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Full text of "Journal für Psychologie und Neurologie"

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EfK&nzungihett  3. 


JOURNAL 


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PSYCHOLOGIE  ITNT)  NEUROLOGIE 

ORGAN 

DES    KAISER  WILHELM-INSTITUTS    FOK    HIRNFORSCHUNO 

UND  DES  NEURO-BIOLOOISCHEN  INSTITUTS 

DER  UNIVERSITÄT  OERLIN 


:  BAND  2}  = 


AUOUST  FOREL  UDO   OSKAR  VOGT 


Zur  Lehre  der  Erkrankungen 
des  striären  Systems 

Von 

Cfdle  und  Oskar  Vogt 

Mit  0  Abtitjdunpcn  im  Text   aaii  76  DofipeltiUeln 


LEIPZIG 

VinimM.  10 

VeRlAO  VON  JOHANN  AMDROSIUS  BARTH 

1020 


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„Joiimji)"  er?chdnt  In  iwnn^loMn  Metten  <Ri  Umfinge  von  n   2—3  Boirvn  mil  eiiirr 


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Verlag  von  Johann  Ambrosius  Barth  in  Leipzig 

Journal  für  Psychologie  und  Neurologie 


Organ  dea  Kiiis"-^ 
und  des  Nnuro-Ci 


'i'uU  für  Htrnlorschufiij 
IS  der  Univorsilät  Berlin 


August  Forel  und  Oskar  Vogt 

Enchdnt  in  Bindiui    von  6  H«flen   mit  Abhilduni^en   im  T«rct   und  Tftteln. 


Nach    Ab- 

Vci;.- 


Bis 

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Hypnotismiis    und 
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JOURNAL  FÜR  Psychologie  und  Neurologie 

Band  23.  '•^<^<|>e^^  Ergänzungsheft  3. 


Zur  Lehre  der  Erkrankungen 

des  striären  Systems 


Von 


C^iie  und  Oskar  Vogt 


Mit  9  Textabbildungen   und   78  Doppeltafeln 


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Leipzig 

Verlag  von  Johann  Ambro-sius  Barth 

1920 


Da. 


Alle  Rechte,  insbesondere  das  der  Übersetzung,  vorbehalten. 


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Druck  von  Mettger  &  Wittig  in  Leiptig. 


A  Monsieur  le  Professeur 

PIERRE  MARIE 

mit  dem  Ausdruck  aufrichtigster  Verehrung 
und  unwandelbarer  Dankbarkeit 

von  den  Verfassern 
gewidmet 


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'^ra^^'  8       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  Sf  RlfT<jeN  SYSTEMS.         63  I 


•   •  • 


Inhaltsangabe. 

Einleitung:  Seite 

VJnscrc   Bemühungen   um   Förderung  der   Lehre  von  den   Erkrankungen   des  Nervensystems. 

Die  speziellen  Motive  für  unsere  Erforschung  der  striären  Erkrankungen 633 

Normalanatomische  Vorbemerkungen: 

A.  Dit   Bestandteile  des  striären  Systems 641 

a)  Beschreibung  der  Textfiguren  i  und  2 641 

b)  Kritische  Bemerkungen  zu  diesen  Textfiguren 645 

c)  Bestandteile  des  striären  Systems  im  engeren  und  weiteren  Sinne 647 

B.  Zur  Anatomie  einiger  Bestandteile  des  striären  Systems 648 

a)  Zur  groben  Morphologie  und  zur  Myeloarchitektonik 648 

b)  Zur  Cytoarchitektonik 651 

c)  Zur  Histologie 653 

d)  Zur  Synaptologie 654 

e)  Zur  Myelogenie      655 

I.  Fälle  von  Etat  marbrö: 

A.  Beschreibung  der  einzelnen  Fälle 660 

1.  Barr6scher  Fall  Jacquel.  (J5i  j^) 660 

2.  Barr^scher  Fall  Denis  (ßi  j6) 667 

3.  Gallus'  Fall  Massat  {Biel  ig)      668 

4.  Freunds  Fall  Gustav  Scholz  (J5/  6) 673 

5.  Nachtrag  zu  Freunds  Fall  Steinberg  (ß/  4) 679 

6.  Nachtrag  zu  Oppenheims  Fall  Wiemer-Tochtcr  (Ö  2) 679 

7.  Nachtrag  zur  Krankengeschichte  von  Oppenheims  Fall  Wiemer-Muiter      68a 

8.  Gallus'  Fall  Marie  S.  {Biel  32) 682 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen 686 

a)  Zur  Symptomatologie  des  Etat  marbr6 686 

b)  Zur  Patho Physiologie  dieser  Symptomatologie 687 

c)  Zur  pathologischen  Anatomie  und  Genese  des  Etat  marbr6 691 

II.  Fälle  von  stationärem  Etat  fibreux  als  Teilerscheinung  des  Bielschowskyschen 

Typus  von  zerebraler  Hemiatrophie: 

9.  Gallus'  Fall  Fritz  G.  (Diel  28) 695 

III.  Fälle  von  progressivem  Etat  fibreux: 

A-   Beschreibung  der  Fälle    ." 704 

a)  Beim  Erwachsenen  als  isolierte  Nervenerkrankung  auftretender  Etat  fibreux  des  Striatum  704 

10.  Bielschowskys  Fall  Otto  L.  (Biel  10)      704 

11.  Bielschowskys  Fall  E.  {Biel  21) 709 

12.  Schusters  Fall  Heinrich  N.  {Biel  35) 710 

Zusammenfassung 712 

5 


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•  V 


632  ..••••V.-  C.  in^D  O.  VOGT.  """SS!  LS^J^S?** 


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and  Neurologie^ 

Seite 

b)  Mit    einer»  typischen    Großhirnerkrankung    verbundener   progressiver    Etat    fibreux   des 

,    S{fjatum  (Huntingtonsche  Chorea) 713 

•/W» 3. 'Freunds  Fall  H.  B.    {Bf  10)   .    .    . 713 

'•*"  14.  Liepmanns  Fall  Julie  R.  (D  26) 717 

15.  Maass'  Fall  Poersch  (5. /5) 728 

16.  Thomallas  Fall  Anna  D.  (Bf  23) 73» 

17.  Thomallas  Fall  Paul  B.  {Bf  20) 73» 

Zusammenfassung 732 

c)  Etat  fibreux  als  Folge  des  progressiven  paralytischen   Prozesses  im   Striatum 732 

18.  Liepmanns  Fall  Karl  R.  (!>  25) 732 

19.  Reichs  Fall  Georg  M.  (He  12) .  742 

Zusammenfassung 745 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den   vorstehenden   Fällen 745 

IV.   Fälle  von   Etat  dysniy^linique: 

A.  Beschreibung  der  Fälle •    .    T 747 

20.  Gallus'  Fall  Gerhard  F.  (Biel  2$) 747 

21.  Thomallas  Fall  Oskar  M.  (Bf  18) 757 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen 762 

V.  Fälle  von  Totalnekrose  des   Striatum: 

22.  Thomallas  Fall  Alfred  L.  {Bf  17) 765 

VI.  Fälle    von    Neuroglia-Proliferationsherden   im    Striatum   bei   gleichzeitigen 
präsenilen  Veränderungen  des   striären   Systems: 

23.  Westphals  Fall  Johann   Reichardt  {B  4) 776 

Vll.  Fälle  von  Etat  de  d^sint^gration: 

A.  Beschreibung  der  Fälle 783 

a)  ohne  schwere  Demenz 783 

24.  Bielschowskys  Fall   Karoline  V.  (Biel  12) 783 

25.  Bielschowskys  Fall  Wilhelmine  P.  (Biel  ii) 786 

26.  Freunds  Fall  Paulinc  H.  (Bf  16) 789 

27.  P.  Maries  Fall  Renoult  (Bi  21) 793 

28.  Freunds  Fall  Bertha  Z.  (B/  25) 796 

29.  Schusters  Fall  Maria  B.  (Ho  i) 798 

30.  Lemos'*Fall  J.  D.  (P  7) 799 

31.  Lemos'  Fall  loojähriger  Neger  (P  8) , 806 

32.  Westphals  Fall  P.  Grobe  (B  5)      .' 808 

b)  mit  schwerer  Demenz 810 

33.  Reichs  Fall  Hermann  W.  (He  10) 810 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen 816 

a)  Zur  Symptomatologie 817 

b)  Zur  Pathophysiologie 818 

c)  Zur  pathologischen  Anatomie  und  Ätiologie  nebst  historischen   Bemerkungen 820 

VIII.  Fälle  von  groben  Herderkrankungen: 

34.  Liepmanns  Fall  Elisabeth  L.  (D  24) 828 

Schlußbetrachtungen: 

Antwort  auf  die  allgemeinen  Fragen,   welche   uns   zu  den  vorstehenden   Untersuchungen    ver- 

anlaßten 831 

Literatur 844 


SLSL^^       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYST^IMS.        633 


ErginninnKheft  3 


Einleitung. 

Von  vornherein  nur  Mediziner  geworden,  um  später  einmal  aus  patho- 
logischen Veränderungen  Schlüsse  auf  normale  Erscheinungen  des  Seelen- 
und  Nervenlebens  ziehen  zu  können,  haben  wir  beide  schon  während  unserer 
Studienzeit'  zu  unserem  größten  Schmerze  festgestellt,  wie  weit  die  Lehre  von 
den  Erkrankungen  des  Nervensystems  hinter  der  Klinik  anderer  Organe  zurück- 
stand. Aus  diesem  Grunde  haben  wir  neben  einer  Vermehrung  unserer  Kennt- 
nisse von  den  Entstehungsmechanismen  psychogener  Krankheitserscheinungen 
eine  Förderung  der  sehr  im  Rückstand  gebliebenen  normalen  und  pathologischen 
Anatomie  des  Zentralnervensystems  angestrebt. 

Von  der  Pflege  der  normalen  Anatomie  erwarteten  wir  eine  Vertiefung  der 
Lokalisationslehre.  Diese  aber  sollte  uns  verständlich  maclien,  welche  Funk- 
tionen bei  den  einzelnen  Erkrankungen  gestört  sind.  Dem  pathologisch- anatomischen 
Prozeß  glaubten  wir  dagegen  ganz  und  gar  die  Entscheidung  darüber  einräumen 
zu  müssen,  ob  die  Krankheitsphänomene  in  der  Form  von  Reiz-  oder  Ausfalls- 
erscheinungen auftreten.  Die  Intensität  der  Störung,  die  Zeit  ihres  Beginns 
und  ihr  Verlauf  endlich  schienen  uns  durch  zwei  Momente  bedingt  zu  sein,  den 
pathologisch-anatomischen  Prozeß  und  die  Funktionstüchtigkeit 
der  gesund  gebliebenen  Hirnteile.  Für  die  letztere  galt  es  bei  dieser  Sach- 
lage, durch  Schaffung  einer  IndividtuUanatomie  einen  morphologischen  Maßstab 
zu  finden. 

Wir  haben  zunächst  die  normale  Anatomie  —  und  hier  speziell  diejenige 
des  Großhirns  —  zu  fördern  versucht.  Die  klinisch-anatomische  Methode  hat 
bis  zum  Anfang  dieses  Jahrhunderts  beim  Menschen  neben  einigen  stummen 
Zonen  etwa  neun  Rindenfelder  mit  besonderen  Funktionen  voneinander  getrennt.^) 
Cber  einzelne  dieser  Rindenfelder  war  man  sich  dabei  nicht  einig  geworden. 
Scharfe  Grenzen  der  einzelnen  Territorien  wurden  von  keinem  Autor  in  ein* 
wandsfreier  Weise  nachgewiesen.  Inzwischen  haben  wir  nun  gelernt,  auf  Grund 
von  architektonischen  Verschiedenheiten,  d.  h.  Differenzen  in  der  Anordnung, 
der  Zahl  und  der  groben  Form  der  Zellen  und  Markfasern,  in  der  menschlichen 
Großhirnhemisphäre  zweihundert  haarscharf  gegeneinander  abgegrenzte  Rinden- 
felder zu  unterscheiden.  Tierexperimente  berechtigten  uns  dabei  allmählich 
zur  Annahme,  daß  alle  diese  Felder  auch  von  physiologischer  Ungleichheit 
sind.  Es  hat  sich  weiter  herausgestellt,  daß  manche  Rindenfelder  bei  Mensch 
und  Tier,  wie  bei  verschiedenen  Tieren  einen  ganz  identischen  Bau  zeigen. 
Zugleich  haben  wir  für  verschiedene  Tiergruppen  den  Nachweis  liefern  können, 
daß  derartig  identisch  gebaute  Rindenfelder  auch  auf  experimentelle  Eingriffe 


^)  O.  Vogt  wird  eine  eingehendere  und  aUgemein  verständliche  Darstellung  der  Ausführungen 
dieses  Absatzes  in  seinem  Aufsatz  „Zur  topistischen  Erforschung  des  menschlichen  Seelen-  und  Nerven- 
lebcns"  bringen.     Dieses  Journal.     Bd.  26. 

7 


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identisch  reagieren.  Damit  hat  sich  uns  die  Möglichkeit  eröffnet,  am  Tier 
einwandsfreier  festzustellende  lokalisatorische  Befunde  ohne  weiteres  auf  den 
Menschen  zu  übertragen.  Wir  verfügen  auch  schon  über  entsprechende  klinische 
Bestätigungen  mit  derjenigen  Präzision,  welche  der  klinisch- anatomischen  For- 
schung auf  Grund  der  Tatsache  möglich  ist,  daß  die  in  Betracht  konmienden 
Hirnverletzungen  niemals  gerade  mit  unseren  anatomisch- physiologischen  Rinden- 
feldem  zusammenfallen.  Wir  haben  sodann  festgestellt,  daß  das  menschliche 
Gehirn  nicht  etwa  einfach  ein  großes  Affenhirn  bildet,  sondern  daß  in  ihm 
ganz  bestimmte  Rindenbezirke  ein  besonderes  Größenwachstum  und  einen 
einzig  dastehenden  Zerfall  in  a^rchitektonische  Einzelfelder  auf- 
weisen. Wir  haben  auch  in  mehreren  Fällen  bereits  den  Nachweis  liefern  können, 
daß  diese  spezifisch  menschlichen  Rindenfelder  auch  die  Träger  spezifisch 
menschlicher  Funktionen  sind.  Mit  der  Auffindung  einer  unerwartet  großen 
Zahl  haarscharf  gegeneinander  abgegrenzter  Rindenfelder  und  einer  gewissen 
individuellen  Variabilität  derselben  hat  sich  uns  ferner  die  Möglichkeit  eröffnet, 
für  das  einzelne  Gehirn  die  Größe  der  verschiedenen  Rindenfelder  den  individuellen 
Zerfall  einzelner  derselben  in  besondere  Unterfelder  sowie  auch  einen  speziellen 
individuellen  Sonderbau  einzelner  Felder  aufzudecken  und  damit  eine  Indivtdtml- 
anatomie  zu  begründen.  Auf  ihre  Bedeutung  für  die  Gestaltung  des  einzelnen 
Krankheitsfalles  haben  wir  schon  oben  hingewiesen  und  werden  wir  später  zurück- 
kommen. Die  Individualanatomie  scheint  uns  aber  noch  nach  anderer  Richtung 
von  sehr  großer  Wichtigkeit  zu  sein.  Vereinigt  mit  einer  Indtmdtuäpsyckologie 
wird  sie  unserer  Ansicht  nach  die  Himlokalisationslehre  über  das  hinausführen 
können,  was  das  Studium  krankhaft  veränderter  Gehirne  zu  leisten  vermag. 
Das  letztere  hat  große  methodologische  Schwächen.  Die  Herde  fallen  —  wie 
wir  schon  hervorhoben  —  nicht  mit  den  architektonischen  Feldern  zusammen. 
Sehr  oft  sind  mehrere  Herde  vorhanden.  Eindeutige  lokalisatorische  Rückschlüsse 
sind  dann  unmöglich.  Die  Herde  sind  vielfach  die  Folge  diffuser  Erkrankungen 
des  Gehirns.  Dieses  Moment  verhindert  eine  richtige  Erkennung  der  Herd- 
symptome. Dazu  kommen  noch  die  individuellen  Differenzen  in  der  Stärke 
der  kompensatorischen  Kräfte.  Endlich  können  vielfach  die  Kranken  keine 
genügende  Auskunft  über  ihre  seelischen  Störungen  geben.  Eine  Ergänzung  der 
klinisch- anatomischen  Methode  durch  die  psychologische  und  anatomische 
Analyse  individueller  Besonderheiten  ist  deshalb  ein  dringendes  Bedürfnis. 
Schließlich  muß  heute  nach  der  Aufdeckung  einer  so  großen  Zahl  architekto- 
nischer Rindenfelder  ihre  Kenntnis  als  eine  unentbehrliche  Grundlage  für  die 
Feststellung  pathologischer  Veränderungen  der  Architektonik  bezeichnet 
werden. 

Seit  1910  hat  C.  Vogt  nun  aber  daneben  eine  systematische  Erforschung 
der  Erkrankungen  des  Striatum  in  Angriff  genommen. 

Die  Motive  zu   dieser  Untersuchung  waren  sehr  mannigfache.      Man  war 

zur  Zeit  des  Beginns  der  Studien  C.  Vogts  im  allgemeinen  der  Meinung,  daß 

man  weder  etwas  von  der  normalen  Funktion,  noch  von  den  klinischen 

Symptomen  der  Erkrankungen  des  Striatum  oder  des  striären  Svstems  wußte. 
8 


^SiJSn  %       2:UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         635 


Die  klinisch-anatomischen  Feststellungen  von  Landouzy  (1878),  Murre  11  (1879), 
Hebold  (1892),  Eichhorst  (1894),  Anton  (1895),  Loewy  (1903),  Berger  (1903) 
und  Jelgersma  (1908),  sowie  die  Ausführungen  P.  Maries  (1886  und  später), 
Brissauds  und  Haliprös  (1894 — 96)  hatten  keine  allgemeine  Anerkennung 
gefunden.  Wir  weisen  nur  auf  Edingers,  in  unserer  Arbeit  „Zur  Kenntnis  usw." 
zitierten  Ausführungen  aus  dem  Jahre  191 1  und  darauf  hin,  daß  J.  D^jerine 
noch  1914  unter  Ignorierung  eines  selbst  von  ihm  zusammen  mit  SoUier  (1888) 
gemachten  Befundes  jeden  Einblick  in  die  Funktion  von  Striatum  und  Pallidum 
leugnete. 

Es  handelte  sich  aber  nicht  nur  darum,  die  Funktion  des  Striatum  bzw. 
die  Symptomatologie  seiner  Erkrankung  zu  klären,  sondern  durch  die  Auf- 
deckung der  Striatumphysiologie  einen  Einblick  in  die  Art  und  Weise  zu  be- 
kommen, in  welcher  die  Funktion  dieses  uralten  Organs  sich  in  die  Leistungen 
der  phylogenetisch  jüngeren  Hirnrindenfelder  einordnet. 

Ferner  müssen  wir  daran  erinnern,  daß  C.  Vogt  ihre  Studien  zu  einer  Zeit 
anfing,  wo  unsere  physiologischen  Experimente  uns  noch  nicht  berechtigten, 
in  jeder  architektonischen  Differenz  den  Ausdruck  einer  physiologischen  zu 
sehen  und  vor  allem  noch  nicht  einen  Parallelismus  zwischen  der  Stärke  architek- 
tonischer und  funktioneller  Verschiedenheiten  zu  behaupten.  Das  Striatum 
ist  nun  aber  hinsichtlich  seines  Baues  mit  keinem  unserer  kortikalen  Areae  ver- 
gleichbar. Es  mußte  also  eine  ganz  andere  Funktion  haben,  wenn  die  Stärke 
architektonischer  Differenzen  derjenigen  physiologischer  Verschiedenheiten 
parallel  geht.  Ferner  zeigen  Striatum  und  Pallidum  unter  sich  einen 
ganz  ungleichen  Bau.  Auch  diese  Tatsache  mußte  ihren  funktionellen  Aus- 
druck haben.  Eine  Klärung  der  Funktion  des  Striatum  und  des  Pallidum  bzw. 
der  Erscheinungen  ihrer  Erkrankungen  war  daher  wenigstens  bei  Beginn  der 
Studien  C.  Vogts  von  weittragender  Bedeutung  für  die  physiologische  Be- 
wertung unserer  architektonischen  Feststellungen. 

Dazu  kam  noch  ein  weiterer  anatomisch-physiologischer  Gesichtspunkt. 

Entsprechend  der  Tatsache,  daß  alle  Zentren  des  Nervensystems  £uf  mehr 
oder  wenigtr  direktem  Wege  miteinander  verbunden  sind,  könnte  man  daran 
denken,  daß  jede  Erkrankung  des  Nervensystems  die  Funktionen  des  Striatum 
beeinflusse  und  somit  striäre  Symptome  zeitige.  Das  ist  aber  in  einer  klinisch 
hervortretenden  Form  in  weitestem  Maße  nicht  der  Fall.  Nur  die  Erkrankung 
ganz  bestimmter,  fasersystematisch  sehr  eng  mit  dem  Striatum 
verknüpfter  Grisea,  bzw.  ihrer  Fasersysteme  führt  zu  klinisch  faßbaren 
striären  Symptomen.  Wir  halten  uns  deshalb  für  durchaus  berechtigt,  von  Er- 
krankungen des  striären  Systems  zu  sprechen,  wenn  wir  auch  noch  nicht  — 
wie  wir  weiter  unten  sehen  werden — den  Umfang  des  striären  Systems  genau 
feststellen  können.  Wir  wollen  nur  darauf  hinweisen,  daß  wir  schon  heute 
in  der  Lage  sind,  dieses  System  und  seine  Erkrankungen  zum  System  der 
Area  gigantopyratnidalis  (dem  ,, Pyramidensystem**  der  Autoren)  und  dessen 
pathologischen  Veränderungen  in  Gegensatz  zu  bringen. 

In  der  i.  Serie  unserer  ,, Allgemeinere  Ergebnisse  usw.**  (i.  Ergänzungsheft 
ds.  Bd.  d.  Journ.)  glauben  wir  den  schon  oben  erwähnten  Nachweis  geliefert  zu 

9 


636 C.  UNDO.  VOGT^ _,_,_^^^^^^^' 

haben,  daß  wir  jedem  architektonisch  besonders  gebauten  Griseum  eine  beson- 
dere Funktion  und  seiner  Erkrankung  deshalb  auch  eine  spezielle  Symptomato- 
logie zuzuschreiben  haben.  In  dem  Ausbau  dieser  Symptomatologien  sehen 
wir  eine  wesentliche  Aufgabe  der  künftig  vereinigten  und  dabei  noch  durch 
das  physiologische  Experiment  unterstützten  klinischen  und  anatomischen  For- 
schung. Neben  der  Ergründung  der  Funktionen  und  dei  pathologischen  Sympto- 
matologien der  einzelnen  Grisea  erwächst  aber  nach  unserer  Ansicht  der  Neuro - 
pathologie  der  nächsten  Jahrzehnte  als  ein  weiteres  Ziel  die  Aussonderung 
derjenigen  Neuronensysteme,  welche  in  so  enger  Beziehung  zueinander 
stehen,  daßeine  Störung  dieser  Systeme  an  einer  beliebigen  Stelle  wesentliche 
Funktionsleistungen  des  ganzen  Systems  aufhebt  und  dementsprechend 
beliebig  lokalisierte  Erkrankungen  dieses  Systems  zu  nahe  verwandten  klinischen 
Krankheitsbildern  führen.  In  dem  Versuch,  aus  der  großen  Gruppe  von  Heid- 
erkrankungen diejenigen  des  striären  Systems  herauszuschälen,  sehen  wir  einen 
Schritt  auf  dem  Wege  dieser  Art  neuro-pathclogischer  Forschung. 

Daneben    waren    es    dann    aber    noch    allgemeine   pathologisch- anatomische 
Fragen,  welche  C.  Vogt  zu  ihren  Studien  veranlaß ten. 

Wir  haben  früher  schon  öfter  ausgeführt,  wie  wir  zum  Ausbau  der  „archi- 
tektonischen** Gliederung  des  Großhirns  und  der  mit  ihm  fasersystematisch 
eng  zusammenhängenden  subkortikalen  Grisea  gekommen  sind.  Wir  hatten 
die  Fasersysteme  als  „die  Gesamtheit  aller  der  Nervenfasern,  welche  ein  ner- 
vöses Zentrum  zu  einem  anderen  entsendet**,  definiert.  Eine  solche  Definition 
mußte  „in  uns  das  Streben  nach  einer  anatomischen  Begrenzung  dieser  nervösen 
Zentren  zeitigen**.  Als  O.  Vogt  unserem  neuen  Mitarbeiter  Brodmann  seinerzeit 
vorschlug,  diese  Begrenzung  zusammen  mit  ihm  systematisch  in  Angriff  zu 
nehmen,  hoffte  er  durch  feinste  Messung  der  Zellgrößen,  -mengen  usw.  zu  Re- 
sultaten zu  kommen.  Die  Untersuchungen  unseres  Institutes  und  anderer  For- 
scher haben  dann  ergeben,  daß  bereits  viel  gröbere,  in  der  Zahl,  der  Anordnung 
und  der  groben  Morphologie  der  Nervenzellen  und  der  Markfasern  sich  äußernde, 
d.h.  O.Vogts  ^^architektonische''^  Unterschiede  existieren  und  zu  einer  ganz  un- 
erwartet weitgehenden  und  scharfen  Gliederung  führen.  In  einer  ähnlichen 
Situation  befand  sich  nun  C.  Vogt,  als  sie  das  Studium  der  striären  Erkran- 
kungen in  Angriff  nahm.  Dieselben  galten  damals  vielfach  als  „funktionelle**, 
d.  h.  als  auf  so  feinen  Veränderungen  beruhende,  daß  sie  der  heutigen  anato- 
mischen Forschung  unzugänglich  wären.  Unsere  gegenwärtige  architektonische 
Rindengliederung  hätte  seit  der  Mitte  der  80  er  Jahre,  d.  h.  seit  der  Entdeckung 
der  elektiven  Zelleibfärbung  durch  Nissl  und  der  Markscheidenfärbung  durch 
Weigert  durchgeführt  werden  können.  Sie  ist  wegen  Mangels  einer  präzisen 
Fragestellung  und  wegen  der  Tendenz,  gleich  die  Präparate  mit  stärksten  Ver- 
größerungen zu  betrachten,  zunächst  nicht  in  Angriff  genommen.  Dieser  Sach- 
verhalt mußte  C.  Vogt  die  Frage  aufdrängen,  ob  nicht  auch  die  striären 
Erkrankungen  sich  bereits  in  einer  pathologischen  Architektonik  äußerten 
und  ob  diese  Tatsache  bisher  nicht  einfach  ebenfalls  deswegen  übersehen  wäre, 
weil  man  gar  nicht  auf  diesen  Gedanken  gekommen  war. 
10 


KrJäki^^Mt'a.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         637 

Weiter  stand  C.  Vogt  vor  dem  Problem,  wie  scharf  eventuelle  archi- 
tektonische Veränderungen  gegeneinander  abgegrenzt  seien.  O.  Vogt  hat  sich  in 
seinen  Studien  über  das  Variieren  einzelner  Insektengattungen  davon  überzeugt, 
daß  gewisse  Arten  bei  Verhinderung  von  Vermischungen  in  zahlreiche,  scharf 
gegeneinander  abgegrenzte  geographische  Unterarten  zerfallen,  daß  aber  inner- 
halb der  einzelnen  Subspezies  alle  Tiere  die  speziellen  Merkmale  zeigen.  Die 
große  Gleichheit  der  Individuen  der  Unterarten  läßt  sich  nach  O.  Vogt  nur 
durch  die  Annahme  erklären,  daß  alle  Individuen  einer  Gegend  auf  bestimmte 
Milieuänderungen  mit  einer  gleichartigen  Variation  reagiert  haben.  Würden  nun 
eventuell  pathologisch-anatomische  Prozesse  sich  teilweise  untereinander  gleichen, 
teihxreise  aber  sich  scharf  gegeneinander  abheben,  so  müßte  sich  uns  nach  Ana- 
logie die  Annahme  aufdrängen,  daß  für  die  einzelnen  Gruppen  ein  außerhalb 
des  striären  Systems  gelegener  pathogener  Faktor  von  überragendem 
Einfluß  gewesen  ist,  selbst  wenn  er  seine  Rolle  vielleicht  schon  in  der  Aszendenz 
gespielt  hat. 

Solche  Milieureize  veranlassen  nun  in  dem  gleichen  geographischen  Bezirke 
verwandte  Arten  in  der  gleichen  Richtung  zu  variieren  (geographische  Kon- 
vergenz O.  Vogts).  Aber  die  Intensität  dieser  Variation  zeigt  für  die  einzelnen 
Spezies  ungleiche  Grade.  Diese  Differenz  hängt  von  den  durch  die  verschiedene 
erbliche  Konstitution  bedingten  Reaktionstendenzen  der  einzelnen  Spezies  ab. 
Feinere  Unterschiede  in  dieser  Reaktionstendenz  kann  man  auch  bei  den  In- 
dividuen  der  gleichen  Spezies  finden.  Im  Rahmen  der  im  allgemeinen  gleichen 
exogenen  striären  Erkrankung  müssen  wir  deshalb  doch  familiäre  und  für 
einzelne  Rassen  charakteristische  Verschiedenheiten  erwarten. 

Wir  sehen  ferner  bei  den  betreffenden  Insektengattungen,  daß  einzelne 
Arten  auf  einen  bestimmten  Milieureiz  garnicht  reagieren,  also  an  der  geographi- 
schen Konvergenz  nicht  teilnehmen.  Eine  der  Ursachen  ist  eine  zu  abweichende 
erbliche  Konstitution.  Wir  dürfen  dementsprechend  auch  erwarten,  daß  es 
pathologische  Prozesse  im  striären  System  gibt,  welche  nur  bestimmte  Menschen- 
rassen befallen. 

O.  Vogt  ist  in  seinen  Insektenstudien  schließlich  zu  der  Feststellung  ge- 
kommen, daß  das  einzelne  Merkmal  sich  bei  stark  variierenden  Insektenarten 
nicht  beliebig,  sondern  nur  in  ganz  bestimmten  Richtungen  verändert. 
Diese  Tatsache  muß  uns  vermuten  lassen,  daß  wir  nur  eine  relativ  beschränkte 
Zahl   verschiedener  Krankheitsprozesse  im  striären  System  aufdecken  werden. 

Wir  wissen  des  Weiteren,  daß  Schmetterlinge,  deren  Puppen  starker  Kälte 
oder  Hitze  ausgesetzt  waren,  nahezu  identische  Aberrationen  zeigen.  Gilt 
diese  Tatsache  auch  für  die  pathologische  Anatomie  des  striären  Systems,  so 
müssen  wir  erwarten,  daß  der  einzelne  Krankheitsprozeß  durch  ungleiche 
äußere  Ursachen  ausgelöst  werden  kann. 

Bei  dieser  Sachlage  fragt  es  sich  dann  aber,  ob  verschiedene  Ätiologien 
dem  im  Prinzip  gleichen  pathologisch- anatomischen  Prozeß  doch  einen  speziellen 
Charakter  verleihen. 

Femer  mußten  C.  Vogts  l^ntersuchungen  bei  positiven  Ergebnissen  die 
Frage  klären,  ob  das  striäre   System  bzw.  Teile  desselben  eine  besondere   Dis- 

X  I 


638 C.  UND  O.  VOGT. '"^5'ieÄ^ 

Position  oder  Nichtveranlagurg  zu  einer  Erkrankung  bei  Einwirkung  gewisser 
Schädigungen  zeigen.  Wie  wir  schon  in  unserem  Aufsatz  ..,Zur  Kenntnis  usw." 
ausgeführt  haben,  müßte  eine  derartige  positive  oder  negative  Reaktionstendenz 
in  letzter  Linie  auf  dem  speziellen  Chemismus  des  betreffenden  nervösen  Zen- 
trums beruhen.  Die  Aufdeckung  der  Existenz  eines  solchen  speziellen  Chemis- 
mus ist  aber  wenigstens  der  erste  Schritt  zur  Erkenntnis  seines  Wesens  und 
damit  zur  Anbahnung  einer  Chemotherapie. 

Sodann  war  C.  Vogt  zur  Hoffnung  berechtigt,  bei  Aufdeckung  der  den 
verschiedenen  Erkrankungen  des  striären  Systems  zugrunde  liegenden  morpho- 
logischen Veränderungen  zu  einer  Bewertung  ihrer  Bedeutung  für  eine  Klassi- 
fikation der  betreffenden  Krankheiten  zu  gelangen.  Wir  haben  oben  darauf 
hingewiesen,  daß  die  Intensität,  der  Beginn  und  der  Verlauf  von  zwei  Faktoren 
abhängt:  von  dem  pathologisch-anatomischen- Prozeß  und  von  der  Funktions- 
tüchtigkeit der  gesund  gebliebenen  Hirnteile.  Es  galt  nun  zu  entscheiden,  ob 
bei  Erkrankungen  des  striären  Systems  der  erste  dieser  beiden  Faktoren  so 
überragend  ist,  daß  man  auf  ihn  eine  wissenschaftliche  Klassifikation  aufbauen 
kann,  d.  h.  eine  Klassifikation,  welche  —  wie  wir  in  früheren  Arbeiten  ausgeführt 
haben  —  nicht  nur  eine  möglichst  schnelle  Diagnose  gestattet,  sondern  auch 
,,aus  den  Erfahrungen  über  den  Verlauf  einzelner  Krankheitsfälle  einer  Gruppe 
prognostische,  therapeutische  und  prophylaktische  Schlußfolgerungen  für  die 
ganze  Krankheitsgruppe  zu  ziehen  gestattet'*. 

Sollte  die  pathologische  Anatomie  dieses  für  die  Erkrankungen  des  striären 
Systems  leisten,  so  würde  die  Frage  entstehen,  wie  weit  da,  wo  ungleiche  Ur- 
sachen annähernd  den  gleichen  pathologischen  Prozeß  hervorrufen,  seine  trotz- 
dem eventuell  vorhandene  ätiologische  Färbung  das  Zustandsbild  und 
den  Krankheitsverlauf  beeinflußt. 

Aus  der  pathologisch- anatomischen  Gruppierung  der  striären  Erkrankungen 
hoffte  C.  Vogt  endlich  die  für  eine  pathologisch- anatomische  Klassifikation 
charakteristischen  klinischen  Symptome  ableiten  zu  können,  um  so  Fingerzeige 
für  die  gleiche,  aber  vorläufig  nur  auf  klinischem  Wege  anstrebbare  Einteilung  der 
zurzeit  pathologisch-anatomisch  noch  nicht  faßbaren  Erkrankungen  des  Nerven- 
systems zu  gewinnen. 

Die   aus   allen  diesen  Gründen  von  Seiten  C.Vogts  unternommene  Unter- 
suchung der  einschlägigen  Gehirne  unserer  Sammlung  ist  später  von  uns  beiden 
gemeinsam  zu  Ende  geführt  worden.    Wir  legen  hiermit  die  Ergebnisse  unserer 
Studien  den  Fachgenossen  vor.  Wir  beschränken  uns  dabei  auf  eine  eingehende 
B.eschreibung   der   vo«   uns   selbst   anatomisch   untersuchten   Fälle. 
Soweit  diese  bereits  früher  von  uns  ausführlich  dargestellt  sind  oder  ihre  klinische 
Seite  von  anderen  Kollegen  eine  gründliche  Bearbeitung  erfahren  hat,  bzw.  er- 
fahren wird,   verweisen  wir  auf  die  betreffenden  Arbeiten.     Wir  setzen  dem- 
entsprechend beim  Leser  die  Kenntnis  der  folgenden  Veröffentlichungen  voraus: 
I.  H.  Oppenheim  und  C.Vogt,  Wesen  und  Lokalisaticn  der  kongenitalen 
und    infantilen    Pseudobulbärparalyse.        Dieses    Journal.    Bd  JS.    Er- 
gänzungsheft I.    191 1. 
12 


S^^;JSSP'5i        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        639 


8. 


2.  C6cile  Vogt,  Quelques  considörations  gön6rales  ä  propos  du  Syndrome 
du  Corps  stri6.    Dieses  Journal,  Bd.  jS.    Ergänzungsheft  4.    191 1. 

3.  C.  S.  Freund  und  C.  Vogt,  Ein  neuer  Fall  von  Etat  marbr6  des  Corpus 
striatum.     Dieses  Journal,  Bd  j5.     Ergänzungsheft  4.     191 1. 

4.  C.  und  O.  Vogt,  E>ster  Versuch  einer  pathologisch -anatomischen  Ein- 
leifung  striärer  Motilitätsstörungen  nebst  Bemerkungen  über  seine  all- 
gemeine wissenschaftliche  Bedeutung.     Dieses   Journal,   Bd.  24,      1918. 

5.  C.  Thomalla,  Ein  Fall  von  Torsionsspasmus  mit  Sektionsbefund  and 
seine  Beziehungen  zur  Athötose  double,  Wilsonscher  Krankheit  und 
Pseudosklerose.  Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurologie  tnd  Psychiatrie.  Bd.  XLI. 
1918. 

6.  A.  Westphal,  Über  doppelseitige  Athetose  und  verwandte  Krankheits- 
zustände  (,,striäres  Syndrom*').  Archiv  für  Psychiatrie  und  Nerven- 
krankheiten.    Bd  60.     1919. 

Manche  der  im  folgenden  erörterten  Fragen  sind  ferner  bereits  angeschnitten 
und  teilweise  sogar  eingehender  behandelt  worden  in: 

C.  und  0.  Vogt,  Zur  Kenntnis  der  pathologischen  Veränderungen  des 
Striatum  und  des  Pallidum  und  zur  Pathophysiologie  der  dabei  auf- 
tretenden Krankheitserscheinungen.  Sitzungsberichte  der  Heidelberger 
Akademie  der  Wissenschaften.  Mathem.-naturwiss.  Klasse.  Abteil.  B. 
Jahrgang  1919.  14.  Abhandlung. 
Endlich  wird  der  Leser  Ergänzungen  in  den  folgenden,  später  in*  diesem 
Foumal  erscheinenden  Arbeiten  finden: 

1.  Reich,  Zwei  Fälle  von  Erkrankungen  des  striären  Systems. 

2.  Thomalla,  Ein  Fall  von  progressiver  Athetose. 

3.  Thomalla  und  C.  Vogt,  Drei  Fälle  von  bilateraler  progressiver  Chorea.^ 

Zum   Schluß  möchten  wir  noch  auf  einigC  Punkte  aufmerksam  machen. 

Die  weiter  unten  beschriebenen  Fälle  enthalten  vielfach  auch  pathologische 
Veränderungen  anderer  Teile  des  Zentralnervensystems.  Die  Berechtigung, 
in  diesen  Fällen  die  ,, striären  Symptome'*  ebenfalls  auf  die  Erkrankung  des 
striären  Systems  zu  beziehen,  leiten  wir  dabei  aus  der  Tatsache  ab,  daß  wir  den 
gleichen  Krankheitserscheinungen  bei  reinen  Erkrankungen  des  striären  Systems 
begegnen.  Wir  sehen  uns  ab^r  in  dieser  Auffassung  noch  dadurch  gestützt,  daß 
wir  in  einer  ganzen  Anzahl  von  Fällen  nach  Kenntnis  der  Krankheitsgeschichte 
den  pathologisch-anatomischen  Befund  im  striären  System  voraus- 
gesagt oder  auf  Grund  des  letzteren  das  uns  zurzeit  unbekannte  klinische 
Bild  richtig  erschlossen  haben.  Wir  werden  bei  den  einzelnen  Fällen  darauf 
zurückkommen. 

Die  Figuren  bringen  —  wo  nicht  das  Gegenteil  gesagt  ist  —  die  wieder- 
gegebenen Hirn  teile  bei  Frontalschnitten  von  hinten  und  bei  Horizontalschnitten 
von  oben  gesehen,  so  daß  das  links  im  Gehirn  Befindliche  zur  linken  Seite  des 
Lesers  gelegen  ist. 

Die  Tafelabbildungen  werden  im  allgemeinen  in  der  Reihenfolge  der  Nummern 
von  Tafeln  und  Figuren  beschrieben  werden.     Wo  von  dieser  Kegel  eine  .Xus- 

13 


6aO  r    TTNn  O   VOOT  JoütdaI  f.  Psychologie 

^^^ ^ _^ ^'  ^^^  ^'  ^^^^-  and  Neaiologi». 

nähme  gemacht  wird,  ist  an  der  Stelle,  wo  die  betreffende  Abbildung  eigentlich 
hätte  erläutert  werden  sollen,  die  Seite  ihrer  Beschreibung  angegeben. 

Entsprechend  der  in  unserem  Institut  herrschenden  Arbeitsteilung  haben 
wir  uns  selbst  auf  die  architektonischen  Veränderungen  in  den  von  uns  studierten 
Erkrankungen  beschränkt.  Die  histopathologischen  Untersuchungen  sind  vom 
Vorsteher  der  Histologischen  Abteilung,  Herrn  Professor  Bielschowsky, 
ausgeführt  worden.  Für  die  Überlassung  seiner  Protokolle  sprechen  wir  ihm 
auch  an  dieser  Stelle  unsern  verbindlichsten  Dank  aus. 

Der  Darstellung  der  folgenden  Fälle  von  Erkrankungen  des  striären  Systems 
schicken  wir  einige  normaUancUomische  Vorbemerkungen  voraus.  Die  Fälle  selbst 
werden  darauf  unter  Innehaltung  jener  pathologisch- anatomischen  Gruppierung 
beschrieben  werden,  die  wir  bereits  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.'* 
durchgeführt  haben. 

Das  Material  verdanken  wir  den  Herren  Barre- Paris,  Bielschowsky- 
Berlin,  Freund- Breslau,  Gallus-Treuenbrietzen,  Lemos- Porto,  Liepmann- 
Berlin,  Maass-Berlin,  P.  Marie- Paris,  Oppenheim- Berlin,  Reich-Berlin, 
Schuster- Berlin,  Tho^malla- Berlin  (Breslau)  und  Westphal-Bonn.  Es 
ist  uns  eine  angenehme .  Pflicht,  allen  diesen  Kollegen  für  die  Überlassung  des 
betreffenden  Materials  unseren  verbindlichsten  Dank  auszusprechen. 

Eis  ist  uns  dabei  ein  Herzensbedürfnis,  Herrn  Professor  Pierre  Marie  noch 
unsere  besondere  Dankbarkeit  auszudrücken.  Herr  Marie  hat  nicht  nur  C.  Vogt 
in  die  Neuropathologie  eingeführt,  Herr  Marie  hat  nicht  nur  schon  sehr  früh 
die  theoretische  und  klinische  Wichtigkeit  der  Aufdeckung  der  Funktion  des 
striären  Systems  und  der  Symptomatologie  seiner  Erkrankungen  erkannt,  Herr 
Marie  hat  nicht  nur  grundlegende  Beiträge  zu  dieser  Aufdeckung  geliefert, 
sondern  Herr  Marie  hat  uns  mehr  als  ein  anderer  Neurologe  in  unseren  ent- 
sprechenden Studien  —  wie  in  unserer  lokalisatorischen  Erforschung  der  Hirn- 
rinde —  ermuntert  und  mit  Mafferial  unterstützt  und  auch  über  die  letzten  trüben 
Jahre  hindurch  die  Freundschaft  gehalten.  So  möge  Herr  Marie  uns  die  Widmung 
dieser  Arbeit  als  ein  kleines  äußeres  Zeichen  unserer  dauernden  Dankl^arkeit 
gestatten ! 


14 


JSr^DsnJ^flft  8      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         64 1 


Normal-anatomisohe  Vorbemerkungen. 

