne Grenze 


Fig. 76. Brustschulterapparat und vorderer Teil des Plastron yon Chelone 
mydas juy. Dorsalansicht. }. Cl Clavicula (Kpiplastron). Cr Coracoid. Cr’ 
Knorpelende des Coracoides. 2st Episternum (Kntoplastron). Hyopl Hyo- 
jlastron. Per Procoracoid. Se Scapula (dorsaler Teil derselben entfernt). (Nach 
NV. K. PARKER.) 


aus dem vertikalen Schenkel fort und geht medio-rostralwirts 
nach dem Anfange der Innenfliiche des Bauchschildes, mit welchem 
er an der Stelle des Entoplastron neben dem der Gegenseite liga- 
mentis verbunden ist; der hintere ventrale Schenkel, welcher sich 
mit dem vertikalen an der Bildung des Schultergelenkes beteiligt, 
ist von diesem Schenkel und von dem vorderen ventralen Schenkel 
durch Naht abgegrenzt und lauft in medio-caudaler Richtung nach 
der Mittellinie, um in deren Niihe, in der Nachbarschaft vom medialen 
Ende des Schenkels der Gegenseite zu enden. Die medialen Enden 
beider ventraler Schenkel sind durch ein ansehnliches, ziemlich 
breites Ligament verbunden, in welches ein mehr oder minder 
langer Knorpelfortsatz des hinteren Schenkels auslauft. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 315 


Ueber die Homologien des dorsalen (vertikalen) und des 
hinteren ventralen Schenkels sind, wenn ich von den sehr ver- 
schiedenartigen Benennungen aus der ersten Zeit der vergleichend- 
anatomischen Wissenschaft absehe'), die Autoren einig gewesen: 
ersterer ist als Scapula, letzterer als Coracoid gedeutet worden. 
Weit erheblicher waren die Divergenzen in der Deutung des 
vorderen Schenkels, indem derselbe bald als Furcula oder Clavi- 
cula (Cuvier, 1. éd. d. Legons d’anatomie comparée, BLUMEN- 
BACH, Carus, MrecCKEL, HArTING, RUDINGER u. a.), bald als Acro- 
mion oder Proc. acromialis (OKEN, BoJANUS e. p., Anonymus, 
Cuvirr, 2. éd. d. Lecons und Recherches sur les ossemens fossiles, 
OwrN, RATHKE, PFEIFFER, STANNIUS), bald als Procoracoid oder 
Praecoracoid (GEGENBAUR, HuxLry, PARKER, FURBRINGER, Bou- 
LENGER) bezeichnet wurde. Fiir mich war die von einem weiten 
Arbeitsgebiete ausgehende, umsichtige und griindliche Untersuchung 
GEGENBAUR’S, die auch dem erwahnten Bande als Homologon 
des Epicoracoides Rechnung trug, beweisend, um mich fiir die 
Homologie mit dem Procoracoid zu entscheiden; auferdem aber 
fand ich in der Anordnung der Muskulatur Instanzen, welche nur 
durch diese Deutung eine rationelle Erklarung fanden. 

Mit der GrGenpAur’schen Deutung war der Schultergiirtel 
der Chelonier als ein lediglich primiarer erkannt. Ein primares 
Brustbein, Sternum, das sich zwischen und hinter den medialen 
Enden der Coracoide, und bedeckt von dem M. pectoralis, hatte 
finden miissen, wurde von mir vergeblich an der betreffenden 
Stelle gesucht. 

Augerdem aber finden sich in dem Bauchschilde (Plastron) 
eine Anzahl Knochenplatten, worunter am konstantesten 1 un- 
paares (Entoplastron) und 4 paarige (Epiplastron, Hyoplastron, 
Hypoplastron, Xiphiplastron, zu denen bei gewissen Gattungen 
noch ein zwischen Hyoplastron und Hypoplastron befindliches 
Mesoplastron kommt), welche in wechselnder Ausdehnung die 
knéchernen Bestandteile desselben bilden. Das vordere unpaare 
(Entoplastron) und das vordere paarige (Epiplastron) fallen bei 
den meisten Cheloniern durch ihre Aehnlichkeit mit den epi- 
sternalen und clavicularen Gebilden der Stegocephalier und der 
niedrigsten Reptilien auf, und hier, im Bereiche oder in der 


1) Eime Zusammenstellung der hauptsiachlichsten  friiheren 
Deutungen habe ich 1874 in der citierten Schrift S. 222—226 ge- 
geben und verweise darauf. 


a1 * 


314 Max Fiirbringer, 


Nachbarschaft des Entoplastron, ist auch die Stelle, wo sich die 
vorderen ventralen Schenkel des Schultergiirtels, die Procoracoide 
GEGENBAUR’S, an das Bauchschild anheften. Verschiedene Autoren, 
unter anderen OKEN, Anonymus, OWEN, STANNIUS, RUTIMEYER, 
Huxuey, W. K. Parker, BOULENGER haben sie denn auch, mehr 
oder minder bestimmt, mit dem Episternum (Interclavicula) und 
den Claviculae verglichen. Damit waren auch die sekundaren 
Elemente, wenngleich nicht als sicher erwiesene Bestandteile, fiir 
den Brustschulterapparat der Chelonier aufgestellt worden ‘). 


Cl 


Est 
Per 
Se 


Est 


Or 


Hyopl 


Cr’ 


Fig. 77. Brustschulterapparat und vorderer Teil des Plastron yon Chelone 
mydas juv. Dorsalansicht. j. Cl Clavicula (Epiplastron). Cr Coracoid. Cr’ 
Knorpelende des Coracoides. st Episternum (Entoplastron). Hyopl Hyo- 
plastron. Per Procoracoid. Sc Scapula (dorsaler Teil derselben entfernt). (Nach 
W. K. PARKER.) 


Denselben kennzeichnet somit eine gegenseitige Separation der 
priméren und der sekundaren Bestandteile, von denen die letzteren 
als dermale Gebilde hier ihre grofe Urspriinglichkeit noch wahrten 
oder zu ihr zuriickkehrten. 

Gegen diese Homologisierungen, vornehmlich diejenige am 
primaren Schultergtirtel, hat sich auch nach 1874 ein erheblicher 
Widerstand erhoben und der ganze Cyklus der drei Deutungen 
des vorderen horizontalen Schenkels als Clavicula oder als Acro- 
mion oder als Procoracoid hat auch im letzten Vierteljahrhundert 
sich wiederholt. Fiir 1) die Homologisierung mit der Clavicula 


1) Ich habe 1874 diese Homologisierung erwahnt, mich aber 
damals mit Reserve iiber sie ausgesprochen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. a15 


sind unter anderen GOrre 1877, Horrmann 1879, WIkDERSHEIM 
1888 —1893, fiir 2) die Zugehérigkeit zur Scapula (Acromion, 
Proscapula, Proscapular-Prozef, prascapularer Fortsatz, vorderer 
ventraler Ast der Scapula etc.) BAur 1891—1896, SeELEY 1892 
bis 1895, Koken 1893, ANDREWws 185, fiir 3) die Deutung als 
Procoracoid (Praecoracoid, Précoracoide) Sanpatrier 1880, HuLKe 
1883— 1893, DoLLo 1888, Zirren 1889, D6pERLEIN 180, HAECKEL 
1895, VAN BeMMELEN 1895/96 eingetreten. 

Die ersterwihnte, gegentiber GeGenBAUR’s Homologisierung 
mit groBer Sicherheit aufgetretene, Deutung als Clavicula 
ist im Laufe der Jahre immer stiller geworden, namentlich nach- 
dem in der Zwischenheit die Anschauungen tiber das wahre in 
dem Plastron befindliche Homologon der Clavicula mehr und mehr 
Anhanger gefunden hatten, und wird wohl jetzt von ihren damaligen 
Vertretern nicht mehr mit der gleichen Exklusivitét vertreten 
wie friiher!); dagegen besteht zwischen den Vertretern der zu 
zweit oder zu dritt angefiihrten Deutung (Acromion resp. Scapula 
oder Procoracoid) noch ein lebhafter Gegensatz. 

Wenn ich die Vertreter der scapularen (acromialen, pro- 
scapularen etc.) Homologie des vorderen ventralen Schenkels 
recht verstehe, so basieren ihre Beweise dafiir vornehmlich auf 
zwei Grundanschauungen: 1) auf der Annahme, dali ein Gebilde, 
welches untrennbar (synostotisch) mit dem unzweifelhaften Homo- 
logon der Scapula (dorsaler, vertikaler Schenkel) verbunden, von 
dem Coracoid aber durch Naht getrennt sei, der ersteren, aber 
nicht dem letzteren zugerechnet werden miisse, 2) da8 der Ver- 
band des medialen Endes dieses vorderen ventralen Schenkels mit 
der im Pastron befindlichen Clavicula auch zu Gunsten der Deu- 
tung als Acromion (Proscapular-Proze’) spreche, weil die Clavicula 
in ihrem lateralen Bereiche gemeinhin mit der Scapula resp. dem 
Acromion verbunden sei. 

Gegen den ersten Grund ist mit HuLke (1892) geltend zu 
machen, dal, wie man bereits seit Cuvier und RATHKE weil’, die 
Ossifikation des dorsalen und des vorderen ventralen Schenkels 


1) In der 4. Auflage der vergleichenden Anatomie (1896) giebt 
WiepersHeim bei Erklarung der betreffenden Abbildung Procoracoid 
bezw. Clavicula an. — Uebrigens hat auch GreEnBaur (1898) Ge- 
legenheit genommen, die Deutung als Clavicula zuriickzuweisen und 
dabei die histologischen Grundlagen der Beweisfiihrung fiir dieselbe 
zu beleuchten. 


316 Max Firbringer, 


mit separaten Knochenkernen (Knochenscheiden) erfolgt, die erst 
sekundir verwachsen. Und wenn Serevey (1894, p. 164) darauf 
erwidert, dafi der Nachweis einer separaten Entstehung beider durch 
distinkte Knorpel noch nicht geliefert sei, da’ aber die separate 
Ossifikation ebensowenig fiir die Selbstindigkeit der beregten 
Skelettteile beweisend sei wie z. B. die Ossifikation eines Humerus 
mit seinen 3 getrennten Knochenkernen, so ist dem wieder ent- 
gegenzuhalten, 1) daf der Nachweis einer getrennten Knorpel- 
anlage gar nicht zu ftihren ist, da ja der primire Schultergiirtel 
als einheitliches Knorpelstiick beginnt, 2) daf bei separaten Ossi- 
fikationen in einer einheitlichen Knorpelanlage sehr wohl zwischen 
Haupt- und accessorischen Nebenkernen zeitlich zu scheiden ist: 
die Diaphyse des Humerus ossifiziert viel friher und konstanter 
als die beiden, oft mit zahlreichen kleinen Knochenkernen be- 
ginnenden Epiphysen desselben, und es ist bekannt, dal} der Haupt- 
kern der Scapula z. B. beim Menschen schon in der 8. Fdtal- 
woche, die Verknécherung des Acromions aber erst zur Zeit der 
Pubertaét beginnt'). Die drei Schenkel des Schultergiirtels der 
Chelonier ossifizieren aber annihernd zur gleichen Zeit und doku- 
mentieren sich damit im wesentlichen als gleichwertige Gebilde; 
der weitere Gang der Ossifikation wird dann durch funktionelle 
Momente bestimmt: fiir das frei ausgestreckte Coracoid erwies 
sich die Beibehaltung einer federnden Verbindung mit dem tibrigen 
Schultergiirtel als zweckmaBiger *), wahrend der synostotische Ver- 
band von Scapula und Procoracoid einen festen Schlufriegel 
zwischen Riicken- und Bauchschild herstellte und damit in ge- 
wisser Hinsicht den Cheloniern giinstigere Bedingungen im Kampf 
ums Dasein sicherte. 

Was den z weiten oben angefiihrten Grund fiir die scapulare 
(acromiale) Homologie anlangt, so ist die Annahme, daf das Acro- 
mion (Proscapular-ProzeB) in demselben Mage medialwarts sich 
verlaingerte, als die Clavicula mehr und mehr auf den ventralen 


1) Dies ist um so bemerkenswerter, als die Ossifikation des 
viel unansehnlicheren Proc. coracoides trotz der durch die Riick- 
bildung des Coracoides bedingten ontogenetischen Retardation doch 
14—15 Jahre friither beginnt als diejenige des gréferen Acromion. 

2) Ueber diesen durch die Funktion bedingten Wechsel einer 
migig beweglichen (Synchondrose, Symphyse), fast unbeweglichen 
(Sutur) und ganz unbeweglichen Verbindung (Synostose) habe ich 
mich bereits ausfiihrlich in den Untersuchungen zur Morphologie 
und Systematik der Végel (1888) an verschiedenen Stellen aus- 
gesprochen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 317 


medialen Bereich des Plastron zurtickwich, an sich ganz gut ver- 
standlich. Aber diese Annahme ist in keiner Weise erwiesen '), 
und sie geht von der sehr einseitigen Pramisse aus, da’ die Cla- 
vicula auber mit dem Episternum nur noch mit der Scapula ver- 
bunden sei, wo man doch weil, daf sie bei vielen Tetrapoden 
auch mit dem Procoracoid mehr oder minder ausgedehnte Ver- 
bande eingeht, ja da} dieser Verband der Clavicula mit dem ven- 
tralen Teile des primaren Brustgiirtels in der Reihe der Verte- 
braten als der urspriingliche aufzufassen ist. Diese Annahme des 
Vorriickens des Acromion bei kleiner werdender Clavicula wird 
ferner durch kein Analogon gestiitzt, denn wir sehen im Gegenteil, 
dafS das durch die Clavicula herangeziichtete Acromion wieder 
kleiner wird, wenn die Clavicula sich verkleinert, da es selbst 
verschwinden kann, wenn die Clavicula sich ganzlich zuriickbildet. 
Endlich verweise ich auf das Verhalten der mit dem Procoracoid 
verbundenen Muskulatur, insbesondere den M. supracoracoideus 
(supraprocoracoideus und supracoracoideus, Schultermuskeln 1874) : 
wenn ich auch den Muskelurspriingen eine gewisse Beweglichkeit 
zuerteile, so wird es mir doch unmdglich, die ganze Anordnung 
dieses Muskels mit der Annahme einer medialwarts vorschreitenden 
Ausdehnung der Scapula in Verband zu bringen, wahrend bei der 
Deutung des vorderen ventralen Schenkels als Procoracoid die be- 
zuiglichen Verhaltnisse sich natiirlich, primitiv und ungezwungen 
darbieten. 

Alle Einwande gegen die GrGENBAUR’Sche Deutung haben 
mich mehr als je von der Richtigkeit derselben tiberzeugt. Ich 
halte somit die Zusammensetzung des primaren Schulter- 
gtirtels der Chelonier aus den drei Teilen Scapula, Pro- 
coracoid und Coracoid fiir gesichert’). 

Das Homologon des sekundaren Schultergitirtels, die 


1) Baur beklagt die Mangelhaftigkeit der paliontologischen 
und embryologischen Urkunden. 

2) Ueber das Epicoracoid resp. das es eventuell vertretende 
Lig. epicoracoideum will ich in Erganzung der Angaben von GérrTE 
und Sapatier bemerken, daf eigene Beobachtungen an Embyonen 
einer Chelone sp. mir ein weites rostrales Vorragen eines vom 
medialen Ende des Coracoides ausgehenden Knorpelfortsatzes er- 
geben haben. Da es aber nicht bis zu einem wirklichen knorpeligen 
Verbande mit dem medialen Ende des Procoracoides kam, ist dieser 
Befund kein Beweis fiir die einstmalige anurenihnliche Ausbildung 
des Epicoracoides, sondern macht sie nur in mittlerem Grade wahr- 
scheinlich. 


318 Max Firbringer, 


Clavicula, finde ich in dem paarigen Epiplastron des Bauch- 
schildes und befinde mich mit dieser Deutung wohl mit der iiber- 
wiegenden Mehrzahl der neueren Autoren im Einklange. Interes- 
sant sind die mannigfachen Formen bei den Jugendstadien der 
verschiedenen Chelonier (vergl. namentlich die Abbildungen 
RATHKE’s 1848), welche bemerkenswerter Weise bei den fiir tiefer 
stehend angesehenen Abteilungen (namentlich den Sphargidae und Tri- 
onychidae) gréfere Abweichungen von der Gestalt bei den primitiven 
Reptilien darbieten als bei den fiir héher gehaltenen Cheloniern. 

Die Selbstandigkeit des Epiplastron gegentiber dem priméaren 
Schultergiirtel und seine Aufnahme in das Plastron giebt den Chelo- 
niern eine ganz singulire Stellung. Es ist zu vermuten, daf diese 
Separation friiher nicht in so hohem Grade bestand, wenn auch der 
Verband des sekundéren und primiaren Schultergiirtels wohl nie- 
mals ein sehr intimer war, und daf erst mit der Ausbildung des 
Bauch- und Riickenschildes die eigenartigen Verhiltnisse ein- 
traten'). Leider ist unsere palaéontologische Kenntnis der Che- 
lonier fiir die Entscheidung dieser Frage eine ganz unzureichende, 
indem die friihesten fossilen Vertreter derselben (obere Trias) den 
Schildkréten-Typus bereits in hoher Vollkommenheit darbieten, 
und auch die meist als primitivste Chelonier angesprochenen Sphar- 
gidae lassen uns hierfiir im Stich, da bei ihnen mit primitiven Zu- 
stinden sekundaére Reduktionen und Umbildungen in einer noch 
nicht zur Geniige auseinandergehaltenen. Weise sich verbinden. 
Alles spricht aber dafiir, da’ diese Verhaltnisse in sehr primitivem 
Zustande und in recht friiher Zeit sich einleiteten und dement- 
sprechend auf diesem besonderen Wege ein gutes Stiick weiter 
gegangen sind ”). 

Das primare Brustbein, Sternum, scheint den Che- 
loniern vollstandig zu fehlen*); auch neuere Untersuchungen an 


1) Ob dabei wie am Riickenschilde eine zweite dermale Ge- 
neration§von Deckknochen auch am Bauchschilde beteiligt war, wie 
Baur (1897) postuliert, bleibe dahingestellt. Erwiesen scheint sie 
mir in keiner Weise zu sein. 

2) Auf dieses primitive Verhalten fufend, wirft auch GreGEeNBAUR 
(1898, p. 485) die Frage auf, ob im Plastron auch Homologa des 
Cleithrum sich finden, und macht auf das Hyoplastron aufmerksam. 

3) Horrmann (1879, p. 216 f.) spricht von einer ,,indirekten 
Homologie* des Plastron mit dem Sternum, die auch durch das 
Verhalten des M. pectoralis (auf Grund meiner Untersuchungen) 
gestiitzt werde. Mir ist das nicht ganz verstindlich; jedenfalls 
aber méchte ich den M. pectoralis als Beweis dafiir ansehen, dab 
zwischen dem Plastron und Sternum keine Homologie besteht. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 319 


Embryonen liefen mich keine Spur mehr davon finden. Die An- 
nahme, da’ es durch die Hautverknécherung des Plastrons all- 
mahlich verdringt worden sei (WIEDERSHEIM 1892, S. 222), wird 
durch die Anwesenheit des grofen Musculus pectoralis, dessen 
Masse zwischen dem ihn oberflachlich deckenden Plastron und dem 
von ihm bedeckten Sternum (als es noch bestand) liegt, widerlegt. 
Plastron und Sternum kiénnen — abgesehen von dem schmalen, 
beschrankten Streifen der Mittellinie, wo sich noch jetzt das Ento- 
plastron befindet — wegen dieses miachtigen Muskels nicht in 
Berthrung gekommen sein, und damit wird auch die friiher von 
Owen und Ripmncer, neuerdings von HArcKEL aufgeworfene 
Frage, ob sich urspriinglich auch wirkliche Sternalteile an der 
Bildung des Bauchschildes beteiligt haben, im negativen Sinne be- 
antwortet. In dem Mae, als der M. pectoralis mehr und mehr 
eine neue oberflichliche Insertion an dem ihn urspriinglich nach 
Art einer Fascie oder eines Parasternum deckenden Plastron ge- 
wann, trat das Sternum in Riickbildung und verschwand schlieflich 
vollstandig (vergl. auch Schultermuskeln, 1874, 8. 226, Anm. 1). 


Fig. 78. Brustschulterapparat und vorderer Teil des Plastron von Chelone 
mydas juy. Dorsalansicht. 3. Cl Clavicula (Epiplastron). Or Coracoid. Cr’ 
Knorpelende des Coracoides. Est Episternum (Entoplastron). Hyopl Hyo- 
plastron. Per Procoracoid. Sc Scapula (dorsaler Teil derselben entfernt). (Nach 
W. K. PARKER.) 


Das sekundare Brustbein, Episternum (Interclavi- 
cula), findet sich im Entoplastron des Bauchschildes dicht an die 
Clavicula (Epiplastron) angrenzend wieder. Hinsichtlich dieser 
Deutung stimme ich mit der tiberwiegenden Mehrzahl der Autoren 


320 Max Firbringer, 


iiberein. Beziglich seiner Formen, welche einen ziemlich indiffe- 
renten uud rudimentiren Charakter bekunden und T-formige, 
rhombische, lingsstabartige (dolchférmige) und querbogenférmige 
Gestalten darbieten, verweise ich ebenfalls auf RatruKn, sowie 
BouLencer. Bei gewissen Cheloniern (Sphargidae, Cinosternidae) 
ist es ganzlich riickgebildet. 


Stee a Cp 
Pr.m ar is 
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fbi A Prt 


a | 
| 


Pron 
Cp 
F. bt 
1 Pre 
Ecu Ee.7 
Ou — Oa.n.r 


Fig. 82. 


Fig. 79. Linker Humerus von Testudo. Ventralansicht. (Nach Do.o.) 

Fig. 80. Linker Humerus von Trionyx. Ventralansicht. (Nach Do.uo.) 

Gemeinsame Bezeichnungen: C.r Condylus radialis. C.w. Cond. ulnaris. 
Cp Caput humeri. £e.r Epicondylus radialis. Ze.w Epicond. ulnaris.  F. bi 
Fossa_bicipitalis. 

Fig. 81. Linker Humerus von Chelone. Ventralansicht. (Nach Doo.) 

Fig. 82. Linker Humerus von Dermochelys. Ventralansicht. (Nach 
DOoL.Lo.) 

Ca.n.r Canalis nervi radialis (ectepicondyloideus). Uebrige Bezeichnungen 
s. bet Fig. 79 und 80. 


Parasternale Gebilde sind den Vorfahren der Chelonier 
vermutlich in der Anordnung wie bei anderen primitiven Reptilien 
zugekommen, aber — zuniichst wahrscheinlich unter Ausfall der 
unpaaren medianen Stiicke — sehr umgebildet und nach und nach 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 321 


in ihrer Zahl auf 3—4 Paare reduziert worden. Diese letzten 
verinderten Reste mégen mit einiger Wahrscheinlichkeit fiir den 
Aufbau des gréferen hinteren Abschnittes des Plastron verwendet 
worden sein (vergl. insbesondere Hay 1898). Die Homologie 
eines Teiles des Plastron mit solchen Parasternalien ist tibrigens 
von verschiedenen Autoren erkannt worden, von denen ich unter 
anderen namentlich BOULENGER, VAN BEMMELEN, Baur, GEGEN- 
BAUR, Hay hervorhebe. 

Hinsichtlich des Humerus, der sich durch mancherlei Kigen- 
tiimlichkeiten von dem Humerus der anderen Reptilien unterscheidet, 
verweise ich auf meine friihere Beschreibung. Seine Linge itiber- 
trifft die gré8te Breite etwa um das 2—31/5-fache, wobei die 
schlankeren Formen im allgemeinen den terrestren, die kiirzeren 
und breiteren mehr den Wasserschildkréten zukommen. Bei den 
Chelydridae, Testudinidae und Trionychidae ist er in dorso-ventraler 
Richtung stark gekriimmt, bei den Sphargidae und Chelonidae 
platter. Am distalen Ende besitzt der Humerus bei zahlreichen 
Cheloniern einen Canalis n. radialis (ectepicondyloideus). 


III. Sauropterygia '). 


Die Sauropterygia bilden eine in der Trias, im Jura und in 
der Kreide vertretene Gruppe von vorwiegend wasserlebenden 
langhalsigen (macrotrachelen) Reptilien, deren allmahliche An- 
passung an das Wasserleben von urspriinglich terrestren Tieren 
noch durch die gut erhaltenen fossilen Reste der primitiveren 
digitipeden Formen (insbesondere die Lariosauridae) aus der Trias 
erwiesen werden kann. Namentlich Seetey (1882) und Baur 
(1886, 1887) verdanken wir diesen Nachweis. Es wiederholt sich 
also bei den Plesiosauriern in parallelem Entwickelungsgange das 
Gleiche wie bei den — iibrigens aus anderen Quellen stammenden — 
Ichthyosauriern; doch ist bei letzteren zufolge ihrer niedrigeren 
Organisation und des friiheren Beginnes dieser Anpassung und 


1) Ich nehme hier die Ordo Sauropterygia in dem Umfange, wie 
sie z. B. in Zrrrev’s Lehrbuch angegeben ist. Die Mesosauria, deren 
nahe Zugehorigkeit zu den Lariosauridae namentlich von SEELEY 
und BouLENnGEer nachgewiesen worden ist und die auch von letzterem 
mit den Sauropterygia zu der Ordo Plesiosauria vereinigt wurden, 
stelle ich einstweilen noch als intermediire Abteilung zwischen die 
Sauropterygia und Theromorpha. 


322 Max Fiirbringer, 


Umwandlung die Ausbildung der Flossen weiter fortgeschritten 
als bei den Sauropterygiern, bei denen die Pentadactylie gewahrt 
bleibt und — auch bei den am meisten an das Wasser angepabten 
Formen unter ihnen — doch die einzelnen Abschnitte der Glied- 
mafen nach Form und relativen Dimensionen unterschieden werden 
kénnen?) (vergl. auch p. 307, Anm. 2). 

Gemeinhin werden die Sauropterygia in die beiden Subordines 
der Nothosauria (mit den beiden Familien Lariosauridae und 
Nothosauridae) aus dem Buntsandstein, namentlich aber Muschel- 
kalk und Keuper, und der Plesiosauria s. Sauropterygia s. 
str. (mit den 3 Familien Pliosauridae, Plesiosauridae und Elasmo- 
sauridae) aus dem Jura und der Kreide eingeteilt. Erstere, 
namentlich die Lariosauridae unter ihnen, besitzen noch die ter- 
restre, fiinfzehige Extremitait, die bei den letzteren in die Flosse 
umgebildet ist. Wie schon erwahnt, ist von SrELEy (1888, 1892) 
und BOULENGER (1896) die nahe Beziehung der Mesosauria aus der un- 
teren Trias oder dem Perm zu den Nothosauria mit guten Griinden 
hervorgehoben und ihre Vereinigung mit denselben (Ordo Mesosauria 
SEELEY, Subordo Mesosauria BOULENGER) vollzogen worden ”). Inter- 
essant ist die successive Zunahme des Halswirbel, die nach der 
von BOULENGER gegebenen Zusammenstellung bei den Mesosauria 11, 
den Nothosauria 16—21, bei den Plesiosauria 20—72 (und zwar 
20 fiir die Pliosauridae, 28-40 fiir die Plesiosauridae und 35—72 
fiir die Elasmosauridae) betragt. 

Der Brustschulterapparat der Sauropterygier repra- 
sentiert eine Bildung sui generis, bietet aber, namentlich in seiner 
Entwickelung bei den héheren Formen, eine Konfiguration dar, die 
zahlreiche Anklange an die Verhaltnisse der Chelonier darbietet 
und wohl mehr als eine bloBe Parallele bedeutet. Das ist auch 
seit OWEN (1839) von den meisten Untersuchern erkannt worden, 
wenn auch die Anschauungen tiber den Grad der Verwandtschaft 
zwischen beiden Abteilungen auseinandergehen. 

Hierbei ist zu unterscheiden zwischen dem Brustschulter- 
apparat der Nothosauria und Plesiosauria. 


1) Bei den Elasmosauridae werden die Unterschiede sehr gering, 
und im gréferen Gebiete der Flosse findet sich nahezu Homoomerie. 

2) Segtey (1892) stellt die O. Mesosauria mit den _ beiden 
SO. Proganosauria (Mesosaurus, Saurosternum) und Neusticosauria 
(== Lariosauridae), Boutencer (1896) die O. Plesiosauria mit den 
3 SO. Mesosauria, Nothosauria und Sauropterygia auf. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 323 


1. Nothosauria. 


Der Brustschulterapparat der Nothosauria (Lariosaurus, Notho- 
saurus) besteht aus einem milig langen, von oben und _hinten 
nach vorn und unten gehenden Knochen (1), der sich unten er- 
heblich verdickt, hinten an der Gelenkflache fiir den Humerus 
teilnimmt, medial durch Naht mit einer hinteren breiten ventralen 
Platte (2) und vorn gleichfalls durch Sutur mit einer kraftigen 
vorderen Ventralspange (3) von unregelmavigem Querschnitt ver- 
bunden ist. Die hintere Platte (2) partizipiert an der Gelenkhéhle 


Cl Cl Est Est Cl Cl 


Fig. 83. Fig. 84 u. 85. 


Fig. 83. Brustschulterapparat von Lariosaurus balsami. Ventralansicht. 
2, (Nach DEECKE.) 

ee 84. Brustschulterapparat von Nothosaurus mirabilis, 4. Dorsal- 
ansicht. 

Fig. 85 (innerhalb Fig. 84). Desgl. Ventralansicht des vorderen mittleren 
Teiles. (Nach H. v. MEYER.) 

Cl Clavicula (3). Cr Coracoid (2). 2st Episternum (4). Sc¢ Dorsaler Ab- 
schnitt der Scapula (1). Scv Ventraler Abschnitt der Scapula (1). 


fiir den Humerus und geht in schrager, medio-caudalwirts ge- 
richteter Lage zur Mittellinie, um sich hier ziemlich breit an die 
Platte der Gegenseite anzulegen. Die vordere Spange (3) endlich 
verlauft, sich etwas verjiingend, in querer bis schrager, medio- 
rostralwarts gewandter Richtung gleichfalls zur Mittellinie, um sich 
mit der der Gegenseite zu verbinden, wobei rechte und linke Spange 
zugleich ein kleines unpaares medianes, ihnen durch Naht ver- 
bundenes Knochenstiickchen (4) umschlieBen. Zwischen vorderem 
und hinterem ventralem Bogen findet sich eine grofe, weite 
Oeffnung. 

Ueber die Deutung dieser Teile bestehen nur geringe Kontro- 
versen; das Stiick (1) ist von den meisten Autoren als Scapula, 


324 Max Firbringer, 


die hintere Platte (2) als Coracoid'), die vordere Spange (3) als 
Clavicula und das mittlere Schlufstiick (4) als Episternum (Inter- 
clavicula) bezeichnet worden. Ich stimme diesen Deutungen bei. 

Der grofe leere Raum zwischen der coracoidalen und clavi- 
culo-episternalen Spange bietet etwas Autfallendes dar und hat 
die Vermutung nahe gelegt, dafi in ihm noch andere, knorpelige 
und daher nicht mehr erhaltene Skeletteile sich befanden. ZirrEn 
(1889) denkt an ein Brustbein, Seeney (1893 und 1893/94) an 
ein knorpeliges Procoracoid, wobei er die besonderen Vorspriinge 
des Coracoides und der Scapula auf der v. Mreyer’schen Abbil- 
dung von Nothosaurus mirabilis (1847—55, siehe meine Text- 
figur 84 p. 323) als Ausgangspunkte dieses Procoracoid (Praecora- 
coid) betrachtete. HuLke (1892/93) und Koken (1893) machen 
dagegen geltend, daf diese Vorspriinge bei Lariosaurus und an- 
deren Exemplaren von Nothosaurus nicht ausgepragt seien und 
daB der bei Anuren zwischen Coracoid und Clavicula befindliche 
Raum auch nicht viel kleiner sei, verhalten sich somit gegen die 
Annahme eines einstmals vorhandenen knorpeligen Procoracoides 
abweisend. 

Die ZirrE.’sche Vermutung von der Anwesenheit eines Brust- 
beines zwischen Coracoid und Clavicula ist nicht aufrecht zu 
halten; die SkeLEY’sche Annahme von der Existenz eines knor- 
peligen Procoracoides scheint mir dagegen alle Beriicksichtigung 
zu verdienen. Der erste von HuLkE und KoKEN erhobene Ein- 
wand der mangelhaften oder mangelnden Auspragung der oben 
erwahnten Vorspriinge bei anderen Nothosauriern beweist nichts 
gegen die recht markante und die Srevey’sche Annahme sehr 
unterstiitzende Beschaffenheit dieser Vorspriinge bei dem v. MEYER- 
schen Exemplare, vermutlich einem alteren Tiere, schlie’t aber 
auch bei den anderen Nothosauriern die Méglichkeit der Existenz 
eines solchen Procoracoides durchaus nicht aus. Der andere von 
KoKEN geltend gemachte Gegengrund scheint mir aber auch die 
mobgliche Anwesenheit eines knorpeligen Procoracoides nicht zu 
widerlegen, denn sowohl bei den Anuren wie bei den Cheloniern 
(nach GEGENBAUR’S und meiner Deutung vergl. p. 317) liegt vor 
der coracoidalen Platte, durch ein ansehnliches Foramen coraco- 
procoracoideum von ihr getrennt, eine procoracoidale Spange. Ich 
acceptiere also die Méglichkeit und selbst Wahrscheinlichkeit der 


1) Koken (1893) erblickt in ihm das vereinigte Coracoid und 
Procoracoid. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 325 


Anwesenheit eines knorpeligen Procoracoides 1), das wahrscheinlich 
von seiner coraco-scapularen Basis aus schraég nach vorn und 
medialwiirts sich erstreckte, enthalte mich aber jeder weiteren 
Hypothese iiber seine Gestalt und Ausdehnung. 


Ob die Nothosaurier noch ein Sternum besafen, entzieht sich 
der sicheren Beurteilung. Wenn noch vorhanden, war es jeden- 
falls sehr reduziert und von keiner funktionellen Bedeutung; 
wahrscheinlicher ist — wie bei den Cheloniern — seine vollige 
Reduktion. 

Der primire Schultergiirtel der Nothosaurier wiirde sich 
somit zusammensetzen aus einer knéchernen Scapula, einem 
knéchernen Coracoid und wahrscheinlich einem  knorpeligen 
Procoracoid, der sekundire ware vertreten durch eine sehr 
eut ausgebildete Clavicula. 

Das primare Brustbein, Sternum, war wahrscheinlich ganz 
zuriickgebildet, das sekundire Brustbein, Episternum, ist 
sicher vorhanden, aber zu einem kleinen, von den beiden Clavikeln 
eingeschlossenen Knochenstiickchen reduziert. 

Ein Parasternum existiert in ansehnlicher Ausdehnung, 
Bei Lariosaurus wird eine Zusammensetzung von 34 Metameren 
(von denen wie bei Sphenodon je 2 auf 1 Rumpfmetamer kommen) 
angegeben. Jedes parasternale Metamer besteht hier aus 5 Glie- 
dern, einem unpaaren, winkelig gebogenen Mittelstiick und jeder- 
seits 2 seitlichen Stiicken?). Bei Nothosaurus scheinen die Meta- 
meren nur dreigliederig gewesen zu sein; auch entspricht je 1 
Rumpfmetamer 1 parasternales Metamer. 

Der Musculus pectoralis wird vermutlich von dem Paraster- 
num, dem Episternuni und einem Teile der Clavicula entsprungen 
sein, auflerdem aber in dem Raume zwischen Parasternum und 
episterno-clavicularem Bogen wohl durch feste Verbindung mit 
seinem antimeren Nachbar den hier mangelnden Knochenvorsprung 
ersetzt haben. Ein sekundir erworbener Ursprung vom medialen 
Bereiche des Coracoides ist nicht wahrscheinlich, aber nicht mit 
Bestimmtheit auszuschliefen. Nach dem Proc. lateralis humeri zu 
schlieBen, war der Muskel nicht grob. 


1) Daf dieses noch knorpelig, wihrend des Coracoid bereits 
knéchern, ist, wie die Anuren und verschiedene niedere Reptilien 
zeigen, keine singulare Erscheinung. 

2) Auch nur 3 Glieder, ein unpaares und ein rechtes und 
linkes paariges werden angegeben. 


326 Max Firbringer, 


Der Humerus bildet einen langen (seine Breite etwa 3- bis 

4mal an Lange tibertreffenden) nach auSen gekriimmten und etwas 
abgeplatteten Knochen, dessen Muskeliortsitze sehr mabig ent- 
wickelt sind; eigentiimlich ist ein relativ kraftiger dorso-medialer 
Vorsprung unterhalb des Proc. medialis, an dem vermutlich der 


Cp 
Pr. 
Pr.l 
Ca.n.m 
Snr 
Eeu Her 
O.u Cup 
Fig. 86. Fig. 87. 


Fig. 86. Linker Humerus von Conchiosaurus clavatus. Ventralansicht. 
(Nach H. v. MEYER.) 

Fig. 87. Linker Humerus von Nothosaurus sp. Ventralansicht. }. (Nach 
H. v. MEYER.) 

C.r Condylus radialis. C.w Cond. ulnaris. Ca.n.m Canalis n. mediani 
(entepicondyloideus). Cp Caput humeri. £e.r Epicondylus radialis. Ze. Epi- 
cond. ulnaris. #.b¢ Fossa bicipitalis. Pr.l. Processus lateralis. Pr.m Proc. 
medialis. S.n.7. Suleus nervi radialis (ectepicondyloideus). 


M. latissimus dorsi inserierte. Von den Nervenkanalen ist meist 
der Canalis n. mediani (entepicondyloideus) vorhanden. Dazu kann 
noch ein Sulcus n. radialis oder selbst ein Canalis n. radialis 
(ectepicondyloideus) kommen; somit in diesen  letzterwahnten 
Fallen die gleichzeitige Existenz beider Nervenkanile '). 


2. Plesiosauria. 


Nicht unerheblich von dem der Nothosaurier abweichend ist 
der Brustschulterapparat der Plesiosaurier gebildet. Das der 
Scapula vergleichbare Element (a) verlauft als mafig langer und 


1) Donno (1884) und Baur (1887) fiihren einen Canalis ect- 
epicondyloideus an; doch kann nach den von Meyer’schen Ab- 
bildungen (1847—55) kein Zweifel sein, dab ein Canalis entepicondy- 
loideus und auferdem ein Sulcus ectepicondyloideus (n. radials) 
vorliegt, wie auch Seevey (1892) und BouLEenerr (1896) angeben. 
Der Sulcus n. radialis wird von Mryerr deutlich abgebildet, die 
Koéxistenz der beiden Kanile von Sretey (1895) erwahnt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 327 


ziemlich schwach beginnender Knochen von oben und hinten nach 
unten und vorn‘), wobei es successive breiter wird, und teilt sich 
dann in einen nach hinten gehenden kurzen Schenkel (a'‘)?), der 
durch Naht mit dem Coracoid (b) verbunden ist und sich mit 
diesem an der Gelenkflache fiir den Humerus beteiligt, und einen 
schrag nach vorn und medial gerichteten Schenkel (c), der mit 
seinem medialen Ende zu einem (oder 2 bis 3) Mittelstiicke (m), 
dem Schenkel (c) der Gegenseite und dem Coracoid (b) in bei den 
verschiedenen Vertretern der Plesiosaurier differente Beziehungen 


Fig. 88. Fig. 89. 


Fig. 88. Pliosaurus planus & 
evansi. Kombination von PI. planus 
und evansi (Pliosauridae). (Nach 
LYDEKKER.) 

Fig. 89. Plesiosaurus hawkinsi 
(Plesiosauridae). (Aus LYDEKKER.) 

Fig. 90. Cryptoclidus oxonien- 
sis (Elasmosauridae). (Kombination 
nach ANDREWS.) 

Ventralansichten von Brust- 
schulterapparaten von Plesiosauriern. 
Cr Coracoid(b). Ler Epicoracoid. F. gl 
Fossa glenoidalis pro humero. m 
Mittelstiick (Clavicula, Episternum). 
In Fig. 90 bedeutet die Punktlinie 
die caudale Grenze des von Per be- 
deckten Teiles. Per Procoracoid (c). _ 
Sct dorsaler Teil der Scapula (a). Fig. 90, 
Sev ventraler Teil der Scapula (a’). 


1) Ascending process of the Scapula, dorsally directed blade 
of the Scapula: Spenny, ANDREws. 
2) Hinder portion of the Scapula: Anprews. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 22 


328 Max Firbringer, 


treten kann. Der nach hinten gehende kiirzere Schenkel (a’) ge- 
hért unbezweifelt zur Scapula und ist dem ventralen Teile dieses 
Knochens bei den Nothosauriern gleich zu setzen, soweit derselbe 
die gleichen Beziehungen zur Gelenkhéhle fiir den Humerus und 
zum Coracoid eingeht. 

Das mit ihm durch Naht verbundene Coracoid (b)), bei 
den Nothosauriern eine miafig breite Platte reprisentierend, hat 
sich bei den Plesiosauria zu einer ungemein breiten und am Ge- 
lenkteile kraftigen Tafel ausgebildet, welche die Gelenkhéhle in 
groBer Ausdehnung caudalwarts tiberragt und mit dem Coracoid 
der Gegenseite in bedeutender bis sehr bedeutender Linge durch 
Sutur zusammentritt; zugleich ragt von seinem medialen Bereiche 
ein bei den Pliosauridae fehlender oder schwach entwickelter, bei 
den Plesiosauridae und Elasmosauridae dagegen in zunehmendem 
Mage ansehnlich und breit entfalteter Fortsatz (den ich Proc. 
epicoracoideus nennen will) rostralwarts vor, welcher bei den 
Pliosauridae von den vorderen Schenkeln und Mittelstiicken noch fern 
bleibt, bei den Plesiosauridae mit dem Mittelstiick resp. den Mittel- 
stiicken (m) zusammentritt und bei den Elasmosauridae endlich 
unter héchster Ausbildung mit den medialwarts sehr ausgedehnten 
vorderen Schenkeln (c) sich verbindet. So findet sich bei den 
Pliosauridae noch eine einzige grofe unpaare Oeffnung zwischen 
den Coracoiden und den yorderen Schenkeln, welche an die Ver- 
hiltnisse bei den Nothosauriern erinnert, waihrend dieselbe bei den 
Plesiosauridae und Elasmosauridae durch den medianen Zusammen- 
tritt der Coracoide (Proc. epicoracoidei) mit den vorderen 
Schenkeln (c) resp. dem Mittelstiick (Mittelstiicken) zwischen ihnen 
in eine rechte und linke Oeffnung gesondert wird. 

Der vordere Schenkel (c) setzt sich ohne jede Grenze von 
der Scapula aus nach vorn und medialwirts fort und kann sich 
mit seinem rostro-medialen Ende verschieden verhalten: entweder 
(Pliosauridae und Plesiosauridae) endet er, wie es scheint, ohne 
direkt mit dem der Gegenseite zusammenzutreten, indem er sich 
ventral auf ein gréBeres oder kleineres Mittelstiick (Mittelstiicke) (m) 
aufleet, oder (Elasmosauridae) er verbindet sich mit dem Schenkel 
der Gegenseite, sowie dem epicoracoidalen Fortsatz des Coracoides, 
wihrend die diinneren Mittelstiicke in entsprechender Lage beiden 
Schenkeln rostro-dorsal (vorn und innen) aufgelagert resp. ver- 


1) Coracoid der meisten Autoren. —- Coracoid + Praecoracoid: 
KoxKeEn. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 329 


bunden sind. Bei der Vergleichung von verschiedenen Alters- 
stufen eines Elasmosauriden (Cryptoclidus oxoniensis, vergl. 
AnprEWws 1896) wurde zugleich gefunden, dal beide vordere 
Schenkel bei dem jiingsten Stadium (ca. */, des ausgewachsenen 
Schultergtirtels) noch weit von eimander und von dem noch keinen 
knéchernen Proc. epicoracoideus besitzenden Coracoid entfernt sind 
(Pliosaurus-Stufe), dafi sie sich in einem nichsten Stadium (ca. ?/> 
des erwachsenen) nach der Mittellinie zu verlingert haben, dabei 
aber noch in einigem Abstande von ihr und dem inzwischen ent- 
wickelten knéchernen Proc. epicoracoideus sich befinden und dab 
sie endlich beim erwachsenen Tiere miteinander und den Proc. 
epicoracoidei in den bereits oben angegebenen Verband treten 
(entwickelte Elasmosaurier-Stufe). 


Fig. 92. Fig. 93. 


Fig. 91—93. Entwickelungsstadien des Brustschulterapparates von Crypto- 
clidus oxoniensis. Dorsalansichten. ;';. (Frei nach ANDREWS.) Fig. 91 erstes, 
Fig. 92 zweites, Fig. 93 ausgebildetes Stadium. 


Das den vorderen Schenkeln (c), mégen sie nun zusammen- 
treten oder nicht, rostro-dorsal aufgelagerte Mittelstiick (Mittel- 
stiicke (m) verhalt sich wechselnd: bald stellt es ein einheitliches 
Stiick dar, bald besteht es aus symmetrischen Hiilften, bald aus 
3 Stiicken (einem mittleren und 2 seitlichem, welche dem mittleren 
durch Sutur verbunden sind oder nur anlagern). Auch voll- 


kommener Mangel wird angegeben; doch ist wahrscheinlicher, dah 
2 


330 Max Firbringer, 


es sich bei dem fossilen Objekte dann nur abgelést hatte und ver- 
loren gegangen war. 

Wahrend hinsichtlich der Deutung der Scapula und des Cora- 
coides gerade so wie bei den Nothosauriern keine gréferen Dif- 
ferenzen existieren, gehen die Anschauungen tiber die Homologie 
der vorderen Schenkel (c) und des Mittelstiickes resp. der Mittel- 
stiicke (m) erheblicher auseinander. Die Mittelstiicke (m) sind 
bald mit dem Omosternum (Omosternalia) [HuLKE, LyDEKKER| 
bald mit dem Episternum (Interclavicula) und den Claviculae 
(OwEN, HuxeEy, ZitTeL, KOKEN, SEELEY, ANDREWS, BOULENGER) 
homologisiert worden; die vorderen Schenkel (c) deutete man als 
Teile der Scapula (Acromialfortsaitze, anterior ventral Rami of 
the Scapula) [SEELEY, Baur, Koken, ANDREWS, BOULENGER], als 
ventrale Fortsitze der Scapula (Praecoracoid) [D6pERLEIN], als 
Praecoracoide (HuLKE, LypEKKER), als Procoracoide oder Clavi- 
culae (Cope 1870)'). Endlich sei noch erwahnt, dafi' SeELey 
(1894) vermutet, da bei den Plesiosauriern ein vollkommener 
Verlust der — bei den Nothosauriern wahrscheinlich knorpelig 
vorhandenen — Procoracoide stattgefunden habe. 

Hinsichtlich der Deutung der Mittelstiicke (m) schlieBe ich 
mich den Autoren an, welche in ihnen Episternum (Inter- 
clavicula) und Clavicula, in getrenntem oder anchylosiertem oder 


C1 Est Cl 


Fig. 94. 


Fig. 94. Clavicula und Episternum von Plesiosaurus arcuatus. Ventral- 
ansicht. Dorsale Grenzlinie des “st in Punktlinien angegeben. (Frei nach 
SEELEY.) 

Fig. 95. Clavicula und Episternum von Muraenosaurus platyclis. (Nach 
SEELEY.) 


teilweise zuriickgebildetem Zustande erblickten; Struktur und An- 
ordnung, namentlich in den Fallen, wo ein unpaares Episternum 
und paarige Clavikeln vorhanden sind, sprechen durchaus fiir diese 
Deutung”), wenn ich auch nicht verkenne, daf die dorsale Lage 


1) Corr spricht 1889 den Plesiosauria jede Clavicula ab. 
2) Bei Anwesenheit eines unpaaren und paariger, also dreier 
Stiicke ist in der Deutung kein Zweifel méglich. Bei nur paarigen 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 331 


an der Innenfliche des vorderen Bogens (c) Schwierigkeiten be- 
reiten und auch an andere Homologien, wie z. B. an das Omoster- 
num, denken lassen kann. Letzterer Homologie kann ich indessen 
nicht das Wort reden, da sie fiir das Vorkommen dreier Stiicke 
und ihre fiir Deckknochen charakteristische Verbindung keine Er- 
klirung giebt; auch erblicke ich in der dorsalen (inneren) Lage 
der in Frage kommenden Teile, wie auffallend sie auch auf den 
ersten Blick erscheint, kein ernsthaftes Hindernis gegen die Homo- 
logie mit Episternum und Clavicula. Zunichst ist hervorzuheben, 
da’ die genannten Knochen nicht rein dorsal, sondern vielmehr 
rostro-dorsal vor den vorderen Schenkeln (c) des priméren Schulter- 
giirtels liegen, dann aber auch nicht auBer acht zu lassen, dal 
diese Skelettteile, speciell die Clavikeln sich durchaus nicht immer 
an der Ventral- oder AuSenseite des primaren Schultergiirtels 
finden, sondern bei Anamniern (die hierfiir zugleich Ausgang 
gebend ist) gerade an der vorderen oder rostralen Flache des- 
selben, nicht selten von hier rinnenformig auf seine ventrale oder 
iufere und seine dorsale oder innere Fliche gleich weit tiber- 
creifend. Bei Anura und Mammalia e. p. ist dieses rinnen- 
formige Umfassen gewahrt geblieben, bei den meisten Reptilien 
und Monotremen hat sich der au8ere, bei den Plesiosauriern da- 
gegen der innere Teil mehr entwickelt und erhalten. Dazu kommen 
noch die weiteren Lageverschiebungen, denen gerade in Riick- 
bildung begriffene Teile infolge der michtigeren Entfaltung der 
Nachbargebilde unterliegen. Welche funktionellen Beziehungen 
diese Differenzen herbeifiihrten, ist gré8tenteils unbekannt. Hervor- 
eehoben sei, daf gerade in diesem Stiicke die Chelonier und 
Plesiosaurier, wie viele Aehnlichkeiten sie sonst auch darbieten, 
Extreme bilden. 

Die gréften Schwierigkeiten bereitet die Homologisierung des 
vorderen Bogens (c). Hier entscheide ich mich fiir die von HULKE 
und LypeKKEer gegebene Deutung als Procoracoid. Nach 
Lage und Verhalten zu Scapula und Coracoid existieren wesent- 


Stiicken wird man an eine Homologie mit den Clavikeln denken 
und annehmen, daf das —- schon bei den Nothosauria kleine — 
Episternum ganz in Riickbildung trat (falls es nicht doch als kleines 
Rudiment persistierte und nur am aufgefundenen Fossil verloren ging). 
Bei nur einem Stiicke ist an eine Anchylosierung episternaler und 
clavicularer Elemente oder — weniger wahrscheinlich an eine 
relativ héhere Entfaltung des Episternum unter vélliger Reduktion 
der clavicularen Rudimente zu denken. 


332 Max Firbringer, 


liche Uebereinstimmungen mit dem vorderen Schenkel der Chelo- 
nier. Das ist wohl der Mehrzahl der Autoren nicht zweifelhaft, 
und die gleiche Bezeichnung (als Prascapular-Fortsatz oder Acro- 
mion) bei Cheloniern wie Plesiosauriern giebt deutlich davon 
Kunde!). Ich habe diesen Schenkel, und ich hoffe mit gutem 
Grunde, bei den Cheloniern mit GeEGENBAUR u. A. als Procoracoid 
gedeutet. Da steht m. E. nichts im Wege, diese Deutung auch 
auf die Verhaltnisse bei den Plesiosauriern zu tibertragen. Diese 
Uebertragung giebt jedoch nur die Vergleichung von zwei hoch- 
entwickelten Endformen, geht aber nicht auf die Genese des Pro- 
coracoides bei den Sauropterygiern iiberhaupt ein. Zu diesem 
Zwecke mul auf den primitiveren Schultergiirtel der Nothosaurier 
zuriickgegriffen werden. Hier hatte ich mit SrmLey die Existenz 
eines knorpeligen Procoracoides supponiert, mich aber aller An- 
gaben tiber seine Gestalt und Ausdehnung enthalten. Fitir dieses 
Procoracoid bot bei Nothosaurus mirabilis der besondere Fortsatz 
des Coracoides und eine groéfere Beriihrungsfliche der Scapula 
den Ausgangspunkt, wahrend bei anderen Arten von Nothosaurus 
und bei Lariosaurus mit nicht ausgeprigtem coracoidalen Fort- 
satze wohl die Scapula die hauptsachlichste Basis fiir dasselbe 
bildete. Lariosaurus steht dem urspriinglichen Stocke der Sauro- 
pterygier wohl naher als Nothosaurus (mirabilis) mit seinen schirfer 
markierten ormen. Es diirfte sonach gerechtfertigt sein, fiir die 
friihesten Vorfahren des Plesiosaurier-Zweiges ein knorpeliges 
Procoracoid zu postulieren, das wie bei den Embryonen der 
Chelonier, mit ihrer ontogenetischen Parallele fir die friiheren 
phylogenetischen Zustinde des Chelonier-Schultergiirtels, ganz 
tiberwiegend von der Scapula ausging und sich successive aus- 
schlieBlich auf diesen Ausgangspunkt beschrankte, wobei die 
eigentiimliche Liingsausdehnung des ventralen Teiles der Scapula 
(s. p. 827, 328) als korrelatives Moment mit in Frage kam. Dieses 
knorpelige, bis nahe zur Medianlinie der Brust erstreckte Pro- 
coracoid ist dann bei der weiteren Ausbildung der Plesiosaurier 
— wie bei den Cheloniern — in rasche Verknécherung und in 
synostotischen Verband mit der Scapula getreten, wodurch seine 
funktionelle Leistungsfahigkeit erheblich zunahm, und damit war 
auch das Kausalmoment fiir die schnelle und ausgiebige Reduktion 
der Clavicula — gegeniiber der hochausgebildeten Clavicula der 


1) Die Deutung als Clavicula fallt von selber mit dem ander- 
weitigen Nachweis der wahren Clavicula. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. isis) 


Nothosaurier — gegeben. In der von ANDREWS mitgeteilten in- 
teressanten ontogenetischen Reihe des elasmosauren Cryptoclidus 
oxoniensis ist dieser medialwairts vorschreitende Ossifikations- 
prozef8 successive zu verfolgen (s. Fig. 91—93 auf p. 329); die hier 
abgebildeten medialen Enden seiner Proscapularfortsatze stellen 
meiner Ansicht nach keine freien Enden dieser Fortsatze dar, 


Fig. 96. Pliosaurus planus 
eyansi. Kombination von Pl. planus 
und evansi (Pliosauridae). (Nach 
LYDEKKER.) 

Fig. 97. Plesiosaurus hawkinsi 
(Plesiosauridae). (Aus LYDEKKER.) 

Fig. 98. Cryptoclidus oxonien- 
sis (Elasmosauridae). (Kombination 
nach ANDREWS.) 

Ventralansichten von Brust- 
schulterapparaten von Plesiosauriern. 
Cr Coracoid (b). Her Epicoracoid. F. gl 
Fossa glenoidalis pro humero. m 
Mittelstiick (Clavicula, Episternum). 
In Fig. 98 bedeutet die Punktlinie ae 
die caudale Grenze des von Per be- \, 
deckten Teiles. Per Procoracoid (c). Ne 
Sc@ dorsaler Teil der Scapula (a). et 
Sev ventraler Teil der Scapula (a’). Fig. 98. 


Or 


sondern setzen sich in die nicht mehr erhaltenen medialen Knorpel- 
tele der von Anfang an bis nahe zur Mittellinie ausgedehnten 
Procoracoide fort. Es handelt sich also hier nicht um ein succes- 
sives freies Auswachsen eines urspriinglich lateral gelegenen kurzen 
Acromion (Nothosaurier) in der Richtung nach der Medianlinie 
zu, sondern um ein in dieser Richtung gehendes Fortschreiten 
der Ossifikation unter Verkiirzung der von Anfang an vorhandenen 


334 Max Fiirbringer, 


Knorpelteile'). Mit dieser Erklarung steht in bestem Kinklange 
das Verhalten der Clavikeln, die bei langen oder kurzen knéchernen 
Procoracoiden, auch bei Pliosauridae und Plesiosauridae, diesen 
immer nur (dorsal) angelagert sind, aber nicht — wie das der Fall 
bei zwei acromialen Fortsatzen sein sollte — zwischen ihnen liegen ; 
dieses Dazwischenliegen wurde durch den im Leben vorhandenen 
medialen Knorpelteil des Procoracoides unméglich gemacht. 

Auf Grund dieser Darlegungen besteht der primaire Brust- 
giirtel der Plesiosaurier aus einer verkiirzten, in ihrem yventralen 
Bereiche verbreiterten und etwas umgebildeten Scapula, aus 
einem ihr durch Naht verbundenen, sehr breit und machtig ent- 
wickelten Coracoid und aus einem synostotisch mit ihr ver- 
schmolzenen und ebenfalls durch Naht sich gegen das Coracoid ab- 
setzenden Procoracoid; bei der héchsten Ausbildung k6énnen 
Coracoid und Procoracoid durch Vermittelung eines vom Coracoid 
ausgehenden Proc. epicoracoideus auch medial sich durch Sutur 
verbinden. 

Der sekundire Schultergiirtel wird durch eine Clavicula 
reprasentiert, die — im Vergleiche zu den Nothosauriern — sich 
in verschiedenem Grade riickgebildet zeigt und, wie es scheint, 
sich auch mit dem Episternum synostotisch verbinden kann, in 
welchem Falle die Grenzbestimmung zwischen beiden Knochen 
erofen Schwierigkeiten unterliegt. 

Ein primares Brustbein, Sternum, ist bisher nicht auf- 
gefunden worden. Auf Grund der Konfiguration des Coracoides 
und des Episternum darf wohl als sicher angenommen werden, 
daf es vollig riickgebildet ist. 

Das sekundare Brustbein, Episternum, zeigt bei den tiefer 
stehenden Plesiosauriern noch eine mehr oder minder gute Ent- 
wickelung als breites, dem medialen Bereiche des Procoracoides 
dorsal angelagertes Mittelstiick 2), bei den héheren ist es betrachtlich 
riickgebildet, in Gestalt und Lage verandert und kann auch fehlen. 

Das Parasternum ist gut und kraftig entwickelt und be- 
stcht aus einer maSigen Anzahl kriftiger, vorwiegend quer ge- 


1) Da eine solche medialwiarts vorschreitende Verknécherung 
der ventralen (coracoidalen) Bestandteile des Schultergiirtels eine 
alleemeine Erscheinung bei Sauropsiden bildet, ist bekannt. 

2) Auch hier ist mit Verwachsungen mit den Clavikeln zu 
rechnen, so daf es sich zum Teil méglicherweise um Episternum 
+ Clavicula handelt. Das hintere Ende kann ventral von den Proc. 
epicoracoidei gedeckt werden resp. sich mit ihnen verbinden (Plesio- 
sauridae). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. O30 


lagerter Metameren, von denen jedes wohl je einem Rumpfmetamer 
entspricht. Jedes parasternale Metamer besteht aus Gliedern, die 
bis zur Siebenzahl entwickelt sind, einem unpaaren Mittelstiick 
und seitlichen Stabchen, die bis zu 3 Paar rechts und links sich 
finden kénnen. In dieser Konfiguration mengen sich primitivere 
und héhere Entwickelungszustinde; als relativ primitiv ist die 
Vielgliedrigkeit jedes parasternalen Metamers zu beurteilen (falls 
hier nicht sekundére Gliederungen vorliegen), als héhere Differen- 
zierung die geringe Zahl der parasternalen Metameren an sich 
und im Vergleich zu den Rumpfmetameren. 


Prem 


Fig. 99. Fig. 100. 


Fig. 99. Linker Humerus von Cimoliosaurus cf. trochantericus. Ventral- 
ansicht. (Nach HULKE.) 

Fig. 100. Linker Humerus von Cimoliosaurus eurymerus. Ventralansicht. 
(Aus LYDEKKER.) 


Der Humerus reprasentiert in der Anpassung an das Wasser- 
leben einen namentlich im distalen Bereiche abgeflachten Knochen, 
bei dem die Lange die gréfte Breite etwa 2—3mal iibertrifft. 
Nervenkanale sind meines Wissens an ihm nicht beobachtet worden. 


Wie schon erwahnt, bietet namentlich der Plesiosaurier-Zweig 
der Sauropterygier eine Konfiguration des primairen Schultergiirtels 
dar, die in wesentlichen Ziigen an die der Chelonier erinnert; 
damit harmoniert die véllige Riickbildung des primaren Brust- 
beins. Abweichend verhalten sich die Elemente des sekundiren 
Brustschulterapparates, bei beiden Abteilungen reduziert, aber bei 
den Cheloniern in das Plastron aufgenommen, bei den Plesiosauriern 
dagegen der Vorderinnenseite des primiren Schultergiirtels an- 


336 Max Firbringer, 


liegend. Noch gréfSer sind die Differenzen betreffend den Notho- 
saurier-Zweig, von den Mesosauria ganz zu schweigen. Alles dies 
eréffnet zahlreiche Fragestellungen betreffend die Vorgeschichte 
dieser Bildungen und insbesondere die progressiven und _ retro- 
graden Wege, welche ihre Entwickelung einschlug; — neuen gliick- 
lichen Funden der Zukunft wird vorbehalten sein, hier manches 
Dunkel zu lichten. Fiir zunichst méchte ich eine leidlich nahe, 
aber nicht zu tiberschaitzende Verwandtschaft in der Bildung des 
Brustschulterapparates der Chelonier und Sauropterygier befiir- 
worten. 


IV. Mesosauria. 


Die Mesosaurier sind eine kleine Gruppe altester, in dem 
unteren Perm gefundener Reptilien, die aus der von GERVAIS 
1856 begriindeten Gattung Mesosaurus (aus der unteren Karroo- 
formation) und dem von Corr 1885 aufgestellten nahe verwandten, 
vielleicht nicht einmal generisch von Mesosaurus verschiedenen 
Stereosternum (aus dem Permo-Carbon Brasiliens) bestehen; spiter 
wurden, namentlich durch SEELEY, noch andere Vertreter von 
Mesosaurus aus dem Karroo bekannt. 

Ueber ihre systematische Stellung differieren die Anschau- 
ungen noch sehr. Baur (1887), Cope (1887) und Zirren (1889) 
verbinden sie mit Proterosaurus und anderen Rhynchocephaliern 
zu dem Subordo Proganosauria. SEELEY vereinigt sie 1892 als 
Division Proganosauria mit der Div. Neusticosauria (= Lario- 
sauridae) zu dem Ordo Mesosauria, rechnet sie aber 1894 mit 
Wahrscheinlichkeit als besondere Ordnung Proganosauria s. Meso- 
sauria zu seinen Anomodontia (Theromorpha im weitesten Sinne). 
BouLENGER (1896) dagegen verleibt sie als erste Unterordnung 
seinem Ordo Plesiosauria (mit den 3 Subordines 1) Mesosauria, 
2) Nothosauria und 3) Sauropterygia [= Plesiosauria d. Aut.]) 
ein. Die Zahl ihrer Halswirbel betriigt mehr als 9, wie es scheint 
10—11 (BoULENGER), zeigt also Vermehrungen gegentiber den 
Rhynchocephaliern und Theromorphen, erreicht aber nicht die bei 
den Sauropterygiern beobachteten Zahlen. 

Die Untersuchung ergiebt zur Geniige sehr primitive EKigen- 
schaften, die zum Teil an Rhynchocephalier erinnern, und manche 
Aehnlichkeiten mit primitiven Sauropterygia und Theromorpha. 
Die hier gegebene relativ selbstandige Stellung in der Nahe der 
Stécke der Rynchocephalia, Theromorpha und namentlich Sauro- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 337 


pterygia soll nur eine vorlaufige sein und nichts hinsichtlich der 
specielleren Affinititen prajudizieren. 

Der Brustschulterapparat der Mesosauria ist unvoll- 
kommen bekannt. 

Der primiire Schultergiirtel besteht aus Scapula und Coracoid, 
die beide synostotisch miteinander verbunden sind und die Gelenk- 
flaiche fiir den Humerus bilden. Ueber die Scapula konnte ich 
nach den vorliegenden Beschreibungen und Abbildungen keine 
Klarheit gewinnen; es ist méglich, daf Teile des Coracoides s. 
lat. ihr zugerechnet wurden. Auch tiber das Coracoid gehen 


Ca.n.m 
Ee.u 
Cu 


Fig. 101. 


Fig. 101. Brustschulterapparat von Mesosaurus tenuidens. Ventralansicht. 
4, (Freie Kombination nach SEELEY.) Cl Clavicula. Cr Coracoid. er Epi- 
coracoid. F. gl Fossa glenoidalis pro humero. Per Procoracoid. Se Scapula. 

Fig. 102. Linker Humerus von Mesosaurus tenuidens. Verletzt. Ventral- 
ansicht. 3. (Nach SEELEY.) C.r Condylus radialis. C.w Cond. ulnaris. Ca. n.m 
Canalis nervi mediani (entepicondyloideus). Ze. Epicondylus radialis. Ze. u 
Epicond. ulnaris. 


die Angaben (Stereosternum Corr, Mesosaurus SEELEY) im Detail 
sehr auseinander. Es bildet eine breite und lange Knochenplatte, 
die mit medialem Einschnitt (Cope) oder mit Oeffnung (SEELEY) 
versehen ist und entweder (Stereosternum) mit dem der Gegen- 
seite im Verband tritt oder (Mesosaurus) es nach der Art wie 
bei Urodelen, Lacertiliern und Rhynchocephaliern iberlagert. 
Der hinter der Oeffnung liegende Teil kann als Coracoid, der 
vor ihr befindliche als Procoracoid und der medial von ihr ge- 
legene als Epicoracoid gedeutet werden. 

Fragmente eines sekundaren Schultergiirtels, Clavicula, sind 
vorhanden; ihre Gestalt wird von SEELEY als unpaarer, nach vorn 
konvexer Bogen rekonstruiert, also abweichend von den Bildungen 
anderer Reptilien. 


338 Max Firbringer, 


Ein primares Brustbein, Sternum, ist nicht bekannt; ver- 
mutlich reprisentierte es eine sehr kleine Knorpelplatte, wenn es 
iiberhaupt vorhanden war. Vom sekundaren Brustbein, Epi- 
sternum (Interclavicula), sind Fragmente gefunden worden, die 
aber nichts tiber seine Gestalt aussagen lassen. 

Kin Parasternum!) existiert bei Stereosternum wie dem 
kaum generisch von ihm unterschiedenen Mesosaurus. Bei Stereo- 
sternum werden von Cope zahlreiche sehr feine Staébchen ab- 
gebildet, die, zu mehreren gliederartig aufgereiht, ein paraster- 
nales Metamer bilden; gegen 5—6 solche Metameren kamen 
auf 1 Rumpfmetamer. Auch Sretey bildet von Mesosaurus zahl- 
reiche aufeinander folgende und an einander gereihte, spindel- 
formige Stibchen ab, an denen man je ein unpaares und mehr- 
fache paarige unterscheiden kann. Dieser Befund ist sehr primitiv 
und reiht sich nach Entwickelungshéhe den tiefer stehenden Proto- 
sauriern (Kadaliosaurus, Hyperodapedon) an. 

Der Humerus (s. p. 337) reprisentiert einen ziemlich langen 
Knochen, dessen Liinge die gré8te Breite reichlich 3 mal iibertrifft. 
Er erreicht im distalen Bereiche seine gréfte Breite, hat mifig 
entwickelte Muskelfortsitze und einen Canalis n. mediani. 

Die betreffenden Teile bieten verschiedene mehr allgemeine 
Anklange an Rhynchocephalier, Theromorphen und namentlich 
primitive Sauropterygier dar, sind aber noch zu divergent dar- 
gestellt, um sichere systematische Folgerungen zu gestatten. 


V. Theromorpha. 


Die Theromorpha [Theromora Corr ?), Anomodontia SEELEY °)| 
reprasentieren bekanntlich mit den Proterosauria und Mesosauria 
die iltesten Reptilienreste: ihr Schwerpunkt fallt in den Perm 
und Buntsandstein; nur einzelne Vertreter haben sich bis in die 
mittlere Trias erhalten‘), sie sind von sehr verschiedener Gro8e 


1) Abdominal protective Armature: Corp. — Ventral Armour: 
SEELEY. 

2) Nach Ausschluf der Subordines Parasuchia und Progano- 
sauria, von welch letzteren aber die Procolophontidae den Thero- 
mora verbleiben (Corr 1889). 

3) Nach Entfernung des O. Mesosauria (Sumtmy 1894). 

4) Die Placodontia des Muschelkalkes. — Ob die vereinzelten 
Pareiosauria und Dicynodontia aus dem Elgin-Sandstein dem Keuper 
oder tieferen Lagen des Trias angehéren, scheint noch nicht end- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 339 


und namentlich in ihren gréferen Formen von grofer Massigkeit. 
Dabei zeigen sie mit dem Skelettsystem der Saugetiere mancherlei 
Aehnlichkeiten, die seit alter Zeit aufgefallen sind und viele Au- 
toren veranlafit haben, sie fiir die Vorfahren der Mammalia zu 
halten oder wenigstens in ihnen diejenigen Reptilien zu erblicken, 
welche sich von dem gemeinsamen (sauro-mammalen) Stamme der 
Reptilien und Mammalia am friihesten und den Siugetieren am 
meisten benachbart abgezweigt haben. 

Ueber die Theromorphen ist mehr als tiber viele andere Rep- 
tilien-Abteilungen gearbeitet worden — vor allen sei an Owen, 
Huxtey, Cope und S£eLey erinnert — aber die mafige Erhal- 
tung der fossilen Reste, namentlich ihr so oft geléster Zusammen- 
hang, hat der Untersuchung grofie Schranken und Schwierigkeiten 
auferlegt. Die verdflentlichten Systeme (OwEN, Copr, ZITTEL, 
SEELEY, LyDEKKER, HAECKEL), bei denen aus nahe_ liegenden 
Griinden der Schwerpunkt auf der Beschaffenheit des Schadels 
und Gebisses, sowie des Sacrum liegt, differieren namentlich in 
der Reihefolge der einzelnen Unterabteilungen erheblich. Ich 
schlieSe mich im wesentlichen SEELEY und HAECKEL an und unter- 
scheide danach, ohne irgendwie in das Detail einzugehen, die pri- 
mitivere Ordnung der Therosuchia (Theriodontia, mastocephale 
Theromora) und die specialisiertere der Therochelonia (Anom- 
odontia Owern, chelycephale Theromora), Die Therosuchia 
setzen sich zusammen aus dem homodonten Subordo Pareio- 
sauria (mit den Familien der Pareiotichidae s. Procolophontidae, 
Pareiosauridae, Clepsydropidae und wohl auch Diadectidae), 
den Uebergangs-Unterordnungen Gorgonopsia und Dino- 
cephalia und den heterodonten Subordines Deuterosauria 
(vielleicht auch mit den Placodontia), Theriodontia (Pelyco- 
sauria CopE mit den Lycosauridae, Cynodontidae und Gomph- 
odontidae) und Endothiodontia. DieTherochelonia werden 
von den dicynodonten (nur mit 2 Eckziihnen versehenen) oder 
udenodonten (zahnlosen) Subordines Dicynodontia und K isto- 
cephalia gebildet, wobei noch nicht véllig gesichert ist, ob die 
Existenz oder der Mangel dieser Eckzihne als Familiencharakter 
oder, was wahrscheinlicher, als blofe Differenz der Geschlechter 
(dicynodonter $, udenodonte @) zu gelten hat. 


giltig entschieden zu sein. Ebenso differieren die Auffassungen 
tiber das Alter der einzelnen Stufen der Karrooformation (Perm, 
Buntsandstein) nicht unerheblich. 


340 Max Fiirbringer, 


Die Kenntnis des Brustschulterapparates der Thero- 
morphen lift noch zu wiinschen tibrig; doch sind bei Vertretern 
der verschiedensten Abteilungen besser erhaltene Stiicke oder 
wenigstens Fragmente des priméren und sekundaren Schulter- 
siirtels und des Episternum gefunden worden. Ueber die Existenz 
eines Parasternum wissen wir nichts Sicheres und Genaues. 

Der primare Schultergtirtel besteht aus einer ziemlich 
langen, mibig breiten und, abgesehen von dem verdickten ven- 
tralen Ende, ziemlich diinnen Scapula, die ventral durch  feste 
Sutur oder Anchylose mit dem Coracoid und Procoracoid (Kpi- 
coracoid) verbunden ist'). Die Breite der Scapula ist miafig 
bei Pareiosaurus und Keirognathus, dagegen im dorsalen Bereiche 


Fig. 103. Fig. 105. 


Fig. 103. Brustschulterapparat von Procolophon trigoniceps. Ventral- 
ansicht. %. (Frei nach SEELEY.) 

Fig. 104. Fragment des Brustschulterapparates von Pareiosaurus bombi- 
dens. Linke Seite, Ventralansicht. 4. (Frei nach SEELEY.) 

Fig. 105. Desgl. Durchschnitt von Clavicula und Episternum. (Nach 
SEELEY.) 

Ql Clavicula. Cr Coracoid. Zs¢ Episternum. F. gl Fossa glenoidalis. Per 
Procoracoid (Epicoracoid). 


recht ansehnlich bei Deuterosaurus; die iibrigen Scapulae haben 
mittlere Dimensionen. Ihre Richtung wird sehr verschieden an- 
gegeben; in den meisten Fiillen mag sie eine der transversalen 
nahekommende gewesen sein, doch werden auch von SEELEY 
Restaurationen mit erheblich descendenter (Keirognathus) oder 
ascendenter Richtung (Deuterosaurus und der ihm nahe verwandte 
Rhopalodon) angegeben. Am Vorderrand findet sich nicht selten 
ein Acromion”) (Pareiosaurus, Dicynodontia), mitunter (Cyno- 

1) Bei Aristodesmus ist der Verband, wie es scheint, ein ein- 


fach synchondrotischer. 
2) Acromion: LypEKKer 1893. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 341 


enathus) auch eine férmliche Crista scapulae’), wahrscheinlich fiir 
den Verband mit der Clavicula. Das ventrale Ende beteiligt sich 
mit dem Coracoid und mitunter auch Procoracoid an der Bildung 
der Gelenkfliche fiir den Humerus. Ein, wie es scheint, bei den 
tiefsten Theromorphen nicht oder nur wenig entwickelter Fortsatz 
an der yorderen ventralen Ecke der Scapula, Proc. procoracoideus 
scapulae ?), dient dem Verbande mit dem Procoracoid und_bildet 
dann mit diesem die vordere Begrenzung eines Foramen coraco- 
scapulare, das somit bei den primitiveren Formen durch eine In- 
cisura (Semifenestra) coraco-scapularis vertreten wird. 


Clth Cl Per Est Per Cl Clth 


YY 
Sc £.cse))|. Or Per 
F’. spe 


Fig. 106. Restauration des Brustschulterapparates von Pareiosaurus baini. 
Cl Clayicula. Clth Cleithrum? (Epiclavicle or Mesoscapula SEELEY). Zs¢ Epi- 
sternum. F.gl Fossa glenoidalis pro humero. F.spe Foramen supracoracoideum. 
I.cse Incisura (Fenestra?) coraco-scapularis. Per Procoracoid (Epicoracoid). 
Sc Scapula. (Nach SEELEY.) 


Der ventrale Teil des primiren Schultergiirtels ist in der trans- 
versalen Dimension viel schmiler, in der sagittalen aber breiter als 
die Scapula; in gewissem Gegensatze zu der Mehrzahl der Rep- 
tilien *) wird er durch zwei separat verknéchernde Teile, ein hin- 
teres Coracoid und ein vorderes Procoracoid (Epicoracoid), beide 
durch eine transversale Naht voneinander getrennt, repriisentiert. 
Kin ahnliches Verbalten findet sich auch bei Monotremen (und 
in reduzierten Zustande auch bei den Jugendstadien der meisten 
anderen Siiugetiere), und diese Aehnlichkeit ist mit anderen 
Aehnlichkeiten von zahlreichen Autoren fiir die Begriindung der 


1) Prescapular ridge: Srey. 

2) Von verschiedenen Autoren irrtiimlich als Acromion be- 
zeichnet, worauf schon LyppKker aufmerksam macht. — Bei den 
Procolophontidae (Procolophon, Aristodesmus) und Pareiosauridae 
(Pareiosaurus) wird nichts davon beschrieben oder abgebildet. 

3) Wie bereits im Vorgehenden ausgefiihrt, sind auch bei den 
Chelonia und Sauropterygia Procoracoid und Coracoid durch Naht 
geteilt. 


342 Max Firbringer, 


nahen Verwandtschaft der Theromorpha und Mammalia verwertet 
worden); ich vermag darin nicht mehr als eine ziemlich ober- 
flichliche Parallelitét resp. Konvergenzanalogie und auch nichts 
nur fiir Theromorpha und Mammalia Charakteristisches zu er- 
blicken, da, wie schon hervorgehoben, auch Chelonia und Sauro- 
pterygia eine Scheidung des Procoracoides durch Naht aufweisen. 
Das Coracoid?) bildet den hinteren, mit der Scapula_ sich 
hauptsichlich an der Bildung der Gelenkhéhle fiir den Humerus 
beteiligenden Teil des ventralen Schultergiirtels und kommt dem 


Per Cr F. gl Se Per Cr| F.gl Se 
F’. spe 


Fig. 107. Fig. 108. 
Fig. 107. Restauration des linken primiren Schultergiirtels von Deutero- 
saurus. Lateralansicht. (Nach SEELEY.) 


Fig. 108. Restauration des linken primiren Schultergiirtels von Rhopal- 
odon. Lateralansicht. (Nach SEELEY.) 


Procoracoid an Gréfe gleich; mitunter kann es gréfer, mitunter 
kleiner als dieses sein. Medialwarts wird es etwas breiter und 
bildet einen konvexen oder winkelig gebogenen Rand, der in seinem 
hinteren Teile mit dem Sternum in gelenkige Verbindung getreten 
ist. Das Procoracoid (Epicoracoid)*) ist der vordere Teil des 


1) Howns (1893) scheidet danaech die coracoidalen Bildungen 
der Tetrapoden in unicoracoidale (Amphibien, alle lebenden Rep- 
tilien, Végel) und bicoracoidale (einige Anomodontia, Mammalia, 
Ichthyosauria und Nothosauria [?]). Ich kann diese Verteilung nur 
zum ‘Teil anerkennen. 

2) Coracoid gs. str. der meisten Autoren. — Metacoracoid: 
LypekKker, Howes, Osporn. 

3) Clavicula coracoidea anterior: Mecxs (bei Ornithorhynchus). 
— Epicoracoid: Cuvier, GrecenBpAur, Huxtry, W. K. PArksr, 
Howes, Corn, LypeKkKrer, Ossporn. — Procoracoid, Praecoracoid : 
Sapatipr, Hurxs, Sepnny. — Coracoid: Lyprxxer 1893. — Ver- 
gleichbar der das Foramen supracoracoideum lateral begrenzenden, 
bisher gewoéhnlich der Wurzel des Procoracoides zugeteilten Partie 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 345 


ventralen Schultergiirtels und partizipiert, wie es scheint aber 
nicht immer, mit einem kleineren Anteile an der Gelenkhohle fiir 
den Humerus’). Bei den am tiefsten stehenden Theromorphen 
Aristodesmus ?), Procolophon und Pareiosaurus ragt es rostral- 
wirts erheblich tiber das Niveau des vorderen Randes der Scapula 
vor und ist von dieser durch eine ansehnliche, hinten von Coracoid 


Se 


i | WM 
\ 
Cr. se <i 4 l 


i 


Acr 


F. spe 


Per 
Cr 


Figl F. airs gl Cr 
Per 


Fig. 109 u. 110. Fig. 112. Fig. 113. 


Fig. 109 u. 110. Linker primiirer Schultergiirtel von Cynognathus cra- 
teronotus. Fig. 109 Ansicht von vorn, Fig. 110 Lateralansicht. 2. (Nach 
SEELEY.) 

Fig. 111. Linke Secapula von Gordonia huxleyana. Lateralansicht. 4. 
(Nach NEWTON.) 

Fig. 112. Clavicula (?) von Gordonia huxleyana. 4. (Nach NEWTON.) 

Fig. 113. Linker primiirer Schultergiirtel eines Dicynodonten (Ptycho- 
siagum?). Lateralansicht. 1. (Nach LYDEKKER.) 

Acr Acromion. Cl Clavicula. Cr Coracoid. Cr. sc Crista scapulae. F. gl 
Fossa glenoidalis pro humero. F.spe Foramen supracoracoideum. Per Pro- 
coracoid (Epicoracoid). Se (Scapula). x Verbindungsstelle mit dem Coracoid. 
ze Verbindungsstelle mit dem Procoracoid (Proc. procoracoideus scapulae), 


des urodelen Coracoides: Erster (1895). — Diese Benennungen be- 
zichen sich griftenteils auf die entsprechend verglichenen Teile 
der Saugetiere. 

1) Bei Pareiosaurus besitzt es nach der von Sertpy gegebenen 
Restauration keine Beziehungen zum Schultergelenk; bei den Deu- 
terosauria, Cynodontia und Dicynodontia sind dieselben sehr aus- 
gepragt. 

2) Ich beziehe mich hierbei auf die von SrrnEy (1896) ge- 
gebene Beschreibung und Umdeutung der Wieprersnerm’schen Deu- 
tungen an Labyrinthodon riitimeyeri (1878), den Ske_ey als einen 
primitiven Theromorphen (Aristodesmus) anerkannte. 

Bd. XXXIV. N. F. XXVIL. 293 


i 


344 Max Firbringer, 


und Scapula begrenzte Incisura coraco-scapularis getrennt; auch 
kann sich noch zwischen Coracoid und Procoracoid oder im Cora- 
coid ein kleiner Kinschnitt resp. Loch (foramen supracoracoideum) 
finden; bei den anderen bekannten Schultergiirteln von Thero- 
morphen hat sich der schon oben angegebene Verband zwischen 
Scapula und Procoracoid ausgebildet, wodurch die Incisur zum 


Fig. 114. Restauration des Brustschulterapparates yon Keirognathus cor- 
dylus, ‘Dorsalansicht. 4 der Originalabbildung. (Nach SEELEY.) 

St Sternum. Est Episternum. Uebrige Bezeichnungen siehe bei Fig. 109 
bis 113. 


Foramen (Fenestra) coraco-scapulare geschlossen wurde. Bei 
diesen hat der ventrale Schultergiirtel auch zumeist eine geringere 
sagittale Dimension und ragt rostral viel weniger tiber den vor- 
deren Rand der Scapula vor. 

Der sekundare Schultergiirtel besteht aus einer 
nur bei einigen Arten leidlich erhaltenen Clavicula; Rudimente 
derselben wurden bei den meisten Theromorphen gefunden. Ver- 
mutlich wird ihre Existenz bei dieser Ordnung eine sehr ver- 
breitete, wenn nicht allgemeine gewesen sein. Bei guter Aus- 
bildung reprisentiert sie einen langen und kriftigen Stab, welcher 
medial durch Sutur mit dem Episternum verbunden ist und lateral 
iiber das Procoracoid hinweg nach dem Vorderrande der Scapula 
zieht, an den er sich in ziemlich grofer (Pareiosaurus) oder sehr 
groBer Ausdehnung (Keirognathus) fest anlegt. Das ist ein recht 
primitiver Befund, der in gewisser Hinsicht an die Ichthyosaurier 
erinnert. Bei Pareiosaurus findet SEELEY (1893/94) noch ein be- 
sonderes Knochenstibchen, das in dorso-lateraler Verlingerung der 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 345 


Clavicula auf dem Vorderrande der Scapula liegt, das er Epi- 
clavicle or Meso-scapula benennt und als separat ossifizierendes 
Element der Scapula (Spina scapulae) betrachtet. Wie Baur 
(Stegocephali, 1896) hervorhebt, kann auch an ein Rudiment des 
Cleithrum gedacht werden, eine Deutung, welche alle Beachtung 
verdient und, wenn als richtig erwiesen, dem Brustschulterapparat 
von Pareiosaurus erhdhte Bedeutung geben wirde. Der von 
NewTon bei der dicynodonten Gordonia als Clavicula bezeichnete 
Knochen ist relativ kurz und an einem Ende (vielleicht dem scapu- 
laren) etwas verbreitert. 

Ein primares Brustbein, Sternum, ist meines Wissens 
bisher nur bei den héchsten Theromorphen, den Therochelonia, 
gefunden worden. Bei dem zu den Kistocephalia gehérigen Keiro- 
enathus stellt es (SEELEY) eine breite, im hinteren Bereiche nicht 
mehr vollstandige Knochenplatte dar, welche an das Prosternum 
der Monotremen erinnert und vorn mit dem Episternum (das 
vielleicht auch zum Teil seiner Aufenfliche auflag) sowie ge- 
lenkig mit den Coracoiden verbunden war; von Rippenartiku- 
lationen ist nichts mehr erhalten. Bei den tieferen Theromorphen 
existierte vermutlich ein knorpeliges Sternum. 

Das sekundire Brustbein, Episternum (Interclavi- 
cula), reprisentiert einen im Detail wechselnden, in der Haupt- 
sache aber T-férmigen Knochen, der mit seinen Seitenschenkeln 
den Vorderraindern der Procoracoide aufliegt, mit seinem Liangs- 
schenkel, die medialen Rander von Procoracoid und Coracoid 
deckend, sich nach hinten bis zum Sternum erstreckt. Bei Pro- 
colophon ist die T-Form am besten erhalten, die Lange jedes Quer- 
schenkels betragt knapp °/, derjenigen des Lingsschenkels. Auch 
bei Pareiosaurus sind die Querschenkel, welche mit ihrer rinnen- 
formig ausgehéhlten Vorderflaiche die Clavikeln tragen und um- 
fassen, noch ansehnlich entwickelt. Aristodesmus zeigt bei recht 
grofer Breite und Linge des Lingsschenkels nur ganz kurze 
Seitenschenkel, wobei aber Lisionen derselben nicht ausgeschlossen 
sind. Bei Keirognathus ist der breite Liingsschenkel an der Grenze 
von Procoracoid und Coracoid ausgebaucht. Auch bei den anderen 
Theromorphen sind Fragmente gefunden worden, aus denen aber 
keine sicheren Schliisse auf die Gestalt und GréSe des Episternum 
zu ziehen sind. 

Der Humerus bildet einen, namentlich bei den gréSeren 
Tieren, sehr massig und plump gebauten Knochen, der durch eine 


hohe Entwickelung seiner Muskelfortsitze, insbesondere des weit 
23 * 


346 Max Fiirbringer, 


distalwirts reichenden Proc. lateralis‘), sowie der beiden Epicon- 
dylen, von denen der ulnare meist der ansehnilichere ist ?), sich 
charakterisiert. Auch eine ansehnliche Eminentia m. latissimi 
dorsi fiir die Insertion des M. latissimus dorsi kann ausgebildet 
sein (insbesondere bei Platypodosaurus) *). Proximaler und nament- 
lich distaler Abschnitt des Humerus sind erheblich breiter als die 
Mitte desselben, so dal diese bei der Ansicht von vorn oder hinten 
oft recht tief eingeschniirt erscheint. Meist ist der Humerus nur 


Prom 
Prom : 


Ca.n.m 


Ca.n.m 


Ee.u 
Clu 


Ec.u +s 
Ca SZ 


Fig. 115. Linker Humerus von 
Gomphognathus. Ventralansicht. 2. 
(Nach SEELEY.) 

Fig. 116. Linker Humerus von 
Cynodraco. -Ventralansicht. (Nach 
OWEN.) 

Fig. 117. Linker Humerus von 
Platypodosaurus robustus. Ventral- 
ansicht. (Nach OWEN.) 

C.r. Condylus radialis. C.w Cond. 
ulnaris. Ca.n.m Canalis nervi mediani 
(entepicondyloideus). Ca.n.7 Canalis 
nervi radialis (ectepicondyloideus). Cp 
Caput humeri. Ze.r Epicondylus §ra- 
dialis. Le.w Epicond. ulnaris. Him. ld Emi- 
nentia m. latissimi dorsi. Pr./ Processus 
lateralis. Pr.m Proc. medialis. 


1) Radial crest, Crista delto-pectoralis der Autoren. 

2) Kine auffallende Ausnahme bildet insbesondere das Genus 
Herpetochirus (SeELny 1895), wo der Epicondylus ulnaris in Korre- 
lation zur Verkleinerung der Ulna kaum entwickelt ist. 

3) Auch als Crista tricipitalis bezeichnet; doch kommt der M. 
triceps fiir dieselbe kaum in Frage. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 347 


doppelt so lang als breit, kann bei Gorgonopsiden (Titanosuchus) 
und Dicynodontien noch kiirzer und plumper sein, aber auch 
etwas schlankere Formen zeigen (Procolouphon, Theriodesmus, ge- 
wisse Cynodontia). Ein ansehnlich entwickelter Canalis n. mediani 
(entepicondyloideus) ist, wie es scheint, immer ausgebildet, ein 
kleinerer Canalis (resp. Sulcus) n. radialis (ectepicondyloideus) 
mitunter (Deuterosaurus s. Brithopus, Gomphognathus und wohl 
noch manche andere Theromorphen) vorhanden. 


VI. Dinosauria. 


Die Dinosaurier reprisentieren eine grofe Abteilung von 
Reptilien, die im Gegensatze zu den Theromorphen ihre Haupt- 
entwickelung erst im Jura gewinnt; relativ wenige Vertreter 
(Zanclodontidae und Anchisauridae, von HAEcKEL als Arctopoden 
zusammengefaft) +) finden sich in der oberen Trias (Keuper), also 
gleichzeitig mit den parasuchen und pseudosuchen Crocodiliern 
(Phytosauria und Aétosauria); die tiberwiegende Mehrzahl bevélkert 
den Jura und in einer Anzahl denselben tiberlebender oder zu spe- 
cieller Differenzierung kommender Familien die Kreide. Mit derselben 
erlischt die ganze Ordnung vollstaindig; aufgefundene FuSspuren 
machen es wahrscheinlich, da8 sie auch schon in der alteren Trias 
eine weitere Verbreitung und mannigfache Differenzierung besal. 

Die genauere Kenntnis der Dinosaurier ist namentlich durch 
die Arbeiten und Funde von Huxiry, MarsH und Cops, sowie 
HuLKeE, SEELEY, LYDEKKER und DOLLo in hohem Grade geférdert 
worden; Mars verdanken wir die Auffindung des zahlreichsten 
Materiales und eine nach und nach immer vollkommener gewordene 
Klassifizierung desselben, die in der Hauptsache von den meisten 
Palaontologen und Morphologen angenommen worden ist. Auf 
Grund derselben aft sich die relativ hochstehende Abteilung der 
Dinosaurier in die drei Entwickelungsrichtungen der theropoden, 
sauropoden und orthopoden (pradentaten) Formen sondern. Die 
Theropoda zeigen mancherlei, aber schon ziemlich entfernte 
Anklange an Rhynchocephalier und diirften die relativ primitivsten 
unter den bekaunten Dinosauriern enthalten; die Sauropoda 
erinnern in mancher Hinsicht an die parasuchen Crocodile; die 
Orthopoda_ s. Praedentata (mit den Unterabteilungen der 


1) Ob auch Tanystropbaeus (Muschelkalk) hierher gehért, ist 


noch nicht gesichert. 


348 Max Fiirbringer, 


Stegosauria, Ceratopsia und Ornithopoda), welche 
namentlich in den Ornithopoda die am héchsten stehenden Dino- 
saurier enthalten, scheinen unter den Reptilien isolierter dazu- 
stehen, erinnern aber namentlich in der Struktur ihres Beckens 
und ihrer hinteren Extremitait an die Vogel. Viele Autoren haben 
daraufhin nahere Verwandtschaften mit diesen befiirwortet, ja 
selbst in den Orthopoden die Vorganger derselben resp. gewisser 
Abteilungen von ihnen (Ratiten) erblickt. Ich habe mich 1888 
(S. 1592—1650) gegen diese Ableitung oder die Annahme naherer 
Verwandtschaften, namentlich aber gegen die Trennung der Végel 
in zwei diphyletisch entstehende Stimme (Ratiten und Carinaten) 
ausgesprochen. 

Die besondere Differenzierung der einzelnen Abteilungen ist 
eine so scharf ausgepragte, da’ einige Untersucher die Dino- 
saurier in 2—3 Ordnungen oder Abteilungen noch héheren Ranges 
aufgelést haben: SmELEY (1887) und ich (1888, p. 1044, 1608 ff.) 
in 2 auf Grund der erheblichen Differenz in der Struktur des 
Beckens (Saurischia SEELEY == Theropoda und Sauropoda; Ornith- 


ischia SEELEY — Orthopoda), Baur (1891) in 3 (Megalosauria 
Baur = Theropoda; Cetiosauria BAurR — Sauropoda; Iguan- 
odontia Baur = Orthopoda). Die zum Teil sehr auffallenden 


Unterschiede dieser Abteilungen beruhen indessen in der Haupt- 
sache auf progressiven, sekundaren Differenzierungen, so dab 
ich im Gegensatze zu meiner Anschauung von 1888 jetzt mehr 
fiir eine monophyletische Abstammung der Dinosaurier eintreten 
mochte. 

Die bei vielen ihrer Vertreter mehr oder minder hoch ent- 
wickelte Hohlraumbildung im Skelettsysteme (Pneumatisierung) hat 
HarckeL (1895) veranlaBt, daraufhin die Dinosaurier mit den 
Pterosauriern als warmbliitige Reptilien, Dracones, vor den anderen 
Reptiliern hervorzuheben resp. als zwischen ihnen und den Voégeln 
stehende Abteilung aufzufassen und mit den Crocodiliern und Végeln 
zu der Subclassis Ornithocrania der Sauropsiden zu vereinigen. 

Wie markante Besonderheiten auch das Skelettsystem der 
verschiedenen Abteilungen der Dinosaurier in vieler Hinsicht dar- 
bietet, so zeigt der Brustschulterapparat doch bei Allen 
eine gewisse Gleichformigkeit, wobei die nicht erheblichen Dif- 
ferenzen auch keine Verteilung nach den Subordines gestatten, 
sondern sich anscheinend ohne feste Regel innerhalb derselben 
finden. Auch dies spricht wenig fiir einen polyphyletischen Be- 
ginn der Dinosaurier. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 349 


Wie bei den eusuchen Crocodiliern und den Chamaeleontia 
besteht der Schultergiirtel der Dinosaurier nur aus einem pri- 
maren Schultergiirtel; Elemente eines sekundiren Schulter- 
giirtels sind bisher nicht gefunden worden. Er setzt sich zu- 
sammen aus der erheblich gréferen Scapula und dem viel kleineren 
Coracoid, die mit einander durch Naht verbunden sind und sich, 
die Scapula dabei meist iiberwiegend, an der Bildung der Gelenk- 
flache fiir den Humerus beteiligen. Die Scapula bildet einen 


Se 


Cr * —A, a 
F. gl TaN 


‘4 
(AYN 

F. spe ti Z, 
\ WN 4 y 


Fig. 118. Fig. 119. 


Fig. 118. Linker Schultergirtel von 
Thecodontosaurus platyodon. Lateralan- 
sicht. 1. (Nach MARSH.) 
Fig. 119. Linker Schultergiirtel von 
Anchisaurus colurus. Lateralansicht. +. 
(Nach MArsH.) Se 
Fig. 120. Linker Schultergirtel von 
Brontosaurus excelsus. Lateralansicht. 4. 
(Nach MARSH.) Pl. spese ~ 
Cr Coracoid. F.gl Fossa glenoidalis 
pro humero. F.spe Foramen supracoraco- 
ideum. Pl.spese Planum m. supracoraco- 
scapularis. Se Scapula. — Die Stellung des 
Schultergiirtels auf diesen und den folgen- ls 
den Figuren entspricht der natiirlichen Fig. 120. 
Lage am Rumpfe (nach MARsn). 


langen, platten, am meisten an das Schulterblatt der Crocodilier 
erinnernden Knochen, der von oben und hinten nach unten und 
vorn zur Verbindungsstelle mit dem Coracoid herabsteigt und 
hierbei an Starke zunimmt. Meist verliuft sie hierbei geradlinig, 
kann aber auch in geringerem (Hypsilophodon, Iguanodon) oder 
starkerem Grade (Claosaurus) konvex nach vorn und oben gebogen 
sein. Ihre Grove hangt einigermafen von der Gréfenentfaltung der 
vorderen Extremitaét ab und schwankt innerhalb der Lingsdimen- 


350 Max Firbringer, 


sionen von 4—8 Rumpfwirbeln und dariber; ihre Breite wechselt 
selbst nach der Species!). Gewéhnlich bildet sie in ihrer Haupt- 
ausdehnung eine relativ schmale, lange Platte, die bei gewissen 
Gattungen (Thecodontosaurus unter den Theropoda, Morosaurus 
und Brontosaurus unter den Sauropoda, Scelidosaurus, Campto- 
saurus und Hypsilophodon unter den Orthopoda) eine mafbige Ver- 
breiterung am dorsalen Ende zeigt. Weit bemerkenswerter ist die 
Verbreiterung und rostrale Vorragung des unteren Endes, die bei 
den Sauropoden und Stegosauriern scharf und plotzlich hervor- 
tritt und annahernd die dreifache Breite des Schaftes erreichen 
kann, bei den Theropoden selten tiber die doppelte Breite hinaus- 
geht, bei den meisten Ornithopoden aber noch unbedeutender ist 
und nur vereinzelt zu einer geringen Vorragung nach vorn fihrt; 
bei Claosaurus und Triceratops kann man nicht mehr von Ver- 
breiterung sprechen. Diese verbreiterte Stelle weist einen leisten- 
formig erhéhten Vorderrand (Crista scapulae s. deltoides) auf, 
der offenbar einem M. deltoides scapularis inferior (wie bei den 
Crocodilen) Ursprung darbot, und eine daran anscnlicBende breite 
plankonkave Flache (Planum supracoracoscapulare), welche dem 
scapularen Teile eines sehr ansehnlichen M. supracoracoscapularis 
als Ausgangsstelle diente; wie der Vergleich mit den Crocodiliern 
und Chamaeleontiden darthut, hat diese Vorragung nichts mit 
einem Acromion zu thun; an ein solches erinnert mehr die kleine 
Hervorragung am vorderen Rande der Scapula bei Claosaurus, 
worauf schon MaArsxH hinweist. Ob sich an das dorsale Ende der 
Scapula ein nennenswerter Knorpelsaum (Suprascapulare) anschlof, 
entzieht sich der Beurteilung; wenn vorhanden, war er wohl recht 
schmal. Das Coracoid tritt in seiner sagittalen und namentlich 
transversalen Dimension erheblich gegen die Scapula zuriick; seine 
transversale Ausdehnung betragt meist nur den dritten oder vierten 
Teil der scapularen Lange (bei Stegosaurus etwas mehr, bei 
anderen, z. B. dem theropoden Thecodontosaurus und den ornitho- 
poden Camptosaurus dispar und Claosaurus etwas weniger), seine 
sagittale Breite bleibt meist hinter der Breite des ventralen 
Endes der Scapula zuriick, wobei Triceratops mit nahezu gleich 
breitem und Anchisaurus mit sehr zuriicktretendem, schmalem 
Coracoid die Grenzen bilden. Sein vorderer und medialer Rand 
zeigt in der Regel einen abgerundeten Kontur; bei gewissen 


1) So hat Iguanodon mantelli eine erheblich schmilere Scapula 
als Ig. bernissartensis (Dotto 1882). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. Jol 


Dinosauriern (z. B. bei den sauropoden Apatosaurus, Brontosaurus 
und Titanosaurus, sowie dem ornithopoden Laosaurus) treffen sich 
Medial- und Vorderrand unter abgerundetem rechten Winkel. Im 
ersteren Falle erinnert die Gestalt des Coracoides an einen Qua- 
dranten (in dessen Centrum die Gelenkfliche fiir den Humerus 
liegt), im letzteren an ein Quadrat oder Rechteck mit abge- 
stumpften Ecken; abweichende Formen bieten Anchisaurus und 


Cr. se 
Pl. spese 
F. gl 

F, spe 
Or 


Fig. 121. 


Fig. 121. Linker Schultergiirtel 
von Stegosaurus ungulatus. Lateral- 
ansicht. ;!,. (Nach MARSH.) 

Fig. 122. Linker Schultergiirtel 
von Triceratops prorsus. Lateral- 
ansicht. =!,. (Nach MARSH.) 

Fig. 125. Linker Schultergiirtel 
von Claosaurus annectens. Lateral- 
ansicht. 34. (Nach MARsH.) 

Acr Acromion? Cr Coracoid. 
Or.se Crista scapulae. F.gl Fossa 
glenoidalis pro humero. F.spe Fo- 
ramen supracoracoideum. Pl. spesc 
Planum m. supracoracoscapularis. 
Se Scapula. 


Claosaurus dar. Gewohnlich ist das Coracoid yon einem ansehn- 
lichen Foramen supracoracoideum fiir die gleichnamigen Gefale 
und Nerven durchbohrt; mitunter (Allosaurus, Ceratosaurus, Stego- 
saurus, Iguanodon bernissartensis ind.) tritt dasselbe an den scapu- 
laren Rand des Coracoides und bildet hier eine Incisur, die aber 
noch ausschliefSlich im coracoidalen Bereiche liegt und vermutlich 
durch das die Verbindung von Scapula und Coracoid bewirkende 
Knorpelgewebe (Faserknorpel) gegen die Scapula abgeschlossen 


392 Max Fiirbringer, 


wurde. Bei Anchisaurus wurde das Foramen supracoracoideum 
vermift, ein ebenso merkwiirdiger Befund wie bei Champsosaurus 
(vergl. 5S. 292, Anm. 1). Der mediale Rand des Coracoides ist 
rauh, was auf ansitzenden Knorpel schliefen Jaft; tiber seine 
Ausdehnung, sowie tiber die Gelenkung des Coracoides mit dem 
Sternum ist bisher nichts Genaueres eruiert. Das Coracoid der 
Dinosaurier reprasentiert eine Bildung fiir sich; nur eine ent- 
ferntere Aehnlichkeit zu dem der Chamaeleontia lift sich an- 
gveben; das parasuche und eusuche Coracoid weicht mehr ab. 

Kin sekundarer Schultergiirtel, Clavicula, ist bis- 
her nicht aufgefunden worden; was man friiher dafiir ansprach 
(Marsu 1881, HuLke 1883, 1885) hat sich als dem Sternum an- 
eehérige Bildungen erwiesen. Die Moéglichkeit einer Existenz des- 
selben ist aber, worauf auch der acromion-artige Fortsatz bei Clao- 
saurus (p. 350 und p. 351 Fig. 123) hinweist, selbst bei Ornitho- 
poden nicht ausgeschlossen'). Vermutlich, wenn iiberhaupt noch 
claviculare Elemente gefunden werden sollten, wird es sich nur 
um Rudimente handeln. 

Das primaire Brustbein, Sternum, bietet bei den 
Dinosauriern, als Kennzeichen ihrer héheren Stellung, Ossifikationen 
dar. Dieselben sind bisher bei den Theropoda, Stegosauria und 
Ceratopsia vermi8t worden und bei diesen im ganzen etwas tiefer 
stehenden Abteilungen der Dinosaurier vielleicht noch nicht aus- 
eebildet. Bei den Sauropoden (Brontosaurus, Cetiosaurus) treten 
sie in Gestalt von ziemlich kleinen ovalen paarigen Knochenplatten, 
bei den Ornithopoden entweder als lingere gestielte (beilférmige) 
paarige Platten ([guanodon, Hadrosaurus, Claosaurus) oder, in 
weiter vorgeschrittner Verknécherung, als unpaare rhombische 
Knochentafel (Hypsilophodon) auf‘). Auer diesen Ossifikationen 


1) Die ovalen Platten von Brontosaurus wurden zuerst von 
Marsu (1881) als sternale Knochen abgebildet und beschrieben, 
die beilférmigen von Iguanodon dagegen von ihm (1881, 1882) und 
Huuke (1883, 1885) als Claviculae gedeutet, wahrend Dotto (1883, 
1885) ihre Natur als sternale Ossifikationen tiberzeugend nachwies 
und darin bald von Baur (1885) und Corn (1886, der sie auch bei 
Hadrosaurus — Diclonius nachwies) Unterstiitzung fand; spiter 
(1892) ist. auch Marsu von seiner alten Deutung abgegangen und 
hat entsprechend lange Knochenstiicke bei Claosaurus als Sternal- 
teile beurteilt. Von Strenny wurden sie 1891 als Praepubis ge- 
deutet, wogegen sich Koxrn 1892 mit Recht wendet. Die unpaare 
Sternalplatte von Hypsilophodon wurde 1882 von Hutxe als Sternal- 
gebilde beschrieben (vergl. auch Dotto 1888). 


9 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. dDo 


wird das Sternum der Dinosaurier noch ausgedehnt aus Knorpel 
bestanden haben, der auch die Rippenartikulationen trug. Ueber 
dessen Form 1Jaft sich aber nichts aussagen. 


Fig. 124. Fig. 125. 


Fig. 124. Sternale Ossifikationen von Brontosaurus excelsus. 3). (Nach 
MARSH.) 
Fig. 125. Sternale Ossifikationen von Claosaurus annectens. ;'5. (Nach 


MARSH.) 


Ein sekundares Brustbein, Episternum, ist bisher 
nicht bekannt. Ueber seine mégliche Existenz gilt das bei der 
Clavicula (p. 352) Gesagte. 

Parasternale Gebilde sind bisher nur in mehr oder minder 
rudimentairem Zustande bei Theropoda [Megalosaurus s. Poikilo- 
pleuron't) und Compsognathus] gefunden worden; sie aihneln den 
eleichfalls schon reduzierten der Crocodilier. Bei den héheren 
Dinosauriern (Sauropoda, héhere Orthopoda) scheinen sie ganzlich 
riickgebildet zu sein; ihre Existenz bei anderen Theropoda, nament- 
lich Zanclodon und Anchisaurus, diirfte dagegen sehr wahrschein- 
lich sein. 

Der Humerus bietet einen je nach der Ausbildung der 
vorderen Extremitait recht verschieden entwickelten Knochen dar; 
da, wo diese gut entfaltet ist (einzelne Sauropoda, Stegosauria, 
Ceratopsia, gewisse Ornithopoda, z. B. Iguanodontidae), zeigt er 
auch eine ansehnliche, oft ganz massige Aushildung (vor allem bei 
den Stegosauria und Ceratopsia), wihrend er bei den Familien 
mit mehr oder minder verkleinerter vorderer Gliedmafe (meiste 
Theropoda und Ornithopoda) sehr zuriicktritt. Seine Linge be- 
wegt sich danach innerhalb der Extreme von 3—4 (Ceratosaurus, 
Anchisaurus, Compsognathus, Camptosaurus) bis zu 6—8 Wirbel- 
langen (Triceratops, Hypsilophodon, Iguanodon). Auferdem sind 


1) Zuerst von Destonecuames 1838 nachgewiesen. 


354 Max Firbringer, 


schlankere Formen (z. B. bei den theropoden Anchisaurus, Compso- 
enathus, Ceratosaurus und Hallopus und den ornithopoden 
Laosaurus und Hypsilophodon) von plumperen und kraftigeren 
(namentlich bei Megalosauria, Stegosauria und Ceratopsia) zu 


Cp 


(Pr. 1) 


Fig. 131. 


Fig. 126. Linker Humerus von Stegosaurus ungulatus. Dorsalansicht. 
j;. (Nach MARSH.) 

Fig. 127, Linker Humerus von Triceratops prorsus. Dorsalansicht. ;;. 
(Nach MARSH.) 

Fig. 128. Linker Humerus von Claosaurus annectens. Lateralansicht. 
iss (Nach MARsH.) 

Fig. 129. Linker Humerus von Thecodontosaurus platyodon. Lateral- 
ansicht. 32. (Nach MARSH.) 

Fig. 130. Linker Humerus von Anchisaurus colurus. Lateralansicht. 4. 
(Nach MARSH.) 

Fig. 131. Linker Humerus von Compsognathus longipes. Fragment. 
Lateralansicht. 1. (Nach MARSH.) 

C.r Condylus radialis. @.« Cond. ulnaris. Cp Caput humeri. Ec.r Epi- 
condylus radialis. Ze.w Epicond. ulnaris. Pr./ Processus lateralis. (Pr.l) Stelle 
des Proc. lateralis. Pr.m Proc. medialis. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 35d 


unterscheiden, welche durch verschiedene Massigkeit des ganzen 
Humerus und ungleiche Ausbildung seiner Muskelfortsaitze von- 
einander differieren. Bei den schlankeren Formen erinnert der 
Humerus etwas an den der Crocodile, bei den massigeren, deren 
extreme Formen (Palaeosaurus, Stegosaurus und namentlich Tri- 
ceratops) ein Verhiltnis der Linge zur gréften Breite wie 7:4 
zeigen, findet sich eine ganz kolossale, selbst die Verhiltnisse bei 
den Theropodon tbertreffende Entwickelung des Proc. lateralis in 
Gestalt einer proximal und lateral und zugleich in weiter distaler 
Ausdehnung (bis weit tiber die Mitte des Humerus) vorspringenden 
michtigen Leiste, die auf eine eminente Entwickelung der Mm. 
pectoralis, deltoides und namentlich (hohe Entfaltung des proxi- 
malen Bereiches des Proc. lateralis) des M. supracoracoscapularis 
schliefen laft'). Der Proc. medialis ist auch gut ausgebildet, 
tritt aber sehr gegen seinen lateralen Nachbar zuriick. Hinter 
(distal von) dem Ende des Proc. lateralis ist der Humerus einge- 
engt, um sich dann wieder im distalen Bereiche mit der kraftigen 
Entfaltung der Epicondylen (radialis und ulnaris) zu verbreitern ; 
doch erreicht diese Verbreiterung lange nicht diejenige im Be- 
reiche des Proc. lateralis. Damit weicht der Humerus nicht 
unerheblich von dem der Theromorpha ab. Nervenkanale sind, 
ebenfalls im Unterschiede von den Theromorpha, aber im Ein- 
klange mit der tiberwiegenden Mehrzahl der Crocodilia, bei den 
Dinosauriern nicht beobachtet worden. 

Ein solides Extremititenskelett kennzeichnet die quadrupeden 
Sauropoda, Stegosauria und Ceratopsia, ein hohles die vorwiegend 
bipeden Theromorpha und Ornithopoda. 


VII. Patagiosauria (Pterosauria). 


Die Patagiosaurier, gewohnlich Pterosaurier oder Ornitho- 
saurier genannt?), bilden eine nicht groBe Gruppe hoch specia- 


1) Die coracoidale und scapulare Ursprungsfliiche des M. supra- 
coracoscapularis ist hier sehr ausgedehnt; bei Triceratops, wo der 
ventrale Teil der Scapula wenig rostralwiérts vorspringt, reicht sie 
dafiir an der Scapula dorsalwiirts recht weit hinauf. 

2) Wie sehr ich dem Grundsatze huldige, auch fiir die gréferen 
Abteilungen nicht ohne Not neue Namen einzufiihren, so habe ich 
doch 1888 (Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der 
Vogel, 8. 1614, sowie 1040 und 1608) fiir die Pterosaurier die Be- 
zeichnung Patagiosaurier anwenden zu miissen geglaubt, um 


356 Max Firbringér, 


lisierter Reptilien, deren sicher erwiesene Reste erst im unteren 
Jura beginnen; im oberen Jura und der Kreide gewinnt die Ord- 
nung ihre héchste Entfaltung, um am Ende der letzteren auszu- 
sterben. Es mu8 auf Grund der Organisation der Formen aus 
dem unteren Jura, die den Patagiosaurier-Typus bereits in  voll- 
kommener, hoher Ausbildung aufweisen, angenommen werden, dal 
Patagiosaurier schon in der Trias existierten; beobachtete Reste 
und Abdriicke aus dem Keuper geben dieser Annahme eine ge- 
wisse reelle Grundlage !). 

Die Kenntnis der vorliegenden Ordnung ist namentlich durch 
die Arbeiten von H. v. MEYER, Owkn, SEELEY, MARSH, ZITTEL 
und WinLisron geférdert worden; ihnen, wie HAECKEL, verdanken 
wir auch eine Klassifikation desselben, die — nachdem man friiher 
3—4 Unterabteilungen angenommen — am zweckmafigsten die 
beiden Subordines der langschwanzigen und kurzschwanzigen 
Patagiosaurier unterscheidet. Erstere, die Rhamphorhynchia 
der Autoren (Pterodermata SEELEY, Draconura HAECKEL), ergeben 
sich als die tiefer stehende, mit den Dimorphodontidae im unteren 
Jura beginnende und in den Rhamphorhynchidae im oberen Jura 
zu hoherer Entfaltung kommende Abteilung; letztere, die Orni- 
thocheiria s. Pterodactyla der Autoren’) (Dracochira 
HarckeL nach Ausschlu8 der Ornithocheiridae) reprasentieren die 
héhere Gruppe, die, erst im oberen Jura (mit der Subfamilie 
Pterodactylinae WiLListon) beginnend, im Wealden und in der 
Kreide ihre Hauptentfaltung gewinnt und nach dem Verhalten des 
dorsalen Endes der Scapula in die beiden Familien der Ptero- 
dactylidae und Ornithocheiridae verteilt wird °). 


damit zugleich im Namen das unbedingte und wesentliche Unter- 
scheidungsmerkmal — Flughiaute anstatt befiederte Fliigel — dieser 
Sauropsiden-Abteilung gegeniiber den Végeln auszudriicken. Auf 
die Begriindung desselben werde ich am Schlusse dieser Abhandlung 
zuriickkommen. 

1) Harcxen fait diese, durch einen relativ kiirzeren Flugfinger 
(5. Finger) gekennzeichneten Formen als Familie Rhamphodontida 
zusammen. 

2) Ornithocheiroidea Sprtey (1891), Pterydactyloidea WiiuistoNn 
(1897). Die friiher den Rhamphorhynchia eingereihten oder als fiir 
sich bestehende langschwinzige Abteilung aufgefaften Ornitho- 
cheiridae sind auf Grund der inzwischen erlangten genaueren 
Kenntnis ihres Baues mit den Pteranodontidae Sretey (Ornitho- 
stomatinae Winuiston) zu den Ornithocheiroidea Srriey (Ornitho- 
cheiridae Writiston) verbunden worden. 

3) Pterodactylidae und Ornithocheiridae haben bezahnte und 
zahnlose Formen; letztere (Nyctodactylinae und Ornithostomatinae) 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 307 


In ihrem Bau bieten die Patagiosaurier, bei sehr groBen Ab- 
weichungen, auch mancherlei Analogien mit den Végeln dar, und 
verschiedene Autoren wurden dadurch veranlaft, nihere genetische 
Zusammenhinge zwischen Patagiosauriern und Végeln zu_befiir- 
worten oder eine Abstammung der Végel resp. eines Teiles der- 
selben (Carinaten) von den Patagiosauriern zu statuieren (MIVART, 
WIEDERSHEIM u. A.). Gegen diese Annahmen habe ich mich 
1888 (p. 1592—1630) ausfiihrlich ausgesprochen (vergl. auch die 
Ausfiihrungen am Ende dieser Abhandlung). 


Die Patagiosaurier bieten eine hochgradige Pneumaticitit 
ihres Knochensystemes dar, was SEELEY (1870, 1891) nebst 
anderen Griinden (Gréfe des Gehirns, mutmafliche Teilung des 
Herzens in 4 Kammern etc.) dazu fiihrte, sie als Warmbliiter auf- 
zufassen. Ich habe mich (1888, p. 1630—41) auch itiber diesen 
Punkt und die damit zusammenhiingende Frage der Poékilothermie 
und Homéothermie geaiufert; HArckrL 1895 hat die Patagio- 
saurier, wie schon erwahnt, mit den Dinosauriern zu den warm- 
bliitigen Dracones vereinigt und bezeichnet die herrschende An- 
sicht von der Kaltbliitigkeit der Dinosaurier und Pterosaurier als 
nicht minder hypothetisch als seine Annahme von der Warm- 
bliitigkeit derselben. 


Der Brustschulterapparat der Patagiosaurier besteht 
wie bei den Chamaeleontia und Dinosauria nur aus Bestand- 
teilen des priméaren Schultergiirtels und des primaren Brustbeines. 
Von sekundairen Elementen desselben ist nichts gefunden worden; 
nur das Parasternum ist erhalten geblieben. Dafiir hat aber der 
primare Brustschulterapparat eine Entwickelung gewonnen, welche 
diejenige bei den Dinosauriern in Héhe der Ausbildung und ein- 
seitigen Differenzierung noch itibertrifft. 


Der primare Schultergiirtel besteht aus Scapula und 
Coracoid, beides verlingerte und dementsprechend in schrager 
Richtung nach vorn zu ihrer Vereinigungsstelle, Prominentia coraco- 
scapularis, verlaufende Knochen, welche in der iiblichen Weise 
sich an der Bildung der Gelenkhéhle fiir den Humerus beteiligen. 
Die Art ihrer Verbindung, sei es durch Synchondrose (resp. Sym- 


wurden friiher als besondere Abteilung zusammengefaft und den 
bezahnten Formen (Pterodactylidae und Ornithocheiridae) gegeniiber- 
gestellt. Nach den Nachweisen yon Sretey und WituistTon ist das 
nicht mehr festzuhalten. 


358 Max Firbringer, 


physe)+) oder Sutur, sei es durch Synostose, wechselt; beiderlei 
Verbinde finden sich bei tieferen und héheren Patayiosauriern, 
selbst innerhalb der Gattung?); doch erscheint bei den héchsten 
Specialisten (Ornithocheiridae)- die Anchylose zu iiberwiegen *), 
Durch die schrage Richtung der beiden annahernd gleich langen 
Knochen wird von den Achsen derselben ein Winkel gebildet, der 
kleiner als ein Rechter ist und sich bis zu 60° zuschairfen kann. 
Damit kommt eine Einrichtung ahnlich wie bei Crocodiliern und 
namentlich Végeln zustande, doch handelt es auch hierbei nur 
um eine Parallel-Erscheinung, die hier wie dort der VergréSerung 
der Ursprungsfliche fiir die Muskeln der vorderen Extremitit 
Vorschub leistet *). Die Scapula bildet einen langen Knochen (in 

Se = 


Fig. 132. Fig. 133. Fig. 134. 

Fig. 132. Rechter Schultergiirtel von Ramphorhynchus phyllurus. Medial- 
ansicht. 4. (Nach MARSH.) 

Fig. 133. Linker Schultergiirtel von Pterodactylus crassirostris. Lateral- 
ansicht, 3. (Nach H. v. MEYER.) 

Fig. 134. Rechter Schultergiirtel von Pterodactylus longicollum. Medial- 
ansicht. 1. (Nach H. v. MEYER.) 

Gemeinsame Bezeichnungen: Cr Coracoid. Sc Scapula. 

1) Zum Teil mit konvexen und konkaven Formen der sich 
verbindenden Knochenenden. 

2) Dies hebt schon H. y. Mrynr hervor. Dabei ist indessen 
auch mit verschiedenen Altersstadien zu rechnen. 

3) Erwahnt sei, daf gerade bei den héchsten und hinsichtlich 
des Fhegens leistungsfahigsten Formen der Végel (Carinaten) der 
Winkel spitz, aber die Verbindung von Scapula und Coracoid be- 
weglich ist, bei den primitiveren und im Fluge degenerierten 
Formen (Ratiten) dagegen stumpfer und die Verbindung der beiden 
Komponenten des Schultergiirtels durch Synostose vermittelt wird. 
Also das umgekehrte Verhalten wie bei den Patagiosauriern. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 359 


der Linge von etwa 4—7 Dorsalwirbeln)‘'), der von hinten und 
oben nach vorn und unten gerichtet ist. Bei den meisten Patagio- 
sauriern ist sie im gréS%ten Teile ihres Verlaufes schlank und 
diinn und nur am unteren vorderen, mit dem Coracoid verbundenen 
Ende verdickt und verbreitert, wobei aber die verbreiterte Stelle 
nicht die bedeutende Ausdehnung oder plétzliche Hervorragung 
wie bei manchen Dinosauriern (p. 350) gewinnt. Das dorsale Ende 
der Scapula liuft bei den meisten Patagiosauriern frei aus, und 
zwar nicht selten ohne jede Verbreiterung und selbst zugespitzt ; 
bei den héchsten Typen derselben (den Ornithocheirinae und Orni- 
thostomatinae) ?) tritt es dagegen unter robusterer Gestaltung mit 
einer besonderen Flache an den Dornen dreier verwachsener Dor- 
salwirbel (wohl der 3 ersten) *) in, wie es scheint, gelenkige Ver- 


Se Vid Se 


Fig. 135. Restauration des Brustschulterapparates yon Ornithocheirus. 
Frontalansicht. 2. Cr Coracoid. F.gl Fossa glenoidalis pro humero. Sc Scapula. 
Sp.st Spina sterni. St Sternum (in Wirklichkeit oh von anderer Gestalt). 
V.d Dorsalwirbel. (Nach SEELEY.) 


1) Auf dem von SrEtny (1891) mitgeteilten Querschnittsbilde 
von Ornithocheirus hat die Scapula nur die Lange von knapp 
3 Wirbeln; da dieses aber nur ihre transversale Projektion wieder- 
giebt, die Scapula in Wirklichkeit schrag von hinten und oben nach 
vorn und unten zieht, diirfte die wirkliche Langsausdehnung der- 
selben wohl gegen 4 Dorsalwirbellangen betragen. 

2) Vergl. Marsu 1882 (Sauranodon = Ornithostoma), SEELEY 
1891 (Ornithocheirus) und Winuiston 1897 (Ornithostoma). 

3) Wiruiston aft bei Ornithostoma den 2., 3. und 4. Dorsal- 
wirbel verwachsen sein und diesem Wirbelkomplexe 7 Cervikal- 
wirbel und 1 freien Dorsalwirbel vorausgehen; zugleich aber giebt 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 94 


360 Max Firbringer, 


bindung. Dieser dem Schultergiirtel einen ahnlichen festen Aus- 
gang gebende Verband mit der Wirbelséule wie dem Becken- 
giirtel durch die Verbindung mit dem Sacrum reprisentiert eine 
Specialisierung, die unter den tetrapoden Wirbeltieren (wenn man 
von dem nur eine recht entfernte Analogie darbietenden Verhalten 
bei den Cheloniern absieht) ohne Gleichen dasteht; bekanntlich 
ist aber Aehnliches selbst in noch héherem Grade bei den Rochen 
ausgebildet. Das schlanke, annihernd gleich lange, meist aber ein 
wenig kraftigere Coracoid?) erstreckt sich von der coraco-sca- 
pularen Prominenz an in descendenter Richtung nach hinten, unten 
und medialwérts nach dem Sternum?), um mit der Basis von 
dessen Spina an beschrankter Stelle zu artikulieren *); der tibrige 
Vorderrand des Sternum bleibt von einer gelenkigen Verbindung 
mit dem Coracoid frei. Auch darin spricht sich eine Specialisie- 
rung aus, welche kein anderer Sauropside, tiberhaupt kein tetra- 
podes Wirbeltier darbietet. Von Wriiursron (1897) werden noch 
Muskelfortsatze, sowie an der Verbindungsstelle mit der Scapula 
ein grofes ovales Foramen beschrieben. Ob der ausgewachsene 
primare Brustgiirtel noch knorpelige Teile enthielt, laft sich nicht 
bestimmt verneinen; ist aber nicht wahrscheinlich. 

Das primaire Brustbein, Sternum, bildet eine ansehn- 
liche, breite, aber diinne Platte, welche nach aufen gewdélbt ist 
und an ihrem Vorderende einen langen, scharfen und kraftigen 
medianen Fortsatz trigt, der bei gewissen Patagiosauriern (Rham- 
phorhynchus) zugleich in der Form einer Crista iiber den Anfang 
der sternalen Aufenfliche sich ausdehnt, bei der Mehrzahl der 


er an, dali die 1. Rippe dieses Wirbelkomplexes (also die zu seinem 
2. Dorsalwirbel gehérige) die erste mit dem Sternum verbundene 
ist. Danach mu ich anders zihlen als er: der Wirbelkomplex 
wiirde aus den 3 ersten Dorsalwirbeln bestehen, der Hals aber aus 
8 gelenkig verbundenen Wirbeln, deren letzter — wie in der 
Regel bei Reptilien — eine lingere, aber doch das Brustbein nicht 
erreichende Rippe (Cervikalrippe) trug. 

1) Hiaufiger ist es ein wenig linger, seltener etwas kiirzer als 
die Scapula. 

2) Hierbei scheint die Richtung medial- und ventralwarts zu 
tiberwiegen. Bei Ornithostoma giebt Witutston in seinem Restau- 
rationsbilde eine transversale Lage des Coracoids an. Man wird 
hierbei auch mit der, wie es scheint, grofen Beweglichkeit zwischen 
Sternum und Coracoid zu rechnen haben. 


3) Wrutuiston beschreibt bei Ornithostoma eine sattelformige 
Gelenkfliche. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 361 


Vertreter aber lediglich eine Vorragung des Vorderrandes repra- 
sentiert. An seiner Basis trigt er die Gelenkflichen fiir die 
Coracoide. Damit ist eine gewisse Analogie zu den Verhaltnissen 
bei Végeln gegeben. Die Bildung bei Ramphorhynchus macht 
wahrscheinlich, daf es sich um eine Kombination von Crista 
und Spina (Cristo-spina) handelt, wobei sich die erstere, ahnlich 
wie unter den Végeln bei Tubinares und Steganopodes, mehr und 
mehr auf den vordersten Teil des Sternum lokalisiert hat); bei 
den tibrigen Patagiosauriern kann man nur von einer Spina 


Crsp. st 


F.art.cr Sp.st F.art.er 


Fig. 136. Bion Asi. Fig. 138. 
Fig. 136. Sternum von Pterodactylus longicollum. Ventralansicht. 4. 


(Nach H. v. MEYER.) 

Fig. 137. Sternum von Ramphorhynchus phyllurus. Ventralansicht. 3. 
(Nach MArsn.) 

Fig. 138. Sternum yon Ornithostoma sp. Ventralansicht. 4. (Nach 
WILLISTON.) 


Crsp.st Cristo-spina sterni. F.art.cr Facies articularis pro coracoideo. 
Sp.st Spina sterni. 


sprechen, die eine ganz allgemeine Aehnlichkeit mit dem gleich- 
namigen Gebilde bei den Végeln besitzt und wohl hauptsichlich 
der Befestigung des Coracoides und dem Ursprunge der Mm. 
pectoralis, supracoracoideus und subcoracoideus mit ihren auf das 
Sternum iibergreifenden Partien gedient haben mag”). Die ster- 
nale Platte ist in der Regel breiter als lang, bei gewissen Rampho- 


1) Auch Sreney erinnert an die Verhiltnisse bei Diomedea 
und Mergus (vergl. auch meine Ausfiihrungen 1888, p. 1602). 

2) Namentlich in friherer Zeit ist auch an einen Vergleich 
mit dem Episternum (Interclavicula) gedacht worden; derselbe ist 
nicht zulassig, da nicht die mindeste Grenze gegen die sternale 
Platte existiert, wird aber namentlich durch die coracoidalen Ge- 
lenkflachen verboten. 


24. * 


362 Max Firbringer, 


rhynchidae und Pterodactylidae in mafigem, bei anderen Rampho- 
rhynchidae und namentlich bei Ornithostoma in héherem Grade. 
Hierbei ist aber damit zu rechnen, dafi wir tiber die wirkliche 
Ausdehnung derselben wegen der Nichterhaltung der Knorpelteile 
nicht orientiert sind. An die Spina schliefen sich beiderseits die 
mehr oder minder schrag nach hinten und aufen geneigten Vor- 
derrander an. Auf dieselben folgen, bald in allmahlichem Ueber- 
gange, bald scharfer von ihnen abgesetzt, die Seitenrander, die 
bei Rhamphorhynchus nicht deutlich und einigermafen zweifel- 
haft, bei Nyctidactylus und Ornithostoma in vdllig gesicherter 
Weise die Facetten fiir die Sternocostalien (4 an der Zahl) tragen; 


Pit ET Se Or Sp.st Cr Coh 


Co.4 Co.1 St Co.1 Co.4 


Fig. 139. Restauration des Brustschulterapparates nebst Humerus von 
Ornithostoma ingens. Ventralansicht. 5. Co Costa. Cp.h Caput humeri. Cr 
Coracoid. H Humerus. Pr.1 Processus lateralis humeri. Sc Scapula. Sp. st Spina 
sterni. St Sternum. (Frei nach WILLISTON.) 


das Sternum von Pterodactylus bietet nichts davon dar, vermut- 
lich, weil die betreffenden lateralen Rander des Sternum hier 
noch knorpelig waren!). An die Seitenrander schlieSt sich, gut 
von ihnen abgegrenzt oder allmahlich aus ihnen tibergehend, der bald 
konvexe, bald geradlinige Hinterrand an; wie weit derselbe die 
wirkliche hintere sternale Grenze bildet, in einen wie breiten 
Knorpelsaum er sich noch fortgesetzt haben mag, ist nicht zu 
sagen; die héchsten Formen scheinen ein sehr breites, aber ziem- 
lich kurzes Sternum besessen zu haben. 

Parasternale Bildungen, in der Regel aus feinen Stiben 


1) Auch die mehr oder minder abgerundeten Konturen des 
Sternum von Pterodactylus sprechen fiir knorpelige Umrandungen. 
Nach der Richtung der ventralen Teile der ersten gréferen Rippen 
ist eine Artikulation mit 4—5 Sternalrippen hier wahrscheinlich 
(ZITTEL). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 363 


bestehend, sind bei verschiedenen Patagiosauriern beobachtet 
worden ; bei Pterodactylus wird ihre Uebereinstimmung mit Sphen- 
odon angegeben, bei Ramphorhynchus ihre grofe Feinheit (Zrrret), 
AmMON (1886, p. 517, Anm. 25) laBt jedes parasternale Metamer 
ahnlich wie bei den Rhynchocephalia vera aus einem winkelig 
gebogenen Mittelstiick und einem rechten und linken Seitenstab 
bestehen, welche letzteren mit ihren lateralen Enden ohne Inter- 
vention von Verbindungsstabchen oder Knorpelteilen direkt mit 
den knéchernen Rippenenden gelenkig sich verbinden. Nach den 
vorhandenen besseren Abbildungen scheint jedes parasternale Meta- 
mer einem Rumpfmetamer zu entsprechen. In allen diesen 
Konfigurationen spricht sich ein relativ recht vorgeschrittenes 
Degenerations-Stadium des Parasternum aus. 

Der Humerus bildet durchweg einen ansehnlichen, lufthal- 
tigen Knochen von 7—10 Dorsalwirbellingen und kennzeichnet 
sich zugleich, abgesehen von dem sehr verbreiterten proximalen 


Em. ld 


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Fig. 140. Fig. 141. 


Fig. 140. Linker Humerus von Ramphorhynchus gemmingi. Dorso- 
lateralansicht. 8 (Nach H. v. MEYER.) 


Fig. 141. Linker Humerus yon Pterodactylus kochi. Dorsalansicht. 
&. (Nach H. v. MEYER.) 

C.r Condylus radialis. Cp Caput humeri. Zc. Epicondylus radialis. 
Em.id Eminentia m. latissimi dorsi. Pr.J Processus lateralis. Pr.m Proe. 
medialis. 


Teile, durch relative Schlankheit und mafige Kriimmung seines 
Schaftes. Seine Lange iibertrifft seine mittlere Dicke um das 
5—-fache, dagegen seine gré$te proximale Breite nur um das 
2—3-fache. Proc. lateralis und Proc. medialis, namentlich aber der 
erstere sind sehr kraftig entwickelt und prominieren insbesondere 
proximal so stark, daf das zwischen ihnen befindliche Caput 
humeri sogar teilweise gegen sie zuriicktreten kann; dagegen ist 


364 Max Firbringer, 


— sehr im Unterschiede zu den meisten Sauropsiden, namentlich 
aber den Theromorphen und Dinosauriern — der Proc. lateralis 
wenig in die Linge entwickelt, indem er gewohnlich nur das proxi- 
male '/, bis 1/, des Humerus einnimmt. Diese Konfigurationen 
lassen darauf schlieSfen, da8 die Mm. supracoracoideus (supracoraco- 
scapularis), scapulo-humeralis posterior und subcoracoscapularis 
eine relativ hohe Entfaltung besafen, der M. pectoralis dagegen 
keine so abnorme Starke darbot, wie es von vornherein von einem 
fliegenden Tiere erwartet werden konnte, und der M. deltoides 
nur mittelstark entwickelt war!). Nicht selten ist auch die In- 
sertionsstelle des M. latissimus dorsi durch eine Eminentia m. lat. 
dorsi gekennzeichnet. Das distale Ende des Humerus zeigt die 
beiden Epicondylen (radialis und ulnaris) in ziemlich schwacher 
Ausbildung und bietet daher, im diametralen Gegensatze zu den 
Theromorphen und Rhynchocephalen, nur eine geringfiigige Ver- 
breiterung dar. Nervenlécher wurden ebensowenig wie bei den 
Dinosauriern bisher beobachtet. 


§ 14. 


Nerven fir die Schultermuskeln °). 


Litteratur *). 


Firprincer, M., Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. 
Ill. Morph. Jahrb. I, 1875, 8S. 636—816. Leipzig 1876. 
Juprine, H. v., Das peripherische Nervensystem der Wirbeltiere. 
Leipzig 1878. (Angaben iiber die Wurzelzahlen des Plexus bra- 

chialis bei vielen Lacertiliern und Crocodiliern.) 


1) Ich halte deshalb die von verschiedenen Autoren gewiihlten 
Bezeichnungen Crista deltoidea, Crista deltoideo-pectoralis fiir den 
Proc. lateralis gerade bei den Patagiosauriern fiir nicht sehr glick- 
lich. Die von Wiuiston, wie es scheint, fiir den Proc. medialis 
gebrauchte Benennung Bicipital Crest ist mir unverstiandlich, da der 
M. biceps brachii bei allen lebenden Sauropsiden keine Anheftung 
am Humerus hat, sondern denselben nur passiert; ich glaube nicht, 
daf sich die Patagiosaurier in diesem Stiicke wesentlich anders 
verhielten. Am Proc. medialis inserieren die Mm. scapulo-humeralis 
posterior und subcoracoscapularis. 

2) und 3) auf folg. Seite. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 365 


Sauvacs, H. E, Etude sur le membre antérieur du Pseudope de 
Patuas. Ann, Science. nat., (6. sér.) Zoologie, VII, Art. 15 (13 pp.). 
Paris 1878. (Kurze Notiz, da’ der Plexus brachialis bei Ophi- 
saurus apus [Pseudopus Pallasii] nicht vorhanden sei. Meine 
Beschreibung und Abbildung desselben aus dem Jahre 1875 ist 
dem Autor unbekannt geblieben.) 

Ftrsrincer, M., Zur Lehre von den Umbildungen der Nerven- 
plexus. Morph. Jahrb., V, 8. 324—394. Leipzig 1879. 

Carusson, A., Untersuchungen iiber die Gliedmafenreste bei Schlangen. 
Bihang till K. Svensk. Vet. Akad. Handl., XI, 1885, No. 11 
(38 pp.). Stockholm 1886. (Angaben iiber den Plexus brachialis 
bei Chalcides (Seps) tridactylus, Pygopus lepidopus und Amphis- 
baena vermicularis.) 

Savuvacn, H. E., Note sur le plexus brachial et le plexus sacro- 
lombaire du Zonure géant. Bull. Soc. Zoolog. de France 1887, 
p- 489—499. Paris 1887. (Beschreibung des Plexus brachialis 
von Zonurus giganteus.) 

Brooxs, H. Sr. J., On the Morphology of the Extensor Muscles. 
Stud. Mus. Zool. Dundee I, No. 5 (17 pp.) Dundee 1889. (Notiz 
tiber den N. radialis von Sphenodon punctatus.) 

Ssuretpt, R. W., Contributions to the Study of Heloderma su- 
spectum. Proc. Zool. Soc. London, 1890, p. 148—244. (Zahlen 
der Wurzeln des Plexus brachialis von Heloderma suspectum.) 


2) Zur neueren eigenen Untersuchung dienten: Lacertilia. 
Geckonidae: Hemidactylus mabouia Mor., Gecko verticillatus 
Lavr.; Uroplatidae: Uroplates fimbriatus Scun.; Scincidae: 
Lygosoma olivaceum Gray; Gerrhosauridae: Zonosaurus mada- 
gascariensis Gray; Lacertidae: Lacerta ocellata Daup.; Teji- 
dae: Ameiva surinamensis Laur.; Zonuridae: Zonurus cordylus 
L.; Anguidae: Anguis fragilis L.; Iguanidae: Phrynosoma 
cornutum Haru.; Agamidae: Calotes jubatus D. et B.; Vara- 
nidae: Varanus niloticus L. — Amphisbaenidae: Trogonophis 
wiegmanni Kavup, Amphisbaena alba L. — Chamaeleontidae: 
Chamaeleo vulgaris Daup., Brookesia superciliaris KuHL. — Rhyncho- 
cephalia. Sphenodontidae: Sphenodon punctatus Gray. (4 Exem- 
plare von 33, 40, 48 und 50 cm Lange, von denen ich das kleinste 
der Giite des Herrn Prof. T. J. Parker in Dunedin, die beiden 
groften der freundlichen Vermittelung des Herrn Prof. R. Semon in 
Miinchen verdanke, ferner eine abgeliéste vordere Extremitat mit 
Schultergiirtel von einem 23 cm langen Exemplar und ein eben aus- 
geschlipftes Junges von 7,5 cm Linge. Die Méglichkeit der Unter- 
suchung der beiden letzten Objekte (die indessen nur auf einige 
Punkte untersucht wurden] gewihrte mir das Entgegenkommen des 
Herrn Prof. H. Scuavrnstanp in Bremen.) — Crocodilia. Croco- 
dilidae: Alligator mississippiensis Daun. (All. lucius)). 

3) Beziiglich der ganzen friitheren Litteratur ist die Abhandlung 
von 1875 (Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln, III 
Morph. Jahrb. I, 8S. 636—816) zu vergleichen. 


366 Max Firbringer, 


Osawa, G., Beitriage zur Anatomie der Hatteria punctata. Arch. f. 
mikr. Anat., LI, S. 481—691. Bonn 1898. (Genaue Beschreibung 
des Plexus brachialis und seiner Verzweigungen, sowie Angabe 
der Innervation des M. trapezius von Sphenodon punctatus.) 


Dieser Abschnitt enthalt auf Grund eigener Untersuchungen 
eine kurze Darstellung der Plexus brachiales einer Anzahl kiono- 
kraner Lacertilier, Amphisbaenier und Chamaeleontier, sowie 
eine genauere Analyse der betreffenden Nervenverhiltnisse bei 
Sphenodon punctatus. Zugleich wird die seit meinen 1875 und 
1879 verdffentlichten Arbeiten erschienene Litteratur zusammen- 
gefaft. Im tibrigen verweise ich auf meine friiheren Verdffent- 
lichungen. 


A. Kionokrane Lacertilia. 
(Vergl. Taf. XIV, Fig. 113.) 


Die seit 1875 erschienenen Arbeiten tiber den Plexus bra- 
chialis beschrinken sich in der Hauptsache auf Angaben tiber die 
Wurzeln des Hauptplexus bei einer grofen Anzahl von Lacertiliern 
(von JHERING, CARLSSON, SHUFELDT). SAUVAGE giebt eine mangel- 
hafte und groSenteils unrichtige Beschreibung der weiteren Ver- 
zweigung des Plexus von Zonurus. Meine neueren Untersuchungen 
betreffen die Plexus brachiales yon Hemidactylus, Gecko, Uro- 
plates, Lygosoma, Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, Zonurus, Anguis, 
Phrynosoma, Calotes und Varanus. 

Auf Grund dieser Beobachtungen werden die Wurzeln des 
Hauptplexus?) bei der tiberwiegenden Mehrzahl der kionokranen 
Lacertilier von dem 6. bis 9. Spinalnerven gebildet; von JHERING 
fand dieses Verhalten bei zahlreichen Reprasentanten der Gecko- 
nidae, Scincidae, Lacertidae, Tejidae, Zonuridae, Iguanidae (inkl. 
Anolidae) und Agamidae, aber auch bei Varanus salvator, CARLSSON 


1) Als Hauptplexus habe ich in den Untersuchungen zur Mor- 
phologie und Systematik der Végel (1888) denjenigen Teil des 
Plexus brachialis bezeichnet, welcher die Nn. brachiales superiores 
und inferiores, sowie die Nn. thoracici inferiores abgiebt, somit den 
Gesamtplexus nach Abzug der Nn. thoracici superiores (weiteres 
s. unten bei Beschreibung des Plexus brachialis der Rhynchocephalia 
p. 375 f.). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 367 


bei Seps, ich bei Gecko verticillatus, Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, 
Zonurus cordylus und Calotes jubatus. Zu diesen 4 Wurzeln 
kommt bei verschiedenen Lacertiliern noch eine von dem 10. Nerven 
abgegebene, somit eine Zusammensetzung des Hauptplexus aus 
dem 6. bis 10. Spinalnerven; v. JHERING fand diese Wurzel in Ge- 
Sstalt eines freien Zweiges bei Tarentola mauritanica (Ascalabotes 
fascicularis), Gecko verticillatus (guttatus), Calotes cristatellus und 
Agama atra, wihrend ich dieselbe in mafiger Diinnheit bei Uro- 
plates fimbriatus und Lygosoma olivaceum, ziemlich kriftig bei 
Hemidactylus mabouia, Draco volans und Dr. lineatus beobachtete '). 
Eine Zusammensetzung des Hauptplexus aus dem 7. bis 10, Spinal- 
nerven wurde v. JHERING bei Agama stellio, Draco lineatus und 
Dr. volans (viridis) ?), sowie bei der Mehrzahl der Varanidae, von 
mir bei Varanus niloticus gefunden, somit, im Vergleich mit der 
Mehrzahl der kionokranen Lacertilier, eine Verschiebung um 
1 Metamer nach hinten; dabei zeigte sich aber, da’ Draco, wie 
gewohnlich bei den kionokranen Lacertiliern, 8, Agama stellio *) 
gleich der Mehrzahl der Varanidae und gleich den Crocodiliern 
9 Halswirbel aufwies. Eine Bildung von dem 5. bis 9. Spinal- 
nerven fand SauvaGE bei Zonurus giganteus, ich bei Phrynosoma 
cornutum, eine solche von dem 5. bis 8. Spinalnerven SHUFELDT bei 
Heloderma suspectum‘). Anguis fragilis (Fig. 113) ergab mir eine 
Zusammensetzung aus dem 5. und 6. Nerven (V. VJ)°). Kine 


1) Vermutlich findet sich die von X abgegebene Wurzel auch 
bei manchem Lacertilier, bei dem eine Zusammensetzung aus dem 
6. bis 9. Spinalnerven angegeben wird. Sie kann sehr diinn und 
versteckt sein. 

2) Ich fand, wie oben erwéhnt, bei den gleichen Arten von 
Draco einen von dem 6, bis 10. Spinalnerven gebildeten Plexus, dessen 
erste Wurzel recht diinn war. Ob sie von JuHertne iibersehen 
wurde oder bei seinen Exemplaren ginzlich zuriickgebildet war, ist 
offen zu lassen. Agama stellio stand mir nicht zur Verfiigung. 

3) Diesem Befunde steht die Angabe Simpenrocr’s (1895) 
gegeniiber, der Agama stellio genau wie den anderen Agamidae 
8 Halswirbel zuschreibt. Der v. Juprine’sche Befund scheint somit 
nur eine individuelle Variierung zu reprisentieren. 

4) Dieser Befund Suurenpt’s ist auffallend und fordert zu 
weiteren Untersuchungen auf. 

5) v. Juerine (1878, p. 100 und 118) hat den Plexus bra- 
chialis von Anguis fragilis zu praparieren versucht, ist aber dariiber 
nicht klar geworden. Derselbe schien ihm mit dem 3. (p. 118) 
oder 4. Spinalnerven (p. 100) zu beginnen. In diesen Angaben sind 
Nerven, die dem Plexus cervicalis entsprechen, mitenthalten. 


368 Max Firbringer, 


noch weitere Vorwanderung fand Carisson fiir den reduzierten 
Plexus von Pygopus lepidopus, der gleich dem von mir friiher 
untersuchten Plexus von Ophisaurus apus (Pseudopus Pallasii) 
aus dem 4, bis 6. Spinalnerven gebildet war‘), Bei diesen schlangen- 
ahnlichen, kionokranen Lacertiliern verbindet sich also, worauf auch 
A. CARLSSON aufmerksam macht, mit der Riickbildung der vor- 
deren Extremititen und der dadurch bedingten Verminderung der 
Wurzelzahl ihres Plexus die kranial gerichtete metamerische Ver- 
schiebung; bei der genaueren Betrachtung dieser Plexus-Rudimente 
ist unschwer zu sehen, dafi namentlich die hinteren (caudalen) 
Wurzeln, deren Neryen fiir die am meisten peripher gelegenen 
Teile der Extremitat bestimmt sind, zuerst in Riickbildung treten. 
Daf die Wurzeln des Plexus auch innerhalb der Gattung und 
Species variieren, zeigen die obigen Angaben. 

Bei den bisher untersuchten kionokranen Lacertiliern 
finden sich somit folgende Verhaltnisse der Wurzeln des Haupt- 
plexus, wobei ich auch meine alteren Untersuchungen, sowie die 
Befunde bei den Amphisbaeniern, Chamaeleontiern, 
Rhynchocephaliern und Crocodiliern mit einreihe ?) 
(s. die Tabelle auf p. 369): 


Die Starke der Plexuswurzeln ist in der Mitte oder in der 
caudalen Hilfte des Plexus am ansehnlichsten, waihrend die erste 
und die letzte gemeinhin die schwachsten Elemente des Haupt- 
plexus darstellen. Meist ist die erste Plexuswurzel die schwachste, 
so bei Tarentola annularis (bei dem vom 5. bis 9. Nerven gebildeten 
Hauptplexus), Hemidactylus mabouia, Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, 
Phrynosoma, Calotes, Uromastix, mitunter die letzte z. B. bei 
Uroplates fimbriatus und Varanus niloticus; gleich starke erste 
und letzte Wurzel zeigte Gecko verticillatus (bei dem vom 6. bis 9. 
Nerven gebildeten Hauptplexus) und Lygosoma smaragdinum. 


1) Sauvage, der Ophisaurus 1878 in Unkenntnis meiner be- 
ztiglichen Verédffentlichung (1875) untersuchte, spricht ihm den 
Plexus brachialis ab. Diese Angabe beruht auf ungenauer Unter- 
suchung. 

2) Hierbei bedeutet der senkrechte dicke Strich | den letzten 
Halswirbel (5., 8. oder 9. Wirbel), ferner C.: Carusson, F.: Ftr- 
BRINGER, V. JH.: Vv. JHERING, O.: Osawa, S8.: Sauvacz, Su.: 
SHUFELDT. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 369 


PTS TUR, 252) le sh a a Pf 3') 2) Amphisbaena vermicularis: (C:)? 
TTC TV see is su ppeavess) ue dias stay Ap bisbaens albay (By aviel 
leicht‘). 


DEV I Vis| NL. i ets, 2a) a). os) Chamaeleo ‘vulgaris! (v.. Jem) eh 
verrucosus (vy. JH.). 
LV. VeVi Vili en Rats ote Chamueleo vulearis: (Es): 


IV. V . Trogonophis wiegmanni (F. ,,viel- 
leicht‘). 
DVO VE VIE we se  .o) SPOpNisaurus, apus, (P.),s-Pycopus 
lepidopus (C.). 
TV). SV. PVE. os ss tt ses tid 0, « brookesia ssuperciliaris .( Ei) 
VU: . . . . Anguis fragilis (F.). 


V. VI. VII. VIII.|. . . . . Heloderma suspectum (SH.). 

V. VI. VIL VIIL| IX... ._ « Larentola,. annularis, .(Platydac- 
tylus aegyptiacus) (F.), Zonurus 
giganteus (S8.), Phrynosoma cor- 
nutum (F.). 

VI. VII. VIII. |IX. . . . Ueberwiegende Mehrzahl_ der 
kionokranen Lacertilier (F., 
vy. JH.), auch bei Chalcides 
tridactylus (C.), Zonurus_ sp. 
(v. JH.), Zonurus cordylus (F.), 
Calotes jubatus (F.) und Va- 
ranus salvator (v. JH.). 

VI. VIL. VIIL|IX. X.. . Tarentola mauritanica (Ascala- 
botes fascicularis) (v. JH.), 
Gecko verticillatus (guttatus) 
(v. JH.), Hemidactylus mabouia 
(F.), Uroplates fimbriatus (F.), 
Lygosoma smaragdinum (F.), 
Calotes cristatellus (v. JH.), 
Agama atra (v. JH.), Draco 
volans (F.), Draco lineatus (F.), 
Sphenodon punctatus (O., F.). 

VI. VIL. VULJIX. X. XI. Sphenodon punctatus (F.). 

VIL. VILL. |IX. X. . . Draco lineatus (v. JH.), Draco 
volans (viridis) (vy. JH.). 

VII. VIII. IX.]X. . . Agama stellio(v. JH.), alle unter- 
suchten Varanidae (F.), meiste 
untersuchte Varanidae (v. JH.). 

VII. VIIE. IX.]X. XI. Alle bisher untersuchten Croco- 
dilier (F., v. JH.). 


Die Ansenbildung im Hauptplexus ist einem grofen, aber 
nicht willkiirlichen Wechsel unterworfen und bestimmt in den 
meisten Fallen seine specifische Form bei den einzelnen Vertretern 
der kionokranen Lacertilier; doch kommen nameutlich durch das 
verdnderliche Verhalten der beiden Randwurzeln (erste und letzte 
Wurzel) infolge der individuellen metamerischen Verschiebungen 
Variierungen hinzu, die leicht die typischen Bilder triiben kénnen. 
Meistens wurde unter den untersuchten Tieren die friiheste (am 
meisten proximale) Ansa von den beiden ersten Wurzeln gebildet, 
so bei Hemidactylus, Tarentola, Gecko, Zonosaurus, Phrynosoma, 
Uromastix, Calotes; bei anderen, z. B. Uroplates, Lygosoma, Va- 
ranus, traten die beiden letzten friiher zu einer Ansa zusammen; 


370 Max Firbringer, 


bei Phrynosoma und Calotes folgte auf die am meisten proximale 
Ansa der beiden ersten Wurzeln die von der 2. und 3. Wurzel 
gebildete, und darauf erst die Ansa der beiden letzten Wurzeln. 
Eine relativ spate (distale) Ansenbildung (lange Wurzeln vor der 
Verbindung) kennzeichnet Phrynosoma, Calotes und auch Uroplates ; 
bei Phrynosoma verbinden sich alle Wurzeln ohne Ausnahme spat, 
bei Calotes alle auSer der ersten und bei Uroplates mit Ausnahme 
der letzten. Bei einigen, vor Allen bei Lygosoma, begann die 
Teilung der Wurzeln schon vor der Ansenbildung, wodurch letztere 
gewisse Komplikationen erfuhr. 

Das peripherische Verhalten der Plexus (Nn. thoracici 
superiores, Nn. brachiales superiores und inferiores, Nn. thoracici 
inferiores) soll hier nicht genauer verfolgt werden; ich verweise 
auf meine friihere Darstellung (1875) *'). Sauvage hat den Plexus 


1) Nur zweier Hautnerven sei kurz Erwahnung gethan, die 
sich fiir die Muskulatur, insbesondere den M. anconaeus, von einiger 
Bedeutung erweisen, aber in meiner Beschreibung von 1875 keine aus- 
reichende Behandlung fanden. Es sind die Nn. cutaneus axil- 
laris supraanconaeus und cutaneus brachii et anti- 
brachii superior lateralis (infraanconaeus). Ersteren 
habe ich 1875 als N. cutaneus brachii superior lateralis (p. 662) be- 
zeichnet, letzteren nicht erwahnt, dafiir aber einen den M. anconaeus 
humeralis lateralis durchbohrenden und an seinem ventralen Rande 
aus ihm heraustretenden N. cutaneus antibrachii lateralis (p. 664) an- 
gefiihrt und abgebildet. — Neuere Untersuchungen haben mir gezeigt, 
da8 die beiden erstgenannten Nerven bei Keinem der untersuchten 
kionokranen Lacertilier fehlen: der N. cutaneus axillaris supra- 
anconaeus verlauft dorsal von dem M. anconaeus scapularis zu der 
Haut des lateralen Bereiches der Schulter und des Anfanges des 
Oberarmes, der N. cutaneus brachii et antibrachii infraanconaeus 
dagegen gelangt ventral von dem M. anconaeus scapularis zu seinem 
Innervationsgebiete (lateraler Teil des Oberarmes und Vorderarmes) 
und kann hierbei auch den dorsalen Teil des M. anconaeus hume- 
ralis lateralis durchbohren (Lygosoma). Meist ist der letztere Nerv 
der gréfere; bei Lygosoma fand ich beide gleich, bei Gecko iiber- 
traf der N. supraanconaeus den N. infraanconaeus an Dicke. Der 
1875 erwahnte und abgebildete N. cutaneus antibrachii lateralis 
dagegen erwies sich in der Art, wie ich ihn bei Uromastix fand, 
als unbestiindig; an seiner Stelle wurde bei Gecko, Lacerta, Ameiva, 
Zonurus und Calotes ein feines Fadchen gefunden, und bei den 
anderen kionokranen Lacertaliern fehlte auch dieses; es scheint 
somit zwischen ihm und dem N, cutaneus infraanconaeus eine Art 
Wechselverhiltnis zu bestehen, wobei der Befund bei Lygosoma 
(Durchbohrung des dorsalen Teiles des M. anconaeus humeralis 
lateralis) als Vermittler dient. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 371 


von Zonurus giganteus eingehender beschrieben; doch enthalt diese 
Beschreibung so viel fundamentale Unrichtigkeiten und Ungenauig- 
keiten, da8 sie zum grofen Teile unbrauchbar ist‘). Wichtig fir 
die Lagebestimmung der Schultergtirtelrudimente bei den schlangen- 
ahnlichen Lacertiliern erweist sich das Verhalten des diazonalen 
(resp. prozonalen) N. supracoracoideus mit seinem Hautaste gegen- 
tiber der Mehrzahl der tibrigen postzonal verlaufenden Aeste. 
Daraufhin konnte die Zusammensetzung des sehr reduzierten Plexus 
brachialis yon Ophisaurus aus dem 4., 5. und 6. Spinalnerven, 
des von Anguis aus dem 5. und 6. bestimmt werden. 


B. Amphisbaenia. 
(Vergl. Taf. XIV, Fig. 114, 115.) 


Ueber die einem Plexus brachialis eventuell entsprechenden 
Nervenverdstelungen bei den Amphisbaeniern liegen nur die 
Untersuchungen von A. CarLsson (1886, p. 6, Fig. 11) vor, die 
ihn bei Amphisbaena vermicularis in der Gestalt von zwei von 
dem 2. und 3., sowie von dem 3. und 4. Spinalnerven gebildeten 
Ansen beschrieb. Ich untersuchte die betreffende Stelle bei Tro- 
gonophis wiegmanni (Fig. 114) und Amphisbaena alba (Fig. 115) 
und fand auch die von CarLSsoN angegebenen Ansen daselbst, 
wenigstens zum Teil wieder, kann ihnen aber keine speciellere 
Beziehung zu der Muskulatur des Brustschulter-Rudimentes _bei- 
messen, sondern erblicke in ihnen vornehmlich einfache Verbin- 
dungen der Hautaste, wie sich dieselben auch an anderen Stellen 
des Kérpers bilden. Unter Beriicksichtigung der Lage der 
Schultergiirtel-Rudimente und des Verhaltens der prozonalen und 


1) Von den zahlreichen Fehlern der Untersuchung seien nur 
die folgenden, die proximalen zu den Schultermuskeln gelangenden 
Aeste betreffend, hervorgehoben: Der 5. Spinalnerv soll dem M. 
pectoralis einen Zweig geben; ein anderer Zweig, ,,nerf scapulaire 
ou supracoracoidien“, soll nach seinem Durchtritte durch das Foramen 
supracoracoideum auch an den M. levator scapulae einen Zweig 
abgeben; wieder ein anderer Nery, der eine Endzweig des vom 5. 
und 6. Nerven gebildeten Stammes, soll die Mm. infraspinatus und 
levator scapulae nebst der Haut versorgen; ein ,Musculo-cutanée“ 
genannter Zweig soll aufer der oberen Portion des M. biceps 
auch den M. triceps versorgen; der N. medianus soll Zweige an 
M. triceps (und brachialis anterior) abgeben ete. 


372 Max Firbringer, 


diazonalen Aeste bin ich geneigt, als letzte rudimentire Kom- 
ponenten eines friiher bestandenen Hauptplexus bei Trogonophis 
vielleicht den 4. und 5. (IV, V), bei Amphisbaena den 3. und 4. 
Spinalnerven (JZZ, IV) anzunehmen; Nn. thoracici superiores ent- 
stammen bei Trogonophis dem 3. und 4., bei Amphisbaena dem 
2. und 3. Nerven. Von einer eigentlichen Plexus- oder Ansen- 
Bildung mit Bezug auf den einstmaligen Plexus brachialis kann 
aber hier nicht gesprochen werden. Wo derselbe sich einstmals 
bei den Vorfahren mit besser entwickelten Extremitaten befunden, 
ist nicht zu sagen, da auch hier mit der rostralwarts gehenden 
Verschiebung (vergl. p. 367, 368) zu rechnen ist. Die Untersuchung 
von Chirotes wiirde wohl viel zur Aufklirung dieser Fragen 
beitragen. 


C. Chamaeleontia (Rhiptoglossa). 


Von Chamaeleontiden hat v. Jaerinc 3 Exemplare von Cha- 
maeleo vulgaris (Ch. africanus) und 4 Exemplare von Chamaeleo 
verrucosus auf die Wurzeln des Plexus brachialis, ich den ganzen 
Plexus von Chamaeleo vulgaris und Brookesia superciliaris unter- 
sucht. v. JHERING fand ihn bei seinen simtlichen 7 Exemplaren, 
ahnlich wie ich (1875), aus dem 3. bis 6. Spinalnerven gebildet, 
vermifte aber die damals von mir gefundene Anastomose aus dem 
7. Spinalnerven. Meine neueren Untersuchungen ergaben an Cha- 
maeleo eine Bestitigung meines alten Befundes, d. h. eine Zu- 
sammensetzung von dem 3. bis 7. Nerven, wihrend ich bei Broo- 
kesia auf beiden Seiten nur eine Beteiligung des 4. bis 6. Nerven 
fand. Brookesia ist sonach der einzige bis jetzt bekannte Lacer- 
tilier mit wohl ausgebildeten Extremititen, dessen Plexus aus nur 
3 Wurzeln besteht ‘). 

Bei den Chamaeleontiden liegt also, wie ich 1875 und 1879 
bereits des genaueren ausgefiihrte, eine ausgiebige, gegen 3 Meta- 
meren betragende, kranialwirts gegangene metamerische Um- 
bildung gegenitiber dem Plexus brachialis der typischen kionokranen 
Lacertilier mit gut ausgebildeten Extremitéten vor; bei diesen war 
der Plexus meist vom 6. bis 9. Spinalnerven gebildet. Mit dieser 


1) Unter simthchen bisher untersuchten Sauropsiden teilt nur 
Trionyx japonicus mit Brookesia die Dreizahl der Wurzeln des 
Plexus brachialis (vergl. Schultermuskeln, II, 1874, p. 230). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 373 


Umbildung des Plexus hat sich die der Wirbelsiule (Verkiirzung 
der Halswirbelsiule auf 5 Wirbel) unter dem Kausalnexus der 
anderen hierbei in Frage kommenden Teile verbunden. Ganz un- 
vermittelt steht diese Differenz nicht da, indem — ganz abgesehen 
von den Lacertiliern mit verkiimmerten Extremitaéten — auch bei 
einigen kionokranen Lacertiliern ein vom 5. bis 8. oder 5. bis 9. Spinal- 
nerven gebildeter Plexus beschrieben worden ist (Tarentola, Zon- 
urus, Heloderma, Phrynosoma). Es bleibt hierbei noch zu_be- 
tonen, dafi méglicherweise die Umbildung und Verschiebung 
hierbei nicht blo’ die Chamaeleontiden trifft, sondern da auch 
der Plexus der typischen kionokranen Lacertilier eine Wanderung 
nach hinten durchgemacht haben mag, mit anderen Worten, daf 
der den Kionokraniern und Chamaeleontiden gemeinsame Vorfahre 
vielleicht einen Plexus brachialis besa, der mit dem 4. oder 5. 
Spinalnerven begann, und dafi von da aus die chamaeleontiden 
Nachkommen sofort eine kranialwarts gehende, die kionokranen 
Abkémmlinge eine kaudalwarts fortschreitende metamerische Um- 
bildung und Verschiebung ihrer Plexus, Wirbelsiulen und der 
anderen dazu in Korrelation stehenden Kérperteile durchmachten '). 
Welche von beiden Alternativen die wahrscheinlichere ist, kann 
mit den bisherigen Materialien nicht entschieden werden. Dazu 
bedarf es ausgedehnterer, auch ontogenetischer Untersuchungen. 

Die Verminderung der Wurzelzahl des Plexus von Brookesia 
gegentiber Chamaeleo diirfte in der quantitativen Reduktion der zwar 
wohlgebildeten, aber sehr schwach entwickelten vorderen Extre- 
mitaét dieses Tieres seinen kausalen Grund haben; daf andere 
Exemplare von Brookesia noch minimale Rudimente der ersten 
oder letzten Wurzel des Chamaeleo-Plexus (3. oder 7. Spinalnerv) 
aufweisen mégen, ist mir wahrscheinlich. 

Bei Chamaeleo sind die erste (IIJ) und letzte Wurzel (VID) 
des Plexus brachialis sehr schwach und verbinden sich friihzeitig 
mit ihren Nachbarwurzeln (zweite und vorletzte Wurzel des Plexus) ; 
die 3 mittleren Wurzeln (IV, V und VI) sind annahernd von 


1) Damit wird natiirlich nicht behauptet, daf den kiono- 
kranen Lacertiliern eine nur caudalwirts gehende Wanderung ihrer 
vorderen Extremitaét eigentiimlich ist. Die vorhergehend mit- 
geteilten Untersuchungen haben — wie auch bei vielen anderen 
Vertebratenabteilungen (vergl. meine friiheren Verdéffentlichungen, 
sowie diejenigen von Braus und ApotpHt) — gezeigt, daf auch 
hier caudalwirts und kranialwarts gehende Verschiebungen etappen- 
weise wechseln. 


374 Max Firbringer, 


gleicher Stiirke und gehen erst nach lingerem Verlaufe Ansen- 
bildungen ein (zuerst IV mit V, dann V mit VI). Bei Brookesia 
sind die 3 Wurzeln des Plexus (IV, V und VI) ebenfalls von 
annihernd gleicher Dicke und verbinden sich erst spit mit ein- 
ander, doch wird hier die Ansa V-+ VI etwas friiher gebildet als 
die Ansa IV + V. 

Die peripheren Verhaltnisse des Plexus der Chamaeleontiden 
schliefen sich, soweit es sich um den Schulter- und Oberarm- 
bereich handelt, denen der kionokranen Lacertilier in allen wesent- 
lichen Ziigen an und bediirfen keiner besonderen Besprechung ‘). 


D. Rhynchocephalia. 
(Vergl. Taf. XIV, Fig. 116—123.) 


Ueber die hier in Betracht kommenden Nerven verdanken 
wir Brooks (1889) eine kurze Angabe iiber den Nervus radialis 
und Osawa (1898) eine eingehende Beschreibung des Nerven- 
systems von Sphenodon punctatus. Ich gebe in der Folge eine 
Darstellung der betreffenden Verhaltnisse auf Grund von Unter- 
suchungen an den oben (p. 365, Anm. 2) erwihnten Exemplaren 
von Sphenodon. 


Die Schulter- und Oberarmmuskeln von Sphenodon (mit Aus- 
nahme der mit dem Zungenbein verbundenen) werden von dem 
R. posterior s. externus nervi vago-accessorii und dem 4. bis 11. 
Spinalnerven versorgt. 

Der R. posterior s. externus des N. vago-acces- 
sorius?”) lést sich bald nach dem Austritte aus dem Foramen 


1) Nur kurz sei erwiahnt, daf auch bei Chamaeleo und Broo- 
kesia die Nn. cutaneus axillaris supraanconaeus und cutaneus_ bra- 
chii et antibrachii superior lateralis (infraanconaeus) existieren, 
wobei in der Regel der letztere betrachtlich tiberwiegt. Der N. 
cutaneus supraanconaeus durchbohrte bei dem zuletzt untersuchten 
Exemplare von Chamaeleo den M. deltoides clavicularis. 

2) Ramus externus n. accessorii Willisii: Osawa. — Beziiglich 
des Genaueren iiber den Ursprung des N. vago-accessorius (vagus 
und accessorius) verweise ich auf Osawa (a. a. O. p. 586, 588, 614, 
616), der den Ursprung des Accessorius bis zur Hihe des 3. Spinal- 
nerven verfolgte. Osawa giebt auch eine Anastomose des R. 
externus mit dem N. supraclavicularis superior an. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 37D 


jugulare von dem R. anterior des gleichen Nerven (der in der 
bekannten Weise mit dem N. vagus s. str. verschmilzt) ab und 
wendet sich als ein ganz kraftiger Nerv zwischen dem ihn be- 
deckenden M. trapezius (cucullaris) et cleido-mastoideus und dem 
unter ihm liegenden M. levator scapulae direkt nach hinten (caudal- 
warts), um bald in der Innenflaiche des ventralen Bereiches des 
Kopfteiles des ihn deckenden Muskels (Cleido-mastoideus) einzu- 
treten und denselben, sowie mit dorsalwarts verlaufenden Zweigen 
den Anfang des dorsalen Teiles (Trapezius) zu versorgen. 

Dieser Nery ist ansehnlicher als sein Homologon bei allen 
anderen untersuchten Sauropsiden und versorgt dementsprechend 
auch einen relativ gréferen Anteil des M. trapezius + cleido- 
mastoideus als bei diesen. Wie weiter unten (s. diesen Muskel) 
ausgefiihrt werden soll, driickt sich darin ein primitives Verhalten 
von Sphenodon aus. 

Von den Spinalnerven beteiligen sich meistens die ven- 
tralen Aeste des 4. bis 11. Spinalnerven (I V— XJ) [d. h. der 6 letzten 
Cervikal- und 2 ersten Dorsalnerven], seltener die des 4. bis 10. 
Spinalnerven!) an der Bildung der hierher gehérigen Nerven. 
Der 4. bis 6. Spinalnerv haben Anteil an der Innervation des Tra- 
pezius + Cleido-mast oideus; der 4. bis 11. (4. bis 10.) gehen in die 
Bildung des Plexus brachialis s. lat. ein, in welchem wie bei 
den anderen Sauropsiden der die Nn. thoracici inferiores, bra- 
chiales inferiores und br. superiores abgebende Hauptplexus?) 
(vom 6. bis 11. resp. 6. bis 10. Spinalnerven gebildet, VT—XT resp. 
VI—X) und der Inbegriff der Nn. thoracici superiores 
(vom 4. bis 9. Spinalnerven abgegeben) *) unterschieden werden kann 
(auf den Abbildungen schwarz wiedergegeben). lLetztere gehen 
teilweise bescheidene Ansenbildungen ein und reprisentieren so- 
mit die ersten Anfange eines dorsalen Nebenplexus (Serra- 


1) Eine Beteiligung des 4. bis 10. Spinalnerven giebt auch 
Osawa an. Ich vermifte die Anteilnahme des 11. Nerven an dem 
Plexus brachialis nur einmal (Fig. 123); doch ist diese letzte Wurzel 
oft von grofer Feinheit (Fig. 121, 122). 

2) Auch von Osawa in halbschematischer Darstellung in Fig. 51 
(auf p. 668) abgebildet. 

3) Zweimal fand ich auch vom 3. Spinalnerven abgehend ein 
ganz minimales Fadchen, das in den Anfang des M. levator sca- 
pulae superficialis inferior eintrat, doch vermochte ich nicht zu 
bestimmen, ob er sich hier wirklich mit Muskelfasern verband oder 
nur im Bindegewebe endete. 

Bd. XXXIV. N. F, XXVI. 25 


376 Max Firbringer, 


tus-Plexus), der bei den Crocodilen und Végeln besser ausgebildet 
in Erscheinung tritt. 

VentralerArt des N. spinalis (cervicalis) IV. (IV). 
Er versorgt die ventrale Rumpfmuskulatur, giebt einen schwachen 
N. thoracicus superior IV ab, der teilweise mit dem N. thora- 
cicus superior in Ansenbildung tritt und Anteile der Mm. levatores 
scapulae superficiales superior und inferior sowie (variabel und 
immer ganz unbedeutend) den Anfang des M. levator scapulae et 
serratus profundus versorgt, tritt durch den M. levator scap. spf. 
inferior und den M. trapezius et cleido-mastoideus hindurch, wobei 
er auch letzterem Muskel einen ansehnlichen Zweig (R. cervi- 
calis IV. cucullaris s. trapezius, cv.cu) abgiebt, und ver- 
sorgt mit seiner Hauptendausbreitung die Haut des Halses (cut). 

Ventraler Ast des N. spinalis (cervicalis) V. (JV). 
Verhalt sich hinsichtlich Innervation und Durchbohrung der _ be- 
treffenden Muskeln, sowie Hautverbreitung entsprechend dem vor- 
hergehenden Nerven. Der von ihm abgegebene, nicht unansehn- 
liche N. thoracicus superior V, der mit dem N. thor. sup. IV 
in regelmifige Ansenbildung tritt, waihrend die Beziehungen zu dem 
N. thor. sup. VI losere sind, versorgt Teile der Mm. levatores scap. 
superficiales superior und inferior, sowie des M. levator scap. et 
serratus profundus; der R. cervicalis V cucullaris s. tra- 
pezius (cv.cu) ist etwas schwicher als der vom N. cervicalis 
IV abgegebene. ; 

Ventraler Ast des N. spinalis (cervicalis) VI. (VJ). 
Entspricht in den Hauptziigen seiner Verteilung und in dem Ver- 
halten zu den Mm. levatores scapulae superficialis und profundus 
sowie M. trapezius dem N. spinalis V., giebt aber zugleich die 
erste Wurzel des Hauptplexusab. Der N. thoracicus superior 
VI ist kaum stairker als der N. thor. sup. V und zerfallt bald 
nach seinem Abgange von dem Hauptast in mehrere Zweige, die 
sich (variabel und minimal) in dem Endteil des M. levat. scap. spf. 
inferior und (Hauptverzweigung) in dem M. levat. scap. et serrat. 
prof. verteilen, hierbei in die Innenflaiche der oberflichlichen und 
die Aufenfliche der tiefen Schicht dieses letzteren Muskels ein- 
treten. Der R. cervicalis VI cucullaris s. trapezius 
(cv.cu) verhalt sich wie sein gleichnamiger Vorginger aus dem 
5, Spinalnerven, ist aber noch schwacher als derselbe. Die von 
dem 6. Spinalnerven abgegebene erste Wurzel des Haupt- 
plexus zeigt eine individuell wechselnde Starke (sehr fein bis 
ganz kraftig), wobei aber eine sichere, vom Alter der untersuchten 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 377 


Tiere abhingige Regel nicht aufgestellt werden konnte*). Auch 
die Vereinigung mit der zweiten (vom 7. Spinalnerven gebildeten) 
Wurzel des Hauptplexus verhilt sich verschieden; bei geringerer 
Starke der ersten Wurzel findet sie friiher als bei ansehnlicherer 
Entwickelung derselben statt. 


VentralerAstdesN. spinalis (cervicalis) VII. (VIJ). 
Auger Zweigen an die Rumpfmuskulatur giebt er einen N. thora- 
cicus superior VII ab, der sich friihzeitig in Zweige fiir den 
mittleren Bereich des M. serratus profundus (oberflachliche und 
tiefe Schicht) und (nicht immer und, wenn vorhanden, stets 
recht schwach) den Anfang des M. serratus superficialis sondert. 
Der Hauptteil reprisentiert die zweite Wurzel des Haupt- 
plexus und bildet mit seinen Nachbarwurzeln mehrfache und 
wechselnde Ansen. Die Ansa (resp. Ansae) zwischen ihm und der 
folgenden (von N. spinalis VIII. gebildeten) Wurzel ist (sind) 
meistens die am weitesten peripher hinausgeschobene(n) des ganzen 
Hauptplexus. Nicht selten beteiligt sich ein feiner Faden an 
dem die Mm. sterno-coracoidei interni versorgenden N. thora- 
cicus inferior VII. 


Ventraler Ast des N. spinalis (cervicalis) VIII. 
(VII). Er verhalt sich in der Hauptsache entsprechend dem 
vorhergehenden Nerven. Sein N. thoracicus superior VIII 
teilt sich sehr frithzeitig in zwei Zweige, falls dieselben nicht von 
Anfang an als zwei getrennte Nn. thoracici superiores abgehen. 
Der kleinere endet an dem Endteil der tiefen Schicht des 
M. serratus profundus, in dessen Oberflaiche eintretend; der gréfere 
bildet den Hauptnerven fiir den M. serratus superficialis, den er 
von der Innenflaiche her versorgt. Der Hauptteil bildet die dritte 
Wurzel des Hauptplexus, die in der Regel etwas stirker als 
die vorhergehende (vom N. spinalis VII. abgegebene) und etwa 
ebenso stark wie die folgende (vom N. spinalis IX. gebildete) Wurzel 
ist; sie geht mit ihren beiden Nachbarn mehrfache Ansenbildungen 
ein, von denen die zwischen ihr und dem 9. Spinalnerven meist 
centraler liegen als die mit dem 7. Spinalnerven gebildeten. An 


1) Bei den von mir untersuchten Tieren zeigten die kleineren 
(mit einer einzigen Annahme) eine schwiichere erste Wurzel des 
Hauptplexus als die gréferen. Doch geniigt das mir zur Verfiigung 
stehende Material nicht, um daraufhin den Schlu8 einer kopfwarts 
vor sich gegangenen (retrograden) phylogenetischen Wanderung der 
vorderen Extremitit und ihrer Nervenplexus zu erweisen. 


25 * 


378 Max Firbringer, 


der Bildung der Nn. thoracici inferiores fiir die Mm. sterno- 
coracoidei und sterno-costo-scapularis hat der N. spinalis VIIL. 
iiberwiegenden Hauptanteil. 

Ventraler Ast des N. spinalis (cervicalis) IX. (LX), 
Entspricht in Starke und sonstigem Verhalten seinem Vorgéinger. 
Der von ihm abgegebene N. thoracicus superior IX ist 
schwach und nicht immer vorhanden; er beteiligt sich, mit dem 
N. thor. sup. VIII eine Ansa bildend, an der Versorgung des 
hinteren Teiles des M. serratus superficialis. Die in den Haupt- 
plexus eingehende vierte Wurzel verbindet sich stets friiher 
und in einfacherer Weise mit dem 10. Spinalnerven (vergl. auch 
Fig. 118 und 119), spater und komplizierter mit dem 8. Auch 
eine, recht peripher stattfindende, Ansabildung zwischen den 
Nn. spinales VII. und IX., unter Ueberspringung des N. spinalis VIIL, 
werden (neben den gewohnlichen zwischen VII und VIII, sowie 
VIII und IX) beobachtet (Fig. 122, 123). Nicht selten beteiligt 
sich der 9. Spinalnery auch mit einem sehr schwachen Faden an 
der Bildung der die Mm. sterno-coracoidei und sterno-costo-sca- 
pularis versorgenden Nn. thoracici inferiores (N. thoracicus 
inferior). 

Ventraler Ast des N. spinalis X. (dorsalis I.) (X). 
In wechselndem Grade schwicher als der vorhergehende Nerv. 
Er giebt Zweige an den Rumpf ab (Nn. intercostales) und repra- 
sentiert dann die fiinfte Wurzel des Hauptplexus, indem 
er mit der sechsten (von dem 11. Spinalnerven gebildeten) Wurzel 
eine friihe Ansa eingeht und sich hierauf, durch diese verstarkt, 
mit der vierten (von N. spinalis IX. abgegebenen) verbindet (vergl. 
insbesondere Fig. 118 und Fig. 119), und zwar stets friiher als 
diese mit der dritten. Nn. thoracici superiores und inferiores 
bildet er nicht mehr, sondern geht auf in der Versorgung der 
Nn. brachiales superiores und inferiores. 

Ventraler Ast des N. spinalis XI. (dorsalis IL) 
(XI). Er reprisentiert in der Hauptsache einen Rumpfnerven 
(N. intercostalis) und giebt nur ein feines, ausnahmsweise 
vermifites, Fadchen fiir den Hauptplexus ab (sechste 
Wurzel), das sich in der oben angegebenen Weise mit der vor- 
hergehenden Wurzel (N. spinalis X.) verbindet. 

Das speciellere Verhalten der aus dem Plexus brachialis 
hervorgehenden Endiste (abgesehen von den fiir den Rumpf be- 
stimmten) ist das folgende: 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 379 


A. Nn. thoracici superiores (dorsaler Nebenplexus, Serratus- 
plexus) +). 


Wie bereits mitgeteilt, werden dieselben von dem 4. bis 9. oder 
4, bis 8. Spinalnerven?) abgegeben und bilden eine im Bereiche der 
Mm. thoracici superiores (Levator-Serratus-Gruppe) gelegene 
Gruppe von feinen Nerven, welche, dem Rumpfe angeschmiegt, 
dorsalwirts treten und mehrfache Ansen einfacheren Grades bilden. 
— Mit den Nerven der Mm. levator scapulae, rhomboides und ser- 
ratus anticus major (Nn. dorsalis scapulae, thoracicus posterior etc.) 
der menschlichen Anatomie besteht eine allgemeine Homologie. 

Ihre Endaste verteilen sich in folgende Nerven: 

a) Nn. levatores scapulae superficiales (N.lsspf). 
Von den Nn. thoracici superiores IV und V, sowie vereinzelt VI 
abgegebene Nerven*), von denen die beiden ersten eine konstante 
Ansa eingehen. Die Nerven verteilen sich sowohl mit mehr dor- 
salen Zweigen (N.lsspfs) an den M. levator scapulae superficialis 
superior (LV < V), wie mit mehr ventralen (WN. Isspfi) Aesten an 
dem M. lev. scap. spf. inferior (IV < V oder IV < V > VD), 
wobei die letzteren etwas starker als die ersteren sind. Der Ein- 
tritt erfolgt allenthalben an der Innenflache der Muskeln. 

b) Nn. levatores et serrati profundi (N.lsprf)*). In 
wechselnder Weise von den Nn. thoracici superiores IV—VIII 
oder V—VIII abgegeben, von denen die drei letzten groSenteils 
zwischen der oberflachlichen und tiefen Schicht des M. levator et 
serratus profundus verlaufen. Die oberflachliche Schicht wird von 
den Nn. thor. sup. VI = VII oder VI < VII von der Innenseite 
her versorgt (N.lsprfi), wahrend die Nn. thor. sup. IV—VIII 
oder V—VIII in die AuSenseite der tiefen Schicht eintreten 
(N.lsprfii), wobei der von IV abgegebene Faden minimal und 


1) Auf allen Figuren der Taf. XIV schwarz gezeichnet. 

2) Eventuell und fraglich auch vom» 3. Spinalnerven (vergl. 
Anum. 3 auf p. 375). 

3) Nach Osawa gleichfalls von IV, V und VI gebildet, aber 
in anderer Verteilung, als ich es fand, indem Osawa den M. levator 
scap. spf. superior von VI, den M. levator scap. spf. inferior von 
IV und V versorgen laft. Eine derartige Innervation des erst- 
genannten Muskels weicht ganz von meinen Beobachtungen an 4 
Exemplaren ab. 

4) Nach Osawa (Nerven fiir dessen Mm. collo-thoraci-scapularis 
und collo-seapularis) auch von V—VII versorgt. 


380 Max Firbringer, 


unbestindig ist, die von V und VIII gebildeten schwach und die 
von VI und VII stammenden am besten entwickelt sind. 

c) Nn. serrati superficiales (N.sspf)*). Von den Nn. 
thoracici superiores VII, VIII und IX in variabler Weise ge- 
bildet (VIL < VIII, VII < VII > IX, VIII > IX) und an der 
Aufenfliiche des M. serratus superficialis eintretend. Einzelne 
Zweige schieben sich so in den Muskel ein, daf sie eine schwichere 
tiefe und eine starkere und ausgebreitetere oberflaichliche Lage 
desselben unvollstindig sondern. 


B-+C-+D. Hauptplexus. 


Der die Nn. brachiales superiores und inferiores und die Nn. 
thoracici inferiores abgebende Hauptplexus ist, wie bereits aus der 
vorhergehenden Beschreibung der einzelnen hierfiir in Betracht 
kommenden ventralen Aeste der Spinalnerven ersichtlich, von den 
Nn. spinales VI.—XI. (seltener VI.—X.) in wechselnder Weise, 
sowohl was das Stirkeverhaltnis der einzelnen Wurzeln als ihre 
gegenseitige Verbindung anlangt, gebildet. Die beobachteten 
Gréfenverhaltnisse lassen sich in ihren wesentlichen Ziigen durch: 

VI =< VIb= VIN. — 1k] XS 


ViE= Vib Sa Vix XS 
VO= Vil— Vil =] KX > xX 
Veal = Vil 1k Xa 


ausdriicken?), wobei die in den beiden ersten Zeilen wieder- 
gegebenen Verhaltnisse (Fig. 121, 122) mehr jiingeren, die in 
den beiden letzten (Fig. 123, 116) mehr alteren Tieren entsprechen. 
Zur Begriindung der naheliegenden Annahme, daf es sich hierbei 
um eine retrograde, kopfwarts gehende Wanderung und Umbildung 
des Plexus handle, ist (wie bereits p. 377, Anm. 1 erwahnt) die 
untersuchte Reihe viel zu klein. — Ueber das wechselnde Ver- 
halten der Ansenbildungen orientieren die beigegebenen Ab- 
bildungen besser als viele Worte. 

Fiir die von dem Hauptplexus abgehenden Nerven gilt 
folgendes: 


1) Nach Osawa allein von VII versorgt. Meine Exemplare 
ergeben VIII als den konstanten, VII als den selten fehlenden und 
IX als den haufig vermiften Nervenanteil. 

2) Die von Osawa von seinem Plexus gegebene Abbildung zeigt 
VI < VII S VIII = IX >X. Angaben iiber die Grife des be- 


ziiglichen Tieres sind nicht gemacht. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 381 


B. Nn. brachiales superiores ‘). 


Sie bilden die dorsale Schicht des Hauptplexus. Die vorderen 
(rostralen) Nerven sind fiir den dorsalen Bereich der Schulter 
bestimmt, wobei der erste (a) am Abgange von dem Plexus in der 
Regel mit dem ersten N. brachialis inferior in innigem Konnexe 
steht?) und die drei nachstfolgenden (c, d und e) gewoéhnlich zu 
einem kurzen Stamme miteinander verbunden sind, wahrend der 
zweite und letzte (b und f) in dieser Hinsicht ein wechselndes 
Verhalten darbieten; der hinterste (caudalste, g) erstreckt sich auf 
den dorsalen Bereich des Armes und sondert sich sehr bald voll- 
kommen von dem hintersten N. brachialis inferior, wobei zugleich 
das Caput coracoideum m. anconaei sich zwischen beide ein- 
schiebt. 

a) N. dorsalis scapulae (N. axillaris posterior) (NV. dsc)*). 
Ziemlich starker Nery, der sich in der Regel gemeinsam mit dem 
N. supracoracoideus von dem Plexus ablést?), wobei seine Fasern 
je nach der Starke der ersten Plexuswurzel VI und VII oder nur 
VI entstammen. Nach ganz kurzem Verlaufe trennt er sich von 
dem N. supracoracoideus und verliuft nach hinten zur Achsel- 
hohlengegend, wobei er die nachst zu erwahnenden Nn. brachiales 
superiores dorsal kreuzt; im Bereiche der Achselhoéhle tritt er 
dorsal (oberhalb) von dem M. anconaeus scapularis zwischen die 
Mm. dorsalis scapulae und latissimus dorsi, wobei er sich in eine 
Anzahl Zweige (4—5) teilt, von denen die oberflachlichen (Nn. cu- 
tanei axillares supraanconaei, N.cut.spa)*) an die Haut 
im ventralen Bereiche der beiden letztgenannten Muskeln und im 
proximalen lateralen Gebiete des Oberarmes (bis zur Mitte des- 


1) Auf allen Abbildungen von Taf. XIV grau wiedergegeben. 
— Diese Nerven entsprechen Osawa’s N. axillaris (I. 2) aus dem 
N. coraco-scapularis und dem N. brachialis longus superior Ftr- 
BRINGER (II). 

2) So fand es Osawa und auch ich in 4 Fallen; nur einmal 
schlo8 sich dieser erste N. brachialis superior den folgenden naher 
an und zeigte dem N. supracoracoideus gegeniiber griéfere Selb- 
stindigkeit. Damit kam das sonst bei den Sauropsiden gewéhn- 
liche Verhalten zum Ausdruck, wahrend der Zusammenschluf der 
beiden heterogenen Nn. dorsalis scapulae und supracoracoideus eine 
Besonderheit von Sphenodon bildet. 

3) Aufer den Gesamtbildern des Plexus vergl. insbesondere 
Fig. 117 und 120. — N. axillaris: Osawa (I. 2). 

4) Nn. cutanei brachii superiores laterales: Osawa. 


382 Max Fiirbringer, 


selben) gelangen, der tiefere aber Anastomosen mit dem N. del- 
toides clavicularis s. cleido-humeralis (axillaris inferior) eingeht 
und gemeinsam mit ihm, bedeckt von dem M. dorsalis scapulae, 
nach vorn in der Richtung nach dem M. deltoides clavicularis 
verlauft, indem er hierbei den M. dorsalis scapulae mit motorischen 
Nerven versorgt (NV. dsc) '). 

Der Nerv entspricht dem hinteren Aste des N. dorsalis sca- 
pulae (inkl. N. cutaneus brachii superior lateralis s. axillaris 
supraanconaeus) der Lacertilier (Schultermuskeln, III, p. 662 und 
p. 370, Anm. 1) resp. dem N. dorsalis scapulae (posterior) der Cro- 
codile, weicht jedoch von letzterem etwas in der Hautversorgung 
ab, wobei aber das besondere Verhalten des M. anconaeus scapu- 
laris desselben die Hauptschuld der Inkompletitat der Homologie 
trigt. — Von menschlichen Bildungen stehen die Nn. teres minor 
und cutaneus n. axillaris (cutaneus humeri posterior s. brachii 
lateralis) dem vorliegenden Nerven am nachsten, wobei gleichfalls 
das abweichende Verhalten des M. anconaeus scapularis zu be- 
riicksichtigen ist. 

b) N. subcoracoscapularis (N.sbesc)?). Mabig starker 
Ast, der den am meisten ventralen Nerv der Nn. brachiales supe- 
riores reprasentiert und VI < VII oder VII > VIII entstammt. 
Er lést sich entweder selbstindig (mit 2—38 Wurzeln) von der 
Ventralflache des dorsalen Hauptplexus ab oder geht gemeinsam 
mit den Nn. deltoides clavicularis, scapulo-humeralis und cutaneus 
brachii et antibrachii infraanconaeus von ihm ab, um sich aber 
auch in letzterem Falle recht friihzeitig von dem gemeinsamen 
Stamme abzulésen, und gelangt nach mafig langem Verlaufe, in 
mehrere Zweige zerfallend, zu dem scapularen und coracoidalen 
Anteile des M. subcoracoscapularis. Ersterer wird von den zuerst 
abgehenden Seitenzweigen (V.sbsc) versorgt, letzterer (V.sbe) von 
den zahlreichen Endausbreitungen des Nerven, wobei die vordersten 
derselben an dem dorsal (innen) von ihnen gelegenen Lig. sterno- 
scapulare internum vorbeiziehen. 

Der N. subcoracescapularis von Sphenodon entspricht dem 
gleichnamigen Nerven der Lacertilier und enthalt Homologa des 


1) Entsprechend lautet die von Osawa gegebene Beschreibung. 
— Auch eine partielle Versorgung des M. cleido-humeralis wurde 
in einigen Fallen gefunden; sie war aber eine minimale. 

2) Osawa’s N. subscapulo-coraco-brachialis (II. 1) mit dem R. 
subscapularis und R. coracoidalis. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 383 


N. subscapularis der Crocodile und des N. subscapularis superior 
der menschlichen Anatomie in sich. 

c) N. scapulo-humeralis (Nsch)1). Mabig starker Nerv, 
der von VII oder VII > VIII stammt und in ziemlich langer 
Strecke mit dem N. deltoides clavicularis verbunden ist, um erst 
unweit des axillaren Randes der Mm. subcoracoscapularis und 
scapulo-humeralis posterior sich von ihm abzutrennen. Er tritt 
dann zwischen diese beiden Muskeln ein, wobei er den letzteren 
von seiner Innenseite her mit einem oder zwei schwachen Zweigen, 
N. scapulo-humeralis posterior (V.schp), versorgt und dann weiter 
nach vorn gehend sich zu der Innenfliche des M. scapulo-hunieralis 
anterior begiebt, den er mit seinem mehrfach verzweigten Endteil, 
N. scapulo-humeralis anterior (N.scha), innerviert. Der N. scapulo- 
humeralis anterior ist erheblich starker als der N. scapulo-hume- 
ralis posterior; sein erster feiner Seitenzweig (N.scha;) tritt zu 
dem besonderen kleinen tiefen Muskelbande des M. scapulo-hume- 
ralis anterior (siehe dessen Beschreibung). 

Enthalt die Elemente des N. scapulo-humeralis profundus 
(anterior) der Lacertilier und des M. scapulo-humeralis profundus 
(posterior) der Crocodilier in sich. 

d) N. deltoides clavicularis s. cleido-humeralis 
(N. axillaris anterior) (N.dcl)?). Ziemlich kraftiger, VII oder VII 
und VIII entstammender Nerv, der nach seiner Abzweigung von 
dem vorhergehenden und unter Anastomosenbildung mit dem N., 
dorsalis scapulae unter dem M. dorsalis scapulae sich nach vorn 
wendet, um schlieflich in ventro-rostralwarts gehendem Verlaufe 
auch unter den M. deltoides clavicularis zu gelangen. Beide 
Muskeln versorgt er von ihrer Innenfliche her mit Zweigen, den 
M. dorsalis scapulae nur zum kleinsten Teile (indem hier der N. 
dorsalis scapulae die Hauptinnervation tibernimmt), den M. deltoides 
clavicularis, wenn nicht ausschlieBlich, so doch in ganz tiberwiegen- 
dem MafSe (N.dcl). Von seinem Endteile zweigt sich ein sehr 
feiner langer Faden ab, der von dem ventralen Teile des M. del- 
toides clavicularis bedeckt und an dem dorsalen Rande des M. 
supracoracoideus wieder nach hinten (caudalwarts) verlaiuft, um 


1) N. scapulo-humeralis: Osawa (II. 3), der gleichfalls die Ver- 
sorgung beider Muskeln beschreibt. 

2) Vergl. namentlich Fig. 117 und 120. — N. dorsalis scapulae: 
Osawa (II. 2). Osawa giebt ebenfalls die Innervation der Mm. 
dorsalis scapulae und deltoides clavicularis an, erwihnt aber den 
N. humero-radialis proximalis nicht. 


384 Max Fiirbringer, 


den ersten Anfang des M. humero-radialis mit einer mafigen 
Anzahl von Nervenfasern zu versehen (N. humero-radialis 
proximalis, N.hrpz). 

Dieser Nerv entspricht im grofen und ganzen dem vorderen 
Aste des N. dorsalis scapulae (axillaris) der Lacertilier resp. mit 
der durch das besondere Verhalten des M. anconaeus scapularis 
gegebenen Abweichung dem N. axillaris (exkl. N. cutaneus brachii 
et antibrachii superior lateralis) der Crocodile. Eine allgemeinere 
Homologie besteht ferner mit dem R. deltoides n. axillaris der mensch- 
lichen Anatomie. — Der N. humero-radialis proximalis ist eine be- 
sondere Bildung der Rhyuchocephalier, die den Lacertiliern fehlt; 
doch existieren mit dem N. humero-radialis der Crocodile und dem 
N. deltoides propatagialis der Végel gewisse Beriihrungspunkte. 

e) N. cutaneus brachii et antibrachii superior 
lateralis (infraanconaeus) (N.c.latifa)*). Nicht schwacher 
Nerv, der in der Regel VII und VIII oder VIII entstammt und 
sich friiher oder spiter von den vereinigten Nn. scapulo-humeralis 
und deltoides clavicularis ablést, um im dorsalen Bereiche der 
Achselhéhle sich nach hinten und unten zu wenden und ventral 
von dem M. anconaeus scapularis, zwischen ihm und M. anconaeus 
humeralis lateralis durchtretend, an die Lateralseite des Oberarms 
zu gelangen, wo er sich mit mehreren Zweigen an der Haut ver- 
zweigt und auch in den Bereich der Streckseite des Vorderarms 
gelangt. 

Der N. cutaneus brachii et antibrachii superior lateralis kommt 
dem gleichnamigen Nerven der Lacertilier (p. 370, Anm. 1) und 
Crocodilier (Schultermuskeln, III, p. 678) am nachsten. Bei den 
Lacertiliern verteilt sich sein Verbreitungsgebiet einerseits in den 
in gleicher Weise zwischen die Mm. anconaei scapularis und 
humeralis lateralis durchtretenden N. cutaneus brachii superior 
lateralis infraanconaeus (p. 370, Anm. 1) und andererseits in den 
abweichend davon durch den ventralen und distalen Teil des 
M. anconaeus humeralis lateralis nach aufen tretenden N. cutaneus 
antibrachii lateralis (Schultermuskeln, III, p. 664). — Noch grofer 
sind die Abweichungen der hierher zu rechnenden Nerven der 
menschlichen Anatomie (R. cutaneus medialis s. internus n. radialis 
s. N. cutaneus brachii posterior superior und R. cutaneus late- 
ralis s. externus n. radialis s. N. cutaneus brachii posterior inferior) ; 
hier kann nur von sehr inkompleten Homologien gesprochen 
werden. 


1) N. cutaneus brachii et antibrachii lateralis: Osawa (II. 4). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 385 


fy Ne latissimus dorsi CNeid)*). “Hin (Pigvil2ie 122) 
oder zwei (Fig. 117, 123) Nerven, welche VII < VIII oder VIII 
entstammen, von denen der vordere dem von b—e gebildeten 
Stamme auf kurze Zeit angeschlossen sein kann, die aber dem- 
selben gegentiber meist eine selbstindige Stellung einnehmen. 
Geht nur ein N. latissimus dorsi von der dorsalen Lage des 
Hauptplexus ab, so teilt sich derselbe doch friihzeitig in zwei 
langere Aeste, so daf auch hier bald zwei Nn. latissimi dorsi 
resultieren. Die beiden Nerven (Aeste) gelangen in nach hinten 
und oben gerichtetem Verlaufe, die ventralen von ihnen befindlichen 
langen Nerven des Plexus kreuzend, an die Innenflache des 
M. latissimus dorsi, wobei der erste, in der Regel etwas schwachere 
den vorderen Teil desselben mit dorsal aufsteigenden Zweigen 
versorgt, wihrend der meist starkere hintere, lings des ventralen 
Innensaumes seines Muskels verlaufend, mit einer Anzahl dorsal- 
warts aufstrebender Seitenzweige und seinem Endzweige den mitt- 
leren und hinteren Teil des Muskels versorgt. 

Entspricht dem gleichnamigen Nerven der Lacertilier, Cro- 
codilier und der menschlichen Anatomie. 

s)ON. brachialis! longus swperior)radiadis) 
(N.brisp) ?).- Von VII < VIII 2 IX > X oder VIII 2 IX > X ge- 
bildeter Hauptstamm des Plexus. Er verlauft neben (dorsal und 
rostral von) dem N. brachialis longus inferior und seinen Teilasten 
nach dem Oberarm und tritt, von diesen Nerven durch die 
Ursprungssehne des Anconaeus coracoideus geschieden, in den 
dorsalen Oberarmbereich ein, um zuerst zwischen Anconaeus 
coracoideus und Anc. scapularis, dann zwischen medialem und late- 
ralem humeralen Kopfe des M. anconaeus und in der Tiefe des letz- 
teren distalwarts weiter zu verlaufen, wobei er in einer lateralwarts 
gerichteten Windung (Teil einer Spirale) nach der dorsalen Oetf- 
nung des Canalis nervi radialis s. ectepicondyloideus gelangt, um 
denselben zu durchsetzen und, aus seiner ventralen Oeffnung aus- 
tretend, in den proximalen Bereich der radialen Extensorengruppe 
des Vorderarms zu gelangen und von da aus sich weiterhin im 
dorsalen Gebiete von Vorderarm und Hand zu verzweigen*). Auf 
‘seinem Verlaufe (Fig. 117) giebt der N. radialis da, wo er die 


1) N. latissimus dorsi: Osawa (II. 5). Auch Osawa giebt einen 
einfachen oder doppelten Ursprung an. 

2) Musculo-spiral Nerve: Brooxs. — N. radialis: Osawa (II. 6). 

3) N. radialis medialis von Osawa (II. 6. B.). 


386 Max Firbringer, 


Ursprungssehne des Anconaeus coracoideus kreuzt, oder friiher 
einen sehr kraftigen, etwa ?/, seiner Dicke ausmachender Nerven, 
N. anconaeo-extensorius (N.ae), ab, der gleichfalls in die 
dorsale Muskulatur des Oberarms (M. anconaeus) eintritt, sie mit 
einer grofien Anzahl von Aesten (Nn. anconaei, JN.a)*) ver- 
sorgend, und sie weiterhin durchsetzt. Hierbei verliuft er parallel 
zu dem Stamme des N. radialis, aber durch eine ziemlich an- 
sehnliche Partie des M. anconaeus humeralis lateralis von ihm 
geschieden, distalwarts und gelangt schlieBlich auch an die Streck- 
seite des Vorderarms, um diese mit Muskel- und Hautzweigen zu 
versorgen; er liegt im ganzen mehr ulnarwarts als der Haupt- 
stamm und endet bereits im dorsalen Bereiche der Handwurzel ”). 
— Von den nach dem Durchtritte durch den Canalis nervi radialis 
abgegebenen Vorderarmisten kommt fiir die vorliegende Dar- 
stellung noch der zuerst, d. h. bald nach dem Austritt aus dem Kanal 
abgegebene N. brachio-radialis (supinator) (V.brr) fiir den M. bra- 
chio-radialis (supinator) in Betracht, weil dieser einen feinen Nerven 
abgiebt, der, den proximalen Teil des genannten Muskels durch- 
brechend, riicklaufig in den Bereich des Oberarms gelangt, in 
dessen distalem 1/, er, von dem M. humero-radialis bedeckt, ver- 
lauft, um in die Innenseite dieses Muskels am Ende von dessen 
zweitem Drittel einzutreten (N. humero-radialis distalis, 
(N.hrdt)*); er ist der Hauptnerv des M. humero-radialis. 

Der N. radialis entspricht im grofen und ganzen dem gleich- 
namigen Nerven der Lacertilier, zeigt aber einige Besonderheiten 
ihm gegeniiber. Der N. humero-radialis distalis ist ein Gebilde, 


1) Nn. anconaei: Osawa. 

2) Brooxs giebt eine ziemlich gute Beschreibung des Nerven, 
wobei er aber seine Hautverastelung ignoriert und den Schwer- 
punkt auf die Versorgung des M. anconaeus IV. legt (Nerve to the 
Anconaeus of Human Anatomy). — Genauer ist Osawa’s Darstellung. 
Er bezeichnet den Nerven mit Inbegriff der Nn. anconaei als N. 
radialis lateralis (II. 6. A) und stellt ihn dem Hauptstamm des N. 
radialis (N. radialis medialis Osawa) gegeniiber. Ich méchte das 
nicht unterstiitzen. Auch die Bezeichnungen lateralis‘ und 
,»medialis*, wenn auch an sich nicht inkorrekt, geben leicht zu 
irrigen Vorstellungen iiber Lage und Verlauf dieser Nerven Anlaf, 
da man gemeinhin nicht gewéhnt ist, der Ulna mehr genaherte 
Teile als laterale und dem radialen Bereiche zugehérende als 
mediale zu bezeichnen. 

3) Von keinem Autor erwabnt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 387 


das meines Wissens sich bei keinem anderen Tetrapoden !) wieder- 
findet. — Zu dem menschlichen N. radialis bestehen allgemeine 
Homologien. 