A.  Bie  Bestandteile  dei  itriären  Systemi. 

Nach  der  in  der  Einleitung  gegebenen  Definition  stellt  das  ^^striäre  System'' 
einen  physiologischen  Begriff  dar.  Es  handelt  sich  um  eine  Zusammenfassung 
derjenigen  Grisea  und  Faserungen,  die  in  so  engem  funktionellen  Zusammenhang 
mit  dem  Striatum  stehen,  daß  eine  Schädigung  derselben  an  irgendeiner  Stelle 
Bestandteile  des  Striatumsyndroms  auslöst.  Unsere  experimentell-physiologischen 
(v.  Economo  und  Karplus),  wie  auch  unsere  klinisch-anatomischen  Erfahrungen 
reichen  nun  aber  vorläufig  nicht  aus,  dieses  striäre  System  so  scharf  zu  um- 
schreiben, wie  es  eines  Tages  immerhin  möglich  sein  wird.  Wir  müssen  uns  des- 
halb vorläufig  auf  die  Wiedergabe  eines  Schemas  (Textfigg.  I  und  2)  beschränken, 
dessen  Begründung  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.**  gegeben  ist  und 
daselbst  eingesehen  werden  muß.  Es  enthält  alle  diejenigen  Grisea  und  Bahnen, 
welche  sicher  oder  wahrscheinlich  in  mehr  oder  weniger  direkter  Beziehung 
zum  Striatum  stehen.  Dabei  braucht  für  gewisse  Bestandteile  des  Schemas 
der  funktionelle  Zusammenhang  mit  dem  Striatum  nicht  ein  so  intimer  zu  sein, 
daß  ihre  pathologischen  Veränderungen  Striatumsymptome  auslösen.  Wir  werden 
eben  Neuronensysteme  im  engeren  und  im  weiteren  Sinne  unterscheiden  müssen. 
Eine  beliebig  lokalisierte  Schädigung  der  ersteren  zeitigt  sehr  ähnliche  und 
ziemlich  konstant  bleibende  Ausfälle.  Eine  pathologische  Veränderung  der 
nur  im  weiteren  Sinne  zu  dem  System  gehörigen  Neurone  hat  dagegen  nur 
sehr  partielle  oder  bloß  vorübergehende  Symptome  des  Syndroms  des 
eigentlichen  Systems  zur  Folge.  Wir  werden  auf  diesen  Punkt  später  zurück- 
kommen. Zuvor  werden  wir  aber  das  Schema  beschreiben  und  daran  eine  Reihe 
kritischer  Bemerkungen  anschließen,  von  welchen  wir  hoffen,  daß  sie  zu  einer 
weiteren  Erforschung  des  striären  Systems  anregen  werden. 

a)  Beschreibung  der  Textfiguren  i  und  2. 

Die  Textfigur  2  bringt  den  mittleren  Teil  der  Textfigur  i  bei  stärkerer 
Vei^rößerung. 

In  der  Ebene  /  kommt  ein  Frontalschnitt  durch  den  oralsten  Teil  des  Thala- 
mus zur  Darstellung.  Ein  entsprechender  Schnitt  ist  Taf.  41,  Fig.  3,  ein  etwas 
kaudalerer  Taf.  4,  Fig.  i  zur  Abbildung  gelangt.  Außer  den  Thalamuskcrnen^) 
/,  vtlf  vtm  und  aa  begegnen  wir  bereits  dem  oralsten  Abschnitt  von  mv  und 
den  von  Friedemann  im  Cercopithecinengehirn  näher  beschriebenen  Kernen 
des  Tuber  cinereum  [t).    Ventral  von  mv  liegt  als  Bestandteil  des  Hypothalamus 


')  Vgl.  über  die  Thalamus  kerne  C.Vogt,  La  myeloarchitecture  du  thalanius  du  t*ercopithe(|ue! 
Dieses  Journal,  Bd.  12,  Ergänzungsheft,  1909. 


B«.u.  igeo, 


ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS. 


643 


das  oralste  Gebiet  von  Foreis  Feld  W  mit  seinem  medialen,  ins  Tuber  cinereum 
eichenden  Ausläufer  X.  Wir  haben  außerdem  noch  das  Segmentum  posterius 
csqtsulae  internae  {Cip),  den  Anfang  des  Pes  pedunculi  {P}  und  das  Corpus 
mammiilare  {Cm)  abgebildet. 

Bei  II  ist  ein  Stück  des  Corlex  praefrontalis  gezeichnet. 


In  der  Ebene  III  (vgl,  speziell  Fig.  2!)  ist  der  Thalamus  in  der  Frontalebene 
des  Corpus  Luysi  und  das  Striatum  -\-  PaUidum  zur  Abbildung  gelangt.  Man 
vergleiche  Taf.  4,  Fig.  2!  Im  Thalamus  sind  Jetzt  die  Kerne  /,  aa,  ma,  vtl,  vtm 
und  tnv  getroffen.  Im  Hypothalamus  begegnen  wir  den  Forelschen  Bündeln  H^ 
und  H*  sowie  ihrer  medialen  Vereinigung:  S.  Ramöns  Nucleus  campi  Foreti 
[ncF],  der  Pars  dorsalis  [Zid]  und  der  Pars  ventralis  {Ztv)  der  Zona  incefta  und 
dem  Corpus  Luysi  [CL).  Im  Himfuß  ist  neben  dem  Pes  {P)  der  oralste  Teil  der 
Substantia  nigra  [Sn)  angeschnitten.  Ganz  medial  haben  wir  dorsal  die  Com- 
missura  mollis  {Cmo)  und  ventraler  die  Decussatio  Foreli  {DF).  Dorsoiateral 
v«n  Thalamus  ist  das  Caudatum  {Nc),  lateral  vom  Segmentum  posterius  cap- 
sulae  internae  [Cip)  das  Putamen  \,Put)  +  Pallidum  zur  Abbildung  gelangt. 
Das  Pallidum  ist  lateral  von  der  Lameila  pallidi  externa  [Le),  ventral  von  der 
Alisa  lenticularis  {At\  und  medial  von  der  Lameila  pallidi  limitans  (L/)  begrenzt. 
Die  Lamella  pallidi  interna  (Li)  gliedert  das  PaUidum  in  eine  Pars  externa  [Ge]  und 
eine  Pars  interna  (Gi).  Die  letztere  wird  durch  die  Lamella  pallidi  accessoria  {La) 
in  Gil  und  Gim  zerlegt. 


6aA                                                               C    und  O   VOGT                                        Journal  f.  Psychologie 
2ZZ VU<Ji- und  Neurologie. 

In  der  Ebene  von  IV  haben  wir  ein  Stück  aus  der  Area  gigantopyramidalis 
(sog.  motorischen  Region)  dargestellt. 

Bei  V  ist  der  Hypothalamus  in  der  —  annähernd  Taf.  5,  Fig.  2  dargestellten  — 
Frontalebene  des  Nucleus  ruber  [Nr)  wiedergegeben.  Dorsal  ist  diese  Gegend 
jetzt  von  den  Thalamuskernen  va^y  vb  und  mb  begrenzt.  Medial  haben  wir  noch 
den  kaudalsten  Abschnitt  der  Decussatio  Foreli  [DF).  Ventral  sind  noch  5n,  P 
und  der  Anfang  des  Pons  abgebildet.  Außerdem  ist  ganz  schematisch  ein  Stück 
des  Cortex  cerebelli  mit  dem  Dentatum  [Dt)  der  anderen  Seite  wiedergegeben. 

Bei  VI  sind  im  Anschluß  an  das  Schema  Muskens'  die  Commissura  posterior 
(Cp),  der  Nucleus  Darkschewitschi  =  Commissurae  posterioris  [ND)  und 
S.  Ramöns  Nucleus  interstitialis  [ni)  dargestellt. 

Bei  VII  sind  der  Nucleus  Bechterewi  [nB)  und  der  Nucleus  Deitersi  (wD), 
sowie  der  Canalis  semicircularis  horizontalis  (C^.A.)  und  der  Canalis  semicircularis 
verticalis  anterior  [C.s,v.a.)  ganz  schematisch  abgebildet. 

Die  ganz  oder  wahrscheinlich  sicher  gestellten  Teile  der  im  folgenden  be- 
schriebenen Bahnen  sind  durch  ausgefüllte  Kreise  und  Linien,  die  zweifelhaften 
durch  offene  Kreise  oder  Striche  wiedergegeben. 

Vom  Cortex  praefrontalis  sehen  wir  eine  Faserung  1  zum  Thalamuskern  ma 
ziehen.  Von  ma  lassen  wir  ein  hypothetisches  Assoziationsneuron  2  in  die 
Gegend  von  mv  +  t-\-ncF  ausstrahlen. 

Von  der  Area  gigantopyramidalis  geht  eine  absteigende  Bahn  3  zum  Thala- 
muskern va^.  .  Auch  von  demselben  lassen  wir  dann  ein  hypothetisches  intra- 
thalamisches  Neuron  4  die  Verbindung  mit  mv-^t+ncF  herstellen. 

Aus  der  Gegend  mv  +  t  +  ncF  ziehen  Fasern  als  thalamo-pallidäre  -f-  striäre 
(5)  durch  den  Thalamus,  sowie  als  hypothalamo-pallidäre  +  striäre  (6)  durch  H^ 
zum  Pallidum  und  Striatum.  Wir  lassen  5  ausschließlich  in  Gim  endigen,  um 
das  Schema  nicht  zu  sehr  zu  komplizieren.  Von  6  haben  wir  dagegen  alle  denk- 
baren Endigungen  eingezeichnet.  Außerdem  geht  aus  der  Gegend  mv  +  t  +  ncF 
auch  eine  Faserung  7  durch  DF  zum  kontralateralen  Pallidum. 

Soweit  6  in  Put  und  Nc  endigt,  tritt  sie  zu  den  Assoziationsneuronen  8 
in  Beziehung.  Diese  stehen  wiederum  mit  einem  Neuron  9  in  Verbindung, 
welches  striopallidäre  Fasern  nach  Ge  und  Gi  entsendet.  Im  Pallidum  entspringt 
dann  eine  Bahn  10  zum  Corpus  Luysi  [CL)  und  in  geringerem  Maße  zur  Sub- 
stantia  nigra  (5n)  (in  Fig.  2  mit  10a  bezeichnet).  Über  eine  dritte  noch  nicht 
geklärte  Endigung  vgl.  unseren  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw."!  Eine  zweite  Bahn 
11  läuft  vom  Pallidum  durch  /}/  nach  //*  und  teilt  sich  hier  in  fünf  Unterabteilungen 
IIa — 11  e,  IIa  zieht  durch  den  medialen  Teil  der  Capsula  nuclei  rubri  und  endigt 
wahrscheinlich  im  Nucleus  Darkschewitschi  (ND)  und  nach  Durchsetzung  der 
Commissura  posterior  im  gekreuzten  Nucleus  interstitialis  [ni).  IIb  endigt  in 
der  frontalen  Partie  des  Nucleus  ruber.  11c  hilft  zunächst  die  laterale  Kapsel 
des  roten  Kerns  bilden.  Die  Fasern  gehen  dann  zum  Teil  in  diesen  Kern,  zum 
Teil  nach  Durchsetzung  der  Decussatio  Foreli  in  den  entgegengesetzten  roten 
Kern  und  zum  Teil  in  die  Commissura  posterior.  Wir  lassen  diese  letztere  Partie 
hypothetischerweise  im  gekreuzten  Nucleus  interstitialis  (nt)  endigen.  11  d  endigt 
in  der  Gegend  von  ncF-\-mv-\-i.  11  e  geht  in  der  Decussatio  Foreli  zur  anderen 
18 


yi^JÄ'  ,       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        645 


Seite.  Eine  dritte  Neurongruppe  12  entsendet  ihre  Axone  durch  den  Thalamus 
in  die  Gegend  von  mv. 

Vom  Cortex  cerebelli  verlaufen  die  Achsenzylinder  der  Purkinjcschen 
Zeilen  (13)  in  das  Dentatum  [Dt).  Die  Fasern  des  Dentatum  [14)  ziehen  teils 
zum  Nucleus  ruber,  teils  —  diesen  nur  durchsetzend  —  zu  va^.  Den  letzteren 
Fasern  schließen  sich  solche  aus  dem  Nucleus  ruber  an  (75). 

In  16  haben  wir  die  im  einzelnen  noch  unbekannte  Haubenfaserung  zu 
mv  +  i  +  ncF  angedeutet. 

Der  Canalis  semicircularis  horizontalis  (C.s.h.)  — ■  wir  geben  die  folgenden 
Bahnen  nach  Muskens  wieder  —  entsendet  Fasern  {17}  zum  Nucleus  Bechterew! 
(n  B)  und  zum  Nucleus  Deitersi  [nD),  Der  Canalis  semicircularis  verticalis  anterior 
[C.s.v.a.)  sendet  ein  System  zwnD{18).  Von  nD  geht  eine  Faserung  (19)  zum  ge- 
kreuzten ND,  von  nB  eine  zum  gleichseitigen  ND  (20)  und  wahrscheinlich 
eine  (21)  zum  gleichseitigen  ni.  Von  ND  und  ni  steigt  je  ein  System  (22  = 
Fasciculus  commissuro-medialis  und  23  =  Fasciculus  interstitio-spinalis)  im 
Tractus  longitudinalis  dorsalis  abwärts.  Endlich  haben  wir  in  der  Commissura 
posterior  verlaufende  Commissurfasern  (24)  zwischen  den  beiden  ND, 

b).  Kritische  Bemerkungen  zu  diesen  Textfiguren. 

Wie  aus  der  vorstehenden  Beschreibung  der  Textfiguren  i  und  2  hervor- 
geht, halten  wir  die  Existenz  einer  Faserverbindung  zwischen  Cortex  einerseits 
und  Striatum  und  Pallidum  andererseits  nicht  für  erwiesen.  Die  von  uns  in 
unserem  Aufsatz  „Zur  Kenntnis  usw.**  noch  nicht  zitierte  entgegengesetzte 
Ansicht  Ficklers  ist  inzwischen  schon  von  Spiegel  als  eine  auf  keinem  zwingen- 
den Schluß  beruhende  zurückgewiesen  worden.  Es  sind  aber  bei  der  funda- 
mentalen Wichtigkeit  dieser  Frage  weitere  Nachprüfungen  noch  dringend  an- 
gezeigt. Ebenso  leugnen  wir  eine  pallido-striäre  Faserung.  Die  striofugalen 
Fasern  (<j)  lassen  wir  ausschließlich  im  Pallidum  endigen.  Dabei  bilden  die  aus 
dem  ventralwärts  umbiegenden  Teil  der  Cauda  caudati  und  ihrer  ventrooralen 
Fortsetzung  stammenden  strio-pallidären  Fasern  zusammen  mit  den  in  diesen 
Striatumteil  ziehenden  Fasern  jene  „Nebelflecke*',  welche  v.  Monakow  in 
der  2.  Auflage  seiner  Himpathologie  S.  95  beschrieben  hat. 

Die  pallido-  (5  +  6)  und  die  strio-petale  (6)  Faserung  bringen  wir  ebenso 
wie  die  vom  Pallidum  zum  Thalamus  ziehende  (12,  11  d)  nur  zu  dem  oro-medio- 
ventralen  Teil  des  Thalamus  und  dem  anstoßenden  Teil  des  Hypothalamus, 
d.  h.  zu  der  Gegend  des  Kerns  mv,  der  Kerne  (/)  des  Tuber  cinereum,  sowie  des 
Nucleus  campi  Foreli  (ncF)  in  Beziehung.  Wie  weit  die  genannten  Kerne  selbst 
oder  benachbarte  Gebiete  beteiligt  sind,  wie  weit  die  striären  und  die  pallidären_ 
Fasern  und  unter  letzteren  diejenigen  von  Ge  und  Gi  einen  ungleichen  Ursprung 
oder  eine  differente  Endigung  haben,  wie  weit  sich  endlich  der  Ursprung  oder 
die  Endigung  dieser  Fasern  noch  auf  andere  Teile  des  Thalamus  ausdehnt,  ob 
endlich  die  Faserung  ^ —  wie  wir  es  im  Anschluß  an  J.  und  A.  D6jerine  und  im 
Gegensatz  zu  Wilson  im  Schema  dargestellt  haben  —  wenigstens  teilweise 
in  //*  verläuft,  sind  Fragen,  welche  erst  durch  weitere  Forschungen  zu  klären 
sind.   Es  ist  der  viel  zu  früh  der  wissenschaftlichen  Forschung  entrissene  Fi  ekler 

!•  19 


646 C.  UND  O.  VOGT. "^Ji^S^"" 

gewesen,  welcher  glaubt,  aus  einem  Fall  von  vollständiger  sekundärer  Degeneration 
der  Capsula  interna  schließen  zu  können,  daß  in  der  ganzen  Ausdehnung 
des  hinteren  Segments  der  Capsula  interna  durch  diese  ein  Faseraus- 
tausch zwischen  Thalamus  und  Striatum  +  Pallidum  erfolgt.  Vom  Thalamus 
läßt  dieser  Autor  den  vorderen,  lateralen,  medialen  und  ventralen  Kern  daran 
teilnehnien.  Es  wäre  sehr  wünschenswert,  wenn  eine  bessere  bildliche  Darstellung 
dieses  zweifellos  sehr  interessanten  Falles  gegeben  und  dabei  zwischen  der  Faserung 
des  Striatum  +  Pallidum  und  den  dazu  nicht  gehörigen  Bestandteilen  der  Sub- 
stantia  innominata  unterschieden  würde.  Wilson  nimmt  auch  die  Endigung 
einiger  pällido- thalamischen  Fasern  im  ventralen  Thalamuskern  an.  Eine  wesent- 
lich komplizierter  verlaufende  Bahn  glaubte  C.Vogt  aus  myelogenetischen  Bildern 
herleiten  zu  müssen.  Wir  sehen  aus  H^  dicke  Faserbündel  in  den  Thalamus- 
kern vtl  einstrahlen.  Man  vergleiche  z.  B.  Taf .  4,  Fig.  2!  Diese  Fasern  sieht 
man  nicht  aus  vtl  in  die  Capsula  interna  übertreten.  Sie  müssen  also  Ursprung 
öder  Ende  in  vtl  finden.  Weiter  muß  man  speziell  aus  Bildern  von  Horizontal- 
schnitten durch  das  Gehirn  des  Neugeborenen  (vgl.  dieses  Journal,  Bd.  J2, 
Ergänzungsheft,  Taf.  7!)  schließen,  daß  die  fraglichen  Fasern  nicht  zur  Kapsel 
des  roten  Kerns  (=  Faserfeld  H)  in  Beziehung  stehen,  sondern  daß  sie  unter 
U-förmiger  Umbiegung  in  das  Faserfeld  //*  übertreten.  Diese  Auffassung  wird 
auch  durch  die  Tatsache  gestützt,  daß  diese  Fasern  in  den  Fällen  von  Degeneration 
des  Feldes  H^  stets  proportional  gelitten  haben  (Fälle  20  und  21).  In  demsub  VIT, 
B,  c  zitierten  Jelgersmaschen  Fall  mit  der  stärksten,  von  uns  beobachteten  De- 
generation von  //*  sind  sie  auch  am  meistea  geschwunden.  Wir  haben  aber  trotz- 
dem im  Scheina  keine  Bahn  gezeichnet,  welche  sich  von  vtl  durch  H^  und  H^ 
zum  Pallidum  (+  Striatum)  erstreckt.  Denn  erstens  ist  diese  Bahn  nicht  von 
denjenigen  Autoren  bestätigt  worden,  welche  mit  sekundären  Degenerationen 
nach  Herden  gearbeitet  haben.  Und  dann  wäre  noch  möglich,  daß  die  Zellen 
des  an  der  Umbiegungsstelle  liegenden  Nucleus  campi  Foreli  oder  auch  die  von 
mv  und  /  eine  Umschaltungsstelle.  darstellten. 

Weiter  kann  man  heute  noch  nicht  das  Vorhandensein  von  strio-  und  pallido- 
petalen  Fasern  aus  anderen  Teilen  der  Regio  subthalamica  und  dem  Tegmentum 
mit  Sicherheit  in  Abrede  stellen. 

Ferner  ist  es  vorläufig  unbekannt,  wie  weit  die  pallido-fugalen  Bahnen 
10,  IIa — 11  e  und  12  ungleiche  Ursprungsgebiete  im  Pallidum  haben.  In- 
bezug  auf  10  kann  zunächst  festgestellt  werden,  daß  die  oralen  Partien  des 
Pallidum  mit  den  oralen  des  Corpus  Luysi  und  die  kaudaleren  mit  den  kaudaleren 
von  CL  in  Beziehung  stehen  (vgl.  z.  B.  den  22.  Fall!).  Ferner  rufen  isolierte 
Zerstörungen  von  Ge  so  umfangreiche  Degenerationen  im  Corpus  Luysi  hervor 
(22.  Fall),  daß  man  dazu  neigen  möchte,  CL  wenigstens  vorzugsweise  mit  Ge 
in  Verbindung  zu  bringen. 

Wir  müssen  ferner  darauf  hinweisen,  daß  nie  eine  Schädigung  der  Pallidum- 
faserung  ohne  eine  gewisse  Verkleinerung  von  CL  beob^htet  wurde,  daß  sie 
dagegen  nicht  regelmäßig  von  einer  sicher  erkennbaren  Verschmälerung 
der  Felder //*  und  //*  begleitet  war  (bloß  die  Fälle  20  und  21  sowie  der  Jelgersma- 
sche  ergaben  zweifellos  positive  Befunde),  nur  einmal  mit  einer  zweifelhaften 
20 


iSmamS^t       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        647 


Verkleinerung  der  Substantia  nigra  (10.  Fall)  sich  verband  und  niemals  zu 
einer  für  uns  wahrnehmbaren  Veränderung  des  roten  Kerns  oder  seiner  Kapsel 
geführt  hat.  Diese  Feststellung  bedarf  noch  der  Aufklärung,  wenn  speziell  die 
im  Schema  angeführten  Bahnen  10a  und  IIa — 11c  in  der  dargestellten  Form 
wirklich  existieren. 

Die  große  Rolle,  welche  das  Pallidum +  5 triatum  als  Vermittler  von  Aus- 
dnicksbewegungen  spielt,  und  die  starke  emotive  Beeinflussung  des  Striatum- 
und  des  Pallidumsyndroms  fordert  eine  Verbindung  zwischen  allen  Teilen  des 
Cortex  cerebri  und  dem  Pallidum  +  Striatum.  Da  wir  eine  direkte  Bahn  leugnen, 
sprechen  wir  die  cor tico- thalamische  Faserung  als  den  Träger  dieser  Verbindung 
an.  Wie  weit  dabei  im  Schema  unter  2  und  4  wiedergegebene  intrathalamische 
Assoziationsneurone,  an  deren  Existenz  an  sich  nicht  gezweifelt  werden  kann, 
eine  Rolle  spielen,  hängt  von  zwei  noch  nicht  genügend  geklärten  Momenten 
ab:  von  der  schon  erörterten  Ausdehnung  des  Urspnmgsgebietes  der  Pallidum  + 
Striatumfasern  im  Thalamus  und  dem  Umfang  der  direkten  Faserverbindung 
dieses  Ursprungsgebiets  mit  dem  Cortex. 

Der  weiter  unten  (S.  649)  erwähnte  Tangentialstreifen  an  der  dem  Ven- 
trikel zugewandten  Oberfläche  des  Caudatum  ist  im  Schema  unberücksichtigt 
geblieben,  da  seine  Beziehung  zum  Caudatum  noch  nicht  genügend  geklärt  ist. 
Ob  die  Capsula  externa  ein  Homologon  für  das  Putamen  enthält,  muß  auch  erst 
die  weitere  Forschung  entscheiden. 

c)  Die  Bestandteile  des  striären  Systems  im  engeren  und  weiteren  Sinne, 

Au{  Grund  der  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.**  berücksichtigten 
fremden  und  der  im  folgenden  geschilderten,  von  uns  anatomisch  untersuchten 
Krankheitsfälle  sind  wenigstens  folgende  Grisea  und  Fasermassen  bzw.  Faserungen 
zum  striären  System  im  engeren  Sinne  zu  rechnen: 

1.  Das  Striatum  (Nc+Put), 

2.  das  Pallidiun  {Ge+Gi;  Gi=Gil+Gim)f 

3.  das  Corpus  Luysi  (CL  =  Corpus  subthalamicum), 

4.  die  Gegend  mv  und  das  Tuber  cinereum  des  Thalamus, 

5.  die  Lamella  pallidi  externa  {Le),    ^ 

6.  die  Lamella  pallidi  interna  (Li), 

7.  die  Lamella  pallidi  accessoria  (La), 

8.  die  Ansa  lenticularis  (AI), 

9.  die  Lamella  pallidi  limitans  (L/), 

10.  Foreis  Bündel  H^  mit  Foreis  Faserung  X  und 

1 1 .  die   im  Thalamusgebiet  zwischen  Thalamus   und    Pallidum  +  Striatum 
verlaufende  Fasening. 

Wahrscheinlich  gehören  ferner  dazu: 

1 .  Die  noch  unbekannte,  vom  Corpus  Luysi  weiter  distalwärts  leitende  Bahn, 

2.  die  das  Pallidum  mit  den  Nuclei  Darkschewitschi  [ND)  et  interstitialis 
(n  i)  verbindende  (teilweise  noch  hypothetische)  Faserung  sowie 

3.  diese  Kerne  selbst. 

21 


648 C.  UND  O.  VOGT. ^°3's.SSg"' 

Zweifelhaft  bleibt  die  Stellung  von: 

1.  Foreis  Bündel  H\ 

2.  Ramöns  Nucleus  campi  Foreli  [ncF), 

3.  der  Substantia  nigra  (5n)  und 

4.  dem  Nucleus  ruber  [Nr). 

Nur  eine  Beziehung  im  weiteren  Sinne  dürfte  für: 

1.  denjenigen  Teil  des  Thalamus,  aus  welchem  keine  Fasern  zum  Pallidum + 
Striatum  entspringen,  und 

2.  die  zu  diesen  Teilen  des  Thalamus  aus  dem  Cortex  oder  aus  subthala- 
mischen  Gebieten  ziehenden  Fasern  existieren. 

Endlich  müssen  wir  auf  Grund  aller  unserer  Erfahrungen  erklären,  daß 
dek"  Nucleus  sübstantiae  innominaiae  mit  dem  striären  System  überhaupt  nichts 
zu  tun  hat. 

B.  Zur  Anatomie  einiger  Beitandteile  dei  striären  Syitemi. 

Die  Erkennung  pathologischer  Veränderungen  in  den  uns  hier  interessierenden 
Grisea  und  Faserungen,  sowie  die  Deutung  der  durch  diese  Veränderungen  be- 
dingten Sjmiptome  erfordern  eine  Reihe  normalanatomischer  Feststellungen, 
welche  bisher  nicht  erhoben  oder  wenigstens  nicht  allgemein  bekannt  geworden 
sind.  Wir  beginnen  mit  solchen,  welche  die  grobe  Morphologie  und  die 
Myeloarchitektonik  betreffen  und  ziehen  als  Belege  auch  von  C.Vogt  in 
den  Ergänzungsheften  des  18,  Bds.  und  von  uns  im  24,  Bde.  dieses  Journals 
veröffentlichte  Abbildungen  heran. 

a)  Zur  groben  Morphologie  und  zur  Myeloarchitektonik. 

Zunächst  ein  Wort  über  die  Morphologie  des  Kopfes  des  Caudatum 
[Nc) !  Derselbe  ragt  auf  Frontalschnitten  mit  einem  ventrikelwärts  ausgesprochen 
konvexen  Bogen  in  den  Ventrikel  hinein.  Die  Breite  des  Ventrikels  beträgt  nur 
Bruchteile  von  derjenigen  des  Caudatum.  Taf.  43,  Fig.  lO  der  Ergänzungshefte 
des  18.  Bds.  dieses  Journals  gibt  die  normalen  Verhältnisse  wieder.  Auch  die 
von  pathologischen  Fällen  stanmienden  jetzigen  Taf.  9,  Fig.  i  und  Taf.  14,  Figg.  I 
und  2  können  nach  dieser  Richtung  als  normal  gelten.  Einen  pathologischen 
Hydrocephalus  unter  Schrumpfung  von  Nc  und  Abplattung  seiner  Oberfläche 
zeigt  Taf.  43,  Fig.  9  der  Ergänzungshefte  des  18,  Bds.  dieses  Journals  bereits 
deutlich,  während  wir  in  der  jetzigen  Taf.  25,  Fig.  i  eia  Extrem  dieser  Caudatum- 
schrumpfung  vor  uns  haben.  Die  normale  Vorwölbung  von  Nc  in  den  Ventrikel 
in  kaudaleren  Frontalebenen  geht  gut  aus  Taf.  44,  Figg.  12  und  14  der  Ergänzungs- 
hefte des  jS.  Bds.  dieses  Journals  und  aus  der  gegenwärtigen  Taf.  43,  Fig.  2  hervor. 

Die  soeben  genannten  Abbildungen  des  Caudatum  zeigen  femer  insgesamt 
einen  gröberer  Markfaserbündel  fast  ganz  entbehrenden  Außenteil  und  einen 
solche  reichlich  aufweisenden   Innenteil,     Taf.  77 ,  Fig.  i  ^)   gibt  diese  Verhält- 


^)  Wir  empfehlen  dem  Leser  das  Studium  aUer  in  dieser  Arbeit  enthaltenen  Tafelfigiiren  mit 
einer  Lupe  von  umfangreichem  Gesichtsfeld.    Die  auf  rein  photochemischem  Wege  wiedergegebenen 
Reproduktionen  vertragen  durchaus  eine  derartige  Betrachtung  und  erleichtern  dem  Ungeübten 
22 


^^L^^^' Q       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        649 

nisse  bei  stärkerer  Vergrößerung  wieder.  Die  oberen  drei  Fünftel  der  Abbildung 
gehören  zum  Außenteil.  Hier  sind  gröbere  Bündel  selten.  Und  die  wenigen 
sind  dabei  auf  die  inneren  Gebiete  dieses  Außenteils  beschränkt.  Dagegen  sieht 
man  eine  Reihe  schmaler,  längs  getroffener  Faserbündelchen  sich  allmählich 
ventrikelwärts  verlieren.  An  der  Ventrikeloberfläche  selbst  begegnen  wir  dann 
noch  einigen  besonderen  Schichten.  Auf  den  —  bei  50  f acher  Vergrößerung  — 
nicht  ganz  i  mm  breiten  Ependymstreifen  folgt  eine  etwa  7  mm  breite  marklose 
Zone.  Nach  innen  von  dieser  befindet  sich  ein  von  Markfasern  gebildeter  Tan- 
gentialstreifen^  welcher  noch  in  eine  äußere  dichtere  und  eine  innere  lockerere 
Unterabteilung  gegliedert  werden  kann.  Außerdem  zeigt  diese  Abbildung, 
daß  da,  wo  nicht  prämortal  eine  —  wohl  meist  einem  Erstickungstod  parallel 
gehende  —  anormale  Hyperämie  aufgetreten  ist,  die  Blutgefäße  im  Markfaser- 
bilde ganz  zurücktreten.  Im  Zellbild  ist  —  wie  Taf.  58,  Fig.  3  lehrt  —  die  mark- 
lose  Zone  in  ihrer  äußeren  Hälfte  sehr  arm,  in  ihrer  inneren  sehr  reich  an  Glia- 
zellen.  Die  äußere  Unterabteilung  des  Tangentialstreifens  ist  sehr  zellarm.  Sie 
enthält  aber  bereits  Nervenzellen.  Die  innere  Unterabteilung  ist  schon  etwas 
zellreicher. 

Wir  kommen  nun  zum  Putamen  (Ptit).  Zunächst  ist  darauf  hinzuweisen, 
daß  das  Put  im  Gebiet  des  Segmentum  anterius  capsulae  internae  auf  Frontal- 
schnitten ungefähr  die  doppelte  Breite  zeigt  wie  die  Capsula  interna.  Man  vgl. 
Taf.  2,  Figg.  2  und  4  sowie  Taf.  44,  Figg.  12  und  14  der  Ergänzungshefte  des 
iS.Bds.  und  die  jetzige  Taf.  43,  Fig.  2!  Dementsprechend  kann  die  Schmal- 
heit des  Put  in  Taf.  56,  Figg.  4  und  5  ebenso  wie  die  anormale  Breite,  welcher 
wir  Taf.  42,  Figg.  2  und  3,  sowie  Taf.  43,  Fig.  i  begegnen,  ohne  weiteres  als 
pathologisch  bezeichnet  werden.  Im  oralen  Gebiet  des  Segmentum  posterius 
capsulae  internae  ist  das  Put  auch  noch  annähernd  doppelt  so  breit  wie  der 
zwischen  Gi  und  Thalamus  gelegene  Abschnitt  der  Capsula  interna.  Wir  ver- 
weisen auf  Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf.  45,  Fig.  18  der  Ergänzungshefte  des  18.  Bds. 
sowie  auf  Taf.  i,  Fig.  3  des  24.  Bds.  dieses  Journals.  Man  vergleiche  damit  die 
pathologische  Breite  des  Put  Taf.  44,  Fig.  i  und  Taf.  46,  Figg.  i  und  2  und 
seine  krankhafte  Schmalheit  Taf.  55,  Fig.  i  und  Taf.  57,  Fig.  1 1  Weiter  kaudal- 
wärts  nimmt  die  relative  Breite  von  Put  alhnählich  ab'  Aber  noch  in  der  kaudal- 
sten  Frontalebene  von  Ge  zeigt  das  normale  Put  die  Breite  der  Capsula  interna 
(Taf.  6,  Fig.  13  der  Ergänzungshefte  des  18.  Bds.  dieses  Journals).  Taf.  47,  Fig.  i 
bringt  dagegen  eine  pathologische  Breite  des  kaudalsten  Teils  von  Put, 

Neben  einem  Vergleich  der  Breite  von  Put  mit  derjenigen  von  Ci  scheint 
uns  eine  solche  zwischen  derjenigen  von  Put  und  der  von  Ge  +  Gi  angezeigt. 
In  der  Frontalebene  des  Übertritts  der  Commissura  anterior  von  der  einen  Seite 
auf  die  andere  zeigt  im  normalen  Gehirn  das  Pallidum  die  gleiche  Breite  (Taf.  2, 
Fig.  2  in  den  Ergänzungsheften  von  Bd.  18)  und  in  der  Frontalebene  der  Forel- 


wesentlich,  sich  in  die  Details  der  Abbildungen  hineinzuarbeiten.  Bezüglich  der  Abbildungen  sei 
noch  betont,  daß  sie  gänzlich  unretuschiert  sind,  soweit  nicht  das  Gegenteil  bei  der  Beschreibung 
gesa^  wird.  Bei  der  in  Betracht  kommenden  Retusche  handelt  es  sich  aber  auch  nur  um  eine  geringe 
Verstärkung  der  im  Negativ  dunklen  Criblüren.  Die  Retusche  hatte  bloß  den  Zweck,  die  in  dem  Ne- 
gativ weniger  hervortretenden  Kontraste  bis  zu  der  im  Präparat  vorhandenen  Intensität  zu  verstärken. 

23 


650  C.  UND  O.VOGT.  '"ISS'n^Ä'"* 

sehen  Faserung  X  die  doppelte  Breite  des  Put  (Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf.  45,  Fig.  18 
in  den  Ergänzungsheften  von  Bd.  18). 

Weiterhin  sei  darauf  hingewiesen,  daß  sich  auch  im  Putamen  ein  der  Cap- 
sula interna  benachbarter  Innenteil  mit  zahlreichen  Faserbündeln  von  einem 
dieser  mehr  entbehrenden,  etwa  ein  Dritteil  der  Gesamtbreite  einnehmenden 
Außenteil  unterscheiden  läßt.  Wir  verweisen  auf  die  schon  erwähnten  Abbil- 
dungen normaler  Putamina.  Es  muß  dabei  aber  hervorgehoben  werden,  daß 
bei  gut  gelungenen  Markfaserpräparaten  (die  meisten  Sammlungen  enthalten 
keine  genügend  gefärbten  Präparate)  sich  auch  im  Außenteil  des  Put  noch  ein 
dichtes  Fasernetz  markhaltiger  Fasern  vorfindet.  Taf.  yy^  Fig.  4  gibt  uns  cfine 
annähernde  Vorstellung  von  der  starken  Ausbildung  dieses  Filzes.  Dieser  un- 
gewöhnlich starke  Markfaserfilz  muß  zu  der  Annahme  führen,  daß  die  Achsen- 
zylinder wenigstens  der  meisten  Ganglienzellen  von  Nc  und  Put  von  einer 
Markscheide  beim  Erwachsenen  umgeben  sind.  Bezüglich  der  Faserbündel  des 
Innenteils  ist  noch  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  sie  im  normalen  Putamen 
in  dorsal- ventraler  Richtung  eine  gleichmäßige  Verteilung  zeigen  (vgl.  z.  B. 
Taf.  21,  Fig.  2 /!).  Es  sei  dann  weiter  erwähnt,  daß  in  einem  Silberpräparat 
eines  normalen  Put  die  Kapillaren  nicht  hervortreten  (Taf.  31,  Fig.  2).  End- 
lich möchten  wir  noch  darauf  hinweisen,  daß  uns  Taf,  2,  Fig.  4  und  Taf.  3,  Fig.  7 
in  den  Ergänzungsheften  von  Bd.  JA,  sowie  die  jetzige  Taf.  43,  Fig.  2  über  die 
normalen  Farbendifferenzen  zwischen  Ge-\-Gi  und  Put  im  Markfaserpräparat 
aufklären. 

Über  die  normale*  Größe  des  Pallidum  in  den  verschiedenen  Frontal- 
ebenen  orientieren  uns  außer  den  früher  von  uns  veröffentlichten  Abbildungen 
in  der  jetzigen  Arbeit  Taf.  43,  Fig.  2,  Taf.  44,  Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3.  In  der 
Frontalebene,  in  welcher  das  Pallidum  in  seiner  größten  Ausdehnung  getroffen 
ist,  ist  Ge  3 — 4  mal  hdher  als  breit  und  sind  Gil  +  Gim  ohne  LI  1V2 — 2  so  breit 
wie  Ge  (Taf.  44,  Fig.  2  und  Taf.  45,  Fig.  3,  sowie  in  den  Ergänzungsheften  von 
Bd.  18  Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf.  45,  Fig.  18).  Gil  ist  dabei  nur  wenig  schmäler  als 
Gitn.  Gil  ist  im  Markfaserbild  etwas  markhaltiger  als  Ge,  etwas  markärmer  als 
Gim.  Die  Zahl  der  Faserbündel  in  Ge,  Gil  und  Gim  nimmt  parallel  dem  Mark- 
reichtum zu.  Der  oralste  Teil  von  G^  ist  von  Faserbündeln  erfüllt,  welche  aus 
den  ganz  dünnen  strio-pallidären  und  wenigen  etwas  dickeren  strio-petalen  Fasern 
bestehen.  Zwischen  diesen  Bündeln  verzweigen  sich  dicke  Einzelfasern.  Taf.  43, 
Fig-  4  gJbt  uns  hiervon  ein  gutes  Bild.  In  kaudaleren  Schnitten  ist  der  dorsalste 
Teil  von  Ge  markärmer  als  das  übrige  Gebiet  von  Ge.  Das  gilt  in  schwächerem 
Maße  auch  von  Gil  und  in  noch  geringerem  Grade  ebenfalls  von  Gim.  Die  feinere 
Myeloarchitektonik  dieses  dorsalen  Teils  von  Ge  ist  bereits  von  C.  Vogt  in  den 
Ergänzungsheften  des  18,  Bds,  beschrieben  und  abgebildet  (S.  303  und  Er- 
gänzungsheft Taf.  4,  Fig.  9  sowie  Taf.  5,  Fig.  11).  Es  sei  noch  darauf  hingewiesen, 
daß  das  menschliche  Ge  in  diesen  myeloarchitektonischen  Verhältnissen  durch- 
aus mit  denjenigen  des  Cercopithecinengehirns  übereinstimmt,  diesem  gegenüber 
also  weder  eine  Weiter-,  noch  eine  Rückentwicklung  aufweist. 

Taf.  16,  Fig.  2  und  Taf.  26,  Fig.  8  bringen  normale  Corpora  Lu3rsi  (CL)  des 
Erwachsenen  in   ihrer  größten  Ausdehnung  auf  Frontalschnitten.    Der  Höhen- 
24 


I 

Er^^E^^^'s.       ^UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        65 1 


durchmesser  beträgt  in  diesen  Fällen  bei  achtfacher  Vergrößerung  unter  Aus- 
schluß der  Kapsel  25 — 26  mm.  Der  größte  von  uns  beobachtete  Höhendurch- 
messer (29  mm)  betraf  das  Gehirn  einer  an  Paralysis  agitans  leidenden  Frau 
(Taf.  64,  Fig.  6).  Derjenige  des  Taf.  44,  Fig.  5  abgebildeten  CL  eines  14  jährigen 
Knaben  beläuft  sich  auf  23  mm,  der  des  Taf .  4,  Fig.  2  und  Taf.  5,  Fig.  i  dar- 
gestellten CL  eines  5  Monate  alten  Kindes  auf  etwa  27  mm.  Es  erreicht  also 
CL  bereits  sehr  früh  seine  definitive  Größe. 

Bezüglich  des  Nucleus  ruber  verweisen  wir  auf  die  spätere  Beschreibung 
der  einzelnen  Fälle. 

Was  ferner  die  Forelschen  Bündel  H^  und  M^  anbelangt,  so  ist  das  letztere 
in  Frontalschnitten  am  stärksten  in  den  oralsten  Ebenen  des  Corpus  Luysi  [CL) 
entwickelt  (vgl.  Taf .  4,  Fig.  i!).  Dann  nimmt  es  schnell  im  Höhendurchmesser 
ab  (Taf.  4,  Fig.  2  und  Taf.  45,  Fig.  3),  um  schließlich  nur  noch  eine  dünne  dorsale 
Kapsel  des  Corpus  Luysi  zu  bilden.  H^  zeigt  seine  stärkste  Entwicklung  in  den 
oralsten  Ebenen  des  Nucleus  ruber  (Taf.  5,  Fig.  i).  Oraler  fließen  H^  und  H^ 
zusanmien  (H^  +  H^  in  Taf.  4,  Fig.  2;  Gegend  des  Nucleus  campi  Foreli  Ramöns). 
Man  sieht  in  Taf.  4,  Fig.  2  und  Taf.  5,  Fig.  i  sehr  gut  die  schon  oben  (S.  646) 
erwähnte  Ausstrahlung  der  //^-Fasern  in  den  Thalamuskern  vtl. 

Endlich  sei  darauf  hingewiesen,  daß  C.  Vogt  in  den  Ergänzungsheften 
des  18.  Bds.  dieses  Journals  Taf.  47,  Fig.  23  das  Faserbild  eines  normalen  Pes 
pedunculi,  Taf.  43,  Figg.  i  und  3  solche  von  normalen  Pyramiden  und  Taf.  43, 
F'gg-  5   uJ^d  8  solche  von  normalen   Brachia  conjunctiva   abgebildet  hat. 

b)  Zur  Cytoarchüektonik  des  Striatum,  des  Pallidum  und  des  Nucleus  sub- 

stantiae  innominatae. 

Tat  1,  Fig.  1  bringt  bei  5ofacher  Vergrößerung  das  Nisslbild  des  normalen 
Putamen.  Die  rechte  Hälfte  gibt  den  faserbündelarmen  Außenteil,  die  linke  Hälfte 
den  durch  das  Vorhandensein  von.  Faserbündeln  ausgezeichneten  Innenteil  desselben 
wieder.  Wir  sehen  das  Putamen  bei  dieser  Vergrößerung  gleichmäßig  durchsetzt  von 
kleinen  Ganglienzellen,  in  die  ganz  zerstreut  größere  Nervenzellen  eingelagert  sind. 
Der  Innenteil  zeigt  außerdem  in  weiten  Abständen  durch  die  reihenweise  angeordneten 
Gliakeme  erkennbare,  schmale  Faserstreifen.  Im  übrigen  treten  die  Gliakerne  im  Putamen 
vollständig  zurück. 

TaL  1,  Fig.  2  zeigt  im  äußersten  rechten  Abschnitt  noch  etwas  vom  Innenteil 
des  Putamen,  Wir  sehen  den  gleichen  Bau  wie  im  linken  Gebiet  der  vorigen  Abbildung: 
gleichmäßig  verteilte  kleine  Ganglienzellen,  vermengt  mit  einzelnen  größeren;  daneben 
einige  längs  getroffene  Faserbündel  mit  zahlreichen  Gliakernen,  während  diese  sonst 
im  Bilde  vollständig  zurücktreten.  Diese  Struktur  hört  nach  links  zu  plötzlich  auf 
und  macht  einem  durch  eine  ungleichmäßige  Verteilung  von  Gliakernen  und  das  stellen- 
weise Vorhandensein  von  einer  einzigen  Art  meist  spindelförmiger  Ganglienzellen 
ausgezeichneten,  schmalen  Streifen  Platz.  Es  handelt  sich  um  nichts  anderes  als  um 
die  Lamella  pallidi  externa  (Le).  An  diese  schließt  sich  dann  nach  links  das  den  Rest 
der  Abbildung  ausfüllende  Pallidum  externum  (Ge)  an.  Es  ist  ziemlich  reich  an  Glia- 
kernen und  zeigt  diese  in  ziemlich  gleichmäßiger  Verteilung.  Außerdem  sind  in  dem- 
selben —  teilweise  nesterförmig  —  die  schon  in  Le  beobachtete  Art  von  Ganglien- 
zeUen  vorhanden. 