C. und D. Nn. brachialis inferiores 2) und Nn. thoracici inferiores *). 


Sie reprisentieren die ventrale Schicht des Hauptplexus. 
Wie bei den Nn. brachiales superiores sind die vorderen (rostralen) 
fiir Schulter und Brust bestimmt, wobei der erste (a) in der Regel 
am Abgange mit dem N. dorsalis scapulae verbunden ist, die 
nachsten (b) sich ziemlich friih als selbstindige ventralste Nerven 
des Plexus ablésen, die folgenden (c, d) dies erst im Bereiche der 
letzten Ansae thun oder schon die ersten Seiteniste der Nn. bra- 
chiales longi inferiores darstellen; die hinteren (caudalen) (e, f) 
bilden die langen ventralen Nerven des Armes und gelangen, 
durch die Sehne des Anconaeus coracoideus von den dorsalen 
Nerven getrennt, in den Bereich der freien Extremitat. 

a) N. supracoracoideus (N.spe)*). Ansehnlicher Nerv, 
der VI oder VI und VII entstammt und gemeinsam mit dem 
N. dorsalis scapulae als erster von dem Hauptplexus sich ablost. 
Er trennt sich sehr bald von seinem caudalwarts strebenden dor- 
salen Genossen, wendet sich, rein transversal oder zugleich etwas 
rostralwarts gerichtet, nach der vom Coracoid gebildeten Brust- 
wand und tritt, ventral (aufen) an dem Lig. sterno-scapulare in- 
ternum vorbei, nach dem Foramen supracoracoideum und durch 
dasselbe, also diazonal, nach aufen. Auf der Aufenfliche des 
Coracoides versorgt er den M. supracoracoideus mit der Haupt- 


1) Doch soll die Méglichkeit, da ein im allgemeinen ent- 
sprechender Nery bei gewissen Végeln (Rhinochetus u. A.) vorkomme, 
nicht von der Hand gewiesen werden. Der daselbst von Brpparp 
gefundene und als ,Accessory biceps“ bezeichnete Muskel zeigt 
nach Lage gewisse Uebereinstimmungen mit dem distalen Teile des 
M. humero-radialis von Sphenodon und wird méglicherweise auch 
von einem entsprechenden Nerven versorgt. Brpparp giebt nichts 
tiber seine Innervierung an (vergl. auch den nichsten die Végel 
behandelnden Teil dieser Untersuchungen). 

2) Auf allen Abbildungen von Taf. XIV weil wiedergegeben. 
— Diese Nerven entsprechen Osawa’s N. supracoracoideus (I. 1) 
aus dem N. coraco-scapularis und N. brachialis longus inferior (III). 

3) Auf allen Figuren von Taf. XIV wei gezeichnet. — R. 
sterno-coracoideus und R. costo-sterno-scapularis: Osawa. 

4) N. supracoracoideus: Osawa, der auch den Hautast auffihrt. 


388 Max Firbringer, 


masse seiner Aeste, wihrend ein feinerer Zweig, R. cutaneus 
supracoracoideus (N.c.spe), den M. supracoracoideus durch- 
bohrend und danach zwischen den Mm. deltoides clavicularis und 
pectoralis an des letzteren Vorderrande nach aufen tretend, die 
den Anfangsteil der Brust und Schulter deckende Haut innerviert. 

Der Nerv entspricht dem gleichnamigen Nerven der Lacertilier 
und Crocodilier. — Von Gebilden der menschlichen Anatomie 
kommt, wie ich bereits friher (Schultermuskeln, I, 1873, p. 270) 
hervorgehoben, der N. suprascapularis als partielles Homologon 
in Betracht; die Monotremen mit gut entwickeltem N. supra- 
coracoideus sind hierbei die Vermittler. 

b) Nn. thoracici inferiores‘). Feine, in ihrem Abgange 
und Verlaufe wechselnde Nerven (vergl. Fig. 116, 121, 122, 123), 
die mit 2—4 Wurzeln von VII, VIII und IX abgehen?), wobei 
die gegenseitige Starke derselben ganz von dem metamerischen 
Verhalten des Hauptplexus beherrscht wird; meist ist der von 
IX abgegebene Anteil etwas stiirker als der von VII stammende, 
wahrend der von VIII kommende auch den von IX abkémm- 
lichen etwas tibertrifft. Ueber einige der zahlreichen Variierungen 
des Abganges, die meist davon abhaingen, ob die einzelnen Wurzeln 
friiher oder spiter sich verbinden, orientieren die beigegebenen 
Abbildungen. Aus dem so gebildeten Plexus thoracicus in- 
ferior resultieren schlieflich zwei Nerven oder ein Nerv, der 
sich bald wieder in zwei Aeste teilt. Der vordere und _ stéirkere 
derselben reprasentiert den von VII und VIII oder VII, VIII und 
IX gebildeten N. sterno-coracoideus internus (N.séez) *), 
der, ventral (aufen) an dem M. sterno-costo-scapularis vorbei- 
ziehend, nach der ventralen Brustwand gelangt und sich hier mit 
einer Anzahl von Zweigen an den beiden Mm. sterno-coracoidei 
interni superficialis und profundus verteilt, wobei er zwischen 
beide Muskeln eindringt und somit den ersteren von der Innen- 
seite (N.stcispf), den letzteren von der Aufenseite her versorgt 
(N.siciprf). Der hintere schwichere Nerv (Ast) bildet den VIII und 


1) Vergleiche Anm. 3 auf p. 387. 

2) In den Fallen mit starker Plexuswurzel VI ist die Még- 
lichkeit einer sehr schwachen — Beteiligung derselben nicht 
vollig ausgeschlossen. Osawa aft die Nerven nur von VIII und 
IX abgegeben werden. 

3) Osawa’s N. sterno-coracoideus, der mit 2 Wurzeln von VIII 
und IX abgegeben wird und die Mm. sterno-coracoidei interni sowie 
den M. costo-coracoideus dieses Autors versorgt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 389 


IX entstammenden N. sternocosto-scapularis (N.sfesc) *) 
und gelangt nach kiirzerem Verlaufe zu dem gleichnamigen von 
ihm innervierten Muskel. 

Entspricht den gleichnamigen Nerven der Lacertilier. Doch 
weicht die Lage zu dem M. sternocosto-scapularis zum Teil ab, 
indem derselbe bei Lacerta ventral (auSen) von dem N. sterno- 
coracoideus externus liegt. Zu den Crocodiliern existieren minder 
intime Beziehungen. — Von den Gebilden der menschlichen Ana- 
tomie kommt nur der N. subclavius als inkompletes Homologon in 
Betracht. 

c) N. pectoralis (N.p.)?). Sehr kraftiger Nerv, der VIII 
und IX oder VII, VIII und IX entstammt und entweder noch 
im Bereiche der letzten Ansen des Hauptplexus oder von dem 
Anfange des gemeinschaftlichen N. brachialis longus inferior neben 
dem N. coraco-brachialis proximalis oder mit demselben ver- 
bunden abgeht (vergl. Fig. 116, 121, 122, 123). Er wendet sich 
am hinteren Rande des M. coraco-brachialis longus nach aufen 
und unten, wobei er in zwei ansehnliche, stark divergierende Aeste 
sich teilt, einen meist etwas kraftigeren vorderen und etwas 
schwicheren hinteren, die beide in die Innenfliche des M. pecto- 
ralis eintreten, wobei vorwiegend der vordere den episternalen 
und sternalen, der hintere den parasternalen Teil desselben versorgt. 

Der N. pectoralis entspricht den gleichnamigen Nerven der 
iibrigen Sauropsiden und zugleich im wesentlichen den zu den Mm. 
pectoralis major und minor gelangenden Nn. thoracici anteriores 
der menschlichen Anatomie. 

d) N. coraco-brachialis et biceps proximalis 
(N.chbrpx, N.bipx)*). MaBig starker Nerv, der von VII und VIII 
oder VIII kommt‘) und in der bereits bei dem vorhergehenden 


1) Osawa’s N. costo-sterno-scapularis, der aus IX stammt und 
den M. costo-sterno-scapularis innerviert. 

2) N. pectoralis: Osawa (III. 1). 

3) N. coraco-brachialis: Osawa (III. 2). Osawa findet wie ich 
die Versorgung des M. coraco-brachialis brevis und des proximalen 
Kopfes des M. biceps, giebt aber auferdem noch einen Zweig fiir 
das Caput coracoideum des M. subcoracoscapularis (seines M. sub- 
scapulo-coraco-brachialis) an, den ich niemals fand. Stets wurde, 
wie es auch nicht anders zu erwarten war, bei allen mir vorliegen- 
den Exemplaren dieser Kopf ausschlieBlich von dem N. subcoraco- 
scapularis versorgt. 

4) Selbst eine Beteiligung von VI, wenn stark entwickelt, ist 
nicht ginzlich auszuschliefen. Doch gelang wir dieser Nachweis 
an meinem Materiale nicht. 


390 Max Firbringer, 


Nerven angegebenen Weise von dem Plexus oder dem Anfang des 
N. brachialis longus internus sich ablést. Hierbei kann er bald etwas 
spiter, bald etwas friiher als der N. pectoralis, bald mit ihm ge- 
meinsam abgehen; im letzten Falle trennen sich beide Nerven 
nach kurzem Verlaufe voneinander. Er wendet sich direkt am 
hinteren Rande des Coracoides, also rostraler als der N. pectoralis 
nach unten und vorn (ventro-rostralwarts), durchbricht den pro- 
ximalen Bereich des M. coraco-brachialis brevis, den er hierbei 
mit Zweigen versorgt (N. coraco-brachialis proximalis, 
N.cbrpx), und endet danach in dem proximalen Bauche des M. bi- 
ceps, in dessen Innenfliche eintretend (N. biceps proximalis, 
N.bipx). 

Er ist ein Homologon der gleichnamigen Nerven der Lacer- 
tilier (in den Schultermuskeln, III, 1875, als Nn. coraco-brachialis 
und coraco-antibrachialis sub £, p. 660 neschrieben). Zu den ent- 
sprechenden Nerven der anderen Sauropsiden existieren minder 
innige Beziehungen. — Ganz im allgemeinen und sehr inkomplet 
vergleichbar ist der Nerv mit den proximalsten zu dem M. coraco- 
brachialis gelangenden Rr. musculares des menschlichen N. mus- 
culo-cutaneus; die Hauptsache des Nerven fehlt dem Menschen. 

e) N. cutaneus brachii et antibrachii inferior 
medialis (N.c.abim, N.cut.abim)'). Gut entwickelter Hautnerv, 
der IX, X und wohl X12) entstammt und in sehr variabler Weise, 
bald vor Bildung des N. brachialis longus inferior, bald als einer 
der ersten Zweige desselben Nerven, von dem Hauptplexus abgeht 
und, friiher oder spiter in mehrere Zweige zerfallend, an der 
Medialseite des Oberarms (den Mm. anconaeus scapularis, coraco- 
brachialis longus und biceps medial aufliegend) und des Vorderarms 
(auf der Beugemuskulatur derselben) distalwarts zieht und hierbei 
die Haut der betreffenden Strecken bis herab zur Hand versorgt. 

Entspricht dem gleichnamigen Nerven der Lacertilier und 
Crocodilier (in den Schultermuskeln, III, 1875, p. 660 sub y als 
N. cutaneus brachii et antibrachii medialis angefiihrt) und ent- 
halt Elemente des N. cutaneus brachii internus minor et major 
(N. cutaneus brachii et antibrachii medialis) der menschlichen 
Anatomie in sich, wobei er zugleich einen Teil des von dem 


1) N. cutaneus brachii et antibrachii medialis: Osawa (III. 4). 

2) Wegen der Zartheit der von XI abgegebenen Wurzel und 
ihrer friihen Vereinigung mit X war an dem mir disponibeln 
Materiale der direkte Nachweis nicht zu fiihren; per exclusionem 
ist aber die Beteiligung von XI sehr wahrscheinlich., 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. oul 


menschlichen N. cutaneus brachii externus (cutaneus antibrachii 
lateralis) versorgten Gebietes vikariierend tibernimmt. 

f) N. brachialis longus inferior (N.bri)'). Der kraf- 
tige Hauptstamm der Nn. brachiales inferiores des Plexus, der 
von VII, VIII, IX, X und wohl auch XI?) abstammt. Er giebt 
zuerst, falls dieselben nicht schon friiher sich vom Plexus losgelést 
haben, die Nn. pectoralis (c), coraco-brachialis proximalis (d) und 
cutaneus brachii et antibrachii inferior medialis (e) ab und zer- 
fallt nach kurzem Verlaufe *) in drei Hauptaste, die von dem 
N. brachialis longus superior zuerst nur durch die Sehne des 
Anconaeus coracoideus geschieden werden, dann aber, auf die 
Ventralseite des Armes gelangend, sich weiter von dem dorsalen 
Nerven entfernen. 

Von den drei Hauptasten (Fig. 116) zweigt sich der schwachste 
derselben, N. brachialis longus inferior lateralis (N. 
musculo-cutaneus et medianus e. p.) (N.briilt)4), zuerst ab*) und 
begiebt sich, durch den Spalt zwischen den Mm. coraco-brachiales 
brevis und longus hindurchtretend, zur Beugeseite des Oberarms, 
wobei er die benachbarten Mm. coraco-brachiales, biceps (distaler 
Bauch) und brachialis inferior mit mehreren zum Teil ganz an- 
sehnlichen Zweigen (Nn. coraco-brachiales distales, 
N.cbrdi; N. biceps distalis, N.osdi; N. brachialis in- 
ferior, N.bri) versorgt und mit einem den M. brachialis inferior 
schrag durchsetzenden schwachen Zweige an die Haut der Radial- 
seite des Vorderarms im Bereiche des M. brachio-radialis (supina- 
tor) gelangt (N. cutaneus antibrachii lateralis, N.c.ablt) *). 


1) Umfaft Osawa’s Nervuli coraco-brachiales (III. 3), N. hume- 
ralis superior (III. 5), N. musculo cutaneus (III. 6), N. humeralis 
inferior (III. 7), N. medianus (III. 8) und N. ulnaris (infolge eines 
Schreibfehlers auch mit III. 8 bezeichnet). 

2) Siehe Anm. 2 auf p. 390. 

3) Diese Teilung kann sehr friih, noch ehe der Nerv in den 
Bereich des Oberarms gelangte, oder im proximalen Gebiete des- 
selben erfolgen. 

4) Entspricht Osawa’s No. III. 3, 5, 6 und Anteil von 8. 

5) Auch hier ist ein Wechsel zu konstatieren, indem dieser 
Abgang viel friiher als die Sonderung der beiden anderen Aeste 
oder auch nahezu in derselben Hohe erfolgen kann (vergl. Anm. 3). 

6) Dieser Teil des N. brachialis longus inferior lateralis, der 
die 3 Beugemuskeln im Bereiche des Oberarms versorgt und mit 
dem N. cutaneus antibrachii lateralis endet, kann als N. musculo-_ 
cutaneus bezeichnet werden. Dem entspricht auch in der Haupt- 

Bd, XXXIV. N. F. XXVII. 26 


392 Max Firbringer, 


Nach Abgabe aller dieser Zweige gelangt der wesentlich dinner 
gewordene Nerv‘), von dem distalen Bauche des M. biceps brachii 
bedeckt, in den Bereich des Ellenbogengelenkes, wo er medial 
neben der Insertionssehne der vereinigten Mm. biceps brachii und 
brachialis inferior zum proximalen Teile des Vorderarms geht, um 
sich in dessen Beugemuskulatur einzusenken. Hierbei giebt er 
Zweige an den M. pronator und N. brachialis longus inferior 
medialis (ulnaris) ab und tritt gleich darauf unter intimer Ana- 
stomosenbildung mit dem N. brachialis longus inferior medianus 
(medianus brachii) zusammen, um gemeinsam mit ihm den Haupt- 
bereich der Beugeseite von Vorderarm und Hand (Muskeln und 
Haut) zu versorgen. Dieser gemeinsame Nerv (Nervenkomplex) 
kann als N. medianus (antibrachii et manus)') bezeichnet 
werden. 


Von den beiden anderen, in ihrer Dicke einander sehr nahe 
kommenden Hauptisten verlauft der meist ein wenig schwachere 
N. brachials longus inferior medianus (N. medianus brachil) 
N.brlime?) an der Medialseite des Oberarms zwischen Anconaeus 
coracoideus resp. den vereinigten K6épfen und Bauchen des M. 
anconaeus einerseits und dem M. coraco-brachialis longus anderer- 
seits langs des Humerus, ohne einen Zweig abzugeben; an der 


sache die Nomenklatur von Osawa (III. 6), der nur die fiir die 
Mm. coraco-brachialis bestimmten Zweige von dem Hauptteile als 
Nervuli coraco-brachiales (III. 3) sondert. Der Hautast ist richtig 
von ihm dargestellt. Dagegen giebt er auch eine Versorgung des 
M. humero-radialis (M. humero-antebrachialis lateralis Osawa) durch 
den N. musculo-cutaneus an, die nach meinen Beobachtungen nicht 
existiert. Bei allen daraufhin untersuchten Exemplaren sah ich 
nur feine Gefafzweige aus dem medialen und ventralen Gebiete 
des Oberarms (wo der N. musculo-cutaneus sich befand) zu dem 
M. humero-radialis treten. Die wirklichen Nerven dieses Muskels 
entstammten aber dem Gebiete des N. deltoides clavicularis und 
des N. brachio-radialis aus dem N. radialis. 

1) Dieser Teil des N. brachialis longus inferior lateralis ent- 
spricht in der Hauptsache dem N. humeralis superior Osawa’s 
(III. 5). Osawa findet im wesentlichen gleich mir die Vereinigung 
mit dem N. brachialis longus inferior medianus (seinem N. hume- 
ralis inferior, III. 7) zu einem gemeinsamen Stamm fiir die Beuge- 
seite des Worderarms und der Hand, den er als N. medianus 
(III. 8) bezeichnet. Dieser ist identisch mit meinem N. medianus 
antibrachii et manus. 

2) Osawa’s N. humeralis inferior (III. 7); nach der Vereinigung 
mit dem Endteil des N. humeralis superior (III. 5) als N. medianus 
(III. 8) bezeichnet (siehe die vorhergehende Anmerkung). 


9 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 393 


hinteren Oeffnung des Canalis nervi mediani s. entepicondyloideus 
angelangt, tritt er durch diesen Kanal hindurch in den Bereich 
der Ellenbogenhéhle, worauf er, bedeckt von dem gleichfalls hier 
liegenden N. brachialis longus inferior lateralis, zum Anfang der 
Beugeregion des Vorderarms geht und hier mit diesem Nerven 
die soeben beschriebenen Verbindungen eingeht, welche zur Bildung 
des N. medianus (antibrachii et manus) (N.meam) fiihren‘). 

Der dritte Hauptast wird durch den N. brachialis longus 
inferior ulnaris (N. ulnaris) (N.brliw)?) reprasentiert, der ein 
wenig kraftiger als der N. brach. longus inf. medianus (medianus 
brachii) und etwa doppelt so dick wie der N. brachialis longus 
inferior lateralis ist. Er verlauft neben dem zuvor beschriebenen 
Nerven und vom Humerus etwas mehr entfernt als dieser zwischen 
dem M. anconaeus und dem M. coraco-brachialis longus und ge- 
langt, am meisten ulnar gelegen, zwischen Epicondylus medialis 
und Olecranon in den proximalen Bereich der Beugemuskulatur 
des Vorderarms. Von da aus geht er im ulnaren Bereiche des 
Vorderarms und der Hand weiter, um hier Muskulatur und Haut 
zu versorgen. : 

Der N. brachialis longus inferior entspricht im grofen und 
ganzen dem gleichnamigen Nerven der anderen Sauropsiden, zeigt 
aber eine Verteilung, die in verschiedenen Punkten abweicht und 
gewisse gemeinsame Ziige mit derjenigen der menschlichen Anatomie 
aufweist. Wie bereits die gewahlte Nomenklatur zeigt, enthilt 
er die Elemente der menschlichen Nn. musculo-antaneus, medianus 
und ulnaris in sich, derart verteilt, daS der N. brach. long. inf. 
lateralis dem N. musculo-cutaneus und einem Teile (einer Wurzel) 
des N. medianus entspricht, der N. brach. long. inf. medianus den 
anderen Teil (andere Wurzel) des N. medianus darstellt und der 
N. brach. long. inf. medialis s. ulnaris in der Hauptsache dem 
N. ulnaris homolog ist. Auch in dem Durchtritt des N. brach. 
long. inf. medianus durch einen Canalis nervi mediani (entepicon- 
dyloideus) spricht sich eine Aehnlichkeit mit dem Verhalten bei 
den Saugetieren aus, die tibrigens mit den Rhynchocephaliern auch 
gewisse Theromorphen und Sauropterygier teilen. Man darf aber 
darauf nicht nahere verwandtschaftliche Beziehungen dieser Reptilien 
mit den Mammalia griinden, sondern kann hier nur von parallelen 
Bildungen sprechen. 


1) Vergl. die beiden vorhergehenden Anmerkungen. 
2) N. ulnaris: Osawa (III. 8; soll II. 9 heifen). 
26 * 


394 Max Firbringer, 


E. Crocodilia. 


Das Verhalten der Plexuswurzeln bei den Crocodiliern hat 
v. JHERING bei Crocodilus americanus (acutus), Caiman sclerops 
(Jacare sclerops) und Caiman trigonatus studiert. Genau so wie 
bei den von mir untersuchten Crocodilus americanus (acutus) und 
Alligator mississippiensis (lucius) fand er eine Zusammensetzung 
des Plexus aus dem 7. bis 11. Spinalnerven und eine Bildung des 
N. supracoracoideus durch die dem 7. und einem Teile des 
8. Nerven angehérenden Wurzeln. 

Die Crocodile reihen sich somit, wie schon 1875 und 1879 
von mir betont, in dieser Hinsicht den Varanidae und (wie ich 
auf Grund des von JHERING gemachten Befundes bei Agama stellio 
zufiigen kann) vielleicht gewissen Agamidae an. Mit der Riick- 
wartswanderung des Plexus verbindet sich die metamerische Um- 
bildung der Wirbelsiule, welche (gleich den meisten Varanidae 
und v. JHERING’s Exemplar von Agama stellio) 9 Cervikalwirbel 
zahlit. 


§ 15. 
Muskeln der Schulter und des Oberarms'). 


Litteratur ”), 


Gtnrner, A., Contribution to the Anatomy of Hatteria (Rhyncho- 
cephalus Owen). Phil. Trans. Roy. Soc., CLVII, P. Il, p. 595 
—629. London 1867. 


1) Zur neueren eigenen Untersuchung dienten: 

Lacertilia. Geckonidae: Hemidactylus mabouia Mor., Gecko 
verticillatus Laur., Ptychozoon homalocephalum Crev.; Uropla- 
tidae: Uroplates fimbriatus Scun.; Scincidae: Lygosoma oliva- 
ceum Gray; Gerrhosauridae: Zonosaurus madagascariensis 
Gray; Lacertidae: Lacerta ocellata Daup.; Tejidae: Ameiva 
surinamensis Laur.; Zonuridae: Zonurus cordylus L.; Igua- 
nidae: Phrynosoma cornutum Haru.; Agamidae: Calotes jubatus 
D. et B.; Varanidae: Varanus niloticus L.; Chamaeleontidae: 
Chamaeleo vulgaris Daup., Brookesia superciliaris Kunn. — Rhyn- 
chocephalia. Sphenodontidae: Sphenodon punctatus Gray 
(6 Exemplare in der Groéfe von 7,5 bis 50 cm; vergl. p. 365, 
Anm. 2). — Crocodilia. Alligatoridae: Alligator mississippi- 
ensis Daun. (All. lucius, 3 Exemplare). 

2) Hinsichtlich der friiheren Litteratur verweise ich auf die 
Abhandlung von 1875 (Zur vergleichenden Anatomie der Schulter- 
muskeln, III, Morph. Jahrb., I, p. 688 f.). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 395 


Forsricer, Zur vergleichenden Anatomie der Schultermuskeln. 
I. Jenaische Zeitschrift, VII, p. 237-320. Leipzig 1873. — 
II, Ibidem, VIII, p. 175—280. Jena 1874. — III. Morpholog. 
Jahrb., I, 1875, p. 636—818. Leipzig 1876. 


Aurx, E., Sur la détermination du muscle long supinateur chez les 
oiseaux. Journ. d. Zoologie p. P. Gervais, III, p. 21—25. 
Paris 1874. 

-— Essai sur l’appareil locomoteur des oiseaux. Paris 1874. (Enthalt 
auf p. 424—427 eine zum Vergleiche mit der Flugmuskulatur 
der Vogel herangezogene Beschreibung der Schultermuskeln von 
Monitor, wahrscheinlich Varanus niloticus.) 

Newman, A. K., Notes on the Physiology and Anatomy of the 
Tuatara (Sphenodon giintheri). Trans. and Proc. New. Zealand 
Inst., X, 1877, p. 222—239. Wellington 1878 (read 22. IX. 
1877). (Beschreibung mehrerer Muskeln.) 

SauvacE, H. E., Etude sur le membre antérieur du Pseudope de 
Patias. Ann. sc. nat. (6. sér.) Zoologie, VII, Art. 15 (13 pp.). 
Paris 1878. (Diirftige und unrichtige Angaben iiber einzelne 
beziigliche Muskeln von Ophisaurus apus.) 

Furperincer, M., Zur Lehre von den Umbildungen der Nervenplexus. 
Morph. Jahrb., V, p. 324—394. Leipzig 1879. 

Sapatipr, A., Comparaison des ceintures et des membres antérieurs 
et postérieurs dans la série des Vertébrés. Extr. d. Mém. d. 
PAcad. d. Sc. et Lettr. de Montpellier, LX (437 pp.). Mont- 
pelher et Paris 1880. (Vergleichend-anatomische Untersuchung 
und Beurteilung der entsprechenden Arbeiten anderer Autoren; 
einzelne eigene Untersuchungen an Alligator lucius; Innervation 
nur ganz nebensichlich beriicksichtigt.) 

bE Vis, Cu. W., Myology of Chlamydosaurus kingii. Proc. Linn. 
Soc. N. 8S. Wales, 1883, p. 300—320. Sydney 1884. (Kurze 
und zum Teil gute Beschreibung ohne Beriicksichtigung der 
Nerven.) 

Carusson, A., Untersuchungen iiber die Gliedmafenreste bei Schlangen. 
Bihang till K. Svenska Vet. Akad. Handl., XI, 1885, No. 11 
(38 pp.). (Notiz tiber die Innervation einiger Muskeln bei 
Pygopus lepidopus und Amphisbaena vermicularis). 

Smauian, O., Beitrage zur Anatomie der Amphisbaenoiden. Zeitschr. 
f. wiss. Zool., XLII, p. 126—202. Leipzig 1885. (Gute Angaben 
iiber die Muskulatur von Blanus cinereus, Amphisbaena fuligi- 
‘nosa, Anops kingii und Trogonophis wiegmanni.) 

Sauvace, H. E., Note sur le plexus brachial et le plexus sacro- 
lombaire du Zonure géant. Bull. Soc. Zoolog. de France, p. 489 
—499. Paris 1887. (Angaben iiber Innervation einiger Schulter- 
muskeln von Zonurus giganteus.) 

Brooks, H. Sr. J.. On the Morphology of the Extensor Muscles. 
Stud. Mus. Zool. Dundee, I, No. 5 (17 pp.). Dundee 1889. (Ver- 
halten des N. radialis zum M. anconaeus etc. von Sphenodon 
punctatus. ) 


396 Max Fiirbringer, 


Snuretpt, R. W., Contributions to the Study of Heloderma suspectum. 
Proc. Zool. Soc. London, 1890, p. 148—244. (Ziemlich genaue 
Beschreibung der Schulter- und Oberarmmuskeln, ohne Beriick- 
sichtigung der Innervation. ) 

Oruanpi, S., Note anatomiche sul Macroscincus coctei. Atti Soe. 
Ligust. Sc. Nat. Genova, V, Fasc. 2. Genova 1894. (Kurze 
und zum Teil unrichtige Angaben iiber einige Schultermuskeln 
und ihre Funktion von Macroscincus coctaei; die Innervierung 
wurde nicht beriicksichtigt. ) 

Maurer, Fr., Die ventrale Rumpfmuskulatur einiger Reptilien. 
Festschr. fiir Graunspaur, I, p. 181—258. Leipzig 1896. (Gute 
Bemerkungen itiber Ursprung und Lage der Mm. pectoralis, 
sterno-coracoideus, sternocosto-scapularis etc. bei Cyclodus [wahr- 
scheinlich Tiliqua scincoides}, Lacerta agilis, muralis und viridis, 
Sphenodon punctatus und Crocodilus sp.) 

Osawa, G., Beitrage zur Anatomie der Hatteria punctata. Arch. f. 
mikr. Anat., LX, p. 481—691. Bonn 1898. (Gute Beschreibung 
der Muskulatur von Sphenodon punctatus nebst Innervation 
derselben. ) 


Die folgenden Ausfiihrungen zeigen, wie das durch ihren 
Charakter als Nachtrige bedingt ist, eine gewisse Ungleichmiabig- 
keit der Bearbeitung. Die Abschnitte iiber die kionokranen Lacer- 
tilier und Chamaeleontier schliefen sich den entsprechenden Dar- 
stellungen von 1875 an, gehen aber mit Riicksicht auf ihre syste- 
matische Verwertung mehr in das Detail bei den einzelnen neu 
untersuchten Vertretern ein. Auf eine Behandlung der betreffen- 
den Teile bei den Amphisbaeniern mute ich zunachst  ver- 
zichten, da mir von dieser Abteilung nur Formen mit weit vor- 
geschrittener Reduktion des Brustschulterapparates zu Gebote 
standen, welche nur eine ganz allgemeine Vergleichung mit den 
Verhiltnissen der mit Gliedmafen versehenen Lacertilier erlaubten ; 
erst eine rationelle Untersuchung von Chirotes, kombiniert mit 
derjenigen gewisser Tejidae, wird speciellere Aufklarungen zu Tage 
fordern. Die Bearbeitung der Schultermuskeln des lebenden Ver- 
treters der Rhynchocephalier, Sphenodon, ist ausfithrlich gegeben. 
Der die Crocodilier betreffende Abschnitt kniipft an die Beschrei- 
bung von 1875 an und ist wesentlich polemischer Natur, indem 
er ganz vorwiegend die damals von mir gegebenen Darstellungen 
und Deutungen gegentiber den ziemlich weit zuriickliegenden, von 
mir bisher aber nicht beantworteten Angriffen SABATIER’S ver- 
teidigt und aufrecht erhalt, — eine recht unerquickliche Arbeit, 
die aber notwendig erschien, da es sich hier nicht blof um ein 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 397 


paar specielle Reptilienmuskeln, sondern namentlich um sehr ab- 
weichende Methoden in der vergleichend-myologischen Untersuchung 
handelt. 


A. Kionokrane Lacertilia. 
(Vergl. Taf. XV, Fig. 124—160.) 


Die seit 1874 veréffentlichte Litteratur tiber die Sehulter- 
muskeln der kionokranen Lacertilier enthalt eine ausfiihrlichere 
Untersuchung von SHUFELDT tiber Heloderma (Helodermatidae), zum 
Teil brauchbare Beschreibungen und Deutungen der Muskeln von 
Attx bei Monitor (Varanidae) und von pe Vis bei Chlamydo- 
saurus (Agamidae), diirftige Mitteilungen von SAUVAGE tiber Ophi- 
saurus (Anguidae) und OrLANDI tiber Macroscincus (Scincidae), 
beilaufige Bemerkungen tiber den M. pectoralis von Maurer bei 
Tiliqua (Scincidae) und Lacerta (Lacertidae), kurze, aber gute An- 
gaben tiber die Innervation der hierher gehérigen Muskeln von 
Cartsson bei Pygopus (Pygopodidae) und eine zusammenfassende 
kritische Besprechung und Deutung von Sapatrer. — Ich habe 
zu dem friiher (1870 und 1875) von mir untersuchten Materiale 
noch die oben (p. 365, Anm. 2) angefiihrten Vertreter der Gecko- 
nidae, Uroplatidae, Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, Tejidae, 
Zonuridae, Iguanidae, Agamidae und Varanidae zugefiigt, wobei 
mich hauptsachlich die Verwertung der Untersuchung der be- 


treffenden Muskeln — deren hohe Bedeutung hierfiir mir meine 
Untersuchungen iiber die Morphologie und Systematik der Vogel 
1888 ergeben hatten — zu systematischen Zwecken leitete. Ob- 


wohl die Zahl der dafiir zur Verfiigung stehenden Tiere eine recht 
kleine, lange nicht alle Klassen der kionokranen Lacertilier um- 
fassende war, ergab die Untersuchung doch Resultate, die um- 
fassenderen Arbeiten auf diesem Gebiete eine gute Prognose 
stellen lassen. 

In der folgenden Darstellung vermeide ich, soweit nicht be- 
sondere Griinde zum Gegenteil gegeben sind, alle Detailangaben 
der Untersuchungen und beziehe mich in der Hauptsache auf 
meine friihere Darstellung von 1875. Von der Litteratur verwerte 
ich im wesentlichen nur die wichtigeren und gesicherteren Mit- 
teilungen seit dieser Zeit und stelle auch nur die Nomenklatur 
seit 1875 zusammen. 


398 Max Firbringer, 


1. Cucullaris s. Trapezius und Sterno-episterno-cleido-mastoideus 

(Capiti-dorso-clavicularis und Capiti-cleido-episternalis) (cw). 

Capiti-dorso-clavicularis (Cucullaris) und Capiti- 
cleido-episternalis (EH pisterno -cleido-mastoi- © 
deus): FUrRBRINGER. 

Trapéze et Cléido-mastoidien: Atrx. 

Cléido-mastoidien: Sauvage 1878. 

Sterno(cleido)-mastoideus und Trapezius, Sterno- 
mastoideus und Trapezius: bse Vis, SHurenpr (No. 15 
und 16). 

Cucullare: Oruanpi. 


Mehr oder minder einheitliche oder in Partien gesonderte 
Muskelausbreitung am Halse und am Anfang des Riickens und 
der Schulter, welche von dem Hinterteile des Kopfes, sowie dem 
dorsalen Bereiche des Halses und Riickens bis zum 10.—13. Wirbel 
entspringt und an Episternum, Sternum, Clavicula und Scapula 
resp. Suprascapulare inseriert. Der vom Kopf kommende und 
zu Episternum, Sternum und dem mittleren Bereiche der Clavicula 
gehende Teil mége als Episterno-cleido-mastoideus, der vom Hals 
und Riicken beginnende und an dem dorsalen Teile der Clavicula 
und der dariiber gelegenen Scapula (Suprascapulare) endende als 
Cucullaris betrachtet werden. Der gesamte Muskel wird in seinem 
gréBeren vorderen Bereiche in wechselnder Ausdehnung von dem 
M. depressor mandibulae et sphincter colli bedeckt (am weitesten 
nach hinten bei Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, am eigenartigsten 
bei Phrynosoma), und deckt andererseits im Halsbereiche die Mm. 
levator scapulae superficialis, cleido-hyoideus und episterno-hyo- 
ideus, am Riicken den Anfang des M. latissimus dorsi und an der 
Schulter zum Teil die Mm. dorsalis scapulae und deltoides clavi- 
cularis, sowie bei Varanus im Brustbereiche den Anfang des M. 
pectoralis, wihrend bei allen anderen Lacertiliern dieser das 
ventrale insertive Ende des M. sterno-episterno-cleido-mastoideus 
deckt. 

Der vordere und ventrale Teil wird vorwiegend vom N. acces- 
sorius, die tibrige Hauptpartie von Nn. spinales (cervicales) inne r- 
viert, bei den primitiveren Formen ist der Accessorius-Anteil 
voluminéser entwickelt als der Spinalis-Anteil, der bei den héheren 
Typen betrachtlich tiberwiegt. 

Der Ursprung beginnt in wechselnder Weise vom Parietale 
und Squamosum, von der Dorsalkante des Halses (Dornfortsatzen 
der Halswirbel), wobei der Muskel oft mit dem der Gegenseite 
verwachsen ist, und von dem dorsalen Bereiche des Anfangsteiles 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 399 


des Riickens, und zwar hier meist aponeurotisch, bei relativ guter 
Ausbildung frei und selbstandig von den Proc. spinosi der 4 bis 
5 ersten Dorsalwirbel, bei gréferer Riickbildung nicht so deutlich 
bis dahin verfolgbar, sondern mit dem aponeurotischen Ursprungs- 
teil des M. latissimus dorsi verschmolzen. 

Die Insertion geschieht, vom ventralen Gebiete ab ge- 
rechnet, am Episternum (Querschenkel in wechselnder Ausdehnung), 
an dem AuSensaume des Labrum coracoideum des Sternum (gleich- 
falls in variabler Strecke), sehr ausgedehnt an der Clavicula (auf- 
steigender Schenkel) und endlich an dem Acromion und dem 
supraacromialen Bereiche der Scapula resp. des Suprascapulare 
(meist in senkrechter, vor dem Ursprunge des M. dorsalis scapulae 
gelegener Linie). Die Insertion an dem Querschenkel des Epi- 
sternum (cw.ep) findet, der Mittellinie bald naher kommend, 
bald weiter von ihr entfernt, sehnig-muskulés, entweder mit Ueber- 
wiegen des muskulésen oder mit Ueberwiegen des sehnigen Gewebes, 
statt; in der caudalen Fortsetzung desselben ist zwischen dem 
Querschenkel des Episternum und dem auferen Saume des cora- 
coidalen Labrum des Sternum die diinne Membrana sterno- 
episternalis (JMstest) ausgespannt. Lateral schlieSt sich direkt 
die sternale Insertion (cw.st) des Muskels an, die in Gestalt 
einer Insertionsaponeurose lateral an der Spitze des episternalen 
Querschenkels vorbei nach dem coracoidalen Labrum des Sternum 
zieht. Diese sternale Insertionsaponeurose und die Membrana 
sterno-episternalis sind zusammengehorige und ganz gleich gebaute 
Gebilde, die je nach der Lange des episternalen Querschenkels 
in einem korrelativen GréSenverhaltnis stehen: bei relativ kiirzeren 
Schenkeln (Gecko, Hemidactylus) ist die mediale Membrana sterno- 
episternalis schmaler als die laterale Insertionsaponeurose (Fig. 124), 
bei mafig langen Schenkeln (Zonosaurus) sind beide gleich breit 
(Fig. 125), bei noch langer werdenden Schenkeln (Lygosoma 
|Fig. 126], namentlich aber Lacerta, Ameiva, Zonurus) ist die 
Membran breiter als die Aponeurose, die schlieflich bei den 
Lacertiliern mit T-férmigem oder dieser Form sich naherndem 
Episternum (Iguanidae, Agamidae, doch mit Ausnahmen) gegen- 
iiber der Membran ganz in Riickbildung tritt. In diesem letzten 
Falle existiert keine sternale Insertion mehr, und Muskel und 
Membrana sterno-episternalis sind durch den Querschenkel des 
Episternum getrennte Dinge. Bei Phrynosoma fand sich an Stelle 
der sehnigen Sternalaponeurose eine muskulése Ausbreitung. Bei 
Uroplates fehlt die episternale Insertion; das kleine Rudiment des 


400 Max Firbringer, 


Episternum dient hier dem Ursprunge des M. episterno-hyoideus. 
Alle diese episternalen und sternalen Insertionsteile des Muskels 
nebst der Membrana sterno-episternalis schieben sich zwischen M. 
pectoralis und M. deltoides clavicularis ein, wobei sie von ersterem 
iiberdeckt werden; bei gewissen Scincidae mit rudimentiren Glied- 
maBen und anderen schlangenahnlichen Lacertiliern kommt es 
hierbei zu mehr oder minder ausgedehnten und auch tiber die 
AuBenflache des M. pectoralis sich ausbreitenden Verbanden beider 
Muskeln, die sich als sekundare Differenzierungen von den typischen 
Befunden bei den mit guten Extremitaten versehenen Lacertiliern 
ableiten lassen. Auch Aberrationen an andere benachbarte Muskeln 
(Kpisterno-hyoideus, Deltoides clavicularis) lassen sich beobachten 
(Phrynosoma). Diese oberflichlichen Verbénde sind unter teilweiser 
Aufgabe der tiefen in extremer Weise bei Varanus entwickelt: hier 
endet der episternale Teil nur zum kleinsten Teile vor dem M. 
pectoralis, zieht aber in der Hauptsache oberflachlich tiber diesen 
Muskel hinweg (nicht von ihm gedeckt) nach seiner Insertion am 
Liingsschenkel des Episternum. Die claviculare Insertion 
(cu.cl), in den meisten Fallen die ausgedehntere des Muskels, 
findet an dem ganzen aufsteigenden (lateralen) Schenkel der Clavi- 
cula statt; mitunter (Lacerta, Ameiva) wird sie durch das Kin- 
ereifen des Ursprunges des M. dorsalis scapulae in eine kleinere 
dorsale Abteilung, die sich dem scapularen Insertionsteile naher 
anschliekt, und eine breitere ventrale Portion gesondert. Auch 
findet sich ein Weitergreifeu oberflachlicher Teile auf die Fascie 
des M. deltoides clavicularis, gewissermafen in der lateralen Ver- 
breiterung der oben beschriebenen sternalen Insertionsaponeurose 
(z. B. bei Zonosaurus, Lacerta, Ameiva). An diesen drei Insertions- 
stellen (Episternum, Sternum und Clavicula) endet in der Haupt- 
sache der von Kopf und Hals entspringende, descendent bis trans- 
versal verlaufende Hauptteil des Muskels; der vom Ricken 
kommende Teil geht in transversaler bis ascendenter Richtung an 
die oben angegebene Stelle der Scapula (Suprascapulare) 
und zum Teil an das dorsale Ende der Clavicula. 

In primitiver Ausbildung bildet der Muskel eine mehr oder 
minder einheitliche Ausbreitung (Cucullaris 4+- Episterno-cleido- 
mastoideus: Gecko individuell, Lygosoma, Zonosaurus, Lacerta ind., 
Ameiva, Tupinambis). Daran schlieBen sich Sonderungen 
mifigen Grades an, entweder innerhalb des Cucullaris zwischen 
Hals- und Riickenteil (Gecko ind., Varanus ind.) oder zwischen 
Kopf- und Halsteil, d. i. zwischen Episterno-cleido-mastoideus 


et 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 401 


und Cucullaris (Tarentola, Trachysaurus, Lacerta ind., Zonurus, 
Iguana, Liolepis, Uromastix); erstere sind die variableren und 
unwichtigeren, letzteren kommt eine héhere Bedeutung zu. Weiter- 
hin fiihrt der Sonderungsprozef unter Ausfall (Riickbildung) ge- 
wisser Muskelpartien zur vollkommenen Scheidung des 
Sterno-episterno-cleido-mastoideus und Cucullaris 
(Uroplates, gewisse schlangenahnliche Scincidae und Anguidae, 
Heloderma [SHuretpr], Phrynosoma, Calotes, Chlamydosaurus 
[pE Vis], Lophyrus, Varanus ind.), wobei bei Varanus die Schei- 
dung am Ursprungsteile sehr ausgeprigt, am Insertionsteile wenig 
ausgeprigt ist, wahrend Phrynosoma den héchsten Grad der 
Sonderung der beiden ganz weit voneinander entfernten Muskeln 
reprisentiert. Der Sterno-episterno-cleido-mastoideus bildet hierbei 
ein gut oder mabig entwickeltes Muskelband, der meistens viel 
diinnere Cucullaris zeigt alle méglichen Riickbildungsgrade bis zu 
erheblicher Verschmalerung (bei Phrynosoma von den 35 bis 4 
ersten Dorsalwirbeln entspringend: vélliger Schwund des Hals- 
teiles) oder Zerfall in eine vordere Hals- und eine hintere Riicken- 
partie (Varanus [ALrx], Uroplates); selbst vollkommener Schwund 
des Cucullaris wird angegeben (Phrynosoma nach SANDERS). Bei 
Uroplates kommt der vordere Teil des Cucullaris (Cu. anterior 
s. cervicalis) von dem Parietale und den 6 ersten Wirbeln und 
geht zum dorsalen Teile der Clavicula und zum Acromion, der 
hintere Teil (Cu. posterior s. dorsalis) vom 8. bis zur Mitte des 
11. Wirbels und endet, der Insertion des vorderen Teiles nahe 
kommend, sie aber nicht erreichend, an dem supraacromialen Be- 
reiche des Suprascapulare. 

Auf Grund dieser Befunde kennzeichnet, soweit untersucht, 
die Geckonidae, die Mehrzahl der Scincidae und die Gerrho- 
sauridae, danach die Lacertidae und Tejidae ein mehr primitives 
Verhalten des Muskels; gewisse Scincidae, die Zonuridae, Anguidae 
und gewisse Agamidae bieten eine etwas weiter vorgeschrittene 
Differenzierung (progressiver oder retrograder Natur) dar; dieselbe 
erreicht bei den Uroplatidae, Helodermidae, Iguanidae, gewissen 
Agamidae und den Varanidae e. p. den héchsten Grad. Uroplates 
weicht voéllig von den Geckonidae ab und zeigt ein Quale, das 
in weiterer Differenzierung zu Verhiiltnissen fiihrt, wie sie sich 
bei den Chamaeleontiden finden. Varanus stellt sich im Verhalten 
des Episterno-cleido-mastoideus zum Pectoralis allen anderen 
Lacertiliern (inkl. die Chamaeleontidae) und — wie noch hinzu- 


402 Max Firbringer, 


gefiigt werden mag — Sphenodon gegeniiber, nihert sich aber 
dabei mehr den Crocodiliern. 


2. Levator scapulae superficialis (Collo-scapularis superficialis). 


Collo-scapularis superficialis (Levator scapulae 
superficialis): FUrRBRINGER. 

Angulaire No. 1 et No. 2 (omo-basilaire): Anrx. 

Levator scapulae: pr Vis, SHureipt (No. 18). 

Collo-scapularis: Carusson. 


Ansehnlicher Muskel an der Seitenfliche des Halses, der 
eréftenteils von dem M. episterno-cleido-mastoideus, im hinteren 
ventralen ‘eile auch haufig von dem dorsalen, von Scapula, Supra- 
scapulare und acromialen Ende der Clavicula kommenden Saume 
des M. episterno-cleiduv-hyoideus resp. episterno - cleido - omo- 
hyoideus bedeckt wird. 

Er beginnt sehnig muskulés oder vorwiegend sehnig bei der 
Mehrzahl der untersuchten Tiere vom Seitenteil des 1. Wirbels, 
wozu bei einigen (Gecko, Uroplates, Ameiva) noch ein kleiner von 
dem Proc. transversus des 2. Wirbels entspringender Zipfel kommt’), 
und gebt in einen Muskelbauch iiber, der immer breiter werdend 
und von einigen Cervikalnerven bald in seinem mittleren, bald in 
seinem ventralen Bereiche durchbohrt, nach hinten verlauft und in 
erokem Wechsel an der Aufenfliche der Suprascapulare (vor oder 
iiber dem M. cucullaris), an dem Vorderrand und vorderen Innen- 
saum der Scapula, von da aus mitunter recht weit auf die Innen- 
flache iibergreifend (namentlich bei Phrynosoma)’, am Acromion 
und hiiufig am dorsalen Ende der Clavicula (wenig bei Gecko, 
Lacerta, Ameiva, Zonurus, mehr bei Uroplates, Lygosoma) inseriert. 

Der Muskel zeigt mit Riicksicht auf seine Kontinuitaét einen 


1) Die von verschiedenen Autoren gemachten Angaben iiber 
einen Ursprung vom Occipitale (vergl. Schultermuskeln, 1875, die 
p. 702, Anm. 1 gegebene Litteratur-Zusammenstellung, wozu noch 
Ortanpt 1894 hinzukommt) erscheinen bis auf weiteres, bis nicht 
sicherer beglaubigte Untersuchungen vorliegen, zweifelhaft. Auch 
die Mitteilungen tiber Urspriinge von den auf den 2. folgenden 
Halswirbeln (vergl. pe Vis, Ortanpr) beruhen wohl in der Haupt- 
sache darauf, daf man Teile des M. levator scapulae profundus dem 
vorliegenden Muskel zurechnete. (Doch vergleiche die Text- 
beschreibung, Varanus betreffend.) 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 403 


grofen Wechsel: er ist ganz oder fast einheitlich bei Gecko, Uro- 
plates, Ameiva, Phrynosoma, wenig gespalten bei Zonosaurus, 
Zonurus und Uromastix, fast ganz in einen dorsalen und ventralen 
Teil (Levator scapulae superficialis superior und 
inferior) zerfallen bei Lygosoma und anderen Scincidae, sowie 
Lacerta, vielleicht auch bei Chlamydosaurus (DE Vis). Bei _ selb- 
standiger Ausbildung der beiden Teile endet der etwas breitere und 
oberflichlichere Levator scapulae spf. superior an der Aufen- 
flache des Suprascapulare, an demselben namentlich bei Scincidae 
oft recht weit nach hinten greifend, der etwas schmalere und 
tiefere Levator scapulae spf. inferior an der Scapula und Clavicula; 
die Nn. cervicales treten zwischen beiden oder durch den letzteren 
hindurch. Aus diesen Mitteilungen ist ersichtlich, da dem Muskel 
eine héhere systematische Bedeutung nicht zukommt. 

Ganz abweichend von allen anderen Lacertiliern — und auch 
von Sphenodon — verhalt sich der Levator scapulae supertficialis 
von Varanus. Hier entspringt der schlanke und lange Muskel 
von den Proc. transversi resp. Rippen der 6 ersten Halswirbel, 
wobei die von dem 1., 2., 3. und einem Teile des 4. kommende 
schwachere vordere Partie an dem Vorderrande des Suprascapulare 
(Levator scapulae superficialis superior), der vom 4., 5. und 
6. Wirbel kommende kraftigere Teil an dem Vorderrande des 
dorsalen Teiles der Scapula endet (Levator sc. spf. inferior). 
Angesichts dieses sehr eigentiimlichen Befundes und der ginzlich 
davon differierenden Beschreibung von Atix*) sind weitere Unter- 
suchungen an Varaniden sehr erwiinscht. 


3. Serratus superficialis (Thoraci-scapularis superficialis). 


Thoraci-scapularis superficialis (Serratus super- 
ficialis): Firprincer. 

Grand dentelé, No. 1: Aux. 

Wohl 1. Portion des Serratus: bE VIs. 

Serratus superficialis: Saurexipr (No. 24). 


1) Aurx, der auch den M. omo- resp. cleido-hyoideus seinem 
Angulaire einfiigt, unterscheidet ein kleines, von der Rippe des 
6. Wirbels entspringendes Biindel und einen enormen Omo-basilaire, 
der von der Basis des Occipitale komme. Ich fand bei dem yon 
mir untersuchten Exemplare nichts dergleichen. 


404 Max Firbringer, 


sreiter und ansehnlicher, an der Seitenflache des Rumpfes 
hinter der Scapula s. lat. gelegener Muskel, der grofenteils von dem 
M. latissimus dorsi gedeckt wird. Er entspringt bald (seltener) 
mit deutlicher gesonderten, bald (haiufiger) mit mehr zusammen- 
fliekenden Zacken meist von 2, minder oft von 3 (Phrynosoma, 
Varanus) oder 4 (Uroplates) Rippen in der hinteren Hals- oder 
vorderen Brustregion!) und geht in descendenter Richtung (von 
hinten und unten nach vorn und oben) an den hinteren Rand des 
Suprascapulare (in der ganzen Ausdehnung desselben) und meist 
auch des dorsalen Endes der knéchernen Scapula; gewohnlich 
ereift er hierbei auch etwas auf den Aufensaum, mehr noch auf 
den Innensaum tiber. Die Insertion an der Scapula s. str. fehlt 
oder ist minimal bei Ameiva, Zonurus, Varanus, relativ recht an- 
sehnlich (dorsale ?/, derselben) bei Uroplates, wahrend sich die 
anderen untersuchten Lacertilier, wie erwaihnt, auf eine sehr mafkige 
Ausdehnung am dorsalen Ende der Scapula beschranken; bei Zon- 
urus bleibt das dorsale Ende des Suprascapulare frei. 

Bei der Mehrzahl der kionokranen Lacertilier hat der Muskel 
gewisse Beziehungen zur Sonderung der M. subscapularis in eine 
innere und aufere Partie (s. unten bei dem M. subscapularis). 

In der Regel zeigt sich der M. serratus superficialis deutlich 
von dem M. serratus profundus getrennt; bei Uroplates ist, infolge 
der Existenz einer Uebergangspartie, diese Scheidung minder aus- 
gepragt. 


ee 


1) Unter Zufiigung friiherer Befunde ergiebt sich ein Ursprung 
von den beiden letzten Halsrippen (7, 8) bei Tarentola, Lacerta, 
Ameiva, Tupinambis, Zonurus, Iguana, Phrynosoma individuell, Lio- 
lepis, — von der letzten Hals- und 1. Brustrippe (8, 9) bei Gecko, 
den untersuchten Scincidae, Zonosaurus, Ophiodes, Pygopus, Uro- 
mastix, — von den 2 ersten Brustrippen (9, 10) bei Heloderma 
(SuureLpT), — von den 3 letzten Halsrippen (6, 7, 8) bei Phrynosoma 
ind., von den 2 letzten Hals- und der 1. Brustrippe (7, 8, 9) bei 
Chlamydosaurus (pz Vis), — von den 2 letzten Hals- und der 1. Brust- 
rippe resp. von der letzten Hals- und den 2 ersten Brustrippen 
(8, 9, 1 oder 9, 1, 2) bei Varanus ind., — von den 3 ersten Brust- 
rippen (1, 2, 3) bei Varanus (Aurx), — von den 2 letzten Hals- 
und 2 ersten Brustrippen (7, 8, 9, 10) bei Uroplates. Die grofe 
Verschiedenheit von Uroplates und den untersuchten Geckonidae ist 
in die Augen fallend. — In der Hauptsache sind aber diese Vari- 
ierungen weniger ein Zeichen generischer Differenzen, als der Aus- 
druck der sich deutlich an diesem Muskel ausdriickenden meta- 
merischen Verschiebungen der vorderen Extremitit. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 405 


4. Levator scapulae et Serratus profundus (Collo-thoraci-scapularis 
profundus). 


Collo-thoraci-scapularis profundus (Levator sca- 
pulae et Serratus profundus), a) oberflachliche Schicht, 
b) tiefe Schicht: Firprineer. 

Grand dentelé, No. 2: Anrx (vielleicht auch einen Teil des 
Angulaire No. 1 enthaltend). 

Wohl 2., 3. und 4. Portion des Serratus: bE Vis. 

Serratus profundus und Serratus III.: Ssure.pr 
(No. 25 und 26). 


Samtliche untersuchte Tiere, mit Ausnahme von Varanus, 
lassen die typischen 1875 beschriebenen Verhaltnisse erkennen. 

a) Die kleinere oberflachliche Schicht kennzeichnet 
sich durch ziemlich schmale und voneinander getrennte Zacken 
odcr Biindel, descendenten resp. descendent-longitudinalen Verlauf 
derselben und eine in der Regel am vorderen Teile der Innenflache 
des Suprascapulare stattfindende Insertion; nur bei Uroplates fand 
sich ein Ansatz des hinteren schwacheren, gewissermafen eine 
tiefere Lage des Serratus superficialis resp. eine Uebergangspartie 
zwischen diesem und dem Serratus profundus bildenden, Biindels 
an dem hinteren Innensaum des dorsalen Teiles der knéchernen 
Scapula s. str. Der Ursprung dieser Schicht beginnt in der 
Regel in grokem Wechsel von 2, seltener 3 Halsrippen '). 

b) Die meist ansehnlichere tiefe Schicht bildet eine mehr 
zusammenhangende Lage von vorwiegend transversalem (vorn 
transversal-ascendentem) Verlaufe und inseriert ausgedehnt am dor- 
salen Bereiche der Innenflache des Suprascapulare. Sie entspringt 
dorsal von der oberflichlichen Schicht in sehr wechselnder Weise 
von den (freien oder verbundenen) Rippen von 2—5 Halswirbeln ?), 


1) Von 5 und 6 bei Tarentola, Lacerta, Ameiva, Zonurus, — 
6 und 7 bei Gecko, Trachysaurus, Uromastix, — 7 und 8 bei 
Iguana (Mrvarr), — 8 und 1 bei Heloderma (SuureLpr), — 4, 5, 6 
bei Tupinambis, Phrynosoma, — 5, 6, 7 bei Uroplates. — Ebenso- 
wenig wie bei der tiefen Schicht kommt diesen Zahlen eine tiefere 
systematische Bedeutung zu; ihr Wechsel ist der Ausdruck der 
Variabilitat der metamerischen Verschiebungen und Umbildungen 
(vergl. auch die vorhergehende Anmerkung). 

2) Von 5 und 6 bei Phrynosoma, Liolepis, — von 6 und 7% 
bei Iguana (Mivart), — von 4, 5, 6 bei Tarentola, Zonosaurus, 
Lacerta ind., Ameiva, Tupinambis, — von 5, 6, 7 bei Gongylus, 
Trachysaurus, Heloderma (SuureLpt), Uromastix, — von 4, 5, 6, 7 
bei Gecko, Lacerta ind. — von 3, 4, 5, 6, 7 bei Uroplates. 


406 Max Firbringer, 


wobei die Randzacken schwiacher sind als die in der Mitte des 
Muskels befindlichen. 

Ganz einseitig ist der Muskel bei Varanus gebildet, indem 
hier eine oberflachliche Lage nicht nachweisbar ist, die tiefe aber 
eine besondere Differenzierung darbietet. Er entspringt von 
dem 3. bis 8. Halswirbel resp. deren Rippen mit 6 Zacken, von 
denen die beiden vordersten unbedeutend sind, die beiden mitt- 
leren zu einem sehr kraftigen Muskelbauche zusammenfliefen und 
die beiden hintersten durch besondere Breite sich kennzeichnen. 
Der von dem 3. bis 6. Wirbel resp. Rippe kommende Teil liegt vor 
der Scapula und wird zum Teil durch den M. levator scapulae 
superficialis bedeckt; er verliuft in ascendenter resp. ascendent- 
longitudinaler Richtung und geht in eine mittelstarke Aponeurose 
iiber, welche an die AufSenfliche des Suprascapulare gelangt und 
hier dorsal von dem vorderen Teile des M. dorsalis scapulae in- 
seriert. Der von der 7. und 8. Halsrippe entspringende Teil wird 
von Scapula und Suprascapulare bedeckt und geht in transver- 
salem Verlaufe an den breiten Dorsalsaum* der Innenflache der 
Scapula. Wahrend somit der hintere Teil des Muskels den nor- 
malen Bildungen der kionokranen Lacertilier eutspricht, hat der 
vordere durch Vermittelung einer offenbar von ihm neu (sekundar) 
gebildeten Aponcurose (eroberten Fascie) eine von dem Verhalten 
aller anderen Kionokranier (und auch Sphenodon) abweichende 
Insertion an der AuSenflache (statt an der Innenfliche) des Supra- 
scapulare gewonnen, die ihn auf den ersten Blick leicht als einen 
Teil des M. levator scapulae superficialis (superior) ansprechen 
lassen kiénnte, wenn eine solche Deutung nicht durch die genauere 
Untersuchung verboten wiirde *). 


5. Sterno-coracoideus internus superficialis und profundus °). 


Sterno-scapulaire (welcher den Sterno-coracoidien profond 
zu ersetzen scheint): ALrx. 

1) Aurx thut dieser eigentiimlichen Verhaltnisse keine Er- 
wahnung. Auch hier sind bei der Eigenartigkeit der Bildung 
Untersuchungen an weiteren Varaniden geboten. 

2) Sauvace beschreibt und bildet bei Ophisaurus apus (Pseudo- 
pus pallasii) einen M. costo-claviculaire ab, der von den Randern 
der 2., 3. und 4. Rippe komme, an der Innenflache des Sternum 
und dem hinteren Rande des Episternum inseriere und ein ,, Analogon“ 
des Subclavius zu sein scheine. Einen solchen Muskel finde ich 
weder bei Ophisaurus noch einem anderen Lacertilier. Vielleicht 
handelt es sich um zum Teil unrichtig beschriebene Teile des M. 
obliquus abdominis internus resp. der Mm. intercostales. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 407 


Sterno-coracoideus internus superficialis und 
Sterno-coracoideus internus  profundus: Ftr- 
BRINGER, SHUFELDT (No. 27 u. 28). 

Sterno-costo-coracoidiens (faisceaux coracoidiens du petit 
pectoral des Mammiferes): SABATIER. 

Sterno-coracoid: DE VIS. 

Sterno-coracoideus internus: Carusson. 


An der Innenflaiche des Sternum und des Coracoides liegende 
Muskeln, die bei den Geckonidae eine wenig getrennte Muskelmasse, 
Sterno-coracoideus internus, bilden, bei Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, 
Varanus in die beiden Mm. sterno-coracoidei interni superficialis 
und profundus gesondert sind, aber noch mannigfache Zusammen- 
hange hier aufweisen, und endlich bei Zonurus und den unter- 
suchten Iguanidae und Agamidae groéfere Selbstandigkeit zeigen. 
Bei Uroplates ist der M. sternocoracoideus internus profundus 
ganz zurtickgebildet, der M. stc. int. superficialis ziemlich gut ent- 
wickelt. 


I. Sterno-coracoideus internus (communis). Die 
von mir 1875 fir Tarentola annularis (Platydactylus aegyptiacus) 
gegebene Beschreibung gilt auch fiir Hemidactylus mabouia. Der 
Muskel entspringt hier mehr oder minder einheitlich von der 
Innenfliche des Sternum, namentlich auch des Labium internum 
des Sulcus coracoideus desselben, sowie der sternalen Anfange 
der mit dem Brustbein verbundenen Sternocostalien, und inseriert 
vorwiegend muskulés an dem vorderen und medialen Bereiche 
der Innenflache des Coracoides (Epicoracoid). Eine wenig ein- 
greifende Scheidung in einen lateralen oberflichlicheren und einen 
medialen tieferen Teil wird durch die sternale Insertion des M. 
transversus abdominis und des sehr zarten Lig. sterno-scapulare 
internum bedingt. Bei Gecko ist diese Sonderung weiter durch- 
gefiihrt, wobei zugleich auch die tiefere Portion sich geweblich 
durch eine in ihrem caudalen Bereiche schrage Insertion (recht 
kurze Endsehne) gegentiber der muskulés inserierenden oberflach- 
lichen Portion heraushebt. Damit ist der Uebergang zu zwei Mm. 
sternocoracoidei interni gegeben. 


Il. Sterno-coracoideus internus superficialis 
und Sterno-coracoideus internus profundus. Zwei in 
verschiedenen Graden der Sonderung begriffene Muskeln, die in 
ihrer groferen hinteren Halfte durch die sternale Anheftung des 
M. transversus abdominis und des hier besser ausgebildeten Lig. 


sterno-scapulare internum gut geschieden sind, im Anfangsbereiche 
Bd, XXXIV. N, F. XXVIL. 27 


408 Max Firbringer, 


des Sternum dagegen alle Grade von Zusammengehdorigkeit bis zu 
vollkommener Trennung aufweisen; damit geht auch eine scharfere 
Differenzierung der Insertion Hand in Hand, die bei dem M. ste. 
int. superficialis vorwiegend oder rein muskulés, bei dem M. ste. int. 
profundus gemischt oder vorwiegend resp. rein sehnig, bis zur 
Ausbildung einer schlanken platten Sehne, stattfindet. 

a) Sterno-coracoideus internus superficialis. 
Der kleinere und kiirzere, aber breitere laterale Muskel, der in 
wechselnder Ausdehnung von dem Labium internum des Sulcus 
coracoideus sterni, bei einigen auch von dem sternalen Ende der 
ersten Sternocostalien (bei Varanus sehr ausgedehnt vom 1., bei 
Heloderma [nach SuuretpT] vom 1. und 2. Sternocostale), sowie 
von dem ihn innen deckenden und vom M. sterno-coracoideus in- 
ternus profundus scheidenden sternalen Anfange des Lig. sterno- 
scapulare internum (Lygosoma, Phrynosoma, namentlich aber Va- 
ranus) entspringt und mit longitudinalen resp. longitudinal-descen- 
denten, in der Hauptsache parallelen Fasern an die Innenflache 
des medialen Teiles des Coracoides (Epicoracoid) geht, wo er rein 
oder vorwiegend muskulés medial neben dem Ursprunge des M. sub- 
coracoideus und medial neben der Sehne des M. ste. int. profundus, 
aber viel ausgebreiteter als sie, im Bereiche der gréferen (Lygo- 
soma, Zonosaurus, Lacerta, Varanus) oder kleineren (Uroplates, 
Phrynosoma) vorderen Halfte oder, vorwiegend hinter dieser Sehne, 
am mittleren Drittel des Epicoracoides (Zonurus) inseriert. Dem- 
entsprechend zeigt der Muskel auch bei den ersterwahnten Lacer- 
tiliern, vor allen bei Varanus'), eine ansehnliche, bei Uroplates, 
Zonurus und Phrynosoma eine mabige Entfaltung. 


1) Hier bei Varanus kann man von einem miachtigen M. sterno- 
coracoideus internus superficialis sprechen, der mit mehreren In- 
sertionszipfeln (welche die Endsehne des M. ste. int. superficialis 
umfassen, also zum Teil auch lateral von ihr inserieren) an der 
Innenflaiche des Epicoracoides medial neben dem M. subcoracoideus 
endet. Auch ist hier der Ursprung von dem Lig. sterno-scapulare 
internum und namentlich dem 1. Sternocostale in grofer Ausdehnung 
entwickelt. Die Bezichungen zu Sternocostale und Ligament mégen 
Autx veranlaft haben, ihn als Sterno-scapulaire (,,Le sterno-cora- 
coidien profond semble étre remplacé par un sterno-scapulaire qui va 
de la premiére céte & la face profonde de l’omoplate, et qui est 
rejoint par une expansion tendineuse de la longue portion du 
triceps“) zu deuten. Die genaue Untersuchung lehrt, daf hier nicht 
die dem Sternocosto-scapularis eigentiimliche Insertion an dem 
Lig. sterno-scapulare internum (offenbar Axx’ Expansion tendi- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 409 


b) Sterno-coracoideus internus profundus. Der 
gréBere, von der sternalen Innenflache resp. ihrem hinteren Ab- 
schnitte und in wechselnder Zahl und Ausdehnung von den mit 
dem Sternum artikulierenden Sternocostalien entspringende, mediale 
Muskel*), der in seinem hinteren und mittleren Bereiche durch 
den M. transversus abdominis und das Lig. sterno-scapulare in- 
ternum von dem lateralen M. sterno-coracoideus internus super- 
ficialis geschieden ist, weiter vorn aber bald mehr oder minder 
mit ihm zusammenhaingt (Zonosaurus, Ameiva, mehr noch bei 
Gecko, Lacerta und Varanus), bald mehr oder minder vollkommen 
von ihm getrennt ist (Zonurus, Phrynosoma, Uromastix, Calotes). 
Die Insertion geschieht in der Regel sehnig-muskulés resp. mit 
kiirzerer Sehne (primitive Formen) oder schlankerer Sehne (hohere 
Formen) lateral oder kraniolateral neben der Insertion des M. ste. 
int. superficialis 2) vor der Mitte (meist im Bereiche des 2. Viertels, 
bei Phrynosoma noch weiter vorn) der Innenfliche des Epicora- 
coides. In der Regel ist der Muskel recht kraftig, bei Varanus 
héchst ansehnlich entwickelt; bei Uroplates ist er ganzlich zuriick- 
gebildet. 


SABATIER (1880, p. 154—156) wirft mir, weil ich die beiden 
Mm. sterno-coracoidei scharf von dem M. pectoralis abgetrennt hatte, 
eine Konfusion vor, die er zerstéren miisse, und vergleicht sie 
danach mit den Faisceaux coracoidiens des M. pectoralis minor 
der Saugetiere, welche bei gewissen Vertretern derselben eine 
besonders tiefe Lage des M. pectoralis minor bilden. SapaTrer’s 
Ausfiihrungen haben mich in keiner Weise von der Unrichtigkeit 
meiner Homologisierung tiberzeugt ; seine Argumentation vernach- 
lassigt die sehr verschiedene Innervation der Sterno-coracoideus- 


neuse), sondern vielmehr ein Ursprung von demselbe: vorliegt, 
welcher dem Sterno-coracoideus internus superficialis zukommt. 
Auch nach seiner sonstigen Lage kann kein Zweifel bestehen, daf 
es sich um einen M. sterno-coracoideus internus sunerficialis und 
nicht um einen M. sternocosto-scapularis handelt. 

1) Meist ist der Ursprung von dem 1. Sterncostale ganz 
minimal oder fehlt ganz; wenig ausgedehnt entspringt der Muskel 
von dem 2. Sternocostale, ausgedehnter von den nichstfolgenden. 
pE Vis beschreibt bei Chlamydosaurus einen Ursprung von allen 
sternocostalen Articulationen. 

2) Bei Gecko verticillatus auch von einem lateralen Insertions- 
zipfel des M. stc. int. superficialis umfaft. Das Gleiche findet sich, 
obschon minder entwickelt, bei Varanus. 


27 * 


410 Max Firbringer, 


(Subclavius-) und der Pectoralis-Gruppe, beachtet nicht genug die 
Lagebeziehungen und zieht Differenzierungen zum Beweise herbei, 
welche sich erst innerhalb der Saugetierreihe ausgebildet haben. 

Eine Ankniipfung an niedrigere Zustande als bei den Rep- 
tilien ist schwierig und mit den jetzigen Materialien kaum zu 
geben, weil bei den daraufhin untersuchten (und wohl allein noch 
iibergebliebenen) Amphibien direkte Homologa dieser Muskeln 
nicht existieren. Nach Faserrichtung und Lage kénnen sie nur 
zu dem Rectus abdominis oder zu den Intercostales (externi und 
interni) in homodyname Beziehungen gebracht resp. deren Systemen 
zugerechnet werden. Beide Systeme stehen, wie Maurer (1896) 
nachgewiesen hat, in engem genetischen Zusammenhange mitein- 
ander, und MAurer (p. 196 und p. 200) faBt beide Mm. sterno- 
coracoidei von Sphenodon, ohne sie zu benennen (der M. sterno- 
coracoideus int. spf. wird mit x, der M. sterno-coracoideus int. prf. 
mit z bezeichnet), als Teile des prasternalen Rectus-Systemes auf, 
hierbei zugleich angebend, da’ z auch Fasern aus den ventralen 
Intercostales (gleichwertig den Intercostales externi und interni) 
aufnehme. Das ist in der Hauptsache auch meine Anschauung. 
Ich rechne sie zum Rectus-System des Rumpfes, ohne hierbei zu 
unterscheiden, ob und wie viel Material ihnen von den nahe ver- 
wandten Intercostales ventrales beigemengt sei‘). 

Bei Urodelen fehlt, zufolge der weitgehenden Reduktion in 
dieser K6rpergegend, jede specieller darauf beziigliche Bildung ‘). 
Bei den Anuren existieren geringfiigige Insertionen des M. rectus 
abdominis am ventralen Schultergiirtel, die meist in Gestalt von 
feinen Sehnenziigen an der hinteren medialen Ecke des Coracoides 
sich anheften; zu diesen bestehen gewisse, aber sehr wenig kom- 
plette Homologien ”). 


1) Auch das mammale Diaphragma gehért zu diesem System 
und ist dem M. sterno-coracoideus internus verwandt. 

2) Die von mir friiher (Schultermuskeln, III, 1875, S. 710) an- 
gebene Homologie ,im weitesten Sinne“ mit dem M. abdomini- 
scapularis der Anuren méchte ich trotz ihrer schon damals sehr 
vorsichtig gehaltenen Fassung nicht mehr festhalten; dieser Muskel 
steht nicht zu den Mm. sterno-coracoidei interni, sondern zu dem 
M. sternocosto-scapularis (p. 411 f.) in gewisser Relation. Der M. 
pectori-scapularis internus der Urodelen (Schultermuskeln, I, 1873) 
kommt auch nicht in Frage, sondern hat zum System der zum 
Zungenbein gehenden Muskels (Omo-hyoideus) nahere Beziehungen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 411 


6. M. sternocosto-scapularis und Lig. sterno-scapulare internum. 


a) M. sternocosto-scapularis: 


Sternocosto-scapularis (Costo-coracoideus): Fir- 
BRINGER. 

Sternocosto-scapulaire (Faisceau scapulaire du petit pecto- 
ral des Mammiferes): SaBATIER. 

Costo-coracoid, Costo-coracoideo: pr Vis, ORLANDI. 

Sternocosto-scapularis: Carusson, SHuretpt (No. 29). 


b) Lig. sterno-scapulare internum: 
Expansion tendineuse de la longue portion du 
triceps: ALIx. 
Lig. sterno-scapulare internum: FURBRINGER. 
Sterno-coracoid ligament: pr Vis. 


Ziemlich schmaler und miifig entwickelter Muskel, dessen 
Existenz immer an die Ausbildung des Lig. sterno-scapulare in- 
ternum gebunden ist und der hiufig fehlt. Er liegt viel dorsaler 
als die Mm. sterno-coracoidei interni. 

Er entspringt in gréferer (Lygosoma, Trachysaurus, Lacerta) 
oder geringerer Ausdehnung (Zonosaurus, Ameiva, Zonurus, Lo- 
phyrus, Uromastix) von dem Vorderrande des 1. Sternocostale ') 
und geht in longitudinalem Verlaufe, ohne sich wesentlich zu 
verschmiilern, nach vorn an das Lig. sterno-scapulare internum, 
um sich breiter oder schmaler, im Bereiche von dessen mittlerem 
Drittel, an dasselbe in schrigem Winkel in der Richtung nach der 
Scapula zu anzuheften (vergl. Fig. 143 u. 144, stesci). Dement- 
sprechend wirkt sein Zug vorwiegend auf die scapulare Strecke 
dieses Bandes, das damit die Stelle einer an der Scapula endenden 
Insertionssehne dieses Muskels tibernimmt’). Bei Lygosoma, 
Trachysaurus und Lacerta ist der Muskel relativ am besten, bei 
Ameiva, Zonurus, Lophyrus und Uromastix miakig, bei Zonosaurus 
recht schwach entwickelt; bei Hemidactylus, Tarentola, Gecko, 
Uroplates, Phrynosoma, Varanus*) fehlt er ganz. 


1) Bei Macroscincus nach OrLanpr von den 3 ersten Sterno- 
costalien, was noch nachzuuntersuchen ist. 

2) Saurenpt und Ornanpr lassen daher auch den Muskel an 
der Scapula direkt inserieren. 

3) Nach Aurx bei Varanus (Monitor) gut entwickelt, den M. 
sterno-coracoideus profundus ersetzend und von dem 1. Sternocostale 
nach der Scapula erstreckt. Ich glaube, daf hier eine Verwechslung 
mit dem M. sterno-coracoideus internus superficialis vorliegt (vergl. 
Anm. 1 auf p. 408). 


412 Max Firbringer, 


Das Lig. sterno-scapulare internum (Fig. 143—146, 
L.stsci) bildet eine sehnige Briicke, die an der Innenfliche des 
Brustschulterapparates von der Mitte des Labium internum des 
Sulcus coracoideus sterni (vor der sternalen Insertion des M. trans- 
versus abdominis) (sé) nach dem ventralen vor dem Acetabulum 
befindlichen Teile der Scapula (sc¢;), an der Grenze gegen das Cora- 
coid (in der Regel zwischen dem Caput scapulare und dem Caput 
coracoideum des M. subcoracoscapularis) ausgespannt ist!) und 
hierbei die Mm. sterno-coracoideus internus superficialis und sub- 
coracoideus (Caput coracoideum m. subcoracoscapularis) innen 
iiberbriickt. Die sternale Strecke dieses Bandes ist stets diinner, 
breiter und mehr nach Art einer zarten Aponeurose gebildet als 
die kraftiger, schmaler und mehr wie ein schlankes Ligament ge- 
staltete. Seine Starke hingt meistens zu einem guten Teile von 
dem Grade der Entfaltung des M. sternocosto-scapularis ab: wo 
dieser Muskel einen kraftigeren Zug auf das Ligament ausiibt, 
ist es namentlich in seiner scapularen, der Hauptwirkung der- 
selben ausgesetzten Strecke kraftig ausgebildet, und umgekehrt; 
doch kann es auch bei schwacher Ausbildung des Muskels un- 
verhaltnismavig stark sein (Zonurus). Auch bei ginzlichem Mangel 
des M. sternocosto-scapularis existiert das Lig. sterno-scapulare 
internum, meistens schwach (untersuchte Geckonidae, Uroplates), 
doch auch in ganz guter Ausbildung (Phrynosoma, Fig. 146, Va- 
ranus, Fig. 145), weil die Reduktion aus Stiitzgewebe geformter 
Gebilde einem trageren Entwickelungsgange unterliegt als die- 
jenige von Muskeln, und weil bier noch von anderen Instanzen 
(Verbindungen mit Sterno-coracoideus internus superficialis und 
Anconaeus coracoideus) die Inanspruchnahme und Erhaltung dieses 
Bandes abhangt. 

Die geringste Entfaltung zeigt das Lig. sterno-scapulare in- 
ternum bei Uroplates und den Geckonidae: hier bildet es einen 
zarten Zug, der in schleierartiger Diinnheit, und teilweise selbst 
nicht leicht erkennbar von dem Sternum (sé) (Labium internum 
der Sulcus coracoideus) ausgeht und sich in seinem weiteren Ver- 
laufe zu einer diinnen, schmalen und schlanken Sehne konzentriert, 
(lie zwischen den Anfaingen der Mm. subscapularis und subcoraco- 
ideus (Hemidactylus, Gecko) oder vor denselben (Uroplates) an 


1) Nach Aurx bei Monitor an der Innenfliche ,du scapulum 
sur son union avee le sus-scapulaire“ angeheftet; ich kann dies 
nicht bestatigen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 413 


dem coracoidalen Ende der Scapula sich anheftet (sc'). Kraf- 
tiger, aber noch einfach, lediglich mit sternaler und scapularer 
Insertion, ist das Band bei Lygosoma gebildet. Weiterhin kommt 
dazu eine coracoidale Ankerung (cv), welche die Mitte des 
Bandes mit der hinteren Ecke des Coracoides verbindet (err) und meist 
auch mit der Ursprungssehne des Anconaeus coracoideus (ac) 
vereinigt ist (sehr wenig bei Zonurus, besser bei Mabuia cari- 
nata, Zonosaurus, Lacerta, Ameiva, Iguana, Uromastix, Varanus, 
in hohem Grade bei Phrynosoma), ihr partiell als Ausgangspunkt 
dienend.* Ueber die sehr wechselnden Verhaltnisse orientieren die 
beigegebenen Abbildungen (Fig. 143— 146) besser als weitliufige 
Beschreibungen ; stets ist hierbei die scapulare Strecke des Bandes 
die kraftigste. Endlich kann die coracoidale Ankerung auch dem 
M. coraco-brachialis longus teilweisen Ursprung gewihren 
(Phrynosoma, Varanus). 

SABATIER (p. 154—156) vergleicht den M. sternocosto-scapu- 
laris, unter den entsprechenden Argumenten wie bei den vorher- 
gehenden Muskeln, mit den Faisceaux scapulaires des Pectoralis 
minor der Mammalia. Daf ich ihm nicht zustimmen kann, ergiebt 
sich aus meinen Bemerkungen sub Sterno-coracoidei p. (409, 410). 
Ueber seine Homologisierung mit Gebilden der Saugetiere — soweit 
tiberhaupt Elemente des Sternocosto-scapularis sich noch bei den 
Saugern finden, kann nur an die Subclaviusgruppe derselben gedacht 
werden -— werde ich mich specieller bei diesen iufern. 

Auch hier ist die Genese und Ableitung des M. sternocosto- 
scapularis und des Lig. sterno-scapulare internum, mangels aus- 
reichender Zwischenformen zwischen und bei Amphibien und Rep- 
tilien, nicht direkt zu demonstrieren. 

Der M. sternocosto-scapularis diirfte, wie Maurer 
bei Sphenodon (der betreffende Muskel ist hier ebenfalls nicht 
benannt, sondern mit z’ bezeichnet) dargethan hat und wie auf den 
ersten Blick einleuchtet, eine vordere Fortzetzung der Mm. inter- 
costales ventrales (externi, interni) darstellen. Bei den iiber- 
lebenden Urodelen fehlt aber jede ahnliche Bildung. Bei den 
Anuren existiert allerdings ein Muskel (M. abdomini-scapularis 
FURBRINGER, vergl. Schultermuskeln, I, 1873, p. 303, Pars ab- 
dominalis s. omo-abdominalis s. scapularis des M. obliquus externus 
der Autoren), der in der Faserrichtung und in der Anheftung an 
der Scapula (hinteres ventrales Ende des Suprascapulare) eine 
gewisse Aehnlichkeit mit dem Sternocosto-scapularis hat, aber 
durch seine Zugehérigkeit zu dem M. obliquus externus und durch 


414 Max Firbringer, 


seine speciellere Anordnung sich weiter von ibm entfernt; sehr 
inkomplette Beziehungen allgemeinster Art diirfen jedoch zwischen 
beiden Muskeln angenommen werden, da aueh der Obliquus_ ex- 
ternus ultima ratione von primitiven Intercostales ableitbar ist. 

Etwas dem Lig. sterno-scapulare internum Ver- 
eleichbares fehlt allen daraufhin untersuchten Amphibien. Es 
kann jedoch zum vorderen sehnigen Rande der inneren Bauch- 
muskeln der Lacertilier (Transversus und Obliquus internus) in 
Beziehung gebracht werden. Dieser Rand lauft im  ventralen 
Bereiche parallel zu dem Bande und inseriert direkt nebén seiner 
sternalen Anheftung, derselben innen aufliegend. Man kann so- 
nach an eine sekundare, erst bei den Reptilien erfolgte Ausbrei- 
tung von der auBeren Flache dieses Randes nach der Innenflaéche 
des Schultergiirtels unter Heranziichtung des hier befindlichen 
Bindegewebes zu einer festen Sehnenbriicke durch den EinfluS des 
M. sternocosto-scapularis oder auch an partiell umgebildete und 
— ebenfalls unter dem Einflusse dieses Muskels!) — noch in 
Resten erhaltene primordiale Bildungen denken, welche aber wegen 
der in jener Gegend bei den Amphibien viel weiter als bei den 
Reptilien vor sich gegangenen Verkiimmerungen noch weniger er- 
halten geblieben sind als bei den primitiven Reptilien, denen die 
kionokranen Lacertilier ziemlich nahe stehen. Eine Begriindung 
und Entscheidung zwischen beiden Annahmen ist indessen zur Zeit 
nicht zu geben; es handelt sich zunachst um nicht mehr als um 
aufgeworfene Fragen. 


7. Pectoralis. 


Pectoralis, Pectorale: Firprincer, Carisson, SHUFELDT 
(No. 19), Ortanpi, Maurer. 

Grand pectoral, Pectoralis major: Attx, DE VIs. 

Grand pectoral (Grand pectoral et faisceaux huméraux du 
petit pectoral des Mammiféres): SaBaTrer. 


Breiter und ansehnlicher Muskel an der Ventralfliiche der 
Brust und des Bauches, der hinten von dem M. obliquus abdominis 
externus superficialis und M. rectus abdominis lateralis *) tiberdeckt 


1) Warum das Band auch nach dem Schwunde dieses Muskels 
wie so viele Gebilde aus Stiitzgewebe erhalten geblieben ist, wurde 
schon oben (p. 412) besprochen. 

2) Dieser den M. pectoralis lateral iiberlagernde vordere End- 
teil des M. rectus lateralis wurde von mir 1875 als Supra- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 415 


ist, vorn gréftenteils frei unter der Haut liegt, soweit nicht bei 
einigen Lacertiliern (gewisse Scincidae, namentlich aber Varanus) 
der hintere Teil des M. episterno-cleido-mastoideus ihm auflagert. 
Andererseits deckt er den M. obliquus abdominis externus pro- 
fundus, die Anfiinge der Mm. coracobrachiales, biceps brachii und 
supracoracoideus, den hinteren Saum des M. deltoides clavicularis 
und bei den meisten Lacertiliern den hinteren Teil des M. epi- 
sterno-cleido-mastoideus und die Membrana sterno-episternalis (cf. 
p. 400). In der Regel ist sein mittlerer Teil am stirksten; von 
da aus schwiacht sich der Muskel nach vorn und nach hinten ab. 

Der M. pectoralis entspringt vom Episternum, Sternum nebst 
Sternocostalien und lést sich hinten von dem M. rectus abdominis 
medialis ab, wobei zugleich geringere Zusammenhainge mit den 
anderen angrenzenden Bauchmuskeln existieren. Wie schon 1875 
von mir angegeben, ist der hintere Ursprung der alte, urspriing- 
liche, bei den Amphibien den Schwerpunkt des Muskels aus- 
machende, der vordere, namentlich der vom Episternum, der neu 
erworbene; letzterer befindet sich bei den Lacertiliern noch in 
der Ausbreitung nach vorn begriffen. Der episternale Ursprung 
beschrankt sich bei Hemidactylus, Gecko, Lygosoma, Ameiva auf 
den hinteren Langsschenkel des Episternum, bei Lacerta, Zonurus, 
Calotes, Uromastix, Varanus greift er in verschieden grofer Aus- 
dehnung auf den Querschenkel tiber; infolge von sekundarer Re- 
duktion des Episternum kann der von diesem beginnende Ursprung 
recht zuriicktreten (Phrynosoma) oder ganz ausscheiden (Uroplates). 
Bei Heloderma (SHuFELDT), Liolepis (SANDERS) und Chlamydo- 
saurus (DE Vis) wird auch ein clavicularer Ursprung an- 
gegeben '); die von mir untersuchten Lacertilier zeigten ihn nicht. 
Der sternale und sternocostale Ursprung ist der am 
meisten ausgebreitete und geschieht in der ganzen Linge des 
Sternum, vorn mehr im medialen Bereiche desselben, hinten in 


pectoralis bezeichnet. Ich lasse diesen Namen jetzt fallen und 
folee der Nomenclatur von Maurer (1896), der die Beziehungen 
des M. pectoralis zur Bauchmuskulatur bei Lacerta und Tiliqua 
genau und eingehend beschreibt. 

1) Ich kann diese Angaben weder bestitigen noch beanstanden, 
da mir die angefiihrten héheren Lacertilier nicht zur Untersuchung 
vorlagen. Die entsprechenden Mitteilungen Rtpineur’s von einem 
clavicularen Ursprunge bei Scincidae und Lacertidae halte ich teils, 
soweit ich nachuntersuchte, fiir irrig, teils fiir recht unwahr- 
scheinlich. 


416 Max Firbringer, 


seiner gréferen bis ganzen Breite und erstreckt sich von da auf 
die mit dem Sternum verbundenen Sternocostalien mit Ausnahme 
des ersten, das an diesem Ursprunge nicht participiert. Meist 
beschrinkt sich der Ursprung vom 2. Sternocostale auf dessen 
sternales Ende, greift bei dem 3. weiter und erreicht in der 
Regel, aber nicht ausnahmslos, am 4. die griéf%te Ausdehnung ‘), 
wihrend die folgenden 2 bis 3 Sternocostalien nur bei einzelnen 
Lacertiliern (Uroplates, Zonurus) in ausgedehnterem Mafe daran 
participieren. Der hintere Teil des Pectoralis steht bei den nie- 
deren und mittelhoch stehenden Formen in direktem Zusammen- 
hange mit dem Rectus abdominis medialis, wihrend bei den héheren 
Familien und den Gattungen mit median verbundenen Sterno- 
costalien gewisse Modifikationen dieser Beziehung existieren. 

Die Insertion des Muskels geschieht kraftig fleischig-sehnig 
an der Beugeflache des Proc. lateralis humeri, wozu nicht selten 
eine schwache Ankerung an der Ventralfliche des Tuberculum 
mediale humeri kommt; letztere ist bei Uroplates recht kraftig 
entwickelt und bildet zusammen mit der Hauptinsertion des Muskels 
eine feste Scheide um die Ursprungssehne des M. biceps. brachii. 

Meist reprasentiert der Muskel eine einheitliche Ausbreitung ; 
veringere Unterbrechungen des Zusammenhanges werden aber nicht 
selten beobachtet. Den 1875 angegebenen Fallen kann ich noch 
Varanus anreihen, wo die vom vorderen Teil des Kpisternum 
entspringende Partie des Muskels eine gewisse Selbstindigkeit 
gewinnt und mit separater tiefer Endsehne dicht neben dem 
supracoracoideus und mit ihm verbunden an dem proximalen Teil 
des Proc. lateralis inseriert. 

Bei Lygosoma fand ich eine von dem Insertionsteil des 
M. pectoralis ausgehende Aberration an die Haut der Beugeflache 
des proximalen Oberarmbereiches in Gestalt eines diinnen sehnigen 
Zipfels. 

SABATIER (p. 156) erblickt in dem Pectoralis der Lacertilier 
ein Homologon des Grand pectoral und der Faisceaux humeraux 
du petit pectoral der Saiugetiere; das stimmt mit meiner 1875 
dar rgelegien Vergleichung tiberein. 


1) Die Verhiltnisse sind sehr wechselnde. Bei Phrynosoma 
bildet das 3. (von seinem iibrigen Rippenteile abgeléste und einen 
langen hinteren Seitenfortsatz ‘des Sternum bildende) Sternocostale 
den Schwerpunkt, bei den meisten Lacertiliern das 4., bei Zonurus 
(wo die 4 ersten Sternocostalien gar nicht am Ursprunge des 
Pectoralis participieren) das 5. und 6. Sternocostale. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 417 


8. Supracoracoideus '). 


Supracoracoideus: FURBRINGER. 

EK picoraco-huméral, Epicoraco-humeralis: ALix, DE 
VIS. 

Chef (faisseau) coraco-huméral et précoraco-humé- 
ral de l’obturateur externe thoracique: SaspaTInr. 

Supraspinatus: Sxaurenpt (No. 21). 


Kraftiger Muskel an der vorderen Ventralfliche der Brust- 
schultergegend, der von den Mm. deltoides clavicularis und pecto- 
ralis gedeckt, dorso-lateral von dem M. scapulo-humeralis anterior 
und hinten (caudal) von den Mm. biceps brachii und coraco- 
brachialis brevis begrenzt wird; hierbei kommt es auch zu 
Deckungen oder Verwachsungen, welche bei den einzelnen Lacer- 
tiliern verschiedene Verhiltnisse zeigen. 

Er entspringt von der Aufenfliche des vorderen Teiles des 
Coracoides im Bereiche des Hauptfensters (No. 1) und seiner Um- 
rahmung (Procoracoid, vorderes Epicoracoid und vorderer Saum 
des Coracoid s. str.)?) resp. von der diesem Fenster entsprechen- 
den soliden Stelle (Heloderma) und kann bei breiter Entwickelung 
auch lateral auf den medialen Bereich des coraco-scapularen 
Fensters (No. 3) tibergreifen (Geckonidae, Phrynosoma); bei Uro- 
plates, dessen Coracoid in sagittaler Richtung betréchtlich ver- 
kiirzt und nur von einem kleinen Fenster (Hauptfenster +- Foramen 
supracoracoideum) durchbrochen ist, reicht er dorsolateral bis zur 
scapularen Grenze des Coracoides und schlagt sich vorn um den 
Vorderrand des Coracoides bis auf den schmalen Vordersaum der 
Innenfliche desselben um. Mit stark konvergierenden Fasern ver- 
liuft der Muskel nach dem Humerus, um an dem _ proximalen 
Teil des Proc. lateralis, proximal von dem M. pectoralis, ventral 
resp. ventro-proximal von den Mm. dorsalis scapulae und deltoides 
clavicularis mit kraftiger, sehnig-muskuléser Insertion zu enden; 


1) Der von Oxtanp1 bei Macroscinius unter dem Namen Supra- 
coracoideo beschriebene Muskel gehért nicht hierher, sondern ent- 
spricht wohl dem M. dorsalis scapulae (s. bei diesem p. 427). 

2) Bei Gecko und Lygosoma, deren M. coraco-brachialis brevis 
sehr kraftig (kraftiger als der M. supracoracoideus) entwickelt ist, 
nimmt dessen vorderer Abschnitt den hinteren Teil der gewoéhnlich 
von dem M. supracoracoideus eingenommenen Strecke ein (ins- 
besondere das Epicoracoid und selbst bei Lygosoma den kleineren 
disto-medialen Bereich des Hauptfensters). — Aurx giebt bei 
Monitor nur das Epicoraceid als Ursprungsstelle an, was irrig ist. 


418 Max Firbringer, 


bei einzelnen Lacertiliern (Gecko, Ameiva) finden sich schwache 
Zusammenhange mit einem Teil des Lig. scapulo-humerale laterale. 

Wechselnd sind die Beziehungen zu den Nachbarmuskeln. 

Von dem M. scapulo-humeralis anterior ist der M. supra- 
coracoideus meist gut abzutrennen; nicht selten finden sich aber 
innige Verwachsungen durch Vermittelung einer kraftigen inter- 
mediaéren Fascie (untersuchte Geckonidae, Uroplates, Lygosoma, 
Phrynosoma), wobei der M. scapulo-humeralis anterior die Tendenz 
zeigt, tiber den M. supracoracoideus hertiberzugreifen und seinen 
dorsalen Saum zu decken. 

Die Mm. coraco-brachialis brevis und biceps brachii werden 
in der Regel in ihrem vorderem Bereiche von dem hinteren Saum 
des M. supracoracoideus gedeckt, wobei haufig in der Tiefe in- 
timere Beziehungen zwischen Supracoracoideus und _ Coraco- 
brachialis brevis existieren. Bei den untersuchten Geckonidae 
und Scincidae, aber auch bei Varanus ist die Verbindung beider 
so innig, daf nur unter Beriicksichtigung der Innervation (diazo- 
naler N. supracoracoideus und postzonaler N. coraco-brachialis) 
die Scheidung beider Muskeln gelingt; zugleich wurde bei Varanus 
ein vicariierendes Uebergreifen des M. supracoracoideus beobachtet, 
indem die von dem muskulésen Ursprungskopfe des M. biceps 
brachii bedeckte Muskelmasse — bei allen anderen untersuchten 
Lacertiliern dem M. coraco-brachialis brevis angehérig — _ hier 
von dem N. supracoracoideus versorgt, wurde, somit dem M. supra- 
coracoideus zuzurechnen ist. Dieser Zusammenhang des Supra- 
coracoideus und Coraco-brachialis ist bei den Geckonidae und 
Scincidae als ein primitiver zu beurteilen; das Vicariieren bei 
Varanus stellt eine Besonderheit dieser Lacertilier dar, die wahr- 
scheinlich von einem primitiven Verbande beider Muskeln ausging 
und am Ende der mit Gecko und Lygosoma (mit den Supracora- 
coideus iiberwiegender Ausbildung des Coraco-brachialis, s. Anm. 2 
auf p. 417) beginnenden Reihe steht. 

Kine partielle Scheidung des M. supracoracoideus, die aber 
noch nicht zur Ausbildung von gesonderten Képfen gegangen ist, 
wird von SHUFELDT bei Heloderma angegeben. — Ein deutlicher 
Zerfall des Muskels in eine breitere ventrale und eine schmialere 
dorso-laterale Abteilung (Supracoracoideus inferior und superior) 
wurde bei Uroplates beobachtet; letzterer geht bis zur scapularen 
Grenze des Coracoid. Die Insertion beider Abteilungen ist ein- 
heitlich. In diesem Verhalten sind Anklinge an die weiter aus- 
gebildete Sonderung bei den Chamaeleontidae gegeben. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 419 


SABATIER (p. 192—194) findet eine Innervation des M. supra- 
coracoideus durch die Nervi supracoracoideus und scapulo-hume- 
ralis profundus und faft diesen Muskel als Chef (faisceau) coraco- 
huméral et précoraco-huméral des M. obturateur externe thoracique 
auf, wobei er ihn zu dem gleichnamigen Obturator externus des 
Beckens in seriale Homologie bringt. Der von mir namentlich auf 
Grund der Versorgung durch ahnlich laufende (prozonale resp. 
diazonale) Nerven angenommenen Verwandtschaft mit dem M. 
supraspinatus der Saéugetiere ist er geneigt zuzustimmen, aber 
weniger wegen der Innervation (welcher er nicht die gleiche Be- 
deutung fiir die Bestimmung der Muskelhomologien zuerkennt wie 
ich), sondern wegen der gemeinsamen tieferen Lage beider Muskeln. 
SHUFELDT homologisiert ihn gleich SANDERS mit dem Supra- 
spinatus. — Ich kann nur festhalten, was ich friiher (1873, p. 270 
und 1875, p. 717, 718) iiber die Deutung dieses Muskels aus- 
gefiihrt habe: Der Muskel ist kein direktes Homologon des M. 
supraspinatus, der erst innerhalb der Saugetiere zur Ausbildung 
velangt, sondern nur ein ventral liegender Verwandter desselben, 
der bei den Monotremen noch als kraftig entwickelter Muskel 
neben dem M. supraspinatus existiert, bei den anderen Mammalia 
aber Hand in Hand mit der Riickbildung des Coracoides reduziert 
wurde. Die von SABATIER angegebene partielle Innervation durch 
einen prozonalen Nerven (N. scapulo-humeralis profundus) habe 
ich bei Lacertiliern nicht gefunden; die in dieser Weise inner- 
vierten Teile wiirden zu dem M. teres minor der Saugetiere in 
eine ganz allgemeine Homologie zu bringen sein. 


9. Coraco-brachialis brevis und longus‘) (cbrb und cbr/). 


Coraco-brachialis brevis: 


Coraco-brachialis brevis: FUrsRinceR, SABATIUR, DE VISs, 
Suuretpr (No. 32). 
Premier faisceau du coraco-brachial: Atrix. 


Coraco-brachialis longus: 


Coraco-brachialis longus: Fwtrsrincer, SABATIER, DE VIS, 
Suuretpt (No. 33). 
Second faisceau du coraco-brachial: Atrix. 


1) Coraco-brachialis: Ortanpr (ohne Unterscheidung 
seiner beiden Teile). 


420 Max Firbringer, 


Von dem gréferen oder kleineren hinteren Teile der cora- 
coidalen Aufenflache ausgehende Muskelmasse, die sich nach der 
Beuge- und Medialseite des Humerus erstreckt, wobei sie im Be- 
reiche des Schultergiirtels von den Mm. pectoralis, supracoracoideus 
und biceps brachii, im Bereiche des Oberarms von dem distalen 
Bauche des letzteren Muskels bedeckt wird; kranial grenzt sie 
zugleich an den M. supracoracoideus an, mit ihm haufig die bei 
dessen Besprechung angegebenen Zusammenhiange bildend (s. p. 418). 
Meistens entspringt der M. coraco-brachialis einheitlich und wird 
erst in seinem weiteren Verlaufe, namentlich durch den durch- 
tretenden Nervus brachialis longus inferior‘), in den M. cbr. brevis 
und longus geteilt; haufig (Uroplates, Ameiva, Zonurus, Heloderma 
[SHuFELpT], Varanus) sind beide Muskeln von Anfang an mehr 
oder minder gut gesondert. 

Coraco-brachialis brevis (ebrb). Der kiirzere, dickere 
und breitere Muskel von beiden. Er entspringt caudal vom M. 
supracoracoideus, lateral vom M. biceps brachii und kranial vom 
M. coraco-brachialis longus muskulés von der Aufenflache des 
Coracoid, und zwar in der Regel von dem Coracoid s. str.2), wo- 
bei der Grad seiner Ausdehnung nach yvorn durch die geringere 
oder gréBere Entfaltung des M. supracoracoideus bedingt wird; 
zwischen den Extremen der Geckonidae und Scincidae mit grofer 
Breitenentfaltung des M. coraco-brachialis brevis und des Varanus 
mit schmalem M. cbr. brevis finden sich alle Zwischenstufen (vergl. 
auch p. 418). Von da aus verlaiuft der Muskel, direkt der Kapsel 
des Schultergelenkes aufliegend und mit ihr verbunden, nach der 
Beugefliiche des Humerus (zwischen den Vorragungen des Proc. 
lateralis und Proc. medialis) und inseriert fleischig an den Basen 
beider Processus und an dem Schaft des Humerus bis zur Mitte 
desselben (Anfang des 3. 1/; bei Ameiva, Ende der ersten Halfte 
bei Uroplates, Uromastix, Varanus, Anfang der zweiten Halfte bei 
Phrynosoma) oder weiter hinab (Ende des 3. 1/; bei Gecko, Ende 
des 2. 1/, bei Tarentola, Lygosoma, Zonosaurus, Zonurus, Ende 


> 


des 5. 1/, bei Lacerta), wobei er sich zugleich zusehends ver- 


1) Anrx’ Angabe, daf beide Muskeln bei Varanus durch die 
Sehne des M. latissimus dorsi getrennt seien, ist irrtiimlich. 

2) Die Angabe von px Vis, daf der Muskel bei Chlamydo- 
saurus auch von dem Humeruskopfe entspringe, beruht wohl auf 
einer Ueberschatzung des Verbandes mit der Kapsel des Schulter- 
gelenkes. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 421 


schmalert. Im grofen und ganzen zeigen die primitiveren Lacer- 
tilier die gréfere Ausbreitung des Muskels, der sich sonach bei 
der Mehrzahl der héheren successive verkiirzte. 

Coraco-brachialis longus (cbrl). Der langere, schlankere 
und diinnere Muskel. Er beginnt muskulés oder sehnig-muskulés 
von der hinteren Ecke des Coracoides, wobei er zumeist auch auf 
den hinteren Rand und Innensaum desselben iibergreift, mitunter, 
bei kraftiger Entwickelung der coracoidalen Ankerung des Lig. 
sterno-scapulare internum, auch zum Teil von dieser entspringen 
kann (Phrynosoma, Varanus). Mit parallelen Fasern verlauft er 
medial neben dem M. coraco-brachialis brevis, ihm zuerst ver- 
bunden oder dicht anliegend, nach und nach sich immer mehr 
von ihm entfernend, an der Medialseite des Humerus bis hinab 
zum Epicondylus medialis, wo er in der Regel rein oder vor- 
wiegend muskulés, seltener mit mehr oder minder schlanker Sehne 
(einzelne Scincidae, Uroplates) inseriert. Seine Dicke ist meist 
gering, seltener (Zonosaurus, namentlich Ameiva) betrachtlicher. 
Bei Ameiva inseriert nur die kleinere laterale Hilfte am Epicon- 
dylus; die gréfere mediale Hialfte aberriert an die Fascie des 
ersten Anfanges des M. pronator, sich ziemlich fest mit ihr 
verbindend (Lacertus fibrosus m. coraco-brachialis 
longi). 

SABATIER (p. 235) gebraucht die gleichen Namen wie ich 
(Coraco-brachialis brevis und longus). 


10. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis) (47). 


Coraco-antebrachialis (Biceps brachii): Firprinerr. 
Biceps: Aurx, DE Vis, Suurentpr (No. 31). 
Biceps brachial: Sasatier. 


Langer vom Coracoid bis zum Vorderarm erstreckter Muskel, 
der proximal vom mittleren und hinteren Bereiche der Aufenflache 
des Epicoracoid beginnt, wobei er in der Regel von den Mm. 
pectoralis und supracoracoideus gedeckt wird und seinerseits den 
M. coraco-brachialis deckt, dann an der Beugefliiche des Humerus, 
medial neben dem M. brachialis inferior und auf dem M. coraco- 
brachialis aufliegend, distalwarts verlauft und endlich gemeinsam 
mit dem M. brachialis inferior zwischen die Streck- und Beuge- 
muskulatur am Vorderarm eintretend an den Anfingen von Radius 
und Ulna endet. 


422 Max Firbringer, 


In der Kontinuitét des im tbrigen einheitlichen Muskels !) 
findet ein Wechsel des Gewebes statt, indem der Muskel mit einem 
rein muskulésen oder fleischig-sehnigen proximalen Bauch (der 
schlieflich zur einfachen Ursprungssehne sich umbilden kann) be- 
ginnt, darauf im Niveau des Schultergelenkes in eine breite 
Zwischensehne tibergeht und endlich wieder einen in der Regel 
kraftigen distalen Muskelbauch bildet, der am Ende des Oberarms 
sich mit dem M. brachialis inferior verbindet und mit ihm in die 
beiden gemeinschaftlichen Endsehnen tibergeht. 

Der proximale Muskelbauch (bu) reprasentiert in seiner 
wechselnden Ausbildung ein ausgezeichnetes systematisches Merkmal 
und zugleich einen guten Gradmesser fiir die Héhe der Entwicke- 
lung. 1) Bei guter Entfaltung, welche zugleich dem primitiven 
Verhalten entspricht, bildet er einen breiten, platten Muskel, 
welcher, medial vom M. coraco-brachialis brevis von der Aufen- 
flache des mittleren und hinteren Bereiches (exkl. hinteres Ende) 
des medialen Teiles des Coracoid (Epicoracoid), sowie, wenn das- 
selbe vorhanden ist, dem hinteren coracoidalen Fenster (No. 2) 
entspringt (untersuchte Geckonidae, meiste Scincidae, Zonosaurus) 
und in der Gegend des Schultergelenkes in die Zwischensehne 
ibergeht. Die gréf%te Entfaltung wies dieser Muskel bei Lygosoma 
auf, dann folgten Hemidactylus, Gecko (Fig. 127), Tarentola, 
Ptychozoon, Gongylus, Zonosaurus in der Ausbildung des hier 
auch noch ansehnlichen Muskels. 2) Das nachste Stadium kenn- 
zeichnet sich durch partielle Umwandelung in eine Ursprungssehne 
oder Ursprungsaponeurose (b2.¢); dies findet stets im hinteren 
(caudalen) Bereiche des Muskels statt, wahrend der vordere 
(kraniale) noch als schmialerer Muskelbauch persistiert. Hierbei 
kann der muskulése Teil desselben noch tiberwiegen (Trachy- 
saurus, Lacerta (Fig. 128), Ameiva, Tupinambis, Zonurus) oder 
ihm annahernd gleich sein (Phrynosoma (Fig. 130) [SANpERS, 
ich], Liolepis [SanpERS], Uromastix)”) oder gegen ihn in mafigem 


1) Meine 1875 p. 724 und p. 726 Anm. 1 gemachten ab- 
weichenden Angaben betreffend Sphenodon (Hatteria), die mangels 
eigener Beobachtungen auf der zum Teil irrtiimlichen Beschreibung 
und Deutung von GinrHeEr basierten, nehme ich nach gewonnener 
besserer Kenntnis durch eigene Untersuchung zuriick und verweise 
im ibrigen auf die unten bei den Rhynchocephaliern gegebene Dar- 
stellung der Mm. biceps brachii und humero-radialis. 

2) Bei Phrynosoma reicht, entsprechend der sagittalen Ver- 
kiirzung des vorderen (kranialen) Teiles des Coracoides, der Ursprung 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 423 


Grade zuriicktreten (Varanus, Fig. 129). 8) Endlich bleibt unter 
volliger Reduktion des Muskelgewebes und Umwandlung des inter- 
muskuliren Bindegewebes in Sehnengewebe nur ein sehniger Ur- 
sprung tibrig (Heloderma [Suureitpr|, Iguana [Mrtvart], Phryno- 
soma |RUpINGER], Stellio [RipINGER], Calotes, Uroplates, Fig. 131). 
— Es bieten sonach von den untersuchten kionokranen Lacer- 
tiliern die Geckonidae, die meisten Scincidae und Gerrhosauridae 
einen rein muskulésen, einzelne Scincidae, die Lacertidae, Tejidae 
und Zonuridae einen vorwiegend muskulésen, die Iguanidae und 
Agamidae einen muskulés-sehnigen oder rein sehnigen, die Helo- 
dermatidae und Uroplatidae einen rein sehnigen Ursprung dar. Die 
grofe Distanz zwischen den Geckonidae und Uroplatidae ist er- 
sichtlich; Lygosoma und Gecko zeigten das primitivste, Uroplates 
das sich am weitesten davon entfernende Verhalten. Weitere 
Untersuchungen werden diese Reihe in mancher Hinsicht noch 
vervollstandigen und vermutlich auch modifizieren. 

Die Zwischensehne (bi) bietet sich bei Lygosoma als 
kurze breite Inscriptio tendinea dar, welche den Biceps brachii 
derartig durchsetzt, daf der distale Muskelbauch an der tiefen 
Flache (Innenfliche) beginnt, ehe der proximale an der Oberflache 
geendigt hat; ein Querschnitt an dieser Stelle zeigt also das inter- 
mediare Sehnengewebe an der Oberflaiche und an der tiefen Flaiche 
(Innenflache) von dem Muskelgewebe des proximalen und des 
distalen Muskelbauches begrenzt. Bei den anderen Lacertiliern 
verlingert sich die Inscriptio zur breiten Zwischensehne (Zwischen- 
aponeurose), die bei Gecko und Zonosaurus noch von mabiger 
Lange, bei Hemidactylus und Ptychozoon ziemlich lang, breit und 
diinn, bei Lacerta und den anderen Formen mit sehnig-muskulésem 
Ursprunge des biceps in entsprechender Liinge und etwas kraftiger 
entwickelt ist. Bei den Lacertiliern mit rein sehnigem Ursprunge 
bildet sie naturgemaS den distalen Teil der Ursprungsebene und 
ist hier, wie diese, meist etwas verschmialert. Diese Verschmile- 
rung ist bei Uroplates recht betrachtlich; hier ist die Sehne auch 
von der durch die Hauptinsertion und die Ankerung des M. pecto- 


des muskulésen Kopfes relativ sehr weit nach vorn (2. bis 4. Achtel 
der sagittalen Linge des Epicoracoides); der von dem 3. Viertel des 
Epicoracoides ausgehende sehnige Teil ist in mehrere Faserziige 
zerfallen (Fig. 130). — Auch Chlamydosaurus gehért nach pe Vis 
zu den Lacertiliern mit muskulés-sehnigem Anfange des Biceps 
brachii; doch giebt dieser Autor nichts tiber das gegenseitige 
Gréfenverhiltnis des muskulésen und des sehnigen Kopfes an. 
Bd. XXXIV. N. F. XVII. 28 


424 Max Firbringer, 


ralis gebildeten Scheide eingeschlossen (vergl. sub M. pectoralis 
p. 416). 

Der distale Muskelbauch (bi) bildet den im Bereiche 
des Oberarmes befindlichen auf dem Querschnitte rundlichen Muskel, 
der bei keinem untersuchten Lacertilier fehlt und bei den meisten 
recht kraftig ist; Ameiva, mehr noch Phrynosoma und Uroplates 
kennzeichnet ein schmalerer distaler Bauch. Am Ende des Humerus 
geht er den oben angegebenen Verband mit dem lateral gelegenen 
M. brachialis inferior ein und inseriert gemeinschaftlich mit ihm 
mit 2 Zipfeln an dem proximalen Bereiche des Radius und der 
Ulna. — Bevor er gemeinsam mit dem M. brachialis inferior 
zwischen die Streck- und Beugemuskulatur des Vorderarmes ein- 
tritt, kann von seiner freien medialen Seite aus eine fleischig- 
sehnige Aberration an den Anfang der oberflachlichen Fascie der 
Beugemuskulatur des Vorderarmes gehen und sich hier anheften. 
Dieses, nach Lage einem Lacertus fibrosus (Aponeurosis) 
bicipitis vergleichbare, Gebilde wurde als ganz ansehnliche, 
etwa dem dritten Teile des M. biceps entsprechende Muskel- 
aberration bei Lygosoma gefunden, die ausgebreitet muskulds an 
der Beugefascie des Vorderarmes endete; viel kleiner, aber auch 
deutlich an der genannten Strecke inserierend, war sie bei Gecko; 
bei Zonosaurus und Lacerta léste sich ein minimaler Zipfel an 
der entsprechenden Stelle des M. biceps ab, endete aber bereits 
in dem proximal von den Beugemuskeln des Vorderarmes ge- 
legenen Bindegewebe; bei Ptychozoon und Zonurus fand sich hier 
nur eine Lockerung der oberflichlichen Fasern des Biceps mit 
Adhasion an dem benachbarten Bindegewebe. Die tibrigen jetzt 
von mir untersuchten Lacertilier (darunter auch Hemidactylus) 
zeigten nichts derartiges'). Die betreffende Aberration ist somit 
eine mehr den tiefer stehenden Lacertiliern zukommende Bildung. 

SABATIER (p. 261 f.) stimmt in der Deutung des Muskels und 
der Homologisierung seines Ursprungsteiles mit dem Caput longum 
des M. biceps brachii der Saiugetiere in der Hauptsache mir bei, 
findet aber in dem Lacertilier-Muskel nur die coracoidale Partie 
(Portion coracoidienne) des langen Bicepskopfes der Mammalia 
wieder. Diese Vergleichung geht von korrekten logischen Er- 
wigungen aus, betrachtet aber die Muskelurspriinge als etwas zu 


1) Wahrscheinlich hat die Aberration eine gréfere Verbreituug 
und wurde vermutlich von den friiheren Untersuchern, denen auch 
ich mich beirechne (1875), bei manchem Lacertilier tibersehen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 425 


Starres, Unveranderliches und stets ihre Stelle genau Behauptendes. 
(Weiteres s. bei den Saugetieren.) 


11. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior). 


Humero-antebrachialis inferior (Brachialis in- 
ferior): FURBRINGER. 

Brachial antérieur, Brachialis anticus: Aur, Sapa- 
TIHR, DE Vis, SuureLpt (No. 34). 


Ziemlich kurzer, aber nicht unkraftiger Muskel an der Beuge- 
seite des Oberarmes, der medial von dem M. biceps brachii, 
latero-dorsal von dem M. anconaeus humeralis lateralis begrenzt 
wird und in wechselnder Weise, mehr oder minder ausgedehnt, 
mit den proximal von ihm endenden Mm. supracoracoideus und 
deltoides clavicularis verwachsen sein kann. 

Er entspringt von der Beugeseite der Diaphyse des Humerus, 
wobei er lateral auf den distalen Bereich der Dorsolateralfliche des 
Proc. lateralis ibergreift, und verbindet sich im unteren Abschnitte 
des Oberarmes in der Regel mit dem M. biceps brachii in der bei 
diesem angegebenen Weise (p. 422), um danach mit zwei, beiden 
Muskeln gemeinsamen Sehnen an den Anfangen des Radius und 
der Ulna zu enden. Dieser Verband zeigt bei den Lacertiliern 
verschiedene Grade von Intimitaét; bei Heloderma (SHure.pt) ist 
dieselbe sehr gering. 

SABATIER (p. 295) folgt der allgemeinen Anschauung hinsicht- 
lich der Homologie dieses Muskels. 


12. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) (/d). 


Dorso humeralis (Latissimus dorsi): Firsrinerr. 

Grand dorsal, Latissimus dorsi: Atix, SaBaTisr, 
pE Vis, SuurEupt (No. 17). 

Dorso-omerale: ORLANDI. 


Sehr breiter und ausgedehnter Muskel an der Seitenflache 
des Thorax, der vorn von dem hinteren Teile des Ursprunges des 
Cucullaris bedeckt wird'), wahrend er andererseits den hinteren 
Bereich der Scapula s. lat. mit dem M. dorsalis scapulae, den M. 


1) In der Ausdehnung von 2—3 Wirbeln bei Uroplates, von 
4 bei Gecko und Varanus, von 5 bei Zonurus, von 6 bei Phryno- 
soma, von 7 bei Zonosaurus und Lacerta, von 8 bei Ameiva. 
28* 


426 Max Firbringer, 


serratus superficialis, die spino-dorsalen Riickenmuskeln und die 
oberflachliche Bauchmuskulatur deckt. Mit dem M. cucullaris, so- 
wie der Riicken- und Bauchmuskulatur kann er mehr oder minder 
ausgedehnt verwachsen sein. Vorn oder in der Mitte ist er am 
kraftigsten, hinten wird er in zunehmendem Mafe schwacher und 
gveht meist in eine ausgebreitete, diinne Aponeurose iiber. 

Er entspringt vorwiegend oder rein aponeurotisch in wechseln- 
der Weise von dem letzten oder den (2—83) letzten Halswirbeln ‘) 
und einer Anzahl (5—16) darauf folgender Dorsalwirbel, wobei 
der Ursprung des vorderen Teiles des Muskels deutlich von den 
Proc. spinosi der Wirbel beginnt, wihrend es in der Regel nicht 
gelingt, die fest mit ihrer Unterlage (Fascie der spino-dorsalen 
Muskulatur) verwachsene Aponeurose des hinteren Teiles sicher 
bis zu den Wirbeldornen zu verfolgen?); man kann hier ebenso 
gut von einem Ursprunge des M. latissimus dorsi von der Fascia 
dorsalis sprechen. Dies ist ganz besonders der Fall bei Zonurus, 
Varanus, Phrynosoma und Uroplates; bei den beiden letzteren 
entspringt der untere und hintere Teil des Muskels in der Haupt- 
sache von Rippen (6. Dorsalrippe bei Phrynosoma, 4. und 5. bei 
Uroplates) *). 


1) Mitunter, bei Heloderma (Suurxnpr), Phrynosoma und Uro- 
plates, entspringt der Muskel gar nicht von Halswirbeln, sondern 
beginnt erst mit dem 1. oder einem folgenden Dorsalwirbel. — 
Ueberhaupt wurde der Anfang des Ursprunges gefunden: vom 
6. Wirbel (drittletzter Halswirbel) bei Ameiva (frithere und neuere 
Untersuchung), Iguana (Mivarr), Liolepis (SANDERS); vom 7. Wirbel 
(vorletzter Halswirbel) bei Tarentola, Lacerta; vom 8. Wirbel (letzter 
resp. bei Varanus vorletzter Halswirbel) bei Gecko, Lygosoma, 
Euprepes, Zonosaurus, Zonurus, Uromastix, Varanus; vom 9. Wirbel 
(1. Dorsalwirbel resp. bei Varanus letzter Halswirbel) bei Uro- 
plates, Trachysaurus, Phrynosoma, Varanus (Aix, eigene Beobach- 
tung); vom 10. Wirbel (2. Dorsalwirbel) bei Heloderma (Suure.pr) ; 
vom 11. Wirbel (3. Dorsalwirbel) bei Phrynosoma (friithere Beob- 
achtung). 

2) Die hintere Grenze des Muskels wurde, in Verfolgung der 
Richtung der letzten Muskelfasern, bis zum 13. bis 24. Wirbel, also 
innerhalb sehr weitgehender Grenzen der Variierung bestimmt, 
wobei die untersuchten Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, Tejidae, 
Heloderma (Suureipr), einzelne Iguanidae und Agamidae, meist die 
grékere, die Geckonidae, Zonurus, gewisse Iguanidae und Agamidae, 
Varanus, Uroplates meist die geringere Ausdehnung nach _hinten 
zeigten. Wie schon im Texte hervorgehoben, ist aber eine sichere 
und genaue Bestimmung der hinteren Grenze nicht moglich. 

3) Auch bei Varanus sind gewisse, wenn auch minder intime, 
Beziehungen zu Rippen erkennbar. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 427 


Von diesem ausgedehnten Ursprunge konvergieren die Fasern, 
von denen die vorderen je nach dem Beginn des Ursprunges in 
descendent-transversaler oder transversaler, die hinteren je nach 
der hinteren Ausdehnung des Muskels in longitudinaler oder 
longitudinal-ascendenter Richtung verlaufen, schnell und erheblich 
zu dem verhaltnismifig schmalen Insertionsteile, der zwischen dem 
scapularen und coracoidalen, danach dem lateralen und medialen 
humeralen Kopfe des M. anconaeus in die Tiefe der Streck- 
muskulatur des Oberarmes eindringt und seltener relativ ziemlich 
breit (Gecko), in der Regel ziemlich schmal an der Streckflache 
des proximalen Bereiches des Humerus, distal vom M. scapulo- 
humeralis anterior mit fleischig-sehniger (Gecko, Lacerta) oder 
mit rein sehniger und dann meist schmalerer Insertion (iiber- 
wiegende Mehrzahl der Lacertilier) endet. 

Der dreieckige Muskel ist danach von sehr ansehnlicher Aus- 
breitung bei den meisten Scincidae, Zonosaurus, den Lacertidae, 
Tejidae, den meisten Iguanidae und Agamidae, dagegen schmialer 
und minder ausgedehnt bei Trachysaurus, Zonurus, Phrynosoma, 
Varanus, Uroplates. Wahrscheinlich beruhen diese Faille von ge- 
ringerer Entwickelung hauptsichlich auf einer sekundaren Riick- 
bildung; bei Phrynosoma und Varanus ist dies nicht zu verkennen. 

Der Insertionsteil des M. latissimus dorsi kann mehr oder 
minder intime Zusammenhaénge mit dem M. anconaeus scapularis, 
der von ihm eine Ankerung erhalt (Gecko), oder mit der Ursprungs- 
sehne des Anconaeus coracoideus (von den untersuchten Tieren 
besonders bei Heloderma [SHureLptT|, Phrynosoma und Varanus 
|vergl. Fig. 145 und 146] entwickelt) darbieten. Hinsichtlich des 
Weiteren verweise ich auf meine friihere Darstellung (Schulter- 
muskeln, III, 1875, p. 729). 


13. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior). 


Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. supe- 
rior): FURBRINGER. 

Sous-épineux, Infraspinatus: Aix, SHuretpr (No. 22). 

Chef (faisceau) scapulo-huméral de l’obturateur 
externe thoracique: SABATIER. 

First part of the Deltoideus: p& Vis. 

Vielleicht Supracoracoideo: Orwannr!). 


1) Hine sichere Identifizierung ist wegen der sehr allgemein 
gehaltenen Beschreibung Oruanpi’s nicht méglich. 


428 Max Firbringer, 


Ansehnlicher Muskel, der zu dem folgenden Deltoides clavi- 
cularis in so innigen Relationen steht, daf’ Beide urspring- 
lich als Képfe eines einzigen Muskels (Deltoides s. lat.) 
aufzufassen sind, die sich nach und nach zu gréferer Sonderung 
und Selbstaindigkeit ausgebildet haben. Diese successive Sonde- 
rung vollzieht sich innerhalb der Abteilung der kionokranen Saurier 
in folgender Weise: 1) Den Ausgang bildet ein einheitlicher Muskel, 
der von der Scapula und Clavicula beginnt und ohne jede Sonde- 
rung im dorso-lateralen Bereiche des Proc. lateralis humeri in- 
seriert, wobei die von der Clavicula kommenden Fasern im grofen 
und ganzen proximaler inseriren als die von der Scapula ent- 
springenden (Lygosoma). 2) Die erste Sonderung vollzieht sich 
am Ursprunge, indem sich hier ein kiirzerer (Gecko) oder langerer 
(Varanus) Spalt zwischen dem dorsalen scapularen (Dorsalis 
scapulae) und dem ventralen clavicularen Teile (Deltoides clavi- 
cularis) bildet, waihrend der Muskel sonst einheitlich ist und in 
der gleichen Weise wie bei Lygosoma inseriert (Gecko, Varanus). 
3) Die Sonderung am Ursprunge geht weiter, aber auch der, 
iibrigens noch ungetrennt bleibende, Insertionsteil zeigt eine 
héhere Differenzierung, indem die Fasern des Deltoides clavi- 
cularis distalwarts weitergreifen, so da% nun ein Muskel (Muskel- 
paar) entsteht, bei dem der ventrale Deltoides clavicularis sich 
am Proc. lateralis ebenso weit distal erstreckt wie der dorsale 
Dorsalis scapulae und mit seiner muskulésen Insertion ventral und 
oberflachlich die tiefere, vorwiegend sehnige Insertion des letzteren 
deckt (Hemidactylus, Zonurus). 4) Der weitere Fortschritt dieses 
Differenzierungsganges fiihrt zu zwei unvollkommen gesonderten 
Muskeln, von denen der ventrale Deltoides clavicularis den dorsalen 
Dorsalis scapulae nicht allein bei der Insertion am Proc. lateralis 
humeri deckt, sondern selbst distalwirts etwas weiter greift als 
dieser (in sehr geringem Grade bei Ptychozoon, Zonosaurus, wenig 
bei Lacerta, etwas mehr bei Ameiva und Uromastix). 5) Endlich 
resultiert eine mehr oder minder vollkommene Trennung beider 
Muskeln vom Anfang bis zum Ende, wobei zugleich die muskulése 
oberflichliche Insertion des ventralen Deltoides clavicularis am 
Proc. lateralis erheblich weiter greift als die von ihm bedeckte 
sehnige Endigung des dorsalen Dorsalis scapulae (Phrynosoma, 
mehr noch bei Calotes, am meisten bei Uroplates) *). 


1) Bei Uroplates ist die Sonderung beider Muskeln weniger 
durchgefiihrt als bei Phrynosoma und Calotes; das distale Ueber- 
greifen des Deltoides clavicularis erreicht aber den héchsten Grad. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 429 


Diese Entwickelungsreihe ist an einer recht geringen Anzahl 
untersuchter Tiere gewonnen und bedarf der Komplettierung durch 
ein reicheres Untersuchungsmaterial, woraus voraussichtlich ver- 
schiedene Modifizierungen resultieren werden. Immerhin fallt die 
systematische Verwertbarkeit dieses Merkmals in die Augen: Scin- 
cidae und gewisse Geckonidae kennzeichnet ein primitiver Zu- 
sammenhang des Dorsalis scapulae -+ Deltoides clavicularis, auch 
die Varanidae zeigen in dieser Hinsicht urspriingliche Verhaltnisse ; 
— andere Geckonidae, Zonurus, die Gerrhosauridae, Lacertidae, 
Tejidae und gewisse Agamidae bieten die verschiedensten Grade 
der beginnenden und mehr und mehr sich ausbildenden Sonderung 
dar, und auch Heloderma (SHuFeLpT) und Iguana (Mivart) diirften 
hierher gehéren; — bei anderen Iguanidae und Agamidae ist 
dieser Sonderungsprozef vollendet, und diesen reiht sich in ge- 
wisser Beziehung (héchste einseitige Differenzierung der Inser- 
tionen) Uroplates an. Auch hier stellt sich somit Uroplates weit- 
ab von den Geckonidae. 

Der M. dorsalis scapulae bildet einen meist recht breiten 
und Jangen dreieckigen Muskel an der Oberfliche der Scapula 
s. lat., der in seinem dorsalen Bereiche von den Mm. cucullaris 
und latissimus dorsi gedeckt wird und andererseits die Mm. sca- 
pulo-humeralis anterior, subscapularis externus und den Anfang 
des M. anconaeus scapularis deckt; dorsal und kranial grenzt er 
zugleich an die Mm. cucullaris und levator scapulae, ventral an 
den M. deltoides clavicularis an. 

Er entspringt bei den verschiedenen Lacertiliern in recht 
wechselnder Ausdehnung von dem Suprascapulare, wobei die In- 
sertionen der Mm. cucullaris und levator scapulae seine vordere 
und obere Grenze bilden, von dem Acromion und meist in gerin- 
gerer (Lygosoma, Zonosaurus, Lacerta, Phrynosoma, Varanus) 
oder gréferer (Gecko, Hemidactylus, Ptychozoon, Ameiva, Uro- 
plates) Ausdehnung von dem dorsalen Ende der Clavicula; ein 
Ursprung von der knéchernen Scapula findet nur bei relativ weit 
dorsal hinaufreichender Verknécherung derselben statt (z. B. bei 
Calotes, Varanus, Uroplates). 

Mit konvergierenden, transversal bis descendent verlaufenden 
Fasern geht er in den Insertionsteil tiber, der lateral an den An- 
fangen des M. anconaeus‘') vorbeizieht und vorwiegend oder rein 


1) Mitunter kann ihn eine kleine laterale Zacke dieses Muskels 
auch aufen umgreifen (z. B. bei Gecko). 


430 Max Fiirbringer, 


sehnig an dem mittleren dorsalen Bereiche des Proc. lateralis 
humeri endet, wobei er zugleich — in den oben sub 3 bis 5 auf- 
gefiihrten Fallen — oberflichlich von dem muskulésen Insertions- 
teil des Deltoides clavicularis gedeckt sein kann. 

Gewo6hnlich bildet er eine einheitliche Muskelausbreitung, die 
hie und da eine leise Andeutung einer weiteren Sonderung darbietet 
(Lacerta ind., Uromastix), mitunter aber auch zu einer recht aus- 
gedehnten Trennung in deutlich geschiedene Teile (vorderer und 
hinterer Muskel bei Phrynosoma und Calotes) zerfallen ist. 

Atrx und SHUFELDT wiederholen die alte Deutung von PFEIFFER, 
STANNIUS und SANDERS als Infraspinatus, die sofort bei Beriick- 
sichtigung der Innervation fallt; in der Lage besteht  aller- 
dings eine gewisse Aehnlichkeit zwischen dem Dorsalis scapulae 
und Infraspinatus, die aber nur die Bedeutung einer Analogie hat. 

SABATIER (p. 195) deutet den Muskel als Chef (faisceau) 
scapulo-huméral des M. obturateur externe thoracique, bringt ihn 
somit zu dem M. supracoracoideus (Chefs coracoidien et précora- 
coidien des M. obturateur externe thoracique) in naihere Beziehung, 
negiert aber jedwede Homologien mit dem Deltoides oder Infra- 
spinatus der Siugetiere, weil diejenigen Teile der Scapula, welche 
diesen beiden mammalen Muskeln Ursprung geben, den Sauriern 
fehlten. — Ich werde durch diese Ausfiihrungen SABATIER’S, die 
einerseits zwei ginzlich verschieden innervierte Muskeln zusummen- 
bringen, andererseits der Scapula der Lacertilier Teile absprechen, 
die sie in Wirklichkeit besitzt, in keiner Weise veranlaft, meine 
Auffassung von der Zusammengehirigkeit der Mm. dorsalis sca- 
pulae und deltoides clavicularis und meine bisherige Deutung des 
Muskels aufzugeben. Die oben (p. 428) mitgeteilte Entwickelungs- 
reihe laft meines Erachtens gar keine andere Auffassung auf- 
kommen. Der Muskel hat zu den Mm. supracoracoideus, supra- 
spinatus und infraspinatus keine Bezichungen, sondern gehért zur 
Deltoides-Gruppe (Deltoides und Teres minor der Siugetiere), wo- 
bei nihere, aber nicht ganz komplette Homologien zu dem Teres 
minor anzunehmen sind. In dieser letzteren Vergleichung stimme 
ich mit SABATIER gern tiberein. 


14. Deltoides clavicularis s. inferior (Cleido-humeralis). 


Cleido-humeralis (Deltoides clavicularis s. infe- 
rior): FURBRINGER. 
Sus-épineux: ALrx. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 451 


Deltoide, Deltoideus: Sanatier, Suurentpr (No. 20). 
Second part of the Deltoideus: pr Vis. 
Cleido-omerale: OR.anpt. 


Der M. deltoides clavicularis ist in der Regel schmaler als 
der M. dorsalis scapulae, reprasentiert aber einen ganz ansehn- 
lichen Muskel im ventralen resp. ventro-lateralen Bereiche des 
Schulterapparates, der einerseits zum Teil von den Anfangen der 
Mm. pectoralis und episterno-hyoideus, von dem Insertionsteile des 
M. sterno-episterno-cleido-mastoideus, von dem ventralen Teile 
der Clavicula und der zwischen ihr und dem episternalen Quer- 
schenkel (namentlich bei kreuzférmigem Episternum) ausgebreiteten 
Membrana episterno-clavicularis gedeckt wird, andererseits teil- 
weise die Mm. scapulo-humeralis anterior, supracoracoideus und 
— bei weiter vorgeschrittener Sonderung von dem M. dorsalis 
scapulae (s. p. 428) — auch diesen an der Insertion deckt. 

Der Ursprung beginnt von dem ventralen oder ventralen und 
ventro-lateralen Bereiche der Clavicula und kann von da auch in 
geringem Grade (Lygosoma, Phrynosoma [SANDERS, ich|) oder in 
ausgedehnterem MaSe (Heloderma |[SHuFreLpT|, Calotes, Varanus 
[ALrx, ich]) auf den vorderen Teil des Episternum (Spitze oder 
bei T-formigem Episternum kleinerer oder gréferer medialer Teil 
des Querschenkels) tibergreifen'). Die Hauptursprungsstelle bildet 
immer die Clavicula, die in dem hauptsichlich in Frage kommenden 
ventralen Bereiche bald von gewéhnlicher Schmalheit (Uroplates, 
Heloderma, meiste Agamidae und Iguanidae, Varanidae), bald wenig 
verbreitert (Zonurus), bald zur ansehnlichen, breiten, in der Regel 
mit Fenster versehenen Platte (meiste Geckonidae, Scincidae, Ger- 
rhosauridae, Lacertidae, Tejidae) ausgebildet ist”). Zu dieser 
Ausbildung steht die Entwickelung des M. deltoides clavicularis 
in direkter Korrelation*). Die mediale Halfte des Muskels_ ent- 
springt von der Innenflaiche (Dorsalflache) inkl. der das claviculare 
Fenster schlieSenden Membran der betreffenden Strecke der Clavi- 


1) Auch ein minimales Uebergreifen auf das angrenzende 
Sternum wurde beobachtet (Heloderma (Suuretpt|, Phrynosoma). 

2) Genaueres siehe im osteologischen Abschnitt (p. 241 f.). 

3) Die héchste Entwickelung des namentlich von der Aufen- 
fliche kommenden Ursprunges bieten die Lacertilier mit verbreiterter 
Clavicula dar, wihrend bei den Arten mit wenig oder nicht ver- 
breiterter Clavicula der Ursprung sich meist auf die Innenflache, 
die Rander und den Vordersaum der Aufenfliche beschrinkt, jeden- 
falls aber von der Aufenfliche nur in viel geringerer Breite statt- 
finden kann. 


432 Max Fiirbringer, 


cula'); die laterale langere Halfte beginnt von der Aufenflache 
(Ventralflache) der gleichen Strecke nebst Fenster‘), schlaigt sich 
um den vorderen Rand der Clavicula herum, hier weitere Ur- 
sprungsfasern empfangend, und tritt dann, von der Clavicula_ be- 
deckt, nach hinten und lateralwarts, um sich noch im Niveau der 
Clavicula mit der medialen Halfte zu dem einheitlichen Muskel 
zu verbinden, der mit konvergierenden Fasern nach dem Proc. 
lateralis humeri geht, wo er bei Lygosoma, Gecko, Varanus proxi- 
mal von dem ihm innig verbundenen M. dorsalis scapulae, bei 
Zonurus ihn deckend und ventral von ihm, bei Zonosaurus, Lacerta, 
Ameiva, Uromastix ventral und etwas distal von dem hier mehr 
gesonderten Muskel und bei Uroplates, Phrynosoma, Calotes ven- 
tral und ausgedehnt distal von dem meist gut von ihm separierten 
M. dorsalis scapulae inseriert. 

Die Insertion des M. deltoides clavicularis ist eine rein oder 
vorwiegend muskulése. Hiaufig existieren Zusammenhainge der 
oberflachlichen Insertionsfasern mit den oberflachlichen Ursprungs- 
fasern des M. anconaeus humeralis lateralis. Nicht  selten 
schiebt sich zwischen sein Ende und die Insertion des M. 
supracoracoideus der Anfang des M. brachialis inferior ein. 

Bei Lygosoma wurde auf einer Seite ein kleiner, von dem 
Insertionsteil ausgehender Aberrationszipfel an das _ benachbarte 
Unterhautbindegewebe beobachtet. 

Die Vergleichung von ALIx mit dem Supraspinatus der Sauge- 
tiere (und dem Pectoralis II. der Végel) traigt ganz einseitig und 
auch nicht fehlerfrei der Lage des Muskels Rechnung, ignoriert 
aber vollstiéndig die Innervation. Sie ist durchaus unannehmbar. 

SABATIER, DE Vis und SHureLpT vergleichen den Muskel 
dem Deltoides der Saugetiere, was meiner Deutung (1875) ent- 
spricht. Doch ist in dem vorliegenden Muskel nur die claviculare 
Portion des menschlichen Deltoides enthalten, die Homologie so- 
mit keine ganz komplette. 


15. Scapulo-humeralis anterior (Coraco-scapulo-humeralis 
anterior) *) (scha). 


Scapulo-humeralis profundus: FUrBrRINGER. 
Chefs précoracoidien et scapulaire antérieur de 
l’obturateur interne thoracique: SABATIER. 

1) Von der Innen- und Aufenfliche der Clavicula namentlich 
bei Varanus breit auf die Innen- und Aufenfliche des episternalen 
Querschenkels iibergreifend. 

2) Das Epitheton ,profundus“ meiner friiheren Bezeichnung 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 433 


Infraspinatus: pe VIs. 
Teres minor: SuHurevpt (No. 23). 
Rotatore o piccolo rotondo: Orwanpt. 


MittelgroBer bis kleiner Muskel, der von der Aufenflache des 
ventralen Teiles der Scapula und des angrenzenden _lateralen 
Abschnittes des Coracoides, sowie von der Membran der zwischen 
beiden befindlichen Fenestra oder Semifenestra coraco-scapularis 
entspringt und, der Kapsel des Schultergelenkes dicht aufliegend 
und mit ihr verbunden, mit konvergierenden Fasern distalwirts 
zieht, um sich zwischen dem medial vorbeiziehenden M. anconaeus 
scapularis und dem lateral liegenden M. anconaeus humeralis 
lateralis an die Dorsalflache des proximalen Teiles des Humerus 
zu begeben, wo er zwischen den Anfaingen der humeralen Képfe 
des M. anconaeus und proximal von der Insertion des M. latissi- 
mus dorsi inseriert. Er wird in seinem gréferen proximalen Be- 
reiche von den Mm. dorsalis scapulae und deltoides clavicularis, 
in seinem distalen, vor der Insertion befindlichen Teile von der 
humeralen Ankerung des M. anconaeus scapularis (resp. dem Lig. 
scapulare laterale, siehe bei M. anconaeus scapularis p. 439 f.) ge- 
deckt und grenzt ventral an den M. supracoracoideus sowie dorsal 
an den Anfangsteil des M. subscapularis externus an, beide meist 
etwas deckend. 


Bei guter Entwickelung (Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, 
Tejidae, Zonuridae, Fig. 134—137) bildet er einen zweiképfigen 
und nach dem Zusammentritt der beiden Képfe gefiederten Muskel ; 
der scapulare Kopf (sha.s) ist der breitere, kiirzere und etwas 
kraftigere, der coracoidale (sha.c) der schlankere und kann sich 
am lateralen Aufensaume des Coracoides (Procoracoides) fast so weit 
nach vorn erstrecken wie der medial direkt an ihn angrenzende 
M. supracoracoideus. Nicht selten ist er hierbei mit letzterem 
Muskel mehr oder minder fest verwachsen und entspringt, seinen 
lateralen Bereich deckend, auch von dessen Fascie (am meisten 
bei Lygosoma). Kiirzer sind die Képfe bei den untersuchten 


(1875) lasse ich, weil unnétig, fallen, fiige aber das Epitheton 
,anterior“, weil zur Unterscheidung von dem Scapulo-humeralis 
posterior der Crocodile notwendig, hinzu. — Auxtx beschreibt den 
Muskel am Ende von p. 426 und fiihrt an, da’ er von den Autoren 
als Petit rond bezeichnet werde, womit er aber nichts zu thun habe; 
einen Namen giebt er ihm nicht. 


434 Max Firbringer, 


Geckonidae (Fig. 133), Iguanidae und Agamidae!); der M. sca- 
pulo-humeralis anterior représentiert damit eine mehr einheitliche, 
bei den Iguanidae und Agamidae noch ganz ansehnliche, bei den 
Geckonidae schwiichere Bildung. Noch kleiner ist er bei Uroplates 
(Fig. 140) und Varanus. Verwachsungen mit dem M. supracoraco- 
ideus finden sich auch hier in wechselnder Weise (p. 418). 

Auf Grund seines nie vermiften coracoidalen (procoracoidalen) 
Ursprunges verdient er den Namen Coraco-scapulo-hume- 
ralis anterior (Procoraco-scapulo-humeralis anterior), den ich 
oben auch in Parenthese beigefiigt habe. Insofern ist auch die 
Bezeichnung SABATIER’sS (p. 196) als Chefs précoracoidien et sca- 
pulaire antérieur des M. obturateur interne thoracique eine 
durchaus korrekte. SaBaTier schlieSt zugleich eine Verglei- 
chung mit Supraspinatus, Infraspinatus und Deltoides aus, 
homologisiert aber den scapularen Anteil des Muskels mit 
einem Teile des menschlichen Subscapularis. — Wie ich bereits 
1875 ausgefiihrt, sind von den zum Vergleiche kommenden 
Muskeln Supraspinatus und Infraspinatus ohne weiteres wegen 
ihrer Innervation durch einen prozonalen Nerven auszuschliefen, 
wahrend ein Vergleich mit Deltoides und Teres minor wegen der 
sehr abweichenden Insertion dieser Muskeln auch unannehmbar 
ist. Es bleibt somit nur die Méglichkeit, den Scapulo-humeralis 
profundus der Lacertilier entweder, wie SABATIER will, mit Teilen 
des menschlichen Subscapularis (Subscapularis minor s. acces- 
sorius?) zu vergleichen oder ihn als eine Bildung zu_ erklaren, 
die sich bei Amphibien und Sauropsiden findet, aber als normales 
Gebilde bei den Siugetieren in Schwund gekommen ist. Bei der 
Besprechung der Schultermuskeln der Mammalia wird naher auf 
diese Frage einzugehen sein. Die Bezeichnung Obturator internus 
thoracicus fiir diesen lediglich von der AufSenseite des Schulter- 
giirtels entspringenden Muskels halte ich nicht fiir ganz gliicklich ; 
auch bringt sie ihn zu dem an der Innenfliche des Schultergiirtels 
liegenden und in einiger Entfernung von ihm am Humerus in- 
serierenden Subcoracoscapularis in zu nahe Beziehung. — ALIx 
weist gleich mir die Homologisierung mit dem Teres minor ab, 
SnureLpr und, wie es scheint, auch OrLANDI treten fiir dieselbe 
ein, diirften aber damit nicht Recht behalten. 


1) Aus Suurenptr’s und pe Vis’ tibrigens guten und korrekten 
Beschreibungen der Muskeln yon Heloderma und Chlamydosaurus 
ist nicht zu ersehen, ob der Muskel hier lingere oder kiirzere 
Kopfe hat. 


(sh) 
or 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 4: 


16. Teres major. 


Teres major, Grand rond: Ftrsrincrer, SABATIER. 


Bei keinem der von mir neuerdings untersuchten Lacertilier 
finde ich eine Spur dieses Muskels') und halte seine Existenz in 
der typischen Anordnung (Insertion mit oder neben dem M. la- 
tissimus dorsi) zunichst, soweit mir Material zur Untersuchung 
zur Verfiigung stand, auf gewisse Agamidae beschrankt ’). 

SABATIER bezeichnet den Muskel eleichfalls als Teres major 
und weist wie ich und andere Autoren auf die Beziehungen zum 
Latissimus dorsi hin. 


17. Subcoracoscapularis *). 


Subcoracoscapularis: FURBRINGER. 

Sous-scapulaire, Subscapularis, Sottoscapolare: 
Auix, DE Vis, SHuretpr (No. 30), Orvanpt. 

Chefs coracoidien et scapulaire postérieur de 
l’obturateur interne thoracique: SABATIER. 


Breiter und ansehnlicher Muskel an der Innenfliche des 
Schultergiirtels, soweit dieselbe nicht von den Muskeln der Levator- 


1) Der von Aurx bei Monitor beschriebene Grand rond ist ver- 
mutlich ein Teil des M. subscapularis. — Ortanpi’s Angaben iiber 
einen Grande rotondo genannten Muskel bei Macroscincus, der vom 
Schultergelenk nach dem distalen Ende des Humerus und dem 
proximalen der Ulna sich erstrecken soll, sind mir unverstindlich ; 
diese Beschreibung palit eher auf den M. anconaeus scapularis, aber 
auch nur zum Teil, da dieser Muskel nicht am Humerus _inseriert. 

2) Sicher, individuell oder generell, bei Uromastix (Schulter- 
muskeln von 1875, p. 737 vielleicht auch bei Stellio (RipinGER). 
Meine alteren Angaben iiber sein Vorkommen bei gewissen Scincidae 
(1870, 1875), wonach er aber nicht mit dem M. latissimus dorsi, 
sondern fiir sich in der Nahe des Proc. medialis humeri inserierte, 
konnte ich leider nicht durch Nachuntersuchung kontrollieren, um 
die Frage zu entscheiden, ob hier eine dem M. teres major oder 
einem Scapulo-humeralis posterior (Rhynchocephalier, Crocodile, 
Vogel) oder dem Subscapularis externus vergleichbare Bildung vor- 
hegt. Weitere auf diesen Punkt gerichtete Untersuchungen halte 
ich fiir sehr erwiinscht. 

3) Bei diesem Muskel beschreibt pe Vis bei Chlamydosaurus 
noch einen ,M. coraco-humeralis“, den er mit dem External sterno- 
coracoid Mivarv’s identifiziert und der gerade wie der Subcoraco- 
scapularis (Subscapularis pe Vis) von der ganzen Innenflaiche des 
Coracoides und Epicoracoides kommen solle. Vermutlich liegt hier ein 
Irrtum resp. eine Vermengung des M. sterno-coracoideus internus 
superficialis mit Teilen des M. subcoracoideus vor. 


436 Max Firbringer, 


Serratus-Gruppe, den Mm. sterno-coracoidei interni und dem 
M. coraco-brachialis longus eingenommen ist; zum Teil kann sie 
auch tiber den Hinterrand der Scapula auf den hinteren Bereich 
von deren Aufenfliche tibergreifen. Alle diese ausgebreiteten 
Ursprungsteile sammeln sich facherférmig in einer einheitlichen, 
den Proc. medialis umgreifenden Insertion. Man kann an dem 
M. subcoracoscapularis eine Pars coracoidea (M. subcoracoideus 
s. lat.) und eine Pars scapularis (M. subscapularis) unter- 
scheiden '), welche zumeist durch die scapulare Insertion des 
Lig. sterno-scapulare internum getrennt sind, aber auch da, 
wo diese Insertion direkt vor dem proximalen Rande des M. sub- 
coracoscapularis stattfindet (Uroplates), gesondert erscheinen; die 
Pars coracoidea greift auch in der Regel auf den vorderen unteren 
Bereich der Scapula tiber, ist also, streng genommen, eine Pars 
coracoscapularis. 

Pars coracoidea s. coracoscapularis (M. subcora- 
coideus s. lat.) (sbe). Meistens der breitere und ansehnlichere 
Teil des Muskels, der von der Innenfliche des gré8ten Teiles des 
Coracoides nebst Fenstern (mit Ausnahme des medialen Drittels | Epi- 
coracoid], an dem die Mm. sterno-coracoidei interni inserieren und 
von dem der M. coraco-brachialis longus entspringt), der die 
Fenestra s. Semifenestra coraco-scapularis fiillenden Membran und 
des ventro-proximalen Bereiches der knéchernen Scapula s. str. 
entspringt, mit konvergierenden Fasern nach der Gegend des 
Schultergelenkes verliuft und tiber dessen Innenfliche hinweg, 
hierbei zugleich innig mit seiner Kapsel verbunden, nach dem 
Proc. medialis humeri geht, wo er gemeinsam mit der Pars sca- 
pularis kraftig sehnig-muskulés inseriert. Bei den Lacertidae und 
bei Zonurus ist die P. coracoscapularis erheblich gréfer als die 
P. scapularis, bei der tiberwiegenden Mehrzahl der Lacertilier nur 
wenig grofer oder annihernd gleich, bei Uroplates von gleicher 
Starke, aber etwas schmiiler, bei Phrynosoma und Varanus kitrzer 
und etwas schwacher. Der vom Coracoid (inkl. Procoracoid) 
kommende Teil kann als Subcoracoideus s. str., der von 
dem ventro-proximalen Bereiche der Scapula entspringende als 
Subscapularis anterior unterschieden werden; diese Unter- 


1) Beide Teile werden von Atrx bei Monitor, pre Vis_ bei 
Chlamydosaurus, und Snurevpr bei Heloderma ganz richtig be- 
schrieben; SHurenpr thut auch des Lig. sterno-scapulare internum, 
das er als Endsehne des M. sternocosto-scapularis auffaSt, dabei 
Erwahnung. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 437 


scheidung ist aber im wesentlichen nur eine regionale, denn in 
der Regel bildet der ganze Subcoracoideus s. lat. eine einheitliche 
Masse. 

Pars scapularis (M. subscapularis) (sbsc). Der 
schmalere und meistens etwas gegen die Pars coracoidea zuriick- 
tretende Teil des Muskels. Er entspringt in sehr wechselnder 
Ausdehnung von der Innenflache des dorsal resp. dorso-distal von 
dem Lig. sterno-scapulare internum befindlichen Teiles der kné- 
chernen Scapula und des ventralen Teiles des Suprascapulare, 
soweit an denselben nicht die Mm. levator scapulae superficialis, 
seratus superficialis und namentlich levator scapulae et serratus 
profundus Anheftung nehmen, ferner von dem Hinterrande der 
Scapula s. str. und des ventralen Bereiches des Suprascapulare 
und, bald mehr, bald weniger, von dem angrenzenden hinteren 
Bereiche der Aufenfliche; hierbei kann er auch geringgradige 
und unbestindige Urspriinge von dem scapularen Ende des Lig. 
sterno-scapulare internum, von der Ursprungssehne des M. anco- 
naeus scapularis, sowie dem distalen Teile des Lig. scapulo-hume- 
rale laterale nehmen. Die von der Innenfliche und die von 
der Aufenfliche kommenden Teile kénnen am Ursprunge eine 
gewisse Selbstandigkeit gewinnen, wobei haufig die Insertion des 
M. serratus superficialis sich etwas zwischen sie einschiebt; dann 
kann man von einem Subscapularis posterior internus 
und einem Subscapularis externus sprechen, von denen der 
erstere den ansehnlicheren und konstanteren Teil bildet, der letztere 
zwischen den Grenzen einer ziemlich weit tiber den hinteren Be- 
reich der scapularen Aufenflaiche ausgedehnten Entfaltung (Gecko- 
nidae, Scincidae) und einer sehr geringen, in der Hauptsache 
auf den hinteren Rand der Scapula beschrinkten und kaum yon 
dem Subscapularis internus gesonderten Ausbildung (Varanus) 
alle méglichen Entwickelungszustande aufweist. 

Beide Teile konvergieren nach der Insertion zu einem ganz 
einheitlichen Subscapularis, der, vollkommen mit dem Subcoraco- 
ideus verbunden, am Proc. medialis humeri sich anheftet. Die 
einfachere Ausbildung ist nicht als der rein erhaltene urspriing- 
liche Zustand des Muskels zu beurteilen, sondern beruht zu einem 
guten Teile auf partiellen Reduktionen der Muskelmasse. 

Nach SABATIER (p. 196—198) reprisentieren der coracoidale 
und scapulare Anteil die Chefs coracoidien et scapulaire postérieur 
des M. obturateur interne thoracique; ersterer sei beim Menschen 
riickgebildet, letzterer entspreche der axillaren (von dem hinteren 


438 Max Firbringer, 


resp. unteren Teile der Scapula kommenden) Portion der mensch- 
lichen Subscapularis. — In der allgemeinen Vergleichung mit dem 
menschlichen Subscapularis folgen SaABATIER und SHureLpt der 
iiblichen, auch von mir geteilten Annahme. Die Beschrankung 
der direkter vergleichbaren Elemente des Subscapularis der Lacer- 
tilier auf den hinteren (axillaren) Teil des menschlichen Subscapu- 
laris scheint mir dagegen auf eine allzu grofe Specialisierung und 
kiinstliche Sonderung des Muskels der Mammalia hinauszukommen. 


18. Anconaeus. 


a) Caput scapulare: 

Caput scapulare m. anconaei s. M. anconaeus scapu- 
laris lateralis: Firerincer (18a). 

Longue portion du triceps brachial: Aux. 

Chef scapulaire du long triceps brachial: Sasatinmr. 

External long head of the Triceps: bE Vis. 

Third head of the Triceps (Strong, cord-like tendon of 
the Triceps from the Scapula): SuHuretpr (No. 35). 


b) Caput coracoideum: 

Caput coracoideum m. anconaei s. M. anconaeus 
coracoideus: Firsrincer (18b). 

Expression tendineuse ete. de la longue portion 
du triceps brachial: Atrix. 

Chef coracoidien du long triceps brachial: Saparimr. 

Internal long head of the Triceps: ps Vis. 

Fourth head of the Triceps (Long flat tendon of the 
Triceps from the Coracoid): Suurenpt (No. 35). 


c) Caput humerale laterale: 


Caput humerale laterale m. anconaei s. M. anco- 
naeus humeralis lateralis: Firsrincer (18c). 

Faisceau huméro-cubital externe (Vaste externe): 
ALrx, 

Vaste externe: SABATIER. 

External humeral head of the Triceps: pr Vis. 

First head of the Triceps: Suurexnpr (No. 35). 


d) Caput humerale mediale: 

Caput humerale mediale m. anconaei s. M. anco- 
naeus humeralis medialis: Firsrrmcer (184d). 

Faisceau huméro-cubital interne (Vaste interne): 
AULIx, 

Vaste interne: SaBATIER. 

[Internal humeral head of the Triceps: pr Vis. 

Second (another) head of the Triceps: Suurenpr (No. 35). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 439 


An der Streckseite des Oberarms befindliche kriftige oder 
sehr kraftige und ansehnliche Muskelmasse, die mit zwei langeren 
Képfen, Caput scapulare und C. coracoideum, von dem dorsalen 
und ventralen Bereiche des Schultergiirtels, mit zwei kiirzeren 
K6épfen, Caput humerale laterale und C. humerale mediale, von 
der Dorsalfliche des Humerus entspringt und nach der Vereinigung 
derselben einen meistens sehr voluminédsen Muskelbauch bildet, 
der kraftig an dem proximalen Bereiche der Ulna inseriert. 

a) Caput scapulare s. M. anconaeus scapularis 
(lateralis) (asc). Der dorsale, laterale und weitaus ansehn- 
lichere der beiden langen Képfe. Es entspringt, bedeckt von dem 
M. dorsalis scapulae und zwischen den Mm. scapulo-humeralis 
anterior und subscapularis externus, mit einer in der Regel kraf- 
tigen Sehne von dem hinteren Rande und dem angrenzenden hin- 
teren Bereiche der AuSenflache ') des direkt tiber der Gelenkhéhle 
gelegenen (supraglenoidalen) Teiles der Scapula und geht in einen 
meist recht kraftigen Muskel tiber, der, den M. latissimus dorsi 
lateral deckend, an der Dorsolateralseite des Oberarms distalwarts 
zieht und sich, meist vor der Mitte desselben, mit dem Caput 
coracoideum und bald darauf mit den humeralen K6épfen vereinigt. 
Bevor er den M. latissimus dorsi passiert, tritt er zu den hier 
befindlichen Nn. brachiales superiores in bemerkenswerte Bezie- 
hungen: dorsal von ihm verlaufen die Nn. dorsalis scapulae und 
cutaneus brachii superior lateralis (supraanconaeus), ventral die 
Nn. scapulo-humeralis anterior und cutaneus brachii et antibrachii 
superior lateralis (infraanconaeus). 

Die Ursprungssehne (Hauptsehne) (ascr) des Anconaeus 
scapularis zeigt bei allen von mir neuerdings untersuchten Lacer- 
tiliern eine humerale Ankerung (asen), welche als ein sehr 
verschiedenartig entwickeltes Gebilde den ventralen Rand der 
Sehne mit dem gleich an den Gelenkkopf anschliefenden Anfang 
des Proc. lateralis humeri verbindet und hierbei den M. scapulo- 
humeralis anterior tiberbriickt. Am haufigsten beginnt diese Anke- 
rung mit dem Ursprunge der Hauptsehne: ihre am 
meisten proximalen Ziige verlaufen dann von dem hinteren Teile 
der scapularen Aufenfliche nach dem ersten Anfange des Proc. 


1) Meist greift der Ursprung nicht iiber das hintere 1/, der 
scapularen Aufenfliche vor; durch den am weitesten vorn beginnen- 
den Ursprung sind die untersuchten Iguanidae und Agamidae ge- 
kennzeichnet. 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 99 


~_ 


440 Max Firbringer, 


lateralis humeri und bilden damit eine nicht direkt von dem Zuge 
des M. anconaeus scapularis abhangige Sehnenbriicke, welche Lig. 
scapulo-humerale laterale (L.schit) heiben mége'). Ur- 
spriinglich als sehr diinnes bis diinnes, gegeniiber der Hauptsehne 
und der Ankerung recht zuriicktretendes Gebilde auftretend (Gecko, 
Fig. 135), dann kraftiger werdend und der hier nicht unbedeuten- 
den Ankerung an Starke gleichkommend (Lygosoma und Zono- 
saurus, Fig. 134, 155), gewinnt sie weiterhin eine hodhere Ent- 
faltung als die Ankerung (Varanus, Fig. 138, Zonurus, Fig. 136, 
Lacerta, Fig. 187) und bildet sich zu einem kraftigen, den An- 
fang der Hauptsehne deckenden Bande aus, das schlieBlich sich 
erdktenteils von der Hauptsehne ablést und eine dieser gegentiber 
mehr oder minder selbstandige, zwischen Scapula und Proc. late- 
ralis humeri ausgespannte Sehnenbriicke tiber dem M. scapulo- 
humeralis anterior reprisentiert (Lacerta). Die humerale An- 
kerung kann aber auch erst im weiteren Verlaufe der 
Hauptsehne von deren ventralem Rande ausgehen: dann bildet 
sie einen rechtwinkelig von dieser sich abzweigenden, meist schmalen, 
aber nicht unkraftigen Sehnenzug, der in der gewohnten Weise 
den M. scapulo-humeralis tiberbriickt; ein Lig. scapulo-humerale 
laterale fehlt aber. Dies ist der Fall bei Uroplates, Fig. 140, und 
Phrynosoma, ,Fig. 139; bei letzterem dient die humerale Anke- 
rung zugleich dem ventralen Teile des Muskelbauches des Anco- 
naeus scapularis als Ursprungsstelle. 

Kine andere, schwacher und viel unbestandiger entwickelte 
Ankerung findet sich etwas distaler und verbindet die dorso- 
mediale Flaiche des Anconaeus scapularis mit dem Insertionsteile 
des M. latissimus dorsi (am besten bei Geckonidae, Fig. 133 asein, 
ausgepragt). 

Mitunter, bei gewissen Iguanidae und Agamidae, kann der 
Ursprung des Anconaeus scapularis in zwei Zipfel gespalten sein ; 
besonders hochgradig ist dieser Zerfall bei Calotes, wo zwei vollig 


1) Ankerung und Sehnenbriicke wurden auch in der Be- 
schreibung von 1875 (p. 742) als sehr hiufige Bildungen angefiihrt, 
aber nicht weiter im Detail behandelt. Da die meisten Autoren 
ihrer nicht Erwahnung thaten, konnte ich fir ihre durchgehende 
Existenz bei den Lacertiliern nicht eintreten: ich vermute aber, 
daf die genauere Untersuchung dieselbe erweisen wird. — SHUFELDT 
thut ihrer bei Heloderma ganz richtig Erwihnung, doch nicht so 
eingehend, dai ich diesen Lacertilier den im obigen Texte be- 
schriebenen Formen einreihen kann. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 441 


getrennte Kopfe bestehen, ein kriftigerer dorsaler und oberflaich- 
licher, dessen durch eine dorsale scapulare Ankerung verstarkter 
Ursprung recht breit an der Scapula hinaufreicht, und ein 
schwicherer ventraler und tiefer, der, von dem dorsalen Saume des 
M. scapulo-humeralis anterior bedeckt, gleich neben der Gelenk- 
héhle von dem Rande der Scapula entspringt und weiterhin die 
diinne und ziemlich breite humerale Ankerung abgiebt, die iibrigens 
in der gewodhnlichen Weise den distalen Teil des M. scapulo- 
humeralis anterior iiberbriickt !). 


b) Caput coracoideum s. Anconaeus coracoideus 
(ac). Der coracoidale Kopf wird durch eine schlanke Sehne 
reprisentiert, welche von der hinteren Ecke des Coracoides oder 
von dieser und dem Lig. sterno-scapulare internum entspringt ”) 
und an der Medialflache des Oberarmes zwischen den Nervi 
brachiales longi superior und inferior und an der Innenseite 
(Medialseite) des M. latissimus dorsi distalwarts verlauft, um ent- 
weder in einen kurzen und schmalen Muskelbauch tiberzugehen 
(Geckonidae, Phrynosoma, Varanus), der sich darauf mit der 
Medialseite des Caput scapulare verbindet, oder direkt als Sehne 
diese Verbindung mit dem Caput scapulare zu vollziehen. 


Dem Verhalten des Caput coracoideum, namentlich seinem 
Ursprunge, kommt eine gewisse Bedeutung als partieller Grad- 
messer der tieferen oder héheren systematischen Stellung der be- 
trettenden Lacertilier zu: 1) Bei den Geckonidae entspringt die 
ziemlich kraftige (Gecko) oder mifig schwache (Hemidactylus) 
oder sehr® diinne Sehne (Tarentola) wie bei den Urodelen ledig- 
lich vom Rande und dem Innensaume der hinteren Ecke des 
Coracoides und geht nach langem Verlaufe erst in der distalen 
Halfte des Oberarmes in den kleinen, schmalen Muskelbauch iiber, 


1) Da der M. seapulo-humeralis anterior zuerst die Hauptsehne 
deckt, dann aber von der humeralen Ankerung gedeckt wird, ver- 
lauft diese, aus der Tiefe kommend und oberflichlich endend, in 
medio-lateraler Richtung. 

2) pe Vis laft den Internal long head bei Chlamydosaurus auf 
der einen Seite ventral vom External long head von der Scapula, 
auf der anderen von dem Kapselbande des Schultergelenkes kommen 
und sich durch eine schlanke, von dem Sehnenbogen unter dem 
Subscapularis (Lig. sterno-scapulare internum mihi) ausgehende 
Sehne verstirken. Dieser Befund ist sehr eigentiimlich und laft 
weitere Untersuchungen wiinschenswert erscheinen. 

29* 


442 Max Firbringer, 


der sich bald darauf mit dem Caput scapulare verbindet '). 2) Bei 
Lygosoma, Zonosaurus, Lacerta (Fig. 145) und Zonurus (Fig. 144) 
entspringt die bei den beiden ersten Lacertiliern schwachere, bei 
den beiden letzten kraftigere Sehne hauptsachlich von der hinteren 
Ecke des Coracoides (er;), neben der coracoidalen Ankerung des 
Lig. sterno-scapulare internum (e711) und mit ihr verbunden, steht 
aber auch durch eine breitere, jedoch sehr diinne, an diese Anke- 
rung anschliefende Sehnenausbreitung mit dem Lig. sterno-scapu- 
lare internum (L.stscz) in Verband; ohne in einen Muskelbauch 
iiberzugehen, verbindet sie sich direkt, und zwar vor der Mitte 
des Oberarmes, meist gleich distal von dem hinteren Rande des 
M. latissimus dorsi, mit dem Caput scapulare. 3) Bei den unter- 
suchten Iguanidae, Agamidae und Varanidae hat sich der Verband 
mit dem Lig. sterno-scapulare internum (Z.séscz) zu einem kraftigen 
Sehnenzuge entwickelt, so daf man hier von zwei gleichwertigen 
schlanken und festen Ursprungszipfeln des Caput coracoideum 
sprechen kann, von denen der eine von der Ecke des Coracoides 
(cr;), der andere von dem Ligamentum ausgeht; beide Zipfel 
hangen zugleich mit der coracoidalen Ankerung zusammen, die 
zum Teil als diinne aponeurotische Membran zwischen ihnen aus- 
gespannt ist, und bei Phrynosoma (Fig. 146) la8t sich der vom 
Lig. sterno-scapulare kommende Zipfel zugleich als leidlich selb- 
standiger schmaler Zug bis zur Scapula verfolgen. Bei Varanus 
(Fig. 145) und Phrynosoma (Fig. 146) gehen die Sehnen (ac) vor 
der Verbindung mit dem Caput scapulare in ziemlich kleine 
Muskelbauche (acm) ”) tiber, die zugleich von dem insertiven Teile 
des M. latissimus dorsi abgehende accessorische Ursprungszipfel 
(acy) bekommen; auch bei Heloderma ist dies nach SHUFELDT 
der Fall. — Uroplates wies einen negativen Befund auf: das 
Caput coracoideum ist bei ihm, allein unter allen untersuchten 
kionokranen Lacertiliern, wie bei den Chamaeleontiden géanzlich 
riickgebildet. 

c) Caput humerale laterale s.M.anconaeus hume- 
ralis lateralis (ahl). Er bildet den kraftigeren von den hume- 


1) Snuretpr erwahnt bei Heloderma keinen Verband des 
Anconaeus coracoideus mit dem Lig. sterno-scapulare internum. Ich 
vermute, nach dem sonstigen Verhalten von Heloderma, daf der- 
selbe hier existiert, daf somit Heloderma unter 2 (oder 3) ein- 
zureihen ist. 

2) Die Muskelbauche sind hier gréfer als bei den Geckonidae; 
ihre primitive Natur kann angezweifelt werden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 443 


ralen Képfen und nimmt Ursprung von der dorso-lateralen Cirkum- 
ferenz des Mittelstiickes des Humerus, wobei er am Anfange mit 
den Mm. dorsalis scapulae, deltoides clavicularis und brachialis 
inferior mannigfache Verbinde eingehen, auch mit einem kleineren 
lateralen Zipfel iiber das Ende der Insertion des M. dorsalis 
scapulae iibergreifen kann (so namentlich bei Gecko). Dem distalen 
Bereiche seiner Fliche ist mitunter (specieller beobachtet bei 
Lygosoma und Lacerta, wahrscheinlich aber weiter verbreitet) ein 
schlanker Sehnenstreifen eingewebt, der an den proximalen Teil 
der Fascie der Streckseite des Vorderarmes sich ansetzt. 

d) Caput humerale mediale s. M. anconaeus hume- 
ralis medialis. Der kleinere humerale Kopf, der von der 
dorso-medialen Cirkumferenz des humeralen Schaftes entspringt. 
Im proximalen Drittel des Oberarmes durch die Insertionen des 
M. scapulo-humeralis anterior und latissimus dorsi von dem Caput 
humerale laterale getrennt, tritt er bald darauf mit ihm zu einem 
mehr oder minder einheitlichen Muskel zusammen, mit dem sich 
bald danach die vereinigten langen K6épfe verbinden. 

Die Verbindung aller 4 K6épfe ist meist um die Mitte des 
Oberarmes, seltener weiter distal von ihr vollzogen. Der daraus 
resultierende kriftige Muskelbauch') zieht tiber die Dorsalflache 
des Oberarmes und der Kapsel des Ellenbogengelenkes, mit ihr 
fest verbunden und zu einem kleinen Teile an ihr endend (M. sub- 
anconaeus), hier zugleich eine verschieden entwickelte Patella 
ulnaris (Pa.u)”) einschlieBend, nach der Ulna, an deren proxi- 
malem Ende (Olecranon) er mit kraftiger Sehne endet. 


1) Derselbe ist bei der Mehrzahl der untersuchten Kionokranier 
sehr ansehnlich; bei Uroplates und Calotes wurde er relativ am 
schwiichsten gefunden. 

2) Ich habe die Patella ulnaris bei keinem von mir unter- 
suchten Lacertilier vermift; sie besteht bald aus Knochen und 
Knorpel, bald nur aus Knorpel. Eine knorpelige und knécherne 
Patella findet sich bei den untersuchten Geckonidae, bei Uroplates, 
Lacerta, Phrynosoma und Calotes; sie bildet hier eine rundliche 
oder lingliche, distalwirts meist etwas schmialer, aber dicker 
werdende Platte, deren proximaler Teil von Knorpelgewebe, deren 
distaler Abschnitt von Knochengewebe gebildet ist; hierbei tritt der 
knécherne Anteil gegen den knorpeligen meist mehr oder minder 
erheblich zuriick (am schwichsten und noch ganz von Knorpel um- 
schlossen ist er bei Lacerta, etwas ansehnlicher bei Ptychozoon, 
Uroplates und Phrynosoma) oder er kommt dem knorpeligen in der 
Flachenausbreitung gleich (Gecko, Calotes) oder er iibertrifft ibn 


444 Max Firbringer, 


B. Amphisbaenia. 


Ueber die Muskeln der Amphisbaenidae ist seit meiner 1870 
veroffentlichten Arbeit tiber die Knochen und Muskeln bei den 
schlangenaihnlichen Sauriern, die auch tiber Amphisbaena fuliginosa 
und Lepidosternon microcephalum Mitteilungen machte, 1885 eine 
verdienstvolle Untersuchung von SMALIAN erschienen, welche die 
Muskulatur von Trogonophis wiegmanni, Blanus cinereus, Amphis- 
baena fuliginosa und Anops kingii behandelt und im Anschlu8 an 
meine Erstlingsarbeit, die sie in mancher Hinsicht tiberholt, auch 
tiber die Schultermuskel-Rudimente bei Blanus und Amphisbaena 
berichtet. 

Ich habe seitdem meine friiheren Beobachtungen an Trogon- 
ophis, Blanus, Amphisbaena und Lepidosternon fortgesetzt, ziehe 
aber vor, mit der Veréffentlichung derselben zu warten, bis es mir 
gelungen ist, fiir die betreffenden Untersuchungen noch Chirotes 
zu erhalten. Erst damit und mit der eventuellen vergleichenden 
Herbeiziehung von gewissen Tejidae diirfte die Untersuchung eine 
eréBere und auch speciellere systematische Bedeutung gewinnen ; 
bis dahin hat sie nur den beschrainkten Wert, die Rudimente bei 
den extremitétenlosen Amphisbaenidae durch den Vergleich mit 
ferner stehenden Kionokraniern in ganz allgemeiner Weise zu 
analysieren. 


selbst nicht unerhebllch (Hemidactylus). Eine nur knorpelige 
(resp. faserknorpelige) Patella wurde bei Lygosoma, Zonosaurus, 
Zonurus, Ameiva und Varanus gefunden; bei Lygosoma, Zonosaurus 
und Varanus bildet sie eine rundliche, bei Zonurus eine abgerundet 
viereckige, bei Ameiva eine abgerundet fiinfeckige Platte, die bei 
Varanus ziemlich schwach, bei Ameiva degeneriert und von mikro- 
skopischer Diinnheit ist. Ptychozoon, Uroplates und Phrynosoma 
kennzeichnet eine relativ grofe Patella, bei den anderen Kiono- 
kraniern ist sie von mittlerer oder geringerer, bei Ameiva von 
minimaler Grife. pm Vis erwahnt bei Chlamydosaurus eine 
knécherne Patella, SHurrnpr vermift sie bei Heloderma. — Die 
genauere Kenntnis der Patella kann nur durch Beobachtung der 
inneren, der Gelenkhéhle zugekehrten Flache und durch die Patella 
gelegter Schnitte gewonnen werden; die Aufenfliche gewihrt em 
ganz unvollkommenes Bild und laft den gréBeren Teil der knorpe- 
ligen Abschnitte iibersehen (vergl. die inneren auf Fig. 147—158 
dargestellten Ansichten; die Knorpelteile sind etwas dunkler. wieder- 
gegeben als die Knochenteile). Von gréiferer systematischer Be- 
deutung scheint ihr Vorkommen und ihre Bildung nicht zu sein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 445 


C. Chamaeleontia (Rhiptoglossa). 
(Vergl. Taf. XV, Fig. 132, 141, 142, 159, 160.) 


Neuere Untersuchungen oder Darstellungen der Schulter- 
muskeln der Chamaeleontidae seit 1875 sind mir nicht bekannt 
geworden. SABATIER giebt in seinem Werke 1880 zum Teil neue 
Deutungen derselben, wie es scheint, nicht auf Grund eigener Be- 
obachtungen. Ich wurde durch die bei Uroplates gemachten Be- 
funde angeregt, Chamaeleo vulgaris nochmals, sowie Brookesia 
supericiliaris neu zu untersuchen. Aus Sapatier’s Deutungen 
hebe ich nur diejenigen hervor, welche von den von mir aufge- 
stellten Homologisierungen abweichen. 


1. Sterno-mastoideus (Capiti-sternalis) und Cucullaris (Dorso- 
scapularis). 


Capiti-sternalis (Stero-mastoideus) und VDorso- 
scapularis (Cucullaris): Firprincer (No. 1 und 2). 


Bei den Chamaeleontiden ist der bei gewissen Vertretern der 
kionokranen Lacertilier beobachtete Zerfall des urspriinglich ein- 
heitlichen Muskels in zwei ganz getrennte und voneinander ent- 
fernte Partien (vornehmlich bei Uroplates und gewissen Iguanidae 
und Agamidae, s. p. 401) in extremer Weise, graduell mit Phryno- 
soma rangierend, entwickelt. 

Der Sterno-mastoideus verliuft als schmales und mabig 
schwaches (Chamaeleo) oder sehr schmales und zartes (Brookesia) 
Muskelband vom Kopfe nach dem vorderen Teile des Sternum, 
wobei er sich wie die Mehrzahl der Kionokranier zwischen den 
M. deltoides inferior (clavicularis) und den ersten Anfang des M. 
pectoralis einschiebt. Zwischen ihm und dem _ entsprechenden 
Muskel von Uroplates bestehen qualitative Uebereinstimmungen. 

Der Cucullaris repriisentiert einen schmalen und diinnen 
Muskel, der bei Chamaeleo, wie es scheint in wechselnder Weise, 
von den Proc. spinosi 2 oder 3 vorderer Dorsalwirbel entspringt 
(verg]l. Schultermuskeln, 1875, p. 751, Anm. 3; ich beobachtete 
neuerlich einen Ursprung vom 2. und 3. oder 3. und 4. Dorsal- 
wirbel) und in transversal-ascendenter Richtung zur Aufenfliche 
des Suprascapulare gleich hinter der Insertion des M. levator 
scapulae superficialis geht. Bei Brookesia ist der Muskel noch 


446 Max Firbringer, 


schmiler und dinner und entspringt nur vom 2. Dorsalwirbel. 
Er entspricht im wesentlichen einem sehr reduzierten M. cucullaris | 
posterior von Uroplates. 


2. Levator scapulae superficialis (Collo-scapularis superficialis). 


Collo (Capiti)-scapularis superficialis (Levator 
scapulae superficialis: Firprincrer (No. 3). 


Ansehnlicher, vom 1. Halswirbel kommender Muskel‘), der bei 
Chamaeleo entweder eine ganz einheitliche Masse bildet oder nur 
unvollkommen gesondert ist, bei Brookesia dagegen einen deut- 
licheren Zerfall in eine dorsale und ventrale Partie (Levator 
scapulae superficialis superior und inferior), beide von anniihernd 
eleicher Gréfe, zeigt. Der dorsale Muskel geht an den vorderen 
Teil der Aufenfliche des Suprascapulare, der ventrale an den 
Vorderrand des dorsalen Bereiches der knéchernen Scapula. 


3. Serratus superficialis (Thoraci-scapularis superficialis). 


Thoraci-scapularis superficialis (Serratus super- 
ficialis): Firprincer (No. 4). 


Ansehnlicher, von den beiden letzten Halsrippen und der 
1. Brustrippe (4, 5, 1) entspringender Muskel, der an den ganzen 
Hinterrand des kurzen Suprascapulare und an die dorsalen ?/,; 
bis 7/, des Hinterrandes der ziemlich langen knéchernen Scapula 
s. str. geht. In dieser ausgedehnten Insertion an der Scapula s. str., 
die mit der weiter fortgeschrittenen Verknécherung der Scapula 
s. lat. (wodurch der speciell scapulare Anteil derselben sich ver- 
orikert, der suprascapulare sich vermindert) zusammenhinet, 
offenbart sich eine weitere Entwickelung des beziiglichen Ver- 
haltens bei Uroplates (p. 404). Auch in der wenig deutlichen 
Scheidung von dem M. serratus profundus zeigen sich verwandt- 
schaftliche Beziehungen zu diesem Kionokranier. 


4. Levator scapulae et Serratus profundus (Collo-thoraci-scapularis 
profundus). 
Collo-thoraci-suprascapularis profundus (Serra- 


tus profundus): Firerincer (No. 5). 
] | 


1) Der von Mivarr angebene occipitale Ursprung fand sich bei 
keinem der mir vorliegenden Exemplare. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 447 


Relativ schwach entwickelter Muskel, den ich nur bei Cha- 
maeleo genauer untersuchte. Er bietet die beiden Schichten der 
Kionokranier gleichfalls dar und nahert sich in seinem specifischen 
Verhalten etwas dem Muskel von Uroplates, der aber bei diesem 
viel ansehnlicher entwickelt ist. 

a) Oberflaichliche Schicht. Kommt mit zwei zusammen- 
hangenden Zacken von den beiden letzten Halsrippen (4 und 5) 
und geht in descendenter Richtung an die hintere Hilfte der 
Innenfliche des Suprascapulare, wobei (wie bei Uroplates) recht 
nahe Beziehungen zu dem M. serratus superficialis existieren 
(Uebergangsbiindel). Das bei Uroplates entwickelte vordere (an 
dem vorderen Teile der suprascapularen Innenfliche endende) 
Biindel ist bei Chamaeleo minimal oder fehlt ganz. 

b) Tiefe Schicht. Breite, aber recht schwache Lage, die 
hauptsichlich von der yorletzten, mit einem geringen Anteile auch 
von der drittletzten Halsrippe (5 und 4) entspringt und in trans- 
versalem Laufe an den dorsalen Teil des Suprascapulare geht. 


5. Sterno-coracoideus internus profundus. 
Sterno-coracoideus internus: Firprincer (No. 6). 


Der Sterno-coracoideus internus der Chamaeleontiden liegt 
medial und innerhalb des M. transversus abdominis, ist somit ein 
profundus. 

Er reprasentiert einen maig entwickelten Muskel, der von 
der Innenflaiche des Sternum und, minimal, von den angrenzenden 
Enden der beiden ersten Sternocostalien entspringt und nach 
longitudinalem Verlaufe sehnig-muskuliés mit Ueberwiegen des 
sehnigen Charakters an der Innenfliche der vorderen medialen 
Ecke des Coracoides inseriert. ; 

Ein M. sterno-coracoideus internus superficialis wurde 
vermilst. 

Durch diese Existenz des M. stc. int. profundus und den Mangel 
des M. stc. int. superficialis treten die Chamaeleontiden in Gegen- 
satz zu Uroplates, bei dem das Umgekehrte der Fall ist. Solche 
auf der blofSen Existenz oder Nichtexistenz (Verkiimmerung) von 
Muskeln beruhende, rein quantitative Ditferenzen sind aber in 
systematischer Beziehung nicht zu itiberschitzen, da sie an sich 
keine Verschiedenheit des Quale, welches das Ausschlaggebende 
ist, bedeuten. 


448 Max Firbringer, 


6. Lig. sterno-scapulare internum. 


Der M. sternocosto-scapularis fehlt den Chamaeleontiden ihn- 
lich wie den Geckonidae und Uroplates ganzlich. Das Lig. sterno- 
scapulare internum dagegen ist vorhanden als ein mifig entwickelter 
Sehnenzug, der breit und diinn von dem Sternum (Lab. internum 
sulci coracoidei) entspringt und, schmiiler, aber etwas kraftiger 
geworden, sich an der Scapula (an der Grenze gegen das Coracoid) 
anheftet. Bei Brookesia ist das Band etwas schwicher als bei 
Chamaeleo. 

Im Vergleich mit den kionokranen Lacertiliern stellen sich 
die Chamaeleontiden hinsichtlich der quantitativen Ausbildung 
des Bandes zwischen die Geckonidae und Uroplates einerseits und 
Lacerta andererseits; bei ersteren ist dasselbe schwacher, bei 
letzterem kraftiger. 


7. Pectoralis. 


Pectoralis: FURBRINGER. 


MittelgroBer, zufolge der komprimierten Form des Rumpfes 
an der ventralen Seitenflaiche der Brust und des Bauches gelegener 
Muskel, der in Ermangelung eines Episternum nur von dem 
Sternum und einigen Sternocostalien entspringt und den urspriing- 
lichen Zusammenhang mit der Bauchmuskulatur (insbesondere 
Rectus abdominis) sehr modifiziert zeigt. Ventral ist er gréftenteils 
von der eigentiimlich entwickelten hyoidalen Muskulatur iiberlagert. 

Der sternale Ursprung beginnt von dessen ganzer Linge 
mit Ausnahme des vorderen (Chamaeleo) und hinteren (Chamaeleo, 
Brookesia) Endes, die von den Urspriingen resp. Insertionen der 
Mm. sterno-mastoideus (vorn) und sterno-hyoideus (hinten) ein- 
genommen sind, der sternocostale von dem 2. und 3. Sterno- 
costale, bei Chamaeleo iiberwiegend von dem 2., bei Brookesia 
hauptsichlich von dem 3.; auch kommt bei Chamaeleo noch ein 
sehr kleiner, von dem Ende des 1. Sternocostale entspringender 
Zipfel hinzu. 

Die Insertion geschieht in der gewéhnlichen Weise an dem 
Proc. lateralis humeri, wobei die Ankerung an dem Tuberculum 
mediale und die Umscheidung der Ursprungssehne des M. biceps 
brachii gerade so wie bei Uroplates sehr ansehnlich ausgebildet 
ist. Dieses tibereinstimmende Verhalten, sowie der wie bei den Cha- 
maeleontidae auch bei Uroplates fehlende episternale Ursprung des 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 449 


Pectoralis ergeben zwischen beiden Abteilungen nihere specifische 
Beziehungen. 

Bei Chamaeleo hat der von dem 2., bei Brookesia der von 
dem 3. Sternocostale kommende Teil des Muskels eine gewisse 
Selbstiindigkeit, die bei Brookesia sehr ausgebildet ist und das 
Recht giebt, bei dieser Art von einer gegeniiber dem iibrigen 
Pectoralis gesonderten Pars abdominalis zu sprechen. 


8. Supracoracoscapularis. 


Supracoracoideus und Suprascapularis: Firprincer 
(No. 8 und 9). 

Chef coracoidien (et précoracoidien) de l’obtura- 
teur externe thoracique und Chef scapulaire anté- 
rieur de l’obturateur interne thoracique: SABATIER. 


Bei den Chamaeleontiden hat sich der — durch den auf den 
Vordersaum der coracoidalen AuSenflaiche iibergewanderten Ur- 
sprung des M. deltoides inferior beeintrichtigte — M. supracora- 
coideus der kionokranen Lacertilier dorso -lateralwirts auf den 
ventralen Bereich der Scapula ausgebreitet und ist damit ein M. 
supracoracoscapularis geworden. Beide Teile, der alte coracoidale 
und der neu erworbene scapulare, haben sich zugleich durch einen 
Spalt gesondert, so dai sie, obwohl gemeinschaftlich am Anfange 
des Proc. lateralis humeri inserierend, doch in ihrer gréferen 
Ausdehnung als mehr oder minder separate Mm. supracoracoideus 
und suprascapularis sich préasentieren. 

Der breitere ventrale Supracoracoideus entspringt von 
der Auenfliche des vorderen Teiles des Coracoides mit Ausnahme 
des Vordersaumes, der von dem Ursprunge des M. deltoides inferior 
eingenommen ist, wird von diesem und dem M. pectoralis gedeckt 
und deckt anderseits den M. coraco-brachialis brevis und den 
sehnigen Ursprung des M. biceps brachii. 

Der schlankere dorso-laterale Suprascapularis beginnt 
von dem vorderen Teile der Au8enflache der ventralen */; 
(Brookesia) bis ?/, (Chamaeleo) der knéchernen Scapula s. str. 
(mit Ausnahme von deren unterstem Ende), deckt den M. scapulo- 
humeralis anterior und wird von dem dorsalen Rande des M. 
deltoides inferior bedeckt und von dem vorderen des M. dorsalis 
scapulae dorsal begrenzt. 

Die Mm. supracoracoideus und suprascapularis wurden von 
mir (1875, p. 756, 757) auf Grund ihrer gleichen Innervation 


450 Max Firbringer, 


durch den diazonalen N. supracoracoideus (supracoracoscapularis), 
ihrer gemeinsamen Insertion am Anfange des Tuberculum laterale, 
ihrer intimen Nachbarschaft und mehr oder minder innigen Ver- 
bindung miteinander als Glieder desselben Systemes behandelt. 
SABATIER (1880, p. 198 f.) list ohne jede wirkliche Begriindung 
seinerseits — denn die auch hier wiederholte Behauptung, dal 
ich mit meiner Deutung eine Konfusion begangen, kann doch nicht 
als sachliche Begriindung gelten — diese natiirliche Verbindung 
auf und deutet den Supracoracoideus als Chef coracoidien et 
précoracoidien des M. obturateur externe thoracique, den Supra- 
scapularis dagegen als Chef scapulaire antérieur des M. obturateur 
interne thoracique, wobei er zugleich den M. scapulo-humeralis 
profundus (den auch Mrvarr und RUDINGER nicht besonders unter- 
schieden hiitten) mit dem M. suprascapularis als kleines und 
undeutlich gesondertes Biindel desselben vereinigt (p. 199, Anm. 1). 
— Diese neue Deutung Sapatier’s zerreift einerseits willkirlich 
den natiirlichen Zusammenhang der durch die gleiche Innervation 
und Insertion, sowie durch gegenseitigen Verband vereinigten 
beiden Muskeln (M. supracoracoideus und suprascapularis) und 
bringt andererseits zwei Muskelbildungen (M. suprascapularis und 
M. scapulo-humeralis profundus) zusammen, welche grundverschie- 
den (der erstere durch den diazonalen N. supracoracoscapularis, der 
letztere durch den postzonalen N. scapulo-humeralis profundus) 
innerviert sind und entfernt von einander (der erstere am Tuber- 
culum laterale, der letztere an der Dorsalflache des Humerus 
zwischen den beiden humeralen Képfen des Anconaeus) inserieren. 
Daf der M. scapulo-humeralis profundus anterior der Chamaeleon- 
tiden von Mrivarr und Ripinger tibersehen resp. abgeleugnet 
wurde!), ist doch wohl kein Grund gegen seine selbstandige Kxistenz; 
Mecke., Pretrrer und Rotieston haben ihn gleich mir sehr 
wohl gesehen, und ein wirklich genauer Untersucher kann gar 
nicht auf den Gedanken kommen, diesen Muskel, der tiberdies 
noch durch das Lig. scapulo-humerale laterale von dem M. supra- 
scapularis vollkommen geschieden ist, mit dem ganz anders ge- 
arteten M. suprascapularis zu verschmelzen. Der Umdeutung 
SABATIER’S fehlt jeder Grund und Boden. 


1) Die Rtpinerr’sche Abhandlung zeigt alle Merkmale einer 
fliichtig vorgenommenen Untersuchung. Eventuell ware auch, wenn- 
gleich mit grofer Unwahrscheinlichkeit, mit einem individuellen 
Mangel des Muskels zu rechnen. Ich habe mehrere Exemplare von 
Chamaeleo auf seine Existenz untersucht, ihn aber niemals vermibt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 451 


9. Coraco-brachialis brevis und longus (cbrb und cbri). 


Coraco-brachialis (brevis und longus): FURBRINGER 


(No. 10). 


Die Mm. coraco-brachiales brevis und longus der Chamaelecn- 
tidae (Fig. 132) sind von Anfang an getrennt und im ganzen 
gering entwickelt. 

Coraco-brachialis brevis (cbrb). Makig grofer, kurzer 
Muskel, der von dem hinteren Teile der coracoidalen Aufenflache 
entspringt und bei Chamaeleo bis zur Mitte des Humerus herab- 
reicht. Bei Brookesia ist er etwas schwacher als bei Chamaeleo 
und reicht bis zum Ende des 2. 1/; des Oberarmknochens. 

Coraco-brachialis longus (chrl). Diinner und schmaler 
Muskel, der von der hinteren Ecke des Coracoides entspringt und, 
ihnlich wie bei Uroplates, mit schlanker Sehne an dem Epicon- 
dylus medialis inseriert. 


10. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis) (02). 
Coraco-antebrachialis (Biceps): Fursrincer (No. 11). 


Mabig entwickelter bis schwacher Muskel (Fig. 132), der rein 
sehnig von der Mitte des Epicoracoides entspringt, im proximalen 
Bereiche des Oberarmes in den Muskelbauch iibergeht und distal 
am Radius und an der Ulna endet. 

Die lange und schlanke Sehne (07.¢) ist ganz zwischen dem sie 
deckenden M. supracoracoideus und dem yon ihr gedeckten M. co- 
raco-brachialis brevis eingegraben und wird dann am Anfange 
des Oberarmes im Sulcus bicipitalis von der durch die Haupt- 
insertion und die Ankerung des M. pectoralis gebildeten Scheide 
umgeben (p. 448). Der schlanke, rundliche Muskelbauch (b7;) teilt 
sich bei dem untersuchten Exemplar von Chamaeleo hinter der 
Mitte des Oberarmes in zwei Teile, einen gréBeren lateralen, der, 
dem M. brachialis inferior dicht anliegend, aber nicht eigentlich 
mit ihm verschmolzen, in eine Sehne tibergeht, die mit 2 Zipfeln 
an Radius und Ulna endet, und einen kleineren medialen, der 
mit dem sehnigen Anfange des M. pronator (nicht mit seiner ober- 
flachlichen Fascie) verschmilzt, somit dem Lacertus fibrosus der 
kionokranen Lacertilier (p. 424) nicht direkt verglichen werden 
kann'). Brookesia zeigt eine schwachere und einfachere Aus- 


1) Vielleicht handelt es sich hier um eine individuelle Be- 
sonderheit des medialen Sehnenzipfeis. Ich entsinne mich nicht, 


452 Max Firbringer, 


bildung des Muskels; ob auch hier ein Verband mit dem M. pro- 
nator existiert, konnte wegen zu schlechter Erhaltung der _be- 
treffenden Stelle beider vorderen Extremitaten des untersuchten 
Tieres nicht entschieden werden. 

Die mancherlei Uebereinstimmungen mit Uroplates, nament- 
lich im Verhalten der Ursprungssehne, sind sehr in die Augen 
fallend '). 


li. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior). 


Humero-antebrachialis inferior (Brachialis infe- 
ferior): Fursricer (No. 12). 


Bei den Chamaeleontiden ist der M. brachialis inferior etwas 
schwiicher als bei den kionokranen Lacertiliern entwickelt, tiber- 
trifft aber den medial neben ihm verlaufenden M. biceps brachii 
eanz erheblich an Starke; beide Muskeln stehen in ihrem in- 
sertiven Bereiche in minder innigen Beziehungen als bei der 
Mehrzahl der Kionokranier und wahren mehr oder minder ihre 
Selbstaindigkeit. Bei Chamaeleo teilt sich der M. brachialis in- 
ferior in eine schlanke, aber nicht unkraftige laterale Sehne, die 
ganz fiir sich an dem Radius inseriert, und einen dickeren, fleischig- 
sehnigen Bauch, der mit kurzer Sehne direkt neben der beziig- 
lichen Biceps-Insertion an dem Anfang der Ulna endet. 


12. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis). 


Dorso-humeralis (Latissimus dorsi): Fwrsringer 


(No. 13), 


ihr bei frither untersuchten Chamaeleontiden begegnet zu sein; auch 
die anderen Untersucher erwiihnen nichts davon. 

1) Auch die sowohl dem Biceps, wie den anderen im 
Bereiche der freien Extremitaten (vorderer wie hinterer) 
befindlichen Muskeln zukommende Schwiache der Ent- 
wickelung zeigt bei Uroplates und den Chamaeleontidae etwas 
Gemeinsames, das sich schon juferlich in dem schwachen und 
schlanken Gliedmafenbau dieser Tiere kundgiebt; doch will ich auf 
dieses Verhalten — weil es sich hier um ein quantitatives Merkmal 
handelt — nicht zu viel Gewicht legen. Uroplates zeigt noch die 
am leidlichsten entwickelte Muskulatur, darauf folgt Chamaeleo, 
Brookesia mit sehr schwachen Muskeln (und einem nur aus 3 Wurzeln 
bestehenden Plexus brachialis) beschlieft die Reihe. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 455 


Der M. latissimus dorsi der Chamaeleontiden tritt in Aus- 
breitung und Stirke erheblich gegen den Latissimus dorsi der 
meisten Kionokranier zuriick; nur Uroplates, Phrynosoma und 
Varanus zeigten dort Reduktionszustande, welche denen bei den 
Chamaeleontidae nahekommen. 

Er entspringt von dem Niveau der 4 bis 5 ersten Dorsal- 
wirbel (6. bis 10. Wirbel)‘), vorn deutlich von den Dornen kom- 
mend, hinten mit der Fascie der spino-dorsalen Riickenmuskulatur 
verwachsen, sowie relativ recht ausgebreitet von der 3. und 4. 
Brustrippe (Vertebrocostale), wobei der unterste und _ hinterste 
Teil des Muskels bei Chamaeleo vorwiegend von der 3., bei Broo- 
kesia von der 4. Rippe ausgeht ”). 

Von da aus konvergieren die Fasern, die vorderen spinalen 
in transversaler, die hinteren costalen in longitudinaler bis longi- 
tudinal-ascendenter Richtung zu der schmalen, an der gewéhn- 
lichen Stelle stattfindenden Insertion, wobei zugleich eine partielle 
Faserkreuzung stattfindet, indem die costalen proximaler als die 
spinalen sich an den Humerus ansetzen. 

Auch hier sind die nahen Relationen zu Uroplates (ent- 
sprechendes Verhalten der Rippenurspriinge) unverkennbar. 


13. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior). 


Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. supe- 
rior): Furprincer (No. 14). 

Chef scapulaire de l’obturateur externe thora- 
cique: SABATIER. 


Die Chamaeleontiden stellen sich hinsichtlich der gegenseitigen 
insertiven Beziehungen der Mm. dorsalis scapulae und deltoides 
coraco-sternalis s. inferior in gewisser Hinsicht in die Reihe der 
sub 4 angefiihrten Kionokranier (p. 428): beide Muskeln sind 
vrobtenteils voneinander gesondert, und der vorwiegend muskulés 
inserierende M. deltoides inferior lagert sich an der Insertion iiber 
den vorwiegend sehnig endenden M. dorsalis scapulae, wobei er 


1) Bei Chamaeleo auch individuell erst mit dem 2. Dorsalwirbel 
(7. Wirbel) beginnend. 

2) Gugleich nahm der dorsal daran angrenzende Teil des 
Muskels bei Chamaeleo Ausgang von der 4. bei Brookesia von der 
3. Rippe — somit eine umgekehrte Verteilung bei diesen beiden 
Gattungen der Chamaeleontiden, falls nicht rein individuelle Ver- 
haltnisse vorliegen. 


454 Max Firbringer, 


zugleich bei Brookesia nur minimal (= Zonosaurus), bei Cha- 
maeleo in mabigem Grade (= Ameiva oder Uromastix) distalwarts 
weiter greift als dieser Muskel. Eine Besonderheit bieten die 
Chamaeleontiden insofern dar, als beide Muskeln in ihrem Anfange 
und dem gréferen Teile ihres Verlaufes nicht nur von einander 
gesondert, sondern durch einen breiten (von dem M. suprascapu- 
laris ausgefillten) Spalt voneinander getrennt und entfernt sind. 

Der M. dorsalis scapulae bildet entsprechend der Lange 
und Schmalheit der Scapula einen langen, aber mabig breiten 
Muskel, der von dem hinteren und ventralen Bereiche des kurzen 
Suprascapulare (hinter und ventral von den Insertionen der 
Mm. cucullaris und levator scapulae), sowie von dem dorsalen '/, 
(Chamaeleo) bis ?/, (Brookesia) der langen knéchernen Scapula ‘) 
entspringt und mit konvergierenden Fasern am dorsalen mittleren 
Teile des Proc. lateralis humeri, dorsal von dem M. deltoides in- 
ferior inseriert. 

Die Beziehungen zu den Nachbarmuskeln entsprechen im 
eroken und ganzen denen bei den kionokranen Lacertiliern; den 
Chamaeleontiden eigentiimlich ist die direkte Nachbarschaft mit 
dem — sekundir ausgebildeten — M. suprascapularis (p. 449), 
dessen hinterer Rand an den vorderen unteren des M. dorsalis 
scapulae angrenzt. 

SABATIER (p. 198) bezeichnet den M. dorsalis scapulae in 
Uebereinstinmung mit dem entsprechenden Muskel der kiono- 
kranen Lacertilier als Chef scapulaire des M. obturateur externe 
thoracique und bringt ihn damit in viel zu nahe Beziehungen zu 
dem anders gearteten M. supracoracoideus (Chefs coracoidien et 
précoracoidien des M. obturateur externe thoracique). Die von 
ihm im Anschluf an Ripincer betonte Vergleichbarkeit mit dem 
menschlichen Teres minor entspricht, falls damit nicht eime specielle 
komplette Homologie behauptet werden soll, meinen Anschauungen 
(vergl. auch meine Ausfiihrungen bei dem Dorsalis scapulae der 
kionokranen Lacertilier p. 731 f.). 


14. Deltoides coraco-sternalis s. inferior. 


Coraco-humeralis anterior und Sterno-humeralis 
anterior (Deltoides coraco-sternalis s. inferior): 
Fisrprincer (No. 15). 


" 


1) Dieser Bereich entspricht dem ventralen Abschnitte des 
Suprascapulare der meisten kionokranen Lacertilier. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 455 


Der M. deltoides clavicularis der kionokranen Lacertilier hat 
bei den Chamaeleontiden eine mit der Riickbildung der Clavicula 
Hand in Hand gehende Umbildung erfahren: er ist auf den vor- 
deren Rand und den Vordersaum der Aufenfliiche des Coracoides, 
sowie den benachbarten vorderen Teil des Sternum tibergewandert '). 

Er reprisentiert einen mittelgrofen und ziemlich diinnen, 
also schwaicheren Muskel als bei den kionokranen Lacertiliern, 
der, von dem M. dorsalis scapulae durch einen weiten (durch den 
M. suprascapularis ausgefiillten) Zwischenraum getrennt, von der 
angegebenen Ursprungsstelle entspringt und nach dem Proc. late- 
ralis humeri verlauft, wo er sich mit dem Insertionsteile des 
M. dorsalis scapulae trifft und ventral und etwas distal von ihm 
muskulés oder vorwiegend fleischig inseriert. Die untersuchten 
Exemplare von Chamaeleo zeigten den sternalen Ursprung in ver- 
schiedener Ausdehnung, wahrend derselbe bei Brookesia nur ganz 
minimal ausgebildet war. 

Bei dem neuerdings untersuchten Exemplare von Chamaeleo 
aberrierte von der Oberfliche des lateralen Teiles des Muskels 
ein schmales und sehr diinnes Muskelband in descendenter Rich- 
tung nach dem medialen, den M. sterno-hyoideus deckenden 
Bereiche der Brusthaut. Darin, wie in den von MEcKEL und 
PFEIFFER mitgeteilten (vergl. Schultermuskeln, III, 1875 p. 763) 
und dem von mir bei Lygosoma gemachten Befunde (p. 432 der 
vorliegenden Arbeit) spricht sich eine besondere Tendenz dieses 
Muskels zu Aberrationen aus, die bei den Végeln in noch weit 
héherem Grade (in der Ausbildung des M. deltoides propatagialis) 
in Erscheinung tritt, aber auch, wenngleich in eigentiimlicher 
Differenzierung, bei den Rhynchocephaliern und _ Crocodiliern 


1) Diese Ueberwanderung ist nicht so zu denken, als ob die 
gleichen erst von der Clavicula entspringenden Fasern danach auf 
das Coracoid iibergewandert seien. Es handelt sich vielmehr um 
eine Neubildung tiefer Fasern, welche an Coracoid und Sternum 
unter teilweisem Zuriickweichen des M. supracoracoideus Platz 
griffen, wahrend die alten clavicularen mit der Reduktion der 
Clavicula sich riickbildeten. Ueberginge, die diesen Prozef im 
Detail ad oculos demonstrieren kénnten, sind noch nicht _ be- 
obachtet. Fir die Entwickelung der vom Sternum kommenden 
Fasern kann entweder der neuerworbene coracoidale oder der altere 
episternale Ursprung (wie er sich bei manchen Kionokraniern findet, 
cf. p. 431) den Ausgang gebildet haben. An der Hand der Be- 
funde von Uroplates, Brookesia und Chamaeleo halte ich das erstere 
fiir wahrscheinlicher. 

Bd, XXXIV, N. F, XXVI. 30 


456 Max Firbringer, 


(M. humero-radialis resp. proximaler Teil desselben) zur Beobach- 
tung kommt. Alle diese Gebilde zeigen eine allgemeine Verwandt- 
schaft, sind aber nicht ohne weiteres zusammenzuwerfen (vergl. 
die specielleren Ausfiihrungen bei den betreffenden Sauropsiden- 
Abteilungen). 


15. Scapulo-humeralis anterior (Coraco-scapulo-humeralis 
anterior) ‘) (scha). 


Scapulo-humeralis profundus: Ftrsrincer (No. 16). 


Der 1875 gegebenen Beschreibung habe ich nichts Wesent- 
liches zuzufiigen. Der Muskel von Chamaeleo (Fig. 141) ist klein, 
auf den hinteren, direkt vor dem Schultergelenk gelegenen Bereich 
der Auf enfliche der Scapula und des Coracoides retrahiert und 
geht, der Kapsel des Schultergelenkes dicht anliegend und_ver- 
bunden und von der humeralen Ankerung des M. anconaeus sca- 
pularis (s. diesen p. 458) bedeckt, in der iiblichen Weise an den 
Humerus. Seine sekundire Verkiirzung spricht sich auch darin 
aus, da8 er gianzlich von dem M. supracoracoscapularis (supra- 
scapularis) bedeckt wird, wahrend er bei den kionokranen Lacer- 
tiliern neben dem M. supracoracoideus, mit der Tendenz, den- 
selben zu decken, liegt. Noch kleiner als bei Chamaeleo ist er 
bei Brookesia (Fig. 142), so daf es hier einiger Aufmerksamkeit 
bedarf, ihn nicht zu tibersehen. Doch habe ich ihn bei keinem 
untersuchten Chamaeleontiden vermibt. 