TaL  2,  Pig.  1  bringt  bei  der  gleichen  50  fachen  Vergrößerung  ein  Stück  des 
normalen  Kopfes  des  Caudatum  (Nc).  Wir  sehen  hier  —  wie  C.  Vogt  es  früher  in 
ihren  ,,Consid^rations  genörales  etc."  von  dem  identisch  gebauten  Affen  bereits  ab- 

25 


<^52      ^}'''^_^^il "^w.^'iy 

gebildet  hat  —  einen  dem  Putamen  analogen  Bau,  d.  h.  gleichmäßig  verteilte  kleine 
Ganglienzellen  mit  einzelnen  eingelagerten  größeren  unter  starkem  Zurücktreten  der 
Gliakeme.  Die  kleineren  Nervenzellen  sind  aber  insgesamt,  wie  C.  Vogt  schon  früher 
hervorgehoben  hat,  deutlich  etwas  größer  als  die  des  Putamen.  Bezüglich  des  Ependym- 
streifens  und  des  subependymären  Gebietes  vergleiche  die  auf  die  Beschreibung  von 
Taf.  2,  Fig.  3  folgende  der  Taf.  58,  Fig.  3! 

Tal.  2,  Fig.  2  gibt  uns  ein  Bild  von  der  Architektonik  des  Pallidum  internum  (Gt). 
Vom  Pallidum  externum  ist  dasselbe  dadurch  unterschieden,  daß  die  Ganglienzellen 
deutlich  ein  etwas  größeres  Volumen  zeigen.  Die  in  dieser  Abbildung  vorhandene 
geringere  Zahl  von  Gliazellen  ist  ein  weniger  typischer  Befund. 

TaL  2,  Fig.  3  bringt  den  ventralsten  Teil  des  Lentiforme  mit  der  die  dorsalste 
Etage  der  Substantia  innominata  (Sin)  bildenden  Linsemkernschlinge  (AI)  und  dem 
ventral  sich  anschließenden  Nucleus  substantiae  innominatae  (NSin),  Wir  sehen, 
wie  dieser  durch  zahlreiche  multiforme  Ganglienzellen  charakterisiert  ist,  deren  Zell- 
leib an  Größe  denjenigen  der  Ganglienzellen  des  Striatum  und  des  Pallidum  beträcht- 
lich übertrifft.  Rechts  unten  begegnen  wir  in  der  Abbildung  einem  kleinen  Abschnitt 
des  Putamen  (Put).  Er  zeigt  den  früher  bereits  geschilderten  charakteristischen  Bau. 
Durch  Le  geschieden,  stößt  dann  links  und  dorsal  der  ventralste  Teil  des  Pallidum 
externum  (Ge)  an  ihn  an.  Auch  dieser  zeigt  den  schon  aus  der  Beschreibung  der  Taf.  i, 
Fig.  2  bekannten  Bau.  Die  Lamella  pallidi  interna  (Li)  trennt  das  Pallidum  externum 
von  einem  den  linken  oberen  Zipfel  der  Figur  ausfüllenden  Abschnitt  des  Pallidum 
internum.  Der  bei  der  Beschreibung  der  Taf.  2,  Fig.  2  hervorgehobene  Unterschied 
von  Gi  gegenüber  Ge  (etwas  geringere  Zahl  von  Neurogliakemen  und  deutlich  größeres 
Volumen  der  Ganglienzellen)  gilt  auch  für  diesen  ventralen  Teil  von  Gi,  tritt  aber 
nicht  so  deutlich  hervor  wie  in  den  aorsaleren  Partien.  Außerdem  zeigt  die  Abbildung 
noch  bei  G  ein  Nest  kleinerer  Ganglienzellen. 

TaL  58,  Fig.  3  bringt  einen  Schnitt  durch  den  Aüßenteil  des  Caudatum.  Zu  äußerst 
begegnen  wir  dem  uns  schon  aus  dem  (S.  649)  erwähnten  Markfaserbild  der  Fig.  i  der 
Taf.  77  bekannten  Ependymstreifen.  Er  tritt  uns  hier  als  einschichtiges  Epithel  ent- 
gegen. Darauf  folgt  eine  der  Nervenzellen  ganz  entbehrende  und  nur  spärliche  Neuro- 
gliakerne  enthaltende  äußere  Hälfte  der  marklosen  Zone.  Nach  innen  schließt  sich  ihr 
die  an  Gliazellen  reiche  Innenhälfte  dieser  Zone  an.  Dann  folgt  ein  an  Zellen  sehr  armes, 
aber  unter  ihnen  Nervenzellen  enthaltendes  Gebiet,  die  äußere  Unterabteilung 
des  Tangentialstreifens.  Eine  gewisse  Zunahme  der  Nervenzellen  markiert  im  Zell- 
bild die  innere  Unterabteilung  dieses  Streifens.  Ein  ziemlich  breites,  noch  deutlich 
zellärmeres  Gebiet  bildet  dann  den  Übergang  zu  dem  zelldichteren  Hauptgebiet  des 
Außenteils  des  Caudatum. 

Die  eben  gegebenen  Beschreibungen  einer  Reihe  von  Zellbildern  lassen 
sich  folgendermaßen  zusammenfassen. 

Das  Caudatum  ist  von  einem,  aus  einem  einschichtigen  Epithel  gebildeten 
Ependymstreifen  bedeckt.  Das  auf  ihn  folgende  subependymäre  Gebiet  zerfällt 
in  die  sich  aus  einer  wenige  Gliazellen  enthaltenden  äußeren  und  einer  zahl- 
reiche aufweisenden  inneren  Unterabteilung  zusammensetzenden  marklose 
Zone  und  den  wenige  Ganglienzellen  enthaltenden,  ebenfalls  in  eine  zellärmere 
und  eine  zellreichere  Unterschicht  teilbaren  Tangentialstreifen.  Ein  immerhin 
noch  zellarmes  Übefgangsgebiet  stellt  die  Vermittlung  zum  Rest  des  Caudatum 
dar.  Dieser  und  das  Putamen  enthält  sehr  zahlreiche  kleine  und  eingestreute 
größiere  Ganglienzellen.  In  Teilen  des  Caput  caudati  sind  dte  kleinen  Zellen 
etwas  größer.  Sonst  besteht  zwischen  der  Cytoarchitektonik  von  Caudatum 
und  Putamen  kein  Unterschied. 

Das  Pallidum  zeigt  einen  ganz  anderen  Bau,  indem  es  —  für  unser  jetziges 
26 


Bd.  tb,  1020, 


S. 


ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS. 


653 


Unterscheidungsvermögen  —  nur  eine  Sorte  von  Ganglienzellen  enthält.  Diese 
sind  meist  spindelförmig.  Die  Lamella  externa^  interna  und  accessoria  enthalten 
die  gleichen  Zellen. 

Der  Nucleus  stibstantiae  innominatae  besteht  aus  größeren  und  oft  multi- 
polaren Ganglienzellen. 

c)  Zur  Histologie  der  Nervenzellen  des  Striatum  und  Pallidum. 

Von  sehr  großer  Wichtigkeit  sind  nun  noch  feinere  histologische  Diffe- 
renzen, welche  Bielschowsky  zwischen  den  großen  Ganglienzellen  des 
Striatum  und  den  Nervenzellen  des  Pallidum  aufgedeckt  hat. 

Die  großen  Nervenzellen  des  Striatum  zeigen  auch  im  Bielschowskybild 
keine  Besonderheiten  (Nisslbilder  der  Striatum-  und  Pallidumzellen  bei  stärkerer 
Vergrößerung  finden  sich  dieses  Journal  Bd.  25,  Taf.  i,   Figg.  2 — 4).     Ebenso 


Fig.  3. 

entbehren  sie  wie  die  meisten  Zellen  der  Hirnrinde  jeder  besonderen  Kontakt- 

foimation  der  an  die  Oberfläche  ihres  Zellleibs  und  ihrer  Dendriten  herantretenden 

Endbäume  anderer  Neurone. 

Die  Zellen  des  Pallidum  sind  dagegen  durch  Protoplasmafortsätze  von  einzig 

dastehender  Länge  ausgezeichnet,  so  daß  Koelliker  diese  Zellen  als  Strahlen- 

Zellen  benannt  hat.     Der  Zellkörper  wie  die  langen  Dendriten  sind  ferner  von 

6senförniigen  Endkörperchen  in  ganz  ungewöhnlich  dichter  Anordnung  bedeckt. 

Endlich  zeigen  besonders  günstige  Gliafärbungen,  daß  der  Zelleib  und  vor  allem 

27 


6S4 


C.  UND  0.  VOGT. 


die  Dendriten  von  einem  anderswo  so  nicht  in  Erscheinung  tretenden  „Plasma- 
mantel gliogener  Herkunft"  umkleidet  sind.  Die  der  Bielschowskyschen 
Arbeit  entnommene  Textfig.  3  zeigt  links  oben  die  Endknöpfe  und  rechts  unten 
den  Plasmamantel  der  Dendriten  (D). 

Hunt  hat  1916  die  p'oßen  Zellen  des  Striaium,  die  Slraklemsellen  d^  PaUidum 
und  die  Zellen  des  Nucleus  suhstantiae  innominalae  miteinander  identifiziert 
und  darauf  einen  pathophysiologischen  Erklärungsversuch  für  die  verschiedenen 
Krankheitsbilder  der  Erkrankungen  des  Striatum  und  des  Pallidum  aufgebaut. 
Nach  unseren  Ausführungen  müssen  wir  zu  unserem  Bedauern  die  anatomische 
Grundauffassung  Hunts  als  eine  unrichtige  bezeichnen. 


d)  Zur  Synaptologie  der  Neurone  des  Striaium. 
Marchi,   J.  und  A.  D^jerine,   P.  Ram6n  und  andere  sind  bemüht  ge- 
wesen, mit  Hilfe  der  G  o  1  gi  -Methode  die  synaptologischen  Verhältnisse  im  Striatum 
aufzudecken.    Textfig.  4  bringt  das  Ergebnis  der  Studien  Ramöns,    Bei  A,  D, 


22;2l^Ä  a       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        65  S 


8. 


E  und  F  haben  wir  Zellen  mit  kleinem  Zelleib,  vielen  Dendriten  und  kurzem 
Axon.  Es  ist  wohl  nicht  zu  gewagt,  diese  Zellen  mit  den  kleinen  Ganglienzellen 
des  erwachsenen  Striatum  zu  identifizieren.  Bei  B  und  C  sind  Zellen  zur  Ab- 
bildung gelangt,  welche  durch  einen  größeren  Zelleib,  weniger  Dendriten  und 
einen  längeren  Achsenzylinder  ausgezeichnet  sind.  Wir  sind  unserer  Ansicht 
nach  berechtigt,  sie  mit' den  großen  Ganglienzellen  des  erwachsenen  Striatum  zu 
identifizieren.  Während  die  Achsenzylinder  der  kurzaxonigen  Zellen  sich  inner- 
halb eines  engumschriebenen  Bezirks  des  Striatum  aufsplittern,  dürften  unter 
den  großen  Ganglienzellen  kleinere,  wie  B  in  Textf ig.  4,  existieren,  deren  Achsen- 
zylinder in  entfernteren  Teilen  des  Striatum  endigen,  und  größere  —  wie  C  in 
Textfig.  4  — ,  welche  den  Ursprung  für  die  striopallidären  Fasern  (9  in  Text- 
figg.  I  und  2)  bilden.  Der  ganze  Leitungsmechanismus  gestaltet  sich  dann  wohl 
so,  daß  die  striopetalen  Fasern  in  der  Umgebung  der  kurzaxonigen  und  der 
kleineren  langaxonigen  Zellen  endigen,  diese  beiden  Gruppen  von  Zellen  dann 
auf  die  größeren  langaxonigen  Zellen  einwirken  und  letztere  endlich  die  Erregung 
auf  die  Fallidumzellen  übertragen.  Bei  der  sehr  großen  Zahl  der  von  den  kurz- 
axonigen und  den  kleineren  langaxonigen  Zellen  gebildeten  Schaltzellen  erweist 
sich  das  Striatum  gegenüber  dem  Pallidum  als  ein  kompliziert  gebautes  Regu- 
lationsorgan. Es  ist  ims  nicht  verständlich,  warum  Spiegel  sich  noch  jüngst 
gegenüber  dieser  schon  von  C.  Vogt  191 1  ausgesprochenen  Auffassung  so  reser- 
viert verhält,  zumal  die  von  ihm  geforderte  klinische  Stütze  schon  der  damaligen 
Auffassung  C.  Vogts  zugrunde  lag.  Wie  wir  bereits  in  unserem  Aufsatz  „Zur 
Kenntnis  usw.**  ausgeführt  haben,  haben  wir  dabei  die  Neigung,  den  striopalli- 
dären Neuronen  nicht  nur  eine  klinisch  mehr  in  die  Augen  tretende  Denervations-, 
sondern  auch  eine  Innervationsfunktion  zuzuschreiben.  Ob  aber  die  Träger 
dieser  beiden  Funktionen  einen  verschiedenen  Bau  und  eine  ungleiche  Endigungs- 
weise  oder  vielleicht  nur  das  letztere  haben,  entzieht  sich  zurzeit  noch  voll- 
ständig  unserer  Kenntnis. 

e)  Zur  Myelogenie  des  striären  Systems. 

Die  myelogenetische  Methode  ist  nach  unseren  Feststellungen  (1902,  S.  120) 
sehr  wenig  geeignet,  Faserzusammenhänge  mit  Sicherheit  aufzudecken.  Wir 
haben  diese  Methode  deshalb  auch  nur  ganz  nebenbei  in  dieser  Richtung  ver- 
wendet. Von  Bedeutung  scheint  uns  aber  die  Tatsache  zu  sein,  daß  zwischen  der 
Markreifung  der  einzelnen  Bestandteile  des  striären  Systems  sehr  starke  zeit- 
liche Differenzen  bestehen.  Auf  diese,  schon  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kennt- 
nis usw.**  kurz  gestreifte  Tatsache  möchten  wir  im  folgenden  auf  Grundlage 
bestimmter  Belege  zurückkommen. 

Auf  Taf.  7  des  Ergänzungsheftes  des  12,  Bds.  dieses  Journals  hat  C.  Vogt 
frOher  vier  Abbildungen  von  Horizontalschnitten  eines  neugeborenen  Kindes 
gebracht.  Es  ergab  sich  hier  bereits  eine  sehr  starke  Markreifung  im  Pallidum^ 
vor  allem  in  Gm,  im  Corpus  Luysi  (CL),  in  den  Feldern  //*,  //^  und  ihrer  Ver- 
bindung //^+//*.  Dagegen  erschien  Put  (vgl.  Fig.  23 !)  bei  der  abgebildeten  zehn- 
fachen Vergrößerung  noch  vollständig  marklos.  Erst  bei  wesentlich  stärkerer  Ver- 
größerung erkennt  man  einzelne  markhaltige  Fasern  in  den  Bündeln  des  Striatum. 

29 


656 C.  UND  0.  VOGT. '"'S^NeSay* 

Wie  nun  aus  den  jetzt  zur  Beschreibung  gelangenden  6  Abbildungen  von 
Frontalschnitten  durch  die  Bestandteile  des  striären  Systems  eines  fünf  Monate 
alten  Kindes  hervorgeht,  tritt  uns  dieser  myelogenetische  Gegensatz  auch  noch 
sehr  schroff  in  diesem  Alter  entgegen. 

TaL  8,  Fig.  1.  Nc  läßt  erst  bei  wesentlich  stärkerer  Vergrößerung  in  seinen 
Bündeln  einzelne  Markfasem  erkennen.  Dieselben  entsprechen  den  dicken  Fasern 
des  erwachsenen  Nc.  Auch  in  den  zwischen  Put  und  Ge  verlaufenden  Bündeln  sind 
die  feinen  Facsem,  welche  dip  Hauptmasse  dieser  Bündel  bei  dem  Erwachsenen  bilden, 
noch  marklos.  Nur  die  viel  weniger  zahlreichen  dicken  Fasern  dieser  Bündel  haben 
sich  bereits  mit  Mark  umhüllt.  In  Le  und  Ge  sind  in  der  gegenwärtigen  Figur  ebenfalls 
nur  die  dicken  Fasern  des  erwachsenen  Gehirns  markhaltig.  Bei  stärkerer  Vergrößerung 
sieht  man  einen  Teil  der  Fasern  von  Le  in  Ge  hineinziehen,  hier  bald  einen  ventral- 
dorsalen Verlauf  einschlagen  und  sich  dann  verlieren.  Einen  weiteren  Zufluß  an  bereits 
markhaltigen  Fasern  erhäjt  Ge  aus  der  Regio  fibrarum  pallidi  extemi  (JGe),  In  dieser 
Regio  bilden  die  Ge  zustrebenden  Fasern  Bündel,  um  dann  bald  nach  ihrem  Eintritt 
in  Ge  sich  in  wiederum  vornehmlich  ventral-dorsal  verlaufende  Einzelfasem  aufzulösen. 
Ein  dritter  Teil  der  bereits  matkhaltigen  Fasern  von  Ge  stammt  aus  Li,  Sie  bilden 
im  Anfang,  namentlich  im  ventralen  Abschnitt,  in  medial-lateraler  Richtung  ziehende 
Bündel,  um  sich  dann  auch  bald  in  Einzelfasem  zu  zerteilen  und  dabei  ebenfalls  im 
wesentlichen  einen  ventral-dorsalen  Verlauf  einzuschlagen.  Der  dorsalste  Teil  von 
Ge  ist  am  ärmsten  an  derartigen  Markfasern.  Am  zweitärmsten  ist  der  äußerste  Teil 
des  übrigen  Ge.  Die  bereits  stark  markhaltige  Li  trennt  Ge  von  Gi.  In  Gi  scheidet 
in  der  ventralen  Hälfte  La  ein  Gil  von  Gim.  Die  Trennung  erhält  sich  auch  weiter 
dorsal  in  dieser  Figur  dadurch,  daß  Gim  markhaltiger  ist  als  Gil.  Dabei  zeigen  beide 
Abschnitte  schon  den  für  den  Erwachsenen  charakteristischen  Bau,  d.  h.  die  Zusammen- 
setzung aus  einzelnep  mehr  oder  weniger  lateral-medial  verlaufenden  Faserbündeln 
und  zwischen  ihnen  sich  verzweigenden  Einzelfasem.  Li  und  La  setzen  sich  ventral- 
wärts  in  ^/  fort.  AI  geht  ihrerseits  medial wärts  in  die  weiter  dorsal  Gim  begrenzende 
dreieckige  dunkle  Fasermasse  über,  welche  neben  dem  Faserzuwachs  aus  A  l  direkten 
Faserzufluß  aus  Giw  und  der  Gi  dorsomedial  begrenzenden  Lamelle  (Lid)  erhält.  Wir 
bezeichnen  diese  Fasermasse  als  H*+LL  Der  Grund  wird  aus  den  folgenden  Figuren 
hervorgehen.  Zum  striären  System  gehört  endlich  noch  der  mit  X  bezeichnete  feine 
Ausläufer  jenes  Teiles  des  Fo reischen  Feldes  H^,  der  zum  Tuber  cinereum  in  Be- 
ziehung steht.     Von  den  übrigen  Bezeichnungen  bedeutet: 

Ca  =  Commissura  anterior, 

Ci  =  Capsula  interna,  deren  ventraler,  aus  dem  Stirnhim  stammender,   noch 
markloser  Abschnitt  als  a  bezeichnet  ist, 

CM  =  Commissura  Meynerti, 

Ft  =  die  noch  in  dieser  Ebene  marklose  Pars  tmncalis  fornicis, 

Jnvs  =  die    Pars    superior    des    Stratum     ventrale     substantiae     innominatae 
(3.  Meynertsche  Schicht  der  Substantia  innominata), 

Jnvi  =  die  Pars  inferior  dieses  Stratum  (4.  Meynertsche  Schicht), 

Sg  =  Stratum  griseum  substantiae  innominatae,  d.  h.  2.  Meynertsche  Schicht 
oder  Gegend  des  Nucleus  substantiae  innominatae  (NSin), 

Tth   =   Stria  thalami, 

11  =  Tractus  opticus. 

Taf.  8,  Pig.  2.  Nc  und  der  abgebildete  Teil  von  Put  zeigen  die  gleichen  Ver- 
hältnisse wie  in  der  vorigen  Figur.  Dasselbe  gilt  von  Ge,  Gil  +  Gim,  Le,  Li,  La  und 
Lid.  AI  ist  stärker  geworden.  Zwischen  LI  und  H^  ist  eine  gewisse  Trennung  eingetreten. 
Das  Bündel  X  erscheint  hier  in  wesentlich  stärkerer  Form  und  schon  in  Faseraustausch 
mit  H^.  Die  Pars  truncalis  des  Fornix  (Ft)  ist  in  diesem  Schnitt  markhaltig.  In  Cm 
ist  zum  erstenmal  das  Corpus  mammillare,  in  aa  C.  Vogts  Nucleus  anterior  principalis 
thalami  angeschnitten.     Der  ventrale,  markarme,  aus  dem  Frontallappen  stammende 

30 


gj^^i^gSS  j.     ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.  65  7 

und  kaudaler  in  die  Pars  interna  des  Pes  pedunculi  (Pt)  übergehende  Teil  cc  von  C 
ist  weiter  ventralwärts  gerückt.  Die  sonst  nicht  erwähnten  Bezeichnungen  sind  die- 
selben wie  in  der  vorigen  Figur. 

TaL  4,  Fig.  1.  Die  Capsula  externa  (Ce)  enthält  bereits  eine  Reihe  markhaltiger 
Fasern.  Ein  Teil  dieser  verliert  sich  in  die  Außenschicht-  von  Put,  Form  und  relative 
Größe  von  Pui  sind  schon  diejenigen  erwachsener  Gehirne.  In  den  aus  Ge  in  Put  ver- 
folgbaren Faserbündeln  sind  auch  hier  nur  die  dicken  Einzelfasem  des  erwachsenen  Ge- 
hirns markhaltig.  Ge  +  Gi  zeigen  ebenfalls  in  dieser  Schnittebene  unter  sich  und  gegen- 
über ihrer  Umgebung  bereits  die  definitiven  Größenverhältnisse.  In  Ge  kann  man 
einen  ausgesprochen  faserarmen  dorsalsten  und  einen  kleinen  ziemlich  faserarmen 
ventralsten  Abschnitt  vom  Hauptteil  abtrennen.  Dieser  zeigt  hier  —  wie  in  älteren 
Gehirnen  (vgl.  z.  B.  Taf .  44,  Fig.  3!)  —  keine  weitere  etagenförmige  Gliederung.  Da- 
gegen kann  man  deutlicher  als  in  späteren  Entwickelungsstadien  von  innen  nach  außen 
drei  Abschnitte  unterscheiden.  Das  innerste  Drittel  enthält  zahlreiche  aus  Li  in  medial- 
lateraler Richtung  in  dasselbe  eintretende  Bündel.  Diese  Fasern  biegen  dann  im  mittleren 
Dritteil  in  eine  ventral-dorsale  Richtung  um  und  verschwinden  darauf  bald.  Das  äußere 
Dritteil  ist  faserarm.  Gt  zeigt  jenen  ganz  anders  gearteten  Bau,  wie  er  schon  aus  Taf.  3 
hervorging  und  auch  für  das  erwachsene  Gehirn  charakteristisch  bleibt.  Dieser  Kern 
ist  von  lateral-medial  verlaufenden  Bündeln  durchsetzt,  in  deren  Zwischenräumen 
sich  Einzelfasem  verzweigen.  Der  dorsalste  Teil  von  Gi  enthält  markdünnere  Faser- 
bändel. Außerdem  ist  der  ventralste  Teil  von  Gim  dadurch  ausgezeichnet,  daß  die 
Faserbündel  schräg  getroffen  sind.  fGe  hat  sich  gegenüber  Taf.  3,  Fig.  2  stark  ver- 
schmälert, Le,  Li,  La,  AI  und  Lid  zeigen  keine  wesentliche  Veränderung.  Dagegen 
ist  CS  durch  das  Hinunterrücken  der  Fasern  der  Capsula  interna  (a)  in  den  Pes  pedunculi 
(Pt)  za  einer  klaren  Trennung  der  stark  verschmälerten  LI  von  H^  gekommen.  Dabei 
sieht  man  deutlich  Fasern  aus  LI  durch  den  ventralen  Teil  der  Capsula  interna  nach  H^ 
ziehen.  Ventral  davon  sieht  man  die  von  LI  in  den  oralsten  Teil  des  jetzt  zum  ersten- 
mal angeschnittenen  Corpus  Luysi  (CL)  ziehenden  Fasern  mehr  oder  weniger  quer 
getroffen. 

DF  bedeutet  die  Decussatio  Foreli  und  stellt  in  diesem  Schnitt  noch  sehr  mark- 
arme  Commissurfasern  zwischen  den  beiden  CL  dar. 

Sn  bildet  die  hier  zum  erstenmal  angeschnittene  Substantia  nigra. 

VA  bezeichnet  den  in  dieser  Schnittebene  noch  ganz  marklosen  Tractus  Vicq 
d'Azyri. 

Zi  =  Zona  incerta  Forels. 

/  =  dorsaler  Teil  des  Fore Ischen  lateralen  Thalamuskerns. 

ma  =  Forels  medialer  Thalamuskern. 

vtl  und  vtm  =  oralster  Teil  des  ventralen  Abschnitts  von  Forels  lateralem 
Thalamuskern  (Homologa   von  C.  Vogts  vtl  und  vtm  des  Cercopithecidengehirns). 

TaL  4,  Hg.  2«  Ce  zeigt  die  gleichen  Verhältnisse  wie  in  der  vorigen  Figur.  Put 
ist  dagegen  etwas  verschmälert,  ohne  andere  Abweichungen  aufzuw«isen.  Auch  Ge 
-i-Gi  zeigen  eine  leichte  Abnahme  des  Breitendurchmessers.  Der  dorsale  markarme 
Teil  von  Ge  hat  sich  vergrößert.  Ein  kleiner  ventralster  Abschnitt  zeichnet  sich  auch 
in  dieser  Abbildung  gegenüber  dem  Rest  von  Ge  durch  eine  leichte  Faserabnahme  aus. 
Der  mittlere  Hauptteil  von  Ge  läßt  nicht  mehr  die  scharfe  Dreigliedenmg  der  vorigen 
Figur  erkennen;  insbesondere  ist  das  äußere  Drittel  faserreicher  geworden.  Der  faser- 
ännere  Dorsalteil  von  Gi  hat  ebenfalls  an  Ausdehnung  gewonnen.  Im  übrigen  ist  Gim 
hier  im  wesentlichen  durch  einen  etwas  größeren  Faserreichtum  von  Gil  verschieden. 
Alle  bei  den  früheren  Beschreibungen  erwähnten,  das  Pallidum  entweder  umgrenzen- 
den oder  dasselbe  gliedernden  Lamellen  sind  faserärmer  geworden.  Sehr  deutlich  sieht 
man  von  LI  die  Fasern  durch  die  Capsula  interna  nach  H^  ziehen.  H^  selbst  ist  wesent- 
Hdi  verschmälert  unter  gleichzeitiger  deutlicherer  Ausbildung  von  Zi.  Weiter  medial 
sehen  wir  dann  H^  in  eine  stark  angeschwollene  Fasermasse  übergehen.  Der  dorsale 
Teil  gehört  zu  Forels  Bündel  H^,  der  ventrale  bildet  die  Faser  Verbindung  zwischen 

3' 


6S8 C.  UND  0.  VOGT. '°3'ji-.^iS^'?^ 

H^  und  H^,  Von  H^  sehen  wir  jetzt  deutliche  Faserbündel  in  die  laterale  Hälfte  des 
ventralen  Dritteils  von  Forels  lateralem  Thalamuskem  ziehen,  d.  h.  in  C.  Vogts  vtl. 
Es  sei  noch  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  C.Vogts  vtl+vim  nicht  wesentlich 
an  Breite  dem  mit  /  bezeichneten  dorsalen  Teil  von  Forels  lateralem  Thalamuskem 
nachsteht.  CL  zeigt  hier  seinen  größten  dorsal-ventralen  Durchmesser.  Er  beträgt 
—  wie  schon  oben  erwähnt  —  etwa  27  mm.  Die  aus  LI  durch  die  Capsula  interna  ihm 
und  seiner  Kapsel  zustrebenden  Fasern  sind  auch  in  dieser  Abbildung,  vollständig 
quer  getroffen.  In  INr  ist  zum  ersten  Male  der  oralste  Teil  der  lateralen  Faserkapsel 
des  Nucleus  ruber  getroffen. 

TaL  6,  Fig.  1.  Ce  und  Put  bieten  keine  nennenswerte  Veränderung  dar.  Das- 
selbe gilt  von  Ge.  Nur  haben  sich  die  Faserbündel  des  inneren  Dritteils  so  verdichtet, 
daß  sie  schwer  von  Li  zu  trennen  sind  und  so  an  dieser  Stelle  eine  scheinbare  Ver- 
breiterung von  Li  zustande  kommt.  Gi  hat  sich  etwas  verkleinert,  zeigt  aber  sonst 
die  in  der  vorigen  Figur  festgestellten  Eigentümlichkeiten.  Nur  ist  La  rudimentärer 
und  LI  noch  schmäler  geworden.  Man  sieht  auch  hier  noch  deutlich  Fasern  aus  LI 
durch  die  innere  Kapsel  in  H^  hineinziehen.  H^  selbst  ist  weiter  in  seinem  Volumen 
verringert  und  nunmehr  von  H^  vollständig  getrennt.  Von  H^  ziehen  hier  wie  in  der 
vorigen  Figur  dicke  Faserbündel  in  vtL  vtl  +  vtm  sind  auch  hier  nicht  wesentlich 
schmäler  als  der  weiter  dorsal  gelegene  Teil  von  Forels  lateralem  Thalamuskem. 
CL  beginnt  schon  etwas  im  dorsal-ventralen  Durchmesser  abzunehmen.  Die  quer 
getroffene  Faserverbindung  zwischen  CL  und  LI  durch  die  Capsula  interna  hindurch 
besteht  auch  hier.  Vom  Nucleus  ruber  (Nr)  ist  nunmehr  der  oralste  Teil  getroffen. 
Dabei  kann  auch  jetzt  von  keinem  stärkeren  Faseraustausch  zwischen  H^  und  H^ 
einerseits  und  INr  andererseits  die  Rede  sein. 

Taf,  6,  Pig.  2.  Ce  zeigt  in  den  dorsalen  Teilen  gegen  früher  eine  starke  Verbreiterang. 
Der  ventrale  Teil  von  Put  ist  verschwunden.  An  seine  Stelle  ist  jetzt  eine  Fasermasse 
getreten,  die  zum  Teil  die  orale  Fortsetzung  des  Stratum  posterius  externum  (e  — 
Fasciculus  longitudinalis  inferior)  darstellt.  Den  jetzt  ventralsten  Teil  von  Put  sehen  wir 
von  Fasern  (/  7*^)  durchsetzt,  welche  zur  Markfaserung  des  Gyrus  temporalis  superior  in 
Beziehung  stehen.  Auch  das  Pallidum  ist  verkürzt,  indem  jetzt  zwischen  dem  Tractus 
opticus  (//)  und  dem  Pallidum  der  zum  Teil  Fasern  des  Türckschen  Bündels  enthaltende 
Campus  Amoldi  {Ä)  gelegen  ist.  Vom  Pallidum  ist  außerdem  nur  noch  Ge  in  ver- 
schmälerter Form  vorhanden.  Der  äußere  markarme  Teil  entspricht  dem  mittleren 
und  äußeren  Längsdrittel  früherer  Abbildungen.  Der  innere  markhaltige,  mit  Li  be- 
zeichnete Teil  ist  mit  der  Lamella  interna  und  dem  inneren,  aus  Li  stammende  Mark- 
fasem  enthaltenden  Längsdrittel  von  Ge  früherer  Abbildungen  identisch.  Vom  Palli- 
dum intemum  ist  nur  noch  der  dasselbe  kaudal  begrenzende  Abschnitt  der  Lamella 
limitans  {LJ)  übrig  geblieben.  Das  Corpus  Luysi  {CL)  ist  auf  eine  kleine,  sehr  mark- 
haltige Fasermasse  reduziert.  Das  Präparat  gewährt  den  Eindruck,  daß  die  mit  X  be- 
zeichnete Fasermasse  in  engerer  Beziehung  zu  CL  steht.  Der  Nucleus  ruber  (Nr)  ist 
hier  in  seiner  größten  Ausdehnung  getroffen  und  zeigt  uns  damit,  welches  Volumen  er 
bei  einem  5  Monate  alten  Kinde  einnimmt. 

TM  =  Tractus   Meynerti. 

w«,  mb,  va^  und  vh  stellen   Homologa  der  entsprechenden,   von  C.  Vogt  beim 
Affen  unterschiedenen  Thalamuskerne  dar. 

Wir  sehen  einerseits  aus  der  oben  erwähnten  Taf.  7  des  Ergänzungsheftes 
des  12.  Bds.  dieses  Journals,  daß  die  Fasersysteme  zwischen  Thalamus  +  Hypo- 
thalamus und  Pallidum  zu  einem  großen  Teil  bereits  bei  dem  Neugeborenen 
markreif  sind.  Andererseits  lehren  uns  die  eben  beschriebenen  Abbildungen 
—  neben  anderen  Details  —  die  Tatsache,  daß  die  striopallidäre  Faserung  (9  in 
Textfig.  i)  selbst  noch  bei  dem  fünf  Monate  alten  Kinde  marklos  ist.  Bei  aller 
Bekämpfung  der  Auffassung,  daß  der  Beginn  der  Markreifung  denjenigen  der 
32 


'^tJ^JSSt  ^      ^UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIAREN  SYSTEMS.  659 


Funktion  anzeige,  scheint  uns  doch  diese  große  Differenz  in  der  Markreifung 
darauf  hinzuweisen,  daß  das  neugeborene  Kind  eine  Zeitlang  durch  das  Striatum 
nicht  beeinflußte  Pallidumbewegungen  ausführt.  Wir  haben  schon  in  unserem 
Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.**  darauf  hingewiesen,  daß  sich  so  die  Ähnlichkeit 
zwischen  der  Motilität  des  kleinen  Kindes  und  den  bei  Erkrankungen  des  Stria- 
tum auftretenden  Muskelspasmen,  Mitbewegungen,  choreatischen,  sowie  atheto- 
tischen  Spontanbewegungen  und  Pulsionen  durch  den  ursprünglichen  oder 
sekundären  Fortfall  der  Funktion  des  strio-pallidären  Systems  erklärt.  Wir 
werden  in  unseren  Schlußbetiachtungen  noch  einmal  auf  diesen  Punkt  zurück- 
kommen. 


)      JoarAal  f.  Ptfchologie  und  Neurologie.    Bd.  ay    Krgll.  3 


33 


66o  C.  UND  O.VOGT.  '        ""^  ».Xt"* 


I.  Fülle  von  Etat  marbr^ 

A.  Beschreibung  der  einzelnen  Fälle. 

Wir  gehen  in  folgendem  zunächst  näher  auf  die  beiden  Fälle  Barrys  ein, 
welche  C.Vogt  in  ihren  ,, Quelques  consid6rations  gÄi6rales  etc.**  schon  be- 
rücksichtigt hat.  Darauf  folgen  die  beiden  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw." 
bereits  erwähnten  Beobachtungen  Gallus'  und  Freunds.  Wir  fügen  dann 
noch  einen  neuen  Fall  hinzu. 

C,  Vogt  hatte  zunächst  die  Absicht,  die  eingehende  DarsteUung  der  beiden 
Barr6schen  Fälle  zusammen  mit  Herrn  Barr6  zu  veröffentlichen.  Da  ein  Zusammen- 
arbeiten aber  auch  jetzt  noch  wohl  für  längere  Zeit  unmöglich  sein  wird,  erlauben  wir 
uns,  unsere  anatomischen  Befunde  in  der  gegenwärtigen  Arbeit  zu  veröffentlichen. 
Dem  einen  der  beiden  Fälle  fügen  wir  einige  klinische  Notizen  hinzu,  welche  wir 
Herrn  Barr 6  verdanken.  Die  klinische  Beschreibung  des  anderen  Falles  sowie  die 
eingehende  klinische  Würdigung  beider  Beobachtungen  überlassen  wir  Herrn  Barr 6. 

1.  Barriicher  Pall  Jacqnel.  {Bi  34), 

A,  Klinische  Notizen. 

Jacquel.,  mort  ä  59  ans  ä  Bicetre. 

Ath6tose  double. 

Ant6c6dents : 

P^re  mort  alcoolique;  m^re  de  vieillesse.  Ils  ^taient  six  enfants.  II  ^tait  Tainö; 
le  deuxi^me  avait  des  mouvements  involontaires  des  mains.  Parmi  les  autres 
enfants,  deux  sont  morts  d'affections  varides,  deux  sont  bien  portants. 

Le  malade  prötend  n'avoir  jamais  rien  eu  d'important  en  dehors  d'une  legere 
blennorrhagie,  en  plus  de  sa  maladie  nerveuse. 

Le  malade  est  n6  en  6tat  de  mort  apparente.  Ses  parents  lui  ont  dit  que  sa 
maladie  nerveuse  ne  d6buta  qu'ä  3  ans,  apr^s  des  convulsions.  C'est  sans  doute  \k 
le  d6but  apparent,  car  il  a  toujoürs  mal  parlö  et  n*a  pas  march^  seul  avant 
Vage  de  7  ans.  Ce  qui  frappa  sa  famille,  quand  il  avait  3  ans,  ce  sont  les  grimaces 
qu'il  faisait  döjä. 

Etat  präsent: 

Ath6tose  double  typique,  interessant  d'une  fa9on  sensiblement  ^gale  les 
deux  cöt6s  du  corps  et  de  la  face. 

Force  normale  pour  un  malade  peu  habitue  ä  se  servir  de  ses  masses  muscu- 
laires. 

Reflexes  tendineux  forts. 

Tr^pidation  6pileptoide. 

Reflexe  cutan^  plantaire:  impossible  de  donner  une  r6ponse  pr^cise  k  cause  des 
mouvements  invonlontaires. 

Aucun  trouble  des  sphincters,  pas  de  troubles  oculaires^  röactions  pupillaires  nor- 
males, vue  normale,  pas  d'h^mianopsie. 

Motilit6  linguale  normale  et  facile. 

£n  1910,  le  malade  a  une  hömipl^ie  droite  et  leg^e  qui  dure  quelques  jpwcs 
seulement.  Bientöt  le  malade  se  l^ve  de  nouveau  et  reprend  sa  vie  ordinaire.  Au 
moment  de  T^tablissement  de  rh6mipl6gie  crise  ä  type  6pileptique. 

34 


»i^Lil«»'3.       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        66l 


Mentalit^  normale.  II  exprime  difficilement  et  lentement  des  pens6es  raison- 
nables,  comprend  parfaitement  tout  ce  qu'on  lui  dit,  meme  ä  demi-mot;  ignorant 
parce  qu'on  ne  lui  a  rien  appris^  mais  nuUement  imböcile. 

Apris  rh^mipl^ie,  il  devient  tr^  triste^  Supporte  mal  ses  infirmit6s^  attente 
inteUigemment  k  ses  jours^  des  amis  le  tirent  de  son  suicide^  mais  quelques  mois  apr^ 
il  meurt  en  1911  brusquement^  d'une  brusquerie  voulue  probablement. 

Zusammenfassung  der  klinischen  Notizen. 

Die.  Krankengeschichte  lehrt  uns,  daß  es  sich  um  eine  typische  Athdtose 
double  des  Gesichts  und  des  Körpers  handelt,  ohne  Lähmungsersoheinungen, 
ohne  Sphinkteren-  und  ohne  schwerere  Intelligenzstörungen  bei  gesteigerten 
Sehnenphänomenen  und  Fußklonus.  Ein  Bruder  hatte  unwillkürliche  Bewegungen 
in  den  Händen.  Der  Kranke  ist  asphyktisch  geboren.  Die  Entwicklung  der 
SfM^ache  war  viel  weniger  gehemmt  als  diejenige  des  Gehens.  Interessant  für 
die  Beurteilung  anamnestischer  Angaben  ist  die  Tatsache,  daß  die  Eltern  den 
Beginn  der  Krankheit  in  das  dritte  Lebensjahr  verlegen,  während  die  Tatsache, 
daß  der  Patient  immer  schlecht  gesprochen  hat  und  erst  mit  sieben  Jahren  gehen 
lernte  —  wie  Barr  6  mit  Recht  hervorhebt  —  auf  das  Bestehen  der  Krankheit 
seit  der  Geburt  hinweist.  Endlich  sei  noch  betont,  daß  eine  Sprachstörung  bestand, 
obgleich  die  Zunge  eine  normale  Beweglichkeit  aufwies. 

Zu  dieser  angeborenen  Krankheit  kam  dann  noch  in  der  letzten  Lebenszeit 
vorübergehend  eine  leichte  rechtsseitige  Hemiplegie  hinzu. 

Tod  im  59.  Lebensjahr,  Avahrscheinlich  durch   Suicid. 

B.  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Äußerlich  bot  das  Gehirn  nichts  Anormales^  wenn  es  auch  zu  den  kleineren  Ge- 
hirnen gerechnet  werden  muß  (16  cm  Längendurchmesser),  Auf  einem  Frontalschnitt 
durch  die  linke,  in  Formalin  gehärtete  Hemisphäre  unterschied  sich  das  Piäamen  — 
wie  C.  Vogt  schon  in  ihren  „Quelques  consid6rations  g^nerales  etc."  angegeben  hat 
—  in  seiner  Färbung  sehr  wenig  vom  Pallidum.  Man  hatte  den  vagen  Eindruck,  daß 
das  Putamen'  eine  größere  Zahl  von  kleinen  Fasermassen  enthielte  als  unter  ngrmalen 
Verhältnissen.  Es  handelte  sich  dabei  allerdings  um  eine  Gegend,  in  der  das  Putamen 
auch  bei  dem  mikroskopischen  Examen  nur  einen  geringen  Grad  von  Etat  marbr6 
darbot.     Vgl.  Taf.  7,  Fig.  i ! 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)  Befunde  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

Es  wurden  von  der  zunächst  in  Formalin  gehärteten  linken  Hemisphäre  ein 
Rindenstück  aus  der  Area  giganiopyramtdalis,  ein  Stück  Rinde  des  CerebeUum  sowie 
ein  Block  aus  dem  Striatum  -\-  Pallidum  und  seiner  Umgebung  herausgeschnitten^ 
Neben  von  uns  angefertigten  Nissl- Präparaten  hat  Bielschowsky  dann  noch  von 
diesen  Blöcken  Präparate  nach  seiner  S'lberreduktionsmethode,  sowie  solche  mit 
Hamatoxylineosinfärbungen  hergestellt.  Die  entsprechenden  mikroskopischen  Unter- 
sudiungen  ergaben  folgendes: 

TUL  6^  Fig.  1  gibt  das  Nissl-Bild  der  Area  gigantopyramidalis  wieder.  Die  be- 
treifende Rindenstelle  zeigt  keine  anormalen  Befunde.  Speziell  befinden  sich  an  der 
Grenze  von  ///  und  Var  weder  anormal  viel  Körner  noch  pathologisch  vermehrte 
Gliakeme  und  enthält  Vy  Riesenpyramidenzellen  von  normaler  Größe  und  Struktur. 

3  OD 


66^  r    TTND  O  Vont  Journal  f.  Psychologie 

^^  ^'  ^^^  U.  vuLri.  und  Heurologte^ 

TaL  6,  Pig.  2  zeigt  uns  bei  5ofacher  Vergrößerung  das  Putamen  dieser  Hemisphäre. 
Ein  Vergleich  mit  Taf.  1,  Fig.  1  lehrt  sofort,  daß  die  für  das  normale  Putamen  charakte- 
ristische alleinige  Unterbrechung  der  gleichmäßigen  Verteilung  der  GanglienzeUen 
durch  die  vereinzelten  Faserbündel  für  die  vorliegende  Abbildung  nicht  gilt.  Hier 
haben  wir  eine  ganze  Reihe  von  Inseln  (sie  sind  zum  Teil  in  der  Figur  mit  „i**  bezeichnet)^ 
in  welchen  die  Ganglienzellen  mehr  oder  weniger  vollständig  verschwunden  sind,  dafüi 
aber  Neurogliakeme  in  größerer  Menge  in  Erscheinung  treten.  Es  sind  das  die  Stellen, 
welche  im  Faserbilde  eine  anormale  Zahl  feinster  Markfasem  darbieten  und  demselben 
das  marmorierte  Aussehen  verleihen. 