SABATIER (p. 199, Anm. 1) vereinigt ihn mit dem Supra- 
scapularis zu dem Chef scapulaire antérieur des M. obturateur 
interne thoracique. Gegen die Annehmbarkeit dieser Proposition 
habe ich mich bereits bei dem M. supracoracoscapularis aus- 
gesprochen (p. 450). 


16. Teres major. 
Ein Teres major wurde bei keinem Chamaeleontiden gefunden. 
1) Wie bei den kionokranen Lacertiliern lasse ich das Epitheton 


,profundus* der Bezeichnung von 1875 fallen, fiige aber ,,anterior“ 
hinzu (vergl. p. 432, 433 Anm. 2). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 457 


17. Subcoracoscapularis. 


Subcoracoscapularis: Ftrsrincer (No. 17). 


Wie bereits 1875 hervorgehoben, kennzeichnet den M. sub- 
coracoscapularis der Chamaeleontiden die im ganzen einfachere 
Ausbildung desselben, der Mangel eines besonderen Subscapularis 
externus und die Trennung und relativ weite Entfernung des 
Subcoracoideus s. str. von dem Subscapularis (posterior) internus, 
indem der bei den kionokranen Lacertiliern zwischen beiden be- 
findliche Subscapularis anterior ausgefallen ist. Der Subcoraco- 
ideus ist der breitere, aber kiirzere Teil, der mit Ausnahme des 
medialen Teiles von der Innenflache des Coracoides entspringt, der 
Subscapularis internus der langere und etwas schmalere, an seiner 
dem Thoraxraum zugekehrten Flaiche teilweise sehnig umgebildete 
Abschnitt, der von der Innenfliche der Scapula kommt. Beide 
Teile (K6pfe) treten in ihrem insertiven Bereiche zu einem ein- 
heitlichen Muskel zusammen, der in der gewéhnlichen Weise am 
Proc. medialis humeri endet. 

Alle diese Verhaltnisse finden ihre Erklairung in partiellen 
Riickbildungen des Muskels, die zugleich mit der Reduktion und 
Verschmalerung des primaren Schultergiirtels Hand in Hand 
gehen. 


18. Anconaeus. 


a) Caput scapulare: 


Caput scapulare laterale m. anconaei s. M. anco 
naeus scapularis lateralis: Ftrsrincer (18a). 


b) Caput humerale laterale: 


Caput humerale laterale m. anconaei s. Anconaeus 
humeralis lateralis: Firsrincer (18b). 


c) Caput humerale mediale: 


Caput humerale mediale m. anconaei s. Anconaeus 
humeralis medialis: Fursrincer (18c). 


Kraftiger resp. ziemlich kraftiger (Chamaeleo) oder mabig 
entwickelter (Brookesia), im ganzen also dem der kionokranen 
Lacertilier an Gréf%e nachstehender Muskel, der aus einem sca- 
pularen und zwei humeralen Képfen sich zusammensetzt, die sich 
unterhalb der Mitte des Oberarmes zu einem Muskelbauche ver- 
binden, der an dem proximalen Bereiche der Ulna inseriert. Ein 

30 * 


458 Max Firbringer, 


Caput coracoideum fehlt bei den Chamaeleontiden gerade so wie 
bei Uroplates, der in dieser Hinsicht sich von allen anderen unter- 
suchten Kionokraniern unterscheidet. 

a) Caput scapulare s. M. anconaeus scapularis 
(lateralis) (asc). Starkster Kopf des Muskels, der mit zwei 
getrennten Portionen, einer gréferen oberflachlichen und dorsalen 
(asc\spf) und einer kleineren tiefen und ventralen (asc;pr), vom 
Hinterrand der supraglenoidalen Scapula entspringt. Bei dem 
neuerdings untersuchten Exemplar von Chamaeleo finden sich im 
wesentlichen die gleichen Verhaltnisse wie 1875 (Schultermuskeln, 
III, p. 765 f.) beschrieben; doch wird hier die tiefe, rein sehnig 
entspringende Portion (Kopf) nur an ihrem ventralen Anfange von 
dem M. scapulo-humeralis anterior gedeckt. Die in der gewoéhn- 
lichen Weise den M. scapulo-humeralis anterior distal itiber- 
briickende humerale Ankerung (ase) ') geht — wie bei Uroplates 
(und Phrynosoma) — erst im weiteren Verlaufe der tiefen Haupt- 
sehne von dieser ab, ist aber breiter als bei den genannten Kiono- 
kraniern. Ein Lig. scapulo-humerale laterale fehlt gleichfalls wie 
bei diesen Lacertiliern. Bei Brookesia sind die Verhaltnisse in 
der Hauptsache dieselben wie bei Chamaeleo; die dorsale, vor- 
wiegend muskulés entspringende Portion (Kopf, ascjspf) des im 
iibrigen ziemlich schwachen Caput scapulare ist aber hier von 
ungewohnlicher Entwickelung und zu einem kurzen und dicken 
Muskelbauche angeschwollen; die erheblich schwachere ventrale, 
einen rein sehnigen Ursprung nehmende Portion (Kopf, aseipr) 
entspricht in dem Verhalten ihrer Ankerung (asc) Chamaeleo, 
wird aber gar nicht von dem hier erheblich schmaleren M. sca- 
pulo-humeralis anterior gedeckt. Beide Portionen (Koépfe) ver- 
binden sich am Ende des proximalen resp. am Anfange des 2. 
Drittels des Oberarmes miteinander. 

b) Caput humerale laterales. M. anconaeus hume- 
ralis lateralis (ahl). Der gréfere humerale Kopf. Entspricht 
der 1875 p. 766 gegebenen Beschreibung. 

c) Caput humerale mediale s. M. anconaeus hume- 
ralis medialis. Der kleinste Kopf des Muskels (siehe tibrigens 
die Beschreibung von 1875 p. 766). 

Die beiden humeralen K6pfe verbinden sich etwa in der 
Mitte des Oberarmes miteinander und am Ende des mittleren 

1) In der friiheren Beschreibung von 1875 als den M. scapulo- 
humeralis profundus iiberbriickender Sehnenschenkel angegeben. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 459 


oder am Anfang des distalen Drittels mit dem scapularen Kopfe 
zu einem bei Chamaeleo ziemlich kraftigen, bei Brookesia ziem- 
lich schwachen einheitlichen Muskelbauche, der, der Dorsalfliche 
des Humerus und der Kapsel des Ellenbogengelenkes dicht an- 
liegend und mit ihr verbunden (M. subanconaeus), hier zugleich 
eine Patella ulnaris (Pauw, Fig. 159, 160) *) einschlieBend, distal- 
warts zum proximalen Ende der Ulna (Olecranon) geht, wo er mit 
ziemlich breiter und ziemlich kraftiger Sehne inseriert. 


D. Rhynchocephalia. 
(Taf. XVI, XVII, Fig. 161—179.) 


Seit GiinTHER’s erster Beschreibung der Muskeln von Spheno- 
don punctatus (1867) ist die Kenntnis der Myologie dieses 
Tieres von NeEwmAN (1878), Brooks (1889), Maurer (1896) und 
Osawa (1898) bereichert worden. Brooks und Maurer handeln 
iiber einzelne der hier in Betracht kommenden Muskeln; NEwMAN 
und Osawa geben eine umfassendere Untersuchung, von denen 
sich die Osawa’s durch Vollstindigkeit, Genauigkeit und Beriick- 
sichtigung der Nerven hervorhebt und _ beziiglich der Schulter- 
muskulatur an meine Darstellung der Schultermuskeln der Lacertilier 
anschliefit. SABATIER (1880) bespricht die Deutung des M. biceps. 

Meinen Untersuchungen dienten die bereits oben (p. 365) an- 
gegebenen 6 Exemplare von 7,5 bis 50 cm Linge als Grundlage. 


Die Muskeln der Schulter und des Oberarmes von Sphenodon 
lassen sich in folgender Weise einteilen: 


A. Durch N. vago-accessorius und Nn. thoracici anteriores 
innerviert: 


Ursprung vom Hinterkopfe und Riicken, Inser- 
tion an der Clavicula und dem Acromion: 


Cucullaris s. Trapezius et Cleido-mastoideus (Capiti-dorso- 
clawicularis). 


1) Die Patella wurde bei Chamaeleo (Fig. 159) als eine ziem- 
lich ansehnliche Knorpelplatte von ahnlicher langlicher Form wie bei 
Uroplates, aber ohne jede Verknécherung, bei Brookesia (Fig. 160) 
als kleines und sehr diinnes Knorpelplattchen gefunden. 


460 Max Firbringer, 


B. Durch Nn. thoracici superiores innerviert. 


Ursprung von Rippen und Proc. transversi, In- 
sertion am dorsalen Abschnitte des Schultergiirtels 
(Scapula und dorsales Ende der Clavicula): 

a) Insertion am Vorder- und Hinterende sowie der 
Aufenflache (und nur mit wenig tibergreifenden 
Fasern der Innenflache) der Scapula (und Clavi- 
cula); oberflaichliche Schicht: 

a) Ursprung vom Anfang des Halses: 

Levator scapulae superficialis (Collo- scapularis super- 
ficialis) supertor und inferior. 

3) Ursprung vom Rumpfe. 

Serratus superficialis (Thoraci-scapularis superficialis). 

b) Insertion an der Innenflache der Scapula; tiefe 
Schacht: 

Levator scapulae et Serratus profundus (Collo-thoraci-sca- 
pularis profundus). 


C. Durch Nn. thoraici inferiores innerviert. 


a) Ursprung von der Innenfliche des Sternum, 

Insertion an der Innenflache des Coracoides: 
Sterno-coracoideus internus superficialis. 
Sterno-coracoideus internus profundus. 

b) Ursprung von der ersten Sternocostalleiste, In- 
sertion mittelbar an der Scapula (vermittelst des 
Lig. sterno-scapulare internum): 

Sternocosto-scapularis. 


D. Durch Nn. brachiales inferiores innerviert. 


a) Ursprung vom Rumpfe (Episternum, Sternum und Para- 
sternum), Insertion am Oberarm: 
Pectorals. 
b) Ursprung vom ventralen Teile des primaren 
Schultergtirtels (Coracoid). 
a) Innervation durch den diazonalen N. supracoracoideus, 
Insertion am Oberarm: 
Supracoracoideus. 
3) Innervation durch postzonale Aeste des N. brachialis 
longus (Nn. coraco-brachiales und coraco-antibrachiales) : 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 461 


aa) Insertion am Oberarm: 
Coraco-brachialis brevis. 
Coraco-brachialis longus. 
bb) Insertion am Vorderarm : 
Biceps brachii (Coraco-antibrachialis). 


c) Ursprung vom Oberarm, Insertion am Vorder- 
arm: 
Brachialis internus (Humero-antibrachalis). 


E. Durch Nn. brachiales superiores innerviert. 


a) Ursprung vom Rumpfe (obere Dornfortsiitze der Riicken- 
wirbel), Insertion am Oberarm: 
Latissimus dorsi (Dorso-humeralis). 


b) Ursprung von der AuSenfliche des Schulter- 
giirtels, Insertion am Oberarm: 


a) Insertion am Processus lateralis humeri. 
aa) Ursprung von der Scapula: 

Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior). 
bb) Ursprung von der Clavicula und dem Episternum: 
Deltoides clavicularis s. inferior (Cleido-humeralis). 

8) Insertion an der Streckfliche des Humerus zwischen Proc. 
lateralis und medialis, Verlauf lateral vom Caput scapu- 
lare m. anconaei: 

Scapulo-humeralis (profundus) anterior. 

y) Insertion an der Streckfliche des Humerus distal vom 
Processus medialis, Verlauf medial vom Caput scapulare 
m. anconaei: 

Scapulo-humeralis (profundus) posterior. 


c) Ursprung von der Innenflaiche des primaren 
Schultergiirtels (Scapula und Coracoid), Insertion 
am Processus medialis humeri: 

Subcoracoscapularis. 


d) Ursprung vom primiren Schultergirtel (Scapula 
und Coracoid) und vom Oberarm, Insertion am 
Vorderarm. 


a) Innervation durch Rr. musculares n. brachialis longi supe- 
rioris (Nn. anconaei), Ursprung vom Schultergiirtel und 
dem Humerus, Insertion an der Ulna: 

Anconaeus s. Triceps brachir. 


462 Max Firbringer, 


3) Innervation durch einen Zweig des N. axillaris (N. humero- 
radialis proximalis) und einen vom Vorderarm zuriick- 
laufenden Zweig des N. radialis (N. humero - radialis 
distalis), Ursprung vom Lig. acromio-humerale, Insertion 
am M. brachio-radialis (supinator) und an der Vorderarm- 
fascie : 

Humero-radialis. 


1. Cleido-mastoideus et Cucullaris s. Trapezius (Capiti-dorso- 
clavicularis) (clm -+- cu). 


Capiti-dorso-clavicularis (Cucullaris) und Capiti- 
cleido-episternalis (Episterno-cleido - mastoi- 
deus): Firprincer (Lacertilier). 

Sterno-cleido-mastoideus: Newman. 

Capiti-dorso-claviculariss. Cucullaris: Osawa (No. 1). 


Der M. capiti-dorso-clavicularis von Sphenodon bildet eine in 
der Hauptsache einheitliche!) ansehnliche Muskelausbreitung am 
Halse und am Anfange des Riickens, welche in ihren vorderen 
2/, von den Mm. depressor mandibulae und sphincter colli gedeckt 
wird, im hinteren !/, direkt unter der Haut liegt; andererseits 
deckt sie die Mm. levatores scapulae und omo-hyoideus, sowie 
die Anfinge der Mm. dorsalis scapulae und latissimus dorsi. 

Diese im vorderen Bereiche ziemlich dicke, nach hinten 
diinner werdende Muskelmasse entspringt kraftig und vorwiegend 
muskulés in ansehnlicher Ausdehnung von dem hinteren Teile des 
Schaidels, und zwar von dem Parietale, Squamosum und — bei 
einem Exemplare — von der Spitze des am Squamosum hinauf- 


1) So fand ich den Muskel bei 2 Exemplaren, wahrend ein 
drittes daraufhin untersuchtes — abgebildetes — Individuum 
rechterseits eine deutliche Sonderung des Ursprunges aufwies, indem 
hier ein ziemlich schmales ventrales Biindel von dem unteren Ende 
des Squamosum entsprang, um sich nach miafig langem Verlaufe 
mit der iibrigen Masse zu verbinden. Linkerseits war diese Spaltung 
nicht angedeutet. —- Osawa fand in einem Falle eine kleine Spaltung 
des Insertionsteiles. Newman giebt an, dafi der Muskel leicht in 
mehrere, distinkten Muskeln gleichende Portionen getrennt werden 
kann; ich vermute, daf er hierbei den M. sphincter colli mitrechnet. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 463 


ragenden hinteren oberen Schenkels des Quadratojugale'), sowie 
schwacher und aponeurotisch von der Dorsalkante des Halses 
und Riickens bis zum. Bereiche des 8. bis 9. Wirbels?), wobei die 
Ursprungsaponeurose mit der der Gegenseite zusammenhiingt, auch 
hinten (caudal) mit der des Anfanges des M. latissimus dorsi ver- 
wachsen ist. Von diesem Ursprunge aus konvergieren die Fasern, 
wobei die vorderen einen descendenten, die hinteren einen trans- 
versalen und ascendenten Verlauf aufweisen, zum Insertionsteile, 
der in mifiger Breite an den lateralen ?/, der Clavicula — so- 
mit ziemlich weit von dem Muskel der Gegenseite entfernt — 
und an dem Acromion sich anheftet. An der Clavicula inseriert 
der vom Kopfe und vom Anfang des Halses kommende Hauptteil 
mit vorwiegend fleischigen Fasern, an dem Acromion die hintere 
diinne Partie des Muskels, nachdem sie schon zuvor sehnig ge- 
worden und so tiber das Acromion hinweggezogen war. 

Innerviert durch den Ramus accessorius externus s. posterior 

nervi vago-accessorii (N.acc.p) und Zweige des 4., 5. und mit- 
unter 6. Spinalnerven*). Der R. accessorius ist ein ansehnlicher 
Nerv und tritt zuerst in den ventralen Kopfteil ein, um von da 
aus sich mit dorsalwirts strebenden Aesten im dorsalen Kopf- 
teil und dem ersten Anfange des Halsteiles zu verbreiten. Die 
Spinalnervenzweige, die vom 4. bis zum 6. an Starke abnehmen, 
sind fiir den Hals- und Rumpfteil bestimmt. 

Der Muskel entspricht im allgemeinen dem Cucullaris +- Sterno- 
episterno - cleido-mastoideus derjenigen Lacertilier, welche diese 
Muskelausbreitung noch mehr oder minder einheitlich aufweisen, 
unterscheidet sich aber von ihm im besonderen dadurch, da8 er 
sowohl ventral wie caudal eine geringere Ausdehnung zeigt, ins- 
besondere nicht mehr an episternalen und sternalen Teilen des 
Brustschulterapparates inseriert. Diese Differenz beruht in der 
Hauptsache auf einer sekundéiren Reduktion des Muskels, die so- 
wohl von vorn wie von hinten ihren Ausgang genommen hat; zum 
Teil — soweit der dorsale Abschnitt des Muskels in Frage kommt 
— mag sie auch ein primitiveres Verhalten des Muskels aus- 


1) Osawa giebt auch einen Urspung vom Supraoccipitale an. 
Bei allen von mir untersuchten Exemplaren war dieses so_ voll- 
stiindig von der spino-dorsalen Riickenmuskulatur eingenommen und 
auch von dem Parietale und Squamosum so weit entfernt, daf mir 
diese Angabe auf einem Irrtum zu beruhen scheint. 

2) Nach Osawa bis zum Niveau des 11. Wirbels reichend. 

3) Osawa giebt gleichfalls den 4. bis 6. Spinalnerven an. 


464 Max Firbringer, 


driicken, der noch nicht jene weite Ausdehnung in das Gebiet 
des Riickens gewonnen hat, welches viele Lacertilier aufweisen. 
Kine relativ primitive Bezichung zeigt auch die starke Anteil- 
nahme des N. accessorius an der Innervation des Muskels, und 
damit stellt sich Sphenodon mit den am tiefsten stehenden Lacer- 
tiliern in eine Reihe, wihrend bei der Mehrzahl derselben diese 
Versorgung tiberwiegend von Spinalnerven iibernommen wird: bei 
Sphenodon tritt somit der alte Kopfteil des Muskels (Fische, 
Amphibien) noch nicht in dem Grade gegeniiber dem neu hinzu- 
gekommenen Spinalteil zuriick, wie bei der Mehrzahl der Lacer- 
tilier oder gar bei den Végeln, bei welchen letzteren der Kopfteil 
im Verhaltnis zum Spinalteil fast verschwindend klein werden kann. 
Auch lift die Art des Nerveneintrittes mit einiger Wahrschein- 
lichkeit darauf schliefen, da der ventralste Teil des Kopf- 
abschnittes der alteste Teil des Muskels ist. 

Die bei einzelnen Exemplaren von Sphenodon beobachteten 
Sonderungen am Ursprunge und an der Insertion entsprechen 
ungefaihr der bei den Lacertiliern beobachteten und hier bei vielen 
Vertretern desselben in weit héherem Grade vorgeschrittenen 
Sonderung des Muskels in den M. trapezius und M. cleido-masto- 
ideus; eine speciellere Vergleichung wird durch die andere Art 
der Innervation und des Zerfalles ausgeschlossen. 

Wie bei den Lacertiliern ist der Muskel von Sphenodon im 
grofen und ganzen den Mm. trapezius und sterno-cleido-mastoideus 
des Menschen vergleichbar, ohne daf auch hier eine komplete 
Homologisierung dieser beiden Teile des gemeinsamen Muskels 
angenommen werden kann. 


2. Levator scapulae superficialis (Collo-scapularis) superior 
et inferior (/sspfs, Isspfi). 
Collo-scapularis superficialis (Levator scapulae 
superficialis): FUrBRinGER. 
Dorsaler und ventraler Bauch des Levator sca- 
pulae (Collo-scapularis und Collo-clavicularis): 
Osawa (No. 3a u. b). 


Ansehnlicher von dem M. trapezius et cleido-mastoideus be- 
deckter Muskel, der nur am Ursprunge einheitlich ist, in der 
Hauptausdehnung seines Verlaufes jedoch durch zwei vollig ge- 
trennte, selbstiindige Muskeln von annihernd gleicher Starke, einen 
oberen (dorsalen) und unteren (ventralen) M. levator scapulae 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 465 


superior und inferior reprasentiert wird. Der gemeinschaftliche 
Ursprung beider findet an den Proc. transversi des 1. und 2. Hals- 
wirbels und zwar vorwiegend von dem 1. statt"); gleich darauf 
beginnt der Zerfall in die beiden Teile. 

a) Levator scapulae superficialis superior (dsspfs). 
Kriiftiger, vom Proc. transversus I. beginnender Teil, der, an Breite 
zunehmend, nach hinten resp. nach hinten und etwas nach oben 
verlaiuft, wobei er sich von dem M. levator scapulae inferior immer 
mehr entfernt und an der Aufenflache des knorpeligen Supra- 
scapulare, an dem oberen Bereiche der vorderen */, desselben 
dorsal von dem M. dorsalis scapulae sich inseriert. 

b) Levator scapulae superficialis inferior (lsspf?). 
Er ist etwas schwiicher, aber kraftiger als der M. levator scapulae 
superior. Von den Proc. transversi I. und II. (hauptsachlich von I.) 
entspringend, geht er longitudinal und ein wenig absteigend nach 
hinten, wobei er gleichfalls breiter wird, und endet, sich unter 
den vorderen Rand des M. dorsalis scapulae einschiebend, zu etwa 
gleichen Teilen an dem vorderen Rande der knéchernen Scapula 
nebst Acromion, sowie an dem dorsalen Ende der Clavicula?). 
Oberhalb des M. omo-hyoideus, der ihn hier ventral begrenzt, 
greift die Insertion auch auf den vorderen Innensaum der kné- 
chernen Scapula tiber. 

Innerviert durch Zweige der Nn. spinales IV. und V., 
die zum Teil Ansen bilden und an die Unterflaiche der beiden 
Muskeln eintreten (N./sspfs, N.Jsspfz); einmal fand ich auch ein 
feines, von dem 6. Spinalnerv abgehendes Fiadchen, welches das 
hintere Ende des M. levator scapulae inferior versorgte*). Letz- 
terer Muskel wird zugleich von den ventralen Hauptstimmen 
(nebst den zum M. trapezius et cleidomastoideus tretenden 


1) Ich zaéhle von dem 1. vollstiindigen Wirbel an und 
ignoriere die von manchen Autoren als Proatlas gedeuteten Stiicke. 
— Nach Osawa entspringt der Muskel nur vom 2. Wirbel. 

2) Der an der Clavicula endende Teil bildete in der Mehrzahl 
der Fille die etwas grifere Halfte. Osawa Ja8t den ventralen Teil 
(seinen M. collo-clavicularis) nur an der Clavicula inserieren. Ich 
vermifte niemals die scapulare Insertion. 

3) Osawa laft den oberen Muskel vom 6., den unteren vom 
4. und 5. Cervicalnerven aus versorgt werden. Das deckt sich hin- 
sichtlich des letzteren mit meinen Befunden, weicht aber beziiglich 
des ersteren ab; ich konnte fiir den Levator scapulae superior 
bei den 4 darauf untersuchten Tieren nur eine Versorgung durch 
N. spinalis [V. und V. nachweisen. 


466 Max Firbringer, 


Zweigen) des 4., 5. und 6. Spinalnerven (IV, V, VI; N.cv. LV, 
V, VI) durchbohrt. 

Entspricht dem gleichnamigen Muskel der Lacertilier und 
Crocodilier. Auch bei diesen waren Sonderungen des M. levator 
scapulae superficialis in eine obere und untere Partie zu erkennen, 
die aber dort, zum Teil auch in einer etwas anderen Weise er- 
folgt, nur bei gewissen Vertretern so vorgeschritten waren, wie hier 
bei Sphenodon (cf. p. 403). Sphenodon zeigt damit eine einseitige 
Differenzierung des M. levator scapulae superficialis innerhalb des 
Sauropsidenstammes in hoher Ausbildung 4). 


3. Serratus superficialis (Thoraci-scapularis superficialis) *) (ssp/). 


Serratus magnus: NEwman. 

Thoraci-scapularis superficialis (Serratus super- 
ficialis): FURBRINGER. 

Serratus superficialis s. Thoraci-scapularis super- 
ficialis Firprincer: Osawa (No. 4). 


Ziemlich breiter und nicht unkraftiger Muskel, welcher zum 
Teil von dem M. latissimus dorsi gedeckt wird, seinerseits einen 
Teil des M. serratus profundus deckt und am Ursprung mit dem 
M. obliquus abdominis externus profundus alterniert und dabei mit 
ihm zum Teil zusammenhangt. Er beginnt mit zwei Zacken von 
der letzten Cervical- und ersten Sternalrippe (Rippen des 8. und 9. 
Wirbels) *) und zwar von den Strecken, welche sich von den Basen 
der Processus uncinati bis herab zur unteren Spitze (letzte Hals- 
rippe) oder bis auf das angrenzende Ende des Sternocostale (1. 
Brustrippe) ausdehnen. Beide Zacken, von denen die hintere die 
viel ansehnlichere, breitere ist und die vordere deckt, schliefen 
sich zu einem einheitlichen (durch den Nerveneintritt aber doch 
in zwei den beiden Zacken entsprechende Lagen, sspf und sspf, 
etwas gesonderten) Muskel zusammen, der mit parallelen resp. 
nur wenig divergierenden Fasern nach vorn und oben zur Scapula 
verliuft, an deren Hinterrande er sowohl im Bereiche des knor- 


1) Einen noch weiter fortgeschrittenen Zerfall zeigt der M. 
levator scapulae superficialis der Anuren. Die Differenzierung bei 
diesen ist aber in ganz abweichender Weise vor sich gegangen und 
hat nichts mit derjenigen bei den Rhynchocephalen gemein. 

2) Von Maurer (1896) auf p. 194 erwahnt und auf Taf. I, 
Fig. 1, 2 abgebildet, aber nicht benannt. 

3) Nach Newman von der 4. und 5. Rippe (d. h. den beiden 
letzten Halsrippen), nach Osawa von den beiden ersten Brustrippen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 467 


peligen Suprascapulare als des oberen Abschnittes der knéchernen 
Scapula (dorsal vom M. subscapularis) inseriert, wobei er zugleich 
nicht unansehnlich auf den hinteren Innensaum iibergreift. 

Innerviert entweder nur von dem N. thoracicus superior, 

welcher dem 8. Spinalnerven entstammt, oder von Nn. thora- 
cici superiores, welche vom 7. und 8. oder vom 8. und 9. 
Spinalnerven abgegeben werden (N.sspf); aber auch in diesen 
Fallen ist der vom N. spinalis VIII. abgegebene Anteil der ganz 
iiberwiegende !). Die versorgenden Nervenadste treten an der 
Innenseite des Muskels ein. 

Der M. serratus superficialis ist ein Homologon des _ gleich- 
namigen Muskels der Lacertilier und Crocodilier und steht hierbei 
der Bildung der Crocodilier naiher als derjenigen der Lacertilier. 
Die differenten Angaben betreffs der Urspriinge von Newman und 
Osawa (bei denen ein Irrtum wohl kaum méglich ist) unterein- 
ander und gegeniiber meinen Befunden deuten auf eine gewisse 
individuelle Flissigkeit in den metamerischen Umbildungen. 


4. Levator scapulae et Serratus profundus (Collo-thoraci-scapularis 
profundus) (/sprf). 


Collo-thoraci-scapularis profundus (Levator sca- 
pulae et Serratus profundus): FUrsrrcer. 

Serratus profundus s. Collo-thoraci-scapularis Ftr- 
BRINGER und Collo-scapularis: Osawa (No. 7 und 8)?). 


Mittelgrofer, von der Scapula und den Mm. levatores scapulae 
superficiales und serratus superficialis bedeckter Muskelkomplex, 
der deutlich aus zwei ziemlich selbstandigen Schichten zusammen- 
gesetzt ist. 


1) Osawa giebt eine Versorgung durch den R. thoracicus des 
N. cervicalis VII. an, was mit meinen Befunden nicht iiberein- 
kommt und angesichts der sehr caudalen Lage seines M. serratus 
superficialis (der von der 1. und 2. Sternalrippe komme) wenig 
Wabhrscheinlichkeit hat. 

2) Osawa halt es fiir naturgemif, die beiden Schichten als 
2 Muskeln zu unterscheiden und die tiefe besonders zu benennen, 
weil sie von der oberflachlichen sehr leicht und deutlich abzu- 
priparieren sei. Das ist Geschmackssache, aber kaum ein Fort- 
schritt. Jedenfalls wird mit der Einfiihrung einer besonderen — 
zudem wenig markanten — Bezeichnung der genetische Zusammen- 
hang beider Schichten sehr geldst. 


468 Max Fiirbringer, 


Die oberflachliche Schicht (lsprf;)) ist die schwachere 
und minder kompakte und besteht aus 2—2 diinnen, annadhernd 
gleich grofen Zacken, welche von den Spitzen der Rippen des 
6. und 7. resp. 5., 6. und 7. Wirbels entspringen und, ohne zu- 
sammenzuflieBen, nach oben und vorn an die Innenfliche des 
knorpeligen Suprascapulare gehen, an dessen vorderen ?/, sie im 
Bereiche des knappen 2. vertikalen '/, (vom dorsalen Rande des 
Suprascapulare ab gerechnet) inserieren. 

Die tiefe Schicht (Ilsprfy)”) ist ausgebreiteter und kraf- 
tiger und beginnt von den Rippen der 5 bis 6 letzten Halswirbel 
(des 4. bis 8. resp. 3. bis 8. Wirbels) oberhalb der Enden der- 
selben, am letzten in der Hohe des Proc. uncinatus. Die getrennt 
entspringenden Zacken schliefen sich, konvergierend, zu einem ein- 
heitlichen Muskel zusammen, der in der Hauptsache in transver- 
saler Richtung an die Innenfliche des knorpeligen Suprascapulare 
geht, wo er an den vorderen °/, oder annihernd der ganzen 
sagittalen Breite desselben im Bereiche seines dorsalen 1/, (exkl. 
Dorsalsaum), dorsal von der oberflachlichen Schicht sich anheftet. 


Innerviert von Nn. thoracici superiores, welche von dem 
5. bis 8. resp. 4. bis 8. Spinalnerven abgegeben werden (N./sprf). 
Der von N. spinalis IV. kommende Zweig ist, wenn vorhanden, 
stets sehr unbedeutend. Die oberflichliche Schicht wird von 
den Nn. spinales VI. und VII. (N./sprf;), die tiefe von (IV.), V., 
VI., VU. und VIII. (NV.lsprfin) versorgt *). 


Der gleichnamigen Bildung der Lacertilier und mehr noch 
der Crocodile nahestehend. Auch hier weisen die individuellen 
Variierungen auf eine grofe Fliissigkeit in dem metamerischen 
Umbildungsprozef hin. 


1) Osawa’s No. 7; nach demselben aber von den 2 unteren 
Halsrippen und der 1. Brustrippe (also den Rippen des 7. bis 
9. Wirbels) entspringend und nahe der Grenze der knéchernen 
Scapula an die knorpelige Scapula sich ansetzend, was beides zu 
meinen Befunden im Widerspruche steht. 

2) Osawa’s No. 8 (Collo-scapularis), nach diesem Autor nur 
von den 4 letzten Halsrippen (Rippen des 5. bis 8. Wirbels) ent- 
springend. Die erste resp. die beiden ersten Zacken werden von 
Osawa nicht angegeben. 

3) Nach Osawa wird die oberflichliche Schicht vom 6. und 
7., die tiefe vom 5. und 6. Spinalnerven aus versorgt. Hierbei 
wurde offenbar die Innervation der hintersten Zacken der tiefen 
Schicht iibersehen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 469 


5. Sterno-coracoideus internus superficialis und Sterno-coracoideus 
internus profundus‘') (stcispf und stciprf). 


Sterno-coracoideus internus superficialis und 
Sterno-coracoideus internus profundus: Firsrincer. 

Sterno-coracoideus internus superficialis Fwir- 
BRINGER und Sterno-coracoideus internus profun- 
dus FUrpringer, sowie Costo-coracoideus: Osawa (No. 9 
und 10, sowie No. 6). 


Das System der Mm. sterno-coracoidei wird bei Sphenodon 
durch zwei vollkommen voneinander gesonderte Muskeln repra- 
sentiert. 

M. sterno-coracoideus internus superficialis 
(steispf). Kurzer, aber ziemlich breiter und dicker Muskel, der 
fleischig von der Innenflache des vorderen Sternalbereiches (Innen- 
flache in der ganzen Ausdehnung des Labium internum sulci 
coracoidei) und — nicht immer — von dem mit dem Sternum 
artikulierenden medialen Abschnitte des 1. Sternocostale ent- 
springt?), innen tiber das breite Sterno-Coracoidal-Gelenk hinweg- 
zieht und fleischig an den medialen 2/, der dem Gelenk benach- 
barten Innenflaiche des Coracoides, medial neben dem von den Mm. 
sterno-coracoileus internus profundus und subcoracoideus einge- 
nommenen Bereiche inseriert. 

M. sterno-coracoideus internus profundus (sétciprf). 
Langer und breiter, aber nicht dicker Muskel, der fleischig von 
der Innenfliche der hinteren Halfte des Sternum bis zum Rande 
(hierbei auch mit den Mm. intercostales verbunden) und medial an 
den Muskel der Gegenseite angrenzend, entspringt und sich ver- 
schmalernd nach vorn zieht, um an der Grenze von Sternum und 
Coracoid in eine platte und ziemlich diinne Sehne iiberzugehen, 


1) Von Maurer auf p. 200 und auf Tafel III, Fig. 12 gut 
beschrieben und abgebildet, aber nicht benannt. Beide werden dem 
prasternalen Rectus-System zugerechnet. Der M. sterno-coracoideus 
internus superficialis ist mit x, der M. sterno-coracoideus internus 
profundus mit z bezeichnet. Letzterer nimmt zum Teil Fasern aus 
dem ventralen Ende des M. intercostalis externus und internus auf. 

2) Osawa unterscheidet den vom Sternum kommenden Haupt- 
teil als Sterno-coracoideus internus superficialis und die von dem 
Sternocostale kommenden Fasern als Costo-coracoideus. Letztere 
scheinen bei dem von ihm untersuchten Exemplare eine weit gréfere 
Entfaltung und Selbstandigkeit gehabt zu haben als bei den 
meinigen. 


470 Max Firbringer, 


welche, innen an dem M. sterno-coracoideus internus superficialis 
vorbeiziehend, zur Innenflache des Coracoides gelangt, wo sie 
zwischen den Mm. sterno-coracoideus, lateral und rostral von 
ersterem, etwa an der Grenze des medialen und mittleren 1/, der 
transversalen Coracoidbreite und in der Mitte der sagittalen Cora- 
coidlinge inseriert. 

Innerviert von dem gleichnamigen, von den Nn. spinales 
VI. und VIII. oder VIL, VIII. und IX. (wobei der N. spinalis 
VIII. stets den tiberwiegenden Hauptanteil bildet)') abgegebenen 
Nerven (N.stcz), der von dem M. sternocosto-scapularis gedeckt, 
nach den Mm. sterno-coracoidei interni zieht und sich derart 
zwischen beide einsenkt, daf der M. sterno-coracoideus internus 
superficialis von seiner Innenseite her, der M. sterno-coracoideus 
internus profundus von seiner AuSenseite her mit Zweigen 
(N.stcispf, N.stciprf) versorgt werden. 


Beide Muskeln gleichen in der Hauptsache den gleichnamigen 
Bildungen der hodheren Lacertilier; der M. sterno-coracoideus 
internus superficialis zeigt in seinem auch zum Teil von dem 
1. Sternocostale kommenden Ursprunge Aehnlichkeit mit Varanus. 
Zu dem M. costo-coracoideus der Crocodilier (denen specifische Mm. 
sterno-coracoidei interni bekanntlich abgehen) bestehen nur ent- 
fernte Beziehungen. 

Die Sterno-coracoidei interni gehéren, wie bereits MAURER 
(1896) gezeigt hat, zum prasternalen Rectus-System (vergl. auch 
p. 410 und Anm. 1 auf p. 469). 


6. Sternocosto-scapularis (Costo-coracoideus) ”) (sécsc). 


Sternocosto-scapularis (Costo-coracoideus): Fwtr- 
BRINGER. 
Costo-sterno-scapularis: Osawa (No. 5). 


Kleiner und schlanker Muskel, der ziemlich frei in der Brust- 
hohle, dorsal von dem Plexus brachialis und den von ihm ab- 
gehenden Nerven ausgespannt ist. Er entspringt von der lateralen 


1) Nach Osawa nur von VIII. Ich will nicht bestreiten, daf 
auch eine derartige einfache Bildung vorkommen kann. 

2) Von Maurer auf p. 200 und 201 und Taf. III, Fig. 12 
unter der Bezeichnung z' beschrieben und abgebildet. Er verhalte 
sich wie eine direkte Fortsetzung der den Mm. intercostales ext. 
und int. gleichwertigen Mm. intercostales ventrales nach vorn. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 471 


Halfte des 1. Sternocostale (knapp bis zur Grenze mit dem Vertebro- 
costale) und geht in longitudinaler Richtung und sich etwas ver- 
schmalernd nach vorn, um sich in der Hoéhe des Sterno-Coracoid- 
Gelenkes spitzwinkelig (in der Richtung nach der Scapula zu) an 
die Sehnenbriicke (Ligamentum sterno-scapulare in- 
ternum, JL.stsci) anzusetzen, welche von der Innenfliche des 
Sternum (Labium internum des Sulcus coracoideus, dicht medial 
neben der Mitte des Ursprunges des M. sterno-coracoideus internus 
superficialis) nach der Innenfliche der Scapula (caudal hinter dem 
Ursprung des M. omo-hyoideus, dorso-rostral vor dem Schulter- 
gelenk und zwischen dem coracoidalen und scapularen Ursprung 
des M. subcoracoscapularis resp. rostral vor dem scapularen und 
lateral von dem coracoidalen Kopfe dieses Muskels) ausgespannt 
ist und zugleich durch eine seitliche Sehnenausbreitung (coracoi dale 
Ankerung) mit dem Coracoid (gleich medial neben dem Schulter- 
gelenk) verbunden ist !). 

Innerviert von dem gleichnamigen Nerven (NV.s¢esc), der 

von dem 8. und 9. Spinalnerven gebildet wird ”). 

Der M. sternocosto-scapularis gleicht in der Hauptsache dem 
gleichnamigen Muskel der Lacertilier und unterscheidet sich nur 
unwesentlich von ibm durch die etwas geringere, auf den lateralen 
Bereich des 1. Sternocostale beschrankte Breite des Ursprunges °). 
Auch hinsichtlich des noch bei den Végein nachweisbaren Lig. 
sterno-scapulare internum besteht grofe Uebereinstimmung mit den 
héheren Lacertiliern. Zu dem M. costo-coracoideus der Crocodilier 
existieren gewisse, aber viel weniger nahe Beziehungen. 

Wie Maurer (1896) bereits hervorgehoben, bildet der M. sterno- 
costo-scapularis eine Fortsetzung der Mm. intercostales nach vorn 
(vergl. auch p. 413 und Anm. 2 auf p. 470). 


7. Pectoralis (p). 


Pectoralis major: GinruHpr (mit hinder portion und clavi- 
cular portion), Maurer (Text). 


1) Osawa erwahnt diesen Verband mit dem Coracoid nicht. 

2) Nach Osawa von dem vom 9. Spinalnerven abgegebenen 
gleichnamigen Nerven versorsgt. 

3) Eine gewisse Abweichung bietet die Lage zu dem N. sterno- 
eoracoideus dar. Bei Lacerta zog dieser Nery abweichend von den 
iibrigen Plexusnerven dorsal vom M. sternocostoscapularis zu seinen 
Muskeln, bei Sphenodon gleich den anderen Nerven des Plexus 
ventral von diesem Muskel weiter. 


Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 31 


A472 Max Firbringer, 


Pectoralis: Firprincer, Maurer (Tafelerklarung). 
Pectoralis (mit 4 Portionen: claviculare, episternale, sternale 
und abdominale Portion): Osawa (No. 11). 


Sehr ausgedehnter und michtiger Muskel, welcher die ganze 
Ventralfliche der Brust und die vordere Halfte des Bauches ein- 
nimmt und in seiner vorderen Hauptausbreitung direkt unter der 
Haut liegt, waihrend die kleinere hintere Partie von dem M. 
obliquus abdominis externus superficialis gedeckt wird. 

Er entspringt, von vorn nach hinten verfolgt, 1) von dem 
Episternum (Pars episternalis, pe), und zwar von der ganzen 
Linge des Querschenkels‘) wie Lingsschenkels, wobei aber in der 
Mitte ein schmaler Vordersaum des ersteren und ein schmaler 
Medianstreif des letzteren (der also zwischen dem rechten und 
linken M. pectoralis direkt unter der Haut zu Tage tritt) frei 
bleibt, 2) von dem angrenzenden ‘Teile des Sternum (Pars 
sternalis, pst), und zwar im hinteren Bereiche desselben in 
gréBerer Breite, mit Ausnahme des caudalen Saumes des Brust- 
beines, und 3) von dem lateralen Rande des Parasternum (Pars 
parasternalis s. abdominalis, pa) im Bereiche der ersten 
16 bis 17 Knochenspangen desselben. Dieser letzte abdominale 
Teil bildet die hinteren */, der ganzen Linge des Muskels, wird 
groBtenteils von dem M. obliquus abdominis externus superficialis 
gedeckt, deckt seinerseits den ventralen Bereich des M. obliquus 
abdominis externus profundus?), mit dem er zugleich etwas ver- 
wachsen ist, und steht zugleich mit dem im ganzen Gebiete des 
Parasternum erstreckten M. rectus abdominis in Verbindung. Die 
vorderen Partien des M. pectoralis decken die Mm. deltoides 
clavicularis, supracoracoideus, biceps brachii und coraco-brachialis, 
sowie den gréferen hinteren Teil der Membrana sterno-episternalis. 


1) Osawa unterscheidet noch eine von der auferen Fliche der 
Clavicula kommende claviculaire Portion. Ich habe bei genau darauf 
gerichteter Untersuchung gefunden, daf der Ursprung sich auf die 
Querschenkel des Episternum beschrinkt und nicht auf die den- 
selben vorn anliegenden Clavikeln tibergreift. Nur in einem Falle 
sah ich, in lateraler Verlingerung der Spitzen des episternalen 
Seitenschenkels, einige ganz wenige Fasern auch von der angrenzen- 
den Stelle der Clavicula ausgehen; die Bezeichnung einer be- 
sonderen clavicularen Portion verdienten sie nicht. 

2) Diese Lage zwischen dem oberflichlichen und tiefen M. 
obliquus abdominis externus und die sonstigen Beziehungen zur 
Bauchmuskulatur werden auch von Maurer gut beschrieben und 
abgebildet (p. 193, Taf. III, Fig. 12). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 473 


Von diesem sehr ausgedehnten Ursprunge konvergieren die 
Fasern derart, daf die P. episternalis vorn descendent, hinten trans- 
versal und die Pp. sternalis und abdominalis ascendent bis longi- 
tudinal verlaufen, so daS die Hauptmasse des Muskels lateralwiirts 
und nach vorn gerichtet ist, und enden kraftig an der Ventral- 
flache des michtigen Proc. lateralis humeri, die sie ganz um- 
fassen. 

Innerviert durch den N. pectoralis (N.p), der mit einem 
stiirkeren vorderen (V.p[e + s¢|), in der Hauptsache fiir die beiden 
ersten Portionen bestimmten und einem mehr oder minder 
schwiicheren hinteren (N.pa), namentlich zur dritten Portion 
gehenden Zweigkomplexe in die Innenflache des Muskels eintritt. 

Der Muskel ist ein Homologon der gleichnamigen Bildungen 
der Lacertilier und Crocodilier, nimmt aber gegeniiber diesen durch 
die Beziehungen des hinteren Teiles zu dem Parasternum eine 
bemerkenswerte Stellung ein. Diese Beziehungen sind, entsprechend 
der Abstammung des Parasternum aus dem Integumente, als 
sekundir erworbene aufzufassen: in dem Male, als die para- 
sternalen Gebilde sich tiefer einsenkten und unter die Haut ge- 
langten, entwickelte sich successive der Verband mit dem M. 
pectoralis und den anderen an ihnen Befestigung gewinnenden 
Bauchmuskeln. Aehnliche Verhaltnisse haben vielleicht auch die 
Ichthyopterygier, Sauropterygier und gewisse alte Crocodilier und 
Dinosaurier mit hoch entfaltetem Parasternum dargeboten; die 
neueren Crocodilier mit ihren rudimentiaren Parasternalien zeigen 
nichts mehr davon‘). Doch ist hier der ausschlieSlich von der 
Innenfliiche des Brustschildes (Plastron) entspringende M. pecto- 
ralis der Chelonier (vergl. ,,Zur vergleichenden Anatomie der 
Schultermuskeln“, II, Jenaische Zeitschrift, VIII, p. 251 f., Jena 
1874) anzureihen, insofern die demselben hier Ursprung gebende 
Flache mit gréfter Wahrscheinlichkeit von primitiven episternalen 
und parasternalen Skelettelementen des Integumentes abstammt. 


1) Ein mittelbarer, sehniger (fascidser) Zusammenhang mit den 
beiden ersten Parasternalien wurde bei einem 50 cm langen Exem- 
plare von Alligator lucius beobachtet, bei anderen untersuchten 
Individuen nicht (siehe unten sub M. pectoralis der Crocodilier). Ich 
wage daraufhin nicht zu entscheiden, ob dieser Verband als Rudi- 
ment Alterer intimerer Beziehungen zwischen M. pectoralis und 
Parasternum der Crocodilier aufzufassen sei, oder ob er einen mehr 
sekundaren Befund bedeutet. — Bei den Lacertiliern sind sichere 
parasternale Gebilde bisher nicht bekannt geworden. 


3 


474 Max Firbringer, 


Die Ausbildung desselben ist aber bei den Cheloniern recht ab- 
weichende Wege von jener bei den Rhynchocephaliern gegangen, 
so daS hier nur von ganz allgemeinen und inkompleten Homo- 
logien gesprochen werden kann. Ob die Vorfahren der Lacertilier 
auch einstmals ein Parasternum zur Entwickelung brachten, von 
dem der hintere Teil ihres M. pectoralis partiellen Ursprung nahm, 
kann zur Zeit nur als Frage aufgeworfen werden. Im _ iibrigen 
stellt der M. pectoralis von Sphenodon mit seinem hoch aus- 
gebildeten Ursprunge vom Episternum eine Bildung dar, welche 
derjenigen der am héchsten stehenden Lacertilier mindestens gleich- 
kommt. 


8. Supracoracoideus (spc). 


Vorderer \Teil. der Anterior Portion of: the Coraco-— 
brachialis: Gtnruer. 

Supracoracoideus: FURBRINGER. 

Vorderer Teil des Epicoraco-humeral: Newman. 

Wahrscheinlich oberflachliche Portion und Teil der 


tiefen Portion des M. supracoracoideus FURBRINGER: 
Osawa (No. 14). 


Ganz ansehnlicher, vorn von dem M. deltoides clavicularis, 
hinten von dem M. pectoralis und medial von der Membrana 
sterno-episternalis (JZ.stest) gedeckter Muskel im vorderen Be- 
reiche der Brust, der seinerseits wieder die benachbarten Saume 
des dorsal von ihm befindlichen M. scapulo-humeralis profundus 
anterior und der caudal hinter ihm gelegenen Mm. biceps brachii 
(ganz geringe Bedeckung) und coraco-brachialis brevis deckt. Er 
ist hierbei mit diesen Muskeln verwachsen, mit dem M. coraco- 
brachialis brevis so innig, dafs’ eine Scheidung beider nur unter 
Beriicksichtigung der Innervation (M. supracoracoideus durch den 
diazonalen, M. coraco-brachialis brevis durch den postzonalen ent- 
sprechenden Nerven) méglich ist. Von der gemeinsamen Muskel- 
masse des M. supracoracoideus -+ coraco-brachialis brevis bildet 
er somit die vordere, meist etwas kleinere Hilfte. 

Er entspringt von der vorderen Hilfte der coracoidalen Aufen- 
fliche mit Ausnahme einer dorsal an die Scapula angrenzenden 
Strecke derselben (welche dem M. scapulo-humeralis prof. anterior 
als Ursprungsstelle dient) und einer medialen (von welcher der 
M. biceps brachii beginnt) und geht mit transversalen bis. de- 
scendenten und etwas konvergierenden Fasern teils an den Anfang 
des Proc. lateralis humeri (Tuberculum laterale), teils an die 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 475 


humeralen 2/; des vom Acromion zu dem Proc. lateralis humeri 
ausgespannten und den M. scapulo-humeralis prof. anterior tiber- 
briickenden kraftigen Fascienzuges (Lig. scapulo-humerale laterale)*) ; 
der an den Knochen inserierende Teil ist etwas starker als der 
am Bande endende. 

Innerviert durch den diazonalen N. supracoracoideus 

(N.spe). 

Der M. supracoracoideus von Sphenodon entspricht dem 
gleichnamigen Muskel der Lacertilier —- und zwar diesem mehr 
als dem der Crocodilier — zeigt jedoch nicht die ansehnliche Ent- 
wickelung wie bei der Mehrzahl der Lacertilier. Charakteristisch 
ist die vollkommene Vereinigung mit dem M. coraco-brachialis 
brevis, die beide Muskeln ohne genauere Beriicksichtigung der 
Innervation irrtiimlich als einen einzigen erscheinen laft?); doch 
finden sich ahnliche Verbinde beider Muskeln auch schon bei den 
Lacertiliern, bieten somit nichts Unvermitteltes dar. Mit den bis- 
her gegebenen Materialien ist nicht zu entscheiden, ob dieser 
intime Verband beider Muskeln bei Sphenodon als etwas Primi- 
tives (noch nicht vollzogene Sonderung) oder etwas Sekundares 
(spitere Verschmelzung friiher getrennter Muskeln) zu _beurteilen 
sei. Ich neige dazu, der ersteren Auffassung den Vorzug zu 
geben. — Die Insertion an dem aus Fascienziigen zu einer ziem- 
lich ansehnlichen Starke herausgebildeten Lig. scapulo-humerale 
laterale reprasentiert einen sekundiren Charakter, der in dieser 
Ausbildung fiir Sphenodon specifisch zu sein scheint und die An- 
heftungsfliche des im iibrigen durch seine Nachbarmuskeln be- 
eintrichtigten M. supracoracoideus dieses Tieres ausgiebiger ge- 
staltet; Andeutungen dieses Verhaltnisses finden sich aber auch 
schon bei gewissen Lacertiliern (p. 418). 


9. Coraco-brachialis brevis (cbrb) und Coraco-brachialis 
longus (cbr). 


Coraco-brachialis brevis: 


Hinterer Teil der Anterior Portion of the Coraco- 
brachialis: GUNTHER. 


1) Der Insertion an dem Lig. scapulo-humerale laterale thut 
kein Autor Erwahnung; ich vermifte sie niemals. 

2) Gonrner, Newman und Osawa haben auch beide Muskeln 
als einheitliches Gebilde beschrieben, wobei indessen Osawa die 
doppelte Innervation nicht entging. 


476 Max Fiirbringer., 


Coraco-brachialis brevis: FURBRINGER. 
Teil der tieferen Portion des Supracoracoideus 
FURBRINGER: Osawa (No. 14). 


Coraco-brachialis longus: 


Inferior Portion of the Coraco-brachialis: Gtnruer. 
Coraco-brachialis longus: FURBRINGER. 
Coraco-brachialis: Newman, Osawa (No. 15). 


Ansehnliche, von den Mm. pectoralis, supracoracoideus und 
biceps brachii bedeckte und mit dem M. supracoracoideus innig 
verschmolzene Muskelmasse, welche, wenn auch nicht vollkommen, 
in die beiden Mm. coraco-brachialis brevis und longus gesondert. 
Ist); 

M. coraco-brachialis brevis (cbrb). Recht ansehn- 
licher, dicker und breiter, aber miig langer Muskel, welcher, wie 
schon erwahnt, vollkommen mit dem M. supracoracoideus (s. auch 
diesen p. 474) verwachsen ist. Er entspringt fleischig von der 
Aufenfliche der hinteren Hialfte des Coracoides (mit Ausnahme 
der medial von dem Ursprunge des M. biceps brachii und caudal 
von dem des M. coraco-brachialis longus eingenommenen Stellen) 
und verlauft, bedeckt von dem M. biceps brachii und direkt auf 
dem Schultergelenke liegend, nach der Beugeflache des Humerus, 
wo er, zwischen Proc. lateralis und medialis mit schriger Grenz- 
linie bis tiber die Mitte des Humerus hinabreichend, inseriert. 

M. coraco-brachialis longus (ebrl). Ziemlich ansehn- 
licher, schlanker Muskel, der, dem M. coraco-brachialis brevis dicht 
angeschlossen, von der hinteren Ecke des Coracoides sehnig-mus- 
kulés entspringt und darauf, sich deutlicher von seinem Nachbar 
sondernd, im Bereiche des Oberarmes auch durch den N. brachialis 
longus inferior lateralis und die zu den Mm. biceps brachii und 
brachialis inferior gehenden Nn. bicipitis distalis und brachialis in- 
ferior von ihm getrennt, an der Medialfliche des Humerus distal- 
warts verlauft und schlieflich an dem 4. und 5. Sechstel des- 
selben, proximal vom Epicondylus medialis”), namentlich aber an 
der den Canalis nervi mediani (entepicondyloideus) medial be- 
erenzenden Spange endet. Ueber die einmal beobachtete, zum 
M. biceps gehende Aberration s. bei diesem (p. 478). 


1) Osawa findet den Grad der Sonderung beider Muskeln 
individuell verschieden, womit ich iibereinstimme. 

2) Von Newman wohl infolge Schreibfehlers als External 
Condyle angegeben. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 477 


Innerviert durch die zumeist an der Innenseite (dem 
Knochen zugekehrten Unterfliche) der Muskeln eintretenden 
Nn. coraco-brachialis proximalis et distalis (N.cbrpz und N.cbrdi). 

Beide Muskeln entsprechen den gleichnamigen der Lacertilier 

und gehéren zusammen, was durch die Innervation und auch 
durch das Verhalten der zwischen ihnen durchtretenden Rr. mus- 
culares (teilweise Homologa des N. perforans Casseri der mensch- 
lichen Anatomie) bestiatigt wird. Dal trotz der intimen Ver- 
wachsung mit dem M. supracoracoideus die von GUNTHER, NEWMAN 
und Osawa angegebene Zugehérigkeit zu diesem Muskel nicht 
angenommen werden darf, wurde bereits oben (p. 475) dargethan. 


10. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis) (07). 


The inner Muscle of the Biceps brachii (Homologon 
des Caput breve des menschlichen Biceps): Ginruer. 

Coraco-antebrachialis (Biceps brachii, Homologon 
des Caput longum des menschlichen Biceps): Firerrerr. 

Zweiter Kopf des Biceps brachii: Newman. 

Portion coracoidienne du long chef du Biceps 
humain: SABATIER. 

Coraco-antebrachialis Ftrpringer, Biceps brachii 
GinTHER: Osawa (No. 19). 


Ansehnlicher, zweibiuchiger Muskel an der Ventralseite des 
Schultergiirtels und Oberarmes, der in seinem proximalen Bereiche 
von dem M. pectoralis und der Membrana sterno-episternalis ge- 
deckt wird, vorn und lateral an den M. supracoracoideus angrenzt 
(wobei er von dessen hinterem Saume ganz wenig gedeckt sein 
kann) und den Mm. coraco-brachialis und  brachialis inferior 
aufliegt. 

Der proximale Muskelbauch (bz) entspringt von dem 
sagittalen mittleren 1/, der AuSenflache des Coracoides, medial 
neben den Urspriingen der Mm. supracoracoideus und coraco- 
brachialis brevis, wobei er namentlich mit dem ersteren ziemlich 
’ ausgedehnt verwachsen ist, und verliuft als breiter, aber miibig 
dicker Muskel auf dem M. coraco-brachialis brevis bis zum Niveau 
des Schultergelenkes, wo er in die ziemlich breite, aber recht 
dinne Zwischensehne (Zwischenaponeurose) tibergeht, die sich 
in der Hohe des Proc. lateralis humeri in den distalen Muskel- 
bauch (bt) fortsetzt. Dieser bildet einen rundlichen und 
ziemlich kraftigen Muskel, welcher, sich successive verjiingend, an 
der Beugeseite des Oberarmes in der von den Mm. brachialis in- 


478 Max Fiirbringer, 


ferior und coraco-brachialis longus gebildeten Rinne distalwirts 
zieht und in der Gegend des Ellenbogengelenkes, mehr und mehr 
sehnig werdend sich mit dem M. brachialis inferior verbindet, um 
gemeinsam mit ihm in die Tiefe der Beuge- und Streckmuskeln am 
Anfange des Vorderarmes sich einzusenken und mit zwei Sehnen- 
zipfeln am proximalen Bereiche von Radius und Ulna zu enden}). 

Einmal fand sich ein feiner, von dem M. coraco-bra- 
chialis longus sich ablésender und somit von der hinteren 
Ecke des Coracoides ausgehender Muskelstreifen, welcher 
den distalen Muskelbauch des Biceps brachii an seiner medialen 
Seite begleitete und schliefSlich im distalen Bereiche des Oberarmes 
sich mit ihm verband (Caput breve m. bicipitis). 

Innerviert durch zwei Nerven, von denen der erste, etwas 

schwachere (N. bicipitis proximalis, N.bipx) durch deu M. coraco- 
brachialis brevis hindurch an die diesem Muskel zugekehrte 
Innenflache des proximalen Bauches tritt, wihrend der zweite, 
etwas stirkere (N. bicipitis distalis, N.bédi), durch den Schlitz 
zwischen M. coraco-brachialis brevis und longus durchtretend, 
mit mehreren Zweigen an die Innenfliche des distalen Bauches 
gelangt und diesen versorgt. 

Der M. biceps brachii von Sphenodon entspricht dem gleich- 
namigen Muskel der Lacertilier, namentlich derjenigen Bildung, die 
einen gut ausgebildeten, rein muskulésen proximalen Muskelbauch 
aufweist (Geckonidae, viele Scincidae, Zonosaurus). Bereits 1875 
(p. 724) wurde von mir an dem Muskel von Tarentola (Platy- 
dactylus) dargethan, dafi damit ein sehr urspriingliches Verhalten 
(primitiver als das Verhalten bei den meisten anderen Lacertiliern) 
gegeben sei; dasselbe gilt somit auch fiir Sphenodon (vergl. auch 
p. 422 f.). 

Dafi der M. biceps der Lacertilier dem Caput longum des 
menschlichen Biceps entspreche, habe ich auch damals (p. 726, 
727) ausgefiihrt und halte diese Homologie auch fiir den Muskel 
von Sphenodon gegentiber den anders lautenden Deutungen von 
GUNTHER und Newman aufrecht; diese Autoren wurden sehr ge- 
tiuscht, indem sie ganz anderswohin gehodrende Bildungen 
(M. humero-radialis und Lig. acromio-humerale) mit dem Caput 
longum des Biceps hominis verglichen und danach zur Homologi- 


1) Ginrner und Newman geben irrtiimlich nur eine Insertion 
an der Ulna an; Osawa beschreibt richtig, daf die Endsehne an 
Radius und Ulna sich ansetzt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 479 


sierung des wirklichen Biceps brachii von Sphenodon mit dem 
Caput breve bicipitis hominis gelangten'). SaBaTipr (p. 262) 
folgte mir in der Vergleichung mit dem langen Kopfe des Menschen, 
erblickte aber in dem vorliegenden Muskel von Sphenodon nur 
das Homologon des coracoidalen Anteiles desselben, welche Deu- 
tung mir zu eng gezogen erscheint und den freien, lebendigen 
Muskelbildungen eine zu starre Begrenzung zuerteilt (siehe auch 
p. 424 f.). 

Das wahre Homologon des Caput breve des menschlichen 
Biceps brachii vermifte ich bei den Cheloniern, Lacertiliern 
und Crocodiliern und gab an (1875 p. 727), dab es erst bei den 
Saugetieren zu der Bildung desselben — als einer sich mit dem 
alten Caput longum bicipitis verbindenden neuen Aberration des 
M. coraco-brachialis — kommt. In dieser Hinsicht ist der oben 
beschriebene, bisher von mir nur als einmalige Varietit beobachtete 
Befund des von dem M. coraco-brachialis longus sich ablésenden 
und mit der Medialseite des M. biceps sich verbindenden feinen 
Muskelstreifens von grofem Interesse, insofern er bereits bei Sp he - 
nodon, also innerhalb der Sauropsiden, die erste 
Ausbildung eines Caput breve bicipitis zur Erschei- 
nung bringt. In diesem sporadischen Falle kann von einem wirk- 
lich zweiképfigen Biceps mit machtigem Caput longum und zartem 
Caput breve auch bei Sphenodon gesprochen werden. Es liegt 
mir aber fern, damit behaupten zu wollen, da Sphenodon sich 
in diesem Stiicke als direkter Verwandter der Saéugetiere erweise ; 
vielmehr handelt es sich um eine vereinzelte Parallele zu dem 
bei den Mammalia zu allgemeinerer Verbreitung gelangten Bil- 
dungsprozesse. 


11. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior) (077). 


Brachialis internus: GUNTHER. 

Humero-antebrachialis inferior (Brachialis infe- 
rior): FiRBRINGER. 

Humero-antibrachialis: Osawa (No. 20). 


1) Die mir damals unverstiindliche Beschreibung Gtnrner’s 
(vergl. meine Rekapitulation, 1875, p. 724, Anm. 3) ist mir jetzt, 
nachdem ich Sphenodon selbst untersucht, anschaulich und seine 
Deutung zugleich unannehmbar geworden (Weiteres s. unten bei M. 
humero-radialis). 


480 Max Firbringer, 


Ganz kriftiger, an der Beuge- und Lateralflache des Ober- 
armes gelegener Muskel, der ventral von dem distalen Bauche des 
M. biceps brachii, lateral zum Teil (an seinem dorsalen Saume) 
von dem M. humero-radialis gedeckt wird, dorsal an den M. an- 
conaeus humeralis lateralis angrenzt, im tibrigen aber, namentlich 
mit dem griften Teile seiner Lateralflache, frei unter der Haut liegt. 

Er entspringt von dem 2. bis 4. Fiinftel der Lateral- und 
Ventralfliche des Humerus, wobei er zugleich lateral ziemlich 
weit auf die laterale Fliche des Proc. lateralis humeri hinaufgreift, 
und verliuft unter mafiger Verjiingung distalwarts, um sich in 
der Hohe des Ellenbogengelenkes mit dem hier medial neben ihm 
gelegenen M. biceps brachii zu vereinigen. Die gemeinsame Masse 
senkt sich zwischen Extensoren und Flexoren in die Tiefe der 
Vorderarmmuskulatur ein, setzt sich zum Teil an den ventralen 
Bereich der Kapsel des Ellenbogengelenkes an (hierbei ist der 
vom M. brachialis inferior stammende Anteil ganz tiberwiegend, 
wenn nicht ausschlieSlich beteiligt) und geht endlich in zwei kraf- 
tige Sehnenzipfel iiber, von denen der kiirzere an dem Anfange 
des Radius, der etwas langere an der entsprechenden Stelle der 
Ulna inseriert. Da, wo der Muskel an den Extensoren des Vorder- 
armes vorbeizieht, findet sich eine mitunter leidlich feste binde- 
sewebige Verbindung mit dem M. brachio-radialis (supinator), die 
sich jedoch nicht zum Range einer Ankerung erhebt; von einer Art 
Insertion an diesem Muskel kann aber keine Rede sein. 

Innerviert von dem N. brachialis inferioris (N.bri), der, 

nachdem er mit dem N. bicipitis zwischen den Mm. coraco- 
brachiales brevis und longus durchgetreten, mit mehreren Zweigen 
sich in die Oberflache seines Muskels einsenkt. 

Die Homologie mit dem gleichnamigen Muskel der Lacertilier 
und Crocodilier ist nicht zweifelhaft. Der von Osawa gewihlte 
Zusatz ,medialis“ erscheint mir nicht gliicklich, weil damit der 
M. brachialis inferior zum Socius des zu einem ganz anderen 
Systeme gehérenden M. humero-radialis (M. humero-antibrachialis 
lateralis OsAwA) gemacht wird — ein Irrtum, der schon 1866 
Hauauton bei der Beschreibung der Muskeln des Crocodiles 
passierte. 

12. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) (/.d). 
Latissimus dorsi: GUNTHER. 


Dorso-humeralis (Latissimus dorsi): FURBRINGER. 
Latissimus dorsi s. Dorso-humeralis: Osawa (No. 2). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 481 


Sehr breiter und ausgedehnter, aber malig starker Muskel an 
der dorsalen Lateralfliche des Rumpfes, der nur an seiner dorso- 
rostralen Ecke yon dem caudalen Ende des M. trapezius gedeckt 
wird, wobei er mit ihm verwachsen ist, im tibrigen aber direkt 
unter der Haut liegt. 

Er entspringt in bedeutender Lange aponeurotisch von den 
Proc. spinosi der 3 letzten Hals- und 9 ersten Dorsalwirbel (6. 
bis 17. Wirbel) +), wobei die Ursprungsapeneurose in dem Bereiche 
des 6. und 7. Wirbels bald in den Muskelbauch tibergeht, in dem 
darauf folgenden Hauptteile des Muskels aber erheblich langer ist 
und hier auch ziemlich feste Verbindungen mit den von ihr be- 
deckten Teilen (Riickenmuskeln mit ihren Fascien) aufweist. Von 
dem Ursprungsteile aus konvergieren die Muskelfasern sehr erheb- 
lich, wobei die vordersten in transversal-descendenter, die hinter- 
sten in longitudinal-ascendenter Richtung verlaufen, und bilden 
einen dreieckigen Muskel, dessen ziemlich schmaler, sehnig-mus- 
kulés gewordener Insertionsteil zwischen den lateral vorbeiziehenden 
Capita scapulare (insbesondere seiner humeralen Ankerung) und 
humerale laterale m. anconaei und den medial befindlichen Capita 
coracoideum und humerale mediale m. anconaei sowie dem M. 
scapulo-humeralis profundus anterior sich in die Tiefe der Streck- 
seite des Oberarmes einsenkt und hier etwa im Bereiche des 
3. Achtels des Oberarmes zwischen dem lateral gelegenen Ursprung 
des M. anconaecus humeralis lateralis und der proximo - medial 
befindlichen Insertion des M. scapulo-humeralis prof. anterior 
mit kurzer und maig schmaler Sehne sich an den Humerus 
ansetzt. 

Innerviert durch den gleichnamigen Nerven (N./d, der 
auch durch zwei selbstaindige Nn. latissimi vertreten sein kann) ”), 
der, von vorn und unten nach hinten und oben verlaufend, den 
Muskel mit zahlreichen in seine Innenfliche eindringenden 
Zweigen versorgt. 

Der M. latissimus dorsi von Sphenodon entspricht der gleich- 
namigen Bildung der Lacertilier und teilt auch mit der Mehrzahl 
derselben die mangelnden Beziehungen zu einem M. teres major, 
der hier wie dort in Riickbildung getreten ist. 


1) Osawa fand annahernd das Gleiche (Urspung von den Proc. 
spinosi des 5. bis 17. Wirbels). 

2) Auch Osawa thut des einfachen oder doppelten Ursprunges 
der Nn. latissimi dorsi Erwihnung. Haufiger fand ich das erstere. 


482 Max Firbringer, 


13. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior) (dsc). 


Deltoideus: GtnrHpr, Newman. 

Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior): 
FURBRINGER. 

Dorsalis scapulae s. Deltoides scapularis FUrBrincEr: 
Osawa (No. 13). 


Ganz ansehnlicher, dreieckiger Muskel an der Seitenflache der 
Scapula, der im dorsalen Bereiche von den Mm. trapezius und 
(nur wenig) levator scapulae spf. superior, an seinem ventralen in- 
sertiven Ende von dem M. deltoides clavicularis und an seinem 
hinteren Saume dorsal und ganz schmal von dem M. latissimus 
dorsi gedeckt wird, tibrigens aber frei unter der Haut liegt. 

Er entspringt von den vorderen 3/, des ventralen Bereiches 
(knappe ventrale ?/,) des knorpeligen Suprascapulare, wobei er 
vorn ventralwairts auf die dorsale Ecke der knéchernen Scapula 
s. str. tibergreift, hinten aber den ventralen Saum des Supra- 
scapulare frei laft, geht mit konvergierenden Fasern in trans- 
versal-descendenter Richtung nach unten und hinten, wobei er die 
Mm. scapulo-humeralis profundus posterior nnd anconaeus scapu- 
laris deckt, und senkt sich schlieflich, in eine makig starke platte 
Sehne iibergehend, zwischen dem ihn lateral deckenden Endteil des 
M. deltoides clavicularis und dem medial an ihm yorbeiziehenden 
M. anconaeus scapularis in die Tiefe des Oberarmes ein, um an 
dem dorsalen Bereiche des Proc. lateralis humeri, dorso-distal von 
dem M. supracoracoideus, sowie dorsal und dorso-proximal von 
dem M. deltoides clavicularis') zu inserieren. 

Innerviert von den an seiner Innenflaiche eintretenden 
Nn. dorsalis scapulae (N.dsc) und cleido-humeralis (N.dcel), von 
denen der erstere weitaus den Hauptteil des Muskels versorgt. 

Der Muskel entspricht, ungeachtet gewisser speciellerer Ab- 
weichungen, dem M. dorsalis scapulae der Lacertilier und Croco- 
dilier und nimmt in seinem Verhalten zu dem ihm nahe verwandten 
M. deltoides clavicularis eine Zwischenstellung zwischen dem Ver- 
halten der tiefer und héher stehenden unter den Lacertiliern 
(p. 428f.) ein: wihrend bei den primitiveren Lacertiliern die Mm. 
dorsalis scapulae und deltoides clavicularis dicht nebeneinander (resp. 
gemeinsam) inserieren, wobei der erstere urspriinglich etwas mehr 


1) Auch Osawa bildet dies annahernd richtig auf Fig. 13 
(p. 527) ab, vertauscht aber infolge eines Schreibfehlers die Inser- 
tionsstellen beider Muskeln. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 483 


distal sich an den Proc. lateralis humeri ansetzt als der letztere, 
hat sich bei Sphenodon der M. deltoides clavicularis mit seinem 
Insertionsteil in mafigem Grade tiber den M. dorsalis scapulae 
hinweggeschoben, um hier ventral und mit seinem Ende ventro- 
distal von dem letzteren an den Humerus sich anzusetzen; bei 
gewissen hoheren Lacertiliera (einige Iguanidae und Agamidae, 
doch auch Uroplates) und vor allem bei den Crocodiliern ist diese 
distal gehende Wanderung der Insertion des M. deltoides clavi- 
cularis gegentiber der proximal stehen gebliebenen Insertion des 
M. dorsalis scapulae in noch weit erheblicherem Grade als bei 
Sphenodon zur Ausbildung gekommen. 

Daf der M. dorsalis scapulae zu der Deltoides-Gruppe (Delto- 
ides und Teres minor der menschlichen Anatomie) gehért und 
zu dem Teres minor des Menschen die nachsten, wenngleich nicht 
ganz kompleten Beziehungen aufweist, wurde bereits oben (p. 430) 
von mir hervorgehoben. Die speciellere Homologisierung mit dem 
menschlichen Deltoides (GiNTHER, NEWMAN) ist abzuweisen. 


14. Deltoides clavicularis s. inferior (Cleido-humeralis) (dc/). 


Claviculo-brachialis (of Emys): Ginruer. 

Cleido-humeralis (Deltoides clavicularis s. infe- 
rior): FURBRINGER. 

Cleido-humeralis s. Deltoides clavicularis Fir- 
BRINGER: Osawa (No. 12). 


Ganz gut entwickelter, dem M. dorsalis scapulae aber an 
Masse nachstehender Muskel, der im ventro-lateralen Gebiete der 
Schulter sich befindet, zum gréferen Teile frei unter der Haut 
liegt nnd nur im ventralen Bereiche von dem M. pectoralis sowie 
an der Insertion etwas von dem Anfange des M. humero-radialis ge- 
deckt wird; andererseits deckt er Teile der Mm. supracoracoideus, 
scapulo-humeralis (profundus) anterior und dorsalis scapulae und 
der Membrana sterno-episternalis'), sowie nahezu das ganze Lig. 


1) Die Membrana sterno-episternalis bildet bei Sphen- 
odon eine membranise Ausbreitung, welche zwischen der Aulen- 
flache des Labium externum des Sulcus coracoideus sterni und dem 
Querschenkel des Episternum ausgespannt ist, aber zu dem bei 
Sphenodon lediglich an der Clavicula inserierenden M. cleido-masto- 
ideus gar keine Beziehungen mehr darbietet. Darin driickt sich 
ein durchaus sekundarer Zustand aus, der an das Verhalten der 
in dieser Hinsicht am héchsten differenzierten Formen unter den 


484 Max Firbringer, 


acromio-humerale, das ihn zugleich véllig von dem M. scapulo- 
humeralis anterior scheidet. 

Er entspringt ziemlich ausgedehnt von dem Episternum 4), 
und zwar, direkt angrenzend an den Ursprung des ihn deckenden M. 
pectoralis, von dem Lateralsaume des vorderen 1/,—'/, des Lings- 
schenkels und dem hinteren Saume der ganzen Linge des Quer- 
schenkels, sowie von der reichlichen distalen Halfte der Clavicula, 
d. h. dem zwischen der Spitze des Querschenkels und dem Acro- 
mion erstreckten Teile derselben; der claviculare Teil des Muskels 
ist der schwiichste?). Der anfangs recht breite Muskel konvergiert 
zu dem kraftigen Insertionsteile, der zwischen dem lateral von 
ihm befindlichen M. humero-radialis und dem medial gelegenen 
M. dorsalis scapulae in die Tiefe geht und vorwiegend muskulés 
an dem dorso-lateralen Bereiche des Proc. lateralis humeri und 
distal etwas dariiber hinaus sich anheftet, wobei seine Insertions- 
stelle proximal von der Insertion des M. supracoracoideus, lateral 
und distal von den Urspriingen der Mm. brachialis internus und 
anconaeus humeralis lateralis und medial von der Insertion des 
M. dorsalis scapulae begrenzt wird. Mit dem M. anconaeus hume- 
ralis ist er hierbei ausgedehnt und recht innig verwachsen, mit 
dem M. humero-radialis haingt er durch eine aponeurotische Aus- 
breitung zusammen. 

Innerviert von demN. cleido-humeralis (NV.dcl), der, eventuell 

durch einige Fasern des N. dorsalis scapulae (N.dsc.) verstarkt, 


kionokranen Lacertiliern (Iguanidae, Agamidae) anschlieft (vergl. die 
beziiglichen Ausfiihrungen bei dem M. cucullaris der Kionokranier 
p. 399 f.), dasselbe aber noch an weiter fortgeschrittener einseitiger 
Entwickelung iibertrifft, indem bei Sphenodon der M. cleido-masto- 
ideus seine sternale und episternale Insertion aufgegeben, der M. 
deltoides clavicularis dagegen sekundare Ursprungsbeziehungen 
zum Episternum gewonnen hat und mit diesen ihm neu zuge- 
kommenen episternalen Ursprungsfasern den Anfang der Membrana 
sterno-episternalis deckt, wahrend er urspriinglich (bei den primi- 
tiveren Lacertiliern) von ihr gedeckt wurde (p. 398). 

1) Der episternale Ursprung wird von Osawa im Texte seiner 
Beschreibung nicht erwahnt und in der Abbildung Fig 5 (p. 491) 
nur auf einen kleinen Teil des Querschenkels beschriinkt und zu 
weit auf den medialen Bereich der Clavicula verlegt. 

2) Uebrigens individuell von verschiedener Ausbildung: bei den 
meisten untersuchten Exemplaren von mittlerer Entfaltung, bei 
einem sehr schwach entwickelt und von dem iibrigen Muskel durch 
einen schmalen Spalt getrennt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 485 


oberflichlich am Lig. scapulo-humerale laterale (LZ. schlt) vor- 
beizieht und seinen Muskel von der Innenseite her versorgt. 

Der M. deltoides clavicularis s. inferior steht dem gleich- 
namigen Muskel der Lacertilier naher, wihrend er sich von seinem 
Homologon bei den Crocodiliern weiter entfernt. Charakteristisch fiir 
Sphenodon ist die weitgehende ventrale Entwickelung, die in dem 
ausgedehnten Ursprunge von dem Episternum ihren Schwer- 
punkt findet, wahrend bei den meisten Lacertiliern der Ursprung 
sich auf die Clavicula beschrankt, bei den Crocodiliern selbst — 
infolge der sekundaren Reduktion der Clavicula und der eigen- 
artigen Ausbildung des M. supracoracoscapularis — sich dorsal 
auf die Scapula lokalisiert hat. Doch findet sich auch bei den 
Lacertiliern ein Ursprung von dem Episternum (Heloderma [Sau- 
FELDT |, Phrynosoma, Calotes, Monitor u. a.) (p. 431), der bei diesen 
indessen nicht wie bei Sphenodon oberflachlich tiber die Membrana 
sterno-episternalis hinweggreift (vergl. Anm. 1 auf p. 483 und 484) 
Der Anfang des M. deltoides clavicularis von Sphenodon zeigt 
somit in dieser Hinsicht eine einseitige Ausbildung ‘), fiir die jedoch 
gewisse Lacertilier vermittelnde Zustande aufweisen, wahrend bei 
den Crocodiliern die ganz entgegengesetzte Entwickelungsrichtung 
zur Erscheinung kommt’): der Ursprung des Muskels der lebenden 
Rhynchocephalier und lebenden Crocodilier hat nicht einen einzigen 
Skelettteil gemeinsam, und doch besteht kein Zweifel, da es sich 
um die gleiche Bildung handelt, die bei den ersteren von der 
Clavicula aus (meiste Lacertilier) ventralwarts auf das Episternum, 
bei den letzteren dorsalwarts auf die Scapula (unter sekundirem 
Verlust der Clavicula und des clavicularen Ursprunges) iiberwanderte 
— ein besonders anschauliches Beispiel, eine wie geringe Bedeutung 
fiir die Bestimmung der Muskelhomologien dem specielleren Ver- 
halten der Muskelurspriinge zukommt und wie sehr Diejenigen 
irren, welche starren Beziehungen zwischen den Muskeln und 
den ihnen Ursprung gebenden Knochenstellen das Wort reden*). 


1) Bei Heloderma wird selbst ein Uebergreifen auf das Ster- 
num angegeben (SHureLptT); doch bedarf dies noch der Bestitigung. 

2) Etwas dem episternalen Ursprunge des M. deltoides clavi- 
cularis von Sphenodon Vergleichbares existiert auch in der Pars 
plastro-humeralis des M. deltoides der Chelonier (vergl. Schulter- 
muskeln, II, 1874, p. 267 f.). 

3) Noch gréfer wird die Variabilitat bei Mitberiicksichtigung 
der Verhiltnisse der Chamaeleontiden (1875, p. 762 f. und diese Ab- 
handlung p. 455), bei denen der Ursprung des Muskels auf Coracoid 
und Sternum iibergewandert ist. 


486 Max Firbringer, 


In der Insertion des M. deltoides clavicularis hat sich auch 
eine Wanderung vollzogen (die bereits bei dem M. dorsalis sca- 
pulae p. 482f. besprochen wurde), die hier die erste Etappe eines 
Bildungsganges zeigt, welcher bei den hodheren Lacertiliern und 
Crocodiliern in derselben Richtung noch weiter entwickelt ist. 

Daf die Homologie mit dem menschlichen M. deltoides eine 
recht nahe, wenn auch nicht vollkommen komplete ist, wurde von 
mir bereits fiir den Muskel der Lacertilier hervorgehoben (1875, 
p. 734) und dabei gleichzeitig die noch stringentere Ver wandtschaft 
der entsprechenden Bildungen der Crocodilier und Vogel mit dem 
Deltoides hominis betont (1875, p. 798). Ich verstehe nicht, was 
GUNTHER dazu fihrte, diese Homologie zu bestreiten, — falls er 
nicht die specielle Ausbildung des Ursprunges als Hindernis tiber- 
schatzte und durch seine (irrtiimliche) Vergleichung des M. dor- 
salis scapulae von Sphenodon mit dem menschlichen Deltoides 
verhindert wurde, die wahre Homologie zu erkennen. 


15. Scapulo-humeralis anterior (Coraco-scapulo-humeralis 
anterior) ') (scha). 


Wahrscheinlich ganz oder zum gréferen Teile Supra- and In- 
fraspinatus et Teretes: Ginrner, NEWMAN. 

Scapulo-humeralis profundus (der Lacertilier): Fur- 
BRINGER. 


Scapulo-humeralis profundus Ftrprincer: Osawa 
(No. 16). 


Ziemlich kraftiger Muskel, der hauptsachlich von dem M. 
deltoides clavicularis, an seinen Randern auch von den Mm. dor- 
salis scapulae und supracoracoideus gedeckt und auferdem von 
dem kraftigen, zwischen ihm und diesen 4 Muskeln sich hindurch- 
ziehenden Lig. scapulo-humerale laterale (L.schlt)?) tiberbriickt 
wird. 

Er entspringt von dem dorsalen Bereiche des Coracoides 
(direkt iiber dem M. supracoracoideus) und dem ventralen der 
knéchernen Scapula (rostral und ventral von dem Ursprunge des 
M. scapulo-humeralis posterior), zieht zwischen diesen beiden 


1) Das frither (1875) bei den Lacertiliern gebrauchte Epitheton 
»profundus“ lasse ich im folgenden als unnétig weg (vergl. auch 
Anm. 2 auf p. 432 und 433). 

2) Weiteres tiber das Lig. seapulo-humerale laterale enthalten 


die Ausfiihrungen bei dem M. anconaeus scapularis (siehe unten 
p. 492). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 487 


Muskeln, hierbei anfangs etwas mit dem M. supracoracoideus ver- 
wachsen, nach hinten und gelangt, dem dorsalen Bereiche der 
Kapsel des Schultergelenkes direkt aufliegend und partiell mit 
ihr verbunden, dorsalwarts an den Anfang der Streckfliche des 
Humerus. Hier findet seine vorwiegend muskulése Insertion im 
Bereiche des 2. 1/,—1/, der Humeruslinge an einer ziemlich 
ausgedehnten Stelle statt, welche lateral resp. latero-distal von 
den Insertionen der Mm. dorsalis scapulae und latissimus dorsi 
und dem Ursprunge des M. anconaeus humeralis lateralis, medial 
von der Insertion des M. scapulo-humeralis posterior und dem 
Ursprunge des M. anconaeus humeralis medialis begrenzt wird. 

Gréftenteils unter ihm liegend findet sich ganz in der Tiefe 
ein feines und schmales Muskelband (scha;), welches, direkt 
neben dem M. anconaeus scapularis und bedeckt von dem M. 
scapulo-humeralis posterior, von dem Rande der Scapula entspringt 
und sich dann sofort unter den M. scapulo-humeralis anterior 
begiebt, um, mit ihm verbunden und der Kapsel innig angeschmiegt, 
nach dem Humerus zu verlaufen, wo es als am meisten proximaler 
tiefer Teil dieses Muskels am Anfange des 2. 1/, inseriert. 

Innerviert durch den N. scapulo-humeralis anterior (NV.scha), 

der, zwischen den Mm. scapulo-humeralis posterior und sub- 
scapularis, sowie ventral unter dem M. anconaeus scapularis 
hindurchtretend, zum oberen und hinteren Rande seines Muskels 
gelangt, um ihn von da aus zu versorgen. Das unter ihm liegende 
Muskelband wird durch einen feinen, waihrend des Durchtrittes 
durch die beiden oben genannten Muskeln von dem N. scapulo- 
humeralis anterior abgehenden Seitenzweig dieses Nerven (NV.scha;) 
innerviert. 

Der M. scapulo-humeralis anterior entspricht dem M. scapulo- 
humeralis profundus der Lacertilier und hat demzufolge weder in 
den Mm. supra- und infraspinatus, noch in den Mm. teretes (major 
und minor) ein Homologon; die diesbeziiglichen Deutungen von 
GUNTHER und NEWMAN, wenn ich diese Autoren recht verstehe, 
sind daher zurtickzuweisen. Den Crocodiliern geht der M. scapulo- 
humeralis anterior ab. Dagegen besteht zu dem M. scapulo- 
humeralis der Végel eine direkte Homologie. 

Das oben beschriebene feine und schmale Muskelband in der 
Tiefe des M. scapulo-humeralis anterior rechne ich auf Grund 
seiner Insertion diesem Muskel zu; es ist ein etwas selbstandiger 
gewordenes tiefstes Biindelchen desselben, das namentlich in der 


Art seines Ursprunges (Nachbarschaft zum M. anconaeus scapu- 
Bd, XXXIV, N, F. XXVI. 32 


488 Max Firbringer, 


laris) besonders nahe Beziehungen zu dem M. scapulo-humeralis 
anterior der Végel aufweist, der bekanntlich bei diesen allent- 
halben recht schwach entwickelt, haufig zu einem sehr feinen 
Muskelfaden reduziert und nicht selten ginzlich riickgebildet ist. 


16. Scapulo-humeralis posterior *) (schp). 


Scapulo-humeralis profundus (der Crocodilier): Ftr- 
BRINGER. 

Scapulo-humeralis posterior s. teres major Fir- 
BRINGER: Osawa (No. 17). 


Ziemlich kleiner Muskel, der dorsal von dem vorhergehenden, 
von ihm durch den Ursprungskopf des M. anconaeus scapularis 
getrennt, sich befindet, von dem M. dorsalis scapulae gedeckt 
wird und der duferen Flache des M. subscapularis aufliegt. 

Er entspringt von der AuSenflache der knéchernen Scapula 
(von den vorderen */, der ventralen Halfte derselben) direkt tiber 
dem Ursprunge des M. anconaeus scapularis und des kleinen tiefen 
Muskelbandes des M. scapulo-humeralis anterior und zieht zwischen 
den lateral von ihm liegenden Mm. anconaeus scapularis und 
scapulo-humeralis anterior und dem medial von ihm befindlichen 
M. subscapularis tiber das Schultergelenk hinweg an den Anfang 
der Streckflache des Humerus, wo er an dem distalen Ende des 
Tuberculum mediale, medial neben der Insertion des M. scapulo- 
humeralis anterior, disto-lateral neben der Insertion des M. sub- 
coracoscapularis und proximal von dem Anfange des Ursprunges des 
M. anconaeus humeralis medialis endet. 

Innerviert von dem N. scapulo-humeralis posterior (N.schp), 
einem feinen Nerven, der sich am hinteren Rande des M. sub- 
scapularis d. h. knapp vor dem Kintritte zwischen diesem und 
dem M. scapulo-humeralis posterior von dem gemeinsamen N. 
scapulo-humeralis (profundus) abzweigt. 

Der M. scapulo-humeralis posterior hat die direktesten Be- 
ziehungen zu dem M. scapulo-humeralis profundus der Crocodilier 
(1875, p. 799f.) und dementsprechend auch zu dem M. scapulo- 
humeralis posterior der Végel; letztere zeigen eine sehr michtige 


1) Auch hier lasse ich den Zusatz ,profundus* in der Folge 
weg. — Von Ginter und Newman, wie es scheint, nicht erwahnt. 
Mir ist der Muskel 1875, da ich damals Sphenodon nicht selbst 
praparieren konnte, unbekannt geblieben; er entspricht aber dem 
dort angefiihrten M. scapulo-humeralis profundus der Crocodile. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 489 


Entfaltung des bei den Reptilien noch relativ unbedeutend aus- 
gebildeten Muskels. 

In der Koexistenz zweier Mm. scapulo-humerales (anterior 
und posterior), welche tiberdies noch durch das eigen verlaufende 
tiefe und feine Muskelband des M. scapulo-humeralis anterior in 
naheren Verband gebracht werden, bietet Sphenodon gewisser- 
mafen den Schliissel fiir die Erklarung der sich nicht ganz 
deckenden Bildungen der Scapulo-humerales (profundi) der Lacer- 
tilier und der Crocodilier, sowie des Auftretens der beiden Scapulo- 
humerales (anterior und posterior) der Végel. Ich bin daraufhin 
geneigt, in erheblicher Modifizierung meiner friiheren Auffassung 
des M. scapulo-humeralis profundus der Crocodilier (1875, p. 799 f.), 
die urspriingliche Existenz zweier Mm. scapulo-humerales (pro- 
fundi), eines anterior und eines posterior — die vermutlich aus 
einem ecinfachen primordialen M. scapulo-humeralis (profundus) 
hervorgegangen sein mégen — bei den Vorfahren der hier in 
Frage kommenden Abteilungen anzunehmen *). 

Diese beiden Muskeln wurden von Sphenodon bewahrt und 
bei den Végeln selbst — in einseitiger Differenzierung (beginnende 
oder vollendete Riickbildung des M. scapulo-humeralis anterior, 
hohe Entfaltung des M. scapulo-humeralis posterior) — zur weiteren 
Ausbildung gebracht; bei den kionokranen Lacertiliern dagegen 
trat der M. scapulo-humeralis posterior, bei den Crocodiliern der 
M. scapulo-humeralis anterior in Reduktion, so da erstere nur 
den M. scapulo-humeralis anterior, letztere den M. scapulo-hume- 
ralis posterior bewahrten. 


17. Subcoracoscapularis (sbesc). 


Subcoracoscapularis: FURBRINGER. 
Subscapularis: Newman. 
Subscapulo-coraco-brachialis: Osawa (No. 18). 


Ansehnlicher einheitlicher Muskel an der Innenflache des 
Schultergiirtels, der sich aus einer scapularen und coracoidalen 
Portion zusammensetzt, die indessen kaum voneinander geschieden 
sind. 


1) Auch bei zahlreichen Anuren konnte ich zwei Mm. scapulo- 
humerales profundi (anterior und posterior) beobachten (Schulter- 
muskeln, II, 1874, p. 217—220); es liegt mir aber fern, in diesem 
Verhalten einen Vorlaufer fiir die Rhynchocephalier und Vogel zu 
erblicken. 

32 * 


490 Max Firbringer, 


Pars scapularis s. Caput scapulare (Subscapu- 
laris) (sbse). Kleiner dorsaler Teil, der von dem hinteren Be- 
reiche (Hinterrand und daran grenzender Innen- und Aufensaum) 
der ventralen Halfte der knéchernen Scapula hinter der Anheftung 
des Lig. sterno-scapulare internum entspringt und mit ziemlich 
kurzen Fasern nach der Insertion zu verlauft, wobei er an 
seiner Aufenflache von dem M. scapulo-humeralis posterior ge- 
deckt wird‘). 

Pars coracoidea s. Caput coracoideum (Subcora- 
coideus) (sbc). Viel (5 bis 6mal) gréfere ventrale Portion, die 
nahezu von dem ganzen, nicht von den Befestigungsstellen der Mm. 
sterno-coracoidei interni und coraco-brachialis longus eingenommenen 
Teile der Innenflaiche des Coracoides, d. h. reichlich von den 
lateralen 3/, desselben, entspringt (wobei sie von den durch das 
Foramen supracoracoideum durchtretenden gleichnamigen Nerven 
und Gefafen durchbohrt wird) und einen aus recht langen Fasern 
gebildeten breiten Muskel bildet, der lateral véllig mit der Pars 
scapularis verschmolzen ist und, stark konvergierend, tiber das 
Schultergelenk (mit dessen Kapsel verbunden) hinweg an das Tuber- 
culum mediale humeri geht, wo er kraftig sehnig-muskulés inseriert. 

Innerviert durch den N. subcoracoscapularis (N.sbesc), der 

mit mehreren ziemlich friih selbstaéndig werdenden Zweigen sich 
an der Innenflaiche des Muskels verbreitet ”). 

Der Muskel entspricht dem M. subcoracoscapularis der Lacer- 
tilier und zwar am meisten jener Vertreter derselben, bei welchen 
die Pars scapularis gegen die Pars coracoidea in Entwickelung 
zuriicktritt. Bei Sphenodon erreicht dieses Mifverhaltnis zu Un- 
gunsten der P. scapularis den héchsten Grad; dasselbe ist, wie 
die Verkiirzung der betreffenden Fasern und die Beschrankung 


1) Damit deckt sich Newman’s Beschreibung, der den Muskel 
von der Innen- und Aufenflache nicht nur der knéchernen, sondern 
auch der knorpeligen Scapula (Suprascapulare) entspringen last und 
den Ursprung vom Coracoid gar nicht erwiahnt, in keiner Weise. 
Diese Angaben wiirden eher auf den Subscapularis der Crocodile 
passen. — Osawa giebt eine richtige Beschreibung des Muskels. 

2) Osawa lakt das Caput coracoideum (Caput coracoides Osawa) 
auger durch den N. subcoracoscapularis (N. subscapulo - coraco- 
brachialis Osawa) auch noch durch einen Ast aus dem N. coraco- 
brachialis innerviert werden. Ich fand bei keinem der von mir 
untersuchten Exemplare etwas derartiges und halte die reine Ver- 
sorgung durch den N. subcoracoscapularis fest. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 491 


des Ursprunges auf den hintersten Teil der knéchernen Scapula 
zeigt, auf eine weitgehende sekundire Reduktion der scapularen 
Portion zuriickzufiihren. Sphenodon tritt. damit zugleich in einen 
diametralen Gegensatz zu den Crocodiliern, bei denen die Pars 
scapularis als ein ausgedehnt von der Innenfliche der Scapula 
entspringender M. subscapularis erhalten geblieben ist, wahrend 
die Pars coracoidea vollkommen in Riickbildung trat. 


18. Anconaeus (Triceps brachii) (a). 


Triceps: Gtntuer, Newman!), Brooxs. 
Anconaeus: FURBRINGER. 
Anconaeus Ftrsrincer: Osawa (No. 22). 


a) Caput scapulare laterale m. anconaei: 


Superficial Portion of the Triceps: Guntur. 

Caput scapulare anconaei s. M. anconaeus scapu- 
laris: FURBRINGER. 

Cap. L of the Triceps: Newman. 

Caput scapulare: Osawa (No. 22a). 


b) Caput coracoideum m. anconaer: 


Additional Tendon of the Superficial Portion of 
the Triceps: GUNTHER. 

Caput coracoideum m. anconaei s. M. anconaeus co- 
racoideus: FUrRBRINGER. 

Cap. II of the Triceps: Newman. 

Caput coracoideum: Osawa (No. 22b). 


¢) Caput humerale laterale m. anconaei: 


Teil der _ Inner Portion of the Triceps: GUntTHEr. 

Caput humerale laterale m. anconaei s. M.anconaeus 
humeralis lateralis: FUrerincer. 

Caput humerale laterale: Osawa (No. 22c). 


ad) Caput humerale mediale m. anconaei: 


Teil der Inner Portion of the Triceps: GtnTuHer. 

Caput humerale mediale m. anconaei s.M. anconaeus 
humeralis medialis: FURBRINGER. 

Caput humerale mediale: Osawa (No. 22d). 


1) Newman 1laft den M. triceps nur aus zwei Képfen (scapularer 
und coracoidaler) bestehen, die aufer an dem Olecranon auch an 
der hinteren Flache des Humerus inserieren sollen. Kein anderer 
Untersucher fand dergleichen. 


492 Max Fiirbringer, 


Sehr kraftiger Muskelkomplex an der Streckseite des Ober- 
armes, welcher mit zwei weit getrennten Képfen, Caput scapulare 
und C. coracoideum, von dem Schultergiirtel entspringt, wahrend 
die von dem Humerus kommenden Teile eine mit zwei kurzen 
Zipfeln, Caput humerale laterale und C. humerale mediale, be- 
ginnende Masse bilden. 

a) Caput scapulare laterales. M. anconaeus scapu- 
laris lateralis (ase). Ansehnlicher Kopf, der mit kraftiger 
Sehne von dem ventralen Bereiche der Aufenflache der Scapula 
zwischen den Urspriingen der Mm. scapulo-humerales anterior und 
posterior, sowie dem Anfange des Lig. scapulo-humerale laterale, 
also von der Basis des Acromions beginnend, entspringt und 
hierauf zwischen den beiden genannten Muskeln, zugleich lateral 
von dem M. dorsalis scapulae gedeckt, nach dem Oberarm ver- 
lauft, wobei er successive in einen starken, lateral am Endteil 
des M. latissimus dorsi vorbeiziehenden Muskelbauch iibergeht,. 
der sich zuerst mit dem Caput coracoideum, dann mit dem Caput 
humerale laterale verbindet. 

Das Lig. scapulo-humerale laterale (L.schlt) bildet. 
einen sehr kraftigen Sehnenzug, der von dem Acromion und dem 
caudal davon befindlichen Teile der Scapula beginnt und sich an 
den Anfang des Proc. lateralis humeri, dicht.neben der Insertion 
des M. supracoracoideus ansetzt. Hierbei spannt es sich in de- 
scendenter Richtung briickenartig tiber den M. scapulo-humeralis 
anterior aus, steht mit seinem Anfangsteile mit der Ursprungs- 
sehne des Caput scapulare m. anconaei in ausgedehntem Verbande 
und ist mit seinem Endteile breit mit dem M. supracoraco- 
ideus, schmal mit dem M. humero-radialis verbunden; der M. 
supracoracoideus inseriert mit seinem dorsalen Teile an ihm, der 
M. humero-radialis nimmt seinen Hauptursprung von ihm. — Das 
Lig. scapulo-humerale laterale von Sphenodon kniipft an die gleich- 
namige Bildung der kionokranen Lacertilier an, zeigt aber in 
seiner sehr starken Ausbildung, in seinem bis zum Acromion nach 
vorn erstreckten Ursprunge (der die Bezeichnung eines Lig. 
acromio-humerale laterale rechtfertigen wiirde) und in seinen 
Verbindungen mit den Mm. supracoracoideus und humero- 
radialis eine Héhe der Entwickelung, die kein Lacertilier er- 
reicht und die als eine Besonderheit des Rhynchocephaliers auf- 
zufassen ist. 

Weiter hinten, in der Hohe des proximalen Teiles der End- 
sehne des M. latissimus dorsi, besitzt der Anconaeus scapularis 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 493 


auch eine ziemlich kraftige, mit seiner Unterfliiche verbundene 
humerale Ankerung, die somit in einer mehr distalen Lage 
als bei den Lacertiliern sich befindet. Der von dieser Ankerung 
lateral begrenzte Spalt (zwischen ihr und dem sehnigen Caput 
coracoideum) bildet die Durchtrittsstelle fiir die weiterhin am 
Oberarm verlaufenden Nn. brachiales superiores. 


b) Caput coracoideum s. Anconaeus coracoideus 
(ac). Entspringt mit langer und schlanker, aber nicht unkraftiger 
Sehne') von dem lateralen Rande (und von da minimal auf die 
Innenfliche iibergreifend) des Coracoides in der Mitte zwischen 
Acetabulum und hintererer Ecke, wobei er anfangs aufen von dem 
M. coraco-brachialis brevis bedeckt wird, und geht, die Nn. brachiales 
superiores und inferiores voneinander scheidend, nach dem Ober- 
arm, wo er sich, sehnig bleibend, mit dem Caput scapulare ver- 
einigt. 

c) Caput humerale laterale s. M. anconaeus hume- 
ralis lateralis (q@hl). Lateraler, gréferer und lingerer Kopf 
der humeralen Masse des Anconaeus, der von dem lateralen Be- 
reiche der Streckfliche des Humerus entspringt und sich sehr 
bald mit dem Caput humerale mediale verbindet, von dem er nur 
am Anfange namentlich durch die Insertionen der Mm. latissimus 
dorsi und scapulo-humeralis anterior geschieden war. Distal be- 
grenzt er die Insertion des M. deltoides clavicularis, mit dem er 
zugleich ziemlich innig verbunden sein kann. Zweimal wurde ein 
ihn in einen gréferen lateralen und kleineren medialen Zipfel 
trennender feiner Spalt gefunden; doch war diese Sonderung eine 
durchaus unvollkommene und in beiden Fallen nicht ganz tiberein- 
stimmende. 


d) Caput humerale mediale s. M. anconaeus hume- 
ralis medialis (ahm). Medialer, kleinerer und kiirzerer Kopf, 
der, unterhalb des Proc. medialis beginnend, von dem medialen 
Bereiche der Streckseite des Humerus entspringt, wobei er von 


1) Newman beschreibt den coracoidalen Kopf als langes flei- 
schiges Biindel, was sicher auf einem Irrtum beruht. Osawa hebt 
die rein sehnige Natur richtig hervor, spricht aber von einer sehr 
diinnen Sehne, die vom’ caudalen Winkel der Innenflaiche des Cora- 
coides ausgehe. Ich fand die Sehne zwar erheblich diinner als die 
des Caput scapulare, aber nicht eigentlich schwach und sah sie 
auch stets proximal von dem caudalen Winkel des Coracoides ent- 
springen. 


494 Max Firbringer, 


dem Caput humerale laterale durch die bei diesem angefiihrten 
Muskelinsertionen getrennt wird und distal zugleich die Inser- 
tionen der Mm. subcoracoscapularis und scapulo-humeralis posterior 
begrenzt. 

Direkt oberhalb der Mitte des Oberarmes verbinden sich das 
Caput scapulare und C. coracoideum miteinander, und unterhalb 
derselben, in schrager von oben und aufen nach unten und innen 
(disto-medialwarts) absteigender Linie, geschieht die Vereinigung 
der coraco-scapularen Masse mit der humeralen zu einem mach- 
tigen Muskel, der, tiber die Dorsalseite des Ellenbogengelenkes 
hinwegziehend und auch hier mit der Kapsel zusammenhangend, 
nach der Ulna geht, an deren proximalem Finftel er kraftig 
sehnig-muskulés inseriert, den Anfang derselben zugleich zu einem 
hervortretenden Olecranon ausbildend. Am Insertionsteile tiber- 
wiegen oberflichlich die Sehnenfasern, in der Tiefe finden. sich 
noch zahlreiche Muskelelemente. Eine Patella ulnaris ist nicht 
ausgebildet. 

Innerviert durch den kraftigen N. anconaeus (N.a), der 
nach seiner Abzweigung von dem N. brachialis longus superior 
bald in mehrere Aeste (N.asc, N.ahl, N.ahm) fiir die einzelnen 
Abteilungen des Muskels, soweit sie aus Muskelgewebe bestehen, 
zerfallt. 

Der M. anconaeus entspricht, ungeachtet einiger speciel- 
leren Differenzierungen, im grofen und ganzen dem _ gleich- 
namigen Muskel der kionokranen Lacertilier, namentlich ist dies 
bei den tief stehenden Geckonidae der Fall, wo die vom Cora- 
coid kommende ziemlich kraftige (Gecko) oder mehr oder 
minder reduzierte (Hemidactylus, Tarentola) Sehne noch in einen 
kleinen Muskelbauch tibergeht, der sich dann erst mit dem Caput 
scapulare verbindet. Bei Sphenodon ist die Sehne kraftig ge- 
blieben, der Muskelbauch aber unterdriickt, das Verhalten somit 
nicht ganz auf der niedrigen Stufe wie bei diesen Lacertiliern. 
Dazu kommt der weit nach vorn erstreckte Ursprung des Caput 
scapulare und die Ausbildung des Lig. scapulo-humerale laterale, die 
in der Hauptsache ein hoéheres einseitiges Entwickelungsstadium 
als bei den meisten Lacertiliern bekunden. Der M. anconaeus 
von Sphenodon zeigt somit, im Vergleich mit den Lacertiliern, ein 
Gemisch primitiver und hoéher differenzierter Ziige. 

Zu dem M. anconaeus der Crocodilier bestehen fernere Be- 
ziehungen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 495 


19. Humero-radialis (hr). 


The outer Muscle of the Biceps brachii (Homologon 
des Caput longum des menschlichen Biceps) und wahr- 
scheinlich auch The very slender muscle accom- 
panying this part of the M. biceps (third detached 
part of the biceps): GtnruEr!). 

Wahrscheinlich erster Kopf des Biceps: Newman. 

Portion scapulaire du long chef du Biceps humain: 
SABATIER (p. 262) 1). 

Humero-antibrachialis lateralis: Osawa (No. 21). 


Ein schwacher Muskel, der oberflaichlich an der Lateralseite 
des Oberarmes liegt. Er beginnt mit kurzer und schmaler, mit- 
unter auch von einigen Muskelfasern begleiteter Sehne (hrj) von 
dem Endteile des Lig. scapulo-humerale laterale, wobei er der In- 
sertion des M. supracoracoideus ganz benachbart ist, und geht 
bald in den Muskelbauch iiber, der noch einen zweiten mehr dor- 
salen Ursprung in Gestalt einer etwas breiteren, aber viel diinneren 
Aponeurose (hii), die mit dem Endteile des M. deltoides clavi- 
cularis zusammenhiingt, besitzt ?). Der platte, bandférmige Muskel- 


1) GtnrneR rechnet zu dem Muskel auch das ihm Ursprung 
gewihrende Lig. scapulo-humerale laterale (a strong ligament run- 
ning from the tuberculum majus humeri to the scapula) als eigent- 
liche Ursprungssehne desselben und lift ihn sonach von der Scapula 
entspringen und nur seitliche Anheftung am Proce. lateralis humeri 
(Tuberculum majus) gewinnen (it is arrested in its course by the 
tuberculum majus humeri, to which it is attached by the side of 
the pectoralis major). SaBATIER stimmt ihm in dieser Auffassung 
bei und rechnet daraufhin den vorliegenden Muskel zu den muscles 
interrompus; wahrend aber Ginrner ihn dem ganzen Caput longum 
des menschlichen Biceps vergleicht, homologisiert er ihn nur dem 
speciell scapularen Anteile desselben. Der very slender muscle 
accompanying this part of the M. biceps scheint eine gerade bei dem 
von GtnrHer untersuchten Exemplare von Sphenodon vorhandene 
Varietit (Abspaltung von der Hauptmasse) vorzustellen; weder die 
anderen Untersucher noch ich fanden ihn bei den uns vorliegenden 
‘Tieren. 

2) Auch mit der darunter liegenden Lateralfliche des Proc. 
lateralis humeralis existieren ziemlich lockere bindegewebige Zu- 
sammenhinge, die sich aber bei keinem der von mir untersuchten 
Tiere zur Bedeutung wirklicher Urspriinge erheben. GtnrHER wie 
Osawa lassen den Muskel auch von diesem Knochenfortsatz des 
Humerus entspringen, wobei ich nicht entscheiden kann, ob es sich 
bei den ihnen vorliegenden Exemplaren um gut angebildete Ur- 
spriinge handelte oder ob die angegebenen bindegewebigen Zu- 
sammenhiange von ihnen iiberschitzt wurden. 


496 Max Firbringer, 


bauch zieht, die Mm. brachialis inferior und anconaeus humeralis 
lateralis teilweise deckend, lings des Oberarmes nach der Streck- 
flache und dem Radialrande des proximalen Vorderarmbereiches 
und endet hier mit einer diinnen und ziemlich breiten, in zwei 
Blatter gespaltenen Aponeurose. Das oberflichliche!) Blatt (hr') 
zieht tiber die Streckseite des M. brachio-radialis (supinator) ”) 
hinweg und verbindet sich mit der die Mm. extensores metacarpi 
radialis und digitorum deckenden Vorderarmfascie; das tiefe ') 
Blatt (hr") dringt teilweise (mit einem diinnen und breiten Zuge) 
zwischen die beiden Portionen des M. brachio-radialis (brr) ein, 
um hauptsichlich an dessen oberflichlicher Portion zu enden *), 
teilweise (mit kraftiger, tiefer Sehnenausbreitung) verbindet es sich 
direkt mit dem Radialrande der tiefen, hier zum Teil sehnigen 
Portion des M. brachio-radialis (supinator), Mit den Mm. brachialis 
inferior und biceps brachii besteht kein Zusammenhang; die In- 
sertion dieser Muskeln (an Radius und Ulna) findet an einer von 
der Insertion des M. humero-radialis ganz entfernten Stelle statt. 
Innerviert durch die zwei weit voneinander entfernten 
Nn. humero-radiales proximalis und distalis. Der N. humero- 
radialis proximalis (N.krpx) ist ein sehr feiner+) Zweig des 
N. deltoides (axillaris), der, von dem ventralen Teile des M. del- 
toides clavicularis bedeckt, bis zum Anfange des M. humero- 
radialis zieht und hier in dessen Innenflaiche eindringt. Der 
minder schwache N. humero-radialis distalis (N.Ardi) reprasen- 
tiert einen friih abgehenden Seitenzweig des (erst im Ellen- 
bogenbereiche, nach dem Durchtritte durch den Canalis ectepi- 


1) Die Bezeichnungen ,,oberflachlich* und ,tief* gelten mit 
Bezug auf die Ansicht von der Streckseite her. 

2) Supinator longus: GUnrHEeR. — Supinator longus et brevis: 
Brooxs. — Supinator: Osawa. 

3) Einige diimne Sehnenfasern konnten auch bis zum Radius 
verfolet werden; doch ist dieser Verband ein so schwacher und 
variabler, daf man hier kaum von einer eigentlichen Insertion 
sprechen kann. Die Angaben GtnrHer’s, der den Muskel aus- 
schlieflich am Radius enden lift, beruhen auf ungenauer Unter- 
suchung. Osawa lift den Muskel lediglich in die radiale Vorder- 
armfascie ausstrahlen, was der Wahrheit nahe kommt, ihr aber nicht 
ganz entspricht. 

4) Bei der speciell daraufhin vorgenommenen Untersuchung 
eines Exemplares von 50cm Linge fand ich den Nerven aus 
11 Nervenfasern bestehend; bei jiingeren Tieren schien er etwas 
dicker zu sein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 497 


condyloideus von dem Radius abgezweigten) N. brachio-radialis 
(N. supinator) (NV.brr), der den M. brachio-radialis durchbricht 
und riicklaufig (proximalwarts) am Oberarm, von dem M. humero- 
radialis bedeckt, verlauft, um am Ende von dessen zweitem Drittel 
in seine Innenfliche einzudringen; er ist der Hauptnerv des 
Muskels !). 

Der M. humero-radialis reprasentiert eine der eigenartigsten 
Muskelbildungen von Sphenodon: durch seine doppelte Innervation 
dokumentiert er sich als ein zusammengesetztes Gebilde, das in 
seinem kleineren proximalen Abschnitte dem Deltoides-System, in 
seinem gréSeren distalen Bereiche der radialen Extensoren-Gruppe 
des Vorderarmes entstammt. Beide Teile sind in so innigen Ver- 
band miteinander getreten, da’ eine auSerlich sichtbare Grenz- 
marke zwischen beiden nicht mehr aufzufinden ist ?); auch zeigen 
die von dem Lig. acromio-humerale beginnenden Ursprungsfasern 
und der an die Vorderarmfascie ausstrahlende Teil der Endapo- 
neurose, die beide als sekundaére Erwerbungen aufgefafit werden 
miissen, daf’ der vorliegende Doppelmuskel von seinem urspriing- 
lichen Ausgange bedeutend abgewichen ist und einen komplizierten 
Entwickelungsgang durchgemacht hat. Primitivere Ziige oftfen- 
baren die Verbindungen mit dem M. deltoides clavicularis und 
dem M. brachio-radialis (supinator); diese koincidieren auch mit 
der Nervenversorgung. Vermutlich hat auch friiher ein festerer 
Verband mit dem Proc. lateralis humeri bestanden *). 

Den Lacertiliern fehlt, soweit mir bekannt, véllig etwas dem 
M. humero-radialis Vergleichbares ; doch besitzen die Crocodilier und 
Végel Bildungen, welche ihm wenigstens zum Teil entsprechen. Der 
M. humero-radialis der Crocodilier (vergl. 1875, p. 807 f., sowie 
die weiter unten bei den Crocodiliern folgenden Ausfiihrungen) hat 


1) Osawa laft den ganzen Muskel gerade so wie den M. bra- 
chialis inferior (Humero-antibrachialis medialis Osawa) lediglich von 
dem N. musculo-cutaneus her versorgt werden. Diese Angabe be- 
ruht auf einem Irrtum; alles, was von der Gegend dieses Nerven 
oder von dem M. brachialis inferior her in den M. humero-radialis 
eintrat, erwies sich bei mikroskopischer Untersuchung als zu dem 
Gefalsystem gehdrig oder als blokes Bindegewebe. 

2) Diese véllige Verschmelzung der genetisch verschiedenen 
Anteile ist tibrigens eine haufige Erscheinung bei doppelt inner- 
vierten Muskeln. 

3) In diesem Sinne lassen sich vielleicht auch die Angaben 
von GinrHeR und Osawa, falls sie dem thatsachlichen Verhalten 
entsprechen, verwerten. 


498 Max Firbringer, 


eine ihnliche Lage, entspringt vom M. deltoides scapularis in- 
ferior (Homologon des M. deltoides clavicularis von Sphenodon) 
und dem distalen Bereiche des Proc. lateralis humeri, zeigt in- 
sertive Verbindungen oder daraus ableitbaren Zusammenhang mit 
Radius, Fascie der Streckfliiche des Vorderarmes und M. brachio- 
radialis s. supinator (Sehnenschlinge) und wird von einem Zweige 
des N. axillaris versorgt: dieser Muskel entspricht, soweit aktives 
Muskelgewebe in Frage kommt, dem proximalen (axillaren) Anteil 
des M. humero-radialis von Sphenodon, wiihrend der distale Anteil 
dieses Rhynchocephaliers bei den Crocodiliern als Muskel nicht 
nachweisbar ist!); doch zeigt die Endigung des M. humero-radialis 
der Crocodilier, bei allen sonstigen Abweichungen und Besonder- 
heiten, gewisse Ziige, die sich auf das insertive Verhalten des 
M. humero-radialis von Sphenodon zum Teil beziehen lassen. Bei 
den Vigeln existiert ein Deltoides propatagialis brevis, dessen 
Muskelbauch dem Deltoides-System angehért und von einem Teile 
des N. axillaris innerviert wird, und dessen Sehne in grofer 
Manniefaltigkeit mit der Fascie der Radial- und Streckseite des 
Vorderarmes und mit dem Homologon des M. brachio-radialis s. 
supinator (bei den Végeln wegen der veranderten Insertion ge- 
meinhin als M. extensor metacarpi radialis benannt, eine Bezeich- 
nung, die durchaus keine Homologie mit dem gleichnamigen Muskel 
von Sphenodon ausdriickt) verbunden ist. Der Muskelbauch dieses 
Deltoides propatagialis ist ebenso wie der des Humero-radialis 
der Crocodilier dem proximalen Anteile des M. humero-radialis von 
Sphenodon vergleichbar; seine Endsehne aber zeigt in ihren Ver- 
binden mit der Vorderarmfascie und dem M. brachio-radialis 
(sog. M. extensor metacarpi radialis) eine ganz aulerordentliche 
Uebereinstimmung mit der Insertion des M. humero-radialis von 
Sphenodon, so dafS man mit Grund annehmen darf, daf die Vor- 


fahren der Vogel dereinst einen — damals allerdings noch nicht 
diesen Namen verdienenden — Propatagialis brevis besafen, der 


auch distale, von dem N. brachio-radialis (supinator) aus ver- 
sorgte muskulise Elemente enthielt, die aber vollkommen in Riick- 
bildung traten, wihrend ihr sehniger Verband mit dem M. brachio- 
radialis und der Vorderarmfascie erhalten blieb ”). 


1) Mit den bis jetzt gegebenen Materialien laft sich nicht 
einmal mutmafen, ob ein solcher distaler Muskelanteil jemals bei 
den Vorfahren der heutigen Crocodilier vorhanden war oder nicht. 

2) Aufverdem sei noch auf den kleinen, als seltenes Vorkommnis 
(zweimal) beobachteten Muskel aufmerksam gemacht, den Bspparp 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 499 


Alle Autoren, denen der M. humero-radialis von Sphenodon 
bisher bekannt geworden ist, haben ihn entweder dem M. biceps 
brachii zugerechnet (GUNTHER, SABATIER) oder als lateralen 
M. humero-antibrachialis beschrieben (OSAwa). 

Beide Deutungen widerlegen sich ohne weiteres durch die 
ganz abweichende Innervation des M. humero-radialis durch Nerven, 
welche dem System des N. brachialis longus superior zugehdéren, 
wahrend die Mm. biceps brachii und brachialis inferior (humero-anti- 
brachialis medialis Osawa) durch Zweige des N. brachialis longus 
inferior versorgt werden‘). AuSerdem ist aber die Art und Weise, 
wie von GUNTHER und SABATIER ein kiinstliches Caput longum 
bicipitis aus dem M. humero-radialis in Verband mit dem ihm 
Ursprung gebenden Lig. scapulo-humerale laterale herauskon- 
struiert wurde, zuriickzuweisen. Das Lig. scapulo-humerale laterale 
wie der Ursprung des M. humero-radialis von demselben sind 
sekundaire Differenzierungen, und das Ligament verdankt seine 
Ausbildung nur zu einem kleinen Teile dem sekundair mit dem 
M. humero-radialis gewonnenen Verbande. Aber selbst wenn man 
sich mit den beiden genannten Autoren auf den (rein fiktiven und 
in Wirklichkeit ganz irrigen) Standpunkt stellen wollte, daf Lig. 
scapulo-humerale laterale und M. humero-radialis von Anfang an 
zusammengehoérende Gebilde reprasentierten, so wiirde daraus ein 
Caput longum bicipitis resultieren, das vom Acromion entspringt, 
den M. scapulo-humeralis anterior tiberbriickt und durch den- 
Selben von dem Schultergelenke weit abgetrennt wird, an der 
Dorsalflache des Proc. lateralis humeri, und mit demselben dorsal 
verbunden, vorbeizieht, immer in Entfernung von dem echten M. 
biceps brachii (Caput breve bicipitis GUNTHER, Portio coracoidea 
capitis longi bicipitis SaBatreR) bleibt, im Streckbereiche des 
Vorderarmes an dessen dorsaler Fascie und am M. brachio-radialis 
(supinator), also an ganzlich anderen Stellen als der wahre Biceps 
brachii inseriert und von durchaus verschiedenen Nerven versorgt 
wird — somit ein kiinstlich konstruiertes Caput longum bicipitis, 
das nach Ursprung, Verhalten zum Schultergelenk, Verlauf und 


als Accessory Biceps beschrieben hat, der aber offenbar zu dem 
System der dorsalen Muskeln des Fliigels gehért (siehe spiter bei 
Beschreibung der Schultermuskeln der Végel). 

1) Osawa’s Deutung ist auf Grund des von ihm angegebenen 
Untersuchungsbefundes — Innervation des Muskels durch den N, 
musculo-cutaneus — eine theoretisch korrekte, aber der Unter- 
suchungsbefund ist ein irrtiimlicher (siehe Anm. 1 auf p. 497). 


500 Max Firbringer, 


Lage am Oberarm, Entfernung von dem sicher als Biceps brachii 
erkannten Muskel, Insertion und Innervation von dem wirklichen 
Caput longum bicipitis toto caelo verschieden ist. 


E. Crocodilia. 


Eine vergleichend-anatomische Besprechung der  meisten 
Schultermuskeln der Crocodilier im Anschluf8 an meine Angaben 
von 1875, zum Teil aber auch auf Grund eigener Untersuchungen 
giebt SABATIER (1880). Ich habe, wie schon erwiahnt, infolge der- 
selben eine — meine damaligen Befunde in allem Wesentlichen 
bestatigende — Nachuntersuchung an zwei Exemplaren von Alli- 
gator mississippiensis von 50 cm und 147 cm Lange  vor- 
genommen 4). . 

In der Folge fiihre ich nur die Muskeln an, beziiglich deren 
Kontroversen zwischen SABATIER und mir bestehen, sowie die- 
jenigen, wo meine Nachuntersuchung bemerkenswerte Erganzungen 
ergab. 


3. Levator scapulae superficialis (Collo-scapularis superficialis). 


Collo-scapularis superficialis (Levator scapulae 
superficialis): FUrBRincer. 


Die genaue Nachuntersuchung ergab, daf der Muskel von der 
Hauptinsertion aus, die sich (dorsal gleich an den Ursprung des 
M. omo-hyoideus anschliefend) tber den ganzen Vorderrand der 
knéchernen Scapula und das untere Ende des Suprascapulare er- 
streckt, auch auf die Innenflaiche des Schultergiirtels tbergreift, 
und zwar im Hauptbereiche der Scapula tiber den Vordersaum 
derselben, im unteren Teile derselben aber in weiterer Ausdehnung 
(etwa bis zur Mitte ihrer Breite) und selbst tiber die coracoidale 
Innenflaiche rund um das Foramen supracoracoideum. Diese 
ventrale Insertion liegt hinter (caudal von) dem Ursprunge des 
M. supracoracoideus. 


1) Fiir den M. supracoracoideus untersuchte ich auferdem noch 
ein 23 cm langes Exemplar von Alligator mississippiensis sowie 
einen 3,8 cm langen Embryo von Crocodilus americanus und einen 
7 cm langen Embryo von Cr. porosus. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 501 


4. Serratus superficialis (Thoraci-scapularis superficialis). 


Thoraci-scapularis superficialis (Serratus super- 
ficialis): Firprincer. 


Auer den Haupturspriingen von der letzten Cervical- und 
den drei ersten Dorsalrippen konnte bei dem jiingeren Exemplare 
(50 cm Lange) ein Uebergreifen auf die Fascie bis zum Bereiche 
der 4. Rippe nachgewiesen werden. Der vordere Saum der In- 
sertion schiebt sich ein wenig in den M. subscapularis ein, die 
erste Andeutung einer Sonderung desselben in eine Pars scapularis 
externa und interna einleitend. 


5. Levator scapulae et Serratus profundus (Collo-thoraci-scapularis 
profundus). 


Collo-thoraci-suprascapularis profundus (Levator 
scapulae et Serratus profundus): FURBRINGER. 


Bei den beiden untersuchten Exemplaren von Alligator ent- 
sprang die gemeinsame, aus zwei Lagen bestehende Muskelmasse 
von den Rippen resp. Querfortsatzen (vergl. die genauere Be- 
schreibung von 1875, p. 778) des 5. bis 10. resp. 6. bis 10. Wir- 
bels und inserirte aufer an dem ventralen Teile der Innenfliche 
des Suprascapulare auch an dem Dorsalsaume der Innenflache der 
Scapula s. str. 


6. Rhomboides. 


Rhomboideus: FURBRINGER. 


Bei beiden Exemplaren von Alligator aus zwei Biindeln be- 
stehend, deren Insertion bei dem 50 cm langen Individuum tiber 
die vorderen ?/, der dorsalen Innenflaiche der Suprascapulare, bei 
dem 147 cm langen Tiere noch etwas weiter caudalwarts sich 
erstreckte. Die 1875 von mir angegebene Insertion an der Innen- 
flache des vorderen oberen Winkels des Suprascapulare war etwas 
zu kurz bemessen. 


7. Costo-coracoideus. 


Costo-coracoideus: FURrBRIncER. 
Costo-coracoidien (faisceau coracoidien du petit pectoral 
des Mammiferes): Saparrer. 


502 Max Firbringer, 


Genau so, wie 1875 angegeben. Bei dem kleineren Exemplare 
wurde auch eine unbedeutende accessorische Anheftung an den 
Seitenrand des Sternum gefunden. 

SABATIER (p. 154—156) rechnet den Muskel, gleich den 
Mm. sterno-coracoidei und dem M. sternocosto-scapularis der 
Lacertilier zu dem M. pectoralis. Ich habe mich bereits oben 
(p. 409 f.) gegen diese Homologisierung ausgesprochen und kann 
nur eine Zugehérigkeit zu dem System der Mm. thoracici in- 
feriores wiederholt betonen, wobei zugleich dem M. sterno-coraco- 
ideus internus superficialis von Sphenodon eine in mahigem Grade 
vermittelnde Bedeutung zukommt (vergl. p. 469 f.). 


8. Pectoralis. 


Pectoralis: FURBRINGER. 
Grand pectoral (Grand pectoral et faisceaux huméraux du 
petit pectoral des Mammiféres): Sapatier. 


Bei dem 50 cm langen Exemplare von Alligator wurde auch 
ein iibrigens nur mittelbar durch Sehnengewebe (Fascie) herge- 
stellter Zusammenhang mit den beiden ersten Parasternalien be- 
obachtet; bei den 23 cm und 147 cm langen Individuen war der- 
selbe nicht nachweisbar. Ob dieser Zusammenhang eine urspring- 
liche intime Beziehung andeatet oder eine sekundire Ditferenzierung 
von wenig Gewicht darstellt, kann ich nicht entscheiden (vergl. 
auch p. 473, Anm. 1). Hinsichtlich des Verhaltens zu dem M. 
obliquus abdominis externus superficialis fand ich meine alteren 
Angaben (1875) und die neueren Maurer’s (1896) bestatigt. Das 
nach der Innenseite des Oberarmes aberrierende Bindel (1875) 
beobachtete ich nur bei dem alteren Exemplare. 


9. Supracoracoideus (Supracoracoscapularis). 


Supracoracoideus (Supracoracoscapularis): Fwtr- 
BRINGER. 


Chefs précoracoidien et scapulaire antérieur dé 
l’obturateur interne thoracique: SABATIER. 


Ich unterschied 1875 (p. 785) an diesem ansehnlichen Muskel 
einen kraftigeren ventralen Teil, Pars coracoidea (inferior), 
welcher, soweit nicht vom M. pectoralis gedeckt, direkt unter der 
Haut liegt, und einen schwiacheren dorsalen Teil, Pars scapu- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 503 


laris (superior), welcher vom M. deltoides scapularis inferior 
bedeckt wird. Der erstere entspringt von der ganzen vorderen 
Hilfte des Coracoides, und zwar von dessen Aufenfliche, Vorder- 
(resp. Medial-)Rand und Innenfliche, wobei die von der Innen- 
fliche kommenden Fasern sich um den Vorderrand (Medialrand) 
herumschlagen und die oberflaichliche Schicht des Muskels bilden, 
und geht gemeinsam mit der Pars scapularis an den proximalen, 
wenig entwickelten Teil des Proc. lateralis humeri; der letztere 
entspringt von der Aufenfliche des unteren Drittels der Scapula 
hinter der Spina scapulae (Ursprungsstelle des M. deltoides sca- 
pularis inferior) und vor dem Ursprunge der Mm. anconaeus sca- 
pularis externus und scapulo-humeralis posterior, vereinigt sich 
mit der Pars coracoidea zu einem homogenen Muskel und in- 
seriert am proximalen Teile des Proc. lateralis humeri, wobei seine 
Fasern mehr proximal liegen als die des coracoidalen Teiles 
(p. 785). 

Gegen diese Beschreibung hat SABATIER (p. 206) auf Grund 
der Untersuchung eines 21/, m langen Alligator‘) und einiger 
kleineren (deren Lange nicht angegeben wird) Einspruch erhoben, 
indem er bei seinen Exemplaren nur einen Ursprung von dem 
Vorderrande und der Innenfliche der Scapula und des Coracoides 
fand, dagegen von der Aufenflache des Coracoides (inkl. Procora- 
coides) kommende Fasern durchaus vermifite; falls Urspriinge von 
der Aufenflaiche des Coracoides (wie ich sie angegeben) wirklich 
existierten, so miifiten sie als sekundire Verbindungen (adhérences 
consécutives) aufgefaft werden. 

Ich habe daraufhin den Muskel bei 3 verschieden grofen 
Alligator mississippiensis (von 23 cm, 50 cm und 147 cm Linge) 
nochmals untersucht und erhalte bei den beiden kleineren Exem- 
plaren Befunde, welche mit meiner friiheren Beschreibung tiber- 
einstimmen, also einen Ursprung der Pars superior lediglich von 
der Aufenfliche der Scapula (nicht aber von dem Vorderrande 
und der Innenfliiche derselben, die von dem Ursprunge des M. 
deltoides scapularis inferior und der Insertion des M. levator sca- 
pulae superficialis in dem hierfiir eventuell in Betracht kommenden 
Bereiche eingenommen werden) und einen Ursprung der Pars in- 
ferior von der Aufenfliche, dem Vorderrande (Medialrande) und 
der Innenfliche des Coracoides und der daran angrenzenden der 


1) Species wird nicht angegeben. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVII, 33 


504 Max Firbringer, 


ventralen vordéren Ecke der Scapula (Acromion)‘), sowie eine 
gemeinsame Insertion beider innig zusammenhangenden Portionen 
am proximalsten Teile des Proc. lateralis humeri (Tuberculum 
laterale), noch vor derjenigen des M. dorsalis scapulae. Bei dem 
erdfheren Exemplare sind die Verhaltnisse im wesentlichen die 
gleichen: Ursprung von der Aufenflache der Scapula und von der 
AuBenflaiche, dem Vorderrande und der Innenflaiche des Coracoides 
und der angrenzenden Ecke des Acromion und Insertion am 
proximalen Teile des Proc. lateralis humeri; der einzige Unter- 
schied beruht darauf, dafi der Ursprung von der coracoidalen 
AuSenflache sich verkiirzt hat und nur noch von dem Vordersaum 
derselben (in einer Breite von ca. 2'/, mm) stattfindet 2). — Auf 
Grund dieser Befunde muf ich der Angabe Sapatrier’s, daf der 
Muskel nicht von der Auf enflaiche des Coracoides entspringe, so- 
weit seine kleineren Exemplare (falls dieselben nicht tiber 1*/, m 
ero waren) in Frage kommen, widersprechen und vermute, dai 
eine ungewohnlich schlechte Beschaffenheit des untersuchten 
Materiales (hochgradige Maceration mit Ablésung der betreffenden 
Fasern von ihrem Ursprunge) ihn diesen auferen Ursprung tiber- 
sehen lief. Beziiglich des grofen Exemplares von 21/, m Lange 
enthalte ich mich einer Entscheidung, da mir ein gleich langes 
nicht zur Disposition stand; ich halte es aber fiir méglich, da’ 
bei einem solchen das — bereits bei meinem 11?/, m langen Alli- 
gator begonnene — proximale Zurtickweichen resp. Vorgreifen 
der aufen entspringenden Fasern zum Aufgeben des gesamten Ur- 


1) Dieser Ursprung der Pars inferior von der Aufenfliche des 
Coracoides ist namentlich in deren dorsalem (lateral von der Biceps- 
sehne liegendem) Gebiete recht breit und reicht nach hinten bis 
zum Foramen supracoracoideum; im ventralen (medialen) Teile, wo 
die Ursprungssehne des M. biceps nahe bis zum Rande des Coraco- 
ides reicht, ist er erheblich schmialer. Der Ursprung von der 
Innenfliche der acromialen Ecke entstand vermutlich durch ein 
dorsales Weitergreifen der urspriinglich coracoidalen Fasern. 

2) Ich fiige hinzu, daf auch Roiiueston in seinem 1875 von 
mir citierten Werke (On the Homologies of certain Muscles connected 
with the Shoulder-joint, Trans. Linn. Soc. London, XXVI, p. 626, 
1868) bei Crocodilus und Alligator neben dem inneren Kopfe auch 
einen duferen von der Aufenfliche des Pricoracoides angiebt; die 
beigefiigte Abbildung entspricht, falls sie das Praparat in natiir- 
licher Gréfe wiedergiebt, nach Linge des Schultergiirtels und 
Humerus einem Tiere von ungefahr 11/, m Kérperlinge. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 505 


sprunges von der Aufenflache des Coracoides gefiihrt haben kann, 
will somit die Richtigkeit von SABATrER’s beziiglicher Beobachtung 
nicht beanstanden ‘). 

Die vergleichende Betrachtung der Befunde bei den 4 Tieren 
von 23, 50, 147 und 250 cm Lange lehrt, daf die Pars scapularis 
ihren Ursprung von der Au8enflaiche der Scapula im wesentlichen 
unverriickt festhilt?), wihrend dagegen der coracoidale von der 
Aufenfliche und dem Vorderrande (Medialrande) des Coracoides 
auf die Innenflaiche desselben iibergegriffen hat*), sich in dem neu 
gewonnenen Ursprungsbereiche, der ihm langere und daher leistungs- 
fihigere Fasern gewahrt, mehr und mehr etabliert, dagegen die 
iilteren, nicht so giinstig situierten Urspriinge von der coracoidalen 
Aufenfliche zusehends vermindert und schlieSlich — die Richtig- 
keit von SABATIER’s Befunde an dem 2'/, m langen Alligator 
vorausgesetzt — ganz aufgiebt. Dieses Verhalten, das auch durch 
den Verlauf des N. supracoracoideus nach dem Muskel und in 
dem Muskel des weiteren illustriert wird, zeigt somit eine gewisse 
Parallele zu der Bildung des M. gemello-obturator internus, bei 
welchem die beiden Mm. gemelli den Ursprung von der Aufen- 
fliche des Beckens noch gewahrt haben, wahrend der M. obturator 
internus auf die Innenflache des Beckens iibergriff und schlieBlich 
seinen auleren Ursprung ganz aufgab‘). Daf der M. supracora- 


1) Daf Sasatrer nur von einem Ursprunge des Muskels von 
der Innenfliche der Scapula, nicht aber von einem solchen von der 
Aufenflaiche derselben spricht, kann ich nur auf einen Schreib- 
fehler oder eine Liicke in seinen Notizen zuriickfiihren; die Existenz 
von der scapularen Aufenflache kommender Fasern (die gesamte 
Pars superior) bedarf keiner Diskussion. 

2) Ich sehe hierbei ab von der schon in der vorhergehenden 
Anmerkung hervorgehobenen unvollstindigen Angabe Sasarier’s 
beziiglich des auBeren Ursprunges der Pars scapularis. 

3) Dieses Uebergreifen des Ursprunges von der Ausenflache 
auf die Innenflache kénnte méglicherweise zufolge der ontogene- 
tischen Rekapitulation durch die genauere Untersuchung von jiingeren 
Embryonen ad oculos demonstriert werden. Mein  verfiigbares 
Material, das aus einem Embryo von Crocodilus americanus von 38 mm 
und einem Embryo von Cr. porosus von 70 mm Kérperlinge (gemessen 
an einem der Achsenkriimmung entsprechend gelegten und danach 
gestreckten Faden) bestand, reichte dafiir nicht aus. Bei dem 
ailteren Embryo entsprang der Muskel bereits zum Teil von der. 
coracoidalen Innenflaiche, bei dem jiingeren war Erhaltung und 
Schnittrichtung zu unginstig, um Sicherheit beziiglich dieses Ur- 
sprunges zu erhalten. 

4) Selbstverstindlich liegt es mir ganz fern, damit irgendwelche 


33 * 


506 Max Firbringer, 


coideus (supracoracoscapularis) der Crocodile seiner urspriinglichen 
Natur nach ein eminent ‘iuferer, aber nicht innerer Muskel des 
Schultergiirtels ist, wird (ganz abgesehen von dem Vergleiche mit 
den Cheloniern, Lacertiliern und Rhynchocephaliern) auch durch die 
korrelative Lage der Insertion des M. levator scapulae superficialis 
und des Ursprunges des M. deltoides scapularis inferior bewiesen, 
welche unter Annahme einer urspriinglich inneren Lage des Supra- 
coracoideus nicht verstiindlich ware. 

Indem Sapatrer (p. 205—207) den Schwerpunkt auf den 
inneren Ursprung des M. supracoracoideus legt, kommt er dazu, 
diesen Muskel nicht — wie er bei dem M. supracoracoideus der 
kionokranen Lacertilier thut — zu dem M. obturateur externe 
thoracique, sondern vielmehr zu dem M. obturateur interne thora- 
cique zu rechnen und den Chefs scapulaire antérieur et précora- 
coidien desselben zu vergleichen. Er homologiert ihn damit dem 
M. scapulo-humeralis anterior der kionokranen Lacertilier und 
bringt ihn zu dem M. subcoracoscapularis (Chefs scapulaire posté- 
rieur et coracoidien) derselben in die nachste Beziehung, wahrend 
er das Homologon des M. supracoracoideus (Chefs coracoidien et 
précoracoidien des M. obturateur externe thoracique) der Lacer- 
tilier in dem M. coraco-brachialis brevis der Crocodilier erblickt. 

Gegen diese Deutung und Vergleichung habe ich das Folgende 
zu bemerken: 

1) Sie ignoriert vollsténdig die Innervation, denn die Mm. 
supracoracoidei (supracoracoscapularis) der Lacertilier und Croco- 
dilier werden durch den diazonalen N. supracoracoideus, die Mm. 
scapulo-humeralis anterior, subcoracoscapularis (subscapularis) 
und coraco-brachialis durch die postzonal verlaufenden gleich- 
namigen Nerven versorgt. 

2) Sie iibersieht géianzlich die klaren Verhaltnisse der Inser- 
tion. Dieselbe findet statt bei dem M. supracoracoideus (supracoraco- 
scapularis) der Lacertilier und Crocodilier an dem proximalen 
Teil des Processus lateralis humeri (Tuberculum laterale), bei 
den Mm. scapulo-humerales beider an der Dorsalfliiche des 
Humerus (von der Insertion des M. supracoracoideus durch die 
Mm. anconaei humerales lateralis und posticus getrennt, aber in 


Homodynamie zu behaupten. Der Supracoracoideus ist ein pro- 
resp. diazonaler, der Gemello-Obturator internus ein postzonaler 
Muskel, die Stellen der Ueberwanderung der Muskelfasern auf die 
Innenflaichen der Giirtel entsprechen einander nicht und das Ver- 
halten der Nerven ist nicht adiquat. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 5O7 


der Nahe der Insertion des M. subcoracoscapularis), bei dem M. 
subcoracoscapularis (subscapularis) beider an dem Proc. medialis, 
bei dem M. coraco-brachialis brevis beider an der Ventralflache 
des Humerus (von der Insertion des M. supracoracoideus durch 
den M. pectoralis geschieden). 


3) Sie bringt Muskeln zusammen, welche durch den ganzen 
Schultergiirtel voneinander getrennt nach ihren Insertionen ver- 
laufen, denn der M. supracoracoscapularis (Chef scapulaire antérieur 
et précoracoidien de Pobturateur interne) der Crocodilier geht pro- 
zonal, der ihm direkt verglichene M. scapulo-humeralis anterior 
der Lacertilier dagegen, ebenso wie die Mm. subcorascapularis 
(subscapularis) und coraco-brachialis der Lacertilier und Crocodilier, 
verlaufen postzonal von ihren Urspriingen am Schultergiirtel nach 
ihren Insertionen am Humerus. 


4) Sie beachtet nicht die Lageverhaltnisse, denn der M. supra- 
coracoideus (supracoracoscapularis) der Lacertilier und Crocodilier 
deckt die Mm. biceps brachii und coraco-brachialis derselben, 
wihrend der M. coraco-brachialis beider nicht nur unter dem M. 
supracoracoideus (supracoracoscapularis), sondern auch unter dem 
M. biceps liegt. Somit wird ein Muskel, der bei den Lacertiliern 
direkt unter dem M. pectoralis, also in der 2. Schicht der 
Schultermuskeln liegt und den M. biceps deckt, einem Muskel 
verglichen, der bei den Crocodiliern unter den Mm. pectoralis, 
supracoracoscapularis und biceps sich befindet, also die 4. Schicht 
der Schultermuskeln bildet. 


5) Sie erblickt in offenbar sekundar erworbenen Ausbreitungen 
des Ursprunges auf die Innenfliche des Schultergiirtels das Ur- 
spriingliche, bestreitet die Existenz der auferen Ausgang gebenden 
Urspriinge und verkennt die prinzipielle, primitive Bedeutung der- 
selben, indem sie diese Urspriinge (falls sie tiberhaupt existieren 
sollten) zu sekundairen Anheftungen degradiert. 


Diese Vergleichung von SABATIER verleugnet somit die Ver- 
haltnisse der Innervierung, der Insertion, des prozonalen oder 
postzonalen Verlaufes, der oberflichlicheren oder tieferen Lage 
und der priméren oder sekundaéren Ursprungsverhialtnisse, somit 
alles, was man gewohnt war, als das wesentliche Besitztum 
einer sorgfaltigen und rationellen Muskelhomologisierung zu er- 
kennen. In dieser Eigenart diirfte sie ein Paradigma bilden. Auch 
werden die folgenden Besprechungen ergeben, wie verhangnisvoll 
sie fiir seine weiteren Muskelvergleichungen wurde. 


508 Max Purbrine sr, 


Daf ich meine bisherige Homologisierung SABATIER gegen- 
iiber vollkommen festhalte, bedarf danach keiner weiteren Be- 
tonung. 


10. Coraco-brachialis (brevis). 


Coraco-brachialis (brevis): Ftrprincer. 
Chef coracoidien de l’obturateur externe thora- 
cique et Coraco-brachialis brevis: SaBatinr. 


Das kleinere, 50 cm lange Exemplar von Alligator zeigte 
genau dieselben Verhaltnisse, wie ich 1875 angegeben'). Bei dem 
oréferen, 147 cm langen Tiere ist der Muskel etwas kraftiger und 
dementsprechend sein coracoidaler Ursprung etwas ausgedehnter, 
die Insertion aber dieselbe wie bei dem kleineren Alligator. Stets 
nimmt der Muskel eine ansehnliche Strecke des Coracoides ein, 
wird in seinem kleineren vorderen Teile (ca. '/;) von der Ur- 
sprungssehne des M. biceps gedeckt ”), liegt aber in seinem gréferen 
hinteren Teile (hintere */,) unter dem M. pectoralis und zum Teil 
dem M. supracoracoideus. 

SABATIER (p. 203, 204) wird vornehmlich durch den weit 
nach vorn ausgedehnten coracoidalen Ursprung des Muskels ver- 
fiihrt, denselben in der Hauptsache als Chef coracoidien des M. 
obturateur externe thoracique zu deuten und somit dem M. 
supracoracoideus der Lacertilier zu homologisieren. Beziiglich 
der hinteren, vom sternalen Ende des Coracoids entspringenden 
Fasern tritt er auch fiir die Méglichkeit einer Vergleichung mit 
dem M. coraco-brachialis brevis der kionokranen Lacertilier ein, 
fait somit den Muskel, wenn ich ihn recht verstehe, als ein Ver- 
schmelzungsprodukt der Mm. supracoracoideus (Chef coracoidien 
de Pobturateur externe thoracique SABATIER) und coraco-brachialis 
brevis der Lacertilier auf *). 


1) In der Beschreibung von 1875 (p. 791) ist infolge eines 
Schreib- oder Druckfehlers auf Zeile 2 eine Bedeckung des M. 
coraco-brachialis durch die Sehne des M. coraco-brachialis ange- 
geben; selbstverstandlich muf es Sehne des M. coraco-antibrachialis 
(biceps brachii) heifen. 

2) Der vordere, Teil des M. coraco-brachialis wird iibrigens 
nicht vollstandig von der Biceps-Sehne gedeckt; ein schmaler Saum 
desselben ragt proximo-lateral noch iiber und legt direkt unter dem 
M. supracoracoscapularis. 

3) Cette extension trés-marquée ..... , ainsi que le lieu de 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 509 


Gegen diese Annahme SABATIER’s spricht 1) die ausschlief- 
liche Innervation des vorliegenden Muskels der Crocodilier durch 
nur einen Nerven, den postzonalen M. coraco-brachialis, 2) die 
Insertion, welche nichts mit der typischen Insertionsstelle des M. 
supracoracoideus am Anfang des Proc. lateralis zu thun hat. Da- 
gegen zeigt derselbe alle wesentlichen Merkmale des M. coraco- 
brachialis brevis der kionokranen Lacertilier. Die Verbreiterung 
und proximo-laterale Ausdehnung seines Ursprunges steht zu der 
Verlingerung und Richtungsinderung des Coracoides (s. p. 298) 
in engstem Kausalkonnexe und ist so erfolgt, wie sie in Korre- 
lation dazu erfolgen mu8te. Bei den Végeln finden sich noch 
ganz andere Differenzierungen des M. coraco-brachialis. 

Aus alledem diirfte zur Geniige hervorgehen, daf der ganze 
M. coraco-brachialis brevis der Crocodilier lediglich dem gleich- 
namigen Muskel der Lacertilier zu vergleichen ist. 


11. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis). 


Coraco-antebrachialis (Biceps): Firprinaer. 
Biceps brachial: Sasatier. 


Mafig grofer Muskel, der in der 1875 beschriebenen Weise 
(p. 793) vom Coracoid nach dem Vorderarm geht, wo er, mit dem 
M. brachialis inferior verbunden, mit gleich grofen Sehnenzipfeln 
an Radius und Ulna inseriert. Bei dem gréferen Exemplare von 
Alligator wurde eine kleine muskulése, an dem Anfang des 4. 1/, 
der humeralen Medialkante zwischen M. brachialis inferior und 
M. anconaeus humeralis medialis inserierende Aberration (Coraco- 
brachialis longus ?) beobachtet, sowie ferner ein kleiner Sehnenzipfel, 
der mit der Fascie des M. pronator teres sich verband (Andeutung 
der Aponeurosis bicipitis s. Lacertus fibrosus). 

SABATIER (p. 203f.), der in der Deutung des Muskels mit 
mir tibereinstimmt, hebt den nach vorn geriickten Ursprung des 
Muskels mit Recht als eine nach den Verhaltnissen bei den Végeln 
tendierende Bildung hervor und giebt tiber die specielleren Homo- 
logien des Biceps brachii bei Reptilien und Saugetieren Aus- 
einandersetzungen (p. 264, 274), denen ich gréBtenteils zustimme. 


ses insertions, qui occupent toute la face extérieure du coracoide, 
me portent a considérer ce muscle comme représentant par sa 
portion postérieure la partie proximale (coraco-brachialis 
brevis) du coraco-brachial des Sauriens, c’est-a-dire le carré 
huméral, et par sa portion antérieure le chef coracoidien de lob- 
turateur externe (p. 204). 


510 Max Firbringer, 


12. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior). 


Humero-antebrachialis inferior (Brachialis infe- 
rior): FURBRINGER. . 
Brachial antérieur: SABATIER. 


Meiner friiheren Beschreibung dieses vom Humerus zu Radius 
und Ulna gehenden Muskels (1875, p. 794) habe ich nichts hinzu- 
zufiigen. Derselbe hangt proximal mit dem M. humero-radialis 
zusammen, um sich bald wieder von ihm zu trennen, verschmilzt 
aber im Insertionsteile vollkommen mit dem M. biceps, so daf 
man Biceps und Brachialis inferior als coracoidalen und humeralen 
Kopf eines gemeinsamen Muskels auffassen kann. 

SABATIER (p. 296) vereinigt ihn gleich HauautTon (s. meine 
friihere Darstellung 1875, p. 794) mit dem M. humero-radialis zu 
einem Muskel, ihn als dessen Portion interne benennend. Ich 
kann diese Vereinigung nach wie vor nur als wenig gliicklich be- 
zeichnen. Nach Ursprung, Lage, Verlauf und namentlich nach 
Innervation und Insertion sind beide Muskeln durchaus zu scheiden. 
Mit dem gleichen Rechte kénnte man Brachialis inferior und An- 
conaeus humeralis auch zu einem Muskel verbinden. 


13. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis). 


Dorso-humeralis (Latissimus dorsi): FURBRINGER. 
Grand dorsal: Saparimr. 


Wie 1875 (p. 794f.) beschrieben. Der Muskel war bei den 
untersuchten Exemplaren von Alligator einheitlich, wies aber 
axillare Aberrationen auf. Verband mit dem M. teres major 
recht innig. 


14. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis superior). 


Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis superior): 
FURBRINGER. 

Chef scapulaire de l’obturateur externe thoracique: 
SABATIER. 


Verhalt sich bei den beiden Exemplaren von Alligator gleich 
der Beschreibung von 1875 (p. 796). Auf die betrachtliche Ver- 
schmialerung gegeniiber dem M. dorsalis scapulae der Lacertilier 
und Rhynchocephalier méchte ich besonders aufmerksam machen; 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 511 


es driickt sich darin eine Tendenz aus, welche bei den Végeln 
zu ihrem Endziele — dem vyilligen Schwunde des Muskels — 
gelangt ist. 

SABATIER (p. 204 f.) fait den Muskel wie bei den Lacertiliern 
als Chef scapulaire des M. obturateur externe thoracique auf und 
bringt ihn damit zu dem M. coraco-brachialis des Crocodiles (Chef 
coracoidien des M. obturateur externe thoracique) in nachsten 
Verband. Von eventuell fiir einen Vergleich in Frage kommenden 
menschlichen Bildungen schlieSt er wie bei den Lacertiliern die 
Mm. supraspinatus, infraspinatus und deltoides wegen ihres Ur- 
sprunges von einem Teile der Scapula, welcher den Reptilien fehle, 
ganz aus, erklart sich aber mit BurrmMann und ROLueston fiir 
eine Homologisierung mit dem M. teres minor. 

Die von SABATIER durchgefiihrte Vereinigung der Mm. dorsalis 
scapulae und coraco-brachialis unter der gemeinsamen Rubrik 
des M. obturator externus thoracicus ist eine irrige, wobei der 
Hauptfehler an der unrichtigen Deutung des M. coraco-brachialis 
(s. p. 509) liegt. — In der Abweisung einer Homologie mit den 
Mm. supraspinatus und infraspinatus kommt SABATIER zu dem- 
selben Resultate wie ich, jedoch auf anderem Wege: fiir mich war 
hierbei die sehr verschiedene Innervation ausschlaggebend, fiir ihn 
ist es die Differenz in der schmaleren oder breiteren Ausbildung 
der Scapula der Reptilien und Saugetiere, die ich aber — soweit 
der Ursprung des M. infraspinatus, also die Fossa infraspinata in 
Frage kommt — nicht anerkennen kann. Aus dem_ gleichen 
Grunde wird von Sapatrer jede Verwandtschaft mit dem M. 
deltoides ausgeschlossen, womit ich somit auch nicht tibereinstimme. 
Nur in der Annahme einer Homologisierung mit dem M. teres 
minor finden wir uns. Fiir mich bilden aber — auf Grund der 
Untersuchung an Amphibien und den tibrigen Reptilien — nach 
wie vor Deltoides und Teres minor sehr nahe verwandte Muskeln, 
die sich erst allmaihlich zu nach Lage und Insertion voneinander 
mehr unabhiingigen Bildungen differenziert haben (vergl. auch 
p. 430); daf der Dorsalis scapulae gerade mit dem Teres minor 
mehr Beriihrungspunkte aufweist als mit dem Deltoides, ist auch 
meine Ueberzeugung !). 


1) Ich bin jetzt einer direkten, wenngleich nicht ganz kom- 
pleten Homologisierung des M. dorsalis scapulae der Reptilien mit 
dem M. teres minor der Saugetiere mehr zugeneigt als 1875. 


512 Max Firbringer, 


15. Deltoides scapularis inferior. 


Deltoides scapularis inferior: Firprincer. 
Deltoide: Sapatrer. 


Entsprechend meiner friitheren Beschreibung (1875, p. 797). 
Bei dem gréferen Exemplare war eine ziemlich innige Verbindung 
Seines ventralen Randes mit dem von ihm gedeckten ventralen 
Teile der Pars scapularis des M. supracoracoscapularis zu beob- 
achten, konnte aber unter Beriicksichtigung der sehr verschieden- 
artigen Innervation beider Muskeln gelést werden. Dieses Ver- 
halten ist von einigem Interesse, da auch bei gewissen Végeln 
mehr oder minder intime Zusammenhinge zwischen M. supra- 
coracoideus und M. deltoides minor gefunden werden (s. Kap. V 
sub Deltoides minor der Végel). Der partielle Uebergang in den 
M. humero-radialis fand sich ebenso, wie 1875 angegeben, bei 
beiden Alligatoren. 

Die Deutung des Muskels durch Sapatier als Deltoides 
(p. 228) stimmt mit der meinigen tiberein. 


16. Scapulo-humeralis posterior ‘). 


Scapulo-humeralis profundus: FUrBRINGER. 
La 1. portion du chef scapulaire postérieur de l’ob- 
turateur interne thoracique: SABATIER. 


Die Untersuchung der beiden Exemplare von Alligator ergab 
hier eine ansehnlichere Ausbildung des Muskels als bei Crocodilus 
(americanus), welchem die 1875, p. 799 gegebene Beschreibung 
entstammt. Der M. scapulo-humeralis posterior ist bei Alligator, 
namentlich bei dem kleineren Exemplare, ein nicht unansehnlich 
ausgebildeter Muskel, der nicht nur vom Hinterrande, sondern 
auch von dem hinteren Teile der Aufenfliche (bei dem Alligator 
von 50 cm Lange etwa vom hinteren !/,, bei demjenigen von 
147 cm von den hinteren ?/,) in ganz ansehnlicher Ausdehnung 
(im Bereiche des ventralen 1/,—*/, der knéchernen Scapula) ent- 
springt, der Kapsel dicht anliegend nach dem Humerus verlauft 
und hier zwischen den Anfingen des Caput humerale posticum 


1) Das Epitheton ,profundus“ meiner friiheren Bezeichnung 
lasse ich, weil unnétig, hinweg, fiige aber ,posterior“ hinzu, um 
die speciellere Homologie mit dem M. scapulo-humeralis posterior 
von Sphenodon genauer zu pracisieren. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 513 


und mediale m. anconaei tief eingreifend und zugleich in naher 
Nachbarschaft zu der proximo-medial davon gelegenen Insertion 
des M. subscapularis — also im wesentlichen so, wie 1875 an- 
gegeben — inseriert. 

SABATIER (p. 199, Anm. 1, und p. 209, 210) faBt den M. 
scapulo-humeralis posterior der Crocodilier als Teil des M. sub- 
scapularis derselben auf und deutet ihn zusammen mit diesem 
Muskel als Chef scapulaire postérieur des M. obturateur interne 
thoracique. Zugleich wirft er mir vor, da’ ich eine Konfusion 
begangen habe, die viel Dunkelheit auf die Muskelhomologien werfe, 
weil ich den Muskel dem M. scapulo-humeralis profundus der 
kionokranen Lacertlier verglich, der nach SABATiEr’s Anschauung 
einen Chef coracoidien et scapulaire antérieur des M. obturateur 
interne thoracique vorstellt und bei den Crocodiliern durch meinen 
M. supracoracoideus (supracoracoscapularis) reprasentiert wird. 

Ueber diese letztere Homologisierung SaABaTier’s habe ich 
mich bereits bei dem M. supracoracoideus (supracoracoscapularis) 
der Crocodilier zur Gentige geiiufert und sie auf das bestimmteste 
zuriickgewiesen (p. 503—507). Daf der M. scapulo-humeralis pro- 
fundus der Lacertilier und namentlich der Crocodilier nahe Beziehun- 
gen zu dem M. subcapularis aufweist, habe ich von allem Anfang an 
hervorgehoben, stehe somit in diesem Punkte SapatTrer nicht so 
fern. Gleichwohl vermag ich den M. scapulo-humeralis posterior 
der Crocodilier nicht ohne weiteres mit dem M. subscapularis der- 
selben zu identifizieren, denn beide Muskeln haben trotz ihrer 
nahen Nachbarschaft nicht allein separate Urspriinge, sondern 
auch separate Insertionen, sind auch zum Teil durch den Ursprung 
des M. anconaeus coracoscapularis voneinander geschieden, Dazu 
kommt, daf aus dem ziemlich unscheinbaren M. scapulo-humeralis 
posterior der Crocodilier sich bei den Végeln der miichtige M. sca- 
pulo-humeralis posterior entwickelt hat, welcher gegentiber dem 
M. subcoracoscapularis derselben als eine durchaus selbstandige, 
sehr ansehnliche Muskelbildung auftritt; eine derartige hoch- 
gradige Difterenzierung und Ausbildung geschieht gewoéhnlich nicht 
mit einem Schlage aus einem bereits in sich abgerundeten Muskel, 
sondern bereitet sich schon bei den tiefer stehenden Verwandten 
als bildsamerem und entwickelungsfihigerem Material vor. 

Was nun das gegenseitige Verhalten der Mm. scapulo-hume- 
rales (profundi) der kionokranen Lacertilier und Crocodilier an- 
langt, so habe ich nie verkannt, dal zwischen den Bildungen beider 
Reptilien-Abteilungen eine sehr auffallende Differenz der Lage zu 


514 Max Firbringer, 


dem M. anconaeus scapularis lateralis besteht: bei den Lacertiliern 
zieht dieser Muskel an der Innenseite, bei den Crocodiliern an der 
Aufenseite des M. scapulo-humeralis (profundus) vorbei; und ich 
kann sehr wohl begreifen, daf’ SaABATIeER darin eine untiberwind- 
liche Schwierigkeit fand, beide Muskeln miteinander zu homolo- 
gisicren. Ich habe selbst diese Schwierigkeit bei meinen friiheren 
Ueberlegungen lebhaft empfunden, habe mich aber bemiiht, sie 
aus dem Wege zu raiumen, indem ich eine inkomplete Homologie 
der Mm. anconaei scapulares laterales der Lacertilier und Cro- 
codilier statuierte und den betreffenden Anconaeus scapularis der 
Crocodilier als eine von dem Anconaeus scapularis lateralis der 
Lacertilier ausgehende laterale Neubildung mit der besonderen 
Bezeichnung eines M. anconaeus scapularis lateralis externus deter- 
minierte. Gleichwohl habe ich das durchaus Hypothetische dieses 
Erklarungsversuches nicht verschwiegen (1875, p. 806) und auch 
spaiter, als ich (in den Untersuchungen zur Morphologie und 
Systematik der Végel, 1888, p. 707, 708) fiir den M. anconaeus 
scapularis der Vogel, welcher in der Hauptsache mit dem M. an- 
conaeus scapularis lateralis externus der Crocodile identisch ist, 
einige weitere Instanzen zu Gunsten dieser Deutung beibrachte, 
nicht behauptet, einen sicheren Beweis fiir dieselbe zu geben. 
Zur Entscheidung dieser Frage hat nun Sphenodon eine neue, 
von mir nicht erwartete, aber sehr erwiinschte Instanz gebracht, 
indem hier (cf. p. 486—489) zwei M. scapulo-humerales (profundi) 
nebeneinander existieren, von denen der eine (M. scapulo-humeralis 
anterior) nach Ursprung, Insertion und Lage zu dem M. anconaeus 
scapularis lateralis dem Scapulo-humeralis (profundus) der kiono- 
kranen Lacertilier gleicht, der andere (M. scapulo-humeralis po- 
sterior) in entsprechender Weise mehr mit dem Scapulo-humeralis 
(profundus) der Crocodilier iibereinstimmt. Damit ist ein neues 
Faktum gegeben, welches geeignet erscheint, die Frage in dem 
Sinne zu beantworten, daf allerdings keine komplete Homologie 
zwischen den in Frage stehenden Muskeln der Lacertilier und 
Crocodilier besteht, sondern daB die ersteren den M. scapulo-hume- 
ralis anterior, die letzteren den M. scapulo-humeralis posterior 
von Sphenodon besitzen (vergl. auch p. 489). Wenn mir auch das 
verschiedene Verhalten der Mm. anconaei scapulares und der dorsal 
oder ventral von ihnen vorbeiziehenden Nerven noch nicht vollig 
ceklirt erscheint, so bin ich jetzt doch gern geneigt, diesem einen 
Punkte von Sasatrer’s Argumentation zuzustimmen, alle anderen 
Folgerungen dieses Autors hinsichtlich der beiden Scapulo-hume- 
rales muf ich dagegen, wie ausfiihrlich dargethan, ablehnen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 515 


17. Teres major. 


Teres major, Grand rond: Férsrincer, SABATIER. 


Wie 1875 (p. 800) beschrieben. An der ihm und dem 
M. latissimus dorsi gemeinsamen Insertionssehne, welche durch 
einen namentlich bei dem gréferen Exemplare von Alligator wohl- 
ausgebildeten Sehnenbogen (des Anconaeus) verlief, wird der ober- 
flichliche (laterale) und rein sehnige Teil von dem Latissimus 
dorsi, der tiefe (mediale) und vorwiegend muskulése Teil vom 
Teres major gebildet. 

In der Deutung des Muskels besteht zwischen SABATIER und 
mir keine Kontroverse. 


18. Subscapularis. 


Subscapaul ris: FiRBRINGEr. 
La 2. portion du chef scapulaire postérieur del’ob- 
turateur interne thoracique: SABATIER. 


Von der Innenflache der knéchernen Scapula (exkl. den vor- 
deren Teil derselben) zu dem Proc. medialis humeris, wo er medial 
und proximal gleich neben dem M. scapulo-humeralis posterior 
inseriert (verg]l. 1875, p. 801). Dieser Muskel liegt ihm, wie schon 
erwihnt, dicht an, soweit nicht der dorsale Ursprungszipfel des 
M. anconaeus coraco-scapularis sich zwischen beide  einschiebt. 
Durch das vordere insertive Ende des M. serratus superficialis 
wird ein kleinerer oberflichlicherer Teil (Subscapularis externus), 
welcher zu dem M. scapulo-humeralis posterior die intimeren Be- 
ziehungen aufweist, von der tibrigen Hauptmasse (Subscapularis 
internus) partiell abgesondert. 

SABATIER (p. 209), der in dem Muskel den Hauptteil seines 
Chef scapulaire postérieur des M. obturateur interne thoracique 
wiederfindet, vertritt damit im wesentlichen dieselbe Homologie 
wie ich. 


19. Anconaeus (Triceps brachii) '). 


a) Caput scapulare laterale externum: 
Caput scapulare laterale externum m. anconaeis. M. 
anconaeus scapularis lateralis externus: Fir- 
BRINGER. 


1) Sapatier geht auf das Verhalten der humeralen Kipfe des 
Triceps der Crocodilier nicht naher ein; er spricht mehr im allge- 
meinen nur von einem Vaste externe et interne. 


516 Max Firbringer, 


Chef scapulaire ou portion scapulaire externe du 
long triceps brachial: Saparizr. 


b) Caput coraco-scapulare : 


Caput coraco-scapulare m. anconaei s. M. anconaeus 
coraco-scapularis: Firprinerr. 

Portion scapulaire interne du long triceps bra- 
chial: Saparirr. 


c) Caput humerale laterale : 


Caput humerale laterale m. anconaei s. M. anco- 
naeus humeralis lateralis: FURBRINGER. 


d) Caput humerale posticum: 


Caput humerale posticum m. anconaei s. M. anco- 
naeus humeralis posticus: Firprrerr. 


e) Caput humerale mediale: 


Caput humerale mediale m. anconaeis. M.anconaeus 
humeralis medialis: FUrBRinGeEr. 


Meiner 1875 gegebenen Beschreibung (p. 803--805) habe ich 
kaum etwas Wesentliches hinzuzufiigen. 

Beziiglich des Caput scapulare laterale externum 
verweise ich auf diese Darstellung. 

Die Gréfe und das Verhalten der beiden Ursprungszipfel des 
Caput coraco-scapulare wechselt: bei dem kleineren Exem- 
plare ist der scapulare (der hier direkt vor der Insertion des 
M. serratus superficialis beginnt) viel schmaéler und nur wenig 
stiirker als der breite coracoidale; bei dem gréf%eren Tiere ist 
der erstere (der hier gerade von dem vorderen Teile der Inser- 
tionssehne des M. serratus superficialis bedeckt wird) auch viel 
schmiler, aber betrachtlich starker als der diinne und _ breite 
coracoidale Ursprungszipfel. 

Von den drei humeralen Képfen ist das Caput hume- 
rale der schwachste und lingste Kopf und beginnt zwischen 
den Insertionen des lateral davon liegenden M. dorsalis scapulae 
und des medial von ihm befindlichen M. latissimus dorsi + teres 
major; das Caput humerale posticum reprdasentiert den 
kraftigsten, aber an Linge ein wenig hinter dem lateralen Kopfe 
zuriicktretenden Teil und beginnt zwischen den Insertionen des 
M. latissimus dorsi + teres major und des M. scapulo-humeralis 
posterior, wobei ihn nur ein schmaler Spalt vom lateralen, ein 
erheblich breiter Zwischenraum vom medialen Kopfe trennt; das 
Caput humerale mediale ist noch kiirzer und schwacher 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 517 


als der hintere Kopf, aber etwas stirker als der laterale, und 
beginnt medial von der Insertion des M. scapulo-humeralis po- 
sterior, der ihn, tief und breit eingreifend, von dem hinteren Kopfe 
scheidet, sowie gleich distal von der Insertion des M. subscapularis. 

Hinsichtlich der Vergleichung der einzelnen Teile verweise 
ich auf meine fritheren Ausfiihrungen (1875, p. 805, 806) und die 
jetzt bei dem M. scapulo-humeralis posterior gegebenen Be- 
sprechungen (p. 514); auf das Verhalten der dorsalen Ursprungs- 
zipfel zu den Mm. scapulo-humeralis posterior und subscapularis 
moéchte ich einigen Nachdruck legen. Die einerseits durch die 
vereinigten Mm. latissimus dorsi +- teres major, andererseits durch 
den M. scapulo-humeralis posterior bewirkte Dreiteilung der hu- 
meralen Muskelmasse reprisentiert eine héhere Differenz als bei 
den Lacertiliern und Rhynchocephaliern, findet sich aber vereinzelt 
bei den Végeln (gewissen Gallidae) wieder. 

SABATIER dufert sich nicht iiber die Differenzen im Verhalten 
des Muskels bei den Lacertiliern und Crocodiliern. 


20. Humero-radialis. 


Humero-radialis: FUrBrinGer. 
Portion (Vaste) externe du brachial antérieur: 
SABATIER. © 


Die Untersuchung der beiden Exemplare von Alligator be- 
stitigte, daB der ventrale oberfliichliche Teil des Muskels 
(ca. 1/,—?/,) so innig mit dem M. deltoides scapularis inferior 
zusammenhangt, daf er als dessen Fortsetzung betrachtet werden 
kann, wahrend die dorsale und tiefere Hauptmasse von dem Hu- 
merus distal von der Insertion des M. deltoides scapularis inferior 
vom Humerus beginnt. Der Muskel endet, wie 1875 angegeben, 
mit runder Sehne am Radius; bei dem kleineren Exemplare schien 
auberdem eine schwache sehnige Aberration an die Fascie der 
Streckseite des Vorderarmes zu existieren, ahnlich wie dieselbe von 
BUTTMANN angegeben wird. 

Ich habe den von einem Zweige des N. axillaris innervierten 
Muskel 1875 von dem M. brachialis inferior abgetrennt, mit 
welchem er namentlich von HAUGHTON vereinigt worden war, und 
auf seine viel niheren Beziehungen zu dem M. deltoides hin- 
gewiesen. SABATIER greift wieder, ohne sich auf eine Diskussion 
gegen meine Deutung einzulassen, auf die altere Hauauron’sche 
Auffassung zuriick und bezeichnet danach den Muskel als Portion 


518 Max Fiirbringer, 


(Vaste) externe des M. brachial antérieur. Ich kann nur nach 
wie vor diese Verbindung so heterogener Muskeln als eine unnatiir- 
liche bezeichnen; der M. humero-radialis gehért zu der Gruppe 
der Extensoren (Mm. brachiales superiores), der M. brachialis 
inferior zu derjenigen der Flexoren (Mm. brachiales inferiores) '). 
Die Bestimmung der specielleren Homologien des M. humero- 
radialis unterliegt allerdings erheblichen Schwierigkeiten; daf er 
wenigstens zum Teil zum Deltoides-System gehért, médchte ich 
auch heute noch festhalten?), doch sind auch gewisse homologe 
Beziehungen zu dem M. brachio-radialis (supinator longus) sicher 
nicht von der Hand zu weisen. In dieser Hinsicht treffe ich mich 
mit Aurx, der bereits 1874 den M. humero-radialis der Crocodilier 
von dem M. brachialis inferior abtrennte*) und M. supinateur 
externe supérieur benannte. Auf diese Frage wird bei Besprechung 
der Schultermuskeln der Séiugetiere noch einzugehen sein. 


Anhangsweise sei hier noch ein kleiner M. coraco-scapu- 
laris erwahnt, den ich bei dem kleineren, 50 cm langen Exemplar 
von Alligator fand. Derselbe entspringt muskulés neben dem 


1) Ich will nicht unterlassen zu erwahnen, daf die mensch- 
liche Anatomie den M. brachialis anticus (M. brachialis inferior) 
ausschlieBlich oder in der Hauptsache durch ventrale Nerven (N. 
musculo-cutaneus), mitunter und accessorisch auch durch einige 
Fiiden des N. radialis versorgen laft. Darin kénnten die Anhanger 
der Haveuton’schen Auffassung, falls sie tiberhaupt die Inner- 
vationsfrage in den Bereich ihrer Erwigungen ziehen sollten, eine 
Stiitze fiir ihre Ansicht erblicken. Dem ist indessen nicht so; die 
hier zur Beurteilung gestellten Gebilde der Sauropsiden und der 
Mammalia miissen auseinandergehalten werden. Des naheren ver- 
weise ich auf die spatere Besprechung bei den Siugetieren. 

2) Hierbei ist auch an den M. deltoides propatagialis brevis 
der Vogel zu denken, der mit dem M. humero-radialis der Crocodilier, 
ohne ihm direkt homolog zu sein, doch einige Beziehungen teilt, an 
der Fascie der Streckseite des Vorderarmes endet und unter Um- 
stiinden auch am Radius (Upupa) inserieren kann. Ferner sei auf 
einen von Brpparp bei Rhinochetus (und einem nicht benannten 
anderen Vogel) gefundenen Muskel hingewiesen, der méglicherweise 

die Beschreibung giebt nichts Sicheres iiber Innervation und 
Insertion an — hierher gehért (siehe Cap. V. Vogel sub M. biceps 
und M. deltoides). 

3) Auf Grund des Mangels seiner Insertion an der Ulna. Der 
Innervation wird keine Erwaihnung gethan. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 519 


Acetabulum (Gelenkhohle fiir den Humerus) von dem disto-late- 
ralen Rande und, mit wenigen Fasern, von dem daran angrenzen- 
den Innensaum des Coracoides (im Bereiche von dessen lateralem 
Viertel, neben dem ventralen Ursprungszipfel des M. anconaeus 
coraco-scapularis) und geht nach kurzem Verlaufe an den hinteren 
Rand der Scapula, wo er direkt vor (proximal von) dem dorsalen 
Ursprungszipfel des M. anconaeus coraco-scapularis mit schlanker 
Sehne inseriert. Der gesamte Muskel, dessen Innervation nicht 
eruiert werden konnte, liegt somit im Bereiche der Urspriinge des 
coraco-scapularen Anconaeus-Kopfes. 


Nachtrag. 


Nach Abschluf von § 13—15 fand ich noch Gelegenheit, zwei 
zum Teil hierher Bezug habende Veréffentlichungen einzusehen: 


Verstuys, J., Die mittlere und aufere Ohrsphire der Lacertilia und 
Rhynchocephaha, Jena 1898. 

Osporn, H. F., A Complete Mosasaur Skeleton, Osseous and Cartila- 
ginous. Mem. Amer. Mus, Nat. Hist., No. I, 4, October 25, 1899 
(New York). 


Ad p. 271—273. Bei dem von Osporn beschriebenen, auch 
in seinen Knorpelteilen sehr wohlerhaltenen Skelette von Tylo- 
saurus dyspelor Core entspricht der primare Schultergirtel 
im wesentlichen demjenigen anderer Mosasauridae. Die knécherne 
Scapula ist breit, aber ein wenig schmaler, als von mir nach 
MarsH und Wixuistron bei Clidastes abgebildet (p. 271), das knor- 
pelige Suprascapulare zeigt eine erheblichere Breite als die Sca- 
pula, ist aber nicht vollkommen erhalten. Das knécherne Coracoid 
nimmt eine Mittelstellung zwischen Clidastes dispar und westii ein 
(cf. p. 271), indem der bei ersterer Art gut ausgebildete mediale 
Eiuschnitt nur schwach angedeutet ist, das knorpelige Coracoid 
(Epicoracoid) ist sehr breit entwickelt und mag wohl in ausge- 
dehntem Mafe iiber das der Gegenseite tibergegriffen haben‘). 


1) Auf der Abbildung Osporn’s Fig. 9 (p. 180) beriithren sich 
die medialen Rander der beiden Knorpelcoracoide in der Mittel- 
linie, greifen aber nicht iibereinander iiber. Damit kommen die 
Bd, XXXIV, N. F. XXVIL 34 


520 Max Firbringer, 


Von einem sekundaren Schultergiirtel, Clavicula, wird 
nichts erwahnt. Das primaire Brustbein, Sternun, ist zu 
einem grofen Teile erhalten, und zwar in ahnlicher Form, wie 
dies Marsu abbildet (cf. meine Kopie Fig. 46 auf p. 271); doch 
lauft es hinten spitz aus und wird mit 10 Sternocostalleisten ver- 
bunden angegeben (wahrend bisher nur 5 bei den Mosasauriern 
bekannt waren). Einsekundares Brustbein, Episternum, 
wurde gleichfalls an dem Osporn vorliegenden Exemplar vermift. 
Der Humerus ist schlanker als bei Clidastes (cf. p. 273); seine 
Lange betragt etwa ®/, seiner gré8ten Breite, sein Proc. lateralis 
ist kurz, aber gut entwickelt. — Hinsichtlich der systema- 
tischen Stellung der Mosasaurier entscheidet sich OsBorn 
gegen eine nahe Verwandtschaft mit den Varanidae (mit denen 
am Schadel einige wenige Aehnlichkeiten sich finden) und halt 
sie fiir einen sehr alten, primitive und generelle Merkmale 
wahrenden Zweig der Lacertilier (eine distinkte Subdivision der 
O. Lacertilia), der sich in hohem Grade dem Wasserleben ange- 
pabt habe. 

Ad p. 398. VeErstuys beschreibt bei den Geckonidae (p. 11) 
und bei Uroplates (p. 28) neben dem gewoéhnlichen Kopfursprunge 
des M. sterno-episterno-cleido-mastoideus auch einen solchen von 
der dorsalen Endplatte des Hyoidbogens, welche der hinteren Um- 
erenzung des Trommelfelles angelagert ist. Ich kann diese Angaben 
bestatigen. Auch sonst enthalt seine Abhandlung (auf p. 127 und 
128) speciellere Angaben tiber den Kopfteil des genannten Muskels. 


§ 16. 


Zusammenfassung. Genealogische Schlisse. 


In diesem Teile soll eine zusammenfassende Uebersicht der 
in den vorhergehenden Abschnitten behandelten Skelettteile, Nerven 
und Muskeln der Reptilien gegeben und dabei zugleich der Schwer- 


knéchernen Coracoide in eine bei Lacertiliern ungewohnliche gegen- 
seitige Entfernung voneinander, jedenfalls auch weiter, als ich in 
Korrektur von Marsn’s Abbildung auf Fig. 46 (p. 271) angegeben 
hatte. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 521 


punkt auf die Systematik und Genealogie derselben gelegt werden. 
Die betreffenden Skeletteile sind mit Auswahl bereits wiederholt 
fiir systematische Zwecke verwertet worden, entsprechend den ver- 
schiedenen Auffassungen der Untersucher mit verschiedenen Re- 
sultaten. Den entsprechenden Nerven und Muskeln wurde bisher 
nicht die gleiche Beriicksichtigung zu teil; aber auch sie liefern 
ein fiir genealogische Zwecke sehr brauchbares Material, von dem 
man um so fleifiger Nutzen ziehen sollte, als leider das, was von 
der grofen Reptilienabteilung noch lebend tibrig geblieben ist, nur 
einen relativ kleinen Bruchteil der einstmals in so grofer Reich- 
haltigkeit vertretenen Abteilung reprasentiert. 

Morphologische und genealogische Momente durchdringen sich 
auf das innigste und verleihen sich gegenseitig Kraft und Er- 
ganzung. Je mehr die Systematik von der Peripherie ins Centrum 
dringt und hier, entsprechend den mannigfaltigen Korrelationen 
der inneren Organe, ihr reiches und dankbares Arbeitsfeld findet, 
desto gréfer ist der Gewinn fiir die Morphologie; und anderer- 
seits wird nur die mit strengen morphologischen und_ physio- 
logischen Grundsitzen arbeitende Systematik sich zu einer wirk- 
lichen wissenschaftlichen Genealogie vertiefen. 

Selbstverstandlich liefern diese Untersuchungen nur einen 
verschwindend kleinen Beitrag zu der groben Aufgabe. 


A. Brustschulterapparat und Humerus. 


Nach GEGENBAUR’s scharfer Formulierung und ausgiebiger 
Begriindung besteht der Brustschulterapparat der Wirbeltiere bei 
guter vollstindiger Ausbildung aus einem primaren und sekundaren 
Anteile. Der primaire Brustschulterapparat ist knorpelig 
angelegt und wird reprasentiert durch die heterogenen Bestandteile 
des primaren Schultergiirtels, der von dem Visceral- 
skelet ableitbar ist'), und des primaren Brustbeines, das 
zu den Rumpfrippen in nachster genetischer Beziehung steht; 
seine Verknécherung erfolgt auch bei oberflichlicherem Beginne 
enchondral unter Verdrangung des Knorpelgewebes und_ fiihrt 
zu der Ausbildung von Scapula und Coracoid. Der sekundare 


1) Von verschiedenen Seiten wird das bekanntlich bestritten. 
34* 


522 Max Firbringer, 


Brustschulterapparat ist ganz direkt dermaler Abkunft*) 
und bildet sich aus dem Hautskelette zunichst in Gestalt von 
zahlreichen Hautplatten (Hautzahnen), die successive mit den da- 
runter liegenden primaren Bestandteilen als Deckknochen der- 
selben in einen zunichst minder intimen Zusammenhang treten; 
was sich auf den primaren Schultergiirtel auflagert, reprasentiert 
den sekundaren Schultergiirtel, die verschiedenen Clavi- 
cularia, was sich mit dem priméren Brustbein verbindet, das sekun - 
dire Brustbein, Episternum (Interclavicula); dazu kommt 
noch ein hauptsachlich hinter dem Brustschulterapparat, also im 
abdominalen Bereiche gelegener Komplex dermogener Knochen- 
platten oder Knochenstabe, die meistens mit den ventralen Teilen der 
Rippen sich verbinden, das Parasternum (Plastron, Gastralia). 
Der Humerus bildet den proximalen Teil der freien Extremitat 
und artikuliert mit dem primaren Schultergiirtel (Scapula und 
Coracoid); seiner Genese und Ossifikation nach steht er zu diesem 
in innigem Konnexe ”). 

In dieser Zusammensetzung aus primiren (chondralen, chondro- 
stotischen) und sekundaren (dermalen) Bestandteilen zeigt sich 
somit im wesentlichen das gleiche Verhalten wie an anderen 
Stellen des Wirbeltierkérpers, namentlich wie am Kopfe. Auch 
die Schicksale der beiderlei Komponenten bieten hier wie dort 
manche Parallelen, die natiirlich entsprechend der sehr  ver- 
schiedenen Funktionierung sehr wechselnd und different modifiziert 
sein kénnen. 

Bei den Reptilien besteht der Brustschulterapparat in 
seiner vollkommensten Ausbildung aus dem primaren Schulter- 
giirtel, der mit zwei (Scapula und Coracoid) oder drei (Scapula, 
Coracoid und Procoracoid) Knochenkernen ossifiziert und unter 
Beteiligung der beiden oder auch zum Teil der 3 Knochen die 
Gelenkhohle fiir den Humerus bildet, aus dem sekundaren Schulter- 
giirtel, der in der Regel nur noch ein Claviculare, die Clavicula, 


1) Schlieflich ist auch der primare Knochen auf die Ossi- 
fikationen der Haut zuriickzufiihren; er hat sich aber schon friih- 
zeitig in der direkten Nachbarschaft resp. innerhalb des Knorpel- 
skelettes lokalisiert, wihrend der sekundire seine Heimatsstitte 
besser erhalten hat. 

2) Beziiglich aller dieser Verhaltnisse verweise ich den minder 
Orientierten auf die uniibertreffliche Darstellung in GeGENBaAuR’s Ver- 
gleichender Anatomie der Wirbeltiere, I, Leipzig 1898 p. 294 f. 
und p. 467 f. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 523 


gewahrt hat, aus dem primiren Brustbein oder Sternum, welches 
mit dem Coracoid artikuliert und zugleich mit einer Anzahl von 
Rippen (Sternocostalien) in Verband steht, und dem sekundiren 
Brustbein oder Episternum, das mit seinem hinteren Teile mit 
dem Sternum, mit seinem vorderen mit den beiden Clavikeln ver- 
bunden ist. Ihm reiht sich hinten das aus zahlreichen metamer 
resp. hypermetamer') angeordneten Staben (Platten, Stabreihen) 
zusammengesetzte Parasternum an. 

Alle diese Teile sind in ihrer Gestalt und Existenz einem 
eroBen Wechsel unterworfen. Mit der zunehmenden Hohe der 
Differenzierung verbindet sich aber keine Vermehrung der Bestand- 
teile, sondern in der Regel eine Verminderung bei hoéherer 
Ausbildung und Specialisierung der tiberbleibenden. Bei den 
Reptilien mit gut entwickelten Extremititen bilden der die vorderen 
Gliedmafen tragende primare Schultergiirtel und das mit dem- 
selben verbundene primire Sternum die bestandigeren Elemente, 
wihrend die sekundaren (Clavicula, Episternum, Parasternum) weit 
mehr zur Riickbildung neigen und schlieflich in vélligen Schwund 
treten kénnen. Bei allgemeiner Reduktion der Extremitiaten, wie 
sie bei schlangenahnlichen Lacertiliern und in ihrem extremen 
Ausgange bei Ophidiern beobachtet werden, verfallt mit oder nach 
der freien Gliedmafe auch der Brustschulterapparat der successiven 
Verkiimmerung, wobei auch meist die sekundaren Elemente friiher 
vergehen als die primaren und von letzteren der primare Schulter- 
giirtel noch Rudimente aufweist, nachdem das Sternum bereits 
vollig geschwunden ist (p. 232f.). Bei einzelnen Lacertiliern und 
bei den Ophidiern verschwindet der ganze Apparat vollkommen, 
doch deutet, sicher bei ersteren, eine besondere Inscriptio tendinea, 
mit der sich aufer echten Rumpfmuskeln auch die letzten Rudi- 
mente der Mm. thoracici superiores und inferiores verbinden, 
noch die Stelle an, wo der Schultergiirtel sich einstmals befand. 


1. Primarer Schultergiirtel. 


a) Allgemeine Zusammensetzung und gegenseitiger Verband 
der Hauptabschnitte. 


Die Ontogenese der lebenden Reptilien lehrt, daf derselbe, 
im groBen und ganzen ahnlich dem primitiven Schultergiirtel der 


1) Metamer: den zugehérigen Rumpfmetameren an Zahl ent- 
sprechend; hypermetamer: in gréferer Anzahl auf je 1 zugehériges 
Rumpfmetamer kommend. 


524 Max Firbringer, 


Selachier'), als einheitliche, im Winkel gebogene und in einen 
dorsalen (scapularen) und ventralen (coracoidalem) Schenkel aus- 
laufende Knorpelplatte beginnt, die im hinteren Bereiche der 
winkeligen Vereinigungsstelle die Gelenkflache fiir den Humerus 
triigt und mit dem hinteren medialen Teile der ventralen Platte 
sich mit dem Sternum verbindet. 


Bei der Mehrzahl der Reptilien ossifiziert dieselbe mit zwei 
Knochenkernen, Scapula und Coracoid, die beide in der Nahe 
der Gelenkhéhle beginnen und von da aus dorsalwirts -— die 
Scapula — und medialwarts resp. mediorostralwirts — das Cora- 
coid -— sich vergréfern; einige Ordnungen (Chelonier, wahrschein- 
lich Plesiosaurier, Theromorphen) zeigen drei Knochenkerne, in- 
dem zu den beiden genannten noch ein dritter fiir den vorderen 
Teil des Coracoides, das Procoracoid, hinzukommt, das unter 
Umstanden (bei Theromorphen) an der Bildung der Gelenkhoéhle 
fiir den Humerus participieren kann. Darin spricht sich bei den 
genannten Reptilienordnungen eine héhere physiologische 
Dignitiit des Procoracoides im Vergleich zu der Mehrzahl der 
Reptilien aus. Ueberhaupt beherrscht das physiologische Moment 
den Gang der Verknécherung und namentlich auch die Art der 
Verbindung der drei Knochenkerne: die urspriingliche Synchondrose 
kann zur festen, aber den Komponenten des Schultergiirtels eine 
gewisse Selbstandigkeit und gegenseitige Beweglichkeit gewaihrenden 
Symphyse sich umbilden, sie kann auch zu der keine Bewegung 
mehr gestattenden Sutur werden, sie kann endlich zur vollkomme- 
nen synostotischen Verwachsung (Anchylosierung) fiihren. Diese 
verschiedenen Arten der Verbindung finden sich im gréSten Wechsel 
bei den niedrigsten und héchsten Ordnungen der Reptilien ?), selbst 
innerhalb der engsten Abteilungen (z. B. bei Lacertiliern, Patagio- 
sauriern, Végeln). Auch k6nnen bei dreifach verknécherndem 
Schultergiirtel die drei Bestandteile in gleichwertige Verbindung 
treten (Theromorphen), oder die Verbindung von Procoracoid und 
Scapula wird eine innigere als die mit dem Coracoid (Chelonier, 
Plesiosaurier). Ueberall ist die funktionelle Zweckmaigkeit im 
Kampfe ums Dasein das ziichtende Prinzip. Weitergehende morpho- 
logische und systematische Folgerungen sind aus diesen gegen- 


1) Von den Abghederungen an den Enden, wie z. B. dem 
Suprascapulare vieler Haifische, abgesehen. 
2) Das Gleiche gilt auch fiir Amphibien und Végel. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 525 


seitigen Verbindungen von Scapula, Coracoid und Procoracoid 
nur mit Vorsicht zu ziehen. 


b) Relative Ausdehnung der knéchernen und knorpeligen 
Bestandteile. 


Ein wichtigeres graduelles Moment bildet die relative Aus- 
dehnung der knéchernen und knorpeligen Bestandteile des pri- 
miren Schultergiirtels in der Richtung nach dessen freien Enden 
oder Randern: in der auf Kosten der letzteren fortschreitenden 
Ausdehnung der ersteren spricht sich die zunehmende héhere Aus- 
bildung des Schultergiirtels als Gradmesser der hoéheren Ent- 
wickelung der verschiedenen Abteilungen aus. 

Die Lacertilier mit sehr ausgedehnten Knorpelmassen 
(Suprascapulare, Procoracoid, Epicoracoid) geben sich auf den ersten 
Blick als primitive Formen zu erkennen, und unter ihnen stehen 
wieder die Kionokrania (p. 236f.)+) tiefer als die Chamaeleontia, 
bei denen das Verhaltnis mehr zu Gunsten des knéchernen An- 
teiles liegt. Mit der Reduktion des Schultergiirtels kommt es zu 
abortiven Retardationen des Ossifikationsprozesses, wodurch schein- 
bar wieder primitivere Verhialtnisse eintreten (schlangenahnliche 
Kionokranier, namentlich aus den Familien der Scincidae und 
Anguidae). Hierher gehéren aueh die Amphisbaenia, die aber 
innerhalb ihres Bereiches sehr differente Verhaltnisse darbieten: 
bei Chirotes?) (p. 260, 266) erinnert der primaire Schultergiirtel etwas 
an den von Chamaeleo; bei den mediterranen Gattungen Trogon- 
ophis (p. 261) und Blanus (p. 262 f.) bildet der Knorpelbestandteil 
einen hervorragenden Faktor (bei Blanus strauchi etwa ‘/, des 
ganzen Schultergiirtels betragend); bei den untersuchten neotro- 


1) Unter den kionokranen Lacertiliern stehen nach dieser Ver- 
teilung die Geckonidae am tiefsten, die Mehrzahl der Agamidae und 
Iguanidae, sowie Uroplates am héchsten, worin sich die systema- 
tischen Beziehungen — auf Uroplates, der hierin den Chamaeleon- 
tiden nahe kommt, sei speciell hingewiesen — auch gut wider- 
spiegeln. Doch liefern die aberranten Formen, z. B. Phrynosoma, 
auch Ausnahmen. 

2) Zugleich weicht er mit seinem fast rein knéchernen Cora- 
coid ziemlich erheblich von dem in eigentiimlicher Weise aus 
alternierenden Knochen- und Knorpelpartien bestehenden Coracoid 
von Ophiognomon vermiforme (Tejidae) ab (Corr, Journ. of Morph., 
1892, p; 231, Pl. XVE Bigs 10). 


526 Max Kirbrin per, 


pischen Arten von Amphisbaena (p. 263 f.) tritt er dagegen ganz 
zurtick, indem hier das coracoscapulare Rudiment ganz aus Knochen 
besteht (s. auch Taf. XIII). Bei den meisten fossilen Dolichosauria und 
Mosasauria (p. 270, 271 f.) aus der Kreide lat sich auf Grund direkter 
Beobachtungen nichts tiber diese Verhaltnisse aussagen; doch 
macht es die Konfiguration der erhaltenen Knochenteile wahr- 
scheinlich, daf sie in der Ausdehnung der knorpeligen Anteile 
nicht wesentlich von den Lacertiliern, vermutlich gewissen héheren 
Formen derselben (Varanidae) abwichen. Vereinzelt sind gré8ere 
Knorpelausbreitungen direkt beobachtet worden (cf. p. 519). Bei den 
Telerpetidae aus dem Keuper sind die knéchernen Teile nicht gut 
genug erhalten, um Schliisse tiber die knorpeligen zu gestatten. Selbst- 
verstindlich mufi angenommen werden, dafi} das Reich der Lacer- 
tilier in friiheren Perioden ein sehr grofes war; morphologische Er- 
wigungen und vereinzelte Reste (Hylonomus, Petrobates, Kadalio- 
saurus, die vielleicht mit dem gleichen Rechte als primitive Rhyncho- 
cephaiier anzusprechen sind) weisen ihm ein Alter bis in die Karbon- 
zeit zu. Von diesen uralten Vorfahren kénnen wir nur postulieren, 
daf’ hier die Knochenelemente noch mehr gegen die Knorpelteile 
zuriicktraten. 

Von den Rhynchocephaliern (p. 277 f.) stellt sich Sphe- 
nodon in der graduellen Verteilung seiner Knochen- und Knorpelsub- 
stanz mit den tiefer stehenden (aber nicht den am tiefsten stehen- 
den) etwa auf die gleiche Stufe. Von den fossilen Vertretern der- 
selben lat Palaeohattteria aus dem unteren Rotliegenden nach 
der Beschaffenheit seines kleinen und rundlichen coracoidalen 
Knochenkerns auf ein erhebliches Vorwiegen des Knorpels im 
Coracoid schliefen, wahrend auch der langere und hoher ent- 
wickelte scapulare Knochenkern ein sehr ansehnliches knorpeliges 
Suprascapulare und eine breite Knorpelgrenze zwischen Scapula 
und Coracoid nicht ausschlieSt. Palaeohatteria bietet in dieser 
Hinsicht die primitivsten Verhaltnisse unter allen bisher bekannten 
Reptilien dar. Bei den anderen ausgestorbenen Rhynchocephaliern 
von dem oberpermischen Proterosaurus bis herauf zu den kreta- 
ceischen und untertertiaren Champsosauridae nimmt die Knochen- 
ausbreitung zu und erreicht nicht nur die von Sphenodon bekannten 
Verhaltnisse, sondern scheint sie sogar zum Teil zu tbertreften. 
In toto darf man aber die Rhynchocephalia etwa auf die gleiche 
tiefe Stufe wie die Lacertilia stellen. Etwas hoéher diirften die 
Ichthyopterygier (p. 309) stehen. An die gut ausgebildeten 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 527 


Knochenteile von Scapula und namentlich Coracoid!) haben sich 
augenscheinlich ein ansehnliches knorpeliges Suprascapulare und 
Procoracoid angeschlossen, vielleicht auch ein mafig ausgedehntes 
knorpeliges Epicoracoid, doch ist tiber diesen Punkt zur Zeit nichts 
einer gréferen Wahrscheinlichkeit Nahekommendes auszusagen. 


Die Chelonier (p. 312 f.) stellen sich mit der weitgehenden 
Ossifikation ihres eigen gestalteten Schultergiirtels ein gutes 
Stiick héher als die bisher behandelten Reptilien, doch zeigen die 
Enden von Scapula, Procoracoid und namentlich Coracoid noch in 
verschiedenem Grade mabig ausgedehnte Knorpelteile 2). 


Aehnlich verhielten sich wohl auch die Sauropterygier 
(p. 323 f., 328 f.), deren altere und primitivere Formen (Nothosaurier) 
aber vermutlich (nach SEELEY’s und meiner Deutung und Rekonstruk- 
tion) ein noch ausgedehntes knorpeliges Procoracoid aufwiesen, wih- 
rend dasselbe bei den spateren und héheren (Plesiosauriern) in zu- 
nehmendem Mafe in medialwairts gehender Richtung in Ver- 
knécherung trat und bei den héchsten Formen (Elasmosauridae) 
vollstandig (einschlieSlich des epicoracoidalen Anteiles) ossifizierte 
. und fiir keine oder nur ganz gerinegfiigige Knorpelreste Platz lief. 
Gleichfalls tiberwiegen, wie es scheint, die Knochenteile an dem 
noch nicht vollkommen bekannten Schultergiirtel der Mesosaurier 
(p. 337), und dasselbe gilt fiir die ebenso alten oder wenig jiingeren 
Theromorphen (p. 340f.). Namentlich bei den letzteren erreicht 
der Schultergiirtel in dieser Hinsicht eine einseitige Héhe der 
Entwickelung, die bei dem grofen Alter dieser Tiere wunder nimmt. 


Auch die Crocodilier (p. 298 f., 502 f.), deren Scapula einen 
schmalen Knorpelsaum (Suprascapulare) aufweist, wahrend am Cora- 
coid die Knorpelteile noch viel mehr zuriicktreten, bekunden in 
der Ausbreitung ihrer Verknécherung von ihren Altesten bekannten 
Vertretern ab einen hchen Entwickelungsgrad. Nicht tiefer, zum 
Teil selbst héher stehen die Dinosaurier (p. 349 f.). Noch hoher, 
alle anderen Reptilien tiberragend, ist die von den Patagio- 
sauriern (p. 357f.) erreichte Stufe; hier scheint der Schulter- 


1) In der relativ hohen Ausdehnung des Knochenteiles des 
Coracoides gegeniiber dem der Scapula zeigt sich eine erhebliche 
graduelle Differenz von Palaeohatteria, wo gerade der coracoidale 
Knochenkern gegeniiber dem scapularen sehr zuriicktrat. 

2) Vermutlich unterlag auch das knorpelige Epicoracoid einer 
sekundaren Riickbildung und teilweisen Umbildung in ein Liga- 
mentum. 


528 Max Firbringer, 


giirtel, abgesehen von der bei gewissen Vertretern existierenden 
freieren Verbindung von Scapula und Coracoid, ganzlich verknéchert 
zu sein, womit eine Entwickelungshohe erreicht wurde, welche die 
Patagiosaurier in diesem Stiicke den Végeln graduell gleichstellt. 


c) Speciellere Gestaltung und Grofe. 


Noch bedeutsamer als diese relative Ausdehnung der knorpe- 
ligen und knéchernen Gebiete des Schultergiirtels erweist sich in 
systematischer Beziehung die speciellere Gestaltung und Gré8e 
desselben; in dieser spricht sich nicht bloS ein quantitatives, 
sondern nach mehreren Richtungen hin ein hodheres qualitatives 
Ditferentialmoment aus. 

Bei der tiberwiegenden Mehrzahl der kionokranen Lacer- 
tilier (p. 233f. u. 236 f.) stellen der scapulare und coracoidale 
Anteil des Schultergtirtels breite und ansehnliche Platten dar, von 
denen die Scapula (inkl. das knorpelige Suprascapulare) die gréBte 
transversale!), das Coracoid (inkl. Procoracoid und Epicoracoid) 
die ansehnlichere sagittale') Dimension aufweist; doch kann sich 
auch der dorsale Bereich der im Knochenteile nicht sehr breiten 
Scapula zu ansehnlicher Ausdehnung des Knorpelteiles in die 
Breite entfalten. Der Wechsel dieser verschiedenen Dimen- 
sionen ist bei den verschiedenen Familien der Kionokranier 
sehr erheblich; zu den gréSten Schultergiirteln gehért der der 
Varanidae und Mosasauridae, zu den kleinsten der von Uro- 
plates, sowie Phrynosoma und anderen aberranten Iguanidae und 
Agamidae, waihrend die primitiveren Formen sich durch mittlere 
Gréfen kennzeichnen. Die erheblichere sagittale Verschmile- 
rung, welche das Coracoid und die Scapula von Uroplates kenn- 
zeichnet, ist in noch weiterem Grade bei den Chamaeleontia (p. 266 f.) 
ausgebildet, wo insbesondere die ausgiebig verknécherte Scapula 
eine grofe Schlankheit zeigt; gewisse specifische Besonderheiten 
weisen auf speciellere genealogische Beziehungen zwischen Uro- 
platidae und Chamaeleontidae hin. Bei guter transversaler Ent- 
faltung der Coracoide greifen diese bekanntlich bei den kiono- 
kranen Lacertiliern in der Mittellinie tibereinander tiber+); auch 
hier kann ein Zuriickweichen der medialen Rander infolge von 


1) Transversal und sagittal im Sinne der Ebenen des ganzen 
Korpers. 


s 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 529 


transversaler Verschmiilerung der Coracoide stattfinden, wobei 
wieder die von Uroplates zu den Chamaeleontia fiihrende Richtung 
Beachtung verdient. Weitere Verschmilerung und Verkiirzung 
tritt ein bei der Reduktion des Brustschulterapparates bei den 
schlangenahnlichen Lacertiliern. In sehr einseitiger Weise ist die- 
selbe bei Trogonophis entwickelt (p. 261), wo das Scapulacoracoid 
einen relativ langen, aber sehr diinnen Stab bildet, der bei Blanus 
(p. 262 f.) sich weiter verkiirzt, wahrend eine in von den beiden 
genannten Amphisbaeniden ganz abweichender Weise vorge- 
schrittene Reduktion sich bei Amphisbaena (p. 263 f.) findet. Diese 
Riickbildungen fiihren bei gewissen Scincidae, bei den Anelytropidae, 
Dibamidae, Anniellidae und verschiedenen Amphisbaenidae zum 
volligen Schwunde des Schultergiirtels'!), — Ein auffallendes 
Charakteristikum des primaren Schultergtirtels der kionokranen 
Lacertilier ist seine Fensterbildung: friih auftretende Rare- 
fikationen des Knorpelgewebes fiihren schlieBlich zu Durchbriichen 
in der Knorpelsubstanz, die von dem zur bindegewebigen Membran 
verschmolzenen und umgebildeten auBeren und inneren Perichon- 
drium ausgefiillt werden. Am ausgebildeten Schultergiirtel fallen 
diese Fenster meist in die Grenze des Knochen- und Knorpel- 
teiles von Scapula und Coracoid, so dal sie hinten von Knochen, 
vorn von Knorpel umrahmt werden; finden sie sich weit vorn am 
Vorderrande des Schultergiirtels, so kann die vordere Knorpel- 
umrahmung fehlen resp. durch Bindegewebe ersetzt werden, und 
es kommt dann zu mit Membran verschlossenen Einschnitten (In- 
cisurae obturatae s. Semifenestrae). Die Fensterbildungen kénnen 
bis zu 4 steigen, von denen 2, ein vorderes (Fenestra coracoidea 
anterior, No. 1 GEGENBAUR’s) und ein hinteres (I. coracoidea 
posterior, No. 2 GEGENBAUR’S) im Coracoid, im Bereiche des M. 
supracoracoideus (No. 1) und der Urspriinge der Mm. biceps brachii 
und coraco-brachialis brevis (No. 2) sich befinden; ein weiteres 
liegt an der Grenze von Coracoid und Scapula (F. coraco-scapu- 
laris, No. 3 GrGENBAUR’s), dient hauptsichlich dem Ursprunge 
des M. scapulo-humeralis anterior (resp. dieses Muskels und des 
M. supracoracoideus) und tritt sehr hiufig als Incisura obturata 
(Semifenestra) coraco-scapularis auf; ein letztes, am seltensten 
vorkommendes Fenster beschrankt sich auf den Bereich der Scapula 
(I. scapularis, No. 4 Ge@ENBAUR’s), kann auch zur Incisura ob- 


1) Bekanntlich ist auch bei den Ophidiern der Brustschulter- 
apparat ginzlich geschwunden. 