TaL  6,  Fig.  3  gibt  das  Nissl-Bild  des  Pallidum  externum  wieder.  Anomalien  lassen 
sich  bei  dieser  Färbung  nicht  erkennen. 

TaL  6,  Fig.  4  zeigt  dagegen  in  einem  Eosinhämatoxylinpräparat  eine  ganze  Reihe 
im  Hämatoxylinpräparat  intensiv  gefärbter  Kügelchen,  die  in  der  vorliegenden 
Mikrophotographie  durch  ihre  Größe,  mehr  rundliche  Form  und  etwas  hellere  Färbung 
von  den  Ganglienzellen  verschieden  sind.  Es  sind  das  jene,  die  AmyloYdreaktion 
zeigenden  Körner,  welche  von  Bielschowsky  im  Bd.  i8  dieses  Journals  und  im  gegen- 
wärtigen Bande  (S.  Qf.)  beschrieben  und  nach  diesem  Autor  innerhalb  der  sehr  langen 
Dendriten  der  Ganglienzellen  des  Pallidum  externum  gelegen  sind.  Wie  Bielschowsky 
schon  dieses  Journal  Bd.  i8,  S.  518  hervorgehoben  hat,  dürften  diese  Körner  mit  den 
„Amylotdkörperchen*'  identisch  sein,  welche  Lafora  im  gleichen  Jahre  in  Ganglien- 
zellen der  verschiedensten  Teile  des  Zentralnervensystems  bei  einem  Fall  von  „Myoklonus- 
epilepsie"  beobachtet  und  die  A.  Westphal  — ebenfalls  in  einem  Fall  von  „Myoklonus- 
epilepsie*'  —  soeben  wieder  aufgefunden  hat.  In  unserem  Falle  waren  diese  eigenartigen 
Einschlüsse  nach  den  Feststellungen  Bielschowskys  auf  das  Pallidum  externum 
beschränkt. 

TaL  6,  Pig.  5  bringt  einen  Ausschnitt  aus  dem  Paüiduvi  tnternum.  Auch  dieser 
zeigt  nichts  Außergewöhnliches. 

TaL  6»  Fig.  6  gibt  einen  Teil  des  Nucleus  substantiae  innominatae  wieder.  Die 
Zellen  dieses  Kernes  bieten,  wie  ein  Vergleich  mit  Taf.  2,  Fig.  3  lehrt,  das  gewöhn- 
liche Bild. 

TaL  6,  Fig.  7  zeigt  uns  eine  Windung  aus  dem  Kleinhirn,  Diese  Abbildung  liefert 
ebenfalls  durchaus  einen  normalen  Befund.  Insbesondere  weisen  die  Purkinjeschen 
Zellen  nach  Zahl  und  Struktur  keine  Abweichung  von  der  Norm  auf. 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

TaL  7,  Fig.  1  zeigt  in  einem  den  oralen  Teil  \'om  Pallidum  treffenden  Öchnitt  der 
linken  Hemisphäre  eine  beträchtliche  Erweiterung  des  Ventrikels.  Nc  bietet  unter 
einer  gleichzeitig  mittleren  Atrophie  eine  deutliche  Abplattung  seiner  in  den  Ventrikel 
hineinragenden  Oberfläclie  dar.  Auch  Put  zeigt  —  man  vgl.  seinen  Breitendurch- 
messer mit  dem  des  Pallidum!  —  eine  gewisse  Volumenreduktion. ^)  Man  vergegen- 
wärtige sich  —  wie  aus  annähernd  dem  gleichen  Schnitt  der  Taf.  2,  Fig.  4  der  Ergänzungs- 
hefte  des  Bandes  18  dieses  Journals  hervorgeht  — ,  daß  in  diesei  Frontalebene  im 
normalen  Gehirn  das  Putamen  beinahe  die  gleiche  Breite  besitzt  wie  das  PaUidum! 
Außerdem  begegnen  wir  im  dorsalen  Abschnitt  des  Innenteils  von  Nc  und  dem  dorsalen 
Hauptgebiet  des  Außenteils  von  Prä  einem  leichten  Etat  marbr^.  In  dem  Innenteii 
von  Nc  und  von  Put  sind  die  Markfaser bündel  —  wie  ein  .Vergleich  mit  Taf.  12,  Fig.  2 
dieser  Arbeit  und  der  eben  erwähnten  Fig.  4  der  Taf.  2  der  Ergänzungshefte  des  Bandes  18 
dieses  Journals  lehrt  —  mäßig  vermehrt.    In  der  Umgebung  der  Commissura  ante,rior 


^)  Zur  sicheren  Erfassung  geringfügiger  Volumenverminderungen  reicht  die  Betrachtung 
von.  Schnitten  nicht  aus.  Im  Einzelfall  kann  ja  einer  Verkleinerung  auf  dem  Frontalschnitt  eine 
oralokaudale  Längenzunahme  parallel  gehen.  Zur  ein  wandsfreien  Feststellung  der  Größe  der  Be- 
standteile des  striären  Systems  bedarf  es  daher  Wachsrekonstruktionen.  Die  jn  Deutschland  herrschende 
ökonomische  Lage  verhindert  uns  aber,  zurzeit   solche  auszuführen. 

36 


E^Sii^iJS^  3.       2:UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        663 

begegnen  wir  jener  Erweiterung  des  perivaskulären  Lymphraumes  um  die  Blutgefäße, 
die  ons  als  Etat  crtbli  unter  VII  eingehend  beschäftigen  wird.  Bei  stärkerer  Vergrößerung 
erkennt  man  überall  im  Striatum  einen  sehr  ausgesprochenen  feinen  Etat  cribli. 
Weiter  oral  von  diesem  Schnitt  zeigt  das  Striatum  eine  dem  Grade  des  abgebildeten 
Schnittes  entsprechende,  mit  einem  gleichen  Etat  cribl^  verbundene  Atrophie  mit 
konsekutivem  Hydrocephalus  internus.  Der  Etat  marbr6  ist  aber  noch  geringer 
als  in  der  vorliegenden  Figur.  Das  Pallidum  externum  zeigt  in  der  Abbildung  nicht 
jene  besondere  Faserarmut  seines  dorso-lateralen  Teils,  welche  entsprechend  einem 
stärkeren  Etat  marbr6  des  Kopfes  von  Nc  in  dem  Fall  Wiemer-Tochter  (Band  18  dieses 
Journals)  und  ebenfalls  in  Taf.  15,  Fig.  4  vorhanden  ist.  Auch-  fehlt  in  ihm  ein 
Etat  cribH.     Andere  Anomalien  lassen  sich  in  dieser  Figur  nicht  feststellen. 

TaL  7,  Fig.  2  zeigt  neben  einer  gewissen  Atrophie  des  Striatum  und  deutlichem 
Hydrocephalus  internus  nunmehr  einen  sehr  ausgeprägten  Etat  marbr^  in  den  dor- 
salen zwei  Dritteilen  des  Putamen,  Stärkere  Vergrößerungen  decken  ferner  einen 
ausgesprochenen  Etat  cribl^  im  Striatum,  einen  nur  sehr  geringen  im  Pallidum  auf. 
Außerdem  erkennt  man  hier  eine  deutliche  Verminderung  der  strio-pallidären,  im  wesent- 
lichen in  lateral-medialer  Richtung  verlaufenden  Fasern  des  Pallidum  externum.  Da- 
gegen wei^t  das  Bündel  H^  Foreis  keine  Anomalien  auf.  Auch  sonst  sind  in  dem  Schnitt 
keine  greifbaren  Abweichungen  von  der  Norm  zu  erkennen.  Nur  sehen  wir  an  der 
Basis  des  Nucleus  medialis  a  des  Thalamus  eine  Aufhellung,  die  mit  einer  weiter  kaudal 
gelegenen  Erweichung  zusammenhängt. 

TU.  7,  Hg.  8  bringt  das  Putamen  desselben  Schnittes  bei  kürzerer  Expositions- 
zeit. Wir  erkennen  die  reelle  Dunkelheit  des  Etat  marbr6,  wenn  man  nicht  mit  Rück- 
sicht auf  eine  genügende  photographische  Durcharbeitung  der  Capsula  interna  und 
anderer  sehr  markhaltiger  Fasergebiete  die  intensivste  Wiedergabe  des  Etat  marbr6 
durch  Überexponierung  unmöglich  macht.  Die  Erweiterung  der  perivaskulären  Lymph- 
räume um  nicht  zu  kleine  Blutgefäße  ist  schon  bei  der  vorliegenden  Vergrößerung 
erkennbar. 

TU.  7,  Fig.  4  zeigt  uns  das  Striatum  in  ähnlicher  Weise  atrophiert  wie  bisher  und 
im  Putamen  einen  ebenso  intensiven  Etat  marbr^  wie  ihn  Taf.  7,  Fig.  3  darbot.  Die 
spezielle  Schmalheit  von  Put  geht  gut  aus  einem  Vergleich  mit  Taf.  6,  Fig.  13  der 
Erganzungshefte  des  Bandes  18  dieses  Journals  hervor.  Bei  stärkerer  Vergrößerung 
erkennt  man  femer  einen  ausgesprochenen  Etat  cribl^  in  Put  und  Nc.  Außerdem  fehlen 
im  dorsalen  Teil  des  Pallidum  externum  in  beträchtlichem  Maße  die  strio-pallidären  Fasern. 
Dagegen  ist  das  Corpus  Luysi  gut  entwickelt.  Im  Thalamus  befindet  sich  an  der  Basis 
des  Nucleus  medialis  a  einer  der  kleinen,  in  den  letzten  Lebensjahren  akquirierten 
Erweichungsherde.  Die  oralste  Folgewirkung  dieses  kleinen  Herdes  hatten  wir  schon 
bei  Beschreibung  der  Taf.  7,  Fig.  2  festgestellt.  Ebenso  haben  wir  dorsolateral  von 
Nc  im  Stratum  retictdatum  eine  kleine  Aufhellung  auch  als  Folge  eines  benachbarten 
kleinen  Erweichungsherdes.  Außer  dem  Hydrocephalus  internus  sind  sonst  weitere 
Anomalien  nicht  zu   konstatieren. 

Die  r.  Hemisphäre  bot  durchaus  identische  Veränderungen  des  striären  S>'Stems 
dar.  An  einer  Stelle  zeigte  Put  auch  eine  Lakune  auf  vaskulärer  Basis  (vgl.  darüber 
unter  VII.»). 

TU.  7,  Kg.  5  weist  normale  untere  Oliven  und  auch  der  Anlage  nach  gleich  große 
und  gut  entwickelte  Pyramiden  auf.  Die  leichte  Aufhellung  in  der  /.  Pyramide  kann 
nur  als  eine  im  spätesten  Alter  erworbene  angesehen  werden,  weil  eine  durch  einen 
viele  Jahre  vorher  eingetretenen  Herd  bedingte  Schädigung  der  Pyramiden  bahn  zu 
einer  vollständigen  Resorption  der  verletzten  Pyramidenfasern  und  damit  zu  einer 
Volumenreduktion  der  l.  Pyramide  geführt  haben  würde. 

Außerdem  muß  hervorgehoben  werden,  daß  über  das  ganze  Gehirn  zerstreut  eine 
Reihe  kleiner  Erweichungsherde  relativ  frischen  Datums  vorhanden  ist.  Einzelnen 
dieser  Herde  bzw.  ihren  degenerativen  Folgewirkungen  sind  wir  ja  schon  hei  Bcschreibunt; 
der  Abbildungen  begegnet. 

37 


66a                                                                r    TINT)  O  VOHT                                       Journal  f.  Ptychologie 
^"^  _____    ________' und  Neurologie. 

Die  Dentata  und  die  Brachia  conjunctiva  sind  normal. 

Endlich  sei  noch  festgestellt,  daß  die  Hirnrinde  einige  Plaques  fihromyiUniques 
aufweist.  Ihre  Zahl  steht  aber  durchaus  unter  der  Höchstzahl,  die  wir  bei  „nor- 
malen" Personen  gefunden  haben,  d.h.  bei  solchen,  welche  keine  erkannten  Anomalien 
des  Zentralnervensystems  intra  vitam  dargeboten  hatten. 

c)  Zusammenfassung   des   anatomischen    Befundes. 

Vor  allem  fand  sich  ein  Etat  marbri  des  gleichzeitig  deutlich  in  seinem  Vo- 
lumen verminderten  Striatum,  Dieser  Etat  war  vornehmlich  in  den  kaudaleren 
Partien  des  Putamen  ausgeprägt.  Wir  konstatierten  daselbst  eine  deutliche 
Abnahme  der  strio-pallidären  Fasern  im  Pallidum  extemum.  Wir  beobachteten 
ferner  im  Gegensatz  zu  den  Fällen  Wiemer-Tochter  und  Steinberg  (Bd.  i8 
dieses  Journals)  einen  beträchtlichen  Hydrocephalus  internus.  Endlich  deckten 
stärkere  Vergrößerungen  einen  diffusen  Etat  cribl6  im  Striatum  auf,  während 
das  Pallidum  nur  wenig  Criblüren  zeigte. 

Die  2^hl  der  Plaques  fibromyiUniques  der  Hirnrinde  hielt  sich  durchaus 
in  normalen  Grenzen.  Die  Area  giganiopyramidalis,  //*  das  Corpus  Luysi  und 
das  Cerebellarsystem  waren  intakt.  Die  /.  Pyramide  wies  nur  eine  aus  der  jüng- 
sten Zeit  stammende  Faserverminderung  auf. 

Außerdem  zeigte  das  Gehirn  eine  Reihe  kleiner,  aus  den  letzten  Lebens- 
jahren stammender  Erweichungsherde.  Einer  derselben  hatte  zu  der  schon 
eben  erwähnten  leichten  Degeneration  der  linken  Pyramide  geführt. 

Endlich  hat  Bielschowsky  ,,Amyloidkörperchen'*  in  den  Dendriten  der 
Zellen  des  Pallidum  extemum  festgestellt. 

C.  Epikrise. 

Der  auf  Grund  der  Krankengeschichte  von  uns  vermutete  Etat  mnrbri  ist 
vorhanden. 

Die  Tatsache,  daß  wir  —  obgleich  durch  die  Krankengeschichte  darauf 
aufmerksam  gemacht  —  makroskopisch  den  an  der  betreffenden  Stelle  freilich 
nicht  sehr  entwickelten  Etat  marbrö  in  dem  allerdings  schon  längere  Zeit 
in  Formalin  aufbewahrten  Gehirne  nicht  mit  Sicherheit  erkennen  konnten, 
läßt  vermuten,  daß  er  in  anderen  Fällen  bei  der  makroskopischen  Sektion  un- 
bemerkt geblieben  ist,  ja,  daß  das  letztere  auch  bei  solchen  mikroskopischen 
Untersuchungen  vorgekommen  ist,  bei  denen  die  Markscheidenpräparate  nicht 
besonders  kräftig  gefärbt  waren  und  deshalb  der  Etat  marbrö  nicht  so  augen- 
fällig in  Erscheinung  trat. 

In  dem  von  C.Vogt  zum  Etat  marbri  gerechneten  Antonschen  Fall 
Cassian  H.  betraf  die  pathologische  Veränderung  hauptsächlich  die  kaudalen 
V?  des  Putamen. ^)  Der  Patient  war  zum  Stehen,  Gehen  und  Sitzen  unfähig,  aber 
Sprache,  Kauen  und  Schlucken  waren  relativ  intakt.     Im  Oppenheimschen 


^)  Anton  spricht  von  einer  ausschließlichen  Erkrankung  dieses  Gebietes.  Nach  unseren 
eigenen  Erfahrungen  haben  wir  niemals  ein  Striatum  gefunden,  welches  nicht  auch  außerhalb  des 
einen  deutlichen  Etat  marbri  zeigenden  Gebietes  bei  stArkeren  Vergrößerungen  pathologische  Ver- 
änderungen in  diesem  Sinne  zeigte.  Wir  sprechen  deshalb  absichtlich  nur  von  einer  vorherrschenden 
Lokalisation  des  Prozesses  in  dem  den  Etat  marbr6  offensichtlich  zeigenden  Teil. 

38 


22;^2«2S'3.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         665 


Falle  Wiemer-Tochter  (vgl.  Taf.  14 1)  waren  die  oralen  Partien  des  Striatum  stark 
miterkrankt.  Die  Patientin  fing  erst  im  zehnten  Jahre  an,  etwas  zu  sprechen, 
und  zeigte  schwere  Kau-  und  Schluckbeschwerden.  C.Vogt  brachte  dem- 
entsprechend die  Funktionen  der  Artikulation,  Mastikation  und  Deglutition 
zum  oralen  Teil  des  Striatum  in  Beziehung.  In  Freunds  Fall  Steinberg  waren 
Sprache,  Kauen  und  Schlucken  relativ  ungestört.  Die  äußere  Kopfmuskulatur 
wie  die  des  übrigen  Körpers  zeigte  dagegen  stärkere  striäre  Motilitätsstörungen. 
Hier  waren  der  oro-dorsalste  Teil  von  Nc  und  der  oralste  Teil  von  PtU  relativ 
gesund.  Der  Fall  bestätigte  also  im  wesentlichen  C.  Vogts  somatotopische 
Gliederung  des  Striatum. 

Eine  uns  nicht  ganz  klar  gewordene  somatotopische  oral-kaudale  Dreigliederung 
des  Pniamen  nimmt  Mingazzini  in  einem  schon  in  unserem  ^,£rster  Versuch  usw/' 
erwähnten  Aufsatz  vor,  der  auch  sonst  teilweise  Ausführungen  enthält^  welchen  wir 
nicht  folgen  können.  In  seiner  Textfigur  zeichnet  Mi  n  g  a  z  zi  n i  eine  ^^phasisch -motorische 
Bahn''  vom  „ajrfiasisch-motorischen"  Rindengebiet  zu  dem  oralen  Dritteil  des  Puta- 
men, während  er  im  Text  das  mittlere  Dritteil  des  Putamen  zur  Dysarthrie  in  Be- 
xiehung  bringt.  Dabei  behauptet  der  Verfasser,  daß  Sprachstörungen  nur  bei  Verletzung 
des  linken  Putamen  vorkommen^  In  einem  Fall  von  Monotremor  des  Vorderarms 
und  der  Hand  sei  der  mittlere  Teil  des  kontralateralen  Putamen  verletzt  gewesen. 

Im  hier  zu  kritisierenden  Fall  Barrys  lernte  Jacquel.  relativ  früh  sprechen, 
aber  erst  im  siebenten  Lebensjahre  gehen.  Bei  einem  Zugrundelegen  der  von 
C.  Vogt  vorgenonunenen  somatotopischen  Gliederung  des  Striatum  müßten 
wir  ein  relatives  Intaktsein  der  oralen  Partien  des  Striatum,  aber  eine 
schwere  Erkrankung  der  kaudalen  erwarten.  Diese  Vermutung  ist  durch 
unseren  anatomischen  Befund  bestätigt  worden. 

Es  ist  dann  darauf  aufmerksam  zu  machen,  daß  wir  in  Taf.  6,  Fig.  2  zum 
ersten  Male  das  cytoarchitektonische  Bild  des  Etat  marhri  bringen.  Wir 
sehen,  wie  an  den  durch  pathologische  Fasermassen  ausgezeichneten  Stellen 
des  Striatum  im  Zellbild  nicht  nur  die  Ganglienzellen  geschwunden  sind,  sondern 
die  Zahl  der  Neurogliakerne  eine  deutliche  Vermehrung  aufweist.  Es  muß  dabei 
hervorgehoben  werden,  daß  das  Zellbild  aus  dem  oralen  Teil  des  Putamen  stammt, 
d.  h.  einem  Gebiete,  in  welchem  der  Etat  marbr^  wenig  entwickelt  war.  Das 
Zellbild,  welches  den  in  Taf.  7,  Figg.  2  und  4,  abgebildeten  Teilen  des  Putamen 
entspricht,  muß  eine  wesentlich  stärkere  Abweichung  von  der  Norm  zeigen. 

Ferner  mag  hervorgehoben  werden,  daß  ein  Vergleich  der  Taf.  7,  Fig.  2  mit 
der  Taf.  25,  Fig.  5  lehrt,  daß  die  anormalen  Markfasergebiete  des  Etat  marbr6 
so  zahlreiche  Fasern  enthalten,  daß  sie  bei  der  vorliegenden  Volumenreduktion 
des  Striatum  nie  imd  nimmer  durch  ein  Zusammenrücken  der  im  normalen 
Striatum  angelegten  Fasern  zustande  kommen  können.  Denn  selbst  bei  der 
sehr  starken  Schrumpfung  des  Striatum,  die  wir  in  der  Taf.  25,  Fig.  5  vor  uns 
haben,  konunt  es  bei  weitem  nicht  zu  einer  solchen  Ansammlung  von  Fasern. 
Die  Abbildungen  der  Taf,  7' sind  also  von  neuem  ein  Beweis  dafür,  daß  dem  Etat 
marbr^  ein  Auftreten  anormal  vieler  Markfasern  bei  Fehlen  gewöhnlich  vor- 
handener Ganglienzellen  zugrunde  liegt.  Da  ein  solcher  Befund  als  Folge  einer 
nach  der  Geburt  auftretenden  Erkrankung  bis  heute  nicht  bekannt  ist,  sind  wir 
nach  wie  vor  gezwungen,  den  Etat  marbr6  (wie  die  ihm  gleichwertigen  Plaques 

39 


f\f\f\                                                                    r     iTXTT^  n  \TC\i'\                                          Journal  f.  Psychologie 
""^  _   C.  UND  Q.VQOi. und  Neurologie. 

fibromyöliniques  des  Cortex)  als  angeborene  Erscheinungen  anzusehen.  Wir 
wollen  damit  nicht  behaupten,  daß  nicht  exogene  Elemente  —  wir  werden  auf 
diesen  Punkt  in  der  Epikrise  des  Falles  8  zurückkommen  —  in  einem  frühen 
embryonalen  Stadium  zur  Hervorrufung  dieser  Anomalie  nötig  sind.  Wir  wollen 
nur  konstatieien,  daß  wir  nach  unseren  heutigen  Kenntnissen  der  Histo -Pathologie 
des  Nervensystems  den  Etat  marbr6  als  einen  bei  der  Geburt  gegebenen 
pathologischen  Zustand  auffassen  müssen  und  daraus  auch'  einie  Reihe 
in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw.*'  näher  ausgeführter  klinischen  Folgerungen 
zu  ziehen  haben. 

Entsprechend  dieser  Auffassung  des  Angeborenseins  des  Etat  marbr^ 
müssen  wir  deshalb  auch  im  Fall  Jacquel.,  wie  wir  es  schon  in  unserem 
,, Erster  Versuch  usw.*'  ausgeführt  haben,  die  Tatsache,  daß  er  asphyktisch 
geboren  ist  —  wenn  diese  Tatsache  überhaupt  zum  Etat  marbr^  in  eine  Be- 
ziehung zu  bringen  ist  —  nicht  als  Ursache,  sondern  als  Folgewirkung 
desselben  auffassen. 

Es  ist  dann  sehr  interessant,  daß  wir  in  der  Hirnrinde  nur  eine  iiahl  von 
Plaques  fibromy61iniques  finden,  die  durchaus  unter  dem  Höchstmaß  an- 
scneinend  ,, normaler"  Gehirne  liegt.  Wenn  wir  unseren  früheren  Feststellungen 
hinzufügen,  daß  wir  bei  der  Durchsicht  einer  ganzen  Reihe  von  Schnitten  vom 
Falle  Wiemer-Tochtcr  überhaupt  keine  einzige  Plaque  und  im  Falle 
Steinberg  weniger  Plaques  als  im  vorliegenden  Falle  gefunden  haben,  so 
ergibt  sich,  daß  absolut  keine  Proportion  zwischen  dem  Auftreten  eines 
Etat  marbrö  und  der  Zahl  der  Plaques  fibromy^liniques  der  Hirnrinde  besteht. 
Die  schon  oben  erwähnte  Tatsache,  daß  der  bei  Jacquel.  vorliegende 
starke  Hydrocephalus  internus  in  den  früher  von  C.  Vogt  beschriebenen  Fällen 
von  Etat  marbr6  (Fall  Wiemcr-Tochter  und  Fall  Steinberg)  nicht  vorlag,  läßt 
uns  in  ihm  eine  vom  F^tat  marbr6  unabhängige,  wohl  vornehmlich  erst  in 
den  letzten  Lebensjahren  entstandene  Erscheinung  erblicken.  Sahen  wir  doch 
schon  in  der  Tatsache,  daß  die  77jährige  Steinberg  einen  etwas  größeren  Ven- 
trikel zeigt  als  die  24jährige  Wiemer- Tochter,  eine  Alterserscheinung!  Im  vor- 
liegenden Fall  bringen  wir  den  Hydrocephalus  zu  einer  ebenfalls  erst  im  späteren 
Lebensalter  entstandenen,  einem  gleichzeitig  sich  entwickelnden  Etat  cribl^ 
parallel  gehenden  Schrumpfung  des  Striatum  in  Beziehung. 

Ferner  lehrt  dieser  Fall,  daß  wir  eine  beträchtliche  Verminderung  des  aus 
dem  Putamen  in  das  Pallidum  externum  tretenden  Faserbündel  vor  uns  heben 
können,  ohne  daß  das  Bündel  H^  oder  das  Corpi^  Luysi  eine  Volumenreduktion 
erkennen  lassen.  Wir  müssen  also  daraus  schließen,  daß  diese  Fasern  —  wenigstens 
vornehmlich  —  zwischen  dem  Striatum  und  dem  Pallidum  verlaufen.  Wir  haben 
damit  eine  Bestätigung  der  in  den  normalanatomischen  Vorbemerkungen  von 
uns  vertretenen  Auffassung  bezüglich  dieser  Faserbündel,  ohne  daß  wir  natür- 
lich aus  der  gegenwärtigen  Feststellung  auf  den  Sitz  der  Ganglienzellen  der 
betreffenden  Fasern  einen  Schluß  ziehen  können.  ^ 

Die  vorübergehende,   kurz  vor  dem  Lebensende  beobachtete  rechtsseitige 
Hemiplegie  findet  ihre  Erklärung  in  jenem  Herde,  welcher  zu  der  oben  fest- 
gestellten Degeneration  der  linken  Pyramide  geführt  hat. 
40 


ErSto^^b^t  3.       '^^'^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         667 

Mit  Bielschowsky  sehen  wir  in  den  von  ihm  in  den  Dendriten  der  Zellen 
des  Pallidum  cxtcrnum  gefundenen  ,,Amyloidkörperchen"  eine  Erscheinung 
des  späteren  Lebens  und  bringen  sie  deshalb"  in  keine  ursächliche  Beziehung 
zur  Athetose. 

Endlich  sei  noch  hervorgehoben,  daß  bei  Jacquel,  wie  bei  Antons  Fall 
Cassian   H.  eine  offenb?r  gleichartige  Erkn^nkung  noch  bei  einem  der  Ge- 

■ 

schwister  aufgetreten  ist. 

m 

2.  Barriioher  Fall  Denis  {Bt  36). 

A.  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Von  diesem  Fall  wissen  wir  nui  aus  persönlicher  Mitteilung  Barrys,  daß 
es  sich  auch  hier  um  eine  typische  Ath6tose  double  handelte. 

B.  Anatomischer  Befund. 

TaL7,  Fig.  6  bringt  den  dorsalen  Abschnitt  des  oralen  Gebiets  des  Striatum.  Wir 
sehen  hier  unter  gleichzeitiger,  deutlich  erkennbarer  Schrumpfung  des  Caudatum 
einen  stark  entwickelten  Etat  marbrd  im  ganzen  Innenteil  von  Nc  und  im  wieder- 
g^ebenen  Abschnitt  von  Put  bei  gut  entwickelter  Capsula  interna. 

TaL  7,  Fig.  7  zeigt,  daß  auch  weiter  kaudal  im  Innenteil  des  geschrumpften  Nc 
ein  Etat  marbrd  vorhanden  ist,  sowie  daß  ein  solcher  den  ganzen  abgebildeten 
dorsalen  Abschnitt  von  Put  ausfüllt. 

Auch  in  einem  Schnitt,  den  uns  Barr 6  aus  der  von  ihm  selbst  angefertigten  Schnitt- 
scrie  durch  die  andere  Hemisphäre  zur  Verfügung  gestellt  hat,  ist  der  Etat  marbr6 
deutlich  erkennbar. 

Außerdem  zeigt  das  relativ  kleine  Gehirn  beiderseits  einen  beträchtlichen  Hydro- 
ccphalus  internus  bei  schwach  entwickelten  Centrum  semiovale  und  Corpus  callosum. 

Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Wir  haben  einen  stark  ausgeprägten  Etat  marbri  des  gleichzeitig  kleinen 
Striatum  festgestellt.  Der  ganze  orale  Innenteil  von  Nc  und  der  oro-dorsale 
Abschnitt  von  Pm/. .waren  sehr  intensiv  betroffen.  Außerdem  bestand  ein  be- 
trächtlicher Hydrocephalus  internus  bei  geringer  Volumenentwicklung  des 
Centrum  semiovale  und  des  Corpus  callosum. 

C.  Epikrise, 

Da  uns  die  Einzelheiten  der  Krankengeschichte  nicht  bekannt  gewerden 
sind,  können  wir  epikritisch  nur  feststellen,  daß  sich  der  in  diesem  Fall  von  uns 
auf  Grund  der  klinischen  Mitteilung  Barrys  vermutete  Etat  marbri  in  aus- 
geprägtem Maße  vorfand. 

Aus  der  Lokalisation  und  unserer  somatotopischen  Gliederung  des  Striatum 
niüssen  wir  auf  schwerere  Störungen  in  der  Artikulation,  Mastikation  und  De- 
glutition  schließen.  Es  wäre  sehr  interessant,  wenn  die  spätere  Veröffentlichung 
der  Krankengeschichte  durch  Herrn  Barr^  diese  Vermutung  bestätigen  würde. 

Den  beträchtlichen  Hydrocephalus  internus  bringen  wir  nicht  zum  Etat 
marbri y  sondern  zur  Volumenreduktion  des  Centrum  ovale  und  des  Corpus 
callosum  in  Beziehung.  Diese  Volumreduktion  läßt  uns  in  Verbindung  mit  der  all- 
gemeinen Kleinheit  des  (jehirns  vermuten,  daß  gleichzeitig  Schwachsinn  bestand 

41 


y 


668 C.  UND  6.  VOGT. '°°5Sg  lfi?5?y 

3.  GUlu'  FftU  Mauat  (Bül  15). 

Den  folgenden  Fall  verdanken  wir  der  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Dr.  Gallus,  Direktor  der  Heil-  und  Pflegeanstalt  in  Treuenbrietzen. 

A.  Krankengeschichte, 

Margarete  Massat. 

Anamnese:  Geb.  am  30.  Jan.  1891  in  Charlotten  bürg.  Vater  Potator,  starb  an 
Diabetes,  der  1893  begonnen  haben  soll.    Mutter  lebt.  — 

Das  Kind  soll  den  ersten  epileptischen  Anfall  im  Alter  von  sechs  Wochen 
gehabt  haben.  Seitdem  häufig  epileptische  Anfälle  in  unregelmäßigen  Zwischenräumen. 
Manchmal  treten  sie  täglich  auf,  manchmal  bleiben  sie  wochenlang  fort.  Dem  ein- 
zelnen Anfall  gehen  heftige  Kopfschmerzen  voraus,  dann  Krämpfe  mit  Bewußtlosig- 
keit und  Unsauberkeit.  Die  Anfälle  dauern  bis  zu  zwei  Stunden.  An  diese  schließt 
sich  Schlafsucht  an.  Außerdem  zeigt  die  Kranke  spastische  Lähmung  beider 
Beine,  Abnahme  der  Geisteskräfte  und  Zunahme  der  Reizbarkeit.  Ohne  besondere 
Neigungen  und  Angewohnheiten.  Das  Kind  hat  eine  Zeit  lang  die  Schule  besucht; 
die  Leistungen  waren  mittelmäßig. 

Das  Kind  wird  in  die  Potsdamer  Anstalt  für  Epileptische  am  27.  Februar  1902 
aufgenommen. 

Status  präsens: 

Größe:  1,30  m.  Körpergewicht:  32,5  kg.  Kräftiger  Körperbau.  Bindehäute  der 
Augen  ohne  Besonderheiten.  Die  Schneidezähne  fehlen  fast  vollständig.  Mammae 
auffallend  stark  entwickelt.  Naevus  an  der  /.  Mamma  und  am  r.  Schulterblatt.  Herz- 
grenze nicht  verbreitert.  Töne  rein.  Puls  =  100.  Über  den  Lungen  voller  Schall  und 
keine  abnormen  Geräusche.  Unterleib  weich,  nicht  druckempfindlich.  Urin  ohne  Ei- 
weiß und  Zucker. 

Schädel  ohne  besondere  Difformi täten,  nicht  empfindlich  auf  Druck  und  Beklopfen. 
Gesichtshälften  ziemlich  gleich.  Augen bew^ungen  frei.  Pupillen  mittelweit,  rund, 
gleichmäßige  Verengung  auf  Licht  und  Konvergenz.  Zunge  weicht  beim  Hervorstrecken 
etwas  nach  links  ab,  zittert.  Das  Zäpfchen  hängt  gerade  herab.  Die  vorderen  Gaumen- 
bögen heben  sich  gleichmäßig  beim  Anlauten.  WSrgreflex  vorhanden.  Stimme  ist 
klar.     Keine  Artikulationsstörungen. 

Vasomotorische  Erregbarkeit  der  Haut  ist  erhöht. 

Bei  vorgestreckten  Armen  und  gespreizten  Fingern  Tremor.  Deutliches  Intentions- 
zittem,  r.  stärker  als  /.  D)mamometrischer  Händedruck  r.  =  5,  /.  =  12.  Die  Musku- 
latur der  ganzen  /.  Körperhälfte  ist  kräftiger  entwickelt.  ' 

Pat.  vermag  nur  zu  stehen,  wenn  sie  von  zwei  Personen  an  ihren  Armen  fest- 
gehalten wird.  Dabei  ist  der  r.  Fuß  in  Pes-equinus-Stellung,  während  /.  mit  der  ganzen 
Fußsohle  aufgetreten  wird.  —  Patellarsehnenreflex /.  lebhaft,  r.  träge.  Achillessehnen«^^ 
Phänomen  beiderseits  gleich  stark.  Fußklonus.  Fußsohlenreflex  beiderseits  gleich  stark. 
Lagegefühl  der  unteren  Extremitäten  ohne  erhebliche  Störung.  Grobe  Kraft  gut,  wenn 
auch  das  r.  Bein  schwächer  ist.  Knie-Hacken- Versuch  sehr  unsicher.  Das  Schmierz- 
gefühl  ist  an  den  Beinen,  besonders  r.,  etwas  gesteigert,  am  ganzen  Rücken  dag^en 
herabgesetzt. 

Pat.  macht  einen  ziemlich  geweckten  Eindruck,  die  Stimmung  ist  eine  verschiedene. 
Pat.  beantwortet  die  an  sie  gerichteten  Fragen  prompt  und  sicher.  Sie  ist  orientiert 
über  Ort  und  Zeit,  über  ihre  persönlichen  Verhältnisse;  sie  hat  Krankh ei ts Bewußtsein, 
sie  beurteilt  ihre  Umgebung  richtig.  Über  Schulkenntnisse  befragt,  gibt  sie  —  bei  nicht 
zu  hohen  Anforderungen  —  richtige  Antworten.  Bezüglich  ihres  Leidens  bestätigt 
sie  die  anamnestischen  Angaben,  ohne  etwas  Wesentliches  hinzuzufügen.  Sinnestäu- 
schungen oder  Wahnideen  sind  nicht  nachweisbar.     Pat.  bringt  keine  Klagen  vor. 

Bettruhe  bis  zum  2.  November. 
42 


ff:4ng^'  3.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         669 


10.  Nov.  1902.  Pat.  ist  jetzt  den  Tag  im  Lehnstuhl.  Munter,  gutmütig  und  heiter. 

30.  Nov.  1902.  Im  November  wurde  ein  Schwindelanfall  und  siebenmal  Zuckungen 
beobachtet.  —  Der  Schwindelanfall  verläuft  in  folgender  Weise:  Pat.  klagt  über  Übel- 
sein, wird  blaß,  klappt  nach  vom  etwas  zusammen,  ohne  das  Bewußtsein  vollständig 
zu  verlieren.  Die  Dauer  des  Anfalls  beträgt  etwa  5  Sekunden.  Nachher  ist  Pat.  noch 
einige  Zeit  auffallend  still,  die  blasse  Gesichtsfarbe  verliert  sich  erst  allmählich.  — 
Die  Zuckungen  treten  in  der  Weise  auf,  daß  Gesicht,  Arme  und  Beine  plötzlich  zu- 
sammenfahren. Dauer  derselben  etwa  eine  Sekunde.  Die  Gesichtsfarbe  ist  dann  nicht 
verändert. 

I.Dezember  1902.  Gewicht:  33  kg.  Täglich  dreimal  je  0,5g  Kalium  bromatum. 
Besucht  von  heute  ab  die  Schule. 

31.  Dezember  1902.  Pat.  ißt  mit  der  /.  Hand,  schreibt  aber  mit  der  r.  Das  Hantieren 
mit  der  /.  Hand  ist  ihr  bequemer. 

I.  Juni  1903.  Die  Zuckungen  sind  seit  Februar  fortgeblieben.  Immer  ruhig  und 
gutmütig.    Die  Fortschritte  in  der  Schule  sind  gut.    Das  Brom  wird  ausgesetzt. 

30.  September  1903.  In  diesem  Monat  drei  Zuckungen  beobachtet,  die  ersten 
seit  Januar  ds.  Jahres. 

31.  Dezember  1903.  Keine  Seh  wind  elanf  alle.  Täglich  etwa  fünf  Zuckungen.  Pat. 
ist  ruhig,  willig,  besucht  gern  die  Schule,  in  der  sie  Befriedigendes  leistet. 

22.  Dezember  1904.  Täglich  etwa  fünf  bis  zehn  Zuckungen.  Das  körperliche  Be- 
finden ist  befriedigend.    Die  Fortschritte  in  der  Schule  sind  zufriedenstellend. 

I.  Juli  1905.  Bekommt  täglich  Brom.  —  Juni  15  Zuckungen.  Größe:  1,35  m. 
Gewicht:  43,5  kg.  Pat.  ist  ruhig,  vergnügt,  bringt  keine  Wünsche  vor.  Lernt  gut, 
nimmt  jetzt  Handarbeiten  auf  und  fängt  —  allerdings  unter  Schwierigkeiten  —  an, 
am  Stickrahmen  zu  arbeiten.    Liest  viel,  deklamiert  recht  hübsch. 

4.  Juli  1905.  Arme-,  Macht  alle  aufgegebenen  Bewegungen,  doch  langsam,  wie 
unter  Überwindung  von  Widerständen.  Es  zeigen  sich  dabei  oft  unnütze 
(chorea tische)  Bewegungen,  namentlich  der  Finger.  Händedruck  /.  stärker  als  rl, 
beiderseits  mäßig  stark.  Kein  Tremor  der  gespreizten  Finger.  Sehr  bedeutende  Ataxie, 
namentlich  bei  schwierigeren  Aufgaben,  z.  B.  dem  Halten  eines  vollen  Glases  Wasser. 
Spastische  Starre  mäßigen  Grades  im  Triceps. 

Beine:  Alle  Bewegungen  gut  und  kräftig.  Athetose  der  Zehen  und  des  Vorder- 
fußes. Fußklonus  f .  Allgemeine  spastische  Starre  erheblichen  Grades  in  den  Beinen. 
Beim  Gehen  schleifen  die  Zehen  /.  Gang  nur  mit  Unterstützung  möglich,  wenn 
eine  Pfl^erin  sie  von  hinten  in  den  Achseln  stützt.  Gang  breitspurig,  stampfend. 
Patellarreflex  beiderseits  gleichmäßig  stark.  Babinski  beiderseits.  Bei  den  athe- 
totischen  Bewegungen  geraten  die  Füße  häufig  spontan  in  eine  der 
Babinskireaktion  ähnliche  Stellung.  Beim  Knie-Hacken-Versuch  starke 
cboreatische  Unruhe  und  Ataxie. 

Haltung:  Sitzt  meist  mit  eingezogenem  und  gesenktem  Kopf.  Kann  sich  aus  der 
Horixontallage  nicht  ohne  Hilfe  aufrichten.  Mit  Unterstützung  der  Arme  geht  es  aus 
Jeicfat  geneigter  Lage.  Dabei  fühlt  man  die  Bauchmuskeln  sich  kräftig  anspannen. 
Pat.  kann  allein  stehen,  wenn  sie  sich  an  einer  Stuhllehne  festhält.  Auch  hierbei  starke 
Unruhe  der  Muskulatur.  Die  Füße  krampfen  sich  zusammen,  die  Beine  verbiegen 
sich,  doch  hütet  energischer  Anruf  sie  immer  vor  dem  Fallen.  Zweifellos  bedarf  sie, 
um  stehen  zu  bleiben,  starken  psychischen  Zuspruchs. 

Schmersgefühl  lebhaft. 

Sprache  gut,  nur  das  „d"  wird  nicht  deutlich  artikuliert.  Sie  deklamiert  auf 
Festen.  Zunge  grob  fibrillär  zitternd  und  grade  vorgestreckt.  Gaumen  gleichmäßig 
gdioben. 

Pupillen  gleich  weit,  reagieren  auf  Licht. 

Macht  Gehübungen  in  einem  Laufgestell. 

«7.  Mai  1906.  Ist  jetzt  öfter  gegen  ihre  Umgebung  dreist  und  ausfallend,  obwohl 
sie  auf  deren  Hilfe  beständig  angewiesen  ist. 

43 


670 ^-  !!^^_0^^°Jl ..  J '°°Sd  HegM!*' ' 

I.  August  1906.  Gewicht:  46^5  kg.  Hat  dauernd  jeden  Monat  einige  Zuckunger 
Erhielt  zur  Besserung  der  Körperhaltung  ein  Koisett  und  auch  ein  Paar  Kröcker 
mit  denen  sie  sich  aber  sehr  ungeschickt  anstellt.  Soll  sich  am  Stickrahmen  über 
zeigt  aber  wenig  Interesse  dafür,  obwohl  sie  es  —  wenn  auch  mit  Mühe  —  bis  zu  le« 
baren  Buchstaben  gebracht  hat.  Großmäulig.  Körperlich  wohl.  Gehfähigkeit  ent 
schieden  gebessert. 

4.  Januar  1907.  Gewicht:  46,5  kg.  Größe:  1,37  m.  Erhält  ein  nach  Gipsmode 
gearbeitetes  Stützkorsett,  um  die  nach  vom  geneigte  Haltung  zu  bessern. 

I.  Januar  1909.  Gewicht:  46,9  kg.  Seit  November  1906  sind  keine  Zuckunge 
oder  Schwindelanfälle  aufgetreten.  Nimmt  dauernd  täglich  Brom.  Auch  ihre  Geh 
fähigkeit  hat  sich  sehr  gebessert.  Sie  geht  allein  die  Treppen  in  die  Höhe.  B< 
einer  Führung  durch  eine  Person  geht  sie  auch  draußen.  Sie  ist  viel  sicherer  ii 
ihren  Handbewegungen  geworden.  Macht  jetzt  auch  relativ  rasch  Handarbeiten 
Sie  ist  ziemlich  kindisch,  putzsüchtig,  großmäulig  und  anspruchsvoll. 

13.  September  1909.  Seit  August  sind  wieder  Zuckungen  notiert.  Sie  selbst  bc 
hauptet,  daß  sie  nie  aufgehört  hätten.  Sie  hätte  dieselben  bis  zu  20  am  Tage;  sie  seie 
aber  so  leise,  daß  man  sie  äußerlich  kaum  merken  könne.  Nur  wenn  sie  etwas  in  de 
Hand  halte,  verschütte  sie  es  leicht. 

17.  Januar  1910.  Hat  immer  noch  häufige  Zuckungen.  Ist  fleißig,  macht  Haue 
arbeiten  mit  ziemlichegi  Geschick. 