530 Max Firbringer, 


turata umgebildet sein und entspricht dem scapularen Kopfe des 
M. scapulo-humeralis anterior. Nach GrcGENnBAur’s Nachweisen 
tritt No. 1, auch als Hauptfenster bezeichnet, als wichtigstes und 
bestindigstes ganz in den Vordergrund; die es umrahmenden Teile 
des Coracoides sind Coracoid s. str., Epicoracoid und Procoracoid. 
Auf dieses folgt an Bedeutung die Fenestra (Semifenestra) coraco- 
scapularis. Die beiden anderen Fenster sind speciellere und minder 
wichtige Bildungen. Zwischen dem Hauptfenster und der Gelenk- 
héhle fiir den Humerus findet sich das Foramen supracora- 
coideum als Durchtrittsstelle fiir die gleichnamigen Nerven 
und Gefifie; seltener (Uroplates, Phrynosoma u. a.) fallt dasselbe 
mit dem Hauptfenster zusammen. Die speciellere Gestaltung und 
Anordnung dieser Fenster ist fiir die einzelnen Familien der Kiono- 
kranier von diagnostischer Bedeutung, wobei aber nicht aufer 
acht zu lassen ist, daf sie (abgesehen von No. 1) als variable 
Gebilde innerhalb derselben Familie auch durch blof verdiinnte 
Stellen der Scapula und des Coracoides vertreten sein kénnen. 
Bei den am tiefsten stehenden kionokranen Lacertiliern (Gecko- 
nidae) treten sie bereits in voller Ausbildung auf; ein primordial 
imperforiertes Scapulo-coracoid hat kein lebender kionokraner 
Lacertilier mehr bewahrt. Doch kommt es haufig wieder zu sekun- 
daren Ausfiillungen dieses oder jenes Fensters durch Skeletgewebe 
und hierfiir bieten die meisten Familien charakteristische Belege 
dar; insbesondere sei auf Varanidae und Mosasauridae hingewiesen. 
Das Hauptfenster leistet dieser sekundaren Ausfillung am langsten 
Widerstand und ist nicht selten als alleiniges Fenster vorhanden 
(so auch bei den fossilen Telerpetidae); bei Phrynosoma, nament- 
lich aber Uroplates ist es sehr eingeengt, bei Heloderma endlich 
vollkommen verschlossen; die hier wieder eingetretene Fenster- 
losigkeit ist somit nicht als etwas primordiales, sondern wohl als 
etwas sekundires aufzufassen +). Die Einengung des Hauptfensters 


1) Ueber die primare oder sekundire Natur der Fensterlosig- 
keit des primaren Schultergiirtels bei Lacertiliern und Rhyncho- 
cephaliern sind allerdings die Akten noch nicht geschlossen. Den 
ersten Ausgang gaben imperforierte Schultergiirtel, die danach 
Fensterbildungen zur Entwickelung brachten, die schlieflich wieder 
sich fillen konnten. Es ist aber die Méglichkeit nicht von der 
Hand zu weisen, daf gewisse fensterlose Schultergtirtel noch jetzt 
lebender Formen direkt von imperforierten primordialen Formen 
abstammen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 531 


bei Uroplates leitet tiber zu den Chamaeleontidae, bei denen es 
durch vélligen Verschluf desselben zu einem gleichfalls imperforierten 
Schultergiirtel kommt. Aehnlich verhalt sich Chirotes. Mit der 
durch die Riickbildung des Schultergiirtels bei den schlangen- 
ahnlichen Lacertiliern bedingten Verschmalerung desselben kommt 
es auch hinsichtlich der Fensterbildung zu Vereinfachungen, indem 
diese teils sich ausfiillen, teils durch Reduktion der vorderen Um- 
randung zu Incisuren sich umgestalten und schlieflich ganz ab- 
flachen; der hier fensterlose primére Schultergiirtel ist es meistens 
durch Reduktion seines ganzen fensterfiihrenden Bereiches ge- 
worden. — Das Acromion wird in seiner Ausbildung von der- 
jenigen der Clavicula beherrscht, doch nicht ausschlieBlich. Seine 
Lage variiert: bei langerer Clavicula liegt es mehr dorsal, bei 
kiirzerer mehr ventral, meist am vorderen Rande des ventralen 
Bereiches des knorpeligen Suprascapulare, seltener an dessen 
Aufenflaiche. Bei den héheren Formen fallt es mit der zunehmen- 
den Verknécherung der Scapula an die Grenze von Knorpel- und 
Knochenteil oder selbst in das Gebiet des letzteren. Bei Riick- 
bildung der Clavicula, wie sie bei den Chamaeleontia, Dei 
Chirotes und verschiedenen schlangenartigen kionokranen Lacer- 
tiliern sich findet, schwindet meistens auch das Acromion. — 
Ueber die Verbindung des Coracoides mit dem Sternum soll bei 
letzterem gesprochen werden (siehe unten sub Sternum p. 536 f.). 
— In allen diesen Verhaltnissen der Konfiguration 
des primaren Schultergtirtels kann sich keine andere 
Reptilienordnung an Bedeutung nur annahernd mit 
den Lacertiliern messen; sie bieten den Schlissel 
fiir alle weiteren Differenzierungen desselben inner- 
halb der Sauropsiden dar. 

Unter den Rhynchocephalia (p. 277 f.) schlieft sich der 
primare Schultergiirtel von Sphenodon dem der kionokranen Lacer- 
tilier ziemlich nahe an. Er reprasentiert ein relativ sehr ansehn- 
liches, den gréften Schultergiirteln der kionokranen Lacertilier 
nicht nachstehendes Gebilde, dessen coracoidaler Anteil wie bei 
diesen in der ventralen Mittellinie tiber den der Gegenseite greift, 
und ist, abgesehen von einer mabig entwickelten Semifenestra 
(Incisura obturata) coraco-scapularis und dem iiblichen Foramen 
supracoracoideum, imperforiert. Diese Fensterlosigkeit méchte 
ich aber auch nicht als eine primordiale ansprechen, sondern 
neige, namentlich unter Beriicksichtigung der Existenz des er- 
wahnten Halbfensters und anderer nicht ganz primitiver Ziige im 


5352 Max Firbringer, 


Schultergiirtel von Sphenodon, dazu, sie als eine sekundire Er- 
scheinung zu bezeichnen. Das Acromion findet sich entsprechend 
der relativ ktirzeren Clavicula mitten im Bereiche des vorderen 
Randes der knéchernen Scapula; auch das ist kein primitiver Zug. 
Einfacher gebildet war vermutlich der Schultergiirtel von Palaeo- 
hatteria. Auffallend ist die breite Ausbildung und der vor- 
springende Kontur des vorderen Randes der knéchernen Scapula; 
ihre Gestalt und die des coracoidalen Knochenkernes lassen fragen, 
ob hier der primordial imperforierte Schultergiirtel wirklich vor- 
liegt. Eine naihere Antwort ist nicht zu geben und die Existenz 
einer Fenestra oder Incisura coraco-scapularis, wenn auch nicht 
sehr wahrscheinlich, doch nach der Konfiguration der in Frage 
kommenden Stelle der Scapula keineswegs ausgeschlossen. Die 
noch nicht ausreichend bekannten Schultergiirtel der iibrigen fossilen 
Rhynchocephalier und Acrosaurier bieten nichts dar, was Sphenodon 
gegentiber wesentlich neue Ziige offenbarte. Das Coracoid der- 
selben scheint imperforiert gewesen zu sein, wihrend eine Incisura 
resp. Fenestra coraco-scapularis existiert haben mag; bei den 
Champsosauridae diirfte dasselbe wohl zugleich die Durchgangs- 
stelle fiir die supracoracoidalen Gefafe und Nerven gebildet haben. 
Im Gegensatze zu den Lacertiliern tritt somit bei den Rhyncho- 
cephaliern das coraco-scapulare Fenster oder Halbfenster in den 
Vordergrund, wihrend das coracoidale Hauptfenster bei ihnen 
nicht zu rechter Entfaltung gelangte resp. sich bald wieder 
schlof. 

Dem priméaren Schultergirtel der Rhynchocephalier kommt in 
wesentlichen Ztigen der der Ichthyopterygier (p. 309 f.) nahe. 
Auch hier findet sich ein imperforiertes Coracoid und eine imper- 
forierte Scapula, aber eine wohl entwickelte, héchst wahrscheinlich 
vorn von einer ansehnlichen Knorpelspange (Procoracoid) abge- 
schlossene Fenestra coraco-scapularis, mit der zugleich das _ in 
Gestalt einer coracoidalen Incisur in sie einmiindende Foramen 
supracoracoideum zusammengeflossen ist. Ob die beiden Coracoide 
in der Mittellinie iibereinander griffen oder in gegenseitigen Kon- 
takt traten, ist noch nicht véllig aufgeklirt. Die Clavicula lag 
der knéchernen Scapula in grofer Ausdehnung auf. 

Die Chelonier (p. 312f.) kennzeichnet ein ganz anderer 
Typus als die Rhynchocephalier und Ichthyosaurier; derselbe wird 
aber ultima ratione aus den primordialen Verhiiltnissen bei den 
Lacertiliern verstandlich, die auch hierin im Vergleich mit den 
Rhynchocephaliern ihre centralere Stellung bekunden. Bei den 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 533 


Cheloniern tritt das, den supracoracoidalen Nerven und Gefaen 
zugleich Durchgang gebende, coracoidale Hauptfenster ganz domi- 
nierend in den Vordergrund, wahrend alle anderen Fensterbildungen 
fehlen, und beherrscht damit die ganze Gestalt. des schlank und 
kraftig zugleich gebildeten primaren Schultergiirtels. Dieser er- 
halt damit ein erheblich anderes Ansehen als der Schultergiirtel 
der bisher besprochenen Reptilienordnungen, wozu noch die par- 
tielle Riickbildung des das Hauptfenster medial begrenzenden 
Epicoracoides unter Lésung der medialen Verbindung von Coracoid 
und Procoracoid und der durch die Funktion beherrschte (s. p. 524) 
besondere Verband der drei Elemente dieses Schultergiirtels (Sca- 
pula + Procoracoid; Coracoid) hinzukommt. Neu gewonnene Ver- 
bindungen mit dem Riickenschild (1. Dorsalwirbel) und Bauch- 
schild (Entoplastron) vollenden die eigenartige Specialisierung dieses 
Gebildes, das vermutlich schon in sehr friiher Zeit seine besondere 
Entwickelungsbahn eingeschlagen hat. Keine den lebenden La- 
certiliern — von den Rhynchocephaliern ist ganzlich abzusehen — 
nahestehende Form kann ihnen als Ausgangspunkt gedient haben; 
doch kann die kombinierende Beurteilung primordiale lacertilierartige 
Bildungen sich unschwer vorstellen, die hier den Anfang gaben. 
Dali gewisse Parallelitaten mit dem Schultergiirtel der Anuren 
nicht als Verwandtschaften zu nehmen sind, bedarf keiner Aus- 
fiihrung. 

Nicht allzu fern von den Cheloniern steht die Bildung des 
primiren Schultergiirtels der Sauropterygier (p. 323f., 327f.); 
bei allen Besonderheiten, die derselbe darbietet, ist sein Abstand von 
dem der Chelonier relativ geringer als derjenige von den anderen 
Reptilien. Auch hier dominiert das zwischen Coracoid und Pro- 
coracoid befindliche Hauptfenster; die Scapula ist in ihrem dor- 
salen Bereiche kiirzer, vermutlich riickgebildet, im ventralen 
breiter gestaltet; das rechte und linke Coracoid treten in ihrem 
ganzen medialen Bereiche in zunehmend sich verbreiternde Ver- 
bindung miteinander; die bei den Nothosauriern wohl noch ganz 
knorpeligen, bei den Plesiosauriern successive mehr und mehr ver- 
knéchernden Procoracoide stehen bei letzteren wie bei den Che- 
loniern mit der Scapula in synostotischem, mit dem Coracoid in 
symphytischem resp. suturalem Verbande, und schliefSlich — in 
héchster Ausbildung dieser gleichfalls sehr eigenartigen Ent- 
wickelungsrichtung — kommt (bei den Elasmosauridae) eine aufer- 
ordentlich ausgedehnte mediane Verbindung des zu sehr erheblicher 
sagittaler Dimension gestalteten ventralen Schultergiirtels (Pro- 


534 Max Fiirbringer, 


coracoid, Epicoracoid und Coracoid) der rechten und linken Seite 
zustande. 

Der noch ungentigend bekannte Schultergiirtel der Meso- 
saurier (p. 337f.) enthielt in dem ausgedehnten ventralen Bereiche 
eine ziemlich kleine Oeffnung, die wahrscheinlich auch als cora- 
coidales Hauptfenster (wohl inkl. Foramen supracoracoideum) an- 
zusprechen ist. Insofern bestehen gewisse relativ niihere Bezie- 
hungen zu den Sauropterygiern. Andere Ziige weisen, weniger 
nah, auf die Theromorphen hin. In dem gegenseitigen, iibrigens 
noch nicht gesicherten Verhalten der beiden Coracoide von Meso- 
saurus scheinen primitive, an Lacertilier und Rhynchocephalier 
erinnernde Ziige sich zu offenbaren'). Eine Ableitung des Schulter- 
giirtels der Sauropterygier von dem der Mesosaurier — wie er 
bis jetzt bekannt ist — macht Schwierigkeiten, jedoch nicht un- 
iiberwindliche. Wie namentlich SEELEY und BOULENGER hervor- 
hoben, bieten andere Teile des Skelettes recht grofe Aehnlich- 
keiten dar, die naheren genealogischen Beziehungen zwischen 
Mesosauriern und Sauropterygiern das Wort reden. 

Einen anderen Entwickelungsgang haben die Theromorphen 
(p. 340 f.) eingeschlagen, doch befand sich sein Anfang in der Nahe 
derjenigen der Mesosaurier und damit der Sauropterygier; zugleich 
weisen gewisse Ziige, insbesondere die Ausbildung eines (manch- 
mal sekundir unterdriickten) coraco-scapularen Fensters sowie der 
lang ausgedehnte Verband der Scapula und Clavicula auch auf 
nachbarliche Wurzeln der Rhynchocephalier nnd Ichthyopterygier 
hin. In der Hauptsache kennzeichnet aber die innerhalb der Ord- 
nung immer anselnlicher werdende Ausbildung der langen und 
mehr und mehr dominierenden Scapula gegeniiber den successive 
mehr und mehr zuriicktretenden ventralen Elementen (Coracoid 
und Procoracoid) nicht nur die im Vergleich mit den Rhyncho- 
cephaliern und Ichthyopterygiern héhere Entwickelungsstufe der 
Theromorphen, sondern namentlich auch ein ginzlich differentes 
Quale in der Ausbildung gegeniiber den Sauropterygiern, bei denen 
gerade die ventralen Elemente des Schultergtirtels bedeutend vor- 


1) Die von Corr (Stereosternum) und Srenrey (Mesosaurus) 
abgebildeten und beschriebenen Schultergiirtel zeigen namentlich im 
medialen Bereiche des Coracoides Abweichungen, die sich mit der 
nahen Stellung dieser beiden, vielleicht gar nicht generisch ver- 
schiedenen Gattungen kaum vereinigen lassen. Vermutlich liegen in 
dem Copr’schen Exemplare erhebliche Defekte vor. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 535 


wiegen. In dieser Hinsicht kommt es zu Anklaingen an die Ver- 
haltnisse bei den Dinosauriern und bei den Saugetieren, welche 
letzteren auch durch die Existenz ihrer drei Verknécherungscentren 
im Schultergiirtel eine gewisse Aehnlichkeit mit den Theromorphen 
darbieten ; alle diese Aehnlichkeiten bedeuten aber, wie so manche 
andere geltend gemachten Uebereinstimmungen, nur parallele Ent- 
wickelungsgainge, Analogien, welche nihere Verwandtschaften nur 
vortiuschen. 

Ganz allgemeiner Art sind die Beziebungen der Theromorphen 
zu den Crocodiliern (p. 298f.), die hingegen etwas priignantere 
Uebereinstinmungen mit den Dinosauriern, auch einige, jedoch nicht 
zu tiberschatzende, Aehnlichkeiten mit den Patagiosauriern und 
Végeln darbieten. Bei den alteren Crocodiliern (Parasuchia) zeigt 
sich eine betrachtliche Entwickelung der Scapula in die Linge‘) und 
ein beginnendes Zuriicktreten des Coracoides, das aber mit einer 
(bei Phytosaurus) vorhandenen Incisur auf die Existenz einer 
Fenestra (Semifenestra?) coraco-scapularis, die vorwiegend von 
dem Coracoid begrenzt wurde, schliefen lat. Damit, mehr aber 
noch mit der in Korrelation zu der Riickbildung der Clavicula 
erfolgten Gewinnung neuer gréferer Ursprungsflichen steht die 
ansehnliche Entfaltung des ventralen Endes der Scapula im Zu- 
sammenhang. Bei den neueren Crocodiliern (Kusuchia) zeigt die 
Scapula keine wesentliche Verinderung, dagegen hat sich das 
Coracoid zugleich unter Riickbildung des rostro-medialen Teiles 
des parasuchen Coracoides schlanker gestaltet und ist eine Rich- 
tungsiinderung eingegangen, welche auch auf die Richtung der 
Scapula nicht ohne Einfluf blieb und zu einer auch in sagittaler 
Richtung winkeligen Vereinigung beider Elemente und zur Aus- 
bildung einer rostral vorragenden Eminentia scapulo-coracoidea 
fiihrte. Aehnliches ist zum Teil in noch héherem Grade bei den 
Patagiosauriern und carinaten Végeln ausgebildet. Ein echtes 
Acromion fehlt entsprechend der Riickbildung der Clavicula; die 
seine Stelle einnehmende Leiste kann nur als Crista deltoidea 
bezeichnet werden. 

Derselben Entwickelungsrichtung wie die Crocodilier gehért 
der Schultergiirtel der Dinosaurier (p. 349f.) an und bekundet 


1) Diese Formentwickelung iiberschritt keineswegs die schon 
innerhalb der Lacertilier bei den Chamaeleontia vorhandene, wie 
auch Newron die Form der Scapula von Erpetosuchus mit der von 
Chamaeleo vergleicht. 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL. 35 


536 Max Firbringer, 


in seinem ersten Auftreten bei den bekannten Vertretern derselben 
in der ganz vorwiegenden Entfaltung der Scapula, in dem be- 
trachtlichen Zuriicktreten des Coracoides und in dem Mangel jeder 
Fensterbildung — lediglich ein im Coracoid, mitunter ganz nahe 
an der Grenze gegen die Scapula liegendes Foramen supra- 
coracoideum durchbohrt ihn — eine héhere Entwickelung als bei 
den parasuchen, aber eine etwas tiefere als bei den eusuchen 
Crocodiliern. Damit koincidiert die in verschiedenem Grade 
schriige Stellung der Scapula, die an ihrem ansehnlicher gestalteten 
ventralen Teile ganz vereinzelt einen vielleicht als Acromion zu 
deutenden Vorsprung, regelmalig dagegen eine Crista deltoidea 
aufweist. | 

Bei den Patagiosauriern (p. 357f.) ist die von den jiingeren 
Crocodiliern eingeschlagene Richtung in parallelem Entwickelungs- 
gange zur hoéchsten Ausbildung gebracht. Scapula und Coracoid 
reprasentieren schlanke und lange Knochen, die sich im sagittalen 
Winkel an der Prominentia scapulo-coracoidea verbinden und ab- 
gesehen von einigen specifischen Differenzierungen eine grofe Ver- 
einfachung ihrer Gestalt aufweisen. Eine ganz einseitige Differen- 
zierung weisen die am _ héchsten entwickelten Patagiosaurier 
(Ornithocheiridae) auf, indem sich bei ihnen, in einiger Aehnlich- 
keit mit den Rochen und Schildkréten, die dorsalen Enden der 
Scapula mit der Wirbelsiule verbinden. Zwischen dem Schulter- 
giirtel der Patagiosaurier und Végel bestehen gewisse Parallelen, 
die aber im wesentlichen nur analoger Natur (Konvergenz-Analo- 
gien) sind. 


2. Primares Brustbein’). 
a) Gestalt und Verbinde des Sternum. 


Das primaire Brustbein, Sternum, ist bekanntlich ein Pro- 
dukt der Rippen und hat sich aus miteinander verschmolzenen 
ventralen Enden desselben zu einem unpaaren Skeletteil ausge- 
bildet, der mit seinem vorderen Teile, mit den Coracoiden arti- 
kulierend, Traiger des primaren Schultergiirtels wurde, mit seinem 
seitlichen und hinteren Bereiche die alten Beziehungen zu den 


1) Inkl. metamerische Lage desselben resp. Linge der Hals- 
wirbelsiule, sowie metasternale Rippen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. Sait 


Rippen (Sternocostalien), meist unter gelenkiger Abgliederung von 
denselben gewahrt hat; zugleich ist es in seiner Medianlinie 
meistens mit dem ihm ventral (aufen) auflagernden Langsschenkel 
des Episternum fest verbunden. 

Das genetische Moment fiir seine Entstehung bildet, wie 
GEGENBAUR dargethan, der direkte Kontakt des nach hinten ge- 
wanderten Schultergiirtels mit einer Sternalrippe, der hierdurch 
die neue Aufgabe eines Stiitzapparates fiir denselben wurde, wobei 
sie zum Zwecke gréferer Leistungsfaikigkeit mit einer Zahl ihr 
folgender Rippen in Verband und Verschmelzung trat. Ich méchte 
einen zweiten, diese Verschmelzung urspriinglich getrennter und 
durch Muskulatur in gegenseitiger Bewegung stehender Elemente 
zu einer langen und breiten unpaaren Platte noch weiter er- 
klarenden Faktor in der Ausdehnung des Episternum nach hinten 
und der Verbindung seines hinteren Fortsatzes mit den ventralen 
Rippenenden erblicken, wodurch deren gegenseitige Beweglichkeit 
und Selbstindigkeit aufgehoben und der Prozef ihrer Vereinigung 
begiinstigt wurde *). 

Bei den typischen Lacertiliern (p. 244f.) bildet das Sternum 
eine ansehnliche unpaare rhombische Knorpelplatte (Prosternum), 
die meistens in einen hinteren schmaleren paarigen oder unpaar 


1) Aehnliche Verschmelzungen unter dem beginstigenden — 
aber ebenfalls nicht allein hierbei in Frage kommenden — Einflusse 
von lang ausgedehnten Deckknochen zeigt uns die vergleichende 
Anatomie an verschiedenen Stellen des Schidels und des Anfanges 
der Wirbelsiule. — Das costale Brustbein beginnt nicht erst mit 
den Reptilien, sondern bereits mit den Amphibien, insbesondere den 
Stegocephalen, deren Reste aus dem unteren Rotliegenden wegen 
seiner knorpeligen Beschaffenheit zwar nichts mehr davon erhalten 
zeigen, deren zum Teil sehr lang nach hinten erstrecktes Episternum 
(,mittlere Kehlbrustplatte*) aber bei vielen Gattungen (z. B. Melan- 
erpeton, Urocordylus, Archegosaurus, Discosaurus, Stereorhachis und 
Verwandte) seine schon damals erfolgte Ausbildung mit grofer 
Wabrscheinlichkeit vermuten lassen. Unter den damaligen und den 
spiteren Stegocephalen finden sich auch solche mit kurzem oder 
fehlendem hinteren Schenkel des Episternum (z. B. Branchiosaurus, 
Pelosaurus, Metopias, Mastodonsaurus); ein Teil von diesen kiirzeren 
Formen diirfte auf sekundarer Reduktion des hinteren Schenkels 
beruhen, und bei diesen ist wohl auch das Sternum in partielle 
Riickbildung getreten. Ein vollkommener Schwund des Episternum 
findet sich bei den Urodelen und Anuren, und damit koincidirt auch 
eine mehr oder minder erhebliche Reduktion des Sternum, die 
namentlich auch in der Lisung des sternalen Rudimentes von den 
Sternalrippen und in der Riickbildung dieser Ausdruck findet. 


ool, 


538 Max Firbringer, 


gewordenen Fortsatz auslauft (Metasternum s. Xiphisternum), der 
zum Teil noch die Entstehung aus Rippen in nuce aufweist oder 
auf retrogradem Wege illustriert, als eine sekundiire Angliederung 
des Prosternum zu beurteilen ist und itibrigens einen auch in 
systematischer Beziehung interessanten Wechsel in seiner Bildung 
darbietet (p. 245f.). Die breiten vorderen Sulci coracoidei des 
Prosternum dienen der Artikulation mit den Coracoiden, der 
Medianlinie desselben ist das Episternum in verschiedener Aus- 
dehnung angewachsen. Der Verband mit den Rippen geschieht 
jederseits durch 3—6 Facetten'), die sich in sehr ungleicher 
Weise auf Prosternum und Metasternum verteilen, wobei die 
héheren Zahlen (5—6 Rippen) die gréfere Verbreitung unter 
den kionokranen Lacertiliern, namentlich unter tieferen und mittel- 
hohen Vertretern derselben, aufweisen, wihrend die niederen, nicht 
selten mit sehr geringgradiger Ausbildung oder selbst Mangel des 
Metasternum einhergehenden Zahlen (3—4 Rippen) vereinzelter 
und mehr, wenn auch nicht ausschlieflich, bei den héher stehenden 
Familien (Eublepharis, Uroplates, Zonurus, Heloderma, viele 
Agamidae, einzelne Iguanidae, Varanidae) sich finden. Das giebt 
an die Hand, anzunehmen, daf die Ausbildung des Sternum bei 
den Lacertiliern schon friihzeitig ihren Héhepunkt erreichte und 
zum Teil wieder mit Riicksicht auf die ihm verbundenen Rippen 
in retrogradem Entwickelungsgange sich befindet 2). Die Chamae- 
leontia (p. 267 f.) weisen auch nur Verbinde mit 4 oder 3 Rippen 
auf. Bei Riickbildung des Brustschulterapparates beginnt die 
Reduktion des Sternum meistens im hinteren Bereiche, der sich 
dementsprechend mehr oder minder erheblich verkiirzt*) und die 
Anzahl seiner Rippenverbande successive auf 3, 2 und 1 ver- 
mindert (verschiedene Scincidae, Tejidae, Zonuridae, Anguidae, Pygo- 
podidae, s. p. 248, 249) und schlieflich zu einer an die Verhiltnisse 
bei den Urodelen erinnernden volligen Lésung des Verbandes mit 


1) Eine ganz erhebliche Ausnahme bildet Tylosaurus dyspelor 
auf Grund der Abbildung und Beschreibung von Osporn (cf. p. 519), 
wo jederseits 10 Rippen sich mit dem Sternum verbinden. 

2) Die Gréfe kann dabei erheblich sein, z. B. bei den Varanidae, 
wo das Sternum nicht kleiner ist als das mit 5 Rippen verbundene 
Brustbein der Dolichosaurier. Sehr abweichend verhalt sich nach 
Ossorn’s Angaben Tylosaurus (cf. die vorhergehende Anmerkung). 

3) Ausnahmen bilden Ophiognomon und Chirotes mit lingerem 
Sternum. Bei letzterem ist die costale Natur des Xiphosternum 
deutlich erkennbar. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 539 


Rippen fiihrt (gewisse Scincidae und Anguidae, Chirotes, Trogon- 
ophis). Bei weiterer Reduktion zerfallt das stark verkiirzte Ster- 
num in kleine paarige Knorpelkerne (Blanus [p. 262, 263], durch fort- 
schreitende Verkiimmerung aus dem querstabférmigen Sternum 
von Trogonophis ableitbar) und schwindet schlieSlich vollstaindig 
gewisse Arten von Acontias [?], Anelytropidae, Dibamidae, Anni- 
ellidae, meiste Amphisbaenidae). — In der Regel ist das Sternum 
eine plane oder nur ganz wenig nach aufSfen konvexe Platte; bei 
Uroplates zeigt sein vorderer Teil, bei den Chamaeleontidae seine 
ganze Ausdehnung eine ansehnliche Wélbung nach aufen. — Bei 
simtlichen lebenden Lacertiliern, sowie bei den Dolichosauria und 
Telerpetidae besteht das Sternum aus Knorpel, der allerdings mehr 
oder minder ausgiebig verkalken kann, und offenbart damit eine 
tiefere histologische Entwickelungsstufe als der immer, wenn auch 
nur teilweise, ossifizierende primare Schultergiirtel. Bei den fossilen 
Mosasauriern wird bald ein knorpeliges, bald ein knéchernes Sternum 
angegeben, iiber dessen Gestalt die Mitteilungen differieren (p. 272, 
519). — Sternale Fensterbildungen sind bei den Lacertiliern eine 
hiufige Erscheinung, die aber nicht von gréferer systematischer 
Bedeutung ist. 

Unter den Rhynchocephaliern (p. 279) besitzt Sphen- 
odon ein ansehnliches planes, rhombisches, knorpeliges Ster- 
num, das mit dem lacertilen Typus tibereinstimmt, nur mit 
3—4 Rippen verbunden ist und nur einem Prosternum verglichen 
werden kann. Die Frage, ob hier eine sehr urspriingliche Bildung 
vorliegt, die noch nicht zur Entwickelung eines Metasternum 
fiihrte, oder ob es sich um eine sekundire Riickbildung eines 
einstmals bestandenen Metasternum handelt, ist eine offene; ich 
neige dazu, den primitiven Zustand eines noch nicht ausgebildeten 
Metasternum anzunehmen, da die auf die 3—4 sternalen Rippen 
folgende nichste Rippe bereits mit dem Anfange des Parasternum 
in Verbindung steht und dieser Verband wohl als ein primitiver, 
nicht erst sekundir herausgebildeter zu betrachten ist. Sphenodon 
stellt sich damit auf eine tiefere Stufe als die Lacertilier, deren 
Metasternum vielleicht in dem Male zu successiver Ausbildung 
gelangte, als die auf das Prosternum folgenden Rippen Freiheit 
yon einem vermutlich urspriinglich vorhandenen, aber allmahlich in 
Riickbildung tretenden Parasternum gewannen, diese aber bald wieder 
verloren, indem sie sich dem Prosternum angliederten. Das ist 
lediglich eine Hypothese, die mit mehr als einer Unbekannten 
oder wenigstens nicht geniigend Bekannten rechnet. Die fossilen 


540 Max Firbringer, 


Rhynchocephalier und Acrosaurier zeigen zufolge der Knorpel- 
beschaffenheit ihres Sternum nichts mehr von demselben erhalten ; 
es besteht aber kein besonderer Grund, sich dasselbe sehr ab- 
weichend von Sphenodon zu denken. 

Auch von dem knorpeligen Sternum der Ichthyopterygier 
(p. 310) ist nichts mehr erhalten; das Verhalten des Episternum, 
namentlich aber der Coracoide macht wahrscheinlich, da es sich 
in Rickbildung befand. 

Bei den Cheloniern (p. 318, 319) fehlt ein Sternum ganzlich. 
Es ist fiir mich keine Frage, da8 dieser Mangel auf totaler Riick- 
bildung eines bei den alteren Vorfahren noch existierenden Sternum 
beruht. Das Gleiche darf fiir die Sauropterygier (p. 325, 334) 
angenommen werden, bei denen die Konfiguration der Coracoide 
mit sehr groBer Wahrscheinlichkeit, wenn nicht Sicherheit die 
Existenz eines Sternum ausschlieSt. Wenn die Mesosaurier 
(p. 338) ein Sternum besafen, so war es jedenfalls sehr klein; die 
Frage seiner Existenz befindet sich bei der Unsicherheit tiber das 
Verhalten der Coracoide in der ventralen Mittellinie des Kérpers 
kaum im Vorstadium der Behandlung. 

Unter den Theromorphen (p. 345) ist bei den héheren 
Vertretern derselben ein nicht unansehnliches, in der iiblichen 
Weise mit dem Coracoid verbundenes und zu einem gro8en Teile 
knéchernes Sternum nachgewiesen worden, tiber dessen Rippen- 
verbindung wegen der vermutlich knorpeligen Beschaffenheit seiner 
costalen Randpartien nichts bekannt ist. Damit stellen sich die 
Theromorphen etwas hoher als die vorher behandelten Ordnungen, 
was init der Ausbildung ihres Schultergiirtels gut harmoniert. 
Die primitiveren Formen besafen ein knorpeliges Sternum, iiber 
dessen speciellere Form nichts ausgesagt werden kann. 

Eine mit Riicksicht auf seine gewebliche Beschaffenheit gra- 
duell tiefere Stufe als das Sternum der hoéheren Theromorphen 
nimmt dasjenige der Crocodilier (p. 299f.) ein. Es bildet eine 
in der tiblichen Weise mit Episternum, Coracoiden und Rippen 
verbundene Knorpelplatte, an welcher in der Art wie bei den 
Lacertiliern ein vorderes, rhombusahnlich gestaltetes Prosternum 
und ein hinteres schmales und langes Metasternum (Xiphisternum) 
unterschieden werden kann; beide zusammen sind mit 6—9 
Rippen, also mit einer gréferen Zahl als bei den Lacertiliern *) 


1) Abgesehen von dem von Ossorn abgebildeten Exemplar von 
Tylosaurus dyspelor, 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 541 


und Rhynchocephaliern verbunden, was mit der weiter vorge- 
schrittenen Ausbildung des Metasternum koincidiert. Ueber das 
Sternum der fossilen Crocodilier ist nichts bekannt. 


Die Dinosaurier (p. 352 f.) besaben vermutlich ein ansehn- 
liches, breites Sternum, tiber dessen Gestalt und sonstige Verbinde 
mit den Nachbarknochen aber sehr wenig bekannt ist, da es ent- 
weder rein knorpelig war oder nur in unvollkommener Weise ver- 
knécherte. Beginnende Ossifikationen sind bei gewissen Sauro- 
poden in Gestalt kleiner paariger Kerne, weiter ausgebildete bei 
den hédheren Ornithopoden in Gestalt gréferer paariger Stiicke, 
die (bei Hypsilophodon) selbst zu einer ziemlich ansehnlichen un- 
paaren Platte verschmelzen, nachgewiesen worden. Die rippen- 
tragenden Rander waren knorpelig. Durch seine Ossifikationen 
stellt sich das dinosaure Sternum hoher als das crocodile und 
etwa in das gleiche graduelle Stadium wie das theromorphe. 


Die hichste Entwickelungsstufe unter den Reptilien erreichte 
das Sternum der Patagiosaurier (p. 360f.). Dasselbe repra- 
sentiert eine nicht lange, aber relativ breite, mehr oder minder 
stark nach unten gew6lbte Knochenplatte, deren Rander entweder 
noch knorpelig waren oder die in ihrer ganzen Breite verknéchert 
ist und damit genaue Aufschliisse tiber die Zahl der mit ihm ver- 
bundenen Rippen (4 bei Ornithostoma) giebt; iiber die Beschaffen- 
heit seines vermutlich verschiedenartig ausgebildeten hinteren Randes 
ist noch keine sichere Kenntnis erzielt. Mit dieser Konfiguration 
verbindet sich, in Korrelation zur Ausbildung der Flugmuskulatur, 
die Ausbildung einer ansehnlichen unpaaren Spina resp. Cristo- 
spina in seinem vorderen Bereiche, welche einige Aehnlichkeit mit 
den entsprechenden Bildungen der Vogel aufweist, aber in der 
eigentiimlichen Lokalisierung der coracoidalen Gelenkfliche an 
der Basis dieser Spina (Ornithostoma) eine ganz specifische Kon- 
figuration darbietet. Das Verhalten der coracoidalen Artiku- 
lation bei den tiefer stehenden Patagiosauriern ist nicht geniigend 


aufgehellt. 


b) Metamerische Lage des Sternum, Lange der Halswirbelsaule. 


Von besonderem Interesse ist die metamerische Lage des 
Sternum’, die zu derjenigen des Brustgiirtels und der ganzen 
vorderen Extremitait im direkten Kausalkonnexe steht. Wie von 


542 Max Firbringer, 


GEGENBAUR und seiner Schule wiederholt dargethan‘') und wie 
namentlich von Braus und mir im Detail nachgewiesen worden, 
nehmen die Extremitaéten keine konstante metamerische Lage ein, 
sondern machen Verschiebungen von verschiedener Ausgiebigkeit 
lings des Rumpfes durch, welche ihre jeweilige Lage bestimmen. 
Diese Verschiebungen oder Wanderungen sind, da die primaren 
Extremitaitengiirtel (Schulter- und Beckengiirtel) von dem _ vis- 
ceralen Kopfskelette Ausgang nehmen, zuerst in caudaler Richtung 
erfolet, bei der hinteren in weit ausgedehnterem Mae als bei der 
vorderen, haben aber dann, nachdem die ersten Etappen bei den 
primitiven Pterygiern (Selachier) erreicht worden waren, keinen 
Stillstand erfahren, sondern sind bald in der gleichen (progressiven), 
caudalwarts gerichteten Bewegung noch weiter gegangen, bald auch 
in riicklaufiger (regressiver), rostralwairts gewandter Richtung wieder 
mehr nach dem Kopfe zu geriickt. Da die Extremitatengiirtel 
zum Rumpfskelette, zu den vom Rumpfe ausgehenden Muskeln 
und zu den Spinalnerven im innigsten Konnexe stehen, hat sich 
diese Wanderung natiirlich auch mit den mannigfaltigsten Um- 
bildungen der genannten Teile verbunden. Zu derjenigen der 
vorderen Extremitait steht die metamere Lage des mit dem Cora- 
coid verbundenen Sternum in direktem Konnexe und diese wieder 
wird der Wirbelsiule gegeniiber durch die mit dem Sternum ver- 
bundenen Rippen bestimmt. Bei caudalwarts gehenden (progres- 
siven) Wanderungen werden successive immer neue hintere Rippen 
fiir den Verband mit dem Sternum gewonnen, wahrend die bis- 
herigen vorderen Sternalrippen aus diesem Verbande ausscheiden, 
zu Cervicalrippen werden und mit ihren Wirbeln das Gebiet der 
Halswirbelsiule vergréfern; bei rostralwirts gerichteter (regres- 
siver) Wanderung kommt es umgekehrt zur Ausbildung vorderer 
Sternalrippen aus bisherigen Cervicalrippen und zu einer ent- 
sprechenden Verkiirzung der Halswirbelsdaule. 

Wahrend die Zahl der die Wirbelsiule und ihre einzelnen 
Abschnitte zusammensetzenden Wirbel bei den Wirbeltieren und 
im speciellen bei den Reptilien einem so grofen Wechsel unter- 
worfen ist”), da’ sie als differential-diagnostisches Moment fir 


1) Das Verdienst, diese Frage zuerst auf die rechte Bahn ge- 
lenkt und fiir die hintere Extremitit der Primaten eine Verschiebung 
langs der Wirbelsiiule nachgewiesen zu haben, gebihrt EK. Rosrn- 
BERG. 

2) Selbst innerhalb desselben Genus kann es zu ganz erheb- 
lichen Differenzen kommen: so hat nach Simpenrock (1895) Lygo- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 543 


erdBere Abteilungen keinen Wert hat, macht davon gerade der 
erste Abschnitt der Wirbelsiule, die cervicale, d. h. die vor 
dem die 1. Sternalrippe tragenden Dorsalwirbel befindliche Region’), 
eine Ausnahme: hier finden sich im grofen und ganzen wesentlich 
konstantere Verhaltnisse, und damit erheben sich die bei dieser 
oder jener Abteilung auch zu beobachtenden ausgiebigeren Vari- 
ierungen zu groéferer systematischer Bedeutung?). 


Als Ausgangspunkt fiir die Reptilien dient die aus 8 Wirbeln 
zusammengesetzte Halswirbelsaule®*); der 9. Wirbel tragt die 
erste Sternalrippe. Bei der tiberwiegenden Mehrzahl der lebenden 
kionokranen Lacertilier bleibt diese Zahl gewahrt; desgleichen 
findet sie sich bei Sphenodon und wahrscheinlich den meisten, 
wenn nicht allen Rhynchocephaliern*) und Acrosauriern, ferner 
den Cheloniern, den primitiveren Theromorphen (Pareiasauria) und 
Patagiosauriern *®). Ob sie bei allen diesen primitive Verhaltnisse 
darbietet, ist zur Zeit nicht sicher zu sagen. 

Diese Zahl verkleinert sich durch regressive oder vergroéfert 


soma 68—81, Chalcides 76—116 Wirbel. Noch gréfer werden 
die Differenzen innerhalb der Anguidae, wo Ophisaurus 2—3mal 
mehr Wirbel aufweist als Gerrhonotus. 

1) In der allgemein iiblichen Weise ziahle ich hier nur die gut 
entwickelten freien Wirbel und sehe von den in die Schiidelregion 
aufgenommenen, occipitalen Wirbeln ab. 

2) Auch das durch den Beckengiirtel herangeziichtete Sacrum 
bietet im ganzen bei den Reptilien minder variable Wirbelzahlen 
dar; seine metamere Lage ist aber einem grofen Wechsel uterworfen. 

3) Wie lang die MHalswirbelsiule der amphibischen Vor- 
fahren der Reptilien war, ist zur Zeit nicht anzugeben. Die 
Bildung der Plexus brachiales der Urodelen und anuren Amphibien 
kann hierbei nicht zur Bestimmung der einstmaligen Lage heran- 
gezogen werden, weil bei diesen regressive, rostralwirts gerichtete 
Wanderungen von verschiedener Ausgiebigkeit im Verein mit 
sekundérer Riickbildung und Lésung des Sternum aus seinen 
urspriinglichen Rippenverbinden vorliegen. 

4) Bei den fossilen Formen mit nicht erhaltenen Sterna und 
Sternocostalia ist die direkte Bestimmung der Zahl] der Halswirbel 
nicht méglich; dann wahlt man zur Determination des 1. Dorsal- 
wirbels die dorsolaterale Lage seiner Artikulation mit der Rippe, 
wobei jedoch Irrtiimer in der Ziahlung nicht ausgeschlossen sind. 
— Bei Palaeohatteria, die in dieser Hinsicht besonders interessiert, 
fehlen sichere Angaben iiber die Halswirbelzahlen gerade so wie 
bei den Ichthyosauriern. 

5) Den Patagiosauriern werden meist 7 MHalswirbel zuge- 
sprochen, doch nur bei Ornithostoma ist meines Wissens bisher die 
direkte Bestimmung der 1. Sternalrippe méglich gewesen (WILLI- 


544 Max Fiirbringer, 


sich durch progressive Wanderung der vorderen Extremitat. Beides 
findet sich bei den Lacertiliern, und daraus erhellt aufs neue die 
hohe Bedeutung dieser primitiven Gruppe. 

Die regressive, rostralwarts gehende Wanderung 
fihrt zu der aus nur 5 Wirbeln bestehenden Halswirbelsiule der 
Chamaeleontia‘). Entsprechende Wanderungen bietet auch der 
verkiimmernde Brustschulterapparat, namentlich nach seiner Ab- 
lésung von den Rippen dar’); in diesen Fallen ist der Nachweis 
der Verschiebung durch das feinere Reagens der metamerischen 
Umbildungen des Plexus brachialis oder seines Rudimentes zu 
geben, die auch schon bei noch festgehaltener Achtzahl der Hals- 
wirbel eine rostralwirts gerichtete Tendenz zeigen koénnen (siehe 
p. 369, sowie die weiteren Ausfiihrungen unten sub B Nerven etc.). 
Fir den Ausgang der Lage der vorderen Extremitit bei den 
Amphisbaenia ist die Untersuchung der betreffenden Teile bei 
Chirotes unerlafSlich. Auch bei den Mosasauria'), sowie bei ge- 
wissen héheren Theromorphen (Cynodontia) scheint eine rostral- 
warts gehende Wanderung vorzukommen (bei Cynognathus werden 
6 Halswirbel angegeben) *). 
ston); dieselbe gehért aber, wie ich wenigstens den Angaben dieses 
Autors entnehme, dem 9. Wirbel an (s. p. 359 Anm. 3). 

1) Es kann auch daran gedacht werden, da’ die gemeinsamen 
Vorfahren der kionokranen Lacertilier und Chamaeleontier dereinst 
mehr als 5 und weniger als 8 Halswirbel darboten und daf von da 
aus durch progressieve Wanderung die Achtzahl der lebenden 
Kionokranier, durch retrograde Wanderung die Fiinfzahl der lebenden 
Chamaeleontier erreicht wurde (vergl. auch p. 373). Ich halte in- 
dessen einen Ausgang der Chamaeleontier von der Achtzahl fiir 
das Wahrscheinlichere. — Aehnliches gilt fiir die Mosasaurier, deren 
7 Cervicalwirbel als urspriinglich oder als von 8 Halswirbeln ab- 
geleitet gelten konnen. 

2) Siehe Anm. 3 auf p. 543. 

3) Auch ist die Méglichkeit wenigstens zur Zeit nicht ausge- 
schlossen, da bei den Vorfahren der Chelonier und der Patagio- 
saurier einstmals eine lingere Halswirbelsiiule vorlag, die sich durch 
retrograde Wanderung der vorderen Extremitit auf die Achtzahl 
ihrer Wirbel verkiirzte. Beziiglich der Chelonier sei angefiihrt, 
dai W. K. Parker (Development of the Green Turtle. Rep. Sc. 
Res. Voyage of Challenger, Zoology I, London 1880, p. 3f., Pl. T) 
bei 61/,—9 lines (133/,—19 mm) langen Embryonen von Chelone 
viridis 15 cervicale Myotome beobachtete (wihrend das erwachsene 
Tier und die alteren Embryonen 8 Cervicalwirbel darbieten) und 
daraufhin mit Baur (1887) den Schluf zieht, dai eine sekundire 
Verkiirzung der einst langeren Halswirbelsiule der sauropterygier- 
artigen Vorfahren der Chelonier um ca. 7 Wirbel stattgefunden 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 545 


Eine viel gréfere Verbreitung besitzt die progressive 
caudalwarts gerichtete Wanderung der vorderen Extremitit. 
Sie fiihrt unter den Lacertiliern bei den Varanidae zu 9'), bei den 
Mosasauria eventuell zu 9—10?), bei den Dolichosauria zu 9—17 
Halswirbeln (Aigialosauridae mit 9—10, Dolichosauridae mit15—17 
Cervicalwirbeln). Offenbar haben die neuen Anpassungen an das 
Wasserleben und die verinderten Aufgaben der Extremitaten eine 
Gleichgewichtsstérung in den bisherigen Verhaltnissen zuwege 
gebracht. Aber auch hier darf keine einseitige Betrachtung 
der Dinge Platz greifen; die mehr an das Wasser angepassten 
Mosasaurier haben eine kiirzere Halswirbelsiule als die Dolicho- 
saurier, deren Extremitaten von der terrestren Ausgangsform sich 
weniger weit entfernten*). — Eine andere, zu noch gréferer Linge 
der Halswirbelsiiule sich steigernde Reihe zeigen die Mesosaurier 
und Sauropterygier, bei denen gleichfalls die Anpassung an das 
Wasserleben koincidiert: die Mesosauria haben 11, die Nothosauria 
16—21, die Plesiosauria 20—72 Cervicalwirbel (Pliosauridae mit 
20, Plesiosauridae mit 28—40, Elasmosauridae mit 35—72 Hals- 
wirbeln). — Eine miakige Verschiebung nach hinten bieten noch 
die ee mit 9 und die Dinosaurier mit wohl meistens 


Hace Mir scheint indessen Parxur’s Beobachtung nicht eindeutig 
genug zu sein, um damit eine Verkiirzung der Halswirbelsiule 
dusch Ausfall (Expolation oder Exkalation) cervikaler Wirbel oder 
durch kranialwirts vorschreitende Verschiebung der vorderen Ex- 
tremitit zu beweisen; die Aufnahme einer Anzahl erster Cervical- 
wirbel in das Cranium ist nicht ausgeschlossen. Jedenfalls sind 
erneute Untersuchungen nétig, um den Fund und seine Deutung zu 
sichern. An eine Verkiirzung der Halswirbelsiule bei den Pata- 
giosauriern kann deshalb gedacht werden, weil dieselben ver- 
mutlich von primitiven dinosaurierartigen Vorfahren ausgegangen 
sind, die bekannten Dinosaurier aber 10—11 Cervicalwirbel be- 
sitzen. Doch ist ebenso gut méglich, daf der primitive Ahne der 
Patagiosaurier noch nicht so viel Halswirbel hatte wie die spiteren 
Wineasurier und daf die Patagiosaurier die kiirzere Halswirbelsiule 
wahrten, die Dinosaurier sie verlangerten. 

1) v. JHprinG giebt auch fiir Agama stellio 9 Halswirbel an, 
wahrend Simsenrock bei dieser Art wie Wei den anderen Agamidae 
nur 8 Cervicalwirbel findet. In dem v. Jumrina’schen Falle handelt 
es sich vermutlch um eine vereinzelte individuelle Variation. 

2) Die Akten iiber die Halswirbelzahlen der passe ues (7 
nach Dotio, Wiiiisron und Osporn, 9 ) diirften 
noch nicht geschlossen sein. Bei 7 Halewstbaln ist eine eee 
Wanderung “oder ein urspriingliches Verhalten anzunehmen. 

3) Auch sei an die brachytrachelen Ichthyosaurier und Ceta- 
ceen erinnert. 


546 Max Firbringer, 


10—11 Halswirbeln dar. — Bei den Vogeln, bei denen die Um- 
wandelung der vorderen Extremititen in Fliigel koincidiert, hat 
die Halswirbelsiule eine Zusammensetzung aus 10—25 Wirbeln ‘). 


c) Metasternale Rippenknorpel. 


Schlie{lich sei in Kiirze der ventralen Teile der auf das 
Sternum folgenden metasternalen (abdominalen) Rippen 
gedacht. 

Bei dem rhynchocephalen Sphenodon verbinden sich die- 
selben in der Zahl von 11 mit den durch unpaare Zahlen bezeich- 
neten Metameren des Parasternum (d. h. mit dem 1., 3,5... ., 
21. parasternalen Metamer) und zwar durch Band mit dem late- 
ralen Bereiche dieser Querspangen (p. 281). Bei den meisten 
fossilen Rhynchocephaliern wiegen die von dem Parasternum ge- 
lieferten Verbindungsstiicke vor (p. 288 f.). 

Bei den Lacertiliern, wo parasternale Gebilde fehlen, 
enden die ventralen Knorpelendeu der abdominalen Rippen ent- 
weder frei, oder sie treten in ligamentésen antimeren Verband, oder 
sie vereinigen sich in geringerer oder gréferer Zahl synchon- 
drotisch in der ventralen Mittellinie mit denen der Gegenseite 
(gewisse Geckonidae, Uroplatidae, einige Scincidae, Anelytropidae, 
eewisse Iguanidae, Chamaeleontidae), wobei mancherlei Wechsel in der 
Zahl und Anordnung dieser Verbindungen existiert (p. 249, 250, 268). 
Abgesehen von den schlangenartigen Scincidae und Anelytropidae 
ist dieses System abdominaler Knorpelstangen besonders eindrucks- 
voll bei Uroplates und den Chamaeleontidae und zeigt hier auch 
im Quale grofe, fiir einen niheren genealogischen Zusammenhang 
sprechende Uebereinstimmungen. 

Bei den Crocodiliern enden die Knorpel der metasternalen 
Rippen frei und stehea mit dem hier verbundenen, aber in De- 
generation begriffenen Parasternum in keinem Zusammenhange. 

Ueber die Beschaffenheit der metasternalen Rippen bei den 
fossilen Reptilien fehlt wegen der knorpeligen Textur derselben, 
die eine Erhaltung nicht gestattete, jede genauere Kenntnis. 


1) Bei den Végeln stehen gleichfalls die Flugfahigkeit und 
Halslinge durchaus nicht in einem direkten Verhialtnis zu einander. 
Gute und schlechte Flieger mit kurzen und langen Halsen wechseln 
in bunter Reihe miteinander ab. Aber auch hier kann erkannt 
werden, daf die Anpassung an den Flug mit ausgiebigeren meta- 
merischen Verschiebungen der vorderen Extremitat sich verband. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 547 


3. Sekundarer Brustschulterapparat 


(Clavicularia, Episternum, Parasternum). 


Siimtliche hier zusammengefaSten Skelettteile sind dermaler 
Abkunft und bilden Deckknochen, von denen die paarigen Clavi- 
cularia den sekundiren Schultergiirtel, das unpaare Episternum 
das sekundire Brustbein und das Parasternum einen Komplex 
zahlreicher metasternaler Deckknochengebilde in der hinteren 
Brustregion und in der Bauchgegend reprasentieren '). 


A. Sekundiarer Schultergiirtel (Cleithrum, Clavicula). 


Durch GEGENBAUR wissen wir, da der sekundire Schulter- 
giirtel bei den Fischen (Ganoiden) mit einer ganzen Kette paariger 
Clavicularia beginnt, deren dorsale Elemente (Supraclavicularia, 
Supracleithralia) zugleich dem Verbande des Schultergiirtels mit 
dem Schidel dienen (Ganoiden, Crossopterygier, Teleostier, Dipnoer) 
und in Zahl und speciellerem Verhalten mannigfachen Wechsel 
darbieten. Diese Zahl hat sich bei den Stegocephalen?) infolge 
von Riickbildung der Supracleithralia vermindert, womit zugleich 
eine Lockerung resp. Lésung des erwahnten Verbandes mit dem 
Schadel eintrat; es existieren hier nur noch zwei Paare von Clavi- 
cularia, ein laterales, das GrGENBAUR Cleithrum benannte, und 
ein ventrales, von den Paliontologen meist als seitliche Kehl- 
brustplatte bezeichnetes, GrEGENBAUR’S Clavicula. Hinter, zum 
Teil auch zwischen den beiden Claviculae findet sich noch die un- 
paare mittlere Kehlbrustplatte, kein neuer Erwerb der Stego- 
cephalen — denn mit ihr vergleichbare Gebilde finden sich schon 


1) Grofe Verdienste um die Kenntnis der primiren Zustiinde 
dieser Gebilde bei Stegocephalen und Rhynchocephaliern besitzt 
H. Crepner (Die Stegocephalen und Saurier aus dem Rotliegenden des 
Plauenschen Grundes bei Dresden, I—X, Zeitschr. d. Deutsch. 
Geolog. Gesellsch. 1881—1893). 

2) Wenn ich hier, wie auch vorher und in der Folge, die 
Stegocephalen zum Vergleiche herbeiziehe, so denke ich damit nicht 
daran, sie etwa als die direkten Vorfahren der Reptilien aufzufassen. 
Sie stehen aber den Vorfahren derselben vermége ihrer niedrigeren 
Organisation graduell ziemlich nahe und gewihren damit ein primi- 
tives paralleles Stadium, dessen Kenntnis viel zur Aufklirung der 
Verhiltnisse der Reptilien beitriigt. Dabei ist es wahrscheinlich, 
daf in dem, was man Stegocephalen nennt, namentlich in den 
karbonischen Microsauriern auch ein Teil sehr primitiver, aber noch 
ungentigend erkannter Reptilien steckt (siehe unten sub D),. 


548 Max Firbringer, 


bei Fischen —, aber hier zum ersten Male zu héherer Bedeutung 
fiir den Brustschulterapparat gestaltet, das Episternum. 

Von den beiden Clavicularia der Stegocephalen tritt das bei 
den Fischen noch ansehnlich entwickelte Cleithrum an Gréf%e und 
Bedeutung mehr und mehr zuriick, so daf die Clavicula, ohne sich 
absolut irgendwie zu vergréfern, von nun an das Hauptelement 
des sekundiiren Schultergiirtels bildet. 


a) Cleithrum. 


Bei den Reptilien ist diese Riickbildung des Cleithrum noch 
weiter gegangen und hat in der tiberwiegenden Mehrzahl der 
Falle zum volligen Schwunde desselben gefiihrt. Doch steht die 
Frage offen, ob nicht nach Baur’s Deutung bei gewissen primitiven 
Theromorphen (Pareiasaurus) in Seevtey’s Epiclavicle or 
Mesoscapula ein umgewandeltes Rudiment des gleichen Skelet- 
elementes vorliegt (p. 345). 


b) Clavicula. 


Die Clavicula ist mehr oder minder intakt von den Vorfahren 
iibernommen, zeigt aber innerhalb der Reptilien einen Ent- 
wickelungsgang, der in der Hauptsache auch als ein regressiver 
anzusprechen ist; bei der Mehrzahl der héheren Formen ist sie 
in zunehmendem Mage in Riickbildung und schlieflich totalen 
Schwund getreten. 

Die urspriingliche Form der Clavicula, wie sie uns von den 
Stegocephalen iiberliefert worden ist, reprisentiert einen langlichen, 
winkelig gebogenen Skelettteil, der medial mehr oder minder ver- 
breitert sich dem Episternum auflagert resp. mit der Clavicula 
der Gegenseite in Verbindung tritt, lateral dagegen schmaler aus- 
lauft und hier wahrscheinlich dem noch knorpeligen Vorderrande 
der Scapula verbunden war. 

Dieser Gegensatz von medialer Breite und lateraler Schmal- 
heit besteht noch bei den auf Grund ihres Sacrum als primi- 
tive Reptilien anzusprechenden Hylonomus und Petrobates 
(p. 296), er findet sich aber unter allen anderen Reptilien nur 
noch bei gewissen Familien der Lacertilier und bei den protero- 
sauren Rhynchocephaliern gewahrt, die damit aufs neue ihre primi- 
tive Stellung bekunden. 

Von den kionokranen Lacertiliern (p. 241f.) zeigen 1) die 
Geckonidae, Eublepharidae, Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, 
Tejidae und Xantusiidae, also die tief und mittelhoch stehenden 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 549 


Familien derselben, dazu noch einige aberrante Gattungen héherer 
Familien (vergl. p. 242) diese breite Gestaltung des medialen 
Teiles der Clavicula, der hier allerdings durch das Auftreten eines 
Fensters (das aber namentlich bei den tiefer stehenden Scincidae 
nicht selten unterdriickt oder wieder ausgefiillt ist) eine gracilere 
und leichtere Ausbildung erfuhr. 2) Bei den anderen kionokranen 
Lacertiliern (z. B. einzelnen Vertretern der Geckonidae, Scincidae, 
Zonuridae, Anguidae, Iguanidae und Agamidae) hat sich der 
mediale Abschnitt verschmilert, wobei er aber immer noch den 
lateralen an Breite iibertrifit. Endlich 5) bei der Mehrzahl der 
Zonuridae, Anguidae, Iguanidae und Agamidae, sowie den Uro- 
platidae, Pygopodidae, Xenosauridae, Helodermatidae und Vara- 
nidae, also vorwiegend Vertretern der héheren Lacertilier, denen 
noch vereinzelte aberrante Formen tiefer stehender Abteilungen 
eingereiht werden kénnen, ist die Clavicula durch noch weiter 
gegangene Reduktion der medialen Breitendimension ein schlanker, 
medial und lateral etwa gleich starker Knochenstab geworden. 
Diese Verhaitnisse sind so typisch, da sie schon seit langem zu 
systematischen Zwecken verwendet werden. Zugleich bildet die 
Clavicula einen in querer Richtung lang ausgestreckten Skeletteil, 
der von der ventralen Mittellinie meistens bis in das Gebiet des 
Suprascapulare, dem von diesem gebildeten Acromion sich ver- 
bindend (p. 529), reicht, wobei er einen dem lateralen Rumpfcontur 
entsprechenden Winkel bildet. Die fossilen Dolichosaurier und 
wahrscheinlich auch die Mosasaurier besafen eine schlanke Clavi- 
cula nach Art der Varanidae; die der Mosasaurier, wohl in 
weit mehr vorgeschrittener Verkiimmerung befindlich, ist nicht 
sicher bekannt. Weiterhin fiihrt dieser regressive Prozefi zur 
ganzlichen Riickbildung der Clavicula, wie sie bei den Am phis- 
baenia (p. 260f.) und Chamaeleontia (p. 266) in Er- 
scheinung tritt. Auch die allgemeine Verkiimmerung des Schulter- 
giirtels fiihrt schlieSlich bei den im typischen Zustande eine gut 
entwickelte Clavicula besitzenden Familien unter successiver Lésung 
des Verbandes mit dem Episternum zum totalen Schwunde der 
Clavicula, der in der Reduktion des primaren Schultergiirtels 
vorauseilt oder wenigstens gleichzeitig mit ihm stattfindet (gewisse 
Scincidae, Anelytropidae'), Dibamidae, Anniellidae und Amphis- 
baenidae). Bemerkenswert ist die tiefgehende Differenz,- die 


1) So bei Typhlosaurus. Feylinia, wenn von Corr recht beob- 
achtet, bildet eine Ausnahme, indem hier die Clavicula bei ver- 
schwundenem Scapulocoracoid noch persistiert (p. 232, Anm. 2, 
p. 240, Anm, 2). 


550 : Max Fiirbringer, 


Ophiognomon vermiforme (Tejidae) in dieser Hinsicht von Chirotes 
canaliculatus (Amphisbaenia) scheidet: bei ersterem persistieren 
Clavicula und Episternum wie bei den kionokranen Lacertiliern in 
noch guter Ausbildung, obwohl die freie vordere Extremitit zu 
einem Rudimente von Humerus und Vorderarmknochen zuriick- 
gebildet ist, wahrend der akionokrane Chirotes, der noch 4 Finger 
aufweist, keine Spur von Clavicula und Episternum besitzt. — 
Ganz abgesehen von den mit der allgemeinen Riickbildung des 
srustschulterapparates zusammenhiingenden Reduktionen, zeigen 
somit auch die mit gut entwickelten Extremitaéten versehenen 
Lacertilier eine ungemeine Mannigfaltigkeit von den 
primitivsten Stadien bis zu hoher Differenzie- 
rung, von der vollkommensten Ausbildung der Cla- 
vicula bis zu ihrer vélligen Rickbildung, welche 
letztere aber keineswegs einen niederen Stand- 
punkt bekundet. Keine andere Reptilienordnung 
kann sich auch hierin an Reichtum und Bedeutung 
mit ihnen messen. 

Die Rhynchocephalier (p. 278f., 287f, 290 f., 292), ob- 
wohl auch hinsichtlich des sekundéren Schultergiirtels zu den 
primitiveren Formen zu rechnen, stehen — abgesehen von der 
primordialen Palaeohatteria — im ganzen doch etwas hoher als 
die niedrigeren Vertreter der Lacertilier. Palaeohatteria besitzt 
eine im medialen Bereiche ziemlich ausgedehnt verbreiterte Cla- 
vicula; Proterosaurus zeigt nur das mediale Ende verbreitert und 
schlieft sich damit dem zweiten Stadium der kionokranen Lacer- 
tilier (p. 549) an; bei Champsosaurus, den Rhynchocephalia vera 
(inkl. Sphenodon) und den Acrosauria hat sie sich medial zu- 
sehends verschmalert und kommt damit in die gleiche Reihe wie 
das dritte Stadium der kionokranen Lacertilier (p. 549). Zugleich 
bietet Sphenodon eine relativ verkiirzte Clavicula dar, welche die 
Mittellinie und die Clavicula der Gegenseite nicht mehr erreicht 
und lateral nur bis zur Mitte der knéchernen Scapula sich er- 
streckt. Auch darin spricht sich eine reduktive Verkiirzung aus, 
die bei den Acrosauriern noch weiter vorgeschritten ist. 

Die Ichthyopterygier (p. 310) schlieBen sich in der 
schlanken Gestaltung der Clavicula graduell den héheren kiono- 
kranen Lacertilia und den Rhynchocephalia vera an; ihre Clavi- 
cula ist aber langer als bei letzteren, indem sie wie bei den 
Lacertiliern von der Mittellinie (wo sie sich mit der Clavicula der 
Gegenseite verbindet) dorsolateralwirts in ziemlich grofer Aus- 
dehnung lings des scapularen Vorderrandes sich erstreckt. Repriisen- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 5 


tieren somit die Ichthyosaurier in diesem Stiicke ein etwas primi- 
tiveres Stadium als die Rhynchocephalia s. str., so zeigt dagegen 
ihr Episternum eine erheblich weiter fortgeschrittene Reduktion 
(s. unten p. 556). 

Bei den uns bekannten Cheloniern (p. 318) liegt eine ganz 
einseitig entwickelte und in ihrer Eigenart weit vorgeschrittene 
Bildung vor. Die Clavicula steht ganz oder fast ganz auSer Ver- 
band mit dem primiiren Schultergiirtel und findet sich als kleines 
und verschieden gestaltetes Element (Epiplastron), hierbei zugleich 
die tiblichen Lagebeziehungen zur Clavicula der Gegenseite und 
zum Episternum (Entoplastron) wahrend, in dem Bauchschilde. 
Ob diese eigenartige Differenzierung von einem einstmaligen Sta- 
dium ausging, wo direktere, wenn gleich wenig innige Beziehungen 
zu dem primiren Schultergitirtel bestanden, oder ob sie sich aus- 
bildete, bevor die dermalen Platten noch in Kontakt mit den pri- 
miiren Elementen des Brustschulterapparates getreten waren, ist 
mit dem jetzt vorliegenden osteologischen Materiale nicht zu ent- 
scheiden; die Vergleichung mit entsprechenden Formen und unter 
Heranziehung der myologischen Verhaltnisse (s. unten sub Muskeln 
der Schulter und des proximalen Armbereiches, 4. Chelonier) der 
lebenden Formen giebt an die Hand, die ersterwahnte Modalitat 
fiir die weitaus wahrscheinlichere zu halten. 

Kaum weniger eigenartig verhalten sich die Sauropterygier. 
Hier ist der Entwickelungsgang zum Teil noch zu _ verfolgen. 
Die Nothosaurier (p. 324 f.) zeigen eine kraftig entwickelte Clavi- 
cula, die sich medial mit der der Gegenseite und mit einem er- 
heblich reduzierten Episternum, lateral mit dem vorderen ven- 
tralen Ende der Scapula verbindet; wie es hinsichtlich eines 
eventuellen Verbandes mit dem postulierten knorpeligen Procora- 
coid stand, ist nicht anzugeben. Bei den Plesiosauriern (p. 330 f.) ist 
die Clavicula in erheblicherem Grade in Riickbildung und zugleich in 
eine eigenartige — von den Cheloniern ganzlich verschiedene — 
Umbildung getreten, welche sie als vorwiegend inneres Deck- 
knochenstiick an die Visceralfliche des Procoracoides fiihrte. 
Zeigt, wie oben (p. 535) ausgefiihrt, der primaire Schultergiirtel 
der Plesiosaurier mit dem der Chelonier wesentliche Ueberein- 
stimmungen, so tritt der sekundire bei beiden Ordnungen in 
diametralen Gegensatz, wobei indessen die beiden divergenten Ent- 
wickelungsbahnen in der rinnenfoérmigen Umschliefung des Pro- 
coracoides durch die Clavicula, wie sie z. B. von den Anuren noch 


heutzutage dargeboten wird, eine einigermafen autklarende Parallele 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 36 


552 Max Firbringer, 


finden (p. 331). Hierbei liegt es mir selbstverstindlich fern, die 
Anuren genealogisch zwischen die Ahnen der Chelonier und Plesio- 
saurier zu stellen. 

Die Clavicula der Mesosaurier (p. 337), die gerade fiir 
die Genese und die friiheren Entwickelungsstufen der Clavicula 
der Sauropterygier manche Aufklirungen darbieten diirfte, ist 
nicht geniigend bekannt, um darauf weiter zu bauen. 

Die Theromorphen (p. 344f.) bieten minder abweichende 
Entwickelungsbahnen ihres sekundiren Schultergiirtels dar. An- 
kniipfungen an die entsprechenden Verhiltnisse bei den Lacer- 
tiliern, Rhynchocephaliern und Ichthyosauriern ergeben sich ohne 
grofe Schwierigkeit. Bei den primitiveren Formen (Pareiasauria) 
bildet er einen langen und kraftigen Knochen, der medial bis zur 
Mittellinie ausgedehnt mit dem Episternum, latero-dorsal in nicht 
minderer Ausdehnung mit dem Vorderrand der Scapula verbunden 
ist und hier auch dorsal an das bereits erwihnte, vielleicht als 
Cleithrum zu deutende Skelettstiick (Fig. 106 auf p. 341) angrenzt. 
Bei den héheren Abteilungen (Dicynodontia) ist der mediale Teil ver- 
kiirzt und nur noch mit dem lateralen Bereiche des Episternum in 
Verband, wihrend der latero-dorsale, falls die Funde allenthalben 
sicher erkannt sind, entweder noch in bedeutender Linge (Keiro- 
egnathus) oder in erheblicher Verkiirzung (Gordonia) der Scapula 
anliegt. Die Clavicula kann hierbei an beiden Enden oder nur 
an einem Ende verschmiilert sein; es ist nicht unwahrscheinlich, 
da das episternale hier das schmalere Ende vorstellt. Alle diese 
Befunde reden einer an die oben angegebenen Ordnungen an- 
schlieBenden, aber doch in besonderer Weise weiter gegangenen 
Entwickelung das Wort. 

Bei den Crocodiliern ist die Clavicula erheblich in Riick- 
bildung getreten, und darin bekundet sich eine hédhere Ent- 
wickelungsstufe dieser Ordnung. Bei den Parasuchia (Phyto- 
sauria) und Pseudosuchia (Aétosaurus) (p. 303, 305) bestand noch 
eine kleine reduzierte Clavicula, bei den Eusuchia (Crocodilia 
vera) ist dieselbe giinzlich geschwunden (p. 299, 306). 

Das Gleiche scheint bei den noch hoéher stehenden Dino- 
Sauriern (p. 352) und Patagiosauriern (p. 357) eingetreten 
zu sein; bei beiden Ordnungen wurde bisher keine Clavicula ge- 
funden, doch ist die Méglichkeit der Existenz einer sehr zuriick- 
gebildeten Clavicula bei gewissen Dinosauriern nicht von der Hand zu 
weisen; eine Art Acromion wurde bei einzelnen beobachtet (p. 350). 

Bei den Végeln endlich hat die Clavicula, im scharfen 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 553 


Gegensatze zu den Dinosauriern und Patagiosauriern, unter der 
besonderen Heranziichtung durch die Flugmuskulatur vermehrtes 
Volumen und erhéhte Bedeutung gewonnen. Den Ausgang dafiir 
miissen urspriingliche Formen gebildet haben, deren claviculare 
Gebilde nach Art der héheren kionokranen Lacertilier in mittlerem 
Grade entwickelt waren. Eine Ableitung von Crocodiliern, Dino- 
sauriern oder Patagiosauriern ist auch durch das Verhalten der 
Clavicula ausgeschlossen; der Mangel derselben bei gewissen Végeln 
(viele Ratiten, einige Carinaten) wurde erst sekundir innerhalb 
dieser Ordnung erworben, und es darf mit guten Griinden an- 
genommen werden, daf simtliche der Clavicula entbehrende 
Végel von solchen mit Clavicula abstammen. 


B. Sekundares Brustbein (Kpisternum). 


Ein dem Episternum homologes Gebilde ist bekanntlich in 
der Gestalt der mittleren Kehlbrustplatte bereits bei Ganoiden 
und Crossopterygiern vorhanden, bei den Stegocephalen!) aber in 
héherem Grade entfaltet. Die dort vorkommenden Gebilde treten 
in Gestalt mehr oder minder ansehnlicher unpaarer rhombischer 
oder ahnlich gestalteter Platten auf, die sich haufig in einen 
schmiileren stabférmigen nach hinten gerichteten Fortsatz ver- 
lingern (Melanerpeton, Urocordylus, Discosaurus, Stereorhachis 
u.a.). Thr breiter vorderer Teil schlieft sich der rechten und linken 
Clavicula direkt an und kann sich auch teilweise zwischen beide 
lagern; der hintere Teil (Fortsatz), der sich caudalwirts bis ins 
Niveau der Coracoide oder selbst hinter dieselben erstrecken kann, 
diirfte einem knorpeligen costalen Sternum zum Teil als Deck- 
knochen aufgelegen haben, zu einem wesentlichen Teile dessen 
Ausbildung bedingend (p. 536). Je nachdem die Lage und Be- 
ziehung zu den beiden Claviculae oder zu dem Sternum in den 
Vordergrund gestellt wurde, ist das vorliegende Gebilde als Inter- 
clavicula oder Episternum bezeichnet worden. Ich ziehe den _hi- 
storisch alteren und bedeutungsvolleren Namen Episternum vor. 

Neben solchen verlingerten oder langgestielten Episterna, 
siimtlich Stegocephalen aus dem unteren Rotliegenden angehérend, 
finden sich auch kiirzere, mehr auf den interclaviculiiren Bereich 
beschrankte, und zwar sowohl bei gleichalterigen Stegocephalen 
(z. B. den lepospondylen Branchiosaurus und Pelosaurus) als bei 
solchen aus dem Keuper (z. B. den stereospondylen Metopias, 


1) Vergl. Anm. 2 auf p. 547. 
36 * 


554 Max Firbringer, 


Mastodonsaurus u. a.). Diese letzteren Formen aus der oberen 
Trias halte ich ftir Reduktionsprodukte'); bei den kurzen Epi- 
sterna aus dem unteren Perm und aus dem Carbon wird es noch 
eingehender Untersuchungen bediirfen, um zu entscheiden, wie 
viele hierbei primitivere, d. h. caudalwarts noch nicht verlingerte, 
wie viele reduktive, d. h. sekundiir verkiirzte Gebilde vorstellen. 

Bei den Altesten bisher bekannten Reptilien, Palaeo- 
hatteria (p. 287 und 296), Hylonomus (p. 296) und Petro- 
bates (p. 296) aus dem unteren Rothliegenden, besitzt das sehr an- 
sehnliche, vorn rhombisch verbreiterte und hinten in einen langen 
stabférmigen Fortsatz auslaufende Episternum im wesentlichen die 
gleiche Gestalt wie die langeren Formen desselben bei den Stego- 
cephalen. Bei Palaeohatteria ist die vordere rhombische Platte 
ungefahr so lang wie breit, bei Hylonomus und Petrobates iiber- 
wiegt die Breitendimension derselben. Alle drei sind Rhyncho- 
cephalier oder primitive Zwischenformen zwischen Rhynchocephaliern 
und Lacertiliern. In ihren Episterna liegen in nuce die Formen 
aller anderen Episterna der Amnioten; das von Palaeohatteria er- 
scheint mir als das am meisten primitive. In der rhombischen 
Platte desselben findet sich bereits in den verdickten Partien die 
Kreuzform angedeutet; durch weitere Aussparung der diinneren 
und hoéhere Differenzierung der dickeren Stellen kann sie sich 
zur gracilen Kreuzgestalt umformen, sie, wie die von Hylonomus 
und Petrobates, kann aber auch durch weitere Verbreiterung und 
Verkiirzung ihres vorderen Endes zur T-Form gelangen. 

Damit sind die beiden Hauptformen des Episternum der 
kionokranen Lacertilier (p. 250f.) in Erscheinung getreten, die 
bekanntlich gleich der Clavicula durch ihre charakteristische Ge- 
staltung zum seit langem gebrauchten diagnostischen Differential- 
merkmal wurden. Dal dabei die Korrelationen zu dem medialen 
Teile der Clavicula, je nachdem derselbe verbreitert oder ver- 
schmilert ist, bestimmend auf die Ausbildung der Kreuz- und 
T-Form einwirkten, ist augenfillig. Dementsprechend finden wir 
auch bei den tiefer und mittelhoch stehenden Familien (Gecko- 
nidae, Scincidae, Gerrhosauridae, Lacertidae, Tejidae, Xantusiidae, 
Anguidae) die Kreuzform oder eine ihr nahestehende Gestalt tiber- 
wiegend, wobei zugleich der vordere Schenkel kiirzer werden und 
das Episternum in zunehmendem Male der T-Form sich annihern 


1) Noch weiter, bis zum vélligen Schwunde des Episternum, 
ist die Reduktion bei den lebenden Amphibien gegangen, 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 5d5 


kann (gewisse Geckonidae, Zonuridae, Anguidae, Xantusiidae, 
Xenosauridae, einzelne Agamidae); bei den héheren Abteilungen 
(iiberwiegende Mehrzahl der Iguanidae und Agamidaec; Varanidae, 
Dolichosauria, Mosasauria) zeigt das Episternum die T- oder Anker- 
Form, die auch unter den mancherlei speciellen Formverinderungen, 
die sich namentlich bei Iguanidae und Agamidae finden, doch er- 
kannt werden kann. Der hintere, mit dem Sternum (Prosternum) 
verbundene und fiir dessen Grenze besonders bedeutungsvolle 
Langsschenkel ist von verschiedener Lange und reicht nicht mehr 
bis zum hinteren Ende desselben, worin ich eine bereits beginnende 
Riickbildung erblicke; bei einigen und zwar nicht gerade tiefer 
stehenden Lacertiliern (z. B. bei gewissen Agamidae und Varanidae) 
erstreckt er sich noch in ansehnlicher Ausdehnung lings des Pro- 
sternum. Weiterhin kénnen sich die Querschenkel des T betricht- 
lich verkiirzen (vereinzelte Iguanidae, Mosasauria) oder ganz ver- 
schwinden (Heloderma), woraus die Form eines einfachen Lings- 
Stabes resultiert; umgekehrt kann der hintere Liingsschenkel sich 
ganz oder fast ganz reduzieren, wodurch das Episternum zum 
Querstabe wird (Phrynosoma); bei noch weiterer Riickbildung per- 
sistiert ein kleines, dem vorderen Sternalende angefiigtes Knochen- 
plittchen (Uroplates); endlich verschwindet es ganz (Chirotidae, Cha- 
maeleontidae). Entsprechende Reduktionen, die zur Liingsstabform 
(Ophiognomon, Acontias) oder zur Querstabform (gewisse Anguidae) 
neigen, im letzten Falle unter Lésung des Verbandes mit der 
Clavicula, verbinden sich auch mit der allgemeinen Riickbildung 
des Brustschulterapparates ; bei noch weiter fortschreitender Ver- 
kiimmerung tritt es giénzlich in Riickbildung bei gleichzeitiger 
Persistenz des Sternum und des Schultergiirtels (gewisse Anguidae, 
Pygopodidae, Trogonophis und andere Amphisbaenidae) oder bei 
vollkommenem Schwunde aller Teile des Brustschulterapparates 
(einzelne Scincidae, Anelytropsis, Dibamidae, Anniellidae und meiste 
Amphisbaenidae). Auch hier ist der Reichtum mannig- 
faltiger Differenzierungen der Lacertilier auSer- 
ordentlich; alle anderen Reptilienordnungen kommen ihnen 
darin nicht gleich. Speciell sei auch auf die ahnlichen Entwickelungs- 
ginge der Uroplatidae und Chamaeleontidae und die recht diver- 
genten Wege von Ophiognomon und Chirotes aufmerksam gemacht. 

Unter den Rhynchocephaliern (p. 279f.) schlieft sich an 
die oben (p. 554) geschilderte Gestalt des Episternum von Palaeo- 
hatteria auch Proterosaurus an, bei dem die rhombische Platte 
aber schon mehr in die Breite gezogen ist. Das fiihrt zu dem 


556 Max Fiirbringer, 


T-formigen Episternum von Champsosaurus, den Rhynchocephalia 
vera und Acrosauria. Bei Palaeohatteria und Proterosaurus ist 
der Lingsschenkel sehr ansehnlich und erstreckte sich vermutlich 
in der ganzen Lange des Sternum (Prosternum); bei Sphenodon 
dehnt er sich noch tiber die vorderen ?/, desselben aus; bei 
Pleurosaurus (Acrosauria) ist er nur noch so lang wie der Quer- 
schenkel. Aber bei allen Rhynchocephaliern reprasentiert das 
Episternum ein sehr gut entfaltetes Gebilde. 

Zeigen die Rhynchocephalier gegentiber den Lacertiliern bereits 
eine grofe EKinseitigkeit und Verarmung der episternalen Bildungen, 
so ist die Einténigkeit derselben bei den anderen Reptiliern noch 
betrachtlicher: die T-form, der Lingsstab, das kleiner gewordene 
Rudiment und der vollige Schwund bilden zumeist den engen 
Kreis, in welchem sich die meist retrograde Entwickelung des 
Episternum bewegt. 

Das Episternum der Ichthyopterygier (p. 311) schlieft 
sich in seiner T-form dem der Rhynchocephalier an. Es hat aber 
hier an Volumen abgenommen, tritt gegen die weit ansehnlicheren 
Claviculae mehr zuriick, indem es den medialen Enden derselben 
hinten anliegt oder zwischen sie eingeschaltet ist, und hat zugleich 
seinen Langsschenkel erheblich verkiirzt, so daf dieser, wenn 
hier tiberhaupt noch ein bemerkenswertes Sternum vorhanden war, 
héchstens bis zum ersten Anfange desselben gereicht haben kann. 

Einen gleichfalls degenerativen Charakter zeigt das Episternum 
der Chelonier (p. 319f.). Als Entoplastron ist es in den Bauch- 
schild aufgenommen, befindet sich in der tiblichen Lage zwischen 
und hinter den Clavikeln (Epiplastra) in demselben und ist zugleich 
ligamentés mit dem medialen Ende des Procoracoides yverbunden. 
Fir seme verschiedenen rudimentiiren Formen (kurzes T, Lings- 
stab, Rhomboid) bildet die T-form den Ausgang; auch kann die 
Reduktion bis zum voélligen Schwunde fiihren. 

Noch weiter als bei den Cheloniern ist der reduktive Prozef bei 
den Sauropterygiern vorgeschritten. Bei den Nothosauriern 
(p. 325) reprasentiert das Episternum ein ziemlich kleines, zwischen 
die ansehnlichen Claviculae eingeschobenes Mittelstiick, etwas an die 
Ichthyosaurier erinnernd; bei den Plesiosauriern (p. 330 und 334) ist 
es bald minder bald mehr verkiimmert und entweder zwischen die 
schon genugsam riickgebildeten und an der Visceralseite der Pro- 
coracoide befindlichen Clavikeln eingeschaltet oder mit ihnen syno- 
stotisch verwachsen, so daf die Grenzbestimmung unter Umstanden 
schwierig resp. unméglich wird, oder endlich ganz geschwunden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 557 


Das Episternum der Mesosauria (p. 338) ist noch unbe- 
kannt; seine Kenntnis wiirde fiir die Bestimmung der systematischen 
Stellung dieser Abteilung von besonderem Werte sein. 

Abweichend von den Ichthyosauriern, Cheloniern und Sauro- 
pterygiern bildet das Episternum der Theromorpha (p. 345) 
ein ansehnliches, direkt an das der Lacertilier und Rhyncho- 
cephalier anschlieBendes Gebilde. Durchweg von T-Form, zeigt 
es bei den primitiveren Theromorphen (Pareiosauria) einen sehr 
ausgedehnten hinteren Liingsschenkel und verschieden ausgebildete, 
meist auch gut entwickelte Querschenkel; ersterer war vermutlich 
ausgiebig mit dem Sternum verbunden, letztere weisen meistens 
einen nicht minder ausgiebigen Verband mit den Claviculae auf. 
Bei den héheren Theromorphen (Dicynodontia) scheint eine Ver- 
kiirzung und teilweise Verbreiterung der Schenkel mit plumperer 
Gestaltung des ganzen Episternum Platz gegriffen zu haben, wobei 
die Verbindung mit Sternum und Clavicula nicht aufgegeben, aber 
in ihrer Ausdehnung vermindert wurde. 

Bei den Crocodiliern (p. 300, 303f., 305) begegnen wir 
wieder vorwiegend reduktiven Formen des Episternum, die sich aber 
ganz von denen der Ichthyosaurier, Chelonier und Sauropterygier 
unterscheiden. Das crocodile Episternum ist vermutlich von einer 
T-Form mit sehr ausgedehntem Langsschenkel und _ verkiirzten 
Querschenkeln ausgegangen, wie sie bei einzelnen lebenden Lacer- 
tiliern noch gefunden wird, und hat mit weiterer Riickbildung der 
Querschenkel in Korrelation zur Reduktion der mit ihnen ver- 
bundenen Claviculae zur Gestalt des Lingsstabes gefiihrt, der mit 
seinem hinteren Teile ausgedehnt dem Sternum aufliegt, mit seinem 
vorderen frei iiber dasselbe vorragt. Bei den Parasuchia und Pseudo- 
suchia lassen gewisse Konfigurationen am vorderen Ende des Epi- 
sternum noch auf einen Verband mit rudimentiren Clavikeln 
schliefen, bei den Eusuchia sind dieselben mit dem gianzlichen 
Schwunde der Claviculae gleichfalls in Riickbildung getreten. 

Bei den Dinosauria (p. 353) hat der RiickbildungsprozeB 
bei dem Episternum, gerade so wie bei der Clavicula, zum volligen 
Schwunde gefiihrt; wenigstens ist bisher noch kein Rudiment eines 
solchen mit Sicherheit nachgewiesen worden. 

Dasselbe ist der Fall bei den Patagiosauriern (p. 357); 
die Spina resp. Cristo-spina derselben hat nichts mit einem Epi- 
sternum zu thun, sondern ist eine sternale Bildung. 

Auch bei den Végeln ist das Episternum zumeist in voll- 
kommene Riickbildung getreten; ob dem interclaviculairen, mit- 


558 Max Fiirbringer, 


unter selbstindig ossifizierenden Schlufstiicke der Furcula eine 
primitive Bedeutung als Rudiment eines Episternum oder ein 
sekundirer Charakter als mit der spateren Vergréferung der Fur- 
cula neu erworbener accessorischer Knochenkern zukommt, ist erst 
noch zu entscheiden. 


C. Parasternum. 


Parasternale Gebilde sind gleichfalls bei den Stegocephalen 
in hoher Ausbildung nachgewiesen'). In primitiver Anordnung 
bilden sie schrage, von lateral und hinten nach medial und vorn, 
also in ascendenter Richtung verlaufende Schuppenreihen 
(parasternale Metameren) von symmetrischer Anordnung, die sich 
vorn in der ventralen Mittellinie im Winkel treffen und die ganze 
Bauchseite zwischen Schulter- und Beckengiirtel bekleiden, wobei 
sie sich dachziegelartig decken. Jede Reihe setzt sich aus einer 
eréferen Anzahl nebeneinander gereihter und sich gleichfalls mit 
ihren Randern deckender, ziemlich breiter Schuppen, deren Hinter- 
rinder oder Mitten meist etwas verdickt sind, zusammen. Ks ist 
wahrscheinlich, daf diese Schuppen echte, noch im Gebiete des 
Integumentes gelegene Hautschuppen reprasentierten. In héherer 
Ausbildung ist bei den Stegocephalen eine Differenzierung ein- 
getreten, derart, da die breiten Schuppen vermutlich unter 
stirkerer Entwickelung ihrer verdickten Stellen und unter Reduk- 
tion ihrer diinneren Partien sich zu kurzen Stabchen umbildeten, 
die sich in der alten Schrigstellung in aufeinander folgenden 
Stabchenreihen (parasternalen Metameren) zusammenschlossen, 
sich aber entsprechend ihrer schlankeren Gestaltung nicht mehr 
deckten. Sehr méglich haben sich diese Stibchenreihen zugleich 
tiefer, in das subkutane Gebiet, eingesenkt und sind vielleicht 
auch zu den oberflachlichen Schichten der ventralen Bauch- 


1) Vergl. H. v. Meyrr, Ueber die Reptilien aus der Stein- 
kohlenformation Deutschlands, I, Cassel 1857; A. Frirscu, Die 
Fauna der Gaskohle und der Kalksteine der Permformation Béh- 
mens, J, II, Prag 1883—85, und vor allem H. Crepner, Die 
Stegocephalen und Saurier aus dem Rotliegenden des Plauenschen 
Grundes bei Dresden, III—X, Zeitschr. d. Deutsch. geol. Gesellsch., 
Berlin 1882—93. — Grarnpaur (Vergleichende Anatomie, I, Leipzig 
1898, p. 168 f.) hat in tiefsinniger und geistvoller Weise die Genese 
und Erhaltung dieser Gebilde unter Vergleichung mit der Struktur 
der Haut der den Stegocephalen verwandten Gymnophionen be- 
griindet. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 559 


muskulatur in direktere Beziehung getreten'). Die Zahl dieser 
parasternalen Metameren iibertraf die der entsprechenden Rumpf- 
metameren wohl stets mindestens um das Doppelte. 

Hier setzen die primitiven Formen unter den Reptilien ein. 

Die als Reptilien angesprochenen microsauren Gattungen 
Hylonomus und Petrobates (p. 296f.) bieten entsprechende 
Bildungen dar, ersterer in der primitiveren Gestalt von Schuppen- 
reihen, letzterer in der héheren Form von aufgereihten spindel- 
formigen Staibchen; je zwei dieser parasternalen Metameren kommen 
auf 1 Rumpfmetamer. Ob die Schuppenreihen von Hylonomus 
sich noch in cutaner oder bereits in subcutaner Lage befinden, 
kann nur als Frage aufgeworfen werden ”). 

Bei den Rhynchocephaliern (p. 280f.) erreicht dieser, 
nun nicht mehr aus in der Haut befindlichen Schuppen, sondern 
aus tiefer gelagerten Stabchenreihen oder Stabchen bestehende, 
parasternale Apparat die reichste Ausbildung und mannigfaltigste 
Gestaltung unter den Reptilien, wobei die héheren und spiteren 
Formen eine Vereinfachung desselben darbieten. Bei den Pro- 
terosauria (p. 288), vor allen bei Kadaliosaurus (p. 289), ist 
die absolute Zahl seiner Metameren sehr ansehnlich (ca. 80. bei 
Kadaliosaurus), auf je 1 Rumpfmetamer kommen 3—6_paraster- 
nale Metameren (5—6 bei Kadaliosaurus und Hyperodapedon *), 
3 bei Palaeohatteria und Proterosaurus), endlich besteht jedes 
Metamer aus vielen Gliedern, einem unpaaren Medianstiick und 
zahlreichen paarigen Stabchen; lateral sind dieselben durch be- 
sondere, sehr feine, gegliederte Knochenfaiden mit den Enden der 
zugehérigen Rippen verbunden. Diese reiche Anordnung hat aber 
schon mannigfache Riickbildungen erfahren: bei Kadaliosaurus sind 


1) Der Gegensatz zwischen Schuppenreihen und Stibchenreihen 
erscheint bei dem jetzigen Stande unseres Wissens, wo vermittelnde 
Zwischenformen noch nicht sicher bekannt sind, als ein tiefgehender 
und diirfte auch fiir die Systematik der Stegocephalen als be- 
deutungsvoll sich erweisen. 

2) Auch diese Differenz zwischen Hylonomus mit seinem mehr 
stegocephalen und Petrobates mit seinem mehr rhynchocephalen 
Parasternum erscheint bedeutsam und laft weitere eingehende Unter- 
suchungen iiber den Bau und die systematische Stellung beider als 
sehr wiinschenswert erscheinen. 

3) Baur (Kadaliosaurus 1890), dem ich folge, trennt Hypero- 
dapedon (als Vertreter der Hyperodapedontidae) von Rhynchosaurus 
(als Vertreter der Rhynchosauridae) ab und rechnet ersteren zu den 
Proterosauria, letzteren zu den Rhynchocephalia vera, 


560 Max Firbringer, 


im hinteren Teile des Parasternum die Medianstiicke ausgefallen 
und auch die paarigen Stabchen an Zahl vermindert, bei Protero- 
saurus und Champsosaurus scheint der Ausfall der Medianstiicke 
im ganzen Bereiche des Parasternum zur Regel geworden zu sein, 
Champsosaurus, der letzte, sehr spite Ausliufer der proterosauren 
Reihe, zeigt eine noch weitere Verminderung in der Zahl der late- 
ralen Stiicke. Bei den Rhynchocephalia vera (p. 280f., 293), 
denen sich die Acrosaurier (p. 295) anreihen, besitzt der Apparat 
noch eine sehr ansehnliche Ausdehnung; das relative Zahlen- 
verhiltnis der parasternalen Metameren zu den Rumpfmetameren 
betragt aber in der Regel 2:1 (Sphenodon, Homaeosaurus, Rhyn- 
chosaurus, Acrosaurus)') und die Anzahl der Glieder, aus denen 
jedes parasternale Metamer besteht, ist nur noch 3, ein ausge- 
dehntes, winkelférmiges mittleres unpaares und ein Paar lingere 
Seitenstiibe — somit eine erhebliche Verminderung der Zahl der 
Glieder, aber gegentiber verschiedenen Proterosauria eine gréSere 
Bestindigkeit der unpaaren Stiicke. Auch die Art der Verbindung 
mit den Rippen (durch Vermittelung von eigentiimlich gestalteten 
Homodynamen der Sternocostalien, die immer je 1 mit dem Rumpf- 
skelette nicht verbundenes parasternales Metamer tiberspringen) ist 
eine wesentlich andere als diejenige bei den Proterosauria. Sphenodon 
lehrt uns, daf hier der parasternale Apparat in die Bauchmuskulatur 
eingesenkt ist, indem er den M. rectus abdominis in seinem ober- 
flachlichen Teile (M. rectus superficialis MAurEr’s) in lauter quere 
resp. schrage Segmente zerlegt und lateral zugleich ausgedehnte 
Verbande mit den Mm. obliqui externi abdominis superficialis und 
profundus, sowie dem M. pectoralis darbietet; es ist wohl be- 
rechtigt, alle diese Verbiinde als sekundare, erst mit dem Tiefer- 
riicken des Parasternum ausgebildete zu erkliren. — Der para- 
sternale Apparat der Rhynchocephalier la8t bei seiner grofen 
Mannigfaltigkeit, die von keiner anderen Reptilienordnung wieder 
erreicht wird, und seinen vielen durchgreifenden Differenzen bei 
den verschiedenen Vertretern der Rhynchocephalier eine ganze 
Reihe von Fragen entstehen, fiir die auch — rein theoretisch — 
gréBere oder geringere Wahrscheinlichkeiten angefiihrt werden 
kénnen; doch enthalten dieselben keine thatsichlichen Lésungen. 
Diese sind nur von neuen gliicklichen Funden, von einer sehr 


1) Hyperodapedon wird von Bavr von Rhynchosaurus abge- 
trennt und zu den Proterosauria gestellt (vergl. die vorhergehende 
Anmerkung). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 561 


sorefaltigen Detailuntersuchung der bereits vorliegenden Original- 
objekte, vielleicht auch zum Teil von der Ontogenie von Sphenodon 
zu erwarten. Es wird sich hierbei hauptsiachlich um die Fragen 
handeln: 1) Welches Zahlenverhiltnis der parasternalen zu den 
Rumpf-Metameren (2:1 oder 3:1 oder 5—6: 1) war das urspriing- 
liche, und auf welche Weise entwickelten sich die sekundaéren Ver- 
haltnisse aus den primitiven')? 2) Ist die Verminderung der Glieder- 
zahl der einzelnen parasternalen Metameren bei den Rhyncho- 
cephalia vera durch Verschmelzung der kiirzeren Stabchen von 
proterosaurier-artigen Vorfahren oder durch Verlangerung gewisser 
Glieder derselben unter Schwund der Nachbarglieder erfolgt? 3) 
Wie sind die Differenzen in der Verbindung der parasternalen 
Metameren mit den Rippen zu erkliren und zu vereinigen ? 
Dagegen ist bei den Lacertiliern (p. 255) und Ophi- 
diern, wenigstens den zweifellos als solche anzusprechenden 
Formen, bisher noch keine sichere Spur eines Parasternum auf- 
gefunden worden’). Ist ein solches hier nie zur Entwickelung 
eekommen oder bereits in friiher Zeit in Riickbildung getreten ¢ 
Hylonomus und Petrobates, vielleicht auch die altesten Rhyncho- 
cephalier Palaeohatteria und Kadaliosaurus kann man _ eventuell 
ebenso gut fiir Vorginger der Lacertilier wie der spateren Rhyn- 
chocephalier halten. Ihre Skelettverhiltnisse, namentlich das fiir 
diese Frage Wesentlichste derselben, die Knorpelformation des 
Schiadels und Kieferapparates, sind nicht geniigend bekannt, und es 
bedarf nur der Annahme eines gréferen oder geringeren Ausfalles 
von Deckknochen und yon mafigen Umbildungen an den anderen 
Skelettteilen, um entweder zu typischen Lacertiliern oder zu 
typischen Rhynchocephaliern zu gelangen. Dann aber ist auch an 
die dermalen Ossifikationen bei relativ tiefstehenden Lacertiliern 
(z. B. Scincidae) zu erinnern, von denen erst noch zu entscheiden 
st, ob sie rein sekundare, spat entstandene Gebilde darstellen, 
was mir wahrscheinlicher ist, oder ob sie schon mit den friihesten 
Zustinden einer Umbildung und dermalen Retention unterworfen 


1) Die Annahme einer polyphyletischen Genese der ver- 
schiedenen Formen lést die Frage nicht, sondern verschiebt sie nur 
in friihere Zeit (stegocephalen-ahnliches Stadium). 

2) Bei vereinzelten Lacertiliern werden auch ossifizierte und 
zum Teil selbstiindige Abdominalrippen angegeben. Ich méchte die- 
selben nicht mit Parasternalia, sondern mit Rippen in Verband 
bringen (vergl. auch p. 249, Anm. 2). Jedenfalls sind hier noch 
eingehende Untersuchungen sehr erwiinscht, 


562 Max Fiirbringer, 


wurden, was HArckeL (1895, p. 346) zu vertreten scheint. Nicht 
zu vergessen ist hierbei die oberflachliche Lage des M. rectus 
lateralis (MAurrER) der Lacertilier, sein Verband mit der Haut 
und seine oberflichliche Segmentierung'). Wenn somit den aus- 
gebildeten echten Lacertiliern auch ein typisches Parasternum ab- 
zusprechen ist, so sind doch Momente vorhanden, um der Existenz 
desselben bei ihren friihesten Vorfahren eine gewisse Wahrschein- 
lichkeit zu geben”), Eine wirkliche Entscheidung dieser Frage bleibt 
den Arbeiten der Zukunft tiberlassen (vergl. auch p. 539). 

Die Ichthyopterygia (p. 311) schlieBen sich in der Zu- 
_ sammensetzung jedes parasternalen Metamers aus nur 3 Stiicken 
den Rhynchocephalia vera an, doch sind die Metameren an Zahl 
verringert, indem auf je 1 Rumpfmetamer nur je 1 parasternales 
Metamer kommt. Auch hier ist die Verminderung — ob durch 
Ausfall der nicht mit den Rippen verbundenen Metameren oder 
ob durch Riickbildung der terminalen Strecken des Parasternum 
mit metamerischer Verschicbung seiner tiberbleibenden Metameren 
herbeigefiihrt — noch thatsiichlich zu begriinden; jedenfalls kenn- 
zeichnen sich die Ichthyopterygier durch dieselbe als héher stehende 
Formen gegeniiber den Rhynchocephaliern. 

Die Chelonier (p. 320f.) bieten den parasternalen Apparat 
nach Zahl seiner Metameren hocheradig riickgebildet und nach 
Art seiner Zusammensetzung zugleich erheblich umgebildet dar; 
der aus ihm hervorgegangene hintere Hauptteil des Plastron baut 
sich aus wenigen paarigen Parasternalien auf, die allerdings zu 
breiten, durch Sutur miteinander verbundenen Knochenplatten 
herangewachsen sind. 


1) Maurer (1898, Diskussion zu Osawa p. 105, 106) hebt 
auch hervor, daf die beziiglichen Verhiltnisse bei den Lacertiliern 
durch Riickbildung der  betreffenden Skeletteile von Sphenodon 
erklarbar seien. 

2) Auch auf die bis zur Ausbildung von wirklichen winkelig 
nach vorn (also ganz abnlich wie die parasternalen Metameren) 
gerichteten Querspangen vorgeschrittene hohe Entwickelung der 
Rippenknorpel verschiedener Lacertilier (p. 249 f., 268) sei auf- 
merksam gemacht. Liegen hier auch vom Parasternum morphogenetisch 
ganz differente Gebilde vor, so ist ihr Verhalten zur ventralen 
Bauchmuskulatur ein analoges oder fahnliches, und der Gedanke, 
daf sie eventuell als funktioneller Ersatz fiir in Riickbildung 
tretende parasternale Metameren sich successive entwickelten, kann 
wenigstens mit der nétigen Vorsicht ausgesprochen werden. Mehr 
als eine Frage bedeutet er allerdings zur Zeit nicht. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 563 


Umegekehrt zeigen die Sauropterygier (p. 325, 334f.) in 
ihrem Parasternum viel zahlreichere Komponenten und erheblich 
primitivere Verhaltnisse. Bei den Lariosauridae kommen je 2 para- 
sternale Metameren auf 1 Rumpfmetamer, bei den Nothosauridae 
und den Plesiosauria ist die Zahl der parasternalen und der 
Rumpf-Metameren die gleiche; letztere bekunden damit ihre hohere 
Stellung gegentiber den Lariosauridae. An der Zusammensetzung 
der einzelnen Metameren fehit niemals das unpaare winkelig ge- 
bogene Mittelstiick, wahrend die paarigen Lateralstiicke jederseits 
in der Zahl von 2 (Lariosauridae), 1 (Nothosauridae) und 1—3 
(Plesiosauria) vorkommen. Auch hierin stehen die Lariosauridae 
tiefer als die Nothosauridae, wihrend die mehrfache Gliederung 
der im itibrigen hdher stehenden Plesiosauria, ob primitiv oder 
sekundir, noch zu erkliren ist. 

Ein sehr primitives, an das des Proterosauria erinnerndes 
Verhalten bietet das aus sehr zahlreichen Elementen zusammen- 
gesetzte Parasternum der Mesosauria (p. 338) dar; jedes Meta- 
mer besteht aus vielen kurzen Stibchen, und auf 1 Rumpf- 
metamer kommen wie bei Kadaliosaurus und Hyperodapedon 
5—6 parasternale Metameren. 

Bei den Theromorpha (p. 340) sind parasternale Gebilde 
meines Wissens bisher nicht in ausreichender Weise nachgewiesen 
worden; doch besteht kein Grund, ihre Existenz véllig abzuleugnen. 

Das Parasternum der Crocodilia (p. 300f., 304, 306) be- 
findet sich in weit vorgeschrittener Reduktion, auch darin die relativ 
hohe Stellung dieser Reptilien bekundend. Wie es scheint, ent- 
spricht allenthalben 1 parasternales Metamer 1 Rumpfmetamer, 
und an der Zusammensetzung jedes parasternalen Metamers_ be- 
teiligen sich bei den Parasuchia gerade so wie bei Sphenodon und 
den Ichthyosauria ein unpaares winkeliges Medianstiick und ein 
rechter und linker paariger Lateralstab, wihrend bei den Eu- 
suchia an Stelle des unpaaren Medianstiickes auch paarige Medial- 
stiibe sich finden, so da das parasternale Metamer bei ihnen 
jederseits aus 2 miteinander verbundenen Stiiben, die mit den 
Rippen keinen direkten Verband mehr aufweisen, besteht. Ob es 
sich hierbei um einen Zerfall des unpaaren Mittelstiickes oder um 
von Anfang an paarig angelegte Medialstiicke handelt, ist noch 
zu entscheiden; erstere Annahme hat manche Wahrscheinlichkeit 
fiir sich. Bei den lebenden Crocodiliern sind noch 7—8 paraster- 
nale Metameren erhalten. 

An die Crocodilier schlieBen sich die Dinosaurier (p. 353) 


564 Max Firbringer, 


an. Das hier nur bei einigen Theropoden bisher gefundene Para- 
sternum ist sehr reduziert und besteht nur aus paarigen Staben, 
wobei, wie es scheint, die relative Zahl der parasternalen Meta- 
meren derjenigen der Rumpfmetameren entspricht. 

Die Patagiosaurier (p. 362 f.) besitzen ein vollkommneres 
Parasternum, das aus einem unpaaren Mittelstiicke und einem 
rechten und linken daran anschliefenden stabformigen Seitenstiick 
besteht, welches letztere aber mit den zugehérigen Rippenenden 
gelenkig verbunden ist. Auch hier entsprechen sich parasternale 
und Rumpf-Metameren in ihrer relativen Zahl. 

Daf auch bei den jurassischen Végeln (Archaeopteryx) 
parasternale Bildungen sich finden, sei in Kiirze zugefiigt. Das 
hier bekannt gewordene Parasternum besteht aus 12—13 paarig 
angeordneten stabférmigen Metameren, die an Zahl den Rumpf- 
metameren entsprechen, aber mit den Rippen nicht mehr ver- 
bunden sind; es befindet sich somit im Zustande einer sehr weit 
vorgeschrittenen Reduktion und weicht ganz erheblich von dem 
der Patagiosaurier ab. 


4. Humerus. 


Der Humerus der Reptilien zeigt, soweit er nicht erheblich 
riickgebildet ist, bei allen Vertretern derselben die charakteristischen 
Ziige: Er beginnt 1) mit einem verbreiterten proximalen Teile, 
der durch einen meist ellipsoidisch geformten Gelenkkopf 
(Caput humeri) mit der von Scapula und Coracoid gebildeten 
Gelenkhéhle artikuliert und, daran anschliefend, zwei Fortsitze 
aufweist, einen breiten und langen, lateral und ventral vor- 
springenden Proc. lateralis, welcher vornehmlich den Mm. 
pectoralis, supracoracoideus (supracoracoscapularis), dorsalis sca- 
pulae und deltoides clavicularis s. inferior als Insertionsstelle dient, 
und einen kiirzeren, proximaler gelegenen (somit direkter an 
das Caput anschliefenden) Proc. medialis, an dem namentlich 
die Mm. subcoracoscapularis und scapulo-humeralis posterior 
inserieren. Zwischen beiden Fortsitzen finden sich an der Ventral- 
fliche die Konkavitét fiir die Insertion des M. coraco-brachialis 
brevis und den Verlauf des M. biceps brachii (Sulcus s. Fossa 
bicipitalis), an der Dorsalflaiche die Insertionsstellen des M. sca- 
pulo-humeralis anterior und des M. latissimus dorsi (letztere nicht 
selten durch eine besondere Linea s. Eminentia latissimi dorsi 
gekennzeichnet), sowie die Anfiinge der Urspriinge der humeralen 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 565 


Képfe des M. anconaeus. Daran schlieft sich 2) das Mittelstiick, 
die weitere Insertionsstelle des M. coraco-brachialis, sowie die 
Ursprungsstatte der Mm. brachialis inferior und anconaeus hume- 
ralis, an, in der Regel der schmilste und keine besonders mar- 
kanten Ziige aufweisende Abschnitt des Humerus. Endlich folgt 
3) der distale Teil, der sich wieder bald zu gleicher Breite 
wie der proximale Teil, bald zu geringerer oder gréBerer Breite 
als dieser verbreitert, wobei die Ebene dieser Verbreiterung in 
der Regel einen mehr oder minder ansehnlichen Winkel (bis zu 
annahernd 90°) mit der Ebene der proximalen Verbreiterung 
macht. Der distale Teil artikuliert medial (ulnar) durch den 
Condylus ulnaris mit der Ulna, lateral (radial) durch den 
Condylus radialis mit dem Radius; proximal von diesen Ge- 
lenkfliichen springen — an der Stelle der gréften Breite — die 
beiden Muskelhécker (Epicondylen) hervor, von denen der Epi- 
condylus radialis (Ursprungsstelle der Extensoren am Vor- 
derarm) meist schwicher, aber in gréferer Linge und darum 
etwas weiter proximalwirts hinaufreichend ausgebildet ist als der 
Epicondylus ulnaris (Ursprungsstelle der Flexoren). Ge- 
wohnlich im Bereiche dieser Epicondylen, nicht selten aber auch 
proximal von ihnen kénnen Kandale oder Furchen fiir die Nn. radials 
und medianus und die mit ihnen verlaufenden GefaSe sich finden ; 
der fiir den N. radialis liegt an der Radialseite (Canalis resp. 
Sulcus nervi radialis s. ectepicondyloideus), der fiir 
den N. medianus an der Ulnarseite des Humerus (Canalis nervi 
medianis. entepicondyloideus). 

Zu diesen durch die Beziehungen zu dem Schultergiirtel und 
dem Vorderarm, sowie zu den sich hier ansetzenden Muskeln und 
hier verlaufenden Nerven und GefifSen ohne weiteres verstiindlichen 
specielleren Bildungen kommen noch allgemeinere Konfigu- 
rationen, wie Verlingerung und Verkiirzung, Abflachune und 
Verbreiterung, Kriimmung des Humerus u. s. w., die auch den be- 
wegenden Kraften, den Beziehungen zu den Nachbarknochen und 
den Korrelationen zu den umgebenden Medien (Erdleben, Baum- 
leben, Anpassung an das Wasser, Flugbewegung etc.) ihre Ent- 
stehung yerdanken, die sich somit aus vielen Detailwirkungen 
und Detailanpassungen aufbauen und deren Analyse eine dank- 
bare, aber keineswegs einfache Aufgabe ist. 

Ein geitibtes Auge und ein durch Nachdenken gescharfter 
Blick findet in dem Humerus der Reptilien zahlreiche Momente, 
welche von mehr oder minder grofer systematischer Bedeutung 


566 Max Firbringer, 


sind, welche aber, was noch wichtiger ist, zugleich ein Stiick 
Genealogie ablesen lassen. 

Auf diese Fragen naiher einzugehen, verbietet sich durch die 
Grenzen dieser Arbeit. Nur einige in systematischer Beziehung 
bemerkenswertere Momente sollen herausgegriffen werden; zu einem 
groken Teile bieten sie nichts Neues dar. 


a) Allgemeine Dimensionen des Humerus. 


Fiir die allgemeinen Dimensionen des Humerus — Verhialtnis 
von Linge zu gréfter Breite — bilden die kionokranen Lacer- 
tilier (p. 255f., 269, 271, 273, 520) und die Rhynchocephalier 
(p. 281f., 288 f., 290, 291, 292, 295) wieder den Ausgang: erstere 
weisen vorwiegend, aber mit markanten Ausnahmen, schlankere 
Formen [Laingen-Index +) 2°/,—6°/,], letztere kompaktere Humeri 
(Lingen-Index 2!/,—3) auf; der den Rhynchocephaliern proviso- 
risch eingereihte Kadaliosaurus (Lingen-Index 3—31/,) gleicht in 
dieser Hinsicht mehr einem Lacertilier. Unter den Lacertiliern 
zeigen im grofen und ganzen die baumlebenden Vertreter (den- 
drobate Agamidae und Iguanidae, Uroplatidae, Chamaeleontidae) 
die schlanksten und mit den schwéachsten Muskelfortsitzen ver- 
sehenen Humeri (Langen-Index 4—6*/,), die erdjebenden und 
wasserbewohnenden (nebst den Dolichosauria) relativ kiirzere und 
kraftigere Formen (L.I. 23/,—4)?), endlich die vollkommen an 
das Wasserleben angepaSten Mosasauria ganz auferordentlich 
kurze und platte Oberarmknochen (L. I. 1—1?/,). Es finden sich 
somit bei den Lacertilia s. lat. (inkl. Chamaeleontia, Dolicho- 
sauria und Mosasauria) die gré{ten Extreme der relativen 
Lange (LI. 1—7) und dabei eine Vielgestaltigkeit, wie 
sie keine andere Reptilienordnung annihernd wieder darbictet. 
Das kennzeichnet aufs neue die tiefe Stellung derselben, zugleich 
aber auch die ungemeine Variabilitiit und Anpassungsfihigkeit des 
Humerus, welche beziiglich der systematischen und genealogischen 
Verwertung zu gréSter Vorsicht auffordert. Man wird von mitt- 
leren Dimensionen (L.I. 21!/,—31/,) Ausgang zu nehmen haben *) 
und yon da aus die specialisierten Extreme der betreffenden 


1) Lange dividiert durch die grifte Breite. 

2) Varanus hat den kleinsten Lingen-Index (2°/,) unter den 
lebenden kionokranen Lacertiliern. 

3) Auch die microsauren Hylonomus und Petrobates, ersterer 
mit L.I. 3, letzterer mit L.I. 21/3, reihen sich hier an. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 567 


Agamidae, Iguanidae, Uroplatidae und Chamaeleontidae auf der 
einen und der Mosasauridae auf der anderen Seite ableiten. Von 
der Verkiimmerung des Humerus bei den schlangenahnlichen 
Lacertiliern sei hier abgesehen. Die wasserlebenden rhyncho- 
cephalen Acrosaurier zeigen eine nur mifige Verkiirzung (L.I. 3), 
dagegen ist dieselbe bei den den Rhynchocephaliern nahestehenden 
Ichthyopterygiern (p. 311, LI. 11/,—1'/,) wieder recht 
extrem geworden, wenn sie auch die héheren Grade der Mosasaurier 
nicht ganz erreicht ‘). 

Der Humerus der Chelonier (p. 321) geht von mittleren 
Mafien (L.I. 21/,—351'/;) aus und verkiirzt resp. verbreitert sich 
bei den wasserlebenden Chelonidae und Sphargidae in mafigem 
Grade (L.I. 2!/,—2). 

Bei den Sauropterygiern (p. 326 und 335) bilden wieder 
langere Formen den Ausgang (Nothosauria mit L.I. 3—4), um bei 
den wasserlebenden Plesiosauriern zu mafiger Verkiirzung (L.I. 
2—3) zu kommen. Die Mesosaurier (p. 338, LI. 3—31/,) 
schliefen sich den primitiven Sauropterygiern gut an. 

Die Theromorphen (p. 338f.) kennzeichnet ein kurzer, 
stimmiger Humerus mit geringem Lingen-Index (1°/,—21/,); die 
kleineren Tiere besitzen minder plumpe, die gréSeren bieten un- 
gemein massig entwickelte Formen mit gewaltigen Muskelfortsatzen 
dar. Alles weist auf vorgeschrittene Specialisierung hin ; die Ausgang 
gebenden Formen sind uns noch unbekannt. 

Auffallend schlank und mit malig entwickelten Muskelfort- 
sitzen verschen ist der Humerus der 4lteren und jiingeren Cro- 
codilier (p. 301, 304, 305, 306, L.I. im Mittel 4). 

Bei den in der Entwickelung und dem Gebrauche ihrer vor- 
deren Extremitit sehr variierenden Dinosauriern (p.353f.) finden 
sich neben ziemlich schlanken (namentlich unter den kleineren 
Dinosauriern) kolossal plumpe Formen; letztere (Palaeosaurus, 
Stegosaurus, Triceratops u. a.) kénnen die Massigkeit der Thero- 
morphen erreichen (L.I. 1°/,); erstere (mit einem L.I. von 3 
und dariiber) sind wohl erst durch sekundare Reduktion der Muskel- 


1) Die peripheren Partien der Ichthyopterygier-Flosse zeigen 
eine viel héhere Umbildung fiir das Wasser (Homéomerie, Hyper- 
phalangie, Hyperdactylie) als die Mosasaurier; doch greift zum Teil 
bei letzteren die Verkiirzung weiter proximal (bis zum Oberarm) 
hinauf als bei den ersteren. 

Bd, XXXIV. N, F. XXVIL. 37 


568 Max Firbringer, 


fortsitze zu ihrer Schlankheit gelangt. Diese Verhiltnisse der 
Dinosaurier weichen wesentlich von denen der Crocodilier ab. 
Die Patagiosaurier (p. 363 f.) zeigen im allgemeinen einen 
schlankeren Humerus, dessen Index sich aber durch die michtige 
proximale Entwickelung des Proc. lateralis verringert (mit dem 
Proc. lateralis ist der Index 2—3, ohne ihn, also unter alleiniger 
Beriicksichtigung der Breite des distalen Endes, 4—7). 


b) Ausbildung der Muskelfortsitze. 


Die Ausbildung der Muskelfortsitze bietet im Detail bei den 
verschiedenen Abteilungen einen ganz auferordentlichen Wechsel 
dar, auf den hier nicht eingegangen werden kann. Die Altesten 
Rhynchocephalier und Microsaurier zeigen eine makige Entwicke- 
lung; das Gleiche gilt fiir die schlankeren (gewisse Lacertilier, 
Crocodilier), sowie fiir die platteren Humeri der an das Wasser 
angepaBten Formen (Mosasauria, Ichthyosauria, Plesiosauria), bei 
welchen aber die Vereinfachung durch sekundare Riickbildung zu- 
stande kam. Eine bessere Entwickelung der Fortsitze kenn- 
zeichnet die meisten kionokranen Lacertilier; noch héher ist die- 
selbe bei den jiingeren Rhynchocephaliern und Cheloniern ‘) aus- 
gebildet; extreme Grade erreicht sie bei gewissen Theromorphen 
und Dinosauriern, sowie — mehr auf den proximalen Bereich des 
Humerus beschrinkt — bei den Patagiosauriern. 

Die genauere Vergleichung dieser Abteilungen lehrt zugleich 
sehr charakteristische Ziige der einzelnen in Frage kommenden 
Fortsitze. So zeigt z. B. der Proc. lateralis bei Lacertiliern 
und Rhynchocephaliern eine makig lange, erst im 2. Fiinftel des 
Humerus seine gré’te Hervorragung erreichende Entwickelung, 
bei den Theromorphen ist er von seinem Anfange an in den proxi- 
malen 1/,—*/, des Humerus enorm ausgebildet, bei den Dino- 
sauriern in der proximalen Halfte, wobei er bald von Anfang an, 
bald erst im weiteren Verlaufe des Humerus seine Hauptentfal- 
tung gewinnt; bei den Patagiosauriern endlich beschrankt er sich 
in der Regel auf das proximale 1/;—1/, des Humerus, springt 
aber hier von Anfang an, selbst proximalwarts tiber das Caput 
humeri, michtig hervor. Man kann danach beurteilen, in wie ver- 


1) Bei den Cheloniern aber vorwiegend am proximalen Ab- 
schnitte des Humerus. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 569 


schiedenem Grade die an ihm inserierenden Muskeln (s. p. 564) 
bei diesen verschiedenen Reptilienordnungen entwickelt sind. 
Aehnlich wechselnde Beziehungen lassen sich fiir den Proc. 
medialis und die beiden Epicondyli nachweisen. Kine 
besondere Entwickelung der Linea m. latissimi dorsi zeichnet 
gewisse Rhynchocephalier, namentlich aber Sauropterygier und 
Theromorphen aus; durch die Vergleichung wird der sekundare 
Charakter dieser auffallenden Prominenz erkannt. 


c) Nervenkandle im distalen Bereiche des Humerus. 


Dem Verhalten der Nervenlécher im distalen Bereiche des 
Humerus ist von jeher eine besondere Beachtung geschenkt wor- 
den. Der Canalis nervi radialis (ectepicondyloideus), der 
auch durch eine blofe Furche (Sulcus nervi radialis s. ectepicon- 
dyloideus) vertreten sein kann, zeigt sich in relativ weitester Ver- 
breitung, und zwar bei den meisten kionokranen Lacertiliern, 
Rhynchocephaliern (exkl. Palaeohatteria)') nebst Acrosauriern, 
meisten Cheloniern, Nothosauriern (wie es scheint, nicht ganz kon- 
stant), einzelnen Theromorphen, gewissen parasuchen Crocodiliern 
(Sulcus n. radialis)?). Der Canalis nervi mediani (entepi- 
condyloideus) ist minder verbreitet und findet sich bei Palaeo- 
hatteria, Sphenodon, vielleicht Homoeosaurus, den Acrosauriern, 
Nothosauriern, Mesosauriern und Theromorphen. Dementsprechend 
kennzeichnet eine Koexistenz beider Kandale (resp. von 
Kanal und Furche) Sphenodon, vielleicht Homoeosaurus, die Acro- 
saurier, Nothosaurier und einige Theromorphen (Deuterosaurus s. 
Brithopus, Gomphognathus und wohl noch mehrere andere). Jed- 
wede Kanalbildung fehlt (oder wird als fehlend angegeben) bei 
mehreren Lacertiliern (gewisse kionokrane Lacertilier, alle Cha- 
maeleontia, wie es scheint, die Dolichosauria und Mosasauria), 
Hylonomus, vielleicht Petrobates, den Ichthyopterygiern, einzelnen 
Cheloniern, den Plesiosauriern, den meisten Crocodiliern, den Dino- 
sauriern und Patagiosauriern; doch ist nicht unwahrscheinlich, 
daf bei manchen der hier angefiihrten Abteilungen bei giinstigeren 


1) Auch die Nervenéffnung von Homoeosaurus wird von Zirren 
und Bouteneer fiir eine entepicondylare erklart. 
2) Andeutungen eines Sulcus nervi radialis bieten auch ge- 
wisse Vogel (Casuarius, Macrochires) dar. 
ate 


570 Max Firbringer, 


Objekten noch Nervenkanile oder Andeutungen derselben gefunden 
werden mégen. 

Auf die Verteilung dieser Kanale ist in systematischer Hin- 
sicht viel Wert gelegt worden; namentlich wurde auch die Aus- 
bildung des Canalis nervi mediani bei den Theromorphen benutzt, 
um damit deren behauptete Verwandtschaft mit den Mammalia 
(die den gleichen Kanal in grofer Verbreitung zeigen) zu stititzen. 
Die auferordentlich wechselnden Verhaltnisse bei den Rhyncho- 


See 


cephaliern und anderen Ordnungen geben an die Hand, dieses — 


systematische Merkmal nicht zu iiberschitzen und mit grofer 
Vorsicht zu benutzen. 

Auch ist diesen Kaniilen eine tiefere primitive Bedeutung, 
als iibrig bleibende Spaltbildungen bei der Konkrescenz des Humerus 
aus mehreren Radien, zuerteilt worden (W1EDERSHEIM 1892). Wie 
ich bereits bei der Besprechung des Humerus von Sphenodon 
(p. 283, 284, Anm. 7) ausgefiihrt, kann davon keine Rede sein, da 
einmal jeder Nachweis fiir den (in jeder Hinsicht mehr als un- 
wahrscheinlichen) Aufbau des Humerus aus mehreren Radien 
fehlt, dann aber, weil — selbst bei der Annahme, daf er statt- 
gefunden hatte — die Nerven an der polymeren Flosse die ihnen 
zukommenden Seiten derselben wahren und nicht belicbig zwischen 
deren Gliedern von der Ventralseite nach der Dorsalseite und 
umgekehrt hindurchtreten'). Aehnlich wie schon Rugs fiir den 
Canalis nervi mediani der Saéugetiere betont hat (1884), kann ich 
diese Nervenkanale, die bei den Amphibien noch durchaus fehlen, 
nur als Produkte einer progressiven Vergréferung des Volumens 
des Humerus (die ihrerseits wieder der erheblichen Verstairkung 
der Muskulatur ihre Entstehung verdankte) erklaren: in dem 
Make, als die Oberfliiche des Humerus zunahm, wurden die an ihr 
verlaufenden Nerven (und Gefafe) zunaichst in Rinnen, dann in 
Kanaile durch iiberbriickende Skeletmassen eingeschlossen; und 
umgekehrt, wie das z. B. die Lacertilier und Crocodilier zeigen, 


1) An der vom proximalen Ende her verkiimmernden Bauch- 
flosse der Ganoiden kommt es, wie Braus wahrscheinlich gemacht, 
zu Nervendurchtritten durch die Glieder; hier liegen aber ganz 
sekundire und einseitige Umbildungs- und Reduktionserscheinungen 
vor, die nur infolge des Schwundes des Beckengiirtels und Meta- 
pterygoides méglich wurden und zur Erkliirung der Nervendurchtritte 
durch den Humerus von Sphenodon im Sinne von WrppERsHEIM 
nicht verwendet werden kénnen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 571 


konnte es wieder bei der sekundaren Verschmachtigung des Humerus 
und Riickbildung dieser Skeletteile zu einer Umwandlung der 
Kanale in Furchen und zu einem villigen Schwunde derselben 
kommen. Bei den héheren Reptilien, denen, wie es scheint, die 
Kanile fast durchweg abgehen (manche Crocodilier, Dinosaurier, 
Patagiosaurier) wird es durch den Vergleich mit den primitiven 
Lacertiliern, Rhynchocephaliern und Phytosauriern nicht unwahr- 
scheinlich, daf’ ihre zur Zeit gré8tenteils unbekannten Vorfahren 
entsprechende Bildungen noch aufwiesen. 


B. Nerven fiir die Schulter und den proximalen 
Armbereich. 


Alle diesbeziiglichen Untersuchungen, die ich seit 1873 aus- 
gefiihrt, haben mir die grundlegende morphologische Bedeu- 
tung des Nervensystemes fiir die wahre Erkenntnis der Muskulatur 
und fiir die Bestimmung der Muskel-Homologien dargethan. Jede 
myologische Arbeit, welche die betreffenden motorischen Nerven 
vernachlassigt, ist eine liickenhafte und, soweit sie beabsichtigt, 
die vergleichende Myologie derselben zu geben, ihr Ziel ver- 
fehlende. Bei dem grofen Wechsel und den oft ganz gewaltigen 
Umbildungen der Muskulatur ist die Nervenversorgung derselben 
oft der einzige sichere Punkt und diejenige hohere Instanz, welche 
— mit der nétigen Kritik angewendet — niemals tauscht und 
niemals auf Irrwege fiihrt. Diese Erkenntnis wird von der tiber- 
wiegenden Mehrzahl der in diesem Gebiete arbeitenden Forscher 
geteilt und ist sozusagen Allgemeingut geworden. Die dagegen 
angefiihrten Griinde einzelner Stimmen kénnen als stichhaltige 
nicht anerkannt werden‘). Besonders beweisend fiir die Unerlaf- 
lichkeit der Nervenberiicksichtigung bei myologischen Arbeiten 
waren aber die negativen Resultate, welche ohne dieselbe von 
diesem oder jenem Autor erhalten wurden. 

Wie hoch somit die morphologische Bedeutung der motorischen 


1) Wie schon erwahnt, wird der allgemeine Teil dieser ganzen 
Untersuchungsreihe, nachdem die Végel und Saugetiere behandelnden 
Abschnitte erledigt sind, sich auch mit diesen Arbeiten beschaftigen 
und die ganze Frage der Innervation der Muskeln in zusammen- 
fassender Weise behandeln. 


572 Max Firbringer, 


Nerven zu stellen ist, so ist der Gewinn, den die Systematik 
aus ihr ziehen konnte, kein bedeutender. In den Untersuchungen 
zur Morphologie und Systematik der Végel habe ich mich bereits 
dariiber ausgesprochen (1888, p. 1068) und konnte dabei zeigen, 
da8 die Plexusbildungen der Nerven, teils wegen der einfachen 
Gestaltung, die das Nervensystem gegeniiber der reich differen- 
zierten Muskulatur aufweist, teils wegen der metamerischen Um- 
bildungen und der damit zusammenhangenden Variierungen in 
der Zahl der Plexuswurzeln, fiir eine systematische Verwertung 
nicht sehr geeignet sind!). Ein getibtes Auge erkennt auch im 
Wechsel die Ziige der Verwandtschaft, dieselben sind aber oft 
schwer zu sehen und werden von dem verwirrenden Hin und Her 
der metamerischen Umbildungen recht haufig sehr verdeckt. So 
schwankt die Zahl und Starke der Wurzeln des Plexus brachialis 
bei demselben Tiere nicht unerheblich (z. B. bei Sphenodon, p. 380), 
und ganz nahe Verwandte kénnen in der Wurzelzahl bedeutend 
differieren (z. B. Chamaeleo vulgaris mit 5, Brookesia superciliaris 
mit 3 Wurzeln, p. 372). Doch mége der Untersucher namentlich 
auf das Verhalten der Ansenbildungen und auf die Ab- 
gange der peripherischen Nerven vom Plexus achten, 
und gewisse Resultate werden seine Sorgfalt lohnen. 

Einige Beispiele, in denen die betreffenden peripherischen 
Nerven sich zu etwas hoherer systematischer Bedeutung erheben, 
moégen weiter ausgefiihrt werden. 


a) N. accessorius posterior. 


Die Anteilnahme des Ramus accessorius posterior nervi vago- 
accessorii (cf. Schultermuskeln, I, 1874, p. 229; III, 1875, p. 649 f., 
667, 671 f.; Untersuch. z. Morph. und Systematik d. Végel, 1888, 
p- 236 f., und diese Abhandlung p. 374 f.) an der Innervation des 
(von ihm und gewissen Cervicalnerven versorgten) M. trapezius 
+ sterno - episterno- cleido-mastoideus (cleido- mastoideus) giebt 
einen gewissen Gradmesser fiir die tiefere oder héhere Stellung 
der betreffenden Sauropsiden : 


1) Meine damalige pessimistische Prognose méchte ich aber 
nicht mehr in ihrem ganzen Umfange festhalten. Fiir die Sonde- 
rung engerer Gruppen erweist sich das Verhalten des Plexus bra- 
chialis allerdings nicht sehr hoffnungsreich, fiir gréfere Abteilungen 
hingegen bietet es gute Differentialmomente dar. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 573 


1) Bei Sphenodon, einzelnen Geckonidae und Scin- 
cidae ist der N. accessorius posterior ziemlich stark und in- 
nerviert einen recht ansehnlichen Teil dieses Muskels. 

2) Bei gewissen Agamidae, Iguanidae, Uroplates, 
namentlich aber Chamaecleontidae wird er recht fein und der 
von ihm versorgte Muskelteil klein. 

3) Auch bei den Cheloniern ist er fein bis sehr fein. 

4) Bei den Crocodiliern geht er bei gleicher Feinheit 
intime Anastomosierungen mit dem 1. Cervicalnerven ein. 

5) Bei den Vé6geln endlich kann er so fein werden, daf er 
oft recht schwer nachzuweisen ist und da der von ihm innervierte 
Teil des Muskels ganzlich gegen den von Cervicalnerven versorgten 
zuriicktritt. 


b) Metamerische Lage des Plexus brachialis., 


Die — aus dem Gewirre der metamerischen Umbildungen 
doch sicher erkennbare — metamerische Lage des Plexus brachialis, 
ob mehr rostral oder mehr caudal befindlich, bildet eine nicht zu 
unterschitzende systematische Marke fiir die einzelnen Abteilungen, 
mit der in charakteristischer Weise die Liinge der Halswirbel- 
siule koincidiert : 

1) Bei der tiberwiegenden Menge der kionokranen Lacer- 
tilier (Schultermuskeln, II, 1875, p. 650f.; Zur Lehre von den 
Umbildungen der Nervenplexus, 1879, p. 329f., und diese Abhand- 
lung p. 8366—369) bilden der 6. bis 9. Nerv (VI—IX) die alleinigen 
oder die hauptsachlichsten Wurzeln des Plexus brachialis'), zu 
denen haufiger der 10. Nerv (X), seltener der 5. Nerv (V) sich 
in einer, wie es scheint, systematisch regellosen Weise zugesellen 
kann. Damit ist zugleich eine caudalwarts oder rostralwarts 
gehende metamerische Bewegung des Plexus angebahnt. Die Hals- 
wirbelsiule besteht aus 8 Wirbeln. 

2) Diesem Plexus ist der von Sphenodon (diese Abhand- 
lung p. 869, 380) anzuschliefen. Derselbe besteht aus VI—X oder 
VI—XI, zeigt somit gegeniiber den kionokranen Lacertiliern eine 


1) Die angegebenen Zahlen der Nerven beziehen sich durchweg 
auf die Hauptplexus (s. p. 366). — Abweichend von den 
meisten kionokranen Lacertiliern verhalt sich Heloderma, dessen 
Plexus nach Suuretpt von dem 5. bis 8. Cervicalnerven gebildet 
ist. Mir erscheint hier eine Nachuntersuchung sehr erwiinscht. 


574 Max Firbringer, 


erhebliche caudalwarts gehende Ausbreitung (um 1—2 Nerven) 
unter Erhaltung des rostralen Anfanges (VI). Mit der Zahl von 
6 Wurzeln erreicht zugleich Sphenodon das héchste yon den 
lebenden Sauropsiden erreichte Maf+). Die genauere Untersuchung 
der 5- oder 6-wurzeligen Plexus zeigt aber, daf der Schwerpunkt 
des sphenodonten Plexus auf VIJ—X liegt, somit im Vergleich 
zu der Mehrzahl der kionokranen Lacertilier eine um 1 Metamer 
caudalwarts verschobene Zusammensetzung aufweist. Die Hals- 
wirbelsiule besteht aus 8 Wirbeln. 

3) In Parallele zu dem Plexus brachialis der kionokranen 
Lacertilier steht der der Chelonier (Schultermuskeln, II, 1874, 
p. 230f.), der auch in der Regel (Chrysemys, Clemmys, Emys, 
Testudo) von VI—IX, bei Trionyx (ob individuell?) aber nur von 
VI—VIII gebildet wird. Das letzterwahnte Verhalten eines nur 
3-wurzeligen Plexus kann als primitiveres oder als sekundires 
(Riickbildung mit rostralwirts gehender Bewegung) angesehen 
werden. Bei der bis jetzt vorliegenden sparlichen Untersuchungs- 
reihe ist zur Zeit keine Entscheidung zu geben. 8 Halswirbel. 

4) Die caudalwarts gerichtete Bewegung bei den kiono- 
kranen Lacertiliern fiihrt unter ganzlicher Reduktion von VI und 
unter Kraftigung von X zu einem von VII—X gebildeten Plexus 
(diese Abhandlung p. 367, 369). Derselbe steht somit ungefahr in der 
gleichen metameren Reihe wie der von Sphenodon. Das wird von 
vy. JHERING fiir einzelne Agamidae (Draco volans und _lineatus, 
Agama stellio) angegeben ”), wird aber zur Regel bei den Vara- 
nidae*). Hierbei weisen Draco volans und lineatus 8, Agama 
stellio (nach v. JHERING)?) und die Varanidae 9 Halswirbel auf. 


1) Kein anderes untersuchtes lebendes Reptil zeigt mehr als 
5 Wurzeln fiir den Hauptplexus, und nur einzelne Vogel (Cha- 
radrius, Columba) erreichen auch die Sechszah] der Wurzeln. 

2) Hierbei handelt es sich offenbar um individuelle Variationen 
der von y. JHERING untersuchten Exemplare von Draco volans und 
lineatus; bei beiden Arten fand ich wie bei den kionokranen Lacer- 
tiliern eine Zusammensetzung von VI—X. Agama stellio, bei dem 
Srepenrock 8 Halswirbel angiebt (vergl. p. 545 Anm. 1) konnte ich 
nicht untersuchen. 

3) Einmal unter den Varanidae, bei Varanus salvator, wird hier 
von v. JHERING eine Zusammensetzung aus VI—IX angegeben. 
Alle anderen von ihm, sowie simtliche von mir untersuchten Vara- 
nidae ergaben stets einen von VII—X_ gebildeten Plexus. Der 
Befund bei Varanus salvator ist wohl ein individueller. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. (3) 


Namentlich die Varanidae heben sich somit durch die ausgebildete 
Wanderung ihres Plexus brachialis und Verlingerung ihrer Hals- 
wirbelsiule um 1 Metamer nach hinten deutlich vor den anderen 
kionokranen Lacertiliern hervor. Ihnen reihten sich vielleicht 
auch die mit 9—10 Halswirbeln versehenen Aigialosauridae und 
gewisse Mosasauridae (?) an. 

5) Eine noch weiter caudalwarts gehende Ausbildung des Plexus 
brachialis zeichnet die Crocodilier (Schultermuskeln, III, 1875, 
p. 682f.; diese Abhandlung p. 394) aus, bei denen der Haupt- 
plexus von VII—XI zusammengesetzt ist und die Halswirbelsiule 
wie bei den Varanidae aus 9 Halswirbeln besteht. 

6) Bei den V6geln (Untersuchungen z. Morph. u. System. 
der Végel, 1888, p. 238f.) mit Plexuszahlen von X—XIV bis 
XXII—XXVI und Halswirbelzahlen von 10—25 erreicht diese 
caudalwarts gehende Bewegung unter den noch lebenden Sauro- 
psiden ihren Hoéhepunkt *). 

7) Die rostralwairts gerichtete Bewegung ist bei den 
bisher untersuchten Chamaeleontia (Schultermuskeln, III, 
1875, p. 667f.; diese Abhandlung p. 372 f.) bis zu einem Plexus 
von IV—VI (Brookesia) oder III—VII resp. HI—VI (Chamaeleo) 
angelangt. Die Halswirbelzahl betragt hier 5. Gegentiber den 
typischen kionokranen Lacertiliern existiert somit eine nach vorn 
gehende Umbildung und Wanderung um ca. 3 Metameren. Zwischen- 
stadien zwischen ihnen und den typischen kionokranen Lacertiliern 
sind nicht bekannt?”). 

8) Eine gleichfalls rostralwarts gehende Bewegung der 
vorderen Extremitaét und des Plexus brachialis verbindet sich be- 
kanntlich zugleich mit der ausgiebigeren Riickbildung der 


1) In den von den Vogeln eingenommenen Wirbelbereich fielen 
auch die Bildungen der Plexus brachiales bei den Dolichosauridae 
(mit 15—17) und den Nothosauria (mit 16—21 Halswirbeln), 
wihrend bei den héheren Formen der Plesiosauria (mit 20—72 Cer- 
vicalwirbeln) der Plexus brachialis zu noch betrachtlich weiter 
gehender Wanderung nach hinten gelangte (vergl. auch p. 545 f.). 

2) Die von V—IX gebildeten Plexus einzelner kionokranen 
Lacertilier kénnen nicht eigentlich als Zwischenformen angesprochen 
werden; ebensowenig der Plexus brachialis von Heloderma mit 
seiner meines Erachtens nicht vollkommen gesicherten Zusammen- 
setzung aus V-—VIII. — Eine beginnende retrograde Bewegung 
rostralwarts kennzeichnete méglicherweise auch den Plexus der 
Mosasauria mit 7 Halswirbeln. 


576 Max Firbringer, 


Extremitaten bei den kionokranen Lacertiliern (Schulter- 
muskeln, III, 1875, p. 665 f.; Umbildungen d. Nervenplexus, 1879, 
p. 829 f., diese Abhandlung p. 367 f., 369). Bei Chalcides tridactylus 
hat der Plexus noch seine normale Lage (VI—IX), bei Anguis 
wird sein Rudiment von V und VI, bei Pygopus lepidopus (Carts- 
SON) und Ophisaurus apus von IV—VI gebildet'). Noch weiter 
kann die rostral gerichtete Wanderung bei den Amphisbae- 
nia (diese Abhandlung p. 369, 371 f.) gehen, indem die hier viel- 
leicht als Rudiment eines Plexus brachialis anzusprechenden 
Nerven bei Trogonophis aus IV und V, bei Amphisbaena aus 
lif und IV resp. (Cartsson) I[—IV sich zusammensetzen 2), — 
Bei allen diesen Tieren bildet zugleich das Verhalten dieses rudi- 
mentaren Plexus mit seinen prozonal und metazonal verlaufenden 
Nerven das Mittel, um die metamere Lage des rudimentaren 
Schultergiirtels resp. seiner einstigen Stelle zu bestimmen. 


Den Ausgang fiir die ganze Reihe bildet der von VI—X 
oder von VI—XI gebildete Hauptplexus der kionckranen Lacer- 
tilier und von Sphenodon und die aus 8 Wirbeln bestehende 
Halswirbelsaule dieser Tiere. Ob hierbei der Schwerpunkt des 
Plexus urspriinglich*) auf der an erster oder zweiter Stelle ge- 
gebenen Zusammensetzung lag, ob Sphenodon oder die Lacertilier 
die primitivere Stufe hierbei einnehmen, ist mit den zur Zeit ge- 
gebenen Materialien nicht zu entscheiden. Ueber schr viele Ver- 
treter ausgebreitete und namentlich auf zahlreiche ontogenetische 
Stadien ausgedehnte Untersuchungen an Sphenodon, Geckonidae 
und Scincidae diirften aber diese Frage lésen oder wenigstens der 
Lésung naher bringen. 


1) Diese Rudimente sind nur den ersten Wurzeln des Plexus 
brachialis der Lacertilier mit ausgebildeten Extremitaten zu ver- 
gleichen; die hinteren Wurzeln sind mit Riickbildung der peripheren 
Abschnitte der Extremititen vélliig reduziert. 

2) Von gréftem Interesse wire die Kenntnis des Plexus bra- 
chialis von Chirotes als desjenigen Amphisbaeniers, dessen 
vordere Extremitaét nur in makigem Grade zuriickgebildet ist. 

3) Selbstverstandlich habe ich die bereits Reptilien gewordenen 
Vorfahren dieser Tiere im Auge; die noch friiheren (amphibien- 
artigen) Vorstufen desselben hatten vermutlich einen mehr rostral 
hegenden Plexus, der mit der vorderen Extremitit successive 
caudalwarts wanderte. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 577 


Von da aus geschah entweder die caudalwirts gehende (pro- 
gressive) oder rostralwairts gerichtete (regressive) Wanderung und 
Umbildung. 

Die caudalwarts gehende Wanderung reprasentiert die 
weitere Fortsetzung des von Anfang an eingeschlagenen Weges der 
vorderen Extremitaét der Reptilien und bildet mit der Eroberung 
des 11. Nerven (Sphenodon, Crocodilier), mit dem Verluste des 
5. Nerven (die sub 4 angefiihrten Lacertilier, namentlich die Vara- 
nidae, sowie die Crocodilier) und mit der durch die Umbildung 
des bisherigen ersten Dorsalwirbels in einen Cervicalwirbel und 
der damit bedingten Verlingerung der Halswirbelsiule auf 9 Wirbel 
(Varanidae, Crocodilia) verschiedene Etappen dieses Weges dar. 
Die Crocodilier stehen am Ende der von den lebenden Reptilien 
gebildeten Reihe; zwischen sie und die meisten kionokranen Lacer- 
tilier stellen sich Sphenodon und die Varanidae, ersterer den 
Lacertiliern, letztere den Crocodiliern mehr genahert. Die Che- 
lonier stehen den Lacertiliern in dieser Hinsicht gleichwertig da und 
zeigen keine ausgiebigere Bewegung des Plexus; bei den Dolicho- 
sauriern, namentlich aber bei den Vogeln und Sauropterygiern ist 
die caudalwirts gerichtete Wanderung noch in erheblichem Grade 
weiter geschritten. 


Umgekehrt bezeichnet die rostralwarts gehende Be- 
wegung die regressive, d. h. die von den Vorfahren in alter 
Zeit schon durchlaufenen Wege wieder rickwirts einschlagende 
Richtung und reprasentiert mit der Aufnahme des 5. Nerven in 
den Hauptplexus (einzelne kionokrane Lacertilier)!) und mit 
der bei den Chamaeleontia und verschiedenen schlangenartigen 
Lacertiliern und Amphisbaeniern weiter nach vorn bis zum 3. 
(vielleicht selbst 2.) Nerven gegangenen Umbildung des Plexus 
und der durch die Umwandlung der 3 letzten Halswirbel in 
Dorsalwirbel bedingten Verkiirzung der MHalswirbelsiule auf 
5 Wirbel gleichfalls verschiedene Etappen dieses Weges. Hierbei 
ist aber wohl zwischen den Eidechsen mit und ohne Extremitateu 


1) Méglicherweise bildet schon die Verstarkung von VI (Sphen- 
odon, p. 380) den ersten Schritt auf diesem Wege. Zwischen diesem 
Anfange und dem von den Chamaeleontiern erreichten Endziel 
befindet sich aber eine noch unvermittelte, unbekannte Strecke. Es 
ist daher auch mit der Méglichkeit einer einstmaligen Mittelstellung 
des Ausgang gebenden Plexus der Lacertilier s. lat. zu rechnen 
(vergl. p. 373); der sichere Beweis fiir das eine oder andere ist 
zur Zeit nicht zu fiihren. 


578 Max Firbringer, 


zu unterscheiden; im ersteren Falle (Chamaeleontia) hat sie 
grifere systematische Bedeutung als im letzteren, wo die Wan- 
derung des Brustschulterapparates nach vorn mit der Lésung des 
Sternum von den Rippen koincidiert. Die Beurteilung der Ver- 
haltnisse bei den Amphisbaenia kann erst nach Untersuchung 
des Plexus von Chirotes (und Ophiognomon) geschehen. Nach 
unserer jetzigen Kenntnis bilden die Chamaeleontia unter allen 
bisher genauer bekannten lebenden und ausgestorbenen Sauro- 
psiden mit ausgebildeten Extremitéten den Endpunkt der rostral- 
warts gerichteten Reihe 4). 


c) Verhalten der vom Plexus brachialis abgehenden 
peripheren Nerven. 


Endlich bietet das Verhalten der von dem Plexus abgehenden 
peripheren Nerven zahlreiche Ziige dar, welche von differential- 
diagnostischer Bedeutung sind. 

Besonders markant sind dieselben bei Sphenodon und zeigen 
mehr noch als das Skeletsystem die besondere Stellung dieses 
Rhynchocephaliers. 1) Der gemeinsame Abgang der Nn. dorsalis 
scapulae und supracoracoideus von dem Plexus (p. 381), 2) die 
Existenz der Nn. scapulo-humerales anterior und posterior (p. 383), 
3) die Entwickelung der Nn. humero-radiales proximalis und 
distalis (p. 383, 384 und 386), 4) die Art der Sonderung des N. bra- 
chialis longus superior (p. 385 f.), vor allem aber 5) die friihe Tei- 
lung des N. brachialis longus inferior (p. 391 f.) in die 3 Haupt- 
‘iste des N. brachialis longus inferior lateralis (N. musculo-cuta- 
neus ++ medianus e. p.), medianus (N. medianus e. p.) und ulnaris 
(N. ulnaris) und 6) der besondere Verlauf des N. brach. long. inf. 
medianus durch den Canalis n. mediani (p. 393) sind lauter Mo- 
mente, durch die sich Sphenodon ganz wesentlich sowohl von den 
Lacertiliern wie von den Crocodiliern unterscheidet. Die sub 2) 
angefiihrte Koexistenz der beiden Nn. scapulo-humerales findet sich 
unter den Sauropsiden nur noch bei den Végeln, aber hier in ab- 
weichender Entwickelung wieder; den Nn. humero-radiales ganz 


1) Die Angaben, wonach auch gewisse Rhynchocephalier nur 
5 Halswirbel haben sollen, beruhen auf der abweichenden Zahlart 
dieser Halswirbel; alle diese Formen diirften wohl nicht weniger 
als 8 Cervicalwirbel haben. Ueber die Verhiltnisse bei den Amphis- 
baeniern und Ophidiern ist das Urteil zunachst noch zu vertagen; 
das Gleiche gilt fiir die reptilischen Microsaurier (Hylonomus, 


Petrobates), sowie vielleicht fiir die Mosasaurier. 
a 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 579 


inkomplett homologe Gebilde existieren bei Crocodilen und Végeln ; 
das sub 5) und 6) hervorgehobene Verhalten des N. brachialis 
longus inferior erinnert an die bei den Saéugeticren noch zu_be- 
schreibenden Verhiltnisse. Man wiirde aber sehr fehlgehen, wenn 
man daraufhin gewisse intimere verwandtschaftliche Beziehungen 
yon Sphenodon zu den Végeln oder gar Siugetieren griinden wollte ; 
es handelt sich nur um Parallelitaéten, die im weitesten Sinne des 
Wortes ganz allgemeine Affinitiiten bedeuten. Das aber beweisen 
die angegebenen Befunde mit hinreichender Deutlichkeit, dal ein 
Tier, das allein in einem ganz kleinen Abschnitte seines Nerven- 
systemes solche prinzipielle Besonderheiten darbietet, nicht den 
Lacertiliern eingerechnet werden darf. 

Zum Schlusse sei noch das Verhalten der Nn. thoracici 
inferiores (Schultermuskeln, III, 1875, p. 658 f., 675; diese Ab- 
handlung p. 388) hervorgehoben, die bei den kionokranen Lacer- 
tiliern in wechselnder Weise von VI, VII und VIII, bei Sphenodon 
von VII, VIII und IX, bei den Crocodiliern von VIII, IX und X 
abgegeben werden, beziiglich welcher somit Sphenodon wie fiir 
den ganzen Plexus brachialis eine mittlere Stellung zwischen den 
Lacertiliern und Crocodiliern einnimmt. 

Aehnliche, minder ausgepraigte, metamerische Verhiiltnisse 
bieten die Nn. thoracici superiores (Schultermuskeln, ILI, 
1875, p. 651f. und 672 f.; diese Abhandlung p. 379f.) dar. 

Betrefis der besonderen Stellung der Chelonier und Cro- 
codilier bedarf es keiner Erérterung. Dieselbe spricht sich 
auch im Plexus aus, wie ein Blick auf die Abbildungen desselben 
(verg]. Schultermuskeln, II, 1874, Taf. V resp. VI; III, 1875, 
Taf. XXIII) lehrt. Namentlich sei auf die friihe Trennung der 
Nn. brachiales inferior und superior bei den Cheloniern, ein Merk- 
mal, das keine primitive Stellung derselben bekundet, hingewiesen. 


C. Muskeln der Schulter und des proximalen Armbereiches. 


Die hohe systematische Bedeutung der Muskulatur der 
Schulter und des proximalen Armbereiches hatte sich mir schon 
in den Untersuchungen zur Morphologie und Systematik der Vogel 
1888 zur Geniige gezeigt 1); fiir die daselbst gegebene systematische 


1) Neuerdings auch durch R. Buri (Zur Anatomie des Fliigels 
von Micropus melba und einigen anderen Coracornithes, Jenaische 
Zeitschr., XX XIII, Jena 1900, p. 602) bestatigt. 


580 Max Firbringer, 


Kinteilung der Vogel bildeten speciell diese Muskeln einen der 
am meisten in den Vordergrund tretenden Faktoren. 

Das Gleiche ergiebt die Untersuchung der entsprechenden 
Muskulatur bei den Reptilien!). Wie sehr gering auch die Zahl 
der von mir daraufhin bearbeiteten Tiere ist, so sind die Ergeb- 
nisse doch derartige, daf sie zur Erginzung, zur Sicherung und 
zur niheren Beschrankung der durch die betreffenden Skelettteile 
gewonnenen systematischen Erkenntnisse sehr wesentliche Momente 
hinzufiigen. Jede in dieser Richtung vorgenommene, 
mit Treue und Verstandnis ausgefiihrte weitere 
Untersuchung wird dankenswerte Resultate habien 
und die systematische und genealogische Kenntnis 
der hier in Betracht kommenden Tiere férdern. 

Von den hierfiir besonders verwertbaren Muskeln (beziiglich 
deren aufer der vorliegenden Arbeit, p. 398—519, auch die 
Teile II, 1874, p. 243—276, und III, 1875, p. 693—808 einzu- 
sehen sind) stehen an erster Linie: der M. cucullaris + sterno- 
episterno-cleido-mastoideus (cleido-mastoideus) nebst der Mem- 
brana sterno-episternalis, das mit dem M. sternocosto-scapularis 
in Verbindung stehende Lig. sterno-scapulare internum, der M. 
biceps, die Mm. dorsalis scapulae und deltoides clavicularis s. in- 
ferior, der M. anconaeus scapularis mit seinen Ankerungen und 
dem Lig. scapulo-humerale laterale, der Anconaeus coracoideus 
und der M. humero-radialis. Ihnen folgen, mannigfaltige dif- 
ferential-diagnostisch wichtige Ziige offenbarend, die Mm. levator 
scapulae superficialis, sterno-coracoidei, sternocosto - scapularis, 
latissimus dorsi, scapulo-humerales anterior und posterior, sub- 
coracoscapularis. Minder bedeutsam, aber doch nicht ganz 
zu unterschitzen, sind die anderen in den vorhergehenden Ab- 
schnitten beschriebenen Muskeln. 

Die zusammenfassende Beurteilung der betreffenden Bildungen 
ergiebt das folgende. 


1. Kionokrane Lacertilia. 


Unter den auf die Muskulatur untersuchten Abteilungen *) der 
kionokranen Lacertilier (Schultermuskeln, III, 1875, p. 695—746; 


1) Damit soll nicht gesagt sein, daf nicht auch andere Teile 
des Muskelsystemes gute taxonomische Resultate darbieten kénnen. 
Eine — allerdings nicht sehr eingehende — Durcharbeitung der 
gesamten Muskulatur ergab mir aber gerade diesen Abschnitt als 
einen dafiir besonders geeigneten. 

2) Infolge von Mangel an Material ist die Untersuchungsreihe 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 581 


diese Abhandlung p. 8398—443) zeigen einerseits die Geckonidae, 
andererseits die Scincidae, welchen letzteren sich in mancher 
Hinsicht die Gerrhosauridae anreihen, das relative Maximum ') an 
primitiven Ziigen: einheitlicher M. cucullaris + sterno-episterno- 
cleido-mastoideus, gut entwickelte sternale Insertion desselben und 
relatives Zuriicktreten der Membrana sterno-episternalis; mafige 
Sonderung der Mm. sterno-coracoidei interni; schwache Entwicke- 
lung oder einfache Ausbildung des Lig. sterno-scapulare internum ; 
ausgedehnter Zusammenhang des M. pectoralis mit der Bauch- 
muskulatur und Beschrinkung seines episternalen Ursprunges auf 
den hinteren Liingsschenkel des Episternum; unvollstandige Sonde- 
rung der Mm. supracoracoideus und coraco-brachialis voneinander; 
ansehnliche Langsentfaltung des M. coraco-brachialis brevis; starke 
und rein muskulése Entwickelung des proximalen Biceps-Bauches ; 
einheitliche Ausbildung der Mm. dorsalis scapulae und deltoides 
clavicularis resp. noch in den ersten Anfaingen begriffene Sonde- 
rung derselben; unbedeutende oder mafige Entwickelung des Lig. 
scapulo-humerale laterale, das von der scapularen Ursprungssehne 
und der humeralen Ankerung des M. anconaeus scapularis noch 
nicht gesondert ist; allein oder vorwiegend (bei geringer Ver- 
bindung mit dem Lig. sterno-scapulare internum) vom Coracoid 
selbst stattfindender Ursprung des Anconaeus coracoideus. 
Hierbei ergiebt sich zwischen den Geckonidae und den Scin- 
cidae eine Anzahl prignanter Unterschiede, insbesondere im Ver- 
halten des M. cucullaris + sterno-episterno-cleido-mastoideus, des 
M. sternocosto-scapularis (bei den Geckonidae fehlend), des M. 
scapulo-humeralis anterior und des Anconaeus coracoideus (der 
bei den Geckonidae noch einen kleinen distalen Muskelbauch dar- 
bietet), welche eine nahe Verwandtschaft beider ausschlieben. Die 
Geckonidae nehmen eine relativ separate Stellung ein. 


sehr unvollstindig. Vertreter der Eublepharidae, Xantusidae, Helo- 
dermatidae, Anguidae, Xenosauridae und Anolidae in ihren mit Extre- 
mitaten versehenen Reprisentanten standen mir nicht zu Gebote; 
auch verfiigte ich hinsichtlich mancher Familien, namentlich der 
Tejidae, Iguanidae und Agamidae, nicht tiber die gentigende Anzahl 
typischer Gattungen. 

1) Daneben finden sich auch vereinzelte hihere Differenzierungen, 
z. B. die hohe Entfaltung der Patella ulnaris, des M. latissimus 
dorsi. — Eine in jeder Hinsicht tiefere Differenzierung bietet die 
Natur selten dar; die gréfere oder geringere Summe bestimmt. 


582 Max Fiirbringer, 


Dagegen lift sich von den Scincidae aus die Entwicke- 
lungsreihe durch die Gerrhosauridae zu den Lacertidae 
und zum Teil auch den Tejidae verfolgen. Graduell existiert 
zwischen den ersteren und letzteren ein ziemlich grofer Unterschied, 
das Quale gestattet die Ableitung von gemeinsamem Zweige. Gewisse 
Besonderheiten, namentlich eine Vereinigung von graduell recht 
divergenten (primitiven und relativ hohen) Ziigen, charakterisieren 
die Tejidae und lassen sie mehr als einen Seitenzweig der Reihe 
auffassen. Hier ist indessen noch viel an einem reicheren Material 
zu untersuchen; namentlich die Tejidae mit ihren mannigfach aus- 
eebildeten Vertretern verlangen noch manche Arbeit. Charakte- 
ristisch fiir die genannten Familien (Gerrhosauridae, Lacertidae, 
Tejidae) verhalten sich: Der M. cucullaris + sterno-episterno-cleido- 
mastoideus, bei dem die Membrana sterno-episternalis mehr und 
mehr in den Vordergrund tritt; das Lig. sterno-scapulare internum, 
dessen Verband mit der coracoidalen Ecke sich mehr und mehr 
entwickelt; der M. pectoralis, dessen Ursprung auf den medialen 
Bereich des episternalen Querschenkels (nicht bei Ameiva) iiber- 
ereift; die beginnende Verkiirzung des M. coraco-brachialis brevis; 
der proximale Bauch des Biceps, der bei den Scincidae und 
Gerrhosauridae noch rein muskulés ist, bei den Lacertidae und 
Ameiva in beginnender Degeneration sich befindet und zum kleineren 
Teile durch Ursprungssehne ersetzt wird; die hohe Entwickelung 
des M. latissimus dorsi; der ausgiebig zweiképfige Ursprung des 
M. scapulo-humeralis anterior; das Ueberwiegen der Pars coraco- 
scapularis tiber die Pars scapularis des M. subcoracoscapularis; die 
bessere Entfaltung des Lig. scapulo-humerale laterale und der 
zunehmend, aber immer noch mafig entwickelte Verband der Ur- 
sprungssehne des Anconaeus coracoideus mit der coracoidalen 
Ankerung des Lig. sterno-scapulare internum. 

Zonurus teilt die Mehrzahl der Charaktere mit den vier 
erwahnten leptoglossen Familien, zeigt aber namentlich in -dem 
Verhalten des M. cucullaris +- sterno-episterno-cleido-mastoideus, 
des Lig. sterno-scapulare internum, des M. pectoralis (vergréferter 
episternaler Ursprung), des M. latissimus dorsi gewisse Ziige, 
durch die er sich abseits von ihnen und zum Teil auch héher 
stellt. Eine rationelle Vergleichung mit den Anguidae, Xeno- 
sauridae und Iguanidae war durch Mangel an Material verboten. 

Heloderma wird — auf Grund der von SHUFELDT ge- 
gebenen Beschreibung; eigene Untersuchungen fehlen aus Mangel 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 583 


an Material — charakterisiert durch die Scheidung der Mm. 
cucullaris und sterno-episterno-cleido-mastoideus (episterno-masto- 
ideus), durch den ausgedehnten sternocostalen Ursprung des M. 
sternocosto-scapularis, durch das Uebergreifen des Ursprunges des 
M. pectoralis auf die Clavicula, durch den rein sehnigen Anfang 
des M. biceps brachii, durch den ausgedehnten Ursprung des M. 
deltoides clavicularis von dem Episternum, durch die Verbindung 
des Anconaeus coracoideus mit dem Insertionsteil des M. latis- 
simus dorsi — Charaktere, welche ihm teils eine besondere (zum 
Teil zu der besonderen Konfiguration des Episternum in Kor- 
relation stehende) Position, teils eine héhere Stellung als den vor- 
genannten Lacertilier- Familien anweisen. Neben der eigenen 
Untersuchung von Heloderma wurde auch diejenige eines mit gut 
entwickelten Extremitiiten versehenen Vertreters der Anguidae 
sehr vermiBt. 

Fiir die wirkliche Kenntnis der Verhaltnisse bei den gerade 
hinsichtlich der vorliegenden Muskeln recht vielgestaltigen Igua- 
nidae (inkl. Anolidae) und Agamidae reichen die bisherigen 
Untersuchungen an so wenigen, zum Teil auch aberranten Ver- 
tretern bei weitem nicht aus. Doch ergeben sich markante Dif- 
ferenzen von den mit kreuzformigem Episternum und medial ver- 
breiterter und gefensterter Clavicula versehenen Lacertiliern. 
Weiterhin zeigte sich, da beide Familien Vertreter aufweisen, 
deren Muskulatur teils einen mittleren (Iguana, Uromastix, Lio- 
lepis), teils einen héheren Rang (Phrynosoma, Chlamydosaurus, 
Calotes) in der Differenzierung bekunden. Die mit mabiger Sonde- 
rung beginnende und zur vollkommenen Trennung und Entfernung 
durchgefiihrte Scheidung der Mm. cucullaris und sterno-episterno- 
cleido-mastoideus; die in zunehmendem Mae ausgebildete Ent- 
wickelung der coracoidalen Ankerung des Lig. sterno-scapulare 
internum; das bald nicht, bald successive zunehmende Uebergreifen 
des pectoralen Ursprunges auf die Clavicula; die partielle Ver- 
bindung des Anfanges des M. coraco-brachialis longus mit der 
coracoidalen Ankerung des Lig. sterno-scapulare internum; das 
Verhalten des M. biceps brachii, der bei Uromastix und Liolepis 
etwa zu gleichen Teilen muskulés und sehnig entspringt, bei 
Phrynosoma einen bald mafig, bald gar nicht entwickelten fleischigen 
Ursprung zeigt (waihrend der sehnige speciellere Sonderungen auf- 
weisen kann), bei Iguana, Agama stellio und Calotes rein sehnig 


beginnt; die gegenseitigen Beziehungen der Mm. dorsalis scapulae 
Bd. XXXIV. N. F. XXVII, 38 


584 Max Firbringer, 


und deltoides clavicularis, die bei Iguana und Uromastix noch in 
mivigem Grade gesondert, bei Phrynosoma und Calotes ganz und 
gar geschieden und in ihren Insertionen in hohem Grade ver- 
schoben sind (wozu bei Phrynosoma und Calotes noch eine weitere 
Sonderung des M. dorsalis scapulae, bei Calotes ein weit auf das 
Episternum iibergreifender Ursprung des M. deltoides clavicularis 
kommt); die hohe Entwickelung, zum Teil (besonders bei Calotes) 
auch Verdoppelung des scapularen Ursprunges des M. anconaeus 
scapularis und die besondere Gestaltung seiner humeralen Anke- 
rung (die bei Phrynosoma auch einem Teile des Muskelbauches 
des Anconaeus scapularis als Ursprung dient); die hohe Entfaltung 
des Verbandes der Ursprungssehne des Anconaeus coracoideus mit 
dem Lig. sterno-scapulare internum (wozu bei Phrynosoma noch 
der Verband mit dem M. latissimus und die sekundére Heraus- 
differenzierung eines kleinen Muskelbauches des Anconaeus coraco- 
ideus kommt) — alle diese Befunde ergeben eine Differenzierung, 
welche die tiefer stehenden Iguanidae und Agamidae den héchsten 
der bisher besprochenen Familien gleichstellt, die hdher entwickelten 
aber mehr oder minder weit iiber deren Niveau erhebt. Dabei er- 
geben sich bei dieser oder jener Form progressive Differenzierungen 
und aberrante Charaktere (vergl. hinsichtlich des Details die Unter- 
suchungen von 1875, p. 693—744 und die vorliegende speciellere 
Muskelbeschreibung p. 398—443), welche die Iguanidae und 
Agamidae, wie schon deren Skelettsystem bekundete, als ausgebildete 
Specialisten unter den kionokranen Lacertiliern erkennen lassen. 
Markante Differential-Charaktere zwischen beiden Familien konnten 
nicht aufgefunden werden; ob die grofe Aehnlichkeit der beider- 
seitigen Stadien Parallelitit oder nihere Verwandtschaft bedeutet, 
kann erst nach ausgedehnteren Untersuchungen entschieden werden. 
Auf Grund der vorliegenden bin ich der Annahme naher genetischer 
Beziehungen zugeneigt. 

Eine durchaus selbstiindige Stellung unter den kionokranen 
Lacertiliern, namentlich gegeniiber den Geckonidae, nimmt Uro- 
plates auch in seinen Muskelverhiltnissen ein, damit zugleich 
auf diesem Gebiete die Richtigkeit der von BOULENGER vollzogenen 
Abtrennung von den Geckonidae und die bereits bei dem Skelett- 
system hervorgehobenen Differenzen bestatigend. Einige Aehn- 
lichkeiten mit den Geckonidae sind vorhanden: Mangel des M. 
sternocosto-scapularis, sehr schwache Entwickelung des Lig. sterno- 
scapulare internum, Verhalten des M. scapulo-humeralis anterior 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 585 


zu dem benachbarten M. supracoracoideus, Ursprung des M. dor- 
salis scapulae von dem Ende der Clavicula; dieselben sind aber 
von wenig specifischer (qualitativer) Bedeutung, und die gleiche 
oder selbst gréfere Anzahl von Uebereinstimmungen kann fiir be- 
liebige andere Lacertilier- Familien zusammengestellt werden. 
Ihnen tritt eine iiberwaltigende Fille von ausgepragten Differenzen 
zu den Geckonidae gegeniiber: Zerfall und Sonderung der Mm. 
cucullaris und sterno-cleido-mastoideus **); Ursprung des M. ser- 
ratus superficialis von 4 Rippen und ausgedehnte Insertion des- 
selben an der knéchernen Scapula; Uebergangspartie zwischen 
den Mm. serrati superficialis und profundus *; sehr ausgeprigter 
Ursprung des M. pectoralis von Sternocostalleisten * und Aufgabe 
des episternalen Ursprunges *; Zerfall des M. supracoracoideus, 
Kiirze des M. coraco-brachialis brevis *; Schlankheit und sehnige 
Insertion des M. coraco-brachialis longus *; rein sehniger Ursprung 
des M. biceps * und Umfassung seiner Ursprungssehne beim Pas- 
sieren iiber die Fossa bicipitalis humeri durch die Insertionssehne 
und Ankerung des M. pectoralis *; ausgedehnter costaler Ur- 
sprung des M. latissimus dorsi *; scharfe Scheidung der Mm. 
dorsalis scapulae und deltoides clavicularis * und weites gegen- 
seitiges Uebergreifen ihrer Insertionen *; abweichendes Verhalten 
des clavicularen Ursprunges des M. deltoides clavicularis; speciellere 
Anordnung der humeralen Ankerung des M. anconaeus scapularis *, 
vollige Reduktion des Anconaeus coracoideus *; schwache Ent- 
faltung des gesamten M. anconaeus *; Gestalt der Patella ulnaris *, 
— Differenzen, durch welche sich Uroplates weitab von den 
Geckonidae stellt und zugleich trotz des primitiv gebliebenen 
Zustandes seiner Wirbelsiule zu den h6her stehenden Lacer- 
tiliern rechnen la8t. Und damit verbindet sich zugleich fiir die 
meisten — mit * markierten — Merkmale eine so auffallende 
Aehnlichkeit resp. Uebereinstimmung’?) mit den entsprechenden 
Verhiltnissen der Chamaeleontidae, daf hier nicht mit blofen 
Parallelitaten oder Konvergenzerscheinungen, sondern mit einem 
wirklichen nahen genetischen Zusammenhange zu rechnen 
ist. Ganz durchgreifend ist diese Uebereinstimmung nicht; ver- 


1) In den mit Stern markierten Punkten niahert sich Uroplates 
zugleich den Chamaeleontidae. 

2) Auch der Uroplates mit den Chamaeleontidae und Geckonidae 
gemeinsame Mangel des M. sternocosto-scapularis kann noch bei- 
gefiigt werden. 


38 * 


586 Max Firbringer, 


einzelte abweichende Verhaltnisse in der Anwesenheit oder Ab- 
wesenheit der Mm. sterno-coracoidei interni superficialis und pro- 
fundus, in dem (bei Uroplates um den Vorderrand des Coracoides 
nach der Innenfliche desselben herumgreifenden, bei den Chamaeleon- 
tidae durch den mit Reduktion der Clavicula auf den Vorderrand 
des Coracoides iibergewanderten Ursprung des M. deltoides inferior 
von diesem getrennten) Ursprunge des M. supracoracoideus und 
in der Ausbildung des (bei Uroplates gut entwickelten und ober- 
flachlich von dem M. supracoracoideus liegenden, bei den Chamae- 
leontidae auf den Hinterrand der Scapula retrahierten und von dem 
M. supracoracoideus gedeckten) M. scapulo-humeralis anterior 
zeigen, daf Uroplates immerhin etwas von der von den Chamae- 
leontidae durchlaufenen Bahn abgewichen ist. Doch sind diese 
Differenzen vorwiegend nur gradueller Natur, wohl geeignet, um 
— abgesehen von wichtigeren Differenzen auf anderen Gebieten — 
eine Vereinigung der Uroplatidae mit den Chamaeleontidae zu 
verbieten (denn erstere stehen noch vollig im Bereiche der kiono- 
kranen Lacertilier), aber nicht derartig, um Zweifel an der durch 
die Uebereinstimmungen bewiesenen gemeinsamen genealogischen 
Wurzel zu erwecken. 

Endlich die Varanidae. Deutlicher noch als die betretfenden 
Skelet- und Nervenverhaltnisse zeigt die Muskulatur prignante 
Besonderheiten gegeniiber den anderen kionokranen Lacertiliern. 
Ueber die Stellung der Helodermatidae zu ihnen kann ich auf 
Grund eigener Beobachtungen nichts aussagen. Das, was SHUFELDT 
iiber die betreffende Muskulatur von Heloderma und namentlich 
iiber die Wurzeln des Plexus brachialis dieses Tieres mitteilt, ist 
einer Verwandtschaft beider nicht giinstig; doch sind dessen be- 
ziigliche Untersuchungen mit Riicksicht auf diese Frage keine er- 
schépfenden. Die Differenzen, welche die Muskulatur von Varanus 
gegeniiber allen anderen von mir untersuchten kionokranen Lacer- 
tiliern darbietet (insbesondere die den M. pectoralis deckende 
episternale Insertion des M. episterno-cleido-mastoideus, der von 
6 Halswirbeln kommende Ursprung und die eigentiimliche Insertion 
des M. levator scapulae superficialis, der Mangel der oberflich- 
lichen Schicht des M. levator scapulae et serratus profundus und 
die Umbildung der tiefen Schicht dieses Muskels, die sehr kriif- 
tige und eigenartige Ausbildung der Mm. sterno-coracoidei interni, 
das Vikariieren des M. supracoracoideus fiir einen Teil des M. 
coraco-brachialis brevis und die damit zusammenhingende par- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 587 


tielle Deckung des ersteren durch den M. biceps brachii) ver- 
binden sich mit einzelnen Ziigen seiner Muskulatur, welche als 
primitive oder miiSig hohe anzusehen sind (Verhalten der Mm. 
dorsalis scapulae und deltoides clavicularis, muskulés-sehniger 
Ursprung des M. biceps brachii, wobei der muskulése Teil etwas 
gegen den sehnigen zuriicktritt), und mit einer etwas gréfSeren 
Anzahl solcher, welche eine hohere Differenzierung bekunden 
(Riickbildung des M. sternocosto-scapularis, hohe Ausbildung des 
Lig. sterno-scapulare internum, ausgedehnter Ursprung des M. pe- 
ctoralis am Querschenkel des Episternum, Kleinheit des M. coraco- 
brachialis brevis, ausgebreiteter episternaler Ursprung des M. del- 
toides clavicularis, Vereinfachung des M. subscapularis externus, 
eigenartige an Phrynosoma etwas anklingende Differenzierung des 
Anconaeus coracoideus). Die Beurteilung aller dieser Kigentiimlich- 
keiten weist den Varanidae eine hohe und isolierte Stel- 
lung unter den kionokranen Lacertiliern an; gewisse Besonder- 
heiten sind so eigenartig, da sie bei keinem anderen Lacertilier 
und auch bei Sphenodon sich nicht wiederfinden, wihrend in ein- 
zelnen Differenzierungsrichtungen (M. cucullaris, M. levator sca- 
pulae) ein Weg eingeschlagen erscheint, der etwas an die von den 
Crocodiliern in hoéherer Vervollkommnung ausgebildeten Verhalt- 
nisse erinnert. Es erscheint nicht zulassig, daraufhin die Varanidae 
von den kionokranen Lacertiliern abzutrennen und zwischen die- 
selben und die Crocodilier zu stellen, aber wohl gestatten diese 
Verhaltnisse, sie innerhalb der kionokranen Lacertilier zum Range 
einer héheren Abteilung (Subordo) zu erheben. 


Ueber die systematische Bedeutung der betreffenden Mus- 
kulatur der Amphisbaenier werden, wie schon oben (p. 444) 
betont, mangels des dafiir nétigen Materiales (namentlich Chiro- 
tidae) keine Untersuchungen mitgeteilt. 


2. Chamaeleontia. 


Gegeniiber den bei den kionokranen Lacertiliern (exkl. Uroplates) 
beobachteten Verhaltnissen gewaihrt die Muskulatur der Schulter 
und des proximalen Teiles der vorderen Extremitat der Chamae- 
leontia (Schultermuskeln, III, 1875, p. 746—767; diese Abhandlung 
p. 445—459) ein besonderes Geprige, welches — zusammen mit 
anderen Merkmalen — das Recht giebt, diese Lacertilier als be- 


588 Max Fiirbringer, 


sondere Unterordnung von den kionokranen Lacertiliern abzutrennen. 
Diese Besonderheiten der Muskulatur, die indessen der Ankniipf- 
ungen an die kionokranen Lacertilier nicht entbehren, sind unter 
anderem: die eigenartige Sonderung der Mm. cucullaris und sterno- 
mastoideus, mit der sich eine hochgradige Riickbildung des M. 
cucullaris verbindet; die Insertion des M. serratus superficialis an 
der knéchernen Scapula und die innige Beziehung dieses Muskels 
zu dem M. serratus profundus; die Reduktion des M. sterno-cora- 
coideus internus superficialis; die Beschrinkung des Ursprunges 
des M. pectoralis auf das Sternum und die Sternocostalien, wobei 
die von letzteren kommende Partie sich von besonderer Differen- 
zierung und Starke erweist; die Ausbreitung des M. supracora- 
coideus auf das scapulare Gebiet (M. supracoracoscapularis); die 
extreme Verkiirzung des M. coraco-brachialis brevis; die Um- 
fassung der schlanken Ursprungssehne des M. biceps brachii durch 
die Insertion und Ankerung des M. pectoralis; der namentlich an 
der 3. und 4. Rippe stattfindende Ursprung des M. latissimus 
dorsi; die weitgehende proximale Trennung und Entfernung der 
Mm. dorsalis scapulae und deltoides inferior, sowie die mit der 
volligen Reduktion der Clavicula und des Episternum zusammen- 
hangende Ueberwanderung des Ursprunges des M. deltoides inferior 
auf Sternum und Vorderrand des Coracoides; die betrichtliche 
Retraktion und Reduktion des M. scapulo-humeralis anterior und 
Seine von dem M. supracoracoscapularis bedeckte Lage; die Re- 
duktion des M. subscapularis externus; der eigenartige zweiképfige 
Ursprung des M. anconaeus scapularis von der Scapula und die 
Verbindung der humeralen Ankerung mit dem tiefen Kopfe; die 
vollige Riickbildung des Anconaeus coracoideus; die schwache Ge- 
staltung der am Oberarm befindlichen Muskulatur (besonders bei 
Brookesia). 

Mit einigen dieser Differenzierungen (Riickbildung des M. 
sterno-coracoideus internus superficialis, Ausbildung eines M. supra- 
coracoscapularis, weitgehende proximale Trennung der Mm. dor- 
salis scapulae und deltoides inferior, Ursprung des M. deltoides 
inferior vom Coracoid und Sternum, Retraktion des M. scapulo- 
humeralis anterior auf den hinteren Rand des Schultergiirtels) 
stehen die Chamaeleontia allen untersuchten kionokranen Lacer- 
tiliern ohne Ausnahme gegeniiber; weitaus die meisten Besonder- 
heiten teilen sie mit den Uroplatidae (p. 585 f.), so daf diese, wie 
schon oben erwihnt, als tiefer stehende, kionokrane Verwandte der 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 589 


zu hoherer einseitiger Entwickelung gelangten Chamaeleontia 
anzusprechen sind. 


3. Sphenodon (Rhynchocephalia). 


Die weitaus zahlreichsten Charaktere der Muskulatur der 
Schulter und des proximalen Bereiches der vorderen Extremitat teilt 
Sphenodon (diese Abhandlung p. 462—500) mit den kionokranen 
Lacertiliern, und unter diesen sind es wieder die mit T-formigem 
Episternum und schlanker Clavicula versehenen Formen, insbe- 
sondere die Agamidae, welche vielfache Uebereinstimmungen mit 
Sphenodon bekunden. Es ist daher sehr wohl erklarlich, da (ab- 
gesehen von anderen ahnliche systematische Resultate vertretenden 
Autoren) neuerdings auch Osawa (1898), der unter anderen diese 
Muskeln untersucht’ hat, zu dem Schlusse kam, Sphenodon den 
Lacertiliern einzureihen und als ein den Agamidae angehdriges 
oder wenigstens ihnen nahe stehendes Reptil zu bezeichnen. 

Die genauere Betrachtung der in Frage kommenden Musku- 
latur von Sphenodon zeigt aber, daf dieselbe gegeniiber allen 
Lacertiliern gewisse Besonderheiten (Beschrankung der 
Insertion des M. cucullaris + cleido-mastoideus auf Acromion und 
Clavicula; ausgebreiteter parasternaler Ursprung des M. pectoralis ; 
ausgedehnter und die Membrana sterno-episternalis deckender Ur- 
sprung des M. deltoides clavicularis von dem Episternum; Koexistenz 
der Mm. scapulo-humeralis anterior und posterior; eigenartige Ent- 
wickelung des Lig. scapulo-humerale laterale, welches nach vorn 
bis zum Acromion sich erstreckt und an seinem humeralen Ende 
dem M. supracoracoideus zu einem grofen Teile als Insertions- 
fliche und dem M. humero-radialis ganz vorwiegend als Ursprungs- 
stelle dient; Existenz des diploneuren, den Lacertiliern fehlenden 
M. humero-radialis) darbieten, die zwar nicht an Zahl, um so 
mehr aber an qualitativer Bedeutung hervortreten. 

Die mit den kionokranen Lacertiliern itiberein- 
stimmenden Charaktere teilt Sphenodon einerseits mit den 
primitiveren Formen derselben (allgemeines Verhalten des M. 
cucullaris + cleido-mastoideus; muskuléser Ursprung des M. biceps 
brachii; Ursprungsverhaltnisse des gut entwickelten Anconaeus 
coracoideus), andererseits mit ihren mafig hoch entwickelten 
Vertretern (Verhalten des Lig. sterno-scapulare internum; M. latis- 
simus dorsi; M. dorsalis scapulae) und wieder andererseits mit 


590 Max Firbringer, 


den héchsten kionokranen Lacertiliern (Grad der Ausbildung 
der Membrana sterno-episternalis; Mm. sterno-coracoidei interni ; 
ausgedehnter episternaler Ursprung des M. pectoralis; hohe Dif- 
ferenzierung des M. scapulo-humeralis anterior; partielle Reduktion 
der Pars scapularis m. subcoracoscapularis; Verhalten des M. an- 
conaeus scapularis)'). Weiterhin gewahren gewisse Differen- 
zierungen des M. serratus superficialis und M. levator scapulae et 
serratus profundus, sowie die Existenz des M. scapulo-humeralis 
posterior und M. humero-radialis unverkennbare Anklange an 
die entsprechenden Bildungen bei den Crocodiliern. Endlich 
sei auf die (nur einmal gefundene) erste Ausbildung eines Caput 
breve m. bicipitis brachii (p. 478) hingewiesen ’”). 

Die in Frage kommende Muskulatur von Sphenodon zeigt 
somit zahlreiche Uebereinstimmungen mit den kionokranen Lacer- 
tiliern, vereinzelte mit den Crocodiliern, zugleich aber eindrucks- 
volle Ziige, welche sich nicht mit dem Lacertilier-Typus vereinigen 
lassen und dem vorliegenden Rhynchocephalier eine besondere 
Stellung anweisen. Sphenodon, als lebender Vertreter der Rhyncho- 
cephalier, steht auf Grund der vorliegenden muskulésen Bildungen 
auferhalb der Ordnung der Lacertilier, derselben aber viel mehr 
genihert als der Ordnung der Crocodilier. AuSerdem aber zeigt die 
besprochene Muskulatur, dai Sphenodon auf diesem Organgebiete 
durchaus nicht ein rein oder tiberwiegend primitives Verhalten 
darbietet, sondern daf sich. mit primitiven Ziigen ein gréferes 
Plus sekundarer, mittelhoch oder hoch differenzierter Gebilde 
mengt, welches ihn hoher stellen laSt als die primitiveren Familien 
unter den kionokranen Lacertiliern. 

Wie weit sich Sphenodon in diesem Stiicke den kionokranen 
Lacertiliern nahert oder von ihnen entfernt, hangt von der quali- 
tativen und quantitativen Bedeutung der oben angegebenen Dif- 
ferentialmerkmale ab. Daf er einige Bildungen darbietet, welche 


1) Auch die oben erwahnten, jenseits des Bereiches der Lacer- 
tilier stehenden Bildungen des M. deltoides clavicularis (namentlich 
im Verhalten zu der Membrana sterno-episternalis), sowie des Lig. 
scapulo-humerale laterale sind nicht als etwas Primitives, sondern 
als héhere Differenzierungen zu beurteilen. 

2) Bekanntlich erst bei den Saugetieren in allgemeinerer Ver- 
breitung ausgebildet. Selbstverstiindlich denke ich aber nicht daran, 
in dieser an sich interessanten Parallelerscheinung bei Sphenodon 
einen direkten Vorlaufer der betreffenden mammalen Differenzierung 
zu erblicken. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 591 


jenen abgehen, somit eines gréferen Reichtumes in seinem Muskel- 
system sich erfreut, kann an sich als primitives, Ausgang gebendes 
Merkmal aufgefaSt werden; doch ist es nétig,; damit zu rechnen, 
da diese Muskelbildungen zum Teil auch auf spateren, wahrend 
der weiteren Entwickelungsphasen der Rhynchocephalier-Ordnung 
erworbenen Differenzierungen beruhen kénnen: 

1) Ob der parasternale Ursprung des M. pectoralis 
von Sphenodon eine absolute oder relative Differenz gegentiber 
den Lacertiliern darstelle, hangt zusammen mit der Entscheidung, 
ob die Vorfahren der Lacertilier dereinst parasternale Gebilde 
besafien oder nicht. War dies der Fall, so wiegt dieses Differential- 
merkmal nicht so schwer, wie es auf den ersten Blick scheint. 
Wie schon im Vorhergehenden (p. 561 f.) erwaihnt, kann aber bei 
der Unvollkommenheit der jetzigen Materialien tiber die eventuelle 
einstmalige Existenz eines Parasternum bei den Vorfahren der 
jetzigen Lacertilier zur Zeit keine sichere Entscheidung gegeben 
werden. Ganz abgesehen von der allgemeinen Erfahrung, daf das 
Parasternum ein bei den héheren Typen verschiedener Sauropsiden- 
Ordnungen in Schwund tretendes Gebilde ist, konnten auch fiir 
die Lacertilier im speciellen gewisse Wahrscheinlichkeitsgriinde 
fiir eine einstmalige Existenz bei den friihesten Vorfahren der- 
selben angefiihrt werden, und unter diesen wurde namentlich auch 
auf das besondere Verhalten des M. rectus lateralis der Lacertilier 
hingewiesen. Es besteht somit die Mdéglichkeit, selbst Wahr- 
scheinlichkeit, da dereinst auch der M. pectoralis der friihesten 
Vorfahren der Lacertilier zum Teil mit parasternalen Bildungen 
in Zusammenhang stand, da8 aber dieser Verband frithzeitig in 
vollkommene Riickbildung und damit zu dem Verhalten der Rhyn- 
chocephalier in recht scharfen Gegensatz trat. 

2) Der sehr ausgedehnte episternale Ursprung des 
M. deltoides clavicularis von Sphenodon steht nicht unver- 
mittelt da, weil auch bei Lacertiliern dieser Muskel in geringer 
Ausdehnung auf das Episternum iibergreifen kann; etwas sehr 
Abweichendes ergiebt aber die Bedeckung der Membrana 
sterno-episternalis durch diesen episternalen Teil des M. 
deltoides, denn bei den kionckranen Lacertiliern befindet sich die 
sternale Insertion des M. sterno-episterno-cleido-mastoideus und 
die mit ihr in genetischem Konnexe stehende Membrana sterno- 
episternalis oberflachlich vom M. deltoides clavicularis. Hier liegt 
bei Sphenodon eine lange, woh] an primitive Zustinde der Lacer- 


592 Max Fiirbringer, 


tilier ankniipfende, aber eine sehr abweichende Richtung ein- 
schlagende und zu sehr heterogenem Endziele gelangte Ent- 
wickelungsbahn yor. 


3) Durch die Koéxistenz der beiden Mm. scapulo- 
humerales (p. 486 f.) stellt sich Sphenodon einerseits allen 
Lacertiliern (die nur einen M. scapulo-humeralis anterior haben), 
andererseits den Crocodiliern (die nur den M. scapulo-humeralis 
posterior aufweisen) gegeniiber, wahrend er diesen doppelten Besitz 
mit den Végeln teilt. Ich erblicke darin ein primitives Moment, 
das auch bei den Amphibien nicht ohne Parallele ist. 


4) Die Entwickelung des Lig. scapulo-humerale laterale zu 
einem formlichen Lig. acromio-humerale (p. 492), das mit 
seinem humeralen Ende dem M. supracoracoideus Insertion, dem M. 
humero-radialis Ursprung gewahrt, lift sich von lacertilierartigen 
Verhialtnissen ableiten, steht aber im Grade seiner Ausbildung 
nicht allein hoch tiber diesen, sondern prasentiert sich auch in 
einer Eigenart, welche unter den bekannten Formen keine Ver- 
mittelung darbietet und Sphenodon ein in dieser Hinsicht ganz 
singulares Geprige verleiht. 


5) Endlich reprasentiert der M. humero-radialis (p. 495 f.) 
ein ganz besonderes Gebilde von Sphenodon, fiir welches die Cro- 
codilier und Végel partielle Homologe, die Lacertilier aber nichts 
irgendwie Vergleichbares darbieten. Bei dem eigentiimlich kom- 
plexen, diploneuren Charakter dieses Muskels ist es nicht wahr- 
scheinlich, daf er eine uralte, generelle Bildung darstelle, die auch 
den Vorfahren der Lacertilier zukam und spiter bei ihnen in 
Schwund trat; im Gegenteil ist eine gréfere Wahrscheinlichkeit 
dafiir vorhanden, daf die Lacertilier niemals etwas derartiges 
besaBen, daf somit auch dieser Muskel eine praignante Differenz 
von Sphenodon gegentiber den Lacertiliern bekundet. 


Mag somit auch hinsichtlich des einen oder des anderen 
Faktors bei genauerer Betrachtung die Scharfe des Gegensatzes 
sich mildern, die Summe der Faktoren gentigt jedenfalls, um Sp he - 
nodon auferhalb des Bereiches der Lacertilier, wenn 
auch in ihre Nahe, zu stellen und seine Differenzierung 
nicht einseitig als eine primitive und allgemeine, sondern viel- 
mehr als ein Gemisch primarer, genereller Ziige mit 
sekundadren, specialisierten zu betrachten. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 593 


4, Chelonier. 


In hohem Grade abweichend von den Verhaltnissen bei den 
Lacertiliern und bei Sphenodon verhalt sich die Schulter- und 
Oberarm - Muskulatur der Chelonier (Schultermuskeln, II, 1874 
p. 239—276); infolge der eigenartigen Ausbildung des Riicken- 
und Bauchschildes ist sie zugleich in ihren zu einem grofen Teile 
auf diese Schilder tibertragenen Urspriingen so specifisch und 
weitgehend umgebildet, daf} es nicht leicht fallt, das urspriingliche 
Gesicht dieser Muskulatur, wie es sich bei den primitiven atheken 
Vorfahren‘) der Chelonier gezeigt haben mag, herauszuliésen. 
Was nach Abzug dieser speciellen Anpassungen tibrig bleibt, be- 
kundet ein Gemisch primitiver Verhaltnisse und hoherer Ditfe- 
renzierungen, von denen aber die letzteren wesentlich iiber- 
wiegen. In Summa darf man den betreffenden Bildungen der 
Chelonier unbeschadet gewisser primordialer Ziige eine erheblich 
hohere Entwickelungsstufe anweisen als den Lacertiliern und als 
Sphenodon. 


Die mit der Bildung des Riicken- und Bauchschildes 
zusammenhangenden besonderen Differenzierungen betreffen 
vornehmlich: die Mm. cucullaris und episterno-mastoideus, die 
zum M. testo-scapulo-procoracoideus und zum M. capiti-pla- 
stralis umgebildet wurden; den M. costo-coracoideus, der sich in 
eigentiimlicher Weise zum M. testo-coracoideus umgestaltete; den 
M. pectoralis, der seine sternalen und costalen Urspriinge ginzlich 
verlor und die an dem hinteren Bereiche des Episternum und an 
dem Parasternum stattfindenden zu einem breiten Anfange vom 
Plastron ausbildete; den M. latissimus dorsi, der seine Urspriinge 


1) Die jetzt lebenden Atheca (Sphargidae mit Dermochelys 
coriacea) sind keine primordialen Atheca, sondern sind zu ihrem 
scheinbar primitiven Verhalten sehr wahrscheinlich zu einem guten 
Teile durch sekundare Riickbildungen des bei ihren Vorfahren 
vermutlich besser ausgebildeten Riicken- und Bauchschildes ge- 
kommen. Zahlreiche Besonderheiten im Skelettbau und in der An- 
ordnung der Muskulatur bezeugen teilweise eine hodhere Stellung 
der Sphargidae, als es nach der geringen Entwickelung ihres 
Panzers aussieht, und mancherlei Beriihrungspunkte bekunden nicht 
zu ferne verwandtschaftliche Beziehungen zu den cryptodiren Che- 
lonidae. 


594 Max Firbringer, 


nicht auf die Wirbeldornen, sondern auf die Rippen lokalisierte 
und damit unter weiteren Umbildungen und Reduktionen auf den 
Anfang des Riickenscheidels verlegte; sowie endlich den M. delto- 
ides clavicularis, dessen dereinstiger clavicularer Ursprung auf 
den Anfang des Plastron, ungefahr da, wo Clavicula und Epister- 
num sich befinden, sowie auf das Procoracoid sich itbertrug 
(M. scapulo-procoraco-plastro-humeralis). | Namentlich fiir das 
Verstiindnis der Urspriinge der beiden letzten Muskeln gewahren 
die Verhiiltnisse bei den Chamaeleontia einzelne instruktive 
Parallelen; selbstverstandlich liegt es mir aber in jeder Hinsicht 
eiinzlich fern, irgend welche niheren Beziehungen zwischen den 
beiden durchaus heterogenen und divergenten Typen anzunehmen, 
sondern ich will durch die Heranzichung der Chamaeleontia nur 
die Ueberwanderung und Lokalisierung der urspriinglichen spinalen 
und clavicularen Urspriinge auf Rippen und Procoracoid demon- 
Strieren. 


Primitive Charaktere, aber nicht ganz rein, sondern mit 
sekundaren vermischt, zeigen: der M. pectoralis in seinem nicht 
weiter als bis auf den hinteren Langsschenkel des Episternum 
reichenden Ursprunge; der wenigstens bei gewissen Cheloniern 
(Trionyx) intimere Zusammenhang des M. supracoracoideus mit 
dem M. deltoides inferior (M. procoraco-plastro-humeralis); der 
M. biceps in seinem allenthalben muskulésen Anfange von dem 
Coracoid; die Mm. brachialis inferior und anconaeus in ihrer 
kraftigen, aber im ganzen einfachen Ausbildung. 


Diesen nicht zahlreichen primitiven Ziigen tritt eine tiber- 
wiegende Fille héherer und einseitiger Differen- 
zierungen gegeniiber, welche auch auf diesem Gebiete die Che- 
lonier als ausgebildete Specialisten charakterisicren: Der M. epi- 
sterno-cleido-mastoideus gewinnt nicht nur neue Anheftung an dem 
Plastron, sondern aberriert auch an die Fascie der Schulter (ver- 
mutlich infolge der Riickbildung und Ablésung der Clavicula von 
dem primaren Schultergiirtel); der M. cucullaris verliert in zu- 
nehmendem Mafe seine alten Urspriinge und bildet schlieSlich bei 
den hdheren Cheloniern eine zwischen Scapula und Procoracoid 
erstreckte, nur noch in ihrer Mitte muskulés gebliebene binde- 
gewebige Membran; das System der Mm. thoracici superiores 
(levator scapulae et serratus) befindet sich, in Korrelation zu der 
festeren Anheftung der Scapula am Riickenschilde, allenthalben 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 595 


im Zustande einer mehr oder minder weit vorgeschrittenen Riick- 
bildung; der M. supracoracoideus ist bei den meisten Cheloniern 
(exkl. Trionyx, wo nur ein leichter Spalt die beginnende Sonderung 
andeutet) in zwei erst an der Insertion zusammentretende Muskeln 
(M. supraprocoracoideus und M. supracoracoideus) zerfallen; der 
M. coraco-brachialis ist in seiner Insertion auf den proximalen 
Teil des Humerus beschriinkt, dabei aber in besonderer (zu den 
Verhaltnissen bei Anuren und Voégeln eine gewisse Parallele dar- 
bietender) Weise in einen M. coraco-brachialis brevis externus und 
M. cbr. brevis internus differenziert, wobei ersterer dem M. coraco- 
brachialis brevis der Lacertilier und Rhynchocephalier, letzterer 
dem M. coraco-brachialis longus derselben naher steht; der M. 
biceps brachii zeigt eigentiimliche Spaltungen und in weiterer ein- 
seitiger Entwickelung des Lacertus fibrosus weit am Vorderarme 
und selbst bis zur Hand hinabreichende Insertionen; der M. del- 
toides inferior hat, wie schon oben angegeben, infolge der Riick- 
bildung und Aufnahme der Clavicula in das Plastron seine Ur- 
sprungsverhaltnisse erheblich verandert; die Mm. scapulo-humerales 
sind gréftenteils geschwunden; dem M. subcoracoscapularis fehlt 
vollkommen der coracoidale Teil, dessen Ursprungsstelle von dem 
M. coraco-brachialis brevis internus eingenommen wird, wihrend der 
scapulare (M. subscapularis) eine sehr machtige, aber infolge der 
Verkiimmerung des M. serratus einheitliche Entwickelung ge- 
nommen hat. Bei der tiberwiegenden Mehrzahl dieser Differen- 
zierungen zeigt Trionyx primitivere Verhaltnisse, wihrend sich 
Sphargis, bei unverkennbaren Besonderheiten, mehr den héheren 
Cheloniern, insbesondere Chelone anschlieBt. 

Eine Ableitung der entsprechenden Muskeln der Lacertilier 
und Rhynchocephalier von denen der Chelonier ist véllig unméglich, 
wohl aber gelingt es, letztere auf die der beiden ersteren zuriick- 
zufiihren und damit zu begreifen. Nach den sehr tiefgreifenden 
Veranderungen ist anzunehmen, daf die Sonderung und Ausbildung 
der Chelonier bereits in sehr friiher Zeit statthatte ‘). 


1) Auch sei nicht unterlassen, auf die mancherlei Aehnlichkeiten 
mit anuren Bildungen hinzuweisen, welche mich 1873 und 1874 
veranlaften, die Behandlung der Schultermuskeln der Chelonier auf 
die der Anuren folgen und derjenigen der Lacertilier vorausgehen 
zu lassen. Ich méchte dieselben jetzt nicht mehr so hoch stellen 
wie damals und in der Hauptsache nur Parallelbildungen in ihnen 
erblicken, welche keine Verwandtschaft zwischen Anuren und Che- 


596 Max Firbringer, 


5. Crocodilier. 


Die Schulter- und Oberarmmuskeln der Crocodilier (Schulter- 
muskeln, II, 1875 p. 767—808; diese Abhandlung p. 500—519) 
weichen gleichfalls erheblich von denen der Lacertilier und Rhyncho- 
cephalier ab, doch ist ihr Typus lange nicht so abweichend und 
einseitig gestaltet wie der der Chelonier, so daf die Ankniipfungen 
an die Lacertilier und Rhynchocephalier sich ohne Schwierigkeit 
ergeben. Unter den ersteren kehren die Varanidae (p. 586 f.), 
ohne aus dem Verbande der Lacertilier herauszutreten, ihr Gesicht 
den Crocodiliern zu, und Sphenodon zeigt gleichfalls einige gemein- 
same Charaktere mit den Crocodiliern (p. 590), wenn er auch den 
Lacertiliern viel naher steht als diesen. 


Wesentliche Differentialmomente bieten dar: der ganz eigen- 
artig differenzierte M. sterno-mastoideus (M. atlanti-mastoideus 
und M. sterno-atlanticus); der allen anderen Reptilien abgehende, 
aber bei den Végeln in noch héherem Grade entwickelte M. rhom- 
boides; der M. costo-coracoideus, der mit keiner Bildung der 
Lacertilier und Rhynchocephalier einen direkten Vergleich ge- 
stattet, wihrend die Mm. sterno-coracoidei interni und sterno- 
costo-scapularis nebst dem Lig. sterno-scapulare internum der 
Lacertilier und Rhynchocephalier (die sich auch teilweise bei den 
Voégeln wiederfinden) den Crocodiliern géinzlich abgehen; der 
M. supracoracoideus (supracoracoscapularis), der in seinem Ueber- 
greifen auf die Innenseite des Coracoides und die Aufenflache der 
Scapula allerdings gewisse Parallelen mit dem Verhalten bei den 
Uroplatidae (Uebergreifen auf die Innenseite des Coracoides) und 
den Chamaeleontidae (Ausbreitung auf die Scapula) darbietet; der 
nur durch den Cbr. brevis reprasentierte kurze M. coraco-brachialis ; 
der nicht mehr von dem M. cucullaris bedeckte und recht re- 
duzierte M. latissimus dorsi; der zufolge der Riickbildung der Cla- 
vicula abweichende (aber etwas an die Verhiltnisse bei den Cha- 
maeleontidae erinnernde) Ursprungsverhiltnisse darbietende M. del- 
toides clavicularis (M. deltoides inferior); der Mangel des M. sca- 


loniern begriinden, aber immerhin zeigen, daf der bei den Amphibien 
von urodelen- zu anurenartigen Formen fiihrende Entwickelungs- 
weg auch innerhalb der Reptilien in der schlieflichen Ausbildung 
der primitivsten Vertreter derselben zu chelonierartigen Formen eine 
gewisse Parallele besitzt. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 597 


pulo-humeralis anterior und die Existenz des M. scapulo-humeralis 
posterior; die ginzliche Riickbildung der Pars coracoidea des 
M. subcoracoscapularis (M. subscapularis); die nach ganz anderem 
Typus erfolgte Ausbildung des M. anconaeus mit allen seinen 
K6épfen; die besondere Differenzierung des M. humero-radialis. 

Hier liegen Ditferenzierungen vor, die sich meistens weit tiber 
das Bildungsniveau bei den Lacertiliern und bei Sphenodon er- 
heben, zum Teil in ihren mutmaflichen Anfangen direkte An- 
kniipfungen an diese gestatten, zum Teil aber als Bildungen sui 
generis sich zu erkennen geben, fiir welche die bekannten Dif- 
ferenzierungen der lebenden Lacertilier und Rhynchocephalier nicht 
als ausganggebend angesehen werden kénnen. Die Wurzel der 
Crocodilicer kann somit auf Grund dieser muskulésen Differen- 
zierungen nicht direkt auf bekannte lebende Formen derselben zu- 
riickgefiihrt werden; sie ist aber auf etwas mehr generalisierte 
Muskelgebilde leicht zu beziehen. Solche mégen die Vorfahren der 
Lacertilier und Rhynchocephalier dargeboten haben; doch hat eine 
solche Konstruktion und Ableitung, weil ihr die thatsichlichen, 
direkt ad oculos zu demonstrierenden Unterlagen fehlen, nur die 
Bedeutung von Wahrscheinlichkeiten, aber nicht die Kraft reeller 
Beweise. 


D. Systematische und genealogische Schliisse’). 


I. Stellung der primitivsten Reptilien (Lacertilia 
und Rhynchocephalia), Abstammung der Sauropsiden. 


Die vorhergehenden Mitteilungen ergaben, daf die ihnen zu 
Grunde liegenden genauer untersuchten Skelet-, Muskel- nnd 


1) Der rein zusammenfassende Charakter dieser kurzen Mit- 
teilungen schlieSt jedes genauere Hingehen auf die Litteratur aus. 
Es sei zu diesem Zwecke namentlich auf die bekannten systema- 
tischen und genealogischen Werke von Owen, Corn, Baur, Marsu, Bou- 
LENGER, Zirrer, LypEKKerR, SEpLEY und HaxrcKen und die wenigstens 
mit den Jahreszahlen markierten sonstigen Verdffentlichungen in 
diesem Gebiete verwiesen. Der mit denselben vertraute oder in sie 
Einsicht nehmende Leser wird die Uebereinstimmungen und Ab- 
weichungen meiner Auffassung und Darstellung ohne weiteres er- 
kennen. 


598 Max Firbringer, 


Nervenverhaltnisse des Brustschulterapparates und der vorderen 
Extremitét bei den Ordnungen der Lacertilier und Rhyncho- 
cephalier die am meisten primitive Entwickelung unter 
den Sauropsiden bekunden. Dies wird auch durch die Resultate 
fremder und eigener Untersuchungen an zahlreichen anderen 
Teilen des Kérpers dieser Tiere bestitigt. 

Von den Rhynchocephaliern ist nur noch ein Reprasentant, 
Sphenodon, tibrig geblieben; um so gréfer ist der Reichtum und 
die Mannigfaltigkeit der noch mehr als 1600 lebende Vertreter 
zihlenden Lacertilier. 


Diese Mannigfaltigkeit ist auf den ersten Blick verwirrend 
und laf%t zuniachst leicht den Gedanken entstehen, daf hier ein 
Heer von recht divergenten Specialisten vorliege; bei sehr 
gattungs- und familienreichen Abteilungen fallen stets zuerst die 
Divergenzen auf, und erst die tiefer gehende Vergleichung aft 
das Gemeinsame erkennen. Diese zeigt hier, dafi alle diese ver- 
schiedenartigen und zum Teil sehr fein ausgearbeiteten Differen- 
zierungen — beispielsweise sei an die zahlreichen Fensterbildungen 
und die ungemein gracile Gestaltung vieler Skeletelemente') er- 
innert — keineswegs einen héheren Standpunkt bekunden, sondern 
sich vielmebr innerhalb relativ tieferer Entwickelungsstufen be- 
wegen und ungezwungen auf einen sehr primitiven Typus des 
Reptilienkérpers zuriickfiihren Jassen, welchem die tiefsten Vertreter 
der kionokranen Lacertilier (Geckonidae, danach die in mancher 
Hinsicht schon héher entwickelten Scincidae) recht nahe stehen. 