6.  Juli  1910.  Fast  täglich  noch  Zuckungen,  kann  sich  mit  ihren  Krücken  gar 
gut  bewegen. 

18.  Januar  1911.  Gewicht:  47,7  kg.  Hat  in  den  letzten  2  Monaten  nur  je  siebe 
Zuckungen  bei  gleicher  Bromdosis  gehabt.  Arbeitet  in  der  Nähstube  fleißig  und  m 
etwas  Erfolg. 

21.  Juni  1912.  Hatte  im  Januar  d.  J.  achtmal  Zuckungen.  Seitdem  ist  sie  gänzlic 
frei.     Sie  möchte  gern  entlassen  werden,  um  als  Schneiderin  ihr  Geld  zu  verdienei 

21.  April  1913.  Ab  und  zu  erregt  und  sehr  anspruchsvoll.  Beschäftigt  sich  m 
Näharbeit. 

24.  Juli  191 3.  In  der  letzten  Nacht  mit  Erscheinungen  der  Darmverschlingun 
erkrankt.    Tot  um  2,40  Uhr  nachmittags. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Eis  handelt  sich  um  ein  seit  der  frühesten  Kindheit  bestehendes  Leider 
Dieses  äußerte  sich  zunächst  in  Anfällen.  Dieselben  waren  nacn  der  Ananmes 
in  den  ersten  Jahren  typisch  epileptische  Attacken  mit  Krämpfen,  Bewußt 
losigkeit  und  Unsauberkeit.  Später  hatte  Patientin  zwei  Formen  von  Anfällen 
Schwindelanfälle  und  Zuckungen.  Die  ersteren  bestanden  in  Übelsein,  Er 
blassen  und  Zusamipenklappen  nach  vorn  ohne  vollständigen  Bewußtseins 
Verlust.  Sie  dauerten  etwa  5  Sekunden.  Die  Zuckungen  stellten  ein  kurzes  plötz 
liches  Zusammenfahren  des  ganzen  Körpers  dar. 

Außerdem  zeigte  die  Patientin  motorische  Störungen,  die  gering  ir 
den  oberen  Extremitäten,  stark  in  den  unteren  entwickelt  waren,  um 
zwar  rechts  stärker  als  links.  Die  grobe  motorische  Kraft  war  r.  ge 
ringer  als  /.  Keine  Sensibilitätsstörungen  Rechts  war  Pes  equinus 
Stellung.  Außerdem  war  beiderseits  Babinski.  Die  Willkür bewegungen  dei 
oberen  Extremitäten  zeigten  nur  eine  gewisse  Ungeschicklichkeit  und  wurden  voi 
falschen  Zwischenbewegungen  begleitet.  Dagegen  waren  die  Symptpme  in  dei 
unteren  Extremitäten  so  stark,  daß  zu  Anfang  der  Anstaltsbehandlung  eil 
alleiniges  Gehen  unmöglich  war.  Ferner  zeigte  sich  bei  Gehversuchen  stark 
44 


SmiJLhSt'tr        ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        67  1 


motorische  Unruhe.  Außerdem  existierte  eine  Athctose  der  Zehen  (öfter 
in  der  Form  dei  Babinskistellung)  und  Vorderfüße. 

Die  Haltung  war  nach  vorn  übergebeugt. 

Die  ganzen  Motilitätsstörungen  haben  sich  während  der  Anstaltsbehanülung 
zunehmend  gebessert. 

Die  Kopf muskulatur  war  frei.     Pat.  deklamierte  gut. 

Eine  gröbere  Intelligenzstörung  lag  nicht  vor. 

5.  Anatomischer  Befund, 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Diese  ergibt  nichts  Pathologisches.  Die  Hemisphäre  zeigte  einen  Längendurch- 
messer von  17  cm. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)  Cytoarchitektonische  Befunde. 

TU.  8,  Fig.  1  bringt  eine  Abbildung  der  Area  gigantopyramidalis  aus  der  kon- 
vexen Seite  der  Beinregion.  Die  ///  ist  relativ  schmal  und  enthält  auch  in  ihren  tieferen 
Schiebten  verhältnismäßig  kleine  Pyramidenzellen.  Der  innerste  Teil  von  ///  und 
For  zeigen  Körner  in  normaler  Zahl.  Außerdem  ist  die  Rinde  durchaus  reich  an  großen 
und  wohlausge bildeten  Riesenpyramidenzellen. 

ht  8^  Fig.  2  gibt  ein  Stück  aus  dem  dorsalen  Teil  des  Kopks  des  Caudatum 
wieder.  Ein  Vergleich  mit  Taf.  2,  Fig.  i  läßt  deutlich  erkennen,  daß  inselförmig 
*ö  Stelle  der  mehr  oder  weniger  ganz  fehlenden  Ganglienzellen  eine  Vermehrung  der 
Neurogliakerne  stattgefimden  hat,  wobei  diese  in  so  diffuser  Weise  auftreten,  daß 
n»D  die  betreffende  Stelle  nicht  mit  dem  Zellbild  normaler  Faser bündel  verwechseln 
^^.  Die  zum  Teil  mit  „i"  bezeichneten  Inseln  müssen  vielmehr  als  der  Ausdruck 
eines  in  dieser  Schnittebene  mäßig  entwickelten  Etat  marbr6  bezeichnet  werden. 

M  8,  Fig.  8  bringt  von  demselben  Schnitt  einen  dem  dorso-lateralen  Teil  des 
Puiamen  entnommenen  Ausschnitt.  Auch  hier  sehen  wir  im  Vergleich  zu  Taf.  i, 
f j«.  1  inselförmig  die  Ganglienzellen  zurücktreten  und  an  ihrer  Stelle  in  nicht  sehr 
didter  Anordnung  Neurogliakeme  auftreten.  Eine  Reihe  derartiger  Stellen  sind  mit 
iii"  bezeichnet.  Wir  haben  darin  auch  hier  den  cytoarchitektonischen  Ausdruck  eines 
"»^ßigen  Etat  marbre. 

Bielschowsky  hat  außerdem  die  Kleinhimrinde,  das  Deniaium  und  das  Rücken- 
'"^^  in  der  Zervikal-  und  Lendenanschwellung  untersucht  und  an  allen  diesen  Stellen 
normale  Befunde  erhoben. 

ß)  Markfaserbefunde. 

ÄtS,  Fig.  1  bringt  uns  den  oralsten  Teil  des  Striatum.  Wir  sehen  in  der  dorso- 
lateralsten  Partie  von  Nc  und  von  Put  Andeutung  eines  Etat  marbr6  und  zwar 
hnks  deutlich  etwas  stärker  als  rechts.  Von  einer  nennenswerten  Schrumpfung 
des  Striatum  kaim  in  dieser  Schnittebene  niclit  die  Rede  sein.  Auch  die  Capsula  in- 
terna (Cj)  ist  beiderseits  von  normaler  Ausdehnung.  Ebensowenig  existiert  ein  Hydro- 
^alus  internus. 
_  ^19,  Fig.  2.  Auch  hier  zeigt  vom  Striatum  nur  A*6-  eine  deuthche,  Put  aber 
höchstens  im  lateralsten  Gebiet  eine  gewisse  Größenabnahme.  Indem  Innen  teil  von  Nc 
finden  sich  beiderseits  Andeutungen  eines  Etat  marbre.  Dasselbe  gilt  von  der  dorso- 
tateraJsten  Partie  des  rechten  Putamen.  Im  dorso-lateralen  Gebiet  des  linken  Put  tritt 
der  Etat  marbr^  so  stark  auf,  daß  es  fast  zu  einem  geschlossenem  Faserbande  kommt. 
per  oralste  Teil  von  Ge  zeigt  keine  faßbare  Anomalie.  YAn  Hydrocephalus  internus 
\^^  nicht  vorhanden . 

45 


672  C.  UND  O.VOGT.  /""Ä.ÄJÜ" 

Tai.  9,  Pig.  8.  Auch  hier  ist  Nc  beiderseits  deutlich  verkleinert.  Außerde 
zeigt  sein  Innenteil  einen  leichten  Etat  marbr^.  Dasselbe  gilt  von  dem  dors 
lateralsten  Teil  des  rechten  Put.  Dieses  Gebiet  ist  im  linken  Put  unter  gleichzeitig 
leichter  Volumenreduktion  des  betreffenden  Gebietes  in  einen  streifenförmigen  Et 
marbre  umgewandielt.  Das  Pallidum  zeigt  auch  in  dieser  Schnittebene  keine  faßbai 
Anomalie.     Von  einer  Erweiterung  des  Ventrikels  kann  nicht  die  Rede  sein. 

TaL  10,  Pig.  1  bringt  in  der  linken  Hemisphäre  einen  etwas  reduzierten  A'^.  Beic 
Nc  zeigen  in  ihrem  innersten  Teil  einige  pathologische  Markfaserinseln.  In  beide 
Putamina  ist  der  dorso-laterale,  mit  „1**  bezeichnete  Teil  nimmehr  in  ein  fast  gar 
einheitlich  aus  dünnen  Fasern  gebildetes  Markfaserband  umgewandelt.  Dieses  Ban 
ist  in  der  linken  Hemisphäre  breiter  und  faserreicher.  Dabei  zeigen  beide  Putamin 
eine  anormale  Kleinheit  und  einen  Ausfall  an  Faser  bündeln.  Eine  Vergrößerung  de 
Seitenventrikels  liegt  höchstens  spurweise  /.  vor.  Auch  die  Pallida  sind  verkleiner 
wie  ein  Vergleich  der  vorliegenden  Figur  mit  Fig.  7  der  Taf.  3  der  Ergänzungsheft 
des  18.  Bds.  ds.  Joum.  lehrt.  Dementsprechend  zeigen  auch  die  striopallidären  Fase 
bündel  in  den  Pallida  externa  keine  relative  Verminderung. 

TaL  10,  Fig.  2  zeigt  ebenfalls  eine  Verkleinerung  des  linken  Nc  und  einen  Et8 
marbre  im  innersten  Teil  beider  JV^.  Außerdem  haben  wir  einen  ähnlichen,  bandförmige 
Faserstreifen  (1)  in  beiden  Putamina  wie  in  Taf.  10,  Fig.  i.  Der  linke  ist  faserreiche 
Der  Ausfall  der  Faserbündel  in  den  Putamina  und  die  Volumenreduktion  in  de 
Pallida  sind  die  gleichen  wie  in  der  vorigen  Figur. 

TaL  10,  Fig.  8  stellt  einen  analogen  Befund  dar.  A'^  ist  auch  hier  links  etwa 
atrophisch.  Beide  Nc  zeigen  im  innersten  Teil  Spuren  eines  Etat  marbr^,  beide  PuU 
mina  im  dorso-lateralen  Teil  den  aus  den  vorigen  Abbildungen  bekannten  Fasei 
streifen  (mit  „1"  bezeichnet).  Derselbe  ist  im  linken  Putamen  dunkler.  Von  de 
Faser  bündeln  der  Putamina  und  der  Verkleinerung  der  Pallida  gilt  das  bei  der  B< 
Schreibung  der  Fig.  1  Gesagte. 

TaL  10,  Fig.  4  gibt  uns  ein  Bild  aus  der  Brücke.  Wir  erkennen  gut  und  beidei 
seits  gleich  stark  entwickelte  Bindearme  (Bc)  und  Pyramiden  (Py). 

TaL  10,  Fig.  6  läßt  erkennen,  daß  das  Gehirn  ein  normales  linkes  Dentatum,  noi 
male  untere  Oliven  und  normale  Pyramiden  aufweist. 

Die  Großhirnrinde  zeigt  nur  wenige,  sehr  schwach  ausgebildete  Plaques  fibn 
my^liniques. 

Tai.  11  und  TaL  12  sind  unter  Fall  4  beschrieben. 

TaL  18,  Fig.  1  läßt  im  Bündel  H^  keine  Anomalie  erkennen. 

Taf.  18,  Fig.  2  bringt  H^  in  einer  für  diese  Ebene  nicht  als  anormal  anzusprecher 
den  Ausbildung.  Dasselbe  gilt  von  H^.  Das  Corpus  Luysi  (CL)  ist  von  typischer 
Markgehalt.  Der  Höhendurchmesser  ist  dagegen  deutlich  geringer  als  derjenige  de 
abgebildeten  normalen  Gehirne  (Taf.  26,  Fig.  8  und  Taf.  16,  Fig.  2).  Eine  gewiss 
V^olumenreduktion  von  CL  muß  deshalb  als  gesichert  gelten. 

Die  Markfaserverhältnisse  des  Cerebellura  zeigen  normale  Befunde. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Mit   unserer  Untersuchungsmethode  haben  wir  außer  einer  gewissen  Ur 

entwickeltheit  der  ///.  Schicht  der  Area  gigantopyramidalis  nur  eine  Erkrankun 

des  striären  Systems  aufdecken  können.    Diese  bestand  vor  allem  in  dem  voi 

uns  schon  im  voraus  vermuteten  Etat  marbr6  des  Striatum.    Die  Figg.  2  und 

der  Taf.  8  bestätigen  die  auf  Grund  von  Taf.  6,  Fig.  2  gegebene  Charakteristi! 

des  cytoarchitektonischen  Bildes  dieses  Etat  marbrö  (Vorhandensein  vermehrte 

Neurogliakerne    an    denjenigen    Stellen    des    Striatum,    wo  die    im  normale; 

Striatum  vorhandenen  Nervenzellen  fehlen).     Es  ist  ferner  hervorzuheben,  da 

der  orale  Teil  des  Striatum  sehr  wenig  erkrankt  ist.    In  etwas  stärkerem  Grad 
46 


5J;^|^JJ2S'8.       ^"^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         673 


gilt  dieses  von  dem  Innenteil  des  Corpus  und  der  Cauda  des  Caudatum.  Da- 
gegen zeigt  in  den  kaudaleren  Abschnitten  die  dorso-laterale  Partie  des  Putamen 
eine  so  starke  pathologische  Veränderung,  daß  es  hier  zu  der  Entwicklung  einer 
bisher  noch  nie  beobachteten,  fast  reinen  Fasermasse  gekommen  ist.  Dieselbe 
ist  links  noch  etwas  stärker  ausgebildet  als  rechts.  Die  kaudaleren  Gebiete  des 
Pallidum  erwiesen  sich  als  etwas  verkleinert.  Dasselbe  dürfte  auch  für  das 
Corpus  Luysi  gelten.  Von  einer  leichten  Ventrikelerweiterung  kann  nur  da  die 
Rede  sein,  wo  der  /.  Nc  reduziert  ist.  Diese  einseitige  und  lokale  Volumen- 
venninderung  hat  offenbar  mit  dem  Etat  marbr6  direkt  nichts  zu  tun. 

C,  Epikrise. 

Wie  weit  ein  kausaler  Zusammenhang  zwischen  der  Epilepsie  und  der  für  die 
-Area  gigantopyramidalis  festgestellten  geringen  Entwicklung  der  ///.  Rinden - 
Schicht  besteht,  muß  weiteren  Untersuchungen  überlassen  werden. 

Die  spastischen  Zustände,  die  Zwischen-  und  Mitbewegungen,  sowie  die 
Athetose  bringen  wir  zu  dem  schon  auf  Grund  der  Krankengeschichte  vermuteten 
Etat  marbrö  des  Striatum  in  Beziehung.  Das  stärkere  Ergriffensein  der  rechten 
Körperhälfte  führen  wir  auf  die  stärkere  Ausprägung  des  Etat  marbr^  im  linken 
Potamen  zurück. 

Im  vorliegenden  Fall  ist  dei  Kopf  des  Striatum  sehr  wenig  in  Mitleiden- 
schaft gezcgen.  Die  Kranke  zeigte  kein  Grimassieren  und  die  Fähigkeit  zu 
gutem  Deklamieren  mit  alleiniger  Schwierigkeit,  das  ,,d'*  auszusprechen. 
C.  Vogts  somato topische,  bei  der  Epikrise  des  vorigen  Falles  näher  erörterte 
Qirferung  des  Striatum  wird  also  durch  den  Befund  bei  der  Massat  von  neuem 
gestützt. 

Gegen  das  Angeborensein  der  spastischen  Erscheinungen  und  unwillkür- 
licken  Bewegungen  spricht  die  Anamnese  in  diesem  Falle  nicht.  Wichtig  ist 
^€  zunehmende  Besserung  der  betreffenden  Krankheitserscheinungen. 

Die  auffallend  geringe  Zahl  von  Plaques  fibromyäiniques  in  der  Hirnrinde 
spricht  von  neuem  gegen  eine  proportionale  Beziehung  zwischen  ihrer  Aus- 
f^ng  und  dem  Auftreten  des  Etat  marbrö. 

Das  Fehlen  eines  allgemeinen  Hydrocephalus  internus  im  vorliegenden 
Falle  stützt  unsere  Ansicht,  daß  er  da,  wo  er  vorhanden  ist,  in  keiner  direkten 
kausalen  Beziehung  zum  Etat  marbrö  steht. 

4.  Freimdi  Fall  GuitaT  Sohols  (Bföy 

A.  Krankengeschichte, 

Geboren  am  2.  April  1872. 

Anamnese: 

Angaben  der  Mutter  1882: 

^ne  nachweisbare  erbliche  Belastung  in  der  Familie  bekannt.  Drei  Geschwister 
^6, 4  und  ii/i  Jahren  gesund.  Pat.  selbst  habe  sich  bis  zu  2V1  Jahren  normal  ent- 
^^^Wt.  Er  war  kräftig,  konnte  gehen,  aber  nicht  deutlich  sprechen.  Zeigte  auch 
Ventlndnis  für  alles.  Im  Alter  von  aVa  Jahren  wurde  der  Knabe  überfahren.  Hier- 
***ch  sprach  er  zunächst  garnicht,  fing  erst  nach  einem  halben  Jahre  wieder  an,  aber 
•^^U^tcr  als  frühe^.  Auch  war  er  nunmehr  unbehilflich  und  ungeschickt  im  Gehen 
ufid  in  allen  anderen  Bewegungen. 

47 


674  "^::_'^^?:I<^<^^-  '""ÄeÄ"^ 

1879  wegen  schlechten  Sprechens  auf  ärztlichen  Rat  nach  Kraschnitz  gegeben. 
Dort  blieb  er  16  Monate.  Die  Eltern  nahmen  ihn  zurück,  weil  er  ein  verstörtes  Aus- 
sehen zeigte,  unrein  war  und  garnicht  sprach.    Zu  Hause  besserte  sich  sein  Zustand. 

Ende  1880  zeigte  er  die  Tendenz,  sich  auf  die  Schienen  zu  werfen.  Sah  er.  die 
Lokomotive,  so  sagte  er  „Der  Puffer  kommt"  und  deutete  dann  durch.  2^ichen  an, 
daß  sie  ihm  über  den  Hals  gehen  und  er  dann  tot  sein  würde.  Im  Sprechen  machte 
er  keine  Fortschritte.  Mit  seinen  Geschwistern  war  er  gut.  Er  urinierte  vor  anderen 
Kindern  und,  wenn  er  von  anderen  Menschen  ausgelacht  wurde,  lief  er  diesen  nach 
und  bespritzte  sie  mit  seinem  Urin.  Im  Bett  war  er  reinlich.  Spielte  sehr  oft  an  seinen 
Genitalien. 

Schon  seit  1879  Anfälle  im  Schlaf,  die  darin  bestanden,  daß  er  einige  Stunden 
nach  dem  Einschlafen  aus  dem  Bett  sprang,  an  allen  Gliedern  zitterte,  röchelte  und 
einen  starren  Blick  zeigte.    Diese  Anfälle  dauerten  etwa  5  Minuten. 

April  1881  ins  Armenhaus  gebracht,  weil  die  Eltern  fürchteten,  er  könnte  von 
der  Bahn  einmal  überfahren  werden. 

Angaben  der  Mutter  nach  dem  Tode  1910: 

Jetzt  gibt  die  Mutter  an,  während  der  Schwangerschaft  an  hysterischen  An- 
fällen gelitten  zu  haben.  Sie  rollte  sich  aus  dem  Bett  heraus,  das  Bewußtsein  war  ge- 
trübt, aber  nie  ganz  geschwunden.  Kein  Zungenbiß,  aber  klonische  Zuckungen  der 
Glieder  und  Zittern.  Der  Patient  habe  schon  in  den  ersten  Lebensjahren  Krämpfe 
gehabt.    Er  zuckte  mit  dem  ganzen  Körper,  die  Augäpfel  waren  nach  oben  verdreht« 

Weiterer  Aufenthalt  des  Patienten  und  Befunde  an  ihm: 

18.  April  1882.  Der  Pat.  wurde  vom  Armenhaus  in  die  Städtische  Irrenanstalt 
zu  Breslau  verlegt  wegen  Unruhe  und  Zerstörungssucht. 

29.  Dezember  1882.     Nach  dem  Wenzel-Haukeschen  Krankenhaus  gebracht. 

25.  März  1889.  Wieder  in  die  Städtische  Irrenanstalt  zu  Breslau  überführt. 
Gewicht:    88 V2  Hund. 

16.  Mai  1889.    In  das  Armenhaus  gebracht. 

13.  Juli  1889.    Wieder  in  das  Wenzel-Haukesche  Krankenhaus  verlegt. 

23.  Oktober  1889.  Zum  dritten  Male  in  die  Städtische  Irrenanstalt  zu  Breslau 
aufgenommen. 

Hier  zeigte  sich  der  idiotische  Pat.  in  keiner  Weise  bildungsfähig  und  erzieh  bar. 
Er  hat  nur  einige  wenige  Worte  zur  Verfügung  und  drückt  sich  mit  Vorliebe  durch 
ungeschlachte  Gebärden  aus.  Seine  Begriffe  beschränken  sich  auf  wenige  konkrete 
Dinge.  Er  ist  zu  den  einfachsten  Beschäftigungen  unbrauchbar  und  zeigt  fast  nur 
für  das  Essen  Interesse.  Er  ist  im  allgemeinen  gutmütig  und  friedlich.  Bisweilen  kommt 
er  aber  r~  weniger  durch  eigene  Schuld  —  mit  anderen  Kranken  in  Streit.  Hin  und 
wieder  treten  äußerlich  völlig  unmotivierte  Erregungszustände  auf,  in  welchen  Pat. 
weint  und  jammert,  seine  Kleider  zerreißt  und  wütend  um  sich  schlägt.  Derartige 
Ausbrüche  dauern  nur  wenige  Minuten.  Auch  in  ruhigen  Zeiten  zeigt  Pat.  die  Neigung, 
seine  Kleider  zu  zerzupfen  usw.  Nicht  selten  beschädigt  er  sich  auch  selbst,  indem 
er  sich  rücksichtslos  tiefe  Wunden  kratzt. 

Pat.  ist  bei  der  Nahrungsaufnahme  selbständig  und  leidlich  manierlich,  ißt  aber 
sehr  hastig  und  hat  unersättlichen  Appetit.  Pat.  kann  sich  nicht  allein  an-  und 
ausziehen,  weil  er  dazu  tu  ungeschickt  ist.  Er  hält  sich  in  der  Regel  sauber 
und  braucht  an  Harn-  und  Stuhlentleerung  nicht  erinnert  zu  werden.  Dagegen« muß 
er  gewaschen  und  gekämmt  werden.  Pat.  hat  auf  dem  linken  Auge  Strabismus 
convergens,  linksseitige  Fazialisparese,  Zungenabweichung  nach  rechts 
beim  Vorstrecken,  Skoliose  der  Wirbelsäule  und  schleppenden  Gang.  Der  letztere 
ist  mehr  einem  Hopsen  ähnlich.    Erhöhte  Patellarreflexe. 

9.  Juli  1891.     Nach  der  Provinzial-Irrenanstalt  Kreuzberg  verlegt. 

4.  August  1893.    Es  wird  von  dieser  Anstalt  ein  dahin  gehendes  Attest  ausgestellt, 

48 


Si.'iS'Jw?' n         ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        675 


8. 


daß  Pat.  in  den  letzten  Jahren  von  Erregungsparoxysmen  gänzlich  frei  geJHieben  ist 
und  das  Bild  eines  gutmütigen^  ruhigen^  nicht  bildungsfähigen  Idioten  dargeboten 
iiat.    Daraufhin  ins  Breslauer  Entenhaus  verlegt. 

10.  Januar  1899.  Pat.  wird  vom  Armenhaus  in  das  Ciaassen  sehe  Siechenhaus 
zu  Breslau  gebracht. 

16.  Januar  1899.    Pat.  hat  einen  epileptischen  Anfall  gehabt. 

l6.  April  1899.  Die  Anfälle  wiederholen  sich  alle  6 — 8  Wochen  und  zwaF  meistens 
nadits.  Pat.  ist  sehr  scheu  und  unzugänglich  im  Verkehr  mit  normalen  Menschen, 
während  er  eine  besondere  Liebe  für  andere  Idioten  hat.  Er  ist  ziemlich  schmutzig 
und  zerreißt  seine  Kleider.  ' 

i8.  August  1900.  Blöder,  scheuer  Gesichtsausdruck.  Hat  ein  scheues  Wesen, 
verkehrt  fast  gar  nicht  mit  den  anderen  Zimmergenossen.  Neigt  zum  Jähzorn,  schon 
bei  Kleinigkeiten  wütend.  Leidet  an  Krämpfen.  Mitunter  bleiben  dieselben  tagelang 
aus,  um  dann  oftmals  am  Tage  6 — 7 mal  aufzutreten.  Stets  gleich  eigenartige  Ver- 
laufsart: Pat.  fällt  plötzlich  auf  die  Kniee,  steht  sofort  wieder  auf.  Das  Bewußtsein 
bleibt  anscheinend  ungetrübt.  Pat.  sieht  meist  gerötet  aus  und  verlangt  nachher 
häufiger  als  sonst  nach  den  Angehörigen. 

Pat.  steht  sehr  viel  am  Fenster,  ist  schwer  in  den  Garten  zu  bringen,  höchstens 
wenn  man  ihm  sagt,  daß  sein  Vater  dort  sei. 

Pat.  spricht  keinen  Satz  richtig  nach.  Spontan  spricht  er  nur  „Der  Vater 
soll  kommen'*  oder  ,J)ie  Mama  soll  kommen**  oder  „Enz  ist  er**.  Auch  auf  Fragen 
antwortet  er  immer  mit  diesen  Sätzen  bzw.  den  Hauptwörtern  in  denselben.  Kann 
nicht  zahlen.  Keine  Enuresis  nocturna.  Ißt  sehr  gierig  und  schnell.  Pat.  flucht  öfter, 
z.  B.  „Verfluchtes  Aas**.    (Wie  heißen  Sie?)  „Enz,  der  Vohter'*. 

Körperlänge  1,61  m. 

Spitzbogenförmig  gewölbter  Gaumen. 

Genua  valga. 

i8.  Oktober  1901.  Nach  .Untersuchung  Prof.  Uhthoffs:  Kein  ophthalmo- 
skopischer Befund.  Strabismus  convergens  des  linken  Auges.  Ob  Amblyopie 
am  linken  Auge  vorliegt,  läßt  sich  wegen  unsicherer  Angaben  des  Pat.  nicht  entscheiden. 

21.  Juli  1903.  Anfall.  Schimpft  sehr  laut  unter  Benutzung  krasser  Schimpf- 
worte. Klappte  die  Fenster  auf  und  zu,  etwa  ein  dutzendmal  hintereinander.  Fiel 
dann  plötzlich  nach  links.  Lag  der  Länge  nach  am  Boden  mit  graden  Beinen,  ohne 
Zähneknirschen^  etwa  5  Minuten  lang  ganz  still  da.  Als  er  dann  aufgehoben  und  auf 
einen  Stuhl  gesetzt  wird,  sitzt  er  still  und  matt  da.  Nach  etwa  3 — 4  Minuten  fängt 
er  dann  von  selbst  an  zu  essen. 

30.  März  1908.  Die  Beine  werden  gekrümmt  gehalten.  Beim  passiven 
Strecken  starker  Widerstand  der  Flexoren.  Neigung  der  großen  Zehe 
zur  Dorsalflexion,  oft  noch  vor  der  Berührung  der  Fußsohle.  Auch 
beim  passiven  Hochheben  der  Füße  bzw.  Unterschenkel  Babinskiein- 
stellung.    Strümpellsches  Phänomen. 

Tod  am  6.  Mai  1910. 
Saktionsbefund  ergab  Lungenödem. 

Angaben  der  Wärterin  nach  dem  Tode: 

Pat.  bediente  sich  hur  weniger  Worte:  „Heut  nicht,  morgen  kommt  er", 
„Warte,  du  Lump**  usw.  Beim  Stehen  und  beim  Gehen  war  der  Oberkörper  leicht 
vorgebeugt.  £r  ging  Jangsam  mit  durchgedrückten  Knieen.  Er  aß  allein,  be- 
schmutzte sich  aber  öfter  dabei.  Besorgte  seine  Notdurft  allein.  Er  pflegte  nur  zu 
den  Mahlzeiten  zu  sitzen,  sonst  stand  er  oder  ging  in  seiner  schwerfälligen,  lang- 
samen Art  im  Korridor  herum.  Hatte  kein  Interesse  für  die  ihn  umgebenden  Men- 
schen. Ging  niemals  die  Treppe  herunter,  wehrte  sich  dagegen.  Wenn  man  ihm  sagte, 
er  scrfl  in  den  Garten  gehen,  sagte  er  „Nicht  runter".  Lachte  nicht,  sah  nie  zum  Fenster 
hinaus,  spielte  auch  nicht. 

JoanuJ  lir  Fkyckologit  und  Neurologie.     Bd.  25.    Ergh.  3.  49 

4 


676  C.  UND  O.VOGT.  "^iiJS&a^ 

Ergänzungen  des. Herrn  Geheimrat  Freund:  Pat.  stand  den  größten  Teil  des 
Tages  oder  ging  in  einer  auffallend  langsamen^  schwerfälligen  Art  mit  durchr 
gedrückj^en  Knieen  ohne  richtiges  Schleifen  der  Füße.  £r  stand  dt  stunden-r 
lang  an  derselben  Stelle  mit  leicht  vorgebeugtem  Oberkörper  und  gestreckten 
und  dabei  im  Schultergelenk  adduzierten  Armen,  die  Hände  meist  geballt.  Er  voll- 
führte mit  dem  Oberkörper  fast  andauernd  leichte  seitliche  Bewegungen^  ^twa  wie 
ein  Eisbar.  Beim  Gehen  wurde  die  Rumpfbeugung  noch  stärker  und  kam 
es  häufig  vor,  daß  Pat.  in  die  Hände  klatschte,  sie  dann  auf  die  Oberschenkel  schlug, 
dann  wieder  in  die  Hände  klatschte,  von  neuem  auf  die  Oberschenkel  schlug  usw. 
Eigentliche  athetotische  Bewegungen  sind  mir  nicht  in  Erinnerung,  ebensowenig 
der  Wärterin  oder  einem  Zimmergenossen,  der  den  Pat.  gut  kannte.  Auch  zu  seinen 
Zimmergenossen  sprach  er  immer  nur  in  so  kurzen  Sätzen,  wie  sie  in  der  Kranken- 
geschichte angegeben  sind. 

Zusammenfassung  des  klinischen  Befundes. 
Nach  der  Krankengeschichte  handelt  es  sich  also. um  einen  Pät.,  der  neben 
epileptischen  Anfällen,  einer  starken  Herabsetzung  der  Intelligenz  sowie  Neigung 
zu  stereotypen  Stellungen  und  Bewegungen  von  uns  in  das  Gebiet  der  Athetose 
gerechnete,  unwillkürliche  Dorsalflexionen  der  großen  Zehe,  Strabismus  con- 
veigens  des  linken  Auges,  erschwerte  Sprache,  Ungeschicklichkeit  in  allen  Be» 
Wjegwngen,  gekrümmten  Rücken  und  vor  allem  durch  Flexcrenkontraktur  ge- 
beugte Beine  und  einen  auf  diese  Flexorenkontraktur  zurückzuführenden  schwer- 
fälligen, hopsenden  Gang  zeigte.  Wie  wir  schon  in'unserem ,, Erster  Veisuch  usw.** 
hervorgehoben  haben,  decken  sich  diese  Krankheitssymptome  wesentlich  mit 
dem  Krankheitsbili,  welches  Freud  unter  dem  Namen  der  paraplegischen 
Starre  als  besondere  Unterart  der  Litt  Je  sehen  oder  reinen  Starre  beschrieben 
hat.  Auf  den  mutmaßlichen  Beginn  der  Erkrankungserscheinimgen  werden 
wir  in  der  Epikrise  zurückkommen. 

B.  Anatomtscher  Befund. 
a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Das  Gehirn  war  klein  und  wog  nur  looo  g.  Sonst  zeigte  es  äußerlich  keine  be? 
sonderen  Anomalien. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

TaL  11,  Pig.  1  gibt  das  oralste  Gebiet  vom  Striatum  wieder.  Der  Innenteil  voü 
Nc  und  der  dorsale  Abschnitt  von  Put  zeigen  einen  ausgesprochenen  Etat  marbr6.  Die 
Zahl  der  Faserbündel  in  den  Innenteilen  voniiV^  und  Put  ist  anormal  gering.  Die  innere 
Kapsel  (Ci)  und  das  Corpus  callosum  (Cc)  zeigen  keine  wesentliche  Faservern^iinderUng« 
Eine  Ventrikelerweiterung  fehlt.  .  , 

TaL  11,  Pig.  2  gibt  einen  ähnlichen  Schnitt  der  rechten  Hemisphäre  wieder.  Der 
Etat  marbr6  ist  in  dem  Innenteil  von  Nc  wie  auch  in  Put  in  ähnlicher  Weise  vor- 
handen, aber  zweifellos  etwas  stärker  ausgeprägt.  Auch  hier  kann  von  eirlem  Hj^ro- 
cephalus  internus  nicht  die  Rede  sein.  ... 

TaL  11,  Fig.  8  zeigt  grob  morphologisch  und  in  bezug  auf  Ci,  Ce  und  Cc  annähetüd 
norniale.  Verhältnisse.  In  dem  Innenteil  von  Nc  begegnen  wir  noch. einem  ausge* 
prägteren  Etat  marbr6  als  in  dem  vorigen  Schnitt.  In  Put  finden  wir  jetzt  eine  Reihe 
von  pathologischen  Faserinseln.  Dagegen  ist  das  zusammenhängende  Fastrgebiet  im 
dorsalsten  Teil  von  Put  verschwunden. 

TaL  11,  Fig.  4.  Der  etwas  oraler  gelegene  Schnitt  aus  der  rechten  Hc^misph&rct 
zeigt  annähernd  den  gleichen  Etat  marbr6  im  Innenteil  von  Nc.  In  Put  haben 
wir  in  etwas  verminderter  Form  noch  dieselbe  Gestaltung  des  Etat  marbr6>  wie  wir 
SO 


Bd.  tf.  19S0.  2UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        677 


pbtA  8. 


ihn  in  der  Fig.  2  kennen  gelernt  haben.  In  der  groben  Morphologie  und  in  den  das 
Stri<i.tum  umgebenden  Fasermassen  ist  keine  pathologische  Veränderung  zu  kon- 
statieren. Dasselbe  gih  von  Cft,  Dagegen  ist  die  Zahl  der  Faserbündelchen  im  Striatum, 
vor*  allem  im  Put,  herabgesetzt. 

^ütfi  11^  Flgr«  6.  In  diesem  Schnitt  der  linken  Hemisphäre  zeigt. noch  die  dorsale 
Hälfte  des  Innen  teils  von  Nc  einen  Etat  marbr6.  Außerdem  ist  ein  solcher  im  dorso; 
latex^en  Gebiet  von  Put  zu  erkennen.  Sonst  sind  faßbare  pathologische  Veränderungen 
in  cier  Abbildung  nicht"  festaiustellen.  Speziell  fehlt  auch  ein  Hydrocephalus  intern\is. 
Ttt  11,  Ffe.  6.  In  dem  annähernd  entsprechenden  Schnitt  der  rechten  Hemi- 
sphäre ist  der  Etat  marbr^  sowohl  in  den  dorsaleren  Abschnitten  des  Innen  teils  von  JV^ 
wie  in  Put  stärker  ausgeprägt  als  in  der  linken  Hemisphäre.  Andere  pathologische 
Verandeningen  weist  der  Schnitt  nicht  auf. 

Ät  12,  Hg.  1  ist  wiederum  der  linken  Hemisphäre  entnommen.  Wir  begegnen 
in  dem  Innenteil  von  Nc  und  in  der  dorsalen  Hälfte  von  Put  pathologischen'  Faser- 
klampen.  Weitere  Abweichungen  von  der  Norm  sind  mit  Sicherheit  nicht  festzustellen. 
Auf   alle  Fälle  fehlt  ein  Hydrocephalus  internus. 

TW.  12,  Hg.  2.     Ein   annähernd   der  gleichen  Ebene  entnommener  Schnitt  der 
rechten  Hemisphäre  zeigt  ähnlich  lokalisierte  Faserstellen,  aber  diesmal  deutlich  in 
geringerer  Ausdehnung  als  links.  Dagegen  ist  Nc  gegenüber  links  etwas  reduziert,  ^dan 
hat  femer.  den  Eindruck,  daß  die  Zahl  der  aus  dem  Putamen  in  das  Pallidum  ein- 
dringenden Faserbündel  im  dorsalsten   Teil   vom   Pallidum  deutlich   gegenüber  der 
linken  Hemisphäre  herabgesetzt  ist. 

fct  12,  ftg.  8.  Nc  zeigt  nur  noch  Spuren  eines  Etat  marbr^,  Put  größere  Faser- 
Idumpen  bloß  in  seinem  dorso-lateralsten  Abschnitt.  Andere  Anomalien  lassen  sich 
nicht  mit  Sicherheit  erkennen. 

lUL  12,  Hg.  4.    In  dem  annähernd  der  Fig.  3  entsprechenden  Schnitt  der  rechten 
Hemisphäre  ist  Nc  wesentlich  reduzierter.     Gleichzeitig  ist  eine  geringe  Erweiterung 
des  Seiten  Ventrikels  vorhanden.    Der  Etat  marbr^  ist  im  innersten  Teil  voii  Nc  jetzt 
ebenso  minimal  wie  links.    Dagegen  zeigt  der  dorsalste  Teil  von  Put  größere  Faser- 
klumpen, als  wir  sie  links  konstatiert  haben. 

fct  12,  Hg.  6  bringt  nur  noch  relativ  faserarme  und  deshalb  wenig  hervortretende 
Faserinseln.  In  iV^  treten  dieselben  faserarmen  Inseln  kaum  hervor,  dagegen  sind 
sie  in  Put  über  seine  dorsalen  zwei  Drittel  verteilt.  Andere  pathologische  Abweichungen 
sind  nicht  festzustellen.  / 

TU.  12,  Hg.  6  zeigt  in  einem  annähernd  gleich  gelegenen  Schnitt  der  rechten 
Hemisphäre  wiederum  eine  beträchtliche  Volumen  Verminderung  von  Nc  mit  ent- 
sprechender Ventrikelerweiterung.  Dabei  zeigt  Nc  den  Etat  marbr6  in  der  gleichen 
gtfingfij^'gen  Weise  wie  Fig.  5.  In  Put  finden  wir  noch  ganz  dorsal  eine  größere  Faser- 
insel.  Sonst  sind  auch  hier  nur  kleine,  relativ  hell  gefärbte  Inseln  diffus  über  Put 
verbreitet. 

TU.  12,  Hg.  7  bringt  normale  Dentata,  Resiiformia,  untere  Oliven  und  Pyramiden{Py). 
TU.  12,  Hg.  8  gibt  einen  normalen  rechten  Bindearm  und  eine  normale  Hauben- 
region wieder. 

TU,  12,  Hg.  9  zeigt  noch  einmal  normale  Pyramiden  und  normale  untere  Oliveti, 
Die  Rinde  des  Großhirns  zeigt  sehr  wenige  Plaques  jihromyiliniques . 
TW.  18,  Hgg.  1  und  2  sind  oben  S.  672  bereits  beschrieben. 
TW.  18,  Hg.  8    zeigt   gegenüber  anderen,   an    Etat   marbrd   leidenden    Gehirnen 
eine  Volumenreduktion  von  //*.    Man  vergleiche  die  Abbildung  nur  niit  Taf.  13,  Fig.  7! 
Aber  man  darf  nicht  vergessen,  daß  es  sich  um  ein  kleines.  Gehirn  handelt.      Dagegefi 
sieht  man  gut  die  dicken  Bündel  von  H'^  in  den  Thalamuskern  vil  einstrahlen. 

TW.  18,  Hg.  4.  Das  Corpus  Luysi  (CL)  ist  von  typischem  Markgehalt.  Es  ist 
zweifellos  kleiner  als  ein  normales.  Wie  weit  dabei  nur  eine  allgemeine  oder  auch  eine 
spezielle  Volumenreduktion  dieses  Organs  eine  Rolle  spielt,  wagen  wir  nicht  zu  ent- 
scheiden.   Das  orale  Mark  des  roten  Kerns  (/A>)  zeigt  keine  faßbare  Anomalie. 

4*  5« 


Ö78 C.  UND  O.VOGT.  ■"'SS'n.SSi^' 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Abgesehen  von  der  Klei^iheit  des  Gehirns  haben  wir  nur  spezielle  Ve 
änderungen  im  striären  System  gefunden.  Diese  betiafen  vor  allem  das  Vo 
handersein  eines  Etat  marbr6  des  Striatum.  Derselbe  war  ziemlich  stark  au 
geprägt  im  Innenteil  des  Caput  und  des  Corpus  des  Caudatum.  Er  war 
geringerem  Umfang  und  in  wechselnder  Intensität  über  die  Putamina  ausgedehr 
Nur  ihre  ventralsten  Partien  waren  mehr  oder  weniger  ganz  frei  von  ihm.  Aufk 
dem  war  die  kaudale  Partie  des  Caudatum  rechts  reduziert.  Dieser  Reduktii 
ging  —  wie  im  Falle  Massat  —  eine  lokale  leichte  Ventrikelerweiterung  p 
rallel.  Endlich  war  die  Zahl  der  s^rio-pallidären  Fasern  im  dorsalen  Teil  d 
Pallidum  externum  vermindert.  //•  und  CL  waren  gegenüber  normalen  Vc 
hältnissen  leicht  reduziert. 

C,  Epikrise. 

Die  spastischen  Störungen  des  Pat.  finden  in  dem  Etat  marbr^  ihre  vol 
Aufklärung.  Auch  die  erschwerte  Sprache  dürfte  wenigstens  eine  striäre  Kor 
ponente  haben.  Eis  ist  dabei  interessant,  daß  einerseits  der  Innenteil  des  orale 
Abschnittes  von  Nc  und  das  dorso-oralste  Gebiet  von  Put  besonders  vom  EtJ 
marbr6  befallen  sind:  d.  h.  gerade  jene  Gegend,  welche  C.Vogt  zur  Sprache  ; 
Beziehung  bringt.  Selbstverständlich  gilt  dabei  für  das  Striatum  dieselbe  Ta 
Sache,  die  Jelgersma  noch  kürzlich  für  das  Cerebellum  hervorgehoben  ha 
striäre  Störungen  treten  tm  so  stärker  hervor,  je  unausgebildeter  das  Großhii 
in  dem  betreffenden  Falle  ist. 

Im  vorhergehenden  Fall  war  die  Rumpf-  und  Beinmuskulatur  viel  schwer 
erkrankt  als  diejenige  des  Arms.  Unsere  somatotopische  Gliederung  des  Striata 
ist  aber  noch  nicht  eine  so  scharfe,  daß  wir  behaupten  könnten,  die  Armreg  ii 
sei  ebenso  schwer  erkrankt  wie  die  Beinregion.  Im  vorliegenden  Fall  ist  ni 
ebenfalls  die  Beinmuskulatur  wesentlich  mehr  betroffen.  Hier  müssen  wir  nt 
aber  unbedingt  bei  Zugrundelegung  unserer  somatotopischen  Gliederung  d( 
Striatum  eine  gleichmäßige  Erkrankung  für  die  Arm-  und  Beinregion  koi 
statieren.  Die  Tatsache,  daß  trotzdem  die  Beinsymptome  überwiegen,  habe 
wir  schon  in  unserem  „Erster  Versuch  usw.**  durch  die  Annahme  zu  erkläre 
versucht,  daß  die  Großhirnkompensation  für  die  obere  Extremität  eine  intei 
sivere  sei.  Wir  leiteten  diese  Tatsache  aus  der  Feststellung  ab,  daß  die  au: 
gesprochenere  Störung  des  Arms  bei  einer  allgemeinen  Hemiplegie  auf  eir 
stärkere  Repräsentation  des  Arms  im  Großhirn  hinwies.  Wir  halten  auch  heul 
noch  an  dieser  Erklärung  fest. 