Der rhynchocephale Sphenodon giebt sich auch in der 
iiberwiegenden Summe seiner Merkmale als ein recht primitives 
Reptil von genereller Struktur und Erhaltung verschiedener, sehr 
alten fossilen Reptilien eigenthiimlicher Charaktere (die zum Teil 
von den Lacertiliern aufgegeben wurden) zu erkennen; andere 
Merkmale, am Kopf und. an den Extremititen, bekunden eine 
hohere und speciellere Differenzierung, als wir bei den primitiveren 
Formen der Lacertilier finden. Die gewissenhafte Abschitzung 
aller Instanzen wird ihn tiefer als die héheren Typen unter den 
Lacertiliern, aber héher als die tieferen Vertreter derselben stellen. 
Ganz besonders sei auf den Kieferstiel (Quadratum) hingewiesen, 


1) Fensterbildungen und gracile Gestaltungen dieses oder jenes 
Skeletteiles finden sich bereits bei Selachiern, ohne daf damit der 
primitiven Stellung dieser Vertebraten Eintrag geschieht. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 599 


dessen streptostyles Verhalten bei den Lacertiliern gegentiber dem 
monimostylen bei Sphenodon ein primitiveres Merkmal bildet'). 

Die Beurteilung der systematischen und genealogischen Stellung 
der Lacertilier und Rhynchocephalier innerhalb des Sauropsiden- 
stammes ist aber selbstverstindlich ohne Kenntnis der palionto- 
logischen Geschichte derselben unvollstandig. 


1) Das primordiale Verhalten der Streptostylie beweist auch 
der M. spheno-pterygoquadratus (partielles Homologon des M. levator 
maxillae superioris Verrer der Selachier und des M. tensor veli 
palatini der menschlichen Anatomie) der Lacertilier (Tensor tym- 
pani Sanpers) und Végel (zum Teil dem Orbito-quadratus Gapow’s 
entsprechend), der hier einen ansehnlichen, in der Hauptsache am 
Pterygoid, aber bei gewissen Lacertiliern (Hemidactylus, Gehyra, 
Varanus) und Végeln auch am Quadratum inserierenden Muskel 
reprasentiert, bei Sphenodon sehr reduziert, aber auch zum Teil 
noch zum Quadratum verfolgbar ist. Die Annahme einer der 
Streptostylie vorausgehenden Monimostylie bei allen diesen Tieren 
wiirde die Existenz dieses Muskels und seiner Insertion am Qua- 
dratum nicht recht verstiindlich machen. —- Von anderer Seite 
(Atprecut, Cope u. A.) ist die gelenkige Verbindung des Quadratum 
mit dem Schiidel aus der unbeweglichem Vereinigung beider Teile 
abgeleitet worden. Das diirfte eine Umkehrung der thatsiachlichen 
Entwickelungsverhiltnisse sein (vergl. unter anderen auch Kinestry 
1900). Wie uns die Selachier und die Ontogenese der tiefer- 
stehenden Gnathostomen lehren, bildet die bewegliche gelenkige 
Verbindung des Kieferstieles mit dem Kranium den Ausgangspunkt, 
wihrend die bei gewissen Formen der Anamnia (z. B. Holocephala, 
Dipnoa, Amphibia) sich findende Verschmelzung beider Teile erweisbar 
der abzuleitende Zustand ist. Durch die reiche und michtige Deck- 
knochenausbildung in jenem Schidelbereiche mag diese Verschmelzung 
begiinstigt worden sein. Damit ist aber noch kein Recht gegeben, 
an die erste Hypothese einer sekundiren Reduktion jener Deck- 
knochen (gegen die ich, wenn mit Ma8 vertreten, gar nichts einzu- 
wenden habe) auch die zweite Annahme eines wieder beweglich 
werdenden Quadratum anzukniipfen. So lange, trotz sonstiger 
Fixation durch die Temporalbogen, das dorsale Ende des Qua- 
dratum noch eine diarthrotische Verbindung mit dem Schadel dar- 
bietet, ist die Wiederherstellung der einstigen Streptostylie unter 
Riickbildung jener Temporalbogen méglich. Die Untersuchung eines 
ausgewachsenen Sphenodon, sowie jiingerer Exemplare von Emys 
orbicularis und Alligator mississippiensis zeigte mir aber keine Ge- 
lenkhéhle in jener Gegend mehr, sondern einen syndesmotischen 
resp. suturalen Verband (bei Sphenodon noch mit partiller Erhaltung 
des urspriinglichen Gelenkknorpels, bei Emys und Alligator unter 
Verlust desselben). Daf jiingere Embryonen von Cheloniern und 
Crocodiliern ein knorpeliges, durch Bindegewebe locker mit dem 
Primordialcranium verbundenes Quadratum darbieten, ist seit RATHKE 
und W. K. Parker bekannt; die Ontogenese von Sphenodon wird 

Bd, XXXIV. N. F. XXVIL 39 


600 Max Firbringer, 


Bei den Lacertiliern lat uns diese im Stich; was wir als 
sicher erkannte fossile Vertreter derselben ansprechen kénnen, 
gehért nicht den alteren Schichten an und steht morphologisch 
nicht tiefer als viele Familien der noch lebenden Lacertilier. Un- 
zweifelhaft ist dieses Deficit nur der Ausdruck unserer mangel- 
haften paliontologischen Kenntnis der vielleicht auch zu einem 
erofen Teile nicht erhaltenen Reste der altesten Lacertilier, die 
vermutlich aus sehr kleinen, im Gesellschaftsleben der Reptilien 
urspriinglich sehr zuriicktretenden Tieren bestanden'). Auf Grund 
des morphologischen Baues der lebenden Lacertilier und aus der 
Vergleichung entnommenen Griinden miissen wir annehmen, dal 
echte Lacertilier bereits in paléozoischer Zeit existierten; vielleicht 
gehérten Kadaliosaurus und gewisse Microsaurier zu ihnen. 

Anders und besser steht es hinsichtlich der paliontologischen 
Reste der Rhynchocephalier. Neben naheren Verwandten 
von Sphenodon (Rhynchocephalia vera), die zum Teil einige héhere 
Ziige aufweisen als dieser und uns eine nur geringe Aufklarung 
hinsichtlich der phylogenetischen Entwickelung gewahren, besitzen 
wir in den vorwiegend permischen Proterosauria eine sehr wichtige 
Quelle der genealogischen Erkenntnis. In ihnen begegnen uns Formen, 
die in der Hauptsache primitiver sind als Sphenodon, und der 
alteste Vertreter derselben, die dem unteren Rotliegenden ange- 
horende Palaeohatteria, ist auf Grund mehrfacher Ziige ihrer 
Organisation wohl als das am tiefsten stehende oder wenigstens als 
eines der am tiefsten stehenden bisher bekannt gewordenen Reptilien 
anzusprechen. Andere, gleichfalls aus dem Rotliegenden stammende 
Formen, wie Hylonomus?), Petrobates?), Kadaliosaurus, 


vermutlich ahnliches, vielleicht auch noch eine embryonale Gelenk- 
héhle zwischen dem dorsalen Ende des Quadratum und der Temporal- 
region des Cranium (Streptostylie) aufweisen. 

1) In der Kleinheit und dem Zuriicktreten dieser Tiere lag 
auch ihre Zukunft, Entwickelungsfahigkeit und ihr Schutz. Grobe, 
fertig ausgebildete Tiere sind durch ihre festgelegte Entwickelung 
und ihr betrachtliches Koérpervolumen nicht mehr anpassungsfahig, 
schwerer zu ernihren und Gefahren viel mehr exponiert; die Phylo- 
genie der Tiere und Menschen zeigt uns allenthalben, daf Gréfe 
und Hohe der Entwickelung zugleich den Keim des Niederganges 
in sich tragt. Sie gewihrt eine groke Gegenwart, verbiirgt aber 
keine lange Zukunft (vergl. auch das Kapitel iiber das Verhiltnis 
der Kérpergréfe in den Untersuchungen zur Morphologie und Syste- 
matik der Végel, 1888, p. 991—995). 

2) Crepner (1890) hat bekanntlich bei Petrobates auf Ueber- 
einstimmungen mit den Rhynchocephaliern hingewiesen, aber ihn 
wie Hylonomus doch als Stegocephalen angesprochen. Von Baur 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 601 


zeigen gleichfalls eine sehr tiefe Organisation, die selbst, wie schon 
angedeutet, die Frage offen lat, ob hier primitive Vorfahren 
der Rhynchocephalier oder der Lacertilier vorliegen resp. ob in 
ihnen die gemeinsamen Vorfahren dieser beiden zu dieser Zeit 
noch nicht gesonderten Reptilienordnungen gegeben sind. 

Diese Frage diirfte wohl im wesentlichen zu beantworten sein, 
wenn uns erst besser erhaltene Exemplare dieser Fossilien vorliegen. 
Trotz der verschiedenen erheblichen Differenzen, welche Lacertilier 
und Rhynchocephalier in ihren bisher genauer bekannten Vertretern 
trennen, scheint mir die Annahme eines gemeinsamen Stammes 
beider Abteilungen durch die weit gréSere Anzahl tibereinstimmen- 
der Merkmale gerechtfertigt zu sein. Selbstverstaindlich wird hier 
das genauere Verhalten des Quadratum von gréfter Bedeutung 
sein; hier oder in noch alteren Schichten (Karbon, vielleicht noch 
friiher) liegt die Wurzel, welche den primitiveren streptostylen 
und den von ihnen abzuleitenden monimostylen Reptilien 
Ausgang gab, und dieses Moment, d. h. die Art der Verbindung 
des dorsalen Endes des Quadratum mit dem Cranium, halte ich 
in diagnostischer Beziehung fiir wichtiger als das Verhalten der 
Deckknochen in der Schlafengegend oder der Parasternalien in der 
Bauchgegend. 

Damit méchte ich keineswegs die Bedeutung jener Deck- 
knochen gering achten. Zur Zeit, wo uns die Kenntnis der 
meisten und wichtigsten primordialen Teile des Skelettes zufolge 
ihrer grofenteils knorpeligen Beschaffenheit fehlt, und wohl auf 
lange Zeit hinaus miissen wir uns mit jenen gut erhaltenen Deck- 
knochen begniigen, da wir nichts Besseres haben; sie bilden in 
der Gegenwart immer noch die relativ besten Werkzeuge unserer 
phylogenetischen Erkenntnis. Von den Meisten ist angenommen, 
da8 jene Deckknochen mit zahlreichen einzelnen Hautplatten be- 
gannen und sich an den exponierteren Stellen des Kérpers unter 
héherer Differenzierung zu festeren Panzern') zusammmenschlossen, 


(1897) dagegen wurden weitere Reptilienthnlichkeiten dieser beiden 
Microsaurier, namentlich das Verhalten der Sacralgegend der Wirbel- 
siule und der ventralen Wirbelbogen, hervorgehoben, welche nach 
der Entscheidung dieses Autors die Stellung beider innerhalb der 
Reptilien bestimmten. Ob damit eine endgiltige systematische 
Erkenntnis begriindet wurde, bleibt abzuwarten. 

1) Gaupp hat hierfiir die guten Namen stegocrotaph, zygo- 
crotaph (di-zygocrotaph und mono-zygocrotaph) und gymnocrotaph 
eingefiihrt. Man kann noch die Termini anazygocrotaph und kata- 
zygocrotaph zufiigen, um damit die Anwesenheit eines oberen oder 
unteren Schlafenbogens zu bezeichnen. 


og” 


602 Max Fiirbringer, 


daf danach eine mit Schwund gewisser Teile einhergehende Ver- 
minderung der Zahl der zusammensetzenden Skelettelemente und 
eine Abnahme ihres Volumens stattfand und in der Schlaifengegend 
zu gesonderten Temporalbogen!), in der Bauchgegend zu_stab- 
formigen parasternalen Spangen fiihrte und daf es schlieflich zu 
weiterer Rarefizierung, Riickbildung und schlieflich Schwund *) jener 
Bogen und Spangen in grokem Wechsel und grofer Mannigfaltig- 
keit kam. Namentlich Baur (1889, 1894), Cops (1892) und Gaupp 
(1894) haben diese Verhiltnisse in der Schlafengegend mit Sorgfalt 
untersucht; ersterer nimmt sie als Ausgangspunkt fiir seine letzte 
systematische Anordnung der Sauropsiden (1894). 

Mit GeGENBAUR (1898) erkenne ich gern das Gesunde und 
Richtige der diese Entwickelungsreihe fordernden Gedankengange an. 
Ks besteht auch fiir mich kein Zweifel, dafi zahlreichere Elemente und 
plumpere und massigere Konfigurationen der Auslese der notwendig- 
sten Teile und ihrer schlankeren Gestaltung vorausgingen. Es ist, um 
einen naheliegenden Vergleich zu ziehen, dieselbe erst nach und nach 
entwickelte Materialersparnis, wie sie z. B. bei dem Uebergange des 
romanischen Baustiles in den gotischen und bei dessen héherer Aus- 
bildung sich vollzog. Verdénderungen der Bedingungen im Kampfe 
ums Dasein mit feindlichen Tieren und feindlichen Klimaten, welche 
vielleicht friiher einen héheren Schutz gegen die Aufenwelt nétig 
machten, denselben aber spiter leichter entbehren liefen, mégen 
auch bei dieser Rarefizierung und Auslese mitgewirkt haben. 
Immerhin aber méchte ich sehr zur Vorsicht raten, diese Lehre 
von der fortschreitenden Reduktion des Deckknochensystemes nicht 
zu einem starren Schematismus ausarten zu lassen. Es ist még- 
lich, daf simtliche alteste Reptilien einen nach Art der Stego- 
cephalen geschlossenen Deckknochenpanzer besafen und daf der- 
selbe nach und nach, je nach der Ausbildung dieser oder jener 
ihrer Vertreter, bald in dieser bald in jener Weise sich modifizierte 
und verminderte, da’ im speciellen die Ordnungen mit keinem 
oder nur mit einem schlanken Temporalbogen von solchen mit 
breitem Temporalknochenkomplexe oder mit zwei Bogen ab- 
stammen und daf alle Vorfahren der lebenden Sauropsiden ein 
hoch und voluminés entwickeltes Parasternum besafen, das nach 
und nach in Reduktion und bei vielen Vertretern derselben selbst 
in vélligen Schwund trat — es ist aber ebenso gut méglich, daf die 
direkten Altesten Vorfahren der deckknochenirmeren Sauropsiden 
(z. B. Squamata) jene Deckknochenbildung wohl in etwas reicherer 


1) S. Anm. 1 auf p. 601% 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 603 


Gestaltung besafen als die jetzt lebenden Vertreter, aber lange 
nicht in der voluminésen Ausbildung, welche uns Stegocephalier 
und viele andere Reptilien zeigen). Wir kennen die direkten 
Vorfahren der Lacertilier nicht, wir wissen nicht einmal genug von 
den fossilen Lacertiliern, um uns ganz direkte Schliisse iiber deren 
Konfiguration zu gestatten, und aus diesem Grunde ist auch hier 
grofie Vorsicht und geduldige Zuriickhaltung geboten. 

Zum Teil mit dieser Frage hangt auch die viel allgemeinere 
von der Abstammung der Sauropsiden von tiefer stehenden 
Wirbeltieren ab. Dal die Vorfahren derselben eine Entwickelungs- 
stufe durchlaufen haben, welche graduell mit derjenigen der Am- 
phibien gleichwertig war, ist nicht zu bezweifeln. Wie aber das 
Quale der direkten amphibienartigen Vorfahren der Sauropsiden 
thatsachlich beschaffen war, entzieht sich zunachst noch unserer 
Kenntnis. Konstruieren kann man sich dieselben sehr leicht; aber 
solche Konstruktionen sind keine reelle Lésung, keine Erkenntnis. 
Da die lebenden Amphibien mit ihren vielen besonderen Differen- ~ 
zierungen progressiver und regressiver Natur eine direkte An- 
kniipfung der Sauropsiden an sie nicht gestatten, so sind wir auf 
die altesten fossilen Amphibien, die Stegocephalen angewiesen, die 
bereits im Karbon und im unteren Perm in grofem Reichtum und 
in grofer Mannigfaltigkeit entwickelt waren; vermutlich lebten 
auch primitive Vertreter von ihnen schon im Devon. Zahlreiche 
Ziige in ihrem Skelettsystem zeigen Uebereinstimmung mit dem 
der altesten Reptilien (Palaeohatteria, Hylonomus, Petrobates), und 
namentlich die Konfiguration des Deckknochenapparates am Schadel, 
Brustschulterapparat und Rumpf erhebt sich bei allen zu grofer 
Aehnlichkeit. Aber gerade die wichtigeren typischen Konfigura- 
tionen in ihren Knorpelteilen, unter anderem das genauere Ver- 
halten des primordialen Kiefergaumenapparates, sind uns noch un- 
bekannt; unsere Vergleichung arbeitet mit Bruchstiicken und hat 
daher nur bedingten Wert. 

Nichts hindert anzunehmen, dafi das, was man jetzt unter 
dem Namen Stegocephalen zusammenfaft, neben echten stego- 
cephalen Amphibien auch Formen enthalt, die diesen auferlich 
wohl ahneln, in ihrem innersten Wesen und in ihrer Entwickelung 
aber ganz heterogen von ihnen sich verhalten. Und ebenso gut 
kann man annehmen, daf die wahren Proreptilien sich gar nicht 


1) Ich nehme dabei an, daf diese Vorfahren bei ihrer Klein- 
heit und dem versteckten Leben, das sie fiihrten (vergl. p. 600 
Anm. 1), jenes Schutzes nicht so sehr bedurften wie die gréferen 
und mehr exponierten Formen. 


604 Max Firbringer, 


unter den bis jetzt bekannten ,,Stegocephalen“ befinden, da sie 
erst noch aufgefunden werden miissen. Und dies ist nur ein Teil 
der Frage, welche die Genese der den Proreptilia gleichwertigen 
Promammalia natiirlich auch im Auge behalten muf (siehe die 
weiter unten folgenden Ausfiihrungen bei den Theromorpha). 

Die meiner Ansicht nach zu postulierende streptostyle Beschaffen- 
heit der Proreptilia und Promammalia gestattet keine direkte An- 
kniipfung an die bisher bekannten monimostylen Amphibien oder 
Dipnoer, ebensowenig aber eine solche an die wieder in anderer 
Weise — hyostyl — erfolgende Verbindung des Kieferapparates 
bei den Crossopterygiern, sondern laBt sich direkt nur zu solchen 
primitivsten Vorfahren der Amphibien zuriickfiihren, deren Qua- 
dratum nach Art der Selachier, und speciell der tiefsten Vertreter 
derselben (Notidanidae), beweglich mit dem Schadel verbunden 
war. Daf solche primitive streptostyle Amphibien einstmals 
existiert haben, wird uns auch durch die bekannten onto- 
-genetischen Befunde bei den jetzt lebenden Amphibien wahrschein- 
lich gemacht. Vermutlich wandelte sich bei ihnen die Streptostylie 
in dem Mage in Monimostylie um, als phylogenetisch ihr urspriing- 
lich oberflachlich gelegener Deckknochenapparat mit dem Quadratum 
in intimeren Verband trat und damit dessen freie Beweglichkeit 
beeintrachtigte und schlieBlich bis zur Unbeweglichkeit aufhob. 

Dazu kommen aber noch die vielen anderen wichtigen Dif- 
ferentialmerkmale, nicht zum mindesten das Verhalten der Flossen, 
die sich bei Amphibia, Sauropsida und Mammalia zu dem Cheiro- 
pterygium ausbildeten, ohne daf wir tiber die demselben speciell 
Ausgang gebende Flossenform tiefer stehender, noch nicht cheiro- 
pteryger Tiere volle Klarheit besitzen. 


Zusammenfassend wiirde folgendes zu sagen sein: Lacertilia 
und Rhynchocephalia sind die am ticfsten stehenden Reptilien und 
in der Hohe der Entwickelung im grofen und ganzen einander 
gleichwertig, indem bei den einen bald diese, bei den anderen 
bald jene Faktoren ihres morphologischen Baues tiefer oder héher 
entwickelt sind. Die Streptostylie der ersteren ist als Beibehaltung 
eines primordialen Zustandes, die Monimostylie der letzteren als 
eine sekundare Differenzierung aus urspriinglicher Streptostylie zu 
beurteilen. Eine Ableitung der Lacertilier von rhynchocephalier- 
artigen Vorfahren wird durch das morphologische Verhalten beider 
Abteilungen nicht unterstiitzt, wohl aber entspringen beide dem- 
selben gemeinsamen streptostylen Stamme, welcher als die mehr 
oder minder direkte Fortsetzung der hypothetischen Proreptilia 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 605 


angesehen werden kann. Die streptostylen Proreptilia aber haben 
sich neben den streptostylen Promammalia aus tiefer stehenden 
streptostylen Tieren entwickelt, welche im Grade ihrer Ausbildung 
amphibienartigen Tieren gleichzusetzen sind, in ihrem Quale aber 
von allen bisher genauer bekannt gewordenen fossilen und leben- 
den — monimostylen — Amphibien mehr oder minder verschieden 
sich verhalten. Diese monimostylen Amphibien bilden einen Komplex 
von Seitenzweigen aus dem urspriinglichen streptostylen Amphi- 
bien-Stamme. Ob Reste der direkten Vorfahren der Amnioten in 
der Stegocephalen genannten Sammelgruppe, in den noch unzu- 
reichend bekannten Typen derselben sich finden oder nicht, ent- 
zieht sich zur Zeit unserer Kenntnis. — 

Ich wende mich jetzt zu einer kurzen Besprechung der einzelnen 
Abteilungen der Reptilien ‘). 


Il. Streptostylia s. Squamata (Lacertilia und 
Op hidia) ”). 

Die Ordnung der Lacertilier ist bekanntlich in alter Zeit (ins- 
besondere von Stannius 1856) in die drei Unterordnungen der 
kionokranen Lacertilia, Amphisbaenoidea und Chamaeleonidea 
(Rhiptoglossa) gesondert worden; ihr wurde als gleichwertige Ord- 
nung die der Ophidier zur Seite gestellt. Beide zusammen bildeten 
den Superordo oder die Subclassis der Squamata s. Lepidosauria s. 
Streptostylica *). Zwischen Lacertilia und Ophidia wurden dann, 
namentlich nach Copsr’s Begriindung (1869), die Mosasauria s. 
Pythonomorpha als gleichwertige Abteilung eingefiigt, eine syste- 
matische Anordnung, die viel Beifall fand, aber auch mannig- 
fachen Angriffen, namentlich von Seiten Baur’s (1890—1896, der 
nach Cuvier’s und Anderer Vorgange die Mosasaurier den 
Lacertiliern einverleibte und neben die Varanidae stellte) be- 
gegnete. Fernerhin gaben BouLENGER’s bekannte systematische 
Arbeiten (1884—1893) den Anstof zu weiteren Veranderungen, 
wonach der Superordo Squamata zum Ordo Squamata mit den 
Subordines Dolichosauria, Pythonomorpha, Lacertilia (kionokrane 


1) Den kurz summierenden, zum Teil selbst skizzenhaften 
Charakter dieser systematischen Uebersicht brauche ich nicht noch 
besonders zu betonen und zu entschuldigen, 

2) Vergl. auch p. 231—276, p. 366—374, p. 397459 und die 
betreffenden Ausfiihrungen sub § 16 A—C, p. 521—589. 

3) Nicht zusammenfallend mit der Ausdehnung, die LypEKKER 
den Streptostylica giebt, indem er diesen auch die (nicht strepto- 
stylen) Rhynchocephalia und Proterosauria einreiht. 


606 Max Firbringer, 


Lacertilia nebst Amphisbaenia, welche als einfache Familie 
neben die Tejidae gestellt wurden), Rhiptoglossa und Ophidia 
degradiert wurde; die Dolichosauria dienten BoULENGER als der 
Ausgang gebende Subordo der Squamata, von dem die Pythono- 
morpha, Lacertilia und Ophidia abstammten, wahrend die Lacer- 
tilia ihrerseits wieder den Rhiptoglossa Ausgang gaben. Auch 
gegen diese Einteilung, namentlich betreffend die Stellung der 
Dolichosauria und Pythonomorpha, wurden Einwinde erhoben, 
insbesondere von Baur (1890) und Dotio (1892), die in den 
Dolichosauria nicht den Stammzweig, sondern nur einen Seiten- 
zweig der Gruppe zu erkennen vermochten. 

Meine — sich nicht blo8 auf die in den vorhergehenden Ab- 
schnitten beschriebenen Kérpergebiete beschrankenden, sondern 
iiber verschiedene Organsysteme erstreckenden — Untersuchungen 
lassen mich der alten Einteilung unserer alten grofen Morphologen, 
namentlich derjenigen von STaANNius (1856), den Vorzug geben. 
Mit ihnen mochte ich Lacertilia im weitesten Sinne und Ophidia 
unterscheiden, beide nahe verwandt, aber doch selbstandige Ord- 
nungen, und die letzteren als héhere Specialisten von primitiven 
Lacertiliern ableitbar. 

Hinsichtlich des Ordo der Ophidia habe ich nichts weiter zu 
bemerken und verweise im tibrigen auf die bereits von STANNIUS 
und Huxtey angegebenen anatomischen Differentialmerkmale 
gegeniiber den Lacertilia, sowie auf das treffliche System derselben 
von BouLENGER (1892—96). Speciellere anatomische Untersuchun- 
gen iiber die Vertreter derselben habe ich nicht angestellt. 

Ein weit gréferes genealogisches Interesse kniipft sich an 
die im grofen und ganzen tiefer stehende Ordnung der Lacer- 
tilia (sensu latiori). Hier schlage ich die 5 Unterordnungen 
Lacertilia vera, Varano-Dolichosauria, Mosasauria, Amphisbaenia 
und Chamaeleontia vor. 


a) Lacertilia vera‘). 


Die Lacertilia vera bilden den Ausgang. Kionokrane Lacer- 
tilier mit einer bei den typischen Vertretern”) aus 8 Halswirbeln 
zusammengesetzten Halswirbelsiule, stehen sie durch eine grofe 
Summe von primitiven Ziigen in ihrer Organisation tiefer als die 


1) Lacertilia vera Bounmncer nach Ausschlu8 der Varanidae 
und Amphisbaenidae. 

2) Bei den schlangenartigen Formen tritt nicht selten eine Ver- 
kiirzung der Halswirbelsiule ein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 607 


anderen angefiihrten Unterordnungen und erweisen sich zugleich 
bei der grofen Fiille ihrer Formen als. eine reiche Fundgrube 
des Verstindnisses der bei den Sauropsiden sich vollziehenden 
Entwickelungsginge (vergl. auch p. 531, 550, 555, 581 f.)'). Unter 
den Sauropsiden nehmen sie eine ahnliche Stellung ein wie die 
Selachier unter den Fischen, und es ist als ein gliickliches Ge- 
schick zu preisen, dafi uns diese reiche primitive Abteilung in 
solcher Fiille bis zum heutigen Tage fiir die Untersuchung er- 
halten geblieben ist. 

Die vielen Familien derselben, beziiglich deren Definition und 
Folge namentlich auf BouLeNnGEerR (1884—87) und Cope (1889) 
verwiesen sei, lassen sich in den folgenden Gruppen oder Gentes 
verteilen : 

1) Nyctisaura s. Geckonomorpha. Die primitivsten 
Formen mit den zahlreichen amphicélen Geckonidae und 
den aus wenigen Vertretern bestehenden, etwas héher entwickelten 
procélen Eublepharidae, beide kosmopolitisch. Mit der Pro- 
célie der Eublepharidae beginnt eine héhere Entwickelungsstufe 
der Lacertilier, die von nun an — nur mit Ausnahme der Uro- 
platidae — durch procéle Wirbel gekennzeichnet sind. Die Be- 
deutung dieses Merkmales, das gewil} nicht zu tibersehen ist, darf 
aber, wie die nahe Verwandtschaft der Geckonidae und Euble- 
pharidae beweist, nicht iiberschatzt werden 2). — Von verschiedenen 
Autoren sind die Geckonomorphae zu einer besonderen AbDtei- 
lung héherer Ordnung erhoben worden (abgesehen von Alteren 
Herpetologen teilt z. B. GGnrneR 1867 die Lacertilia in die Sub- 
ordines der Amphisbaenoidea, Cionocrania, Chamaeleonoidea und 
Nyctisaura ein); meines Erachtens liegen dafiir nicht geniigende 
Griinde vor. 

2) Pygopodomorpha. Durch die BouLENGER’sche Familie 
der Pygopodidae reprasentierte, tiefstehende schlangenahnliche 


1) Man denke unter anderem auch an die Verschiedenartigkeit im 
Vorkommen und Verhalten der Zahnbildungen, die in ihrem Wechsel 
von Palatodontie (mit der variierenden Auslese des Palatinum und 
Pterygoides) und Maxillodontie, Pleurodontie und Acrodontie, Homé- 
odontie und Heterodontie, Isodontie und Anisodontie die grofe 
Mannigfaltigkeit und bei allem Reichtum der Bildungen zugleich 
vorwiegend primitive Stellung der Lacertilier bekunden; die Am- 
phisbaenia und Chamaeleontia sind lediglich maxillodont (vergl. 
tiber diese Verhiltnisse unter Anderen auch Burckuarpt 1895). 

2) Bekanntlich wechseln auch bei tiefer stehenden Wirbeltieren, 
z. B. bei den Ganoiden, die Verhaltnisse der Wirbelverbindung 
innerhalb naher Verwandter sehr erheblich. 


608 Max Firbringer, 


procéle Lacertilier, welche saimtlich Australien bewohnen und 
friiher in mehrere Familien (die Gray’schen Pygopidae, Apra- 
siadae und Lialisidae) gesondert und in die Nahe der Scincidae 
gestellt wurden. Sie haben aber fast mehr mit den Geckono- 
morpha gemeinsam und zeigen im tibrigen an den verschiedensten 
Teilen ihres K6rpers zahlreiche degenerative Merkmale. Auch 
Anklinge an die Ophidier bestehen. Eine genaue anatomische 
Durcharbeitung der Gruppe ist nach wie vor Desiderat. Mir 
fehlte das Material dafiir. 

3) Leptoglossa s.Autosauromorpha. Eine aus ziem- 
lich zahlreichen procélen Familien zusammengesetzte Gruppe, die 
durch gemeinsame Schiadelcharaktere, die Kombination einer 
medial verbreiterten und meist gefensterten Clavicula mit einem 
kreuzformigen Episternum und eine beschuppte Zunge verbunden 
werden. Am tiefsten unter ihnen steht die primitive kosmopoli- 
tische, aber am reichsten in Australien entwickelte Familie der 
Scincidae, welche durch zahlreiche und recht mannigfaltig 
organisierte Vertreter gebildet wird und zum Teil auch zu Reduk- 
tionen der Extremitaéten mit schlangenaihnlicher Gestaltung des 
Koérpers neigt (zum Teil den Acontiadae Cope’s entsprechend) ; 
ihre nahen Verwandten und in der angegebenen Richtung  re- 
duzierten Familien sind die Anelytropidae und wohl auch 
Dibamidae'). Etwas héher als die Scincidae stehen die 
verwandten Gerrhosauridae, die zugleich zu den noch hoher 
entwickelten Lacertidae fiihren; diese beiden Familien sind 
altweltliche Formen; mit den Scincidae (und deren Verwandten) 
zusammen bilden sie die zicmlich gute Familiengruppe (Super- 
familie) der Scinco-Lacertae. Eine gewisse Parallele zu ihnen 
bildet die neuweltliche Superfamilie Teji mit den Tejidae und 
den ihnen nahestehenden Xantusiidae (mit T-férmigem Epister- 
num), welche sich den héheren Scinco-Lacertae gleichwertig gegen- 
iiberstellen und durch zahlreiche Besonderheiten in der Haut, im Ske- 
lett und den Muskeln, sowie den Eingeweiden (vergl. unter anderen 
auch BurLer 1889) yon diesen unterscheiden. Die Tejidae 
bilden eine formenreiche Familie mit einer groBen Fiille von Arten, 
unter denen auch schlangenahnliche Formen mit rtickgebildeten 
Extremititen und in beginnender Verkiimmerung begriffener Colu- 


1) Teste Bountencer; mir lagen keine Vertreter derselben vor. 
Auch in der angegebenen Degeneration der Columella offenbart sich 
eine ziemlich weitgehende Reduktion des Kopfskelettes. Ferner 
sei aut die Gattung O phioseps BocacsE (Ophiopsiseps) hingewiesen, 
die lacertile und ophide Charaktere in sich vereinigen soll. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 609 


mella und Orbitalregion des Schadels (Ophiognomon) eine gewisse 
Aehnlichkeit mit den Amphisbaenidae zeigen; BOULENGER schlieft 
letztere bekanntlich den Tejidae an. 

4) Diploglossa s. Anguimorpha. Eine von mehreren, 
zum Teil lose zusammenhingenden procélen Familien gebildete 
Gruppe, welche zwischen der vorhergehenden und der _ folgen- 
den Gruppe, der letzteren naher, steht, wobei gewisse Vertreter 
eine vollkommen intermediare Stellung zwischen beiden einnehmen. 
Kine medial nicht oder nur ganz wenig verbreiterte Clavicula, ein 
kreuzformiges oder von der Kreuzform zur T-Form tibergehendes 
Episternum und eine mit Papillen besetzte Zungenschleimhaut 
verbindet die einzelnen Familien der Gruppe. Im grofen und 
ganzen sind dieselben durch eine etwas héhere Ausbildung als die 
vorhergehende Abteilung gekennzeichnet, jedenfalls stehen sie 
durchweg hoéher als die Scincidae. Die sie zusammensetzenden 
Familien kénnen in die Superfamilien Zonuri, Angues, Helodermates 
und Xenosauri gruppiert werden. Die Zonuri werden durch die 
afrikanischen Zonuridae gekennzeichnet, die in ihrem ana- 
tomischen Bau sich zwischen Scinci, Angues und Iguanae stellen. 
Die Angues reprasentiert die umfangreichere kosmopolitische, 
aber ihre meisten Vertreter in Amerika zaihlende Familie der 
Anguidae, welche den Nachbarfamilien gegentiber eine gewisse 
Selbstandigkeit darbietet und viele degenerierte (schlangenahnliche) 
Formen aufweist; von ihnen ist die ebenfalls schlangenahnliche 
kleine Familie der Anniellidae ableitbar. Die Helodermates 
werden durch die amerikanischen Helodermatidae'), welche 
neben zahlreichen anguimorphen und selbst an die Xantusiidae 
erinnernden Merkmalen auch sehr selbstandige Konfigurationen 
(Schadelstrukturen, fensterloser primarer Schultergiirtel, stabf6r- 
miges Episternum, Giftdriisen und ophide Dentition) und einzelne 
Aehnlichkeiten mit den Varanidae verbinden. Die Xenosauri 
endlich werden durch die nur einen Vertreter zahlende ameri- 
kanische Familie der Xenosauridae reprasentiert, die in zahl- 
reichen Charakteren (namentlich auch in ihrem Brustschulter- 
apparat mit ausgesprochenem T-formigen Episternum) sich den 
Iguanidae anschlieBt, aber auch so viel anguimorphe Charaktere 
aufweist, daf sie als vollkommen intermediaire Familie zwischen 
Anguidae und Iguanidae anzusprechen ist’). Mit Riicksicht auf 


1) Die Stellung des asiatischen Lanthanotus ist dunkel; viel- 
leicht bildet er eine besondere Familie neben den Helodermatidae. 

2) Nach Mitteilung der Autoren. Ich hatte keine Gelegenheit, 
Xenosaurus zu untersuchen. 


610 Max Firbringer, 


den Grad ihrer Ausbildung gehéren alle diese diploglossen 
Familien zu den mittelhoch stehenden Formen der Lacertilier. 

5) Pachyglossa (Crassilingues) s. Eunota s. Igu- 
anomorpha. Diese Gens, der man auch die soeben besprochenen 
pleurodonten Xenosauridae') anschliefen kann, besteht aus den 
beiden zahlreichen Familien der Iguanidae und Agamidae, 
erstere reprasentiert durch pleurodonte, fast durchweg (mit Aus- 
nahme von Chalarodon, Hoplurus und Brachylophus) neuweltliche 
Formen, letztere durch akrodonte, ausschlieBlich altweltliche Ver- 
treter. Beide gleichen einander in allen wesentlichen auferen und 
inneren Merkmalen; nur der auffallende Unterschied der pleuro- 
donten und akrodonten Verbindung der Zahne mit den Kiefern 
trennt sie. Dieser Unterschied ist von vielen Autoren, namentlich 
auch von Cops, erheblich tiberschatzt worden?) und hat den er- 
wahnten Untersucher, wenn ich ihn recht verstehe, veranlaft, die 
akrodonten Agamidae von den pleurodonten Iguanidae (Iguania 
Cope mit den Familien der Iguanidae und Anolidae) ganzlich zu 
entfernen und den Chamaeleontidae niher zu stellen, was durch 
die Anatomie dieser Tiere in keiner Weise gestiitzt wird. Be- 
kanntlich ist der Unterschied der vorliegenden Pleurodontie und 
Akrodontie ein nur gradueller resp. ontogenetischer, wie unter Anderen 
SIEBENROCK (1895) und CARLSSON (1896) bei den Agamidae gezeigt 
haben und wie wir auch von anderen Lacertiliern (z. B. den 
Tejidae und Chamaeleontidae) durch BouLenGrR (1885) und R6sE 
(1893) wissen: aus der loseren Pleurodontie bildet sich unter 
Zunahme der Knochensubstanz der alveolaren Rander die Akro- 
dontie aus. Die Agamidae nehmen somit hinsichtlich ihrer Den- 
tition eine héhere Stufe ein als die Iguanidae (und Xenosauridae). 
Dies gilt aber nicht hinsichtlich der anderen morphologischen 
Charaktere, wo mittelhohe und hohe Formen sich vermischt bei 
diesen grofen und darum recht vielgestaltigen, auch an aberranten 
Vertretern reichen Familien finden. Die Columella (Proc. 
ascendens quadrati) ist bei den Agamidae in der Regel etwas 
zuriickgebildet, bei gewissen Arten (Draco, Lyriocephalus) selbst 
in vorgeschrittenerem Grade. 

6) Gecko-Chamaeleontes s. Uroplatimorpha. Die 
nur wenige Vertreter zihlende madagassische Familie der Uro- 
platidae zeigt mit den Geckonidae eine grofe Aehnlichkeit im 


1) Als nachste Nachbarn der Iguanidae. 

2) Auch Burcxnarnpt (1895) spricht sehr mit Recht der Differenz 
zwischen Pleurodontie und Akrodontie eine grifere genealogische 
Bedeutung fiir weitere Formenkreise ab. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 611 


iuferen Aussehen und teilt mit ihnen die primitive Beschaffenheit 
der Wirbelsiiule (Amphicélie) und des V- oder nierenférmigen 
occipitalen Condylus, sowie eine Anzahl ziemlich bedeutsamer oder 
minder wichtiger oder ganz allgemein bei den Lacertiliern ver- 
breiteter Strukturen, weicht aber  hinsichtlich gewisser Ziige 
wesentlich von ihnen ab. BouLEncer (1884) hat auf die sehr 
differente Bildung ihres Episternum und ihres Nasale hingewiesen 
und auf Grund dieser Verschiedenheiten die Uroplatidae von den 
Geckonidae abgetrennt, aber in seinem System auf sie und die 
Eublepharidae direkt folgen lassen. Corr (1889) hat sie wegen 
der varanus-iihnlichen Beschaffenheit des Nasale als Subordo Gecco- 
varani neben die Varanidae (zwischen sie und die Nyctisaura) ge- 
stellt. SreBeENROcK (1893) verdanken wir eine genaue Darstellung 
ihrer Osteologie, die aber keine systematischen Folgerungen ent- 
halt. VersLtuys (1898) macht auf grofe Aehnlichkeiten des 
Mittelohres der Geckonidae und Uroplatidae aufmerksam. In der 
vorliegenden Untersuchung habe ich den Brustschulterapparat nebst 
dem proximalen Abschnitte der vorderen Extremitaét und seine 
Muskulatur nebst benachbarten Teilen eingehender behandelt, und 
die damit erhaltenen Resultate haben mir ergeben, einmal, dal 
die BouLENGER’sche Abtrennung von den Geckonidae eine sehr 
richtige ist, dann aber auch, daf die Uroplatidae trotz der oben 
angegebenen und anderer primitiver Ziige in der Summe ihrer 
Merkmale eine relativ hohe Stellung unter den kionokranen La- 
certiliern einnehmen und dabei zugleich recht tiberraschende 
Ziige von Verwandtscheft mit den Chamaeleontidae darbieten 
(p. 525° Anm: 1, 531, 539; 546; 555, 566;. 585f.): Diesen 
Ziigen kann man noch eine ziemlich grofe Anzahl anderer innerer 
Strukturen anreihen, die trotz der augenfalligen auferen Ver- 
schiedenheit beider Abteilungen doch mit einem der Sicherheit 
sehr nahe kommenden Grade von Wabhrscheinlichkeit darthun, 
daf die Wurzel der Chamaeleontia in gréfter Nahe derjenigen 
der Uroplatidae sich befand. Hinzugefiigt sei, da die iiberwiegende 
Mehrzahl der Chamaeleontidae gleichfalls Madagascar bewohnt, 
daf hier wohl der Ausgangspunkt fiir die Verbreitung dieser 
Familie sich befindet, ferner, dafi die Uroplatidae Baumkletterer 
nach Art der Chamaeleonten sind, eine bereits zur Kletterhand 
dieser tendierende Stellung der Finger ihrer vorderen Extremitat 
aufweisen und den gleichen hoch ausgebildeten Farbenwechsel wie 
die Chamaeleontidae zeigen. — Auf Grund dieser Erkenntnis 
(Aehnlichkeit und manches Uebereinstimmende mit den Geckonidae 
und innere Verwandtschaft mit den Chamaeleontidae) schlage ich 


612 Max Firbringer, 


die Bezeichnung Gecko-Chamaelecontes fiir die Uroplatidae 
vor. Die Copr’sche Bezeichnung Geccovarani erscheint mir nicht 
sehr gliicklich; die den Uroplatidae und Varanidae gemeinsame 
Verbindung der beiden Nasalia zn einem unpaaren Skelettstiick 
ist kein qualitatives, sondern nur ein graduelles und zudem recht 
vereinzeltes Merkmal, dem sich eine sehr grofe Summe von durch- 
ereifenden Differenzen gegeniiberstellt, welche die géiinzliche Di- 
vergenz der Uroplatidae und Varanidae zur Gentige begriindet. 

Die genauer bekannten fossilen kionokranen Lacertilier 
mit 8 Halswirbeln lassen sich samtlich den angefiihrten Familien 
einreihen. Daneben existieren zahlreiche Reste unvollkommen er- 
kannter Lacertilier, tiber deren genauere Stellung sich zur Zeit noch 
nichts aussagen abt. 

Noch am besten sind unter diesen die amphicélen akrodonten 
Telerpetidae aus der Trias erhalten (p. 273—276). Die meisten 
Autoren rechnen sie den Rhynchocephaliern zu, wahrend ich (im An- 
schlusse an HuxLey’s Originalabhandlung von 1866) weit mehr dazu 
neige, sie den kionokranen Lacertiliern einzufiigen; und zwar 
scheinen sie mir eine selbstandige Familie in der Nahe des Anfanges 
der Agamidae zu bilden, entsprechend ihrem ziemlich hohen Alter 
vermutlich auch von tieferer Stellung als die lebenden Vertreter 
der Agamidae. 

Auch die jurassischen Acrosauria seien als Zwischenformen 
zwischen Lacertilia und Rhynchocephalia hier erwihnt; ihre weitere 
Besprechung wird bei den letzteren stattfinden (p. 626, 627). 

Dali unsere Kenntnis der fossilen Lacertilia vera eine sehr 
diirftige ist, braucht nicht besonders versichert zu werden. Es 
besteht gar kein Zweifel, da einer jetzt aus so divergenten Fa- 
milien bestehenden Abteilung eine Fiille von verbindenden Formen 
vorausgegangen sein mu, kionokranen Lacertiliern von geringer 
Kérpergréfe, von denen wohl die meisten zufolge ihres vorwiegen- 
den Landlebens und zufolge der zarten und leicht zerstérbaren 
Beschatienheit ihres Skelettsystems uns immer unbekannt oder 
ganz ungentigend bekannt bleiben werden. 


b) Platynota s. Varano-Dolichosauria. 


In dieser Unterordnung verbinde ich eine Anzahl procdéler 
kionokraner Lacertilier miteinander, deren Halswirbelsiule die 
iibliche Zahl von 8 Wirbeln iiberschritten hat und von 9—17 Wirbeln 
eebildet wird. Im Vorhergehenden (p. 545f., 573f.) habe ich aus- 
gefiihrt, dali die oktospondyle Halswirbelsiule wohl einen Ausgang 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 613 


gebenden Markstein fiir die Reptilien bildet und von der Mehrzahl 
der Ordnungen derselben festgehalten wird. Jede durch Wanderung 
der vorderen Extremitit erzeugte Veriainderung dieser Zahl ist sonach 
als Ditferentialmerkmal von gréferer diagnostischer Bedeutung zu 
beurteilen. Ist einmal die typische Achtzahl tiberschritten und so- 
zusagen eine gréfere Fliissigkeit in die caudalwirts gerichtete 
Bewegung der vorderen Extremitiét und die successive Umbildung 
von Thorakalwirbeln in Cervicalwirbel eingeleitet, so kommt es 
gewohnlich zu mehr oder minder weitgehenden Fortschritten in 
dieser Verlingerung der Halswirbelsaule. 

Die hier in Betracht kommenden Lacertilier werden durch 
die 2 Gentes der Varanomorpha und der Dolichosauromorpha, die 
erstere noch in lebenden, die letztere nur in ausgestorbenen 
Formen vorhanden, gebildet. 

1) Varanomorpha. Die Vertreter derselben bilden die V a - 
ranidae, eine sehr eng geschlossene, streng genommen nur durch 
eine Gattung (Varanus) reprisentierte altweltliche Familie terrestrer, 
aber meistens wasserliebender, zum Teil recht grofer Lacertilier, 
welche mit verschiedenen Besonderheiten im Schidelbau, 9 Hals- 
wirbeln, sehr schlanker Clavicula und auferordentlich gracilem 
T-formigen Episternum, glatter, tiefgespaltener und hinten mit 
Scheide versehener Zunge (Thecaglossa), zahlreiche von den tibrigen 
kionokranen Lacertiliern abweichende LEigentiimlichkeiten im 
Muskelsystem, eine besondere Gestaltung der peritonealen Struk- 
turen (BEDDARD 1888), eine anderen Lacertilier tiberragende Aus- 
bildung der Lunge (Minanr 1894) etc. verbinden. Durch alle diese 
Charaktere bekunden die Varanidae ihre grofe Isolation von den 
Lacertilia vera. Die namentlich von WAGLER (1830), DuMERIL et 
Brpron (1836) und Baur (1890)*') vertretenen Ankniipfungen an 
die Helodermatidae sowie an die Anguidae griinden sich auf eine 
zu geringe Anzahl von Uebereinstimmungen und halten gegeniiber 
der Fille divergenter Merkmale nicht stand; man kann hochstens 
annehmen, dali die Anguimorpha diejenigen Lacertilier bezeichnen, 
deren Stamm in der Nahe der Wurzel der Varanomorpha sich 
befand. Die graduelle Stellung der Varanidae ist im ganzen eine 
hohe, was einzelne ziemlich tiefe Ziige nicht ausschlieft. Manches 
tendiert in der Richtung nach den Crocodiliern zu; doch kann ich 
Brepparp nicht folgen, der sie als eine den Lacertiliern und Rhyn- 


1) Baur (1890, 1892) vereinigt bekanntlich Varanidae und 
Mosasauridae zu den Varanoidea und diese mit den Helodermatoidea 
zur Subordo Platynota (Dumérit et Breron). 


614 Max Firbringer, 


chocephaliern aquivalente Gruppe auffafte und den Crocodiliern 
niher brachte als den Lacertiliern. Ueber ihre Zugehérigkeit zu 
den Lacertiliern besteht fiir mich kein Zweifel. 

2) Dolichosauromorpha. Diese Gruppe (Ophiosauria 
von GORJANOVIG-KRAMBERGER, 1892) wird von langgestreckten 
(schlangenartigen) Lacertiliern mit verkleinerten Extremititen ge- 
bildet, welche in verschicdener Kérpergréfe die Kreide bewohnten. 
Die alteren und primitiveren Vertreter derselben, die Aigialo- 
sauridae aus der unteren Kreide, besitzen 9—10 Halswirbel 
und Gliedmafen, die auf terrestre Lebensweise schliefen lassen ; 
bei den jiingeren und etwas hoher entwickelten Dolichosau- 
ridae aus der oberen Kreide mit 15—17 Halswirbeln zeigen die 
Extremititen vereinfachte Strukturen, die auf eine beginnende 
resp. mehr und mehr sich ausbildende Anpassung an das Wasser- 
leben schliefien lassen. Die nahen Beziehungen der Aigialosau- 
ridae zu den Varanidae werden durch sehr zahlreiche Merkmale 
im Skelettbau gestiitzt, derart, dafi gewisse Vertreter derselben 
(Carsosaurus- von KORNHUBER 1893) von den genauesten Kennern 
bald den Varanomorpha, bald den Dolichosauromorpha zugerechnet 
werden. Die intimen Beziehungen der Dolichosauridae zu den 
Aigialosauridae sind aber trotz der sehr verlangerten Halswirbel- 
siule der ersteren einleuchtend. BouLencer (1891, 1893) hat 
bekanntlich die Dolichosaurier auf Grund der einfachen, den Am- 
phibien sich annaihernden Struktur ihrer Extremitaéten als sehr 
primitive Formen, ja selbst als die Stammformen der anderen 
Squamata (Pythonomorpha, Lacertilia, Rhiptoglossa, Ophidia) an- 
gesprochen, ist aber bei BAur (1892) und Dotio (1892), welche 
namentlich in der wirbelreichen Halswirbelsiule der Dolichosauria 
kein primitives, sondern ein sekundaéres Moment erblickten, auf 
Widerstand gestofen. Ich teile durchaus diese Bedenken und 
Auffassungen der beiden letzteren Autoren. Wenn ich auch, 
wie aus meinen friiheren und auch aus dieser Verdffentlichung 
zur Geniige erhellt, im allgemeinen der Ansicht bin, dal die Ex- 
tremitaten bald caudalwirts, bald rostralwirts gehende Wanderungen 
einschlagen kénnen und dafi in der Entwickelungsreihe der Tiere 
die einmal eingeschlagenen Richtungen keineswegs unabinderlich 
festgehalten werden, so besteht fiir mich im vorliegenden Falle 
doch kein Zweifel, da’ die verlingerte Halswirbelsiule der Dolicho- 
sauridae nicht fiir die kiirzere der Aigialosauridae und der anderen 
Lacertilia den Ausgang giebt, sondern da sie von der aus 9—10 Hals- 
wirbeln bestehenden Halswirbelsiule aigialosaurierartiger Vor- 
fahren und diese wieder von der oktospondylen Halswirbelsiule 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 615 


primitiver lacertiler Vorfahren sich ableitet'), und ebenso kann 
ich in der Extremitaét der Dolichosauridae keine rein primitive 
Form, sondern nur eine in Anpassung an das Wasserleben ver- 
einfachte resp. scheinbar vereinfachte Form 2) erblicken. Ich be- 
trachte die Dolichosauromorpha als recht hochstehende kiono- 
krane Lacertilier, die gemeinsam mit den Varanidae von dem 
primitiven Stocke der Lacertilier ausgingen, leite aber weder die 
Varanidae von ihnen ab, noch sie von den Varanidae. Diese An- 
schauung kommt der von DoLLo vertretenen am nachsten. 


c) Mosasauria. 


Die Unterordnung der Mosasauria wird durch die Gens der 
Mosasauromorpha mit der Familie der Mosasauridae (mit 
den von den Autoren angegebenen Subfamilien der T'ylosaurinae, 
Platecarpinae und Mosasaurinae) repriisentiert. Dieselben bilden 
langgestreckte, véllig an das Wasserleben angepafte und mit durch- 
aus flossenartigen Extremitaten versehene Lacertilier von meist 
sehr ansehnlicher Kérpergréfe, welche sich vorwiegend in der 
oberen Kreide finden. Die Zahl ihrer Halswirbel wird von den 
einen zu 7, von den anderen zu 9—10 angegeben; erstere Zahl 
erscheint gesichert, beziiglich der letzteren ist dies noch zu ent- 
scheiden. Wenn dies der Fall ist, so diirften wohl zwei Familien 
der Mosasauromorpha, solche mit kiirzerem und solche mit langerem 
Halse anzunehmen sein. 

Gewisse Uebereinstimmungen mit den Varanidae sind schon 
von Cuvier hervorgehoben worden; Cope (1869—1896) hat da- 
gegen auf ophidierartige Strukturen insbesondere am Schadel und 
am Quadratum aufmerksam gemacht, hat daraufhin die Mosasaurier 
zu einem besonderen zwischen Lacertiliern und Ophidiern stehenden 
Subordo Pythonomorpha erhoben und hat in dieser systematischen 
Anordnung auch zahlreiche Anhanger (LYDEKKER, ZITTEL, Bovu- 
LENGER, HAFCKEL u. A.) gefunden. Gegen diese von CopE ge- 
machten Angaben und vertretenen systematischen Anschauungen 
ist namentlich Baur (1890, 1895, 1896) aufgetreten und hat in 
fiir mich iiberzeugender Weise dargethan, dafi die wesentlichen 
der behaupteten ophidierartigen Strukturen resp. Abweichungen 


1) Parallele, zu noch viel gréferen Halswirbelzahlen fihrende 
Verhiltnisse finden wir bei den Sauropterygiern, wo auch, namentlich 
innerhalb der Plesiosaurier, die héhere Organisation mit der gréferen 
Halswirbelsiulenlange im grofen und ganzen koincidiert. : 

2) Die genauere Betrachtung lift bei vielen Lacertiliern pri- 
mitivere Ziige als bei den Mosasauriern erkennen. 

Bd, XXXIV, N. F, XXVIL 40 


616 Max Firbringer, 


von den Lacertiliern bei den Mosasauriern in der Hauptsache 
scheinbare resp. irrtiimlich behauptete sind und dafi die Mosa- 
saurier durchaus den kionokranen Lacertiliern angehéren; dieselbe 
Ansicht vertritt Dotto. Zugleich, wie schon erwihnt, vereinigt 
Baur unsere Gruppe mit den Varanidae und Helodermatidae zum 
Subordo Platynota. Osporn (1899) erkennt gewisse kraniale Ueber- 
einstimmungen mit den Varanidae an, findet aber im Verhalten 
des Basioccipitale, der Halswirbelsiule (7 Halswirbel), der Rippen 
(10 mit dem Sternum in Verband stehende Sternocostalien) und 
anderer Merkmale der amerikanischen Mosasaurier (speciell Tylo- 
saurus) Abweichungen, die fiir ihn die nahere Verwandtschaft mit 
den Varanidae ausschliefen; fiir ihn sind die Mosasauria sehr 
alte Lacertilier mit primitiven und generalisierten Strukturen, die 
sich sehr friih und in ausgedehntem Grade dem Wasserleben an- 
gepaft haben und eine besondere Subdivision der Ordo Lacertilia 
bilden. 

Auf Grund eigener Beobachtungen stimme ich Baur, DOLLO 
u. A. hinsichtlich der Zugehérigkeit zu den Lacertilia bei, méchte 
aber angesichts der von WILLISTON und Osporn hervorgehobenen 
Verhaltnisse die Subordo Platynota Baur’s oder die intimen Ver- 
wandtschaften zu den Varanidae nicht aufrecht erhalten. Anderer- 
seits diirfte aber auch die irrefiihrende Copr’sche Bezeichnung 
Pythonomorpha am besten einzuziehen sein. Die Mosasaurier sind 
schon friihzeitig pelagisch gewordene kionokrane Lacertilier mit 
verkiirzter (oder primitiv gebliebener oder makig verlaingerter ?) 
Halswirbelséule, deren Entwickelungsbahn sich in ziemlich alter 
Zeit von derjenigen der kionokranen Lacertilier und wohl in der 
Nahe der Varano - Dolichosauria abzweigte und zu _ einseitiger, 
zu ziemlicher Hohe fiihrender Ausbildung gelangte. Das deckt 
sich im wesentlichen mit den systematischen Ergebnissen, zu denen 
Osporn gekommen ist. Doch bleibt zur voélligen Sicherung noch 
manches zu untersuchen. 


d) Amphisbaenia. 


Die Amphisbaenia bilden eine mafig groke Gruppe erdlebender, 
schlangenahnlicher, kurzschwanziger, procéler Lacertilier, welche 
entweder nur vordere Extremitaten in reduziertem Zustande be- 
sitzen (Chirotes resp. Copr’s Euchirotidae)‘) oder auch diese ver- 
missen lassen (iibrige Gattungen der Amphisbaenia), wobei die 


1) Corn (1892) bildet auch ein minimales Knorpelrudiment des 
Femur ab, ohne desselben im Texte Erwaihnung zu thun. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 617 


Degeneration des Brustschulterapparates und Beckengiirtels bis zu 
minimalen Rudimenten resp. (hinsichtlich des Brustschulterapparates) 
zum volligen Schwunde fortschreiten kann. Auf Grund der Organi- 
sation kann man alle Vertreter in einer Familie, Amphisbae- 
nidae, zusammenfassen. Die Amphisbaenidae finden sich vor- 
wiegend in Amerika, danach auch in Afrika; einige wenige Arten 
(Blanus, Trogonophis) sind cirkummediterran. Charakteristisch 
ist der Mangel einer Columella, welche zugleich den ilteren Morpho- 
logen, insbesondere Stannius (1856), Anlaf zur Abtrennung von 
den kionokranen Lacertiliern gab. Gray (1844) war zuvor noch 
weiter gegangen, indem er sie giinzlich von allen anderen Lacer- 
tiliern entfernt und als eine den Lacertiliern, Cheloniern und 
Crocodiliern gleichwertige Abteilung hinter die Crocodilier gestellt 
hatte; Dumérit und Bipron (1839) hatten sie dagegen als einfache 
Subfamilie (Cyclosaures glyptodermes) mit dem von ihnen als 
Cyclosaures ptychopleures bezeichneten Familiengemisch (Zonuri- 
dae, Gerrhosauridae, Anguidae, Tejidae, Scincidae) zu der Familie 
der Cyclosauria vereinigt. BOouLENGER (1884, 1885) faBt sie als 
hochgradig degenerierte Verwandte der Tejidae auf und stellt sie 
innerhalb der Lacertilia vera direkt neben diese Familie. Fiir 
ihre weitere Einteilung in Unterfamilien resp. Familien ist gemein- 
hin die Art der Verbindung der Zaihne mit den Kiefern und die 
An- oder Abwesenheit der Priaanalporen verwendet worden und 
hat zur Unterscheidung der Prosphyodontes (Chirotes und Ver- 
wandte, Blanus und eigentliche Amphisbaenen) und Emphyodontes 
(Trogonophis und Verwandte) gefiihrt. 

Mir war es leider nicht méglich, den am wenigsten degene- 
rierten und darum fir die Systematik weitaus wichtigsten Ver- 
treter der Amphisbaenia, Chirotes oder irgend einen Vertreter der 
Euchirotidae, zu untersuchen; desgleichen stand mir das fiir die 
Kontrolle der von BouLENGER aufgestellten verwandtschaftlichen 
Beziehungen bedeutsame tejide Genus Ophiognomon nicht zu Ge- 
bote. Auch von der durch ihre Schadelstrukturen wichtigen fossilen 
Gattung Hyporhina (BAuR 1893) hatte ich nicht einmal eine Ab- 
bildung zur Verfiigung. Ich kann daher beziiglich dieser Tiere 
nur auf die Einzelangaben der dariiber berichtenden Autoren 
bauen und damit nur in bedingter Weise tiber die systematische 
Stellung derselben mich déufern. Nach einer gewissenhaften Ab- 
schitzung der mir vorliegenden Materialien gebe ich, bis nicht 
eigene oder fremde weitere Untersuchungen mich anders belehren, 
der systematischen Anschauung von STANNIUS (der auch HAECKEL 
folgt), welche die Amphisbaenier als besondere Unterordnung oder 

40 * 


618 Max Firbringer, 


Superfamilia von den kionokranen Lacertiliern trennt, den Vorzug, 
wobei mir verschiedene von BEDRIAGA (1884) hervorgehobene Schidel- 
charaktere, der decidierte Mangel einer Columella (deren Schwund 
allerdings auch bei Ophiognomon und einzelnen anderen kiono- 
kranen Lacertiliern angegeben wird), einige splanchnologische 
Merkmale (BepRIAGA), worunter vor allem die unter simtlichen 
lebenden Reptilien nur den Amphisbaenen zukommende Riickbildung 
der rechten Lunge (wahrend bei allen schlangenahnlichen Lacer- 
tiliern inkl. den tejiden Ophiognomon und allen Ophidiern stets 
die linke Lunge sich riickbildet, cf. Meckrn 1818, Beprtaca 1884, 
Taf. IV, SmautaAn 1885, Minant 1894, Cope 1896 und namentlich 
Burier 1895) und das sehr verschiedene Quale in der Degeneration 
des Brustschulterapparates (Copr 1892, Taf. XIII), ferner die An- 
gaben von VERSLUYS (1898) iiber das Mittelohr und von EK. FIscHER 
(1900) iiber die Nasenhéhle als Grundlage dienen. Aber gern 
stimme ich BOULENGER insoweit bei, als mir von allen kionokranen 
Lacertiliern die Tejidae die den Amphisbaenia relativ am nachsten 
stehende Familie zu bilden scheinen; letztere haben sich sonach 
in der Nahe derselben vom kionokranen Stocke abgezweigt und 
unter Degeneration der einen, unter héherer Entwickelung der 
anderen Strukturen einseitig weiter entwickelt. 

Die Amphisbaenia sind jedenfalls zu den héher stehenden 
Abteilungen der Lacertilier zu rechnen. Sie haben von kiono- 
kranen Lacertiliern mit einer aus 8 Wirbeln bestehenden Hals- 
wirbelsiule Ausgang genommen; aber vermutlich hat sich, worauf 
die Verhaltnisse der Plexus brachiales und die Lage der coraco- 
scapularen Rudimente bei den untersuchten Trogonophidae und 
Amphisbaenidae mit Wahrscheinlichkeit hinweisen, in ihrer weiteren 
Entwickelung eine rostralwirts gehende Wanderung der vorderen 
Extremitat mit Verminderung der Zahl der Halswirbel vollzogen. 
Die Untersuchung von Chirotes wird diese Frage mit Sicherheit 
lésen (vergl. auch p. 544, 576). 

Zu der iblichen Einteilung der Amphisbaenia, deren Dif- 
ferentialmerkmale der Zahneinfiigung und der praéanalen Poren an 
sich keinen grofen diagnostischen Wert haben, stehen gewisse 
osteologische Charaktere, namentlich die Art der Degeneration 
des Brustschulterapparates (p. 259—265) nicht im Einvernehmen. 
Danach schliefen sich die mit relativ spitzem Schwanze versehenen 
mediterranen Gattungen Trogonophis und Blanus naiher zusammen 
und stellen sich den stumpfschwanzigen Genera Amphisbaena, 
Anops, Monopeltis, Rhineura und Lepidosternon aus Amerika 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 619 


und dem tropischen Afrika gegeniiber'). Bereits Beprraca (1884) 
und SMALIAN (1885) haben auf Besonderheiten der mediterranen 
Vertreter der Amphisbaenia aufmerksam gemacht und ich konnte 
auf den von mir genauer untersuchten Gebieten diese Anschauungen 
bestatigen. Eine Revision des Systemes der Amphisbaenia scheint 
mir erwitinscht zu sein. Provisorisch, mehr in der Form einer 
noch genauer zu priifenden Frage, schlage ich vor, die extremitaten- 
losen Amphisbaenier in die Subfamilien der Trogonophinae s, 
Amphisbaenidae oxyurae (die mediterranen Gattungen 
Trogonophis und Blanus) und Amphisbaeninae s. Amphis- 
baenidae amblyurae (die tibrigen Amphisbaenen aus dem 
amerikanischen und afrikanischen Faunengebiet) zu sondern; ob 
Chirotes zu diesen zu rechnen sei oder eine Subfamilie fiir sich 
(Chirotinae) bilde, kann ich wegen mangelnder eigener Unter- 
suchung nicht angeben. 


e) Chamaeleontia. 


Die Chamaeleontia oder Rhiptoglossa werden durch die eng 
geschlossene procéle, akionokrane?), akrodonte Familie der Cha- 
maeleontidae gebildet, welche ganz vorwiegend Afrika be- 
wohnen und nur mit wenigen Species sich nach Westasien und 
Siideuropa ausgebreitet haben; als eigentliche Ausgangsstatte ist 
Madagaskar anzusprechen, wo die weitaus gréfere Halfte derselben 
lebt. Die ganze Organisation der Chamaeleontidae zeigt mit sehr 
zahlreichen inneren und éuferen Merkmalen die durchaus selb- 
standige Stellung dieser Abteilung gegeniiber den anderen Lacer- 
tiliern; die Halswirbelsaule besteht aus nur 5 Wirbeln. Weitaus 
die meisten Autoren haben die Chamaeleontier mehr oder minder 
weit von den tibrigen Lacertiliern entfernt, einige sogar (worunter 
namentlich BouLENGER 1887, 1891) zu einem den Lacertilia vera 
und Ophidia gleichwertigen Subordo (Rhiptoglossa WrEGMANN) er- 
hoben. Andere, z. B. Cope (1889), treten fiir eine nahere Be- 
ziehung zu den anderen Lacertiliern ein, Cope stellt sie als ein- 
fache lacertile Superfamilie Rhiptoglossa gleich neben die Acro- 
dontia (Agamidae). Ich folge gleich HaArcKEL (1895) vornehmlich 
der von STannius (1856) gegebenen Aufstellung, wonach sie eine 


1) Ueber die zwischen Anops und Monopeltis stehende Gattung 
Geocalamus sowie iiber die Trogonophis verwandten Genera Pachy- 
calamus und Agamodon habe ich keine Erfahrung. 

2) Die Angabe Dotuo’s (1884) von der Anwesenheit einer 
Columella konnte nicht bestitigt werden (vergl. auch Baur 1889). 


620 Max Firbringer, 


besondere, den Lacertilia vera gegeniiberstehende Unterordnung 
der Lacertilier bilden, welche sich durch eine relativ hohe Dif- 
ferenzierung und eigenartige, einseitige Entwickelung von diesen 
abhebt. Ankniipfungen an die kionokranen Lacertilier waren bisher 
unbekannt geblieben, bis mir die geradezu erstaunliche Fiille ge- 
meinsamer Merkmale von demselben Quale, wenn auch von ver- 
schiedener gradueller Ausbildung die kionokranen und amphicdélen 
Uroplatidae als unverkeunbare Verwandte der Chamaeleontidae 
ergab (p. 610 f.). Wenn auch die héher stehenden Chamaeleontidae 
nicht als direkte Descendenten der tieferen Uroplatidae ange- 
sprochen werden kénnen, so zeigen doch die letzteren einen Reichtum 
von Charakteren aus allen Organsystemen, die bei hoherer Ent- 
wickelung direkt zu der Organisation der Chamaeleontidae fiihren. 
Die Heimat beider ist dieselbe. Bemerkenswert erscheint mir auch, 
daf die Uroplatidae auf den ersten Blick durchaus nicht die 
specifische Differenzierungsrichtung erkennen lassen, welche in 
héherer Ausbildung zu den Chamaeleontidae fiihrte; in diesem 
unscheinbaren, primitiven Verhalten spricht sich leise, aber ein- 
dringlich der vorbereitende Ausgang fiir die markant ausgebildeten 
und fixierten Eigentiimlichkeiten der Chamaeleontia aus. 


Zusammenfassung: Der Superordo der Streptostylica 
(Squamata, Lepidosauria) besteht aus den beiden Ordnungen der 
Lacertilia und Ophidia, von denen die erstere die viel- 
gestaltigste ist und zugleich die primitiveren Formen enthalt, 
waihrend die letztere (die hier nicht weiter behandelt wird) einen 
einseitig und relativ héher entwickelten Zweig darstellt. 


Ordo Lacertilia. 


I. Subordo Lacertilia vera. Schr mannigfaltig gestaltete und 
zugleich die primitivsten Lacertilier enthaltende Unterord- 
nung. Bei den typischen Vertretern 8 Halswirbel; amphi- 
céle (Geckonidae, Telerpetidae, Uroplatidae) oder procdle 
Wirbel (iibrige Lacertilia vera). In der Regel mit Co- 
lumella. Clavicula und Episternum bei den typischen Ver- 
tretern (mit gut ausgebildeten Gliedmafen) meist gut ent- 
wickelt. 

1. Gens Nyctisaura s. Geckonomorpha. 
Fam. Geckonidae. 
» Eublepharidae. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 621 


2. Gens Py gopodomor pha. 
Fam. Pygopodidae. 
3. Gens Leptoglossa s. Autosauromorpha. 
o) Superfam. Scinco-Lacertae. 
Fam. Scincidae, Anelytropidae, Dibamidae. 
»  Gerrhosauridae. 
»  Lacertidae. 
3) Superfam. Teji. 
Fam. Tejidae. 
» Aantusiidae. 


4. Gens Diploglossa s. Anguimorpha. 
a) Superfam. Zonuri. 
Fam. Zonuridae. 
-  £) Superfam. Angues. 
Fam. Anguidae. 
»  Anniellidae. 


vy) Superfam. Helodermates. 
Fam. Helodermatidae. 

0) Superfam. Xenosauri *). 
Fam. Xenosauridae. 


5. Gens Pachyglossa s. Eunota s. lguanomorpha. 
Fam. Telerpetidae ”). 

Tguanidae. 

Agamidae. 


6. Gens Gecko-Chamaeleontes s. Uroplatimorpha. 
Fam. Uroplatidae. 


II. Subordo Platynota s. Varano-Dolichosauria. Terrestre, aber 
meist wasserliebende oder dem Wasserleben mehr oder 
minder angepafte procéle und kionokrane Lacertilier mit 
9—17 Halswirbeln. Hoéher stehend als die meisten Lacer- 
tilia vera. Wahrscheinlich von primitiven Anguimorpha ab- 
gezweigt. Clavicula und Episternum gut entwickelt. 


1. Gens Varanomorpha. 
Fam. Varanidae. 


1) Die Xenosauri bilden eine intermediare Superfamilie zwischen , 
Anguimorpha und Iguanomorpha. 

2) Die systematische Position der Telerpetidae an dieser Stelle 
erscheint nicht gesichert. 

3) Eventuell auch 2 oder mehr Familien. 


622 Max Firbringer, 


2. Gens Dolichosauromorpha. 
Fam. Aigialosauridae. 
»,  Dolichosauridae. 


III. Subordo Mosasauria. Dem Wasserleben vollkommen ange- 
paBte procéle und kionokrane Lacertilier mit 7—10 (?) Hals- 
wirbeln. Wohl tiefer stehend als der vorhergehende Subordo. 
Vermutlich in der Nahe derselben, aber friiher vom gemein- 
samen Stock der Lacertilia abgezweigt. Clavicula erheblich 
oder ganzlich riickgebildet, Episternum vorhanden. 

Gens Mosasauromorpha. 
Fam. Mosasauridae 4). 


IV. Subordo Amphisbaenia. Erdlebende, schlangenahnliche, procdéle 
Lacertilier ohne Columella und wahrscheinlich durchweg 
mit weniger als 8 Halswirbeln. Héher stehend als die 
Mehrzahl der Lacertilia vera. Wahrscheinlich von primi- 
tiven Autosauromorpha (Teji) abgezweigt. Clavicula und Epi- 
sternum ganzlich reduziert. 

Gens Amphisbaenomorp ha. 
Fam. Amphisbaenidae (vielleicht mit den Sub- 
familien Chirotinae, Trogonophinae s. Amphis- 
baenidae oxyurae und Amphisbaeninae s. 
Amphisbaenidae amblyurae). 


V. Subordo Chamaeleontia. Baumlebende procdéle Lacertilier ohne 
Columella und mit 5 Halswirbeln. Hoher stehend als die 
Lacertilia vera. Von primitiven Uroplatimorpha abgezweigt. 
Clavicula und Episternum vollkommen riickgebildet. 

Gens Chamaeleontomorpha. 
Fam. Chamaeleontidae. 


II. Rhynchocephalia, Acrosauria, Microsauria}), 


Der einzige tiberlebende Reprasentant der Rhynchocephalier, 
der neuseelindische Sphenodon (Hatteria), ist wohl von simt- 
lichen Untersuchern als ein mehr oder minder primitives Reptil 
beurteilt worden; als die wesentlichsten Charaktere seines Baues 
hat man amphicéle Wirbel, 8 Halswirbel, 2 Schlafenbogen, Moni- 
mostylie, ziemlich breite Columella, gut und primitiv ausgebildete 


1) Vergl. auch p. 276—297, p. 369, 374—393, p. 459, sowie 
die betreffenden Ausfiihrungen sub § 16 A—C, p. 521—592. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 623 


Extremitatengiirtel und Extremitaéten, sehr entwickeltes Para- 
sternum, Humerus mit 2 Nervenkanalen, akrodonte Zahne und 
eine lacertilierartige Afteréffnung angegeben. 

Gray (1842, 1845), Perers (1870) und Osawa (1898—99) 
haben ihn den kionokranen Lacertiliern und zwar den Agamidae 
einverleibt oder wenigstens dieser Familie ganz nahe_ gestellt; 
andere haben ihn bei den Lacertiliern (im weiteren Sinne) belassen, 
aber ihn von den Agamidae entfernt, so z. B. Huxiey (1873), 
der ihn mit den Ascalabota (Geckonidae), Homoeosauria und Pro- 
terosauria zu den Kionokrania amphicoelia verband und den an- 
deren Lacertiliern gegentiberstellte, oder Horrmann (1890), der 
ihn als Vertreter einer selbstandigen Familie an den Anfang der 
Lacertilia sensu lat. brachte. Eine Abtrennung von den Lacer- 
tiliern erfolgte durch GUNTHER (1867), der ihn zum Reprisen- 
tanten des besonderen Ordo Rhynchocephalia erhob und mit den 
ihm gleichwertigen Ordnungen der Ophidia und Lacertilia zu den 
Squamata verband. Die im wesentlichen gleichen systematischen 
Anschauungen wurden von Baur (1887), LyDEKKER (1888), ZITTEL 
(1889), D6pERLEIN (1890) und, wenn ich recht verstehe, Bou- 
LENGER (1895), sowie HAECKEL (1895) vertreten1); und ebenso 
entschieden sich Rerzrus (1884, 1899), Gaupp (1899) und ScHau- 
INSLAND (1899) fiir die selbstandige Stellung von Sphenodon in der 
nachsten Nahe der Lacertilier (,mit sehr starkem Ueberwiegen 


1) Baur (1887) betont zugleich die sehr nahen Beziehungen 
der Rhynchocephalia zu den Ichthyopterygia und Squamata. LyprKKEr 
(1888) verbindet die Ordines Squamata (mit den Subordines Ophidia, 
Pythonomorpha, Dolichosauria und Lacertilia), Rhynchocephalia (mit 
den Subord. Homoeosauria und Sphenodontina) und Proterosauria zu 
dem Streptostylic Branch, wobei allerdings beziiglich der Rhyncho- 
cephalia und Proterosauria die Bezeichnung Streptostylica nicht ganz 
glicklich gewahlt ist. Zrrren, (1889) stellt die Rhynchocephalia im 
System zwischen die Theromorpha und Lepidosauria und hebt ihre 
nahe Stellung zu den letzteren unter Mitteilung der Thatsache, dab 
sich alle alteren Vorlaufer der Lepidosaurier an die Rhynchocephalier 
mehr oder weniger eng anschliefen, hervor. Aehnliche Anschau- 
ungen vertreten DépErLEIN (1890) und HakrcKken (1895), welcher 
letztere die Rhynchocephalia als Tocosauria, d. h. Stammformen 
der Saurier, an den Antang der Reptilien stellt und zusammen mit 
den Squamata als tiefen Seitenast von den Proreptilia entspringen 
laft. BouLencer (1893) hebt als vermittelnde Zwischenform zwischen 
den Squamata und Rhynchocephalia die Acrosauria hervor. Baur 
scheint spaiter (1895) auf Grund der Bildung der Schlafengegend 
zur Anschauung einer noch selbstandigeren Stellung der Rhyncho- 
cephalia gegeniiber den Lacertilia und Ophidia gekommen zu sein. 


624 Max Firbringer, 


der Sauriercharaktere“ ScHAavurnstAnp). BOoULENGER (1889) be- 
tonte, da die Affinitéten zu den Lacertiliern und Cheloniern gleich 
grofke seien, Gapow (1899), daB er weder zu den Crocodiliern 
noch zu den Lacertiliern gehére, aber der Wurzel beider nahestehe. 
Cope (1887, 1889) entfernte ihn resp. die Rhynchocephalier giinz- 
lich von den Squamata (Streptostylica) und vereinigte sie mit den 
Cheloniern und Sauropterygiern auf Grund der Verbindung des 
Quadratum mit dem Schidel zu den Synaptosauria (1887) oder 
stellte sie zwischen die Crocodilier und Chelonier (1889). 

Die sehr primitive Stellung von Sphenodon ist namentlich 
von Baur und Haxcker (die aber Palaeohatteria und Protero- 
saurus als noch tiefer stehende Rhynchocephalier anfiihren) sowie 
von Gapow (welcher Sphenodon als niederstes Reptil, welches 
wir kennen, bezeichnet) betont worden ; auf primitive Ziige und Reten- 
tionen im Skelettsystem haben unter Anderen ZirreL (1889), Bou- 
LENGER (1889) und GeGENBAUR (1898), auf primitive Verhaltnisse in 
der Muskulatur (ungeteilte Muskeln, Existenz verschiedener kleiner, 
bei Lacertiliern fehlender Muskeln) Perrin (1894) hingewiesen. 

Ich konnte gleichfalls eine grofBe Anzahl primitiver Ziige 
namhaft machen, fand aber zugleich im Skelet, namentlich aber 
in der Muskulatur Bildungen, die zum Teil héher standen als die 
entsprechenden der tieferen unter den kionokranen Lacertiliern 
und nicht durchweg als nur generelle zu beurteilen waren. Die 
Lacertilier zeigten zudem, vermége der gréferen noch vorhandenen 
Zahl ihrer lebenden Vertreter, eine weit grifere Mannigfaltigkeit 
primitiver Bildungen als Sphenodon, der ziemlich friihzeitig schon 
seinen bestimmten und in gewissem Sinne besonderen Weg ein- 
geschlagen haben mag (p. 531, 550, 555 f., 589—592). 

Kin Blick auf die Gesamtheit der Organisation ergicbt auch 
mir Sphenodon als einen sehr tiefstehenden Vertreter der Rep- 
tilien, der eine tiberwiegende Summe primitiver Merkmale gewahrt 
hat; aber ich glaube, daf diese Merkmale von einzelnen Autoren 
etwas tiberschitzt und einseitig allzu sehr in den Vordergrund 
gestellt worden sind. Andere Merkmale, wie z. B. die Unbeweg- 
lichkeit des Quadratum (Monimostylie), die Akrodontie, die Be- 
schaffenheit von Clavicula, Episternum und Parasternum, sowie 
die besondere Bildung mehrerer Muskeln an Schulter- und Becken- 
giirtel, vorderer und hinterer Extremitit (vergl. p. 591, 592, sowie 
Perrin 1894) zeigen eine Differenzierung, die nicht mehr als eine 
primitive und generelle, sondern als eine héher stehende, sekun- 
dare und einseitig specialisierte anzusprechen ist. Jedes tiefer 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 625 


stehende Tier kann vereinzelte héhere Ziige aufweisen, die sich 
aber gegeniiber der viel gréferen Summe primitiver Differen- 
zierungen nicht hervorheben und den in toto primitiven Cha- 
rakter nicht zu beeintrachtigen imstande sind. Dies gilt fiir 
Sphenodon nicht. Hier beeintriichtigen und modifizieren die 
specialisierten Ziige den gewil} vorwiegend primitiven Charakter 
doch derart, daf es mir unméglich erscheint, von ihm die Lacer- 
tilier oder irgend welche anderen mir bekannten Reptilien direkt 
abzuleiten; bei den Geckonidae z. B. tiberwiegen — trotz ver- 
schiedener Specialisierungen, die es auch verbieten, sie zum Aus- 
gange fiir Sphenodon zu machen — die primitiveren Ziige mehr 
und weisen ihnen unter den lebenden Reptilien eine tiefere Stelle 
als Sphenodon an. 

Hinsichtlich der verwandtschaftlichen Stellung von Sphenodon 
zu den Lacertiliern komme ich in der Hauptsache zu den gleichen 
Resultaten wie diejenigen unter den oben angefiihrten Autoren, 
welche ihn als nahen Verwandten der Lacertilier an- 
fiihren, erblicke aber allein schon in der Monimostylie') eine 
Barricre, welche jede Vereinigung beider unmdglich macht und 
eine friihe Scheidung anzunehmen zwingt. Von einer Einver- 
leibung in die Lacertilier und insbesondere in oder in die Nahe 
der Agamidae kann fiir mich keine Rede sein; auBer der Monimo- 
stylie, deren trennende Bedeutung Osawa’s diesbeziigliche Aus- 
fiihrungen nicht zu erschiittern vermochten, existiert eine Fiille 
von grundlegenden Differenzen im Skelett-, Muskel- und Nerven- 
system, welche die Annahme so intimer Beziehungen durchaus 
verbietet. Mehrfache grofe Aehnlichkeiten zwischen Sphenodon 
und den Agamidae existieren; der gréBere Reichtum bedeutsamer 
Differenzen la8t sie jedoch nur als Parallel- resp. Konvergenz- 
Analogien beurteilen. 

Muf somit Sphenodon trotz der erwahnten relativ nahen 
Beziehungen zu den Streptostylia, speciell den kionokranen 
Lacertilia, doch scharf von ihnen auseinanderge- 
halten, in die gleiche Héhe oder selbst hoéher als 
deren tiefere Vertreter gestellt und in mancher Be- 
ziehung sogar als Specialist aufgefaft werden, so gilt nicht 
dasselbe von den noch primitiveren und alteren fossilen 


1) Die Existenz von Knorpel am dorsalen Ende des Quadratum 
(p. 599 Anm. 1) bezeugt iibrigens, das die Monimostylhe von 
Sphenodon jiingeren Datums ist. 


626 Max Firbringer, 


Vertretern der Rhynchocephalia. Die mesozoischen 
Rhynchocephalia vera (mit den Familien der Homoeo- 
sauridae, Rhynchosauridae [nach Entfernung von Hyperodapedon| *) 
und Sauranodontidae) stehen nicht tiefer als Sphenodon (Hatteriidae), 
die Sauranodontidae zufolge der Procélie ihrer Wirbel und anderer 
Specialisierungen im Schidel und Gebifi (Riickbildung) ?) selbst 
héher als dieser. Dagegen nehmen die in der Hauptsache per- 
mischen Proterosauria (mit den Familien der Palaeohatteriidae, 
Kadaliosauridae(?), Proterosauridae, Hyperodapedontidae‘) und 
Champsosauridae) abgesehen von den — auch jiingeren — Champso- 
sauridae (Kreide und Eocan) in zahlreichen ihrer Merkmale eine 
unverkennbar tiefere Stufe als der noch lebende Vertreter ein, 
und unter diesen ist es wieder die alteste P&laeohatteria aus dem 
untersten Perm, welche durch eine grofe Summe von Merkmalen 
eine wesentlich primitivere Organisation als Sphenodon aufweist und 
sich unter den bisher besser bekannten Reptilien mit als  tiefstes 
dokumentiert *). Immerhin reprasentiert Palaeohatteria nicht den 
tiefsten denkbaren Reptilientypus (der von den Geckonidae aus 
auf direktem Wege zu gewinnen ist), auch sind wichtige Ziige 
ihres Baues, so das Verhalten ihres Quadratum noch nicht be- 
kannt; da aber nach Anordnung der Schlafenbogen eine Ver- 
wachsung desselben mit dem Schadel wahrscheinlich ist, liegt auch 
hier eine monimostyle, also nicht primitive, Differenzierung vor. 


Intermediare Formen zwischen Rhynchocepha- 
liern und Lacertiliern sind aus 4lteren und _ jiingeren 
Schichten mit Wahrscheinlichkeit bekannt, aber als solche noch 
nicht ausreichend und sicher erkannt worden. 

Die Acrosauria sind, soweit bekannt, jiingeren Datums 
(Jura) und reprasentieren dem Wasser angepafte, schlangenartige 


1) Vergl. Anm. 3 auf p. 559. 

2) Im iibrigen zeigt das Gebif der Rhynchocephalia hinsicht- 
lich ihres auch palatodonten Vorkommens (Kiefer, Vomer, Palatinum, 
Pterygoid) eine fast noch tiefere Stufe als das der Lacertilier und 
und Ophidier, verhalt sich aber hinsichtlich der Einfiigung der 
Zahne (Akrodontie) gleichmafiger. 

3) Harcken (1895) giebt bei Palaeohatteria gegeniiber den 
anderen monocondylen Rhynchocephaliern paarige occipitale Con- 
dylen an, somit ein Verhalten, das, wie es scheint, demjenigen der 
Geckonidae nahekommt, falls nicht damit eine amphibienihnliche 
Struktur gegeben ist. Ich habe iiber diese Dicondylie von Palaeo- 
hatteria keine eigene Erfahrung. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 627 


Reptilien, bei denen sich lacertile Schadelstrukturen mit rhyncho- 
cephalen Differenzierungen des Parasternum und der Gliedmafen 
verbinden. Sie scheinen danach als besonderer Zweig zwischen 
Lacertiliern und Rhynchocephaliern zu stehen. Doch ist auch 
méglich, daf spatere Degenerationen an den Temporalbogen und 
dem Parasternum nur zu einer sekundéren, genealogisch nicht viel 
bedeutenden Parallele mit den Lacertiliern fiihrten. Ueber ihre 
Anfange und ihre Entstehung aus terrestren Formen ist nichts 
bekannt. 

Viel wichtiger sind die Formen aus dem unteren Perm, wie 
Kadaliosaurus und wie die mit Wahrscheinlichkeit als Reptilien 
erkannten Microsaurier Hylonomus und Petrobates, deren 
uns bisher bekannte Organisation vorwiegend rhynchocephale 
Strukturen zeigt, mit denen sich aber auch lacertile Merkmale 
mengen. Dabei sei nicht unerwabnt gelassen, daf die reptilische 
Natur von Hylonomus noch nicht so gesichert ist wie die von Kadalio- 
saurus und Petrobates, und daf Petrobates als sehr kleines Wirbel- 
tier mit relativ kurzem Halse (wie es scheint, mit weniger Hals- 
wirbeln als die oktospondylen Rhynchocephalier) ein besonderes 
Interesse als vielleicht am tiefsten stehendes bekanntes Reptil be- 
anspruchen darf. Da uns jedoch die Kenntnis fiir die Differential- 
diagnose wesentlicher Teile noch abgeht, so ist es, wie schon oben 
bemerkt, zur Zeit unméglich zu entscheiden, ob hier primitive 
Rhynchocephalier oder Lacertilier oder Zwischenformen zwischen 
beiden vorliegen, ob eventuell gemeinsame Ahnen beider Ord- 
nungen unter ihnen sich finden. Hier liegen noch ungehobene 
Quellen reichster Erkenntuis, und es sei hinzugefiigt, da’ Fahrten- 
abdriicke aus dem Karbon (Dromopus MArsn 1894) der 
bisher nur theoretisch gerechtfertigten Annahme, daf schon hier 
primitive Lacertilier oder gemeinsame Stammformen *von Lacer- 
tiliern und Rhynchocephaliern existieren, einen gewissen thatsich- 
lichen Untergrund geben. 


IV. Ichthyopterygia’). 


Die Ichthyopterygier repriisentieren meistens grofe, kurz- 
halsige, vollig an das Wasserleben angepafte amphicéle Reptilien 
mit maxillodonten, thekodont oder holkodont dem Kiefer einge- 
fiigten, bei einzelnen auch ginzlich riickgebildeten Zahnen, die 


1) Vergl. auch p. 307—311 und die betreffenden Ausfihrungen 
sub § 16 A, p. 521—571. 


628 Max Firbringer, 


bisher nur im mesozoischen Zeitalter (Muschelkalk bis Kreide), 
von Anfang an in mehr oder minder vollkommener Ausbildung 
ihrer Gestalt gefunden wurden. 

Auf den ersten Blick zeigen die Ichthyopterygier eine unge- 
mein einfache Gestaltung ihrer flossenartigen Extremitaten, die sie 
friiher als sehr primitive Formen auffassen und tiefer als die 
iibrigen Reptilien stellen lie’ (BLAINVILLE 1835, GeGENBAUR 1865, 
1870, Harckent 1868, 1870 und folgende Jahre u. A.)"); auch 
spiter sind sie noch von Cope (1887, 1889) allen anderen Rep- 
tilien gegentiber und an deren Anfang gestellt worden. Es ist 
das grofe Verdienst von HAECKEL, mit diesen Anschauungen einer 
primitiven Gestaltung der Ichthyopterygier gebrochen zu haben, 
indem er bereits 1866 den Gedanken aussprach, daf die Hali- 
saurier (Ichthyopterygier und Sauropterygier) von terrestren Ahnen 
abstammten; diese Anschauung ist von Voer (1881) und nament- 
lich von Baur (1886 —1894) des weiteren verfolgt und begriindet 
worden und hat sich jetzt wohl allgemeine Geltung erworben. 
Baur hat insbesondere auch auf zahlreiche Uebereinstimmungen 
des morphologischen Baues der Ichthyopterygier mit den Rhyncho- 
cephaliern aufmerksam gemacht und gegenitiber der mit véllig aus- 
gebildeten, homéomeren Flossen versehenen Hauptmasse der Ichthyo- 
saurier (Ichthyosauridae) auf alteste Formen aus der Trias (Mixo- 
sauridae) hingewiesen, bei denen diese Homoéomerie noch nicht 
auf den noch verlangerten und seinen terrestren Ursprung ver- 
ratenden Vorderarm sich ausgedehnt hatte. 

CoNYBEARE (1821) hat bekanntlich die kurzhalsigen Ichthyo- 
pterygier und die langhalsigen Sauropterygier (siehe unten sub VI) 
zu einer gemeinsamen Abteilung vereinigt, die er Enaliosaurier 
benannte. Owen (1839) begriindete die grofen Differenzen beider 
und schied sie in die beiden Ordnungen der Ichthyopterygier und 
Sauropterygier. H. v. Meyer (1847—1855) bezeichnete die Enalio- 
saurier (Halisaurier) als Nexipodes, wies aber gleichfalls auf die 
fundamentale Verschiedenheit der von ihnen umfaften Ichthyo- 
pterygier (Brachytracheli) und Sauropterygier (Macrotracheli) hin. 
In der Zeit danach sind Ichthyopterygier und Sauropterygier von 
den verschiedenen Autoren einander bald mehr genahert, bald mehr 
entfernt worden. HarckEL (1895), der dieser Frage viel Nach- 


3) Hour (1814—1819) rechnete sie sogar den Fischen zu. 
Buarnvittn (1835) stellte sie allen Amphibien und Reptilien gegen- 
iiber. Ihre Reptiliennatur ist bekanntlich bereits von Cuvimr (1826) 
in tiberzeugender Weise dargethan worden, 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 629 


denken gewidmet, halt trotz der von ihm vollkommen anerkannten 
grofen Differenz in dem Baue beider Abteilungen doch ihre Ab- 
stammung von einem gemeinsamen mesosaurier-artigen Ahnen fiir 
das Wahrscheinlichere; ihm folgt BurckHArRDr (1895). Baur 
(1886 und folgende Jahre) andererseits tritt wohl am_ ent- 
schiedensten fiir eine vollkommene Trennung beider ein. 

Nach eigener Priifung bin ich geneigt, in der Hauptsache 
Baur zu folgen. Sowohl die relativ nahe Verwandtschaft 
der Ichthyopterygier mit den Rhynchocephaliern 
wie die weite Entfernung von den Sauropterygiern 
scheinen mir hinreichend begriindet zu sein. 

Mit den Ichthyopterygiern beginnt die Reihe der monimostylen 
Reptilienordnungen, die fast durchweg ') als ausgemachte Specialisten 
zu bezeichnen sind. Unter diesen nehmen sie aber die relativ 
primitivste Stellung ein; friihzeitig, wohl schon im unteren Perm, 
haben sie sich vermutlich von alten rhynchocephalier-artigen ter- 
restren Formen’) abgezweigt und in zunehmendem Ma8e in marine 
umgeformt. Die uns erhaltenen Reste zeigen bereits die vdllige 
Anpassung an das Wasserleben; immerhin kénnen wir bei ihnen 
noch einige spatere Stufen dieser Ausbildung wahrnehmen: 
1) Mixosauria (Baptosauria HAECKEL) mit noch nicht auf Vorder- 
arm und Unterschenkel (Zeugopodien HaArckEL) ausgedehnter 
Homéomerie, 2) Longipinnata (Pontosauria HAEKEL) mit iiber die 
Zeugopodien ausgedehnter Homéomerie, Hyperphalangie und noch 
nicht oder erst in den Anfiingen in Erscheinung getretener Hyper- 
daktylie, 3) Latipinnata (Ichthyosauria und Baptanodontia HAECKEL) 
mit ausgebildeter Homéomerie, Hyperphalangie und Hyperdaktylie 
(mit zum Teil gegenseitiger Verschiebung der einzelnen Ab- 
schnitte)*). Damit geht eine zunehmende Vereinfachung der 
Konfiguration der einzelnen Komponenten (ahnlich wie wir sie an 
der Cetaceen-Flosse finden) Hand in Hand, welche allerdings das 
Bild einer héchst primitiven Gliedmafe entstehen lift; doch finden 
sich die ,,primitiven’’ Gliedmafen bei den spiiteren, nicht bei den 
friiheren Ichthyopterygiern. Zugleich dominiert die vordere Extre- 


1) Eine Ausnahme mache ich mit den generelle Ziige auf- 
weisenden Mesosauria (s. u. sub VII). 

2) Die Mesosaurier, welche zu den Sauropterygiern gewisse 
speciellere Beziehungen besitzen, kommen fiir die Ichthyopterygier 
nicht in Frage. 

3) Verschiedene Reduktionen kénnen dieses Bild wohl triiben, 
aber nicht ausléschen. 


630 Max Firbringer, 


mitét in ihrem am meisten ausgebildcten Zustande erheblich tiber 
die hintere; auch das ist ein Zeichen der sekundéren Anpassung 
an das Wasserleben. Diese specielle Anpassung erreicht bei den 
héchsten Formen der Ichthyopterygier eine Vollkommenheit, die 
von keinem Amnioten erreicht wird; auch darin liegt ein morpho- 
logischer Grund, der ein friihes Einsetzen der beginnenden An- 
passung bei noch recht primitiven und darum in ausgiebigem 
Mage umbildungsfahigen Tieren mit einigem Rechte voraussetzen 
laBt. 

Der genauere Grad der Verwandtschaft zu den Rhyncho- 
cephaliern ist zur Zeit schwer, jedenfalls nicht mit Sicherheit 
zu bestimmen. So nahe, wie z. B. die Mosasauria den Varano- 
Dolichosauria, stehen sie den Rhynchocephaliern nicht. Der Diffe- 
renzen sind im Einzelnen zu viele und zum Teil zu_tiefliegende, 
als dafS man dieselben durchweg auf sekundare Anpassungen 
zurickfiihren kénnte. Gliickliche Funde, welche uns die Vor- 
geschichte der Ichthyopterygier in der unteren Trias und im 
Perm enthiillen, miissen abgewartet werden. Bis dahin ist es ge- 
raten, sie als selbstandige Ordnung neben die Rhynchocephalier 
zu Stellen. 


V. Chelonia’). 


Wie klar uns auch der Bau der ausgebildeten Chelonier vor 
Augen liegt, so dunkel ist die phylogenetische Entwickelung der- 
selben. Die Altesten bekannten Reste begegnen uns erst in der 
oberen Trias, und diese stehen nicht tiefer als die noch lebenden 
Formen, gehéren zum Teil selbst den héchsten Typen derselben 
an. Alle bekannten Chelonier, auch die relativ am tiefsten stehen- 
den Vertreter derselben, kennzeichnen sich neben gewissen primi- 
tiven Ziigen, namentlich im distalen Bereiche der Extremititen, 
die etwas an Rhynchocephalier erinnern, durch eine grofe Fille 
sekundarer und besonderer Differenzierungen, die einen langen 
oder energischen einseitigen Entwickelungsgang voraussetzen lassen. 

Es sei unter anderem an die Bildung des Riicken- und 
Bauchschildes und die in Korrelation dazu héchst mannigfaltigen 
Gelenkungen der frei bleibenden Wirbel, die Reduktion der Zahne, 
die vielen Besonderheiten der Kingeweide erinnert. Wenig andere 
Reptilienordnungen sind zu solcher Specialisierung gelangt. 


1) Vergl. auch p. 311—321 und die betreffenden Ausfiihrungen 
sub § 16 A—C, p. 521—595. 


_” 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 631 


An die Stelle der alteren, zum Teil unzulinglichen Einteilungen 
der Chelonier sind die vollkommeneren taxonomischen Arbeiten 
namentlich RGTIMEYER’s (1872, 1873), Copr’s (1871 —1875), DoLLo’s 
(1886) nnd Baur’s (1889—1896) getreten und von den mafgeben- 
den neueren Systematikern unter Vorkehrung bald dieses, bald 
jenes Punktes angenommen worden. Cope (1889), BoULENGER 
(1889) und Lyprekker (1889), unterscheiden die beiden Haupt- 
abteilungen (Subordines) der primitiven lederhiiutigen Athecae !) 
und der héher stehenden panzerhiutigen Thecophora; die kleine 
Abteilung der Athecae wird durch die Familie der Sphargidae 
reprisentiert, die grofe der Thecophora durch die Superfamilien 
oder Sektionen der Trionychoidea, Cryptodira?) und Pleurodira 2), 
denen LypEKKER noch die rein fossilen Amphichelydidae zufiigt. 
Die Pleurodira werden allgemein gegentiber den Cryptodira als 
die héheren Formen angesehen, die Trionychoidea bald (Corr, 
LYDEKKER) vor die Cryptodira als tiefste, bald (BouULENGER, Ly- 
DEKKER) hinter die Pleurodira als héchste Chelonier gestellt. 
HaArckeL (1895) verbindet Athecae (Dermochelya HAarckeL) und 
Trionychoidea (Diacostalia Baur, HArckeL, Chilotae WrEGMANN, 
Baur) zu der tiefer stehenden Sublegion der Bursochelya, Cryptodira 
und Pleurodira zu der héheren Sublegion der Cerachelya. Baur 
(1889, 1890) und Zirren. (1889) ziehen die Abteilung der Athecae 
wieder ginzlich ein*), indem sie dieselben als einfache Familie 
den Cryptodira einreihen, und unterscheiden somit nur die 3 Unter- 
ordnungen der am tiefsten stehenden Trionychia, der Cryptodira 
und der am héchsten stehenden Pleurodira; Zrrren. betrachtet 
hierbei, wenn ich ihn recht verstehe, die Sphargidae als die primi- 
tivste Familie der Cryptodira und stellt sie vor die Chelonidae, 
Baur geht noch weiter, indem er die Sphargidae von den Chelo- 
nidae ableitet und als unter Riickbildung ihres Panzers speciali- 
sierte Abkémmlinge derselben auffaBt. 


1) Fiir die primitive und isolierte Stellung der Sphargidae sind 
auch Spenxy (1880), Dotno (1886, als hauptsichlichster Begriinder 
dieser Stellung), Smuira Woopwarp (1887) und GinruEr (1888) 
eingetreten. 

2) Bekanntlich hat Srannius schon vor nahezu 50 Jahren auf 
die differente Befestigungsweise des Beckens der Chelonier auf- 
merksam gemacht und die Cryptodira als Emydea streptopelyca von 
den Pleurodira, den Emydea monimopelyca, unterschieden. 

3) Auch Srannius (1856), Rirmeyer (1873), Huxiey (1873), 
Van Bemmecen (1896), Case (1897), Hay (1898) u. A. erkennen die 
separate und tiefe Stellung der Sphargidae nicht an; Srannius ver- 
einigt sie mit den Chelonidae zu den EKuereta. 

Bd, XXXIV. N, F. XXVIL 41 


632 Max Firbringer, 


Hinsichtlich der genealogischen Beziehungen der Chelonier 
zu anderen Wirbeltieren sind, wie schon erwahnt, die generalisierten 
und tiefstehenden Rhynchocephalier herangezogen worden. OWEN 
(1839), Corr (1871, 1887), Parker (1880), Baur (1887, 1888), 
LypEKKER (1889), HuLKr (1892) u. A. haben namentlich im Bau 
des Kopfes, sowie des Brustschulter- und Beckengiirtels Zeichen 
der Verwandtschaft mit den Sauropterygierp gefunden. Von Zirren 
(1889) und Harcken (1875) wurde auf grofe Aehnlichkeiten im 
Schadel der theromorphen Anomodontia (Therochelonia SEELEY, 
chelycephale Theromora HAEcKEL) hingewiesen; Zirret halt es fiir 
tiberaus wahrscheinlich, da’ Theromorphen und Chelonier von ge- 
meinsamen Ahnen entsprungen sind, HArEcKEL hat selbst die direkte 
Abstammung der Chelonier von den Anomodontia vermutungsweise 
ausgesprochen. Baur (1894) findet in der specielleren Zusammen- 
setzung und Anordnung des einen (dem ganzen Komplex der 
Stegocephalen homologen) Schlafenbogens tibereinstimmende Ver- 
haltnisse bei Cheloniern, Sauropterygiern, Theromorphen und 
Mammalia. Rivimeyer (1873) endlich weist auf die Batrachier 
als den mutmaflichen Ausgang der Chelonier hin. 

Gegeniiber den verschiedenen Anschauungen tiber die Ein- 
teilung der Chelonier kann ich mich mit derjenigen, welche 
den Sphargidae einen besonders primitiven und isolierten Platz 
in der Reihe derselben anweist, nicht vereinigen. Eigene Unter- 
suchungen an Dermochelys coriacea haben mich tiberzeugt, daf 
das, was hier einfach erscheint, nur zum kleinsten Teile als wirk- 
lich primitiv beurteilt werden darf, dafi das meiste nur infolge 
von sekundiren Anpassungen an das Wasserleben und von Riick- 
bildungen der einstmals gewili hodher entfalteten Hautpanzer- 
bildungen sich vereinfacht hat. Dazu kommen zahlreiche Einzel- 
merkmale, welche Sphargis ein héhere Stellung anweisen als vielen 
anderen namentlich land- und sumpflebenden Cryptodira. Auch 
ich befiirworte mit Srannius, Baur, ZirreL u. A. eine nahere 
Verwandtschaft mit den Chelonidae, wenn ich auch nicht so weit 
gehen kann wie STannivs, der beide Familien zur Subordo Euereta, 
wenn ich recht verstehe seiner héchsten Abteilung der Chelonier, 
zusammenfaft. Meine Auffassung kommt am nachsten mit BAaur’s 
Anschauungen iiberein. Fiir mich bilden die Sphargidae und 
Chelonidae Familien der Cryptodira und stehen hier nicht unter den 
tiefsten Formen derselben. Auch Minani (1897) macht darauf auf- 
merksam, daf} Thalassochelys — Dermochelys konnte er nicht unter- 
suchen — den héchsten Typus der Chlelonierlunge reprisentiere. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 633 


Daf die Pleurodira héher stehen als die Cryptodira, daf fossile 
Zwischenformen beide verbinden, ist allgemein bekannt und aner- 
kannt und bedarf keiner besonderen Bekraftigung. Die Triony- 
choidea zeigten mir namentlich auch im Muskelsystem (p. 593 f.) 
gewisse Ziige, welche denen der anderen Chelonier gegentiber als 
primitiv zu beurteilen sind; damit verbinden sich aber wieder 
verschiedene sekundare Differenzierungen, welche das Bild ihrer 
relativ einfacheren Organisation gegeniiber den Cryptodira und 
Pleurodira etwas verwischen; immerhin bin ich geneigt, ihnen 
eine mehr isolierte Stellung zu geben und sie zu den tiefer stehenden 
Cheloniern zu rechnen. Doch ist hier noch viel zu untersuchen. 

Beziiglich der Stellungder Chelonierinder Reiheder 
Reptilien ist wohl alssicher anzunehmen, dal dieselben ausgemachte 
Specialisten von mittlerer Hohe reprasentieren; einzelne Ziige ihrer 
Organisation (Ausbildung von Riicken- und Bauchschild und die 
korrelativen Umbildungen dazu) sind selbst zu einem auferordent- 
lichen Grad von einseitiger Differenzierung gelangt. Sie stehen 
hoher als die bisher besprochenen Reptilien‘) und ihr morphologi- 
scher Bau ist zum tiberwiegenden Teil ohne grofe Miihe auf primitiv 
lacertile oder rhynchocephale Strukturen zuriickzufiihren. Manches 
erscheint von ganz abweichender und besonderer Art (z. B. der 
Brustschulterapparat), so daf es begreiflich und entschuldbar 
erscheint, wenn hier an direkte Anschliisse an Amphibien gedacht 
worden ist; doch geben auch hier die leider noch ungeniigend 
bekannten und auch nicht ganz primitiven Mesosaurier wenigstens 
einiges Licht. 

Von allen Reptilien-Ordnungen scheinen mir die Meso- 
saurier und Sauropterygier relativ die meisten Aehnlich- 
keiten mit den Cheloniern zu gewahren, und ich kann — zum Teil 
auf Grund eigener Untersuchung — den oben citierten Autoren von 
Owen bis HuLke nur folgen, wenn sie diese Aehnlichkeiten zum 
Ausdruck wirklicher Verwandtschaften machten ?). LYDEKKER hat 


1) Ihre Monimostylie ist eine intensivere und friither erworbene 
als die der Rhynchocephalier (cf. p. 599 Anm. 1 und p. 625 Anm. 1). 

2) Von Interesse ist der in noch ungeniigenden Resten bekannte 
Eunotosaurus aus dem Karroo (SrEtey 1892), dessen Pubis 
dem von Mesosaurus dhnlich ist, wihrend sein Rumpfskelett nach 
Sretey zu den Cheloniern tendirt. — Fir die Verwandtschaft 
der Chelonier mit den Sauropterygiern zieht auch Baur (1887) 
eine Beobachtung W. K. Parkur’s (1880) heran, der zufolge 61/, 
—§ lines (13 %/,—19 mm) lange Embryonen von Chelone viridis 

41 * 


634 Max Firbringer, 


dem auch darin Ausdruck verliehen, daf er diese drei Ordnungen 
zu dem Synaptosaurier Zweig!) der Reptilien vereinigte. Doch 
moéchte ich davor warnen, diese Verwandtschaften zu eng zu 
ziehen. 

Was die namentlich von Zirre, und Harcket behauptete 
Verwandtschaft mit den Theromorphen angeht, so existieren, 
wie wir namentlich auch durch SeeLtey (1894) und Baur (1894) 
wissen, gewisse gemeinsame Ziige in der Konfiguration beider 
Abteilungen, insbesondere am Schéidel; dieselben sind aber nicht 
ausschlieSlich auf Theromorphen und Chelonier beschrankt, sondern 
werden mit denselben auch von anderen Reptilien und selbst von 
den Siugetieren geteilt. Dem steht aber eine grofe Fiille von 
Charakteren gegeniiber, welche der Aufstellung speciellerer Ver- 
wandtschaftsverhaltnisse nichts weniger als giinstig sind. Ich kann 
daher nur recht allgemeine Relationen beider Ordnungen annehmen 
und kann mit dieser Annahme héchstens so weit gehen, dai ich 
die Synaptosaurier durch Vermittelung der Mesosaurier in sehr 
friiher Zeit in der Nihe der Theromorphen — méglicherweise! — 
entspringen lasse. Dagegen ist es mir unmoglich, auf den Schadel- 
bau der Anomodontia (chelygnathe Theromora), der am héchsten 
entwickelten und am meisten specialisierten Abteilung der Thero- 
morpha, specicllere Verwandtschaften mit den Cheloniern zu griinden 
resp. die letzteren von diesen héchsten Theromorphen abzuleiten. 
Die Theromorphen enden, soweit unsere paliontologische Kenntnis 
reicht, bereits in der altesten Trias”), die Chelonier treten, soweit 
wir uns auf wirklich vorhandene Reste berufen kénnen, erst in der 


15 cervicale Myotome zeigten, wihrend die Halswirbelsiule der 
erwachsenen Chelone aus nur 8 Wirbeln besteht, und denkt hierbei 
mit Parker an ein friiheres Sauropterygier-Stadium der Halslinge 
der embryonalen Chelone mit sekundirer Verkiirzung derselben. 
Wie schon oben (p. 544 f., Anm. 3) ausgefiihrt, erscheint die 
Parxer’sche Beobachtung und seine Deutung noch nicht geniigend 
gesichert. 

1) Urspriinglich von Corn mit den Ordnungen der Chelonia, 
Rhynchocephalia und Sauropterygia aufgestellt. Spatere Unter- 
suchungen, namentlich von Baur (1887), haben gezeigt, dal die 
dieser Benennung zu Grunde legenden Diagnosen eine Korrektur 
verlangten. 

2) Abgesehen von den noch bis zur Mitte der Trias reichenden 
Placodontia, die aber wegen ganz abweichender Organisation und 
ungeniigender Kenntnis nicht in Frage kommen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 635 


oberen Trias als ganz fertig ausgebildete Formen auf. Fiir den 
Anhianger der Kontinuitiétstheorie liegt darum gewil} etwas Ver- 
lockendes in dem Gedanken, daf die Theromorpha doch nicht 
vollig ausgestorben sind, sondern daf ihre letzten mehr oder minder 
zahnlos gewordenen Reste sich unter gewissen Umbildungen in 
die gleichfalls durch massigen Schidelbau charakterisierten und 
gewisse Schidelstrukturen mit ihnen teilenden Chelonia fort- 
gesetzt haben. Ich vermag indessen in der Aehnlichkeit der im 
Wesentlichen als plumpe Endformen zu _ beurteilenden Schadel- 
charaktere der Anomodontia nicht viel mehr aJs eine Analogie zu 
finden und erblicke in der sonstigen Organisation derselben eine 
Fiille von festgelegten Specialisierungen, die weder einen naheren 
Vergleich mit den entsprechenden Gebilden der Chelonier gestatten, 
noch es als wahrscheinlich erscheinen lassen, da’ von solchen 
Bildungen diejenigen der Chelonier sich hatten entwickeln kénnen. 
Weit mehr neige ich der Anschauung zu, daf die Theromorpha 
und namentlich die Anomodontia zufolge ihrer weit fortgeschrittenen 
Specialisierung nicht mehr imstande waren, sich in so erheblichem 
Grade Lebensbedingungen, wie sie die Chelonier-Existenz verlangt, 
noch anzupassen und so tief eingreifende Umbildungen einzu- 
eehen, wie hier vermutungsweise behauptet wird. Ihrer ganzen 
Organisation nach waren sie wegen mangelnder Anpassungsfahig- 
keit dem Untergange geweiht, und ich glaube, bis nicht weitere 
Funde mich anders belehren, nicht, da’ irgend ein Theromorphe 
die Trias oder das Secundir tberlebte. 

Die. speciellere Phylogenese der Chelonier ist somit meines 
Erachtens nach wie vor in Dunkel gehiillt und bleibt noch ein 
Problem. Hoffen wir, daf gliickliche paliontologische Funde in 
der friihen Trias und im Perm uns die wahren atheken Vor- 
fahren der bekannten Thecophora und die Abstammung und 
Wurzel derselben von dem gemeinsamen Reptilienstocke kennen 
lehren mégen! 


Vi. Sauroptery gia): 


Aehnlich den ihnen im grofen und ganzen gleichalterigen 
Ichthyopterygia sind die auf die mesozoische Zeit beschrankten 
Sauropterygier an das Wasser angepalte Reptilien, unterscheiden 


1) Vergleiche auch p. 321—336 und die betreffenden Aus- 
fiihrungen sub § 16 A, p. 521—571. 


636 Max Firbringer, 


sich aber durch ihren verlingerten Hals, durch die Bildung des 
Schidels und Schultergiirtels, sowie die ausgeprigte Heteromerie 
der einzelnen Abschnitte ihrer flossenartigen Extremitaten auf 
den ersten Blick wesentlich von ihnen. Auch die Wirbel mit ihren 
mibig konkaven oder nahezu planen Verbindungsflaichen, sowie 
zahlreiche andere Skeletteile sind nicht vom gleichen Typus wie 
die Ichthyopterygier. Ich habe mich darum bereits bei diesen 
ausgesprochen (p. 308 Anm. 1, 629), daf ich nahere Verwandt- 
schaften beider Ordnungen oder ihre Vereinigung zum Superordo 
(Legio) der Enaliosaurier (Halisaurier) nicht annehmen kann. 

Grover sind, wie bei den Cheloniern angegeben (p. 633 f.), 
die verwandtschaftlichen Beziehungen zu dieser Ordnung; doch 
habe ich gewarnt, dieselben nicht zu eng zu ziehen, und dies auch 
in den specielleren Ausfiihrungen dieser Abhandlung (p. 336) an 
dem Beispiele des Brustschulterapparates und der vorderen Ex- 
tremitat darzulegen versucht. Es ist nicht schwer, diese Gesichts- 
punkte auch auf Schadel, Rumpfskelet, Beckengiirtel und hintere 
Extremitat anzuwenden. 

Auch zu den Theromorpha existieren, wie namentlich 
SEELEY hervorgehoben hat, gewisse Beziehungen, welche zum Teil 
durch die Mesosauria vermittelt werden; dieselben sind aber noch 
fernere als die zu den Cheloniern. 

Endlich noch die Rhynchocephalia, die in verschiedener 
Hinsicht, insbesondere in der Bildung des Parasternum und ge- 
wisser Merkmale der Extremitaiten, recht deutliche Beziehungen 
darbieten, aber als nahe Verwandte der Sauropterygier gleichfalls 
nicht anzusehen sind. 

Daf die Sauropterygier von terrestren Formen abstammen, 
diirfte nach den Ausfiihrungen von HArEcKEL, VoaT und nament- 
lich Baur wohl allgemein angenommen sein. Den Ausgang bilden 
die triassischen Nothosauria (mit den Alteren Lariosauridae 
und den jiingeren Nothosauridae), deren Extremitiéten erst in be- 
ginnender Umbildung zur Flosse sich befinden und, namentlich 
bei den Lariosauridae, noch die Méglichkeit einer terrestren 
Lebensweise gestatten; die volle Ausbildung und Anpassung an 
das Wasser gewinnt die Ordnung mit den Plesiosauria (mit 
den Familien der Pliosauridae, Plesiosauridae und Elasmosauridae), 
bei denen die Flosse nur noch fiir Schwimmbewegungen tauglich 
erscheint. Damit verbindet sich die successive Verlingerung des 
Halses, die bei den Nothosauria 16—21, bei den Plesiosauria 
20—72 (wovon die niedrigeren Zahlen fiir die Phosauridae, die 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 637 


mittleren fiir die Plesiosauridae, die héheren fiir die Klasmosau- 
ridae gelten) betragt, somit Grade erreicht, die alles, was wir 
sonst in dieser Richtung bei Sauropsiden kennen, bei weitem tiber- 
steigt (p. 545 u. 575). Manche Autoren, z. B. Seeney (1892) und 
BouLENGER (1896), ziehen die Mesosauria noch in die gréfte 
Nahe der Sauropterygia oder als tiefste Abteilung in den Bereich 
derselben. Damit werden den Sauropterygia rein terrestre Formen 
von maliger Halslinge (10—11 Halswirbel) aus noch alteren 
Schichten (Perm und unterste Trias) zugefiigt. 


Die angefiihrte Reihe — Mesosauria, Nothosauria, Plesio- 
sauria resp. Mesosauridae, Lariosauridae, Nothosauridae, Plio- 
sauridae, Plesiosauridae, Elasmosauridae — _ verlockt foérmlich 


dazu, in ihr die wahre phylogenetische Entwickelungsreihe der 
héchsten marinen Formen von den niedrigsten terrestren zu er- 
blicken. Doch ist hier grofe Vorsicht geboten. Die genauere 
Untersuchung ergiebt noch nicht mit zweifelloser Sicherheit, daf 
die Mesosaurier wirklich zu den Sauropterygiern gehéren, und 
deckt auch verschiedene Ziige (einzelne Schaidelmerkmale, nament- 
lich aber Wirbelsiule, Schultergiirtel und Parasternum) auf, welche 
die Nothosaurier nicht in jeder Hinsicht als die primitiveren, die 
Plesiosaurier als die hochstehenden Vertreter der Sauropterygier 
beurteilen lassen. Ja selbst beziiglich der gegenseitigen Organisations- 
beziehungen der Notbosaurier und Plesiosaurier ist noch nicht 
alles aufgehellt. Wenn Srevey beide als selbstandige Ordnungen 
Nothosauria und Sauropterygia nebeneinander stellt, so ist dies 
von einem so genauen Kenner dieser Verhaltnisse gewi8 nicht 
ohne guten Grund geschehen. 

Die ganze Organisation und paldontologische Geschichte der 
Sauropterygier zeigt, daf dieselben bereits in wesentlich héherer 
Organisation im Vergleich zu den Ichthyopterygiern') sich dem 
Wasserleben anpaliten. Dementsprechend ist diese Anpassung bei 
ihnen keine so vollkommene wie bei den Ichthyopterygiern. 
Wahrend diese zu homéomeren, hyperphalangen und hyperdaktylen 
Flossen gelangten, kommt es bei den Sauropterygiern nur zur 
Hyperphalangie, und selbst bei den in erheblich spaterer palionto- 
logischer Zeit dem Wasserleben angepaften Mosasauriern (p. 615 f.) 


1) Auch die iibrigens einfach maxillodonten Zahne mit wechseln- 
der Thekodontie und Holkodontie bei den Nothosauriern und Plesio- 
sauriern kénnen hierfiir herangezogen werden (vergl. auch Burcx- 
HARDT 1895). 


638 Max Fiirbringer, 


ist die Umbildung der Extremitat zur Flosse keine unvollkomme- 
nere als bei den Plesiosauriern, sondern zeigt sich hinsichtlich der 
homéomeren Verkiirzung des Humerus und Femur trotz der fiir 
die Umbildung gegebenen kiirzeren Zeit weiter fortgeschritten als 
bei diesen. Dieses Verhalten findet seine Begriindung in der 
tieferen Stellung und gréBeren Bildsamkeit der den Mosasauriern 
Ausgang gebenden kionokranen Lacertilier. 

In einem Punkte zeigen die Sauropterygier einen Grad der 
Umbildung, welcher unter den Tetrapoden unerreicht dasteht: es 
ist dies die bereits oben hervorgehobene hochgradige Wan- 
derung der Extremitaten nach hinten. Solche Wan- 
derungen sind aber an sich keine Zeichen einer tieferen Organi- 
sationsstufe, sondern finden sich, wie das Beispiel der Végel zeigt, 
auch bei héheren Formen, welche neuen, machtig einwirkenden 
Lebensbedingungen unterworfen wurden. 

Der Anfang der terrestren Vorfahren der Sauropterygier ist 
noch in Dunkel gehiillt. Daf hierbei die Mesosaurier wesentlich 
mit in Frage kommen, ist gewifi berechtigt; aber auch diese sind 
keine primordialen Formen mehr. Gewif wird man annehmen 
diirfen, dafi die altesten Sauropterygier von rhynchocephalenartigen 
Vorfahren Ausgang nahmen, aber mit diesem in seiner Allgemeinheit 
nahezu trivialen Ausspruche ist wenig gesagt; derjenige Rhyncho- 
cephale, von dem sich die Sauropterygier und die ihnen ver- 
wandten Ordnungen direkt ableiten, ist zur Zeit unbekannt. 
SchlieBlich sei noch erwihnt, daf§ ahnlich wie bei den Cheloniern 
auch bei den Plesiosauriern gewisse Strukturen existieren, welche 
an diejenigen der Amphibien erinnern (p. 331); aber weder Che- 
lonier noch Sauropterygier méchte ich auf Grund derselben direkt 
von den Amphibien ableiten. 


VII. Mesosauria’). 


Die Mesosauria reprasentieren eine kleine Gruppe alter Land- 
tiere aus dem Perm und den subtriassischen Schichten, die man 
bald (Baur 1887, Cope 1887, ZirreL 1889, Harcken 1895) den 
Rhynchocephaliern, mit den Proterosauria die Subordo Progano- 
sauria Baur (Progonosauria HAarckKeL) bildend, ecinreihte, bald 
(BOULENGER 1896) mit den Sauropterygiern zur Ordo Plesio- 
sauria verband, bald (SEELEY 1892) mit den Lariosauria (Neustico- 
sauria SEELEY) zur selbstaindigen Ordo Mesosauria vereinte, bald 

1) Vergl. auch p. 336—838 und die betreffenden Ausfiihrungen 
sub § 16 A, p. 521—571. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 639 


(SeELEY 1894) den Theromorpha niiher anschlof resp. in die 
Theromorpha im weitesten Sinne des Wortes (Anomodontia SEELEY) 
aufnahm, endlich (HAEcKEL 1895) als die mutmaflichen Stamm- 
eltern der Halisaurier (Ichthyopterygier ++ Sauropterygier) er- 
klarte. Sie haben amphicéle Wirbel und einen miafig verlingerten 
(aus 10—12 Wirbeln bestehenden) Hals. 

Aus diesen grofen Differenzen in den Anschauungen tiber ihre 
Stellung geht zur Geniige hervor, daf entweder die Kenntnis ihrer 
Organisation noch keine geniigende ist oder daf sie eine in be- 
sonders ausgepragtem Grade intermediare Abteilung (Sammeltypus, 
Konnektivform) reprisentieren. 

Dali die Mesosaurier zu den primitiveren unter den Reptilien 
gehéren, wird durch zahlreiche Ziige ihrer Organisation bezeugt. 
Dies zusammen mit ihrem hohen Alter hat dazu gefiihrt, sie den 
Rhynchocephaliern einzureihen. Die genauere Betrachtung ergiebt 
‘aber so viel Specifisches in ihrer Organisation, daf sie, will man 
den Rhynchocephalia nicht einen viel weiteren Umfang als 
bisher geben, aus diesen zu entfernen sind. Mit den Ichthyopte- 
rygiern besitzen sie so gut wie nichts Gemeinsames. Dagegen 
finden sich zahlreiche Aehnlichkeiten mit den Sauropterygiern 
(Schadelform und gewisse Schiadelstrukturen, Halslainge, Rippen, 
vordere Extremitat), aber auch einzelne allgemeinere Ueberein- 
stimmungen mit den Theromorphen, namentlich eine gewisse 
Plumpheit in der Konfiguration, welche an diese Reptilienordnung 
erinnert. Der Schultergiirtel ist von primitiver eigener Art, steht 
aber dem der Sauropterygier, Chelonier und Theromorphen naher 
als der entsprechenden Bildung der anderen Reptilien-Ordnungen. 

Bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis bin ich geneigt, 
den Mesosauria eine provisorische Stellung in der Nahe der An- 
fange der Sauropterygia, Chelonia und Theromorpha zu geben, 
wobei die Entwickelung in der Richtung nach den Sauropterygia 
iiberwiegt, aber doch so viel Besonderes zeigt, dafi ich einer voll- 
stiindigen Einreihung in diese nicht zustimmen, dagegen eine inter- 
mediare Steilung zwischen ihnen und den Theromorphen (den 
Sauropterygia hierbei am meisten gendhert) befiirworten mdéchte. 


VIII. Theromorpha’). 


In den Theromorpha (Theromora Cope) begegnet uns eine 
sehr alte, im Perm und der unteren Trias sehr reich und mannig- 


1) Vergl. auch p. 338—347, sowie die betreffenden Ausfiih- 
rungen sub § 16 A, p. 521—571. 


640 Max Fiirbringer, 


faltig vertretene, in der mittleren Trias nur noch wenige Repriisen- 
tanten darbietende und danach, wie es scheint, ausgestorbene Ab- 
teilung von amphicélen, meist kurzhalsigen und mit wenigen Aus- 
nahmen landlebenden Reptilien, die neben gewissen primitiven 
Ziigen sich durch zahlreiche hohe und specielle Strukturen aus- 
zeichnen'). Bei den primitiveren Formen (Procolophontidae, 
Pareiasauridae, Diadectidae, Clepsydropidae etc.) finden sich neben 
mancherlei specifischen Konfigurationen noch Anklinge an die 
Rhynchocephalier und Mesosaurier, bei den héheren (viele Therio- 
dontia, namentlich aber die Therochelonia) ist es zu einer ganz 
einseitigen Hohe der Specialisierung gekommen, die zugleich eine 
Anzahl von oft ganz tiberraschenden Aehnlichkeiten mit den Saiuge- 
tieren aufweist?). Doch zeigt sich diese Aehnlichkeit mit den 
Mammalia zum Teil, wenn auch minder eindringlich, auch bei 
tiefer stehenden Theromorphen. Die hdheren und kérperlich 
groéferen Vertreter kennzeichnet meist auch eine hochgradige 
Plumpheit und Massigkeit der Kérperform und ihrer einzelnen 
Komponenten. Primitivere und héhere Typen finden sich, wie es 
scheint, in den gleichen Schichten vermischt. 


Die systematische Einteilung der Theromorpha 
ist eine Sache von groBer Schwierigkeit. Owkrn (1876), CopE 
(1878—92) und Seenry (1887—96) haben vor Allen das Ver- 
dienst, in sehr zahlreichen Untersuchungen dieselbe immer mehr 
ausgebaut zu haben. Zirrren (1889), LypeEKKER (1890), SEELEY 
(1894) und Harcken (1895) haben dem Standpunkte unserer zeit- 
lichen Kenntnisse entsprechende Systeme derselben aufgestellt. 
Den beiden letzteren habe ich mich in der Hauptsache ange- 
schlossen (p. 339); doch bin ich nicht in der Lage, auf Grund 
eigener Untersuchungen etwas Neues hinzuzufiigen. Ich enthalte 
mich somit einer weiteren Besprechung dieser Frage. 


1) Kin sehr hochgradiges Gemisch tiefer und hoher Merk- 
male zeigt namentlich auch die bald gnathodonte, bald maxillo- 
donte Bezahnung mit ihrer reichen Mannigfaltigkeit und ihrem 
eroken Wechsel an Zahl und Form dieser Zahne; durch Riick- 
bildung und Auslese kommt es auch zu dicynodonten und an- 
odonten Formen. 

2) Diese Aehnlichkeit einzelner Teile kann so grof werden, 
daf daraufhin gewisse Theromorphen (Tritylodon, Theriodesmus) 
frither (Tritylodon von OwrEn 1884, Theriodesmus von SEELEY 1887) 
den Mammalia zugerechnet und erst spiter (Smpnuy 1894) als 
Theromorpha erkannt wurden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 641 


Beziiglich der genealogischen Beziehungen der Theromorpha 
zu anderen Reptilien oder Vertebraten sind, wie erwahnt, die 
Rhynchocephalia, Mesosauria, Chelonia und die Mammalia in Frage 
gekommen. 

Ich habe mich bereits dahin entschieden, dafi die Meso- 
sauria gewisse verwandtschaftliche Ziige darbieten. Auch unter- 
liegt die Ankniipfung der primitivsten Theromorpha an die 
Rhynchocephalia keiner allzu groken Schwierigkeit; die als 
moglich zu bezeichnende Existenz eines Cleithrum bei den Pareia- 
sauria (p. 345, 548), zum Teil auch die grofe dorsolaterale Aus- 
dehnung der Clavicula bei gewissen niedriger stehenden Thero- 
morphen bekunden selbst primitive Ziige, welche bei den bisher 
bekannten Rhynchocephaliern nicht mehr erhalten geblieben resp. 
bekannt geworden sind. Manches erinnert selbst an die Stego- 
cephalier. Doch sind hier die reellen Grundlagen noch nicht ge- 
niigend gesichert und bediirfen weiterer Funde zur Aufklarung. 
Auch das Auftreten des ersten procoracoidalen Knochenkerns, der 
den Streptostylia, Rhynchocephalia und Verwandten noch abgeht, 
ist eine noch ungeléste Frage. 

Dafi ich einer Ankniipfung der Chelonier an die hoch 
specialisierten Therochelonia resp. einer Weiterentwickelung und 
Umbildung der letzteren in die ersteren nicht zuzustimmen ver- 
mag, habe ich bereits bei den Cheloniern (p. 634 f.) ausgefiihrt. 
Daf Verwandtschaftsbeziehungen recht allgemeiner Natur zwischen 
beiden Ordnungen existieren, gebe ich zu; die gemeinsame Wurzel 
beider liegt aber sehr tief und beschrinkt sich nicht blos auf 
diese beiden Abteilungen (p. 634). 

Von besonderem Interesse ist die Frage der Beziehungen der 
Theromorpha zu den Mammalia; hier liegt eines der cin- 
ereifendsten Probleme der Phylogenie der héheren Wirbeltiere vor. 
Die tiberraschenden und weitgehenden Aehnlichkeiten, welche dieser 
oder jener Skeletteil (gewisse Schadelverhaltnisse, Sacrum, Rippen, 
Schultergiirtel, Ober- und Vorderarm, Becken, Fuf etc.), sowie 
die Bezahnung darbieten, sind bereits Owen (1859—76) und 
Anderen aufgefallen und haben Owrn (1876), insbesondere aber 
Cope (1884) dazu gefiihrt, die Theromorpha, speciell die Abteilung 
der Pelycosauria, unter Zugrundelegung einer Anzahl specieller 
Uebereinstimmungen im Skelettbau als die direkten Vorfahren der 
Mammalia anzusprechen. Diese Anschauung wurde von Baur 
(1886—97) dahin modifiziert, da8 die Theromorpha nicht eigent- 
lich den Mammalia Ursprung giiben, sondern dafi beide von einem 


642 Max Fiirbringer 


alten gemeinsamen Stocke, den supponierten ,,Sauro-Mammalia‘, 
abstammten und von da aus in paralleler Entwickelungsreihe sich 
weiter ausgebildet hitten. Dieser Anschauung von Baur scheint 
die Mehrzahl der Zoologen und Paliontologen, von denen ich unter 
Anderen SEELEY (1887—96), OsBorn (1888—98), LypEKKER (1890), 
KUKENTHAL (1892), Howes (1893), Hascken (1895), Case (1897) 
erwahne, gefolgt zu sein. KiKenruHat betont, daf die Siuge- 
tiere nicht von den Theromorpha, sondern von uralten palio- 
zoischen Formen mit wenig specialisiertem Gebisse (von denen 
die Theromorpha ebenfalls ihren Ausgang genommen haben kénnen) 
Ursprung nahmen. Harcken fiihrt den gemeinsamen Ursprung 
beider Abteilungen zu den Proreptilia (Tocosauria), indem er von 
diesen durch die Zwischenstufe der Proterosauria die Theromorpha, 
durch die -Zwischenstufe der supponierten Sauromammalia die 
Siugetiere abstammen lat"). Noch tiefer ziehen Marsn (1898) 
und Kinestry (1899, 1900) die Abstammungslinie, indem sie 
Mammalia wie Reptilia von den altesten Formen der Amphibien 
ausgehen lassen; dieser die Reptilien also gar nicht beriihrende 
Ursprung der Siugetiere von alten Amphibien ist bekanntlich auch 
seit langer Zeit von Huxtey (1864, 1880), Gecenspaur (1864—98), 
und neuerdings namentlich von Maurer (1892—95), KLAaATscH 
(1892), Husrecut (1897), GAupp (1899) u. A. vertreten oder durch 
wichtige anatomische Argumente gestiitzt worden. 

Kine Abstammung der Mammaliavon ausgebildeten 
Theromorpha in dem Sinne, wie Corr behauptete, wird heut- 
zutage wohl von Niemand mehr vertreten. Die Theromorpha 
waren bereits in paliozoischer Zeit so weit specialisierte und in 
ihrer Organisation festgelegte Tiere, da8 eine Umbildung derselben 
in die kleinen und zierlichen Formen, wie sie uns die ersten be- 
kannten Siugetiere darbieten, schwer zu denken ist. Auch stellt 
sich den auffallenden Uebereinstimmungen, die sich zum Teil aber 
gar nicht blof auf Theromorpha und Mammalia beschranken, eine 


1) Zu besonderen Anschauungen gelangten auch Mivarr (1888) 
und Sretey (1896). Ersterer nimmt fiir die Mammalia einen diphy- 
letischen Ursprung an, indem er die Monotrema von sauropsiden 
(sauro-mammalen), die Marsupialia und Placentalia von amphibien- 
artigen Vorfahren ableitet. Letzterer hebt bei der Besprechung 
von Aristodesmus hervor, daf die Monotremen mit diesem Thero- 
morphen mehr Uebereinstimmung darbieten als mit anderen Mam- 
malia und daf eine Gruppe Theropsida gebildet werden kénne, 
welche Monotrema und Theromorpha (Anomodontia SuEtey) einschliefe. 


Vergleich, Anatomie des Brustschulterapparates etc. 645 


nicht geringere Zahl schwerwiegender Abweichungen gegeniiber. 
Es kann demnach nur von Parallel- oder Konvergenz-Analogien 
zwischen beiden Abteilungen gesprochen werden. 

Dieselben sind aber immerhin bedeutsam genug, um die weit- 
verbreitete Annahme einer benachbarten genealogischen Stellung 
der Theromorpha und Mammalia, mit anderen Worten, einer Ab- 
stammung beider von einem gemeinsamen repti- 
lischen Ahnen, mag derselbe nun Sauro-Mammale oder Pro- 
reptil heifben, als sehr begreiflich erscheinen zu lassen. OsBorn 
(Americ. Naturalist, XXXII, 1898, p. 331—332) hat in seiner mit 
Recht viel bemerkten Eréffnungsrede die wesentlichsten Aehn- 
lichkeiten zwischen Theromorpha und eocinen Prommalia zu- 
sammengestellt und ist zu dem Schlusse gekommen, daf kein 
Amphib oder Reptil den Promammalia so nahe komme wie die 
Theriodontia und dal die Ursiugetiere von primitiven Reptilien, 
welche eine Anzahl primitiver Amphibien- oder Stegocephalen- 
Merkmale gewahrt hatten, ausgegangen sind. Andererseits ist 
KINGSLEY (1899, 1900) in lichtvollen und zahlreiche gewichtige 
Argumente darbietenden Verdttentlichungen gegen die nahe Ver- 
wandtschaft der Mammalia mit den 'Theromorpha und fiir ihre 
Abstammung von primitiven Amphibien (primitiver als die be- 
kannten Stegocephalen) eingetreten. 

Ohne im Detail auf die von Osporn angefiihrten Charaktere 
weiter einzugehen'!), médchte ich betonen, da8 die sub 1 (Zahn- 
bildung), 2—5 (Schadelmerkmale), LO—12 (Rippen), 13 und 14 
(Schulter- und Beckengiirtel), 16 (Humerus mit Foramen ente- 
picondyloideum) teils recht allgemeiner Natur sind, indem sie 
auch bei vielen anderen, von den Séugetieren tibrigens ganz ab- 
weichenden, Reptilien vorkommen, teils keine primitiven Merk- 
male, sondern weit vorgeschrittene ‘Differenzierungen darstellen. 
Dieselben sind sonach mit sehr groBer Wahrscheinlichkeit nicht als 
urspriingliche gemeinsame Charaktere, sondern in der Hauptsache 
als sekundire Konvergenzerscheinungen zu beurteilen. Dann aber 


reicht auch die Summe derselben — viele kleine Zahlen kénnen 
ja an sich eine ganz stattliche Summe ergeben — doch nicht aus, 


um damit einen specielleren genealogischen Zusammenhang mit 
zWingender Sicherheit zu begriinden. Beziiglich der anderen 
Punkte 6, 7, 8, 9 und 15 méchte ich aber folgendes hervorheben. 

1) Eine ausfiihrlichere Behandlung der ganzen Frage, wenn 


dann noch nétig, behalte ich mir bei der Besprechung der Sauge- 
tiere (Kap. VI) vor. 


644 Max Firbringer, 


6 (Reduktion des Quadratum und Ueberdachung desselben 
durch das Squamosum bei den Theriodonten, wahrscheinliche Ver- 
wachsung von Quadratum und Squamosum bei den Promammalia) 
wiirde erst dann zu Gunsten der behaupteten Verwandtschaft an- 
gefiihrt werden kénnen, wenn die von verschiedenen Autoren be- 
hauptete Homologie des Squamosum der Saugetiere mit dem 
Squamosum + Quadratum der Reptilien und die ALBREcHT’sche 
Angabe, dai beide Skelettelemente durch Riickschlag auch bei 
den Siugetieren getrennt bleiben kénnen, bewiesen wiire. Dies 
ist bis jetzt keineswegs der Fall und wird — wie man ohne be- 
sondere Kihnheit behaupten kann — auch nie der Fall werden; 
dagegen kenne ich keinen schlagenden Kinwurf, der die Homologie 
des Quadratum der Reptilien mit dem Incus der Saugetiere irgend- 
wie erschiittert hatte’. — 8 (Occipitale Condylen). Die 
Monocondylie der Sauropsiden und die Dicondylie der Amphibien 
und Siugetiere gilt seit langer Zeit als wesentlicher, meiner An- 
sicht nach sehr tiberschatzter Differentialcharakter dieser Tiere 2). 


1) Die Frage der Homologie des Quadratum der Sauropsida 
und Anamnia mit Gebilden der Saéugetiere ist seit dem Anfang des 
19. Jahrhunderts bis zur jiingsten Zeit von ungemein vielen Autoren 
behandelt und dementsprechend sehr verschieden beantwortet worden: 
Proc. zygomaticus des Squamosum oder der Gelenkteil desselben, 
Os tympanicum, Incus, Malleus wurden als seine Homologa ange- 
fiihrt, auch wurde ein besonderer, von dem Mandibularbogen unter- 
schiedener Arcus palato-quadratus als Entstehungsort des Quadratum 
angenommen. Es legt mir fern, auf diese ausgedehnte Frage 
einzugehen, und verweise ich beztiglich der Litteratur vornehmlich 
auf die genauen Arbeiten von Gapow (1883), Gaupr (1898) und 
Krnestey (1900), Hier sei nur hervorgehoben, daf zur Zeit die 
iiberwiegende Mehrzahl der Autoren, denen ich beistimme, sich fiir 
die Homologie des Quadratum mit dem Incus entschieden hat, daf 
aber im Laufe der beiden letzten Decennien die Homologie mit dem 
Gelenkteil des Squamosum oder mit dem Tympanicum noch Ver- 
treter fand (Squamosum: Atsrecut, Dotto, Baur, Corr, in _ be- 
dingter Weise Ossporn u. A.; Tympanicum: Gapow, VERSLUYs). 

2) Die Dicondylie der Amphibien steht fiir sich, indem hier 
das Palaeocranium resp. vorderste (am meisten rostrale) demselben 
assimilierte Wirbel die beiden lateralen Condylen bilden, wahrend 
bei den Sauropsida und Mammalia mehr hintere (mehr caudale) 
Wirbel das Material fir die occipitalen Condylen liefern. Auch 
ist der Unterschied zwischen den beiden letzteren Abteilungen 
kein absoluter, indem bei beiden in der Regel die gleichen Kom- 
ponenten, das Occipitale basilare und die beiden Occipitalia lateralia 
an der Bildung dieser Condylen sich beteiligen; die Difterenz besteht 
darin, daf der basilare Anteil an den unpaaren Condylen bei den 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 645 


Bei verschiedenen Theromorphen sind Uebergangsformen zwischen 
Monocondylie und Dicondylie (nierenformig bis U-formig aus- 
gezogene Monocondylen, zweiteilige [Theriodontia] und dreiteilige 
[ Dicynodontia| Condylen) beschrieben worden; die genaue Ansicht 
der von den Autoren beigefiigten Abbildungen beweist noch 
keineswegs, dal wirklich zwei getrennte Condylen vorliegen '!) — 
von entfernten Condylen wie bei der Mammalia kann keine Rede 
sein —, und fernerhin wissen wir, dal} solche nierenformige oder 
U-férmig ausgezogene Condylen auch bei Lacertiliern (Geckonidae, 
Uroplatidae, Varanidae etc.) und Sphenodon vorkommen. Bis auf 
weiteres halte ich mit MArsm und KInGsLEy an der Monocondylie 
aller Reptilien inklusive die Theromorpha fest. — 7 (Transversum 
und Vomer) und 15 (Carpus und Tarsus). Die hier angegebenen 
Merkmale kénnen nicht als Uebereinstimmungen gelten, da es sich 
im ersteren Falle um géanzlich reduzierte Knochen bei den Mam- 
malia, im letzteren um ungentigend bekannte Komponenten der 
Hand- und Fufwurzel handelt?). — Endlich 9 (Zusammensetzung 
des Unterkiefers). Hier liegt eine Difterenz vom gré’ten Gewichte 
und eine Kluft zwischen Theromorpha und Mammalia vor, iiber 
die keine Briicke fiihrt. Der theromorphe Unterkiefer besteht 
nach Reptilienart aus Articulare, Dentale, Angulare und dem 
nicht immer vorhandenen Operculare und artikuliert durch das 
Articulare mit dem Quadratum; der mammale Unterkiefer wird 
allein von dem Dentale vertreten, das eine neue dem Deckknochen- 
Gebiete angehérende Artikulation mit dem Squamosum gewonnen 


Sauropsiden ein ansehnlicher, an den paarigen der Saugetiere ein — 
bei gewissen Vertretern bis zur vélligen Unterdriickung, bei anderen ein 
im maligen Grade — zuriicktretender ist. Das Condylus-Merkmal ist 
somit streng genommen weder fiir die Verwandtschaft der Mammalia 
mit den Amphibia noch fiir diejenige mit den Reptilia verwertbar. 

1) Bei den sogenannten paarigen Condylen von Cynognathus 
und Gomphognathus ist die einschneidende Medianfurche schmal 
und scheidet den zu einem wesentlichen Teile von dem Occipitale 
basilare gebildeten Condylus nur unvollkommen in zwei Hialiten. 
Andere Species der gleichen Gattungen besitzen einen ganz ein- 
heitlichen Condylus (vergl. die Abbildungen bei Srenny 1894), 
woraus die geringe Bedeutung dieser Furche erhellt. Auferdem aber 
sei darauf hingewiesen, daf der nierenférmige Condylus verschie- 
dener Geckonidae, sowie von Uroplates und Varanus auch eine tiefe 
und breite Medianfurche besitzt. 

2) Mit Recht hebt Krnesnuy (1900) hervor, daf die Tarsen von 
Clepsydrops (Corz 1889) und Pareiasaurus (Smrtey 1892) eine sauro- 
pside, aber nicht mammale Anordnung ihrer Hauptgelenke darbieten, 


646 Max Firbringer, 


hat, wihrend das alte von Articulare und Quadratum gebildete 
Kiefergelenk unter Reduktion, Ablisung von dem mammalen 
Unterkiefer und Funktionsiinderung sich in die Hammer-Ambob- 
Artikulation umegebildet hat‘). Es ist von zahlreichen Autoren 
versucht worden, diese Ditferenz durch die Annahme der Homologie 
des sauropsiden Quadratum mit einem Teile des mammalen Squa- 
mnosum (s. p. 644) auszugleichen; diese Homologisierung entspricht 
aber nicht den thatsichlichen Verhiltnissen. Diese sind unerbitt- 
lich und zeigen hier eine so fundamentale Verschiedenheit, dal 
— selbst wenn alle anderen Differenzen beseitigt werden kénnten 
— diese eine geniigen wiirde, um die speciellere Ver- 
wandtschaft der Mammalia mit den Theromorpha, 
iiberhaupt mit den Reptilia, zu verbieten. 

Zu diesen gegen eine direkte Verwandtschaft zwischen Thero- 
inorphen und Saugetieren gerichteten Instanzen kommen aber 
noch zahlreiche andere, welche unzweideutig darthun, da8 eine 
Ableitung der Siugetiere von uns bekannten Reptilien nicht aus- 
fiihrbar ist. Von den Knorpelstrukturen und sonstigen Weich- 
teilen der Theromorpha wissen wir allerdings nichts; wir kennen 
aber ziemlich genau den Bau von Reptilien, wie Lacertilia und 
Rhynchocephalia, die in der Hauptsumme ihrer Merkmale tiefer 
und generalisierter dastehen als die Theromorpha, die uns einen 
Kinblick gestatten, wie etwa die Kérperbeschaffenheit jener schon 
in friiher Sekundirzeit ausgestorbenen Reptilien gewesen sein mag, 
und die uns jedenfalls den Schluf$ erlauben, da wirkliche naihere 
genealogische Beziehungen zwischen Theromorpha und Mammalia 
nicht angenommen werden diirfen, da die Vergleichung der Lacer- 
tilier und Rhynchocephalier mit den Siiugetieren im Stiche 1aBt. 
Die specielleren Relationen zwischen Stapes und Incus der Sauge- 
tiere 2), ihre Integumentgebilde [Haare’), cf. GrGenBAUR 1870 
—96, Maurer 1892—93; mammare Bildungen], ihr Diaphragma 
und verschiedene andere Muskeln, ihre Mesenterien (KLAATSCH 
1892) 2), ihre Venae abdominales und umbilicales (BEDDARD 1884) ”), 
ihr Ductus thoracicus (LAMBERT, cf. KINGSLEY) ?), ihr vom Hyoid 
aus gebildeter auerer Ohrknorpel (RuGE 1897)*), die speciellere 
Anordnung ihrer fétalen Hiillen (HuBREcHr 1897)?) etc. bekunden 


1) Auch Homologa der Deckknochen des reptilen Unterkiefers, 
z. B. des Angulare, sind bekanntlich im Bereiche des Malleus noch 
erhalten (Proc. Folianus etc.). 

2) Alle mit dieser Zahl markierten Differenzpunkte zwischen 
Mammalia und Reptilia werden besonders von Kinesiuy (1900) 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 647 


eine einschneidende Differenz zwischen Mammalia und Reptilia, 
gestatten aber zugleich zu einem grofen Teile eine Ableitung der 
Ersteren von Bildungen, welchen diejenigen noch jetzt lebender 
Amphibien nahe stehen. Alles dies weist auf eine sehr alte Des- 
cendenz der Mammalia von amphibienartigen Vor- 
fahren hin, wihrend die Reptilien resp. Sauropsiden eine be- 
sondere Entwickelungsbahn jenseits der Saugetiere einschlugen. 

Unsere Kenntnis der fossilen Reste der Saiugetiere ist eine 
sehr diirftige; sie reicht nur bis zur oberen Trias zuriick'), aus 
welcher Zaihne (Triglyphus, Microlestes, Microconodon) und ein 
sehr kleiner bezahnter Unterkiefer (Dromatherium) uns vorliegen. 
Dieser trigt bereits alle Merkmale des ausgebildeten Siugetier- 
typus an sich. Zirren (1893) und Marsa (1898) heben aus- 
driicklich hervor, da& bisher nicht die mindesten Uebergangs- 
formen zwischen Reptilia und Mammalia gefunden worden sind. 
Es ist aber klar, daf diese bereits so hoch entwickelten Sauge- 
tiergebilde eine ungemein lange Vorgeschichte gehabt haben 
miissen. Die Kleinheit aller dieser Formen macht wahrscheinlich, 
daS auch die Vorfahren derselben von geringer oder ziemlich 
geringer Kérpergré8e und Zartheit ihrer Skelettelemente und dar- 
um nicht leicht erhaltungsfahig waren. Vielleicht werden Teile 
von ihnen noch gefunden werden, vielleicht auch nicht. 

Wo uns die Stammesgeschichte der Tiere genauer erschlossen 
ist, sind es in der Regel die kleineren Formen, die den Anfang 
machen und sich successive zu gréferen entwickeln. Schon an 
anderer Stelle (1888 resp. 1887) und im Vorhergehenden (p. 600 
Anm. 1) habe ich mich tiber diese Verhiltnisse ausgesprochen und 
in der Kleinheit der sich entwickelnden Formen auch ein Schutz- 
mittel fiir die Erhaltung derselben im Kampfe ums Dasein gefunden. 


angefiihrt. Auf die Aehnlichkeit der Gelenkverbindung des Stapes 
und Incus bei den Saugetieren mit der Gelenkverbindung der Colu- 
mella mit dem Quadratum bei gewissen Urodelen und Gymnophionen 
weisen namentlich auch Hasse (1873), Traurmann (1876), WixEDERs- 
HEIM (1877), Kinuian (1890), GreEnpaur (1898), Kinestny (1899, 
1900) und Gavrr (1899) hin (vergl. insb. Gaupp 1899). — Jede 
neue anatomische Untersuchung der Mammalia deckt sozusagen 
neue Differenzen gegeniiber den Sauropsiden und Aehnlichkeiten mit 
den Amphibien auf. 

1) Die friher zu den Mammalia gerechneten Gattungen Therio- 
desmus und Tritylodon aus der unteren Trias (Karroo) haben sich 
bei genauerer Untersuchung (Sretey 1894) als Theromorpha er- 
geben (cf. p. 640 Anm. 2). 


Bd, XXXIV, N. F. XXVIL. 42 


“= 


648 Max Firbringer, 


Die Kleinheit ist aber auch eingreifenderen Umbildungen, wie die 
hervorgehobene Umformung.des Siiugetier-Kiefers aus einem alteren, 
aus mehreren Komponenten zusammengesetzten Kiefer giinstig, 
wihrend massigere Skelettteile fiir solche Umwandlungen bereits 
verdorben sind. So liegt in den kleinen und mittelkleinen, un- 
bedeutend erscheinenden paldontologischen Formen die eigentliche 
phylogenetische Aufklairung, nicht aber in den grofen, welche, 
wie auffallend und dominierend sie auch auftreten mégen, meist 
schon eingeschlagene Seitenwege bedeuten und fiir die wahre 
Erkenntnis der Vorfahren der jetzt noch iibrig gebliebenen Tiere 
kein reines und reiches Licht geben. 

So nehme ich an, daf jene Umbildungen zum Siugetier- 
Kiefer, die uns GEGENBAUR (1898, p. 398) in so lichtvoller und 
iiberzeugender Weise dargestellt und mit vorausgegangenen ahnlichen 
Umbildungen bei Fischen und Amphibien belegt hat, in sehr friiher 
palaontologischer Zeit bei kleinen, versteckt lebenden amphibien- 
artigen Vorfahren der Siugetiere statthatten !), und ich befinde mich 
mit dieser Annahme auch mit Marsa (1898) und Kina@siey (1900) 
in erfreulicher Uebereinstimmung. Ob dies erst im Karbon oder 
schon im Devon stattfand, wage ich nicht zu sagen; Mars ist 
der Annahme des friihesten Zeitraumes fiir die Entstehung der 
Séugetiere zugeneigt ?). Fiir die direkte Abstammung aller Mam- 
malia von amphibienartigen Vorfahren*) sprechen die oben an- 
gefiihrten, leicht zu vermehrenden Dokumente, welche der ana- 
tomische Bau der Siiugetiere uns erhalten hat; die Abstammung 
von Reptilien wiirde einen phylogenetischen Umweg bedeuten, der 
durch kein morphologisches Merkmal angezeigt oder unterstiitzt wird. 

Welcher Gruppe diese amphibienartigen Voreltern der Sauge- 
tiere angehérten, ist bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnis 
schwer zu sagen. Sicherlich — die vergleichende Anatomie und 
Ontogenese der Amphibien geben uns hierfiir bemerkenswerte An- 


1) Voraussichtlich begann die Umbildung des Unterkiefers mit 
einer Lockerung des Dentale und des von ihm umschlossenen Ab- 
schnittes des Mrcxnt’schen Knorpels gegeniiber den anderen Unter- 
kieferteilen, wofiir in der Tierreihe gleichfalls Analogien existieren. 

2) Bekanntlich sind von ihm auch deutlich ausgebildete Fub- 
spuren von Amphibien im Devon gefunden worden. 

3) Der oben (p. 642, Anm. 1) erwihnten Ansicht Mrvart’s von 
einem diphyletischen Ursprunge der Mammalia, der Monotremen 
von Sauropsiden, der Marsupialia und Placentalia yon amphibien- 
artigen Vorfahren, kann ich nicht zustimmen. Fir mich steht der 
monophyletische Anfang der Siugetiere nicht in Frage. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 649 


deutungen — waren es streptostyle Formen mit freibeweg- 
lichem, vorwiegend knorpeligem Quadratum‘) und wahrscheinlich 
auch solche, bei denen das Panzerskelett des Kopfes eine mafigere 
Entfaltung zeigte als bei der Mehrzahl der Stegocephalen. Die- 
jenigen Stegocephalen, die uns genauer bekannt sind und bei 
denen die Anordnung ihrer Deckknochen im temporalen Schadel- 
bereiche ein monimostyles Quadratum voraussetzen laSt, kommen 
hierbei nicht in Frage. Mdéglicherweise kénnen aber unter den 
sogenannten microsauren Formen des unter dem Terminus Stego- 
cephala vereinigten Gemisches palaéozoischer Tiere, deren zartere 
Schidel grofenteils zerstért, in ihre einzelnen Komponenten auf- 
gelést und daher fiir eine systematische Diagnose unbrauchbar 
geworden sind, nahere Verwandte der Vorfahren der Saugetiere 
vorhanden sein, médglicherweise sind sie noch zu finden. 

Dies die rein theoretischen Grundziige dieser Frage. Die 
reelle Lésung derselben liegt in der Zukunft. 


IX. Crocodilia?). 


Mit den Crocodiliern beginnt eine Reihe von Reptilien, die 
wieder eine Stufe héher stehen, als die bisher behandelten Ord- 
nungen, und gemeinhin als Archosauria*) verbunden werden. Die- 
selben enthalten aufer den Crocodilia noch die Dinosauria und 
Patagiosauria (Pterosauria); SEELEY (1891) und HArcken (1895) 
haben dieselben mit den Végeln zu den Ornithomorpha SEELEY 
oder Ornithocrania HAECKEL Vereinigt. 

Die Crocodilier reprisentigren eine Abteilung terrestrer, aber 
wasserliebender oder in miafigem Grade an das Wasserleben an- 
gepalter Reptilien, meist von mittlerer bis bedeutender Grofe, 
welche in ihrer allgemeinen Koérperform einen rhynchocephalier- 
ihnlichen Habitus zeigen, aber durch zahlreiche tief eingreifende 
Merkmale von diesen beiden Ordnungen geschieden sind. Ihr 


1) Wie schon hervorgehoben (p. 599 Anm. 1), glaube ich nicht 
daran, daf ein einmal fest und ausgedehnt mit dem Schiadel ver- 
bundenes Quadratum wieder gelenkig mit ihm wird. 

2) Vergl. auch p. 297—3806, p. 369, 396, p. 500—519, sowie 
die betreffenden Ausfiihrungen sub § 16 A—C, p. 521—597. 

3) Die Bezahnung ist bei ihnen eine maxillodonte und theko- 
donte, zum Teil auch in holkodonte und anodonte (gewisse Patagio- 
saurier) Formen iibergehendé. Bei verschiedenen Dinosauriern findet 
sich augeprigte Heterodontie. 

42 * 


650 Max Firbringer, 


Integument ist in der Regel mit mehr oder weniger entwickelten 
Hautknochen versehen, die Halswirbelsiule besteht aus 9 Wirbeln, 
der im Hirnteil kleine, im Gesichtsteil aber sehr ausgedehnte 
Schidel zeigt ein kriaftiges und massiges Gefiige, das Quadratum 
ist mit ihm besonders fest und unbeweglich verbunden und zwischen 
andere Skelettelemente eingekeilt'), der sekundére Brustschulter- 
apparat befindet sich in vorgeschrittener Degeneration, die Glied- 
magen sind verhiltnismaBSig schlank und hoch differenziert, aber 
bieten verschiedene Zeichen einer partiellen Riickbildung dar. 

Die ilteren Crocodilier (Parasuchia, Pseudosuchia) finden sich 
in der oberen Trias und sind, soweit bekannt, Amphicdlier oder 
Platycélier; die neueren, den im Aussterben begriffenen noch 
lebenden Resten in der Hauptsache gleichenden Vertreter (Kusuchia 
s. Crocodilia vera) haben in ihren friiheren Formen aus dem Jura 
und der unteren Kreide (Mesosuchia) amphicéle, in ihren spateren 
aus der oberen Kreide bis in die Jetztzeit (Eusuchia s. str.) procéle 
Wirbel. Die Amphicélie und Procdlie der Crocodilier ist somit 
ein nur graduelles Merkmal; den natiirlichen Verwandtschaften 
entspricht besser ihre Unterscheidung in Longirostres und Brevi- 
rostres (vergl. auch ZirreL 1890). Einige Autoren, unter den 
neueren insbesondere Baur (1894), haben namentlich im Schadelbau 
der Parasuchia, Pseudosuchia und Eusuchia so hochgradige Dif- 
ferenzen gefunden, da sie dieselben als drei getrennte Ordnungen 
(Phytosauria, Aétosauria und Crocodilia) aufgefait haben. 

Der Bau der Crocodilia ist ein eigenartiger, zeigt aber gewisse 
Beziehungen zu den Rhynchocephalia, Lacertilia und Dinosauria. 
Bepparp (1888) hat auf Grund gewisser visceraler Strukturen eine 
speciellere Verwandtschaft zwischen Varanidae und Crocodilia be- 
fiirwortet; Marsu (1884, 1895) ist geneigt, intimere Verhaltnisse 
zwischen Aétosauria und Dinosauria anzunehmen. 

Soweit ich ohne genauere Kenntnis der fossilen Originale 
urteilen darf — speciellere Untersuchungen derselben konnte ich 
nicht anstellen —, halte ich die verwandtschaftlichen Beziehungen 
der Parasuchia, Pseudosuchia und Eusuchia im grofen 
und ganzen fiir gesichert und befiirwortete ihre Vereinigung zur 
gemeinsamen Ordnung der Crocodilia. Die innerhalb der Abteilung 
der Lacertilier beobachteten Divergenzen sind noch gréfere. Die 


1) Nach der Ontogenese zu schlieSen, scheint die Monimostylie 
der Crocodilier friiher als die der Rhiynchocephalier, aber spiter 
als diejenige der Chelonier erworben zu sein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 651 


genauere Kenntnis der Pseudosuchia laft indessen zu wiinschen 
iibrig, so da’ man eventuell bei diesen auf eine andere Stellung, 
als zur Zeit von den Meisten angenommen wird, gefaBt sein darf. 

Die relativ hohe Stellung der Crocodilier wird aus 
der tiberwiegenden Summe ihrer Merkmale erkannt; auch das cen- 
trale Nervensystem, wie wenig voluminés es auch gegeniiber dem 
Gesamtschidel und Kérper entfaltet ist, nimmt gegeniiber den 
iibrigen lebenden Reptilien die héchste Stufe ein. 

Von den in Frage kommenden Verwandtschaften sind die zu 
den Rhynchocephalia und Lacertilia recht allgemeiner Art, 
doch hindert nichts, anzunehmen, da die noch unbekannten, primi- 
tiven und darum nach Art jener primitiven Reptilien gebauten 
Vorfahren der Crocodilia in der Nahe der Wurzel derselben ent- 
sprangen. Speciellere Beziehungen zwischen Varanidae und Croco- 
dilia sind nicht haltbar; man kann héchstens sagen, daf von allen 
Lacertiliern die Varanidae ihr Gesicht am meisten den Crocodiliern 
zugekehrt haben (vergl. p. 574f. und p. 6135 f.). Die Rhynchocepha- 
lier stehen den alten Crocodiliern etwas naher als die Lacertilier. 

Auch die namentlich von Marsn (1878, 1884, 1895) an das 
Licht gesetzten Beziehungen zu den hoher stehenden Dino- 
sauriern') leuchten ein; die Verwandtschaft der Crocodilier mit 
den Dinosauriern ist zwar keine sehr intime, aber doch eine 
grébere als zu den anderen Reptilien. 


X. Dinosauria?). 


Hoher und mannigfaltiger als die Crocodilier erscheinen die 
Dinosaurier entwickelt. Ueberwiegend durch grofe bis riesige, zum 
Teil sehr massig gebaute Vertreter charakterisiert, zum Teil aber 
auch kleinere und schlankere Formen aufweisend, sind uns diese 
landlebenden, zum Teil aber auch wasserliebenden Reptilien in einer 
grossen Fiille wohlerhaltener Reste von der oberen Trias *) bis zur 
oberen Kreide bekannt geworden; weniger gute und _ gesicherte 
Fragmente, namentlich aber Fufspuren lassen auch auf ein reiches 
Leben gut ausgebildeter Dinosaurier in der unteren Trias schlieSen. 


1) Huxnry (1882) scheint die Crocodilier (und Végel) von den 
Dinosauriern abzuleiten. 

2) Vergl. auch p. 347—355, sowie die betreffenden Ausfiihrungen 
sub § 16 A, p. 521—571. 

3) Nicht gesicherte Reste werden auch aus der unteren Trias 
(Karrooformation) beschrieben. . 


652 Max Firbringer, 


Ob die von Marsu (1894) eventuell auch als primitive Dinosaurier- 
Fahrten von Dromopus aus dem Karbon angesprochenen Fufspuren 
hierher gehéren, erscheint mir sehr fraglich; ich habe sie, worauf 
auch Marsu als zweite Méglichkeit hinweist, als Fahrten von 
primitiven Lacertiliern angefiihrt (p. 627). 

Im Bau ihres Skelettes zeigen die Dinosaurier manche An- 
schliisse an die Crocodilier, aber auch viele Besonderheiten. Die 
Halswirbelsiule ist in der Regel bis zu 10—11 Halswirbeln 
verlingert, der bald massiger, bald graciler gestaltete Schidel in 
mannigfaltiger Weise hoch entwickelt, aber wie bei den Croco- 
diliern mit kleinem Hirnraum versehen, das Quadratum dem 
Schadel fest eingefiigt, aber nur in maBiger Ausdehnung, mit seinem 
oberen Teile, mit dem Squamosum verbunden, das Sternum in 
wechselnder Ausdehnung ossifiziert, die Degeneration des secun- 
daren Brustschulterapparates noch weiter als bei den Crocodiliern 
fortgeschritten, die Gliedmafen zum Teil noch hoher differenziert 
und specialisiert als bei den Crocodiliern. Alles weist auf eine 
relativ hohe Stellung der Dinosaurier in der Reihe der 
Reptilien hin. Zwei Charaktere namentlich erheben die Dino- 
saurier, wenigstens in ihren héher ausgebildeten Formen, weit 
iiber die Crocodilier ; einmal die bei ihnen beginnende und bis zur 
héchsten Ausbildung sich steigernde Tendenz eines aufrechten 
Ganges (Theropoda und namentlich Ornithopoda), womit eine 
quantitative Riickbildung der vorderen Extremitaéten und eine hoch- 
gradige Differenzierung und Umformung des Beckens (mit Sacrum) 
und der hinteren Extremitat Hand in Hand geht, dann die bei so 
vielen ihrer Vertreter mehr oder minder bedeutend entfaltete 
Hohlraumbildung des Skelettes’). 

Diese Besonderheiten, namentlich aber die letzterwahnte, haben 
HAECKEL (1895) veranlafit, den Dinosauriern eine besondere 
Stellung gegeniiber den iibrigen Reptilien (exkl. die Patagiosaurier) 
zu geben. Indem er den Satz aufstellte, dafi die Hohlraumbildung 


1) Stegosauria und Ceratopsia besitzen ein solides Skelett; bei 
den Ornithopoda ist das Rumpfskelett massiv, aber das der Extre- 
mititen hohl, bei den Sauropoda das Rumpfskelett hohl und das 
der Gliedmafen solid, bei gewissen Theropoda Rumpf- und Extre- 
mititen-Skelett hohl (in besonders hohem Grade bei den Coeluria, 
Compsognatha und Hallopoda). Bei den quadrupeden Formen wiegt 
zumeist die Soliditat, bei den bipeden, aufrecht gehenden, die Hohl- 
heit des Skelettes vor; doch finden sich auch mancherlei Aus- 
nahmen. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 653 


des Skelettes, die bekanntlich in hohem Grade auch den Patagio- 
sauriern (Pterosauriern) und Végeln zukommt, als Pneumaticitiat 
desselben und zugleich als ein Zeichen von Warmbliitigkeit aufzu- 
fassen sei, vereinigte er Dinosaurier und Patagiosaurier zu der 
besonderen hédheren Abteilung Dracones, die er zwischen Croco- 
dilier und Végel stellte und als warmbliitige, mit vierkammerigen 
Herzen versehene, aber der Fliigel und Schwungfedern entbehrende 
Sauropsiden von den tbrigen Reptilien und den Végeln unter- 
schied. 

Fiir die Einteilung der Dinosaurier sind die systematischen 
Arbeiten von Marsu, die in dem letzten von diesem Autor aufge- 
stellten Systeme (1895) ihren Abschlufi fanden, mafgebend. Danach 
verteilt Mars die Subklasse der Dinosaurier in die 3 Ordnungen 
Theropoda, Sauropoda und Praedentata (—Orthopoda Copr, mit 
den 3 Subordines Stegosauria, Ceratopsia und Ornithopoda) ‘). 
Tiefgehendere Einteilungen, welche die ganze Abteilung auflésen, 
sind namentlich von SEELEY (1887) und Baur (1891) gegeben 
worden. SEELEY stellte die Theropoda und Sauropoda als Saur- 
ischia den Orthopoda, Ornithischia SreLry, gegeniiber, und ich 
selbst (1888) gelangte unabhingig von ihm zu einer gleichen 
Scheidung; Baur léste die Dinosaurier in die drei selbststandigen 
Ordnungen der Megalosauria (Theropoda), Cetiosauria (Sauropoda) 
und Iguanodontia (Orthopoda) auf. 

Als fiir Verwandtschaften in Frage kommende Abteilungen 
sind, soweit es sich um Anschliisse der Dinosaurier an_ tiefer 
stehende Reptilien handelt, Rhynchocephalia, Theromorpha und 
Crocodilia, soweit héher stehende Abteilungen in Frage kommen, 
Patagiosauria und Aves angefiihrt worden. 

Hinsichtlich der Einteilung der Dinosaurier bin ich 
jetzt geneigt, Marsa in der Zusammengehodrigkeit aller 
Dinosaurier zu folgen. Die von SEELEY und yon mir friiher 
selbst vertretene Auflésung in zwei selbstaindige Abteilungen auf 
Grund der Beckenbildung, wie sehr auch dieselbe als markante 
Differenzierung ins Auge fallt, wird durch den iibrigen, bei allem 
Wechsel im Detail der héheren Specialisierungen doch in den 
Grundziigen etwas einténigen Bau der Dinosaurier nicht gestiitzt. 
Dieser weist den Ornithosuchia s. Orthopoda (Praedentata) einen 


1) Corr (1889) unterschied nur 2 Subordines, indem er die 
Theropoda und Sauropoda zu dem SO. Saurischia vereinigte und 
dem SO. Orthopoda gegeniiberstellte. 


654 Max Firbringer, 


Platz innerhalb der Dinosaurier an. Ebensowenig finde ich die 
von Baur ausgefiihrte Zerteilung der Dinosaurier in drei vollig 
selbstandige Ordnungen gerechtfertigt. Ich erkenne vollkommen 
an, da in dieser grofen, hoch und reich differenzierten Abteilung 
eine grofe Mannigfaltigkeit auffallender und divergenter Erschei- 
nungen zur Entwickelung kommt und zu Tage tritt; die Ausgang 
gebende Basis derselben ist aber eine verhaltnismafig schmale. 

Fiir die Verwandtschaft zu den Rhynchocephaliern gilt 
hier im wesentlichen das Gleiche wie fiir die meisten schon be- 
sprochenen Ordnungen: bei der primitiven generalisierten Bildung 
und centralen phylogenetischen Stellung derselben kann ein Ur- 
sprung der Dinosaurier-Vorfabren in der Nahe des Stockes der 
altesten Rhynchocephalier angenommen werden. Speciellere Be- 
ziehungen zwischen beiden Ordnungen sind damit nicht behauptet. 

Die Relationen der Dinosaurier zu den Theromorphen 
erscheinen mir so lose und so allgemeiner Art zu sein, daf man 
hier nur so weit von Verwandtschaften sprechen kann, als beide 
Ordnungen Reptilien sind. 

Dagegen handelt es sich beziiglich der Crocodilier und 
Dinosaurier um eine beachtenswerte specielle Verwandtschaft. 
Eine Fiille von gemeinsamen Ziigen verbindet beide und giebt der 
Annahme eines Ausganges von gemeinsamen Voreltern reellen 
Untergrund. Die Trennung geschah aber jedenfalls friih, und die 
Dinosaurier gelangten zu einer hdheren Stufe der Entwickelung 
als die Crocodilier. 

Mit den Patagiosauriern bestehen mancherlei Ueberein- 
stimmungen, vorwiegend gradueller Natur und zum Teil nur Zeichen 
der Dinosauriern und Patagiosauriern gemeinsamen hohen Stellung. 
Dieselben finden sich in den verschiedensten Abschnitten des Kopf- 
und Rumpfskelettes, weniger des Extremitatenskelettes, wo die 
sehr abweichende Funktionierung zum Teil ganz divergente Dif- 
ferenzierungen, wie namentlich die ganz verschiedene Hand, heraus- 
ziichtete. Dazu kommt die weit verbreitete Rarefizierung des mit 
Hohlriumen versehenen Skelettes. Doch weisen gewisse Charaktere 
(s. bei Patagiosauria, p. 663 f.) auch auf speciellere Relationen hin. Man 
darf annehmen, daf die Dinosaurier mit den Patagiosauriern durch 
eine gemeinsame, ziemlich tiefliegende Wurzel verbunden sind, und 
dafi bei beiden schon friih die differente Entwickelungsrichtung 
in Erscheinung trat, welche die Dinosaurier zum Landleben und 
zu einem groBen Teile zum aufrechten Gange, die Patagiosaurier 
zum Luftleben und einer ganz eigenartigen Flugentwickelung fiihrte. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 655 


Die mannigfachen Uebereinstimmungen im Bau des Skelettes 
der Dinosaurier und Végel sind von zahlreichen Untersuchern 
(von denen hier nur Owen 1841, GeGENBAUR 1863, 1864, HuXxLEY 
1868—1871, 1879, 1882, Marsa 1877—1895, Baur 1883, 1885 
genannt seien) hervorgehoben worden. Viele Autoren haben sich 
fiir die Abstammung der Voégel oder eines Teiles derselben 
(Ratiten) von den Dinosauriern resp. fiir einen gemeinsamen Ur- 
sprung beider von demselben Ahnen ausgesprochen; aufer Huxtey, 
Marsa und Baur mégen noch u. A. Cope [1867'), 1884, 1885], 
Mivarr (1871, 1881)4, Woopwarp (1874, 1883), WiEpERSHEIM 
(1878—1886) '), Vogt (1879) 4), Dotto (1881), T. J. Parkrr (1882), 
Horernes (1884), Menzpier (1887) angefiihrt werden. Auch 
HArcKEL (1875) deutet in seinem Stammbaum der Dracones, jedoch 
init ?, die Méglichkeit einer Abstammung der Voégel von den 
ornithopoden Dinosauriern oder von Compsognathus an. Ich habe 
mich 1888 ausftihrlich tiber die Frage der Verwandtschaft der 
Vogel mit den verschiedenen Reptilienordnungen geaufert und bin 
dabei, hinsichtlich des Dinosaurier- und Vogelbeckens in teilweiser 
Uebereinstimmung mit Mennert (1888), zu dem Resultate ge- 
kommen, daf die verschiedenen Aehnlichkeiten im Bau (namentlich 
des Beckens und der hinteren Extremitiat) in der Hauptsache nur 
Parallel- oder Konvergenz-Analogien bedeuten, daf eine direkte 
Abstammuug der Végel von irgend einem bekannten Dinosaurier 
oder demselben sehr nahe stehenden Typus eine Unméglichkeit 
ist, da’ alle Thatsachen fiir eine monophyletische Entstehung der 
Vogel sprechen, da’ gewisse Verwandtschaften, aber nur mittleren 
Grades, zwischen Végeln und Dinosauriern angenommen werden 
diirfen, dafi hinsichtlich der Genese der Végel auch an primitive 
Lacertilier zu denken sei, da’ aber der Bau der Végel so eigen- 
artig sei, dafi er eine direkte Ableitung von irgend einer deter- 
minierten Reptilienabteilung nicht gestatte. 

Diesen damaligen Schliissen habe ich wenig zuzufiigen. Nur 
einen Punkt méchte ich noch in helleres Licht stellen: die beweg- 
liche Artikulation des Quadratum der Végel mit dem Schadel. 
Da ich die streptostyle Anordnung des Kieferapparates als das 
primitivere, die monimostyle als das sekundaére Verhalten an- 
spreche und nicht in der Lage bin, die sekundare Loésung eines 


1) Corr 1867, Mivart, WiepersHerm und Voar sind fiir eine 
diphyletische Entstehung der Végel eingetreten, wobei sie die 
Ratiten von Dinosauriern, die Carinaten von Patagiosauriern ab- 
leiteten. 


656 Max Firbringer, 


einmal fest und ausgedehnt dem Schadel eingefiigten (monimostylen) 
Quadratum und die Neubildung eines Gelenkes zwischen Schadel 
und Quadratum (Streptostylie) zu statuieren, so sind fiir mich von 
vornherein alle monimostylen Reptilien, d. h. alle Reptilien aufSer 
den streptostylen Squamata (Lacertilia und Ophidia)') und den 
— erst noch zu findenden — streptostylen Vorfahren der Rhyncho- 
cephalia') von der direkten Ahnenschaft der Végel ausgeschlossen. 
Damit vertieft sich die Wurzel der Végel weit in das palaiozoische 
Gebiet (wohl Karbon) hinein, ein Schluf’, den auch bereits MaArsu 
gezogen hat’). Kleine reptilische, am meisten an Lacertilier er- 
innernde, aber auch nicht unwesentlich von ihnen abweichende 3), 
Vorfahren mégen damals den Ausgang fiir den miachtig auftretenden 
und im Laufe der Zeit in zahlreich und mannigfach entwickelten 
Zweigen sich veraistelnden Stamm oder Sprof der Végel gegeben 
haben. Danach méchte ich die von mir zugegebene Verwandtschaft 
mittleren Grades zwischen Dinosauriern und Végeln noch mehr 
einschrinken und die ihr als Untergrund dienenden morphologischen 
Aehnlichkeiten tiberwiegend als bloSe Analogien beurteilen. 

Der Hypothese Harcker’s (1895), daf’ die Dinosaurier und 
Patagiosaurier Warmbliiter gewesen seien, stehe ich von vornherein 
sympathisch gegentiber, habe auch beziiglich der Patagiosaurier im 
Anschlu8 an SreLry’s Annahme von der Warmbliitigkeit dieser 
Flugsaurier (1870) mich 1888 ausfiihrlich tiber diese Frage ge- 
iufert. Ich kam damals zu dem Schlusse, dafi man mit Wahr- 
scheinlichkeit eine Pneumatisierung des Skelettes gewisser Dino- 
saurier, sowie der Patagiosaurier annehmen diirfe, daf aber fiir 
die Entscheidung der Homéothermie der Patagiosaurier — tiber 
die der Dinosaurier aéuferte ich mich damals nicht —- unsere bis- 
herigen physiologischen Grundlagen und Kenntnisse noch nicht ge- 
niigten; gegen die Méglichkeit sei aber nichts einzuwenden. 

Die Hohlraumbildungen im Skelett der Dinosaurier lassen an 
eine Ausfiillung mit Mark oder an Luftraume denken; beide An- 


1) Hierbei ist an die streptostylen dizygocrotaphen gemeinschaft- 
lichen Vorfahren der Lacertilier und Rhynchocephalier zu denken. 
Eine Ableitung von den anazygocrotaphen Lacertiliern wird durch die 
Katazygocrotaphie der Végel verboten (vergl. auch p. 601 Anm. 1). 

2) Auch die hochgradige Ausbildung der Clavicula bei den 
typischen Végeln giebt gegeniiber dem Schwunde derselben bei 
den Dinosauriern und Patagiosauriern ein Hindernis fiir die Ab- 
leitung der ersteren von den letzteren. Die Vorfahren der Végel 
miissen Sauropsiden mit gut entwickelter Clavicula gewesen sein. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 657 


nahmen haben auch ihre Vertreter gefunden. Die Foramina, 
welche zu diesen Hoéhlen fiihren, erinnern in ihrer Lage und Be- 
schaffenheit bald an die Foramina nutritia anderer Reptilien, bald 
an die Foramina pneumatica der Vogel. Namentlich da, wo grofe 
Eingangséffnungen und weite, mit glatten Wandungen versehene 
Hohlriume zur Beobachtung kommen, kann man sich der Auf- 
fassung nicht entschlagen, daf hier eine wirkliche Pneumatisierung 
des Skelettes vorliegt; andererseits darf man bei kleineren Oeff- 
nungen und bei von zahlreichen spongidsen Balken durchsetzten 
unregelmafigeren Lakunen im Innern der Knochen eine Myelini- 
sierung derselben annehmen. Bei den einen Dinosauriern scheint 
dieses, bei den anderen jenes Verhalten in den Vordergrund zu 
treten. Mir scheinen also fiir die Annahme einer partiellen oder 
mehr oder minder kompletten Osteopneumaticitat vieler 
Dinosaurier gute Griinde zu bestehen; auch laf%t die Analogie 
der in Frage kommenden Foramina pneumatica mit denen der 
Vogel darauf schlieBen, da’ die Pneumatisation in der Hauptsache 
eine von den Lungen ausgehende ist’). 

Wie die durch die Osteopneumaticitat erzielte Leichtigkeit 
des Skelettes bei den Patagiosauriern ohne weiteres erhellt, so liegt 
es auch nahe, bei den Dinosauriern, diesen Gewaltigsten unter 
den terrestren Reptilien, daran zu denken, daf bei solchen Massen 
eine Erleichterung des Skelettes durch Lufterfiillung eine leichtere 
Bewegung und giinstigere Bedingungen im Kampfe um das Dasein 
gewahrte, daf damit auch die successive Aufrichtung des Koérpers 
und die Ausbildung der bipeden Stellung erleichtert wurde. 

Die genauere Beobachtung zeigt indessen, dali — sehr im 
Gegensatze zu den in ihrer Pneumaticitét ziemlich gut erkannten 
Vogeln — gerade die kleinsten Dinosaurier, wie der mit einer 
Lacerta ocellata an K6érpervolumen iibereinkommende Compso- 
gnathus, die gréfSeren Varaniden an Grofe gleichenden Coeluria und 
der kaninchengrof8e Hallopus, die am héchsten entwickelte Pneumatici- 
tat ihres Skelettes aufweisen, daf dagegen unter den riesigsten Formen 


1) In den Untersuchungen yon 1888 habe ich darauf auf- 
merksam gemacht, daf von den drei Pneumatisierungen des Skelettes, 
welche bald von der Nasenhéhle (nasale Pneumaticitit), bald von 
der Paukenhohle (tympanale Pneumaticitit), bald von den Lungen 
(pulmonale Pneumaticitiéit) ausgehen, die pulmonale in der Tier- 
reihe ein engeres Begrenzungsgebiet als die beiden anderen, bei 
Reptilien und Mammalien in wechselnder Weise verbreiteten zeigt, 
insofern sie im ausgebildeten Zustande, wie es scheint, nur den 
Dinosauriern, Patagiosauriern und Vogeln zukommt. 


658 Max Firbringer, 


sich solche finden, welche, wie z. B. die 7—10m langen Stegosaurus 
und Triceratops, ein durchaus solides Knochensystem besitzen. Auch 
zeiet die Wirbelsiule bei zahlreichen aufrecht gehenden Dino- 
sauriern (z. B. den meisten Ornithopoden) ebensowenig eine Pneu- 
matisierung wie bei den bipeden Anthropomorphen'). Das deckt 
sich somit nur zu einem kleinen Teile mit den theoretischen Vor- 
aussetzungen fiir die Pneumaticitét als Ueberwinder massiger 
Kérperformen und nétigt zu dem Gedanken, dafi bei den Dino- 
sauriern fiir die Ausbildung ihrer Osteopneumaticitaét noch andere, 
uns zur Zeit in der Hauptsache noch unbekannte Faktoren und 
Instanzen thatig waren. 

Eine dieser Instanzen war — méglicherweise — die Ent- 
wickelung der Warmbliitigkeit bei den Dinosauriern. W arm- 
blitigkeit (Homéothermie) findet sich bei den Végeln bald 
mit pulmonaler Pneumaticitét des Skelettes gepaart (mittelgrofe 
und grofe Végel), bald ohne dieselbe (kleine Végel); bei den 
Saugetieren ist sie allenthalben mit einem pulmonal apneumatischen 
Skelette verbunden. Die Osteopneumaticitat ist somit an sich 
kein notwendiger, bedingender Faktor fiir die Homéothermie, aber 
sie kann, wie zahlreiche Végel zeigen, Begleiterscheinung der- 
selben sein. 

In den Untersuchungen von 1888 wurde von mir darauf hin- 
gewiesen, daf bekanntermafen die Warmeabgabe durch die Lunge 
bei den daraufhin genauer untersuchten Saugetieren einen nicht 
unbetrichtlichen Prozentsatz der gesamten Warmeausstrahlung 
ausmache und daf darum das bei mittelgrofen und grofen Vigeln 
ausgebildete Hohlraumsystem, welches, von den Lungen ausgehend, 
das Skelettsystem und den iibrigen Kérper durchziehe, in noch 
héherem Maie geeignet erscheine, den bei diesen Tieren produ- 
zierten starken Ueberschuf an Wirme und Spannung aus dem 
Kérper zu entfernen, wihrend bei den kleineren Végeln mit ihrer 
im Verhaltnis zum Kérpervolumen relativ gréferen Kérperober- 
flache die Warmeausstrahlung durch die Oberhaut mehr in den 
Vordergrund trete und auch ohne oder bei nur geringer pul- 
monaler Pneumatisation des Kérpers sich fiir die Erfiillung dieser 
Aufgabe ausreichend erweise?). Damals hob ich zugleich hervor, 


1) Eine gewisse Entlastung wird bei den Ornithopoden durch 
die Pneumatisierung der meist nicht unerheblich reducierten vorderen 
Extremitat gegeben; sehr viel bedeutet dieselbe nicht. 

2) In diesen Arbeiten geiibte Untersucher diirften leicht im 
Stande sein, die Warmeausstrahlung durch die Lunge bei kleinen, 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 659 


da8 die homéothermen Tiere durch einen héher ausgebildeten 
Hautschutz, eine vollkommenere Sonderung des K6rper- und 
Lungenkreislaufes, eine einfache, einseitige Ausbildung des Aorten- 
bogens, zahlreichere und feiner differenzierte Blutkérperchen und 
ein gréferes Vorderhirn vor den pokilothermen ausgezeichnet 
seien und dal verschiedene physiologische Untersuchungsbefunde 
der Annahme eines cerebralen Warmecentrums sich giinstig er- 
wiesen. Alle diese Angaben sollten keine Erklarung fiir die Aus- 
bildung der héheren Homéothermie aus der tieferen Pékilothermie 
geben, sondern wollten als einfache Fragestellungen angesehen 
sein, deren Beantwortung der physiologischen Forschung anheim- 
gegeben wurde. 

Seitdem ist auf diesem Gebiete von physiologischer Seite 
manche Arbeit gethan, manches bedeutsame Resultat gewonnen 
worden. Diese oder jene ialtere Angabe konnte bestitigt oder 
richtig gestellt werden, auch die Untersuchungen tiber das cere- 
brale Wirmecentrum (wahrscheinlich im Corpus striatum) sind 
weiter gefordert worden. Und die bedeutendste neuere Arbeit auf 
diesem Gebiete (von KreEHL und SOETBEER 1899) hat durch ihre 
zielbewubte und umsichtige Fragestellung und durch die Genauig- 
keit und Zuverlassigkeit der experimentellen Untersuchung und 
der durch sie erhaltenen Resultate einen grofen Schritt zur 
Lésung gethan und wesentlich zur Vertiefung des Problems bei- 
getragen, zugleich aber auch erkennen lassen, wie grof die Fiille 
der noch zu lésenden Aufgaben der vergleichenden Warmetheorie 
des Kérpers ist. 

Bei den Dinosauriern zeigt die bei vielen kleinsten Formen 
besonders hoch entwickelte, bei vielen gréSten Vertretern fehlende 
oder nur gering ausgebildete Osteopneumaticitit, daf} sie den bei 
den Végeln gewonnenen Voraussetzungen fiir die Homéothermie 
wenig entsprechen. Dazu kommt noch die auffallende Kleinheit 
des Hirnraumes ihres Schidels, die auch der Annahme einer dino- 
sauren Homéothermie zunichst nicht giinstig ist. Es ist méglich, 
daf jene bisherigen Voraussetzungen irrige sind oder auf ganz 
einseitiger Basis beruhen, es kann sein, daf die Dinosaurier trotz 
alledem Warmbliiter waren oder dal sich innerhalb ihrer Grenzen 


mittelgrofen und grofen, d. h. bei wenig, mafig oder ausgebreitet 
pneumatisierten Végeln procentualiter zu bestimmen und damit die 
obigen theoretischen Angaben experimentell zu ergiinzen und zu 
priifen, 


660 Max Firbringer, 


die Homéothermie von bescheidenen Anfangen bis zu einer groferen 
Vollkommenheit entwickelte. Mit unseren bisherigen Grundlagen 
stehen wir aber vor dieser Frage als vor einer noch offenen. 


XI. Patagiosauria (Pterosauria) 4)?). 


Noch hoéher als die Entwickelung der Dinosaurier steht die- 
jenige der Patagiosaurier. Als kleine bis sehr grofe, dem Flug- 
leben ungefihr nach Art der Fledermause angepate Reptilien 
finden sich dieselben vom unteren Jura bis zur oberen Kreide ; 
vereinzelte nicht sicher erkannte Ueberreste, sowie Abdriicke von 
Fluefingergliedern aus dem Keuper (Rhamphodontia HAEcKEL) 
lassen auf die bereits zu dieser Zeit erfolgte Ausbildung der 
Ordnung schlieBen. Auch legt die gewonnene Hohe der specifischen 


1) Zur Begriindung dieses von mir zuerst 1888 an die Stelle 
der alteren Benennungen Pterosauria oder Ornithosauria gebrauchten 
Terminus Patagiosauria sei das Folgende angefiihrt. Ich huldige 
durchaus dem Grundsatze, daf man die historisch gegebenen Namen 
nach Moéglichkeit beibehalten und nur dann durch neue ersetzen 
soll, wenn die alten den thatsichlich bestehenden Verhaltnissen zu- 
widerlaufen oder zu irrigen Vorstellungen Veranlassung geben. 
Dieser Fall scheint mir hier gegeben zu sein. Der erstere von den 
ilteren Namen ist nicht scharf pracisiert, indem die Bezeichnung 
Pterosaurier auch an einen vogelihnlichen, mit Federn versehenen 
Fliigel bei den vorliegenden Reptilien denken laft, der letztere aber 
in jeder Hinsicht irrefiihrend, indem er die Vorstellung erweckt, als 
ob die Patagiosaurier intime verwandtschaftliche Beziehungen zu 
den Végeln hatten. Nichts aber kann verschiedener sein, als die 
Flugwerkzeuge beider Abteilungen: bei den Patagiosauriern nackte 
oder mit minimalen Schuppen bekleidete Flughaute, welche haupt- 
siichlich von dem ganz exklusiv hoch ausgebildeten 5, Finger der 
Hand, dem machtigsten Komplexe des ganzen Extremitatenskelettes 
dieser Tiere getragen werden, wahrend die 4 ersten Finger ganz 
zuriicktretende Anhange dieses Fingers bilden — bei den Végeln 
dagegen mit hochentwickelten Federn ausgestattete Fliigel, welche 
aus einer Umbildung der vorderen Extremitit hervorgehen, deren 
distaler Bereich allein aus den 3 ersten Fingern besteht, wiahrend die 
einstmalige Existenz des 4. Fingers nur noch aus bald sich riick- 
bildenden embryonalen Rudimenten sich erkennen laft, der 5. (bei 
den Patagiosauriern miachtigste) Finger aber spurlos verschwunden 
ist. — Die Bezeichnung Patagium (ateysiov) ist iibrigens eine 
schon seit alten Zeiten in die Morphologie eingefiihrte, um Haut- 
siume, Flugsiume oder Flughiute zu bezeichnen. 

2) Vergl. auch p. 355—364, sowie die betreffenden Ausfih- 
rungen sub § 16 A, p. 521—571. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 661 


Differenzierung den Schluf nahe, da die erste Entwickelung der 
Patagiosausier in noch friiherer Zeit stattgefunden hat. Das Ge- 
nauere dieser Vorgeschichte ist in ginzliches Dunkel gehiillt. 

Die Organisation der Patagiosaurier giebt sich als die h6chste 
unterden Reptilien und als cine der am meisten specialisierten 
unter allen Wirbelticren zu erkennen. Die Halswirbelsiule zeigt 
in ihrer Zusammensetzung aus 7—8 Wirbeln!) primitivere Ver- 
hiltnisse, doch sind die gleich den Riickenwirbeln procélen Hals- 
wirbel gewoéhnlich erheblich langer als die Wirbel der anderen 
Regionen und geben dem Halse gegeniiber dem tibrigen kompakteren 
K6rper eine relativ grofe Schlankheit und Beweglichkeit; bei den 
héchsten Patagiosauriern (Ornithocheiroidea SEELEY, Ornitho- 
cheiridae WiLLIston) kommt es zugleich zu sacrumartigen Anchy- 
losen einiger vorderen Dorsalwirbel, mit denen das dorsale Ende 
der Scapula sich nach Art eines Beckens gelenkig verbindet; das 
Sacrum besteht aus 3—5 Wirbeln. Der (wie bei den héheren 
Dinosauriern) im rechten Winkel gegen die Wirbelsiule abgesetzte 
Schadel ist hoch entwickelt mit zu einem grofen Teil synostotisch 
verschmolzenen Schidelknochen und einem Gehirnraum, welcher 
denjenigen der Reptilien an Groéfe tibertrifft und dem der Végel 
sich anniihert; das Quadratum ist schlank, aber mit seinem oberen 
Ende fest mit dem Schiidel verbunden. Das gewoélbte und mit 
langer Spina oder Cristo-spina versehene Sternum zeigt sich in aus- 
gedehntem Mase verknéchert, der nur aus Scapula und Coracoid be- 
stehende primaire Schultergirtel ergiebt gewisse Uebereinstimmungen 
mit dem der Crocodilier und Dinosaurier und ahnelt zugleich dem- 
jenigen der carinaten Végel; die sekundiren Elemente des Brust- 
schulterapparates (Clavicula, Episternum) sind ganzlich verkiimmert, 
das Parasternum ist zart und erheblich reduziert. Die Carpalia 
sind vermindert; ganz eigenartig und mit nichts zu vergleichen 
ist die michtige und hoch specialisierte Umbildung des 5. Fingers, 
der sich zur Hauptstiitze der Flughaut entwickelt hat; die 3 
mittleren Finger sind von gewoéhnlicher Lange?), frei und mit 
Krallen verschen, der 1. gréftenteils oder vollkommen reduziert 
und sein Metacarpus zu dem sogenannten Spannknochen umge- 


1) Gemeinhin werden 7 Halswirbel angegeben; dies thut auch 
Wiuiston, aus dessen sonstigen Mitteilungen ich aber gerade eine 
Achtzahl der Halswirbel bei Ornithostoma entnehme (vergl. auch 
p. 359 Anm. 3, 543 Anm. 5). 

2) Bei den Fledermiusen sind bekanntlich der 2. bis 5. Finger 
verlangert und Triger der Flughaut. 


662 Max Firbringer, 


bildet. Am Becken zeigt das Heum entsprechend dem grofen 
Sacrum eine betraéchtliche sagittale Verlingerung, welche an die 
Verhaltnisse bei den ornithopoden Dinosauriern erinnert und an 
die Méglichkeit einer aufrechten Stellung denken laBt; der ventrale 
Abschnitt des Beckens ergiebt Besonderheiten, die noch nicht tiber- 
einstimmend gedeutet werden, aber auch manche Aehniichkeit 
mit den Ornithopoden darbieten; die hintere Extremitat zeigt 
gleichtalls eine Specialisierung fiir die aufrechte Stellung, eine 
erhebliche Reduktion des Tarsus und ein allgemeines Zuriicktreten 
ihrer Gréfe gegeniiber der vorderen. Das Skelett zeichnet sich 
durch eine hochgradige Pneumaticitét und Leichtigkeit bei 
ganz und gar dominierender Ossifikation aus und bietet darin eine 
grobe graduelle Uebereinstimmung mit dem Vogelskelett dar; 
auch beziiglich der bald thekodont-maxillodonten, bald (bei den 
héchsten Formen) in Riickbildung getretenen Bezahnungen bestehen 
Parallelen zu den Végeln. 

Die systematische Einteilung der Patagiosaurier ist nament- 
lich durch die speciellen Untersuchungen von H. von Meryerr 
(1859—65), Owen (1863—74), SEELEY (1870—91), Marsu (1871 
—84), ZirTeL (1882, 1890) und Winiiston (1892—98) geférdert 
worden. Insbesondere auf Grund von SEELEY’s und WILLISTON’s 
Nachweisen wird die im ganzen eng geschlossene Ordnung in die 
beiden Unterordnungen Rhamphorhynchia (Pterodermata SEELEY, 
Draconura HArECKEL) und Ornithocheiria s. Pterodactyla (Draco- 
chira HArcKEL) verteilt; die tieferen langschwanzigen Rham- 
phorhynchia beginnen im unteren Jura, wahrscheinlich aber 
schon im Keuper, mit den durch eine noch miabige Ausbildung 
des Flughautfingers gekennzeichneten Dimorphodontidae und ent- 
falten sich zu den im ganzen Jura verbreiteten Rhamphorhyn- 
chidae mit machtig entwickeltem Flughautfinger; die héheren kurz- 
schwanzigen Pterodactyla s. Ornithocheiria treten mit den noch 
mit freier Scapula versehenen Pterodactylidae (mit den bezahnten 
Pterodactylinae und den zahnlosen Nyctodactylinae) im oberen 
Jura auf und reichen bis zur mittleren Kreide, wahrend die durch 
eine mit der Wirbelsiule verbundene Scapula gekennzeichneten 
Ornithocheiridae (mit den bezahnten Ornithocheirinae und den 
zabnlosen Ornithostomatinae) im Wealden und in der Kreide lebten. 

Als speciellere Verwandte der Patagiosaurier sind Rhyncho- 
cephalier, Crocodilier, Dinosaurier und Végel in Frage gekommen. 

Zu der oben angefiihrten Klassifikation der Patagio- 
saurier habe ich wenig zu bemerken. In derselben tritt das 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 663 


friiher namentlich von Copr und LypEKKER allzusehr iiberschitzte 
Differentialmoment der Bezahnung mit Recht mehr in den Hinter- 
grund, wahrend neben der seit alters verwerteten Schwanzlinge 
namentlich auch das Verhalten des dorsalen Endes der Scapula 
zur Unterscheidung der tieferen und héheren Patagiosaurier ver- 
wendet wird. Im ganzen ist der Verband der Patagiosaurier ein 
relativ eng geschlossener, so daf die Abteilungen desselben kaum 
die Bedeutung von Subordines besitzen. 

Betrefis der verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Rhyn- 
chocephaliern gilt das Gleiche wie fiir die Dinosaurier (p. 654) 
und die meisten von ihnen besprochenen Ordnungen: dieselben 
kénnen zufolge der generalisierten Organisation und centralen 
Stellung der Rhynchocephalia angenommen werden, sind aber 
nur von allgemeiner Art. 

Speciellerer Natur sind die Relationen zu den Crocodiliern, 
und manche Verhaltnisse am Rumpf- und Extremitiatenskelett (inkl. 
Giirtel) bieten gewisse auf gemeinsame Stammeltern zuriickfiihr- 
bare Aehnlichkeiten dar. Die gemeinschaftliche Wurzel liegt aber 
sehr tief, die Verwandtschaft ist nur eine solche mittleren Grades. 

Von gréferer Bedeutung erweisen sich die genealogischen Be- 
ziehungen zwischen Dinosauriern und Patagiosauriern. Diese 
verhiltnismibig nahen Relationen sind auch von zahlreichen 
Autoren erkannt worden, wobei namentlich gewisse gemeinschaft- 
liche Ztige in der Struktur des Beckens und der hinteren Extremi- 
tit, sowie die beiden Ordnungen zukommende Osteo-Pneumaticitat 
als Vergleichungspunkte dienten. SEELEY und insbesondere HAECKEL 
haben dieser Verwandtschaft schairfsten Ausdruck verlichen: ersterer 
vereinigte beide mit den Crocodilia und Aves zu den Ornitho- 
morpha; letzterer verband beide zur Klasse der Dracones, d. h. 
warmbliitiger, mit 4kammerigen Herzen versehener Sauropsiden, 
und stellte sie zwischen Crocodilier und Végel, mit denen zusammen 
sie die Ornithocrania (= Ornithomorpha SEELEY) bilden. — Wie 
auch die Differenzen zwischen Dinosauriern und Patagiosauriern in 
die Augen fallen, so bin ich doch gleichfalls geneigt, nihere Be- 
ziehungen zwischen beiden anzunehmen. Doch mochte ich hierbei 
nicht die beiden gemeinsame Osteo-Pneumaticitaét in den Vorder- 
gerund stellen — denn diese reprasentiert nur ein graduelles 
Moment, ein Endstadium der héheren funktionellen Entwickelung 
beider Ordnungen, klart nichts hinsichtlich des phylogenetischen 
Anfanges auf, kann Verwandtschaft bedeuten, kann aber ebenso 


gut nur ein Kennzeichen blofer Parallel- oder Konvergenz- 
Bd, XXXIV. N. F. XXVII. 43 


664 Max Fiirbringer, 


Analogie sein‘), Weitaus bedeutsamer erscheinen mir die Kon- 
figuration des Schiidels, insbesondere das Verhalten der Temporal- 
gegend und des blof’ mit seinem dorsalen Ende fest mit dem 
Schidel verbundenen Quadratum, gewisse Bildungen des Rumpft- 
skelettes, des Schulter- und Beckengiirtels und der hinteren 
Extremitit. Hier ergeben sich zwischen beiden Abteilungen 
specifische Beriihrungspunkte, die zugleich einiges Licht auf die 
Vorgeschichte der Patagiosaurier werfen. Das lang ausgedehnte 
Sacrum und Ileum und gewisse Ziige in der Struktur des Unter- 
schenkels und Fufes ergeben mit hinreichender Sicherheit, dal 
der erste Schritt zur Ausbildung der Patagiosaurier mit einer 
Aufrichtung des Kérpers begann, in ahnlicher Weise, wie wir sie 
auch bei zahlreichen Dinosauriern antreffen, bei diesen meist in 
noch héherer Entwickelung als bei den Patagiosauriern. Damit 
ging naturgemaf eine abweichende Differenzierung der vorderen 
Extremitét Hand in Hand. Bei den bipeden, insbesondere den. 
ornithopoden Dinosauriern fiihrte dieselbe zur Ausbildung der 
Greifhand, wobei namentlich der 1. und 5. Finger mehrfachen, 
zum Teil regressiven Umbildungen unterlagen; bei den Patagio- 
sauriern entwickelte sich neben dieser Funktion der Hand noch 
diejenige einer Hauptstiitze fiir die successive zu hoher Entfaltung 
kommende Flughaut, wobei gleichfalls der 1. und 5. Finger — 
letzterer aber in Anpassung an das Patagium hochgradig progres- 
siv — weitere Differenzierungen eingingen. Zwischen den héher 
ausgebildeten Formen der Dinosaurier und Patagiosaurier existiert 
in dieser Beziehung eine fast diametrale Verschiedenheit: bei den 
ersteren zeigt der 5. Finger eine mehr oder minder vorgeschrittene 
Verdiinnung und Phalangenverminderung bis zur vollkommenen 
Reduktion (so namentlich, wie es scheint, bei Compsognathus, 
Ornithomimus, Claosaurus u. a.); bei den letzteren behalt er seine 
4 Phalangen und entfaltet diese zur hochgradigsten Verlingerung 
und Volumensvermehrung, die wir innerhalb des Tierreichs kennen. 
Verschiedene Dinosaurier zeigen aber Verhaltnisse der Hand, 
welche von denen bei den Patagiosauriern nicht so fundamental 
differieren. Bei den Patagiosauriern ist die tibliche Phalangenzahl 
der 5 Finger der Hand 0, 2, 3, 4, 4; der ornithopode Iguanodon 
bietet 1 (0), 3, 3, 4 dar, somit hinsichtlich des 1. und 5. Fingers 
betrachtliche Uebereinstimmungen, welche durch die besondere 


1) Ich verweise auch auf meine diesbeziiglichen Ausfiihrungen 
von 1888. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 665 


Stellung und Differenzierung derselben') noch erhéhte Bedeutung 
gewinnen, und es ist wohl méglich, da8 die fiinffingerigen Hinde 
triassischer Dinosaurier (z. B. aus den Familien der Zanclodontidae 
und Anchisauridae, namentlich der noch unbekannten triassischen 
Ornithopoda) an ihrem 5. Finger die volle Vierzahl der Phalangen 
aufwiesen, die ihnen jetzt zu einem groSen Teile auf Grund der 
bisher bekannt gewordenen Erhaltung ihrer Reste abgesprochen 
wird. Ich denke nicht daran, intimere Verwandtschaften zwischen 
Iguanodon oder den zur Zeit bekannten triassischen Dinosauriern 
mit den Patagiosauriern zu behaupten; alle diese Formen befinden 
sich bereits in weit vorgeschrittener specifischer Differenzierung 
und sind in ihrer Organisation so festgelegt und sozusagen er- 
starrt, dafi eine Umbildung der Greithand der ersteren in die 
Greifflughand der letzteren nicht mehr méglich erscheint?). Dazu 
kommen gewisse Ziige, wie z. B. die Zahl der Halswirbel*), in denen 
die in der tiberwiegenden Summe ihrer Merkmale hoher stehenden 


1) Bei beiden (Iguanodon und den Patagiosauriern) zeigt der 
1. Finger resp. bei vollkommener Reduktion desselben der 1. Meta- 
carpus eine besondere Umbildung, indem er bei Iguanodon als 
abstehender dolchartiger Stachel, bei vielen Patagiosauriern als 
abstehender bezw. zuriickgebogener Spannknochen entwickelt ist; 
bei beiden bietet auch der aus 4 Phalangen bestehende 5. Finger 
eine von den iibrigen Fingern abstehende Stellung dar. 