Bei  unserer  Auffassung  des  Etat  marbr^  als  einer  angeborenen  Anomal 
müssen  wir  die  Krankheitserscheinungen  als  von  Geburt  an  bestehend  au 
fassen.  Die  Angaben  der  Mutter  aus  dem  Jahre  1882  sind  vielleicht  absichtli< 
unrichtig.  Die  unserer  Ansicht  nach  angeborene  Ungeschicklichkeit  des  Ps 
im  Gehen  war  möglicherweise  schon  die  Ursache  dafür,  daß  er  als  2Vajährig 
Knabe  überfahren  wurde. 

Da  häufig  Strabismus  sich  mit  der  Litt  leschen  Starre  verbindet,  lie 
es  endlich  nahe,  auch  eine  —  durch  später  zu  erörternde  Krankheiisbilder  g 
52 


SiSS^'  a.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        679 


Stützte  —  Vertretung  der  Augenmuskeln  im  Striatum  anzunehmen,  und  die 
Augenstörung  auf  die  Striatumerkrankung  zu  beziehen. 

Es  ist  interessant,  daß  wir  nach  Aufdeckung  des  Etat  marbrö  in  der  uns 
bis  dahin  unbekannten  Krankengeschichte  durchaus  die  Symptome  der  reinen 
oder  Littleschen  Starre  aufgefunden  haben. 

Speziell  sei  noch  auf  .die  Tatsache  hingewiesen,  daß  der  Kranke  jenes  Ver- 
halten der  großen  Zehe  zeigte,  welches  wir  in  unserem  Aufsatz  „Zur  Kenntnis 
usw."  als  Pseudobabinski  bezeichnet  haben,  d.  h.  eine  Dorsalflexion  der  großen 
Zehe,  welche  als  eine  athetotische  Bewegung  spontan,   und  noch  leichter  nach 

Reizen  und  unter  diesen  auch  nach  dem  typischen  Babinski-Reiz  auftreten 
kann. 

Auch  hier  besteht  keine  proportionale  Beziehung  zwischen  dem  Etat  marbrö 
und  den  Plaques  fibromy61iniques. 

Endlich  fehlt  in  diesem  Falle  ebenfalls  ein  allgemeiner  Hydrocephalus 
internus. 

5.  Haohtrag  sn  Freund  •  IUI  Steinberg  {Bf  4). 

TilL  18,  Hg.  5  bringt  das  Bündel  H*  in  größter  Ausdehnung.  Wie  schon  C.  Vogt 
in  ihrer  früheren  Beschreibung  dieses  Falles  hervorgehoben  hat,  läßt  sich  eine  patho- 
logisdie  Volumenreduktion  dieses  Faserbündels  nicht  erkennen. 

TU.  18,  Fig.  6  zeigt  das  Corpus  Luysi  (CL)  in  größter  Ausdehnung.  Es  ist  von 
typisdiem  Markgehalt.  Aber  es  bietet  eine  gewisse  Verminderung  seines  Höhendurch- 
nicssm  dar.  Wie  weit  dieselbe  mit  dem  Etat  marbre  in  Beziehung  zu  bringen  ist  oder 
in  wcfchcm  Grade  eine  senile  Atrophie  eine  Rolle  spielt,  wagen  wir  nicht  zu  entscheiden. 

6.  Hachtrag  sn  Oppenheim!  Fttll  Wiemer-Tochter  {O2). 

fct  18,  Hg.  7  zeigt  ein  sehr  gut  entwickeltes  Ä*- Bündel. 

Iltf.18,  Fig.  8  bringt  das  Corpus  Luysi  (CL)  in  seiner  größten  Ausdehnung. 
Gegenüber  den  normalen  Abbildungen  Taf.  16,  Fig.  2  und  Taf .  26,  Fig.  8  ist  eine  leichte 
Vohimenrcduktion  vorhanden.  Es  ist  dieses  auch  schon  früher  von  C.  Vogt  angegeben 
worden. 

C.  Vogt  hat  in  ihrer  früheren  Arbeit  den  oralsten  Teil  der  beiderseitigen 
Striata  nicht  abgebildet.     Wir  möchten  dieses  mit  der  Taf.  14  nachholen. 

fü»  14,  Fig.  1  zeigt,  daß  auch  im  oralsten  Teil  von  Nc  keine  Ventrikelerweiterung 
^'orKcgt.  Beide  Nc  weisen  im  dorso-lateralen  Dritteil  ihrer  oralsten  Partie  einen  Etat 
nttrbr^  auf.  Cc  und  die  Nc  lateral  begrenzende  Fasermasse  zeigt  die  für  dieses  Gehirn 
charakteristische  sehr  gute  Markfaserentwicklung. 

M  14,  Hg.  2.  Für  die  Seitenventrikel,  Nc,  Cc  und  die  lateral  von  den  Striata 
gelegenen  Fasermassen  gilt  das  bei  Beschreibung  der  vorigen  Abbildung  Gesagte. 
Dm  /.  eben  angeschnittene  Put  zeigt  in  seinen  dorsalen  zwei  Dritteilen  einen  aus- 
gesprochenen Etat  marbr^. 

TU.  14,  Hg.  8.    Die  Seitenventrikel  sind  auch  hier  nicht  erweitert.    Das  dorsale 

Dritteil  des  Inncnteils  von  Nc  zeigt  beiderseits  einen  sehr  ausgesprochenen  Etat  marbr^. 

Im  /.  Put  zeigt  das  dorsalste  Drittel  einen  sehr  starken,  das  mittlere  einen  mäßigeren, 

das  ventrale  keinen  Etat  marbr^.   Im  r.  Put  zeigt  die  dorsale  Hälfte  einen  mittelstarken 

Status  noArmoratus. 

Wir  sehen  also,  daß  der  Etat  marbr6  bis  in  die  dorso- oralste  Partie  von 

Nc  und  Put  reicht.   Es  ist  also  hier  bei  einer  Kranken,  die  erst  mit  neun  Jahren 

zu  sprechen  angefangen  hat,  der  von  C.  Vogt  zur  Artikulation  in  Beziehung 

53 


^80 C.  UND  0.  VOGT.  ""^kJ^^^ 

gebrachte  orale  Teil  des  Striatum  auch  tatsächlich  bis  in  seinen  oralsten  Ab- 
schnitt pathologisch  verändert. 

r- 

( 

7.  Kliniioher  Haohtragp  sn  Oppenheimi  Fall  Wiemer-Mntter^ 

Im  Frühjahr  191 1  hat  H.Oppenheim  noch  einmal  in  unserer  G^enwart 
die  Wiemer-Mutter  einer  eingehenden  klinischen  Untersuchung  unterworfen. 
Da  wir  einerseits  nicht  wissen,  ob  wir  Gelegenheit  haben  werden,  noch  einmal 
auf  diesen  Fall  zurückzukommen,  wir  uns  andererseits  aber  auf  Grund  unserer 
Untersuchung  des  Gehirns  von  Wiemer-Tochter  eine  annähernde  Vorstellung 
von  der  bei  Wiemer-Mutter  vorliegenden  pathologisch- anatomischen  Ver- 
änderung machen  können,  möchten  wir  wenigstens  hier  den  Befund  mitteilen. 

Gesichtsausdnick  ähnlich  wie  früher  beschrieben.  Lippen  aufeinander  gepreßt. 
Mundwinkel  herabgezogen.  *  Etwas  Speichelfluß.  Häufig  sieht  man  Grimassieren  der 
unteren  Gesichtshälfte  und  hört  dabei  Schluckbewegungen.  Diese  unwillkürlichen 
Bewegungen  spielen  sich  besonders  in  den  Lippen  und  Kinnmuskeln  ab  und  sind  wdhl 
emotiven  Ursprungs.  Die  Muskelspannung  macht  sich  auch  darin  bemerkbar,  daß  sich 
die  Lippen  passiv  schwer  voneinander  entfernen  lassen.  Doch  ist  das  alles  sehr  wechselnd. 
Besonders  stark  ist  die  Spannung  der  Kiefermuskeln.  Patientin  kann  die  Lippen  2  cm 
weijt  voneinander  entfernen.  Auch  die  Zahnreihe  kann  sie  ein  wenig  auseinander  bringen. 
Doch  sieht  man  deutlich,  wie  sie  Muskelwiderstände  zu  überwinden  hat.  Unterkiefer- 
sehnenphänomen deutlich,  aber  nicht  gesteigert.  Kein  Freßreflex.*  Auch  kein  harter 
Gaumenreflex.  Der  Lidschluß  ist  gut.  Die  Musculi  orbiculares  scheinen  für  gewöhnlich 
auch  etwas  angespannt.  Seitwärtsbewegungen  der  Unterkiefer  fehlen  ganz.  "  Pfeifen 
gelingt  nicht.  Auch  Lippenspitzen  wird  zunächst  nicht  ausgeführt.  Im  Affekt  beim 
Lachen  ausgiebige  Bewegungen  der  Gesichtsmuskulatur.  Die  Zunge  wird  ziemlich 
vollkommen  vorgestreckt.  Dabei  kommt  es  auch  zu  einer  besseren  Kieferöffnung 
imter  Subluxation.  Seitwärtsbewegungen  der  Zunge  langsam,  aber  vollkommen. 
Augenbewegungen  frei.  Die  Muskelkraft  ist  speziell  beim  Kieferschluß  vollkommen. 
Auch  die  Öffnung  des  Unterkiefers  erfolgt  mit  ziemlich  guter  Kraft. 

Gegenwärtig  kann  man  Patientin  nicht  dazu  bringen,  ein  Wort  nachzusprechen. 
Nachher  sagt  sie  dagegen  „Ja**  und  „Nein**;  allerdings  mit  starkem  Näseln  und  mit 
etwas  übermäßigen  Unterkieferbewegungen.  Ebenso  spricht  sie  das  Wort  „Uhr"  nach. 
Die  Zunge  wird  beim  Sprechen  stark  gegen  die  untere  Zahnreihe  gepreßt.  Im  ganzen 
scheint  Patientin  einsilbige  Wörter  zu  bevorzugen.  So  sagt  sie  statt  „Wasser"  „Wass". 
Eine  Störung  aphasischen  Charakters  scheint  nicht  vorzuliegen.  Schreiben  und  Lesen 
hat  sie  nie  gelernt.  Die  Dysarthrie  ist  aber  doch  so  erheblich,  daß  sie  das  Wort  „Geld** 
nicht  verständlich  aussprechen  kann.     Statt  „Schlüssel**  sagt  sie  ,,Lüss**. 

Anscheinend  bewegt  Patientin  das  Gaumensegel  beim  öffnen  des  Mundes,  doch  läßt 
sich  eine  Prüfung  der  aktiven  Beweglichkeit  desselben  nicht  durchführen.  Sehr  charak- 
teristisch ist  die  Art  und  Weise,  wie  der  subluxierte  Unterkiefer  erst  auf  der  einen  und 
dann  auf  der  anderen  Seite  eingerenkt  wird.  Beim  Trinken  verliert  Patientin  etwas 
Flüssigkeit  zwischen  den  Lippen.  Der  Schluckakt  vollzieht  sich  schwierig,  aber  ohne 
wesentliche  Störung.  Auch  Kauen  von  Brot  erfolgt  langsam,  aber  ziemlich  gut.  Dabei 
öffnet  sich  der  Unterkiefer  aber  auch  viel  weiter  als  beim  einfachen  Willkürakt.  Man 
sieht  aber  ausschließlich  senkrechte  Kieferbewegungen.  Auch  hört  man  Schluck- 
nachgeräusche, welche  über  die  physiologischen  an  Zahl  und  Intensität  hinausgehen. 

Die  Kopfbewegungen  sind  frei  und  kraftvoll. 

Die  Finger  der  /.  Hand  in  Schrei bstellung,  der  Daumen  eingeschlagen.  R.  ist 
diese  Stellung  ebenfalls  angedeutet.  Doch  sind  diese  Haltungen  nicht  fixiert.  Ein  ihr 
hingereichtes  Glas  umgreift  sie  nur  sehr  mühselig  mit  den  Fingern.  Man  sieht  —  wenn 
•auch  zurzeit  nur  selten  —  deutliche  athetoYde  Bewegungen  in  den  Fingern  beider  Hände. 

54 


ÄriSLiffi'  j.       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        68 1 


Es  vergehen  Minuten^,  ohne  daß  solche  auftreten.  Mitbewegungen  von  einer  Hand 
auf  die  andere  sind  nicht  zu  bemerken.  Beim  Versuch  zu  sprechen,  treten  dagegen  sehr 
ausgiebige  Fingerbewegungen  auf.  Die  weitere  Beobachtung  lehrt  aber,  daß  es  mehr 
das  praparatorische  Moment  des  Sprechens  ist,  das  zu  diesen  Bewegungen  führt.  Dabei 
ist  das  typisch  Athetotische  in  unwillkürlichen  und  Mit-Bewegungen  der  Finger  nicht 
zu  verkennen.  Derartige  Bewegungen  treten  aber  nur  zeitweise  auf.  Supinatorphänomen 
besonders  t,  gesteigert.  Es  sind  die  groben  aktiven  Bewegungen  an  der  r.  Hand  ajle 
erhalten.  Auch  die  motorische  Kraft  ist  fast  normal.  Die  Fingerbewegungen  sind  ver- 
langsamt. Ebenso  werden  Zielbewegungen  noch  mit  einiger  Geschicklichkeit  aus- 
geführt. Patientin  kann  auch  den  Zeigefinger  isoliert  ausstrecken,  dagegen  nicht  den 
kleinen.  In  der  /.  oberen  Extremität  entwickelt  sie  ebenfalls  volle  Kraft,  nur  kaiin  sie 
die  Hand  nicht  strecken.  Es  kommt  dabei  zu  Mitbewegungen  in  Lippen-  und  Schluck- 
muskeln. Die  /.  Fingerbewegungen  sind  noch  verlangsamter.  Patientin  kann  aber  auch 
hier  den  Zeigefinger  isoliert  ausstrecken.  Im  Daumen  sowie  beim  Spreizen  und  der 
Abduktion  der  Finger  ziemlich  gute  Kraft. 

Vom  Stuhl  kömmt  Patientin  etwas  schwierig  auf.     Sie  zieht  sich  allein  an  und 
aus.     Sie  behauptet  auch,  die  Küche  allein  zu  besorgen. 

Interessant  ist  es,  daß  ihre  Gestikulation  sich  fast  ausschließlich  in  den  Orbi- 
culares  oculorum  und  in  den  Halsmuskeln  abspielt. 

Der   Gang  ist  typisch  spastisch-paretisch ;  Füße  in  varo-equinus- Stellung,  be- 
sonders /.. 

Beim  Bestreichen  der  /.  Fußsohle  Dorsalflexion  des  ganzen  Fußes.    /?.  sicherer 
Babinski.     L.    sehr   geringfügige,    nicht    ganz  regelmäßige  Dorsalflexion  der  großen 
Zehe.  Ebenso  .dorsales  Unterschenkelphänomen  beiderseits.    Jedoch  r.  nur  Anspannung 
des  Musculus  tibialis  anticus,  während  die  Zehen  gebeugt  werden. 
Kein  Rossolino.    Kein  Bechterew-Mendel.     Kein  Fußklonus. 
Steifigkeit  in  den  Beinen  erheblich. 

Kniesehnenphänomene  entschieden  gesteigert,  aber  nicht  bis  zum  Klonus. 
Aktive  Bewegungen  in  den  verschiedenen  Muskelgruppen  des  r.  Beines  mit  ziem- 
Udi  erheblicher  Kraft. 

Im  Z.  Ober-  imd  Unterschenkel  auch  ziemlich  kräftige  Willkürbewegungen.  Bei 
»Wver  Dorsalflexion  des  /.  Fußes  kommt  es  vorwiegend  zu  unvollkommener,  un- 
g^end  kraftiger  Adduktion  und  zu  Mitbewegungen  der  anderen  Seite.  Besonders 
beeinträchtigt  ijt  die  Adduktion  des  /.  Fußes  und  die  Bewegungen  der  /.  Zehen.  Diese 
^Mntrachtigung  erklärt  sich  nicht  aus  einer  Kontraktur  der  Zehen. 
I.  Unterschenkel  weniger  voluminös  als  der  r.  , 
Keine  Harn-  und  Stuhlbeschwerden. 

In  den  unteren  Extremitäten  zurzeit  nur  ganz  vereinzelte  athetolfde  Bewegungen. 
Empfindungen  von  Pinselberührungen  und  Najdelstichen  an  den  Füßen  und  an 
^  Fingern  normal. 

Zusammenfassung  und  Epikrise. 

£s  handelt  sich  um  die  Mutter  derjenigen  Patientin,  welche  in  abgeschwächter 
Weise  das  Krankheitsbild  der  Mutter  und  als  einzigen  pathologischen  Hirn- 
Wund  den  Etat  marbr^  des  Striatum  mit  leichten  sekundären  Veränderungen 
^  übrigen  striären  System  zeigte.  Wir  neigen  daher  dazu,  denselben  patho-- 
topsch-anatomischen  Prozeß  —  nur  noch  in  ausgeprägterer  Form  —  bei  der 
Mutter  anzunehmen. 

Prüfen  wir  nun  die  einzelnen  Symptome,  so  ergibt  sich,  daß  die  paralytische 
'^ßponente  für  die  meisten  Muskeln  so  zurücktritt,  daß  höchstens  nur  noch 
von  einer  leichten  Herabsetzung  der  motorischen  Kraft  die  Rede  sein 
**ön.  Zweifelhaft  sind  in  dieser  Hinsicht  nur  einige  Muskeln  des  /.  Fußes.    Ob 

55 


682 C.  UND  O.  VOGT. ""gSf  feeSSÄT^ 

hier  eine  gewisse  Inaktivitätsatrophie  eine  Rolle  spielt,  wagen  wir  nicht  zu  ent- 
scheiden. Von  Bedeutung  ist  weiter  die  ausgeprägte  Amimik:  ,,Die  Gestikulation 
spielt  sich  fast  ausschließlich  in  den  Orbiculares  oculorum  und  in  den  Hals- 
muskeln ab." 

Wichtig  ist  ferner,  daß  die  Starre  und  die  durch  sie  bedingten  Haltungs- 
anomalien  wenigstens    in   den  oberen  Extremitäten   „nicht  fixiert**   sind. 

Bezüglich  des  Babinski  ist  es  interessant,  daß  derselbe  gerade  in  dem  stärker 
affizierten  /.  Fuß  zurzeit  ,,sehr  geringfügig"  war.  Wir  werden  durch  diese  Tat- 
sache darin  bestärkt,  die  in  diesem  Fall  beobachtete  Dorsalflexion  der  großen 
Zehen  auch  als  ^^Pseudobabinskt''  aufzufassen. 

Die  Sehnenreflexe  zeigen  keine  pathologische  Steigerung. 

Dagegen  führt  die  durch  die  Spasmen  bedingte  Verlangsamung  der  Be- 
wegungen zu  einer  später  noch  eingehender  zu  erörternden  Pseudoadiadokokinesis. 

Ferner  ist  darauf  hinzuweisen,  daß  sich  wohl  Mitbewegungen  zeigen, 
daneben  aber  auch  in  der  Ruhe  unwillkürliche  Bewegungen  auftreten. 
Beide  Formen  von  Bewegungen  sind  teilweise  typisch  athetoid.  Ihre  Zunahme 
beim  Affekt  ist  sehr  deutlich. 

Endlich  sei  noch  hervorgehoben,  daß  die  Patientin,  die  mit  31  Jahren  noch 
vollständig  stumm  war,  im  fünften  Jahrzehnt  etwas  Sprechen  gelernt  hat. 
Auch  die  athetoiden  Bewegungen  in  den  Händen  haben  im  Vergleich  zu  dem 
Status  vom  Jahr  1895  abgenommen. 

8.  Gallns'  TaU  Marie  8.  {BieL  32). 

A.  Krankengeschichte, 

Geboren  den  10.  Juni  1898. 

Anamnese : 

Uneheliches  Kind;  erbliche  Belastung  nicht  bekannt.  Das  KLind  war  von  vorn- 
herein geistig  wenig  rege.  Es  hatte  im  ersten  Jahr  Krämpfe.  Es  spricht  in  seinem 
jetzigen  8.  Lebensjahr  noch  kein  Wort,  sondern  stößt  nur  einige  unartikulierte 
Laute  aus,  ist  bisweilen  unsauber,  gewalttätig  gegen  andere  Kinder  und  kam  mehr- 
mals in  Gefahr,  überfahren  zu  werden. 

Status  präsens  am  22.  März  igo6: 

Die  körperliche  Entwickelung  entspricht  kaum  dem  Alter.  Haut  etwas  welk. 
Geringes  Fettpolster.     Knochenbau  gracil.    Muskulatur  ziemlich  dürftig. 

Schädel  zeigt  keine  wesentliche  Abweichung  von  der  Norm.  Stirn  schmal^  mittel- 
hoch. Ohrmuscheln  ziemlich  gut  ausgeprägt.  Mund  symmetrisch  geformt.  Zahne 
in  gehöriger  Ordnung,  zum  Teil  kariös.     Harter  Gaumen  mittelbreit  und  mittelhoch. 

Brustkorb  gut  gewölbt.  Lungenschall  normal.  Atemgeräusch  vesikulär,  keine 
Nebengeräusche.    Herztöne  rein.    Puls  regelmäßig.     Bauchorgane  o.  B. 

Lidspalten  gleich  groß.  Augen bewegungen  frei.  Sehvermögen  vorhanden.  Pat. 
greift  nach  vorgehaltenen  Gegenständen  und  führt  sie,  soweit  es  möglich  ist,  zum 
Munde. 

Hörvermögen  vorhanden,  Pat.  reagiert  auf  Geräusche  und  freut  sich  über  den 
lauten  Ton  der  Stimmgabel. 

Weicher  Gaumen  symmetrisch  innerviert. 

Zunge  gerade  vorgestreckt. 

Extremitäten  aktiv  und  passiv  in  normaler  Exkursion  beweglich.  Das  Kind 
kann  gehen,  stehen,  laufen;  greift  in  gehöriger  Weise  mit  Armen  und 
Fingern. 

56 


Bd.  tft,  IMO. 


,        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        683 


Gesichtsausdruck  freundlich^  blöde. 

Geistesfähigkeit  sehr  mangelhaft  entwickelt.  Freut  sich  über  vorgezeigte  Bilder, 
Spiebachen  und  sonstige  Gegenstände,  greift  nach  ihnen,  scheint  aber  keinerlei  Ver- 
ständnis fflr  ihren  Zweck  oder  Wert  zu  haben.  Nur  den  Löffel  versteht  sie  zu  gebrauchen 
und  aus  der  Tasse  zu  trinken,  ohne  sich  viel  zu  besudeln.  Brot,  Fleisch,  Kartoffeln 
führt  sie  mit  dem  Löffel  oder  den  Fingern  zum  Munde.  Ist  in  der  Nahrungsaufnahme 
nicht  wählerisch.  Ißt  ihre  Portionen  auf,  verlangt  aber  noch  mehr.  Sie  spielt  mit 
kleineren  Spielsachen,  Papierfetzen  usw.,  ohne  irgendeine  Vorliebe  für  einen  beson- 
deren Gegenstand  zu  zeigen. 

Motorische  Sprache  so  gut  wie  nicht  vorhanden.  Die  einzige  Lautäußerung, 
die  sie  hören  läßt,  ist  „Dia",  und  zwar  als  Ausdruck  der  Freude,  des  Unbehagens,  des 
Verlangens  und  aller  sonstigen  Gefühlszustände.  Ihre  Bedürfnisse  vermag  sie  nicht 
anzumelden,  bei  einiger  Abwartung  bleibt  sie  aber  bei  Tage  und  auch  nachts  sauber. 

3.  April  1906.  Bleibt  meist  für  sich  allein  und  stößt  ihren  einzigen  Laut  ^^Dia" 
aus.    Sie  ist  gänzlich  bildungsunfähig,  spielt  für  sich  allein  und  ist  ruhig. 

10.  April  1906.  Ist  öfter  nachts  naß.  Kratzt  sich  oft  blutig,  ohne  an  Erregungs- 
zuständen zu  leiden.  Körperlich  gesund  und  munter.  Weil  sie  ihre  Kleider  zerreißt, 
trägt  sie  dauernd  einen  unzerreißbaren  Kittel. 

12.  Juni  1906.     Gewicht:    18,5  kg.    Status  idem. 

34.  September  1906.  Leidet  öfter  an  vereiterten  Fingern  infolge  Beknabbems 
der  Fingernägel.    Verbände  reißt  sie  ab. 

31.  Dezember  1906.     Gewicht:    21kg. 

4.  Februar  1907.  Körperlich  ist  Pat.,  abgesehen  von  vorübergehenden  Ver- 
dauungsstörungen, dauernd  gesund  und  munter.  Ihre  geistige  Entwicklung  macht 
fast  keine  Fortschritte.  Betragen  ruhig  und  freundlich.  Spielt  am  liebsten  für  sich 
allein  mit  ihren  Puppen.    Zeigt  Zerstörungssucht. 

4.  Oktober  1907.  Pat.  hat  gestern  zum  ersten  Male  am  Tage  zwei  Krampf- 
anfäll  e  gehabt.  Zuckungen  in  allen  Gliedern.  Verdrehung  der  Augen.  Bewußt- 
losigkeit.   Dauer  etwa  8  Minuten.    Hernach  Mattigkeit. 

20.  November  1908.  Leidet  viel  an  Krampfanfällen.  Tuberkulose  fest- 
gestellt. 

8.  Februar  1909.  Ejrampfanfälle  alle  2 — 4  Wochen.  Dann  stark  gehäuft  bis  zu 
sechs  an  einem  Tage.  Im  Anschluß  daran  starke  Benommenheit.  Pat.  hat  kein  Interesse 
för  ihre  Umgebung  und  ist  vielfach  unsauber.  Gewicht:  31  kg.  Urin  klar  und  frei 
von  Eiweiß  imd  Zucker.    Seitens  der  Lungen  keine  Erscheinungen. 

24.  Februar  1909.    Neuer  Status  auf  einer  anderen  Station:   Leichte  Spannung 
in  den  Armen  und  Beinen,  besonders  stark  im  rechten  Bein.    Gang  breit- ^ 
beinig.     Vielleicht  wird  linkes  Bein  etwas  nachgeschleppt.     Haltung  nach  vorn 
gebeugt.    Finger  und  Hände  rot  gedunsen,  die  Füße  weniger.    Sehnenreflexe  leb- 
haft.    Beiderseits  Babinski.    Beiderseits  Fyßklonus. 

Pupillen  mittel  weit,  gleich  prompte  Lichtreaktion. 

Stößt  zumeist  nur  einen  Ton  aus:  „du,  du,  du",  äußert  auch  „Anna",  „Puppe", 
(wenig  deutlich).  Einfache  Aufforderungen  versteht  Pat.  Sie  zeigt  auf  Er- 
suchen ihre  Nase,  auch  ein  Haus  auf  einem  Bilde,  versagt  aber  in  bezug  auf  sonstige 
Prüfungen  ganz.     Bekommt  Brom. 

Status  am  20.  Apwril  1909:  Stumpfer,  blöder  Gesichtsausdruck.  Antwortet  auf 
alle  Fragen  mit  „Puppe",  „Na  ja";  sonst  kann  sie  anscheinend  nichts  sagen.  Ein- 
fache Aufforderungen  versteht  sie  und  führt  sie  richtig  aus.  Sie  zeigt  z.  B.  auf  Ver- 
langen eine  Flasche,  Schlüssel,  Streichhölzer  und  gibt  diese  Dinge  der  Wärterin.  Die 
Aufforderung,  aus  der  Streichholzschachtel  eins  heraus  zu  nehmen,  ist  ihr  anscheinend 
zu  kompliziert.  Ferner  steht  sie  auf  Befehl  auf,  setzt  sich,  hebt  die  Arme  hoch.  Vor- 
gezeigte Bilder  kann  sie  nicht  beurteilen,  freut  sich  aber  sichtlich  darüber.  Ist  durch 
Abwarten  sauber  zu  halten. 

Hatte  vor  einigen  Tagen  einen  epileptischen  Anfall. 

57 


^^4 C.  UND  0.  VOGT. ^^^NeSSSff 

Leichter  Strabismus  divergens  links. 

Größe:    1^25111.    Kopfumfang:   48  cm. 

Gang  breitbeinig^  etwas  schwerfällig« 

Patellarreflex  beiderseits  gesteigert. 

Beiderseits  Babinski, 

Kein  Fußklonus. 

Sensibilität  anscheinend  intakt. 

Pupillen  gleich-  und  mittelweit,  reagieren  prompt. 

12.  April  1910.     Status  idem, 

15.  November  1910.  Erkrankte  fieberhaft  mit  Odem  der  Beine  und  blutig 
Sugillationen  an  den  Beiner.    Gleichzeitig  Durchfälle. 

19.  November  1910.    Fiebert  dauernd  mäßig,  auch  Blutaustritt  am  Rumpfe. 

21.  November  1910.  In  den  letzten  3  Tagen  gehäufte  Krampfanfälle  bis  zu  zw< 
am  Tage.    Nach  den  letzten  Anfällen  rascher  Verfall  und  Exitus. 

Zusammenfassung  des  klinischen  Befundes. 

Es  handelt  sich  um  ein  stark  schwachsinniges  Kind,  welches  linken  Strs 
bismus  divergens  und  leichte  Spannungen  der  Arme  und  Beine  zeigt 
infolgedessen  einen  breitbeinigen,  etwas  schwerfälligen  Gang  hatte,  bei  beide 
seits  gesteigerten  Patellarreflexen  und  wiederholt  festgestelltem  beiderseitig« 
Babinski.  Außerdem  war  das  Kind  motorisch  fast  vollständig  aphasiscl 
während  es  einfache  sprachliche  Aufforderungen  richtig  verstand  und  verarbeitet 

B,  Anatomischer  Befund. 
a)  Makroskopische  Feststellungen. 

Das  Gehirn  ist  klein.  Die  linke  Hemisphäre  zeigt  in  der  Gegend  des  linken  Gyr 
angularis  eine  leichte  Mikrogyrie.  Außerdem  ist  die  linke  Hemisphäre  am  Okzipitalp 
um  etwa  i  cm  verkürzt.  Sonst  zeigt  die  Oberfläche  des  nicht  zerlegten  Gehirns  kei 
Anomalien.  Ein  makroskopischer  Querschnitt  läßt  einen  starken  Hydrocephalus  i 
temus  mit  gering  entwickeltem  Corpus  callosum  und  Centrum  semiovale  erkenne 
Der  Hydrocephalus  ist  im  allgemeinen  links  etwas  stärker. 

b)  Mikroskopische  Untersuchungen. 

Taf«  16,  Fig.  1  gibt  einen  Frontalschnitt  durch  das  Gehirn  in  der  Gegend  d 
oralen  Beginns  des  Striatum.  Wir  sehen  die  Windungen  durchaus  normal  gebilde 
Dagegen  konstatieren  wir  im  Großhirn  eine  pathologische  Faserarmut  nach  innc 
von  der  U-Faserung  und  im  Corpus  callosum.  Beiderseits  ist  ein  starker  Hydrocephab 
internus  vorhanden.  Außerdem  zeigt  der  Innenteil  des  linken  Caudatum  einen  typische 
Etat  marbr^. 

TaL  16,  Fig,  2  bringt  das  Striatum  und  seine  Umgebung  von  einem  etwas  kai 
daler  gelegenen  Schnitt.  Auch  hier  konstatieren  wir  die  Schmalheit  des  Corpus  callosu 
und  den  enormen  Hydrocephalus  internus.  Links,  weist  der  Innenteil  des  Caudatu 
und  das  eben  angeschnittene  Putamen  einen  ausgesprochenen  Etat  marbrö  auf.  Rech 
gilt  dasselbe  von  dem  Innenteil  des  hier  noch  allein  getroffenen  Caudatum. 

TaL  16,  Fig,  8  zeigt  ebenfalls  ein  sehr  verschmälertes  Corpus  callosum  und  beide 
seits  einen  stark  erweiterten  Ventrikel.  Die  Caudata  zeigen  ventrikelwärts  eine  A 
plattung.  In  ihrem  Innenteil  wie  in  denPutamina  ist  ein  Etat  marbre  deutlich  vorbände 

TaL  16,  Fig.  4  bringt  das  linke  Striatum  mit  seiner  Umgebung.  Auch  hier  sehe 
wir  die  Projektionsfaserung  relativ  gut  entwickelt,  dagegen  das  Corpus  callosum  schm 
und  einen  ausgesprochenen  Hydrocephalus  internus.  Im  Innenteil  des  Caudatu 
begegnen  wir  wie  früher  einem  Etat  marbre.  Im  Putamen  läßt  sich  ein  solcher  nicht  mel 

5» 


Bd.  SS,  1980, 


,      ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         685 


mit  Sicherheit  nachweisen.  Die  auch  im  normalen  Pallidum  externum  faserärmere 
dorso-Iaterale  Spitze  scheint  hier  von  anormaler  Helligkeit  (Ausfall  caudato-palli- 
darer  Fasern). 

TaL  16,  Pig,  6  zeigt  P5rramiden  und  untere  Oliven  ohne  pathologischen  Befund. 
TaL  16,  Fig.  1  zeigt  auch  noch  einen  erweiterten  Seitenventrikel,  speziell  /.    Der 
Innenteil  beider  Nc  weist  nach  wie  vor  einen  Etat  marbr6  auf.    Außerdem  finden  sich 
kleine    Inseln  davon   im  dorsalen  Teil  der  Putamina.    H^  ist  r.  gut  entwickelt.    Das- 
selbe gilt  auch  vom  l,  CL. 

TtL  16,  Fig.  2  bringt  das  Corpus  Luysi  (CL)  und  seine  Umgebung  von  einem  nor- 
malen  Gehirn.    CL  ist  hier  in  seinem  größten  Höhendurchmesser  getroffen. 

TaL  16,  Fig.  8  ist  einem  Schnitt  des  jetzt  zur  Beschreibung  stehenden  patho- 
logischen Gehirns,  Biet  32,  entnommen.  CL  ist  mit  Rücksicht  auf  die  Jugend  des 
Gehirns  höchstens  etwas  gegen  die  Norm  verkleinert.  Die  Farbendifferenz  gegenüber 
CL  von  Fig.  2  dürfte  vornehmlich  technische  Gründe  haben. 

TaL  16,  Kg.  4  bringt  bei  5ofacher  Vergrößerung  aus  einem  nach  van  Gieson 
behandelten  Präparate  die  Pia  mater  und  die  Arachnoidea  von  jenem  Teil  des  Sulcus 
calcarinus  (calc),  der  —  wie  aus  Taf.  17,  Fig.  i  hervorgeht  —  eine  Mikrogyrie  zeigt. 
Im  dorsalen  Teil  bildet  die  sehr  verdickte  Arachnoidea  (Ar)  grobe  Bündel.    In  den  ven- 
traleren zwei  Dritteilen  sind  die  letzteren  dünner.    Zwischen  denselben  befinden  sich 
viele  —  in  der  Abbildung  als  kleine  runde  Punkte  erkennbare  —  Kömchenzellen. 

TiL  17,  Kg.  1.    Es  handelt  sich  um  Teile  eines  Schnittes  durch  jenes  Gebiet  des 
I.  Gyrus  angularis,  der  entsprechend  den  oben  gemachten  Feststellungen  eine  Mikro- 
gyrie zeigt.     Man  erkennt  aus  der  Abbildung,  daß  Teile  des  Sulcus  calcarinus  (calc) 
und  seiner  Umgebung  ebenfalls  —  wie  schon  bei  Beschreibung  von  Taf.  16,  Fig.  4  er- 
"fnioit  wurde  —  eine  Mikrogyrie  aufweisen. 

TU,  17,  Fig.  2  gibt  bei   5ofacher  Vergrößerung  den  unmittelbar  dorsal  von  oa 

gelegenen  Teil  des  Gyrus  angularis  wieder.     Man  .erkennt  zunächst,  daß  diese  mikro- 

Kyrische  Rinde  ihre  spezielle  Architektonik  hat.     Im  dorso-medialsten  Teil  begegnen 

wir  6tam  aber  weiter  noch  abnormen  Fasermassen,  welche  C.  Vo  gt  s  Plaques  f ibro- 

royfliniques  wenigstens  sehr  ähnlich  sind. 

TU,  17,  Fig.  8  zeigt  uns  bei  5ofacher  Vergrößerung  denjenigen  Rindenteil,  welcher 
^'^otral  von  oa  gelegen  ist.  Auch  hier  haben  wir  nicht  nur  im  allgemeinen  eine  anormale 
speaelle  Myeloarchitektonik  vor  uns,  sondern  zwei  Fasermassen,  welche  wir  vorläufig 
wdit  von  C.  Vogts  Plaques  fibromyöliniques  unterscheiden  können. 

c)  Zusammenfassung    des    anatomischen    Befundes. 

Ein  kleines  Gehirn  zeigt  äußerlich  eine  Mikrogyrie  /.   im  Gyrus  angularis 
wnd  in  der  Gegend  des  Sulcus  calcarinus.    Hier  weist  die  Verdickung  der  Arach- 
noidea und  das  Vorhandensein  von  Kömchenzellen  auf  einen  ehemaligen  Ent- 
zündungsprozeß hin.    Das  mikrogyrale  Gebiet  ist  nicht  nur  durch  eine  besondere 
Myeloarchitektonik,  sondern  auch  noch  durch  anormale  Faseranhäufungen  charak- 
terisiert, welche  wir  wenigstens  vorläufig  nicht  von  den  Plaques  fibromy61iniques 
zu  unterscheiden  vermögen.     Außerdem  fand  sich  ein  starker  Hydrocephalus 
internus,  besonders  /.,   mit  Verkümmerung  des   Balkens  und  gewisser  Faser- 
anteile des  Centrum  semiovale.     Endlich  zeigten  die  Caudata  nicht  nur  eine 
J?eduktion,    sondern   in   ihrem    Innenteil   einen   ausgesprochenen   Etat   marbr6. 
Auch  die  Putamina  wiesen  stellenweise  einen  solchen  auf. 

C.  Epikrise. 

Wenn  auch  bei  Jera  komplexen  pathologischen  Befund  dieser  Fall  zur  Heraus- 
schälung der  striären  Symptome  ungeeignet  ist,  so  ist  doch  wenigstens  hervor- 

59 


686 C.  UND  0.  VOGT. ^^^NeSSgSl 

zuheben,  daß  diejenigen  Erscheinungen,  auf  welche  wir  auf  Grund  des  E 
marbr6  und  seiner  Lokalisation  im  vorliegenden  Fall  zu  schließen  die  Neig 
haben  würden,  uns  im  Strabismus  divergens,  leichten  Spannungen  in  den  Ex 
mitäten  und  fast  vollständiger  Stummheit  tatsächlich  entgegentreten.  Spe: 
der  letzteren  möchten  wir  eine  striäre  Komponente  unter  keinen  Umstän 
absprechen. 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen. 

a)  Zur  Symptomatologie  des  Etat  marbri. 

Die  ersten  sechs  der  hier  erwähnten  Fälle  zeigen  den  Etat  marbri  des  St 
tum  in  so  isolierter  Form,   daß  wir  schon  heute  seine  Symptomatologie 
jenem  Krankheitsbild  identifizieren  können,  das  Little  in  der  Mehrzahl  se 
Fälle  vor  sich  gehabt  hat. 

Im  Vordergrund  stehen  Hyperkinesen. 

Diese  äußern  sich  vor  allem  in  spastischen  Zuständen.  Es  gilt  a 
noch,  zu  untersuchen,  ob  bei  richtiger  Behandlung  je  Dauerkontrakturen  < 
stehen.  Jedenfalls  zeigen  die  Spasmen  vielfach  nur  einen  rein  temporären  Chai 
ter.  Die  bei  der  kortikalen  spastischen  Lähmung  bevorzugten  Prädilektic 
muskeln  sind  sicherlich  nicht  speziell  befallen.  Ob  nur  die  Topographie 
Etat  marbr6  die  jedesmalige  periphere  Lokalisation  bedingt  oder  ob  bestimi 
Muskeln  im  striären  System  besonders  vertreten  sind  und  deshalb  auch 
seiner  Erkrankung  besonders  von  Spasmen  und  Haltungsanomalien  befa! 
werden,  bedarf  weiterer  Untersuchungen. 

Eine  zweite  Form  von  Hyperkinesen  wird  von  unwillkürlichen  ] 
wegungen  choreatischer  und  vornehmlich  athetoider  Art  gebildet.  Di 
unwillkürlichen  Bewegungen  treten  in  den  leichteren  Fällen  von  Etat  mar 
gegenüber  den  spastischen  Zuständen  zurück.  Auf  eine  geringfügigste  Tend 
zu  ihnen  führen  wir  die  Dorsalflexion  der  großen  Zehe  im  4.  Fall  zurück, 
wir  denn  überhaupt  die  in  den  verschiedenen  Krankengeschichten  noti( 
Dorsalflexion  der  großen  Zehe  im  Anschluß  an  den  typischen  Babinskii 
nur  als  eine  einen  ^^Pseudobabinski''  darstellende  athetoide  Bewegung  auffass 
weil  sie  einerseits  bei  Applikation  des  Babinskireizes  inkonstant  ist  und  ande: 
seits  auch  auf  andere  periphere  Reize  hin  oder  ,, spontan"  erfolgt. 

Inzwischen  haben  wir  gefunden,  daß  schon  Guillain  und  Dubois  19 14 
einem  Fall  von  Ath^tose  double  feststellten,  daß  die  Dorsalflexion  der  großen  Z 
durch  andere  periphere  Reize,  z.  B,  solche  des  Thorax,  ausgelöst  werden  kon: 
Die  Autoren  sehen  dabei  aber  in  so  ausgelösten  Dorsalflexionen  der  große  Z 
einen  echten  Babinskireflex,  far  den  sich  nur  infolge  einer  dauernden  „Demistrycl 
sation"    der  motorischen  Bahnen   die  äußerliche  Auslösungszone  ausgedehnt  hc 

Daneben  haben  wir  Mitbewegungen,  Zwangslachen  und  Zwan; 
weinen.  Die  Mitbewegungen  bedürfen  noch  einer  feineren  Analyse.  Es  g 
aber  schon  aus  unseren  Krankengeschichten  hervor,  daß  sie  vorzugsweise  ,,A 
drucksbewegungen**  darstellen. 

Periphere  Reize,   Intentionen  und  Emotionen  steigern  diese  Hyperkines 
Neben   diesen   zweifellosen   Hyperkinesen   haben   wir   eine   Verminderi 
60 


*J3?*8.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        687 


der  A^ijsdrucksbewegungen  bei  Wiemer-Mutter  festgestellt.  Im  4.  Fall  lag  ein 
auch  x:EOch  bei  einer  lebenden  Kranken  von  uns  beobachteter  Mangel  an  Tendenz 
vor,  1-i.nbequeme  Stellungen  zu  ändern.  Daneben  existiert  eine  Langsamkeit 
und  eine  Ungeschicklichkeit  der  Bewegungen.  Wir  sehen,  wie  diese  zu  schwersten 
StöfLsxigen  in  der  Artikulation,  Phonation,  Mastikation  und  Deglutition  führen 
könft^xi.  Endlich  geht  aus  den  Krankengeschichten  eine  gewisse  motorische 
SchvSche  hervor,  ohne  daß  ausgesprochene  Lähmungen  vorhanden  sind. 

Eline  eingehende  Analyse  dazu  geeigneter  Fälle  muß  die  Frage  entscheiden, 
'wic  "^Äreit  die  eben  aufgezählten  Störungen  der  Motilität  auf  entgegenwirkende 
Hyperkinesen  oder  auf  Akinesen  zurückzuführen  sind. 

Ob  der  Etat  marbr6  allein  epileptische  oder  epileptoide  Anfälle  auslösen 
kann,    ist  noch  nicht  geklärt. 

Alle  Erkrankungen  waren  bilateral,  waren  trotz  teilweise  anders  lauten- 
der Anamnese  unserer  Ansicht  nach  angeboren  und  zeigten  bis  ins  5.  Jahr- 
zehnt zunehmende  Besserungen. 