2) Seetey und Harcken sind geneigt, die Coeluria als die den 
Patagiosauriern am meisten verwandten Dinosaurier anzusehen. 
Das Tertium comparationis scheint hierbei die namentlich bei 
diesen Dinosauriern hochgradig entwickelte Osteopneumaticitat zu 
bilden. Wie bereits oben erwahnt, halte ich diesen Faktor nicht 
fiir geeignet, um daraufhin speciellere Verwandtschaften zu griinden. 
Im iibrigen lait unsere Kenntnis der Organisation der Coeluria noch 
zu wiinschen iibrig. 

3) Bei den Patagiosauriern 7—8, bei den Dinosauriern meist 
10—11 und mehr. Damit stellen sich die ersteren der primitiven, 
bei kionokranen Lacertiliern und Rhynchocephaliern beobachteten 
Halswirbelzahl der Reptilien (8) naéher als die letzteren, bei denen 
eine weiter gehende Verschiebung der vorderen Extremitat nach 
hinten die Halswirbelsiule um 2—3 oder mehr Wirbel verlingerte. 
Falls die Patagiosaurier zum Teil nur 7 Halswirbel besitzen, wie 
allgemein behauptet wird, aber meines Erachtens erst noch zu er- 
weisen ist (s. p. 661 Anm. 1), so wire eventuell anzunehmen, daf 
dieselben durch eine geringgradige kranial gerichtete Wanderung 
der vorderen Extremitat ihren urspriinglich aus 8 Wirbeln bestehen- 
den Hals um 1 in das thorakale Gebiet iibergehenden Wirbel ver- 
kiirzten (vergl. auch p. 544). 

43 * 


666 Max Firbringer, 


Patagiosaurier doch noch primitivere Verhaltnisse gewahrt haben. 
Die herangezogene Parallele soll nur demonstrieren, dal selbst da, 
wo auf den ersten Blick die gré%te Divergenz zu bestehen scheint, 
doch Bertihrungspunkte der sonst so verschiedenartig ausgebildeten 
Abteilungen der Dinosaurier und Patagiosaurier bestehen und dab 
diese auf einen wirklichen genetischen Zusammenhang, auf ge- 
meinsame Vorfahren _ hinweisen. Diese Vorfahren waren 
vielleicht durch folgende gemeinsame Ztige gekennzeichnet: Be- 
ginnende Aufrichtung des Koérpers, beginnende Pneumaticitiit, ver- 
schmolzenes Squamosum und Prosquamosum, 2 Schlafenbogen 
und 2 Schlafengruben, Quadratojugale anwesend, Quadratum 
nur mit dem oberen Teile fest mit dem Schiadel verbunden, 8 Hals- 
wirbel, lange Schwanzwirbelsiule, verlangerter und schrag nach 
vorn gerichteter primiarer Schultergiirtel, sekundirer Brustschulter- 
apparat in Riickbildung begriffen, fiinffingerige Greifhand mit gut 
ausgebildetem, aus 4 Phalangen bestehendem 5. Finger, in sagittaler 
Richtung verlangertes, ornithopodenahnliches Neum, zur Orthopodie 
tendierende Entwickelung der hinteren Extremitaét. Von da aus 
begann die sehr divergierende Ausbildung der beiden Abteilungen, 
die bei den aufrecht schreitenden Dinosauriern zur héchsten Ent- 
faltung der hinteren Extremitaéit und der Lauffaihigkeit unter 
relativem Zuriicktreten der vorderen Extremitit, bei den Pata- 
giosauriern zur hoch und einseitig specialisierten Ausbildung der 
vorderen Gliedmafe und des Flugvermégens unter sekundéirem 
Zuriickbleiben der hinteren Gliedmafe fiihrte. 

Gleich den Dinosauriern sind auch die Patagiosaurier zu den 
Voégeln in nachste Beziehung gebracht worden. Wie bereits oben 
(p. 655 Anm. 1) mitgeteilt, haben mehrere Autoren (Corr, Mivart, 
WIEDERSHEIM, VoGtT) einen diphyletischen Ursprung der Vogel be- 
hauptet und die Ratiten von den Dinosauriern, die Carinaten von 
den Patagiosauriern abgeleitet. Owen (1866—78) hat sich fiir eine 
Abstammung der ganzen Vogelklasse von den Patagiosauriern aus- 
gesprochen, hat aber diesen Standpunkt in seinen spéteren Mit- 
teilungen mit minderer Bestimmtheit vertreten. SEELEY (1866—91) 
ist der Annahme intimer Verwandtschaft mit den Végeln zuge- 
neigt, verbindet Végel, Patagiosaurier, Dinosaurier und Crocodilier 
zu den Ornithomorpha.und erblickt in den Patagiosauriern eine 
den Végeln parallele Subklasse (Saurornia), welche auf Grund 
ihres relativ grofen Gehirnes und ihrer ausgedehnten Pneuma- 
ticitat auf eine héher entwickelte Atmungs- und Pulsfrequenz, auf 
ein mit getrennten Kammern versehenes Herz und auf Warm- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 667 


bliitigkeit schliefen lasse; die Patagiosaurier gehérten nicht mehr 
zu den Reptilien, sondern stellten sich gleich den Végeln zwischen 
Reptilien und Saugetiere. Aehnliche Anschauungen vertritt HAECKEL 
(1895) und dehnt diese auch auf die Dinosaurier aus, die er, 
wie schon erwihnt, mit den Patagiosauriern zu den Dracones ver- 
bindet. Ich habe mich 1888 eingehender iiber die supponierte 
Verwandtschaft der Patagiosaurier mit den Végeln geiufert und 
eine Abstammung der letzteren von den ersteren abgelehnt; das 
streptostyle Quadratum der Végel aft sich nicht von dem monimo- 
stylen der Patagiosaurier ableiten, und zwischen der Bildung 
der Vogel- und Patagiosaurier-Hand gihnt eine Kluft, tiber die 
keine von den Patagiosauriern kommende Briicke fiihrt — ganz 
von anderen nicht minder erheblichen Differenzen zu schweigen. 
Aber auch fiir eine Abstammung der Végel und Patagiosaurier 
von einem gemeinsamen Vorfahren erweisen sich die positiven 
Instanzen, die daftir herangezogen werden kénnten, nicht pragnant 
genug, um den negativen gegeniiber das Uebergewicht zu bilden; 
meist sind die Aehnlichkeiten Parallel- oder Konvergenz-Analogien 
und halten einer gescharften Beobachtung und Beurteilung nicht 
stand. Entferntere Verwandtschaften sind gewif vorhanden, die 
gemeinsame Wurzel liegt aber sehr tief, und nach wie vor bin ich 
geneigt, die Patagiosaurier, wie hoch und einseitig und in unver- 
kennbarer Analogie zu den Végeln sie entwickelt sind, doch zu 
den Reptilien zu rechnen und nicht zwischen diese oder die Végel 
zu stellen. 

Die von SeeLey und HArcKkeL behauptete und von mir 1888 
besprochene Warmblitigkeit der Patagiosaurier halte ich nach 
wie vor fiir eine sehr diskutable Hypothese, finde auch bei den 
Patagiosauriern mit ihrem relativ grofen Gehirn, ihrer hohen 
Organisation, der recht vogelaihnlichen Anordnung und Verteilung 
ihrer Osteopneumaticitét und ihren vermutlich recht kraftigen und 
intensiven Flugbewegungen eine Anzahl Instanzen, welche dieser 
Vermutung sich nicht ungiinstig erweisen; wie es mit dem Warme- 
schutz ihrer Haut stand, ob die Schuppenbekleidung derselben 
bereits zur Bildung haarahnlicher Federn tendierte, ist noch nicht 
aufgeklirt. Die Annahme der Homéothermie der Patagiosaurier 
verfiigt aber jedenfalls tiber bessere Faktoren als diejenige der 
Homéothermie der Dinosaurier. Daf’ Harcket aber diese Hypo- 
these nicht blo& auf die ersteren beschrinkte, sondern auch auf 
die letzteren ausdehnte, war eine durchaus berechtigte, konsequente 
Handlung. Beide Abteilungen verfiigen tiber die gleichen Momente, 


668 Max Firbringer, 


welche fiir die Warmbliitigkeit geltend gemacht werden kénnen, 
und es ist nur der verschiedene Grad ihrer Entwickelung — ge- 
ringer und beginnend bei den Dinosauriern, héher ausgebildet bei 
den Patagiosauriern — welcher beide relativ unterscheidet. Aber 
wie bei den Dinosauriern (cf. p. 658 f.) halte ich auch bei den Pata- 
giosauriern die bis jetzt verfiigbaren Materialien nicht fiir aus- 
reichend, uns eine Entscheidung fiir oder wider zu geben. 


XII. Hauptgruppen der Reptilien, genealogisches 
Verhalten zu den tibrigen Tetrapoden. 


Die in den vorhergehenden Abschnitten II—XI besprochenen 
Abteilungen der Reptilien lassen sich auf Grund ihrer naheren 
oder ferneren Verwandtschaften in 4 Gruppen sondern: 

1) Streptostylia s. Squamata (Lacertilia et Ophidia), Rhyncho- 

cephalia, Ichthyopterygia, 

2) Theromorpha, 

3) Mesosauria, Sauropterygia, Chelonia, 

4) Crocodilia, Dinosauria, Patagiosauria. 

Diese Gruppierung entspricht, abgesehen von einigen minder 
bedeutsamen Abweichungen, in den Hauptziigen der von LYDEKKER 
(1888—90) gegebenen, hat auch vieles mit der von Baur 1887 
proponierten Verteilung (die LypEKKER in den meisten Punkten 
zum Vorbild diente) gemeinsam‘), weicht aber erheblicher von den 
genealogischen und systematischen Anordnungen von Cope (1887, 
1889), HarckEeL (1895) und Baur (1895) ab‘). 

Die erste Gruppe oder Subklasse, von LypDEKKER nicht ganz 
gliicklich als Streptostylic Branch bezeichnet ’), enthalt diejenigen 
streptostylen und monimostylen Reptilien, welche in ihrer Organi- 


1) Ein fundamentaler Unterschied gegeniiber den Systemen 
Baur’s und Harckev’s ist in der ginzlichen Abtrennung der Vogel 
und Siugetiere von den Reptilien gegeben, womit ich mich im 
Einklange mit der systematischen Anordnung der meisten Zoologen 
und Paliontologen, insbesondere auch yon Huxtny, GEGENBAUR, 
Corr, Zirrey u. A. befinde. 

2) Nur die Squamata sind Streptostylier, wahrend bei den 
Rhynchocephaliern und Ichthyopterygiern Monimostylie — besteht, 
wobei nicht verkannt werden soll, da die Monimostylie der 
Rhynchocephalier jiingeren Datums und nicht so intensiv ausgebildet 
ist als die der Synaptosaurier und Archosaurier (p. 599 Anm. 1, 
625 Anm. 1). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 669 


sation die gréfte Summe yon primitiven Charakteren darbieten 
und sich damit zugleich als genereller, der Stammform der Reptilien 
relativ am niachsten stehender resp. von ihr mit den relativ ge- 
ringsten Abanderungen fortgesetzter Zweig dokumentieren. Damit 
gewadhren sie resp. ihre gemeinschaftlichen Vorfahren zugleich fiir 
die anderen Reptilien-Abteilungen Ankniipfung, lassen sich aber 
nicht von diesen ableiten. Unter Benutzung des von HArcKEL den 
Rhynchocephaliern s. lat. gegebenen Namens, also unter erweiterter 
Anwendung desselben, bezeichne ich sie als Tocosauria. 

Die zweite Gruppe oder Subklasse kennzeichnet sich als 
eine sehr alte, friih ausgestorbene, monimostyle Abteilung, welche 
in ihrer Organisation ein Gemisch von zahlreichen primitiven Ziigen 
mit teilweise ziemlich weit vorgeschrittenen Specialisationen dar- 
bietet. Sie reprisentiert damit einen sehr friih von dem gemein- 
samen Reptilienstocke abgegangenen Seitenzweig, der zugleich 
einen isolierten Endzweig darstellt und keiner anderen Abteilung 
als Ausgang dient. Ftir diese Subklasse tibernehme ich den gleichen 
Namen wie fiir die in ihr enthaltene Ordnung und bezeichne sie 
als Theromorpha oder Theromora!?). 

Die dritte, ebenfalls monimostyle Gruppe oder Subklasse 
hat sich gleichermafien sehr friih und zwar in der Nahe der 
Theromorpha von dem gemeinsamen Reptilienstocke abgezweigt 
und verbindet ahnlich den Theromorphen, aber in etwas anderer 
Verteilung, primitivere und héher specificierte Merkmale. Auch 
sie reprasentiert mit ihren Ordnungen einen Komplex von seit- 
lichen Endzweigen, die, bis auf die in noch ziemlich zahlreichen 
Gliedern erhalten gebliebenen Chelonier, ausgestorben sind (Meso- 
saurier und Sauropterygier). Ich wahle fiir diese Gruppe die 
Cope’sche Bezeichnung Synaptosauria. 

Bei der vierten, gleichfalls monimostylen 2) Gruppe wiegen 
die héheren Differenzierungen tiber die primitiveren Ziige bei 
weitem vor. Die Vertreter derselben dokumentieren sich als 
héchste, recht einseitig und divergent specialisierte Reptilien, die 


1) In dieser Benennung ist der — keine nahere Verwandt- 
schaft, sondern nur eine Analogie bedeutenden — Aehnlichkeit des 
Skelettes mit dem der Séugetiere zu sehr Ausdruck gegeben; doch 
ist der Name so eingebiirgert und verstindlich, daf fiir mich keine 
Veranlassung vorlag, einen anderen neuen zu bilden. 

2) Bei den primitiveren Typen dieser Gruppe ist die Moni- 
mostylie des Quadratum in ausgedehnterem Mage entwickelt als 
bei den héheren, aber auch bei den letzteren nirgends aufgegeben. 


670 Max Fiirbringer, 


sich spiter als die Theromorphen und Synaptosaurier von dem 
alten Reptilienstamme resp. den Vorfahren der Tocosaurier ab- 
gezweigt haben und die, mit Ausnahme spirlicher noch lebender 
Reste (einige Crocodilier), durchweg ausgestorben sind. Auch 
fiir diese Subklasse tibernehme ich den ihre hohe Stellung be- 
kundenden Copr’schen Namen Archosauria. 


1. Tocosauria. 


Die Subklasse der Tocosaurier besteht aus dem streptostylen 
Superordo der Streptostylia s. Squamata mit den beiden 
Ordines Lacertilia und Ophidia, aus der, soweit genauer bekannt, 
monimostylen Ordnung (Superordo ?) der Rhynchocephalia mit 
den Unterordnungen (Ordnungen ?) der Proterosauria und Rhyncho- 
cephalia vera und aus der monimostylen Ordnung der Ichthyo- 
pterygia. Alle diese geben sich in verschiedenem Grade als die 
primitivsten Vertreter der Reptilien zu erkennen; die ersten befinden 
sich in der Jetztzeit mit tiber 3000 lebenden Species in der gréften 
Bliite, von den zweiten ist nur noch eine Art (Sphenodon punctatus) 
iibergeblieben, die letzten starben bereits am Ende der meso- 
zoischen Zeit ganzlich aus. Daf die Vorfahren der monimostylen 
Ordnungen einstmals streptostyle Tiere waren, darf ohne weiteres 
behauptet werden und wird wohl auch durch die Ontogenese von 
Sphenodon zu stiitzen sein. 

Unter den Streptostylia (vergl. Il, p. 605—622) reprasen- 
tieren die Lacertilia in ihrer Mehrheit die den urspriinglichen 
Formen naher stehenden Typen, wahrend die meisten Ophidia 
sich von dem lacertilen Stamme aus als einseitige Specialisten 
weitergebildet haben. Aber auch die Lacertilier enthalten in 
der grofen Fiille und Mannigfaltigkeit ihrer Differenzierungen nicht 
ausschlieBlich tiefstehende, generelle Formen, sondern auch solche, 
welche — immer innerhalb gewisser Grenzen — zu einer gewissen 
einseitigen Entwickelungshéhe gelangt sind (insbesondere die Va- 
rano - Dolichosauria, Mosasauria, Amphisbaenia und namentlich 
Chamaeleontia). Die primitivsten Typen finden sich unter den 
Lacertilia vera (Kionokrania); gewisse Vertreter derselben stellen 
sich tiefer als der iibergebliebene rhynchocephale Sphenodon. 
Eine so reich und mannigfaltig entwickelte und dabei zugleich so 
viel primitive Ziige darbietende Abteilung hat eine grofe und 
lange Vorgeschichte. Von derselben sind uns aber, wegen der 
relativ zarten Organisation der meist kleinen und nur ausnahms- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 671 


weise gréferen Tiere, zur Zeit nur geringe, wenig Aufklirung 
darbietende Bruchstiicke bekannt geworden. Aber andererseits 
hat die relativ primitive Organisation und die geringe Kérpergréfe 
diesen Tieren eine gréfere Bildsamkeit und Anpassungsfihiekeit, 
sowie leichtere Bedingungen im Kampfe um das Dasein gewihrt 
als den gréferen und in ihrer héheren und einseitigen Organisation 
mehr festgelegten Tieren. Darin dirfte der Hauptgrund ihrer 
ausgiebigen Erhaltung in der Jetztzeit liegen, die uns zugleich in 
gewissem Sinne fiir die Liickenhaftigkeit unserer palaontologischen 
Kenntnisse derselben zu entschadigen vermag!). — Hinsichtlich 
der zahlreichen Unterabteilungen der Lacertilia verweise ich auf 
die Ausfiihrungen sub II (p. 605f.). 

Der lebende Vertreter der Rhynchocephalia (vergl. III, 
p. 622—627), Sphenodon, dokumentiert sich in der tiberwiegenden 
Summe seiner Organisationsmerkmale als ein primitives Tier, zeigt 
aber verschiedene Charaktere, die ihn héher stellen als die tiefsten 
unter den lebenden Lacertiliern. Die meisten der in der Tertiar- 
und Sekundirzeit lebenden Rhynchocephalier nehmen keine wesent- 
lich tiefere Stellung als Sphenodon ein; anders bei den _ palio- 
zoischen Formen (primitive Proterosauria, insbesondere Palaeo- 
hatteria), welche nicht allein das tiefe Niveau der primitivsten 
lebenden Lacertilier erreichen, sondern zum Teil selbst tiefer als 
diese stehen. Eine genauere Vergleichung und Abschatzung der 
relativen Organisationshéhe der einzelnen Charaktere wird durch 
unsere unzureichende Kenntnis jener alten Formen (namentlich 
die Zerstérung der Knorpelteile) unméglich gemacht. Auch ist 
nicht zu tibersehen, da eine Vergleichung paliozoischer Rhyncho- 
cephalier und recenter Lacertilier von sehr verschiedenen Horizonten 
ausgeht und dadurch in ihrer Giltigkeit und ihrem Werte einiger- 
mafen beeintrachtigt wird. Erst die Heranziehung gut erhaltener 
paliozoischer Lacertilierreste wird eine korrekte, rationelle Ver- 
eleichung erméglichen; diese liegt jedoch im Schofe der Zukunft. 
Die palaozoischen Vorfahren der Lacertilier werden aber  ver- 
mutlich keine héhere Stellung als die pal&ozoischen Rhyncho- 
cephalier eingenommen haben; es besteht wenigstens meines Erachtens 


1) Umgekehrt entschadigt uns fiir den Mangel der in der Jetzt- 
zeit so zahlreich ausgestorbenen Reptilienordnungen ihre meistens 
hohere, gréfere und massigere Organisation, welche sich der Er- 
haltung ihrer fossilen Reste giinstiger erwies. Es braucht nicht 
besonders betont zu werden, daf dieser Erfahrung eine weit iiber 
die Reptilien hinausgehende Geltung zukommt. 


672 Max Firbringer, 


nicht der mindeste Grund fiir das Gegenteil. Die Ursachen fir 
das Aussterben der Rhynchocephalier sind noch dunkel. Ich neige 
dazu, ihre etwas mehr als bei den primitivsten Lacertiliern fest- 
gelegte Organisation, insbesondere ihre Monimostylie und ihren 
schweren Deckknochenapparat, der nicht rechtzeitig zur Riick- 
bildung gelangte, zu einem guten Teile diifiir verantwortlich zu 
machen; damit verbanden sich selbstverstindlich gewisse Organi- 
sationsmingel in den Weichteilen, auf die naher einzugehen aber 
zu sehr in das Reich der Hypothesen und Vermutungen fiihren wiirde. 

Die uns bisher nur aus der mesozoischen Zeit bekannten 
Ichthyopterygia (vergl. III. p. 627—630) sind im hiéchsten 
Grade an das Wasser angepaB8te Specialisten und damit zugleich die 
am vorgeschrittensten und speciellsten differenzierten Tocosaurier ; 
ihre ganze Organisation weist auf eine Abstammung von terrestren 
Rhynchocephaliern, vermutlich Proterosauriern, hin. Diese rhyncho- 
cephalen Stammeltern sind uns noch unbekannt; wahrscheinlich 
begann die Ausbildung zum ichthyopterygen Typus schon am Ende 
der palaozoischen Zeit. Das friihe Aussterben der Ichthyoptery- 
gier ist wohl in der Hauptsache auf die bereits bei den Rhyncho- 
cephaliern angefiihrten Ursachen (s. oben), neben der schweren und 
einseitig festgelegten Organisation, die keine gentigend ausgiebigen 
neuen Anpassungen an die verinderten aéuferen Verhiltnisse er- 
laubte, namentlich auch auf ihre nach und nach gewonnene Kéorper- 
gréfe, welche ihnen den Kampf um das Dasein erheblich erschwerte, 
zuriickzufiihren. Als ausgesprochener Seitenzweig der Rhyncho- 
cephalier gewihren sie keinen Aufschluf8 iiber die primitiven Ver- 
haltnisse derselben; was bei ihnen primitiv erscheint (insbesondere 
der Bau ihrer Flossen), ist in Wirklichkeit sekundare Umbildung 
und Vereinfachung. Insofern ist ihr Aussterben weniger zu beklagen 
als dasjenige der friihesten Lacertilier und Rhynchocephalier. 

Die Organisation der Lacertilier und Rhynchocephalier zeigt, 
trotz verschiedener einschneidender Differenzen, so viel Gemein- 
sames, daf eine direkte Abstammung beider von einem 
gemeinsamen Ahnen nicht zweifelhaft ist. Die auffallendsten 
Differenzen beruhen insbesondere in dem Verhalten des Qua- 
dratum (streptostyl bei den Lacertiliern; monimostyl bei den 
Rhynchocephaliern), des Schlafenbogens (oberer und unterer bei 
den Rhynchocephaliern; oberer bei den Lacertiliern, der bei ge- 
wissen Vertretern derselben auch in Riickbildung treten kann) 
und des Parasternum (anwesend bei den Rhynchocephaliern, zuriick- 
vebildet bei den Lacertiliern). Daraufhin bestehen gute Griinde 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 673 


zu der Annahme, dafi diese gemeinsamen Vorfahren (Tocosaurier- 
ahnen) mit zwei oberflaichlichen, die Gelenkbildung 
des Quadratum mit dem Schiadel noch nicht unter- 
drickenden'), Schlafenbogen und mit Parasternum 
versehene Streptostylier waren. 

Die gemeinsame Abstammung von solchen Vorfahren macht 
zugleich die einstmalige Existenz von Zwischenformen, Kon- 
nektivtypen zwischen Lacertiliern und Rhynchocephaliern wahr- 
scheinlich. Als solche Zwischenformen sind auch die mesozoischen 
Acrosaurier (p. 626f.) angesprochen worden; méglicherweise 
reprisentieren auch die gleichfalls mesozoischen Telerpetidae 
(p. 612) in anderer Richtuug gehende intermediaére Typen zwischen 
Lacertiliern und Rhynchocephaliern 2), 

Aber von diesen schon ziemlich spaten Formen fallt kein 
reines Licht auf die einstmaligen gemeinsamen Vorfahren; wenn 
auch in intermediiirer resp. konnektenter Stellung zwischen Lacer- 
tiliern und Rhynchocephaliern, ist doch ihre Organisation, soweit 
bekannt, in ihrer Weise bereits gerade so hoch ausgebildet und 
gerade so hoch differenziert, wie diejenige der mesozoischen Lacer- 
tilier oder Rhynchocephalier. Eine wirkliche Aufklarung ist nur 
von alteren, palaozoischen Vertretern zu erhoffen, und hierbei 
richtet sich der Blick auf jene permischen Typen, deren Reste in 
Kadaliosaurus, Palaeohatteria, Petrobates und 
Hylonomus’®) erhalten sind, sowie auf jene noch alteren Formen 
aus dem Karbon, wie Dromopus, deren einstmalige Existenz 
uns wenigstens durch Fahrtenabdriicke wahrscheinlich gemacht 
wird (p. 627). Unsere jetzige Kenntnis dieser Reste ist hinsicht- 
lich des Kardinalpunktes der Frage — streptostyle oder monimo- 
style Verbindung des Quadratum mit dem Schidel — eine noch 
ginzlich unzureichende. Von den urspriinglichen Tocosaurierahnen 
ist Streptostylie zu fordern, und nur wenn diese Bedingung von 


1) Gaupp (1894) nimmt an, daf bei den dizygocrotaphen Vor- 
fahren der Lacertilier das Quadratum unbeweglich gewesen sel. 
Meiner Ansicht nach diirfte ein maifiger Grad von Beweglichkeit des- 
selben sich mit 2 lose angeordneten Temporalbogen vereinigen lassen. 

2) Ich bin geneigt, die Acrosaurier den Rhynchocephaliern, 
die Telerpetidae den Lacertiliern naiher zu stellen; andere Autoren 
sind zum Teil anderer Ansicht. Zur Zeit verfiigen wir nicht iiber 
ausreichende Kenntnisse, um diese Fragen zu entscheiden. 

3) Hylonomus gehért méglicherweise nicht hierher, sondern zu 
den Stegocephalen (p. 627). 


674. Max Firbringer, 


den angefiihrten oder von anderen noch aufzufindenden Reptilien 
jener alten Schichten erfiillt wird, darf gesagt werden, daf wir 
der Lésung dieser Aufgabe naher gekommen sind. Das alles bleibt 
noch abzuwarten, 


2. Theromorpha s. Theromora. 


Die Subklasse der Theromorpha s. Theromora wird durch 
die ausgeprigt monimostyle Ordnung der Theromorpha (Anomo- 
dontia SEELEY) mit den vorliufigen Subordines der Therosuchia 
und Therochelonia reprasentiert ‘) (verg]. VIII, p. 639—649); beide 
werden von den Autoren auch zu dem héheren Range von Ordines 
erhoben. 

Die Theromorphen kennzeichnen sich gegeniiber den Toco- 
sauriern durch ein gréferes Hervortreten specialistischer Ziige 
auf iibrigens primitiver Basis. Als sehr alte, in den jiingeren 
palaozoischen und den dlteren mesozoischen Schichten (Perm, 
Karroo, untere und mittlere Trias) reich und in verschiedenen 
Entwickelungsstufen vertretene Formen lassen sie eine sehr friihe 
Abzweigung von dem primitiven Reptilienstamme, vermutlich 
bereits in mittlerer paliozoischer Zeit (Karbon), voraussetzen und 
haben sich von da aus kleineren, mit den primitivsten Tocosauriern 
mannigfache Aehnlichkeiten darbietenden und noch ziemlich genera- 
lisierten Typen successive zu meistens gréferen und massigeren 
Specialisten entwickelt, welche infolge ihrer schwerfilligen und 
erofenteils anpassungsunfaihigen Organisation friiher als die meisten 
anderen Reptilienordnungen dem Kampfe um das Dasein unter- 
lagen und bereits um die Mitte der Trias ihr Ende erreicht haben 
mogen. 

Mehr oder minder auffallende Parallelen im Habitus und 
in der Bildung dieses oder jenes Skeletteiles haben verschiedene 
Autoren dazu gefiihrt, eine Umbildung der Theromorphen, sei es 
in die Chelonier, sei es in die Mammalier, oder wenigstens 
speciellere genealogische Relationen zu den ersteren oder zu den 
letzteren (Abstammung von gemeinsamen Stammeltern) anzunehmen. 
Diese Anschauungen halten indessen einer eingehenderen kritischen 
Betrachtung der gesamten Organisation dieser Tiere nicht stand, 
indem eine Anzahl fundamentaler Differenzen das Bestehen wirk- 


1) Die Stellung der Placodontia, sowie der Diadectidae (Cotylo- 
sauria) erscheint hierbei noch zweifelhaft. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 675 


licher na&herer Verwandtschaften der Theromorphen mit den 
Cheloniern (p. 634 f.) oder den Séugetieren (p. 641 f.) ausschlieBt. 
Die Aehnlichkeiten des Skelettes der Theromorpha mit demjenigen 
der Mammalia, wie sehr sie zum Teil auch in die Augen fallen, 
sind meines Erachtens doch nur als Parallel- oder Konvergenz- 
Analogien aufzufassen, verwandtschaftliche Beziehungen der Thero- 
morpha zu den Chelonia aber héchstens so weit anzunehmen, als 
ein recht weit zuriickliegender Vorfahre Theromorphen und 
Synaptosauriern (von denen die Chelonier eine specialisierte Ord- 
nung bilden) Ursprung gab. 


3. Synaptosauria. 


Die Subklasse der Synaptosauria wird durch die ausgepriet 
monimostylen Ordnungen der Mesosauria, Sauropterygia 
(mit den Subordines der Nothosauria und Plesiosauria) und Che- 
lonia gebildet. Die Mesosaurier stehen, wie sehr wahrscheinlich 
ist, zu den Sauropterygiern und danach den Cheloniern‘) in 
niheren verwandtschaftlichen Beziehungen, weshalb sie auch von 
BouLENGER mit diesen zu einer héheren Ordnung vereinigt wurden ; 
zugleich bieten sie auch gewisse genealogische Relationen zu 
den primitiven Typen der Theromorphen dar und vermitteln 
damit einen freieren Verband zwischen den Subklassen der Thero- 
morpha und Synaptosauria. Man kann danach auch von einer 
Subklasse Synaptosauria sensu latiori (von héherem Range) 
sprechen, welche die Synaptosauria sensu strictiori (Mesosauria, 
Sauropterygia, Chelonia) und die Theromorpha umfabt ?). 

Aehnlich den Theromorphen erweisen sich die Synaptosaurier 
(s. str.) im grofen und ganzen als Specialisten mit zahlreich er- 
haltenen primitiven Ziigen. Ihr Stamm diirfte recht friih (Karbon ?) 
in groBer Nahe zu den Theromorpha dem primitiven Reptilien- 
stocke entsprossen sein und hat sich dann bald in seine Zweige 
gesondert*). Die bisher nur in ganz sparlichen, kleinen Ver- 


1) Es sei auf Eunotosaurus Sueiey hingewiesen (cf. p.653 Anm. 2). 
2) Diese erweiterte Subclassis der Synaptosauria kénnte man 
auch unter Benutzung eines von Howns, allerdings in anderer Aus- 
dehnung, gebrauchten Namens als Bicoracoidalia bezeichnen, 
da bei ihnen, soweit der Schultergiirtel genauer bekannt ist, das 
Procoracoid dem Coracoid gegeniiber eine relativ grobe Selbstindig- 
keit aufweist. Der Werth dieser Benennung ist kein grofer (ef. p. 524). 
3) Die einstmalige Streptostylie der friihesten Vorfahren erhialt 
auch hier durch die Ontogenese der Chelonier eine gewisse Grundlage. 


676 Max Firbringer, 


tretern aus dem Perm und Karroo bekannten Mesosaurier bilden 
die altesten Synaptosaurier und waren, soweit unsere jetzige Kennt- 
nis reicht, bereits am Anfange der mesozoischen Periode aus- 
gestorben; die Sauropterygier erreichten in der mesozoischen Zeit 
eine reiche, bis zu riesigen Formen ansteigende Entwickelung, 
endeten aber vor dem Beginn der Tertiarzeit; die Chelonier sind 
in sicher erkannten Resten, welche aber den Typus der Ordnung 
bereits vollkommen ausgebildet zeigen und somit eine lange voraus- 
gehende Entwickelungsperiode voraussetzen lassen, erst seit der 
oberen Trias gefunden worden und haben sich in guter Entfaltung 
bis zur Jetztzeit erhalten. Die Ursachen des Aussterbens der 
Sauropterygier diirften die gleichen wie bei den Ichthyopterygiern 
gewesen sein. 

Die Mesosauria (vergl. VII, p. 638, 639) reprisentieren die 
primitivsten Synaptosaurier und damit die fiir die genealogische 
Erkenntnis wichtigste Abteilung derselben. Als kleine und sehr 
alte Formen zeigen sie noch viele primitive und allgemeine Ziige, 
die einerseits ihre Ankniipfung an primitive Tocosaurier (mit denen 
sie auch von mehreren Autoren enger verkniipft worden sind)‘), 
andererseits mit einiger Wahrscheinlichkeit eine Ableitung der 
Sauropterygier und vielleicht auch der Chelonier von ihnen oder 
richtiger von ihren Vorfahren gestatten. Aehnliches gilt méglicher- 
weise auch fiir die Stellung der Theromorphen gegeniiber den 
Mesosauriern. Doch verbietet die noch unzureichende Kenntnis 
der Organisation der Mesosaurier eine wirkliche Begriindung dieser 
Wahrscheinlichkeiten und Méglichkeiten. 

Die Sauropterygia (vergl. VI, p. 635—638) haben sich, wie 
seit langem mit guten Griinden angenommen, von urspriinglichen, 
ziemlich kleinen, terrestren und vermutlich mesosaurier-ahnlichen 
Vorfahren zu successive mehr und mehr dem Wasserleben an- 
gepaften, an Gréfe und Halslange zunehmenden Formen ent- 
wickelt. Ihre alteren Vertreter, die Nothosaurier, zeigen in ihrer 
in der Hauptsache bereits recht specialisierten Organisation noch 
manchen generellen Zug, ihre jiingeren Vertreter, die Plesio- 
sauria, Sind ausgemachte und hochstehende, dabei in ihrer Bbliite- 
zeit recht zahlreich entwickelte Specialisten. Nothosaurier und 
Plesiosaurier bilden aber keine Entwickelungsreihe, sondern ziem- 
lich divergente und voneinander unabhangige Zweige; eine direktere 


1) Bavr’s Proganosauria (im grofen und ganzen mit den Pro- 
gonosauria HancKe.’s tibereinstimmend). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 677 


Ableitung der letzteren von den ersteren wird durch die Organi- 
sation beider nicht unterstiitzt. Manche Autoren haben dieser 
genealoglschen Selbstindigkeit schon damit Ausdruck verliehen, 
indem sie beide Subordines, mit guten Griinden, zum Range von 
Ordines erhoben. 

Die Chelonia (vergl. V, p. 630—635) bilden eine enger ge- 
schlossene Abteilung, deren Organisation im allgemeinen auf eine 
gemeinsame Wurzel mit den vorgenannten Ordnungen hinweist, 
zugleich aber auch eine friihe Selbstandigkeit vor denselben tnd 
einen ziemlich langen, ganz einseitig eingeschlagenen Entwickelungs- 
gang wahrscheinlich macht. Ihre Halswirbelzahl entspricht, im 
Gegensatz zu derjenigen der Mesosaurier und namentlich Sauropte- 
rygier, derjenigen der Tocosaurier; ob damit ein primitives Ver- 
halten oder eine Riickkehr zu demselben aus vorher wirbelreicherer 
Cervicalregion durch eine rostralwirts gerichtete Riickwanderung 
der vorderen Extremitaét gegeben ist (vergl. auch p. 633 Anm. 2), 
diirfte noch zu entscheiden sein. 


4, Archosauria. 


Die Subklasse der Archosauria besteht aus den monimostylen 
Ordnungen der Crocodilia (mit den SO. der Parasuchia, Pseudo- 
suchia und Eusuchia), Dinosauria (mit den SO. der Theropoda, 
Sauropoda und Orthopoda) und Patagiosauria, welche drei 
Abteilungen von verschiedenen Autoren in noch mehr Ordines 
gesondert werden 4). 

Die Archosaurier dokumentieren sich, wie auch ihr Name be- 
sagt, als die Fiirsten der Reptilien, als die am héchsten und 
eréfkten entwickelten und am meisten specialisierten Typen der- 
selben und weisen in ihrer Konfiguration nur noch wenige und 
recht zuriicktretende urspriingliche Ziige auf. Ihre Ablésung vom 
primitiven Reptilienstamme (vielleicht von alten Tocosauriern) 
diirfte erst spiter als die der Theromorphen und Synaptosaurier 
moglicherweise erst gegen das Ende der paliozoischen Periode 
(alteres Perm?) erfolgt sein; doch handelt es sich hinsichtlich 
dieser letzteren Annahme zunachst nur um Vermutungen, fiir welche 
die Morphologie dieser Tiere einige Wahrscheinlichkeit giebt, welche 
aber durch keine wirklichen Funde gestiitzt werden. Von den 


1) Die Crocodilia in 2—3, die Dinosaurier gleichfalls in 2—3 
selbstandige Ordnungen. 


678 Max Firbringer, 


Archosauriern ist wenig in der Jctztzeit tibrig geblieben. Die 
Crocodilier, seit der oberen Trias bekannt, héchst wahrscheinlich 
aber schon friiher ausgebildet, zeigen wihrend der ganzen darauf 
folgenden mesozoischen Zeit eine gute und reiche Entwickelung, 
um danach mehr und mehr abzunehmen, und existieren in der 
Jetztzeit nur in einigen, auf dem Aussterbeetat stehenden Ver- 
tretern. Dagegen sind die gleichfalls in der Sekundirzeit, nament- 
lich in dem Jura und in der Kreide, in sehr zahlreichen, mannig- 
faltig differenzierten und zum Teil riesigen Formen vertretenen 
Dinosaurier mit dem Ende der Kreide ausgestorben, und dasselbe 
gilt fiir die zur gleichen Zeit lebenden, wenn auch in geringerer 
Zahl und GréfSe entwickelten Patagiosaurier. Die geringe An- 
passungsfihigkeit dieser Tiere an neue Lebensbedingungen (nament- 
lich bei dem Uebergange aus der Sekundarzeit in die Tertiarzeit) 
infolge ihrer hohen und einseitig festgelegten Specialisation und ihre 
schwere Stellung im Kampfe um das Dasein infolge ihres ansehn- 
lichen, sehr exponierten und grofe Bediirfnisse erheischenden Kér- 
pervolumens diirften namentlich ihr Aussterben beschleunigt haben. 

Die héchsten Formen (Dinosaurier und Patagiosaurier) zeigen 
in ihrem allgemeinen und speciellen Skelettbau mancherlei Aehn- 
lichkeiten mit den streptostylen V6geln und mégen auch in 
ihren Lebensgewohnheiten manches diesen Analoge zum Ausdruck 
gebracht haben. Die daraufhin von vielen Autoren behauptete 
nihere Verwandtschaft mit diesen resp. die Verbindung der Vogel 
mit den Archosauriern zu der héheren Abteilung der Ornitho- 
morpha oder Ornithocrania beruht aber meines Erachtens auf 
einer zu grofen Wertschitzung dieser Aehnlichkeiten und einer 
Unterschitzung der erheblichen Differenzen, welche die Végel und 
diese Reptilien von einander scheiden. Auch hier vermag ich 
nicht mehr als Parallel- oder Konvergenzanalogien der Végel mit 
den Dinosauriern und Patagiosauriern anzunehmen (p. 655f., 660 
Anm. 1, 666 f.) 

Die Crocodilia (vergl. IX, p. 649—651) sind die tiefste 
Abteilung der Archosauria und diirften sich am friihesten von dem 
gemeinsamen Stamme derselben abgelést haben. Auch zeigen sie 
eine recht divergente Entwickelung, die sich in der friihen Sonde- 
rung ihrer 3 Subordines Parasuchia (Phytosauria), Pseudosuchia 
(Aétosauria) und Eusuchia (Crocodilia vera) ausspricht. Manche 
Autoren haben diese 3 Abteilungen resp. die eine oder andere 
von ihnen darum auch mit guten Griinden zu mehr oder minder 
selbstindigen Ordnungen erhoben. Die Monimostylie der Croco- 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 679 


dilier ist eine sehr ausgedehnte, an die der Synaptosaurier er- 
innernde; aber auch hier weisen die ontogenetischen Befunde mit 
groBer Wahrscheinlichkeit auf eine einstmalige Streptostylie hin. 

Hoéher als die Crocodilia stehen die Dinosauria (vergl. X, 
p. 651— 660); gleich diesen sind sie auch in grofer Mannigfaltig- 
keit und Divergenz entwickelt, so da8 sie von relativ einfacher ge- 
bildeten, den Crocodiliern noch na&her kommenden bis hinauf zu 
hoch organisierten und specialisierten Typen eine reiche Zahl von 
Formen aufweisen. Auch sie sind von verschiedenen Untersuchern, 
gleichfalls nicht ohne gute Griinde, in 2 (Saurischia und Ornithischia) 
oder 3 Ordnungen (Megalosauria, Cetiosauria und Iguanodontia) 
gesondert worden; doch bin ich geneigt, diese Divergenz als eine 
erst spiter, mit der reichen Entfaltung der Ordnung in Erscheinung 
getretene aufzufassen und eine gemeinsame Wurzel fiir alle Dino- 
saurier anzunehmen, somit die 2 bis 3 genannten Abteilungen 
nur als in sehr pragnantem Mage zur Entfaltung gekommene 
Subordines zu unterscheiden. In den bipeden, oft eine hoch- 
gradige Pneumatisierung ihres Skelettes aufweisenden, Formen ge- 
langt der Dinosaurier-Typus zur héchsten Entwickelung. Auch ver- 
bindet sich hiermit, gegeniiber den in vielen Stiicken massiger ge- 
bauten Crocodiliern und tieferen Vertretern der Dinosaurier, eine 
successive zunehmende schlankere Gestaltung des Skelettes, die 
sich unter anderem auch in einer minder ausgedehnten Monimo- 
stylie des nur noch in seinem proximalen Abschnitte vom Schadel 
umschlossenen Quadratum ausspricht. 

Die Patagiosauria (vergl. XI, p. 660—668) reprasentieren 
eine weit enger als die Crocodilier oder Dinosaurier geschlossene 
Ordnung der Archosaurier und zugleich die am héchsten und am 
eigenartigsten entwickelten Specialisten derselben. Vermutlich von 
dinosaurier-ahnlichen bipeden Vorfahren von geringem Ké6rper- 
volumen mégen sich diese Formen unter hoher und ganz einseitiger 
Ausbildung ihrer vorderen Extremitait zur Flugfihigkeit, ungefahr 
nach Art der Fledermiuse, entwickelt haben. In dieser Bewegungs- 
art liegt auch der Grund, daf ihre GréBe, wenn auch bei den 
Patagiosauriern der Kreide zum Teil ein recht ansehnliches Maf 
erreichend, im grofien und ganzen doch innerhalb mabiger Dimen- 
sionen blieb, denn auch die héchste Pneumaticitat wiirde nicht 
gentigt haben, einen sehr grofen Korper fiir das Flugleben ge- 
schickt zu machen. Mit dieser Fahigkeit verband sich eine weitere 
Gracilisierung und Pneumatisierung des Skelettes, die unter 


Anderem auch in der Beschrankung der Monimostylie ihres Qua- 
Bd, XXXIV, N, F, XXVI. 4A 


680 Max Firbringer, 


dratum auf dessen proximales Ende zum Ausdruck kam; wie 
schlank aber auch das Quadratum und wie wenig ausgedehnt seine 
Verbindungsflache mit dem Kranium sich gestaltete, so ist es doch 
nicht zu einer sekundaren Ablésung von dem Schadel mit Gelenk- 
bildung (Deuterostreptostylie) gelangt. Wie in diesem Punkte 
zeigen die Patagiosaurier in vielen anderen noch weit pragnanteren 
eine vollkommene Verschiedenheit von den Végeln. 


Aus diesen und den weiter oben gegebenen Darlegungen 
resultiert, daf ich die Klasse der Reptilien mit ihren 4 (resp. 3) 
Subklassen von den Klassen der Végel und der Saugetiere ab- 
erenzen muf und nicht in der Lage bin, speciellere Verwandt- 
schaften der Archosaurier mit den Végeln oder der Theromorphen 
mit den Saéugetieren anzunehmen. 

Die streptostylen Aves sind meines Erachtens nicht von 
den monimostylen Archosauriern abzuleiten, sondern bilden einen 
selbstindigen Stamm, der sich in sehr friiher Zeit (wohl im Karbon) 
mit dem den Reptilien Ursprung gebenden Stamme von der ge- 
meinsamen Wurzel abzweigte und im Laufe der Zeit zu einer 
noch héheren Entwickelung, als sie die héchsten Archosaurier 
aufweisen, gelangte. Die gemeinsamen, realiter noch unbekannten, 
aber vermutlich nach Art primitivster streptostyler Tocosaurier 
organisierten Vorfahren der Reptilien mégen mit dem lingst in 
der Wissenschaft eingebiirgerten Namen Proreptilia, die Vor- 
fahren der Végel in entsprechender Weise als Proaves und die 
gemeinsamen Stammeltern beider als Prosauropsida bezeichnet 
werden '). Alle diese waren kleine, streptostyle, tocosaurier-ahnliche 
Tiere, deren eventuelle (im Vorhergehenden an verschiedenen Stellen 
angedeutete) sonstige Organisation mit Hilfe morphologischer Er- 
wigungen als mehr oder minder wahrscheinlich konstruiert werden 
kann, deren reale Existenz aber bisher noch durch keinen pali- 
ontologischen Fund erwiesen worden ist. 

Noch tiefer gehend (vielleicht zum untersten Karbon, wenn nicht 
zum obersten Devon) gelangt die Hypothesen machende Genealogie 


1) Selbstverstandlich wird mit allen diesen Namen fiir hypo- 
thetische Tiere nicht das Mindeste priatendiert. Sie sollen lediglich 
vorliufige Begriffe fiir eine konstruierte Organisation vorstellen, die 
erst mit hinreichend erkannten, sie deckenden palaontologischen 
Funden Wesenheit gewinnen werden. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 681 


zu den gemeinsamen Ahnen der Vorfahren der Sauropsiden und 
der Saugetiere, d. h. der Prosauropsida und Promammalia. 
Diese waren ebenfalls kleine primitive Streptostylier, von einer 
Organisation, die noch nicht zum reptilen Typus gelangt war; 
sie kénnen darum auch nicht mit dem von anderen Autoren vor- 
geschlagenen Namen Sauro-Mammalia bezeichnet werden, sondern 
miissen — so verlangt es die genauere Kenntnis des morphologischen 
Baues der Saugetiere — tiefer stehende streptostyle Tiere von 
der Organisationsstufe der Amphibien, also streptostyle Am- 
phibia, gewesen sein. Von solchen streptostylen Amphibien ist 
aber bisher nicht der geringste reale Rest bekannt geworden, denn 
alle Amphibien, die wir aus altester bis in die neueste Zeit genauer 
kennen, besitzen monimostyle Quadrata. Diese monimostylen 
Amphibia sind aber nicht die urspriinglichen Amphibien, sondern 
reprasentieren nur Seitenzweige, die von streptostylen, mit einer 
mafigen Panzerung resp. mit einer losen Schuppenbekleidung ver- 
sehenen Amphibien abzuleiten sind. Diese Annahme ist keine 
fiktive, sondern erhalt von der Anatomie und Ontogenie der 
lebenden Amphibien die hinreichenden Unterlagen. Es ist sonach 
mit gutem Grunde zu postulieren, da streptostyle Prosauropsida, 
streptostyle Promammalia und monimostyle Amphibia von kleinen 
streptostylen amphibienartigen Vorfahren entstammten, die als 
die gemeinsamen Vorfahren aller dieser VierfiiBer als Pro- 
amphibia oder Protetrapoda_ bezeichnet werden médgen. 
Fiir diese versagt, wie bereits hervorgehoben, unsere bisherige 
paliontologische Kenntnis gleichfalls vollkommen. Ob _ ihnen 
aihnelnde Reste noch unter den nur fragmentarisch bekannten 
lepospondylen Stegocephaliern resp. Microsauriern als Relikten 
iibergeblieben sein mégen, ob wir ihre Existenz nur in friiheren 
Schichten (Devon, altestes Karbon) erwarten diirfen, ob wir tiber- 
haupt jemals etwas Konkretes von ihnen kennen lernen werden, 
ist jetzt nicht zu sagen. Die teilweise Knorpelstruktur der 
hierfiir als wichtigste Instanzen in Frage kommenden Skelettteile 
giebt leider recht wenig Hoffnung, daf reelle Funde diesen 
Hypothesen den kérperlichen, jedes Auge tiberzeugenden Riickhalt 
geben werden. 

Daf die Proamphibia s. Protetrapoda schlieSlich, durch ver- 
schiedene Zwischenstadien hindurch, auf nach primitivem Se- 
lachier-Typus gebaute Vorfahren (bei denen aber das primitive 
Pterygium noch nicht zum Ichthyopterygium entwickelt, sondern 
noch yon indifferenter, auch der Ausbildung eines Cheiropterygium 

44* 


682 Max Firbringer, 


Moéglichkeit gebender Struktur war) zuriickzufiihren sind, ist 
morphologisches Postulat, hier aber nicht im Detail zu verfolgen. 

Es fallt nicht schwer, die in diesem und den vorhergehenden 
Abschnitten gegebenen Ausfiihrungen in der Form eines kérper- 
lichen Stammbaumes graphisch oder stereoskopisch darzustellen 
und damit besonders anschaulich zur Darstellung zu bringen. Bei 
dem jetzigen Stande unserer Erkenntnis verzichte ich darauf. 
Die trotz grofer und erfolgreicher Arbeit hervorragender Forscher 
doch noch bestehende erhebliche Liickenhaftigkeit unserer palii- 
ontologischen Kenntnisse, welche neben vielen gesicherten That- 
sachen noch zahlreichen Hypothesen und Vermutungen Raum 
gewihrt, wiirde in das Bild des Stammbaumes noch allzu viele 
Fragezeichen, unterbrochene Linien und Unklarheiten bringen. Ein 
solcher Stammbaum kénnte nur ein kurzes Leben haben. 

Mége es den von Jahr zu Jahr sich mehrenden paliontologi- 
schen Funden im Verband mit vergleichender Anatomie und 
Ontogenie gelingen, allmiahlich jene breite und gesicherte Kenntnis 
herbeizufiihren, welche eine klare und genaue Ausarbeitung im 
grofen und im kleinen gestattet und dem kritisierenden, eine 
heilsame Auslese haltenden Einflusse der Zeit einen Bestand von 
Dauer entgegenzusetzen vermag! 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 683 


Genauere Nachweise zu den Textfiguren und Erklirung 
der Tafeln'). 


Textfiguren., 


Fig. 1. Brustschulterapparat von Iguana tuberculata. Ventral- 
ansicht, laterale Teile (Scapula, Suprascapulare etc.) auf die Ventral- 
flache projiziert. Grdfeverhaltnis 4. Nach W. K. Parker, Mono- 
graph on the Structure and Development of the Shoulder-Girdle 
and Sternum. London 1868. Combination von Plate IX, Fig. 1 
und 2. 

Fig. 2. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. 4. 
Nach W. K. Parker, Monograph etc. Pl. XIII, Fig. 1. 

Fig. 3. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. 3. 
Nach R. W. Sxurenpt, Contributions to the Study of Heloderma 
suspectum. Proc. Zool. Soc. London, 1890, Pl. XVIII, Fig. 5. 

Fig. 4. Brustschulterapparat von Gerrhonotus imbricatus. Nach 
Fr. Stepenrock, Zur Kenntnis des Rumpfskelettes der Scincoiden, 
Anguiden und Gerrhosauriden. Annal. d. K. K. naturhist. Hof- 
museums X, Wien 1895, Taf. III, Fig. 1. 

Fig. 5. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis (Monitor 
dracaena) juv. 2. Nach W. K. Parxer, Monograph etc. Pl. X, 
Fig. 10 und nach der Natur. 

Fig. 6. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus. Nach 
Fr. Sresenrocr, Zur Kenntnis des Rumpfskelettes der Scincoiden etc. 
Wien 1895, Taf. IIL, Fig. 7. 

Fig. 7. Brustschulterapparat von Iguana tuberculata. $ = 
Bioved. 

Fig. 8. Brustschulterapparat von Phrynosoma cornutum. 2. 
Nach der Natur. 

Fig. 9. Brustschulterapparat von Gerrhonotus imbricatus = 
Fig. 4. 

Fig. 10. Clavicula, Sternum und Episternum von Zonurus cor- 
dylus. 4+. Nach der Natur. 


1) Fiir die Herstellung der Textfiguren und die Verbesserung 
meiner Zeichnungen zu den Tafelfiguren bin ich Herrn Lithograph 
Avotr GiurscH in Jena zum lebhaftesten Danke verptlichtet. 


684 Max Fiirbringer, 


Fig. 11. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. 3 
==) Wigeeah. 

Fig. 12. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama atra. 
Nach Fr. Siepenrock, Das Skelett der Agamidae. Sitzungsber. d. 
K. Akad. d. Wiss. zu Wien, math.- nat. Kl]. CIV, 1. Abt. 1895, 


Taf. V, Fig. 33. 

Fig. 13. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis juv. 
9 — Fig. 5. 
5 


Fig. 14. Clavicula und Episternum von Laemanctus longipes. 
Nach W. K. Parker, Monograph of the Shoulder-Girdle and 
Sternum. London 1868, Pl. [X, Fig. 8. 

Fig. 15. Brustschulterapparat von Tiliqua (Cyclodus) nigrolutea. 
8. Nach W. K. Parker, Monograph etc. Combination von Pl. X, 
Fig. 1 und 2. 

Fig. 16. Clavicula und Episternum von Mabuia multifasciata. 
Nach Fr. Srepenrocx, Zur Kenntnis des Rumpfskelettes der Scin- 
coiden etc. Wien 1895, Taf. ITI, Fig. 11. 

Fig. 17. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. 
— Fig. 2. 

Fig. 18. Clavicula und Episternum von Trachysaurus rugosus. 
2, Nach W. K. Parker, Monograph etc. London 1868, Pl. X, 
Fig. 4. 

Fig. 19. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus = Fig. 6. 

Fig. 20. Brustschulterapparat von Lacerta simonyi. Nach Fr. 
Sispenrock, Das Skelett der Lacerta Simonyi Steind. und der 
Lacertidenfamilie tiberhaupt. Sitzungsber. d. K. Akad. der Wiss. 
zu Wien, math.-nat. Kl. CIII, 1. Abt., Wien 1894, Taf. IV, Fig. 24. 

Fig. 21. Brustschulterapparat von Lacerta simonyi = Fig. 20. 

Fig. 22. Brustschulterapparat von Zonosaurus ornatus = Fig. 6. 

Fig. 23. Brustschulterapparat von Phrynosoma cornutum. 
= Wig. 8. 

Fig. 24. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama stellio 
(Stellio cordylinus). 4. Nach W. K. Parker, Monograph ete., 
London 1868, Taf. XI, Fig. 2. 

Fig. 25. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama atra 
eamiipl ogee 

Fig. 26. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis juv. 
2 = Fig. 5. 

Fig. 27. Clavicula und Episternum von Mabuia multifasciata 
—— Hig. io, 

Fig. 28. Brustschulterapparat von Tuiliqua (Cyclodus) nigro- 
lutea. & = Fig. 15. 

Fig. 29. Clavicula und Episternum von Trachysaurus rugosus. 
7 == Migs 18. 

Fig. 30. Brustschulterapparat von Hemidactylus sp. juv. + 
Lo 2, 

Fig. 31. Clavicula, Sternum und Episternum von Zonurus cor- 


dylus.! ==. Wig..10: 


ND 


Q 
5 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 685 


Fig. 32. Clavicula, Sternum und Episternum von Goniocephalus 
kuhlii. Nach Fr. Sresenrock, Das Skelett der Agamidae. Sitzungsber. 
d. K. Akad. d. Wiss. zu Wien, math.-nat. Kl. CIV, 1. Abt., Wien 
1895, Taf. V, Fig.31. 

Fig. 33. Clavicula, Sternum und Episternum von Lyriocephalus 
scutatus. Nach Fr. Srepenrocx, Das Skelett der Agamidae, Wien 
1895, Taf. V, Fig. 35. 

Fig. 34.  Clavicula, Sternum und Episternum von Liolepis 
belli. Nach Fr. Srepenrocx, Das Skelett der Agamidae, Wien 
1895, Taf. V, Fig. 36. 

Fig. 35. Clavicula, Sternum und KEpisternum von Moloch 
horridus. Nach Fr. Srrpenrocx, Das Skelett der Agamidae, Wien 
1895)-Taf. TV, Figs 27. 

Fig. 36. Clavicula, Sternum und Episternum von Agama stellio 


—— Fig. 24. 

Fig. 37. Brustschulterapparat von Phrynosoma cornutum. 3 = 
Fig. 8. 

Fig. 38. Brustschulterapparat von Heloderma suspectum. +} 
== Fig. 3. 


Fig. 39. Brustschulterapparat und erste Bauchrippen von Uro- 
plates fimbriatus. 3. Teils nach Fr. Srmppnrocx, Das Skelett von 
Uroplates fimbriatus Schneid. Annal. d. k. k. naturh. Hofmuseums 
VII. Wien 1893. Kombination der Textfiguren auf p. 531 und 533, 
teils nach der Natur. 

Fig. 40. Linker Humerus von Varanus niloticus. Ventral- 
ansicht. 2. Nach der Natur. 

Fig. 41. Brustschulterapparat von Chirotes canaliculatus. 7. 
Nach W. K. Parker, Monograph of the Shoulder-Girdle and Ster- 
num. London 1868. Kombination von Pl. VIII, Fig. 8 und 9. 

Fig. 42. Brustschulterapparat und erste Bauchrippen von 
Brookesia superciliaris. 4. Teils nach Fr. Stesenrocrk, Das Skelett 
von Brookesia superciliaris. Sitzungsber. d. K. Akad. d. Wiss. zu 
Wien, math.-nat. Kl. CII, 1. Abt., Wien 1893, Taf. III, Fig. 19, 
teils nach der Natur. 

Fig. 43. Brustschulterapparat und erste Bauchrippen von Uro- 
plates fimbriatus. 3 = Fig. 39. 

Fig. 44. Clavicula und Episternum von Carsosaurus marche- 
settii. 4. Nach A. Kornuvuser, Carsosaurus Marchesettii, ein neuer 
fossiler Lacertilier aus den Kreideschichten des Karstes bei Komen. 
Abh. K. K. Geolog. Reichsanst., XVII, 3. Wien 1893. Taf. IT. 

Fig. 45. Brustschulterapparat von Varanus bengalensis Juv. 

2 = Fig. 5. 
Fig. 46. Knécherne Teile des Brustschulterapparates von Cli- 
dastes dispar. Frei nach O. C. Marsu, New Characters of Mosa- 
sauroid Reptiles. Amer. Journ. Sc. XIX. New Haven 1880. 
Pl. I, Fig. 1. Stellung des Schultergiirtels verindert. 

Fig. 47. Knécherne Teile des Schultergiirtels von Clidastes 
westiil. 34. Nach S. W. Winuisron and E. C. Case, Kansas Mosa- 
saurs. Kansas Univers. Quart. I. 1892/93. Lawrence 1893, Pl. IV. 


686 Max Fiirbringer, 


Fig. 48. Linker Humerus von Clidastes westii. Ventralansicht. 
t. Nach 8S. W. Wivutsron and E. C. Casr, Kansas Mosasaurs. 
Ibidem 1893, Pl. IV. 

Fig. 49. Schultergiirtel von Telerpeton elginense. 4. Nach 
T. H. Huxiny, On a New Specimen of Telerpeton Elginense. 
Quart. Journ. Geol. Soc. XXIII, London 1866/67, p. 78, D. 

Fig. 50. Brustschulterapparat von Sphenodon punctatus. 4. 
Nach der Natur. 

Fig. 51. Linker Humerus von Sphenodon punctatus. Ventral- 
ansicht. +. Nach der Natur. 

Fig. 52. Linker Humerus von Sphenodon punctatus. Lateral- 
ansicht. +. Nach der Natur. 

Fig. 53. Brustschulterapparat und Humerus von Palaeohatteria 
longicaudata. In einer Ebene ausgebreitet. #. Nach H. Crepner, 
Die Stegocephalen und Saurier aus dem Rotliegenden des Plauen- 
schen Grundes bei Dresden. VII. Palaeohatteria longicaudata Cred. 
Zeitschr. d. Deutsch. Geolog. Ges. XL. SBerlin 1888, p. 517 
(Canalis n. mediani eingezeichnet). 

Fig. 54. Clavicula und Episternum von Proterosaurus speneri, 
Freiberger Exemplar. 3. Nach H. Crepner, Ibidem. Berlin 1888, 
p- 520. 

Fig. 55. Linker Humerus von Proterosaurus speneri (verletzt). 
Ventralansicht. #3. Nach H. v. Meyer, Zur Fauna der Vorwelt. 
III. Die Saurier aus dem Kupferschiefer der Zechsteinformation. 
Frankfurt a. M. 1856, Taf. II, Fig. 1. 

Fig. 56. Clavicula und Episternum von Champsosaurus. 1. 
Nach L. Dotto, Premiére note sur le Simoedosaurien d’Erquelinnes. 
Bull. Mus. Royal d’Hist. nat. de Belgique. II]. Bruxelles 1884, 
Pl) Exo Hig. 219. 

Fig. 57. Linker Humerus von Champsosaurus. Dorsalansicht. 
2, Nach L. Dotno, Ibidem. Bruxelles 1884, Pl. IX, Fig. 3. 

Fig. 58. Knochenteile des Coracoides und der Scapula von 
Pleurosaurus minor Wagn. sp. #. Frei nach W. Damrs, Beitrag 
zur Kenntnis der Gattung Pleurosaurus H. vy. Meyer. Sitzungsber. 
d. K. Preug. Akad. d. Wiss. zu Berlin, 1896, Taf. XII, Fig. 3. 
(Gegenseitige Lage von Coracoid und Scapula verandert.) 

Fig. 59.  Clavicula und Episternum von Pleurosaurus Gold- 
fussi H. v. Mryer var. minor. (Haarlemer Exemplar.) 4. Nach 
Dames, Ibidem. Berlin 1896, Taf. XII, Fig. 2. 

Fig. 60. Linker Humerus von Pleurosaurus minor. Ventral- 
ansicht. 3. Nach Damus, Ibidem. Berlin 1896, Taf. XII, Fig. 3. 

Fig. 61. Episternum von Palaeohatteria longicaudata. 4+. Nach 
H. Crepner, Die Stegocephalen etc. VII. Palaeohatteria longi- 
caudata Crep. Zeitschr. d. Deutschen Geol. Ges. XL. Berlin 1888. 
Aus Tafyeex Vi5Hig, 1. 

Fig. 62. Episternum von Petrobates truncatus. 3. Nach H. 
Crepner, Die Stegocephalen etc. IX. Hylonomus Geinitzi Crep., 
Petrobates truncatus Crep., Discosaurus permianus Crep., Ibidem 
XLII. Berlin 1890. Kombination aus Taf. X, Fig. 3 und Fig. 6. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 687 


Fig. 63. Episternum von Hylonomus geinitzi. 4. Nach H. 
Crepner, Ibidem. Berlin 1890. Kombination Taf. IX, Fig. 3 und 
Fig. 9. 

Fig. 64. Linker primiarer Schultergirtel von Crocodilus ameri- 
canus. lLateralansicht; Coracoid auf die Lateralflache projiziert. 
4. Nach der Natur. 

Fig. 65. Brustschulterapparat von Caiman sclerops. 4. Teils 
nach C. B. Briurt, Das Skelett der Krokodilinen. Wien 1862, 
Taf. IV, Fig. 1, teils nach der Natur. 

Fig. 66. Linker Humerus von Alligator mississippiensis juv. 
Ventralansicht. 3. Nach der Natur. 

Fig. 67. Linker primarer Schultergiirtel von Phytosaurus 
plieningeri. Lateralansicht. ~;. Kombination nach H. v. Meyer, 
Reptilien aus dem Stubensandstein des oberen Keupers. I. II. Pa- 
laeontographica VII. Cassel 1859—61, Taf. XXXV, Fig. 2 (Sca- 
pula) und III. Palaeontogr. XIV. Cassel 1865—66, Taf. X XVII, 
Fig. 10 (Coracoid). 

Fig. 68. Linker Humerus und Phytosaurus plieningeri. Ven- 
tralansicht. +. Nach H. v. Meyer, Ibidem. Palaeontogr. VII. 
Cassel 1859—61, Taf. XL, Fig. 2. 

Fig. 69. Unteres Ende des linken Humerus von Phytosaurus 
plieningeri. Dorsalansicht. 4. Nach H. v. Meyer, Ibidem, Taf. XL, 
Fig. 1 zum Teil. 

Fig. 70. Linker Schultergiirtel von Erpetosuchus granti. Late- 
ralansicht. +. Nach EK. T. Newron, Reptiles from the Elgin Sand- 
stone. Phil. Trans. Vol. CLXXXV, B. London 1893/94, Pl. LIT, 
Fig. 9. 

Fig. 71. Episternum von Erpetosuchus granti. Dorsalansicht. 
1, Nach E. T. Newton, Ibidem. London 1893/94, Pl. LITI, Fig. 14. 

Fig. 72. Linker Humerus von Erpetosuchus granti. Ventral- 
ansicht. 1. Nach E. T, Newton, Ibidem. London 1893/94, Pl. LIII, 
Fig. 10. 

Fig. 73. Episternum von Aétosaurus ferratus. +. Nach A. 
Fraas, Aétosaurus ferratus Fr., die gepanzerte Vogel-Echse aus 
dem Stubensandstein bei Stuttgart. Stuttgart 1877, Taf. III, Fig. 5. 

Fig. 74. Brustschulterapparat von Ophthalmosaurus icenicus. 
Ventralansicht (dorsale Grenze von Clavicula und Episternum mit 
Punktlinie eingezeichnet). Gré8e der Originalabbildung. Kom- 
bination nach H. G. Sexnny, Further Observations on the Shoulder 
Girdle and Clavicular Arch. in the Ichthyosauria and Sauropterygia. 
Proc. Roy. Soc. LIV, London 1893/94, p. 151. 

Fig. 75. Linker Humerus von Ichthyosaurus intermedius (?). 
Ventralansicht (?). Aus R. LypexKer, Catalogue of the Fossil 
Reptilia and Amphibia in the British Museum (Natural History). 
Part IZ. London 1889, Fig. 24 (p. 60). 

Fig. 76—%78.  Brustschulterapparat und vorderer Teil des 
Plastron von Chelone mydas juv. Dorsalansicht. ?. Nach W. K. 
Parker, Monograph of the Shoulder Girdle and Sternum. London 
1868, Pl. XII, Fig: £ 


688 Max Firbringer, 


Fig. 79. Linker Humerus von Testudo. Ventralansicht. Nach 
L. Dotio, Premiére note sur les Chéloniens oligocénes et néogénes 
de la Belgique. Bull. Mus. Roy. d’Hist. nat. d. Belgique V. 
Bruxelles 1888, Pl. IV, Fig. 5. 

Fig. 80. Linker Humerus von Trionyx. Ventralansicht. Nach 
L. Dotto, Ibidem. Bruxelles 1888, Pl. IV, Fig. 4. 

Fig. 81. Linker Humerus von Chelone. Ventralansicht. Nach 
L. Dotto, Ibidem. Bruxelles 1888, Pl. IV, Fig. 3. 

Fig. 82. Linker Humerus von Dermochelys (Sphargis). Ventral- 
ansicht. Nach L. Dotto, Ibidem. Bruxelles 1888, Pl. IV, Fig. 2. 

Fig. 83. Brustschulterapparat von Lariosaurus balsami. Ventral- 
ansicht. 3. Nach W. Drrcxe, Ueber Lariosaurus und einige 
andere Saurier der lombardischen Trias. Zeitschr. d. Deutsch. 
Geolog. Ges., XXXVIII. Berlin 1886. 

Fig. 84. Brustschulterapparat von Nothosaurus mirabilis. 
Dorsalansicht. +. Nach H. v. Meyer, Zur Fauna der Vorwelt. 
II. Die Saurier des Muschelkalkes. Frankfurt a. M. 1847—52, 
Tal, XXL) igs: 

Fig. 85. Desgl. Ventralansicht des vorderen mittleren Teiles. 
+, Nach H. v. Meyer, Ibidem. Frankfurt a. M. 1847—52, 
Daf, OX TV, Wiis. 02: 

Fig. 86. Linker Humerus von Conchiosaurus clavatus (?). 
Ventralansicht. Nach H. v. Mrynr, Beitrage zur Petrefactenkunde. 
Museum Senckenbergianum, I, 1. Frankfurt 1833. Kopiert in R. 
LyprKKer, Catalogue of the Fossil Reptilia etc. II. London 1889, 
Fig. 84 (p. 296). Spiegelbild der dortigen Abbildung. 

Fig. 87. Linker Humerus von Nothosaurus sp. Ventralansicht. 
!| Nach H. v. Meynr, Die Saurier des Muschelkalkes. Frank- 
furt a. M. 1847—52, Taf. XLV, Fig. 1b. 

Fig. 88. Brustschulterapparat von Pliosaurus planus X evansi 
(kombinatorische Abbildung LyprKKer’s von PI. planus [Scapula] und 
Pl. evansi {[Coracoid]). Ventralansicht. Nach R. LypexKer, Catalogue 
of Fossil Reptilia etc. II. London 1889, Fig. 36 (p. 122). 

Fig. 89. Brustschulterapparat von Plesiosaurus hawkinsi. 
Ventralansicht. Nach R. Lyprxxsr, Ibidem, II. London 1889, 
Fig. 77 (p. 251). 

Fig. 90. Brustschulterapparat von Cryptoclidus oxoniensis. 
Ventralansicht. ,. Frei nach einer von C. W. AnprREews, On the 
Development of the Shoulder Girdle of Plesiosaur (Cryptoclidus 
oxoniensis) from the Oxford Clay. Ann. Mag. Nat. Hist. (6) XV, 
London 1895, p. 336 gegebenen Dorsalansicht. 

Fig. 91—93. Entwickelungsstadien des Brustschulterapparates 
von Cryptoclidus oxoniensis. Dorsalansichten. ;4. Frei nach C. 
W. Anprews, Ibidem. London 1895, p. 343 (Fig. 91), p. 341 
(Fig. 92) und p. 336 (Fig. 93). 

Fig. 94. Clavicula und Episternum von Plesiosaurus arcuatus. 
Ventralansicht. + der Originalabbildung. Nach H. G. Sesney, The 
Nature of the Shoulder Girdle and Clavicular Arch in Sauropterygia. 
Proc. Roy. Soc. LI, London 1892/93, p. 129. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 689 


Fig. 95. Clavicula und Episternum von Muraenosaurus platy- 
clis. 4 der Originalabbildung. Nach H. G. Ser.ey, Ibidem. London 
1892/93, p. 140. 

Fig. 96. Brustschulterapparat von Pliosaurus planus X evansi. 
Ventralansicht = Fig. 88. 

Fig. 97.  Brustschulterapparat von Plesiosaurus hawkinsi. 
Ventralansicht = Fig. 89. 

Fig. 98.  Brustschulterapparat von Cryptoclidus oxoniensis. 
Ventralansicht —= Fig. 90. 

Fig. 99. Linker Humerus von Cimoliosaurus cf. trochantericus. 
Ventralansicht. Nach Hurxe. Kopie aus R. Lypexxer, Catalogue of 
Fossil Reptilia etc. II. London 1889, Fig. 62 (p. 198). Spiegelbild. 

Fig. 100. Linker Humerus von Cimoliosaurus eurymerus. 
Nach R. Lyprexxer, Ibidem. II. London 1889, Fig. 66 (p. 205). 
Spiegelbild. 

Fig. 101. Brustschulterapparat von Mesosaurus ~ tenuidens. 
Ventralansicht. 4. Frei nach H. G. Serney, The Mesosauria of 
South Africa. Quart. Journ. Geolog. Soc, XULVIII, Proc. London 
1892. Kombination von Textfigur Fig. 5 (p. 601) und Pl. XVIII, 
Bee 5, 

Fig. 102. Linker Humerus von Mesosaurus tenuidens. Verletzt. 
Ventralansicht. 3. Nach H. G. Sexenny, Ibidem. London 1892, 
Pl. XVIII, Fig. 5. Spiegelbild. 

Fig. 103. Brustschulterapparat von Procolophon trigoniceps. 
Ventralansicht. 5. Frei nach H. G. Srerzy, Researches on the 
Structure, Organization, and Classification of the Fossil Reptilia. 
VI. On the Anomodont Reptilia and their Allies. Phil. Trans., 
Vol. CLXXX, B. London 1888/89, Pl. IX, Fig. 9. 

Fig. 104 und 105. Fragment des Brustschulterapparates von 
Pareiasaurus bombidens. Linke Seite. Ventralansicht (Fig. 104) 
und Durchschnitt von Clavicula und Episternum (Fig. 105). Frei 
nach H. G. Supney, Researches ete. II. On Pareiasaurus bombidens 
(Owen) etc. Phil. Trans., Vol. CLXXIX, B. London 1887/88, Pl. XX, 
Fig. 2 und Fig. 3. 

Fig. 106. Restauration des Brustschulterapparates von Pareia- 
saurus baini. Nach H. G. Suerey, Further Observations on the 
Shoulder Girdle and Clavicular Arch in the Ichthyosauria and 
Sauropterygia. Proc. Roy. Soc. LIV, London 1893/94, Fig. 2 
(p. 153). 

Fig. 107. Restauration des linken primiren Schultergiirtels 
von Deuterosaurus. Lateralansicht. Nach H. G. Szrney, Researches 
etc. VIII. Further Evidences of the Skeleton in Deuterosaurus and 
Rhopalodon, from the Permian Rocks of Russia. Phil. Trans., 
Vol. CLXXXV, II. London 1893/95, p. 666. 

Fig. 108. Restauration des linken primaren Schultergiirtels 
von Rhopalodon. Lateralansicht. Nach H. G. Srsxrey, Ibidem, 
VIII. London 1893/95, p. 703. 

Fig. 109 und 110. Linker primarer Schultergiirtel von Cy- 
nognathus crateronotus. Ansicht von vorn (Fig. 109) und von der 


690 Max Fiirbringer, 


Seite (Fig. 110). 3. Nach H. G. Smeney, Researches etc. IX, 5. 
On the Skeleton in new Cynodontia from the Karroo Rocks. Phil. 
Trans., Vol. CLXXXVI, I. B. London 1894/95. Textfiguren auf 
p- 93. 

Fig. 111. Linke Scapula von Gordonia huxleyana. Lateral- 
ansicht. $. Nach E. T. Newton, Reptiles from the Elgin Sand- 
stone. Phil. Trans., Vol. CLXXXV, B.I. London 1893/94, Pl. XXX, 
Fig. 7. Spiegelbild. 

Fig. 112. Clavicula (?) von Gordonia huxleyana. 4. Nach E. 
T. Newron, Ibidem. London 1893/94, Pl. XXX, Fig. 4. 

Fig. 113. Linker primarer Schultergiirtel eines Dicynodonten 
(Ptychosiagum?). 4. Nach R. Lypexxer, Catalogue of Fossil 
Reptilia etc. IV. London 1890, Fig. 2 (p. 16). Spiegelbild. 

Fig. 114. Restauration des Brustschulterapparates von Keiro- 
gnathus cordylus. Dorsalansicht. 4 der Originalabbildung. Nach 
H. G. Sretey, Researches etc. V. On associated Bones of a small 
Anomodont Reptile, Keirognathus cordylus (Smeiey) etc. Phil. 
Trans., Vol. CLX XIX, B. London 1888. Textfigur 2 (p. 494). 

Fig. 115. Linker Humerus von Gomphognathus. Ventral- 
ansicht. 2. Nach H. G. Snurny, Researches etc. IX, 4. On the 
Gomphodontia. Phil. Trans., Vol. CLXXXVI, I, B. London 1894/95. 
Textfigur 13 (p. 29). Spiegelbild. 

Fig. 116. Linker Humerus von Cynodraco. Ventralansicht. 
Nach R. Owen. Aus L. Dotto, Premiére note sur le Simoedosaurien 
@Erquelinnes. Bull. Mus. Royal d’Hist. nat. de Belgique. III. 
Bruxelles 1884, Pl. IX, Fig. 8. Freie Nachbildung der Original- 
abbildung. 4. 

Fig. 117. Linker Humerus von Platypodosaurus robustus. 
Nach R. Owrmn. Aus K. A. Zirrer, Handbuch der Palaontologie 
I. Palaozoologie. III. Miinchen und Leipzig 1887—1890. Textfigur 
512 (p. 564). 4. 

Fig. 118. Linker Schultergiirtel von Thecodontosaurus platy- 
odon. Lateralansicht. 1. Nach O. C. Marsu, Notes on Triassic 
Dinosauria. Amer. Journ. Sc. XLITI. New Haven 1892, Pl. XVI, 
Fig. 5. 

Fig. 119. Linker Schultergiirtel von Anchisaurus colurus. 
Lateralansicht. 4. Nach O. C. Marsu, Ibidem, Pl. XV, Fig. 2. 

Fig. 120, Linker Schultergiirtel von Brontosaurus excelsus. 
Lateralansicht. ,;. Nach O. C. Marsu, Principal Characters of 
American Jurassic Dinosaurs. V. Amer. Journ. Sc. XXI. New 
Haven 1881, Pl. XII. 

Fig. 121. Linker Schultergiirtel von Stegosaurus ungulatus. 
Lateralansicht. ;. Nach O. C. Marsu, Principal Characters of 
American Jurassic Dinosaurs. III. Amer. Journ. Sc. XIX. New 
Haven 1880, Pl. VIII, Fig. 1. 

Fig. 122. Linker Schultergiirtel von ‘Triceratops prorsus. 
Lateralansicht. .4. Nach O. C. Marsu, The Gigantic Ceratopsidae, 
or horned Dinosaurs, of North America. Amer. Journ. Sc. XLI. 
New Haven 1891, Pl. VII, Fig. 1. Spiegelbild. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 691 


Fig. 123. Linker Schultergiirtel von Claosaurus annectens. 
Lateralansicht. 515. Nach O. C. Marsu, Restorations of Claosaurus 
and Ceratosaurus. Amer. Journ. Sc. XLIV. New Haven 1892, 
BieeiisHig.: 1. 

Fig. 124. Sternale Ossifikationen von Brontosaurus excelsus. 
si. Nach O. C. Marsu, Principal Characters of American Jurassic 
Dinosaurs. V. Amer. Journ. Sc. XXII. New Haven 1881, Pl. XIII, 
Fig. 2. 

Fig. 125. Sternale Ossifikationen von Claosaurus annecteus. 
jiz- Nach O. C. Marsn, Notes on Mesozoic Vertebrate Fossils. 
Amer. Journ. Sc. XLIV. New Haven 1892, Pl. III, Fig. 1. 

Fig. 126. Linker Humerus von Stegosaurus ungulatus. Dorsal- 
ansicht. ;4. Nach O. C. Marsu, Principal Characters of American 
Jurassic Dinosaurs. Amer. Journ. Sc. XIV. New Haven 1880, 
Phe VibL Figs :2: 

Fig. 127. Linker Humerus von Triceratops prorsus. Dorsal- 
ancht. 3%. Nach O. C. Marsu, The Gigantic Ceratopsidae ete. 
Amer; Journ;|. Se;, XL; New . Haven. 1891, .Pl., VIL; Figt 1. 
Spiegelbild. 

Fig. 128. Linker Humerus von Claosaurus annectens. Lateral- 
ansicht. 4. Nach O. C. Marsu, Restorations of Claosaurus and 
Ceratosaurus. Amer. Journ. Sc. XLIV. New Haven 1892, Pl. I, 
Hig, i: 

Fig. 129. Linker Humerus von Thecodontosaurus platyodon. 
Lateralansicht. #2. Nach O. C. Marsu, Notes on Triassic Dino- 
sauria. Amer. Journ. Sc. XLII. New Haven 1892, Pl. XVI, 
Fig. 5. 

Fig. 130. Linker Humerus von Anchisaurus colurus. Lateral- 
ansicht. 4. Nach O. C. Marsn, Ibidem. New Haven 1892, 
PL UXY,. Fig. (2. 

Fig. 131. Linker Humerus von Compsognathus longipes. Frag- 
ment. Lateralansicht. +. Nach O. C. Marsn, Restoration of some 
Europaean Dinosaurs, with Suggestions as to their Place among the 
Reptilia. Amer. Journ. Sc. L. New Haven 1895, Pl. V. 

Fig. 132. Rechter Schultergiirtel von Rhamphorhynchus phyl- 
lurus. Medialansicht.  $. Nach O. C. Marsu, The Wings of 
Pterodactyles. Amer. Journ. Sc. XXIII. New Haven 1882, Pl. III. 

Fig. 133. Linker Schultergiirtel von Pterodactylus crassirostris. 
Lateralansicht. 3. Nach H. v. Meyer, Zur Fauna der Vorwelt. 
IV. Reptilien aus dem lithographischen Schiefer des Jura in 
Deutschland und Frankreich. Frankfurt a. M. 1860, Taf. V, Fig. 1. 
Spiegelbild. 

Fig. 134. Rechter Schultergiirtel von Pterodactylus longicollum. 
Medialansicht. +. Nach H. v. Meyer, Ibidem. Frankfurt a. M. 
1860, Taf. VII, Fig. 1. 

Fig. 135. Restauration des Brustschulterapparates von Ornitho- 
cheirus. Frontalansicht. 3. Nach H. G. Sextny, On the Shoulder 
Girdle in Cretaceous Ornithosauria. Ann. Nat. Hist. (6) VII. 
London 1891, Textfigur 2 (p. 441). 


692 Max Fiirbringer, 


Fig. 136. Sternum yon Pterodactylus longicollum. Ventral- 
ansicht. 4. Nach H. v. Mryrer, Zur Fauna der Vorwelt. IV. 
teptilien aus dem lithographischen Schiefer des Jura ete. Frank- 
furt a. M. 1860, Taf. VIL, Fig. 3. 

Fig. 1387. Sternum von Rhamphorhynchus phyllurus. Ventral- 
ansicht. #$. Nach O. C. Marsa, The Wings of Pterodactyles. 
Amer. Journ. Sc. XXIII. New Haven 1882, Pl. III. 

Fig. 138. Sternum von Ornithostoma sp. Ventralansicht. 1. 
Nach 8S. W. Wituisron, Restoration of Ornithostoma (Pteranodon). 
Kansas Univ. Quart. VI, A. Lawrence 1897. Textfigur auf p. 42. 

Fig. 139. Restauration des Brustschulterapparates nebst Hu- 
merus von Ornithostoma ingens. Ventralansicht. =). Frei nach 
S. W. Wixtiston, Ibidem. Lawrence 1897, Pl. II. 

Fig. 140. Linker Humerus von Rhamphorhynchus gemmingi. 
Dorsolateralansicht. §$. Nach H. v. Meyer, Zur Fauna der Vor- 
welt. IV. Reptilien aus dem lithographischen Schiefer des Jura ete. 
Frankfurt a. M. 1860, Taf. [X, Fig. 1. 

Fig. 141. Linker Humerus von Pterodactylus kochi. Dorsal- 
ansicht. 8. Nach H. v. Meyer, Ibidem. Frankfurt a. M. 1860, 
Tafs ih. Rie. i; 


Tafelerklirung. 


Taf. XIII bildet Brustschulterrudimente von einigen Amphis- 
baenia ab, Taf. XIV einige Plexus brachiales von Lacertiliern und 
von Sphenodon punctatus, Taf. XV verschiedenes Detail der Mus- 
kulatur der Lacertilier, Taf. XVI und XVII die Schultermuskeln 
der rechten Seite von Sphenodon punctatus. 

Auf Taf. XIII sind die Knorpelteile blau und die Knochenteile 
gelblich, auf Taf. XV—XVII das Skelett durchweg ohne Unter- 
schied von Knochen und Knorpel blau, die Muskeln matt rot (mit 
lebhafterer Markierung des Rot an den Schnittflachen und den Ur- 
sprungs- und Insertionsstellen der Muskulatur) und die Nerven gelb 
wiedergegeben. Auf Taf. XIV wurden, wie bei den entsprechenden 
Figuren der friiheren Abschnitte dieser Arbeit, die Nn. brachiales 
inferiores und thoracici inferiores weil, die Nn. brachiales superiores 
grau, die Nn. thoracici schwarz dargestellt. Ebenso sind die Plexus 
brachiales der Uebersichtlichkeit wegen nicht vollkommen in ihrem 
natiirlichen Verlaufe, sondern in einer Lage abgebildet, wo die 
ventralen Teile des Brustgiirtels mit ihren Weichteilen eine Zerrung 
lateralwarts erlitten haben. Danach sind die in Wirklichkeit 
medialwarts gerichteten Nerven (z. B. N. supracoracoideus, thora- 
cicus inferior u. a.) mit ihren distalen Teilen laleralwarts in eine 
gréfere Entfernung von der Ursprungsstelle der Nerven gekommen, 
als sonst die Horizontalprojektion ergeben wiirde. Ebenfalls der 
Uebersichtlichkeit wegen sind alle Elemente sympathischer Nerven 
auf den Abbildungen weggelassen worden. 

Fir alle Figuren der Tafeln giiltige Bezeichnungen: 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 693 


A. Knochen und Bander. 


A Acromion (Processus clavicularis). 

Canm, Canme Canalis nervi mediani (entepicondyloideus). 

Canr Canalis nervi radialis (ectepicondyloideus). 

CGl Cavitas glenoidalis des Schultergelenks. 

CH Caput humeri. 

Cl Clavicula. 

Co Costa. 

Co I—IV Costa thoracica prima—quarta (I.—IV.). 
Co cv. (VILL) Costa cervicalis (VIII). 
Co th. (I—IV) Costa thoracica (I.—IV.). 

Cr Coracoid. 

Cr’ Knorpelende des Coracoides (Taf. XIII). 

ER Epicondylus radialis s. lateralis. 

ES¢ Episternum. 

EU Epicondylus ulnaris s. medialis. 

F'Cr Foramen coracoideum (supracoracoideum). 

H Humerus. 

Hy Os hyoideum (in Fig. 162 und 163 bezeichnet die hintere von 
Hy ausgehende Punktlinie das hintere Horn des Hyoids nebst 
seiner Muskulatur. 

L.pa Ligamentum patellare. 

L.schlt Ligamentum scapulo-humerale laterale. 

L.ste Ligamentum sterno-coracoideum (Fig. 110—112). 

L.stsci Ligamentum sterno-scapulare internum. 

lt Laterales Ende des Schultergiirtelrudimentes (Fig. 107—109). 

lic Lateralrand des Kérpers (Fig. 103). 

Ma Mandibula. 

MC Myocomma, Inscriptio tendinea der Rumpfmuskulatur (Taf. X ITI). 

md Mediales Ende des Schultergiirtelrudimentes (Fig. 107—109). 

mdm Mediale Grenze der Rumpfmuskulatur (Fig. 103—106). 

Ole Olecranon. 

OZ Schultergirtel, Omozonium (Taf. XIV). 

Pa Parietale. 

Pa.u. Patella ulnaris (Fig. 147—160). 

PL Processus lateralis humeri. 

PM Processus medialis humeri. 

PSt Parasternum. 

Pu Processus uncinatus costae. 

QJ Quadratojugale. 

R Radius. 

Sc Scapula. 

Sc’ Knorpelende der Scapula (Suprascapulare) (Taf. XIII). 

ScCr Rudiment des primiren Schultergiirtels, Scapulo - Coracoid 
(Taf. XITT). 


694 Max Firbringer, 


Sq Squamosum. 

SS Suprascapulare. 

Sé Sternum, Rudiment des Sternum. 

Sta Stapes. 

Stco Sternocostale, Sternalteil der Rippe. 

U Ulna. 

Vbeo Vertebrocostale, Vertebralteil der Rippe. 
Xst Xiphisternum (Metasternum). 


B. Nerven. 


Auf Taf. XIV sind die Nerven ohne weitere Zuthat mit ihren 
Anfangsbuchstaben, auf Taf. XV—XVII mit vorgesetztem N. be- 
zeichnet 
a, N.a Nervus anconaeus. 
acc.p, N.acc.p Nervus accessorius posterior. 
ae, N.ae Nervus anconaeo-extensorius. 
ax, N.ax Nervus axillaris (N. dorsalis scapulae + N. deltoides 

clavicularis + N. cutaneus axillaris supraanconaeus). 
bi, N.bt Nervus muse. bicipitis. Nerv fiir den M. biceps brachii. 

bidi, N.bidi Nerv fir den distalen Bauch des M. biceps brachii. 
bipx. N.bipx Nerv fiir den proximalen Bauch des M. biceps 
brachii. 
bri, N.bri Nervus muse. brachialis inferioris, Nerv fiir den M. bra- 
chialis inferior. 
brli, N.brli Nervus brachialis longus inferior. 
N.brlilt Nervus brachialis longus inferior lateralis (N. musculo- 
cutaneus et medianus e. p.). 
N.brlime Nervus brachialis longus inferior medianus (N. medianus 
brachii). 
N.brliu Nervus brachialis longus inferior ulnaris (N. ulnaris). 
N.brli(me 4+- “) Vereinigter N. brach. long. inf. medianus +  ul- 
naris. 
brisp, N.brisp Nervus brachialis longus superior. 
brr Nervus muse. brachio-radialis. 
c, N.c Nervi cutanei des Rumpfes (Taf. XVI). 
N.c. IV—VI Nervi cervicales IV—VI (Taf. XVI). 
cabim, N.cabim, N.cut.abim Nervus cutaneus brachii et antibrachii 
inferior medialis. 
cablt, N.cablt Nervus cutaneus antebrachii lateralis. 
cbr, N.cbr Nervi musc. coraco-brachialis. 
N.cbrdi Distaler Nerv fiir den Muse. coraco-brachialis. 
N.cbrpx Proximaler Nerv fiir den Muse. coraco-brachialis. 
cltifa, Neltifa, N.cut.lat.ifa Nervus cutaneus brachii et antibrachii 
superior lateralis infraanconaeus. 
espa, N.cspa Nervus cutaneus axillaris supraanconaeus. 
cspc, N.c.spe Ramus cutaneus nervi supracoracoidei. 
cut Nervi cutanei trunci, Hautnerven des Rumpfes (Taf. XIV, 
Fig. 113—115). | 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 695 


cut.abifa, cut.latifa, N.cut.latifa Nervus cutaneus brachii et anti- 
brachii superior lateralis infraanconaeus. 
cv.cu, N.cv.cu Von den Cervicalnerven abgegebene Rami musc. 
cucullaris. 
del, N.dcl Nervus muse. deltoidis clavicularis (N. axillaris anterior). 
dsc, N.dsc Nervus musc. dorsalis scapulae (N. axillaris posterior). 
fac, N.fac Nervus facialis. 
hr, N.hkr Nervus muse. humero-radialis. 
N.hrdi Distaler Nerv fiir den Muse. humero-radialis. 
N.hrpx Proximaler Nerv fiir den Muse. humero-radialis. 
hyp, N.hyp Nervus hypoglossus. 
ic, Nic Nervus intercostalis. 
Id, Nid Nervus muse. latissimi dorsi. 
Isprf, N.lsprf Nerv fiir den Muse. levator scapulae et serratus pro- 


fundus. 

lsspfi, N.lsspfi Nerv fiir den Musc. levator scapulae superficialis 
inferior. 

Isspfs, N.lsspfs Nerv fiir den Muse. levator scapulae superficialis 
superior. 


meam Nervus medianus (antibrachii et manus). 
p, N.p Nervus muse. pectoralis. 
pa, N.pa Nerv fiir die Pars abdominalis musc. pectoralis. 
ple -+ st), N.p(e + st) Nerv fiir die Pars et episternalis sternalis 

muse. pectoralis. 

ri, N.ri Nervus muse. radialis internus. 

sch, N.sch Nervus muse. scapulo-humeralis. 

scha, N.scha Nervus musc. scapulo-humeralis anterioris. 
N.scha;, Nerv fiir das tiefe Muskelband des M. scapulo- 
humeralis anterior. 

schp, N.schp Nervus muse. scapulo-humeralis posterioris. 

spc, N.spe Nervus muse. supracoracoidei. 

sspf, N.sspf Nervus musc. serrati superficialis. 

stci, N.stei Nervus musc. sterno-coracoidei interni. 
N.stciprf Nerv fiir den M. ste. int. profundus. 
N.stci.spf Nerv fiir den M. ste. int. superficialis. 

stesc, N.stcsc Nervus muse. sternocosto-scapularis. 

thinf, N.th.inf, N.thorinf Nervus thoracicus inferior, Nervi thora- 
cici inferiores. 

th.sp, N.th.sup, N.thor.sup Nervus thoracicus superior, Nervi thora- 
cicl superiores. 

tr, N.tr Nervi trunci, Nerven fiir die Rumpfmuskulatur. 

trig, N.trig Nervus trigeminus. 

SL PRT ETN 603.5) 45 5s XI Nervi spinales I, If, III ..... XI. 


Augerdem enthalt die Nerventafel XIV noch die Abkirzungen: 
Ca.n.me Canalis nervi mediani. 
Camn.r. Canalis nervi radialis. 
Bd, XXXIV N, F. XXVIL. 45 


696 Max Firbringer, 


Co.th.I Costa thoracica I, erste Thoracalrippe. 
OZ Omozonion, Stelle, wo das Rudiment des Schultergiirtels sich 
befindet. 


C. Muskeln und dazu gehérende Gebilde aus Stiitzgewebe. 


a M. anconaeus, M. triceps brachii. 
ac Caput coracoideum m. anconaei, Musculus resp. Tendo ancon. 
coracoideus resp. coracoidea. 
acy, Accessorischer, vom M. latissimus dorsi kommender Zipfel 
des Anconaeus coracoideus (Fig. 146). 
acm Muskelbauch des Anconaeus coracoideus (Fig. 145, 146). 
ahl Caput humerale laterale m. anconaei, M. anconaeus humeralis 
lateralis. 
ahm Caput humerale mediale m. anconaei, M. anconaeus humeralis 
medialis. 
asc, ascl Caput scapulare (laterale) m. anconaei, M. anconaeus 
scapularis (lateralis). 
asc; Hauptsehne des M. anconaeus scapularis. 
ascjpr 'Tiefer Kopf der Hauptsehne des M. anconaeus scapularis 
(Fig. 141, 142). 
ascispf Oberflachlicher Kopf der Hauptsehne des M. anconaeus 
scapularis (Fig. 141, 142). 
asc; Humerale Ankerung des M. anconaeus scapularis. 
asc; Vom M. latissimus dorsi ausgehende Ankerung des M. 
anconaeus scapularis. 
bi M. biceps brachii. 
bi; Proximaler Muskelbauch des M. biceps brachii. 
biz, Distaler Muskelbauch des M. biceps brachii. 
biti Zwischensehne des M. biceps brachii. 
bit Ursprungssehne des M. biceps brachii. 
bri M. brachialis inferior. 
brr M. brachio-radialis (M. supinator longus). 
cbrb M. coraco-brachialis brevis. 
cbrl M. coraco-brachialis longus. 
clesthy M. cleido-episterno-hyoideus. 
clm M. cleido-mastoideus. 
clm, Separat entspringendes ventrales Biindel des M. cleido- 
mastoideus (Fig. 162). 
clm + cu M. cleido-mastoideus + cucullaris (trapezius). 
cr; Coracoidale Insertion des Lig. sterno-scapulare internum. 
er; Diinne coracoidale Ankerung des Lig. sterno-scapulare internum. 
cu M. cucullaris (trapezius). 
cu.cl Clavicularer Insertionsteil des M. cuculiaris (Fig. 124—126). 
cu.epst Episternaler und sternaler Insertionsteil des M. cucullaris 
(Fig. 124—126). 
cust Sternale Insertionssehne des M. cucullaris (Fig. 124—126). 
dcl M. deltoides clavicularis s. M. cleido-humeralis. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 697 


dpm M. depressor mandibulae. 
dsc M. dorsalis scapulae. 
hr M. humero-radialis. 
hr; Ursprung des M. humero-radialis von dem Lig. scapulo- 
humerale laterale (Fig. 164). 
hr}, Ursprung des M. humero-radialis von dem M. deltoides clavi- 
cularis (Fig. 164). 
hr! Oberflachliches Blatt der Insertion des M. humero-radialis 
(Fig. 163) 1). 
hr" Tiefes Blatt der Insertion des M. humero-radialis (Fig. 164) 1), 
ic M. intercostalis. 
ld M. latissimus dorsi. 
ld! Endsehne des M. latissimus dorsi. 
L.pa Ligamentum patellae ulnaris (Endsehne des M. anconaeus). 
L.schlt Ligamentum scapulo-humerale laterale. 
lsprf M. levator scapulae et serratus profundus. 
Isprf; Oberflachliche Schicht desselben. 
Isprfi: Tiefe Schicht desselben. 
Isspfi M. levator scapulae superficialis inferior. 
Isspfs M. levator scapulae superficialis superior. 
L.stsci Ligamentum sterno-scapulare internum (Fig. 143—146, 169, 
170-179); 
er; Coracoidale Anheftung desselben. 
ery, Diimne coracoidale Ankerung desselben. 
sc; Scapulare Anheftung desselben. 
st; Sternale Anheftung desselben. 
Mstest Membrana sterno-episternalis (Fig. 124—126, 163, 164, 
173, 174). 
oaepr M. obliquus abdominis externus profundus. 
oaespf M. obliquus abdominis externus superficialis. 
ohy M. omo-hyoideus. 
p M. pectoralis. 
p.a Pars abdominalis (parasternalis) des M. pectoralis. 
p.e Pars episternalis des M. pectoralis. 
p.st Pars sternalis des M. pectoralis. 
Pau Patella ulnaris (Fig. 147—160). ; . 
ra M. rectus abdominis. 
sbese M. subcoracoscapularis. 
sbe Pars coracoidea des M. subcoracoscapularis (M. subcoracoideus). 
sbsc Pars scapularis des M. subcoracoscapularis (M. subscapularis). 
sc; Scapulare Anheftung des Lig. sterno-scapulare internum (Fig. 143 
—146). 
scha M. scapulo-humeralis (profundus) anterior. 
scha, Tiefes Muskelband desselben (Fig. 166) ”). 


1) Durch ein Versehen ist an den betreffenden Stellen anstatt 
br! und hr": hr; und hry angegeben. 
2) Auf einigen Exemplaren der Tafel fehlt der Strich, so dab 
nur scha an der betreffenden Stelle steht. 
45 * 


698 Max Firbringer, 


scha.c Coracoidaler Kopf desselben (Fig. 134, 135). 
scha.s Scapularer Kopf desselben (Fig. 134, 135). 
schp M. scapulo-humeralis (profundus) posterior. 
spe M. supracoracoideus. @ 
sphe M. sphincter colli. 
st; Sternale Anheftung des Ligamentum sterno-scapulare internum 
(Fig. 143—146). 
stciprf M. sterno-coracoideus internus profundus. 
stcispf M. sterno-coracoideus internus superficialis. 
stese M. sternocosto-scapularis. 
stesc; Insertion des M. sternocosto-scapularis am Lig. sterno- 
scapulare internum (Fig. 143, 144). 
tm M. temporo-masseter. 


Patel <TTT. 


Rudimentirer Brustschulterapparat bei den Amphisbaenia. 


Der Knochen ist gelblich, der Knorpel blau wiedergegeben. 


Fig. 103—106!). Rudimentirer Brustschulterappa- 
rat in situ, Ventralansicht, mafige VergréBerunsg. 
Der ganze Apparat ist in planer Ausbreitung wiedergegeben. Zu- 
gleich wurden die Vergréferungen der 4 Brustschulterapparate so 
gewahlt, da8 sie alle auf die gleiche Linge der betreffenden 4 Tiere 
bezogen sind. 

Fig. 108. Amphisbaena alba von 52,4 cm Ko6rperlinge. 
Rechtes Schultergiirtelrudiment (auf der Abbildung linkes) 1,5 mm, 
linkes (auf der Abbildung rechtes) 1,6 mm lang. VergréfSerung +. 

Fig. 104. Blanus strauchi von 17,2 cm Kérperlange. 
Schultergiirtelrudiment 1,8 mm lang. V. =“ 

Fig. 105. Blanus cinereus von 16,2 cm Kdérperlange. 
Schultergiirtelrudiment 2,1 mm lang. V. *2%. 

Fig. 106. Tro gonophis wiegmanni von 17,8 Korperlinge. 
Schultergiirtelrudiment 4,6 mm lang. V. +5. 

Fig. 107—112. Rudimentarer Brustschulterapparat 
bei starkerer Vergréferung. Stets rechte Seite, Ventral- 
ansicht. Fig. 107 und 109 sind bei auffallendem Lichte (Aufen- 
seite), Fig. 108, 110—112 bei durchfallendem Lichte (aufgehellt) 
wiedergegeben. Die dunklen Stellen in der (gelblichen) Knochen- 
substanz sind Markraume (Havers’sche Kanale), die dunkleren, 
erobblasigen Stellen in der (blauen) Knorpelsubstanz sind ver- 
kalkte Partien derselben, die helleren, einfach punktierten Rand- 
teile gewohnlicher hyaliner Knorpel. 

Fig. 107. Amphisbaena alba von 60,5 cm Kérperlinge. 
Schultergiirtelrudiment 3,2 mm lang. *V. 2° 


1) Die Zahlen der Figuren sind durchlaufende und schliefen 
sich direkt an diejenigen der friiheren Teile dieser Abhandlung an. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 699 


Fig. 108. Amphisbaena alba von 52,4 cm Kérperlinge. 
Schultergiirtelrudiment 1,5 mm lang. V. 2° (cf. Fig. 103). 

Fig. 109. Amphisbaena fuligino sa von "31 5 cm Kérper- 
lange. Schultergiirtelrndiment 1,5 mm lang. V. 

Fig. 110. "7B lanus strauchi von 172° cm Kéorperlange. 
Schultergiirtelrudiment 1,8 mm lang. V. *° (ef. Fig. 104). 

Fig. 111. Blanus cinereus von 16,2 cm Korperlange. 
Schultergiirtelrudiment 2,1 mm lang. V. 2° (cf. Fig. 105). 

Fig. 112. Trogonophis wiegmanni von 17,8 cm Kérper- 
lange. Schultergiirtelrudiment 4,6 mm lang. V. °° (of. Fig. 106). 


Tafel XIV. 


Nerven fiir die Schultermuskeln von Lacertiliern und Sphenodon, 


Die Nn. thoracici superiores sind schwarz, die Nn. brachiales 
superiores grau, die Nn. brachiales inferiores und N, thoracici in- 
feriores weill wiedergegeben. Im iibrigen sind die allgemeinen 
Erlauterungen der Tafelerklarung zu vergleichen (cf. p. 692). 

Fig. 113—116 reprasentieren Rudimente des Plexus brachialis 
von Lacertiliern, Fig. 117—123 den Plexus brachialis und 
Details desselben von Sphenodon punctatus. 

Fig. 113. Rudimentirer Plexus brachialis von Anguis 
fragilis. Ventralansicht. Vergroéferung §. Die abgehenden 
Nerven sind nur unvollstandig wiedergegeben. OZ Stelle, wo sich 
der rudimentire Schultergiirtel befindet. 

Fig. 114. Vermutliches Rudiment des Plexus brachialis 
von Trogonophis wiegmanni. Ventralansicht. +. Vergl. 
iibrigens Fig. 113. 

Fig. 115. Vermutliches Rudiment des Plexus brachialis 
von Amphisbaena alba. Ventralansicht. §. Vergl. iibrigens 
Fig. 113. 

Fig. 116. Plexus brachialis von Sphenodon pun- 
etatus. Exemplar von 48 cm Kérperliinge. Ventralansicht. 3. 
Der Plexus brachialis (Spiegelbild des linken Plexus) ist in ganzer 
Ausdehnung bis zum Ellenbogengelenk dargestellt. Cam.me und 
Camyr Stellen, wo die Nervi brachiales longus inferior medianus und 
brachialis longus superior (radialis) durch ihre Kanale am distalen 
Ende des Humerus treten. 

Fig. 117. Der gleiche Plexus brachialis nach Wegnahme der 
Nn. brachiales inferiores und thoracici inferiores, sowie der Anfange 
der Plexuswurzeln. Darstellung der Nn. brachiales superiores. 
Ventralansicht. 3. 

Fig. 118. Detail aus demselben Plexus: Anastomose der Nn. 
spinales IX. und X. Ventralansicht. 4. 

Fig. 119. Anastomose der Nn. spinales IX. und X. Dorsal- 
ansicht. 4. 

Fig. 120. Detail aus demselben Plexus: Gegenseitiges Verhalten 
der Nn. dorsalis scapulae (dsc), deltoidis clavicularis (del), scapulo- 


700 Max Fiirbringer, 


humeralis (sch) und cutaneus brachii et antibrachii superior lateralis 
infraanconaeus (cut.ab.ifa). Dorsalansicht (somit kein Spiegelbild). 4. 

Fig. 121. Plexus brachialis von Sphenodon pun- 
etatus. Exemplar von 33 cm Kérperlinge. Rechte Seite, Ventral- 
ansicht. 3. Nur der proximale Teil des Plexus ist dargestellt und 
die Rumpfnerven und Nn. thoracici superiores sind nur zum Teil 
und in den ersten Anfingen wiedergegeben. 

Fig. 122. Plexus brachialis von Sphenodon pun- 
ctatus. Linker Plexus (Spiegelbild) des gleichen Exemplares wie 
in Fig. 121. Ventralansicht. 3. Vergl. tibrigens Fig. 121. 

Fig. 123. Plexus brachialis von Sphenodon pun- 
ctatus. Exemplar von 40 cm Linge. Linker Plexus (Spiegelbild). 
Ventralansicht. ++. Nur der proximale Teil des Plexus ohne 
Rumpfnerven und Nn. thoracici superiores ist dargestellt. 


Tafel XV. 


Detail der Schultermuskeln von Lacertiliern. 


Die Skelettteile sind blau (in Fig. 147—160 die Knochen hell, 
die Knorpel dunkel), die Bander und Sehnen weil, die Muskeln rot 
und die Nerven gelb wiedergegeben. 


Fig. 124—126. Darstellung der sternalen und episternalen 
Insertion des M. cucullaris et sterno-episterno-cleido- 
mastoideus (cu.epst) und der Membrana sterno-epister- 
nalis (M:stest). Die Abbildungen sind insofern schematisch, als aufer 
den genannten Teilen alle anderen Schultermuskeln weggelassen sind. 

Fig. 124. Gecko verticillatus. Vergréferung ?. 

Fig. 125. Zonosaurus madagascariensis. 3. 

Fig. 126. Lygosoma olivaceum. $3. 

Fig. 127—132. Darstellung des M. biceps brachii (bi). 
Aufer diesem Muskel und den Mm. coraco-brachiales brevis (cbrb) 
und longus (cbrl) sind alle anderen Muskeln entfernt. 

Fig. 127. Gecko verticillatus. 2. 

Fig. 128. Lacerta ocellata. 3. 

Fig. 129. Varanus niloticus. 4. 

Fig. 130. Phrynosoma cornutum. 3. 

Fig. 131. Uroplates fimbriatus. }. 

Fig. 132. Chamaeleo vulgaris. 3. 

Fig. 133—142. Darstellung des Ursprunges des M. anco- 
naeus scapularis lateralis (asc;) nebst seiner humeralen 
Ankerung (asc) und dem Lig. scapulo-humerale late- 
rale (L.schit). Auer dem M. scapulo-humeralis anterior (scha) und 
dem M. anconaeus humeralis lateralis (ahl), sowie mitunter dem 
M. subscapularis (sbsc) sind alle Muskeln weggenommen. 

Fig. 1383. Gecko verticillatus. 3. 

Fig. 134. Zonosaurus madagascariensis. 4. 

Fig. 135. Lygosoma olivaceum. §f. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 701 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 
Fig. 


136. 
137. 
138. 
139. 
140. 
141. 
142. 
143— 


Zonurus cordylus. 4. 

Lacerta ocellata 4. 

Varanus niloticus. 3. 

Phrynosoma cornutum. #¢. 

Uroplates fimbriatus. 4. 

Chamaeleo vulgaris. 4. 

Brookesia superciliaris. 4. 

146. Darstellung des Lig. sterno-scapulare 


internum (Z.stsci) nebst Anconaeus coracoideus (ac), Die 
Skeletteile sind weggelassen. 
Fig. 143. Lacerta ocellata 3. 
Fig. 144. Zonurus cordylus. #7. 
1 


Fig. 145. 


Varanus niloticus. 4. 


Fig. 146. Phrynosoma cornutum. #. 
Fig. 147—160. Darstellung der Patella ulnaris (Pa.u). Die 
knorpeligen Teile sind dunkler, die knéchernen heller wiedergegeben. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


Fig. 


Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 
Fig. 


147. 
148. 
149. 
150. 
151. 
152. 
153. 
154. 
155. 
156. 
157. 
158. 
159. 
160. 


Hemidactylus mabouia. 3. 
Ptychozoon paradoxum. f. 
Gecko verticillatus. 4. 
Uroplates fimbriatus. 4. 
Lygosoma olivaceum. {. 
Zonosaurus madagascariensis. 4. 
Lacerta ocellata 4. 
Ameiva surinamensis. #¢. 
Zonurus cordylus. §. 
Varanus niloticus. 3. 
Phrynosoma cornutum. $f. 
Calotes jubatus. 4. 
Chamaeleo vulgaris. {. 
Brookesia superciliaris. §. 


Patel X VI. 


Schultermuskeln von Sphenodon punctatus. 


Seitenansichten. 


Die Skeletteile sind auf dieser und der folgenden Tafel blau, 
die Sehnen und Bander weif, die Muskeln rot (ihre Querschnitte, 
Ursprungs- und Insertionsstellen intensiv rot), die Nerven gelb 


wiedergegeben. 
Fig. 161. 


Schultermuskeln nach Wegnahme der Haut. 


Fig. 162. Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. sphincter 
colli (sphe), depressor mandibulae (dpm) und obliquus abdominis 
externus superficialis (oaespf). 


Fig. 163, 


Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. cleido- 


mastoideus et cucullaris (clm-—+- cw) und pectoralis (p). 


702 Max Firbringer, 


Fig. 164. Schultermuskeln nach Wegnahme der Zungenbein- 
muskeln (M. omohyoideus [ohy] und M. cleido-episterno-hyoideus 
[clephy]), sowie der Mm. levator scapulae superficialis superior 
(Isspfs), latissimus dorsi (/d), deltoides clavicularis (del) und der 
oberflachlichen Insertionsaponeurose des M. humero-radialis (hr;). 

Fig. 165. Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. levator 
scapulae superficialis inferior ((sspfi), supracoracoideus (spe), dorsalis 
scapulae (dsc), humero-radialis (hr) und der Membrana sterno- 
episternalis (M.stest). 

Fig. 166. Schultermuskeln nach Wegnahme der oberflaichlichen 
Lage des M. serratus superficialis (s.spf), des M. biceps brachii (bi 
und bi), des M. scapulo-humeralis anterior (mit Ausnahme seines 
tiefen Muskelbandes) (scha), des Lig. scapulo-humerale laterale 
(L.schit) und des M. anconaeus scapularis e. p. (asc). 

Fig. 167. Schultermuskeln nach Wegnahme der tiefen Lage 
des M. serratus superficialis (sspfi), der Mm. coraco-brachialis brevis 
und longus (cbrb und cbrl), des tiefen Muskelbandes des M. sca- 
pulo-humeralis anterior (scha;), des M. scapulo-humeralis posterior 
(schp) und des M. anconaeus scapularis (asc). 

Fig. 168. Brustschulterapparat und Humerus mit Angabe der 
Urspriinge (0) und Insertionen (7) der Muskeln. Die an den Aufen- 
flachen resp. den dem Zuschauer zugekehrten Flachen liegenden 
Urspriinge und Insertionen sind durch rote durchlaufende Linien, 
die an den Innenflachen resp. den dem Zuschauer abgekehrten 
Flachen befindlichen durch rote punktierte Linien angedeutet. 

Fig. 169. Mm. thoracici superiores und thoracici inferiores 
nach Wegnahme des Humerus. Der Brustschulterapparat ist durch- 
sichtig gedacht, um die darunter (an seiner Innenfliche) liegenden 
Muskeln sichtbar zu machen, und seine Umrisse sind in schwarzen 
Punktlinien angegeben. Die gesamten Mm. thoracici superiores sind 
dargestellt, von den Mm. thoracici inferiores nur der M. sternocosto- 
scapularis (stcsc) nebst dem Lig. sterno-scapulare internum (L.st¢sc?). 

Fig. 170. Mm. thoracici superiores und thoracici inferiores in 
der gleichen Behandlung wie auf der vorhergehenden Figur. Von 
den Mm. thoracici superiores sind die Mm. levator scapulae super- 
ficiales superior und inferior (Jsspfs und Isspfi) und der M. serratus 
superficialis (sspf) weggenommen, so daf nur die oberflachliche und 
tiefe Lage des M. levator scapulae et serratus profundus (Isprf; und 
Isprfi;) zur Darstellung kommt. Die Mm. thoracici inferiores sind 
samtlich abgebildet (stcispf, stciprf, stesc). 


Wa fel kav Lt. 


Schultermuskeln von Sphenodon punctatus. 


Ventralansichten. 


Hinsichtlich der Farben vergl. Taf. XVI (p. 701). 


Fig. 171. Schultermuskeln nach Wegnahme der Haut. Vergl. 
Fig. 161. 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 703 


Fig. 172. Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. sphincter 
colli (sphe), depressor mandibulae (dpm) und obliquus abdominis 
externus superficialis (oaespf). Vergl. Fig. 162. 

Fig. 173. Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. cleido- 
mastoideus et cucullaris (clm-+ cw) und pectoralis (p). Vergl. 
Fig. 163. 

Fig. 174. Schultermuskeln nach Wegnahme des Parasternum 
(PSt), sowie der Mm. omo-hyoideus (ohy), cleido-episterno-hyoideus 
(clephy), levator scapulae superficialis superior (/sspfs), latissimus 
dorsi (Jd) und deltoides clavicularis (del). Vergl. Fig. 164. 

Hig. 175. Schultermuskeln nach Wegnahme der Mm. levator 
scapulae superficialis inferior (lsspfi), supracoracoideus (spe), dor- 
salis scapulae (dsc) und humero-radialis (hr), sowie der Membrana 
sterno-episternalis (M.stest). Vergl. Fig. 165. 

Fig. 176. Schultermuskeln nach Wegnahme der oberflaichlichen 
Lage des M. serratus superficialis (sspf), der Mm. biceps brachii 
(bt; und bi), scapulo-humeralis anterior (scha) und anconaeus scapu- 
laris e. p. (asc), sowie des Ligamentum scapulo-humerale laterale 
(L.schit). Vergl. Fig. 166. 

Fig. 177. Schultermuskeln nach Wegnahme der tiefen Lage 
des M. serratus superficialis (sspf1), sowie der Mm. coraco-brachiales 
brevis und longus (cbrb und ebrl), scapulo-humeralis posterior (schp) 
und anconaeus scapularis (asc). Vergl. Fig. 167. 

Fig. 178. Brustschulterapparat und Humerus mit Angabe der 
Urspriinge (0) und Insertionen (i) der Muskeln. Im iibrigen vergl. 
Fig. 168. 

Fig. 179. Mm. thoracici inferiores nach Wegnahme des Hu- 
merus. Der Brustschulterapparat ist durchsichtig gedacht, um die 
darunter (an seiner Innenfliche) hegenden Muskeln sichtbar zu 
machen, und seine Umrisse sind in schwarzen Punktlinien ange- 
geben. An der rechten Seite des Tieres sind simtliche Mm. thora- 
cici inferiores (Mm. sterno-coracoidei interni superficialis und pro- 
fundus |steispf und stciprf| und sternocosto-scapularis [stcsc|) nebst 
dem Lig. sterno-scapulare internum (L.stsci) dargestellt, an der 
linken Seite ist der M. sterno-coracoideus internus_ superficialis 
(stcispf) weggenommen. Vergl. Fig. 170. 


704 Max Firbringer 


Verbesserung sinnstérender Druckfehler. 


p- 470 Zeile 3 von oben. Nach Mm. sterno-coracoideus fiige noch 
,Superficialis und subcoracoideus“ hinzu. 

470 Zeile 10 von oben. Zwischen Mm. sternocosto - scapularis 
und gedeckt fiige ,innen“ ein. 

470 Zeile 2 des Textes von unten. Nach dorsal fiige ,,(innen)“ 
hinzu. 


” 


” 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 


Inhaltsiibersicht. 


Vorbemerkung 


Nachtriige zu Kapitel IV. Neuere Litteratur und neue 
eigene Untersuchungen, betreffend die Lacertilier, 
Rhynehocephalier und Uae sowie die anderen 
Reptilien . te eee 


$13. Schultergiirtel, Brustbein und Humerus . 
Litteratur . : aN ae AE cc ee 
Kinleitung 


A, Kionokrane Lacertilia . Saket s 
Allgemeines tiber den Becciclemenneah nebst 
Reduktion desselben (231). Primarer Schultergiirtel 
(233): Scapula (233), Coracoid (235). Sekundiarer 
Schultergiirtel: Clavicula (239). Primares Brustbein: 
Sternum (244), Prosternum (244), Xiphisternum (Me- 
tasternum) (245). Abdominale oder metasternale 
Rippen (249). Sekundires Brustbein: Episternum 
(250). Zweifelhafte parasternale Gebilde (255). Hu- 
merus (255). 


B. Amphisbaenia . Re nd (Sn te 
Brustschulterapparat von Ghirotes “(259). Schulter- 


giirtel und Brustbein-Rudimente bei Trogonophis 
(261), Blanus (262), Amphisbaena (263) ; Tabelle (265). 


C. Chamaeleontia (Rhiptoglossa) 


Primarer Schultergiirtel (266). Primares Brustbein 
(267). Metasternale Rippen (268). Humerus (269). 


Anhang zu den Lacertilia (Dolichosauria, Mosa- 
sauria, Telerpetidae) a 
Dolichosauria. 

Mosasauria (Pythonomorpha) . 

Telerpetidae : SHES aera 

Verweis auf die reptilischen Micro- 
sauria (Hylonomus, Petrobates) 


705 


Seite 


215 


217 


217 
217 
229 


231 


265 


269 
270 - 
271 
273 


276 


706 Max Firbringer, 


D. Rhynchocephalia. . RN Ne A. 3 
Primarer Schultergiirtel (277): Scapula (277), Cora- 
coid (278). Sekundirer Schultergiirtel : Clavicula (278). 
Primares Brustbein: Sternum (279). Sekundires Brust- 
bein: Episternum (279). Parasternum (280). Hu- 
merus (281). 


Anhang: Fossile Rhynchocephalia, Acrosauria, 
Microsauria. . 
Uebersicht iiber die Rhy nchocephalia ‘und Verwandte 
Brustschulterapparat, Parasternum und Humerus 
der Proterosauria 
Palaeohatteria 
Kadaliosaurus 5 
Proterosaurus (Proterosaurus) : 
Champsosaurus . aes pee 
Brustschulterapparat, Parasternum und Humerus 
der Rhynchocephalia s. str. (vera) 
(Sphenodon), Rhynchosaurus, Sauranodontidae 
Brustschulterapparat, Parasternum und Humerus 
der Acrosauria. sone oni cMeawe erp et 4 eel 
Brustschulterapparat, Parasternum und Humerus 
der reptilischen Microsauria (Hylo- 
nomus und Petrobates) 


E. Crocodilia a 
Primarer Schuitergtirtel : Scapula und Coracoid (298). 
Primires Brustbein: Sternum (299). Sekundares Brust- 
bein: Episternum (300). Parasternum (300). Hu- 
merus (301). 


Anhang: Fossile Crocodilia. 

Uebersicht iiber die fossilen Crocodilia 

Brustschulterapparat, Parasternum und Humerus 
der Parasuchia (Phytosauria) 
Phytosaurus (Belodon) 
Erpetosuchus . sistem eel ae oe es 

Brustschulterapparat, (Parasternum) und Humerus 
der Pseudosuchia (Aétosauria) . 
Aétosaurus 

Brustschulterapparat, “Parasternum ‘und Humerus 
der Eusuchia (Crocodilia vera). 


F. Uebrige Reptilien: Ichthyosauria, Chelonia, Sauro- 
pterygia, Mesosauria, Theromorpha, Dinosauria, 
Patagiosauria . ; ; 

I. Ichthyopterygia . ge thew poole! NR UMMRE ee fe 
Uebersicht (307). Primarer Schultergiirtel: 
Scapula, Coracoid (309). Sekundarer Schulter- 
giirtel: Clavicula (310). Primares Brustbein: 
Sternum (310). Sekundares Brustbein: Epister- 
num (311). Parasternum (311). Humerus (311). 


Seite 
276 


307 
307 


Vergleich, Anatomie des Brustschulterapparates etc. 


IT, 


EEE 


IV. 


VI. 


Chelonia (Testudinata) ....... . 
Schultergiirtel (312). Primarer Schultergiirtel : 
Controversen, Scapula, Coracoid, Procoracoid 
(315). Sekundarer Schultergiirtel: Clavicula 
(317). Primires Brustbein: Sternum (318). Se- 
kundires Brustbein: Episternum (319). Para- 
sternum (320). Humerus (320). 


Sauropterygia . oo, & fw |p ee See es 

Uebersicht (321). Brustschulterapparat (322). 

1. Nothosauria eT ee Pc ees 
Primarer Schultergirtel: Scapula, Coracoid, 
Procoracoid (323). Sekundarer Schultergiirtel : 
Clavicula (325). Primiares Brustbein: Ster- 
num (325). Sekundires Brustbein: Epister- 
num (325) Parasternum (325). Humerus 
(326). 

2. Plesiosauria ae Ca Ee 
Primarer Schultergiirtel: Scapula, Coracoid, 
Procoracoid, Epicoracoid (326 f., 331). Se- 
kundarer Schultergirtel: Clavicula (330, 334). 
Primares Brustbein: Sternum (334). Sekun- 
dares Brustbein: Episternum (330, 334). 
Parasternum (334). Humerus (335). 


Mesosauria . tact pedteten Se a} ae 167 
Uebersicht (336).  Primarer Schultergiirtel: 
Scapula, Coracoid, Procoracoid, Epicoracoid 
(837). Sekundarer Schultergiirtel: Clavicula 
(337). Primares Brustbein: Sternum (338). Se- 
kundares Brustbein: Episternum (338). Para- 
sternum (338). Humerus (338). 


. Theromorpha . 


Uebersicht (338).  Primarer Schultergiirtel: 
Scapula, Coracoid, Procoracoid (340). Sekun- 
darer Schultergiirtel: Clavicula, Cleithrum? 
(344). Primares Brustbein: Sternum (345). Se- 
kundares Brustbein: Episternum (345). Hu- 
merus (345), 


Dinosauria . GPE meal) ioe” ons, 1, i pee ee 
Uebersicht (347).  Primirer Schultergiirtel: 
Scapula (349), Coracoid (350). Sekundarer 
Schultergiirtel: Clavicula (352). Primares Brust- 
bein: Sternum (352). Sekundiares Brustbein: 
Episternum (353). Parasternum (353). Hu- 
merus (353), 


107 
Seite 


311 


336 


338 


347 


708 


Max Firbringer, . 


VII. Patagiosauria (Pterosauria) . sears 6 
Uebersicht (355). Primirer Brustgiirtel: Sca- 
pula, Coracoid (357). Primares_ Brustbein: 
Sternum (360). Parasternum (362). Humerus 
(363). 


$14. Nerven fiir die Schultermuskeln . 


Litteratur. Untersuchtes Material 
Vorbemerkungen 


A. Kionokrane Lacertilia . RTE Pe ee ee 

Wurzeln des Plexus (366). Tabelle (369). Starke 

der Plexuswurzeln (368).  Ansenbildung (369). 
Peripheres Verhalten (370). : 


B. Amphisbaenia , aa 
C. Chamaeleontia Pitre geenate 


D. Rhynchocephalia 


R. posterior s. externus n. vago-accessoril (874). Nn. 
spinales I[V.—XI. (8%75). 


A. Nn. thoracici superiores (dorsaler 
Nebenplexus, Serratus-Plexus). a 
Nn. levatores scapulae superficiales (379). Nn. 
levatores et serrati profundi (379). Nn. serrati 
superficiales (380). 
B+cC+D. Hauptplexus. 
Zusammensetzung (380). 
B. Nn. brachiales superiores 
N. dorsalis scapulae (381). Nn. subcoracosca- 


pularis (382). N. scapulo-humeralis (383). N. 


deltoides clavicularis s. cleido-humeralis (383). 
N. cutaneus brachii et antibrachii superior late- 
ralis (infraanconaeus) (384). N.  latissimus 
dorsi (385). N. brachialis longus superior (ra- 
dialis) (385). 
C.und D. Nn. brachiales inferiores und 
Nu: thoracicl inferiores -—... 2.) Goan, 4 
N. supracoracoideus (387). Nn. thoracici in- 
feriores (388). N. pectoralis (389). N. coraco- 
brachialis et biceps proximalis (389). N. cuta- 
neus brachii et antibrachii inferior medialis 
(390). N. brachialis longus inferior (391). 


E. Crocodilia 


$15. Muskeln der Schulter und des Oberarmes . 


Litteratur. Untersuchtes Material . 
Vorbemerkungen 


Seite 


355 


364 


364 
366 


366 


371 
372 
374 


379 


380 


381 


387 


394 


394 
394 
396 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 


A. ‘Kionokraneacertilia: ) x. i) 4i,elenlepcan) ak 
Kinleitung Pd sper. 299 2a.” «shige th capil aa te ees 
1. Cucullaris s. Trapezius und Sterno - episterno- 


14. 


cleido- mastoideus (Capiti-dorso-clavicularis und 
Capiti-cleido-episternalis) . 
Beschreibung nebst Membrana sterno- -epister- 
nalis (398). Systematische Bedeutung (401). 


. Levator scapulae ae cea (Collo-scapularis 


superficialis) 
Levator scapulae spf. superior und inferior (403). 


. Serratus superficialis (Thoraci-scapularis super- 


ficialis) 


. Levator scapulae et Serratus ‘profundus (Colle 


thoraci-scapularis profundus) . 
Oberflachliche und tiefe Schicht (408). Ver- 
halten bei Varanus (406). 


. Sterno-coracoideus internus superficialis und 


profundus tie PAGO RES os 
Sterno-coracoideus internus (communis) (407). 
Sterno -coracoideus internus superficialis und 
profundus (407). Vergleichung und Abstam- 
mung (409). 


. M. sternocosto-scapularis und ae sterno-scapu- 


lare internum . an 8 
M. sternocosto- -scapularis (411). Lig. sterno- 
scapulare internum (412). Systematische Be- 
deutung (412). Vergleichung und Abstam- 
mung (413). 


. Pectoralis . 

s MUPLACOPaACpIGeUs: pct 4 Me glee teeta le 
Beschreibung (417). Vergleichung (419). 

. Coraco-brachialis brevis und longus . 


Coraco-brachialis brevis (420). Coraco- brachi- 
alis longus (421). 


. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis) 


Beschreibung und systematische Bedeutung 
(421). Proximaler Muskelbauch (422). Zwi- 
schensehne (423). Distaler Muskelbauch und 
Lacertus fibrosus (Aponeurosis) bicipitis (424). 


. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior) 
. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) 
. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior) 


Verhalten zu dem M. deltoides clavicularis und 
systematische Bedeutung desselben (428). Be- 
schreibung des M. dorsalis scapulae (429). 
Vergleichung (430). 
Deltoides clavicularis s. inferior (Cleido-hume- 
ralis) . 


Beschreibung (- (431). " Vergleichung (432). . 


405 


406 


411 


430 


710 


16. 
VG: 


Max Firbringer, 


. Scapulo-humeralis anterior (Coraco-scapulo-hume- 

ralis),. .. 

Beschreibung 438 is _ Vergleichung 484) 

Teres major 

Subcoracoscapularis 
Pars coracoidea s. coracoscapularis (M. sub- 
coracoideus s. lat.) mit Subcoracoideus s. str. 
und Subscapularis anterior (436). Pars sub- 
scapularis (M. subscapularis mit Subscapularis 
posterior internus und Subscapularis externus) 
(437). 

. Anconaeus. . . of 05k. hee at SRE og eae 
Caput scapulare s. M. anconaeus scapularis 
(lateralis) (439). Ursprungssehne, Ankerungen, 
Lig. scapulo-humerale laterale, systematische 
Bedeutung (440). Caput coracoideum s. An- 
conaeus coracoideus und seine systematische 
Bedeutung (441). Caput humerale laterale s. 
M. anconaeus humeralis lateralis (442). Caput 
humerale mediale s. M. anconaeus humeralis 
medialis (443). Patella ulnaris (443). 


B. Amphisbaenia 


C. Chamaeleontia (Rhiptoglossa) . 
Einleitende Worte. Nahe Beziehung zu beenictes (445), 


al 


. Pectoralis : 
; Supracoracoscapularis : 


Sterno-mastoideus (Capiti-sternalis) und Cucullaris 


Dorso-scapularis) . i etyedilsap ate: | Cs aie 
Pp . 
Sterno-mastoideus (445). Cucullaris (445). 


. Levator scapulae_ superficialis Saga cege 


superficialis) 


. Serratus superficialis (Thoraci- -scapularis super- 


ficialis) . 


. Levator ‘scapulae et Serratus profandus (Collo- 


thoraci-scapularis profundus) 


. Sterno-coracoideus internus profundus 


Lig. sterno-scapulare internum . 

é 
Supracoracoideus (449). Supr ascapularis (449). 
Vergleichung (450). 


. Coraco-brachialis brevis und longus . 

. Biceps brachii (Coraco- antibrachialis) : 

. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior) 
. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) 

. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior) 


Verhalten zu dem M. deltoides coraco-sternalis 
s. inferior (453). Beschreibung des M. dor- 
salis scapulae (454). Vergleichung (454). 


Seite 


432 


435 
435 


438 


444 
445 


445 


446 
446 


446 
447 
448 
448 
449 


451 
451 
452 
452 
453 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates ete. 


14. 
15. 


Deltoides coraco-sternalis s. inferior . 
Scapulo-humeralis anterior (Coraco-scapulo- hume- 
ralis anterior) 


. 'Teres major : 
. Subcoracoscapularis 
. Anconaeus . 


Caput scapulare 1 mit Ankerung (458). Caput 
humerale laterale und mediale (458). Patella 
ulnaris (459). 


D. Rhynchocephalia IAA Patieoyantesl ss 
Einleitende Worte (459). Uebersicht (459). 


it 


13. 


Bd. XXXIV. N. 


Cleido-mastoideus et Cucullaris s. Trapezius (Ca- 
piti-dorso-clavicularis) . Seti iia bai Westgate 9 ce oS 
Beschreibung (462). Vergleichung (463). 


. Levator scapulae superficialis (Collo-scapularis) 


Stpertor Gt interior of. Fa Be atin use oes 
Beschreibung (465). Vergleichung (466). 


. Serratus superficialis ee a super- 


ficialis A) eye Wish e oat S245 bs 
Beschreibung (466). Vergleichung (467). 


. Levator scapulae et Serratus profundus (Collo- 


thoraci-scapularis profundus) . 
Beschreibung (oberflachliche und tiefe Schicht) 
(468). Vergleichung (468). 


. Sterno-coracoideus internus superficialis und 


Sterno-coracoideus internus profundus : 
Beschreibung (469). Vergleichung (470). 


. Sternocosto-scapularis (Costo-coracoideus) . 

M. sternocosto-scapularis (470). Lig. sterno- 
scapulare internum eee Vergleichung Say 

. Pectoralis : 

Beschreibung (472). Vergleichung (473). 

. Supracoracoideus . . 

Beschreibung (474). Vergleichung (475). 

. Coraco-brachialis brevis und Coraco-brachialis 
longus . RET fay Ta en te ee 
Beschreibung (476). Vergleichung (477). 

. Biceps-brachii s. Coraco-antibrachialis . : 
Beschreibung: Proximaler Muskelbauch, Zwi- 
schensehne, distaler Muskelbauch, Caput breve 
m. bicipitis (477, 478). Vergleichung (478). 

. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior) 
Beschreibung (480). Vergleichung aia 

. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) 


Beschreibung (481). Vergleichung (481). 
Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis s. superior) 
Beschreibung (482). Vergleichung (482). 
F, XXVI, AG 


462 


464 


466 


467 


469 


470 


471 


474 


475 


477 


479 
480 


482 


712 


Max Fiirbringer, 


14. Deltoides clavicularis s. inferior (Cleido-humeralis) 
Beschreibung (483). Membrana sterno-epister- 
nalis (483). Vergleichung (485). 

15. Scapulo-humeralis anterior Capea camer A 

ralis anterior). . obs, ts 

Beschreibung, tiefes Muskelband (486). Ver- 
gleichung (487). 

16. Scapulo-humeralis posterior . . 
Beschreibung (488). Vergleichung (488) 

17. Subcoracoscapularis ; 
‘Beschreibung (489). Vergleichang ( (490). 

18. Anconaeus (Triceps brachii) 
Caput scapulare laterale nebst Lig: ,seapulo- 
humerale laterale und Ankerungen (492). Ca- 
put coracoideum (493). Caput humerale la- 
terale und mediale (493). Vergleichung oe 

19. Humero-radialis . . . 
Beschreibung (495). Vergleichung (497 Ve 


. Crocodilia . 


Einleitende Worte (500). 
3. Levator scapulae superficialis ( woke 
superficialis) 
4. Serratus superficialis (Thoraci- -scapularis super- 
ficialis 
5. Levator scapulae ot Serratus profundus (Collo- 
thoraci-scapularis profundus) 
. Rhomboides : 
. Costo-coracoideus 
. Pectoralis sea) 
. Supracoracoideus (Supracoracoscapularis fan 
Beschreibung (502). Vergleichung (503). 
10. Coraco-brachialis (brevis) . . . ... . 
Beschreibung (508). Vergleichung (508). 
11. Biceps brachii (Coraco-antibrachialis) 
Aponeurosis bicipitis (509). 
12. Brachialis inferior (Humero-antibrachialis inferior) 
13. Latissimus dorsi (Dorso-humeralis) : 
14. Dorsalis scapulae (Deltoides scapularis superior) 
Beschreibung (510). as ree ptt: ae 
15. Deltoides scapularis inferior : : 
16. Scapulo-humeralis posterior . . 
Beschreibung aaa Vorgleichung (518). 
17. Teres major ‘ 
18. Subscapularis . 
19. Anconaeus (Triceps brachii) 
20. Humero-radialis . . he oh) ee 
Beschreibung (517). Vergleichung (517). 
Coraco-scapularis SiN ie eee 


co Oa 


Seite 


483 


486 


488 
489 


491 


495 


500 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapperates ete. 


Nachtrag. (Arbeiten von Verstuys iiber die mittlere und 
iufere Ohrsphire der Lacertilia und Rhynchocephalia und 
von Ossporn, A complete Mosasaur Skeleton.) 


§16. Zusammenfassung. Genealogische Schlisse . 
Hinleitung (520). 


A. Brustschulterapparat und Humerus 


Allgemeine Definition (521). Allgemeines Wer 
halten bei den Reptilien (522). 
1. Primarer Schultergirtel 
a) Allgemeine Zusammensetzung und seponseitiger 
Verband der Hauptabschnitte 
Entwickelung (523), Ossification, physiolo- 
gische Momente (524). 
b) Relative Ausdehnung der knéchernen und knor- 
peligen Bestandteiley ti os 
Lacertilia (525). Rhynchocephalia (526). 
Ichthyopterygia (526). Chelonia (527). Sauro- 
pterygia (527). Mesosauria (527). Theromorpha 
(527). Crocodilia. Dinosauria. Patagiosauria 
(527). 

c) Speciellere Gestaltung und Grife . 

Lacertilia (Dimensionen, Fensterbildung, Fo- 
ramen supracoracoideum, Acromion). Be- 
deutung der Lacertilia (528). Rhynchocephalia 
(531). Ichthyopterygia (532). Chelonia (532). 
Sauropterygia (533). Mesosauria (534). Thero- 
morpha (534). Crocodilia (535). Dinosauria 
(535). Patagiosauria (536). 
2. Primares Brustbein 

a) Gestalt und Verbinde des Sternum : 
Genetische Momente (Coracoid, Episternum) 
(536). Lacertilia (537). Rhynchocephalia (539), 
Ichthyopterygia (540). Chelonia, Sauropterygia, 

, Mesosauria (540). Theromorpha (540). Croco- 
dilia (540). Dinosauria (541). Patagiosauria 
(541). 

b) Metamerische Lage des Sternum, Lange der 
Halswirbelsiule, Verschiebungen und Wan- 
derungen der Extremitiiten (541). Ausgangs- 
puvkt (aus 8 Wirbeln bestehende Halswirbel- 
siiule) (543). Regressive, rostralwarts gehende 
Wanderung (544). Progressive, caudalwarts 
gerichtete Wanderung (545). 

c) Metasternale Rippenknorpel : 
Rhynchocephalia, Lacertilia, Crocodilia (646). 

8. Sekundiarer Brustschulterapparat (Clavi- 
cularia, Episternum, Parasternum). . : 


46% 


525 


528 


536 
536 


714 Max Firbringer, 


Seite 
A.Sekundarer Schultergirtel OP 

Clavicula) . 547 
Ausgang (Fische, Stegocephalen) (547). 

a) Cleithrum . . 548 
Eventuelles Vorkommen bei den Theromorpha 
(548). 

b) Clavicula. . 548 


Urspriingliche Form (548). Lacertilia, Mannig- 
faltigkeit bei denselben (550). Rhyncho- 
cephalia (550). Ichthyopterygia (550). Che- 
lonia (551). Sauropterygia (551). Mesosauria 
(552). Theromorpha (552). Crocodilia (553). 
Dinosauria, Patagiosauria (552). Vogel (552). 

B. Sekundares Brustbein (Episternum) 553 
Ausgang (Fische, Stegocephalen) (553). Palaeo- 
hatteria, Hylonomus, Petrobates (554). Lacer- 
tilia (554), Reichtum ihrer Differenzierungen 
(555). Rhynchocephalia (555). Einseitigkeit 
und Gleichformigkeit der anderen Reptilien- 
ordnungen (556). Ichthyopterygia (556), 
Chelonia (556). Sauropterygia (556). Meso- 
sauria (557). Theromorpha (557). Crocodilia 
(557). Dinosauria (557). Patagiosauria (557). 
Vogel (557). 

C. Parasternum:.)%. 558 
Ausgang bei den Stezocephalen (Schuppen- 
reihen, Stabchenreihen (558). Hylonomus und 
Petrobates (559). Rhynchocephalia (Protero- 
sauria und Rhynchocephalia vera) (559). 
Lacertilia und Ophidia (561). Ichthyopterygia 
(562). Chelonia (562). Sauropterygia (563). 
Mesosauria (563). Theromorpha (563). Croco- 
dilia (563). Dinosauria (563). Patagiosauria 
(564). Vogel (564). 

4. Humerus. . 564 
Allgemeine Uebersicht seiner Teile (564). 
Allgemeinere Konfiguration und systematische 
und genealogische Bedeutung derselben (565). 

a) Allgemeine Dimensionen . . * » 066 
Lacertilia (566). Rhynchocephalia (566). 
Ichthyopterygia (567). Chelonia (567). Sauro- 
pterygia (567). Mesosauria (567). Thero- 
morpha (567). Crocodilia (567). Dinosauria 
(567). Patagiosauria (568). 

b) Ausbildung der Muskelfortsitze . . . . 568 
Proc. lateralis und medialis (568). Epicon- 
dyli (569), Linea m. latissimi dorsi (569). 


® 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 


c) Nervenkanale im distalen Bereiche des Hu- 
merus. . 
Canalis n. radialis (ectepicondyloideus) (569). 
Canalis n. mediani (ectepicondyloideus) (569). 
Koéxistenz beider Kaniile (569). Mangel 
beider Kanile (569), Systematische (569) 
und morphologische Bedeutung der Nerven- 
kanale (570). 


B. Nerven fiir die Schulter und den a Arm- 


bereich 


Mouphelonuatte ei euniie (571). Systematische 
Momente (Ansenbildungen, Abgiinge der peri- 
pheren Nerven vom Plexus) (571). 

a) N. accessorius posterior . f 

b) Metamerische Lage des Plexus brachialis 
Verhalten bei den kionokranen Lacertilia, Sphen- 
odon, Chelonia, Varanidae, Crocodilia, Wonel, Cha- 
maeleontia, Riickbildung der Extremitaten, Am- 
phisbaenia (573—576). Zusammenfassung: kau- 
dalwarts und rostralwarts gehende Wande- 
rung (577). 

c) Verhalten der vom Plexus brachialis 
abgehenden peripheren Nerven. ee 
Besondere Stellung von Sphenodon (578). Nn. 
thoracici inferiores und superiores (579). Chelo- 
nier und Crocodilier (579). 


. Muskeln der Schulter und des aaa Arm- 


bereiches 


S svaiadeche: Budenture (579). Aiaatabl dé 
systematisch wichtigeren Muskeln pee 

1. Kionokrane Lacertilia.)~. 

Geckonidae (581). Scincidae (581). " Gerrhosau- 
ridae, Lacertidae (582). Tejidae (582). Zonurus 
(582). Heloderma (582). Iguanidae und Aga- 
midae (583). Uroplates und seine Beziehungen 
zu den Geckonidae und Chamaeleontidae (584). 
Varanidae (586). 
Amphisbaenia 

2, Chamaeleontia ; 

3. Sphenodon (Rhy nechocephalis) Bae 
Besonderheiten gegeniiber den Lacertiliern (589) 
und Uebereinstimmungen mit ihnen (589). 
Schwache Anklange an die Crocodilier (590). 
Speciellere Besprechung einiger Differenzen gegen- 
iiber den Lacertiliern (591). Stellung zu den 
Lacertiliern und relativer Grad seiner Differen- 
alerung (592). 


715 


Seite 


569 


D87 
587 
589 


716 Max Firbringer, 


Seite 
4. Chelonier .. 593 
Mit der Bildung des Racken- und Bauchschildes 
zusammenhingende Differenzierungen (593). Pri- 
mitive, sowie hédhere und einseitige Charaktere 
(594). Verhalten zu den Lacertiliern und Rhyn- 
chocephaliern (595). 
5. Crocodilier.s .!.. 596 
Bezieh. zu Lacertiliern (Varanidae) und Rhyncho- 
cephaliern (596). Hihe der Differenzierung (596). 


D. Systematische und genealogische Schliisse . . . 597 


I. Stellung der primitivsten Reptilien (Lacertilia 
und ape ich oro Abstammung der Saur- 
opsiden.. 597 

Lebende Lacertilier und Rhynchocephalier (Sphen- 
odon) (598). Streptostylie und Monimostylie (599). 
Fossile Lacertilier und Rhynchocephalier (insbe- 
sondere Palaeohatteria) (600). Eventuelle Zwischen- 
formen (Hylonomus, Petrobates, Kadaliosaurus). 
Bedeutung des Quadratum (601). Deckknochen 
(Temporalbogen, Parasternum) (601). Abstam- 
mung der Sauropsiden von streptostylen Am- 
phibien, ungeniigende Kenntnis der Sammelgruppe 
der Stegocephalen (603). Zusammenfassung (604). 


II. Streptostylia s. Squamata(Lacertilia und Ophidia) 605 
Historischer Ueberblick (605). Ophidia (606). 
A. Lacertilia vera (606) mit Nyctisaura s. Gecko- 
nomorpha (607), Pygopodomorpha (607), Lepto- 
glossa s. Autosauromorpha (608), Diploglossa 
s. Anguimorpha (609), Pachyglossa (Crassi- 
lingues) s. Eunota s. Iguanomorpha (610), Gecko- 
Chamaeleontes s. Uroplatimorpha (610).  Tel- 
erpetidae (612). Acrosauria (612). — B. Platynota 
s. Varano-Dolichosauria (612) mit Varanomorpha 
(613) und Dolichosauria (614). — C. Mosasauria 
(615). — D. Amphisbaenia (616). — E. Chamae- 
leontia (619). — Zusammenfassung (620). 


ITI. Rhynchocephalia, Acrosauria, Microsauria . 622 
Sphenodon (622). Historischer Ueberblick (62 2). 
Fossile Rhynchocephalia (Rhynchocephalia vera 
und Proterosauria) (625, 626). Intermediare 
Formen zwischen Rhynchocephalia und Lacer- 
tilia (626). Acrosauria (626). Kadaliosaurus, 
Hylonomus, Petrobates (627). 


IV. Ichthyopterygia . . HUD RONG 
Historischer Ueberblick (628). Verwandtschaft 
mit den Rhynchocephalia, weite Entfernung von 
den Sauropterygia (629). Entwickelungsstufen 
(Unterabteilungen) (629). 


Vergleich. Anatomie des Brustschulterapparates etc. 


Wi. 


VI. 


VIL. 


VIII. 


EX. 


XI. 


Chelonia. . a hs: hE Oe: 
Historischer ‘Ueberblick (631). " Systematische 
Einteilung der Chelonier (632). Stellung in der 
Reihe der Reptilien (633). Nahe Beziehungen 
zu den Mesosauria und Sauropterygia (633) und 
ziemlich ferne zu den Theromorpha (634). 


Sauropterygia . ohio, eee 
Entfernte Stellung gopentiber den Ichthyo- 
pterygia (635). Beziehungen zu den Chelonia, 
Theromorpha, Rhynchocephalia (636). Abstam- 
mung von terrestren Formen (636). Nothosauria, 
Plesiosauria (636), Mesosauria (637). Hoch- 
eradige Wanderung der Extremitaten (638). 


Mesosauria. . 
Historischer Ueberblick (638). Beziehungen zu 
den Rhynchocephalia, Sauropterygia und Thero- 
morpha (639). 


Theromorpha ... 
Allgemeine Relationen, geologisches ‘Alter (639). 
Systematische Einteilung (640). Relationen zu 
den Mesosauria und Rhynchocephalia (641). 
Sehr allgemeine Verwandtschaftsbeziehungen zu 
den Chelonia (641). Nichtverwandtschaft mit 
den Mammalia (641). Ableitung Dieser (647). 

Crocodilia . . 3 Ao eee 
Historischer Ueberblick (649). " Systematische 
Einteilung (650). Grundziige des morpho- 
logischen Baues (650). Relativ hohe Stellung 
(651). Beziehungen zu den Rhynchocephalia, 
Lacertilia und Dinosauria (651). 


. Dinosauria . 


Geologisches Alter (651). Grundaiige des mor- 
phologischen Baues (652), relativ hohe Stellung 
(652). Historischer Ueberblick (652). Syste- 
matische Kinteilung (653). Beziehungen zu den 
Rhynchocephalia, Crocodilia und Patagiosauria 
(654). Sehr geringe Verwandtschaft mit den 
Vogeln (655). Osteopneumaticitét (656) und 
Frage der Warmbliitigkeit (Homéothermie) der 
Dinosauria (658). 

Patagiosauria . 
Hohe Stellung unter den Reptilien (661). Syste- 
matische Kinteilung (662). Beziehungen zu den 
Rhynchocephalia, Crocodilia und Dinosauria 
(663). Entfernte Relationen zu den Végeln 
(664). Frage der Warmbliitigkeit der Patagio- 
sauria (667). 


17 


Seite 


630 


635 


638 


639 


649 


660 


718 Max Fiirbringer, Anatomie des Brustschulterapparates ete. 


XII. Hauptgruppen der Reptilien, genealogisches 
Verhalten zu den itibrigen Tetrapoden 
Zusammenfassung der Ordnungen zu 4 Gruppen 
(668). 


a 


Tocosauria : 

Primitives Verhalten. “Streptostylia (Ophidia, 
Lacertilia) (670), Rhynchocephalia (671), Ich- 
thyopterygia (672). Abstammung der Strepto- 
stylia und Rhynchocephalia von einem ge- 
meinsamen Ahnen und dessen Determination 
(672). Zwischenformen (Acrosauria, eventuell 
Telerpetidae) (673). Palaozoische Vertreter 
(Kadaliosaurus, Palaeohatteria, Petrobates, 
Hylonomus, Dromopus) (673). 


. Theromorpha s. Theromora . 


Systematische Stellung und geologisches Ver- 
halten (674). Ziemlich entfernte Beziehungen 
zu den Chelonia und Nichtverwandtschaft 
mit den Mammalia (674). 


. Synaptosauria 


Systematische Stellung and ‘geolopisches Ver- 
halten (675). Beziehung zu den Theromorpha, 
mit denen sie die Synaptosauria s. lat. bilden 
(675). Mesosauria (676), Sauropterygia (676), 
Chelonia (677). 


. Archosauria 


Hohe morphologische Stellung und geolo- 
gisches Verhalten (677). Ganz entfernte Be- 
ziehungen zu den Végeln (678). Crocodilia 
(678), Dinosauria (679), Patagiosauria eee 


Abstammung von primitiveren Tieren . 


Abstammung der Proreptilia und Proaves von 
Prosauropsida (680). Abstammung der Pro- 
sauropsida, Promammalia und der monimo- 
stylen Amphibia von primitiven streptostylen 
Amphibia (Proamphibia oder Protetrapoda) 
(681). Abstammung Dieser von primitiven 
Selachier-artigen Tieren mit primitivem Ptery- 
gium (681). Unvollkommenheit der bisherigen 
Kenntnisse (682). 


Genauere Nachweise zu den Textfiguren 


und 


Erklirung der Tafeln 


Textfiguren 

Tafelerklarong 
Verbesserung sinnstér ender Druckfehler 
Inhaltsibersicht 


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Seite 


668 


670 


674 


677 


680 


683 
683 
692 
704 
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wird dem nichsten Heft beigegeben, das Anfang Ig0I erscheinen wirc 


Verlag von Gufiav FSifder in Jena. 


Im Movember wird vollftandig : 


Alus den Cicten 


des 


Weltmeeres. 


Schilderunqen von der 
Dentfcen Tieffec-Expedition. 


Herausgegeben vor 


Carl Chin. 


Mit 6 Chromolithographien, 
8 Helivavaviiren,32 als Tafeln 
gedructen Bollbildern und 
ca. 180 Whbildungen int Lert. 
Grfdjeint in 12 Dieferungen 
sum Preife vow je Mk. 1.50. 
Preis des vollftandiger Werkes 
brojdiert ME. 18.—, elegant 
— gebuirden ME 20.—. 
RAustiibrlihe Prolpekte durch 
Muf der Suche und der Bouvet-Gujet. jede Biuhhandlg. 3 erhalten. 
Allgemeine Zeitung, Miinchen 1900, Nr. 177: 


«e+e. Alle Krwartungen iibertreffen aber die landschaftlichen Photographien, welche 
als Autotypien und als prachtvolle Heliograviiren dem Werk beigegeben sind. Einen eigenen 
Reiz besitzen die stilisierten Meerestiere, welche als Vignetten oder als Kopfleisten reich- 
liche Verwendung gefunden haben. : 

Doch man sehe selbst! Und man wird zugestehen: das ist ein Buch, welches 
man den Wissbegierigen unsrer Nation nicht genug empfehlen kann. 

Hamburger Nachrichten v, 21./6. 1900: 


. . Gleiches Lob wie dem ‘Texte miissen wir aber auch dem illustrativen Theil des 
Werkes zollen. Technisch in héchster Vollendung ausgefiihrte, diusserst charakteristische 
Photographien zieren das Werk in grosser Zahl und tragen dazu das ihre bei, uns den 
Text noch verstaéndlicher zu machen und uns ein noch besseres Kild von den Gegenden zu 
machen, die die Feder des Verfassers bereits in so meisterhafter Weise zu schildern ver- 
standen hat. Die erste Lieferung enthalt neben zahlreichen Textbildern eine Anzahl prach- 
tiger ganzseitiger Illustrationen, u. a. eine Urwaldscenerie vom Kamerunpik, die Kiisten- 
landschaft der Nord-Ostkiiste von Sudero, Darstellung der wichtigsten Hebungsarbeiten 
u. s. w. Wir kdnnen unser Referat iiber das in jeder Hinsicht vollkommene Werk nicht 
passender schliessen, als mit dem Wunsche, dass dasselbe zum Gemeingut aller Gebildeten 
werden mdge. Wir werden es uns nicht versagen, beim jedesmaligen Erscheinen einer 
neuen Lieferung auf ihren Inhalt stets kurz an dieser Stelle hinzuweisen, in der Hoffnung, 
dadurch eine méglichst weite Verbreitung des von uns warm empfohlenen Werkes mit 
fordern zu helfen. 


Deutsches Heim, v. 5./6. 1900: 


Wer diese ersten Lieferungen durchliest, kann sich, mag sein Interesse fiir die Sache 
an sich grésser oder geringer sein, diesen treuen packenden Schilderungen des Liters der 
Expedition, Prof. Dr. Carl Chun, und der schlichten Bescheidenheit, die oft bei den be- 
deutendsten Erfolgen+so angenehm beriihrt, nicht entzieben. Dabei sind die Darstellungen 
in solecher Wirme und Lebendigkeit niedergeschrieben, dass sie den Leser von Anfang bis 
zum Ende fesseln. Mag auch nicht Jeder die wissenschaftlichea Ergebnisse in ihrer ganzen 
zoologischen, botanischen, bakteriologischen, meteorologischen u. s, w. Bedeutung bewerthen 
kénnen, ihm eréffnet sich hier gleichwohl die Erkenntniss einer bisher 
ganz fremden und doch so tiberaus belebten Welt in den Tiefen des 
Meeres. Auch des Humors entbehrt die Darstellung nicht..... Ueberall 
tritt uns in dieser Reisebeschreibung eine Schilderung von wissenschaftlichem Wert und 
aktuellem Interesse in anmuthigster und lebendigster Form entgegen, die ihren Eindruck 
nicht verfehlt, und so wird diese zweite Lieferung dem verdienstvollen Werke gewiss wieder 


viele neue Freunde werben. Die Illustrirung ist eine meisterhafte. Der zweiten Lieferung 


sind ausser zahlreichen guten Zinkotypien auch zwei ausgezeichnete Kupferitzungen bei- 
gegeben. 


ome * 


Beitrage 
zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus, 
nebst einem ausfiihrlichen Verzeichnis der bisher iiber 
Amphioxus veroffentlichten Arbeiten. 


Von 


Eugen Burehardt, 
Arzt in Strafburg i. Els. 


Mit Tafel XVIII—XXVI. 


Als ich auf Anregung meines Lehrers, des Herrn Professor 
GOETTE, an die Untersuchung des Amphioxus lanceolatus ging, 
schien es mir von vornherein ausgeschlossen, an diesem so viel 
untersuchten und, wie ich glaubte, gut gekannten Tiere etwas 
Neues zu finden. Wenn ich dennoch in den folgenden Mitteilungen 
bisher Unbekanntes und darunter sogar Dinge von einiger Be- 
deutung zu bringen vermag, so wird der Grund dafiir in gewissen 
Eigenheiten der Technik sowohl wie nicht zum mindesten in der 
eroBen Zahl von Tieren liegen, die mir durch das Entgegen- 
kommen meines Lehrers zu Gebote standen. Hierfiir wie fiir die 
Anleitung zu derartigen Untersuchungen tiberhaupt fiihle ich mich 
Herrn Professor Gorrre zu grofem Dank verpflichtet. 

Da ich nach lingerer Beschiftigung mit diesem Tiere Vieles 
und Nichtzusammengehoriges mitzuteilen habe, wird eine EKin- 
teilung des Stoffes von Vorteil sein. Ich werde mich also aus- 
lassen tiber: ; 

I. Material und Technik, 
II. Célomkanile, 
III. Septen und Venae communicantes, 
IV. das Bindegewebe, 
V. ein Coccidium im Kiemenepithel, 
VI. einen im Célom eingekapselten Organismus, 
VII. ein im Darm gefundenes Radiolar, 


VIL. Litteraturverzeichnis. 
Bd xexiV. N. F. XXVO. AT 


720 Eugen Burchardt, 


I. Material und Teehnik. 


Der gréf%te Teil meiner Tiere war von Herrn Professor 
GorrtTe selbst vor vielen Jahren in Neapel in KLEINENBERG’S 
Pikro-Schwefelsaéure fixiert und seit der Zeit in Alkohol auf- 
bewahrt worden. Auferdem konnte ich noch 3 wahrend meiner 
Untersuchungen aus Neapel bezogene Tiere untersuchen, von 
denen 2 in reiner Pikrinséure, das dritte in Osmiumsiure 
fixiert war. Ihre Groéfe betrug zwischen 16 und 43 mm, es 
waren also ausgebildete, aber zum Teil noch nicht geschlechts- 
reife Tiere. 

Die Farbungen fiihrte ich der Bequemlichkeit wegen stets im 
Stiick aus, meistens mit den 1898 im Archiv fiir mikroskopische 
Anatomie beschriebenen Holzessigfarben. Bei ihrer Anwendung 
erwies sich die Fixierung in KLEINENBERG’s Fliissigkeit viel vor- 
teilhafter als die mit reiner Pikrinsaiure, obschon letztere zweifel- 
los fiir die aufere Erhaltung der Organe bei dem fast volligen 
Fehlen von Schrumpfung wertvoller ist. 

Indem ich, was die Bereitung und Anwendungsweise dieser 
Farben angeht, auf die angegebene Stelle verweise, will ich nur 
hervorheben, daf ihr Vorteil bei diesen Untersuchungen nicht 
etwa in der Reinheit der Kernfarbungen besteht, sondern gerade 
umgekehrt in ihrer Unreinheit, d. i. der Mitfarbung anderer Ge- 
websbestandteile, wie der Scheiden und Grundlamellen, des Knorpels 
und auch des Gefafinhaltes. Gerade letzterem Umstande méchte 
ich es in erster Linie zuschreiben, wenn ich unsere Kenntnisse 
von den Blutgefaifen des Amphioxus um einige interessante That- 
sachen bereichern kann. Durch eine nicht zu kurz dauernde 
Farbung (24—48 Stunden und linger) in dem Holzessig-Himato- 
xylin, besonders aber in einem der Doppelkarmine') — _ hier 
immer mit nachfolgender Behandlung mit Alaunalkohol — wird 
das Blut braun gefarbt, wodurch die Verfolgung der Gefife in 
auerordentlichem Mage erleichtert wird. Allerdings besteht 
zwischen Blut und Coélomfltissigkeit weder in der Form der Ge- 
rinnung noch in der Farbung ein Unterschied, so da’ man ganz 
darauf angewiesen ist, von einem sicheren Gefa8durchschnitt aus- 


1) Die Farbekraft dieser Karmine laft sich noch verstirken 
durch Erhéhung des Alaungehaltes, auf 4 Proz. in dem einfachen, 
auf 2 Proz. in dem Doppelkarmin. Dasselbe gilt fiir die Cochenille- 
Lésung. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 121 


zugehen, um ihn, oft mit Hilfe von Serienzeichnungen, Schnitt fiir 
Schnitt weiter zu verfolgen. Da aber, wie hinreichend bekannt, 
bei Amphioxus selbst grofke GefiiSe in ungefiilltem Zustande meist 
bis zur Unkenntlichkeit zusammenschrumpfen, bleibt nichts iibrig, 
als diese in der That nicht kleine Schwierigkeit durch eine még- 
lichst grofe Zahl von untersuchten Tieren zu iiberwinden. Dem 
gliicklichen Zufall bleibt hierbei natiirlich viel iiberlassen. 

Es sei deshalb erwaihnt, daf sich ein Teil des im folgenden 
Mitgeteilten auf die Untersuchung von 24 Tieren stiitzt, ein 
anderer Teil allerdings auf eine viel geringere Zahl. Ich hatte 
mich leider infolge meiner geringen Erfahrung auf diesem Gebiete 
zu der Unvorsichtigkeit hinreifen lassen, bei der Anhaufung der 
Praparate einen grofSen Teil der Platten, welche mir im Augen- 
blick fiir den gerade in Frage stehenden Gegenstand ohne Be- 
deutung erschienen, schon im Laufe der Untersuchung zu zerstéren. 
Diese Uebereilung habe ich oft bedauert, wenn ich am Ende vor 
Fragen stand, zu deren Lésung manches der zerstérten Praparate 
hatte beitragen kénnen. Es ist eine gute Regel, nichts zu zer- 
stéren bis nach vélligem Abschluf einer Untersuchung. 

Auffer dem genannten Material stand mir ferner noch eine 
groke Zahl von Tieren zur Verfiigung, die, der Etikette nach, im 
Jahre 1884 von dem verstorbenen Professor Scumipr in Messina 
in 80° Alkohol eingelegt und leider sehr schlecht erhalten waren. 
Immerhin haben auch sie mir bei der Lésung einiger Nebenfragen 
gute Dienste geleistet. 

Der Einschlu8 der Stiicke in Paraffin mittelst Xylol, die An- 
fertigung der Binder und die Herstellung der Platten bietet mir 
nur zu wenigen Bemerkungen Anlaf. Das gelbe gekochte Paraffin 
vermag ich nicht zu empfehlen. Es ist eine gegen Temperatur- 
schwankungen auferordentlich kapricidse Masse, ganz abgesehen 
von seiner Undurchsichtigkeit, die das Orientieren enorm erschwert. 
Gewohnliches weifes Paraffin von 55—55,5° Schmelzpunkt ist un- 
bedingt brauchbarer '). 


1) Meinen Untersuchungen nach ist die Paraffinmasse um so 
brauchbarer, je mehr Paraffine von verschiedenem Schmelzpunkt in 
ihr enthalten sind, wobei auch die niedrigschmelzenden zu beriick- 
sichtigen sind, wie in folgender Mischung: 40° — 1 Teil + 45° — 
1 Teil + 52° — 1 Teil + 58° — 1 Teil + 60° — 6 Teile 
== 55,5°. ‘Trotz ihres hohen Schmelzpunktes ist diese Masse nicht 
zu hart und giebt bei den verschiedensten Temperaturen gute 
Bander. Der Schmelzpunkt allein macht es eben nicht. 


47 * 


(2a Eugen Burchardt, 


Nicht unterlassen will ich, auf einen kleinen Kunstgriff auf- 
merksam zu machen, der die Anfertigung der Platten in hohem 
Mage erleichtert. Nachdem die Paraffinbainder in einer kleinen 
Schale voll diinner Gelatinelésung — 1: 600 — durch Erwirmen 
ausgebreitet sind, werden die passenden Liangen durch Anlegen 
eines breiten Nickelinspatels, auf dem die Hohe des Deckglischens 
eingeritzt ist, mit einer feinen krummen Schere abgeschnitten 
und mit Hilfe des Spatels auf den gut abgeseiften und diinn mit 
der Gelatinelésung bestrichenen Objekttrager iibertragen. Der 
erste Streifen wird nun nicht frei aufgelegt, sondern gegen ein 
Streifchen Filtrierpapier, das, feucht, dem Glase adhariert und dem 
Paraffinstreifen den nétigen Riickhalt giebt. Sobald sich so viel 
Gelatinelésung angesammelt hat, daf die Schnittbinder unruhig 
werden, wird tiber den Papierstreifen hin abgetropft, wobei dieser 
die Schnitte zuriickhalt. Die Gelatinelésung, die bekanntlich von 
PERRIER, wenn auch in anderer Weise und in einer anderen Kon- 
zentration, zuerst fiir diesen Zweck benutzt wurde, lat sich durch 
eriindliches Durchschiitteln mit einigen Tropfen Nelken6] sicher 
vor Faulnis schiitzen. Bei ihrer Benutzung ist wohl darauf zu 
achten, daf jeder Ueberschuf sorgfaltig mit Filtrierpapier ab- 
genommen werde, da die Schnitte sonst uneben liegen. Sie hat 
den Nachteil, dafi sie sehr schwer trocknet. Ich muf gestehen, 
da mir eine diinne Eiweiflésung, mit der ich zuletzt auch ge- 
arbeitet habe, eher vorteilhafter erscheint. Jedenfalls ist ein 
Klebemittel fiir Amphioxusschnitte unbedingt erforderlich, denn 
nach dem Befestigen mit Wasser kann man, selbst nach 48- 
stiindigem Trocknen auf dem Paraffinofen, nach dem Auflegen 
des Deckglases Zellen oder sonstige freiliegende Bestandteile sich 
in Bewegung setzen sehen. Auch vor der Anwendung eines 
Pinsels bei dem Aufbringen und Ordnen der Schnittbinder méchte 
ich warnen, da es trotz aller Vorsicht vorkommt, daf man mit 
seinen Harchen feinere freiliegende Bestandteile aus dem Schnitt 
herausstoBt. 

Die Dicke der Schnitte betrug, soweit nicht anders angegeben, 
immer 10 «, was ich im Hinblick auf die Serienzeichnungen zu 
beachten bitte, bei denen die Zeichnungen nicht fortlaufend, sondern 
entsprechend der Schnittnummer, von dem ersten gezeichneten 
angefangen, numeriert sind. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 123 


Il. Die Célomkaniile. 


In diesem Abschnitte werde ich mich fast ausschlieBlich mit 
dem Célom, des Leberblindsackes, im besonderen in seinen Be- 
ziehungen zu den ihm benachbarten Abschnitten der allgemeinen 
Kérperhéhle zu beschaftigen haben. Hierbei glaube ich nur im 
Sinne meiner Leser zu handeln, wenn ich yon einem einleitenden 
Ueberblicke iiber die Gestaltung des Céloms beim erwachsenen 
Amphioxus absehe, indem diejenigen, die diese Verhiltnisse nicht 
vollig beherrschen, auf die zusammenfassenden Beschreibungen von 
Wittey (1894), DeLacr und Hfrovarp (1898) oder auch Perrier 
(1899) verwiesen sein mégen. Was den letzteren Autor betritit, 
muf ich jedoch meinem Bedauern Ausdruck geben, daf er in der 
Beschreibung der Zungenbalken (languettes; tongue-bars) der 
Darstellung BENHAm’s (1893) zu groBes Vertrauen entgegengebracht 
hat. Meine eigenen Untersuchungen lassen mir keinen Zweifel, 
daf die Anschauung BENHAM’s von dem Vorhandensein eines noch 
das Gefaf’ umschlieSenden Célomkanals im Zungenbalken falsch, 
die Beschreibung von SPENGEL (1890) dagegen, nach der ein 
Célomkanal im Knorpel des Zungenbalkens fehlt und nur ein 
Gefaif} darin enthalten ist, durchaus richtig ist. Auch in dem 
Punkte schliefe ich mich Spencer an, daf die Grundmembran 
der Kiemenbogen eine einfache Lamelle ist, ohne jede Kerne’). 

Die Lageverhiltnisse des Céloms im erwachsenen Amphioxus 
werden gewéhnlich als schwer zu verstehen hingestellt. Dem- 
gegeniiber méchte ich doch behaupten, dafi ihr Verstindnis keine 
besonderen Schwierigkeiten darbictet, vorausgesetzt, dal} man es 
sich nicht blof aus Biichern, sondern durch eigenes Studium am 
Tiere verschatten kann. Ich mache mir deshalb auch kein Ge- 
wissen daraus, wenn aus den folgenden Mitteilungen hervorgehen 


1) Jedoch tritt neuestens Josepn (1900) in einer mit viel feinerer 
Technik ausgefiihrten Arbeit fiir das Doppeltsein dieser Septal- 
membran und das Vorkommen von Kernen in ihr ein. Ich selbst 
habe nicht unter 7,5 w geschnitten, was in der That zur Ent- 
scheidung dieser Frage schon etwas zu dick sein mag. Ich will 
aber erwihnen, daf ich wiederholt das innere Kiemengefaf eine 
Strecke weit sich in die Grundmembran hineinerstrecken gesehen 
und auch einmal einen deutlichen Gefiafkern ungefihr auf der 
Grenze des inneren Drittels dieser Membran angetroffen habe. 
Zwischen Gefaif- und Membrankernen ist aber ein grofer Unter- 


schied. 


124 Hugen Burchardt, 


wird, daf die Komplikationen seines Baues noch grofere sind, als 
bisher angenommen wurde. Dies beruht einerseits darauf, dal 
eine Art von Célomkanalen, die ganz regelmakig bei jedem Tiere 
vorkommen, bis jetzt als solche nicht erkannt worden sind, 
andererseits auf dem Vorkommen von Variationen im Baue des 
Céloms, die zum Teil in einem interessanten Zusammenhang mit 
Gefafen stehen. 

Der Besprechung dieser Verhiltnisse glaube ich aber eine 
Bemerkung, die Lage des Blindsackes betreffend, voranschicken 
zu miussen. 

Die ersten Beobachter unseres Tieres, denen allerdings meist 
nur ein kleines Material zu Gebote stand, fanden den Lebersack 
stets auf der rechten Seite mit Ausnahme von Rerzius (1839), 
der in einer brieflichen Mitteilung an Jon. MULLER sagte: ,,Noch 
fanden sich auf beiden Seiten des Kérpers Organe. Das auf der 
linken Seite ist réhrig, sehr lang und schmal. 

SCHNEIDER (1879) ist unter den spateren Forschern wohl der 
einzige, der ihn ,,bald rechts, bald links‘S liegend fand; er bemerkt 
sogar ausdriicklich: ,,J. MULLER und Strep lassen diesen Blind- 
sack immer rechts liegen. In der Mehrzahl mag dies der Fall 
sein, ich habe ihn aber auch haufig links gefunden.“ 

Die folgenden Beobachter scheinen diese Abnormitiat nicht 
wiedergefunden zu haben, oder wenn sie wie JAQUET (1889) die- 
selbe erwaihnen, so thun sie dies offenbar nicht gestiitzt auf eigene 
Beobachtungen, sondern nur, um im Hinblick auf ScHNEIDER’s 
Angabe keine Auslassung zu begehen. Da ich der Kiemen-Leber- 
region und im besonderen den in ihr vorkommenden Bildungs- 
abweichungen meine besondere Aufmerksamkeit zuwandte, war ich, 
offen gesagt, nicht wenig enttiuscht, unter den 241) genauer von 
mir untersuchten Tieren auch nicht eines zu finden, bei welchem 
der Blindsack links gelegen wire. Da dies an der noch zu 
kleinen Zahl von Tieren oder auch an einer ungliicklichen Serie 
liegen konnte, habe ich diesen Punkt dann noch an einer gréferen 
Zahl von Tieren aufzukliren unternommen. Hierzu nahm ich 100 
von den aus Messina stammenden, einfach in Alkohol gehirteten 
Tieren, von denen ich selbstverstandlich der gréferen Sicherheit 
wegen die gréften auswiihlte, durchschnitt sie an geeigneter Stelle 
mit einem scharfen Rasiermesser und betrachtete die Schnittflachen 
mit eimer starken Lupe. Die Lage wurde dann immer gleich 


1) Sogar 26 mit den nach Abschlu$ der Arbeit untersuchten. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 125 


notiert. Das Ergebnis dieser durchaus sorgfaltigen und unpartei- 
ischen Untersuchung war nun ein ganz iiberraschendes: bei allen 
100 Tieren fand sich der Blinddarm auf der rechten Seite. Ich 
gebe gern zu, daf es zur endgiltigen Beantwortung dieser nicht 
uninteressanten Frage noétig wire, an einer noch viel gréSeren 
Zahl dieselbe Untersuchung vorzunehmen und dies wird in Neapel, 
wo ja der Amphioxus eines der haufigsten Tiere sein soll (Lo 
SIANCO, 1899) keine grofe Miihe machen. Aber schon jetzt 
scheint mir die Angabe von SCHNEIDER, besonders in der von 
ihm gegebenen Form, einigen Zweifel zu verdienen. Da’ das 
Coecum auch mal links liegen wird, daran ist wohl nicht zu 
zweiteln, aber hiufig kann das jedenfalls nicht sein. 

Mit der Lage des Leberblindsackes ist natiirlich auch die des 
ihn einhillenden Céloms gegeben, und somit wird im folgenden 
nur die Rede sein kénnen von Verbindungskanilen des letzteren 
zu benachbarten Célompartien sei es des rechtsseitigen Kiemen- 
darmes oder der rechten Koérperwand. In der That findet sich 
beides, 

Ihrer morphologischen Bedeutung nach scheiden sich diese 
Kanaile in drei Arten. Die eine von ihnen gewinnt wegen ihres 
durchaus regelmaivigen Vorkommens ganz besondere Bedeutung in 
anatomischer wie in physiologischer Hinsicht, wahrend die beiden 
anderen Arten von Kandalen sich nicht bei jedem Tiere vorfinden, 
vielmehr anormale Bildungen darstellen. Dieses Verhaltnis kommt 
auch zum Ausdruck in der Geschichte dieser Célomkanile, die 
schon alle von friiheren Untersuchern gesehen, immer aber falsch 
gedeutet wurden. 

Die Querkanadle stellen Verbindungen dar zwischen dem Querkanile. 
Lebercélom und den Coélomkanilen der Hauptkiemen. Gesehen 
wurden sie schon von JOHANNES MULLER, der zuerst 1841 zwischen 
Blindsack und Kiemendarm ,,einige Verbindungen durch mehrere 
bandartige Faden“ beschrieb. In dieser Form, als Fiiden, im- 
ponierten ihm diese Kanile bei der Beobachtung des lebenden 
Tieres, und dieselbe Auffassung lag seiner Darstellung in der 
Berliner Akademie vom Jahre 1842 zu Grunde, in welcher er den 
Blinddarm schildert als ,,von allen Seiten frei, ohne Gekrése, aber 
das Ende desselben durch mehrere bandartige Faden an einige 
der Knorpelleisten des Kiemenschlauches angeheftet*. 

Bei Sriepa (1873) finden wir die sehr unbestimmte Angabe, 
daS der Kiemensack — den er sich bekanntlich ohne Spalten vor- 
stellte — mit der Wand des Blinddarmes verwachse. 


726 Eugen Burchardt, 


Einen grogen Fortschritt brachten dann die Arbeiten von 
SCHNEIDER (1877 und 79), insofern in ihnen zum erstenmal deut- 
lich ausgesprochen wurde, daf diese Verbindungen zwischen, ganz 
allgemein gesprochen, Leber und Kiemendarm nicht solide, sondern 
hohl seien, nicht Bander, sondern Kanale. Auf der anderen Seite 
aber verhinderte SCHNEIDER seine Scheu, die damals schon von 
KowALEvsky (1867), Rouen (1875 und 76) und LANKESTER (1875) 
aufgestellte, jetzt allgemein angenommene Auffassung von Kiemen- 
und Leibeshéhle des Amphioxus anzunehmen, den wahren Charakter 
dieser Verbindungskanile zu erkennen. Fiir ihn ist das _ sub- 
chordale Célom noch Lymphraum oder Venenraum, dasselbe dem- 
nach auch der Célomkanal aufen am Kiemenbogen. Die Kiemen- 
hohle (Atrial-, Peribranchialhéhle) ist fiir ihn die Leibeshohle. 
Hierzu kommt, daf er den Blindsack dicht von ,,Peritonealepithel‘ 
das ist also unserem Atrialepithel tiberzogen sein laBt, ,,so da’ 
dort kaum ein Lymphraum vorhanden ist“ (p. 19). Ferner ver- 
mift er an seinen Lymphriumen das Endothel, im Gegensatz zu 
den Blutgefii&en, womit allerdings die schon erwaéhnte indifferente 
Bezeichnung des subchordalen Céloms bald als Lymphraum bald 
als Venenraum nicht recht tibereinstimmt. Was seiner Auftassung 
von der Natur dieser Querkanaéle aber das Hauptgeprige giebt, 
ist, da’ er sie mit der auf dem Blindsack verlaufenden Lebervene, 
seinem ,,Herzen“, dem er einen ganz besonderen, spiiter noch zu be- 
sprechenden Ursprung zuschreibt, in direkte Kommunikation treten 
lait. ,,Diese Venen des Herzens sind von J. MULLER gesehen, 
aber als Bander zwischen dem Coecum und den Kiemen betrachtet 
worden heift es schon in seinem Vortrage in der Oberhessischen 
Gesellschaft vom 14. November 1877. Als wichtig hervorzuheben 
wire ferner seine Beobachtung, daf diese Querkanile regelmafig 
vorhanden sind, soweit Coecum und Kiemen nebeneinander liegen, 
mit Ausnahme nur der ersten zwei ,,dicken Kiemenstibe’, an 
denen sie fehlen sollen (S. 32), und ferner, da8 sie mit der Zu- 
nahme der Kiemen und dem Liangswachstum der Leber zu- 
nehmen. 

Dieser Autfassung SCHNEIDER’s hat sich von spateren Unter- 
suchern besonders LANKESTER (1889) angeschlossen, mit der 
Modifikation allerdings, dal fiir ihn unsere heutige Auffassung von 
Kiemen- und Leibeshéhle, die ja von ihm selbst mit angebahnt 
war, Geltung hatte. Demgema8 existiert fiir ihn auch die Célom- 
héhle um den Lebersack, aber in einer ganz eigentiimlichen Weise 
lift er sie zugleich BlutgefaS%hohle sein. Es wird am besten sein, 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 127 


seine eigenen Worte wiederzugeben (1889, p. 379): ,,f am not in 
a position to give a critical account of the vascular system, but 
it is necessary to draw attention very emphatically to the con- 
tinuity of the vascular trunks and lymphatic spaces of Amphioxus 
and their contents, which make it imposible to decide with cer- 
tainty in all cases whether a given space with coagulated liquid 
contents is to be considered as blood-vessel or lymph-vessel. Such 
a communication is described by ScHNEmpER and figured by him, 
showing the free connection of the veins of the caecum with the 
dorso-pharyngeal coelom. Such a communication is suggested by 
LANGERHANS !) in his description of the capillary networks on the 
coecum. I am inclined to think that there are not distinct 
capillaries and coelomic space around the caecum, but that the 
space is capillariform’. Ferner: ,,The vessels of the caecum 
communicate, according to SCHNEIDER, with the dorso-pharyngeal 
coelom at the anterior extremity of the caecum through the 
coelomic spaces within the pharyngo-pleural pouches of the primary 
bars of the pharynx, which rest again and open in the blood- 
holding cavity which surrounds the caecum. I can confirm this 
observation from the study of transverse sections made by my 
pupil, Mr. Wintey“. 

Im Gegensatz hierzu beschreibt Rice (1880) das Coecum noch 
als ,,attached by one or two bands to the bars of the branchial 
arches“. 

JAQUET (1889) lakt, ahnlich Srrepa, den Leberblindsack in 
unbestimmter Weise ,,fest an die Kiemen angeheftet sein, und 
selbst WILLEY sagt in seinem 1894 erschienenen Werke (p. 25): 
lhe coecum is held in position by cord-like attachments to the 
ligamentum denticulatum“, was, wie sich mit Klarheit ergeben 
wird, einen ausgesprochenen Riickschritt bedeutet. 


In diesem geschichtlichen Riickblick verdient ein Punkt noch 
besonders hervorgehoben zu werden; es ist dies die Anschauung 
von dem direkten Zusammenhange des Blut- und Lymphgefab- 
systems bei Amphioxus. Diese Idee ist von SCHNEIDER eingefihrt, 
der, auf gute, aber, wie wir sehen werden, nicht fiir alle Tiere 
giltige Beobachtungen gestiitzt, sogar so weit ging, den bekannt- 
lich zuerst von Jon. MULuer gefundenen Pfortaderkreislauf ganz- 


1) Ich habe aus Laneernans’ Arbeit nichts derartiges ent- 
nehmen kénnen. 


Querkaniale. 


728 Eugen Burchardt, 


lich zu leugnen, indem er der Lebervene, seinem ,,Herzen‘‘, mehr 
die Bedeutung eines Lymphherzens zulegen zu miissen glaubte. 

Von den folgenden Beobachtern machte sich dann besonders 
LANKESTER (1889) diese Idee zu eigen, aber mit dem Unterschiede, 
da8 er an dem Bestehen eines Pfortaderkreislaufes festhielt. Fiir 
ihn lag sogar in den ,,extensive communications between the large 
coelomic spaces of Amphioxus and its blood-vessels‘‘, die er, 
nebenbei bemerkt, auch zwischen den BlutgefaBen der Kiemen 
und dem dorsalen Colom fiir wahrscheinlich hielt (p. 386), ein 
Beweis fiir die Degeneration des BlutgefaBsystems bei diesem 
Tiere. 

Diese Anschauung hat nun bis in die neueste Zeit Anhanger 
gefunden, so in Perrier (1899), welcher direkt sagt: ,,il est 
certain, que le sang emprunte aux cavités coelomiques une partie 
de son circuit.“ 

Trotzdem war schon Werss (1890) durch seine Versuche mit 
Karminfiitterung zu der Ueberzeugung gefiihrt worden, ,,that it 
would seem as if the vascular system were more distinctly sepa- 
rated from the coelomic system than has hitherto been supposed“. 

Meine eigenen Untersuchungen lassen mich durchaus diesem 
letzteren Autor anschliefen. Ja ich gehe sogar noch weiter, indem 
ich behaupte, daf irgendwelche anatomischen Beweise fiir den 
direkten Zusammenhang des Blut- und Lymphgefafsystems bei 
Amphioxus tiberhaupt nicht vorhanden sind. 

Es wird sich fiir mich jetzt darum handeln, das Vorkommen, 
die Verbindungen und den Bau dieser Querkanale ausfiihrlich zu 
besprechen. . 

Dafi sie iiberhaupt vorkommen, daf sie, wie SCHNEIDER be- 
hauptete, ganz regelmafig vorkommen, dariiber wird niemand in 
Zweifel bleiben kénnen, der sich der Miihe unterzieht, den Am- 
phioxus in der Region der Leber auf Serienschnitten zu unter- 
suchen. 

Den Fall gesetzt, dafi der die Leber iiberziehende Célomsack 
an seinem vorderen Ende gleichfalls blind endet, was, wie sich 
spiter zeigen wird, durchaus nicht immer der Fall ist, so findet 
man gewohnlich das Célom nicht genau mit der Leberspitze ab- 
schlieBen, sondern unter bestindigem Engerwerden noch eine mehr 
weniger grofe Strecke nach vorn verlaufen. Dies mag in der 
Mehrzahl der Falle auf gré8ere Schrumpfung des Darmes zuriick- 


Serie Ij zuftihren sein, aber sicherlich nicht in allen Fallen. In Serie I 


z. B. betragt diese leere Strecke 23 Schnitte (a 10 u). Verfolgt 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 129 


man jetzt den Célomsack von seiner Spitze nach hinten, so findet 
man ihn eine Strecke weit vollig frei, d. h. ohne jede aufere Ver- 
bindung, trifft dann aber auf den vordersten Querkanal. Die 
wirklich freie Spitze der Leber ist immer verhiltnismalig kurz, 
sie betrigt noch nicht ganz den Abstand zwischen zwei Haupt- 
kiemen — d. i. 16—18 Schnitte 4 10 « — ein Verhialtnis, welches 
fiir die Kenntnis vom Wachstum des Leberdarmes nicht ohne 
Wichtigkeit ist. In Serie I z. B. ist diese freie Strecke ungefahr 
gleich 12 Schnitten. Ist einmal die vorderste Verbindung in Form 
eines Querkanals aufgetreten, so wiederholt sie sich von diesem 
Punkte ab mit absoluter Regelmifigkeit bis zu dem hintersten, 
dem zuletzt gebildeten, Kiemenbogen. Nie wird in der Reihe eine 
Hauptkieme tibersprungen, woraus hervorgeht, daf SCHNEIDER mit 
Recht behauptet hat, da’ mit der Bildung eines jeden neuen, 
natiirlich nur rechten, Hauptkiemenbogens auch ein neuer Quer- 
kanal gebildet wird. 

Nicht villig richtig sind jedoch die Beobachtungen SCHNEIDER'S, 
was die Ansatzpunkte dieser Kaniile betrifft. Der innere Ansatz- 
punkt liegt, das ist ganz richtig, immer an dem Célomkanal des 
Kiemenbogens, der aufere hingegen nicht, wie SCHNEIDER wollte, 
an der Lebervene, sondern am Cilom des Blindsackes. Die Ein- 
miindung des Querkanals in das Lebercélom liegt stets an der 
dorsalsten Stelle desselben. Eine scheinbare Ausnahme findet sich 
hiervon nur in dem Falle, da der Lebersack und mit ihm sein 
Célom durch den Druck der reifen Gonaden nach oben und in- 
folgedessen durch den Zug eben dieser Kanile nach innen zum 
Kiemendarm hin verzerrt ist. Eine solche Drehung ist aber durch 
die gleichzeitige Verlagerung der Lebervene immer als solche 
leicht zu erkennen. 

Die Einmiindung des Kanals in das Lebercélom prasentiert 
sich auf dem Querschnitt in der Weise, daf ihre untere Wand in 
Form einer scharfen Lippe in das Lebercélom vorspringt. An dieser 
Stelle ist das Lumen des Kanals meistens sehr eng oder selbst 
ganz zusammengepreft. Mit der Lebervene, deren Plexus natiir- 
lich mehrere nebeneinander liegende Durchschnitte zeigt, tritt der 
Kanal nie in Verbindung. Selbst in dem Falle, da’ das Leber- 
célom den prall gefiillten Venen eng anliegt, kann man sich mit 
stirkeren Vergréferungen davon iiberzeugen, dali Venenwand 
und Kanal durch eine doppelte Epithellage voneinander ge- 
trennt sind. 

Diese Querkanile sind demnach reine Célom- 


730 Eugen Burchardt, 


kanidile, und die Auffassung SCHNEIDER’S, LANKESTER’S, PERRIER’S 
von dem Zusammenhange des Blut- und Lymphgefafisystems oder 
treffender von Blutgefaifen und allgemeiner Koérperhéhle lat sich 
fiir diese Querkaniile wenigstens nicht mehr aufrecht erhalten. 

Es bliebe nun noch einiges zu sagen tiber den Ansatz der 
Querkanile an den Kiemen, ferner ihren Bau und ihre Richtung. 

Was den ersten Punkt betrifft, so ergiebt die einfache Be- 
trachtung von Querschnitten, wie sie z. B. Fig. 1, 2 und 4 auf 
Taf. XVIII zeigt, dafi die Einmiindung der Querkanale in das 
Kiemencélom ziemlich hoch liegt, naimlich ungefaihr auf der Grenze 
vom obersten und zweiten Viertel des Kiemenbogens, und unter 
die Grenze zwischen oberem und mittlerem Drittel, nach vielen 
anderen Schnitten zu urteilen, nicht herabgeht. 

Die Miindung selbst stellt sich entweder so dar, daf sich das 
Kiemencélom an der Abgangsstelle des Querkanals trichterformig 
zu letzterem hin verengt, wie auf Fig. 3 und 5, Taf. XVIII, oder 
aber da der Kanal als gleich weite Réhre sich scharf von dem 
Kiemencélom absetzt. Dies letztere, von dem sich auf den Serien- 
bildern wiederholt Beispiele finden, ist das Gewoéhnlichere und 
Typische. Hierbei ist bemerkenswert, daS sich die Ansatzstelle 
stets auf der hinteren, dorsalen Kante des Kiemenbogens findet. 

Die Wand dieser Kanale ist sehr einfach gebaut. Sie besteht 
aus zwei Epithellagen und einer von ihnen eingeschlossenen homo- 
genen Schicht. Das dufere Epithel, natiirlich das der Kiemen- 
hohle, steht, was seine Hohe anbetrifft, in der Mitte zwischen dem 
hohen Epithel der Kiemen und dem fiachen des Blindsackes. 
Pigment zeigte es in meinen Praparaten nie, jedoch ware, bei der 
Hinfilligkeit desselben gegentiber den hartenden Agentien, dies 
noch an frischen Praparaten sicherzustellen. Die innere Epithel- 
lage ist sehr platt, wie die des Céloms tiberhaupt; die beide 
Epithelien trennende strukturlose Schicht ist recht deutlich und 
wahrscheinlich ganz oder fast ganz dem Célom zuzusprechen. Ge- 
faBe waren in der Wand nicht zu sehen. 

Die Lange dieser Kaniale ist keine unbetrachtliche, und dies 
im Verein mit dem Umstande, daf die beiden Miindungen nur in 
den seltensten Fallen in einer Ebene liegen — von der Unmég- 
lichkeit einer absolut genauen Orientierung ganz abgesehen — 
bringt es mit sich, daf’ man fast immer Querschnitte von ihnen 
zu Gesicht bekommt und nur duferst selten gute Liingsschnitte, 
wie solche in Fig. 3 und 5, Taf. XVIII, wiedergegeben sind. In 
Fig. 6 ist schon nicht das ganze Lumen des Kanals getroffen. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 731 


Verfolgt man diese Kanale an einer gréSeren Zahl von Tieren, 


so ergiebt sich eine gewisse Regelmibigkeit in ihrer Richtung, 
wie sie unmdéglich durch Schrumpfung bei der Hartung erklart 
werden kann. 

In dieser Bezichung ist vor allem der Gegensatz zwischen 
den hintersten, den letztgebildeten Kanilen und den vordersten 
ausgesprochen, dal die ersteren stets vom Kiemenbogen zur Leber 
nach oben schroff aufsteigen, wéahrend die letzteren gegentiber 
der Spitze der Leber direkt herabsteigen, also hier wahre (aber 
hohle) Aufhingebander fiir letztere bilden. Fig. 1 und 4 auf 
Taf. XVIII stellen beide Zustinde dar, waihrend Fig. 2, obschon 
demselben Amphioxus wie Fig. 4 noch weiter vorn entnommen, 
den Lebersack wieder nach oben geriickt und infolge davon den 
Querkanal in Schlingen gelegt zeigt, beides die Folge einer inter- 
essanten Abnormitaét, der Anheftung nimlich des Lebercéloms an 
die Kérperwand, wovon spater ausfiihrlicher zu handeln sein wird. 

Wahrend nun ferner die hintersten Kanile giinzlich oder fast 
ganz in derselben Querebene liegen, macht sich schon in den 
mittleren, noch mehr aber in den vordersten ein ausgesprochener 
Zug von vorn nach hinten geltend und zwar immer in der Weise, 
daS die Miindung in das Kiemencélom vor der in das Lebercélom 
gelegen ist. Beispiele hierfiir liefern Serie Il, 1—14, 14—27, wo 
allerdings die Einmtindung in den Kiemenkanal noch nicht erreicht 
ist, ebenso Serie VI, 1—7, 16—24, und andere mehr. 

Auger diesen Querkanalen, die uns im weiteren Verlaufe immer 
wieder aufstofen werden, giebt es nun noch andere Kaniale, die 
das Lebercélom mit benachbarten Abschnitten der allgemeinen 
Koérperhéhle in Verbindung setzen. Ihr allgemeiner Charakter ist 
der, dali sie das Lebercélom itiber den Darm hinaus nach vorn 
verlangern, um mit Célomabschnitten sei es des Kiemendarmes 
oder der Bauchwand in Verbindung zu treten. Wir haben es 
also in diesem Falle zu thun mit einer direkten Verlangerung des 
Lebercéloms nach vorn entweder in Gestalt eines visceralen 
oder eines parietalen Langskanals, 

Die Kenntnis des visceralen Langskanals, den ich zuerst ee 
schildern will, geht parallel der der Querkanale. Wie die letzteren 
wurde auch dieser Kanal zuerst von JOHANNES MULLER (1842) 
am lebenden Tiere als Faden gesehen und abgebildet, wihrend 
wiederum SCHNEIDER (1879) in dieser, ganz allgemein gesprochen, 
Fortsetzung des Leberdarmes nach vorn einen Kanal erkannte, 
der vorn in das Célom eines Kiemenbogens einmiindet. Wie in 


132 Eugen Burchardt, 


den Querkanélen sah SCHNEIDER auch hier eine Verbindung 
zwischen Lymphraum und Lebervene, worauf sich dann seine 
Anschauung griindete, daf das ,,Herz‘‘ in diesem Lingskanale 
seinen Ursprung aus einem Lymphraume nihme. Es wird sich 
aber im Verlauf meiner Beschreibung zeigen, daS er zu dieser, 
wie ich gleich sagen will, falschen und auch von den neueren 
Autoren, wie WiuLey (1894) und DeLAGE und Herrouarp (1898), 
offenbar nicht acceptierten Ansicht nur durch die Beobachtung 
einer seltenen und ganz abnormen Verlingerung auch der Leber- 
vene nach vorn verftihrt wurde, wie sie mir gleichfalls zweimal zu 
Gesicht gekommen ist. Fir jetzt mége in der Fortsetzung des 
historischen Ueberblickes darauf hingewiesen sein, daf LANKESTER 
(1889) ScHNEIDER’s Beobachtungen bestatigte und, wie sich aus 
einem friheren Citat ergiebt, seine Anschauungen acceptierte. 
Dagegen meinte JAQUET (1889): ,,Wir gestehen offen, daf das so 
seltsam aus Lymphgefafen gespeiste Herz ScHNEIDER’s uns um 
so grékere Zweifel la8t, als wir auf Schnitten nie eine Spur davon 
haben entdecken kénnen.“ 

Ich bin nun in der merkwiirdigen Lage, JAQquET sowohl wie 
SCHNEIDER recht geben zu miissen. Beide hatten offenbar nur 
einen Teil desjenigen gesehen, was am vorderen Ende des Blind- 
sackes zu finden ist, JAquET die Endigung des Lebercéloms in 
Form eines Blindsackes, SCHNEIDER dagegen in Form des vis- 
ceralen Laingskanals mit Verlingerung der Lebervene. 

Folgendes sind die Verhaltnisse, wie ich sie angetroffen habe. 
Wie in der Einleitung erwahnt, habe ich die vordere Endigung 
des Lebercéloms an 24 Tieren untersucht. Hiervon endete dasselbe 
in 11 Fallen als Blindsack, wiahrend es in 6, vielleicht sogar in 
7 Fallen einen visceralen Lingskanal, in 8 einen parietalen Lings- 
kanal bildete. Diese Zahlen werden sich natiirlich bei der Unter- 
suchung einer noch gréferen Zahl von Tieren etwas verschieben, 
immerhin wird das Faktum wahrscheinlich bestehen bleiben, dal 
die blindsackférmige Endigung als die haufigste, auch als die 
eigentlich typische anzusehen ist, wihrend die beiden Lingskaniile, 
wenn auch durchaus nicht selten, so doch immer Abweichungen 
vom Normalen darstellen. Aus obigen Zahlen geht ferner hervor, 
daf die von ScHNEIDER als typisch angesehene Form, namlich 
der viscerale Langskanal, in Wirklichkeit die seltenste ist. 

Dieser viscerale Langskanal zeigt nun, trotz mancher 
Verschiedenheiten, immer das Bild, da8 er sich ziemlich dort, wo 
der Leberdarm aufhért, unter betriachtlicher Verengerung von dem 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 733 


Lebercélom absetzt, und daf er, so war es wenigstens in allen 
von mir beobachteten Fallen, sich nie direkt an die nachstvordere 
Hauptkieme ansetzt, sondern immer an einer, in den einzelnen 
Fallen allerdings verschiedenen, Zahl von Gabelkiemen vorbeizieht, 
um dann stark verengt auf der hinteren dorsalen Flache des 
Kiemencélomkanals einzumiinden. Die Zahl der Gabelkiemen, 
an denen der Lingskanal vorbeizog, betrug in meinen Praparaten 
1—3, oder, in anderen Worten, er setzte sich an die 2.—4. vor 
der Leberspitze liegende Hauptkieme an. Dabei entsandte er 
regelmabig zu jeder tibersprungenen Gabelkieme einen Querkanal. 

Wir haben jetzt den Lingskanal bis zu seiner Kinmiindung Yeunee 
in das Kiemencélom verfolgt; fiir einen Teil der Fille ist dies in 
der That sein definitives Ende. In zweien von den 6 (oder 7) 
tiberhaupt beobachteten Kanilen dieser Art zeigte sich aber eine 
weitere, nicht wenig interessante Komplikation im Bau des Céloms, 
die darin bestand, das der Langskanal mit dieser Einmiindung in 
das Kiemencélom nicht aufhérte, sondern sich noch weiter nach 
vorn fortsetzte und zwar in der Weise, da’ er beide Male mit noch 
3 Gabelkiemen in Verbindung trat. Indem er so mehrere primire 
Kiemenspalten nacheinander tiberbriickte, ging er selbstverstandlich 
an den Zungenbalken aufen vorbei, ohne mit ihnen irgendwie in 
Verbindung zu treten. Ein Beispiel dieser ,,Verlangerungs- 
kanale“, wie ich sie nennen will, ist in Serie III, Taf. XXII, 
wiedergegeben. 

Hier sieht man in Fig. 1 und 3 den ersten Verlingerungs- serie 1. 
kanal aus dem Kiemencélom Hk! heraustreten, in Fig. 12 an den 
folgenden Hauptkiemenbogen Hk? herantreten, in Fig. 14—16 in 
diesem verlaufen, in Fig. 17—21 die nachstvordere Spalte zwischen 
Hk? und Hk? tiberbriicken, um in Fig. 21 in die davorliegende Gabel- 
kieme Hk? hinten einzutreten. Jetzt verlauft er bis Fig. 31 in 
dieser 5. Gabelkieme, von deren Atrialepithel bedeckt, ist in Fig. 34 
aus ihr herausgetreten, tiberbriickt in den folgenden Figuren die 
3. Hauptkiemenspalte, um in Fig. 45 in dem Colom der 4. Haupt- 
kieme sein Ende zu finden. 

Besondere Beachtung verdient in diesem Priparate der Ver- Abnormer 


. . z erlauf des 

lauf des Verlangerungskanals im Bereiche des Kiemenbogens Hk?, Verlinge- 
: : . ¥ A .  Ttungskanals 

und das in zwei Beziehungen. Erstens sehen wir namlich in im Kiemen- 


é J, ee fi . bogen. 
Fig. 21 und 27, wie das Colom des Kiemenbogens mit einer 
scharfen Spitze zum Verlingerungskanal hin ausgezogen ist, ohne 
dafi zwischen beiden irgend eine Kommunikation bestande. Fiir 


die Beurteilung der Abschniirungs- und Obliterationsvorgiinge am 


Getals im 
visceralen 
Liingskanal, 
Vena _ per- 
forans. 


134 Eugen Burchardt, 


Célom ist dieses Bild sicherlich sehr wichtig, und ich will deshalb 
hinzufiigen, da’ Herr Professor Gorrrr, den ich dieses Praparat 
direkt auf dieses Verhaltnis hin anzusehen bat, jede Kommunikation 
an dieser Stelle mit Bestimmtheit ablehnte, nicht nur, weil eine 
solche nicht zu entdecken war, sondern auch weil jede Andeutung 
einer solchen in Form eines Einkniffes an der inneren Wand des 
Verlangerungskanals fehlte. 

Kine derartige Trennung beider Célomabschnitte war aber in 
dem anderen Falle von Verlingerungskanalen durchaus nicht vor- 
handen. Im Gegenteil miindeten sie hier in das Kiemencélom in 
derselben Weise ein, wie wir es oben an den Querkanalen gesehen 
haben. Zweitens lief dann der Verlangerungskanal nicht unter 
dem Atrialepithel des Kiemenbogens entlang, sondern er trat 
entweder an dem Orte der Einmiindung selbst oder aber etwas 
weiter nach vorn aus dem Kiemencélom wieder heraus, wobei 
auffiel, da die einzelnen Kanale einen gréferen Bogen nach aufen 
beschrieben, also offenbar merklich Janger waren als in dem in 
Serie III abgebildeten Falle. 