Es  ist  schon  in  der  Literatur  öfter  darauf  hingewiesen  worden,  daß  bei  der 
Littleschen  Starre  die   unteren   Extremitäten  meist  stärker  erkrankt  sind 
als  die  oberen.    Auch  für  unsere  Krankengeschichten  gilt  dieses.     In  unserem 
4.  Fall  konnten  wir  dabei  sogar  zweifelsfrei  (s.  oben  S.  678!)  nachweisen,  daß 
unser  hypothetisches  Beinfeld   im  Striatum  nicht  schwerer  erkrankt  war  als 
unser  Annfeld.    Wir  haben  deshalb  das  stärkere  Befallensein  der  unteren  Extre- 
mität durch  eine  intensivere  Großhirnkompensation  der  Armleistungen 
<äMk  einer  stärkeren  Repräsentation  des  Arms  im  Großhirn  zu  erklären  versucht. 
Inimerhin  könnte  aber  einer  ausgesprocheneren  Vertretung  der  oberen  Extremität 
"ö  Großhirn  eine  geringere  im  Striatum  parallel  gehen.     Hier  können  nur  von 
der  Geburt  an  genau  beobachtete  Fälle  eine  volle  Klärung  bringen.     Zeigen 
*fee  zunächst  eine  vollständig  gleich  intensive  Erkrankung  von  Arm  und  Bein 
und  dann  eine  stärkere  Besserung  de/*  oberen  Extremität,  dann  würde  unser 
ErUäningsversuch  als  ein  allen  Tatsachen  gerecht  werdender  anzusehen  sein. 
Von  unseren  sieben  anatomisch  untersuchten  Fällen  hatten  wir  im  ersten 
(Oppenheims  Fall  Wiemer-Tochter)  wenigstens  im  Voraus  die  richtige  topo- 
P^hische  Diagnose  gemacht.    Wir  selbst  waren  dazu  in  erster  Linie  durch  die 
Arbeiten  P.  Maries  und  Brissauds  veranlaßt.    Von  den  übrigen  sechs  Fällen 
haben  wir  in  drei  nach  Kenntnisnahme  der  Krankengeschichten  (Barrys  Fälle 
Jaquel.  und  Denis  und  Gallus  Fall  Massat)  den  Etat  marbr6  vorausgesagt 
und  in  den  drei  anderen  nach  Feststellung  des  Etat  marbr6  striäre  Symptome 
aus  den  uns   erst  später  bekannt   gewordenen   Krankenjournalen   herauslesen 
können. 

b)  Zur  Pathophysiologie  der  Symptome  des  Etat  marbri, 

I 
Wenn  wir  uns  jetzt  einer  pathophysiologischen  Erklärung  der  Syn>gtdfmc 

des  Etat  marbri  zuwenden,  so  sind  wir  uns  sehr  wohl  bewußt,  daß  diese  heute 
noch  keine  vollkommene  sein  kann.  Hierzu  fehlt  uns  nicht  nur  ein  genügendes 
fasersystematisches  und  synaptologisches  Wissen,  sondern  vor  allem  eine  wirk- 
lich gesicherte  Kenntnis  von  der  Funktion   der  bisher  aufgedeckten  Neuron- 

61 


688  C.  UND  O.VOGT.  "^iiJXg^ 

gruppen  des  striären  Systems.  Wenn  wir  trotzdem  einen  Versuch  unternehmen, 
so  leiten  uns  dieselben  heuristischen  Motive,  welche  uns  zu  den  entsprechenden 
Ausführungen  in  unserem  Aufsatze  „Zur  Kenntnis  usw.**  veranlaßt  haben. 
Wir  erhoffen  —  wie  damals  —  von  einem  solchen  Versuch  nicht  nur  eine  För- 
derung der  kausalen  Erklärung  der  bisher  festgestellten  Symptome  des 
Etat  marbr6,  sondern  auch  die  Anregung  zu  einer  Aufdeckuilg  noch  nicht 
beachteter  Symptome  und  ihrer  ursächlichen  Deutung,  sowie  die  Schaffung 
einer  Basis  für  uns  vor  allem  interessierende  Rückschlüsse  auf  die  normale 
Funktion  des  striären  Systems. 

Wir  haben  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.**  eine  gemeinsame 
Pathophysiologie  der  Krankheitserscheinungen  der  einzelnen  Teile  des  striären 
Systems  bei  den  verschiedensten  pathologischen  Prozessen  angestrebt.  Wir 
möchten  heute  die  Symptomatologie  jedes  einzelnen  pathologischen  Pro- 
zesses getrennt  behandeln.  Wir  werden,  so  gezwungen,  auch  auf  die  Ursache 
der  spezifischen  Besonderheiten  der  Einzelgruppe  einzugehen  und  damit  auch 
jener  in  den  letzten  Tagen  noch  von  v.  Economo  und  Schilder  hervor- 
gehobenen Vielfältigkeit  der  Symptome  gerecht  zu  werden,  welche  wir  bis- 
her unter  C.  Vogts  „Syndrome  du  corps  stri^**  und  unter  dem  ,,Pallidumsyndfom*' 
zusammengefaßt  haben. 

Besonders  der  Fall  Wiemer-Tochter  lehrt  uns,  daß  die  volle  Sympto- 
matologie des  Etat  marbr^  in  Erscheinung  treten  kann,  wenn  auch  die 
nicht  zum  striären  System  gehörenden  Hirnteile  sämtlich  eine  sehr  gute  Aus- 
bildung zeigen.  Wir  halten  uns  also  für  berechtigt,  alle  Symptome  auf  die 
Erkrankung  des  striären  Systems  zurückzuführen.  Von  diesem  System  konnte 
eine  Reduktion  der  Faserung  zwischen  Thalamus  +  NcF  und  Pallidum  nicht 
festgestellt  werden.  Von  den  subthalamischen  Grisea  und  Faserungen  zeigte 
nur  das  Corpus  Luysi  eine  leichte  Volumenverminderung.  Das  Pallidum  war 
dagegen  stark  verkleinert.  Aber  diese  Tatsache  ist  in  ihrer . Hauptsache  auf 
einen  Ausfall  der  striopallidären  Faserung  zurückzuführen  (9  in  Textfigg.  i  und  2). 
So  sehen  wir  die  Ursache  der  Kfankheitssymptome  vornehmlich  in  der  Er- 
krankung des  Striatum.  Diese  ist  bereits  eine  im  Embryo  aufgetretene  Miß- 
bildung. Es  handelt  sich  also  um  eine/ Funktionsstörung  des  Striatum, 
die  sich  bereits  im  embryonalen  Gehirn  etabliert  hat. 

Welcher  Art  ist  nun  diese  Funktionsstörung? 

Von  vornherein  ist  durch  das  Wesen  des  pathologischen  Prozesses  aus- 
geschlossen, daß  er  zeitlebens  zu  pathologischen  Reizen  Veranlassung  geben 
konnte. 

Auch  die  Idee,  dem  am  Status  marmoratus  erkrankten  Striatum  eine  posi» 
tive,  aber  anormale  Funktion,  also  eine  Parafunktion,  zuzuschreiben  und  darauf 
die  Krankheitserscheinungen  zurückzuführen,  glauben  wir  schon  in  unserem 
Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw.*'  widerlegt  zu  haben,  indem  wir  darauf  hinwiesen, 
daß  leichte  und  schwere  Fälle  von  Etat  marbr6  nur  quantitative,  der  Intensität 
der  pathologischen  Veränderungen  parallel  gehende  Differenzen  in  der  Sympto- 
matologie darbieten,  bei  den  schwersten  aber  wenigstens  für  gewisse  somato- 
topische  Bezirke  jede  Funktion  des  Striatum  aufgehoben  ist. 
62 


iS^iSft  s       2U^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.       6,89 


Wir  kommen  so  zu  dem  Schluß,  daß  die  Symptomatologie  des  Etat  marbrö 
auf  den  Ausfall  der  Striatumfunktion  zurückzuführen  ist. 

Die  vorhandenen  Hyperkinesen  erweisen  sich  damit  als  Enthemmungen. 
Ußd  zwar  scheint  es  uns  dabei  am  nächsten  zu  liegen,  an  eine  Enthemmung 
des  in  seinen  aus  dem  Thalamus  +  Hypothalamus  zuführenden  und  dahin 
abführenden  Fasern  sicherlich  nicht  schwer  geschädigten  Pallidum  zu  denken. 
Auf  Grund  unserer  bisherigen  anatomischen  Kenntnisse  müssen  wir  uns  den 
Vorgang  so  vorstellen.  Durch  die  Bahnen  16, 14, 15  und  andere  nicht  gezeichnete 
der  Textfig.  i  fließen  Erregungen  dem  Thalamus  zu.  Ein  Teil  dieser  Erregungen 
wird  direkt  (16)  oder  indirekt  (durch  4  und  andere  Assoziationsneurone)  auf 
dem  Wege  von  5  und  6  dem  Pallidum  zugeführt.  Normalerweise  erhält  das 
Striatum  gleichzeitig  Erregungen,  welche  durch  <S+9  hemmend^)  auf  das  Palli- 
dum einwirken.  Fällt  diese  Hemmung  fort,  so  wird  die  von  der  Peripherie  über 
den  Thalamus  dem  Pallidum  zugeleitete  Reizenergie  ungehemmt  —  vor  allem 
über  das  Corpus  Luysi  [10)  —  der  Peripherie  wieder  zufließen  und  so  die  oben 
erwähnten  Hyperkinesen  veranlassen.  Bei  dieser  Sachlage  ist  es  verständlich, 
daß  besondere  periphere  Reize  diese  Hyperkinesen  verstärken.  Ferner  ist  aber 
die  ganze  Hirnrinde  durch  kortikofugale  Bahnen  mit  dem  Thalamus  verbunden 
11  und  j  in  Textfig.  1).  Auch  die  auf  diesem  Wege  dem  Thalamus  zufließenden 
Erregungen  können  auf  mehr  oder  weniger  direktem  Wege  ins  Pallidum  ge- 
langen. Wir  verstehen  30,  wie  kortikale  Vorgänge,  welche  sich  in  ,,  Intentionen** 
und  „Emotionen**  äußern,  die  Pallidumhyperkinesie  steigern. 

Eine  größere  Schwierigkeit  wird  der  Pathophysiologie  von  seiten  der- 
jenigen oben  abgesonderten  Motilitätsstörungen  bereitet,  bei  welchen  es  schwer 
^  zu  entscheiden,  ob  sie  hyperkinetischer,  akinetischer  oder  gemischter  Natur  sind. 
Die  veröffentlichten  Krankengeschichten  beantworten  nicht  die  Frage, 
'^  weit  die  motorische  Schwäche  auf  die  Überwindung  spastischer  Zu- 
stande zurückzuführen  ist.  Falls  dieses  nicht  restlos  der  Fall  sein  würde,  falls 
vielmehr  der  Etat  marbrö  eine  positive  motorische  Asthenie  zur  Folge 
h^ben  sollte,  so  wären  wir  doch  noch  nicht  direkt  gezwungen,  die  Erkrankung 
^  Striatum  als  Ursache  heranzuziehen.  Man  könnte  daran  denken,  das  immer- 
hin geschädigte  Pallidum  dafür  verantwortlich  zu  machen. 

Was  dann  die  Langsamkeit  und  die  Ungeschicklichkeit  der  Bewegungen 
beim  Etat  marbr^  anbelangt,  so  lehrten  uns  eingehende  Beobachtungen  an  einer 
iebenden  Kranken,  bei  welcher  wir  die  Diagnose  des  Etat  marbr6  gemacht  haSen, 
zweierlei.    Einerseits  gibt  es  einen  so  schnell  aus  den  einzelnen  Muskelgruppen 
verschwindenden  Spasmus  mobilis,  daß  er  sicherlich  bei  der  gewöhnlichen  klini- 
schen Untersuchung  oft  übersehen  wird.     Andererseits  aber  scheinen  uns  die 
in  diesem  Fall  zur  Beobachtung  gelangenden  spastischen  Erscheinungen  nicht 
die  Tatsache  genügend  zu  erklären,  daß  das  heute  achtjährige  Kind  zahlreiche 
Bewegungen  in  den  verschiedenen  Muskeln  gar  nicht  oder  nur  höchst  langsam 
und  ungeschickt  ausführen  kaim.     Wir  haben  aus  diesem  Fall   den  Eindruck 


^)  Auf  den  Mechanismus  dieser  Hemmung  wird  O.  Vogt  in  seinem  Aufsatz  „Zur  topistischen 
Erlonchung  des  menschlichen  Seelen-  und  Nervenlebens",  dieses  Journal,  Bd.  26^  näher  eingehen. 

63 


690 C.  irND  O.  VOGT.     ^^\^  jSfeSSgg^ 

gewonnen,  daß  die  Willkürbewegungen  aus  dem  striären  System  zahlreicl 
primitive  striäre  Bewegungskomponenten  in  sich  aufnehmen  und  bei  dem  Foi 
fall  der  letzteren  wenigstens  anfänglich  in  weitem  Maße  versagen. 

Hier  entsteht  nun  zunächst  die  Frage,  auf  welchem  Wege  Reflexe  des  striärt 
Systems  in  die  den  Willkürbewegungen  in  erster  Linie  zugrunde  liegenden  kc 
tikalen  Reflexe  eingeschaltet  sind.  Man  muß  daran  denken,  daß  kortikale  E 
regungen  entweder  über  den  Thalamus  oder  aber  auf  dem  Wege  über  die  Pei 
pherie  ins  Pallidum  und  Striatum  geraten. 

Es  ist  dann  aber  weiter  zu  entscheiden,  ob  die  ausgefallenen  Bewegung 
komponenten  des  striären  Systems  nur  durch  das  Striatum  denervatorisch  | 
zügelte  oder  auch  innervatorisch  beeinflußte  Pallidumkinesen  darstellen.  E 
Ungeschicklichkeit  beim  Etat  marbr6  könnte  durch  die  erstere  Auffassung  \ 
nügend  erklärt  werden.  Dagegen  scheint  uns  für  eine  Deutung  der  Langsa 
keit  der  Bewegungen  als  einer  reinen  Pallidumakmese  die  Erkrankung  € 
Pallidum  beim  Etat  marbre  keine  genügend  starke  zu  sein. 

Wir  kommen  endlich  zur  Einschränkung  der  Gestikulation  auf  die  Or 
culares  oculorum  und  die  Halsmuskeln  bei  Wiemer-Mutter  und  das  lange  V 
harren  anderer  Kranken  in  unbequemen  Stellungen.  Diese  Störungen  dürft 
doch  auf  dem  Fehlen  einer  so  fein  abgestuften  akinetischen  Komponente  ' 
ruhen,  daß  wir  für  ihren  Sitz  unbedingt  das  Striatum  in  Anspruch  nehir 
müssen. 

Zum  Schlüsse  möchten  wir  noch  kurz  auf  eine  Form  von  Langsamk 
und  Ungeschicklichkeit  eingehen,  die  deswegen  in  der  Klinik  eine  besond( 
Rolle  spielt,  weil  Babinski  auf  sie  speziell  aufmerksam  gemacht  und  sie  j 
Adiadokokinens  beschrieben  hat.  Es  handelt  sich  um  die  Verlangsamung  ui 
schichtiger  antagonistischer  Bewegungen,  z.  B.  der  Supination  und  Pronati 
der  Hand.  Der  Rechtshänder  macht  diese  Bewegung  mit  der  rechten  Ha 
schneller.  Gleichzeitig  konstatiert  man  aber  eine  Verringerung  der  Exkursi 
der  einzelnen  Bewegung  gegenüber  derjenigen  der  linken  Hand.  Die  Adiac 
kokinesis  der  Imken  Hand  beruht  also  auf  einer  nicht  genügend  prompten  He 
mung  oder  Denervation  (vgl.  darüber  weiter  unten)  der  im  Moment  stattfindend 
Innervation.  Der  gleichen  Störung  begegnen  wir  in  noch  stärkerem  Maße  1 
Kleinhirnerkrankungen.  Da  Babinski  seine  Adiadokokinesis  bei  Kleinhi 
erkrankungen  beschrieben  hat,  so  beschränken  wir  den  Begriff  der  wahi 
Adiadokokinesis  auf  die  durch  Störung  der  willkürlichen  Denervati 
bedingte.  Wir  verfügen  bisher  über  keine  Tatsache,  welche  zeigt,  daß  diese  w 
kürliche  Denervation  Komponenten  des  striären  Systems  enthält,  obw< 
dieses  theoretisch  möglich  ist.  Dagegen  gibt  es  zwei  andere  Formen  \ 
Störungen  der  Diadokokinesis,  die  wir  wegen  ihrer  anderen  Verursacht 
als  Pseiidoadiadokokinesis  bezeichnen.  Die  eine  ist  eine  innervatorische.  ] 
Innervation  ist  verlangsamt  und  ungeschickt  und  führt  so  zu  einer  Pseu 
adiadokokinesis.  Sie  wird  bei  dem  Etat  marbr6  so  weit  eine  Rolle  spielen, 
Ungeschicklichkeit  und  Langsamkeit  der  Bewegung  auf  dem  Ausfall  von  Kine 
des  striären  Systems  beruhen.  Die  Bewegung  ist  aber  beim  Etat  marbr6  v 
fach  wenigstens  teilweise  bloß  infolge  von  spastischen  Zuständen  verlangsamt  i 

64 


•J2^,       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        69I 


ungeschickt.     In  allen  diesen  Fällen  muß  eine  spastische  Pseudoadiadokokinesis 
entstehen. 

Charakteristisch  für  die  Hyperkinesen  und  die  Akinesen  des  Etat  marbr6 
ist  nun  weiter  die  Tatsache,  daß  sie  sich  bia  ins  höhere  Alter  bessern.  Wie  ist 
diese  Erscheinung  zu  erklären.^ 

Soweit  die  Akinesen  in  Betracht  kommen^  nehmen  wir  eine  sich  steigernde 
innervatorische  Leistungsfähigkeit  des  Großhirns  an. 

Aber  auch  die  Hyperkinesen  bessern  sich.    Die  Wiemer-Mutter  zeigte  z.  B. 

1911  viel  weniger  atheto tische  Bewegungen  in  den  Händen  als  1895.    Hier  tritt 

unserer   Ansicht    nach    die    denervatorische    Leistung    des    Großhirns    in 

stärkere  Tätigkeit^) :  eine  Leistung,  welche  bisher  in  der  Literatur  viel  zu  sehr 

vernachlässigt  worden  ist  und  für  die  es  nach  unseren  Feststellungen  (vgl.  dieses 

Journal,  diesen  Band,   S.  427 !)  besondere  Rindenzentren  gibt,  soweit  eine  De- 

nervation  der  Agonisten  ohne  Innervation  der  Antagonisten  in  Betracht  kommt. 

Diese  unsere  Auffassung  wird  noch  durch  den  therapeutischen  Erfolg  gestützt, 

welchen  v.  Stauffenberg  in  seinem  Fall  vorübergehend  durch  systematische 

willkürliche  Entspannungsübungen  erzielte.    Wir  sehen  dabei  in  dieser  Besserung 

striärcr  Hyperkinesen  —  wie  vieler  Hysterischer  —  nur  einen  Spezialfall  jener 

nach  unserer  Auffassung  auf  einer  fortgesetzten  Erstarkung  der  Denervations- 

med^nismen  beruhenden  zunehmenden  „Selbstbeherrschung",  wie  wir  sie  beim 

Menschen  bis  ins  Mannesalter  verfolgen  und  an  der  Abnahme  von  Ausdrucks- 

bcwegungen  und  Affekthandlungen  konstatieren  können. 

Ausnahmslos  bestätigen  unsere  7  anatomischen  Befunde  C.  Vogts  somato- 
topische  Gliederung  des  Striatum,  derzufolge  der  orale  Teil  zum  Kopf,  der  mittlere 
^  den  Armen  und  der  kaudale  zum  Rumpfe  und  "äu  den  unteren  Extremitäten 
in  Beziehung  steht. 

c)  Zur  pathologischen  Anatomie  und  Genese  des  Etat  marbri. 

Der  Etat  marbrö  ist  —  wie  wir  schon  in  unseren  früheren  Arbeiten  hervor- 
gehoben haben  —  pathologisch- anatomisch  etwas ganzEinzigartiges.  Ganglien- 
zellen fallen  aus  und  an  ihrer  Stelle  findet  sich  ein  dichter  Markfaserfilz.     Nur 
in  C.Vogts  Plaques  fibromyiliniques  der  Hirnrinde  glauben  wir  eine  homologe 
Veränderung  vor  uns  zu  haben.    Da  wir  nicht  ganz  sicher  sind,  ob  die  Taf.  17, 
F^.  2  und  3  wiedergegebenen  Abbildungen  wirkliche  Plaques  fibromyiliniques 
darstellen,  geben  wir  in  Taf.  18  zweifellos  als  solche  anzusprechende  pathologische 
Veränderungen. 

ÜÜL 18,  Fig.  1  gibt  uns  das  Zellbild  einer  derartigen  Plaque  fibromy^linique 
aus  der  Kuppe  des  Gyrus  centralis  posterior.  Wir  sehen  in  der  Mitte  der  Abbildung 
von  der  Oberfläche  bis  in  die  V.  Schicht  hinein  ein  trichterförmiges  Gebiet,  in  welchem 
die  Ganglienzellen  fast  vollständig  fehlen  und  an  ihrer  Stelle  eine  gewisse  Anzahl  Neuro- 
gUazellen  vorhanden  sind.  Gleichzeitig'  ist  diese  Stelle  an  der  Oberfläche  durch  eine 
kleine  Delle  charakterisiert. 


')  Vgl.  darüber  unseren  künftigen  Aufsatz  „Zur  Psychophysiologie  der  Motilität",  dieses  Journal 
Bd.  J6t 
S     jowBAl  Ar  Pkychologi«  und  Neurologie.     Bd.  95.     Ergh.  3.  65 


692  C.  UND  O  VOGT. ""Sld  »tSStojff^ 

TaL  18,  Fig,  2  gibt  uns  von  einem  anderen  Gehirn  aus  derselben  Himregion  eine 
solche  Plaque  fibromy^linique  im  Markfaserbild  wieder.  'Wir  sehen  hier  m  noch  stär- 
kerer Ausprägung  an  der  Oberfläche  eine  Delle  und  von  dieser  bis  an  die  4.  Schicht 
reichend  einen  anormal  dunklen  Faserstreifen. 

TaL  18,  Fig,  8  zeigt  aus  dem*  Gyrus  centralis  anterior  der  anderen  Hemisphäre 
desselben  Gehirns  eine  Plaque  fibromyelinique,  welche  außen  an  einer  Delle  be- 
ginnt, sich  aber  in  den  tieferen  Schichten  von  j  und  4  beuteiförmig  ausdehnt.  Wenn 
in  den  tieferen  Schichten  auch  nicht  alle  normalen  Fasern  zum  Schwund  gekommen 
sind,  so  sind  dieselben  doch  nur  zum  Teil  vorhanden ;  dafür  finden  wir  aber  einen  Grund- 
faserfilz von  einer  Faserdichtigkeit,  wie  er  unter  normalen  Verhältnissen  nicht  vorkommt. 

Tal.  18,  Fig.  4  zeigt  uns  endlich  aus  F*  eine  Stelle,  in  der  vier  verschiedene  Plaques 
fibromy^liniques  getroffen  sind.  Bei  1  haben  wir  eine  solche  pathologische  Faseransamm- 
lung"  in  der  j.  Schicht,  die  in  dieser  Schnittebene  auf  die  anderen  Schichten  nicht  über- 
greift. Bei  2  sehen  wir  eine  oberflächliche  Delle  und  von  dort  eine  pathologische  An- 
sammlung feiner  Fasern  sich  bis  in  die  oberflächlichen  Schichten  von  j  fortsetzen. 
Bei  3  beginnt  eine  pathologische  Faservermehrung  in  i,  sie  nimmt  in  j  unter  Verbreiterung 
zu,  läßt  sich  auch  noch  in  den  äußeren  Schichten  von  4  erkennen  und  hat  dann  noch 
zur  Folge  gehabt,  daß  in  den  weiter  nach  innen  gelegenen  Schichten  bis  zu  6 aß  die  nor- 
malen Radii  fast  vollständig  fehlen,  ohne  daß  von  einer  direkten  pathologischen  Zu- 
nahme der  Fasern  gesprochen  werden  kann.  Bei  4  haben  wir  endlich  in  den  innersten 
Schichten  von  j  und  im  anstoßenden  Teil  von  4  eine  Plaque  getroffen  und,  wie  bei  3, 
nach  innen  davon  eine  beträchtliche  Abnahme  der  Radii.   , 

Es  gibt  wohl  kaum  ein  „normales**  menschliches  Gehirn,  welches  dieser 
Plaques  vollständig  entbehrt.  Dagegen  haben  wir  sie  bisher  niemals  so  zahl- 
reich gefunden,  daß  sie  zu  irgendwelchen,  während  des  Lebens  aufgefallenen 
pathologischen  Erscheinungen  geführt  haben.  Wir  sind  ihnen,  wenn  auch  viel 
seltener,  ebenfalls  in  der  Hirnrinde  der  Affen  begegnet.  Sollten  also  die  Plaques 
fibromyöliniques  des  Cortex  cerebri  und  der  Etat  marbr6  des  Striatum  auf  eine 
gleiche  Ursache  zurückzuführen  sein,  so  müssen  wir  aus  unseren  Befunden  schließen, 
daß  das  Striatum  auf  diese  Ursache  viel  intensiver  reagiert. 

Weiterhin  sind  folgende  drei  Tatsachen  hervorzuheben :  i .  Der  Etat  marbre 
ist  eine  verhältnismäßig  häufige  Erkrankung;  2.  ist  er  dabei  gegen  andere 
pathologische  Veränderungen  des  Striatum  scharf  abgegrenzt;  3.  ähnelt 
er  sich  in  den  verschiedenen  Fällen  sehr.  Diese  drei  Momente  müssen  uns  nach 
den  Ausführungen  unserer  Einleitung  (S.  637)  darauf  hinweisen,  daß  ein  extra- 
striärer  pathogener  Faktor  die  Hauptursache  darstellt.  Der  Umstand,  daß  die 
Erkrankung  öfter  mehrere  Geschwister  befällt,  ohne  in  der  Aszendenz  nach- 
gewiesen zu  sein,  läßt  an  eine  frühzeitige  Keimschädigung  denken. 
Für  diejenigen,  welche  im  Gegensatz  zu  uns  die  Vererbung  ,, erworbener  Eigen- 
schaften*' leugnen,  muß  auch  die  Vererbung  des  Etat  marbr6  —  wie  sie  im  Fall 
Wiemer  wahrscheinlich  ist  —  für  eine  solche  Keimschädigung  sprechen.  Die 
Art  der  Keimschädigung  ist  uns  allerdings  vorläufig  ganz  unbekannt.  Diese 
.Schlußfolge  macht  es  dabei  natürlich  nicht  unmöglich,  daß  auch  noch  spätere 
Schädigungen  des  Embryos  denselben  Zustand  hervorrufen  können.  In  dieser 
Richtung  ist  der  Fall  Gallus  Marie  S.  von  Wichtigkeit.  Hier  verbindet  sich 
mit  einer  wahrscheinlich  Plaques  fibromy^liniques  aufweisenden,  partiellen  Mikro- 
gyrie  eine  Meningealentzündung,  Wollen  wir  den  gleichzeitigen  Etat  marbr^ 
mit  diesen  pathologischen  Veränderungen  in  einen  ätiologischen  Zusammen- 
66 


mLSiÜS*«        zur  lehre  der  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        693 

hang  bringen,  so  müssen  wir  hier  den  Etat  marbr^  direkt  auf  eine  embryonale 
extrastriäre  Schädigung  zurückführen. 

Sollte  es  derartig  verschieden  verursachte  Etats  marbr6s  geben,  so  dürfte 
eine  feinere  histologische  Analyse  auch  charakteristische  Merkmale  für  die 
einzelnen  Formen  aufdecken. 

Der  Etat  marbr6  zeigt  innerhalb  des  Striatum  zweiffellos  Prädilektions- 
stellen. Im  Caudatum  ist  es  vornehmlich  der  Innenteil,  im  Putamen  das 
dorsale  Gebiet. 


67 


694 


C.  UND  O.  VOGT. 


Journal  t  Psyiehologle 
und  Keorologta. 


L  Stationirer  Etat  fibreux  als  Teilerscheinung  des  Bielschowskyschen  Typas 

von  zerebraler  Hemiatrophie  (bzw.  Diplegie). 

Wie  wir  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw.**  (S.  yi,)  ausgeführt  haben,  kann 
in  dem  Striatum  eine  eleküve  Nekrose  der  Ganglienzellen  und  feinsten  Nerven- 
fasern auftreten  und  dann  ein  starkes  Zusamnjenrücken  der  erhalten  geblie- 
benen groben  Markfasern  zur  Folge  haben.  Das  so  entstandene  myeloarchi- 
tektonische Bild  hat  C.  Vogt  als  Etat  fibreux  bezeichnet.  Als  Ursache  dieser 
elektiven  Nekrose  hatten  wir  in  einem  Falle  die  nachbarliche  Lage  zu  einem 
beim  Erwachsenen  sich  abspielenden  fncephalüischen  Prozeß  aufgefunden. 
Diesen  Fall  müssen  wir  im  übrigen  bei  unseren  gegenwärtigen  Studien  deswegen 
vernachlässigen,  weil  zerebrale  Motilitätsstörungen  so  vorherrschten,  daß  striäre 
überhaupt  nicht  in  Erscheinung  traten  oder  bei  unseren  heutigen  Kenntnissen 
wenigstens  noch  nicht  nachträglich  ausgesondert  werden  können.  Wir  hatten 
ferner  festgestellt,  daß  der  gewöhnlichen  progressiven  bilateralen  Chorea^  wie 
der  Huntington  sehen  Chorea  eine  derartige  progressive  Ganglienzellennekrose 
zugrunde  liegt.  Im  ersteren  Fall  ist  die  Ätiologie  unklar,  im  zweiten  Fall  kann 
die  Erkrankung  als  eine  Heredodegeneration  aufgefaßt  werden. 

Inzwischen  haben  wir  nun  gefunden,  daß  jene  Nekrobiose,  welche  sich  im 
Bielschowskyschen  Typus  der  Hemiatrophie  (vgl.  den  22.  Bd.  ds.  Journals!)  an 
einen  in  der  Jugend  aufgetretenen  lokalen  Krankheitsprozeß  anschließt,  in  den 
uns  bisher  bekannt  gewordenen  drei  Fällen^)  stets  auch  die  Zellen  des  Striatum 
befällt.  Soweit  die  gleichzeitigen  kortikalen  Störungen  die  striären  nicht  — 
wenigstens  für  unsere  heutige  klinische  Analyse  —  verdecken,  sind  Fälle  der 
erwähnten  Form  von  Hemiatrophie  durch  striäre  Motilitätsstörungen  aus- 
gezeichnet. 

Wir  haben  endlich  festgestellt,  daß  die  progre'ssive  Paralyse  ebenfaUs  zum 
Etat  fibreux  führen  und  auf  diesem  Wege  striäre  Motilitätsstörungen  auslösen 
kann. 

Wir  sind  deshalb  heute  bereits  in  der  Lage,  vier  ätiologisch  differentc 
Formen  von  Etat  fibreux  zu  unterscheiden,  welche  sich  klinisch  in  erkennbaren 
striären  Motilitätsstörungen  äußern,  nämlich: 

1.  Etat  fibreux  als  Teilerscheinung  des  Bielschowskyschen  Typus  von 
zerebraler  Hemiatrophie  (bzw.  Diplegie), 

2.  isolierten  Etat  fibreux, 

3.  Etat  fibreux  als  partiellen  Prozeß  der  Huntingtonschen  Chorea, 

4.  Etat  fibreux  als  Folge  des  progressiv-paralytischen  Prozesses  im  StriatüOL 


')  Weitere  Fälle  werden  bereits  zurzeit  in  unserm  Institut  technisch  verarbeitet.    Ihre 
schafiliche  Beschreibung  wird  Sache  Bieltchowskyt  sein. 

68 


M.».  in^  2UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        695 


8. 


Von  diesen  vier  Foimen  können  wir  die  erste  als  eine  nach  ihrer  infantilen 
Entstehung  stationäre  den  drei  anderen  als  im  späteren  Lebensalter  auf- 
tretenden progressiven  Typen  gegenüberstellen.  Wir  werden  dementsprechend 
in  diesem  Kapitel  die  erste  Form,  im  folgenden  die  drei  anderen  behandeln. 

Wir  verfügen  bisher  nur  über  einen  zur  ersten  Form  gehörigen  Fall,  in 
welchem  striäre  Motilitätsstörungen  in  für  uns  zurzeit  erkennbarer  Art  hervor- 
traten: und  zwar  in  Form  einer  Athetose. 

Wir  verdanken  das  Gehirn  unserem  Kollegen  Bielschowsky,  dem  es 
wiederum  mit  der  Krankengeschichte  Herr  Dr.  Gallus,  damaliger  stellver- 
tretender Direktor  der  Potsdamer  Anstalt  für  Epileptische,  überlassen  hat.  Vom 
Standpunkt  der  HemiatropHie  wird  Bielschowsky  das  Gehirn  bearbeiten. 
Wir  behandeln  hier  nur  den  pathologischen  Befund,  soweit  er  unserer  Ansicht 
nach  zur  Athetose  in  Beziehung  steht. 

9.  OaUns'  FaU  Fritz  0.  (Bie/  28}. 

A.  Krankengeschichte. 

Fritz  G. 

Geboren  am  14»  Mai  1889. 

Anamnese: 

Uneheliches  Kind.  Von  Seiten  der  Mutter  angeblich  keine  erbliche  Belastung 
vorhanden.  Im  Alter  von  zwei  Jahren  bekam  er  zum  ersten  Male  Krämpfe^  die 
im  weiteren  Verlauf  alle  vierzehn  Tage  auftraten  und  zwar  meist  am  Tage.  Gewöhn- 
lich treten  stundenlang  vorher  als  Vorboten  Kopfschmerzen  und  Appetitlosigkeit  auf. 
Sodann  folgt  der  Anfall^  bestehend  in  Zuckungen  und  vollständiger  Bewußtlosigkeit. 
Nadi  dem  Anfall  schläft  der  Elranke  bis  zum  anderen  Tage  und  ist  auch  dann  noch 
sehr  abgespannt  und  müde.  Dauer  des  Anfalls  4 — 5  Stunden^  nur  ab  und  zu  durch 
eine  Ruhepause  von  höchstens  einigen  Minuten  unterbrochen.  Während  des  Anfalls 
lifit  der  Kranke  Stuhl  und  Urin  unter  sich. 

Im  Verlauf  des  3.  Lebensjahres  entwickelte  sich  allmählich  eine  Lähmung 
der  linken  Hand  und  des  linken  Fußes ^  die  aber  den  Gebrauch  dieser  Gliedmaßen 
nicht  ausschloß.  ; 

Erst  im  Alter  von  4  Jahren  lernte  der  Fat.  gehen. 

In  den  anfallsfreien  Zeiten  war  der  Knabe  gedächtnisschwach  und  zeigte 
Lücken  in  seiner  Intelligenz. 

Andere  Krankheiten  soll  der  Fat.  nicht  gehabt  haben. 

Status  pfäsens  am  i^.  August  iSg6: 

Fat.  ist  für  sein  Alter  leidlich  entwickelt,  hat  ein  gesundes  Aussehen. 

Schädel  normal. 

Leichte  Andeutung  einer  Hasenscharte. 

Brust-  und  Abdominalorgane  ohne  Veränderung. 

Linke  obere  und  untere  Extremität  verkürzt.  Muskulatur  atro- 
phisch. Pes-equinus-Stellung  des/.  Fußes.  Fat.  kann  die  linke  Hand  und 
den  linken  Vorderarm  in  erheblichem  Grade  hyperextendieren.  In  der 
linken  Hand  sehr  charakteristische  Athetosebewegungen,  Beim  Gehen 
wird  das  linke  Bein  geschleudert. 

35.  August  1896. .  Fat.  ist  lebhaft  und  munter.  Macht  nicht  den  Eindruck^  als 
ob  er  geistig  wesentlich  hinter  seinen  Altersgenossen  zurückgeblieben  wäre.  Die  sprach- 
liche Entwicklung  ist  eine  ganz  normale.  Auffallend  ist  nur  seine  Unfähigkeit^  richtige 
Angaben  über  Farben  machen  zu  können. 

X.April  1897.     Körpergewicht:  22kg. 

69 


60 C.  UND  O.  VOGT. "^lk£SSS^ 

I.  Juni  1903.  Regelmäßige  Krampf-  und  Schwindelanfälle.  Zeitweilig  auch  kurz 
dauernde  Wutanfälle.  In  der  Schule  macht  Pat.  leidliche  Fortschritte,  doch  ist  die 
Intelligenz  erheblich  herabgesetzt.  Besonders  rechnet  er  schlecht.  Zur  Verbesserung 
des  Ganges  trägt  er  am  linken  Bein  einen  Stützapparat.  Er  geht  damit  leid- 
lich. Der  linke  Arm  ist  stark  atrophisch.  Seine  Bewegungsfähigkeit  ist  zwar 
nicht  aufgehoben,  aber  für  Arbeitsleistungen  nicht  ausreichend. 

In  weiterem  Verlauf  blieben  die  epileptischen  Anfälle  bestehen  und  nahm  die 
Intelligenz  weiter  ab.    Die  Lähmungserscheinungen  wurden  nicht  schlimmer, 

Tod  an  Pneumonie  im  Alter  von  21  Jahren. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Nachdem  im  zweiten  Lebensjahr  epileptische  Anfälle  eingesetzt  haben, 
entwickelt  sich  im  Verlauf  des  dritten  allmählich  eine  Lähmung  der  /.  Extremi- 
täten. Diese  führt  zu  einer  Pes-equinus- Stellung  des  Fußes,  aber  zu  keiner 
vollständigen  spastischen  Lähmung  des  /.  Armes,  dagegen  zu  ausgesprochenen 
ath et o tischen  Bewegungen  in  der  /.  Hand.  Keine  Verschlimmerung  der 
Lähmungserscheinungen  bis  zum  Tod  im  21.  Lebensjahr  an  Pneumonie. 

B.  Anatomische  Untersuchung. 

a)  Makroskopischer  Befund. 

Die  rechte  Hemisphäre  des  überhaupt  kleinen  Gehirns  ist  deutlich  weniger  volu- 
minös als  die  linke;  die  Differenz  ist  aber  —  wie  wir  noch  bei  Beschreibung  der  Taf.  23, 
Fig.  1  sehen  werden  —  wesentlich  geringer  als  in  den  beiden  Fällen,  welche  Biel- 
schowsky  im  Band  22  dieses  Journals  beschrieben  hat.  Aus  dem  Bielschowsky- 
schen  Protokoll  der  makroskopischen  Sektion  sei  dann  noch  folgendes  hervorgehoben: 
„Pia  über  beiden  Hemisphären  milchig  getrübt  und  verdickt,  aber  nur  an  der  Kon- 
vexität. An  der  Basis  ist  die  Pia  von  normaler  Zartheit.  Am  rechten  Stimlappen  sind 
die  Sulci  tief  eingezogen  und  verbreitert.  Die  Windungen  treten  stellenweise  kämm- 
artig  hervor.  Im  mittleren  Teil  von  T*  rechts  (im  Übergangsgebiet  zum  Gyrus  supra- 
marginalis)  liegt  eine  etwa  fünfpfennigstückgroße  Stelle,  in  deren  Bereich  die  Gehimsub- 
stanz  unter  der  Pia  fehlt  und  durch  einen  zystischen,  mit  Flüssigkeit  erfüllten  Hohlraum 
ersetzt  ist.  Okzipi talwärts  von  dieser  Zyste  sind  die  Windungen  des  Okzipitallappens 
auffällig  verschmälert.  Die  Klein hirnhemisphären  sind  von  annähernd  gleicher  Größe. 
Auch  das  Volumen  der  Oblongatapyramiden  ist  auf  beiden  Seiten  annähernd  gleich. 
Raumdifferenzen  an  den  beiden  Ponshälften  sind  nicht  zu  konstatieren." 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

a)  Untersuchung  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

Die  Beschreibung  des  Defektes  in  der  ///.  Schicht  des  Cortex  der  r.  Hemisphäre 
sowie  die  Würdigung  der  stärkeren  Atrophie  des  Thalamus  überlassen  wir  unserem 
Kollegen  Bielschowsky. 

TaL  19,  Pig.  1  bringt  uns  einen  Ausschnitt  aus  dem  /.  Nc,  und  zwar  von  demselben 
zwischen  den  Taf.  21,  Fig.  2  und  Taf.  22,  Fig.  1  abgebildeten  Schnitten  gelegener 
Schnitte,  welchem  auch  alle  übrigen  Figuren  dieser  Tafel  unter  Verwendung  der  gleicher 
50 fachen  Vergrößerung  entnommen  sind.  Wie  ein  Vergleich  mit  Taf.  2,  Fig.  1  lehrt 
ist  eine  Abweichung  von  der  normalen  Architektonik  in  diesem  Ausschnitt  nicht  er 
kenn  bar.  • 

Tal.  19,  Pig.  2  macht  uns  mit  der  Architektonik  des  r.  geschrumpften  Nc  be 

kannt.    In  dem  in  der  Abbildung  oben  gelegenen,  in  Wirklichkeit  dem  Ventrikel  zu 

gekehrten  Teil  sind  der  Ependymstreifen  und  die  nach  innen  folgende  marklose  Zom 

von  annähernd  normalem  Bau.    Dagegen  sind  weiter  nach  innen  in  großer  Ausdehnun; 

70 


JiiiJJ^JfJ^  .        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        697 


8;^ 

fast  alle  Nervenzellen  verschwunden.  An  ihre  Stelle  sind  Neurogliakerne  getreten. 
I>iesesind  aber  giößer  und  blasser  (Kerne  von  Astrocyten)  als  die  der  Capsula  interna  (Ci) 
und  ebenso  als  diejenigen,  welche Taf.  34,  Fig.  1  in  einem  Fall  von  Huntingtonscher 
Chorea  in  Nc  an  die  Stelle  der  untergegangenen  Ganglienzellen  getreten  sind.  In  Taf,  34, 
Fig.l  ist  außerdem  die  Zahl  der  Neurogliakerne  eine  deutlich  größere.  Kleine,  der 
Capsula  interna  benachbarte  Teile  von  Nc  zeigen  in  der  vorliegenden  Figur  dagegen 
annähernd  einen  normalen  Bau. 

KiL  19,  Fig.  8  gibt  einen  Ausschnitt  aus  dem  ventro-lateralen  Gebiet  des  /.  Put. 
Die  Architektonik  ist  eine  durchaus  normale,  wie  ein  Vergleich  mit  Taf.  1,  Fig.  1  ohne 
weiteres  lehrt. 

TU.  19,  Fig.  4  stellt  die  identische  Stelle  des  f.  PuL  dar.  Auch  hier  läßt  sich  nichts 
Anormales   erkennen. 

TaL  19,  Pig.  6  bringt  den  dorso -lateralen  Teil  des  /.  Put.  Hier  beobachtet  man. 
ebenfalls  keine  Abweichungen  von  der  typischen  Architektonik. 

Tbl  19,  Pig.  8  zeigt  uns  —  medialwärts  weiter  ausgedehnt  —  die  entsprechende 
Stelle  vom  r.  Put.  Hier  ist  im  Vergleich  zur  vorigen  Figur  zweifellos  eine  Rarefi zierung 
der  Ganglienzellen  und  eine  Zunahme  der  Neurogliakerne  zu  erkennen. 

TaL  19,  Pig.  7  stammt  aus  dem  r.  Pallidum  externum.  Ein  Vergleich  mit  Taf.  1, 
Flg.  2  laßt  nichts  Pathologisches  erkennen. 

TaL  19,  Pig.  8.  Hier  ist  ein  Ausschnitt  aus  dem  r.  Pallidum  internum  reproduziert. 
Auch    dieser  zeigt  gegenüber  Taf.  2,  Fig.  2  keine  erkennbaren  Abweichungen. 

TU.  19,  Pig.  9.  Die  Zellen  des  Nucleus  substantiae  innominatae  sind  auch  hier 
von  normaler  Größe  und  normaler  Zahl.  Blutgefäße  und  Neurogliakerne  zeigen  keine 
Vennehrung. 

TU.  19,  Pig.  10  bringt  eine  Photographie  des  Patienten. 

ß)   Feststellungen  an  der  Markfaserserie. 