Diese feineren Details verdienen deshalb Beachtung, weil sie 
uns die mannigfachen Varianten vor Augen fiihren, denen der Bau 
des Céloms an diesen Stellen unterworfen ist. 

Es bliebe jetzt die Frage zu beantworten, wie sich die 
Vena hepatica zum Lingskanal verhalt. Hier erscheint von vorn- 
herein die Annahme als die natiirlichste, dafi sich die Vene in 
diesen Fiillen nicht anders verhalten werde als in den Fallen 
von blindsackformiger Endigung des Lebercéloms. Bei diesen 
findet man stets die Vene mit der Spitze des Leberdarmes enden, 
ohne irgendwie mit dem Lebercélom in Verbindung zu _ stehen. 
Dies erscheint auch geradezu selbstverstindlich, da die Vene ja 
sowohl nach Entstehung (aus der Subintestinalvene) wie ihrer 
Funktion nach auf das engste mit diesem Abschnitt des Darmes, 
und nur mit ihm, zusammenhanet. 

Tritt man mit dieser vorgefaBten Meinung und ohne weitere 
Erfahrungen an die Beschreibung SCHNEIDER’s heran, so wird man 
allerdings geneigt sein, sie wie seine Fig. 2 auf Taf. XIV (1879) 
fiir Phantasie zu halten. In dieser Abbildung sieht man das Leber- 
célom als verhiltnismifig schmale Roéhre sich tiber die Spitze des 
Blinddarmes nach vorn bis zur 3. Gabelkieme erstrecken und 
ganz deutlich in ihren Célomkanal einmiinden. In diesem Lings- 
kanale zieht ferner ein schmaler Ausliufer der Lebervene, des 
,tlerzens’’ SCHNEIDER’s, nach vorn, gleichfalls bis in die Gegend 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 739 


der Célommiindung. An dieser Stelle soll sich dann diese Vene, 
von SCHNEIDER Vena cava genannt, frei in das Célom des Kiemen- 
bogens erdfinen. 

Abgesehen nun davon, daS ScHNEmER die vordersten Quer- 
kanale, die in meinen Praparaten ausnahmslos vorhanden waren, 
fehlen laSt — ein Fehlen, das ich der wahrscheinlichen Entstehung 
dieser Kanile nach nicht fiir méglich halte — abgesehen ferner 
von der Dicke dieser Venenverlangerung und ihrem etwas weiten 
Vordringen, beides Dinge, die natiirlich an verschiedenen Objekten 
variieren werden, abgesehen ferner von der vorderen Oeffnung der 
Vene in das Célom, die tibrigens auch auf dem Bilde nicht deutlich 
zum Ausdruck kommt, von diesen drei Punkten also abgesehen, 
ist die Zeichnung SCHNEIDER'S derart entsprechend dem, was auch 
ich auf Schnitten gesehen habe, dal ich sie ohne grofen Fehler 
auch meinen Beobachtungen zu Grunde legen kénnte. 

Wie ich schon friiher erwahnt habe, ist mir unter den 6 
(oder 7) Fallen von visceralem Langskanal 2mal eine solche ab- 
norme Verlangerung der Lebervene aufgestofen, und habe ich, da 
in ihnen nicht ganz itibereinstimmende Verhiltnisse bestehen, es 
nicht unterlassen, beide in Serie II und IV wiederzugeben. 

Insofern in Serie IJ das Verhalten der Vene das einfachere 
ist, will ich mit der Beschreibung dieser Reihe beginnen. Fig. 1 
ist ohne weiteres klar; unten das Ende der Leber mit dem ihr 
eng anliegenden Colomsack; auf dem Darme der Durchschnitt der 
gefiillten Lebervene, umgeben von einem mehr entfalteten Teile 
des Céloms, welches hier einen Querkanal abgehen ]aBt und zwar 
den vorletzten der ganzen Reihe. Fig. 4 zeigt diesen Querkanal 
schon entfernt von dem Durchschnitt des grofen, ovalen Lings- 
kanals. In Bild (und Schnitt) 14 miindet der 1. Querkanal in 
das Kiemencélom, und zugleich macht sich der 2. Querkanal von 
dem hier schon merklich enger gewordenen Langskanal los. In 
den folgenden Schnitten sehen wir nun diesen immer mehr an 
Umfang abnehmen und endlich im 50. Schnitt in das Célom der 
3. vor der Spitze der Leber liegenden Hauptkieme einmiinden, 
nachdem der 2. Querkanal vorher hinter Fig. 27 in den 2. Kiemen- 
bogen eingetreten ist. 

- Der ganze Lingskanal wird also, seine Schraglage mitberiick- 
sichtigt, etwas mehr als !/, mm betragen, wahrend die Quer- 
kanile, die ja noch schrager verlaufen, vielleicht t/, mm lang 
sein mégen. Jedenfalls handelt es sich hier um sehr geringe 


Groen. 
Bal eee. Ns OB XXCVIE 48 


Serie If, 
Taf. XXI. 


Serie IV, 
Tafel XXII, 


736 Eugen Burchardt 


So weit tiber die Anordnung des Céloms orientiert, kénnen wir 
zur Verfolgung der Vene tibergehen. In Fig. 4 sitzt sie, schon 
sehr verkleinert, der Wand des Céloms auf, ist aber sonst noch 
ganz intraperitoneal gelegen. In Fig. 14 ist sie, noch mehr ver- 
kleinert, schon ebenso viel extra- wie intraperitoneal gelagert, und 
in den folgenden Schnitten, z. B. 19, ist sie ein rein extraperi- 
toneales Gebilde geworden, d. h. sie hat die homogene Célom- 
erundschicht durchbrochen und liegt ganz und gar unter dem 
Kiemenepithel. Von hier an ist sie, soweit wir sie noch nach 
vorn zu verfolgen vermégen, ein reines KiemenhdéhlengefaS ge- 
worden, und es unterliegt keinem Zweifel, dal sie mit den Gefaben 
des Kiemenbogens (/7k*) in Verbindung stehen muf. Anfang und 
Ende dieser merkwiirdigen GefaSverbindung zusammen betrachtet, 
sehen wir also, daf es sich bei ihr um einen Uebergang handelt 
zwischen dem subatrialen Blutgefafnetz eines Kiemenbogens und 
der Lebervene. Beriicksichtigen wir ferner, daf der Blutlauf in 
letzterer, nach Beobachtungen am lebenden Tiere, unbestritten von 
vorn nach hinten geht, so bleibt nichts anderes tibrig, als dieselbe 
Richtung fiir dieses Verbindungsgefal} anzunehmen. Es moége als 
Vena perforans bezeichnet sein. 

Betrachten wir jetzt Serie IV, in welcher uns gleichfalls der 
viscerale Langskanal und die Verlaingerung der Lebervene ent- 
gegentritt. Hier ist in Fig. 1 der eiférmige Quer- oder Schrig- 
schnitt des Lingskanals nach seinem Abgang vom Lebercélom 
getroffen, tiber ihm der 1. Querkanal, schon etwas von dem Lings- 
kanal entfernt. In Fig. 15, 17 und 19 finden wir iiber dem 
schmaler gewordenen Laingskanal den 2. Querkanal, in Fig. 30 
und 37 den 3. Querkanal. In diesen letzteren Figuren ist der 
Lingskanal schon sehr eng geworden, aber erst im 61. Schnitte 
sehen wir ihn in das Kiemencélom einmiinden. Gegeniiber dem 
in Serie II dargestellten Tiere finden wir hier also 3 Querkanile 
und dementsprechend eine gréfere Liinge des Langskanals. 

Sehr bemerkenswert ist nun in diesem Tiere das Verhalten 
der Vene. Wie aus Fig. 1—15 ersichtlich, zieht sie hier eine 
Strecke weit ganz frei durch das Célom und ist auferdem. in 
2 Zweige gespalten, die aber bis zum 14. Schnitt in einem kleinen 
Bereiche ihrer Wandungen zusammenhingen und zusammen von 
demselben inneren Epithelblatt des Céloms bedeckt sind. Erst 
im 15. Schnitte sehen wir beide Venenzweige vollig voneinander 
getrennt, aber noch ganz und gar intraperitoneal liegend. In den 
Schnitten 16 und 17 dagegen haben beide Gefife mit der Célom- 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 737 


wand Fiihlung genommen, um diese dann, ganz wie das GefaB in 
Serie II, zu durchbrechen und atrial zu werden. Ueber den 
27. Schnitt hinaus waren diese Venae perforantes nicht mit Sicherheit 
zu verfolgen, aber bei dem notwendigen Zusammenhang des ganzen 
unter dem Atrialepithel gelegenen Gefaifnetzes ist auch hier der- 
selbe Uebergang von Kiemen- zu Lebervenenblut anzunehmen wie 
in dem anderen Falle. Ich will tibrigens bemerken, daf ich noch 
eine grofe Zahl von GefaBdurchschnitten hatte einzeichnen kénnen, 
wenn ich es nicht vorgezogen hatte, mich auf die sicher als 
solche zu erkennenden zu beschrinken. 

Jedenfalls kann ich mich nur der schon von Werss (1890) 
geduSerten Ansicht anschliefen, dafi unter dem Atrialepithel ein 
sehr reiches Gefifnetz verlaufe, allerdings, wie ich hinzusetzen 
muf, wohl nicht an allen Stellen, z. B. nicht unter dem Ueberzug 
des Lebercéloms. Auch unter dem Atrialepithel der Zungenkiemen 
ziehen feine Gefafe in longitudinaler Richtung, die das Eigen- 
tiimliche haben, daf sie in gefiilltem Zustande die Epithelzellen 
auseinanderdrangen, also interepithelial sein kénnen '). 

Fassen wir die Ergebnisse dieser Untersuchungen zusammen, 
so ergiebt sich mit Evidenz, daf die von ScHNEIDER entdeckte, 
von LANKESTER bestatigte Fortsetzuug der Lebervene in Wirk- 
lichkeit eine Kommunikation zwischen zwei Blutgefifterritorien 
darstellt, da’ also auch hier von einem Uebergang von Lymphe 
oder Coélomfliissigkeit in das Blut gar keine Rede sein kann. 
Damit waren die bisher fiir einen solchen Uebergang vorgebrachten 
anatomischen Beweise als falsch erwiesen, und wenn wir iiber- 
haupt, gestiitzt auf unsere bisherigen noch etwas mageren Kennt- 
nisse von den Blutgefafen des Amphioxus, eine Annahme machen 
wollen, so kann es meiner Meinung nach nur die sein, da’ das 
BlutgefaBsystem bei ihm ein geschlossenes ist. 

Somit lait sich jene irrige Anschauung auch nicht fiir die 
Degeneration des Gefaifsystems, wie es LANKESTER (1889) gethan 
hat, heranziehen, eine Degeneration, die auch ich annehme, aber 
nur im Hinblick auf den Mangel eines Herzens und den einfachen, 
einformigen Bau aller GefaBe. 


1) Nach Lanerruans (1876) wird das Atrialepithel der Kiemen- 
bogen aus zwei miteinander abwechselnden Zellarten zusammen-. 
gesetzt, schmalen kérnigen und dickeren lainglich-ovalen mit hellem 
Inhalt. Obschon Lanerrnans auch diese eine Geifel fiihren 1afgt, 
méchte ich sie doch auf Grund meiner Praparate eher fiir Schleim- 
zellen halten. Es wiirde sich lohnen, dies von neuem am lebenden 
Tiere zu untersuchen. 

48 * 


Parietaler 
Liingskanal. 


738 Eugen Burchardt, 


Wir haben somit die Querkandle und den visceralen Langs- 
kanal behandelt und kénnen jetzt an die Behandlung des parietalen 
Lingskanals herantreten. Wahrend wir der Beschreibung der 
ersteren eine geschichtliche Grundlage geben konnten, betreten wir 
hier geradezu unbekannten Boden. 

Unter parietalem Lingskanal verstehe ich die Verbindung des 
vorderen Teiles des Lebercéloms mit dem parietalen Colom der 
Bauchwand. In einem spateren Kapitel wird sich zeigen, dal es 
auch hintere Verbindungskanale geben kann, die aber so weit nach 
hinten gelegen sind, daf man im Zweifel sein kann, ob man an 
der Stelle von Lebercélom oder nicht vielmehr von allgemeinem 
Darmcélom reden soll. Fiir den parietalen Lingskanal ist dem- 
gegeniiber das vordere Ende des Lebercéloms der charakteristische 
Ausgangspunkt. 

Aus der ganzen Litteratur kenne ich nur eine Angabe, die 
hier in Betracht kommen kénnte, und dies ist eine recht kurze 
Bemerkung von Rice (1880), der von dem Darmdivertikel auB8ert, 
es sei ,,attached by one or two bands to the bars of the branchial 
arches, and perhaps to the side-muscles“. 

Allerdings finden sich noch andere Angaben tiber Verbindungen 
des Blinddarmes mit der K6rperwand, und sie sollen uns auch 
nicht entgehen; es wird sich dann aber zeigen, daf sie an dieser 
Stelle unméglich in Betracht kommen kénnen. 

Der parietale Langskanal bildet das Pendant zum visce- 
ralen. Wie sich dieser nach innen zum Kiemendarm wendet, 
so wendet sich jener nach aufen zur Bauchwand. Beide sind 
Célomkanale und als solche kommunizierende Kanile zwischen 
dem Lebercélom und benachbarten Célomabschnitten, namlich dem 
Kiemencédlom auf der einen, dem subchordalen Colom auf der 
anderen Seite. Wahrend aber der viscerale Lingskanal entweder 
reiner Célomkanal ist oder, nebenher, Trager fiir Gefafe, ist der 
parietale Liingskanal nie reiner Célomkanal, sondern immer Ge- 
faftriger. Bei der Besprechung seiner wahrscheinlichen Genese 
wird sich sogar zeigen, daf nur in letzterer Kigenschaft der Grund 
fiir seine Entstehung zu suchen ist. 

Dies wire in grofen Ziigen die Charakteristik dieses Kanals, 
der mir unter 24 Tieren 8mal aufgestofen ist, 6fter also als der 
viscerale Kanal. Die Einzelheiten in seinen Verbindungen und des 
in ihm verlaufenden Gefifes werden aus der Betrachtung der 
Serie V—X deutlich werden, wobei zu beriicksichtigen, daf alle 
diese Verhiltnisse nicht aus der Untersuchung einer einzigen Serie 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 739 


klar werden kénnen, weil, ganz abgesehen von dem Vorhandensein 
nicht selten schwer zu deutender Variationen, Schrumpfungen und 
Verlagerungen des Kanals und der Bauchwand, Unkenntlichkeit 
des BlutgefiBes infolge von Nichtfiillung ihre Verfolgung erschweren, 
ja unmdglich machen kénnen. 

Noch einfache Verhiltnisse zeigt Serie V, welche von einem ..6)<Xin 
kleinen in Osmiumsiure fixierten Tiere stammt. Fig. 1 zeigt den 
Durchschnitt der Leber dicht vor ihrer Spitze, tiber ihm eine 
Ausbuchtung des Cdloms als Anfang des Langskanals und im 
Célom selbst den Durchschnitt der Lebervene, vom Darm abge- 
lést, aber mittelst eines deutlichen Stieles mit ihm zusammen- 
haingend. Die folgenden Schnitte zeigen den Langskanal frei in 
der Kiemenhéhle; in 17 liegt er der inneren Bauchwand dicht 
an; Fig. 20 zeigt seine aufere Wand schon mit der Bauchwand 
verschmolzen, und nimmt diese Verschmelzung in den folgenden 
Schnitten regelmaBig zu. In den Schnitten 25—32 verlauft der 
Kanal ganz in der Wand direkt nach vorn, um im 40. Schnitt 
mit dem immer tiefer getretenen subchordalen Colom zu_ ver- 
schmelzen. Von seinem Abgang vom Lebercélom bis zu_ seiner 
Einmiindung in das dorsale Célom tritt eine fortschreitende Ab- 
nahme im Volumen des Kanals ein. 

Auch hier treten uns wieder die Querkanile zu den Kiemen- 
bogen entgegen, in Fig. 3 der Abgang des 1., in Fig. 17 der des 
2. Querkanals, der in Fig. (und Schnitt) 24 im Kiemencélom endet. 
Das Gefaif aft sich als eine direkte Fortsetzung der Lebervene, 
wie diese selbst mit in glinzenden Kérnchen geronnenem Blute 
cefiillt, mit aller wiinschenswerten Deutlichkeit bis zum 24. Schnitt 
verfolgen, dariiber hinaus jedoch nicht mehr. In Schnitt 23 ist 
noch das mit Blut gefiillte Lumen sichtbar, in dem folgenden 
Schnitte sieht man von auBen auf die GefaéSwand. 

Aus dieser Serie lat sich demnach nicht erkennen, welche 
Verbindung das GefiS in der Bauchwand eingeht; dafiir ist ein 
anderes anatomisches Detail in dieser Serie recht deulich, d. i. 
der Stiel, mit dem das Gefa§ an der inneren Wand des Célomkanals 
befestigt ist. 

Aus der Verwachsung der inneren, das Gefaf umkleidenden 
Célomplatte gebildet, besteht er aus einer homogenen kernlosen’ 
Platte, die natiirlich auf beiden Seiten vom Célomepithel bedeckt 
ist. Ihrer ganzen Lange nach betrachtet, bildet sie ein intra- 
peritoneal verlaufendes Band, welches die dorsale Kante der 
Leber an die Bauchwand befestigt, ein richtiges Mesenterium. 


740 Eugen Burchardt, 


ee ae Ee Kompliziertere Verhiltnisse zeigt schon Serie VI. Auch hier 
sehen wir in Fig. 1 das Ende der Leber und den Durchschnitt 
der Lebervene in dem schon etwas zusammengefallenen Anfang 
des Liingskanals, der an seiner Spitze den 1. Querkanal abgiebt. 
Auf den folgenden Schnitten tritt uns immer wieder der Durch- 
schnitt des sich rasch verengenden Langskanals entgegen, mit 
dem Abgang des 2. Querkanals in Fig. 16, des 3. und letzten 
in Fig. 20. Der 2. Querkanal miindet in das Kiemencélom auf 
Schnitt 24, der 3. auf Schnitt 43. Dieser vorderste Kanal labt 
sich aber auch, und das vielleicht mit mehr Recht, als visceraler 
Langskanal auffassen. Obschon es unméglich ist, zu einem sicheren 
Schlusse zu gelangen, scheint mir doch die Lange dieses Kanals, 
sein Abgang dicht vor Querkanal 2 fiir diese Auffassung zu 
sprechen. Daf beide Langskanaile nebeneinander vorkommen 
kénnen, dies wird aus der Betrachtung der Serie IX _hervor- 
gehen. 

Verfolgen wir jetzt das Blutgefa’, das in diesem Falle leer 
ist, nach vorn, so kénnen wir es noch auf Schnitt 20 erkennen, 
vielleicht auch noch auf Schnitt 22, aber nicht weiter. Beachtung 
verdient die dicke, homogene Platte, welcher das Gefaif mit einem 
erofen Teile seiner Wand aufsitzt, die sich jedoch bei diesem Tiere 
nicht bis zur Bauchwand fortsetzt, sondern schon ungefahr in der 
Mitte des Langskanals aufhort. 

Verfolgen wir nun den Célomkanal selbst, so sehen wir ihn, 
wie in Serie V, sich der Bauchwand immer mehr nahern, sich 
ihr im 45. Schnitte anlegen, im folgenden Schnitte unter sie treten, 
um im 47. Schnitte in das subchordale Célom einzumiinden. Wohl- 
gemerkt ist es das letztere, das zum Kanal herabtritt, nicht um- 
gekehrt. Von Schnitt 22 an tritt nun eine merkwiirdige Beschaffen- 
heit des Célomkanals auf, eine Verdoppelung, die wahrscheinlich, 
aber allerdings nicht sicher, durch Anlagerung der schon er- 
wihnten gefaiStragenden Platte an die Gegenwand bewirkt ist. 
Doch hért diese Verdoppelung vom 43. Schnitte an wieder auf, 
so daf der Liangskanal als einfache Réhre in der Bauchwand 
verlauft. 

BS UMUis Serie VII fiihrt uns den ganzen Langskanal auf nur 30 Schnitten 
vor. Derselbe ist also kiirzer als in den beiden friiheren Fiillen 
und giebt demgemaf auch nur einen Querkanal ab, der schon im 
10. Schnitte in das Kiemencélom eintritt. Die Fortsetzung der 
Lebervene nach vorn ist als ein rein intraperitoneales Gefaf bis 
zum 10. Schnitte infolge ihrer Fillung mit Blut sehr deutlich, 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 741 


dariiber hinaus jedoch nicht mehr zu erkennen. Sehr ausgesprochen 
findet sich in diesem Falle die schon in den friiheren Fallen an- 
getrotfene homogene Platte, welche das Gefaf tragt und hier in 
der That deutlich bis in die Bauchwand zu verfolgen ist. Eigen- 
tiimliche Verhaltnisse zeigt nun der Langskanal. Bis znm 22. Schnitte 
einfach, mit weit in das Lumen vorspringender Gefaplatte, sehen 
wir ihn vom 23. Schnitte an in 2, vom 27. sogar in 3 Rohren ge- 
teilt, die in den letzten 2 oder 3 Schnitten véllig getrennt, unter- 
einander in der Bauchwand verlaufen. Wie sie sich weiterhin ver- 
halten, ist leider infolge starker Verzerrung dieser Stelle nicht zu 
erkennen, es ist mir aber sehr wahrscheinlich, daf auch sie in 
das subchordale Célom iibergehen, da dieses ja, je weiter nach vorn, 
um so tiefer herabtritt. 

Hinzusetzen will ich, daf im 30. Schnitte die mit Blut ge- 
fiillte Genitalvene einen Ausliufer nach oben sendet. 

Serie VIII bietet uns nach dem eben Beschriebenen nur Weng Serie VIL, 
Neues, weshalb ich mich auf die Wiedergabe weniger Schnitte be- 
schrankt habe. Auch hier sehen wir das im 1. Schnitte deutliche 
Gefaifi, weil blutleer, bald unkennbar werden, ferner den Lings- 
kanal in seinem spaiteren Verlaufe in 2 Roéhren geteilt und unter 
diesen eine mit glanzenden Kiigelchen gefiillte Abteilung, welche 
gleichfalls in die Bauchwand eintritt, deren Charakter jedoch, ob 
Colom, ob Lymphraum, zweifelhaft bleiben mu. Als Blutgefas 
ist sie jedenfalls nicht aufzufassen. 

Von den beiden Coélomréhren geht die obere zwischen 
Schnitt 36 und 41 in das subchordale Célom iiber, und auch die 
untere hat sich letzterem schon so weit genahert, daf ihre spatere 
Verschmelzung nicht zweifelhaft bleiben kann. 

Serie IX, von einem grofen Amphioxus stammend, zeigt uns aoe 
den parietalen Langskanal in einer bisher noch nicht angetroffenen u. XxvI. 
Variation. Auf Fig. 1 und 3 sehen wir seinen Abgang vom Leber- 
célom schon angedeutet und zugleich einen fast seiner ganzen 
Linge nach getroffenen Querkanal. Auf der Leber ruht die leider 
nicht gefiillte und schon in Fig. 3 ganz zusammengefallene Leber- 
vene, iiber deren weiteren Verlauf deshalb auch nur wenig Auf- 
klarung werden kann. Immerhin ist, besonders aus der Abbildung 8, 
so viel ersichtlich, da8 auch hier eine Verlangerung der Leber- 
vene sich nach vorn in den Célomkanal fortsetzt. 

Was nun den letzteren in diesem Praparate auszeichnet, ist 
seine Kiirze. Schon im 17. Schnitte nach seinem Abgang yom 
Lebercélom sehen wir ihn sich an die Bauchwand ansetzen. Sein 


742 Eugen Burchardt 


Verlauf durch die Kiemenhéhle ist demnach ein sehr schrager, 
Im 25. Schnitte sind sich Langskanal und subchordales Colom 
schon sehr nahe und zwischen 28. und 33. Schnitte ineinander 
iibergegangen. 

In dieser Serie sehen wir ferner, wie der Leberdarm, natiir- 
lich umkleidet von seinem Célom, noch eine Strecke weit tiber 
den Abgang des parietalen Langskanals nach vorn reicht, und 
zwar um 20 Schnitte, d. i. ungefaihr 1/, mm. Dies ist auffallend, 
selbst wenn man bedenkt, daf der parietale Lingskanal, ganz 
ebenso wie der viscerale, nicht direkt von der Spitze des Leber- 
céloms abzugehen braucht, sondern von einem mehr dorsal ge- 
legenen Punkte desselben, wie ein Blick auf die schon bei Be- 
sprechung des visceralen Kanals angezogene Fig. 2 auf Taf. XIV 
der SCHNEIDER’schen Arbeit (1879) zeigt. 

Als eine weitere Eigentiimlichkeit im Bau des Céloms in 
diesem Falle kommt noch hinzu, da’ nach vorn vom Abgang des 
parietalen Langskanals, ungefihr in Fig. 19, ein neuer Kanal, und 
zwar zum Kiemendarm hin, abgeht, der erst weiter vorn, an einer 
Stelle, wo die Leber schon aufgehért hat, in ein Kiemencélom 
einmiindet, namlich im 33. Schnitte. Die Bildung dieses Kanals 
ist eine so gradweise, da sein Anfang nicht mit Sicherheit zu 
lokalisieren ist; jedenfalls ist er in Fig. 17, noch mehr aber in 19 
sehr deutlich. An letzterer Stelle sehen wir auch einen Quer- 
kanal von ihm nach innen ziehen. Dieser Kanal kann nur als 
visceraler Langskanal aufgefalit werden. 

Wir finden demnach bei diesem Amphioxus eine héchst merk- 
wiirdige Gestaltung des Lebercéloms, insofern es, auffer den ob- 
ligaten Querkanaélen, sowohl einen visceralen wie einen parietalen 
Langskanal nach vorn abgiebt, wodurch es mit allen benachbarten 
Abschnitten der Peritonealhéhle in Verbindung tritt. 

In allen bisher betrachteten Praparaten mit parietalem Langs- 
kanal haben wir einen Zweig der Lebervene sich nach vorn in 
diesen Kanal fortsetzen gesehen, in allen aber haben wir nicht 
viel mehr zu konstatieren vermocht, als daf dieses Gefaif, soweit 
es eben zu verfolgen war, rein intraperitoneal verlauft und nur in 
einem Falle, der Serie V, war es méglich, dieses Gefaf bis an die 
Bauchwand zu verfolgen. 

Dieses bestindige Vorhandensein einer Fortsetzung der Leber- 
vene im parietalen Lingskanale, im Gegensatz zum visceralen, bei 
dem, wie wir gesehen haben, eine solche Gefafverlingerung nur 
ausnahmsweise vorkommt, muf sicherlich den Gedanken nahelegen, 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 743 


daf dem Gefif im parietalen Lingskanale eine besondere Be- 
deutung zukomme, die allerdings so lange unklar bleiben mul, als 
die Verbindung, welche das Gefif in der Bauchwand eingeht, 
nicht gefunden ist. Nur wer selbst am Amphioxus gearbeitet und 
dessen Gefife auf Schnitten zu verfolgen gesucht hat, weil, wie 
miihsam, ja oft unméglich ein derartiges Unternehmen ist. Ich 
méchte beinahe sagen, da8 dies die Seite der anatomischen Unter- 
suchung ist, auf der wir trotz unserer modernen Technik kaum 
weiter gekommen sind als die ersten Untersucher vor 50 Jahren. 
Immerhin lassen sich unter ganz besonders giinstigen Umstainden 
auch hier mit Hilfe passender Farbungen bei der Untersuchung 
in Serienschnitten einige Schritte vorwarts thun. 

Solche giinstigen Verhiiltnisse liegen in einem Préaparate vor, .32)\X\1 
welches zu den ersten von mir geschnittenen Tieren gehért, zu 
einer Zeit, da ich von allen diesen Célomkanalen noch keine 
Ahnung hatte. Zwei Umstiinde, GréBe des Tieres und, was damit 
zusammenhingt, Geschlechtsreife, und Fiillung des GefaSes treffen 
hier in so giinstiger Weise zusammen, dafi dieses Praparat es 
gestattet, an die Stelle von Hypothesen Thatsachen zu setzen. 

Die wenigen Figuren der Serie X und das Gesamtbild 1 auf 
Tafel XIX zeigen mit einer jeden Zweifel ausschlieSenden Klar- 
heit, welche Bewandtnis es mit diesem GefaSe hat. 

Ueber die Region, in welcher wir uns hier befinden, giebt 
uns am leichtesten die Gesamtfigur Auskunft, die bei nur 30- 
facher Vergréferung mit méglichster Treue angefertigt ist. Schon 
die ganze Form des Querschnittes zeigt, daf er recht weit vorn 
durch einen grofen, geschlechtsreifen Amphioxus gelegt ist. Es 
ist ein Weibchen; aber um keine falschen Schliisse aufkommen zu 
lassen, will ich ausdriicklich bemerken, daf alle diese Kanale in 
eleicher Weise bei Minnchen und Weibchen zu finden sind ‘). 


1) Wenn man eine grékere Zahl von Amphioxus untersucht, 
so wird man iiberrascht sein, zu finden, daf{ die minnlichen Tiere 
verhiltnismikig selten sind. Leider habe ich es unterlassen, bei 
meiner Hauptuntersuchung immer gleich das Geschlecht zu _no- 
tieren, was ja tibrigens bei den kleineren, selbst wenn die Angabe 
von Lxeros (1895) richtig sein solJte, daf schon auf friihem, noch 
nicht reifem Zustande Testis und Ovarium zu unterscheiden seien, 
nicht immer méglich gewesen wire. Ich habe deshalb diese in- 
teressante und, so viel ich weif, noch nicht beantwortete Frage 
an den in Alkohol gehirteten Tieren aus Messina zu entscheiden 
gesucht. Da mir nicht mehr viele grofe Tiere iibrig waren, mufte 
ich mich auf 30 Tiere beschranken, Dayon waren 20 Weibchen 


Figur 1, 
Tafel XIX. 


Serie X, 
Tafel XXVI. 


744 Eugen Burchardt, 


Aus der grofen Abbildung ist auch ersichtlich, da8 die Leber 
nahe ihrer Spitze getroffen ist. Von Ausfiillung der rechten 
Kiemenhohle, von Verschiebung des Kiemensackes durch die Leber, 
wie wir sie weiter hinten antreffen, ist hier keine Rede. Es wird 
auffallen, dafi’ das vordere Ende der Leber hier nicht, wie das 
meistens der Fall ist, nach unten herabhingt und den untersten 
Abschnitt der Kiemenbogen mit dem Endostyl in die Pharynxhéhle 
hineindrangt, sondern hoch oben zwischen Gonade und Kiemensack 
in der Schwebe hangt. Was die Leber dort zuriickhalt ist, wie 
aus der Zeichnung ersichtlich, ein Querkanal innen und der Liangs- 
kanal aufen. Der erstere setzt sich etwas caudalwirts von dem 
Abgang des parietalen Célomkanals an. Dieser ist hier so kurz 
— héochstens 4/,) mm — und derart quer zur Bauchwand ge- 
richtet, daf man ihn eigentlich als parietalen Querkanal bezeichnen 
mii&te. Immerhin méchte ich auch fiir den Kanal in der Form, 
wie er sich hier findet, schon im Interesse einer gréferen Ueber- 
sichtlichkeit in der Einteilung, besonders da er ja auch etwas 
nach vorn zieht, die Bezeichnung als parietaler Langskanal auf- 
recht erhalten, in derselben Weise, wie ich auch die sehr schrag 
verlaufenden Verbindungen zwischen Leber- und Kiemencélom 
einfach als Querkanale bezeichnet habe. 

Welche Bedeutung nun dem Gefaf zukommt, dariiber kann 
kein Zweifel bleiben; es ist nichts anderes als eine Verbindung 
zwischen Lebervene und rechter Genitalvene. Diese Vene ist aber, 
wie wir bald sehen werden, nicht der einzige Ableitungsweg fiir 
die rechte Genitalvene; ich nenne sie deshalb Vena communi- 
cans anterior accessoria. 

Die feineren Details dieses wertvollen Objektes sind in den 
Abbildungen der Serie X ersichtlich. Fig. 1 zeigt den oberen 
Teil der Leber mit den Querschnitten des Lebervenenplexus. Der 
eine seiner Zweige hat sich oben von dem Plexus abgelést und 
ist mittelst eines deutlichen Bandes an der déuferen Wand des 
Laingskanals angeheftet, der sich hier schon von der dorsalen 
Kante des Lebercéloms absetzt. Obschon das homogene, nicht 
bindegewebige Band auf diesem, wie auf den folgenden Schnitten 


und nur 10 Mannchen. Die Untersuchung, die ja nur in der Ent- 
nahme eines Stiickchens der Gonade und Untersuchung desselben 
in Glycerin oder Wasser zu bestehen braucht, geht so rasch vor 
sich, daf{ es sich sicherlich empfehlen méchte, sie in Neapel selbst 
an einer recht grofen Zahl von Tieren, zum wenigsten einigen 
Hundert, zu wiederholen. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 745 


mehr als ein Mesangium imponiert, verdient es doch den Namen 
eines Mesenterium, da es sowohl weiter hinten, nach Vereinigung 
der Communicans accessoria mit dem Plexus, auf die Leber, wie 
weiter nach vorn, in Fig. 3 und 6, auf die Bauchwand _iibergeht. 

Fig. 3 zeigt den Liaingskanal frei in der Kiemenhohle, iiber 
ihm das subchordale Célom. In Fig. 6 ist die aufere Wand des 
Langskanals mit der Bauchwand schon an einer kleinen Stelle 
verwachsen, das Gefaf liegt mit dem Mesenterium noch ganz im 
Célom, das subchordale Célom steht sichtlich tiefer als in Fig. 3. 

Zum Verstindnis der folgenden beiden Figuren 9a und 9b 
sei bemerkt, dafi beide von demselben Schnitte stammen, und dak 
b die Fortsetzung von a nach unten darstellt. Der Langskanal, 
als solcher kaum noch zu erkennen, ist mit dem subchordalen 
Célom zusammengeflossen; in letzterem verlauft das Gefa’, nun 
vollig in der Bauchwand gelegen, direkt nach unten, um nach er- 
folgter Obliteration der Célomhéhle auf die innere Seite des Eier- 
stockes iiberzugehen und in die Genitalvene ecinzumiinden. 

Obschon diese Vena communicans anterior nur eine acces- 
sorische ist, auch nur in '/, meiner Falle sich findet, kommt ihr 
doch jedenfalls eine viel gréfere Bedeutung zu als dem viel 
selteneren Gefafe im visceralen Laingskanal, das offenbar nur eine 
ganz nebensiachliche Verbindung zwischen Lebervene und _ sub- 
atrialem Gefaifnetz darstellt. 

Ueberblicken wir jetzt die Ergebnisse der vorausgehenden dain 
Untersuchungen, so wird man mir die an friherer Stelle auf- colomkanite. 
gestellte Behauptung, da’ der Bau des Céloms bei Amphioxus ein 
noch komplizierterer sei, als man nach den bisherigen Kenntnissen 
annehmen durfte, als bewiesen zugeben. 

Selbst den einfachsten Fall gesetzt, daf{ das Lebercélom als 
Blindsack endet, was ja auch bei etwa der Hilfte der Tiere der 
Fall sein wird, so finden sich immer als ganz regelmaSige Kom- 
munikationen zwischen dem Kiemen- und Lebercélom die Quer- 
kanile. Sie sind derart typisch, da’ in den Abbildungen, wie sic 
die Lehrbiicher von dieser Region des Amphioxus geben, ein 
solcher Kanal nicht fehlen sollte. Mit dem Darme selbst haben 
diese Kanale nichts zu thun. Ihre Funktion besteht einzig und 
allein in dem Ausgleich von Druckschwankungen zwischen den 
Célomkanalen der Kiemen und dem Lebercélom. Faft man ins 
Auge, wie die Querkanale sich an letzteres ansetzen, so scheint 
fiir die hinteren und mittleren Kanale nur eine Stromrichtung 
moglich, nimlich die von den Kiemen zur Leber, wihrend in den 


746 Eugen Burchardt, 


vordersten Kanalen, dort wo sie zum Lebercélom herabsteigen, 
wohl auch eine Strémung im entgegengesetzten Sinne anzu- 
nehmen ist. 

Noch komplizierter ist der Bau des Céloms bei der anderen 
Halfte der Tiere, bei denen aufer diesen Querkanalen, die sich 
immer finden, soweit das Lebercélom reicht, der die Leber um- 
kleidende Célomsack in Form eines vorderen Kanals sei es nach 
innnen auf das Kiemencélom, sei es nach auBen auf den parietalen 
Teil des subchordalen Céloms iibergeht. 

Die erstere Anordnung, die Verbindung mit dem Célom eines 
oder mehrerer Kiemenbogen — visceraler Langskanal und Ver- 
langerungskanile — ist, gerade entgegengesetzt der friiheren An- 
nahme ScHNEIDER’s, das seltenere Vorkommen. Der Uebergang 
in das subchordale Célom — parietaler Langskanal — ist haufiger, 
wir sahen ihn bei einem Drittel der Tiere. Bei einem, vielleicht 
selbst bei 2 Tieren, hatten wir endlich das Zusammenvorkommen 
von visceralem und parietalem Langskanal zu konstatieren. Selbst- 
verstindlich ist es nicht ausgeschlossen, da sich dieses Zahlen- 
verhiltnis bei einer noch gréferen Reihe von Tieren etwas ver- 
schieben mége. 

Wir haben ferner gesehen, daf der parietale Kanal stets ein 
GefifS einschlieit, die Vena communicans accessoria, eine Ver- 
bindung der rechten Genital- zur Lebervene, wahrend im visceralen 
Kanal, wieder entgegen der Annahme SCHNEIDER’s, nur ausnahms- 
weise ein Gefaf verliuft, die Vena oder Venae perforantes, welche 
die Lebervene mit dem subatrialen Gefafnetz in Verbindung 
setzen. 

Alle diese Kanile und GefafSe haben wir an erwachsenen 
Tieren gefunden, und es drangt sich jetzt die Frage auf, ob es 
nicht méglich sein sollte, uns auf Grund unserer Keuntnisse von 
der Entwickelung dieser Kérperregion auch von ihrem Entstehen 
ein Bild zu machen. So unvollkommen ein solcher Versuch auch 
ausfallen mag, besonders da mir bei dem volligen Mangel an ge- 
eignetem Material jede selbstiéndige Untersuchung nach dieser 
Richtung verschlossen war, so méchte er doch wenigstens insofern 
nicht ganz ohne Wert sein, als er spaterer Forschung einige 
Direktion zu geben vermag. 

Wenn ich oben von ausgebildeten Tieren gesprochen habe, 
so war dabei selbstverstiindlich abgesehen von dem Zustand der 
Geschlechtsreife, der erst bei verhaltnismaBig grofen Tieren auf- 
tritt, wie auch von der Zunahme der Kiemen und des Leberdarmes, 


Beitriige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 747 


beides Vorgiinge, von denen wir wissen, daf sie eben solange 
dauern wie das Leben des Tieres. 

Was letzteren Punkt angeht, sei an die Angaben vAN WIJHE’S 
(1889b) erinnert, nach denen ein Amphioxus von 12?/, mm 
50 Kiemenspalten hat und die letzte im 24. Myotom liegt, ein 
Amphioxus von 15 mm 60 Kiemenspalten, wobei die letzte im 
25. Myotom liegt, wihrend bei einem Amphioxus von 40—50 mm 
Lange mit, wie wir von anderer Seite wissen, 90—100 Kiemen- 
spalten die letzte in der Region des 27. Segments gelegen ist. 

Im Gegensatz hierzu steht die friihzeitige Ausbildung der 
K6rperwand (wohl mit Chorda und Centralnervensystem), denn 
wie LANKESTER und WILLEY (1890) angeben, findet sich bei der 
Larve mit nur 12 Kiemenspalten die volle Zahl von 61 Myotomen. 

Wie verhalt sich nun, und das ist die Frage, die uns hier 
besonders interessiert, Leber und Kiemenhéhle bei ihrem ersten 
Entstehen zu einander; mit anderen Worten, wachst der Blind- 
darm in die Kiemenhéhle hinein, oder umwachst das Atrial- 
epithel die schon angelegte Leber ? 

Meiner Meinung nach — und ich glaube, damit kaum auf 
Widerstand zu stofen — ist es ausgeschlossen, dai, wenn einmal 
der Leberdarm unter Bildung der ihn umgebenden Célomkammer 
von dem Atrialepithel umkleidet ist, die so entstandene Ektoderm- 
lage vom Célom und den in ihm vyerlaufenden GefaBen durch- 
brochen werden kénne. Die Célomkanile kénnen demnach nur 
entstehen durch Aussparen wihrend des Einwachsens des Atrial- 
epithels. 

Daf’ dies in der That richtig ist, sehen wir an den Quer- 
kanalen, bei denen wir ja, infolge der bestandigen Neubildung von 
Kiemenbogen, in der gliicklichen Lage sind, ihre Entstehung auch 
am ausgebildeten Tiere zu beobachten. So einfach nun aber auch 
dieser Vorgang ist, so ist es doch, da er sich hinten in dem 
engen Winkel zwischen Leber und Kiemendarm abspielt, nicht so 
ganz leicht, ihn auf Schnitten zu verfolgen. Zwei Prozesse sind 
es, die an dieser Stelle zu gleicher Zeit ablaufen, die Bildung des 
Célomkanals des in Bildung begriffenen Kiemenbogens und die 
des Querkanals. Der Kiemenbogen mit seinem Célom wird hier 
im Grunde nicht anders gebildet als an allen anderen Stellen, 
seien es nun die vordersten 8—9 larvalen (Haupt-)Kiemenbogen 
jeder Seite, die schon vor der Anlage der Kiemenhéhle, von der 
Haut bedeckt, nach aufen freiliegen, oder die 5—6 restierenden 
larvalen und alle postlarvalen-tertiaren-Kiemen, deren ektodermale 


Entstehung 
der Quer- 
kaniile. 


748 Eugen Burchardt, 


Bekleidung von erst eingewachsenem Atrialepithel gebildet wird. 
Immer verwichst, bei dem Durchbruch der Kiemenspalten, parietale 
und viscerale Platte des Céloms an der vorderen und _hinteren 
Kxante des in Entstehung begriffenen Kiemenbogens, wodurch ein 
Célomkanal auf dessen auferer Flaiche abgesondert wird. Auf 
der linken Seite, wo die parietale Célomwand der visceralen ent- 
weder anliegt oder, wenn das Célom durch Fliissigkeit ausge- 
dehnt ist, gleich weit absteht, ist der Kiemencélomkanal tiberall 
gleich weit. 


Anders liegen die Verhaltnisse auf der rechten Seite. Hier 
entsteht der hinterste Kiemenbogen immer an einer Stelle, wo das 
Pharynx- oder Oesophaguscélom mit dem des Blindsackes noch 
in mehr oder weniger weiter Kommunikation steht. Bricht nun 
die hinterste Kiemenspalte durch, so bleibt gerade diese Kom- 
munikation zwischen dem Oesophaguscélom oben und dem Leber- 
célom unten auf der auferen Flache des neuen Kiemenbogens. 
Demnach besitzt dieser hier noch keine ihm besonders zukommende 
EKktodermbekleidung, denn die weit nach rechts gelegene Ekto- 
dermlage, welche die dem Kiemenbogen abgewendete Seite der 
Kommunikation zwischen Oesophagus- und Lebercélom  tiber- 
zieht, ist auch fiir ihn die Begrenzung nach der Kiemenhdohle hin. 


Sobald nun aber dieser Kiemenbogen zum vorletzten geworden 
ist, sind die Verhaltnisse schon andere, schon die definitiven. In- 
folee des Einwachsens des Atrialepithels zwischen Pharynx und 
Leber sind die beiden sie umgebenden Célompartien vollkommen 
voneinander getrennt und weiter die dem Kiemenbogen aufen auf- 
liegende grofe und unregelmafige Célomkammer getrennt in den 
zum subchordalen Célom aufsteigenden Célomkanal und den zum 
Lebercélom ziehenden Querkanal. 

Wenngleich diese grofen Unterschiede in der Gestaltung des 
Céloms sich an zwei aufeinander folgenden Kiemen finden, so ware 
es doch falsch zu glauben, da8 der dabei ablaufende Prozef ein 
sehr rascher sein miisse. Wenn die Angabe von PERRIER (1899, 
p. 2145) richtig ist, da’ der Amphioxus mit 3 Jahren gegen 100, 
mit 5—6 Jahren 124—180 Kiemenspalten besitzt, so kommt — 
unter der Voraussetzung allerdings, dafi die Kiemenbildung gleich- 
migig vor sich geht — auf die Bildung jeder Kieme immerhin 
eine ganz hiibsche Zahl von Tagen. 

Eine andere Entstehung der Querkanile als die hier ge- 
schilderte scheint mir nicht mdéglich, wenigstens in dem Sinne, 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 749 


da ein Querkanal nur dort entstehen kann, wo eine Hauptkieme 
im Bereich des noch nicht geschlossenen Lebercéloms entsteht. 

Versuchen wir jetzt uns tiber die Entstehung des visceralen Emsttns 
Lingskanals und der Verlangerungskanile klar zu werden, so /insskanals: 
kommen wir zu dem Resultat, daf die Bedingungen fiir ihre Knt- Saserunss 
stehung keine anderen sein kénnen, als wie sie der Bildung der 
Querkanile zu Grunde liegen, nur daf uns hier nicht mehr, wie 
bei den letzteren, die Verfolgung des Vorganges noch am ausge- 
bildeten Tiere erlaubt ist. 

Visceraler Liingskanal und Verlingerungskaniile, die wir beim 
erwachsenen Tiere als Fortsetzungen des Lebercéloms erblicken, 
miissen, meiner Meinung nach, friiher einmal wirkliches Leber- 
célom gewesen sein. In jener friihen larvalen Periode reichte 
demnach die Spitze der Leber bis zu dem Kiemenbogen, in dessen 
Célom wir beim erwachsenen Tiere den Lings- oder den vordersten 
Verlangerungskanal einmiinden sehen. Finden wir also bei einem 
groBen Amphioxus vor der Leberspitze erstens 2 Querkanile, dann 
die Einmiindung des Langskanals und endlich 3 Verlangerungs- 
kanale, so wiirde, nach meiner Meinung, bei der Larve die Leber- 
spitze um volle 6 grofe Kiemenspalten weiter nach vorn gereicht 
haben. 

Eine weitere Bedingung ware, da die Leberspitze nicht von 
einem eigenen geschlossenen Célomsack umkleidet gewesen, das 
Atrialepithel also noch nicht um sie herumgewachsen sei, bevor 
nicht die Bildung von Kiemenbogen gegentiber der Leberspitze 
eingesetzt habe. Im entgegengesetzten Falle, d. i. bei Vorhanden- 
sein eines geschlossenen Lebercéloms bevor die Kiemenbildung 
bis zur Leber vorgedrungen, bekommen wir die Endigung des 
Lebercéloms in Form eines Blindsackes, wie wir sie ja auch in 
ungefiihr der Halfte der Tiere antreffen. Nimmt man von den 
hier in Frage kommenden Faktoren, als am leichtesten zu _ be- 
obachtende, die Entstehung des Kiemenbogens gegeniiber der Leber- 
spitze als bekannt an, so lassen sich beide Verhiiltnisse kurz 
folgendermafen formulieren: 

Kiemenbildung gegentiber Leberspitze—Leberspitze von Atrial- 
epithel umwachsen: blindsackférmiges Lebercélom. 

Kiemenbildung gegeniiber Leberspitze—Leberspitze von Atrial- 
epithel nicht umwachsen: visceraler Langskanal und Verliingerungs- 
kanile. 

Auf die Linge der Leber zu diesem Zeitpunkte kommt es 
im Grunde gar nicht an; in Wirklichkeit ist sie aber durch die 


750 Eugen Burchardt, 


Forderung gegeben, da8 die Kiemenbildung das Niveau der Leber- 
spitze erreicht haben miisse. 

Unsere Ueberlegung fiihrt uns also zu dem Schluf, daf bei 
der Gegenwart eines visceralen Laingskanals und von Verlange- 
rungskanalen Leber und Kiemensack sich im Laufe des Wachs- 
tums aneinander verschoben haben miissen. Diesem Vorgange 
kénnten drei Méglichkeiten zu Grunde liegen, entweder eine aktive 
Retraktion der Leber oder ein Zusammenriicken der Kiemen nach 
vorn oder endlich ein ungleiches Wachstum beider Darmabschnitte. 

Dafiir, da’ die Leber vorn atrophisch werden kénne, scheinen 
Befunde zu sprechen, wie sie Serie I zeigt, in welcher der Célom- 
sack noch eine Strecke weit tiber die Leberspitze hinausragt und 
sich trotz praller Fillung betrachtlich verengt zeigt, doch ist die 
so entstehende letraktion der Leberspitze keine betrachtliche‘). 

Fiir die zweite Méglichkeit, namlich daf die Kiemenbogen 
mit den an ihnen befestigten Liaings- und Querkanilen infolge 
einer Verengerung der Kiemenspalten tiber die Spitze der Leber 
hinausgeriickt seien, kénnte vor allem die Angabe HATSCHERK’s (1892) 
geltend gemacht werden, daf die alten Kiemenspalten von den 
neuen ,,nach vorn zusammengedringt werden‘t. Wenn HATscHEK 
ein solches Vorriicken der Kiemen nur fir die larvalen Kiemen 
Geltung haben liefe, so kénnte ich diesem Vorgange eine gewisse 
Bedeutung nicht absprechen. Ob dies der Fall, vermag ich aus 
seiner Angabe nicht zu ersehen, denn er sagt nur, dal der Kiemen- 
korb bei der Metamorphose nach hinten verschoben werde, und 
dafi erst nach der Metamorphose die Verengerung der vorderen 
Kiemenspalten eintrete. Ich entsinne mich nicht, daf fiir die 
Larve derartige auf Messungen gestiitzte Beobachtungen vorliegen. 
Fiir die postlarvalen, tertiiren Kiemenspalten muf ich nach meinen 
Messungen ein derartiges Zusammengedringtwerden ablehnen. 
Nicht nur da zwischen der Weite der tertiiren Kiemenspalten 
und, wie ich hinzusetzen kann, der Dicke der Bogen in den ver- 
schiedenen Regionen desselben Tieres keine ausgesprochenen und 
regelmiikigen Unterschiede zu konstatieren sind — es finden sich 
selbst nicht selten mehr nach vorn etwas gréfere Make als in der 
Mitte und hinten — sondern auch bei verschieden grofen Tieren 
findet man bei Zahlung der Schnitte zwischen den Abgangsstellen 


1) Dieser Befund lat sich auch erklaren durch Schwund eines 
grékeren Célomapparates, eine Méglichkeit, die nicht so von der 
Hand zu weisen ist. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 751 


je zwei folgender Hauptkiemen aus der Mitte des Kiemenkorbes 
nur minimale Differenzen (1—2 Schnitte). Bei den vordersten 
Kiemenbogen wird die Messung allerdings etwas schwierig; es 
scheint aber, dafi in der That die allervordersten Kiemenlécher 
(Hauptlécher) um 10—15 uw enger sind als alle folgenden. Addiert 
man nun aber diese Differenzen zusammen, so findet man doch 
héchstens eine Verschiebung der bei der Larve im Niveau der 
Leberspitze gelegenen Kiemen um 11/, grofe Kiemenspalte. Ich 
habe aber Tiere angetrotien, bei denen die Leberspitze um 6 grofe 
Kiemenspalten hinter der vordersten Miindung des Verlingerungs- 
kanals nach hinten lag. 

Nach LANKESTER (1889) liegt das vordere Ende der Leber 
im 14. oder 15. Myotom. Obschon ich mit DELAGE und HEROUARD 
(1898) finde, dafi ihre Lage mehr variert, will ich mich doch, da 
ich genaue Bestimmungen nicht gemacht habe, an diese Angaben 
halten. Der Sphincter oris liegt nach LANKESTER und WILLEY 
(1890) im 10. Myotom. Nehmen wir an, dal, soweit vorn, 3 Haupt- 
spalten auf ein Myotom kommen, was eher zu viel sein mag, so 
kénoten vor der Leber nur 15 Hauptkiemen liegen, etwas mehr, 
als die larvalen betragen. 

Bei der Larve sind diese Verhaltnisse noch viel zu spérlich 
untersucht und wohl auch nicht immer mit der erforderlichen 
Genauigkeit wiedergegeben, um sichere Schliisse zu _ gestatten. 
Ich will mich deshalb an dieser Stelle nur auf folgendes_be- 
schranken. Die jiingste von KowALEvsKy (1867) in Fig. 40 ab- 
gebildete Larve mit eben angelegter Leber, bei welcher diese nach 
der Berechnung vAN WisHe’s (1889) im 13. Kérpersegment liegen 
soll, besitzt 12 Kiemenspalten, und die Spitze der Leber befindet 
sich ziemlich genau da, wo der Rand der 14. Spalte zu liegen 
kommen wiirde. Lassen wir hier alle larvalen Kiemenspalten sich 
etwas verengern, so wird immer nur eine geringe Verschiebung 
der 14. Kieme iiber die Leberspitze nach vorn die Folge sein. 

Wir miissen demnach zur Erklirung dieser Verlagerung auf 
die dritte Méglichkeit zuriickgreifen, namlich auf ungleiches Wachs- 
tum beider Darmabschnitte. Hierbei ist es nun nicht etwa er- 
forderlich, da% der eine Teil gar nicht nach vorn wachse und nur 
der andere, sondern nur da8 die Leber langsamer wachse als der 
Kiemendarm. 

Von der Leber wissen wir, dal sie an Lange zunimmt vor 
allem. durch Abspaltung an ihrem hinteren Ende, aber auch ein 


inneres Lingenwachstum, wie es tibrigens auch von Hammar (1898) 
Bd, XXXIV, N. F. XXVI. 49 


152 Eugen Burchardt, 


fiir wahrscheinlich gehalten wurde, ist nicht abzulehnen. Ein Be- 
fund, wie wir ihn im Tier der Serie X machen konnten, scheint 
mir eine solche Annahme geradezu zu erfordern. Da ich auf die 
Entstehung des parietalen Langskanals erst spater eingehen kann, 
moge hier die Serie X nur so weit herangezogen werden, als es 
die augenblickliche Diskussion erfordert. 

Wir sehen bei diesem Tiere den parietalen Langskanal sich weit 
vorn an das Célom der Bauchwand ansetzen, aber trotzdem die Leber 
noch tiber diesen Ansatz nach vorn hinausreichen. Dies spricht schon 
an sich dafiir, daf die Leber selbstandig nach vorn gewachsen sei. 
Noch mehr aber drangt zu dieser Annahme die Ueberlegung, daf auch 
der Ansatz des Parietalkanals mit der wachsenden K6érperwand 
ein gutes Stiick nach vorn geriickt sein mul; handelt es sich doch 
um ein Tier von reichlich 40 mm. Immerhin halte ich einen 
solchen betrachtlichen Zuwachs der Leber fiir eine Ausnahme. 

In der Hauptsache beruht die Verschiebung der Leber gegen 
den Kiemensack jedenfalls darauf, dafi letzterer als Ganzes rascher 
nach vorn riickt als die Leber. Denn da der einmal gebildete 
Kiemensack an Lange nicht gewinnt, weder durch Einschiebung 
von Kiemen, noch durch Verdickung der schon gebildeten Teile, 
bleibt nur iibrig, anzunehmen, daf fiir ihn eine besondere Wachs- 
tumszone zwischen letzter Kieme und Abgang der Leber gelegen 
ist. Méglicherweise gestattet diese Zone dem Kiemendarm, dem 
Zuge des vorderen Korperendes, mit dem er ja eng verbunden ist, 
nachzugeben, wahrend ein solcher Zug nach vorn der Leber selbst- 
verstandlich abgeht. 

Daf auch der viscerale Langs- und die Verlangerungskanale 
mit den Kiemen nach vorn gehen miissen, dafi die Querkanale 
sich dabei schrag nach vorn stellen werden, bedarf keiner weiteren 
Auseinandersetzung. 

Ich habe nun auch danach gesehen, ob die Wachstumszone 
vor dem Leberabgang an einer besonderen Haufung von Mitosen 
mu erkennen sei. Mitosen finden sich allerdings hier wie an 
anderen Stellen des Darmes, aber von einem besonderen Herde 
solcher an dieser Stelle habe ich doch, offen gesagt, nichts be- 
merkt. 

Es méchte wohl nicht iiberfliissig sein, darauf hinzuweisen, 
dal wir in den Verlangerungskanalen héchst wahrscheinlich den 
urspriinglichen Zustand nicht mehr vor uns haben. Schon bei 
Besprechung der Serie III habe ich gewisse Besonderheiten her- 
vorgehoben, die dieser Fall gegeniiber dem anderen Falle von Ver- 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 153 


langerungskanalen darbietet. Es ist dies einmal der quere Ver- 
lauf des Kanals unter dem Atrialepithel des mittleren Kiemenbogens 
Hk?, dann der vollige Abschluf dieses Stiickes gegen das Célom 
des Kiemenbogens, das jedoch noch am hinteren Rande mit einer 
deutlichen Spitze zu ihm hin ausgezogen ist. Diese Konfiguration 
weist unzweifelhaft auf einen friiher zwischen beiden bestandenen 
Zusammenhang, der ja auch selbstverstandlich einmal dagewesen 
sein muf. Jedenfalls lehrt uns dieser Befund, dal diese Célom- 
gange mit der Zeit Verainderungen unterworfen sind, und im Hin- 
blick hierauf scheint mir die wahrscheinlichste Erklarung dieser 
Kanale die zu sein, dafi auch sie friiher einen Langs- und Quer- 
kanal darstellten, welche letzteren jedoch, wahrscheinlich schon 
von Anfang sehr kurz, im Laufe der Entwickelung durch Schrum- 
pfung verloren gegangen sind. 

Ein Gebilde habe ich bisher nicht in den Kreis meiner Er- 
klarungsversuche gezogen, das, wie der geschichtliche Ueberblick 
gezeigt hat, in den Beobachtungen und Auffassungen friiherer 
Autoren eine grofe Rolle gespielt hat, das im visceralen Kanal 
verlaufende Gefaif. Ich sagte, daf es mir nur 2mal aufgestofen 
sei, beide Male in Form von perforierenden Gefafen. Diese in 
Serie II und IV wiedergegebenen Befunde vermag ich mir nur so 
zu erklaren, da die Leberspitze an einer Stelle im Verlauf des 
Langskanals mit der parietalen Célomwand desselben verwachsen 
und die Lebervene dann mit einem Zweige oder Zweigen des 
subatrialen Gefafnetzes in Kommunikation getreten ist. Beim Vor- 
wachsen des Célomkanais wird dann die Leberspitze hinter die 
Durchtrittsstelle der Vena perforans zu liegen kommen. Nach 
dieser Auffassung wiirde diesem Gefafe als einem rein accidentellen 
und fiir die Entwickelung des Célomkanals selbst durchaus gleich- 
giltigen Gebilde allerdings eine sehr untergeordnete Rolle zu- 
kommen. Auch die Seltenheit seines Vorkommens, 2mal bei 6 
oder 7 Liangskanalen, scheint hierfiir zu sprechen. 

Wenden wir uns jetzt zum parietalen Lingskanal. Von ee tehany | 
langerem und mehr longitudinalem oder ktirzerem und fast querem “éneskanals. 
Verlauf, einfach oder nach vorn in 2 selbst 3 Rohren geteilt, stets 
die Verbindung abgebend zwischen dem vorderen, wenn auch nicht 
immer vordersten, Ende des Lebercéloms und dem pleuralen 
Teile des subchordalen Céloms, ist dieser Kanal nie reiner Célom- 
kanal sondern stets Gefaftrager. Das Gefaf ist, wie uns eine 
gliickliche Serie (X) lehrte, eine Verbindung zwischen der Leber- 


vene und der rechten Genitalyene, eine vordere Vena communicans 
49 * 


754 Eugen Burchardt, 


accessoria. In allen Fallen war eine homogene Lamelle als Trager 
fiir dies GefafS wahrzunehmen, welche, von der Bauchwand zur 
Leber ziehend, fiir letztere ein wahres, wenn auch unvollstandiges 
Mesenterium abgab. Es ist dies nicht das einzige Mesenterium, 
das im Amphioxus vorkommt, denn soweit die Aorta einfach ist, 
bildet sie samt ihren Zweigen zum Darme ein Mesenterium fiir 
letzteren. Mit der Auffassung von DeLAGe und Hrrouarp (1898, 
p. 72) jedoch, nach welcher auch der Pharynx an einem Mes- 
enterium aufgehangt sei, vermag ich mich nicht zu befreunden. 

Suche ich fiir diese Verhaltnisse eine Erklarung, so muf ich 
hier, im Gegensatz zu dem visceralen Lingskannal, dem Verbin- 
dungsgefaf} in genetischer Beziehung die Hauptrolle zuweisen. Da- 
mit diese Gefafverbindung eintrete, ist es offenbar notwendig; 
daf die Leberspitze der Leibeswand eng anliege und da das 
Ektodermepithel der Kiemenhéhle sich noch nicht zwischen beide 
eingedrangt habe. Beide Bedingungen werden sich wahrscheinlich 
6fter finden als bei nur einem Drittel der Tiere+) aber nicht immer 
,zur Verwachsung zwischen Darm und Bauchwand fiihren. Ist eine 
solche aber einmal eingetreten, so verbindet sich die Lebervene 
mit einem Gefafe der Bauchwand, das in der Larve méglicher- 
weise noch nicht die Lage und Anordnung der Genitalvene hat, 
aber jedenfalls spater in sie aufgeht. Dieser Verbindung kommt 
dann in der Larve die wichtige Funktion zu, das Blut der Kérper- 
wand den Kiemengefafen zuzufiihren. Aber schon ihr Vorhanden- 
sein bei nur einem Teile der Tiere, ihre Einseitigkeit fiihren darauf, 
daf sie fiir diese Funktion nicht das HauptgefaB sein kann. An 
spaiterer Stelle werden wir sehen, dafi diese Vermutung durchaus 
gerechtfertigt ist. 

Es sei mir gestattet, hier beilaufig darauf hinzuweisen, da8 
das Vorkommen dieser Verbindungsvene von nicht geringem Wert 
ist fiir eine Frage, die in den letzten Jahren die Gemiiter wieder- 
holt erregt hat. Es ist dies die Frage, ob unser Amphioxus mit 
seinem dotterarmen Ei von Vorfahren abstamme, deren Ei mehr 
Dotter besessen habe. Das merkwirdige Auf und Nieder im 
Dottergehalt, welches die phyletische Reihe der Vertebraten dar- 
bietet, hat schon verschiedene Forscher dazu gefiihrt, diesen Ge- 
danken nicht von vornherein abzulehnen. Andererseits hat SaMASSA 
(1898) eine solche Annahme mit nicht geringer Entschiedenheit 
als ,eine ebenso unbegriindete wie tiberfliissige Hypothese“ zuriick- 


1) Siehe die auf S. 758 angefiihrte Bemerkung Kowateysxy’s. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 755 


gewiesen. Man wird Samassa zugeben miissen, daf diese An- 
nahme bis dahin etwas sehr Willkiirliches hatte. Wenn wir aber 
jetzt bei Amphioxus, zwar ausnahmsweise aber doch immerhin bei 
einem nicht unbedeutenden Bruchteile der Tiere, ein Gefif wie 
diese Vena communicans anterior finden, das in seinem anatomischen 
Zusammenhange so viel mit einer Dottervene ') gemein hat, dann 
gewinnt die Hypothese von dem gréferen Dottergehalt des Pro- 
amphioxus, der ja doch einmal existiert haben mu8, eine sehr reale 
Unterlage. Allerdings muff man, wenn dieser Vergleich tiberhaupt 
einen Sinn haben soll, den Amphioxus in ein wenn auch noch so 
entferntes, Verwandtschaftsverhaltnis zu den héheren Chordaten 
treten lassen und ihm nicht, wie Brearp (1890) sich ausdriickt, 
ansehen als ein ,,weed which has crept in the Vertebrate garden“. 
Im Gegenteil méchte ich sagen, dal er beinahe, aber zum Gliick 
noch nicht ganz, daraus hinausgekrochen ist — wenn das tiber- 
haupt méelich ist. Fiir mich — ich bemerke aber ausdriicklich, 
daf ich damit nur meine eigene Meinung ausspreche — ist die gegen- 
wiirtig nicht mehr ganz moderne Anschauung, dafi wir im Am- 
phioxus ein degeneriertes Wirbeltier von embryonalem oder, viel- 
leicht besser, larvalem Typus vor uns haben, noch lange nicht 
widerlegt. Ich werde sogar im Verlaufe dieser Mitteilungen noch 
einiges bringen kénnen, was fiir diese Anschauung  verwertet 
werden mag. 

Um nach dieser kleinen Abschweifung wieder auf den parietalen 
Langskanal zuriickzukommen, bliebe jetzt noch zu untersuchen, ob 
wir durch die Vena communicans anterior auch den Lingskanal 
zu erkliren vermégen. Dies macht nun keine Schwierigkeit. Be- 
denken wir, dai die Stelle der Kérperwand, an der sich die Vene 
ansetzt, mit dem fortschreitenden Wachstum des Tieres nach vorn 
riicken mu, so wird, wenn der Leber fiir gewéhnlich nur ein ge- 
ringes Eigenwachstum zukommt, ihre Spitze immer mehr hinter 
der Verwachsungsstelle zuriickbleiben miissen. Da das Verbin- 
dungsgefif immer intraperitoneal bleiben mul, so wird um die 
Vene ein besonderes, bestindig an Linge zunehmendes Célom- 
rohr gebildet, das den parietalen Teil des dorsalen Céloms mit 
dem der Leber verbindet. Daf es aber auch seltene Falle giebt, 
in denen das Liingswachstum der Kérperwand durch das Eigen- 


1) Die Idee, da die Lebervene als Vena omphalo-mesenterica 
aufgefakt werden kinne, hat schon Scunerpur (1879) gehabt; aber 
worauf er sich dabei stiitzte, ist mir nicht ersichtlich. 


756 Eugen Burchardt, 


wachstum der Leber kompensiert wird, geht aus dem in Serie X 
wiedergegebenen Befund hervor. Die Trennung des Liangskanals 
in mehrere Rohren deutet darauf hin, da’ auch hier das Célom 
regressiven Verinderungen unterworfen ist. 


Bis jetzt hatten wir aber erst einen Teil der Verhiltnisse er- 
klart, wie sie sich bei dem Vorhandensein des parietalen Langs- 
kanals darstellen. Wir sahen immer zugleich das Vorkommen 
von Querkanalen und in einem, méglicherweise sogar zweien der 
Fille — Serie VII und Serie IX — sogar das gleichzeitige Be- 
stehen eines visceralen Liingskanals. 

Zum Zustandekommen dieser ist offenbar erforderlich, da 
zur Zeit der ersten Anlage der Leber die Bauchhéhle so eng sei, 
da’ jene sowohl dem Kiemendarm wie der Bauchwand eng anliege. 
Hierbei muB8 sich das Atrialepithal natiirlich ebenso verhalten wie 
bei dem alleinigen Vorkommen von Querkaniilen oder von vis- 
ceralem Langskanal und Querkanilen. ; 


Nachdem ich so auf die Bedingungen hingewiesen habe, die 
zum Zustandekommen der Coélomkanale aller Wahrscheinlichkeit 
nach zusammentreffen miissen, will ich noch die in der Litteratur 
vorhandenen einschligigen Beobachtungen an der Larve zusammen- 
stellen. Leider wird sich dabei zeigen, daf sie viel zu sparlich 
und auch besonders in betreff des Zustandes der Kiemenhéhle zu 
wenig précis sind, um die von mir geschilderten Verhaltnisse zu 
erklaren. Vieles ist hierbei aus Abbildungen herauszulesen, die 
selbstverstandlich fiir Punkte, auf welche bei ihrer Herstellung die 
Aufmerksamkeit nicht gerichtet war, nur unsicheres Zeugnis ab- 
zulegen vermégen. Auch auf die offenbar nicht geringen Variationen 
die sich bei verschiedenen Tieren darbieten miissen, ist nicht ge- 
niigend geachtet worden. Eines aber wird sich aus dieser, ob- 
schon nicht umfangreichen, Uebersicht doch ersehen lassen, was 
fiir die hier in Frage stehenden Punkte von grofem Werte ist, da8 
nimlich die erste Anlage der Leber bei verschiedenen Tieren 
nicht auf demselben Stadium des Larvenlebens statthat. ,,There 
is no fixed stage, at which this occurs“ schlieSt Wii Ey (1891). 

Schon 1852 zeichnete Max ScHULTZE eine Larve mit 13 
Kiemenspalten und einer: Andeutung der 14., bei man der noch 
keine Spur von der Leber entdecken konnte. 


1858 beschrieben dann LeucKART und PAGENSTECHER (s. letz- 
teren auch 1859) Larven von 11/,—3‘‘, d. i. 3,4—6,8 mm, Linge 
von 11—17 Kiemenspalten, alle noch ohne Andeutung eines Blind- 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 757 


sackes. (Bei der letzteren Zahl ist wohl zu bedenken, da in ihr 
primaire und sekundare Spalten zusammengefaft sind). 

Die erste Zeichnung der Leberanlage finden wir in Kowa- 
LEVSKY’s beriihmter Arbeit vom Jahre 1867. Seine Fig. 40 zeigt 
eine Larve mit 12 primiren Kiemenspalten und einer kleinen 
Leberausstiilpung, die nach vAN WijHe’s Annahme (1881) in der 
Region des 13, Kérpersegments gelegen ist. Zu dieser Zeit aber 
besitzt die Larve nach LANKESTER und WILLeEy (1890) schon die 
vollen 61 Myotome. In einer etwas jiingeren Larve — wohl auf 
Fig. 37, nicht 38, wie KOWALEwSKY sagt, dargestellt — mit 12 
primaéren und 6 sekundiren Spaiten soll sich die erste Anlage 
der Leber als eine einfache Verdickung des Darmes ,,weit hinter 
den Kiemenspalten‘* zeigen. Diese Verdickung scheint mir in der 
Zeichnung im 12. Segment zu liegen. 

Rice (1880) zeichnet eine Larve von 1/,,‘, d. i. 1,6 mm, 
Lange mit 7 Kiemenbogen, bei der die Leber ,,is just forming“. 

Die besten Beobachtungen verdanken wir WiLLey (1891). 
Seine Figuren 7, 11, 13 und 16 zeigen 4 aufeinander folgende 
Entwickelungsstadien der Larve mit Blindsack. Fig. 7: eine 
Larve mit 13 primaren und 8 sekundiren Kiemenspalten. Die 
Leber ist eine kleine Ausstiilpung weit hinter der letzten Kiemen- 
spalte, wie es scheint im 16. oder 17. Segment gelegen. Ob die 
Kiemenhéhle schon geschlossen, ist nicht ersichtlich. — Fig. 11: 
9 primaire Kiemenspalten auf der linken Seite; die erste ist ge- 
schwunden, von der 11. oder 12. sind nur noch Reste da; das 
Atrium ist geschlossen; das Coecum, groler als in Fig. 7, liegt 
wohl im 17. und 18. Segment. — Fig. 13: Larve mit 10 primaren 
Kiemenspalten, die 1. ist geschwunden, die 9. klein, die 10. fast 
geschwunden; das kleine Atrium ist geschlossen. Trotzdem die 
Larve iilter ist, ist das Coecum bedeutend kleiner als in Fig. 11. 
Seine Lage ist im 19. Segment. — Fig. 16: noch altere Larve 
mit 9 linken primaren Spalten; Leber schon ziemlich grof, reicht 
vom 17. bis in das 14. oder selbst 13. Segment. Aus dieser Zu- 
sammenstellung geht hervor, da& Wi~ttey zu dem Schlusse be- 
rechtigt war, daf die erste Anlage der Leber nicht in einem scharf 
bestimmten Stadium auftrete. 

Hammar, der sich zuletzt (1898) mit der Entwickelung der 
Leber des Amphioxus eingehend beschaftigt hat und 4 Abbil- 
dungen von verschiedenen Stadien derselben giebt, kommt zu dem 
Schlu8, daf sowohl Abschniirung wie Eigenwachstum dabei be- 
teiligt seien und dai beide Faktoren in verschiedenen Fallen in 


158 Eugen Burchardt, 


verschiedenem Mabe dabei beteiligt sein kénnen, laft aber leider 
das Verhalten der Kiemenhohle vollig unberiicksichtigt. 

Im Hinblick auf die immerhin geringe Zahl von Beobachtungen, 
den Mangel an genauen Angaben iiber das Verhalten des Atrial- 
epithels zur Leber, das wohl auch nur auf Querschnitten zu be- 
urteilen sein wird, ist es kaum méglich, diese Angaben fiir die 
Entstehung der Célomkanéle zu verwerten. Dagegen mége noch 
auf eine wichtige Stelle in KOwaLevsky’s (1867) Arbeit hinge- 
wiesen werden, in der er sagt, da der Blindsack bei seinem 
Wachstum die Kérperwandung ausstiilpt ‘). 

Was das Atrium betrifft, so ist nach LANKESTER und 
WILLEY (1890) sein erstes Auftreten zu bemerken bei der Larve 
mit 9—10 Kiemenspalten. Die Ausbreitung der Kiemenhohle 
ist in ihren Einzelheiten jedoch noch nicht gentigend erforscht. 
So ist es unméglich richtig, wenn Mac Bripr (1898)2) sagt: ,,it 
must be remembered that as the dorsal limits of the atrial cavity 
are from the beginning coterminous with those of the gill-slits, 
the process might be more correctly described as a great relative 
growth of the ventral region of the pharynx and surrounding 
structures.“ Daf ein solches ventrales Wachstum der Kiemen- 
hohle statthat, ist gewi8 nicht zu leugnen, und es ist das Ver- 
dienst Mac Bripr’s, darauf hingewiesen zu haben. Dies kénnte 
aber auch nur fiir die vorderste Region des Kiemendarms gelten, 
soweit die larvalen Kiemen reichen. Von der Region an, wo die 
postlarvalen Kiemenlécher durchbrechen, und im besonderen von 
der Spitze der Leber ab, die bemerkenswerter Weise nie die 
larvalen Kiemen erreicht, ist der Vorgang sicherlich nicht mehr 
so einfach. Hier muff, darauf deutet schon das Vorkommen 
der yon mir beschriebenen Célomkanile hin, zu dem ventralen 
Wachstum der Kiemenhéhle auch ein dorsales hinzukommen. Ein 
solches ist aber nur denkbar durch ein wirkliches Einwachsen 


1) Von nicht geringem Interesse wiirde es sein, alle diese Ver- 
hiltnisse auch bei den anderen Arten von Branchiostoma zu unter- 
suchen, und das bei erwachsenen Tieren sowohl wie an der Larve. 
Daf hier Verschicdenheiten vorkommen werden, darauf lait schon 
die Angabe von AnpRews (1893) schliefen, dai bei einem Asym- 
metron Lucayanum von 6 mm bei dem Vorhandensein von 64 Myo- 
tomen und 22 Kiemenspalten doch noch kein Blindsack zu finden war. 

2) In einer neueren Arbeit (1900) kommt Mac Brine auf 
diesen Punkt zuriick; doch sehe ich in ihr keine Erschiitterung 
meiner obigen Darlegung; im Gegenteil. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 199 


des Atrialepithels in den Célomsack unter Bildung eines splanch- 
nischen und pleuralen Céloms, wie dies LANKESTER und WILLEY 
(1890) beschrieben haben. Wie nétig es ist, diese Untersuchungen 
wieder aufzunehmen, méchte wohl aus meinen Untersuchungen 
am erwachsenen Tiere hervorgehen. 


Ili. Die Septen und Venae communieantes. 


Das Auffinden der LANKESTER’schen Trichter — brown fun- 
‘nels — hat mir nicht geringe Schwierigkeiten gemacht. Doch 


bereue ich weder die Zeit noch die Miihe, die ich darauf verwandt 
habe, weil sie zur Entdeckung bisher unbekannter und dabei au8er- 
ordentlich wichtiger Gebilde gefiihrt haben. 

Was die Trichter angeht, so vermag ich der Beschreibung taysesrer- 
LANKESTER’s (1875 und 188%) nichts von Bedeutung zuzufiigen. ai 
Wihrend ich sie bei gréferen Tieren nie vermi&t habe, war es 
mir bei klemeren Tieren nur selten méglich, sie zu erkennen. 
Trotzdem bin ich weit entfernt, zu glauben, da’ sie hier fehlen. 

Bei grofken Tieren bieten die Trichter beider Seiten auffallende 
Unterschiede in der Gréfe, die trotz individueller Schwankungen, 
an die bei Amphioxus immer zu denken ist, eine gewisse Regel- 
mafigkeit erkennen lassen. Es ist stets der rechte Trichter, der 
der gréfere ist und dessen Spitze tiber den linken, selbst um ein 
Betrachtliches, hintiberragt. Die Folge hiervon ist, da’, wahrend 
der linke Trichter ganz im 27. Segment gelegen ist, der rechte 
selbst um die halbe Linge eines Segments in das 26. hineinragt. 
Uebrigens ist dies auch schon auf Lankesrer’s Abbildungen 1, 
Taf. 34 und 5, Taf. 85 vom Jahre 1889 zu erkennen. Zu dieser 
Ungleichheit beider Trichter kommt nun noch, da sie, auf den 
ersten Blick, an der Asymmetrie der beiden Kérperhalften nicht 
teilzunehmen scheinen. Nimmt man namlich ihre Basis dort an, 
wo die hintere Umwandung beider Trichter véllig geschlossen ist, 
so zeigt sich, daf diese fast auf derselben Querebene gelegen ist. 
Diese Ausnahme ist aber doch nur eine scheinbare, denn in Wirk- 
lichkeit laBt sich der Anfang des rechten Trichters noch weit 
hinter den linken verfolgen, bei grofen Tieren selbst bis um ein 
halbes Segment. Somit ist also auch der rechte Trichter mit den 
Segmenten der rechten Seite nach hinten verschoben, aber dafiir 
auch um so gréfer. Bei einem Tiere von 43 mm, von dem die 
Verhiltnisse dieser Teile auf Fig. 4, Taf. XIX, in der Lings- 


Die Septen. 


760 Kugen Burchard, 


richtung genau wiedergegeben sind, betrigt die Linge des rechten 
Trichters das Dreifache des linken. 

Ueber die Bedeutung dieser Gebilde ist es mir nicht gelungen 
zur Klarheit zu kommen, dies um so weniger, als ich nicht zu 
entscheiden vermochte, ob ihre Spitze wirklich durchbrochen ist. 

Das hinter den Trichtern gelegene Segment, das 28. also 4), 
besitzt in seinem anatomischen Bau Eigenheiten, die es vor allen 
— oder fast allen — anderen Segmenten im Bereiche der Bauch- 
und Kiemenhéhle auszeichnen. Nur in diesen ist das Besondere 
zu finden, nicht etwa in der duBeren Bedeckung, der Chorda, den 
Muskeln oder dem Nervensystem. 

Geht man von dem hinteren Bogen des linken Trichters 
schnittweise nach hinten, so trifft man auf eine Querscheidewand, 
die zwischen dem Darm und der Bauchwand ausgespannt ist. In 
dieser Region befinden wir uns zwischen der letzten Kiemenspalte 
nach vorn und dem Abgang der Leber nach hinten, demgemas 
haben wir auf Querschnitten vor uns: oben unter der Chorda den 
Oesophagus, unter ihm und etwas nach rechts die Leber, beide 
umhiillt noch von demselben Célomsack, der sich jedoch zwischen 
beiden Darmabschnitten schon einfaltet. Letztere sind natiirlich 
in der weiten Kiemenhohle gelegen. 

Von der auf’eren Wand des Célomsackes, aber nicht tiefer, 
als dem unteren Rande des Oesophagus entspricht, entspringt nun 
die Scheidewand, zieht quer nach aufen durch den oberen Teil 
der Kiemenhoéhle und setzt sich an die innere Kérperwand an. 
Ihr unterer Rand entspricht ungefahr der Grenze zwischen oberen 
und mittlerem Drittel der Kiemenhéhle und ist meist leicht nach 
oben konvex, was jedoch auch kiinstlich durch Schrumpfung her- 
vorgebracht sein mag. Im typischen Falle, wie er sich bei kleineren 
Tieren immer findet, reicht die Scheidewand ohne Unterbrechung 
hinauf bis unter die Aorta. 

Sie ist nun aber nicht rein quer gestellt, sondern ihr Ansatz- 
punkt an der Bauchwand liegt immer vor dem Ansatz an den 
Darm oder, genauer gesagt, das Darmcélom. Betrachtet man die 
Schnitte in der Reihenfolee von vorn nach hinten, so trifft man 
also zuerst auf einen der Bauchwand anliegenden Durchschnitt 
des Septum, dann auf einen frei zwischen Bauchwand und Darm 
herabhiingenden Durchschnitt, der sich in den folgenden Schnitten 


1) In einigen Tieren aber auch das 29. und so- 
gar noch einige folgende Segmente. 


Beitriage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 761 


immer mehr dem Darmcédlom nahert und endlich mit ihm ver- 
schmilzt. 

Bei kleinen Tieren ist das Septum in dieser Weise nur itiber 
wenige Schnitte zu verfolgen, bei grofen Tieren dagegen tiber eine 
recht bedeutende Zahl von Schnitten. Es kommt nun hinzu, dal 
der Ansatzpunkt des Septum an die Bauchwand noch nicht seiner 
vorderen Grenze entspricht, vielmehr sieht man es als eine schmale 
Leiste an der Bauchwand noch weiter nach vorn und zugleich 
nach unten und zwar bis zu dem vorderen Pole einer Gonade her- 
abziehen. 

Dieser schmale, nach innen natiirlich von Atrialepithel be- 
deckte Schenkel tritt sogar noch auf die Gonade iiber, indem er, 
ausstrahlend, vornehmlich deren innere Flache, aber immerhin nur 
in einem kleinen Bereiche, iiberzieht. 

Rechnet man, wie man es ja muf, den vorderen Anfang des 
Septum dort, wo es zuerst im Bereich der Gonade zu erkennen 
ist, so lift es sich bis zu seinem inneren Ansatz auf so vielen 
Schnitten verfolgen, als einem halben Segmente entspricht, d. h. 
bei einem Amphioxus von 40 mm Lange auf ungefahr 30 Schnitten. 

Es mag auffallig erscheinen, da’ es méglich sein solle, den 
schmalen Bogen so weit nach vorn und unten zu verfolgen; diese 
Moglichkeit beruht auf der besonderen histologischen Struktur des 
Septum, worauf aber hier, um die Schilderung der gréberen 
anatomischen Verhaltnisse nicht zu unterbrechen, noch nicht ein- 
gegangen werden kann. Nur darauf sei schon hier hingewiesen, 
daB das Septum, da es in die Kiemenhdéhle hineinragt, selbst- 
verstiindlich auf seiner vorderen und hinteren Flache von Atrial- 
epithel bedeckt ist. 

Betrachten wir jetzt die rechte Seite, so finden wir hier 
ein gleiches Septum, nur mit dem Unterschied, daB es weiter nach 
hinten gelegen ist als das linke. Zahlt man die Schnitte, so er- 
giebt sich eine Verlagerung um ein halbes Segment. Bei einem 
kleinen Tiere ist dies natiirlich nicht viel, und ist das Stiick obenein 
noch schlecht orientiert gewesen, so kann die scheinbare Ver- 
schiebung nur wenige Schnitte betragen. Bei einem grofen Tiere 
aber, bei dem das Orientieren des Sttickes sich auch viel genauer 
und ein kleiner dabei entstandener Fehler sich auSerdem durch 
Berechnung ausgleichen aft, ist die Verlagerung des rechten 
Septum hinter das linke recht in die Augen springend. 

Lange Zeit war ich in dem Glauben befangen, diese beiden 
Septen seien die einzigen, die sich im erwachsenen Amphioxus 


762 Eugen Burchardt, 


finden. Erst bei wiederholter Durchsicht meiner Praiparate kam 
ich darauf, da8 hinter ihnen auf jeder Seite noch ein zweites *) 
Septum gelegen ist. Dieses hintere Septum findet sich jederseits 
ein volles Segment hinter dem vorderen. Im iibrigen entspricht 
seine Anordnung in allem dem vorderen; es zieht also auch, mit 
einem schmalen Schenkel vorn und unten beginnend, an der 
Bauchwand hinauf, um schrég nach innen zum Darmcoélom tiber- 
zutreten. Mit seinem vordersten unteren Ende tritt es auf den 
hinteren Pol derselben Gonade, an deren vorderen Pol sich das 
vordere Septum ansetzt, indem es sich besonders auf deren duerer 
Flache, aber auch nur sehr unvollkommen, platt ausbreitet. 

Demnach findet sich bei Amphioxus auf jeder Seite eine 
Kammer ?), die dem 28. Segment entspricht, aber unvollkommen 
ist, da sie nur ungefahr das obere Drittel der Kiemenhoéhle ab- 
erenzt. Kine jede dieser unvollkommenen Kammern ist  schrag 
von vorn und aufen nach innen und hinten gerichtet. Die duvere 
Wand bildet die Atrialbekleidung der inneren gewélbten Bauch- 
wand, die innere Wand wird von der Atrialbekleidung des Oeso- 
phaguscéloms gebildet. Vorn wird sie begrenzt von der hinteren 
Flache des vorderen, hinten von der vorderen Flache des hinteren 
Septums. Es sind also Kammern in der Kiemenhéhle, in welche 
sie sich unten weit 6ffmen. An der Asymmetrie der, beiden 
Koérperhalften nehmen auch sie teil. 

Dies ist die typische Anordnung beim erwachsenen Amphioxus. 
Denken wir uns jetzt in die Zeit der Larve zurtick, bevor die 
Kiemenhéhle eingewachsen ist, so miissen, da eine Neubildung 
dieser Septen in spaterer Zeit auszuschliefen ist, die Septen so- 
wohl wie die von ihnen begrenzten Kammern schon _ existiert 
haben und zwar als Célom- oder, genauer gesagt, Splanchnocdl- 
kammern. Mit der jetzt herrschenden Ansicht, daf die Zwischen- 
winde des Splanchnocdls alle schon friih resorbiert werden, steht 
dieser Befund am erwachsenen Tiere offenbar in einem unléslichen 
Widerspruch. Diese Ansicht mu8, das zeigen die anatomischen 
Thatsachen, falsch sein. Bei erneuter Untersuchung der Larve 
muf es sich zeigen, daS zu einer Zeit, da schon alle anderen 
Septen geschwunden sind, die dem 28.*) Segment entsprechenden, 


1) In einigen Tieren sogar noch mehr. 

2) In selteneren Fallen mehr als eine. Diese hin- 
teren Kammern sind aber fast immer sehr flach und 
oft nur gerade angedeutet. 

3) In einigen Fallen auch dem 29. und noch einigen 
folgenden Segmenten. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 763 


sei es nun vollkommen oder nur zum Teil, doch noch vorhanden 
sind. Leicht wird es nicht sein, diese zarten Gebilde an der 
Larve oder schon am Embryo zu erkennen. Nicht im Besitze des 
Materials und verhindert, auf Reisen zu gehen, um mir solches zu 
sammeln, habe ich zu meinem Bedauern auf diese Untersuchung 
verzichten miissen. 

So interessant nun diese Septen als anatomische Befunde im 
erwachsenen Amphioxus und noch mehr vielleicht als Riickweis 
auf friihe entwickelungsgeschichtliche Vorginge auch sein mégen, 
in physiologischer Hinsicht sind sie jedenfalls von sehr unter- 
geordneter Bedeutung. Dies lat sich nun aber nicht sagen von 
den Venen, die mit diesen Septen, d. h. mit einigen von ihnen, 
im engsten anatomischen Zusammenhange stehen. 

Wir haben auf jeder Seite 2 Septen!), aber nur 1 Vene?”), und 
diese verlauft immer im unteren freien Rande eines Septums. 
Das Bemerkenswerte ist nun, daf die linke Vene stets im vorderen 
Septum, die rechte fiir gewéhnlich im hinteren Septum verliuft. 
Das letztere ist sicher das Typische, denn bei 7 daraufhin unter- 
suchten Tieren verhielt es sich so in 5. Bei 2 jedoch war auch 
die rechte Vene im vorderen Septum zu finden. 

Wohin ziehen nun diese Gefafe? Bei grofen, geschlechtsreifen 
Tieren ist dies nicht schwer zu entscheiden, und das aus einem 
leichtbegreiflichen Grunde. Diese Venen bilden die Verbindung 
zwischen den Genitalvenen und der Vena hepatica. Dement- 
sprechend sind sie bei geschlechtsreifen Tieren, minnlichen wie 
weiblichen, bei denen cer Blutzuflu8 zu den Keimdriisen, ganz wie 
bei den héheren Chordaten, ein betrachtlicher ist, entsprechend 
weit und meist prall mit Blut gefiillt (s. Fig. 6, 7 u. 8, Taf. XIX). 
Bei dem noch nicht geschlechtsreifen Amphioxus dagegen sind 
sie, wie vorauszuschen, sehr schmal und nur ausnahmsweise bis 
zu den Geschlechtsdriisen zu verfolgen; doch auch hier ist mir dies 


1) In einigen Tieren mekr als 2. 

2) In einem noch nach Abschluf dieser Arbeit untersuchten 
Tiere yon 38 mm Lange fanden sich bemerkenswerter Weise, neben 
einer rechten, zwei linke Venae communicantes, Beide sind 
grobe Gefafe. Jedoch miindet die vordere nicht direkt in die 
Lebervene, sondern sie ergieft sich in die hintere Communicans, 
und erst die Vereinigung beider miindet in die Vena hepatica. 
Man kénnte hiernach daran denken, ob nicht etwa urspriinglich 
alle Septen ein Gefaf fiihrten. Es ist leicht, diese Frage aufzu- 
werfen, sehr schwer aber, sie zu beantworten. 


Venae com- 


municantes. 


Fig. 2, 
Tafel XIX, 


764 Eugen Burchardt, 


in einem Falle gelungen. Nach dem Befunde bei diesem Tiere 
zu urteilen, liegt der Ursprung dieser Venae communicantes 
zwischen 2 Gonaden. Bei grofen Tieren, bei denen die prallen 
Gonaden sich beriihren, ja einander selbst, wenigstens am ge- 
harteten Tiere, einander etwas tiberlagern, ist der Abgang aus 
dem Intervall zwischen 2 Driisen nicht deutlich. Hier scheinen 
sie vielmehr an einer Stelle im Bereiche der Gonade selbst ab- 
zugehen. Sie ziehen dann schraég nach hinten tiber die Keim- 
driise, in raschem Aufstieg nach oben. Hierbei liegt die Vene 
in dem auferen, der Kiemenhohle anliegenden Blatte des Gonotoms, 
von den eigenen, im inneren Blatte gelegenen Venen der Driise 
durch einen besonders am Hoden deutlichen Spalt getrennt. Von 
dem oberen Rande der Gonade an halt sich die Communicans 
immer an das Septum. Sie steigt also zuerst in dem schmalen 
Schenkel an der inneren Bauchwand nach oben und hinten auf 
und zieht dann im unteren freien Rande des Septum hintiber zum 
Darm. Hierbei tritt sie zuerst unter die auBere Wand des Darm- 
céloms und zieht dann durch die enge Bauchhéhle zum Plexus 
der Lebervene, wo sich die rechte an einen rechts, die linke an 
einen mehr links gelegenen Zweig desselben ansetzt. 

Im Vergleich zur rechten Communicans, deren Lauf immer 
ein mehr direkter ist, ist die linke stets mehr gewunden und 
linger. Bei einem grofen Tiere ist dieser Langsunterschied sogar 
sehr bedeutend. Der Grund hierfiir ist nicht weit zu suchen. 
Wahrend die rechte Vene die auf der dorsalen Kante der Leber 
hinziehende Lebervene noch diesseits der Mittellinie erreicht, muf 
die linke Vena communicans tiber die Mittellinie hinwegziehen. 
Dabei biegt sie dann, sobald sie das Darmcélom erreicht hat, von 
der bisher eingeschlagenen Richtung ab, um, nach vorn abgeknickt, 
im auferen Blatte des Céloms eine Strecke weit nach vorn und 
nach innen zu ziehen, wobei sie die unten am Oesophagus liegende 
Kiemenarterie umkreist. 

Fig. 2 auf Taf. XIX stellt die Venae communicantes mit den 
zugehérigen Septen bei einem Amphioxus von 16 mm Lange dar. 
Da sie aus 24 Schnitten kombiniert werden multe, ist sie nattir- 
lich nur sehr schematisch, dies auch insofern, als ich des besseren 
Verstandnisses halber die Communicantes von den Genitalvenen 
iiber den Gonaden habe abgehen lassen. Oben neben dem Oeso- 
phagus sehen wir die beiden unvollstiindigen Septen, dann die 
beiden Venae communicantes in ihrem ganzen Laufe von den 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 765 


Genitalvenen bis zur Lebervene und erkennen die grofere Lange 
der linken Vene. 

Von dieser typischen Anordnung der Septen und Venen 
kommen nun Abweichungen vor. Auf eine derselben, den aus- 
nahmsweisen Verlauf der rechten Vena communicans im vorderen 
Septum, habe ich schon hingewiesen. Es giebt aber noch andere 
Abweichungen vom normalen Bau, die ich fast nur auf der linken 
Seite und immer nur bei den gré$ten Tieren gesehen habe. 

Dies ist erstens das Durchbrochensein der Septen. Die an 
sich schon so unvollkommene Scheidewand wird noch unvoll- 
kommener durch das Bestehen einer mehr oder weniger grofen 
Liicke in ihr. Es findet sich dann nur der untere Rand, der 
selbst bis auf einen schmalen Streifen reduziert sein kann. Als 
solcher tritt er dann mit dem hintersten Auslaufer des LANKESTER- 
schen Trichters in Verbindung. Auch am vorderen rechten Sep- 
tum habe ich dies einmal gesehen'). Eine Erklairung fiir diese 
Redaktion des Septums zu geben, ist mir nicht méglich. 

Dagegen ist die Entstehung einer anderen, zuerst allerdings 
etwas tiberraschenden, Abweichung schon klarer. Hier sehen wir 
nicht nur das vordere linke Septum durchbrochen, sondern auch 
die Vena communicans ganz frei, véllig getrennt von dem Septum- 
rest durch die Kiemenhéhle ziehen, natiirlich vom Kiemenhohlen- 
epithel allseitig umkleidet. Die letzte Strecke der Vene, in der 
sie, wie oben angegeben, in der auferen Wand des Darmcdloms, 
nach vorn abgelenkt, zur Lebervene zieht, ist hier auffallend grof 
und ebenso der durch die Kiemenhoéhle ziehende Teil sehr lang 
und ausnehmend stark nach hinten gerichtet. Dies ist offenbar 
die Folge eines Zustandes, der auf der Zeichnung — Fig. 3, 
Taf. XIX — nicht zum Ausdruck kommt. Bei diesem grofen 
Tiere ist namlich die Kiemenbildung schon so weit nach hinten 
fortgeschritten, daf die letzte linke Kiemenspalte schon im Be- 
reich der Vena communicans gelegen ist, da, wo letztere die 
Kiemenhoéhle durchquert. So ist die Vene von den sich neubilden- 
den Kiemen offenbar nach hinten verschoben und selbst ganz von 
dem Septum abgelést worden. 

Auf der rechten Seite habe ich dieses Verhalten nie ge- 
funden; ist aber obige Erklarung richtig, so wird es bei noch 
groferen Tieren — und es soll ja deren bis 80 mm geben — 
wohl auch rechts anzutreffen sein. Da Amphioxus lanceolatus 


1) Von diesem Tiere stammen die Figg. 6 und 7 auf Taf. XIX. 


Fig. 3, 
Tafel XIX, 


766 Eugen Burchardt, 


61 Myotome und 25—26 Gonaden besitzt, deren letzte vor dem 
im 34. Segment befindlichen Porus abdominalis gelegen ist, so 
finden sich die Venae communicantes etwas vor der Mitte des 
K6rpers, aber weit hinter der Mitte der Gonadenreihen. Ihre 
Miindung in die Genitalvenen wird ungefihr auf der Grenze 
zwischen hinterem und mittlerem Drittel liegen'). Obschon die 
hier beschriebenen Septen und Venen bisher unbekannt_ sind, 
finden sich doch in der Litteratur einige sehr interessante An- 
gaben, die sich auf sie beziehen lassen. 

Ohne Zweifel sind sie am lebenden Tiere schon von Jou. 
MULLER 1842 gesehen. In den Figuren 2 und 3 seiner Tafel III 
sind hinten am Leberanfang einige Strange gezeichnet, die von 
dort nach oben und seitlich ausstrahlen, von denen es in der Tafel- 
erklarung heift: ,,Strange von unbekannter Bedeutung‘ und ,,andere 
Strange zur Seite der Speiseréhre von unbekannter Bedeutung“ ?). 


1) Roipw’s (1876) ,,Driise“ an der Trennungsstelle von Darm und 
Leber ist nichts anderes als der Durchschnitt der Vena communicans. 

2) Die in Fig. 1 und 2 mit m bezeichneten Strange 
wufte ich zuerst nicht zu deuten. Die Tafelerklarung 
sagt: ,Mehrere Strange, welche unter der Chorda 
hervortreten und nach abwarts verlaufen, sichtbar 
bis an den Rand der Seitenmuskeln, von unbekannter 
Bedeutung.“ Sollten vielleicht in Ausnahmefallen 
noch Reste von anderen Septen erhalten sein? Diese 
Vermutung hat sich inzwischen bestatigt. Ich habe 
noch nach Abschlu& der Arbeit einige Tiere unter- 
sucht. Bei einem derselben von 388mm Lange fanden 
sich 3 Septenpaare, beide Venen verlaufen im  vordersten 
Septum, die linke sehr grok, die rechte sehr klein. Bei dem 
zweiten Tiere, von 42mm Lange, fanden sichrechts 9, 
links 7 Septen. Die meisten derselben sind sehr 
reduziert, besonders fehlt ihnen, mit Ausnahme von 
einem, der Vorhang. Nach unten reichen einige bis 
auf die a4ufere Flache der Gonade. Im aufSeren Célom- 
blatt ziehen sie immer eine mehr weniger grofe 
Strecke nach vorn, einige auerdem noch etwas nach 
hinten. Ihre Richtung ist insofern von edier der 
beiden vorderen Septen abweichend, als sie mehr 
direkt nach oben an der inneren Bauchwand auf- 
steigen. Es ist sehr moiglich, dafS ich derartige 
Septenreste an den friiheren Tieren tibersehen habe, 
denn an kleineren Tieren sind sie aufgerordentlich 
schwer zu erkennen. Jedenfalls wird durch sie die 
Zeichnung Jon. Mirume’s vollkommen erkliart: die 
,»Miutuer’schen Streifen“ sind bindegewebige Septen- 
rudimente. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 767 


Obgleich beide Male nur 3 Strange gezeichnet sind, kann 
dennoch kein Zweifel bestehen, da sie die freien Rander der 
(vorderen) Septen darstellen, die bei der Betrachtung des lebenden 
Tieres von der Seite allein sichtbar sein werden. Daf nur 
3 Septen auf diese Weise zur Anschauung kommen werden, ist 
leicht verstindlich, wenn man bedenkt, wie die Septen der oberen 
Seite das eine Septum der Gegenseite nur zu leicht verdecken 
mégen'). Es ware sicherlich interessant, diese Beobachtung am 
lebenden Tiere zu wiederholen, wobei besonders auch auf das 
Divergieren der MUuuer’schen Streifen und der Myosepten zu 
achten sein wird. 

Ob eine Angabe von Sriepa (1873) hierher zu rechnen ist, 
méchte bei ihrer Unbestimmtheit etwas unsicher sein; jedenfalls 
mag der Gerechtigkeit wegen auf sie hingewiesen sein. Seite 31 
heift es: ,,Dem hinteren Abschnitt des Kiemensackes entsprechend, 
schiebt sich rechts zwischen den Sack‘ — den sich Strep be- 
kanntlich nicht von Kiemenspalten durchbrochen dachte — ,,und 
die Leibeswand der Blinddarm, links eine Abtheilung der Keim- 
driise. Deshalb verwachst hier der Kiemensack, einestheils mit der 
Keimdriise, andererseits mit der Wand des Blinddarmes.‘ Dies 
laft sich so deuten, da Srrepa das linke Septum gesehen habe. 

Wichtiger ist eine Angabe GEGENBAUR’S in seinen Grundziigen 
der vergleichenden Anatomie (1870, 8. 824). Sie lautet: ,,Das 
aus dem Kdrperkreislaufe riickkehrende Blut sammelt sich in 
einem tiber dem als Leber erscheinenden Blinddarm verlaufenden 
Venenstamm, welcher sich in den subbranchialen Arterienstamm 
fortsetzt.* Kein Zweifel, daB diese, wenn auch etwas sehr kurze, 
Angabe den wirklichen Verhaltnissen entspricht, aber wie GEGEN- 
BAUR dazu gekommen ist, das ist mir ein Ratsel. 

Nach den vorhergehenden anatomischen Erérterungen muf egtateraivenen. 
als sicher gelten, dal die Venae communicantes die Bahnen fiir 
das aus den Geschlechtsdriisen zuriickkehrende Blut darstellen, 
Es laft sich aber ferner beweisen, daf ihre Bedeutung damit nicht 
erschépft ist. Um dies zu zeigen, mul ich auf die Angaben 
friiherer Untersucher zurtickgehen, die die Genitalvene nicht blof 
auf Schnitten, sondern auch auf Gesamtbildern der Bauchwand am 
lebenden und toten Tiere beobachten konnten. 


1) Méglicherweise hat aber Jon. Mituer ein Tier vor sich 
gehabt mit 3 Venae communicantes, einer rechten und zwei linken, 
wie ich dies selbst einmal gesehen und oben erwahnt habe. 


Bd, XXXIV N, F. XXVIL 50 


768 Eugen Burchardt, 


Schon von Jon. Mittuer 1842 als an der inneren Bauch- 
wand fortlaufende Faden gesehen, wurde ihre Gefafnatur zuerst 
von WitH. MtLurr 1875 erkannt, wenigstens im Bereiche der 
Gonaden. Im folgenden Jahre wurden sie von LANGERHANS noch 
genauer beschrieben, der in ihnen arterielle Gefafe erblickte, eine 
Auffassung, die merkwiirdigerweise noch von WituEy 1894 geteilt 
wird, der obendrein ihr konstantes Vorkommen bezweifelt. LANGER- 
HANS verdanken wir die Beobachtung ihrer Verzweigungen auf 
den Keimdriisen, besonders den Hoden, und die Kenntnis eines 
wichtigen Astes derselben, der sich in jedem Segment zu den 
Kérpermuskeln begiebt. Das Vorkommen des letzteren wurde 
dann von SCHNEIDER 1879 bestatigt. Obschon ich selbst an meinen 
Schnitten vergebens nach ihm gesucht habe, zweifele ich doch 
keinen Augenblick an seinem Vorkommen. 

Somit haben wir in der Lateralvene das abfiihrende Gefaf 
zu sehen nicht nur fiir die Geschlechtsdriisen, sondern auch fiir 
die Seitenmuskeln, ja wahrscheinlich fiir die K6érperwand iiber- 
haupt. Bedenken wir, dafi noch 1898 DrLaGe und HERovARD 
in ihrer Beschreibung des Amphioxus, wohl der besten, die wir 
gegenwirtig besitzen, von dieser Vene sagen: ,,Mais on ne sait 
ni ol se jette cette veine, ni d’ot vient le sang qui se rend aux 
glandes —‘‘, so werden wir zugeben miissen, dali wir hiermit doch 
schon etwas weiter gekommen sind. 

Ich glaube aber noch weiter gehen zu kénnen und, wenn 
auch nicht mit absoluter Sicherheit, so doch mit groBer Wahr- 
scheinlichkeit auch den Weg bestimmen zu kénnen, welchen die 


zuleitenden Gefife zu den Muskeln und den Gonaden ein- 
schlagen. mm 


Arteriae pa- Es giebt eine Arterie, die in jedem Segment von der Aorta 
tamericae. abgeht, also ausgesprochen metamer ist und welche, wie ihr Ent- 
decker ScHNEIDER (1879) richtig hervorgehoben hat, an dem 
inneren Rande des intermuskularen Ligaments unter dem Kiemen- 
epithel herablauft. Merkwiirdigerweise wird diese wichtige Arterie, 
deren Vorkommen iibrigens von Weiss (1890) am lebenden Tiere 
bestitigt worden ist, von fast allen neueren Autoren tibergangen; 
nur PERRIER (1899, S. 2150) beschreibt sie, wie folgt: ,,Les deux 
aortes épibranchiales donnent encore des vaisseaux aux muscles 
du corps et 4 la face interne de cette paroi au-dessous de lépi- 
thélium. Ces derniers se jettent ensuite de chaque coté dans un 
vaisseau longitudinal, qui est situé sous la tunique atriale, a la 
face interne des épipleures. Ce vaisseau est surtout bien visible 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 769 


chez les individus dont les gonades ne sont pas mires.’ Dieses 
Lingsgefif ist die Genital- oder Lateralvene. 

Diese Arterien, die als Arteriae metamericae parietales be- 
zeichnet werden mégen — mit dem Zusatz ,,inferiores‘‘ — da, 
wie SCHNEIDER richtig (1879, S. 29) angiebt, auch ein dorsaler 
Ast existiert 1) — habe ich wiederholt auf Schnitten, wenn auch 
nicht bis an die Gonaden, so doch bis dicht oberhalb derselben 
verfolgen kénnen. Fiir ihren Eintritt in die Gonade giebt es nur 
eine mogliche Stelle, d. i. der am hinteren Pole befindliche Stiel 
derselben, mit dem sie an die innere Bauchfascie befestigt ist. 
Es ist nicht richtig, wenn LeGros (1895) die Keimdriise nur an 
ihrer inneren, atrialen Seite, dort wo ihre Sammelvene in die 
Lateralvene tibertritt, fixiert sein lift. Der hintere Stiel la8t sich 
an geschlechtsreifen sowohl wie noch unreifen Tieren erkennen. 
Bei letzteren habe ich wiederholt die birnfoérmigen Driisen, wahr- 
scheinlich Hoden, offenbar infolge des Hartens, in der Weise zer- 
rissen gesehen, dafi der gréBere Teil der Driise dem inneren sub- 
atrialen Blatte anlag, wahrend der kleine Stiel auSen an der 
inneren Bauchwand hing, und das an einer ganzen Reihe von 
Driisen. 

Hiernach ist der Blutlauf in der Bauchwand und den Gonaden 
héchst wahrscheinlich folgender: aus den Aorten in die Arteriae 
metamericae inferiores, durch Muskeln und Gonaden — bei diesen 
vom hinteren Stiel zur inneren Wand — in die Lateralvenen, und 
durch die Venae communicantes zur Vena hepatica. 

Da die Venae communicantes in das innere GefaSsystem an 
einer Stelle einmiinden, die sich vor dem offenbar erst durch 
Degeneration verlorenen Herzen befindet, so lassen sie sich ohne 
Zwang bei diesem embryonalen oder larvalen Tiere auch als 
Ductus Cuvieri auffassen ”), 


1) Sogar 2, soweit die Aorta doppelt ist. 

2) Es mag daran erinnert sein, dai dicht unter dem Peritoneum 
verlaufende Lateralvenen von Parxer bei einem Hai _ beschrieben 
sind. ,On the Blood-Vessels of Mustelus Antarcticus: a Contri- 
bution to the Morphology of the Vascular System in the Vertebrate.“ 
Phil. Transact. Roy. Soc. London, 1886, Vol. 177, p. 685 und in 
zwei Mitteilungen in New Zealand Instit. Transact., 1881 und 1883, 
welche letzteren mir nicht zugianglich waren. Diese Venen sollen 
hinten ineinander tibergehen, worauf vielleicht auch bei Amphioxus 
za achten wire. S. auch WiepersuEim, Grundrif der vergleichenden 
Anatomie der Wirbeltiere, Jena 1898, S. 370. 


50* 


770 Eugen Burchardt, 


Es ware auferordentlich interessant, diese Venen auch bei 
den Asymmetron-Arten aufzusuchen, bei denen infolge des nur 
einseitigen Vorhandenseins der Gonaden aller Voraussicht nach 
die rechte Communicans im geschlechtsreifen Tiere bedeutend 
machtiger sein wird als die linke, die nur das Blut der Kérperwand 
zuriickzufiihren hat. 


IV. Das Bindegewebe. 


Dieses Kapitel steht im engsten Zusammenhang mit dem vor- 
hergehenden, denn es handelt sich in ihm im Grunde um nichts 
anderes, als die Beschreibung des histologischen Baues der Septen. 
Wenn ich vorausschicke, dafi unter Bindegewebe hier echte faserige 
und kernhaltige Bindesubstanz mesodermaler Abkunft verstanden 
sein soll, so wird jedem, der in der Litteratur des Amphioxus 
nur einigermafen bewandert ist, die Behandlung dieses Punktes 
in einem besonderen Abschnitte berechtigt erscheinen. Abgesehen 
von der Stellung des Amphioxus tiberhaupt, giebt es kaum einen 
Punkt in der Anatomie dieses Tieres, tiber den die Ansichten der 
Autoren so auseinandergingen. 

Ricuarp Hertwic hebt in seinem Lehrbuch der Zoologie 
(1897; S. 493) ,,den ganzlichen Mangel der Bindesubstanzen“ in 
erhabener Schrift hervor. 

DeLAGE und Hs&rovuarp (1898, S. 79) sprechen sich nicht 
weniger entschieden aus: ,,les systemes conjonctifs et méme mus- 
culaires se forment aux dépens de diverticules mésodermiques du 
péritoine qui ont au début et conservent toujours une disposition 
épithéliale réguliére.“ 

LANKESTER (1889 a) beschreibt zwar 3 Arten von ,,connective 
tissue’, laft aber doch die Zellkerne sein ,,always arranged in 
simple layers“ (S. 394). 

Die Zahl der Forscher, die das Vorkommen von echtem Binde- 
gewebe bei Amphioxus leugnen, liefe sich leicht vermehren, aber 
interessanter sind die Angaben derjenigen, welche sein Vorkommen 
an bestimmten Stellen behaupten. 

Der Fund Rotpn’s (1876) von ,,verflochtenen kernhaltigen 
leicht farbbaren Bindegewebsfasern‘ in den Kiemen und dem Endo- 
styl wird heute wohl allgemein als irrtiimlich angesehen. 

In der Haut ist dagegen echtes Bindegewebe wiederholt und 
bis in die neueste Zeit beschrieben worden. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 771 


LANGERHANS (1876) fand eine ,,eigentliche Bindehaut, bestehend 
aus einer mit Fibrillen und reich verdastelten Bindegewebskoérper- 
chen versehenen Lage von Bindegewebe“. 

Desgleichen sah SpENGEL (1891) Bindegewebe in der Cutis- 
gallerte der Haut mit 2 Arten von Zellen, gréferen durchaus un- 
verkennbaren Zellen und kleinen Zellen, von denen nur die Kerne 
sichtbar seien. 

Perrier (1899) beschreibt in der Haut eine ,,couche con- 
jonctive, parsemée de nombreux noyaux, bien visibles surtout chez 
les jeunes individus.“ 

Ich mu mich den Forschern anschliefien, die, wie REICHERT 
(1870), Ropes (1876), Scunermer (1879), HarscHeK (1888), in 
der Haut Bindegewebe nicht gefunden haben. Die Kerne, die in 
ihr in dichten Streifen zu sehen sind, gehéren, wie RotpH und 
HATScHEK mit Recht hervorgehoben haben, Nerven an. 

Die Angabe Strepa’s (1873) von einer bindegewebigen kern- 
haltigen Hiille um Ovarien und Hoden, wie der Befund eben- 
solcher Septen in den Hoden von seiten Winn. MULLER’s werden 
wohl heute allgemein als falsch angesehen. 

Dagegen kénnten die bekannten Narben in den Ovarien wohl 
vls Bindegewebe angesprochen werden, allerdings nicht als faseriges, 
denn Fibrillen habe ich darin nicht entdecken kénnen, sondern 
als rein zelliges. Da es in der Litteratur an einer Abbildung der- 
selben fehlt, habe ich eine solche Narbe in Fig. 5, Taf. XIX bei 
360facher Vergréferung méglichst getreu wiedergegeben. 

Eine solche Narbe ist, wie man sieht, ziemlich dick und zeigt 
auf ihrer inneren Flaiche meist einen engen Spalt, der auf dem 
Querschnitt die Ovarialflache gleichsam aus 2 Lippen bestehen 
labt. Auf dem Querschnitt lassen sich 2, wenn man will, selbst 
3 Schichten unterscheiden, von denen die oberste, eine einfache 
Lage kleiner, platter Atrialzellen nur mit Miihe in der Kontinuitat 
nachzuweisen ist. Darunter folgt eine mehrfache Lage entweder 
runder Zellen oder spindelf6rmiger, die auf dem Querschnitte als 
runde imponieren. Bei dem fast konstanten Vorhandensein eines 
Kernes in ihnen, méchte ich die erstere Auffassung fiir die wahr- 
scheinlichere halten, aber die Angabe friiherer Untersucher, dab 
bei der Flaichenansicht die Narbe strahlig nach einem centralen 
Punkte zusammenlaufe, spricht eher fiir die zweite Auffassung. 
Die innerste, breiteste Lage wird von ausgesprochen spindligen, 
aber gleichfalls sehr kleinen Zellen gebildet, welche an der Peripherie 
in die besonders von LEGROs (1895) schén beschriebene einschich- 


Fig. 5, 
Tafel XIX, 


72 Eugen Burchardt, 


tige Zellenlage der hier miteinander verwachsenen beiden Gonotom- 
blatter tibergehen. Eine solche Narbe besteht demnach aus em- 
bryonalem reinzelligen Bindegewebe, von dem es sehr zweifelhaft 
ist, ob es je zur Faserbildung fiihrt. 

GEGENBAUR (1898, 8. 192, 199, 221) schlie&t aus dem Vor- 
kommen von Zellen, oder, wie ich sagen wiirde, Kernen in den 
von der Chordascheide ausstrahlenden Septen, dafi bei Amphioxus 
die Bildung zellen- oder kernhaltigen Bindegewebes auf der Ein- 
wanderung von Epithelien in die yon ihnen ausgeschiedene Grund- 
membran beruht. 

Daf bei Cranioten das erste Bindegewebe in friihester Em- 
bryonalzeit auf diese Weise entsteht, ist tiber allen Zweifel, ob 
aber gerade bei Amphioxus diesen Zellen wirklich die Bedeutung 
von Lindegewebszellen zukommt, méchte ich sehr bezweifeln. 

Wenn man bei Amphioxus eine grofe Zahl von Segmenten 
auf das Vorkommen dieser Kerne untersucht, so wird man finden, 
da solche mit grofer Regelmifigkeit in einem jeden Segment 
und auferdem an ganz bestimmten Stellen vorkommen'). Diese 
Orte sind die daufere Chordascheide, dann die beiden dicken, jeder- 
seits unterhalb der Chorda hinziehenden Lingsbalken faserigen 
Gewebes und endlich eine gewisse Strecke der unteren Muskel- 
septen, ungefahr auf der Héhe des unteren Viertels bis Drittels 
der Chorda. 

Gerade diese Oertlichkeiten sind es aber, an denen man Ge- 
fabe findet und zwar Zweige der Aorta oder der beiden Aorten. 
Merkwiirdigerweise ist das Studium der Gefae des Amphioxus, 
obschon es wegen seiner grofen und durch unsere verbesserte 
Technik noch nicht tiberwundenen Schwierigkeiten doch einen ge- 
wissen Reiz hat, in der neuesten Zeit mehr vernachlassigt worden, 
als in friiheren Jahren. 

Diese Gleichgiltigkeit geht so weit, daf von guten friiheren 
Untersuchern angegebene Gefife in sonst vortrefflichen modernen 
Beschreibungen mit keiner Silbe erwahnt werden. Es sind das 
alles Arterien, die direkt aus der oder den Aorten entspringen 
und die zu kennen durchaus nétig ist, wenn man sich von dem 
Gefifsystem des Amphioxus iiberhaupt einen Begriff machen will. 

In jedem K6rpersegment entspringt jederseits direkt aus der 


1) Sehr mit Unrecht sagt auch JosmpH in seiner neuesten 
Arbeit (1900), daf Bindegewebskerne in den Bogenbasen der Wirbel- 
siule ,ausnahmsweise“ vorkommen. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 173 


Aorta eine ventrale Arterie, die schon oben erwahnte Arteria 
metamerica ventralis, ferner eine oder zwei dorsale Arterien, eine 
soweit die Aorta einfach, zwei wo sie doppelt ist: Arteriae meta- 
mericae dorsales. Die dorsalen Arterien gehen ein Stiick kopf- 
warts von der ventralen ab. 

Die innere dorsalis sendet Querdiste zur Aorta der anderen 
Seite und scheint sich im iibrigen, soweit sich dies beurteilen labt, 
in den grofen Lingsbalken unterhalb der Chorda aufzulésen. 

Die ‘fufere, schon von ScHNEIDER 1879 beschrieben, ein ganz 
bedeutendes GefiB, zieht schrag nach oben und hinten, um in 
zwei grifere Aeste zu zerfallen, von denen der innere direkt in 
der ‘uSeren Chordascheide aufsteigt, wihrend der aufere in 
schrigem Zuge nach oben und aufen in das untere Muskelseptum 
eintritt. Oft genug lait sich das Lumen dieser Arterie eine gute 
Strecke in das Septum hinein verfolgen. In diesem Falle finden 
sich immer einige GefaSkerne parallel zur Oberfliche des Muskel- 
septum, aber hier und da findet man auch einen quer dazu gestellt. 

Es ist nichts Ueberraschendes, daf{ man hier auch Gefaifkerne 
sieht, ohne, bei zusammengefallener Wandung, das GefaB als 
solches erkennen zu kénnen. Ks ist aber sehr bezeichnend, daf 
sich an allen diesen Orten Kerne nur da finden, wo man in jedem 
Metamer eines dieser Gefife zu vermuten hat. So ist es z. B. 
gar nicht selten, in einem Muskelseptum noch Kerne zu sehen in 
der Richtung einer an ihrem Eintritt in das Septum ganz deutlichen 
Arterie. 

Da diese Kerne also regelmafig in jedem Metamer und immer 
im Zuge der Arterie anzutrefien sind, und da es mir ferner nicht 
gelungen ist, an anderen Stellen derartige Kerne zu finden, glaube 
ich sie alle fiir GefaSkerne anprechen zu miissen'). Ich vermag 
mich deshalb der Ansicht GreGeNBAuR’s nicht anzuschlieSen. 


1) In den dicken subchordalen Lingsbalken verlaufen dickere 
gewundene Fasern, welche von der Chordascheide auszugehen 
scheinen und die mit ihr das gemein haben, daf sie Carmin noch 
zurickhalten, selbst wenn der iibrige Faserfilz entfairbt ist. Be- 
merkenswert ist aber ferner an ihnen, und was zu Tauschungen 
mit Kernen Veranlassung geben kann, da nur eine diinne Rinden- 
schicht die Farbe behalt, wihrend das Innere villig entfarbt ist. 
Daher imponieren auf den ersten Blick die rundlich-ovalen Durch- 
schnitte dieser Fasern als Kerne. Diese Verwechslung 1laft sich 
jedoch vermeiden, wenn man darauf achtet, dai immer mehrere 
solcher farbigen Ringe bei einander liegen, und daf sich, wenigstens 
bei einigen von ihnen, der eine in den anderen in welligem Ver- 
laufe verfolgen laft. 


Histologi- 


scher Bau der 


Septen.. 


774 Eugen Burchardt, 


Ebenso widersprechend wie die histelogischen sind die Er- 
gebnisse der chemischen Untersuchung. Bekanntlich haben zwei 
der bedeutendsten Chemiker auf diesem Gebiet den Amphioxus auf 
leimgebendes Gewebe untersucht, HoppE-SEYLER (1877) und KRUKEN- 
BERG (1881), der erstere mit negativem, der letztere mit positivem 
Erfolge. 

Eine Angabe ist bis jetzt nicht erwahnt, das ist die von 
SCHNEIDER (1879, 8. 4), der echtes Bindegewebe an einer ganz 
besonderen Stelle fand. Diese Beobachtung ist derartig wichtig, 
dafi sie im ganzen wiedergegeben sein mag. ,,Die fibrillare Sub- 
stanz kommt in mehreren Modifikationen vor: 1) als echtes Binde- 
gewebe. Diese Modifikation ist die am geringsten vertretene. Sie 
findet sich in einer spiter zu beschreibenden Weise in der Um- 
grenzung des Blutraumes der Myocommata. Sie besteht aus ver- 
haltnismafig starken Strangen, welche in der Gallertsubstanz ein- 
gebettet liegen. In Karminammoniak farben sie sich tief rot, in 
kalter verdiinnter Essigsiure quellen sie auf und entfarben sich‘. 
» Vem jetzt wohl allgemein anerkannten Satz, dal das Bindegewebe 
aus Zellen, Grundsubstanz und Fibrillen besteht, fiigen sich auch 
die Beobachtungen, die wir hier vom Amphioxus mitgeteilt haben.‘ 

Was hier ScHNEIDER von dem Vorkommen echten Binde- 
gewebes sagt, ist richtig, aber einerseits zu sehr verallgemeinert 
und auf der anderen Seite wieder zu eng gefaft. Bindegewebe 
findet sich an der inneren Wand einiger Myocommata, aber 
nicht aller; ferner findet es sich, da, wo es vorkommt, nicht 
nur an der inneren Bauchwand und nicht nur in der Nachbar- 
schaft der GefaiBe, sondern auch entfernt davon. Der Ort seines 
Vorkommens Jat sich scharf umschreiben: es sind die Septen 
und nur diese. Nirgends sonst habe ich Bindegewebe angetrotten. 

Um dies niaher auszufiihren, mu’ ich auf den histologischen 
Bau der Septen eingehen. Ich werde hierbei des leichteren Ver- 
stiindnisses wegen unterscheiden den frei durch die Kiemenhéhle 
ziehenden Teil der Septen, den Vorhang, und den an der Bauch- 
wand herabziehenden Schenkel. 

Die Querschnitte des Vorhanges zeigen ihn auf beiden Lings- 
seiten und dem unteren Rande bekleidet von einer einfachen Lage 
groferer Zellen mit grofen Kernen, den Zellen der Kiemenhdohle. 
Diese umschliefen bei kleinen Tieren eine diinne, fast homogene 
und strukturlose Schicht, die in den Venen tragenden Septen am 
unteren Rande verbreitert ist und hier ein Lumen zeigt, das der 
Vene. Kerne sind in dieser homogenen Platte auferordentlich 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 775 


selten, von einer epithelialen Anordnung von Kernen unter dem 
Atrialepithel ist fiir gewohnlich nichts zu sehen'). Hdéchstens sind 
oberhalb des Gefiflumens noch einige sehr kleine Liicken zu er- 
kennen. 

Theoretisch, seiner wahrscheinlichen Entstehungsweise nach, 
konstruiert, miiite ein solches Septum eine grofe Zahl von Schichten 
aufweisen, nimlich aufer den 2 Atrialschichten noch 4 Célom- 
platten, von denen die innersten beiden einen, allerdings nur vir- 
tuellen, Blastocélraum einschliefien, in welchem in den venentragen- 
den Septen das GefaS liegt. Y 

Von allen diesen postulierten Célomschichten ist bis auf einige 
sehr spirliche Kerne und wenige kleine Liicken in der fast 
homogenen Mittelschicht nichts zu sehen. Bei kleinen Tieren 
nimmt aber gerade diese Schicht die Farbe sehr begierig auf, so 
daS méglicherweise einige Kerne dadurch verdeckt sein mégen. 

Je gréfer nun das Tier wird, um so zahlreicher werden die 
Liicken und zugleich sehr ungleich an GréBe und zwischen ihnen 
— vielleicht auch wandstindig in ihnen, denn das laft sich nicht 
immer unterscheiden — sieht man einige spirliche Kerne. Erst 
bei einem einigermafen grofen Tiere, einem solchen z. B. von 
30 mm, wird das Bild eines solchen Durchschnittes leicht zu 
deuten. Die Figg. 6, 7 und 8 auf Taf. XIX stammen von einem 
Amphioxus von reichlich 40 mm, bei dem beide Septen schon durch- 
brochen waren. Alle zeigen den Durchschnitt einer Vena com- 
municans; Fig. 6 und 7 stammen von demselben Tiere, erstere 
von der rechten, letztere von der linken Seite desselben. Fig. 8a 
und b sind Durchschnitte derselben, frei gewordenen, linken Vena 
communicans eines zweiten Tieres, a nahe am Darmcélom, b 16 
Schnitte von a entfernt nach au8en. 

Fig. 6 zeigt die sehr schrag durchschnittene Vene, wie sie 
eben von der rechten Bauchwand abtritt. Der Stiel, durch den 
das Gefaf noch mit der Bauchwand zusammenhinet, ist der auberste 
Teil des an diesem Tier durchbrochenen Vorhangs. Er ist dorsal 
und ventral, ebenso wie der mediale schrige Anschnitt nach innen 


1) Bei einem Amphioxus von 38 mm fand sich im linken vorderen, 
nicht durchbrochenen, Septum ein sehr weiter Célomkanal, der das 
Darmcélom mit dem subchordalen Célom verband. Auferdem ver- 
lief mit der losgelésten Vena communicans ein kleiner Septumkanal, 
der vor der Ablésung ein Teil des grofen Célomkanals gewesen 
sein mu’. Der Bau der Septen variiert auferordentlich besonders 
bei gréferen Tieren. 


Fig. 6, 
Tafel XIX, 


776 Hugen Burchardt, 


vom Gefaiflumen, deutlich von Atrialepithel bekleidet. Unter diesem 
liegt eine Schicht langsgetroffener, eher dicker Fasern, die sich 
sparlich teilen und durch seltene Auslaufer hier und da ineinander 
iibergehen. Den Fasern sind langliche Kerne aufgelagert; ein be- 
sonderer Zellkérper um die Kerne ist nirgends zu erkennep, was 
um so bemerkenswerter ist, als in demselben Schnitte die Zellen 
des benachbarten Darmcéloms in Folge ihrer braunen Farbung 
meist recht deutlich sind. Dieses faserige Bindegewebe zieht dann 
noch etwas an der inneren Bauchwand in die Héhe und ferner 
nach abwarts, wovon spater mehr. 

Tafel XX. In Fig. 7, Taf. XIX, einem Querschnitt der linken Seite des- 
selben Tieres, haben wir die auBere Wand des Darmcéloms vor 
uns. Links liegt das Célomblatt, rechts die fortlaufende Schicht 
des Atrialepithels und zwischen ihnen zwei Gefafdurchschnitte, beide 
von derselben Vene, die hier etwas aufsteigt und eine Schlinge 
bildet. Der untere Durchschnitt zeigt das Gefa8 sehr schrag ge- 
troffen. 

Jetzt bitte ich die retikulire Masse ins Auge zu fassen, die ~ 
beiden Gefafdurchschnitten in einem Teile ihres unteren Umfanges 
anliegt. Machtiger am oberen als am unteren GefafSdurchschnitt 
zeigt sie an beiden Stellen dieselbe Struktur eines aus feinen 
Fasern gebildeten Netzes. Wir erkennen in demselben einige 
dickere Fasern, die, unter bestandiger allseitiger Verastelung 
immer zarter werdend, in das Netzwerk aufgehen. Einige ver- 
haltnismafig dunkel gefairbte Kerne, dunkler als die Reihe der 
links gelegenen Célomkerne, sind darin verteilt. Auch um diese 
Kerne die, im Priparate deutlicher als in der Figur, je einer 
feinen Faser anliegen, ist von Zellkérper nichts zu sehen. Ver- 
foleen wir jetzt die dickeren Wurzelfasern nach ihrem Ursprung 
zuriick, so sehen wir sie, oben wie unten, aus der homogenen 
Grundlamelle des Célomblattes ihren Ursprung nehmen. Dies ist 
besonders auffallig am unteren Durchschnitt, wo sich das Célom- 
blatt nach aufen zum Gefaif hin einfaltet, um dieses dann als 
eine diinne strukturlose Lage oder in der Form des feinen kern- 
haltigen Bindegewebsnetzes zu tiberziehen. Das letztere giebt, so- 
weit es das Gefaf begleitet, fiir dieses geradezu eine Art von 
Polster ab, welches, wie der obere Durchschnitt zeigt, stellenweise 
sogar recht dick sein kann. 

Die einspringende Célomfalte, die Dicke der homogenen Grund- 
lamelle mit dem zum Célom hin gerichteten Spalt darin, deuten 
darauf hin, daf hier eine Verklebung zweier Célomblatter unter 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 7717 


Obliteration der Célomhéhle stattgefunden hat. Da nun die Ge- 
fafe, wie DELAGE und HeErouarpD (1889) mit Recht hervorheben, 
immer im Blastocél, also auSerhalb des Céoloms gelegen sind, so 
nimmt das Bindegewebspolster den Platz der friiheren Célomhoéhle 
ein. Das Bindegewebe ist hier offenbar entstanden aus den beiden 
miteinander verklebten Célomblattern, indem das Protoplasma 
ihrer Epithelien in Bindegewebsfibrillen aufging und deren Kerne 
unter Veranderung ihrer chemischen Konstitution, zu den Binde- 
gewebskernen wurden. Derselbe Prozef mul auch der Bildung 
des gréberen in Fig. 6 abgebildeten Bindegewebes zu Grunde ge- 
legen haben. 

Wahrend Fig. 6 den Vorhang an seinem Ansatz an die Bauch- "8; $4". 
wand, Fig. 7 seinen Ansatz an das Darmcélom zeigt, geben die 
Bilder 8a und b Querschnitte aus seiner Mitte. Sie sind besonders 
wertvoll, weil sie den Entstehungsmodus des Bindegewebes aus 
dem Colom aufer allen Zweifel stellen. Sie stammen, wie ich schon 
friiher sagte, von einem etwas tiber 40 mm grofen Amphioxus, 
bei dem die linke, hier dargestellte, Vena communicans, offenbar 
infolge der weit nach hinten fortgeschrittenen Kiemenbildung, vdllig 
abgelést war. Sie zieht frei durch die Kiemenhéhle, demgemaf 
sehen wir sie allseitig von Atrialepithel umkleidet. Im unteren 
Quadranten findet sich auf beiden Figuren, besonders deutlich in 
a, etwas Bindegewebe zwischen Gefa8 und Atrialepithel. AuBer- 
dem sehen wir in beiden Figuren den Querschnitt eines gleich falls septumkanal. 
zwischen Atrialepithel und Gefa$ gelegenen Kanals, dessen Wand 
viele Kerne aufweist. Im Verhaltnis zur Vene ist er klein. Dieser 
Kanal laft sich in den Schnitten mit jeder nur wiinschenswerten 
Deutlichkeit verfolgen, nach innen links in das Darmcélom, nach 
aufen rechts in das subcbordale Célom. Es ist also ein Célom- 
kanal, der die Vene spiralig umkreist und welcher den Rest der 
urspriinglichen beiden Célomkammern darstellt, zwischen deren 
Wandungen das Gefaif gelegen war. In diesem Falle ist es klar, 
daf das Bindegewebe nur aus der Verklebung der beiden Célom- 
wainde unter Obliteration der Célomhéhle entstanden sein kann. 

Der Teil des Vorhangs oberhalb der Vene zeigt, wie die 
nicht Venen fiihrenden Septen, weder das grobfaserige noch das 
fein retikulierte Bindegewebe, sondern ein grobmaschig retikuliertes, 
mit grofen Saftliicken und spérlichen Kernen. Je weiter aber 
die Reduktion des Vorhangs fortschreitet, um so feiner wird das 
bindegewebige Netzwerk. Die Reste der nicht Venen tragenden 
Vorhainge kiénnen aus nichts weiter bestehen als aus einem schmalen, 


778 Eugen Burchardt, 


von der Bauchwand dicht unter der Chorda zum Célom hintiber- 
fiihrenden Bogen solchen feinnetzigen Bindegewebes. 

In dem Praparat, in dem sich die linke Communicans vollig 
frei gemacht hat, findet sich tiber ihr noch ein besonderer strang- 
formiger Rest des Vorhangs, der von festem langsfaserigen Binde- 
gewebe gebildet wird und einerseits in den hintersten Bogen des 
LANKESTER’schen Trichters, andererseits auf die Bauchwand tiber- 
geht. An dieser zieht er sowohl nach oben wie nach unten, um 
in letzterer Richtung mit der im absteigenden Septumschenkel 
verlaufenden Vene zusammenzutreffen *). 

In dem zur Gonade absteigenden Schenkel findet sich das 
Bindegewebe in Form des langsfaserigen, wie in Fig. 6, nur liegen 
die Fasern eng aneinander, so da man den Eindruck eines festen 
Bindegewebsstranges erhalt, von dem iibrigens bei gréferen Tieren 
in den venenfreien Schenkeln nur noch Reste in Gestalt dicker, 
gegen die Kiemenhoéhle einspringender Knépfe erhalten sein kénnen. 
Auch auf die Gonade tritt der bindegewebige Schenkel tiber, um 
sich auf ihren Flachen platt auszubreiten, wie ich dies schon an 
friiherer Stelle beschrieben habe ”). 

Wir sehen also, dafi Bindegewebe im Amphioxus in zwei 
Modifikationen auftritt, als lingsstreifiges, grobfaseriges, eher. 
kernreiches und als retikulares kernarmes. Ein Vergleich der 
Kernverhaltnisse legt den Gedanken nahe, daf bei der Bildung 
des retikulierten Bindegewebes zum wenigsten keine Zunahme der 
Kerne statthat, wahrend der Kernreichtum in dem grobfaserigen 
Bindegewebe *) auf eine Zunahme der Kerne schliefen labt. Diese 
scheint, nach einigen Bildern zu urteilen, hier auf dem Wege der 
direkten Kernzerschniirung vor sich zu gehen. Die Fibrillen sind 
sowohl interstitiellen, wie plasmatischen Ursprungs. Dal das 


1) Dargestellt in dem Gesamtbild Fig. 3 auf Taf. XIX. 

2) In den auf das zweite Septenpaar folgenden, 
immer sehr reduzierten Septen findet sich das 
Bindegewebe in derselben Weise, fest langsfaserig, 
jedoch eher kernarm, im Schenkel, retikuliert in 
dem unter der Chorda zum Darmcdélom iibersetzenden 
schmalen Bogen. Bemerkenswerterweise lauft 
dieses retikulierte Bindegewebe in den hintersten 
Septen im &AuSeren Blatte des Darmcéloms immer 
eine Strecke weit nach vorn, wahrscheinlich infolge 
des nach hinten gerichteten Wachstums der Splan- 
chnocélkammern. 

3) Wenigstens in den yorderen Septen. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. cat’) 


Bindegewebe bei Amphioxus rein mesodermaler Herkunft ist, mége 
im Hinblick auf neuere Mitteilungen von der Bildung desselben 
aus dem Ektoderm (s. LuNpBorG, ,Studien tiber die Beteiligung 
des Ektoderms an der Bildung des Mesenchym bei niederen 
Vertebraten“’, Morpholog. Jahrb., Bd. 27, 1899, S. 243) noch be- 
sonders betont sein. 

Als ich Bindegewebe zuerst in der Nachbarschaft der grofen 
Venen antraf, drangte sich mir der Gedanke auf, daf die GefaBe 
in irgend einer Weise die Ursache der bindegewebsbildung sein 
miiften. Der Befund von Bindegewebe an Orten fern von jed- 
wedem Gefaif, sein Fehlen ferner an einem gro8en gleichfalls im 
Célom gelegenen Gefab, wie wir dies an der vorderen Vena com- 
municans accessoria konstatieren konnten, lassen die Idee eines 
solchen causalen Zusammenhanges zuriickweisen. Nicht einmal 
die polsterformige Anhaufung des retikularen Bindegewebes an 
den Venen lift sich auf deren Einflu8 zuriickfiihren, denn gleiche 
Polster sind in den gefaffreien rudimentaren, hinter dem zweiten 
Septenpaare gelegenen Septen im auSeren Blatte des Darmcéloms 
regelmabig zu finden. 

Die Entstehung des Bindegewebes +) ist demnach bei Amphioxus, 
aus unerkliarlichen Griinden, rein regionaér und ganz allein an die 
Septen gebunden, den wenigen Ueberresten der zahlreichen em- 
bryonalen und frihlarvalen Splanchnocélkammern. Sklerotom und 
Myotom bilden auch in den septentragenden Segmenten kein 
Bindegewebe. 

Ein rein epitheliales Tier kann man demnach den Amphioxus 
nicht nennen. Die Fahigkeit, Bindegewebe zu bilden, kommt ihm 
noch jetzt zu. Wenn sie in so beschrankter Ausdehnung zur 
Geltung kommt, so vermag ich dies nur durch Degeneration zu 
erkliren. Ich halte an der Anschauung fest, nach der wir in 
Amphioxus einen niederen degenerierten Chordaten von larvalem 
Typus zu sehen haben. 


V. Branchiocystis amphioxi, ein Coccidium im Epithel der 
Kiemenbogen. 


Parasiten sind bis jetzt bei Amphioxus auffallend selten beob- 
achtet worden. Von der haufiger in der Kiemenhéhle zu findenden 


1) Méglicherweise kommt die Auffassung dieses Bindegewebes 
als Narbengewebe der Wahrheit am niachsten. 


Tafel XIX, 
Fig. 9—11 
u. Tafel XX, 
Fig. 1—9. 


780 Eugen Burchardt, 


Ciliate abgesehen, deren parasitaire Natur mir nicht tiber allen 
Zweifel erhaben erscheint, ist nur noch von PoLLArD (1893) ein 
in den Zellen des Darmes schmarotzendes Sporozoon beschrieben 
worden, das nach Lappé (1896) wahrscheinlich nicht, wie sein 
Entdecker meinte, zu den Coccidien, sondern zu den Gregarinen 
zu stellen ist. Ich will deshalb etwas ausfihrlicher und an der 
Hand einer gré8eren Zahl von Abbildungen einen Zellparasiten 
beschreiben, der mir alle Charaktere eines Coccidium zu besitzen 
scheint. 

Dieses Coccidium, die Branchiocystis amphioxi, hat 
seinen Sitz in den Zellen der Kiemenbogen und zwar ausschliel- 
lich in den langen schmalen Geifelzellen, welche die breiten Quer- 
flachen der Bogen bekleiden. Unter Hunderten von Cysten, die 
ich in meinen Praparaten zu sehen Gelegenheit hatte, ist es mir 
auch nicht einmal in der Epibranchialrinne oder dem Endostyl 
oder den inneren Wimperleisten aufgestoBen. Nur einmal habe 
ich es im Epithel der Kiemenhéhle gesehen, aber auch hier ist 
es wahrscheinlich erst sekundaér durch Verdrangung hineingelangt 

Der Parasit befallt den Kiemenbogen nicht gleichmafig in seiner 
ganzen Hohe; schon seltener im obersten Abschnitt desselben, ist 
er mir nur einmal dicht oberhalb des Endostyls sitzend aufgestoBen. 

Noch bemerkenswerter ist aber, daf nicht alle Kiemenbogen 
in gleicher Weise von diesem Parasiten befallen werden, sondern 
die Kiemen einer ganz umschriebenen Region geradezu einen 
Lieblingssitz fiir ihn abzugeben scheinen. Es sind dies diejenigen 
Bogen, welche in der Hohe der Leberspitze gelegen sind. 

Jedem, der diesen Parasiten aufsuchen will, méchte ich raten, 
dieser Region zuerst seine Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

In den vordersten Bogen habe ich ihn tiberhaupt nicht ge- 
funden. Von dem Niveau der Leberspitze nach hinten nehmen 
die Cysten oft in auffalliger Weise an Zahl ab; doch finden sich 
vereinzelte Exemplare bis weit nach hinten. Eine Pradilektion 
fiir eine Seite besteht nicht. 

Dieses Coccidium habe ich an meinem Material immer in der 
Form von Cysten, diese aber in den verschiedensten Stadien ihrer 
Entwickelung gesehen. Sie sind im Verhaltnis zu ihren Wirts- 
zellen sehr grof, rund oder oval, dies letztere jedoch seltener. 
Die runden messen 11—12 w im Durchmesser, die ovalen un- 
gefahbr 14 w:10 uw. Dafiir, daB die ovalen Cysten regelmafig 
einen friiheren oder einen spiteren Zustand darstellen, habe ich 
keinen Anhalt. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 781 


Die Cystenmembran ist, ebenso wie die von den Zellen ge- 
lieferte, auSerordentlich zart; nur in den friiheren Stadien sind 
beide zugleich deutlich. 

Die verschiedenen Stadien fortschreitender Entwickelung der 2,9. 

Cyste mégen jetzt an Abbildungen erlaéutert werden. In Fig. 9, 
Taf. XIX sehen wir einen grofen, unregelmakig ovalen, plasma- 
tischen Kérper von ausgesprochen granulaérer Beschaffenheit; eine 
feine Membran liegt ihm eng an; ein Kern ist in ihm nicht zu 
erblicken. Seiner Gréfe entsprechend wird die ihn enthaltende 
Vacuole nicht von einer, sondern von einer ganzen Anzahl von 
Zellen gebildet, deren Kerne der iiuferen Membran dicht anliegen. 
Dieses Verhaltnis kommt fast in allen Figuren zum Ausdruck, oft 
in recht auffalliger Weise, indem einzelne Kerne tiber die Ober- 
fliche des Kiemenbogens hinausgehoben sein kénnen, wie in Fig. 5, 
Taf. XX. 

Fig. 10 zeigt gleichfalls einen ovalen, granulierten, von dop- ,f8- 2°. 
pelter Cystenhaut umschlossenen Plasmakérper, der hier in Form 
eines hellen, an der Peripherie gelegenen Blaschens die Ab- 
scheidung von Fliissigkeit erkennen aft, die der Bildung der 
Sporoblasten vorhergeht. In ihm das Polkérperchen zu sehen, 
moéchte wohl etwas gewagt sein. 

Kin encystierter und granulierter, aber runder Plasmakorper 4&1. 
ist in Fig. 11 wiedergegeben, gleichfalls ohne Andeutung eines 
Kernes, denn der links gelegene dunkle Kern ist der der Wirts- 
zelle, wahrend der rechte helle Kern zum Kiemenepithel gehdrt. 
Obschon diese Cyste im Niveau des Kiemenepithels gelegen ist, 
beweist doch das nach rechts verdringte Pigment die Zugehdérig- 
keit der Wirtszelle zur Wand der Kiemenspalte. 

Kine Cyste mit ganz homogenem Inhalt zeigt die rechte Seite ,{% $y 
des in Fig. 1, Taf. XX abgebildeten Kiemenbogens. Die Farbe 
dieses Kérpers ist eine hellbraune, ahnlich der der anderen Zellen. 

Ob hier der Anfang einer Degeneration vorliegt, vermag ich nicht 
zu entscheiden. In den héheren Graden jedenfalls stellt sich eine 
solche auch in der Farbung etwas anders dar. 

Die ovale Cyste der linken Seite derselben Figur mit ihren 
vielen kleinen scharf umschriebenen Koérperchen stellt wahrschein- 
lich ein friihes Entwickelungsstadium der Sporoblasten dar, wie 


es auch Fig. 21) und 3 auf Taf. XX zeigt. Diese beiden Bilder "s.? v,* 

1) Fig. 2 kénnte auch als direkte Sporenbildung aufgefaft 
werden. Ich halte aber meine Praparate ttir die Scheidung ver- 
schiedener Entwickelungsarten nicht fiir ausreichend. 


Fig. 4, 
Tafel XX. 


Fig. 5—7, 
Tafel XX. 


782 Eugen Burchardt, 


zeigen eine recht haufige Lage dieser Cysten, nimlich an der 
iuBersten Kante des Kiemenbogens. 


Fig. 3 zeigt die schon erwihnte Ausnahme in der Lage dieser 
Cysten, die einzige, die mir in meinen Praparaten zu Gesicht ge- 
kommen ist. Hier liegt der Parasit, dem Pigment nach zu ur- 
teilen, deutlich im Kiemenepithel. Da er aber doch der Kante 
dicht anliegt, so scheint mir, bei der haufigen Lage der Cysten 
auf der aubersten Kante des Bogens, dieser Zustand doch erst 
sekundér durch Verdrangung der Cyste aus ihrem friiheren Herde 
entstanden zu sein, nach Art des in Fig. 11, Taf. XIX dargestellten 
Bildes. Die kleinen dunklen Koérper sind mdglicherweise Kerne, 
die aber, ihrer Farbe nach zu urteilen, nur sehr wenig Chromatin 
enthalten kénnten. 


Der Abstand der Cystenmembran von der Zellhaut in den 
Figg. 2, 3 und 4 spricht dafiir, daf dieses Stadium mit einer 
Verkleinerung des Parasiten einhergeht. 


Die Figg. 5—7, von einem kleinen in Osmiumsaure fixierten 
Tiere stammend, zeigen einen noch spateren Zustand. Hier ist 
von einer besonderen Cystenhaut nichts mehr zu sehen, nur die 
von den Wirtszellen gelieferte Membran ist deutlich und méglicher- 
weise auch allein vorhanden. Die Sporoblasten bilden hier einen 
rundlichen Haufen von Maulbeerform. Sie sind von einer zarten 
Haut umgeben, rund und 2—2,5 w grof oder oval. Diese letzteren 
stellen offenbar den reiferen Zustand dar, als Vorstufe zu den 
wurstformigen, in Fig. 7 abgebildeten K6rpern, die sowohl in dem 
Osmium- wie den Pikrinschwefelsiure-Praparaten zu finden waren. 
Bei dem ersteren traten sie bei einigem Druck auf das Deck- 
glaschen mit Leichtigkeit aus der Cyste heraus. 


In den runden und ovalen Sporoblasten waren bei mittlerer 
Vergréferung feine dunkle Fleckchen zu erkennen (Fig. 5), die 
sich bei Immersionsvergréferung mit dem Apochromat als sehr 
kleine, gelbliche Kérnchen erwiesen'). Ob sie Chromatin dar- 
stellen, ist schwer zu sagen, erscheint mir sogar eher unwahr- 
scheinlich. 

Fiir die Erkennung der Kernverhaltnisse war mein Unter- 
suchungsverfahren selbstverstaéndlich ganz ungeniigend. Hierzu 
wird es einer ganz anderen Technik bedtirfen, besonders des 
Sublimats und der Anilinfarben. 


1) Ist in Fig. 6 schlecht wiedergegeben. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 183 


Es blieben noch 2 Figuren zu besprechen, welche eigen- rig. s u. 9, 
tiimliche Zustinde der Cysten darstellen, wie sie mir wiederholt “" *” 
aufgestofen sind. 

Der in Fig. 8 abgebildete Kérper ist homogen, glasig, auf 
der einen Seite glatt und nur leicht eingebogen, auf der anderen 
mit kugeligen Erhebungen besetzt. In der Firbung weicht er in- 
sofern von den anderen Cysten ab, als er nicht die bréaunliche 
Protoplasmafarbe, sondern eine ausgesprochene karminrote Farbung 
angenommen hat. 


Der Kérper der Fig. 9 ist noch mehr deformiert, birnformig, 
gleichfalls ganz homogen und glasig, mit ebensolchen Sporoblasten 
gefiillt und diffus rot gefarbt. 


Derartige Gebilde stellen offenbar abortierte und hyalin degene- 
rierte Cysten vor, wie sie von Lapse (1896) des genaueren be- 
schrieben worden sind. 


Es wird tiberraschen, wenn ich behaupte, dafi diese Bran- 
chiocystis durchaus kein seltener Parasit ist. Allerdings ist die 
Zahl der Cysten bei verschiedenen Tieren auferordentlich schwan- 
kend. So war die in Fig. 9 dargestellte abortierte Cyste die 
einzige in 146 Schnitten, wihrend bei einem anderen Amphioxus 
deren tiber 180 in 64 Schnitten zu zihlen waren. Nur in wenigen 
Tieren habe ich sie ganz vermift, doch lagen mir von diesen 
Tieren zur Zeit, als ich den Parasiten entdeckt hatte, nur noch 
ein bis zwei Praparate vor. 

Da nun die an einem Tiere sich findenden Cysten sich fast 
alle auf demselben Stadium der Entwickelung finden, so ist die 
Infektion héchst. wahrscheinlich eine einzeitige Masseninfektion, 
die auch ziemlich zur selben Zeit durch Ausstofung abgelaufen 
sein wird. Auf diese Weise mag die degenerierte Cyste der Fig. 9 
als Rest einer vorhergegangenen massenhaften Infektion zuriick- 
geblieben sein. Gewisse Stérungen in der Anordnung der Kerne 
in den Breitseiten der Kiemenbogen in diesem Priaparate, nicht 
Zellliicken sondern umschriebene Herde mit ganz unregelmabig 
gelagerten Kernen, scheinen mir durchaus fiir diese Annahme zu 
sprechen. 


Daf diese Zellinfektion irgend einen Nachteil fiir das davon 
befallene Tier haben sollte, ist nicht anzunehmen; hat doch schon 
JOHANNES MULLER (1842, p. 85) die Beobachtung gemacht, daf 
Amphioxus einen selbst betrachtlichen Verlust an innerem Kiemen- 


epithel ohne sichtlichen Nachteil zu ertragen vermag. 
Bd, XXXIV. N. F. XXVIL Bl 


Tafel XX, 
Fig. 10a—h. 


784 Eugen Burchardt, 


Das Vorkommen dieses Parasiten ist nicht auf Neapel be- 
schrinkt. In den aus Messina stammenden Tieren habe ich die 
Cysten gleichfalls nachzuweisen vermocht. Weiteren Studien muf 
es vorbehalten bleiben, sein Vorkommen noch an anderen Stellen 
des Mittelmeeres wie auch in den entfernteren Meeren zu ergriinden. 


VI. Ueber einen im Célom eingekKapselten Organismus. 


Im Colom eines gréferen Amphioxus habe ich einen Organis- 
mus eingekapselt gefunden, tiber dessen, Natur ich mir nicht klar 
geworden bin. Um ihn dem Urteile anderer, mehr erfahrener 
Zoologen zu unterbreiten, habe ich die 8 Schnitte, auf denen er 
in dem Praparate zu verfolgen ist, auf Tafel XX abgebildet. 

Ueber seine Lage orientieren Fig. a und b, in denen unten 
der Querschnitt eines Kiemenbogens und die beiden Bogen des 
Ligamentum denticulatum zu sehen sind mit dem von ihnen und 
der Bauchwand begrenzten Célom. In den folgenden Figuren ist 
dann nur der aufere Abschnitt sei es des linken Bogens allein 
oder auch, wie in Fig. f und h beider Bogen dargestellt. 

Ein Vergleich der Figg. b—d einerseits, der Bilder f und g 
andererseits zeigt den Organismus durch eine diinne Kapsel, die 
sich in h mehr von der Flache prisentiert, an die beiden Bogen 
des Ligamentum denticulatum befestigt. 

An einer Stelle des oberen Umfanges ist sie, wahrscheinlich 
beim Schneiden, zerrissen und besonders in f und g eine Strecke 
weit abgelist. Wie in b und c, und f und g zu erkennen, wird 
diese aufere Kapsel von Célom selbst geliefert. 

Unter dieser aiuf’eren sicher von Amphioxus gelieferten Kapsel 
ist, besonders deutlich in den Bildern ¢ und e, eine zweite Kapsel 
zu erkennen, die dem Organismus eng anliegt und ihm im _ be- 
sonderen anzugehéren scheint. 

Am eingekapselten Koérper lift sich eine breitere untere, 
wahrscheinlich ventrale und eine spitz abgerundete dorsale Region 
unterscheiden. Da er auf 8 Schnitten liegt, ist seine Linge nicht 
ganz 80 ». Seine Hohe ist, an dem Fig. d zu Grunde liegenden 
Schnitt gemessen, 70 u, die gréBte Breite daselbst 62 w. 

In seinem Innern fallt vor allem das unten und rechts ge- 
legene, liingsovale, scharf begrenzte und aus langlichen Zellen mit 
dunklen, basal gelegenen Kernen zusammengesetzte Gebilde ins 
Auge, das sich in Fig. d und e nach aufen zu 6ffnen scheint. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 785 


Seine Mafe sind 39 4.: 25 a. Es macht den Eindruck von Darm — 
oder Saugnapf. 

Im tibrigen ist das Innere zum gréften Teil ausgefiillt von 
einer offenbar mesodermalen Zellmasse mit groBen, dunkel gefiarbten 
Kernen. Sie ist in Fig. d und e in 2 seitliche Massen geschieden 
durch ein kleines, zartes, ziemlich dorso-ventral gestelltes, ober- 
halb des Darmes liegendes Blischen, an dessen Innenwand runde, 
sehr schwach gefarbte Kerne recht regelmabig in einfacher Lage 
angeordnet sind. Ein langlicher Spalt ist in ihm gerade angedeutet. 
Es mift 16:12 uw. 

In der links gelegenen Halfte der mesodermalen Zellenmasse 
befindet sich eine grofe Héble, deren aiuBere Begrenzung besonders . 
in g eher glatt, epithelahnlich erscheint. 

Ueber ihr liegt in Fig. f ein autfallend dunkler Kérper von 
der Gestalt eines Keiles, in dessen Wand sehr tief gefarbte Kerne 
zu erkennen sind, wahrend sein Inneres eine dunkle langliche 
Masse enthialt. In derselben Figur ist der Organismus durch einen 
von rechts her eingreifenden Einschnitt, der auf die Miindung des 
Darms hinzuweisen scheint, gleichsam in 2 Lappen geteilt, in 
deren oberem der eben erwihnte dunkle Kérper liegt, wahrend 
der untere von Mesodermzellen und der von dieser umschlossenen 
Hoéhle eingenommen wird. 

In die Augen fallend ist das reichliche Pigment, das, dorsal 
und etwas seitlich gelegen, aus gelbbraunen rundlichen Kérnern 
besteht, die der Form und Farbe nach sicherlich nicht als ver- 
unreinigender Niederschiag aus der Farblésung angesehen werden 
kénnen. 

In Fig. d ist endlich eine sehr unscheinbare, iiber dem Darm 
und rechts von dem Epithelblaschen gelegene, unférmige Masse 
zu bemerken, in deren Innerem einige sehr schwach gefarbte Kerne 
wahrzunehmen sind ‘). 

Es wird nicht entgehen, daf sich in dem mesodermalen Zellen- 
haufen auf Fig. b und ¢ je eine groéfere Zelle mit groBem Kerne 
findet. 

An einigen Schnitten ist, besonders auf der linken Seite, eine, 
allerdings eher undeutliche, aufere epitheliale Zelllage mit schwacher 
gefirbten Kernen zu erkennen. 

Die Deutung dieses Kérpers ist gewil} nicht leicht; sie wird 
auch wohl je nach der speciellen Neigung der Ausleger verschieden 

1) Im Priparat deutlicher als in der Abbildung. 

bile 


786 Kugen Burchardt, 


ausfallen miissen. Man koénnte darin eine Larve oder vielleicht 
mit noch mehr Berechtigung einen eingekapselten, méglicherweise 
abnorm gewordenen Saugwurm sehen. 

Fiir mich, der ich eine mehr pathologische Vorbildung habe, 
hat eine andere Auffassung viel Verlockendes. Ich méchte glauben, 
da sich dieser Kérper als embryonale Inklusion, ganz allgemein 
gesprochen als eine Geschwulst autfassen laft. Das untere, grofe, 
epitheliale Gebilde ware hierbei als Darm zu deuten, der sich ent- 
weder nicht geschlossen hat, oder, was das Wahrscheinlichere ist, nach 
auBen durchgebrochen ist, wihrend sich das kleine dariiberliegende 
Epithelblaschen als Chorda ansprechen liefe. Die rechts davon 
und dorsal liegende unformliche Masse mit den schwach gefarbten 
Kernen méchte als Anlage der Medullarplatte zu deuten sein und 
das Vorkommen von Pigment wire bei dieser Auffassung sicher- 
lich nichts Auffallendes. Die groBe Héhle mag ein einseitig aus- 
gebildetes, abnormes Célom in dem geschwulstartig gewucherten 
Mesoderm darstellen. Eine Andeutung von Ektoderm ist, auf der 
linken Seite wenigstens, auch vorhanden. Der dunkle keilfoérmige 
Kérper mag als keulenférmige Driise gelten, obschon ich fiir diese 
Auslegung nicht einstehen mochte. 

Die innere Kapsel kénnte allerdings bei dem Vorhandensein 
von Ektoderm nicht von diesem gebildet sein. Aber schon die 
ganze Lage dieses Organismus, eingedrangt zwischen die sich nach 
unten verengenden Falten des Ligamentum denticulatum, scheint 
mir darauf hinzudeuten, da’ er an diesem Orte nicht entstanden 
sein kann. Er wird wahrscheinlich vorher an irgend einer Stelle 
innen an der Bauchwand gesessen und dort zuerst eingekapselt 
eewesen sein. Die Kontraktionen der starken Muskulatur werden 
ihn dann immer weiter in die Bauchhohle hineingedrangt und 
schlieSlich ganz abgelést haben. 

Die Entstehung eines Teratoms oder Embryoms im Amphioxus 
auf parthenogenetischem Wege, also aus einem Ei des geschwulst- 
tragenden Tieres selbst, wird bei denen nicht auf Widerspruch 
stoken, die, wie das ja heutzutage in der That geschieht, diesen 
Vorgang selbst fiir das am héchsten stehende Wirbeltier in An- 
spruch nehmen. Aber noch auf einem anderen Wege liefe sich 
die Entstehung einer solchen Geschwulst erklaren. Man kénnte 
namlich daran denken, dafi auf einem friihen Stadium der Em- 
bryonalentwickelung, z. B. in dem der Gastrula, Zellen durch ein 
Trauma, dem diese zarten Gebilde wohl reichlich ausgesetzt sein 
mégen, aus dem Zusammenhang gelést worden seien und fiir sich 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 187 


z. B. im Innern der Segmentationshéhle eine Sonderexistenz ein- 
geschlagen haben. Nach dem, was uns die Experimente gelehrt 
haben, ist eine solche Weiterentwickelung zwischen den Schichten 
des Traigers nicht undenkbar. Mit dieser Lage mag sogar der In- 
klusion ein mehr gesicherter und zusagenderer Aufenthalt geschaffen 
sein, als dies in den Experimenten der Fall ist. Die Entwicke- 
lung des Trigers selbst braucht ein solcher Einschluf nicht merk- 
lich zu beeinflussen. 

Jedenfalls kénnen diese Auffassungen, meiner Meinung nach, 
eine Diskussion vertragen. 


VII. Ein neues Radiolar. 


Ich habe das Gliick gehabt in Schnitten durch den Darm des 
Amphioxus ein Radiolar zu finden, das, wie mich meine Nach- 
forschungen in der Literatur gelehrt haben, noch nicht beschrieben 
ist. Es steht mit Amphioxus lanceolatus nur in losem Zusammen- 
hang, insofern es dasselbe Meer bewohnt und ihm gelegentlich als 
Futter dient. Daf es als solches nicht gerade sehr verdaulich 
ist, méchte daraus hervorgehen, daf es, obschon ziemlich weit 
hinten im Darm angetroffen, doch gut konserviert ist. Hierzu 
mag seine dicke kieselige Kapsel nicht wenig beigetragen haben. 

Ich will nicht verheimlichen, da ich zur Zeit als ich dieses 
Tier auffand es noch nicht als Radiolar erkannt habe und erst von 
Herrn Professor GOTTE auf seine wahre Natur hingewiesen worden 
bin. Ich hielt es falschlich fiir eine Diatomee. Eine solche diesem 
Radiolar recht ahnliche ist auch, wie ich spater fand, von EHRENBERG 
gesehen und in den Sitzungsberichten der Berliner Akademie ab- 
gebildet worden. Diese Diatomee besteht aus 3 Schalen, von 
denen die 2 oberen ganz das Aussehen zweier der Flachen des 
Radiolar aufweisen. 

Dieses findet sich auf 4 Schnitten, und ist, wie die Abbil- 
dungen a—d auf Tafel XXVI zeigen, auSerordentlich egliicklich 
getroffen. Das Skelett ist ausgeprochen prismatisch, mit grofen, 
aufen abgerundeten und nach innen scharf abgesetzen Kanten, 
und bildet eine vollkommene Kapsel, die von sehr feinen Poren 
allseitig durchsetzt ist. Bei einer Schnittdicke von 10 w betragt 
seine Lange ungefahr 40 «, und da jede Seite des Prismas un- 
gefahr 44 w hoch ist, ist das Prisma fast ein gleichkantiges, még- 
licherweise sogar vollkommen ein solches, denn auf absolute Ge- 


Tafel XXIV 
Fig. 1—4. 


788 Eugen Burchardt, 


nauigkeit vermag das von mir benutzte Scuanze’sche Mikrotom 
keinen Anspruch zu machen. 

Im Innern liegt die runde Zentralkapsel mit grofem, gut er- 
haltenen Kern und vielen wandstandigen gefarbten Kiigelchen, die 
im Hinblick auf die Behandlung des Praparates nicht aus Fett 
bestehen k6énnen. 

Dieses Prismozoon neapolitanum, wie es benannt 
sein mége, gehért wohl zu den Monocyttarien und zu der 
neuen Unterordnung der Platoidea. 


Bemerkung zu Seite 773: Ich méchte nicht unterlassen 
nachtraglich darauf hinzuweisen, daf auch die queren Verbindungs- 
iste zwischen den beiden Aorten ebenso wie die in der Chorda- 
scheide aufsteigende Arterie von Weiss 1890 am lebenden Tiere 
beobachtet worden sind. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 189 


Die Litteratur tiber Amphioxus, 


chronologisch geordnet, in den Jahren alphabetisch, die Hauptarbeiten 


1774 


1778 
1789 


1834 


1836 


1838 


1839 


1840 


und wichtigeren Angaben durch ein * hervorgehoben. 


*Patuas, P. S., Limax lanceolatus s. lanceolaris. Spicilegia 
zoologica. Fasc. X, p. 19. 

*__ Naturgeschichte merkwiirdiger Tiere. Bd. I, S. 24. 

*Gmevin-Linnh, Systema naturae. T. I, p. 3102 (,,vix hujus 
generis, sed cujus ?“). 

*Cosra, O. G., Annuario zoologico. Cenni Zoologici ossia de- 
scrizione sommaria delle specie nuove di animali discoperti 
in diverse contrade del regno nell’ anno 1834. Napoli, p. 49. 
(Branchiostoma lubricum.) 

*YarreLt, W., History of British Fishes. London. Vol. II, 
p. 468. 

*Coucu, Jon., Some Observations on the Lancelot (Amphioxus 
lanceolatus). Mag. of Nat. Hist. (N. S.) Vol. IJ, p. 381. 

*Frres, B. Fr.;, Amphioxus lanceolatus. Svensk. Vetensk. 
Akad. p. 336, Tab. IV, Fig. 3, s. Bemerkung in Isis 1841, 
p. 455. 

*Swarnson, Win, Natural History of Fishes, Amphibians, 
and Reptiles, or Monocardian Animals. Vol. I (p. 68, 
222, 223), Vol. II (p. 196, 337). 

a) *Minuer, Jou., Vergleichende Anatomie der Myxinoiden. 
Dritte Fortsetzung: Ueber das Gefillsystem. Abhandl. d. 
Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss. z. Berlin, S. 175. (S. 254, 
alle Cyclostomen, zu denen Amph. gerechnet wird, sind 
ohne Pseudobranchien.) 

b) *— KEinige Bemerkungen iiber den Amphioxus lanceolatus 
Yarrety. Monatsber. d. Kgl. Preu’. Akad. d. Wiss. Berlin, 
Ss. LO 

*Rerzius, Briefliche Mitteilung an Jon. Miuirr s. diesen 
1839 a, S. 189. (Scheint zuerst einen linksseitigen Blind- 
sack gesehen zu haben.) 

*SunpEvaLy. Om Amphioxus lanceolatus. Férhandl. Skandin. 
Naturf. 2 Méde, S. 280, auch: Vetensk. Akad. Arsb. 1. 
Zool., 1840—42, I, S. 286. 


790 


1841 


1842 


1843 


Eugen Burchardt, 


*BonapartE, C. L., Iconographia della Fauna Italica. Roma, 
T. III, Pesci. (Ordine: Helminthoidei — Fam.: Branchi- 
ostomidae.) 

*Costa, O. G., Note sur le Branchiostome. Compt. rend. 
Vol; XL, p...873.. 8b). 

*Frigs, in Foérhandling. ved de Skandinaviske Naturfosk. 
andet méde. Kjévenhayn, p. 280. 

a) *Goopsir, J., On the Anatomy of Amphioxus lanceolatus of 
YarrevL. Ann. and Mag. of Natur. Hist. Vol. VII, p. 346. 
(,,.Not a trace of a liver“, ,abranchial fish“.) 

b) *— Ueber die Anatomie des Amphioxus lanceolatus YARRELL. 
Frorrers Neue Notizen, Bd. XIX, 8S. 69. 

*Van pER Hoeven, Verzameling van berigten over Amphioxus 
lanceolatus, eene vischoort uit de orde der Cyclostomata. 
Tijdschr. voor natuurl. Geschied. D. VIII, p. 73. 

*Mtuier, Jon., Mikroskopische Untersuchungen tiber den Bau 
und die Lebenserscheinungen des Branchiostoma lubricum 
Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrety. Monatsber. d. 
Kgl. Akad. d. Wiss. Berlin, S. 396. 

*RaTHKE, H., Bemerkungen iiber den Bau des Amphioxus 
lanceolatus. Kénigsberg. 

a) *Miuier, Jon., Ueber den Bau und die Lebenserschei- 
nungen des Branchiostoma lubricum. Abhandl. d. Kgl. 
Akad. d. Wiss. Berlin, 8S. 79. 

b) *— Ueber die Eingeweide der Fische, zunichst iiber die 
Geschlechtsorgane der Knorpelfische und tiber die Schwimm- 
blase, mit Bezug auf einige neue Fischgattungen. Monatsber. 
d. Kgl Preuf. Akad. d. Wiss. Berlin, 8. 174 (184). (Porus 
abdominalis eine Fusion von Kiemen- und Bauchspalte. ) 

Raruxe, H., Beitrage zur vergleichenden Anatomie und Phy- 
siologie. Reisebemerkungen aus Skandinavien, Danzig. 

(Einleitung 8. IV: ,iiber den Amphioxus lanceolatus aber 
(Branchiostoma lubricum Costa), das niedrigste bis jetzt 
bekannte Wirbeltier, von dem ich ein paar Exemplare in 
Norwegen fing, habe ich schon im vorigen Jahre eine 
besondere Schrift unter dem Titel: Ueber den Bau des 
Amphioxus lanceolatus, eines Fisches aus der Ordnung 
der Cyclostomen, Koénigsberg 1840, bekannt gemacht.‘ ) 

*Carus, C. G., Erlauterungstafeln zur vergleichenden Anatomie. 
1843, H. 6, S. 9, Anmerk., 1853, H. 8, S. 4, 10 und 
Vat; Bigs dl: 

*Costa, O. G., Frammenti di Anatomia comparata. Fasc. I. 
Storia e Notomia del Branchiostomum iubricum. Napoli. 
*— (1834), Referat tiber Branchiostoma n. lubricus. Isis, 

S. 471. 

(,,Ein Fisch, der mit keinem bekannten Aehnlichkeit hat, 
weder Augen, noch Nas- noch Kiemenlécher“ — _ der 
Fisch heikt jetzt bekanntlich Amphioxus“.) 


1844 


1845 


1846 


1847 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. wor 


GravenHorst, J. L. C., Vergleichende Zoologie. Breslau, p. 346. 
(Erste Ordnung der Fische: Fehlkiemer: Amphioxus.) 
*KoriturkER, A., Ueber das Geruchsorgan des Amphioxus. 

Mtuuer’s Arch. f. Anat. und Physiol., S. 32. 

*Miiuer, Jou., Untersuchungen iiber die Eingeweide der 
Fische. Abhandl. d. Kgl. Akad. d. Wiss. Berlin, 8. 109 (144). 

*SUNDEVALL, Fr., Ueber Amphioxus lanceolatus, tibersetzt in 
Isis, S. 290. (Nach Uebersetzer richtigere Schreibart: 
Amphioxys.) 

Waener, Rup., Lehrbuch der Zootomie, I. Teil. Anatomie 
der Wirbeltiere. 2. Aufl, S. 204. (Wurmfische, Helmin- 
thoidei [Amphioxus s. Branchiostoma] 8. 224, 228, 245, 
252, 257, 259, 264, 274, 287, 290, 292.) 

*Goopsir, J.. On the anatomy of Amphioxus lanceolatus. 
Transact. Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XV, p. 247. 

*Mtuier, Jou., Grundziige eines natiirlichen Systems der Fische. 
Monatsber. d. Kgl. PreuS. Akad. d. Wiss. Berlin, 8. 420 
(421). (Unterklasse: Leptocardii.) 

*Acassiz, L., Nomenclator zoologicus. Soloduri. 

*De Finiepr, F., Sul Branchiostoma lubricum. Memoria di 
G. Miuier. Giorn. I. R. Istit. Lombardo, Milano, T. X, 
ee 

*De Quatreraces, A., Mémoire sur le systéme nerveux et sur 
Vhistoire du Branchiostome ou Amphioxus. Annales des 
Sciences naturelles (3 Sér.), T. IV, p. 197. 

Aacassiz, L., Nomenclatoris zoologici Index universalis. Solo- 
duri. (Ausgabe in 8° 1848.) 

Bonaparte, C. L., Catalogo Metodico dei Pesci Europei. 
Napoli, (p. 9, 92.) (Branchiostoma lanceolatum Bp.) 
*Cosra, O. G., Ueber Branchiostoma, italienisch abgedruckt 

im IsisisS: 708. 

Cuvipr, G. (et Duvernoy) Legons d’Anatomie comparée. sec. 
édit. Vol. VIII, p. 77. (Ovaires, nach RatHKE.) 

*Jonus, T., Wuarron, On the Blood-corpuscle considered in 
its different Phases of Development in the Animal Series. 
Memoir I — Vertebrata. Philos. Transact. Part 1, p. 63 (66). 

*De Martino, A., Sull’ anatomia del Branchiostoma e special- 
mente sul moto ciliare che si verifica al contorno delle 
lamine branchiali simulante una vera circolazione vascolare. 
Giorn. I. R. Istit. Lombardo, Milano, T. XIII, p. 95. 

*Murtier, Jon., Ueber den Bau und die Grenzen der Ganoiden 
und iiber das natiirliche System der Fische. Abhandl. d. 
Kgl. Akad. d. Wiss. Berlin, aus dem Jahre 1844, S. 217, 
auch in Arch. f. Naturgesch., 1845, I, S. 91. 

Srannivs, H., Lehrbueh der vergleichenden Anatomie der 
Wirbeltiere. Fische. Berlin. 

Assmann, Fr. W., Quellenkunde der vergleichenden Anatomie. 
Braunschweig. (S. 41, 42.) 


792 


1848 


1850 


1851 


1852 


Eugen Burchardt, 


*Gray, J. E., Description of a New Species of Amphioxus from 
Borneo. Proceed. Zool. Soc. London. Part XV, p. 35, 
auch: Annals of Nat. Hist., Vol. XIX, p. 463. (Amphioxus 
Belcheri von der Miindung des Lundu, Borneo.) 

*Huxupy, Th. H., Examination of the Corpuscles of the Blood 
of Amphioxus lanceolatus. Transact. Brit. Assoc. Advance. 
DCL. p95: 

Leuckcart, R., Zur Morphologie und Anatomie der Geschlechts- 
organe. Gdéttingen. 8. 74. 

Topp, Ros., Cyclopaedia of Anatomy and Physiology. Vol. III 
(615, 822, 957); Vol. IV, part I, p. 484. 

(,A singular little fish“... ,this extraordinary produc- 
tion of nature“.) 

Mecxet, H., Zur Morphologie der Harn- und Geschlechtswerk- 

zeuge der Wirbeltiere. Halle. p. 27. 

*Bonaparrs, C. L., Conspectus Systematis Ichthyologiae ; editio 
reformata. Lugduni Batavorum. 

*Costa, O. G., Fauna del Regno di Napoli. Pesci. Branchi- 
ostoma. Tafel XXX. 

Agassiz, L. und Goutp, A. A., Grundziige der Zoologie, iiber- 
setzt. Stuttgart. S. 140. 

*Gray, J. E., Catalogue of Fish. p. 150. 

Leypie, Fr., Ueber Artemia salina und Branchipus stagnalis. 
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. III. p. 294. (Ganglienzellen 
an Nerven.) 

*Miuuer, Jou., Ueber die Jugendzustinde einiger Seetiere. 
Monatsber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss. Berlin, S. 468 
(474). 

(Erste Beschreibung einer Amphioxuslarve, 1847 bei 
Helsingér beobachtet. 2'/,’ gro, ohne Mundcirren, mit 
zwei Reihen von Kiemenspalten iibereinander, die unteren 
gréferen langlich, die oberen rund, beide mit Wimper- 
siumen. Ist ungewif’, ob neue Art oder Jugendzustand 
des Amph. lanc.) 

*Voet, C., Zoologische Briefe. Naturgeschichte der lebenden 
und untergegangenen Tiere. Frankfurt a. M. Bd. IL. 
(S. 12, 38, 102, Leptocardia.) 

Brramann, C. und Leucxart, R., Anatomisch-physiologische 
Uebersicht des Tierreichs. Stuttgart (neue Ausgabe 1855). 
(S. 29,148 Abbildung; 227, 281, 466, 515.) 


*GuOFFROY-SAINT-Hinarre, Js., s. Bonaparte, 1856 und Giut, 


1873. (Myélaire-Myelozoa.) 

Van preR Horven, J.. Handbuch der Zoologie. 1852—56, 
Bad. 1, ‘8. 6b. 

*Huxuey, Th. H., Researches into the Structure of the Asci- 
dians. Rep. 22. Meet. Brit. Assoc. Advance. Sci. Belfast. 
Sept. 1852. (Kiemensack der Ascidien gleich Pharynx 
des Amphioxus.) 

*Luxis, The Naturalist, p. 30, erwaihnt bei Coucn, 1878. 


1853 


1854 


1855 


1856 


1857 


1858 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 193 


*Scuunrze, M., Beobachtungen junger Exemplare von Amphi- 
oxus. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. III, S. 416. (Larven 
von Helgoland.) 

*Sunprvatt, C. J., Ny art af Amphioxus (A. elongatus). 
Ofersigt Kgl. Vetensk. Akad. Férhandl., Vol. IX, p. 147%. 

Carus, J. V., System der tierischen Morphologie. Leipzig. 
(An wenigen Stellen.) 

*Kroyper, H., Danmarks Fiske beskrevne. Kjébenhavn !838 
—53. III, p. 1087. 

Miuurr, Ave., Beobachtungen zur vergleichenden Anatomie 
der Wirbelsiule. Miriur’s Arch. f. Anat. u. Phys. 8. 313. 

*SunpEvALL, C. J., Ny art af Branchiostoma (Amphioxus cari- 
baeum). Ofersigt Kgl. Vetensk. Akad. Férhandl., Vol. X, 
peo. 

Waaner, R., Handwirterbuch der Physiologie. Braunschweig. 
Bd. IV, p. 833. (Samenfaden.) 

Leypie, Fr., Histologische Bemerkungen iiber den Polypterus 
bichir. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. V, p. 58. (Chorda.) 
*Srannius, H., Handbuch der Anatomie der Wirbeltiere. 

Fische. Berlin, 2. Aufl. 

Agassiz, L. und Govunp, Die Zoologie. Stuttgart. 5S. 198, 
Anm. u. 241. 

Van per Horven, J., Handboek der Dierkunde. Amsterdam, 
Bd. II, p. 249. (Pisces: Dermopterygii: Leptocardii.) 
Ko.enatt, F. A., Zoologie fiir Lehrende und Lernende. Briinn, 

S. 163. 

(Ordn.: Schlauchkiemer-Leptobranchia; Sippe: Réhren- 
herzen. ,,Saugt das Blut anderer Fische“, von Raruxe als 
Méglichkeit aufgestellt.) 

*Ninsson, S., Skandinavisk Fauna. Fisk, p. 753. 

*Bonaparte, Cu.-L., in Compt. rend. Acad. des Sci., T. XLII, 
p. 1022, Anm. 2 erwahnt, dai Js. Gzorrroy-Saint-Hinaire 
seit 1852 den Amphioxus als den Vertreter einer be- 
sonderen Klasse ansieht, der der Myélaires (Myelozoa). 
Wo veroffentlicht auch von Gitn (1873) nicht gefunden. 

BurmerstEr, H., Noch einige Worte iiber die systematische 
Stellung der Radertiere. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. VIII, 
S. 152. 

*Lnypic, Fr., Lehrbuch der Histologie des Menschen und der 
Tiere. Frankfurt a. M. (Chorda, S. 149.) 

*Tainpsay, Au., On the Amphioxus lanceolatus. Ann. and Mag. 
of Natur. Hist. (Ser. 2), T. XX, p. 339. 

Mitnr-Epwarps, H., Lecons sur la Physiologie et |’Anatomie 
comparée de Homme et des Animaux. T. I, p. 93 (Anm. 
95); T. II, p. 201 (respiration). 

*Huxiey, Tu., On the Theory of the Vertebrate Skull. Proceed. 
Roy. Soc. London, Vol. IX, p. 381 (417). 

*DLnuckart und PacEenstecHer, Untersuchungen iiber niedere 
Seetiere. Minupr’s Arch. f. Anat. u. Phys. 


794 


1859 


1860 


1861 


Eugen Burchardt, 


Mitne-Epwarps, H., Lecons sur la Physiologie et Anatomie 
comparée de Homme et des Animaux. T. III, p. 306 
(,une centaine de coeurs“), p. 307 (keine eigentlichen 
Arterien und Venen). 

*Acassiz, L., An Essay on Classification. Einfiithrung zu: 
Contributions to the Natural History of the United States, 
1857 (p. 123: ,highly probable, that Amphioxus is the 
immature state of some marine Cyclostom“). §, auch die 
Klassifikation am Ende. 

Bueeker, Enumeratio specium Piscium Archipelagi Indici. 
(Amphioxoidei.) 

GEGENBAUR, Grundziige der vergleichenden Anatomie. 

*GpRVAIS et vAN BenepEeNn, Zoologie médicale, T. I, p. 286 
(p. 288 Anm.: A. 1. vivant dans l’étang de Thau). 

*Missner, G., Untersuchungen tiber die Entwickelung des 
Amphioxus lanceolatus. Amtl. Ber. 34. Vers. d. Naturf. 
u. Aerzte, Karlsruhe, Sept. 1859, S. 130. 

*PaGcENnsTECcHER, H. A., Ueber den Jugendzustand des Am- 
phioxus lanceolatus. Ebenda, 8. 131. 

*Witpe, W. R., Extract from a Narrative of a Voyage to 
Madeira, Teneriffe and along the Shcres of the Medi- 
terranean. Wiedergegeben in Yarreti, 1859. (Reihen- 
bildung.) 

*YarrRELL, W., History of British Fishes. London, 3. ed., 
Vol. I, p. 1. (Amphyoxus lanceolatus.) 

*Doumert, N., Catalogue des Poissons recueillis ou observés a 
Cette, accompagné de notes explicatives et de quelques 
idées sur la pisciculture marine. Revue et Magasin de 
Zoologie (Sér. 2), T. XII, p. 494 (507). 

Esertu, Jos, Ueber Flimmerepithel im Darm der Végel. 
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. X, 8. 381. 

Mitne-Hpwarps, H., Legons sur la Physiologie et l’Anatomie 
comparée de Homme et des Animaux. T. VI (p. 3, 
416 Leber, 419 ahnlich der embryonalen Leberanlage). 

*Carterr, L.-H. M., Examen des principales classifications 
adoptées par les zoologistes. Bruxelles, p. 223. 

*Ratuke, H., Entwicklungsgeschichte der Wirbeltiere. (p. 40: 
A. hat vermutlich keine Kiemenbogen und -spalten. ) 

Guuutver, On the red corpuscles of the blood of Vertebrates. 
Proceed. Zool. Soc. London, p. 99. 

Mitnr-Epwarps, H., Lecons sur la Physiologie et lAnatomie 
comparée de ’Homme et des Animaux. T. VII (p. 320: 
Niere ?). 

*Ratruke, H., Vortrage zur vergleichenden Anatomie der 
Wirbeltiere. Leipzig (S. 8, 14, 30, 36, 54, 64, 103, 124, 
126, 138, 141). (Herausgegeben von GEGENBAUR.) 

*Scnuttze, Max, Amphioxus lanceolatus von Desterro, Bra- 
silien. Sitz.-Ber. d. Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heil- 
kunde, Bonn, 5. 197. 


1863 


1864. 


1865 


1866 


1867 


1868 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 195 


*Srepnstrup, J., Bemerkungen iiber Branchiostoma lanceo- 
latum. Oversigt Kgl. danske Vidensk. Selsk. Forhandl., 
p. 238. 

Frrzincer, L. J., Bilderatlas zur wissenschaftlich-popularen 
Naturgeschichte der Fische. Fig. 193: ,,Der lanzettformige 
Wimperfisch (Amphioxus lanceolatus)*. 

vAN DER Horven, J., Philosophia zoologica. Lugduni Bata- 
vorum (p. 136, 138, 155, 163, 287, 361). (Wahrscheinlich 
mehr als zwei Arten Leptocardier.) 

*Marcusen, M. J., Sur l’anatomie et Vhistologie du Bran- 
chiostoma lubricum Costa (Amphioxus lanceolatus YARRELL). 
Compt. rend. Acad. des Sci., Vol. I, p. 479; Vol. II, p. 89. 

(Kapillargefafe ohne Kerne; halt die durch Chromsaure 
in den Gefafen entstandenen Kérnchen fiir kernlose, sehr 
kleine Blutkérperchen.) 

— On the Anatomy and Histology of Branchiostoma lubri- 
cum Costa (Amphioxus lanceolatus Yarreni). Ann. and 
Mag. of Natur. Hist. (Sér. 3), Vol. XIV, p. 151 u. 319. 

Branpt, J. F., Bemerkungen itiber die Klassifikation der kalt- 
bliitigen Riickenmarkstiere zur Beantwortung der Frage: 
Was ist ein Fisch? St. Petersburg (S. 4, 5, 6, 10, 14, 23). 

Korsuer, R., Contribution a Vétude des Entéropneustes. 
Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Physiol., Bd. II], p. 139 
(184 ff.). 

*Kowauevsky, A., Entwicklungsgeschichte der einfachen As- 
cidien. Mém. de l’Acad. Impér. des Sci. St. Pétersbourg 
(Sér. 7), T. X. (An mehreren Stellen.) 

*Ownn, Comparative Anatomy and Physiology of Vertebrates. 

*Burt, P., Sur VAmphioxus. Compt. rend. Soc. de Biologie 
(Sér. 4), ET. TV 5p: 17. 

— On the Anatomy and Physiology of Amphioxus. Ann. 
and Mag. of Natur. Hist. (Sér. 3), Vol. XX, p. 302. (Amph. 
von Arcachon.) 

*GrenacHerR, Muskulatur der Cyklostomen und Leptokardier. 
Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XVII. 

*KowauLevsky, A., Entwicklungsgeschichte des Amphioxus 
lanceolatus. Mém. de l’Acad, de St Pétersbourg (Sér. 7), 
heme. 

*Pancert, P., Sulla fecondazione artificiale e sulla entrata 
degli spermatozoi nelle uova del Branchiostoma. Rendic. 
d. R. Acad. delle Sci. Fis. e Matem, di Napoli, Fascic., 
12 Dicembre. 

Carus, J. V. und Gerstancker, C. E. A., Handbuch der Zoo- 
logie, Leipzig, Bd. I, 8. 607. (Leptocardii: 4. Unterklasse 
der Pisces.) 

*Cooprr, J. G., Nat. Wealth California. (p. 489: Amph. von 
San Diego Bay.) Cit. bei Jorpan and Evermann, 1896. 

*Goopsrr, J., On the Anatomy of Amphioxus lanceolatus. 
The anatomical Memoirs of Joun Goopsir edited by W., 
Turner. Edinburgh, Vol. I, p. 371. 


796 


1869 


1870 


187] 


Eugen Burchardt, 


*HaECKEL, E., Natiirliche Schépfungsgeschichte. Berlin. 
9: Atudl: 1897: 

Merscunikow, Exn., Entwicklungsgeschichtliche  Beitrige. 
VIII Embryonalentwicklung der einfachen Ascidien. Mé- 
langes biologiques. T. VI, S. 725. 

(Essigsaurewirkung auf die Chorda des Amphioxus.) 

*OQwssannikow, Ueber das Centralnervensystem des Amphi- 
oxus. Bull. de VAcad. de St.-Pétersbourg, T. XIIf ge- 
lesen Sept. 1867, auch in Mélanges biologiques 1868, T. VI. 

Acassiz, L., De ?Espece et de la Classification en Zoologie. 
trad. par Vogeli Paris. (p. 39 A. ein Wirbeltier. — p. 131 
dieselbe Anmerkung wie im Original 1859, p. 123). 

*Brert, P. Legons sur la physiologie comparée de la_respi- 
ration. Paris, p. 212. 

Donirz, W., Ueber die sogen. Chorda der Ascidienlarven und 
die vermeintliche Verwandtschaft von wirbellosen und 
Wirbeltieren. Aus d. Sitzungsber. d. Ges. d. naturf. Freunde 
z. Berlin; Juli. Arch. f. Anat., Phys. u. wiss. Med. S. 761. 

(Keine Verwandtschaft zwischen wirbellosen und Wirbel- 
tieren.) 

Ganrn, M., Neue Thatsachen aus der Entwickelungsgeschichte 
der Ascidien. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XX, S. 512 
(513, 517). 

a) GeGENBAUR, C., Grundziige der vergleichenden Anatomie. 
2. Aufl. (S. 805, 824, 862). 

b) — Ueber die Kopfnerven von Hexanchus und ihr Ver- 
haltnis zur , Wirbeltheorie“* des Schiadels. Jenai. Zeitschr. 
f. Naturwiss., Bd. VI, 8. 497 (555). 

*Gunrupr, Aub., Catalogue of the Fishes in the British Museum. 
Vol. 8, p. 513. 

*Kowauevsky, A. Zur Entwicklungsgeschichte des Amphi- 
oxus. Schriften d. Naturf.-Ges. in Kiew, Bd. I. 

Kurrrer, C., Die Stammesverwandtschaft zwischen Ascidien 
und Wirbeltieren. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. VI, 8. 115 
(156 chorda). 

*Minier, Witw., Ueber den Bau der Chorda dorsalis. Jenai. 
Aeitsehr::S. $27. wu. (S91), (432). 

Reusz, D. M., Chamber’s Elements of Zoology. New York, 
p. 286 (zu Cyclostomata). 

*Reicuprt, C. B., Zur Anatomie des Branchiostoma lubricum. 
aus Sitzber. d. Ges. naturf. Freunde z. Berlin. Arch. f. 
Anat. und Phys., 8. 755 (ein Fisch; das einfachste aller 
Wirbeltiere). 

Watpryer, W., Eierstock und Hi. Leipzig, 8. 77. 

Brerron’s Dictionary of Natural History. London. 

Corn, E. D., Observations on the Systematic Relations of 
the Fishes. Contributions to the Ichthyology of the Lesser 
Antilles. Transact. Americ. Philos. Soc. Philadelphia, 
Vol. XIV. (N. 8S.) p. 445, dasselbe in Americ. Natural. 


Beitriige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 797 


Vol. V. p. 579 und in Proceed. Americ. Assoc. Advance. 
of: Seis L871 /7T3ipii3l7. 

*Donivz, W., Beitrage zur Kenntnis der quergestreiften Muskel- 
fasern. Arch. f. Anat., Phys. u. wiss. Med. 8. 434 (438). 
(Erwahnt eine von Hensen angefertigte Photographie von 
Muskeln des Branchiostoma.) 

Gervais, P., Eléments de Zoologie. Paris, p. 497. 

*Huxiey, Th. H., Manual of the Anatomy of Vertebrated 
Animals. London. (Pharyngobranchii), dasselbe iibersetat 
v. Ratzeu. Breslau. 1873, p. 101. 

Jicur, G. Lehrbuch der allgemeinen Zoologie. Leipzig, (an 
einigen Stellen). 

*Lanxester, KE. R., Ueber das Vorkommen von Hamoglobin 
in den Muskeln und die Verbreitung desselben in den 
lebendigen Organismen. Arch. fiir die gesamte Physiol. 
(Pritenr’s), Bd. IV, S. 314 (319). (Hamoglobin im Blut- 
plasma, aber nicht spektroskopisch beobachtet.) 

N. N.. Kritik itiber: Ueber die sogen. Chorda der Ascidien- 
larven u. s. w. von W. Donirz in Retcnert und Du Bois 
Reymonp’s Arch. f, Anat. und. Physiol. 1871, Quart. Journ. 
of Microsc. Sci. (N. 8.), Vol. XLI, p. 283. 

Parker, W. K., On the Structure and Development of the 
Sxutut of the Common Frog. Philos. Transact., p. 202. 
(A. der niederste bekannte Vertebrate.) 

Preyer, W., Die Blutkrystalle. Jena, S. 11. 
(,auch Amphioxus besitzt rote allerdings sehr schwach 
gefirbte Blutkérperchen, wie Witnerm Miirr in Jena 
neuerdings feststellte.“) 

*TroscHeL, Fr. H., Handbuch der Zoologie. 7. Aufl. Lepto- 
cardii, S. 284. 

1872 Cuaus, C., Grundziige der Zoologie, 8. 829. 

*Gnoannpaur, C., Das Kopfskelet der Selachier. Untersuch- 
ungen zur vergleich. Anat. d. Wirbeltiere III. Leipzig 
(278, 299, 300 Kopfregion bei Amph. die ganze Segment- 
zahl des Visceralskelets, 303.) 

Giarp, A, Etude critique des travaux d’embryogénie relatifs 
a la parenté des Vertébrés et des Tuniciers. Arch. de 
Zool. expérim. et génér. T. I, p. 232. 

(Amph. ist ein Wirbeltier; zwischen ihm und den As- 
cidien keine unmittelbare Verwandtschaft.) 

*Gitt, Th., Arrangement of the Families of Fishes. Smithson. 
Miscellan. Collect. 247, Washington. (Leptocardier die 
niedrigsten Wirbeltiere.) 

Ginrupr, Avs., Description of Ceratodus, a genus of Ganoid 
Fishes, recently discovered in Rivers of Queensland, 
Australia. Philos. Transact., Vol. 161, P. I, p. 554. 

Harcxer, E., Die Kalkschwimme. Bd. I, 8. 465. (Célom 
S. 468). 


798 


1873 


Eugen Burchardt, 


*Lunpsese, Fr., Bidrag till Ofversigt af Sveriges ichthyologiska 
Literatur. Akademisk Afhandlung. Stockholm, p. 382. 
Mintne-Epwarps, H., Legons sur la Physiologie et l’Anatomie 
comparée de l’Homme et des Animaux. T. X, p. 279. 

(Chorda. ) 

v. Banr, K. E., Entwickelt sich die Larve der einfachen 
Ascidien in der ersten Zeit nach dem ‘l'ypus der Wirbel- 
tiere ? Mém. de lAcad. Impér. des Sci. de St.-Pétersbourg. 
Serx@ ih. (Rule Nos: 

Boscorp, D., Munpmr, Bibliotheca ichthyologica et piscatoria. 
Haarlem. 

*Firzincer, L. J., Versuch einer natiirlichen Klassifikation 
der Fische. Sitz.ber. K. Akad. d. Wiss. Wien. Bd. LX VII, 
- 5. 8. (ist eime Molluske oder Quappe.) 

cen Tu., On the Limits of the Class of Fishes. Americ. 
Natural. Vol. WE pane 

* KK OSSMANN, Bemerkungen iiber die sogenannte Chorda des 
Amphioxus. Verh. d. med.-phys. Ges. z. Wiirzburg, N. F. 
6:15: 82. 

*LankesTerR, KE. R., On the Primitive Cell-Layers of the Em- 
bryo as the Basis of the Genealogical Classification of 
Animals, and on the Origin of Vascular and Lymph 
Systems. Ann. and Mag. of Natur. Hist. (Ser. 4) Vol. XI. 
p. 821 (836). (Homoblastica, Diploblastica, Triploblastica). 

*Munuer, Winin., Die Hypobranchialrinne der Tunicaten und 
deren Vorhandensein bei Amphioxus und den Cyklostomen. 
Jenai. Zeitschr. f. Med. u. Naturw. Bd. VII, 8. 327. 

Purnam, F. W., Notes on the Genus Myxine. Proceed. 
Boston Soc. of Natur. Hist., Vol. XVI, p. 127 Anm. (the 
Leptocardii — the lowest subclass of Vertebrates.) 

*ScHneiwER, Anv., Vergleichende Anatomie und Entwicklungs- 
geschichte des Muskelsystems der Wirbeltiere. Sitz. d. 
Oberrhein. Ges. Giessen, 9 Dec. (kein rectus abdominis). 

*Srispa, Studien itiber Amphioxus lanceolatus. Mém. de 
Acad. Impér. de St.-Pétersbourg, (Ser. 7), T. XIX, No. 7 

Agassiz, Au., Embryology of the Ctenophora. Mem. Americ. 
Acad. of Arts and Sci. Vol. X, No. 3, p. 357 (881), auch 
in Ann. and Mag. of Natur. Hist. 1875 (Ser. 4), Vol. XV. 
p. 87, (88; 89). 

Craus, C., Die Typenlehre und EH. Hancxet’s sogen. Gastraea- 
Theorie. Wien. 

a) *Hancxen, E., Anthropogenie. 13. Vortrag: Der Korper- 
bau des Amphioxus und der Ascidie. 1891, 4. Auflage. 

b) *— Die Gastraea-Theorie u. s. w. Jenai. Zeitschr. f. Med. 
u. Naturwiss., Bd. VIII, $ 

*Huxuey, Th. H., Preliminary Note upon the Brain and Skull 
of Amphioxus. Proceed. Roy. Soc. London, Vol. XXIII, 


auch in Ann. and Mag. of Natur. Hist. (Ser. 4), Vol. XV, 
p. 225. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 799 


De Lacazn-Duruinrs, H., Les Ascidies simples des cdtes de 
France. Arch. de Zool. expérim. et gén. T. III, p. 297 
(635, 637). 

Mitne-Epwarps, H., Lecons sur la Physiologie et l’Anatomie 
comparée de l’Homme et des Animaux. T. XI, p. 233. 
(, Un Subvertébré“.) 

*Muutier, Wiun., Ueber die Stammesentwicklung der Seh- 
organe der Wirbeltiere. Beitrige z. Anat. u. Physiol. 
(Festg. f. C. Lupwic.) 

Satensky, W., Bemerkungen iiber Hancxen’s Gastraea-Theorie. 
Arch. f. Naturgesch., 8. 137, tibers. in Ann. and Mag. of 
Natur. Hist. (Ser. 4), Vol. XV, p. 1. 

Scunerper, A., Gastraea-Théorie. Classification du régne animal 
fondée sur la phylogénese et Vhomologie des feuillets du 
blastoderme par Ernst Harcxen. Arch. de Zool. expérim. 
et gén., T. III, p. 239. 

Semper, C., Ueber die Stammverwandtschaft der Wirbeltiere 
und Anneliden. Centralbl. f. d. med. Wiss., S. 545 (547). 

— Sur la liaison généalogique des Annélides et des Vertébrés. 
Arch. de Zool. expérim., T. III, Notes et Revue, p. LVII. 

Witper, B. G., Lateral Position of the Vent in Amphioxus 
and in the Larvae of Rana pipiens. Proceed. Americ. 
Assoc. Advanc. of Sci. Aug. 1873, Salem. (Nur Titel.) 

Acassiz, A., Critique de la Gastraea-Théorie. Traduction par 
A. Scunemrer. Arch. de Zool. expérim., T. IV, Notes et 
Revue IV, p. IX. 

*Batrour, F. M., A Comparison of the Early Stages in the 
Development of Vertebrates. Quart. Journ. of Microsc. 
Sei Vols XViep- 208: 

Carus, Handbuch der Zoologie. Bd. I, S. 607. 

*CouueTT, Ros., Norges Fiske. Christiania, p. 222. 

*Dourn, Ant., Der Ursprung der Wirbeltiere und das Prinzip 
des Funktionswechsels. Leipzig, 8. 32, 51, ff. (Amph. 
verwandt mit den Cyclostomen und den Ascidien.) 

Gorrr, A., Entwicklungsgeschichte der Unke. (Bombinator 
igneus). Leipzig, (298, 304, 739—743, 866 Amph. ein 
Wirbeltier, 883 Anm.) 

*HarckeL, E., Die Gastrula und die Eifurchung der Tiere. 
Jen. Zeitschr. f. Med. u. Naturw., Bd. IX, 8S. 402 (469). 

a) *Huxiny, Th. H, On the Classification of the Animal 
Kingdom. Journ. Linnean Soc.-Zool., Vol. XII, p. 199, 
read Dec. 3, 1874. 


b) — Animal Kingdom. Encyclopaedia Britannica, 9. ed., 
Vol. EL. ip. 53! 
c) — Classification of the Animal Kingdom. Quart. Journ. 


of Microsc. Sci., Vol. XV, p. 54. 
*Krausk, W., Der Ventriculus terminalis des Riickenmarks. 
Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XI, 8S. 216 (222). 


Bd. XXXIV. N, F, XXVIL. 52. 


800 


Eugen Burchardt, 


*LANKESTER, E., Ray, On some new Points in the Structure 
of Amphioxus and their Bearing on the Morphology of Verte- 
brata. Quart. Journ. of Microse. Sci, Vol. XV, p. 257. 

*y, Mrmatxowics, V,, Die Chorda des Amphioxus lanceolatus. 
Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XI, 8. 425. 

*Morsius, K. und Huincxe, FRr.,_,,Pommerania“-Expedition, 
1872. Pisces in Ber. d. Kommiss. z. wiss. Untersuch. d. 
deutsch. Meere in Kiel. Berlin, 8. 312. 

(Gefunden an der Doggerbank und N.W. von Borkun, 
fehlt in der Ostsee.) 

Moguin-Tanpon, G., De quelques applications de l’embryo- 
logie & la classification méthodique des animaux. Ann. 
des Sci. natur.*(Sér. 6) 'T. IT, p. 39. 

(Es ist nicht bewiesen, dai Amph. das Zwischenglied 
bildet zwischen Wirbellosen und Wirbeltieren.) 

*Mornav, C., Recherches sur la structure de la corde dorsale 
de l’Amphioxus. Bull. de ’Acad. Roy. de Belg. T. XX XIX, 
p. 312, 

*Mitier, Witn., Ueber das Urogenitalsystem des Amphioxus 
und der Cyclostomen. Jen. Zeitschr. f. Med. u. Natur- 
wiss., Bd. IX, 8. 94. 

*PaGEnsTECHER, H. A., Allgemeine Zoologie. Berlin, 1875 

81. (8. Inhaltsverzeichnis.) 

*Panopri, P., Note die anatomia comparata. Napoli, (p. 58, 
105, 107, 163, 165, 317, 320, 400, 404, 426, 428, 468, 
493.) : 

a) *Rozpx, .W., Untersuchungen tiber den Bau des Amphi- 
oxus lanceolatus. (Vorlaufige Mitteilung.) Sitz.-Ber. d. 
Naturforsch. Ges. zu. Leipzig. Jan., S. 9—834. Marz, nur 
Titel. (Kiemenhéhle ist nicht Bauchhéhle.) 

b) *— Mitteilungen tiber den Bau der Chorda des Amphioxus. 
Ebenda, Mai, 8. 50—53. ‘(Kerne in den Chordascheiben, 
auch bei alten Tieren.) 

c) *— Vorlaufige Mitteilung iiber die sogenannten Nieren 
des Amphioxus und das ligamentum denticulatum (Jon. 
Miter) des Kiemenkorbes. Ebenda. Juli, S. 85—87. 

a) Semper, C., Die Stammverwandtschaft der Wirbeltiere und 
Wirbellosen. Arbeit. aus d. zoolog.-zootom. Inst. in Wiirz- 
burg... Bd) T,.85'56-59: 

b) — Arbre généalogique du régne animal. Traduit par 
A. Scunemwgr. Arch. de Zool. expérim. et gén. T. IV, 
Notes etRevue VIII, p. XX. 

c) — Das Urogenitalsystem der Plagiostomen und seine 
Bedeutung fiir das der tibrigen Wirbeltiere. Arbeit. aus 
d. zoolog.-zootom. Inst. in Wiirzburg, Bd. II, § 14, 
S. 399 (458, 585). 

*Ussow, Zoologico-Embryological Investigations. Ann. and 
Mag. of Natur. Hist. (Ser. 4), Vol. XV, p. 321 (833). 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 801 


1876 a) Batrour, F. M., The Development of Elasmobranch Fishes. 
Journ. of Anat. and Physiol., Vol. X, p. 517 (529, 530, 
532, 547) u. p. 681. 

(,In Amphioxus, where the small amount of food-yolk 
present is distributed uniformly, there is no reason why 
the invagination and resulting gastrula should not be 
symmetrical.*) 

b) *— On the spinal nerves of Amphioxus. Journ. of Anat. 
and Physiol., Vol. X, p. 689. Auch in Studies from the 
Physiol. Laborat. Univ. of Cambridge, 1877, Part 3, p. 38. 

*Hassz, Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. Morphol. 
Jahrb., Bd. I, S. 282. 

*HarscueK, B., Beitrage zur Entwicklungsgeschichte und 
Morphologie der Anneliden. Sitz-Ber. d. K. Akad. d. 
Wiss. Wien, Oct., Bd. LX XIV, 8S. 446. 

a) *Huxiey, Tu. H., Contributions to Morphology. No.1. On 
Ceratodus Forsteri, with Observations on the Classification 
of Fishes. Proceed. Zool. Soc. London, p. 24 (58). 

b) — On the Nature of the Craniofacial Apparatus of Petro- 
myzon. Journ. of Anat. and Physiol. Vol. X, p. 412 
(416—418). 

*LanceruHAns, P., Zur Anatomie des Amphioxus lanceolatus. 
Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XII, 8. 290. 

Letourneau, Cu., La Biologie. Paris. (An verschiedenen 
Stellen.) 

*MarsHaut, A. Mi~nes, On the Mode of Oviposition of Am- 
phioxus. Journ. of Anat. and Physiol. Vol. X, p. 502. 
*Prrers, W., Epigonichthys cultellus, eine neue Gattung und 
Art der Leptocardii. Monatsber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. 

Wiss., Berlin, 8. 322. 

a) Rauser, A., Die Stellung des Hiihnchens im Entwicklungs- 
plan. Leipzig, S. 17. 

b) — Primitivrinne und Urmund. Morphol. Jahrb., Bd. I, 
p- 550 (555, 572). 

*Rotpu, W., Untersuchungen iiber den Bau des Amphioxus 
lanceolatus. Morphol. Jahrb., Bd. II, 8. 87 (s. 1875). 

Scumipt, O., Handbuch der vergleichenden Anatomie. 7. Aufl, 


S. 262. 

a) Semper, C., Der Haeckelismus in der Zoologie. Hamburg, 
S. 35, Anm. 7. 

b) — Die Verwandtschaftsbeziehungen der gegliederten Tiere. 


Arbeit. aus d. zoolog.-zootom. Inst. in Wiirzburg, Bd. III, 
S. 284 (346, 356). 

*y, Sresotp und vy. Wixiemors-Sunm, Von der Challenger- 
Expedition. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XXVI, 8. 52, 53. 
(Amph. bei Cap York und in der Arafura-See.) 

*Sruper, Tx., Epigonichthys cultellus Prrs. Monatsber. d. 
Kgl. Akad. d. Wiss. zu Berlin. 

(S. 853: Mitteilung an Prrers tiber Vorkommen des 
52 * 


802 Eugen Burchardt, 


Ep. cult. in der Moreton-Bai; Nerven am Kopf; einer der- 
selben in einem Blaschen endend, miéglicherweise Gehér- 
organ. ) 

*Waruace, A. R., The Geographical Distribution of Animals. 
Vol. II, p. 464. (Sub-class: Leptocardii — Family: Cir- 
rhostomi. 1 Genus, 1 Species.) 

1877 Batrour, F. M., Development of Elasmobranch Fishes. Journ. 
of Anat. and Physiol. Vol. XI, p. 128 (150, 459, 481). 
Epincrr, L., Ueber die Schleimhaut des Fischdarmes, nebst 
Bemerkungen zur Phylogenese der Driisen des Darmrohres. 

Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XIII, 8. 651 (664). 

a) *Hoppn-Spyuer, F., Ueber Unterschiede im chemischen Bau 
und der Verdauung héherer und niederer Tiere. PriteEr’s 
Arch. f. Physiol., 8. 399. 

b) — Physiologische Chemie, S. 97, 276, 792. 

Huxtey, To. H., Manual of the Anatomy of Invertebrated 
Animals. London. 

*KowauEvsky, A., Weitere Studien tiber die Entwicklungs- 
geschichte des Amphioxus. Arch. fiir mikrosk. Anat., 
Bo! Xo, 

Lanxester, E. R., Notes on the Embryology and Classification 
of the Animal Kingdom. Quart. Journ. of Microse. Sci., 
Vol. XVII, p. 399 (450). 

*y, Minaukovics, V., Entwicklungsgeschichte des Gehirns. 
Leipzig, 8. 24. 

*NUSSLIN, O., Zur Kritik des Auges des ‘Aiuoiiouee lanceo- 
latus. Tibingen, Diss. 

RavBeEr, A., Primitivstreifen und Neurula der Wirbeltiere, in 
normaler und pathologischer Beziehung. Leipzig (S. 4, 
48, 60). 

*Scunermper, A., Ueber den Bau des Amphioxus lanceolatus. 
Sitz. d. Oberhess. Ges. f. Natur- u. Heilkunde, 14. Nov. 
Tuacuer, J. K., Median and Paired Fins, a Contribution to 

the History of Vertebrate Limbs. Transact. Connecticut 
Acad., Vol. Hil, ps 281. 

1878 *Coucn, J., A History of the Fishes of the British Islands. 
Vol. IV, p. 415. 

*Euiers, E., Amphioxus von Helgoland. Zoolog. Anz., Bd. I 
5. 247. 

*Gares, O., De Voeuf dans la série animale. These de Paris, 
p: 200: 

Haxcxet, E., Ueber den Stammbaum des Menschengeschlechts. 
(Vortrag, geh. Nov. 1865.) Bonn, 8S. 62. Gesammelte 
populire Vortrige aus dem Gebiete der Entwicklungs- 
geschichte. 

Harscuex, B., Studien iiber die Entwicklungsgeschichte der 
Anneliden. Ein Beitrag zur Morphologie der Bilateralien. 
Arbeit. aus d. Zool. Inst. d. Univ. Wien u. d. Zool. Stat. 
in Triest. Wien, 8. 112. 


1879 


1880 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 803 


Huxtey, Tu. H., Grundziige der Anatomie der wirbellosen 
Tiere. Leipzig, S. 55 u. 57. Uebers. von SprenGEL. 

*vy. Juerine, H., Das peripherische Nervensystem der Wirbel- 
tiere. Leipzig, 5. 234. 

*Macauister, Au., An introduction to the systematic zoology 
and morphology of vertebrate animals. Dublin University 
Press Series, p. 6. 

Nouv, A., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie. Heidelberg. 
(An verschiedenen Stellen.) 

*Renavut et Ducuamp, Sur Vorgane appelé corde dorsale chez 
VAmphioxus. Compt. rend. de l’Acad. des Sci., T. LX XXVI, 
p. 898. 

Scumarpa, L. K., Zoologie. 2. Aufl, Bd. II, 8. 353. 

(Subklasse: Leptocardii — Ordnung: Anencephala, Cir- 
rhostomi Owrn — Familie: Amphioxida MUtt.) 

Baxpiani, G., Lecons sur la génération des Vertébrés. Paris. 

Branpt, Jou. Fr., Bericht tiber die Fortschritte, welche die 
zoologischen Wissenschaften den von der Kaiserlichen Aka- 
demie der Wissenschaften zu St. Petersburg von 1831 bis 
1879 herausgegebenen Schriften verdanken. St. Petersburg. 

Hertwie, O. und R., Studien zur Blattertheorie. H. 1. Die 
Actinien. Jena. (S. 203: Mesodermale und entoblastische 
Chorda des Amphioxus.) 

*ScHnewer, A., Grundziige einer Myologie der Wirbeltiere. 
Beitrige zur vergleichenden Anatomie und Entwicklungs- 
geschichte der Wirbeltiere. Berlin, S. III (s. 1877). 


*a) Batrour, F. M., On the spinal nerves of Amphioxus. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XX, p. 90 (s. 1876). 

b) — On the Structure and Homologies of the Germinal Layers 
of the Embryo. Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XX, 
p. 24%. 

*c) — A Treatise on Comparative Embryology. London. (8. 


"Index zu Vol. II und besonders Kap. 12, On the ancestral 
Form of the Chordata.) Deutsch von VETTER, 1881. 
Dextace, M. Y., De Vorigine des éléments figurés du sang chez 

les vertébrés. Thése de Paris, p. 40. 

GinrHer, Alb. An Introduction to the Study of Fishes. 
Edinburgh, p. 696. (Kein Gehirn, Atrium noch Peritoneal- 
héhle; Blutkérperchen farblos und kernlos.). 

*HarckEL, E., Demonstration lebender Seetiere. Sitz.-Ber. 
Jen. Ges. f. Med. u. Naturw., Dez. Bd. XIV, Suppl. H. 1, 
S. 141. (Amph. von Helgoland, Lebenszihigkeit desselben.) 

*Huprecut, A. A. W., Zur Anatomie und Physiologie des 
Nervensystems der Nemertinen. Verhandel. d. Kon. Akad. 
v. Wetensch., D. 20 

Ill. Einige allgemeine Gesichtspunkte, welche sich, aus- 
gehend vom Nervensystem und mit Riicksicht auf die 
sonstigen Organisationsverhaltnisse dieser Tiere, gewinnen 
lassen. 


804 


1881 


Eugen Burchardt, 


*Jorpan, D. 8. and Ginpert, Cu. H., List of Fishes of the 
Pacific Coast of the United States, with a Table showing 
the Distribution of the Fishes. Proceed. U. S. Nation. 
Mus., Vol. II, p. 452. Smithsonian Miscellan. Collect., 
Vol. XXIT, Washington 1882. 

*KRUKENBERG, C. Fr. W., Ueber Reservestoffe. Vergleichend- 
physiologische Studien, 2. Abteil., Heidelberg, S. 61. 
*Mprxev, Fr., Ueber die Endigungen der sensiblen Nerven 

in der Haut der Wirbeltiere. Rostock, 8. 7. 

*Poucuet, Sur le systéme des canaux et sur la corde dorsale 
de lAmphioxus. Gaz. méd. de Paris, T. II, p. 275. 

*__ On the Laminar Tissue of Amphioxus. Quart. Journ. of 
Microsc. Sci., Vol. XX, p. 421. 

Rauser, A., Die Gastrula der Wirbeltiere und die Allantois. 
Zool. Anzeig., Jahrg. 3, 8S. 180 (182). 

*Ricp, H. J., Observations upon the habits, structure and 
development of Amphioxus lanceolatus. Americ. Natural., 
Vol 2alV,: p. a: 

Scuirer, E. A., Some teachings of development. Quart. Journ. 
of Microsc. Sci, Vol. XX, p. 202 (216). 

*Scuneiper, A., Ueber die Nerven von Amphioxus, Ammo- 
coetes und Petromyzon. Zool. Anzeig., Bd. III, 8. 330 
(gegen Baxrour). 

Semper, C., Die natiirlichen Existenzbedingungen der Tiere. 
Internat. wissensch. Bibliothek, Bd. XXXIX, S. 248, 
Anm. 1; Bd. XL, 8. 270 Anm. (,,Der unselige Amphioxus 
— der ungliickselige Amphioxus.“) 

*WinpERSHEIM, R., Das Gehirn von Ammocoetes und Petro- 
myzon Planeri. Jen. Zeitschr, fiir Med. u. Naturw., 
Bd. XIV, S. 1 (8, 20, 22). (Das Gehirn des Amph. ent- 
spricht nur dem Hinter- und Nachhirn der anderen Wirbel- 
tiere; bei Amph. nur dorsale Wurzeln.) 

Batrour, M. F., On the Development of tie Skeleton of the 
Paired Fins of Elasmobranchii, considered in Relation to 
its Bearings on the Nature of the Limbs of the Vertebrata. 
Proceed. Zool. Soc. London, Vol. I, p. 656 (657). Auch 
in Studies from the Morphol. Laborat. Univ. of Cambridge, 
1882, Part 2, p. 51 (52). 

Cattin, J. Tu. Vergelijkend-Anatomische en Histologische 
Onderzokingen van de Epiphysis cerebri der Plagiostomi, 
Ganoidei en Teleostei. Leyden, Inauguralschrift (p. 85: 
Epiphyse; 89—91: Hypophyse). 

Dorn, Ant., Studien zur Urgeschichte des Wirbeltierkérpers. 
Mitteil. aus d. Zool. Stat. zu Neapel, 1882, Bd. III, S. 264 
(270, Batrour), Nachtrag 274. (HarscHex’s vorderes 
Entodermsackchen wahrscheinlich gleich der Hypophyse 
der Vertebraten.) 

Gintner, Aus., Ichthyology. Encyclopaedia Britannica, 9. ed., 
Vol. XII. 


1882 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 805 


*Dr GuERNE et Barrois, La faune littorale de Concarneau. 
Revue scientif. I, T. XXVII, p. 25 (26). (Haufig bis 
50 m unter Meeresspiegel.) 

*Hatscuek, B., Studien tiber Entwicklung des Amphioxus. 
Arbeit. d. zool. Inst. Wien und Triest, Bd. IV, S. 1. 

Hertwie, O. und R., Die Célomtheorie. Jena, 8. 54. 

*Hoppn-Seyuer, F., Ueber Amphioxus und Cephalopoden. Be- 
richtigung. Zool. Anzeig., Bd. IV, 8. 185. 

*Jorpan, D. S. and Ginsert, Cu. H., Notes on the Fishes of 
the Pacific-Coast of the United States. Proceed. U. S. 
Nation. Mus., Bd. IV, p. 29. (Branchiost. lanceol. in San 
Diego Bay.) 

Juin, Cu., Organisation des Ascidies simples. Arch. de Bio- 
logie, T. II, p. 100. 

a) *Krukenserc, C. Fr. W., Leimgebendes Gewebe bei Am; 
phioxus lanceolatus. Vergleichend-physiologische Studien, 
5. Abteil., S. 32, Heidelberg. 

b) *— Untersuchungen der Fleischextrakte verschiedener 
Fische und Wirbellosen. Untersuch. aus d. physiol. Inst. 
d. Univ. Heidelberg, Bd. IV, S. 33, 35, 38, 46, 49, 57, 59. 
(Muskel von Amph. enthalt reichlich Kreatin und Hypo- 
xanthin, aber kein Harnstoff, Inosit, Taurin.) 

c) *— Zur Kenntnis des chemischen Baues von Amphioxus 
lanceolatus. Zool. Anzeiger, S. 64 u. 263 Erklarung. 
*Rouon, J. V., Ueber Amphioxus lanceolatus. Anzeig. d. Kais. 
Akad. d. Wiss. in Wien, Bd. XVIII, S. 48. (8. 1882 

ausfiihrliche Arbeit.) 

Sepewicx, A., Wolffian Duct and Body in the Chick. Quart. 
Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXI, p. 452 Anm. 

*Gint, Tu., Note on the Leptocardians. Proceed. U. S. Nation. 
Mus., Vols V, po 515: 

*Horrmann, C. K., Ueber die Entwicklungsgeschichte der 
Chorda dorsalis. Beitr. z. Anat. u. Embryol. Festg. f. 
Jac. Hentz, Bonn, 8. 41. 

MarsHautu, A. Mitnes, The Segmental Value of the Cranial 
Nerves. Journ. of Anat. and Physiol, Vol. XVI, p. 305 
(814, 320, 345, 346). 

Merscanixorr, Ex. Vergleichend-embryologische Studien. 
Zeitschr. f. wiss. Zool.. Bd. XXXVII, S. 286. 

Reicuert, C. B, Untersuchungen iiber das anatomische Ver- 
halten der Wirbelsaite (Chorda dorsualis) mit der ihr zu- 
gehérigen Schicht der Wirbelkérpersaule in der Basis 
cranii bei den Selachiern, Cyclostomen und Leptocardiern. 
Sitz.-Ber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss., Berlin, Bd. I, 
S. 393. (Nur Titel, nicht im Druck erschienen ?) 

*Rouon, Untersuchungen iiber Amphioxus lanceolatus. Denkschr. 
d. Akad. d. Wiss. Wien (Math.-naturw. K1.), Bd. XLV, S. 4. 

Srrasser, Zur Lehre von der Ortsbewegung der Fische. S. 40 
(citiert Brenm). 


806 


1883 


1884 


Eugen Burchardt, 


*Vauaoriris, Eu. +, Die Genesis des Tier-Eies, Leipzig, S. 129. 
(Notiz von Lancernans und eigene Erwagungen. ) 

Baupe.ot, Em., Recherches sur le systeme nerveux des Pois- 
sons. Paris (Historique, p. 100). 

*Van Benepen, Ed., Additions 4 la Faune ichthyologique des 
cétes de Belgique. Bull. de VAcad. Roy. de Belgique 
(Sér. 3), T. V, p. 404 (406, 416). 

(Amph. lanc. gefunden bei Blankenberghe; von van 
BrneEDEN frither gefunden in der Bai von Rio de Janeiro 
und von Botafogo.) 

Hertrwie, O., Die Entwicklung des mittleren Keimblattes der 
Wirbeltiere. Jena, 8. 106 (Schlu’betrachtungen). 

Horrmann, C. K., Zur Ontogenie der Knochenfische. Ver- 
handl. d. Kon. Akad. v. Wetensch. Amsterdam, Deel 23 
p. 1. (An einigen Stellen.) 

*Huprecut, A. A. W., Over de vooroudelijke Stamvormen der 
Vertebraten. Verhandl. d. Kon. Akad. v. Wetensch. Am- 
sterdam, Deel 23. 

*___ On the ancestral form of the Chordata. Quart. Journ. 
of Microsc. Sci., Vol. XXIII, p. 349. 

*Jorpan, D. S. and GitsErt, Cu. H., Synopsis of the Fishes 
of North America. Bull. U. S. Nation. Mus., No. 16. 
(Branchiostoma lanceolatum fiir Branch. caribaeum.) 

Levnis-Lupwie, Zoologie, 38. Aufl. Bd. I, 8. 796. 

Owen, On the Answerable Divisions of the Brain in Vertebrates 
and Invertebrates. Ann. and Mag. of Natur. Hist., Vol. XII 
(Ser 5), p. 308. 

a) AnLBorRN, Fr. Ueber die Segmentation des Wirbeltier- 
kérpers. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XL, 8. 309 (314). 

b) — Ueber die Bedeutung der Zirbeldriise. Zeitschr. f. 
wiss. Zool., Bd. XL, S. 331. 

(Die Epiphysis entspricht nicht dem Neuroporus, sondern, 
als unpaare Augenanlage, vielleicht dem unpaaren Auge 
des Amphioxus.) 

Batuson, Wm., The early Stages in the Development of Ba- 
lanoglossus (sp. incert.). Quart. Journ. of Microse. Sci. 
(N. S.), Vol. XXIV, p. 208 (231). Auch in Studies from 
the Morphol. Laborat. in the Univ. of Cambridge, Vol. I, 
part, .p. od. 

(Trotz der Aehnlichkeit in der Bildung des Central- 
nervensystems und Mesoblast bei Amph. und Balanogl. 
keine Verwandtschaft zwischen beiden, wie unter anderem 
das Fehlen einer Chorda bei Balanogl. beweist.) 

Jounson, Axice, On the Fate of the Blastopore and the Pre- 
sence of a Primitive Streak in the Newt (Triton cristatus). 
Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXIV, p. 659 (666). 
(Vergleichende Zusammenstellung der Bestimmung des 
Blastoporus.) 

*GuntHerR, AxB., Report of the ,,Alert“. 


1885 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 807 


*HartscueK, B., Mitteilungen ttber Amphioxus. Zool. Anzeig., 
Bd. VII. 

Kotimann, J., Der Randwulst und der Ursprung der Stiitz- 
substanz. Arch. f. Anat. u. Entwickelungsgesch,, S. 341 
(8380). (Amph, das phyletisch alteste Wirbeltier.) 

Sepewick, A , On the Origin of Metameric Segmentation and some 
other Morphological Questions. Quart. Journ. of Microsc. 
Sci, Vol. XXIV, p. 43 (58, 75, 80, 81). (,,A very primitive 
and isolated animal.) 

A. E.S., The Origin of Vertebrata. Nature, Vol. XXX, p. 225. 

Verter? Ueber die Vorfahren der Wirbeltiere. Kosmos, 
Bd. XIV, 8. 59. (,,Ein echtes Wirbeltier oder besser ein 
Chordat.“ ) 

*van Wuisup, W., Ueber den vorderen Neuroporus und die 
phylogenetische Funktion des Canalis neurentericus der 
Wirbeltiere. Zool. Anzeig., Bd. VII, 8. 683 (685 Anm. 7 
u. 687). 

Bareson, Wm., The Later Stages in the Development of Ba- 
lanoglossus Kowalevskii, with a Suggestion as to the 
Affinities of the Enteropneusta. Quart. Journ. of Microsc. 
Sei,!iVoll X XV, Suppl. p. 81 (86,97; 102, 105; 109s hii: 
113). (Chorda; Kiemenhdéhle.) 

Braver, Fr., Systematisch-zoologische Studien. Sitz.-Ber. d. 
K. Akad. d. Wiss. Wien (Math-naturw. Kl), S. 237, 261. 
(S. 251: Amph. eine Vorklasse der Fische.) 

CatpwetL, M. A., Blastopore, Mescderm and Metameric 
Segmentation. Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXV, 
p- 15 (24). 

Corr, E. D., On the Evolution of the Vertebrata, Progressive 
and Retrogressive. Americ. Natural., Vol. XIX, p. 140 (234). 

Enxcers, E., Nebendarm und Chorda dorsalis, Nachr. K. Ges. 
d. Wiss. Gottingen, 8. 390. 

*HanuckeL, Ursprung und Entwicklung der tierischen Ge- 
webe. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss, Bd. XVIII, 8. 206. 
(220 Amphigastrula, 242 Leptogastrula; 270 die On- 
togenie d. Amph. das typische Paradigma fiir die tibrigen 
Wirbeltiere.) 

*Jorpan, D. S. (and Girzerr), Fishes known from the pacific 
coast of tropical America, from the tropic of cancer to 
Panama. Proceed. U.S. Mus. Vol VIII, p. 361. (1 Bran- 
chiostoma. ) 

Rickert, J., Zur Keimblattbildung bei Selachiern. Ein Bei- 
trag zur Lehre vom Parablast. Miinchen, 8. 49. (Das 
Amphioxusei reprasentiert die einfachste Form eines total 
sich furchenden Lies.) 

a) *Ryper, J. A., On the Availability of Embryological Charac- 
ters in the Classification of Chordata. Americ. Natural., 
Vol. XIX, p. 815 (816). (Vertebrata besser zu bezeichnen 
als Chordata. Haplocyemata == Leptocardii.) 


808 


1886 


Eugen Burchardt, 


b) Ryprr, J. A.. The Archistome-Theory. Americ. Natural., 
Volu XTX, p. 1115: 

*SHELIGER, Osw., Die Entwicklungsgeschichte der sozialen 
Ascidien. Jen. Zeitschr. fiir Naturwiss., Bd. XVIII, 
S. 45 (52, 55, 62, 85, 90 — besonders 558, 561, 589 u. 
591—596). (Amph. wahrscheinlich eine friih von dem zu 
den Vertebraten fithrenden Stamme abgezweigte Form, aber 
nicht das Bindeglied zwischen Vertebraten und Tunicaten.) 

SwakEn, A., Etude sur le développement des feuillets et des 
premiers ilots sanguins dans le blastoderme de la Torpille. 
(Torpedo ocellata.) Bull. Acad. Roy. de Belgique. T. IX, 
p. 385, 407, 415, s. 1887. 

y. THannorrner, L., Grundziige der vergleichenden Physiologie 
und Histologie. Stuttgart. (S. 358 ,,der einen Uebergang zu den 
Wiirmern bildende Lancettfisch“, und an anderen Stellen.) 

*Assaxy, G., Origine des feuillets blastodermiques chez les 
Vertébrés. These d’Agrégation. Paris, p. 4—9. 

*Bareson, Wm., The Ancestry of the Chordata. Quart. Journ. 
of Microsc. Sci. Vol. XX VI, p. 535. (Keine Degeneration.) 

Brook, G., The Formation of the Germinal Layers in Tele- 
ostei. (Abstract.) Proceed. Roy. Soc. Edinburgh, p. 590 
(591). (Das Entoderm liefert bei den Teleostiern die 
gleichen Organe wie bei Amphioxus.) 

a) Carrango, Grac., Comunicazione preventiva sullo sviluppo 
dell’ intestino dei Pesci. Boll. Sci. Pavia, Anmerk. 8. 

b) *— Istologia e sviluppo del tubo digerente dei pesci. 
Atti della Soc. Italiana di Sci. natur. Milano, Vol. XXIX, 
p. 73 (75, 78, 79, 82, 93). 

a) *Dourn, A., Studien zur Urgeschichte des Wirbeltier- 
kérpers. 38. Die Hypobranchialrinne des Amphioxus. Mit- 
teil. aus d. zool. Stat. zu Neapel, Bd VI, S. 64. 

b) — Studien zur Urgeschichte des Wirbeitierkérpers. 9. Die 
Bedeutung der unpaaren Flosse fiir die Beurteilung der 
genealogischen Stellung der Tunicaten und des Amphioxus, 
und die Reste der Beckenflosse bei Petromyzon. Mitteil. 
aus d. zool. Stat. zu Neapel, Bd. VI, 8S. 399. 

Gtntuer, Axs., Handbuch der Ichthyologie, tibers. von Hayek. 
Wien (s. 1880). 


‘Hatpeman, G. B., Notes on Tornaria and Balanoglossus. Johns 


Hopkins Univ. Circulars, Vol. VI, p. 45. 
*Hatscuex, B., Zur Entwicklung des Amphioxus. Tagebl. 
d. 59. Vers. deutsch. Naturf. u. Aerzte, Berlin, 8. 271. 
Husrecut, A. A. W., Report on the Nemertea, collected by 
H. M. S. Challenger during the years 1873—76. Zoology. 
— Vol. XIX (General conclusions, p. 121 ff u. Taf XVI.) 

KLEINENBERG, Nic, Die Entstehung des Annelids aus der Larve 
von Lopadorhynchus. Zeitschr. f. wiss. Zool., Bd. XLIV, 
S. 1 (10). (Bezweifelt die mesodermalen Polzellen Har- 
SCHEK’S.) 


1887 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 809 


i) 


*Kopuier, R., Contribution a Vétude des Entéropneustes. 
Internat. Monatsschr. f. Anat. u. Histol., Bd. III, p. 139. 
(Amph. sehr haufig auf der Insel Herm bei Guernesey ; 
Stellung des Balanogl. zu den Chordaten; Amph. ein 
degeneriertes Wirbeltier.) Fast dasselbe auch in Bull. 
Soc. Sci. Nancy 1886, S. 154. 

b) — Sur la parenté du Balanglossus. Zool. Anzeiger, Bd. IX, 
p. 506 (507). (Amph. ist ein degenerierter Vertebrate; 
seine Vorfahren waren Vertebraten, die Vorfahren des 
Balanogl. waren Chordaten, die noch nicht Wirbeltiere 
geworden waren.) 

Konimann, Diskussion zu Ricxerr (1886). 

a) *Kruxenpere, C. Fr. W., Grundziige einer vergleichenden 
Physiologie der Farbstoffe und der Farben. Vergleichend- 
physiologische Vortrage, III, 8. 13. 

b) *— Grundziige einer vergleichenden Physiologie der 
tierischen Geriistsubstanzen. Ebenda, IV, 8S. 221. 

c) *— Grundziige einer vergleichenden Physiologie der kon- 
traktilen Gewebe. Ebenda, V, 8. 101. (Muskel Inosit-frei, 
reich an Harnstoff.) 

*Mayer, P., Die unpaaren Flossen der Selachier. Mitteil. 
aus d. zool. Stat. z. Neapel, Bd. VI (247). (Die Ketten- 
bildung bei Amph. eine Mythe.) s. Witpe 1859. 

Merscunixorr, Ex., Embryologische Studien an Medusen. 
Wien (S. 129). 

Parker, T. J., On the Blood-Vessels of Mustelus Antarcticus 
a Contribution to the Morphology of the Vascular-System 
in the Vertebrata. Philos. Transact. Roy. Soc. London, 
Vol. CLXXVII, p. 685. (p. 717 System der Lateralvene.) 

Perrier, Epmu., La philosophie zoologique avant Darwrn. 
Cavedin.. ps LOG. 

Ransom and THompson, On the Spinal and Visceral Nerves 
of Cyclostomata. Zool. Anzeiger, p. 421 (423). 

Rickert, J., Ueber die Gastrulation der Selachier. Tagebl. 
59. Vers. deutsch. Naturf. u. Aerzte. Berlin, S. 271. 
*STEINER, Js., Ueber das Centralnervensystem des Amphi- 
oxus. Sitz-Ber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss. Berlin, 
S. 497. (Jedes abgeschnittene Stiick des Amph. bewegt 

sich wie das intakte Tier.) 

*Brarp, J., The origin of the segmented duct in Elasmobranchs. 
Anat. Anzeiger, Jahrg. 2, p. 646 (649). (Amph. kein 
Wirbeltier. ) 

a) VAN Brnepen et Jutiny, Recherches sur la morphologie des 
Tuniciers. Arch. de Biologie, T. VI, p. 237. 

b) — Les Tuniciers sont ils des Poissons dégenérés? Anat. 
Anzeiger, p. 407 u. 433. 

Erste, H., Die Capitelliden des Golfes von Neapel. Fauna 

und Flora des Golfes von Neapel. Monogr. 16, Berlin. 

(S. 445 Chorda bei Amph. kann als Nebendarm aufgefalt 

werden. ) 


810 Eugen Burcharat, 


*Nansen, Fr., The Structure and Combination of the Histo- 
logical Elements of the Central Nervous System. Bergen’s 
Mus. Aarsberetning for 1886, Bergen, p. 160. 

PreytourrEav, A., La Glande Pinéale et le Troisitme Oeil des 
Vertébrés. Paris (p. 34, 64.) 

Ricxert, J., Ueber die Anlage des mittleren Keimblattes und 
die erste Blutbildung bei Torpedo. Anat. Anzeiger, 2. Jahrg., 
S. 154 (172). 

Swagrn, A., Etudes sur le développement de la Torpille (Tor- 
pedo ocellata). Arch. de Biologie. T. VII, p. 537 (572, 
581.) 

Wiper, B. G., Remarks on Classification of Vertebrata. 
Americ. Natural., Vol. XXI, p. 913. 

1888 Bearp, J., A Contribution to the morphology and develop- 
ment of the nervous system of Vertebrata. II. The Deve- 
lopment of the medullary tube. Anat. Anzeiger, Jahrg. 3 
p. 901 (902). 

*Lo Branco, Satv., Notizie biologiche riguardanti  special- 
mente il periodo di maturita sessuale degli animali del 
Golfo di Napoli. Mitteil. aus d. zool. Stat. z. Neapel, Bd. VIII, 
p- 428. 

Connert, D., Die allmahliche Vervollkommnung der Wirbel- 
tiere. Progr. Hermannstadt. 

*Fusari, Ros., Contributo allo studio del sistema nervoso 
periferico dell’ Amphioxus lanceolatus. Riforma medica. 

*Harscupx, B., Ueber den Schichtenbau von Amphioxus. 
Anat. Anzeiger, Jahrg. 3, 8. 662. 

Herpman, W. A., Report on the Tunicata, III ,,Challenger“ 
Rep., Vol. XXVIII. (Phylogeny 120, 122.) 

Jackson, H., Forms of Animal Life. 2. ed. (Cephalochorda 
p. 437.) 

Kastscuenkxo, N., Zur Entwicklungsgeschichte des Selachier- 
embryos. Anat. Anzeiger, 8. 445 (453, 454). (Bei Amph. 
geht die Célombildung von vorn nach hinten vor sich, 
umgekehrt bei Selachiern.) 

*Krause, W., Die Retina. II. Die Retina der Fische — 
Amphioxus lanceolatus. Internat. Monatsschr. f. Anat. u. 
Histol... Bd.-¥,, 5.132: 

*De Lacaze-Duruiers, H., Vitalité des tissus chez /)Amphi- 
oxus. Arch. de Zool. expérim. et génér. (Sér. 2), T. VI, 
Notes et Revue XLIII. 

Lanier, F., Les Tuniciers sont-ils les ancétres des Vertébrés ? 
Proc. Verb. Soc. Hist. Natur. Toulouse, p. 92. 

*LankESTER, E. R., Vertebrata. Encyclopaedia Britannica. 

*Marsuatt and Hurst, Practical Zoology. London, sec. edit. 
sok 10; 

Nacvern Fr., Die Nervenelemente, ihre Struktur und Ver- 
bindung im Centralnervensystem. Anat. Anzeiger, Bd. III, 
S. 157 (168). 


1889 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 811 


Parker, W. K., and Brrrany, G. T., Morphology of the Skull, 
deutsch v. Verrer, 1889, Par. 217. (Negativ.) 

Rasu, C., Ueber die Bildung des Mesoderms. Verh. Anat. 
Ges. Wiirzburg. Anat. Anzeiger, Jahre. 3, S. 654. 

a) *Roupp, E., Histologische Untersuchungen tiber das Nerven- 
system von Amphioxus. Zool. Anzeiger, p. 190. 

b) *— Histologische Untersuchungen tiber das Nervensystem 
von Amphioxus lanceolatus. ScuNerpEr’s zool. Beitr. Bd. II. 

*Sreiner, J., Die Funktionen des Centralnervensystems und 
ihre Phylogenese. II. Fische, S. 40, 84, 109, 110. (Farbige 
naturgetreue Abbildung des Amphioxus. } 

Toparo, F., Sur Vorigine phylogénétique des yeux des 
vertébrés et sur la signification des épiphyses et des 
hypophyses de leur cerveau, de la fosse ciliée et de la 
glande de Hancock des Tuniciers. Arch. ital. de Biologie, 
Volt 1X, p. 55: (66). 

Zincuer, H. E., Der Ursprung der mesenchymatischen Ge- 
webe bei den Selachiern. Arch. f. mikrosk. Ant., Bd XXXII, 
S. 378 (398, 394, 395). (Die Entstehung der Leibeshéhle 
durch Ausstiilpung braucht nicht das Primitive und fiir 
die Wirbeltiere Urspriingliche zu sein.) 

*Carus, J. V., Prodromus Faunae Mediterraneae. 1889—93, 
Vol. II, p. 498. 

Cassatcneau, M., Les Entéropneustes. D’aprés l’enseignement 
de M. J. Kiystier. Journ. de Micrographie 13. année 
(p. 172, 273), s. J. Kinstuer. A Propos du Balanoglossus, 
Bull. de la Soc. Zool. de France 1889, T. XIV, p. 325. 
(Nicht verantwortlich fiir obige Veréffentlichung. ) 

*v. Datua Torre, K. W., Die Fauna von Helgoland. Jena, 
Zool. Jahrb., 1891, Supplem. 2. 

Dourn, A., Studien zur Urgeschichte des Wirbeltierkérpers. 
Mitteil. aus d.’ zool. Stat. z. Neapel, Bd. IX, 8. 330 (431). 

Friepuanper, B., Ueber die markhaltigen Nervenfasern und 
Neurochorde der Crustaceen und Anneliden. Mitteil. aus 
d. Zoolog. Stat. zu Neapel. Bd. IX, 8. 205 (208). 

*Fusari, Beitrag zum Studium des peripherischen Nerven- 
systems von Amphioxus lanceolatus. Internat. Monatsschr. 
fiir Anat. u. Histol., Bd. VI. 

*Ginruer, Avp., Branchiostoma pelagicum. _ ,,Challenger“ Rep. 
Vol. XXXI, p. 43. 

*Harscnex, Die Rippen der Wirbeltiere. Anat. Anzeiger, 
Erginz.-H., S. 113 (119). 

*Jaquret, Amphioxus in Voor und Yune, Lehrb. d. prakt. 
vergleich. Anatomie, 1889—94, Bd. II, 8. 378. 

a) *Lanxester, E. R., Contribution to the Knowledge of Am- 
phioxus lanceolatus YarreLy. Quart. Journ. of Microse. Sci., 
Vol. XXIX, auch in Spolia maris, London. 

*Leuckart, R. und Nirscus, H., Zoologische Wandtafeln. 
Tafel 72, mit Text von Harscuex, Kassel. 


812 


1890 


Eugen Burchardt, 


Rabu, C., Theorie des Mesoderms. Morphol. Jahrb., Bd. XV, 
8. 113 (154). 

Sarasin, P., Ueber die Theorie des Mesoderms von C. Rast. 
Eine Erwiderung. Anat. Anzeiger, Jahrg. 4, S. 721 (723). 

a) *Van WisHE, Ueber die Mesodermsegmente des Rumpfes 
und die Entwicklung des Exkretionssystems bei Selachiern. 
Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. XX XIII, S. 461, 464, 466 
Anm., 470, 471 gegen GreEenpaur, 504, 506, 511). 

b) *— Die Kopfregion der Cranioten beim Amphioxus, nebst 
Bemerkungen iiber die Wirbeltheorie des Schidels. Anat. 
Anzeiger, S. 558. 

a) *Ayers, H., Concerning Vertebrate Cephalogenesis. Journ. 
of Morphol., Vol. IV, p. 221. 

(Ein Wirbeltier mit Hirn; der Augenfleck ein licht- 
empfindendes Organ; das Pigment des Augenflecks und 
der Flecken im Riickenmark liegt innerhalb améboider 
Zellen.) 

b) *— Contribution to the morphology of the vertebrate 
head. Zool. Anzeiger, Bd. XIII, p. 504. 

(Die vordere Wand des Gehirns entspricht der Lamina 
terminalis, seine Héhle ist thalamocél und mesocél, hinter 
dem thalamocél legen Respirations-, Schluck- und sonstige 
Centren. Augenfleck paarig, lichtempfindlich. Die vorderen 
Riesenganglienzellen senden ihren Achencylinder nicht blo’ 
schwanzwiarts. Kiemenkorb auch zur Sammlung von 
Nahrung.) 

Brarp, J., The inter-relationship of Ichthyopsida. A con- 
tribution to the morphology of Vertebrates. Anat. An- 
zeiger, Jahrg. 5. (Amphioxus — ,a weed which has 
crept in the Vertebrate garden“) 

Beranecr, E., L’oeil primitif des Vertébrés. Arch. des Sci. 
phys. et natur. T. XXIV, p. 361. (Amph. — das Mittel- 
glied zwischen den Wirbeltieren und Anneliden.) 

*Lo Branco, Satv., Metodi usati nella Stazione Zoologica per 
la conservazione degli animali marini. Mitteil. aus d. 
zool. Stat. z. Neapel, Bd. IX, p. 435 (473). 

Boas, Lehrbuch der Zoologie. Jena. (Amph. kein Fisch.) 

*Bovert, Ueber die Niere des Amphioxus. Sitz.-Ber. d. Ges. 
f. Morphol. u. Phys. in Miinchen, Jahrg. 6; auch in 
Miinch. med. Wochenschr., No. 26. 

Corn, E. D., The Homologies of the Fins of Fishes. Americ. 
Natural, Vol. XXIV, p. 401. 

*vy, Daviporr, M., Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte 
der Distaplia magnilarva. II. Allgemeine Entwicklungs- 
geschichte der Keimblatter. Mitteil. aus d. zool. Stat. zu 
Neapel, Bd. IX, 8S. 533. 

Ferix, W., Zur Entwicklungsgeschichte der Vorniere des 
Hiithnchens. Anat. Anz., Jahrg. 5, 8. 526 (528). 

*Gonrre, A., Entwicklungsgeschichte des Flulneunauges 
(Petromyzon fluviatilis). (p. 24 ff Mesoderm, 33.) 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 813 


Husrecut, A. A. W., Studies in Mammalian Embryology. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XX XI, p. 499 (518 ff.). 

*Kout, C., Einige Bemerkungen iiber die Sinnesorgane des 
Amphioxus lanceolatus. Zool. Anzeiger, Bd. XIII. 

*LanxesterR and Winter, The Development of the Atrial 
Chamber of Amphioxus. Quart. Journ. of Microsc. Sci, 
Vol. XXXI, p. 445. 

*Lworr, Ueber Bau und Entwicklung der Chorda von Am- 
phioxus. Mitteil. aus d. zool. Stat. zu Neapel, Bd, IX, 
S. 483. 

Minot, Cu. 8., The Mesoderm and the Coelom of Vertebrates. 
Americ. Natural., Vol. XXIV, p. 877. 

Mosius, K., Ueber die Bildung und Bedeutung der Gruppen- 
begriffe unserer Tiersysteme. Sitz.-Ber. d. Kgl. Preuf. 
Akad. d. Wiss., Berlin, 8. 845 (850). 

Parren, Wm., On the origin of Vertebrates from Arachnids. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci, Vol. XXXI, p. 31. (Kritik 
dariiber in Americ. Natural., 1891, Vol. XXYV.) 

a) Scuimkewitscu, Wu., Essai de classification du regne 
animal. Rev. Sci. Natur. St.-Pétersbourg, 1 année, p. 102. 
(s7-1891;) 

b) — Ueber die morphologische Bedeutung der Organsysteme 
der Enteropneusten. Anat. Anzeiger, S. 29. 

a) *Scunerper, A., Ueber das Sarcolemm. ScuneipEr’s Zoolog. 
Beitrage, S. 217. 

b) —vy Studien zur Systematik und zur _ vergleichenden 
Anatomie, Entwicklungsgeschichte und Histologie der 
Wirbeltiere. (Fragment.) Scunerper’s Zoolog. Beitrige. 
Bd. II, Taf. 27, Fig. 8—15. 

*Spmon, R., Ueber die morphologische Bedeutung der Urniere 
in ihrem Verhaltnis zur Vorniere und Nebenniere und 
tiber ihre Verbindung mit dem Genitalsystem. Anat. An- 
zeiger, Jahrg. 5, 8. 455. 

*SpenGEL, J. W., Beitrag zur Kenntnis der Kiemen des Am- 
phioxus. Zoolog. Jahrb., S. 255. 

*Weiss, F. E., Excretory tubules in Amphioxus lanceolatus. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol XXXI, p. 489. 

*Wricut, Aus. A., Amphioxus in Tampa Bay. Americ. Natur., 
Vol. XXIV, p. 1085. 

Van Benepen, Ep., Recherches sur le dévelopment des Arach- 
nactis. Arch. de Biologie, T. XI, p. 115 (119—123 ein 
Cerianthusahnlicher Organismus war die Urform der Anne- 
liden, Arthropoden und Chordaten. Die Célomdivertikel 
entsprechen den Mesenterialfachern der Anthozoén.) 

Beraneck, M. E., Théories récentes sur la descendance des 
Vertébrés. Acad. de Neuchatel. Année 1891—1892. (Die 
Vertebraten stammen weder von den Chaetopoden, noch 
den Nemertinen, noch den Archianneliden, sondern von den 
Enteropneusten.) 


814 


1892 


Eugen Burcbardt, 


“Curznot, L., Etudes sur le sang et les glandes lymphatiques. 
Amphioxus. Arch. de Zool. expérim. et génér., T. IX, 
p. 55. (Keine Blutkérperchen, weder weife noch rote.) 

Freix, W., Die erste Anlage des Exkretionssystems des 
Hihnchens. Ziirich (S. 22, 25, 30). 

*Finip, H., The Development of the Pronephros and Seg- 
mental Duct in Amphibia. Bull. Mus. of Comparat. Zool. 
at Harvard Coll. Cambridge (Mass.), Vol. XXI, p. 201 (263, 
271, 314, 319). 

*y, Kennex, J., Die Ableitung der Vertebratenaugen von den 
Augen der Anneliden. Dorpat (S. 3, 4). (Amph. und die 
Vertebraten kénnen von Anneliden abstammen.) 

v. Kuprrer, C., Die Entwicklung der Kopfnerven der Verte- 
braten. Anat. Anzeiger, 8. 24. 

*Pauacky, Die Verbreitung der Fische. Prag, S. 75. 

*Prenant, A., Eléments d’embryologie de Vhomme et des 
vertébrés. I. Embryogénie. Paris. (An vielen Stellen.) 

*Rerzius, G., Zur Kenntnis des centralen Nervensystems von 
Amphioxus lanceolatus. Biologische Untersuchungen. N. 
Hid: Ties)! 29. 

ScuimKewitscw, Wuap., Versuch einer Klassifikation des Tier- 
reichs. Biolog. Centralbl. Bd. XI, S. 291 (s. 1890). 

*Winttey. A., The later larval development of Amphioxus. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXXII, p. 183. 

*Anprews, Fauna of Jamaica. Johns Hopkins University 
Cireul:,\Violt EXT, psi vb: 

Ayers, H., Vertebrate Cephalogenesis. 2. A Contribution to 
Morphology of the Vertebrate Ear, with a Reconsideration 
of its Functions. Journ. of Morphology, Vol. VI, p. 1 
(318). 

a) *Boveri, Tx., Die Nierenkanalchen des Amphioxus. Zoolog. 
Jabrb.; Bd: V., S.. 429: 

b) *— Ueber die Bildungsstitte der Geschlechtsdriisen und 
die Entstehung der Genitalkammern beim Amphioxus. Anat 
Anzeiger, Jahrg. 7,8.170. (Die Urwirbel des Amph. ent- 
halten aufer Myotom und Sklerotom noch das Gonotom.) 

Bren, Tierleben, Bd. VIII, 8. 493. (Ueber die Kettenbil- 
dung, s. Mayrr 1886.) 

*Danitewsky, B., Zur Physiologie des Centralnervensystems 
von Amphioxus. Arch. f. Physiol. v. Pruterr, Bd. LIT, 
8. 393. (Gehirn das Centrum fiir die willkiirlichen, Riicken- 
mark fiir reflektorische Bewegungen.) 

*KiGENMANN, C. H., Branchiostoma elongatum Sundevall at 
San Diego, California. Americ. Natural. Vol. XXVI, 
pa 0: 

*Harscuek, B., Die Metamerie des Ampbioxus und des Ammo- 
cotes. Verhandl. d. Anatom. Ges., 6. Vers. in Wien. 
Anat. Anzeiger, Jahrg. 7, Erginz.-H., 8. 136. (s. Dis- 
kussion, S. 84). 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 815 


Hertrwie, O., Urmund und Spina bifida. Arch. f. mikrosk. 
Anat. Bd. XXXIX, 8. 353 (438.) 

Kuaatscu, H., Zur Morphologie der Mesenterialbildungen am 
Darmkanal der Wirbeltiere. Morpholog. Jahrb., Bd. XVIII, 
S. 385 (413, 705). 

*Krausp, W., Bemerkung iiber die subkutanen Ganglienzellen 
der Trigeminusiiste des Amphioxus, welche eine inter- 
cellulare Faser zwischen die Epidermiszellen aussenden. 
Verhandl. d. Anat. Ges., 6. Vers. in Wien, Anat. Anzeiger, 
Erginz.-H., S. 81. 

v. Kuprrer, C., Mitteilungen zur Entwicklungsgeschichte des 
Kopfes bei Acipenser sturio. Sitz.-Ber. d. Ges. f. Morphol. 
u. Phys. zu Miinchen (8. 122). (Harscuex’s praeorale 
Grube ist gleich der Hypophyse der Vertebraten, die 
Mundéffnung des Amph. ist neu erworben.) 

*Lworr, B., Ueber einige wichtige Punkte in der Entwick- 
lung des Amphioxus. Biolog. Centralbl., Bd. XII, 8S. 729. 

Maurer, F., Die Entwicklung des Bindegewebes bei Siredon 
pisciformis und die Herkunft des Bindegewebes im Muskel. 
Morpholog. Jahrb., Bd. XVIII, 8. 327 (341). 

Meunert, E., Gastrulation und Keimblatterbildung der Emys 
lutaria taurica. Morpholog. Arbeiten (ScuwaxsBe’s) Bd. I, 
S. 365. 

Mivot, Cx S. Human Embryology. New York (p. 156 und 
209). (,probably a tunicate rather than a vertebrate“.) 
Ausg. 1897, Druck von 92 mit neuem Titelblatt, deutsch 
von Karstner 1894. - 

*Puarr, Juyia B., Fibres connecting the Central Nervous 
System and Chorda in Amphioxus, Anat. Anzeiger, Jahrg. 7, 
p. 282. 

Razst, Ueber die Metamerie des Wirbeltierkopfes. Verhandl. 
d. Anat. Ges., 6. Vers. in Wien. Anat. Anzeiger, Erginz.-H. 
S. 104. 

a) *Rerzius, Gustr., Biologische Untersuchungen. 5. Ueber 
die Nervenendigungen in den Epithelien bei den Wirbel- 
tieren. A. Leptocardier. 

b) *— Zur Kenntnis der motorischen Nervenendigungen. 
Biologische Untersuchungen, N. F., Bd. III, S. 41 (44). 

Ropinson, A, Development of Germinal Layers in Mammals. 
Quart. Journ. of Microse. Sci., Vol. XX XIII, p. 369 (413). 

a) *Roups, E., Muskel und Nerv bei Mermis und Amphioxus. 
Sitz.-Ber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss., Berlin, 8. 659. 

b) *— Muskel und Nerv. 2. Mermis und Amphioxus. ScHNEIDER’s 
Zoolog. Beitrage, Bd. III. 8S. 165. 

Semon, Ricw., Studien itiber den Bauplan des Urogenital- 
systems der Wirbeltiere. Jen. Zeitschr. f. Naturwiss. 
N. F., Bd. XIX, 8S. 89. IL. Vergleichender Teil, S. 182. 
Vergleichung des Urogenitalsystems der Cranioten mit 
demjenigen der Acranier und der Wirbellosen, 8S. 189. 

Bd, XXXIV, N. F. XXVII. 53 


816 


1893 


Eugen Burchardt, 


(S. 193 Amph. — ,,ein Ueberbleibsel der Stammgruppe 
der Cranioten, allerdings ein in vielen Beziehungen ein- 
seitig entwickeltes, ja riickgebildetes“.) 

Wittzy, A., On the Development of the Hypophysis in the 
Ascidians. Zool. Anzeiger, Bd. XV, p. 332. 

*Wison, E. B., On Multiple and Partial Development in Am- 
phioxus. Anat. Anzeiger, Jahrg. 7, p. 732. 

*ZinGLER, H. E., Ueber die embryonale Anlage des Blutes 
bei den Wirbeltieren. Verhandl. d. Deutsch. Zool. Ges., 
2. Vers. in Berlin. S. 19. (Sparliche weie Blutkérper- 
chen.) 

ZinGuER, H. E. und Fr., Beitrige zur Entwicklungsgeschichte 
von Torpedo. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. 39, 8. 56 (75). 

a) *Anprews, E. A., The Bahama Amphioxus. Johns Hopkins 
Univers. Circul., Vol. XII, p. 104; auch in Ann. and Mag. 
of Natur. Hist. (Ser. 6), Vol. XII, 8. 236. 

b) *— An undescribed Acraniate: Asymmetron Lucayanum. 
Studies from the Biolog. Labor. Johns Hopkins Univers., 
Baltimore, Vol. 5, No. 4. 

ANDRIEZEN, The Thyroid organ from the embryological and 
comparative standpoint. Brit. med. Assoc. 61. annual meet. 
ref. Brit. med. Journ., II, p. 678. 

Bearp, J., On a supposed Law of Metazoan Development. 
Anat. Anzeiger, Jahrg. 8, S. 22 (24). 

*Brenuam, W. Br., The Structure of the Pharyngeal Bars of 
Amphioxus. Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXXV, 
pe 90. 

Brarem, F., Das Prinzip der organbildenden Keimbezirke und 
die entwicklungsmechanischen Studien von H. Drinscu. 
Biolog. Centralbl., Bd. XIII, 8. 146 (150). 

v. Davivorr, M., Die Urmundtheorie. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8. 
Sao te 

a) Driescu, H., Zur Verlagerung der Blastomeren des Echi- 
nideneies. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8, 8. 348 (355). 

b) — Zur Theorie der tierischen Formbildung. Biolog. 
Centralbl., Bd. XIII, S. 296. (Re- oder Postgeneration, 
Altro- oder Totogeueration, Amphioxus 8S. 301). 

Firetp, H. Hay., Ueber die Gefafversorgung und die all- 
gemeine Morphologie des Glomus. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8, 
8S. 754. 

HarcxeL, E., Zur Phylogenie der australischen Fauna. Jen. 
Denkschriften IV. Semon, Zoolog. Forschungsreisen I, 1, 
S. Xi, 

Hassn, C., Allgemeine Bemerkungen iiber die Entwicklung 
und Stammesgeschichte der Wirbelsiule. Anat. Anzeiger, 
Jahrg. 8, 8. 288. 

a) *Harscuex, B., The Amphioxus and its Development. 
Translation, London. 


1894 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 817 


b) Harscurx, Zur Metamerie der Wirbeltiere. Nachtrag 
und Berichtigung. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8, S. 89. 
(Die hintere Wurzel gehért zur nachfolgenden vorderen 
Wurzel.) 

*KriaatscH, H., Beitrige zur vergleichenden Anatomie der 
Wirbelsaule. I. 2. Skeletoblastische Schicht. Morphol. 
Jahrb., Bd. XTX, 8. 667 (670). 3. Differenzierungen der 
Chordascheide, S. 674. 

*KorscHELT und Herper, Lehrbuch der vergleichenden Ent- 
wicklungsgeschichte der wirbellosen Tiere, 8. 1429. 

a) *y. Kuprrer, C., Studien zur vergleichenden Entwick- 
lungsgeschichte des Kopfes der Kranioten. H. 1, 3. Deu- 
tung der Hirnblase des Amphioxus, 8. 71. 

b) *— Entwicklungsgeschichte des Kopfes. Anat. Hefte, 
Bd. II (1892), 8. 504 (512, 524, 229, 552). 

a) *Lworr, B., Ueber die Keimblatterbildung bei den Wirbel- 
tieren. Biolog. Centralbl., Bd. XIII, 8S. 40 und 76; das- 
selbe englisch in Ann. and Mag. of Natur. Hist. Vol. XI, 
p. 360. 

b) #~— Ueber den Zusammenhang von Markrohr und Chorda 
beim Amphioxus und ahnliche Verhialtnisse bei Anneliden. 
Zeitschr. f. wiss. Zoolog., Bd. LVI, S. 299. 

*Marsuatu, A. M., Vertebrate Embryology, London. 

*PotuarD, E. C., A New Sporozoon in Amphioxus. Quart. 
Journ. of Microse. Sci., (N. 8.), Vol. XXXIV, p. 311, 
(Nach Labbé — 1896 — wabhrscheinlich eine Gregarine.) 

Rast, C., Theorie des Mesoderms. Morpholog. Jahrb. Bd. XIX, 
S. 65 (108). 

*Spencet, J. W., Bennamw’s Kritik meiner Angaben iiber die 
Kiemen des Amphioxus. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8,8. 762. 

a) *van WisHE, Over de ventrale zenuwen bij Amphioxus. 
Tijdsch. Nederl. Dierk, 4 Deel, p. 41. 

b *— Ueber Amphioxus. Anat. Anzeiger, Jahrg. 8, S. 152. 

(Mundhéhle nebst Velum beim Embryo sowohl wie beim 
erwachsenen Tiere ein Organ der lnken Seite. Autostoma, 
Tremostoma. Copelatenstadium. Der rechte Aortenbogen 
Jou. Mtuuer’s wahrscheinlich ein exkretorischer Glomus.) 

*Wiutey, Artu., Studies on the Protochordata. Quart. Journ. 
of, Microse. Sci. (N..S.),, Vol.. XXXIV, p: 317 (18, 334, 
342, 343, 349). 

*Witson, E. B., Amphioxus and the Mosaic Theory of De- 
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Drisscu, H., Analytische Theorie der organischen Entwicklung. 
Leipzig (S. 18, 20, 23). 

*Eismonp, J., Zur Ontogenie des Amphioxus lanceolatus. 
Biolog. Centralbl., S. 353. 

a) Garstang, W., On the Ancestry of the Chordata. Rep. 
Brit. Assoc. Advance. of Sci., p. 683 (nur Titel). 


53 * 


818 


Eugen Burchardt, 


b) Garstane, W., Preliminary Note on a New Theory of 
the Phylogeny of the Chordata. Zoolog. Anz., Bd. XVII, 
8. 122. 

*HatscHeK, B., Ueber den gegenwartigen Stand der Keim- 
blattertheorie. Verhandl]. d. Deutsch. Zool. Ges., 3. Vers., 
Leipzig, 8. 11. 

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of Animals. 2. edit., London (299). 

*Hpincke, F., Die Fische Helgolands. Wissenschaftl. Meeres- 
untersuch., herausgeg. von d. Kommission zur wissensch. 
Untersuch. der deutschen Meere in Kiel und der Biologi- 
schen Anstalt auf Helgoland. N. F. Bd. I, 8S. 99 (100). 

Hertwie, O., Zeit- und Streitfragen der Biologie. H. 1, Pra- 
formation oder Epigenese, Jena. (S. 58: Wutson’s Schiittel- 
versuche an Amphioxus-Eiern.) Beziehung darauf auch in 
H. 2, Mechanik und Biologie, 1897, 8. 80. 

*Kirxatpy, J. W., On the Species of Amphioxus. Rep. Brit. 
Assoc. Advance. of Sci., p. 685. 

*Lworr, Die Bildung der primaren Keimblitter und die Ent- 
stehung der Chorda und des Mesoderms bei den Wirbel- 
tieren. Bull. Soc. Impér. des Natural. de Moscou, T. VIII, 
p- 57 u. 160. (Chorda und Mesoderm entsteht bei Am- 
phioxus aus eingestiilptem Ektoderm.) 

Mac Bripz, E. W., A Review of Professor Spencet’s Mono- 
graph on Balanoglossus. Quart. Journ. of Microse. Sci., 
Vol. XXXVI, p. 385 (405), 

*Maurer, F., Die Elemente der Rumpfmuskulatur bei Cy- 
clostomen und héheren Wirbeltieren. Morphol. Jahrb., 
Bd. XXI, 8. 473 (483). 

*Nacet, W. A., Ein Beitrag zur Kenntnis des Lichtsinnes 
augenloser Tiere. Biolog. Centralbl., Bd. XIV, S. 810. 


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fonds sous-marins de la région de Banyuls. Arch. de 
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Pruvor 1897). 

Wryssz, A. W., On the blastodermic vesicle of Sus scrofa 
domesticus. Proceed. Americ. Acad. of Arts and Sci. (N. 8.), 
Vol. XXII, p. 283 (812—316). 

a) Wiutey, A., On the Evolution of the Praeoral Lobe. Anat. 
Anzeiger, Jahrg. 9, p. 327, 

b) *— Studies on the Protochordata. II. III. On the Posi- 
tion of the Mouth in the Larva of the Ascidians and 
Amphioxus, and its Relations to the Neuroporus. Quart. 
Journ. of Microsc. Sci. Vol. XXXV, p. 295 (3038, 316). 

c) *— Report on a Collection of Amphioxus made by Pro- 
fessor A. C. Happon in Torres Straits 1888/89. Quart. 
Journ. of Microsc. Sci., Vol. XXXV, p. 361. 

d) *— Amphioxus and the Ancestry of Vertebrates. New York. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 819 


1895 *Anprews, E. A., An Amphioxus from Japan. Zoolog. Anz., 
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a) AssHeTon, Ricu., A Re-investigation into the Early Stages 
of the Development of the Rabbit. Quart. Journ. of 
Microse. Sci.) (N. S.),; Vol. XOX VE ps 113 7Gl29). 


b) — On the Growth in Length of the Frog Embryo. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci. (N. 8.), Vol. XXXVII, 
p- 223 (230). 


Brreu, R. 8., Vorlesungen iiber allgemeine Embryologie. 
Wiesbaden. (An mehreren Stellen.) 

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Bull. Mus. of Comparat. Zool. at Harvard Coll. Cambridge 
(Mass.), Vol. XXVII, p. 173 (190). 

*vy. Epner, V., Ueber den feineren Bau der Chorda dorsalis 
des Amphioxus lanceolatus. Anz. K. Akad. Wien, Jahrg. 32, 
So a215. 

GarsowskI, T., Kausalanalytische Theorie der epigenetischen 
Evolution mit dreifacher Rhythmenharmonie in der Onto- 
genese. Biolog. Centralbl, S. 305 (322). 

*Gitt, Tu., The Genera of Branchiostomidae. Americ. Natural., 
Vol. XXIX, p. 457. 

Gorrrr, A., Ueber den Ursprung der Wirbeltiere. Verhandl. 
Deutsch. Zoolog. Ges., S. 12. 

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p- 477 (500). 
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*Kirkaupy, J. W., A revision of the Genera and Species of 
the Branchiostomidae. Quart. Journ. of Microsc. Sci., 
Vol. XXXVII, p. 303. 

*KriaatscH, H., Beitrage zur vergleichenden Anatomie der 
Wirbelsiule. 38. Zur Phylogenese der Chordascheiden und 
zur Geschichte der Umwandlung der Chordastruktur. 
II. Amphioxus. Morphol. Jahrb, Bd. XXII, 8. 523 
u. 550. 

v. Kuprrer, C., Studien zur vergleichenden Entwicklungs- 
geschichte der Cranioten. 3. H. Die Entwicklung der 
Kopfnerven yon Ammocoetes Planeri. Miinchen (S. 65, 
67). (Wahrscheinlich 14 primaire Kopfmetameren bei Am- 
phioxus wie bei Ammocoetes.) 

*Lecros, R., Sur la morphologie des glandes sexuelles de 
VYAmphioxus lanceolatus. C. R. des séances du 3. Congr. 
internat. de Zool. Leyde, p. 487. 


820 


Eugen Burchardt, 


*v, Lennosskx, M, Der feinere Bau des Nervensystems im 
Lichte neuester Forschungen. Berlin (S. 220, 238). 

Mac Brivz, E. W., Sepewicx’s Theory of the Embryonic Phase 
of Ontogeny as an aid to Phylogenetic Theory. Quart. 
Journ. of Microsc. Sci, Vol. XXXVII, p. 325 (335, 337). 

Morean, T. H., A Study of Metamerism. Quart. Journ. of 
Microsc. Sci., Vol. XXXVII, p. 463. 

a) *Murray, J., Voyage of H. M.S. ,,Challenger“. Summary 
of the Scientific Results. Second Part. Index p. 1469. 

b) — The general conditions of existence and distribution 
of marine animals. OC. R. des séances du 3. Congr. internat. 
de Zool. Leyde, p. 108. 

*Rurzius, G., Ueber das hintere Ende des Riickenmarkes bei 
Amphioxus, Myxine und Petromyzon. Biolog. Untersuch., 
Bai VETS. 26. 

a) Samassa, P., Ueber die Bildung der primairen Keimblatter 
bei Wirbeltieren. Verhandl. Deutsch. Zool. Ges., 8. 130. 

b) — Studien tiber den Einfluf des Dotters auf die Gastru- 
lation und die Bildung der primiren Keimblatter der 
Wirbeltiere. I. Selachier. Arch. f. Entwicklungsmechanik, 
Bd. II, 8.127. (KHinleitung und Schluf.) 

ce) — in Diskussion zu Goxurtz 1895. Verhandl. Deutsch. 
Zool. Ges., 8. 29. 

Semon, Ricu., Entstehung und Bedeutung der embryonalen 
Hiillen und Anhangsorgane der Wirbeltiere. C. R. des 
séances du 3. Congr. internat. de Zool. Leyde, p. 291, 
292. (Mikrolecithale Oviparitat.) 

*Soporra, J., Die Befruchtung des Eies von Amphioxus lan- 
ceolatus. (Vorlaufige Mitteilung.) Anat. Anzeiger, Bd. XI, 
S: 129. 

*Van Winx, Over de herzenzenuwen der Cranioten bij Am- 
phioxus. Verslag. Kon. Akad. Wetensch. Amsterdam, 
p. 108. 

*ZipctER, H. E. in Diskussion zu Gonrre 1895. Verhandl. 
Deutsch. Zool. Ges., S. 29. 


96 Detace et Hz&rovarp, Traité de Zoologie concrete, T. I, 


p. 278 Anm. u. 298, 

*y, Epner, V., Ueber den Bau der Chorda dorsalis des Am- 
phioxus lanceolatus. Sitz.-Ber. K. Akad. d. Wiss. Wien, 
Bd. 104, 8. 199. 

Gasket, The Origin of Vertebrates. Proceed. Cambridge 
Phil. Soc. Dec. 1895, Cambridge 1896, Vol IX, p. 46. 
Gurwitscu, A., Ueber die formative Wirkung des veranderten 
chemischen Mediums auf die embryonale Entwicklung. 
Arch. f. Entwicklungsmechanik, Bd. III, 8S. 217 (242 ff). 

Haacks, Witn., Entwicklungsmechanische Studien. II. Ueber 
eine Serie bemerkenswerter Falle von Topo- und Alloplasie. 
Biolog. Centralbl., Bd. XVI, 8. 626. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 821 


*HarcKEL, E., Systematische Phylogenie. Wirbellose Tiere. 
(S. 20 ,archiblastische Eifurchung“, kleine Eier ohne be- 
sonderen Nahrungsdotter. 8. 328 Chordonia == Chordata, 
Chordatiere. ) 

JAECKEL, O., Die Stammform der Wirbeltiere. Sitz.-Ber. d. 
Ges. naturf. Fr. Berlin, 8. 107 (122, 129). 

*Jorpan, D. Sr. and Evrermann, B. W., The Fishes of North 
and Middle America. Bull. U. S. Natur. Mus. No. 47, 
Leptocardii, p. 1—4. 

*Kauuius, E., Endigungen motorischer Nerven in der Mus- 
kulatur der Wirbeltiere. Mrrxet-Bonyet’s Ergebn. d. 
Anat. u. Entwickl.-Gesch, Bd. VI, S. 26 (36). 

Kuaatscw in Diskussion itiber die Chordascheiden. Verhandl. 
Anat. Ges. Berlin. Anat. Anzeiger, Erginz.-H, Bd. XII, 
S. 130. 

*Konuiker, A., Riickenmark des Amphioxus. Handbuch der 
Gewebelehre des Menschen. 6. Aufl., Bd. II, 8. 154. 
Korscu, Fr., Ueber die Bildung und Bedeutung des Canalis 

neurentericus. Sitz.-Ber. d. Ges. naturf. Fr. Berlin, 8. 165. 

*Lanpph, AtpH., Recherches zoologiques, cytologiques et bio- 
logiques sur les Coccidies. Arch. de zool. expérim. et 
génér., T. IV, p. 517. (Poxtarp’s Sporozoon — 1893 — 
wahrscheinlich eine Gregarine.) 

*Mac Bripn, E. W., Note on the formation of the germinal 
layers in Amphioxus. Proceed. Phil. Soc. Cambridge, 
Vole UX py 150: 

Masrerman, A. Th., On some Points in the General Morpho- 
logy of the Metazoa considered in connection with the 
physiological processes of Alimentation and Excretion. 
Zool. Anzeiger, Bd. XIX, S. 214 und 227. 

*Mrnot, Cu.-S., Die friiheren Stadien und die Histogenese des 
Nervensystems. Merrxet-Bonnet’s Ergebn. d. Anat. u. 
Entwickl.-Gesch., Bd. VI, Il. Histogenese, 8S. 706. 

*Morean, T. H., The Number of Cells in Larvae from isolated 
Blastomeres of Amphioxus. Arch. f. Entwicklungsmecha- 
nik, Bd. III, p. 269. 

*NaceL, W. A., Der Lichtsinn augenloser Tiere. Jena (8. 38, 
34, 37, 38, 40, 78). 

a) Oprrt, AtB., Ueber die Funktionen des Magens u. s. w. 
Biolog. Centralbl., p. 406. 

b) *— Lehrbuch der vergleichenden mikroskopischen Ana- 
tomie der Wirbelthiere. I. Der Magen. Jena (S. 33, 45). 

Prenant, A., Eléments d’embryologie de Vbomme et des 
vertébrés. II. Organogénie. Paris. (An verschiedenen 
Stellen. ) 

Ras, C., Ueber die Entwicklung des Urogenitalsystems der 
Selachier. (Zweite Fortsetzung der ,, Theorie des Mesoderms*‘). 
Morpholog. Jahrb., Bd. XXIV, 8. 632 (676). 


822 


1897 


Eugen Burchardt, 


Samassa, P., Studien iitber den Einflu8 des Dotters auf die 
Gastrulation und die Bildung der primiaren Keimblatter 
der Wirbeltiere. Arch. f. Entwicklungsmechanik, Bd. III, 
S. 191. (Theoretisches 204.) 

a) *Soporra, J., Ueber die Befruchtung des Wirbeltiereies. 
Sitz.-Ber. d. phys.-med. Ges. Wiirzburg, 8S. 20. 

a) *— Die Furchung des Wirbeltiereies. Mrrxrn-Bonnet’s 
Ergebn. d. Anat. u. Entwickl.-Gesch. Bd. VI, 8. 507 
(510, 516), 

a) *Van pER Srricut, O., La maturation et la fécondation 
de lVoeuf d’Amphioxus lanceolatus. Arch. de Biologie, 
T. XIV, -p. 469 und Bull: Acad... Belgique, xe 
p. 539. 

b) — Anomalies lors de la formation de Vamphiaster de 
rebut. Bibliogr. Anat. Paris, 4. Année, p. 31. (38 achroma- 
tische Kernspindeln im Amphioxus-Ei.) 

Vircuow, H., Dottersyncytium, Keimhautrand und Beziehungen 
zur Konkrescenzlehre. Murxet-Bonnet’s Ergebn. d. Anat. 
u. Entwicklungsgesch., Bd. VI, 8. 594. III. Konkrescenz- 
lehre, S. 644, 649. 

Witson, E. B., On Cleavage and Mosaic-Work. Arch. f. Ent- 
wicklungsmechanik, Bd. III, 8. 19. 


Bracuet, A., Sur le développement du foie et sur le pancréas 
de ’Ammocoetes. Anat. Anzeig., Bd. XIII, p. 621 (636). 
(Ammocoetes und wahrscheinlich alle Cyclostomen stehen 
zwischen Amphioxus und den Selachiern.) 

Drirscu, H., Betrachtungen iiber die Organisation des Kies 
und ihre Genese. 1. Von den Stufen der Hiorganisation. 
Arch. f. Entwicklungsmechanik, Bd. IV, S. 77. 

Emer, Ts., Entstehung der Arten. T. I, 8. 478 Anm. 

*Firerincer, M., Ueber die spino-occipitalen Nerven der 
Selachier und Holocephalen und _ ihre vergleichende 
Morphologie. Festschr. fiir Carn Grcrenpaur, Bd. III, 
S. 349. 


Haacxe, W., Grundri8 der Entwicklungsmechanik. Leipzig 
(S. 21, 201). 

Hammar, J. Aua., Ueber einige Hauptziige der ersten em- 
bryonalen Leberentwicklung. Anat. Anz., Bd. XIII, 8. 233 
(244) (s. 1898). 

*Hergst, C., Ueber die zur Entwicklung der Seeigellarven 
notwendigen anorganischen Stoffe, ihre Rolle und ihre 
Vertretbarkeit. Arch. f. Entwicklungsmechanik, “Bd. V, 
S. 649 (684, 730). (CaHPO, und K notwendig fir den 
erwachsenen Amphioxus.) 

Horm, J. F., Ueber den feineren Bau der Leber bei den 
niederen Wirbeltieren. Zool. Jahrb., Bd. X, 8. 277. (Un- 
bewiesen, ob Leber.) 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 823 


*Korscu, Fr., Bildung und Bedeutung des Canalis neuren- 
tericus. II. Amphioxus, Tunicaten. Sitz.-Ber. d. Ges. 
naturf. Fr. Berlin, 8S. 5. 

*Krausr, W., Die Farbenempfindung des Amphioxus. Zool. 
Anz... Bay XX, 8, 513: 

Maas, O., Ueber die Entwicklungsstadien der Vorniere und 
Urniere bei Myxine. Zool. Jahrb. (Anat.), Bd. X, 8. 473. 

*Mac Bripp, E. W., The relationship of Amphioxus and Ba- 
lanoglossus. Proceed. Cambridge Phil. Soc. Vol. IX, 
p. 309. 

a) Masrprman, A. T., Preliminary Note on the Structure and 
Affinities of Phoronis. Proceed. Roy. Soc. Edinburgh, 
Vol. XXI, p. 59 (69). 

b) — On the Structure of Actinotrocha considered in relation 
to the suggested Chordate Affinities of Phoronis. Proceed. 
Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XXI, p. 129. 

c) *— On the Diplochorda. Quart. Journ. of Microsc. Sci. 
(N. S.), Vol. XL, p. 281 (316, 317ff.). (Euchorda, Holo- 
chorda — Archichorda, Diplochorda.) 

a) Minot, Cu.-S., Origin of Vertebrata. Rep. Brit. Assoc. 
Advane. Sci. Toronto, p. 683. (Nur Titel.) 

b) *— Cephalic Homologies. A Contribution to the Determi- 

nation of the Ancestry of Vertebrata. Americ. Natural., 

Vols XOX Xa <p. 927. 

(Atriozoa == Amphioxus + Tunicaten, entfernt verwandt 
mit den Vertebraten; Amph. embryologisch und morpho- 
logisch den Tunicaten naher stehend als den Vertebraten ; 
Amph. ein Typus zwischen Anneliden und Tunicaten.) 
*__ Contribution & la Détermination des Ancétres des 

Vertébrés. Traduction de E. Brumpr. Arch. de Zool. 
experim. et géenér., T. V, p. 417. 

Monteomery, TH. H, On the Mode of Development of the 
Mesoderm and Mesenchym, with References to the Sup- 
posed Homologies of the Body Cavities. Journ. of Morphol., 
Vol. XII, p. 355 (358). 

Munk, Jm., Physiologie des Menschen und der Saugetiere. 
4; ‘Anil. 5; 60. 

*Naxacawa, H., Notes on an Amphioxus obtained in Ama- 
kusa, Kyushyu. Annotat. zoolog. japon., Noy. 5, Vol. I, 
pars 4. 

Neumeister, R., Lehrbuch der physiologischen Chemie. Jena 
(S. 214). (Kein Hamoglobin, kein Gallenfarbstoff.) 

*OppeL, As., Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der 
Wirbeltiere. II. Schlund und Darm. Jena (S. 5). 

Price, G. C., Development of the Excretory Organs of Bdel- 
lostoma stouti Lockington. Zool. Jahrb., Bd. X, p. 205 
(223, 224). 

*Pruvot, G., Essai sur les fonds et la faune de la Manche 
occidentale (Cotes de Bretagne) comparés 4 ceux du golfe 


Cc) 


824 


1898 


Eugen Burchardt, 


de Lion. Arch. de Zool. expérim. et génér., Vol. V, p. 511. 
(p. 522: Amph. am Cap. d’Abeille bei Banyuls; p. 599: 
bei Roscoff.) 

*Scuarer, A., Die friithesten Differenzierungsvorgange im Cen- 
tralnervensystem. Arch. f. Entwicklungsmechanik, Bd. V, 
S. 81:(99,7 12.4123). 

Scnuurze, O., Grundrif’ der Entwicklungsgeschichte des Men- 
schen und der Siaugetiere. Leipzig (8. 34). 

SELENKA, Zoologisches Taschenbuch. 4. Aufl, II, 8. 106. 

a) *Soporra, Jon., Beohachtungen iiber den Gastrulations- 
vorgang beim Amphioxus. Verh. phys.-med. Ges. Wiirz- 
burg (N. F.), Bd. XXXTI.. (Fiir Harscuex, gegen Lworr; 
keine Konkrescenz, keine Polzellen.) 

b) *— Die Reifung und Befruchtung des Eies von Am- 
phioxus lanceolatus. Arch. f. mikrosk. Anat., Bd. L, 8. 15. 

*StupnicKa, F. K., Ueber das Gewebe der Chorda dorsalis 
und den sog, Chordaknorpel. Sitz-Ber. d. Kgl. Béhm. 
Ges. d. Wiss. Prag (Math.-naturw. K1.), Prag. 1898. (Béh- 
misch, mit deutschem Auszug, in dem leider der Ab- 
schnitt tiber Amphioxus nicht beriicksichtigt ist.) 

*TaGLIANI, G., Considerazioni morfologiche intorno alle cellule 
nervose colossali dell’ Amphioxus lanceolatus e alle cellule 
nervose giganti del midollo spinale di alcuni Teleostei. 
[Nota preliminare.]} Monit. Zool. Italiano, Vol. VIII, p. 264. 

Werner, Fr., Referat iiber Tornrer: Kriechtiere Deutsch- 
Ostatrikas. Biolog. Centralbl., 8. 379. 

*Wicxstrom, D. A., Ueber die Innervation und den Bau der 
Myomeren der Rumpfmuskulatur einiger Fische. Anat. 
Anz, Bd. XIE SS. 401. 

*van Wusur, Over de opvatting eener spinale zenuw als 
complex van twee zelfstindige zenuwen. Verslag. Vergad. 
Natuurk. Afdeel. Kon. Akad. Wetensch. te Amsterdam, D. 5, 
p.. 240. 

*Wiiugy, A., Zoological observations in the South-Pacific. — 
On a New Amphioxus from the Louisiade Archipelago 
(Asymmetron caudatum n. s.). Quart. Journ. of Microsc. 
Sci, Vol. XX XIX, p: 219. 

Anprews, E. A., Filose Activity in Metazoan Eggs. Zoolog. 
Bull. Boston, Vol. II, p. 1. 

*BauLowirz, E., Ueber die Kernformen und Spharen in den 
Epithelzellen von Amphioxuslarven. Anat. Anz., Bd. XIV, 
S. 405. 

Brrnarp, H. M., A New Reading for the Annulate Ancestry 
of the Vertebrata. Natural Science, Vol. XIII, p. 17. 
Corr, Epw. D., Syllabus of Lectures on the Vertebrata. Phi- 

ladelphia (p. 9, 11). 

*DELAGE et Hurovarp, Traité de Zoologie concréte. T. VIII, 

Les Procordés, Paris. Tee, 


- 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 825 


Drinscu, H., Von der Beendigung morphogenetischer Elemen- 
tarprozesse. Aphoristische Betrachtungen. Arch. f. Ent- 
wicklungsmech., Bd. VI, 8.198. (220 korrigiert Moreay.) 

Evuricu, F. W., Contributions to the Comparative Anatomy 
of the Neuroglia. Journ. of Anat. and Physiol. (N. 8.), 
Vol. XII, p. 688 (691) 

Gapow, A Classification of Vertebrata, Recent and Extinct. 
London. (Holochorda.) 

*GarBowskl, T., Amphioxus als Grundlage der Mesodermtheorie. 
Anat. Anz, Bd. XIV, 8. 473. (495 SchluBfolgerungen. 
Amphioxus ist keine Wirbeltierform, sondern bildet eine 
den Vertebraten gleichwertige Chordoniergruppe.) 

*Gaupp, E., Die Metamerie des Schadels. Ergebn. d. Anat. 
u. Entwicklungsgesch., Bd. VII, 8. 793 (876). 

*Groenpaur, C., Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere. 
Bd. I. (An vielen Stellen.) (Amph. der niederste Verte- 
brate, aber keine direkte Stammform der Cranioten.) 

*Van GenHucHTEN, A., La moelle épini¢ére des larves des ba- 
traciens. Arch. de Biologie, T. XV, p. 621. (Ueber die 
Bedeutung einer von Heymans und vANn DER Srricut bel 
Amph. gefundenen Ganglienzelle.) 

Harckg, E., Natiirliche Schépfungsgeschichte. 9. Aufl., Berlin. 
1. Teil: Allgemeine Entwicklungslehre (S. 303: das niederste 
Wirbeltier). 2. Teil: Allgemeine Stammesgeschichte (24. 
Vortr. u. S. 728). 

Hauer, B., Vom Bau des Wirbeltiergehirns. Morphol. Jahrb., 
Bd. XXVI, S. 345 (Anfang u. Ende). 

*Hammar, J. Auc., Zur Kenntnis der Leberentwicklung bei 
Amphioxus. Anat. Anz. Bd. XIV, 8. 602. 

Hertwie, O., Die Zelle und die Gewebe. 2. Buch (S. 225 
u. 226 Codlomlarve) (gehért zum Stamm der Wirbeltiere, 
S. 145). 

a) *Hussz, R., Untersuchungen iiber die Organe der Licht- 
empfindung bei niederen Tieren. IV. Sehorgane des Am- 
phioxus. Zeitschr. f. wiss. Zool, Bd. LXIII, 8. 456. 
Auch in Tiibinger Zool. Arbeiten, Bd. II. 

b) *— Die Lichtempfindung des Amphioxus. Eine Antwort 
auf Prof. W. Krausz., Anat. Anz. Bd. XIV, S. 556. 
*Hrymans, J. F. et van per Srricut, O., Sur le systeme 
nerveux de !Amphioxus et en particulier sur la consti- 
tution et la genése des racines sensibles. Mém. couronn. 
de l’Acad. roy. de Belgique, T. LVI. (Mémoire déposé 

le 51 Juillet 1896.) 

Horrmann, C. K., Beitrage zur Entwicklungsgeschichte der 
Selachii. Morphol. Jahrb., 8S. 250 (297). 

JABLONOWSKI, J., Ueber einige Vorginge in der Entwicklung 
des Salmonidenembryos nebst Bemerkungen iiber ihre Be- 
deutung fiir die Beurteilung des Wirbeltierkérpers. Anat. 
Anz., Bd. XIV, 8. 532 (537). 


826 


Eugen Burchardt, 


a) Kuaarscn, H., Zur Frage nach der morphologischen Be- 
deutung der Hypochorda. Morphol. Jahrb, Bd. XXV, 
S. 156. 


b) *— Bemerkungen iiber die Gastrula des Amphioxus. 
Morphol. Jahrb., Bd. XXV, S. 224. 
c) — Die Intercellularstructuren an der Keimblase des Am- 


phioxus. Sitz.-Ber. d. Kgl. Preuf. Akad. d. Wiss. Berlin, 
Bd. XLV, 8. 705 u. 800. 

d) *— Ueber den Bau und die Entwicklung des Tentakel- 
apparates des Amphioxus. Verhandl. Anat. Ges., 12. Vers. 
Anat. Anz., Erganz.-H., S. 184. 

Koutumann, J., Lehrbuch der Entwicklungsgeschichte des 
Menschen. Jena (S. 554: ein niederes Wirbeltier, aber 
keine direkt zu den Cranioten tiberleitende Stammform). 

a) *Krausp, W., Die Lichtempfindung des Amphioxus. Anat. 
Anzeiger, Bd. XIV, No. 17 und 18, S. 470. 

b) *— Historische Bemerkungen itiber Amphioxus. Zool. 
Anzeiger, S. 481. 

KitxentuaL, W., Leitfaden fiir das zoologische Practicum. 
Jena (8. 213, 221). 

Kinstier, J.. Observations sur la marche de l’histogénie et 
de Vorganisation. Compt. Rend. de l’Acad. des Sci. Paris, 
TCX VEL pe 1085 ((81). 

*Lankxester, E. R., Note on the Development of the Atrial 
Chamber in Amphioxus. Quart. Journ. of Microsc. Sci., 
Vol. XL, p. 647. 

*Lucros, Ros., Développement de la cavité buccale de ’Am- 
phioxus lanceolatus. — Contribution 4 l'étude de la mor- 
phologie de la téte. Arch. d’anat. microse, T. I, p. 497; 
T. II, p. I; II part. Développement de la cavité buccale 
définitive et du velum. Y 

*Mac Brinn, E. W., The Early Development of Amphioxus. 
Quart. Journ. of Microsc. Sci, Vol. XL, p. 589. 

Masrerman, A. T., On the Theory of Archimeric Segmentation 
and its bearing upon the Phyletic Classification of the 
Coelomata. Proceed. Roy. Soc. Edinburgh, Vol. XX, 
pera: 

Merunert, E., Biomechanik. Jena (S. 9, 31, 33, 121). 

MirropHanow, P., Ueber den Gastrulationsvorgang bei den 
Amnioten. Verhandl. Anat. Ges. 12. Vers. Anat. Anz., 
Bd. XIV, Erganz.-H. 8S. 218 (229). 

Montcomery, Tuos. H., Comparative cytological studies, with 
especial regard to the morphology of the nucleolus. Journ. 
of Morphology, Vol. XV, p. 265 (504, 505, 529). 

*Neat, H. V., The Segmentation of the Nervous System in 
Squalus acantias. A Contribution to the Morphology of 
the Vertebrate Head. Bull. Mus. of Comparat. Zool. 
Harvard Coll, Vol. XXXI, p. 147. (Bes. 260 u. Zu- 


sammenfassung 277.) 


_ 1899 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 827 


a) Perrier, Epm., Sur la classification des Tuniciers. Compt. 
rend. de l’Acad. des Sci. Paris, T. CXXVI, p. 1758. 
(Stammen von einem Amphioxus-ahnlichen Vorfahren.) 

b) *— L’Origine des Vertébrés. Compt. rend. de Acad. des 
Sci. Paris, T. CX XVI, p. 1479. 

c) — The Origin of the Vertebrates. Transl. by E. Austen. 
Ann. and Magaz. of Natur. Hist. (Ser. 7), Vol. II, p. 252. 

*Rerzius, G., Biologische Untersuchungen. (N. F.), Bd. VIII, 
S. 118 (vergl. 1892). 

(Neuer Fundort an der Westkiiste Schwedens in der 
Nahe der zool. Station Kristineberg. Farbung des lebenden 
Amphioxus in mit Methylenblau versetztem Seewasser; 
die Nerven farben sich perlschnurartig, ebenso wie die 
der Tunicaten.) 

Rovts, L., Sur la place des Phoronidiens dans la classification 
des animaux et sur leurs relations avec les Vertébrés. 
Compt. Rend. de Acad. des Sci. Paris, T. CXXVII, 
p. 633. 

a) Samassa, P., Bemerkungen iiber die Methode der ver- 
gleichenden Entwicklungsgeschichte. Biolog. Centralbl., 
Bd. XVIII, S. 642 (667). 

b) *— Studien tiber den Einfluf des Dotters auf die Gastru- 
lation und die Bildung der primiren Keimblitter der 
Wirbeltiere. IV. Amphioxus. Arch. f. Entwicklungs- 
mechanik, Bd. VII, § 1. 

c) — in Diskussion zu Zineuer (Célom). Verhandl. Deutsch. 
Zool. Ges., 8. Vers., S. 78. 

Srerran, Pu., Entstehung und Entwicklung der Sinnesorgane 
und Sinnesthatigkeiten im Tierreiche. Ber. Senkenberg. 
naturf. Ges., Frankfurt a. M., 8S. 29 (67). 

Vousen, K., Ueber den Gehérsinn. Ber. Senkenberg. naturf. 
Ges., Frankfurt a. M., S. 91 (99). 

Witter, ArtH., On Ptychodera flava. Quart. Journ. of 
Microsc: Scet- Voli Xib, pr 6b) Gil 1¢6s 177.5 179): 
(Zungenbalken verschieden bei Amphioxus und Entero- 
pneusten; beide sind verwandt.) 

Zinever, H. E., Ueber den derzeitigen Stand der Célomfrage. 
Verhandl. Deutsch. Zool. Ges., 8. Vers., S. 14 (s. 1888). 
Anperson, R. J., Some Considerations concerning Symmetry. 

Natur. Science, Vol. XV, p. 97 (105). 

Berraccuini, P., Morfogenesi e Teratogenesi negli Anfibi anuri. 
I. Blastoporo e doccia midollare. Internat. Monatsschr. f. 
Anat. u. Histol, Bd. XVI, p. 140 (142). 

*Lo Branco, Saty., Notizie biologiche riguardanti specialmente 
il periodo di maturita sessuale degli animali del golfo di 
Napoli. Mitteil. aus d. zool. Stat. zu Neapel, Bd. XIII, 
p. 448 (539). 

Cambridge University, Rede bei Verleihung des Doktor- 
titels an KowaLrysky: ,qui in confinio inter genera 


828 


Eugen Burchardt, 


vertebris instructa et vertebris carentia jampridem moratus, 
Amphioxi speciem ambiguam primus explicavit.“ Brit. 
med. Journ. Vol. I, p. 1252. 

Kuss, G., De la théorie vertébrale. Journ. de l’anat. et de 
la pysiol., année 35, p. 477 (488). 

*Pprrier, Epm., Traité de Zoologie. Paris, fase. V. 

(Phanérochordes: Acraniens: Leptocardes. Amph. das 
Zwischenglied zwischen Anneliden u. Vertebraten; nicht 
degeneriert. ) 

Prenant, A., Sur le protoplasma supérieur. Journ. de l’anat. 
et de la physiol. année 35, p. 72. (Nach van DER Srricu#t, 
1896.) 

Rast, Ueber Homologie und Eigenart. Verhandl. Deutsch. 
«pathol. Ges., Miinchen, Sept. 21. Ref. Centralbl. f. allgem. 
Path. u. path. Anat., Bd. X, S. 831. 

Rex, L., Ueber Asymmetrie und Symmetrie im Tierreiche. 
Biolog. Centralbl., Bd. XIX, S. 625. 

Scuuttzp, O., Ueber das erste Auftreten der bilateralen Sym- 
metrie im Verlauf der Entwicklung. Arch. f. mikrosk. 
Anat., Bd. LV, 8S. 171 (197 erwahnt Winson, 1892). 

Snerrineton, C.8., The Spinal Animal Marshall Hall Lecture 
before the Royal Medical and Chirurgical Society. May. 
Brit. med. Journ., Vol. I, p. 1276. (,if Amphioxus were 
divided into three parts, each portion swam the right 
side up, and if inverted corrected its position.“ ) 

Swann, A. et Bracuset, A., Etude sur les premiéres phases 
du développement des organes dérivés du mésoblaste chez 
les poissons téléostéens. Arch. de Biologie, T. XVI, p. 173 
(290, 301). 

WueeEter, W. M., The development of the urogenital organs 
of the lamprey. Zoolog. Jahrb. Bd. XIII p. 1 (24, 51, 
70, 74) 


a) Witury, A., Remarks on some Recent Work on the Proto- 


chorda, with a Condensed Account of some Fresh Ob- 
servations on the Enteropneusta. Quart. Journ. of Microsc. 
Sci, Vol. XLI, p.. 228. 

b) *— General Account of a Zoological Expedition to the 
South Seas during the years 1894—1897. Proceed. Zool. 
Soc. of London, p. 8. 

(Eine Asymmetron-Art von der Deboyne Lagune, Loui- 
siaden, Brit. Neu-Guinea, verschieden von den beiden in 
der Torres-Strafe gefundenen.) 

c) *— Zoological Results based on Material from New Bri- 
tain, New Guinea, Loyalty Islands and elsewhere collected 
during the years 1895, 1896 and 1897. Cambridge, 
Part III. 

*Yune, E., Recherches sur la digestion des Poissons (Histologie 
et physiologie de l’intestin). Arch. de zool. expérim. et 
géner.,,.P.. VIL p. 121. 


Beitrige zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 829 


1900 *Josrern, H., Beitrage zur Histologie des Amphioxus. Arbeit. 
aus d. zoolog. Inst. d. Univ. Wien u. d. zoolog, Stat. in 
Triest, Bd. XII, H. 2, 8. 1. s. auch die Besprechung von 
Kuaatscu im Zoolog. Centralbl., 7. Jahrg., 8. 255. 

*Mac Bring, E. W., Further Remarks on the Development 
of Amphioxus. Quart. Journ. of Microsc. Sci., Vol. XLIII, 
p- 351. 

Masterman, A. T., On the Diplochorda. Quart. Journ. of 
Microsc. Sci., Vol. XLITI, p. 375. (413 Archichorda — 
Euchorda.) 

SEELIGER, O., Besprechung des Traité de Zoologie concréte 
von Denace et Hérovarp. Zoolog. Centralbl., Jahrg. 7, 
S. 233. (Ist gegen die Abstammung des Amphioxus von 
den Wirbeltieren.) 


Nachtrag. 


1886 Van Whine, Ueber die Kopfsegmente und die Phylogenie des 
Geruchsorganes der Wirbeltiere. Zoolog. Anzeiger, 8. 678. 
(S. 680: Kein Riechnerv; Riechorgan vom Neuroporus noch 
nicht differenziert. ) 


Tafelerklirune. 


Abkiirzungen in den Serien-Bildern: 


Bi.g. Blutgefas. 
Hk Haupt- oder Gabelkieme. 
K. coel. Célomkanal des Kiemenbogens. 
L. coel, Lebercélom. 
Mes. Mesenterium. 
par. L. kan. Parietaler Lingskanal. 
Qu.kan. Querkanal. 
subchord. Coel. Subchordales Célom. 
Ven. gen. Vena genitalis. 
Ven. hep. Vena hepatica. 
Verl. kan. Verlangerungskanal. 
vis. L. kan. Visceraler Langskanal. 
Zk Zwischen- oder Zungenkieme. 


Die Zahlen bedeuten aufeinander folgende Kiemenbogen oder 
Querkanile. 


830 Eugen Burchardt, 


Tafel KX VIIL 


Fig. 1. Querschnitt durch Kiemendarm, Leber und den zweit- 
hintersten Querkanal. — Vergr. 100. 

Fig. 2. Querschnitt durch den Kiemendarm etwas hinter der 
Leberspitze. Letztere wird durch einen Langskanal oben gehalten 
und der Querkanal dadurch in Schlingen gelegt. Es ist der zweite 
Querkanal von vorn. — Vergr. 100. 

Fig. 3. Ein Querkanal, etwas gewunden, sein Lumen in ganzer 
Lange getroffen. — Vergr. 300. 

Fig. 4. Querschnitt durch Kiemendarm und Leber, von dem- 
selben Tiere wie Fig. 2, aber etwas dahinter. Die Leber hangt 
an dem Querkanal. Die Einmiindung des Querkanals in das Leber- 
célom befindet sich 7 Schnitte hinter der in das Kiemencélom. — 
Vergr. 100. 

Fig. 5. Ein Querkanal, der gestreckt verliuft und dessen 
Lumen in seiner ganzen Linge getroffen ist. — Vergr. 300. 

Fig. 6. Ein Querkanal, dessen Lumen nicht ganz getroffen 
ist. — Vergr. 800. (In Fig. 3, 5 und 6 sind im Kiemenepithel 
nicht alle Kerne eingezeichnet.) 


Aa tee hk) xe LX 


Fig. 1. Querschnitt durch einen gréferen Amphioxus, etwas 
hinter der Spitze der Leber. Auf der rechten Seite des Tieres, in 
der Figur links, die Vena communicans accessoria anterior, als Ver- 
bindung zwischen der Leber- und der Genitalvene. — Vergr. 50, 
auf 1/, verkleinert. (Im Text falschlich 30.) 

Fig. 2. Querschnitt durch einen Amphioxus von 16 mm, etwas 
vor dem Leberanfang. Rechts das Septum posterius mit der Vena 
communicans dextra; links das Septum anterius und die Vena com- 
municans sinistra. Das rechte Septum hegt 23 Schnitte 4 10 u 
hinter dem linken. — Vergr. 50, auf ?/, verkleinert. 

Fig. 3. Querschnitt durch einen Amphioxus von 43 mm, etwas 
vor dem Leberanfang. Rechts das Septum posterius mit der Vena 
communicans dextra; links ein Septumrest und die freigewordene 
Vena communicans sinistra. — Vergr. 50, auf ?/, verkleinert. 

Fig. 4. Anordnung von Trichtern, Septen, Gonaden und Venae 
communicantes; von einem Amphioxus von 43 mm Lange. Jeder 
Schnitt & 10 » = 1 mm gezeichnet, also 1 mm = 10 cm; auf 
1/, verkleinert. 

Fig. 5. Ejierstocksnarbe. — Vergr. 500. 

Fig. 6. Querschnitt durch die rechte Vena communicans. 
Liangsfaseriges, kernreiches Bindegewebe im Septumschenkel. — 
Vergr. 500. 

Fig. 7. Querschnitt durch die linke Vena communicans, die 
infolge von Schlingenbildung doppelt getroffen ist. Polster von 
retikuliertem, kernhaltigem Bindegewebe an dem Gefaf als Rest 
des Septum. — Vergr. 700. 


Beitrage zur Kenntnis des Amphioxus lanceolatus. 831 


Fig. 8. Zwei Durchschnitte durch die freigewordene linke 
Vena communicans; @ nahe am Darmcélom, b 16 Schnitte nach 
aufen von a. Hin Célomkanal (Septumkanal) umzieht spiralig die 
Vene. Retikuliertes Bindegewebe mit Kernen zwischen Vene und 
Atrialepithel. — Vergr. 400. 

Fig. 9—-11. Branchiocystis amphioxi, eine Coccidie im Kiemen- 
epithel. 

Fig. 9: Ovaler, feinkérniger Protoplasmakérper, ohne Kern. — 
Vergr. 400. 

Fig. 10: Ovaler, feinkérniger Protoplasmakiérper mit kleinem, 
hellem Blischen. — Vergr, 400. 

Fig. 11: Runder, feinkérniger Protoplasmakérper, verdrangt in 
das Epithel der Kiemenhihle. — Vergr. 570. 


eaten eX 


Fig. 1—9. Branchiocystis amphioxi. 

Fig. 1: Links ovale Cyste mit Sporoblasten; rechts fast runde 
Cyste, ganz homogen. — Vergr. 400. 

Fig. 2: Aus kleinen, dicht gedringt legenden Kugeln zu- 
sammengesetzter, ovaler Koérper, auf der Kante des Kiemenbogens 
gelegen. — Vergr. 370. 

Fig. 3: In das Atrialepithel verdrangte Cyste, mit kleinen, 
dunklen Kiigelchen erfiillt. — Vergr. 570. 

Fig. 4: Kleine runde Cyste mit deutlicher Cystenmembran, 
runde Sporoblasten enthaltend. — Vergr. 400. 

Fig. 5: Ein runder Haufen gréferer Sporoblasten. — Vergr. 400. 

Fig. 6: Ein rundlicher Haufen gréferer, runder und ovaler 
Sporoblasten, die mit kleinen gelblichen Ké6rnern gefiillt sind. 
Letztere sind schlecht wiedergegeben. — Vergr. 600. 

Fig. 7: Durch Druck ausgetretene Sporozoiten; aus einem in 
Osmiumsiure fixierten Amphioxus. — Vergr. 1100. 

Fig. 8: Abortierte Cyste, glasig, rot gefarbt, mit einseitig ge- 
bildeten Sporoblasten. — Vergr. 400. 

Fig. 9: Abortierte, sehr deformierte, glasige, dunkelrot gefarbte 
_ Cyste. — Vergr. 600. 

Fig. 10a—h. 8 aufeinanderfolgende Durchschnitte eines im 
Célom des Amphioxus eingekapselten Organismus. Teratom? — 
Vergr. 350. 


Tafel XXI. 


Serie I. Blindsackférmiges Ende des Lebercéloms. — Vergr. 
250, auf ?/, verkleinert. 

Serie II. Visceraler Langskanal mit Vena perforans. — 
Vergr. 250, auf */, verkleinert. 


Bd, XXXIV. N, F, XXVII. 54 


832 Burchardt, Beitrige z. Kenntnis d. Amphioxus lanceolatus. 


Mattie] Xi xala; 


Serie III. Verlingerungskanile. An dem Kiemenbogen Hk?* 
ist der Verlangerungskanal vom Kiemencélom abgeschniirt, wahrend 
er sich bei Hk! und Hk? in dasselbe 6ffnet. — Vergr. 250, auf 
2/, verkleinert. 

Serie IV. Visceraler Liingskanal mit Venae perforantes und 
3 Querkanilen. — Vergr. 460, nicht verkleinert. 


Tafel X XITL. 


Serie V. Parietaler Liingskanal mit Vena communicans ac- 
cessoria anterior, die sich bis zur Bauchwand verfolgen laf’t. — 
Vergr. 250, auf ?/, verkleinert. 

Serie VI. Parietaler Langskanal, 2 Querkanale und visceraler 
Langskanal. — Vergr. 250, auf ?/, verkleinert. 


Dated XOXCLy. 


Serie VII. Parietaler Liangskanal, in 3 Réhren geteilt. Vena 
communicans accessoria anter. nur in einem kleinen Teil ihres Ver- 
laufes mit Blut gefillt. — Vergr. 250, auf ?/, verkleinert. 

Serie VIII. Parietaler Lingskanal, in 2 Réhren geteilt. — 
Vergr. 250, auf ?/, verkleinert. 


Tatel “XV wn dix xXeVvialk 


Serie IX. Parietaler und visceraler Lingskanal; 2 Querkanile. 
— Vergr. 250, auf ?/, verkleinert. 


Tafel XXV E 


Serie X. Vena communicans accessoria anterior im parietalen 
Langskanal, die Genitalvene mit der Lebervene verbindend. Ein 
Mesenterium zieht von der Leber zur Bauchwand. Fig. 9b ist die 
Fortsetzung von 9a nach unten. — Vergr. 250, auf #/, verkleinert. 

Fig. a—d. 4 aufeinander folgende Schnitte eines im Darm 
eines Amphioxus gefundenen Radiolars. Prismozoon neapoli- 
tanum. — Vergr. 650, auf 2/, verkleinert. (In c) miifte die 
Centralkapsel runder und der Hiigel auf der linken Seite weniger 
auffallend sein.) 

Die Zeichnungen sind teils mit der Abbe’schen Camera, teils 
mit dem Zeichenokular von Leitz ausgefiihrt. 


Studien 
liber das Integument des Erethizon dorsatus 
(Erethizon dorsatum Cuvier). 


Von 
Dr Theodor Loweg. 
Hierzu Tafel XXVII u. XXVIII. 


Vorwort und Einleitung. 


Das Integument der Séugetiere ist in neuerer Zeit mehr denn 
je Gegenstand eingehender Untersuchungen gewesen. 

Nachdem Max Weser (1) auf die hohe phylogenetische Be- 
deutung der bei verschiedenen Saugetieren vorhandenen Schuppen 
bezw. Schuppenreste und auf ihre wichtigen Beziehungen zu den 
Haaren und Haargruppen aufmerksam gemacht hatte, haben sich 
auch andere Forscher, von denen ich an dieser Stelle Emery (2), 
KEIBEL (3), Maurer (4, 5), DE MEIJERE (6), Rea (7, 8) und 
Romer (Y, 10, 11, 12, 13) nennen will, diesem Studium zugewandt. 
Letztgenannte Forscher stimmen auf Grund ihrer Untersuchungen 
mit WerBER darin tiberein, dal} die Vorfahren der Saugetiere 
unter schuppentragenden niederen Wirbeltieren zu suchen sind. 

Da mithin die Haar- und Schuppenfrage eine brennende ge- 
worden, entschlof ich mich auf Vorschlag meines hochverehrten 
Lehrers, des Herrn Geheimen Rats Prof. Dr. R. LeucKART, einen 
Embryo bezw. Fétus des Erethizon dorsatus, welcher bei seinem 
in hohem Mafe erhaltenen primitiven Hautcharakter bisher keine 


nahere Beriicksichtigung gefunden hatte — pe Mer Were (6) und 
Rew (8) geben nur ganz kurze Bemerkungen tiber das erwachsene 
Tier — zum Gegenstand einer eingehenden Hautstudie zu machen. 


Fiir die liebenswiirdige Ueberlassung des Materials, sowie fiir 
die Anregung zu dieser Arbeit sei auch an dieser Stelle mein 
warmster Dank gegen meinen hochverehrten Lehrer ausgesprochen. 

Gleichfalls ist es mir eine angenehme Pflicht, Herrn Prof. 
Dr. Cuun, dem Nachfolger Herrn Prof. Dr. LeucKart’s, und dem 
Herrn Privatdozenten Dr. zur STRASSEN fiir die Unterstiitzung, 
die sie mir bei meinen Untersuchungen bereitwilligst haben zu teil 
werden lassen, auf das verbindlichste zu danken. 


834 Theodor Loweg, 


Dem Berichte tiber die zu dieser Arbeit angestellten Unter- 
suchungen und deren Ergebnisse will ich zunachst in kurzer Zu- 
sammepfassung das vorausschicken, was bisher iiber Anatomie der 
Haut und Biologie des Erethizon dorsatus geschrieben ist (Litte- 
raturverzeichnis 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21). 

Der Erethizon dorsatus, welcher, ausgewachsen, eine Lange 
von 80 cm erreicht, wovon der Schwanz 19 cm einnimmt, gehért 
zur Ordnung der Nagetiere, zur Familie der Kletterstachelschweine 
und bewohnt ausschlieflich die nérdliche Halfte Amerikas vom 
37. Breitengrade bis zur Baumgrenze. Er zeichnet sich durch 
seinen plumpen K6rperbau, seine kurzen 4-zehigen Vorder- und 
5-zehigen HinterfiiSe und durch seinen kurzen, breitgedriickten 
Schwanz aus, der weder greift noch wickelt. Der Kopf, Leib, die 
Beine und obere Seite des Schwanzes sind mit langen, weichen, 
hell bis dunkelbraun gefarbten Wollhaaren bedeckt, denen einige 
schwarze und weife untermischt sind. Zwischen den Haaren, und 
er6Btenteils von diesen tiberdeckt, stehen auf dem Kopfe, Halse, 
Riicken und Schwanze steife und spitzige Stacheln von brauner 
und weiflicher Farbe, die hinten auf dem Riicken am langsten 
sind, dagegen nach dem Kopfe zu und an den Seiten immer 
kiirzer werden. Die Brust, der Bauch und die Beine haben nur 
steife Haare ohne Stacheln zur Bedeckung. Die Sohlen sind nackt 
und mit kleinen, netzartig angeordneten Warzen versehen. 

Der Erethizon dorsatus halt sich nur in groBen Waldern auf, 
und obwohl plump, ohne Greifschwanz und mit kurzen Fii£en, 
lebt er doch meist auf Baumen, deren Rinde ihm zur Nahrung 
dient. In der Gefahr biegt er den Kopf unterwaérts und straubt 
die Haut der ganzen Oberseite, so daf alle Stacheln sich auf- 
richten und sichtbar werden. Dabei legt er gleichzeitig den 
breiten, abgeplatteten Schwanz, den er geschickt nach den Seiten 
hin bewegen, sowie gegen den Hinterriicken klappen kann, zum 
Schlage zurecht. Die Haut ist weich und diinn, und die Stacheln 
sind ihr so lose eingepflanzt, daf man sie bei der geringsten Be- 
rihrung in den Handen schmerzhaft befestigt findet. 


Haut und Hautgebilde des untersuchten Fétus. 


Nach diesen Vorbemerkungen gehe ich zur Beschreibung der 
Haut des in der Einleitung erwahnten Foétus (Fig. 1) tiber. 
Derselbe hat, von der Nasen- bis zur Schwanzspitze gemessen, 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 835 


eine Lange von 18 cm und ist weiblichen Geschlechts. Der Schwanz 
fiir sich mit vom After bis zur Spitze 2 cm und ist von kegel- 
formiger Gestalt. 

Der Kopf, welcher im Verhaltnis zum iibrigen Koérper recht 
bedeutende Dimensionen aufweist, ist reichlich mit Tasthaaren be- 
setzt, die zu beiden Seiten der Nasenlécher in gréferen, am 
vorderen und hinteren Augenlidwinkel der beiderseitigen Augen 
und unterhalb des Kinnes in kleineren Biischeln zusammenstehen. 
Die Sohlen sind nackt und mit den erwahnten Warzen bedeckt, 
die zwischen der Griéfe eines Stecknadelkopfes und einer kleinen 
Erbse schwanken. 

Die Oberfliche der Haut stellt nicht wie bei den meisten 
Saiugetieren ein gleichmafig ebenes Stratum dar, sondern weist 
Niveau-Unterschiede auf, welche auf der dorsalen, dem Lichte zu- 
gekehrten Kérperfliche wieder anders gestaltet sind als an den 
ventralen, vom Lichte abgekehrten Kérperseiten. 

Um mit der Beschreibung des dorsalen und _ wichtigsten 
Kérperteiles zu beginnen, so ist auch dieser wieder nicht 
iiberall von gleicher Beschaffenheit, sondern durch drei verschiedene 
Entwickelungsstadien gekennzeichnet. Zur besseren Orientierung 
teile ich deshalb die dorsale Kérperflache in drei Re- 
gionen ein: 1) in eine Kopf-Hals-Region, welche ungefahr ein 
Quadrat bildet und Stirn-, Scheitel- und Nackenfliche umfassend, 
bis zu den ersten Brustwirbeln reicht; 2) in eine Region der 
hinteren Brustwand und 3) eine Lendenregion. Von den beiden 
letzteren nimmt die Region der hinteren Brustwand in Form eines 
fingerbreiten Streifens das erste Drittel der Riickenwirbelsaule ein, 
wihrend die Lendenregion die tibrigen zwei Drittel des Riickens 
mit der Oberflaiche des Schwanzes umfaft und auBerdem sich noch 
seitlich bis auf die Bauchdecken hin erstreckt!). Letztere ist am 
weitesten in der Entwickelung vorgeschritten und zeigt das im 
groBen, was die beiden anderen Regionen im kleinen darstellen ; 
ich halte daher eine méglichst genaue Beschreibung derselben fiir 
angebracht. 

Die Oberflache der Lendenregion ist, wie bereits er- 
wihnt, nicht glatt und eben, sondern sie zerfallt in zahlreiche, 
schuppenartige und scheinbar viereckige Felder, die in 10 deut- 


1) Da Fig. 1 den Fétus im Profil darstellt, sind die beiden 
ersten Regionen nur als schmaler Streifen, der aber durch dunklere 
Schattierung gekennzeichnet ist, zu erkennen. 


$36 Theodor Loweg, 


lich ausgesprochenen und parallel der Lingsachse des Kérpers 
verlaufenden Lingsreihen iiber den Riicken und mehr oder minder 
weit auf die Oberfliche des Schwanzes hin sich erstrecken. 

Den Vorzug, auch auf die letzte Halfte des Schwanzes iiber- 
zugehen, haben indessen nur die am meisten seitlich gelegenen 
Langsreihen der Lendenregion, wihrend die in der Mitte der 
letzteren verlaufenden schlieBlich unter erheblicher Verkleinerung 
ihrer Felder das dreieckige Stiick auf der ersten Halfte der 
Schwanzoberflache ausfiillen, welches jene seitlichen Lingsreihen — 
tibrig lassen. 

Die Felder samtlicher Liangsreihen sind in alternierender 
Weise angeordnet, so daf die Felder der ersten Langsreihe mit 
denen der dritten, die der zweiten mit denen der vierten kor- 
respondieren u. s. wW. 

Die vollstandig viereckige Gestalt der Felder wird dadurch 
beeintrachtigt, da’ sie mit ihren seitlichen Randern ziemlich genau 
in der Mitte derselben, im Mittel 1 mm weit ineinander ge- 
schoben sind. Infolgedessen kongruiert auf diese Entfernung die 
obere laterale Halfte eines Feldes mit der unteren medialen Hiilfte 
des héher gelegenen, und die untere laterale Halfte des erst- 
genannten Feldes mit der oberen medialen Halfte des tiefer ge- 
legenen alternierenden Feldes. 

Die Ebenen simtlicher Felder steigen von yorn nach hinten 
mifig an, so da8 dieselben um ein Geringes das Niveau der Haut 
tiberragen. 

Der parallel der Lingsachse des Kérpers verlaufende Langen- 
durchmesser der einzelnen Felder ist in der Ausdehnung von dem 
durch den Hinterrand der Felder markierten Querdurchmesser 
stellenweise verschieden. Wahrend namlich im Centrum der 
Lendenregion Langen- und Querdurchmesser ziemlich gleich sind 
und im Mittel 6 mm betragen, mifit bei den an der Peripherie 
gelegenen Feldern dieser 7—9 mm, jener dagegen nur 3—4 mm. 
Ueber die Peripherie der Lendenregion hinaus nimmt sowohl der 
Liingen- wie der Querdurchmesser merklich ab, so daf auSerhalb 
derselben der Charakter der Felder bald verschwindet; an deren 
Stelle treten 11/,—2 mm breite Warzchen, die ebenfalls das 
Niveau der Haut iiberragen. 

Kigentiimlich ist es, wie die Stellung des Hinterrandes der 
einzelnen Felder, der eine leicht schwanzwiirts gebogene Querlinie 
bildet, zur Liingsachse der Kérpers variiert. Nimmt derselbe in 
der vorderen Halfte der Lendenregion eine schiefe Richtung zu 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 837 


derselben ein, niimlich von unten und hinten nach oben und 
vorn, so steht er bei den Feldern in der letzteren Hilfte in voll- 
stindig senkrechter Richtung zu ihr, teilweise sogar unter Zuhilfe- 
nahme der VergréSerung einzelner Felder. Auf der Oberflache 
des Schwanzes kann man dann das alte Verhiiltnis wieder beob- 
achten, namlich die Riickkehr zu der schiefen Richtung. 

Unter dem Hinterrande der einzelnen Felder einer Lingsreihe 
treten braungefirbte Gebilde in verschieden grofer Zahl hervor, 
die, wie ich hier vorweg bemerken mui, die Stacheln darstellen, 
von denen schon friiher im historischen Teile der Arbeit die Rede 
war, und auf die ich spiter noch zuriickkommen werde. Die- 
selben sind natiirlich mit ihrer Spitze schwanzwirts, aber zur 
Langsachse des Koérpers verschieden gerichtet. 

In letzterer Hinsicht haingt ihre Stellung von der bereits 
erlauterten Richtung des Hinterrandes der einzelnen Felder zur 
Kérperachse ab. Infolgedessen konvergieren die Stacheln, welche 
unter einem zur Achse des Kérpers in spitzem Winkel gerichteten 
Hinterrande hervorbrechen, nach der Mittellinie des Riickens hin; 
ist dagegen dieser Winkel ein rechter, so miissen naturgema8 die 
hervorbrechenden Stacheln parallel mit der Liingsachse laufen. 

Eine Sonderstellung nehmen die an der auferen seitlichen 
Grenze der Lendenregion gelegenen Stachelreihen ein, indem bei 
diesen die entsprechende Halfte der Anzahl einer Reihe nach der 
Mittellinie des Riickens, die andere dagegen nach der Mittellinie 
des Bauches hin konvergiert. 

Entsprechend der Form des Hinterrandes der Felder, stehen 
die Stacheln in leicht schwanzwirts gebogenen Querreihen, aber 
in sich absolut gleich bleibenden seitlichen Abstinden fiir die 
Exemplare einer Reihe nebeneinander. Die natiirliche Folge dieser 
Stachelanordnung ist die, dal, wie die Felder, so auch die Stacheln 
in alternierenden Querreihen stehen. Weil zudem jene seitlich 
ineinander geschoben sind, so kommen die am weitesten rechts 
gelegenen Stacheln einer Reihe vor, bezw. hinter die am weitesten 
links gelegenen Stacheln der alternierenden Reihen zu _ stehen. 
Die Folge davon ist, da$ die Fliigelminner der héher gelegenen 
Reihen die der tiefer gelegenen alternierenden Reihen teilweise 
iberdecken. 

Was die Zahl der Stacheln in den einzelnen Reihen angeht, 
so ist diese nicht fiir alle Reihen konstant. Weitaus am haufigsten 
ist die Zahl 9 vertreten und zwar hauptsiachlich bei den im 
Centrum der Lendenregion gelegenen Reihen. Oft kommen auch 


838 Theodor Loweg, 


die Zahlen 10 und 11 vor, ja, an der Grenze der Region der 
hinteren Brustwand und der Lendenregion wird die Zahl 14 und 
mehr erreicht. Die Zahl der Stacheln nimmt eben in gleichem 
Male mit der Ausdehnung des Querdurchmessers der einzelnen 
Felder zu. 

Ebenso wie die Zahl ist auch das Kaliber der Stacheln einer 
Reihe verschieden. Haufig sind die 2 oder 3 duBersten Exem- 
plare jederseits die langsten und dicksten, an anderen Stellen 
hinwiederum tibertrifft der mittelste Stachel einer Reihe seine 
Geschwister an Stirke und Linge. Im iibrigen habe ich meistens 
die Beobachtung gemacht, daf ein kurzer und diinner Stachel mit 
einem dickeren und langeren wechselt. Die relativ langsten und 
dicksten Stacheln finden sich im letzten Drittel des Riickens vor, 
wo sie eine Lange von 7 mm und mehr, eine Dicke bis zu 1 mm 
erreichen. Niemals treten mehrere Stacheln zusammen aus einer 
Hautéffnung hervor, sondern immer nur ein einzelner, der an der 
Stelle seines Austrittes von einem ringférmigen Wulste der Epi- 
dermis umgeben ist. 

In Bezug auf die beiden anderen noch zu behandelnden Re- 
gionen kann ich mich kurz fassen, da sich bei beiden dieselben 
bereits dargelegten Verhiltnisse nur in verkleinertem Mafstabe 
wiederholen. 

Die Felder der Kopf-Hals-Region sind von quadrat- 
formiger Gestalt. Ihr Durchmesser betrigt im Mittel 2 mm, ihre 
Anordnung ist ebenfalls eine alternierende, doch sind wegen ihrer 
geringen GréfSe die seitlichen Flichen nicht ineinander geschoben. 

Die Oberfliche der Region der hinteren Brustwand 
ist von der der Kopf-Hals-Region nur dadurch verschieden, da8 
der Laingendurchmesser der sie bedeckenden Felder etwas kleiner, 
dagegen aber der Querdurchmesser ein wenig gréfer ist als bei 
den Feldern der Kopf-Hals-Region. 

Unter dem Hinterrande der Felder beider eben genannten 
Regionen treten Gebilde hervor, die, obwohl von gleicher Gestalt, 
doch in ihrer Ausbildung verschieden sind. Wahrend die der 
Region der hinteren Brustwand eine Linge bis zu 7 mm erreichen, 
dabei aber sehr diinn sind und eine hellgelbe Farbe aufweisen, 
sind die der Kopf-Hals-Region héchstens 4 mm lang, aber doppelt 
so dick und dunkler gefarbt. 

Aus diesen entwickeln sich Stacheln, aus jenen Borsten. Auf 
den Unterschied dieser beiden Gebilde werde ich spater eingehen. 

Beziiglich ihrer Anordnung und Verteilung gilt aber von beiden 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 839 


dasselbe. Sie laufen vollstindig parallel mit der Lingsachse des 
’ Kérpers und stehen zu 6 und 8 Stiick in alternierenden Querreihen. 

Als bemerkenswert moéchte ich noch anfiihren, daf die stairksten 
Exemplare der Kopf-Hals-Region noch lange nicht mit den 
schwichsten der Lendenregion in der Widerstandsfahigkeit kon- 
kurrieren kénnen. 

Nachdem ich in Vorhergehendem die dem Lichte zugekehrten 
Korperflichen eingehend betrachtet habe, kann ich nunmehr den 
ventralen, vom Lichte abgekehrten Kérperteilen meine Auf- 
merksamkeit zuwenden. 

Simtliche Teile sind mit kleinen, das Niveau der Haut um 
ein Geringes iiberragenden, stecknadelkopfgroBen und alternierend 
angeordneten Warzen bedeckt, welche sehr dicht stehen und 
yon Furchen umsiumt sind. Unter dem Hinterrande dieser Warzen 
treten kurze und diinne, aber mit blofem Auge deutlich wahr- 
zunehmende Gebilde hervor, die, von den zuletzt genannten durch 
ihre Zartheit unterschieden, am erwachsenen Tiere aber ebenfalls 
Borsten reprisentieren. Was ihre Stellung anbetrifft, so machen 
auch sie keine Ausnahme von der bisher konstatierten Anordnung. 
Sie stehen ebenfalls in alternierenden Gruppen zu 5 und 6 Stiick 
nebeneinander, sind allesamt gleich weit ausgebildet und sonder- 
barerweise nach allen Seiten hin, gleichsam facherformig, gerichtet. 

Werden die obengenannten Warzen mit der fortschreitenden 
Entfernung vom Riicken auch kleiner, so bleibt die Zahl der unter 
ihrem Hinterrande hervorsprossenden Borsten doch dieselbe. 

AuBer den friiher erwahnten Stacheln und den zuletzt be- 
sprochenen Borsten sind an der Haut des vorliegenden Fétus 
keine weiteren Anhangsgebilde, selbst nicht mit der Lupe wahr- 
zunehmen. Es sind die von den Stacheln bezw. Borsten nicht 
besetzten Kérperteile nackt. Wie ich spater beweisen werde, tritt 
das beim erwachsenen Tiere so tippig entwickelte Wollhaar erst 
viel spater auf. 

Bevor ich aber den anatomischen Teil beschliefe, mu ich — 
last not least — einer Bildung gedenken, die am Schlusse der 
Arbeit unser Interesse besonders in Anspruch nehmen wird. Es 
ist eine an jeder Koérperseite vorhandene, ungefahr 3 mm seitlich 
von der Achselhéhle, aber gegen den Riicken hin gelegene Haut- 
papille, welche aus einer schlitzformigen und zur Langsachse 
des Kérpers quergestellten Oeffnung hervorragt, konisch gestaltet 
und von einer tiefen Furche umgeben ist. In Fig. 1 ist dieselbe 
deutlich zu erkennen. 


840 Theodor Loweg, 


Haut und Hautgebilde des erwachsenen Tieres. 


Es diirfte jetzt meine Aufgabe sein, das im Vorhergehenden 
Gesagte an der Haut des ausgewachsenen Tieres zu kontrollieren, 
wobei gleichzeitig das in den historischen Vorbemerkungen Mit- 
geteilte teilweise zu ergéanzen, teilweise richtigzustellen ist. 

Wie beim Fétus, so sind auch beim erwachsenen Tiere die 
dorsalen, dem Lichte zugekehrten Hautflachen beziiglich 
ihrer Anhangsgebilde die von der Natur bevorzugteren. 


Aber auch hier wie dort lassen diese Anhangsgebilde dreierlei 
Entwickelungszustinde erkennen. Wahrend die Stirn-, Scheitel- 
und Nackenfliiche, welche zusammen die Kopf-Hals- Region aus- 
machen, mit Stacheln bedeckt sind, tragt das erste Drittel der 
Riickenflaiche, die Region der hinteren Brustwand, Borsten. Die 
iibrigen zwei Drittel des Riickens und die Oberfliche des Schwanzes 
hinwiederum bedecken nur Stacheln, die aber in der Ausbildung 
wieder die des Kopfbezirkes tibertreffen. 


In einem Punkte jedoch stimmen die dorsalen Hautflachen 
beztiglich ihrer Anhangsgebilde nicht nur unter sich, sondern auch 
mit den ibrigen Hautflichen itiberein, naémlich in der  spindel- 
formigen, drehrunden und spitzen Gestalt ihrer Stacheln und 
Borsten. 

Am Kopfe beginnen die Stacheln auf der Stirn; der tibrige 
Teil des Kopfes bis zur Schnauzenspitze trigt sehr kleine Borsten. 
Diese Stacheln besitzen eine Lange von 7 mm und einen Durch- 
messer von 1/, mm. Je weiter aber dieselben nach hinten zu 
fortschreiten, um so linger und dicker werden sie, so daf die 
Stacheln des Nackens eine Lange von 4 cm und eine Dicke von 
1 mm erreichen. 

Ich muf hier bemerken, da’ weder fiir diesen, noch auch fir 
die im Folgenden zu besprechenden Bezirke die angegebenen 
Zahlen die absolute Lange und Dicke fiir samtliche Stacheln des 
Bezirkes darstellen. Es kommen neben langen und dicken Exem- 
plaren auch einzelne kiirzere und diinnere vor. 


Ihre Hauptfarbe ist wei& bis auf eine 2 mm lange, dunkel- 
braune Spitze. Letztere erregt dadurch unser besonderes Interesse, 
daf’ sie mit Widerhaken, auf die ich spiter naiher eingehen werde, 
versehen ist, deren Spitzen nach der Basis des Stachels gerichtet 
sind. Zwischen diesen Stacheln kommen vereinzelt stehende und 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 841 


im ganzen braun gefirbte Borsten vor, die, wenn sie nicht ganz 
der Widerhaken entbehren, dieselben nur schwach entwickelt 
zeigen. 

Nicht allein durch die Farbe, sondern auch durch die Schwache 
scheiden sich die Borsten des nun folgenden Bezirkes scharf von 
den vorhin genannten Stacheln ab. 

Bei dieser Gelegenheit will ich auf den Unterschied zwischen 
Stacheln und Borsten naher eingehen, hinsichtlich dessen ich mich 
den Ausfiihrungen R6mer’s (13) anschliebe, da das, was dieser 
Autor von den Stacheln bezw. Borsten der Echidna sagt, genau 
auf die des Erethizon pabt. 

ROMER geht behufs Definierung eines Stachels auf den Zweck 
und die Bedeutung desselben im Leben des Tieres ein. Nach ihm 
dient der Stachel dem Tiere als Verteidigungswaffe und mu zu 
diesem Zwecke die nétige Festigkeit besitzen, in die Haut ein- 
dringen zu kénnen. Die Borste aber vermag dieses nicht. Sie 
verursacht wohl bei leiser Bertihrung mit dem Finger eine leichte 
Empfindung auf der Haut, aber bei starkerem Drucke giebt sie 
nach, sie knickt um, wirkt also auf die Haut des Beriihrenden 
nicht als Stachel. 

Diese das erste Drittel des Riickens bedeckenden Borsten, 
welche sich seitlich in gleicher Ausbildung weit auf die Brust- 
bezw. Bauchdecken hin erstrecken, stehen, wie bereits erwahnt, 
den oben genannten Stacheln in der Festigkeit bedeutend nach, 
wihrend sie dieselben an Lange fast um das Doppelte iibertreffen. 
Von einer Lange im Mittel bis zu 7 cm, ist ihr Durchmesser kaum 
1 mm stark; ja gerade die langsten sind verhiltnismabig die 
diinnsten. In dem Umstande, da ihr Dickenwachstum mit dem 
Langenwachstum nicht gleichen Schritt gehalten hat, liegt somit 
ihre Schwiache begriindet, denn sie vermégen keineswegs in die 
Haut einzudringen. 

Anfangs in der ganzen Lange von hellbrauner Farbe, sind sie 
gegen das Ende des Bezirkes hin im untersten Drittel weil, in 
den iibrigen zwei Dritteln hellbraun gefarbt. Bei einigen ist die 
Spitze durch besonders dunkle Farbung markiert, andere dagegen 
behalten in ihrer ganzen Lange die hellbraune Farbung bei. 
Wahrend nun diesen die Widerhaken eigentiimlicherweise fehlen, 
sind sie bei jenen, wenn auch schwach entwickelt, vorhanden. 

Im Anfang des zweiten Drittels der Riickenfliche gehen die 
Borsten allmaéhlich in Stacheln iiber; sie werden widerstands- 


842 Theodor Loweg, 


fahiger und die dunkle Farbung der Spitze nimmt an Intensitat 
merklich zu. Die friiher nur das unterste Drittel beherrschende 
weiSe Farbe nimmt jetzt den ganzen Stachel ein bis auf ein 
kurzes, dunkelbraun gefairbtes Endstiick. Bald verschwindet auch 
dieses, und nun treten Stacheln von seltener Schénheit und Voll- 
kommenheit zu Tage. 2 mm und dariiber im Durchmesser stark, 
erreichen sie eine Linge bis zu 9 cm. Dabei sind sie, wie ge- 
sagt, mit wenigen Ausnahmen wei8 gefarbt bis auf ein in der Breite 
zwischen 5 und 10 mm schwankendes tiefschwarzes distales End- 
stiick, das mit kraftigen Widerhaken besetzt ist. Diese Exemplare 
ziehen sich in einer nach hinten konkaven Bogenreihe bis zu den 
Hiiftgelenken herunter und gehen yon hier, wieder etwas an- 
steigend, auf die Rander und auf die Seitenteile der Oberfliche 
des Schwanzes tiber, daselbst bis zu dessen Spitze verlaufend. 
In der Lange freilich allmahlich abnehmend, behalten sie im 
grofen und ganzen dieselbe Farbe bei. 

Das auferste, vor der Schwanzwurzel liegende und sich teil- 
weise auf diese hin erstreckende, dreieckig gestaltete Endstiick des 
Riickens ist mit nur 4 cm langen, aber diuferst festen und spitzen 
Stacheln bedeckt. Dieselben sind nur an der Basis weif, im 
tbrigen aber dunkelbraun bis schwarz gefirbt; die tiefschwarze 
Spitze, welche stellenweise die Liinge von 2 cm erreicht, ist mit 
kraftigen Widerhaken versehen. 

Die den mittleren Teil der Oberflache des Schwanzes be- 
deckenden, bis 6 mm langen und kaum */, mm dicken Stacheln 
sind in ihrer ganzen Lange tiefschwarz gefarbt und duBerst fest. 
Ihre bis zur Halfte der Lange reichenden Widerhaken sind so 
kraftig entwickelt, daf sie mit blofem Auge zu erkennen sind. 

Wie im Vorhergehenden dargethan, lassen sich somit die an 
der dorsalen Fliche des Fétus unterschiedenen Regionen auch am 
erwachsenen Tiere in derselben Abgrenzung durch die verschieden 
weite Ausbildung ihrer Anhangsgebilde erkennen. 

Aber bedeutsamer noch ist die Thatsache, da samtliche 
Stacheln und Borsten genau die alternierende Reihenstelluug ein- 
nehmen und weder in der Zahl noch in der Richtung zur Langs- 
achse des Kérpers von denen des Fétus abweichen. Um es kurz 
zu sagen: es wiederholen sich die beim Fétus beschriebenen Ver- 
haltnisse beziiglich Anordnung und Verteilung der Stacheln und 
Borsten am erwachsenen Tiere so genau, daf ich im Faile einer 
Beschreibung das dort Gesagte wortgetreu rekapitulieren miifte. 
Nur eins bleibt nachzutragen. Wahrend namlich beim Foétus nur 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 843 


die Fliigelmanner der alternierenden Reihen sich gegenseitig tiber- 
deckten, decken beim erwachsenen Tiere auch die mittleren 
Stacheln einer Reihe mit ihrem obersten Teile mehr oder minder 
weit den untersten Teil der Stacheln, welche den in derselben 
Richtung liegenden nachfolgenden Reihen angehoéren. 


Die noch tibrigen Hautflachen des Kérpers, als die der 
Seiten, der Extremititen, die Unterseite des Schwanzes und 
Rumpfes, sind mit dunkelbraunen Borsten besetzt, die, an den 
Seitenflichen noch von ziemlicher Linge und teilweise mit Wider- 
haken besetzt, an der Aufenfliche der Extremititen und Unter- 
seite des Schwanzes immer kiirzer und diinner werden. An der 
Unterseite des Rumpfes und Innenflaiche der Extremititen aber 
sind sie so diinn, daf’ ihnen eher die Bezeichnung ,,steife Haare“ 
als ,,Borsten“ zukommt. 

Aber charakteristisch ist auch fiir diese K6rperteile, daS die 
sie bedeckenden Borsten bezw. steifen Haare genau die alternierende 
Reihenstellung innehalten. 

Wie steht es nun aber mit den beim Fétus beschriebenen 
Feldern und Warzen, die bisher noch gar keine Wiirdigung 
erfahren haben? Sie sind beim erwachsenen Tiere verschwunden 
bis auf eine kleine Hauterhéhung am Ursprunge der Stacheln und 
Borsten. Auf ihrer Oberflaiche ist eine tippige, markhaltige und 
hellbraun gefarbte Wollbehaarung emporgesprossen. Wahrend aber 
dieses Wollhaar auf dem Riicken und an den Seiten am langsten 
ist, so lang, dafi die langsten Borsten oder Stacheln gar nicht 
oder nur mit ihrer Spitze daraus hervorragen, ist es an den 
iibrigen Korperteilen mit Ausnahme des Schwanzes wohl stark ent- 
wickelt, aber bedeutend kiirzer. Auf beiden Schwanzflichen und 
auf dem letzten, dreieckig gestalteten Endstiick des Riickens ist 
es am sparlichsten mit ihm bestellt; an beiden Stellen ist es nur 
in einzelnen feinen Faserchen vertreten. Dem Wollhaar sind aufer- 
dem noch Grannenhaare untermischt, die auf dem Riicken weniger 
zahlreich vorhanden sind, an den Seiten aber und an den Ex- 
tremitaten hauptsachlich in die Augen fallen. Sie sind entweder 
im ganzen Verlaufe tiefschwarz gefirbt, oder sie haben eine lange 
Spitze von weifer Farbe. Vom Wollhaar unterscheiden sie sich 
aufer der Farbe durch die noch bedeutendere Lange und durch 
die Konsistenz. Jenes hat einen welligen Verlauf und ist aufSerst 
diinn, diese verlaufen in vollstandig gerader Richtung und sind 
doppelt so dick. 


844 Theodor Loweg, 


Sehliisse. 


Zu welchen Schliissen berechtigen nun die vorstehenden Aus- 
fiihrungen ? 

Dazu, da8 der Kérper der Vorfahren des Erethi- 
zon dorsatus mit Schuppen bedeckt gewesen ist, 
unter deren hinterem freien Rande sich die Borsten 
bezw. Stacheln entwickelt haben. 

Wie liefe sich anders die im Vorhergehenden beschriebene 
architektonische Anordnung der Stacheln und Borsten in alternie- 
renden Querreihen erklaren ! 

Die Schuppen sind bei den Vorfahren des Erethizon dorsatus 
das Primare gewesen, sie haben den Borsten und Stacheln ihre 
Stellung vorgeschrieben. 

WEBER (1) war der erste, der auf Grund seiner Unter- 
suchungen an Manis und an den Schwiinzen einiger anderen Sauge- 
tiere auf obige Thatsache aufmerksam machte, und sein Schiiler 
DE MEIJERE (6) brachte durch seine zahlreichen Untersuchungen 
den vollsten Beweis dafiir. 

DE MerERE richtete hauptsichlich sein Augenmerk auf die 
Anordnung der Haare und Stacheln auf beschuppten und unbe- 
schuppten K6érperteilen der Saugetiere. Er fand, daf die Haare 
und Stacheln, welche auf den beschuppten Teilén der Haut in 
alternierenden Gruppen stehen, bei vielen Siugetieren auch auf 
den unbeschuppten Teilen der Haut ebensolche alternierende 
Gruppen bilden. 

Es hatten mithin die Haare und Stacheln, welche friiher in 
ihrer Anordnung an die Schuppen gebunden waren, trotz der 
Reduktion des Schuppenkleides ihre urspriingliche Anordnung 
bewahrt. 

DE MrWJERE folgerte daraus mit Recht, daf alle Kérperteile, 
die diese Schuppenstellung der Haare bezw. Stacheln aufweisen, 
friiher gleichfalls Schuppen trugen, welch letztere das Agens fiir 
die Anordnung der Haare und Stacheln abgegeben haben. Die 
Schuppen selbst gingen verloren, die Anordnung der Haare und 
Stacheln weist aber noch auf ihr friiheres Vorhandensein hin. 

Zur Erlaiuterung des oben Gesagten méchte ich an dieser 
Stelle eine Bemerkung RémeEr’s (13) citieren, welche dieser Autor 
in seiner Arbeit tiber das Integument der Monotremen ausspricht, 
da dieselbe ebenso gut auf Erethizon dorsatus pat. ROMER 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 845 


sagt: ,,Die Haare konnten natiirlich die harten und _ festen 
Schuppen nicht durchbrechen, sondern konnten sich nur unter 
ihrem hinteren freien Rande entwickeln. Gerade hier, wo die 
Schuppen iibereinander ragen, und infolgedessen eine Einsenkung 
der Epidermis entsteht, wird die Entwickelungsméglichkeit die 
grébte gewesen sein; die Haare wurden hier in ihrer Entwickelung 
am wenigsten gestért, weil ihre Stellung und Richtung mit der 
der Schuppen tibereinstimmte.‘ 


Die Schuppen, die den K6rper der Vorfahren bedeckt haben, 
sind aber bei den Nachkommen noch nicht ganz verschwunden, 
sondern die friiher beschriebenen Felder und Warzen stellen nichts 
anderes als die letzten Ueberbleibsel derselben dar. Erwecken 
doch die in der Lendenregion gelegenen Felder noch heute bei 
oberflichlicher Betrachtung die Meinung, dafi es echte Schuppen 
seien. Bei genauerer Besichtigung jedoch sieht man bald, dak 
auch sie, gleichwie die Warzen, Rudimente ehemaliger Schuppen 
vorstellen, die sich nur eine gréfere Aehnlichkeit mit ihren Vor- 
laufern bewahrt haben. Aus diesem Grunde habe ich in meinen 
friiheren Ausfiihrungen stets die Bezeichnung ,,Felder’* und _nie- 
mals ,,Schuppen‘* angewandt. 


Die ehemaligen Schuppen haben, wenigstens auf dem Riicken, 
die Gestalt eines Viereckes gehabt, dessen hinterer Rand leicht 
gebogen war. Dieselben sind in alternierender Weise, wie ihre 
Ueberreste, angeordnet gewesen und haben sich auch seitlich tiber- 
lagert. Letztere Thatsache wird durch die seitliche Ineinander- 
schiebung der einzelnen Felder ausgedriickt. 


Da8 aber nicht nur Teile, sondern der ganze Koérper der 
Vorfahren mit Schuppen bedeckt gewesen ist, be- 
weisen sowohl die iiberall vorkommenden Rudimente derselben, 
als auch die am ganzen Korper vorhandene Schuppenstellung der 
Stacheln und Borsten; dal’ aber die Schuppen iiberall dieselbe 
Ausbildung erfahren haben, diirfte von vornherein kaum anzu- 
nehmen sein. 


Ich glaube vielmehr, auf Grund meiner friiheren Darlegung 
der am Fétus gemachten Befunde schlieBen zu diirfen, daf die 
dorsalen K6rperflichen der Vorfahren mit den gréften, starksten 
und festesten Schuppen bedeckt waren. Diese Schuppen nahmen 
dann von oben nach den lateralen und ventralen Seiten zu all- 
mihlich an Gréfe, Starke und Festigkeit ab, so zwar, daf die 
Unterseite des Rumpfes und der Extremitaiten entsprechend den 


846 Theodor Loweg, 


kleinsten und niedrigsten Warzen auch die schwichsten und 
kleinsten Schuppen trug. Diese Thatsache ist ganz erklarlich, 
wenn man, abgesehen von der rationellen Seite derselben hinsicht- 
lich der Bewegung des Tieres, nur in Betracht zieht, dafi das 
Schuppenkleid dem Besitzer gleichzeitig als Schutz- und Trutz- 
apparat gedient hat. Demgema8 muften die am meisten expo- 
nierten Kérperflachen, weil sie eben irgend welchen Angriffen am 
meisten ausgesetzt waren, auch eine starkere und festere Be- 
panzerung tragen, als die tibrigen, des Schutzes im geringeren 
Ma8e bediirftigen Flichen. 

Fir diese Annahme liefert auch die heutige Bedeckung des 
erwachsenen Tieres einen weiteren Beweis. Die Schuppen ver- 
loren bei den Vorfahren an Bedeutung, sie schwanden allmahlich, 
und, mit ihrem Schwunde Hand in Hand gehend, entwickelten 
sich Haare, welche, wie erwahnt, unter dem hinteren, freien Rande 
der Schuppen zur Ausbildung kamen. Anfangs ziemlich bedeutungs- 
los, tibernahmen sie mit dem fortschreitenden Schwinden der 
Schuppen mehr und mehr die Aufgabe der letzteren. Ganz natiir- 
lich war es dann, daf sich die Haare dementsprechend ditieren- 
zierten und sich allmahlich, adaiquat dem Werte der Schuppen, 
unter denen sie standen, zu steifen Haaren, Borsten und Stacheln 
ausbildeten. 

Diese Vermutung klingt meiner Ansicht nach durchaus nicht 
paradox, stellen doch die Stacheln nichts anderes als stark ent- 
wickelte Haare dar. Letztere Thatsache hat R6mer (13) an den 
Stacheln von Echidna aculeata, Davies (22) und SPRENGER (23) 
an den Igelstacheln entwickelungsgeschichtlich bewiesen, und 
Maurer (5) wie DE Mr vere driicken sich in demselben Sinne aus. 

Ich habe tiber die Stacheln des Erethizon keine entwickelungs- 
geschichtlichen Untersuchungen anstellen kénnen, aber mir biirgen 
fiir die Richtigkeit der Behauptung einmal der Bau der Stacheln, 
auf den ich spiiter eingehen werde, und dann die Ueberginge vom 
Woll- zum Grannenhaar, vom Grannenhaar zur Borste und von 
dieser wieder zum Stachel, welche am erwachsenen Tiere deutlich 
zum Ausdruck kommen. 

Welcher Charakter ist den Schuppen eigen gewesen, 
die den Koérper der Vorfahren bedeckt haben ? 

Die Antwort auf diese Frage hoffe ich an der Hand des 
mikroskopischen Befundes der Haut des friiher erwahnten Fétus 
zu geben. 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 847 


Feinerer Bau der Haut (Papillen und Stacheln); phylo- 
genetische und physiologische Bemerkungen. 


Fiir die histologische Untersuchung der Haut habe ich Haut- 
proben aus der Lendenregion, aus dem Grenzbezirke der Kopf- 
Hals-Region und der Region der hinteren Brustwand und aus der 
rechten seitlichen K6érperfliche entnommen. Letztgenanntes Haut- 
stiick besitzt in der Mitte die im anatomischen Teile erwahnte 
Hautpapille. Ich konnte mithin an diesem Hautstiick das Studium 
der Warzen, wie das der Papille betreiben. Durch die in Paraffin 
eingebetteten Hautproben habe ich Langs- und Querschnittserien 
von 15 w gelegt. Zur Tinktion habe ich Salzséurekarmin, Pikro- 
karmin, Bleu de Lyon nach RO6mer (11) und DELAFIEeLp’sches 
Hamatoxylin verwandt. Von samtlichen Farbemitteln hat mir das 
Hiamatoxylin die besten Dienste geleistet. 

Bevor ich in die einzelnen Details eintrete, mag es mir ge- 
stattet sein, folgendes vorauszuschicken. 

WeBeEr (1) war es, der, wie ich schon einleitend bemerkte, 
zuerst die morphologische Bedeutung der Saugetierschuppen be- 
tonte und dieselben auf Grund des auffallend ahnlichen Baues 
yon den Schuppen der Reptilien ableitete. Er gab folgende, all- 
gemein acceptierte Definition einer Schuppe: ,,Kine Schuppe ist 
eine Papille der Lederhaut, die sich radiar-symmetrisch anlegt, 
als konische Erhebung bestehen bleiben kann, meist aber bald sich 
abflacht, schwanzwirts sich umbiegt und alsdann ein bilateral- 
symmetrisches Gebilde darstellt, an dem man eine pigmentierte 
Dorsal- und eine pigmentfreie Ventralflache unterscheidet. Diese 
Lederhauterhebung ist von einer Epidermislage tiberdeckt, welche 
die sogenannte Hornschuppe entstehen lakt.'‘ 

Betrachten wir hiernach Fig. 2, welche einen Langsschnitt 
aus der seitlichen Kérperfliche darstellt, so fallen uns konische 
Papillen der Lederhaut auf, die das Niveau der Haut be- 
deutend iiberragen. Die pigmentlose Epidermis ist auf beiden 
Flachen dieser Papillen von gleicher Starke. An zahlreichen 
Stellen ist sie vom Corium abgehoben und hat ihre Cylinderzellen- 
schicht eingebii£t. Das Stratum corneum bildet tiberall nur eine 
ganz diinne Schicht, von der sich stellenweise einzelne, kernlose 
Schiippchen losgelést haben. Bei starker Vergréferung nahm ich 
auferdem wahr, daf die Kerne der vorhandenen Zellschichten des 
Stratum Malpighii alle méglichen Zerrformen darboten.® Die Epi- 

Bd. XXXIV. N. F. XXVH. 55 


848 Theodor Loweg, 


dermis zeigt somit alle Erscheinungen einer wenig sorgfaltigen 
Konservierung. Mag dieselbe aber auch infolge der Schrumpfung 
von ihrem normalen Aussehen manches eingebiiSt haben, so steht 
doch die Thatsache fest, daf dieselbe an keiner Stelle Erscheinungen 
erkennen labt, die auf das noch heutige Bestehen einer Horn- 
schuppe schliefen liefen. 

Auch das die Grundlage obiger Papillen bildende C utis- 
gewebe ist durch eine besondere Wucherung seiner Zellen, wo- 
durch sich die Erhebung der Haut zu Papillen erklaren liefe, nicht 
ausgezeichnet. Trotzdem aber sind die radiar-symmetrischen 
Papillen vorhanden, weil sie alte Erbstiicke darstellen. 

Sie bilden Reste von Schuppen, wie solche sich, nach 
dem heutigen Stande der Litteratur, bei keinem anderen Séuge- 
tiere, welches friiher im Besitze von Schuppen gewesen ist, in 
dieser Ausbildung erhalten haben. 

Ein Blick auf Fig. 3 (Grenzbezirk der Region der hinteren 
Brustwand und der Kopf-Hals-Region) lehrt uns, da8 die Papillen, 
im Gegensatze zu denen in Fig. 2, sich bedeutend abgeflacht 
haben und auf diese Bezeichnung kaum mehr Anspruch erheben 
kénnen. Die kleinen Zacken, welche sich stellenweise finden, 
stellen nur Produkte der Schrumpfung dar. Aber diese vermeint- 
lichen Papillen lassen eine bedeutende, schwanzwarts gerichtete 
Schragstellung erkennen, welch letztere noch deutlicher an den- 
jenigen in Fig. 4 zum Ausdruck kommt. 

Die Epidermis zeigt an beiden Schnitten nirgends eine Ver- 
dickung, sondern stimmt in ihrem Verhalten genau mit der in 
Fig. 2 tiberein. 

Aber aus den in Fig. 3 und Fig. 4 (Lendenregion) dar- 
gestellten vermeintlichen Papillen lassen sich mit wenig Phantasie 
die bilateral-symmetrischen Schuppen in der von WEBER gegebenen 
Definition konstruieren, und es ist leicht einzusehen, da’ die 
Schuppen, welche die dorsalen Kérperteile der Vorfahren bedeckt 
haben, den itiberhaingenden, bilateral-symmetrischen Bau gehabt 
haben, wie ihn die Schuppen der meisten Reptilien darbieten. 

Ob aber die Schuppen, deren Reste die in Fig. 2 dargestellten, 
konischen Papillen bilden, radia&r-symmetrisch gebaut gewesen 
sind, wie die radiir-symmetrischen Warzen der Geckotiden und 
Chamaleoniden, oder ob die oben genannten radiar-symmetrischen 
Papillen eine Degeneration der bilateral-symmetrischen darstellen, 
wage ich nicht zu entscbeiden. 

Bedeutsam ist ferner die Thatsache, dal, wie es auf simt- 


Studien tiber das Integument des Hrethizon dorsatus. 849 


lichen Schnitten klar zu ersehen ist, die Stacheln stets 
zwischen den Papillen ihre Lage haben. Die Bezie- 
hungen der Stacheln zu den verschwundenen Schuppen sind mit- 
hin bei Erethizon rein topographische gewesen. Irgend einen 
phylogenetischen Zusammenhang zwischen Stacheln und Schuppen, 
der sich durch das Wurzeln der ersteren in den Schuppenpapillen 
offenbaren wiirde, habe ich auf keinem der zahlreichen Serien- 
schnitte entdecken kénnen. 

Die mikroskopischen Befunde bestitigen somit die friiher 
ausgesprochene- Behauptung, daf8 die Felder bezw. Warzen 
nur Rudimente ehemaliger Schuppen darstellen. 

Und auf Grund der vorstehenden Untersuchungen steht es 
auch aufer Zweifel, dal diese ehemaligen Schuppen echte Horn- 
schuppen im Sinne der Schuppen der Reptilien gewesen sind. 

Vorstehende Deduktionen haben aber auch ferner gezeigt, daf 
nur die ehemaligen Schuppen die jetzige Stellung der 
Stacheln und Borsten begriinden und erkliren kénnen. — 
Die Anordnung der Stacheln und Borsten in alternierenden 
Querreihen tritt auf dem Querschnitte aus der Region der 
hinteren Brustwand (Fig. 5) deutlich zu Tage. Die Querschnitte 
sowohl der Stacheln, als auch der Borsten sind rund, ihr Kaliber 
ist aber verschieden, Es wiederholen hier die mikroskopischen 
Befunde genau die friiher dargelegten makroskopischen, weshalb 
ich nicht weiter darauf eingehen will. 

In Fig. 5 erregt noch eine andere Erscheinung unser beson- 
deres Interesse, namlich kleine, selbstindige Einsenkungen der 
Epidermis, welche die ersten Anlagen des Wollhaares 
darstellen. Dieselben fiilien in der Fig. 5 die Zwischenriume 
zwischen zwei Stacbeln aus. Hierdurch gewinnt es den Anschein, 
als ob das Wollhaar auch alternierende Querreihen bilde, wie die 
Stacheln und Borsten. Letzteres ist aber nicht der Fall; denn 
ich sah auf zahlreichen Langsschnitten die Anlagen teils ganz 
vereinzelt, teils in kleinen Haufen regellos und weit von den 
Stacheln entfernt zusammenstehen. 

Diese Beobachtung illustriert und begriindet zugleich die 
makroskopiscben Befunde, wonach das W ollhaar vollstandig 
die Plitze der ehemaligen Schuppen einnimmt. 

Die regellose Anordnung des Wollhaares spricht auch zu 
Gunsten der Schuppenstellung der Stacheln und Borsten. 

Letzteren nimlich wurde ihre Anordnung von den zuerst 


existierenden Schuppen vorgeschrieben, auf das Wollhaar aber 
55 * 


850 Theodor Loweg, 


konnten die Schuppen keinen EinfluS mehr ausiiben, da es sich 
ja, deren Platze einnehmend, erst nach dem vollstaéndigen Ver- 
schwinden der Schuppen entwickelte. Die regellose Anordnung 
ist angesichts dieser Thatsache denn auch eine ganz natiirliche 
Erscheinung. Im tibrigen ist das Wollhaar in dem vorliegenden 
Fotalstadium noch auferst sparsam entwickelt, denn auf den mei- 
sten Serienschnitten ist keine Spur davon zu sehen. 


In dem Vorhergehenden ist mehrfach von dem Verschwinden 
der Schuppen und dem Auftreten eines Stachel- und Wollhaar- 
kleides die Rede gewesen. Beide Vorginge weif ich nicht besser, 
als an der Hand einer biologischen Erwaigung R6mgEr’s (12), die 
ich, soweit sie auf Erethizon dorsatus Bezug hat, hier anfiihren 
werde, zu erklaren. ROMER sagt: 

Wir miissen uns das Haarkleid als einen Warmeschutz gegen 
die immer mehr zunehmende Abkihlung der Temperatur ent- 
standen denken. Da wir die Saéugetiere von schuppentragenden 
Vorfahren ableiten, so ergiebt sich, da8 die Entstehung der Haare 
mit dem Schwund der Schuppen Hand in Hand ging. Aus ver- 
schiedenen Griinden, namentlich mechanischen, kénnen sich die 
Haare zunachst nur unter dem hinteren, freien Rande der Schuppen 
entwickelt haben. Als dann spaterhin die Schuppen immer mehr 
an Bedeutung verloren und schwanden, haben sich die Haare erst 
ihrer Plaitze bemachtigen und allgemein tiber die ganze Haut aus- 
breiten kénnen. Biologisch lat sich diese Annahme so verstehen, 
dal dem Warmeschutz und der Warmeregulation gegen eine geringe 
Abkiihlung des Klimas durch das sparliche Haarkleid unter dem 
hinteren Rande der Schuppen Geniige geleistet wurde. Gegen 
eine weitere Abnahme der Temperatur konnte es aber nicht hin- 
reichend Schutz gewahren; es bedurfte dazu eines viel dichteren 
Haarkleides, welches aber erst entstehen konnte, als die Schuppen 
an Bedeutung verloren und schwanden. Die Temperaturabnahme 
betrachten wir somit als den mafgebendsten Faktor bei der Ent- 
stehung des Haarkleides der Saugetiere. 

Aber nicht nur die Entstehung der Haare findet hierdurch 
ihre Erklairung, sondern auch die des warmen Blutes und der 
Schweifdriisen, denn, wie ROMER sich an einer anderen Stelle aus- 
driickt (13), die reptilienahnlichen Vorfahren der Siugetiere mit 
ihrem poikilothermen Blute hatten doch eines Kalteschutzes nicht 
bedurft, da sie doch ebenso wie heute noch die Amphibien und 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 851 


Reptilien durch Winterschlaf und Erstarrung die kihlere Zeit 
itiberdauern konnten. Es wird daher der Entstehung des Haar- 
kleides eine Erwirmung des Blutes voran- oder mindestens mit 
ihr Hand in Hand gegangen sein.“ 

Die Schweifdriisen, die den Regulationsapparat der Kérper- 
wirme darstellen, fehlen dem Erethizon vollstandig. Man sollte 
daraus schliefien, dali bei ihm ein Haarwechsel bestinde, der zur 
Sommerzeit das tippige Wollhaar auf den Schuppenplatzen wieder 
zum Verschwinden brachte und so die Funktion der Schweifdriisen 
in etwas kompensierte. Ich habe hieriiber in der Litteratur keine 
Angaben gefunden, méchte mich aber doch riicksichtlich der Ver- 
breitung des Erethizon fiir das Bestehen eines Haarwechsels ent- 
scheiden. Brenm (21), der einen erwachsenen Erethizon in Ge- 
fangenschaft hielt, giebt wohl an, daf dem Tiere die Warme im 
Sommer unertraglich gewesen und daf es vielleicht infolge der- 
selben gestorben sei, eines Haarwechsels dagegen thut er tiberhaupt 
keine Erwaihnung. Es liegt auf der Hand, da’ diese Mitteilungen 
weder in positivem noch negativem Sinne fiir die vorliegende 
Frage verwertbar sind. 


Wegen der Beziehungen zwischen Schuppen und Stacheln 
werde ich die Untersuchungen tiber den Bau der letzteren an die 
vorhergehenden Ausfiihrungen anschliefen. 

Die Stacheln des Erethizon dorsatus sind schon friiher 
Gegenstand kleiner Abhandlungen gewesen, von denen ich an 
erster Stelle auf die von Borcku (24) eingehen will. Nach einigen 
allgemeinen Bemerkungen itiber Lange, Starke und Farbe der 
Stacheln giebt Borcku, kurz Bezug nehmend auf das Resultat der 
Untersuchungen von SARRAZIN (25), eine ziemlich ausfiihrliche 
Schilderung der an der Spitze der Stacheln befindlichen Wider- 
haken, die hier angefiihrt zu werden verdient. Borcku, der sonder- 
barerweise keine Abbildung tiber seinen interessanten Befund 
giebt, schreibt dariiber folgendermafen: 

»lpse quoque apicem microscopio observavi; in superficie eius 
vidi processus corticis acutos planos, squamarum instar, quorum 
casis ad apicem spinae Summum, cuspis ad radicem spinae spec- 
tabat; summum ii apicis spatium in longitudine unius lineae oc- 
bupabant, et inferiores quidem dispersi distabant, superiores con- 
Stipati et imbricati erant. Senties resistentiam horum hamorum 
ubi spinam per digitos trahes. Apex spinae tam gracilis et tener, 


31594 Theodor Loweg, 


simul vero tam rigidus est, ut quum spinam in vola collocassem, 
et dorsum manus impetu levissimo impulissem, apex volae infixus 
sit et tam firmiter inhaeserit, ut extrahendo epidermis in duarum 
linearum altitudinem tolleretur.“ 

Vorstehenden Ausfiihrungen méchte ich berichtigend einiges 
hinzufiigen. 

Darin irrt Borckn, da’ die Widerhaken nur den oberen Teil 
der Spitze des Stachels in der Linge von einer Linie einnehmen 
sollen. Wie ich schon friiher dargelegt habe, sind die Wider- 
haken an denjenigen Stacheln vorziiglich entwickelt, deren Spitzen 
durch ihren bedeutend dunkleren Ton zur allgemeinen Farbung 
der Stacheln in auffallendem Kontraste stehen. Dort, wo die 
Spitzen durch eine unterschiedliche Farbung auffallen, werden auch 
die Widerhaken schwach sichtbar. Sie stellen bei ihrem ersten 
Hervortreten in ziemlichen Absténden rund um den Stachel ver- 
laufende, zickzackférmige Linien “dar, bei denen eben die Zacken 
anfangen, deutlicher sichtbar zu werden. In dem Mafe aber, wie 
diese Farbung der Spitze an Intensitat zunimmt, pragen sich auch 
die Widerhaken deutlicher aus. Die in einer Querlinie liegenden 
Zacken riicken seitlich naiher zusammen, und die héher gelegenen 
fangen an, mit ihrer Spitze die Basis der tiefer liegenden zu be- 
decken. 

Ebenso wie aber die Linge der durch ihre Farbe besonders 
markierten Spitze relativ ist, so auch die Ausdehnung der Wider- 
haken'). Die letzteren, welche unter dem Mikroskope eine drei- 
eckige Form darbieten, liegen der Oberflache des Stachels glatt 
an, sind aber nur an ihrer Basis mit derselben befestigt. Aus 
diesem Grunde lassen sich dieselben manuell leicht aus ihrer Lage 
bringen, was in Fig. 6 deutlich zu sehen ist. 

Ihrem Habitus nach haben sie Aehnlichkeit mit Schuppen, die 
sich ein wenig tiberlagern und in alternierender Weise angeordnet 

1) Diese Ausbildung an den dunkler gefiarbten Stellen des 
Stachels steht, worauf mich Herr Prof. Dr. Marsuatn aufmerksam 
macht, mit der allgemeinen Erfahrung, dali die Epidermoidalgebilde 
an den stirker pigmentierten Stellen der Haut fester und wider- 
standsfahiger entwickelt sind, in bestem Einklange. Ich fiihre zu- 
gleich auf Grund der Mitteilungen des Herrn Prof. Dr. Marsnaru 
an, daf im Freien aufgefundene gebinderte Vogelfedern (z. B. von 
Raubvégeln), die laingere Zeit dem Einflusse der Witterung aus- 
gesetzt gewesen waren, von Herrn Prof. Dr. Marsuauu stets an den 
hellen Stellen (namentlich am Fahnenrande) abgenutzter als an den 
dunklen beobachtet wurden. 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 853 


sind; da sie aber Gebilde des Stachels (Stachelschuppen) darstellen 
und die Bedeutung von Widerhaken haben, somit zu den Schuppen 
in keinem genetischen Verhaltnis stehen, so habe ich, um Mif- 
verstiindnisse zu vermeiden, die Bezeichnung — ,,Widerhaken‘ 
gewahlt. 

Wie schon friiher erwahnt, sind die Widerhaken bei samt- 
lichen Stacheln vorhanden, bei den Borsten dagegen fangen sie 
mit der Abnahme der Starke derselben und der dunkleren Far- 
bung ihrer Spitze an allmahlich zu verschwinden. 

BorckH irrt deshalb, wenn er SARRAZIN gegenitiber behauptet, 
daf die jungen, wachsenden Stacheln, die doch, wie ich an anderer 
Stelle definiert habe, nur Borsten vorstellen, schon mit Widerhaken 
versehen seien. Nach Borckn’s Ansicht werden die Widerhaken 
sofort mit der Spitze des Stachels ausgebildet, demnach miften 
dieselben auch an den Stacheln des Fétus zu sehen sein, was 
aber nicht der Fall ist. Wie und wann sich die Widerhaken ent- 
wickeln, habe ich leider nicht studieren kénnen, da ich nur einen 
Fétus zur Verfiigung hatte. Ich habe aber versucht, die Wider- 
haken des ausgewachsenen Stachels durch Zerzupfen der Stachel- 
spitze zu isolieren, nachdem ich letztere vorher in der Warme 
mit 50-proz. Schwefelsiure behandelt hatte. Bei den darauf vor- 
genommenen Untersuchungen fand ich dreieckige, an der Spitze 
abgerundete, flache Zellen, Gebilde, welche den gewdéhnlichen, 
isolierten Rindenzellen sehr aihnlich sind, aber diese in der Grobe 
etwas tibertreffen. Ich méchte diese Gebilde als die oben genannten 
Stachelschuppen bezw. Widerhaken ansprechen. 

Nebenbei bemerke ich, daf die Stacheln von Hystrix cristata 
dieser Widerhaken entbehren. 

BrOKER (26), der ebenfalls die Stacheln des Erethizon unter- 
suchte, macht nur sehr diirftige Angaben dariiber. Er spricht 
von einem grofen, dachziegelformigen Epithel am auferen Rande 
des Stachels, womit er meiner Ansicht nach die Widerkaken ge- 
meint hat, und laft es unentschieden, ob nur dieses auSere Epithel, 
welches aus zahlreichen Schichten bestehe, die Umbhiillung des 
Markes bilde, oder ob die diinne Rindenschicht aus eigenen Epithel- 
membranen gebildet werde. Aus diesen Angaben folgt, daf ihm 
das eigentliche Wesen und die Bedeutung der Widerhaken un- 
bekannt geblieben ist. 

Ueber das sonstige AeuSere der Stacheln habe ich mich schon 
teilweise im makroskopischen Teile der Arbeit geaiuBert. Wie 
dort bereits bemerkt, ist der Schaft samtlicher Stacheln in seiner 


854 Theodor Loweg, 


ganzen Linge auf dem Querschnitt von einer runden Form. An 
der: Basis diinner, wird er gegen die Mitte hin dicker, um alsdann 
in eine sehr feine Spitze auszulaufen, die so hart ist, da sie, 
wie Bren (21) behauptet, in Holz einzudringen vermag. 

BrOKER behauptet, dafi das untere Ende des Stachels hohl 
und durchsichtig sei, ahnlich dem Kiel einer Feder. Ich habe 
diese Wahrnehmung, die ich als eine irrtiimliche bezeichnen muf 
nicht machen kénnen. 

Das in der Haut steckende Stiick, die Stachelwurzel, ist 
scharf gegen den Schaft abgesetzt und terminal zwiebelartig ver- 
dickt. Letztere Anschwellung, mittelst deren sie die Stachel- 
papille kappenartig umereift, wird der Bulbus spinae genannt. 
Die Oberfliche der Stacheln ist glatt und nicht etwa langsgestreift, 
wie bei Erinaceus europaeus und Hystrix cristata. 

Ich halte es nicht fiir uninteressant, am Schlusse des all- 
gemeinen Teiles das anzuftihren, was Borcknu iiber die durch die 
Stacheln von Erethizon herbeigefiihrten Verwundungen sagt. BoECKH 
schreibt: ,,Equidem non intelligo, cur negetur, hamatas illas 
Hystricis dorsatae et prehensilis spinas posse musculorum actione 
animalium vulneratorum altius in horum corpus impelli; idemque 
accommodandum videtur apicibus spinarum caudae, qui de reliqua 
spina recissi sint, spinisque omnibus fusiformibus, simulatque hae 
super mediam longitudinem in corpus alienum penetraverint.‘ 

Diesen Ausfiihrungen stehe ich allerdings etwas skeptisch 
gegentiber, aber es steht fest, da die Stacheln mittelst ihrer 
auBerst feinen Spitze leicht in die Haut des Gegners eindringen 
und daselbst vermége ihrer Widerhaken und der leichten Lésbar- 
keit aus ihrer angeborenen Verbindung haften bleiben. Die Wider- 
haken werden auch wohl die Ursachen der Entziindungen sein, 
die durch tiefere Verwundungen der Stacheln des Erethizon hervor- 
gerufen werden, denn es ist doch anzunehmen, dal die Wider- 
haken nach Entfernung der Stacheln in der Wunde zuriickbleiben 
und daselbst als Entztindungserreger wirken. 


ba 


Histologie der Stacheln. 


Auf die Histologie der Stacheln iibergehend, bemerke ich, 
dafi ich durch dieselben Lings- und Querschnittserien gelegt habe. 
Zur Farbung verwandte ich Salzsiurekarmin und DELAFIELD’sches 
Himatoxylin, zwei Farbemittel, die mir gute Dienste leisteten. 


é 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 855 


Die Stacheln, welche, wie bemerkt, nichts anderes als vo- 
luminés entwickelte Einzelhaare darstellen, bilden ein Produkt der 
Oberhaut und stecken in den Stacheltaschen, an deren Grunde 
sie auf einer birnférmigen, gefifreichen, aber nervenlosen Hervor- 
ragung der Lederhaut, der Stachelpapille, aufsitzen. An denselben 
kommen vorzugsweise zwei Bestandteile in Betracht: der eigent- 
liche Stachel mit seinen Wurzelscheiden und der Stachelbalg mit 
der Papille. Dieser ist mesodermalen, jener dagegen ektodermalen 
Ursprungs. 


Der eigentliche Stachel. 


Der eigentliche Stachel besteht aus drei, morphologisch von- 
einander verschiedenen Schichten: aus der Rindensubstanz, der 
Marksubstanz und dem Oberhautchen. Die Trennung dieser drei 
Bestandteile voneinander ist am Schafte sehr leicht, aber auch an 
der Wurzel haben sie sich schon so weit differenziert, da8 man sie 
in den tiefsten Partieen derselben voneinander unterscheiden kann 
(Fig. 7). Die Matrix fiir alle drei Schichten bilden die runden 
Zellen, welche der Papille unmittelbar aufsitzen. 


Was nun die Rindensubstanz, Substantia corticalis 
(Fig. 7#) anlangt, so stellt dieselbe einen Hohlcylinder dar, der 
den Achsenteil des Stachels, das Mark, umgiebt. Dieselbe wird 
durch schmale, spindelférmige und in der Liingenrichtung gestellte 
Zellen aufgebaut, welche im Schafte, sowie im oberen Teile der 
Wurzel vollstaéndig verhornt sind. In den unteren Teilen der 
Wurzel aber erscheinen diese Zellen breiter und kernhaltig, da- 
gegen endlich auf den seitlichen Partien der Papille, wo sie ihren 
Ursprung haben, priasentieren sie sich als runde Zellen mit grofen, 
runden Kernen. An der Ursprungsstelle ist in und zwischen ihnen 
dunkel-schwarzbraunes Pigment in kérniger und diffuser Form vor- 
handen, welchem die Stacheln ihre Farbe verdanken. 

Der oben erwihnte Hohlcylinder umgiirtet aber, wie es der 
Querschnitt am besten veranschaulicht, als ein tiberall gleich- 
malig runder Ringmantel das Mark. 

Hierdurch unterscheidet sich die Rindensubstanz der Stacheln 
des Erethizon von der Rinde der Igelstacheln, denn bei diesen 
ragen von derselben 22—25 Fortsatze in das Mark hinein, ahnlich 
den Speichen eines Rades, welche aber im Innern nicht zu einem 
gemeinsamen Mittelpunkte verschmelzen, sondern blind endigen. 


856 Theodor Loweg, 


Die zweite Schicht, die Marksubstanz, Substantia me- 
dullaris (Fig. 7 JZ), nimmt den centralen Teil des Stachels ein 
und bildet einen aus Zellen sich zusammensetzenden Cylinder, der 
sich gegen die Spitze des Stachels hin verliert. Oben genannte 
Zellen entwickeln sich von der Hohe der Papille aus und haben 
anfangs eine runde Form, die in den oberen Teilen der Wurzel 
allmihlich in eine polygonale tibergeht. Im Innern der Mark- 
zellen befindet sich das mit der Verhornung der Zellen in engem 
Zusammenhang stehende Keratohyalin, welches besonders an den 
mit Hamatoxylin gefirbten Schnitten deutlich zum Vorschein 
kommt. Anfangs in feinkérniger Form um den runden Kern auf- 
tretend, konfluieren gegen die Mitte der Wurzel hin einzelne 
Korner und drangen durch ihre Massigkeit den Zellkern zur 
Seite. Ueber die Mitte hinaus aber fiillen sie bald das Innere 
der Zellen vollstindig aus, der Kern verschwindet, und die Zellen 
gewinnen ein blasses, homogenes Aussehen, sie sind verhornt. 

Wahrend die Markzellen in dem unteren Teile der Wurzel 
eng aneinander liegen und keinen Zwischenraum unter sich zu- 
lassen, tritt im oberen Teile der Wurzel und besonders im Schafte 
zwischen den Zellen Luft in Form feiner und gréberer, verlangerter 
oder mehr abgerundeter Blaschen auf. 

Stellt aber bei dem Erethizon dorsatus das Mark der Stacheln 
eine elnheitliche Masse dar, so ist es beim Igel durch die von der 
Rinde hineinragenden Fortsiitze in Abteilungen geteilt. 

Die dritte Schicht des eigentlichen Stachels ist das Ober- 
hautchen, die Cuticula (Fig. 7 S¢O). Sie stellt den aufersten, 
aus einer einzigen Zellenlage sich zusammensetzenden Teil des 
Stachels dar und besteht an ihrer Ursprungsstelle, dem Papillen- 
halse, aus blassen und kleinen, runden Zellen, die allmahlich in 
querliegende, rhombische Zellen tibergehen. Dieselben sind dach- 
ziegelférmig tibereinander gelagert und bilden einen sehr diinnen 
Ueberzug tiber die Rindensubstanz. Der Rand des Stachels er- 
scheint wegen der imbricaten Anordnung der Zellen fein gezaihnt 
und zwar so, da die Zihnchen nach der Spitze des Stachels hin 
gerichtet sind. 


Wurzelscheide. 


Den Wurzelteil des Stachels umlagert, zwischen dem eigent- 
lichen Stachel und Stachelbalg eingeschoben, als scheidenartige 
Hiilse die mehrschichtige Wurzelscheide. 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 857 


Diese zerfillt in das zu innerst liegende Oberhiautchen, in die 
in der Mitte liegende innere und in die aubere Wurzelscheide. 

Das Oberhaiutchen der Wurzelscheide (Fig. 7 WO) wird 
aus einer dulerst feinen, dem Oberhiutchen des Stachels gleich 
gebauten Zellenlage gebildet, welche von dem letzteren nur durch 
die umgekehrte Richtung ihrer Zellen verschieden ist. Wahrend 
namlich, wie bemerkt, die freien Spitzen der Zellen des Stachel- 
oberhiutchens von unten nach oben sehen, ist bei den Zellen des 
Oberhautchens der Wurzelscheide das Gegenteil der Fall. Diese 
fiillen je den Zwischenraum zwischen zwei Zihnchen des Stachel- 
oberhautchens aus und stellen so eine recht innige Verbindung 
des Stachels mit der inneren Wurzelscheide her. 

Die in der Mitte liegende innere Wurzelscheide zerfallt 
wieder in eine innere Huxtey’sche und eine aéufere HENLE’sche 
Scheide. Die Huxtey’sche Scheide (Fig. 7 HuSch) entwickelt 
sich vom Halse der Papille aus und besteht aus einer zweifachen 
Lage von kiirzeren, spindelformigen und zur Richtung des Stachels 
parallel angeordneten Zellen, in denen feine Keratohyalinkérner 
den Kern umlagern. Die HENuE’sche Scheide (Fig. 7 HeSch) be- 
ginnt ebenfalls am Papillenhalse und setzt sich aus zwei mit den 
vorgenannten in gleicher Richtung laufenden Lagen von spindel- 
formigen, aber kernlosen Zellen mit intercelluléren Spaltraumen 
zusammen. Wahrend aber die Zellen der Hente’schen Scheide 
schon an ihrer Ursprungsstelle ganz mit Keratohyalin angefiillt 
sind und so ein mehr oder minder verhorntes Aussehen darbieten, 
beginnt in den Zellen der Huxtey’schen Schicht die Verhornung 
erst kurz tiber der Mitte der Stachelwurzel. Sobald aber diese 
Verhornung eingetreten ist, verschmelzen beide Teile und ziehen, 
nicht mehr voneinander zu unterscheiden, als blasse, homogene 
Schicht am Stachel entlang bis zur Talgdriisenmiindung, wo sie 
aufhéren zu existieren. Viele Autoren betrachten die Henue’sche 
Scheide als eine Fortsetzung des Stratum corneum der Epidermis. 
Nach SPRENGER (23) besteht beim Igelstachel die HuxtLry’sche 
Scheide in der Mitte der Stachelwurzel auf kurze Strecke aus drei, 
und die HEeNLEe’sche Scheide im ganzen Verlaufe aus einer einzigen 
Zellenlage. 

Die auere Wurzelscheide (Fig. 7 Auss.W) stellt eine 
Fortsetzung des Rete Malpighii dar. Die sie aufbauenden Zellen 
liegen in den oberen Teilen der Wurzel in mehrfacher Lage iiber- 
einander. Nach dem Bulbus hin nehmen aber die Zellenlagen 
an Zahl allmahlich ab, so da’ auf der seitlichen Flaiche des Bulbus, 


858 - Theodor Loweg, 


dem Endpunkte der auferen Wurzelscheide nur noch eine Zellen- 
lage vorhanden ist. 


Stachelbalg. 


Die Stachelwurzel steckt in einer Einsenkung der Cutis, welche 
der Stachelbalg genannt wird. Letzterer setzt sich aus einer 
inneren (Fig. 7ZZ/") und einer auferen (Fig. 7 ALF), mit der 
Richtung des Stachels parallel laufenden Lingsfaserschicht zu- 
sammen. Von diesen beiden Schichten tritt aber die aufere nicht 
tiberall in solcher Deutlichkeit auf, als die innere. Diese, welche 
sich vom Grunde des Stachelbalges bis zur Einmiindungsstelle der 
Talgdriisen erstreckt, legt sich im ganzen Verlaufe eng an den 
Stachel an und ist mit dessen auBerer Wurzelscheide durch die 
strukturlose, aber nicht tiberall deutlich hervortretende Glashaut 
(Fig. 7 GH) verbunden. 

Jene dagegen hiangt in ihren obersten Teilen, oberhalb der 
Talgdriisen naimlich, innig mit der Lederhaut zusammen, auf der 
Oberflache der Talgdriisen aber scheidet sie sich deutlich von der 
umgebenden Lederhaut ab und nun zieht sie, nachdem sie die 
Talgdriisen an ihrem aufersten und untersten Punkte verlassen, 
in schrager Richtung und in mehr oder minder weitem seitlichen 
Abstande von der inneren Schicht, durch die Cutis, um sich am 
Boden des Stachelbalges mit der inneren Schicht zu vereinigen. 
Der vorerwaihnte zwischen beiden Schichten bestehende Zwischen- 
raum wird von maschigem Bindegewebe ausgefiillt, in dem sowohl 
zahlreiche Fettklumpen, als auch Gefaffe und Nerven liegen. 

Beim Igelstachel unterscheidet man nach SPRENGER eine diuSere 
Langs- und eine innere, bedeutend breitere Kreisfaserschicht, 
welch letztere durch die Glashaut mit der auferen Wurzelscheide 
verbunden ist. 


Stachelpapille. 


Die aus dem Stachelbalg sich entwickelnde und durch einen 
kurzen Stiel mit ihm verbundene Papille (Fig. 7 P) ist in ihrer 
Gestalt von der des Igels verschieden. Wiahrend dieselbe bei 
diesem in mehr oder minder lange, strahlenartige Fortsitze, die 
zwischen den friither erwaihnten einzelnen Liingsleisten der Rinden- 
substanz gelagert sind, ausgezogen ist, lauft dieselbe an den 
Stacheln des Erethizon in eine einzige Spitze aus, welche aus 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 859 


blassen, kernhaltigen, linglich-ovalen Zellen besteht und sich héch- 
stens bis zur Mitte der Stachelwurzel in das Mark hinein fort- 
setzt. 


Talgdrtisen, Muskeln. 


Mit dem obersten Teile der Stachelwurzel treten machtig ent- 
wickelte, acindse Talgdrtisen (Fig. 7 7) in Verbindung; Schweib- 
driisen dagegen habe ich, wie ich schon friiher bemerkt habe, in 
der ganzen Haut des Erethizon nicht aufgefunden. 

Das Aufrichten der Stacheln bewirken glatte Muskelfasern, 
welche an die AuSenfliche des Stachelbalges herantreten. Die- 
selben sind zu schmalen Biindeln angeordnet, welche aus dem 
oberen Teile des Coriums unterhalb der Epidermis ihren Ursprung 
nehmen und sich, schief in die Tiefe verlaufend und schleuder- 
artig den Grund der Talgdriisen umfassend, am unteren Drittel 
des Stachelbalges inserieren. Dieser Erector spinae liegt stets 
auf der Seite des schiefgestellten Stachelbalges, welche mit der 
Hautoberflache einen stumpfen Winkel bildet. Am kraftigsten ist 
der Muskel in der Lendenregion, einmal aus dem Grunde, weil 
hier die staérksten und langsten Stacheln vorhanden sind, und dann, 
weil das Tier die Gewohnheit hat, gerade diese Gegend irgend 
welchen Angriffen auszusetzen, denn mit dem Vorderleibe kugelt 
es sich, wie uns der Prinz zu Wriep (20) mitteilt, in der Gefahr 
zusammen. Fiir die Stacheln der Lendenregion ist mithin ein 
promptes Aufrichten sehr am Platze. Die Lendenregion bietet 
noch insofern eine Eigentiimlichkeit dar, als infolge der kolossalen 
Schrigstellung der Stacheln die Basen derselben in die allernachste 
Nahe des machtig entwickelten, quergestreiften Hautmuskels ge- 
riickt sind. Wie ich mich nun auf zahlreichen Querschnitten 
tiberzeugen konnte, verbinden sich einzelne Fasern des Stachel- 
balges mit dem zwischen den quergestreiften Muskelfasern liegen- 
den und diese zu Biindeln formierenden Bindegewebe. Ich schlieSe 
aus diesem Befunde, daf} Kontraktionen des Muskels in der Rich- 
tung von hinten nach vorn die Funktion der Erectores unter- 
stiitzen werden, wahrend umgekehrte Kontraktionen antagonierend 
wirken. 

Nach den Untersuchungen Lrypia’s (27) besitzen die Stacheln 
des Igels und des Stachelschweines ebenfalls eine eigene, glatte 
Muskulatur, die sich an ihre Wurzeln anheftet. Den Stacheln der 
Echidna aculeata fehlt nach ROmmR (13) aber eine solche; diese 


860 Theodor Loweg, 


sind mit ihrer Basis tief in den quergestreiften Hautmuskel ein- 
cesenkt. 

Ich habe bei der Beschreibung des Baues der Stacheln des 
Krethizon dorsatus stets die Stacheln des Igels zum Vergleich 
herangezogen. Dieses geschah aus dem Grunde, weil die Stacheln 
des Igels sich wohl von denen des Erethizon in der Konstruktion 
unterscheiden, in der Zusammensetzung der einzelnen Gewebs- 
schichten aber keinen Unterschied erkennen lassen. Ich habe 
mich deshalb auf eine kiirzere Beschreibung beschrankt und ver- 
weise behufs genaueren Studiums der Zusammensetzung der ein-~ 
zelnen Gewebe auf (lie ausfiihrliche und mit reichhaltigen Litteratur- 
angaben ausgestattete Arbeit SPRENGER’s (23). 


Hautpapille (Zitze). 


Es ertibrigt nun noch, auf die Histologie und Bedeutung der 
im makroskepischen Teile der Arbeit erwahnten Hautpapille ein- 
zugehen. 

A priori will ich bemerken, da8 dieselbe die Zitze zu der 
in der Tiefe der Cutis gelegenen Milchdriise darstellt. 

Zu meinem Bedauern habe ich aus Mangel an Material be- 
ziiglich der Entwickelung und des weiteren Schicksals dieses 
interessanten Gebildes keine Studien anstellen kénnen, trotzdem 
aber hotfe ich, durch die Verdéftentlichung meines, wenn auch 
kleinen Befundes die Geschichte der Morphologie der Saugetier- 
zitzen um eine Thatsache zu bereichern. 

Was die Litteratur betrifft, so werden im Nachfolgenden die 
Arbeiten von GEGENBAUR (28, 29) und KiaatscH (30), deren 
Terminologie ich mich anschlieBen werde, beriilrt. 

Ich habe durch die oben erwihnte Papille mit dem zugehoérigen 
Hautstiick Langsschnitte gelegt, von denen der instruktivste in 
Fig. 2 abgebildet ist. 

Werfen wir einen Blick auf bezeichnete Figur, so fallt uns 
eine michtig entwickelte, konische Erhebung der Cutis auf. Die- 
selbe ist zu beiden Seiten durch schmale Einsenkungen des Inte- 
guments von den angrenzenden, diese Kérpergegend auszeichnenden 
Cutispapillen getrennt. Diese Einsenkungen reichen bis zur Basis 
der oben genannten Erhebung und bewahren in ihrem Verlaufe 
eine schrage, von vorn nach hinten gekennzeichnete Richtung. 
Sie stellen Teile der im Querschnitt runden und an ihrem blinden 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 861 


Ende erweiterten Mammartasche dar, von deren Boden sich die 
Zitzenpapille erhoben hat. 

Die vorher erwahnten, etwas iiberhingenden Coriumpapillen 
bilden einen Wall, welcher scheidenartig die Zitze umgiebt. 

Die Borsten reichen bis vor diesen Wall; innerhalb der 
Mammartasche und auf der Oberfliche der Zitze fehlen dieselben. 

Die Epidermis zieht in gewoéhnlicher Starke vom  oberen 
Rande der Mammartasche aus zum Boden der letzteren hin, um 
aber hier an Masse bedeutend zuzunehmen und in Form eines 
kleinen Hiigels die Zitze zu itiberziehen. Dieser Epidermishiigel 
besteht aus drei, morphologisch voneinander verschiedenen Zell- 
schichten. 

Zu unterst befindet sich eine Lage vorziiglich gefairbter 
Cylinderzellen mit stabchenformigen Kernen. Auf die Cylinder- 
zellen folgen 8—10 Lagen von grofen, polygonalen, aber etwas 
blasser gefarbten Zellen mit grofen, runden Kernen und deut- 
lichem Kerngeriist. In diesen Zelllagen kommen ausgezeichnet 
die Intercellularbriicken zum Ausdruck. Den obersten Teil des 
Hiigels endlich bilden sehr flache, kernlose Zellen, die sich in 
Form feiner und gréberer Schiippchen von ihrem Untergrunde 
losgelist haben. 

Bemerkenswert ist aber, dai der Epidermishiigel und die 
Zitze nicht mit glatten Flachen aufeinander ruhen, sondern die 
Epidermis senkt wurzelartige Ausliufer in die Zitze, und die Zitze 
hinwiederum erhebt sich mit papilliren Zapfen in die Epidermis. 

Das die Grundlage der Zitze bildende faserige Bindegewebe, 
in dem zahlreiche Biindel glatter Muskelfasern in einer zur Ober- 
fliche senkrechten Richtung verlaufen, ist vor dem nachbarlichen 
Cutisgewebe durch das tiberreichliche Vorhandensein von Binde- 
gewebszellen ausgezeichnet. Das so charakterisierte Gewebe aft 
sich vom Boden der Mammartasche um den unteren Rand der- 
selben herum eine Strecke weit in dem angrenzenden Cutiswall 
verfolgen. 

Es stellt das Areolargewebe dar. 

In dem unterhalb der Zitze liegenden Cutisgewebe lagern 
eréBere und kleinere, teils rundliche, teils langliche Driisenblaschen 
oder Alveolen und deren Ausfiihrungsgange. 

Diese Bildungen besitzen eine aus spindelférmigen Zellen 
bestehende Membrana propria, der ein mehrfach geschichtetes, 
polyedrisches Epithel mit runden Kernen aufsitzt. Die Alveolen 
liegen dicht bei einander, so daf nur wenig Bindegewebe zwischen 


862 Theodor Loweg, 


ihnen Platz hat, sind aber gruppenweise durch griéSere Binde- 
gewebsztige vereinigt. In dem interstitiellen Gewebe finden sich 
sowohl zahlreiche Blut- und LymphgefaBe, als auch glatte Muskel- 
fasern. 

Die Ausfiihrungsginge der durch Vereinigung einzelner Al- 
veolen gebildeten Acini sammeln sich schlieflich zu zwei Haupt- 
ausfiihrungsgangen, welche, in ihrem Verlaufe konvergierend, im 
obersten Teile der Zitze sich vereinigen und in einen Kanal auf 
der Hohe der Zitze ausmiinden. Beide Hauptausfiihrungsginge 
besitzen in ihrem Verlaufe dieselbe Membrana propria und das- 
selbe Epithel, wie die Alveolen. Der durch Vereinigung beider 
aber entstandene Kanal wird an seiner Oberfliiche von langen, 
schmalen und senkrecht zur Hautoberfliiche stehenden, kernlosen 
Zellen bekleidet. 

Diese in Vorhergehendem geschilderten Zustiinde schliefen 
sich eng an die Verhaltnisse, wie sie GEGENBAUR und KLAATSCH 
von den Murinen beschreiben. 

Ueber die Inanspruchnahme der an beiden Kérperseiten in 
Borsten und dichtem Wollhaar versteckt liegenden Zitzen seitens 
der Jungen wahrend der Saéuglingsperiode habe ich in der Litteratur 
nur eine verneinende Bemerkung gefunden. 

Nach BreuM behaupten die Indianer, dafi die Mutter keine 
Zitzen habe, also ihre Jungen nicht siugen kénne und _ infolge- 
dessen genétigt sei, sie sofort nach ihrer Geburt von sich zu 
treiben und somit zu zwingen, vom ersten Tage ihres Lebens an 
die harte, nagende Arbeit zu beginnen. 

Obwohl nun freilich Naturvélker sehr scharfe Beobachtungen 
machen, so ist doch andererseits auch zu berticksichtigen, dal 
dieselben in ihrer Naivetat manches verkehrt deuten. 

Wie sollte der in dieser Arbeit beschriebene Fétus, der doch 
nach seinem Aeuferen jedenfalls kurz vor der Geburt gestanden 
hat, die Rinde abzunagen vermégen, wo bei demselben auferlich 
von Nagezihnen noch nichts wahrzunehmen ist. 

Mag auch die Mutter, deren Nest sich in hohlen Baumen 
oder Felsenhéhlen befindet, wo sie im April oder Mai 2, seltener 
3 oder 4 Junge wirft, diese kurze Zeit nach der Geburt verlassen, 
mag die Laktationsperiode noch so kurz sein, so glaube ich doch, 
dafi sie dieselben siugt. Ich vermute, daf infolge des Turgors 
der betreffenden Kérperteile wahrend der Laktationsperiode die 
Zitze durch Ausstiilpung der Mammartasche verlangert und so 
den Jungen zugiinglich gemacht wird. Aehnliche Verhaltnisse 


Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 863 


findet man doch auch nach GreGenBAUR und KLAATscH bei den 
Murinen, und nach Weser bei Manis. Selbstredend kénnen in 
dieser Hinsicht nur genauere Beobachtungen tiber das Freileben 
des Erethizon, dessen Einzelheiten man heute noch wenig kennt, 
bestimmten Aufschluf geben. 

Die Zahl der Saugetiere, von denen eine Verlagerung der 
Zitze bekannt ist, ist nach dem heutigen Stande der Litteratur 
nicht gro8. Zum Beweis hierfiir werde ich hier einige Beispiele 
anfiihren: GIEBEL (19) erwahnt vom Myopotamus, da8 die vier 
Zitzenpaare hoch oben an den Seiten des Korpers und nicht am 
Bauche liegen, dazu ganz in dichtem Wollhaar versteckt sind. 
WeESMAEL (31) giebt eine Stelle des Barons PoPELAIRE DE TERLOO 
wieder, worin dieser ein weibliches, biberartiges Nagetier beschreibt 
und auf die abnorme Lage der Zitzen aufmerksam macht. Die 
betreffende Stelle lautet: 

Ces animaux, qui habitent les bords des eaux douces du 
Chili, ont les plus grands rapports avec les Couia: leur téte, leur 
pelage, leur queue roulée, leurs pieds de derriére palmés, et leurs 
clavicules complétes, les en rapprochent autant que leurs habitudes 
aquatiques ; mais ils en different par la position des tétines, pla- 
cées sur le dos, a six centimetres de la colonne ver- 
eebrale.® 

WESMAEL benennt das bemerkenswerte Tier nach seinem Ent- 
decker ,,Mastonotus Popelairi“, glaubt aber, da8 dem Autor ein 
Irrtum unterlaufen sei, als er das Tier mit dem Myopotamus ver- 
gleicht, welcher keinen gercllten Schwanz habe. Mir will es nach 
Lage der Zitzen scheinen, als ob es wirklich der Myopotamus ist, 
den der Baron PoPeLarre beschrieben hat. 

WEBER (1) sagt von Manis: ,,Alles, was mir in der Litteratur 
iiber die Milchdriise begegnete, ist die kurze Angabe, da& dieselbe 
bruststindig sei, wobei dann schon gleich die bemerkenswerte 
Thatsache unerwihnt bleibt, daf die Lagerung der beiden Zitzen 
so lateral ist, dafi sie achselstandig genannt werden diirfen.“ 

Auch beim Menschen sind Verlagerungen der Zitze bezw. der 
Milchdriise konstatiert worden, so z. B. an der Vorderseite des 
Thorax, in der Achselhéhle, am Riicken, auf dem Acromion, ja 
sogar an der Aufenseite des Oberschenkels. 

Es liegt nicht im Rahmen dieser Arbeit, mich auf eine aus- 
fiihrliche, diesbeziigliche Kasuistik einzulassen, sondern ich ver- 
weise in dieser Hinsicht auf die Arbeiten von BARDELEBEN (32), 


BaRTELS (33), GOLDBERGER (34), KEHRER (35) und LEICHTEN- 
Bd, XXXIV, N. F. XXVII. 56 


864 Theodor Loweg, 


STERN (36). Wahrend aber beim Menschen die angefiihrten Falle 
individuelle Anomalien darstellen, als namlich hier aufer den ab- 
norm auch normal gelagerte Milchdriisen vorkommen, ist meiner 
Ansicht nach die abnorme Lage beim Erethizon aus Utilitats- 
griinden zur normalen geworden. Beim Erethizon ist auSer an 
der beschriebenen Stelle am ganzen Koérper keine Spur von einer 
Zitze zu entdecken. Beriicksichtigt man nun, dafi genanntes Tier 
ein Kletterer ist und meistens auf Biumen lebt, so ist es doch 
leicht einzusehen, daf dasselbe durch die gegenwartige Lage der 
Zitzen, besonders in der Laktationsperiode, am wenigsten in seiner 
Lokomotion gehindert wird. 

DaB die Art der Lokomotion einen Einflu8 auf die Lage der 
Zitzen austiben kann, beweist doch auch der Myopotamus. Dieser 
hat, wie erwihnt, die Zitzen in der Nahe der Wirbelsaule liegen, 
wodurch den Jungen, die an den Zitzen von der Mutter mit herum- 
getragen werden, die Méglichkeit gegeben ist, wihrend des Aufent- 
haltes im Wasser in Verbindung mit der Mutter zu bleiben. 


Litteraturverzeichnis. 


1) Max Wesrr, Beitrage zur Anatomie und Entwickelung des 
Genus Manis. Zool. Ergebnisse einer Reise in Niederl. Ost- 
indien, Bd. II, Leiden 1892. 

2) Emmry, Ueber die Verhaltnisse der Saugetierhaare zu schuppen- 
artigen Hautgebilden. Anat. Anzeiger, Bd. VIII, Jena 1893. 

3) Kerpet, Ontogenie und Phylogenie von Haar und Feder. 
Ein Referat. Ergebnisse der Anatomie und Entwickelungs- 
geschichte, herausgegeben von Mrrken und Bonnet, Wies- 
baden 1896. 

4) Maurer, Hautsinnesorgane, Feder und Haaranlage. Morpholog. 
Jahrb., Bd. XVIII, 1892. 

5) — Die Epidermis und ihre Abkémmlinge, Leipzig 1895. 

6) pp Merterr, Ueber die Haare der Siugetiere, besonders tiber 
ihre Anordnung. Morphol. Jahrbuch, Bd. XXI, Leipzig 1894. 


Studien tiber das Integument des Erethizon dorsatus. 865 


7) Res, Die Schuppen der Sféugetiere. Verhandl. der Naturw. 
Ver. Hamburg. Ein Vortrag. Hamburg 1893. 

8) — Die Schuppen der Saugetiere. Jenaische Zeitschr., Bd. XXIX, 
Jena 1894. 

9) Romer, Ueber den Bau und die Entwickelung des Panzers der 
Giirteltiere. Jenaische Zeitschr., Bd. X XVII, 1893. 

10) — Zur Frage nach dem Ursprunge der Schuppen der Sauge- 
tiere. Anatom. Anzeiger, Bd. VIII, Jena 1893. 

11) Studien tiber das Integument der Saugetiere. I, Die Entwicke- 
lung der Schuppen und Haare am Schwanze und an den FiiSen 
von Mus decumanus und einigen anderen Muriden. Jenaische 
Zeitschr., Bd. XXX, Jena 1896. 

12) — Studien iiber das Integument der Saugetiere. III. Die An- 
ordnung der Haare bei Thryonomys (Aulacodus) swinderianus 
Temminck. Jenaische Zeitschr., Bd. XXXI, Jena 1898. 

13) — Studien itiber das Integument der Siugetiere. II. Das Inte- 
gument der Monotremen. Jenaische Denkschriften, Bd. VI, 
1898. 

14) Linné, Systema Naturae, Tomus I, 1766. 

15) Cuvier, Mémoires du Muséum d Histoire naturelle, Tome IX, 
1822. 

16) ScureBer, Die Saugetiere, Teil IV, Erlangen 1826. 

17) Branpt, Mémoires de l'Académie de St. Pétersbourg, Tome I, 
1835. 

18) Warernouss, Natural History of the Mammalia, Vol. II, 1848. 

19) Giese, Die Saugetiere, Leipzig 1859. 

20) Prinz zu Wiep, Verzeichnis der auf seiner Reise in Nord- 
amerika gesammelten Saugetiere. Archiv fiir Naturgeschichte, 
Bd. I, Berlin 1862. 

21) Breum’s Tierleben. Saugetiere, II. 3, Aufl., Leipzig und Wien 
1890. 

22) Davies, Die Entwickelung der Feder und ihre Beziehung zu 
anderen Integumentgebilden. Die Entwickelung des Stachels. 
Morphol. Jahrb., 1889. 

23) Sprencer, Untersuchungen tiber Bau und Entwickelung der 
Stacheln von Erinaceus europaeus. Inaug.-Dissert. Leipzig 1898. 

24) Borcxu, De spinis Hystricum. Inaug.-Dissert. Berlin 1834. 

25) Observations sur le porc-épic, extraites de lettres de Sarrazin 
a& Québec par Ruaumur. Mémoires de l’Académie des Sciences 
a Paris, 1727. 

26) Broker, De textura et formatione spinarum et partium simi- 
hum, 1848. 

27) Lxypie, Ueber die auferen Bedeckungen der Saugetiere. Archiv 
fiir Anatomie und Physiologie, Leipzig 1859. 

28) GrecenBAur, Zur genaueren Kenntnis der Zitzen der Saugetiere. 
Morphol. Jahrb., Bd. I, 1876. 

29) — Zur Kenntnis der Mammarorgane der Monotremen, Leipzig 
1886. 


Do 


866 Loweg, Studien iiber das Integument des Erethizon dorsatus. 


30) Kuaarscu, Zur Morphologie der Saugetierzitzen. Morphol. 
Jahrb., Bd. IX, 1884. 

31) Bulletins de VAcadémie des Sciences et Belles Lettres de 
Bruxelles, Année 1841, T. VIII, p. 61. 

32) BarpELEBEN, Hyperthelie beim Manne. Verhandl. der Ana- 
tomischen Gesellschaft Miinchen 1891. 

33) Barrens, Hyperthelie. Archiv fir Anat. u. Physiol., 1875. 

34) GoupBERGER, Polymastie. Archiv fiir Gynikolog., 1895. 

35) Kenrer, Polymast. axill. Verh. deutscher Naturf. und Aerazte, 
1896. 

36) LricurensterN, Hyperthelie. VircHow’s Archiv, 1878. 


Erklirung der Abbildungen. 


Tatel XXVIT. 


Fig. 1. Photographie des Fotus, natiirl. Gréfe. Z Zitze. 

Fig. 2. Langsschnitt aus der rechten, seitlichen Kéorperflache. 
CP Cutispapillen, CW Cutiswall, B Borste, 7’ Talgdriise, H Erec- 
tores spinae, Gl. M glatte Muskulatur, D Driise, (. M quergestreifte 
Muskulatur, Hs Hornschicht, AG Ausfiihrungsgang, SM Stratum 
Malpighii, Ma Mammartasche, A Areolargewebe. 

Fig. 3. Liingsschnitt aus dem Grenzbezirke der Region der 
hinteren Brustwand und der Kopf-Hals-Region. S¢ Stachel. 


Tafel XXVIII 


Fig. 4. Langsschnitt aus der Lendenregion. G Gefal. 

Fig. 5. Querschnitt aus der Region der hinteren Brustwand. 
AWH Anlage des Wollhaares, Q.d.S¢ Querschnitt durch einen 
Stachel. 

Fig. 6. Spitze emes Stachels mit den Widerhaken, welche 
stellenweise abgebrochen, stellenweise aus ihrer natiirlichen Lage 
gebracht sind. 

Fig. 7. Langsschnitt durch einen Stachel. JZ Marksubstanz, 
R Rindensubstanz, StO Stacheloberhautchen, WO Wurzelscheiden- 
oberhautchen , HuSch Huxuny’sche Schicht, HeSch Henux’sche 
Schicht, Auss.W aufere Wurzelscheide, GH Glashaut, [LF innere 
Langsfaserschicht des Stachelbalges, ALF’ aufere Lingsfaserschicht 
des Stachelbalges, P Papille. 


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eM latevales centrales Riechmark 
| |mediales centrale’ Riechmark 
Kopf des Streifenhiigels 
Cingulumfasern 


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Ventric. olfactor. 


a mediales, b mittleres, c laterales Stratum 


Fig. 45. 


frontales Centrum ovale 


Tafel IX. 


Stria longitudinalis 
Forniz dorsalis 
Commissura hippocamp: 
| Fascia dentata 

| Cingulum 


frontaler Stabkranz 


lateraler\ 
medialer | 
Fascic. subcallosus 


Forceps anterior 


Vorderhorn des Seitenventrikels 


frontale Assoziationsfasern 


basaler Frontalstabkranz 
laterale Tractuswurzel 


rhp 


Unterhorn 


mediale Tractuswurzel 


| 

Peduncalus | Regio subthalamica 

| ceredri Thalamus opticus 
Ganglion habenulae 

Corpus mamillare 


| Corpus Lauysii 
Tractus opticus 


Fig. 46. 


Schellenberg. 


Centrum ovale 
Alveus des Ammonshorns, laterales Blatt 


Seitenventrikel 

~, Fimbria 

Stria terminalis 
Nucleus caudatus 


innere Kapsel 


dufsere Kapsel 
Linsenkern 

Stria terminalis 
Claustrum 
Mandelkern 
Linsenkernschlinge 
Fimbria 

mediales Blatt 
laterales Blatt 


Verlag von Gustay Fischer in Jena. 


TJenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft. Bad. XXXIV. N. F. XXVIL. 


Tafel X. 


Cingulum 
| Forceps posterior Centrum ovale 


Alveus, mediales Blatt 
Alveus, laterales Blatt 


Balkentapete 

Strat. sagitt, int. 
Strat. sagitt, ext. 
(Fase. longit, inf.) 


Seitenventrikel 
| 


Pedunculus cerebri vord, Zweihiigel 


Fig. 47. 


Btria longitudinalis 
| Forceps anterior 


Centrum ovale 


Fascie, subcallosus 
frontaler Stabkranz 
Settenventrikel 


innere Kapsel 


centrales Riechmark, 
laterale Abt. 


Anteil zur vorderen Kommmisaur 
Corpus striatum, Kopf 


Tuberculum olf. centrales Riechmark, mediale Abt 


Cingulum 
Balken 

Kreuzung des Fornix ventralis 
| Fascic, subcaullosus 


Centrum ovale 
Taenia thalami 


Nucleus caudatus 


innere Kapsel 
Stria terminalis 


Fe ee dufsere Kapsel 


Linsenkern 


Vicq d’ Azyr’sches 
Biindel 


Linsenkernschlinge 


Amygdala 

Tractus olfactorius lat. 
Thalamus opticus 
Pedunculus cerebri 
Stria terminalis 

Tractus opticus ~ 


r : Hirnschenkelschlinge 
Tuber cinereum Fornixsiule 


Fig. 49. 


Schellenberg. 


Verlag yon Gustay Fischer in Jena. 


Jenaische Zeitschrift fiir Naturwissenschaft. Bd. XXXIV. N. F. XXVIL 


Tafel XI. 


Vormauer 
dufsere Kapsel 
innere Kapsel 


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Fig. 50. 


Stria longitudinalis 
Fornia dorsalis 
Commissura hippocampi 
Balken 
Cingulum 
| Alveus 


Fimbria 


Seitenventrikel 
Fascic. subcallosus 


Stria terminalis 
Nucleus caudatus 

Stabkranz 

hintere innere Kapsel 


Lamina medullaris 
externa 

. Stria terminalis 

Linsenkern 


Tractus opticus 


Mandelkern 
Fimbria 


Alveus, laterales 


Unterhorn 
Blatt 


Pedunculus | Corp, Luysit 
Thalamus opticus 
Corp. mamillare 


Tractus olf. lateralis 


Fig. 52. 


Stria longitudinalis 
Cingulum 
Balkenknie 
| | Balkenrostrum 
Centrum ovale 


Fascic. subcallosus 


Stabkranz 


innere Kapsel 


Streifenhiigelkopf 


——~ Anteil zur vord. Kommissur 


Schellenberg. 


Verlag von Gustav Fischer in Jena. 


N. F. XXVIII. 


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Fig. 105, 1/1, Blanws cinereus, - Fig. 06, 112, Trogonophis wtegmannt . 


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Fig. 156. 


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Fig. 155. 


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Fig. 155. 


Lacerta. 


Fig. 131. 


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