TaL  80,  Pig.  1  bringt  von  diesem  Gehirn  den  oralen  Anfang  der  beiden  Striata. 
Wir  erkennen  hier  im  rechten  Striatum  neben  einer  deutlichen  Atrophie  der  Capsula 
interna  (Ci)  eine  unter  Abplattung  der  dem  Seiten  Ventrikel  zugekehrten  Obei  fläche 
sidi  vollziehende  Volumenreduktion  von  Nc,     Gleichzeitig  wird  ein  Streifen  an  der 
Oberflache  von  Nc  ausschließlich  durch  Fasern  gebildet.  Hier  hat  sich  unter  der  Taf.  19, 
Fig.  d   cytoarchitektonisch   zur  Darstellung  gebrachten  Atrophie  der   Ganglienzellen 
in  bandförmiger  Weise  ein  Etat  fibrcux  entwickelt.   Andeutungen  eines  solchen  finden 
sich  auch  nach  innen  von  diesem  Streifen  im  dorsalen  Teil  von  Nc  und  dem  dorsalsten 
von  I^ut,   Bei  stärkerer  Vergrößerung  erkennt  man  gut,  daß  der  Ependymstreifen,  die 
tnaiklose  Zone  und  die  Außenschicht  des  Tangentialstreifens  eine  normale  Entwicklung 
»igen.   Die  Innenschicht  des  letzteren  geht  ohne  Grenze  in  die  pathologische  Faser- 
mas&e  über.      Man  sieht  schon  bei  «der  schwachen  Vergrößerung  der  Figifr,  daß  der 
Innenteil  der  pathologischen   Masse   besonders  dunkel,  d.  h.  speziell   faserreich  ist. 
Ttf.  20,  Pig.  2  zeigt  bei  4facher  Vergrößerung  die  Striata  des  weiter  unten  be- 
schriebenen, in  Taf.  23,  Fig.  1  in  toto  wiedergegebenen  Gehimschnittes.     Wir  sehen 
hier  r.  eine  noch  intensivere  Atrophie  von  Nc  mit  einem  breiten  Bande  eines  Etat 
fibreux  an  seiner  dem  Ventrikel  zugewendeten  Oberfläche. 

Ein  Vergleich  von  Taf.  20,  Figg.  1  und  2  mit  den  Abbildungen  der  Taf.  11  zeigt 

um  in  klarer  Weise  die  typischen  Differenzen  zwischen  dem  in  Taf.  20  vorliegenden 

Etat  fihreux  und  dem  Etat  marbti.    Wir  können  in  Nc  der  Taf.  11  wie  in  dem  normalen 

VIc  der  linken  Hemisphäre  der  Taf.  20  —  entsprechend  unseren  normalanatomischen 

Vorbemerkungen  —  eine  äußere,  der  Faserbündel  entbehrende  Hälfte  {Außenteil  von  Nc) 

und  eine  solche  aufweisende  innere  Hälfte  {Innenteil  von  Nc)  unterscheiden.  Diese  innere 

Hälfte  ist  in  Taf.  1 1  durchsetzt  von  atypischen  Klumpen  anormaler  feiner  Fasermassen, 

ohne  daß  irgendeine  Anomalie  in  der  äußeren  Konfiguration  von  Nc  in  Erscheinung  tritt. 

ßn  ähnliches  Bild  wie  das  der  Taf.  11  haben  wir  in  Taf.  9,  Figg.  2  und  3.  Dagegen  ist 

in  der  rechten  Hälfte  der  Figg.  1  und  2  der  Taf.  20  die  äußere,  der  Faser bundel  ent* 

71 


^98 C.  UND  O.  VOGT. "^hJS^Sg^ 

behrende  Hälfte  von  Nc  etwa  um  zwei  Drittel  geschrumpft  und  zwar  —  wie  Taf.  19, 
Fig*  2  lehrt  —  unter  Zugrundegehen  der  Ganglienzellen  bei  Erhaltenbleiben  der  Mark- 
fasern«  Sie  sind  nun  so  dicht  aneinander  gereiht,  daß  sie  schon  bei  der  vorliegenden 
4fachen  Vergrößerung  sichtbar  sind,  während  man  zur  Erkennung  der  durch  Ganglien- 
zellen voneinander  getrennten  Markfasem  des  Außenteils  des  normalen  Nc  stärkerer 
Vergrößerungen  bedarf. 

Tat  21,  Pig.  1.  Ein  Vergleich  der  beiderseitigen  Striata  zeigt  hier  noch  deutlicher 
die  pathologische  Veränderung  des  rechten  Nc.  Wir  sehen  sehr  klar,  wie  der  Außen- 
teil von  Nc  unter  starker  Abflachung  geschrumpft  ist  und  sich  in  einen  Etat  fibreux 
verwandelt  hat.  Das  Putamten  und  das  hier  zum  ersten  Male  in  seinem  oralsten  Teil 
getroffene  Pallidum  lassen  keine  anormalen  Verhältnisse  erkennen. 

Tat  21,  Pig.  2  zeigt  ebenfalls  eine  starke  Atrophie  des  rechten  Nc  mit  einem  deut- 
liclien  Etat  fibreux.  Im  Putamen  und  Pallidum  läßt  sich  kein  anormaler  Befund  nach- 
weisen. Die  Verschmälerung  der  inneren  Kapsel  wie  auch  die  Volumenreduktion  des 
Fomix  tritt  deutlich  hervor. 

TaL  22,  Pig.  1.  Auch  hier  ist  der  rechte  Nc  auf  ein  Drittel  seines  normalen  Vo- 
lumens reduziert.  Putamen  und  Pallidum  zeigen  dagegen  keine  erkennbare  Abweichung 
von  der  Norm.  Wir  machen  speziell  noch  darauf  aufmerksam,  wie  sich  hier  Gi  in  normaler 

•  Weise  durch  stärkeren  Fasergehalt  von  Ge  unterscheidet.  Indessen  muß  hervorgehoben 
werden,  daß  —  wie  Taf.  19,  Fig.  6  lehrt  —  in  dem  zwischen  dem  hier  und  dem  Taf.  21, 
Fig.  2  abgebildeten  Schnitte  gelegenen  Gebiet  der  dorso -laterale  Teil  des  Put  einen 
leichten  Schwund  der  Ganglienzellen,  also  einen  geringen  Grad  jenes  pathologischen 
Prozesses  aufweist,  welcher  bei  stärkerer  Ausprägung  zu  einem  Etat  fibreux  führt. 
Das  Corpus  Luysi  zeigt  gegenüber  der  linken  Hemisphäre  keine  Volumenreduktion. 
Dasselbe  gilt  von  den  For eischen  Bündeln  H^  und  H^,  Dagegen  ist  die  leichte 
Größenabnahme  des  Nucleus  ruber  gegenüber  der  linken  Hemisphäre  für  die  ganze 
rechte   Hemisphäre   charakteristisch.     Endlich   ergibt  diese  Abbildung  die  sehr   be- 

•  trächtliche  Volumenreduktion  des  Thalamus.  Dabei  läßt  aber  ein  Vergleich  mit 
Taf.  23,  Fig.  3  deutlich  erkennen,  daß  der  Thalamus,  speziell  in  seinen  dorsalen 
Partien,  zweifellos  nicht  so  stark  verkleinert  ist,  wie  in  Bielschowskys,  von 
ihm  in  Band  22  dieses  Journals  beschriebenen  Fall  Klara  L. 

TaL  22,  Pig.  2  bringt  nur  die  rechten  zentralen  Ganglien.  Wir  erkennen  hier  eine 
ähnliche  Reduktion  von  Nc  und  ebenso  von  Nc"^  wie  in  den  früheren  Abbildungen. 
Der  ebenfalls  im  Vergleich  zu  demjenigen  der  nicht  abgebildeten  l.  Hemisphäre  etwas 
verkleinerte  Nucleus  ruber  zeigt  sonst  normale  Verhältnisse  wie  auch  alle  Teile  seiner 
Kapsel.  Der  Thalamus  zeigt  eine  Größenabnahme,  die  der  in  Taf.  22,  Fig.  1  ab- 
gebildeten entspricht. 

Tat  22,  Pig.  8  zeigt  einen  Querschnitt  durch  die  Brückenregion.  Wir  erkennen 
eine  leichte  Reduktion  des  zur  rechten  Hemisphäre  in  Beziehung  stehenden,  hier  also 
in  der  linken  Hemisphäre  gelegenen  Brachium  conjunciivum.  Dagegen  kann  von  einer 
Volumenreduktion  der  rechten   Pyramide  gar  nicht  die  Rede  sein. 

TaL  22,  Pig,  4  zeigt  uns  einen  Ausschnitt  aus  den  zentraleren  Partien  des  Cerebeüum. 
Wir  sehen,  daß  nur  eine  leichte  Volumenreduktion  der  linken  Kleinhirnhemisphäre 
in  Betracht  kommen  kann.    Dasselbe  gilt  vom  Dentaium. 

TaL  28,  Pig.  1  gibt  jenen  ganzen  Schnitt  wieder,  von  dem  die  Striata  in  Taf.  20, 
Fig.  2  abgebildet  sind.  Ein  Vergleich  mit  dem  in  Taf.  23,  Fig.  2  dargestellten,  an- 
nähernd gleichen  Schnitt  des  Bielschowskyschcn  Falles  Klara  L.  zeigt  deutlich, 
daß  die  Atrophie  der  rechten  Hemisphäre  in  dem  von  uns  hier  beschriebenen  Fall 
Fritz  G.  wesentlich  geringer  ist  als  in  dem  Fall  Klara  L. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Aus  den  mitgeteilten  Befunden  ergibt  sich,  daß  ein  —  in  diesem  Fall  in  T^ 
gelegener  —  primärer  ,,encephalitischer';  Herd  zu  einer  Hemiatrophie  geführt 
72 


2i2iS?'Ä        Z^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        699 


hat,  welchem  in  der  Großhirnrinde,  wie  Bielscho^ky  noch  zeigen  wird,  eine 
partielle  Nekrose  der  III.  Rindenschicht  zugrunde  liegt.  Außerdem  liegt  eine 
starke  Atrophie  des  Thalamus  vor,  während  der  Hifnfuß  annähernd  normal 
ist  und  speziell  die  Pyramidenfaserung  nicht  die  geringste  Volumenreduktion 
erkeimenläßt.  Es  handelt  sich  also  um  einen  neuen  Fall  jener  von  Bielschowsky 
im  22.  Bde.  ds.  Journals  auf  Grund  von  zwei  Fällen  —  Klara  L.  und  Bertha  St.  — 
zum  ersten  Male  klar  abgegrenzten  besonderen  Form  von  Hemiatrophie. 

Es  ist  nun  sehr  interessant,  daß  sich  der  elektiv-nekrotische  Prozeß  bei 
Fritz  G.  nicht  auf  die  ///.  Rindenschicht  beschränkt,  sondern  auch  zu  einer 
so  starken  Zellnekrose  des  Außenteils  von  Nc  geführt  hat,  daß  hier  dann  infolge 
Zusammenrückens  der  erhalten  gebliebenen  Markfasern  ein  Etat  fibreux  ent- 
standen ist.  Im  oralsten  Gebiet  des  Striatum  zeigt  auch  die  dorsale  Region  des 
Innenteils  von  Nc  und  der  dorsalste  Abschnitt  von  Put  Andeutungen  eines 
Etat  fibreux.  Das  Zellbild  lehrt  weiter,  daß  ein  abgeschwächter  pathologischer 
Prozeß  der  gleichen  Qualität  sich  auch  noch  außerhalb  der  Peripherie  des  er- 
kennbaren Etat  fibreux  abgespielt  hat.  Dagegen  ist  das  Zellbild  des  Pallidum 
ohne  erkennbare  Abweichungen  und  das  Corpus  Luysi  von  normaler  Aus- 
biUung.  Auch  das  Bündel  //•  zeigt  keine  sicher  erkennbare  Volumenvermin- 
dening. 

Es  muß  endlich  noch  hervorgehoben  werden,  daß  die  Neurogliareaktion 
im  vorliegenden  Falle  nicht  ganz  identisch  mit  derjenigen  der  weiter  unten  zu 
beschreibenden  Formen  von  Etat  fibreux  ist. 

C.  Epikrise, 

Entsprechend  diesem  Befund  möchten  wir  die  athetotischen  Bewegungen 
auf  den  Etat  fibreux  von  Nc  zurückführen,  ohne  dabei  der  Funktionsuntüchtig- 
keit  des  r.  Thalamus  jede  Rolle  absprechen  zu  wollen.  Die  in  diesem  Fall  relativ 
leichten  Erscheinungen  der  einseitigen  typischen  spastischen  Kinderlähmung 
bringen  wir  dagegen  in  erster  Linie  zur  Erkrankung  der  ///.  Schicht  in  Beziehung, 
wobei  wir  uns  den  Mechanismus  dieser  Lähmung  ganz  so  denken,  wie  ihn  Biel- 
schowsky in  seiner  wichtigen  Arbeit  dargestellt  hat.  Ob  in  späterer  Zeit  aus 
der  spastischen  Lähmung  eine  striäre  Komporiente  herausgeschält  werden  kann 
oder  diese  ganz  durch  das  kortikale  Syndrom  verdeckt  wird,  'müssen  künftige 
Untersuchungen  entscheiden. 

Es  ist  nun  aber  —  wie  eine  daraufhin  gerichtete  Betrachtung  der  beiden 
von  Bielschowsky  beschriebenen  Fälle  lehrt  —  eine  elektive  Zellnekrose  des 
Striatum  keine  Besonderheit  der  Erkrankung  von  Fritz  G.,  sondern  auch  eine 
Begleiterscheinung  der  beiden  von  Bielschowsky  beschriebenen  Fälle. 

Betrachten  Vir  zunächst  zwei  von  uns  in  Taf.  23,  Fig'g.  2  u.  3  gebrachte 
neue  Abbildungen  der  ersten  Beobachtung  Bielschowskys  (Kb.ra  L.)! 

TaL  28,  Pig.  2  läßt  neben  der  Atrophie  der  rechten  Hemisphäre,  welche  —  wie 
schon  bei  Beschreibung  von  Taf.  23,  Fig.  1  erwähnt  —  wesentlich  stärker  ist  als  die  von 
Fritz ^G.,  im  f.  Striatum  und  Pallidum  gegenüber  der  normalen  linken  Seite  wesent- 
lich mehr  Fasern  erkennen.  Diese  Erscheinung  ist  —  soweit  sie  das  r.  Striatum  be- 
trifft —  unserer  Ansicht  nach  auf  seine  beträchtliche  Volumenreduktion  in  oral-kaudaler 

73 


70O C.  UND  O.  VOGT. "^i\^SSl^. 

Richtung  vornehmlich  infolge  Zellausfalls  zurückzuführen,  während  die  Faseru 
intakter  geblieben  ist.  Die  Markzunahme  des  Pallidum  erklären  wir  durch  Volum< 
Verminderung  unter  gleichzeitiger  Abnahme  der  sich  im  Pallidum  verzweigenden  u 
dabei  seine  gröberen  Fasern  voneinander  getrennt  haltenden  feinen  strio-pallidäi 
Fasern.  Außerdem  erkennt  man  auch  hier  schon  bei  dieser  Vergrößerung  spezi 
einen  Faserstreifen  am  lateralen  Teil  der  deutligh  etwas  abgeplatteten  Oberfläche  \ 
Nc,  der  nichts  anderes  ist,  als  jener  in  dem  eben  beschriebenen  Fall  Fritz  G.  stärl 
ausgeprägte  lokale  Etat  fibreux. 

TM.  28,  Pig.  8  gibt  einen  weiter  kaudal  gelegenen  Schnitt  desselben  Gehirns  wied 
Hier  ist  in  der  atrophischen  rechten  Seite  Nc  bis  zu  einem  schmalen  Bändchen 
schrumpft.   Das  Putamen  und  vor  allem  das  Pallidum  sind  auch  hier  wesentlich  ma 
haltiger  als  in  der  normalen  Hemisphäre.  Dagegen  zeigen  die  Corpora  Luysi  und 
For eischen  Bündel  H^  und  H^  keine  wesentlichen  Differenzen  in  den  beiden  Seit 
Andererseits  erkennt  man  hier  eine  so  starke  Atrophie  des  rechten  Thalamus,  daß 
—  wie  schon  oben  bei  der  Beschreibung  det  Fig.  1  der  Taf.  22  erwähnt  wurde  —  < 
bei  Fritz  G.  vorliegende,  und  zwar  besonders  in  den  dorsalen  Partien,  deutlich  übertriJ 

Es  weist  also  Klara  L.  eine  ähnliche  Erkrankung  des  Striatum  auf  'v 
Fritz  G.,  zeigt  aber  eine  stärkere  Atrophie  der  Großhirnhemisphäre  und  d 
Thalamus, 

Derselbe  Befund  kann  nun  für  den  anderen  von  Bielschowsky  ve 
öffentlichten  Fall,  Hertha  St.,  erhoben  werden.  Auch  hier  zeigt  die  linke  Hen: 
Sphäre  eine  deutlich  stärkere  Reduktion  als  bei  Fritz  G.,  wie  aus  den  Bie 
schowskyschen  Abbildungen  hervorgeht.  Zugleich  zeigen  unter  diesen  d 
Figg.  3  u.  4  der  Taf.  4  deutlich  die  Tatsache,  daß  das  gesamte  linke  Striaiu 
unter  stellenweiser  Ausbildung  eines  Etat  fibreux  und  unter  Vermehrung  sein» 
Faserfaszikeln  wie  MarkzunahmeNles  Pallidum  eine  merkliche  Volumenve 
minderung  erfahren  hat. 

Diese  Feststellungen  veranlassen  uns  zur  Entwicklung  einer  Reihe  vc 
Anschauungen,  die  uns  insgesamt  wenigstens  von  heuristischem  Wert  zu  se 
scheinen. 

a)  Zur  Verdeckung  des  striären  Syndroms  durch  dasjenige  des  spino-kortikal( 

Reflexbog  ens. 

In  unserem  ,, Erster  Versuch  usw."  wkren  wir  zu  dem  Resultat  gekomme 
,,daß  wenigstens  eine  weitgehende  Intaktheit  des  spino-kortikalen  Reflexboge 
eine  unerläßliche  Vorbedingung  für  das  Zustandekommen  des  striären  Sy 
droms  darstellt",  daß  mit  anderen  Worten  überall  da,  wo  ein  in  der  Literat 
häufig  als  ,,Pyramidcnsyndrom"  bezeichneter  Komplex  spino-kortikaler  St 
rungen  in  Erscheinung  tritt,  dieser  das  striäre  Syndrom  verdeckt. 

Klara  L.  und  Hertha  St.  zeigten  nun  beide  klinisch  im  Vergleich  zu  Fritz 
einerseits  eine  stärkere  spastische  Hemiplegie  und  andererseits  keine  erken 
-^  ha.ren  striären  Symptome.  Nach  unserer  Auffassung  hat  die  stärkere  Grc 
hirnerkrankung  in  diesen  beiden  Fällen  zu  bedeutenderen  kortiko-motorisch 
Ausfallserscheinungen  geführt  und  auf  diese  Weise  das  striäre  Syndrom  v< 
deckt.  Hei  Fritz  G.  gest2.ttete  die  geringere  kortikale  Erkrankung  ein  t( 
weises  Hervortreten  striärer  Symptome.  Die  .Stärke  des  Verdecktsei 
des  Striatumsyndroms  steht  in  proportionaler  Beziehung  zur  Inte 
sität  der  kortiko-motorischen  Störungen. 
74 


■JiyS' .        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         JO  l 


b)  Das  übersehen  striärer  Erkiankungen. 

In  unserem  Aufsatz  „Zur  Kenntnis  usw."  haben  wir  schon  hervorgehoben,  wie 
nochganz  neuerdings  v.  Economo  als  „längst  bekannt'*  hinstellt,  ,,daß  sich  gerade 
bei  Kindern  in  zartem  Alter  nach  den  allerverschiedensten  Lokalisationen  einer 
Hirnsdiädigung  eine  Athetose  entwickeln  kann**,  v.  Economo  bezieht  sich  dabei 
allen  Ernstes  auf  eine  Mitteilung  Magendies  aus  dem  Jahre  1823!  Für  uns 
sind  nur  Befunde  an  solchen  mikroskopischen  Schnittserien  beweisend,  welche 
mit  modernen  Färbungen  behandelt  sind.  Und  da  können  wir  auch  heute  noch 
die  vor  einem  Jahr  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw.**  aufgestellte  Behauptung 
bestätigen,  daß  unter  unseren  —  inzwischen  noch  weiter  vermehrten  —  Schnitt- 
scrien  keine  vorhanden  ist,  in  welcher  eine  isolierte  , »irgendwie  lokalisierte  Sub- 
stanzzerstörung des  Großhirns  oder  seiner  Faserung"  lähmungsfreic  Stp.rre 
und  Athetose  hervorgerufen  hat.  Der  eben  beschriebene  Fall  Fritz  G.  mag 
aber  einen  Schlüssel  geben,  wie  eventuell  Athetose  auf  eine  Großhirnerkrankung 
bezogen  werden  kann.  Die  Hemiatrophie  des  Großhirns  war  schon  bei  der 
.  maiffoSkopischen  Untersuchung  augenfällig.  Die  Veränderung  des  Striatum 
erforderte  ein  Studium  ei/ier  nach  modernen  Methoden  angefertigten  Schnitt- 
seric. So  hebt  denn  auch  H.  Oppenheim  in  diesem  Journal,  Bd.  18  (S.  294), 
bei  der  Wiederbeschreibung  eines  Falles,  in  welchem  er  früher  Pthetotische  Be- 
legungen auf  eine  Großhirnerkrankung  zurückgeführt  hatte,  hervor,  daß  ihm 
derartige  Veränderungen  des  Striatum,  wie  wir  sie  hier  im  Auge  haben,  bei 
«inen  „damals  unvollkommenen  Präparaten  entgangen  sein  würden**.  Es 
schont  uns  deshalb  auch  in  dieser  Richtung  der  Fall  Fritz  G.  lehrreich  zu  sein. 

^)  Die  Athetose  als  Ausfallsreaktion  einer  embryonalen  oder  ganz  jugendlichen, 

primär  rein  striären  Erkrankung. 

Das  Streben  nach  Erklärung  der  Tatsache,  warum  eine  striäre  Erkrankung 

das  eine  Mal  Athetose,  das  andere  Mal  Chorea,  ein  drittes  Mal  Paralysis  agitans 

und  ein  viertes  Mal  noch  andere  Hyperkinesen  hervorruft,  hat  naturgemäß  alle 

Autoren  erfüllt,  welche  sich  eingehender  mit  den  striären  Motilitätsstörungen 

beschäftigt  haben.    Kleist  hat  neuerdings  die  Ansicht  geäußert,  daß  bei  der 

Athetose  das  Pallidum  inmier  mit  erkrankt  sei.    Er  zieht  auch  C.  Vogts  Fest- 

*^ung  eines   Ausfalls   strio-pallidärer  Fasern   bei   Wiemer-Tochter   als   Beleg 

heran.    Wir  werden  weiter  unten  zu  zeigen  haben,  daß  der  Etat  fibreux  des 

Striatum  zu  wenigstens  ebenso  starken  sekundären  Veränderungen  im  Pallidum 

führen  und  trotzdem  eine  Chorea  hervorrufen  kann.    Dagegen  möchten  wir  im 

Anschluß  an  den  Fall  Fritz  G.  auf  einen  anderen  Gesichtspunkt  hinweisen.  Fritz  G. 

hat  mit  Athetose  und  nicht  mk  Chorea  als  Ausfallserscheinung  reagiert.  Dasselbe 

gilt  für  alle  obigen,  unserer  Ansicht  nach  im  embryonalen  Leben  entstandenen 

Fälle  von  Etat  marbr6.    Wir  haben  dieser  Feststellung  hinzuzufügen,  daß  auch 

Antons  Fall  Cassian  H.  unter  den  unwillkürlichen  Bewegungen  echte  athetotische 

(Athetose  der  Hände,   Babinskistellung  der  großen  Zehen,   Fächerbewegungen 

der  übrigen  Zehen)  zeigte.    Es  ist  uns  ferner  aus  der  Literatur  kein  Fall  bekannt 

geworden,  wo  eine  auf  das  Striatum  beschränkte  fötale  oder  im  ersten  Kindes- 

altcr  auftretende  Striatumerkrankung  ausschließlich  zu  choreatischen  Spontan- 

75 


702  C.  UND  0.  VOGT. 


bewegui^en  geführt  hat.  Andererseits  beziehen  sich  die  von  uns  in  der  älteren 
Literatur  aufgefundenen  Fälle  von  „Athetose",  in  denen  man  geneigt  sein  möchte, 
dieselbe  auf  eine  alte  pathologische  Veränderung  des  Striatum  zurückzuführen 
(Beobachtungen  vonEichhorst,  Murrell,  Landouzy,  D^jerine  und  Solliev 
sowie  A.  Berger)  alle  auf  Erkrankungen  in  den  ersten  Lebensjahren.  Wirmöchbezi 
deshalb  vorläufig  folgende  Arbeitshypothese  aufstellen.  Eine  rein  striäre 
Erkrankung  muß  im  embryonalen  Leben  oder  im  ersten  Kindesalter 
auftreten,  um  sicher  als  Ausfallserscheinung  zur  Athetose  zu  rechnende 
Spontanbewegungen  hervorzurufen.  Später  einsetzende,  das  Striatum 
allein  betreffende  pathologische  Veränderungen  bedingen  als  Ausfalls- 
erscheinungen meist  nur  andere  unwillkürliche  Bewegungen.  Das  Fehlexx 
athetotischer  im  größten  Teil  dieser  Fälle  möchten  wir  dabei  darauf  zurückführen.» 
daß  das  übrige  Nervensystem  nach  Vollendung  der  ersten  Lebensjahre  auf  ein^ 
Striatumerkrankung  anders  reagiert  als  in  der  Fötalzeit  und  der  frühesten  Kindheit  - 

d)  Der  Etat  fibreux  als  Ausdruck  der  besonderen  Vulnerabilität  der  Striatum  ^ 
Zeilen. 
Die  bisher  als  solche  erkannten  drei  Falle  des  Bielschowskyschen  Typu^ 
der  zerebralen  Hemlatrophie  zeigen  neben  einer  elektivcn  Nekrose  der  ///.  Rin— 
denschicht  samtlich  eine  solche  der  Striatumzellen .     Bielschowsky  hat  die 
Frage  der  Ursache  des  elektiven  Absterbens  der  111.  Rindenschicht  zu  beant- 
worten gesucht  und  kommt  zu  dem  Resultat,  daß  die  besondere  Vulnera- 
bilität der  ///.  Rindenschicht  eine  wichtige  Ursache  sei.     Wir  werden  im 
weiteren  Verlauf  unserer  Ausführungen  mehr  Gründe  für  die  Annahme  einer 
solchen   besonderen    Empfindlichkeit   der    Striatumzellen   kennen   lernen.      Je 
mehr  wir  aber  dieselbe  als  die  Ursache  des  weit  verbreiteten  und  durch  sdir 
verschiedene   Momente    ausgelösten   Etat  fibreux    sicherstellen,    um  so    mehr 
wird  dadurch  auch  die  Auffassung  gestützt,  daß  dem  elektiven  Zugrundegehen 
der  ///.  Rindenschicht  eine  besondere  Vulnerabihtät  derselben  zugrunde  Hegt. 

e)  Teile  des  Caudatum  als  Bestandteil  des  striären  Armgebiets. 
Wenn  wir  mit  Recht  in  dem  vorliegenden  Falle  die  Athetose  auf  die  schwere 
Erkrankung  des  Caudatum  zurückführen,  so  geht  daraus  hervor,  daß  ein  Teil 
des  Caudatum  zur  Armmusloilatur  in  Beziehung  steht.  Betont  werden  muß 
dabei,  daß  vor  allem  das  Corpus  des  Caudatum  erkrankt  ist.  Es  wüide  die 
Inanspruchnahme  dieses  Teiles  des  Caudatum  für  das  Armgebiet  mit  der  soma- 
totopischcn  Gliederung  des  Striatum  von  C.  Vogt  durchaus  in  Einklang  zu 
bringen  sein.  Ob  ein  Teil  des  zerstörten  oralen  Gebietes  des  Csudatum  zu 
bulbären  Symptomen  Beziehung  hat,  ist  aus  dem  vorliegenden  Fall  bei  der 
Einseitigkeit  der  Erkrankung  und  noch  speziell  bei  der  Tatsache,  daß  der 
Herd  im  rechten  Nc  liegt,  nicht  zu  ersehen. 

f)  Das  klinische  Bild  des  Etat  fibreux  des  Striatum  als  einer  Teilerscheini^g  des 
Bielschowskyschen  Typus  der  zerebralen  Kinderlähmung. 
Fragen  wir  uns  endlich,  durch  welche  klinischen  Symptome  der  den 
Bielschowskyschen   Typus   der   zerebralen   Kinderlähmung  begleitende   Etat 

76 


I 


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-  yj^jy»,        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         703 

fibreux  des  Striatum  charakterisiert  ist,  so  müssen  wir  zunächst  hervorheben, 
daß  wir  bei  unseren  heutigen  Kenntnissen  nicht  in  der  Lage  sind,  aus  den 
spastiscnen  Erscheinungen  eine  striäre  Komponente  herauszuschälen.  Es  bleibt 
also  nur  in  den  Fällen  einer  relativ  geringfügigen  spastischen  Lähmung 
eine  Athetose  übrig,  welche  keinen  progressiven  Charakter  zeigt,  nach- 
dem sie  sich  im  frühen  Kindesalter  einmal  entwickelt  hat. 

Die  Diagnostizierung  einer  solchen  Athetose  als  Partialerscheinung  des 
Biclschowskyschen  Typus  der  zerebralen  Kinderlähmung  hängt  davon  ab, 
daß  wir  das  Vorliegen  des  Biclschowskyschen  Typus  bei  einer  Kinderlähmung 
erkennen.  Dieser  Typus  ist  —  soweit  wir  bisher  wissen  —  durch  einen  Beginn 
mit  sich  auch  weiterhin  erhaltenden  epileptischen  Anfällen,  eine 
erst  nach  dem  Auftreten  dieser  Anfälle  im  Verlauf  einer  Reihe  von 
Monaten  allmählich  einsetzende  spastische  Hemiplegie  und  eine 
im  weiteren  Leben  in  Erscheinung  tretende  Hypoplasie  der  Muskulatur 
und  des  Skeletts  charakterisiert.  Wir  zweifeln  aber  nicht  daran,  daß  die  bisher 
ungenügende  klinische  Untersuchung  zum  Biclschowskyschen  Typus  ge- 
hörender Fälle  — T  speziell  in  bezug  auf  sensible  und  sensorielle  Störungen  — 
die  Differentialdiagnose  gegenüber  anderen  Formen  zerebraler  Kinderlähmungen 
weiter  vertiefen  wird. 

In  den  drei  bisher  aus  unserem  Institut  veröffentlichten  Fällen  handelte 
es  sich  immer  um  eine  einseitige  Erkrankung.  Selbstverständlich  kann  die  Er- 
krankung auch  einmal  in  beiden  Hemisphären  auftreten,  also  zu  einer  ent- 
sprechenden Diplegie  führen. 

Daß  auch   andere  Formen    zerebraler  Kinderlähmung  mit  einer  Erkran- 
kung des  Striatum  verbunden  sein  können  und  sich  dann  da,    wo  die  korti- 
kalen Ausfallset  scheinungen  der  Aiea  gigantopyramidalis  einen  nicht  zu  starken 
Grad  erreicht  haben,  die  Erkrankung  des  striären  Systems  bemerkbar  macht, 
ist  eine  Möglichkeit,   mit   der   wir  für  die  Zukunft  zu  rechnen  haben.    Aber 
wir  verfügen  in  unserem  Institut  noch  nicht  über  derartige  Fälle. 


77 


704  C.  UND  0.  VOGT.  »«"J  iJSSSS* 


und  Neurölogte, 


III.  Progressiver  Etat  fibreux. 

A.  Beschreibung  der  Fälle. 
a)  Isolierter  Etat  fihreux* 

Wir  bringen  hier  zwei  Fälle,  welche  wir  unserem  Kollegen  Bielschow'sky 
verdanken  und  die  wir  schon  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw."  erwähnt  haben, 
und  einen  dritten  Fall,  welchen  Herr  Prof.  Schuster  uns  überlassen  hat. 

10.  BieUohowskys  Fall  Otto  L.  [Biet  lö). 

A.  Krankengeschichte. 

Anamnese: 

31  Jahre  alt,  unverheiratet. 

Keine  erbliche  Belastung.    Lues  geleugnet. 

Potus:  5 — 6  Glas  Bier,  für  etwa  10  Pfennig  Schnaps  täglich. 

An  Krankheiten  machte  der  Pat.  Masern,  Typhus  und  Magenkatarrh  durch. 

Die  jetzige  Krankheit  begann  vor  et)ya  3V2  Jahren  mit  Zuckungen  in  den  Beinen. 
Später  traten  auch  solche  in  der  Rumpfmuskulatur,  den  oberen  Extremitäten  und 
in  der  Zunge  auf.  Die  Sprache  wurde  erschwert  und  wenig  verständlich.  Der  Gang 
wurde  sehr  schleppend. 

Status  praesens:  * 

Etwas  gelbliche  Gesichtsfarbe.  Tiefe  Einsenkungen  der  Fossae  supraspinatae. 
Hochgradige  Kyphoskoliose  der  Brustwirbelsäule.  Die  rechte  Schulter  steht  höher 
als  die  Hnke. 

Pupillen  gleich  weit,  reagieren  prompt  auf  Licht  und  Konvergenz.  Augenbe- 
wegungen frei. 

Schwäche  in  den  beiden  oberen  Faciales. 

Choreatische  Bewegungen  in  der  gesamten  Gesichts-  und  Zungen- 
muskulatur. Sprache  lispelnd,  erschwert,  von  schnalzenden  Lauten 
begleitet. 

Eigentümliche/  laute,  sich  oft  wiederholende  ins'piratorische  Be- 
wegungen. 

Hochgradige  mechanische  Muskel^rregbarkeit. 

Motorische  Kraft  intakt. 

Sensibilität  am  ganzen  Körper  normal. 

Triceps-  und  Patellarsehnenphänomene   beträchtlich  gesteigert. 

Kein  nennenswerter  Intelligenzdefekt.  Rechnen  und  Lesen  dem  Bildungs- 
grade des  Kranken  angemessen. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich  um  einen  Fall  progressiver  bilateraler  Chorea  fast  der  ge- 
samten Körpermuskulatur,  mit  Erschwerung  der  Artikulation  und  des  Gangs, 
ohne  nachweisbare  erbliche  Belastung,  sowie  ohne  Störung  der  Augen- 
bewegungen, der  motorischen  Kraft  und  des  psychischen  Verhaltens  bei  Stei- 
gerung der  Sehnenphänomene. 
78 


S!i'JLi2?'<        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        70$ 


8. 


•         B,  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 
Das  Gehirn  zeigt  keine  makroskopischen  Veränderungen. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)    Befunde  an  Nissl-^)  und  Silberreduktions-Präparaten  herausgeschnittener 

Hirnpartien. 

TbL  24,  ng.  1  gibt  uns  eine  Abbildung  der  Area  gigantopyramidalis.  Im  cyto- 
architektonischen  Bilde  lassen  sich  Abweichungen  von  der  Norm  nicht  feststellen. 
Die  Pyramidenzellen  der  ///•  zeigen  die  normale  Zahl  und  Größe.  Die  innersten  Partien 
von ///'sind  nicht  kömer-  oder  ghareicher  als  in  normalen  Schnitten.  Das  gleiche  gilt 
von  Vor. 

Bei  stärkerer  Vergrößerung  ergibt  sich  nach  Bielschowsky,  daß  in  den  Riesen- 
pyramiden von  Vy  die  chromatophile  Substanz  im  Zentralgebiet  der  Zellen  auf- 
gestaubt und  der  Kern  nach  der  Peripherie  des  Zellkörpers  hin  verschoben  ist.  Hier 
handelt  es  sich  aber  bloß  um  eine  akute  Veränderung  leichter  Art,  welche  erst  gegen 
Ende  des  Lebens  entstanden  sein  kann  und  mit  der  Chorea  in  keine  Beziehung  zu 
bringen  ist. 

TiL  24,  Fig.  2  gibt  uns  ein  Nissl-Bild  von  dem  Claustrum  (C/),  der  Capsula  externa 
(Cr)  und  dem  äußeren  Teil  des  Putamen.  Cl  und  Ce  zeigen  keine  Anomalie.  Put  zeigt  eine 
starke  Vermehrung  der  Gliakeme  und  einen  fast  vollständigen  Schwund  der  Ganglien- 
xellen.  Von  den  wenigen  erhaltenen  Ganglienzellen  gehören  die  meisten  zu  den  großen 
Ganglienzellen. 

Bielschowsky  hat  die  histologischen  Veränderungen  des  Putamen  und  auch 
des  Pallidum  an  Zellbildem  und  mit  dem  Silberreduktionsverfahren  behandelten  Prä- 
puaten  näher  studiert  und  ist  dabei  zu  folgendem  Resultate  gekommen: 

,JDcr  Ganglienzellengehalt  des  Putamen  ist  erheblich  vermindert.  Dabei  scheinen 
die  in  der  Norm  nur  spärlich  vorhandenen  großen  Zelleft  etwas  weniger  als  die  kleinen 
gelitten  zu  haben.  Die  ersteren  boten  aber  fast  sämtlich  Zeichen  einer  Pigmentdegenera- 
tion. In  den  stark  tingierten  Zellkörpern  (Toluidinblau,  Cresylviolett)  fanden  sich 
fast  überall  kömige  Einlagerungen  von  bräunlich-schwarzer  Eigenfarbe  in  ziemlich 
gleichmäfiiger  Verteilung,  welche  z.  T.  von  staubförmiger,  z.  T.  aber  auch  von  ziemlich 
groUDÖmiger  Beschaffenheit  waren.  Ahnliche  Pigmentkörnchen  fanden  sich  in  ziem- 
lich reichlicher  Menge  auch  in  den  Zellkörpern  der  Glia  und  in  den  Adventitiazellen 
der  Gefäße.  Die  Hauptveränderung  bot  die  gliöse  Grundsubstanz.  An  Silberpräparaten 
wird  ersichtlich,  daß  die  faserige  Substanz  des  gliösen  Stützgewebes  stark  proliferiert 
i«t.  Überall  fanden  sich  große  Astrocyten  mit  zahlreichen  Fortsätzen  und  großen  Kernen. 
An  einzelnen  Stellen  des  Putamen  hat  man  den  Eindruck,  als  ob  das  Gesamtgewebe 
nur  von  derartigen  Zellen  und  ihren  sich  mannigfach  über  kreuzenden  und  durch - 
flechtenden  Fortsätzen  gebildet  wird.  Im  Gegensatz  zu  diesen  verfilzten  Stellen  stehen 
andere,  in  denen  das  Gesamtgewebe  eine  schwammig  poröse  Struktur  aufweist.  Hier 
liegen  zwischen  den  Gliazugen  kleine  zystische  Hohlräume,  deren  Wandung  von  feinen, 
gliösen  Faserzügen  gebildet  wird.  Veränderungen  dieser  Art  präsentieren  sich  immer 
in  Form  kleinster  Herdchen.  Sie  sind  ganz  vereinzelt  in  das  übrige  gleichmäßig  ver- 
diditete  Gewebe  eingezwängt. 

Besonders  bemerkenswert  ist  auch  das  Verhalten  der  Gefäße.  An  den  gröberen 
GefäBen  sind  die  Adventitialräume  und  die  perivaskulären  Räume  —  letztere  infolge 
der  Schrumpfung  des  benachbarten  Gewebes  —  stark  erweitert.  In  den  Adventitial- 
riumen  finden  sich  neben  mäßigen  Mengen  von  Rundzellen  auch  vereinzelte  Fett- 


^)  Du  Gehirn  hatte  bereits  sehr  lange  in  Formalin  gelegen.     Deshalb  sind  die  Nissl- Bilder 
wenifer  gut  gelungen  als  in  den  anderen  FÜlen. 

79 


706  C.  UND  O.  VOGT.  '**'^He5S 

körnchenzellen  und  außerdem  ein  feinkörniger,  stellenweise  aucl»  staubförmiger  Det 

Die  Media  der  gröberen  Gefäße  zeigt  an  einzelnen  Steller  beginnende  hyaline  Met 

phosen.     Das  Struktur bild  dieser  Gefäßhaut  verschwindet,  und  an  ihrer  Stelle 

wickelt  sich  eine  strukturlose,  den  Kern-  und  Anilinfarbstoff  gleichmäßig  stark  c 

tierende  Membran.  Noch  viel  stärker  machen  sich  die  Veränderungen  an  den  Kapi 

bemerkbar.   Das  günstigste  Beobachtungsobjekt  bilden  hier  Silberpräparate.   An 

sieht  man,  daß  die  Kutikularsubstanz  der  Kapillarwand  überall  verdickt  ist  um 

Farbstoff  viel  stärker  annimmt,  als  es  unter  normalen  Verhältnissen  geschieht. 

erhebliche  Kern  Vermehrung  der  Wandzellen  hat  dabei  nicht  stattgefunden. 

selten  begegnet  man  den  bekannten  Bildern  der  Kapillarfibrose.    Hier  entwickeL 

an  der  Kapillarmembran  dichte  Züge  feinster  Fäserchen,  welche  das  Kapillarr( 

Spiraltouren  umziehen.  Hier  und  da  entfernen  sich  diese  fibrösen  Züge  von  den  ] 

laren  und  dringen  in  das  benachbarte  Gewebe  ein.  Man  begegnet  auch  den  Erschein 

einer  deutlichen  Sprossung  an  den  Kapillaren,  welche  sich  dadurch  kund  tut,  da 

an  ihnen  buckeiförmige  Erhebungen  mit  Kerneinlagerungen  am  Kulminations 

bilden.  Ferner  sieht  man,  daß  benachbarte  Kapillaren  durch  feine  Bindegewebsst 

welche  kein  Lumen  tragen,  miteinander  verwachsen  sind.    Die  Frage,  ob  es  sie 

um  verödete  Kapillaren  oder  um  Produkte  einer  unvollendeten  Sprossung  ha 

ist  schwer  zu  entscheiden.    Die  Tatsache,  daß  aber  an  anderen  Stellen  ünz^eife 

Sprossungsphänomene  nachweisbar  sind,  macht  die  letzte  Annahme  wahrscheinH 

Tat  26— Tat  80  folgen  nach  Taf.  31,  Figg.  1  und  2. 

Tat  81,  Pig.  1  gibt  bei  50 f acher  Vergrößerung  ein  Bild  von  der  eben  erwä 

pathologischen   Vermehrung  der   Kapillaren   auf   Grund   eines   Bielschowskj 

Silberpräparates  wieder. 

Tat  81,  Fig.  2  zeigt  uns  ein  nach  gleicher  Art  behandeltes  normales  Put 
Man  erkennt  hier  deutlich,  wie  die  Kapillaren  in  dem  Präparat  gegenüber  der 
vollständig  zurücktreten. 

„Schließlich  ist",  fährt  Bielschowsky  fort,  „zu  erwähnen,  daß  im  Pn 
auch  zahlreiche  Konkremente  vorkommen.  Sie  nähern  sich  ir  ihrer  Form  meii 
Corpora  amylacea,  zeigen  wie  diese  eine  starke  Affinität  zu  Kernfarbstoffen  un 
moniakalischer  Silberlösung  und  weisen  häufig  eine  konzentrische  Schichtuni 
Mitunter  versintem  die  benachbarten  Gebilde  dieser  Art  zu  größeren  maulbeera 
Körpern. 

Das  Pallidum  zeigt  ähnliche  Veränderungen  wie  das  Putamen,  nur  sind  s 
von  geringerer  Stärke.  Insbesondere  scheint  der  Zellgehalt  des  Pallidum 
geringem  Maße  gelitten  zu  haben.  Die  oben  geschilderten  Veränderungen  an  den 
laren  sind  auch  hier  in  quantitativ  verringertem  Maße  vorhanden.  Die  das  Pa 
quer  durchziehenden  Nervenfaserbündel,  die  sich  im  verringerten  Maße  auch  i 
tamen  finden,  sind  an  dem  Krankheitsprozeß  nicht  beteiligt.  Sie  boten  bezüglic 
Nervenfaser-  und  Glia-Gehaltes  überall  das  gewöhnliche  normale  Bild. 

In  schroffem  Gegensatz  zum  Linsenkern  steht  das  Verhalten  des  Clat 
Hier  ist  an  den  Ganglienzellen  und  an  der  Glia  kaum  etwas  Krankhaftes  wahmel 
Auch  die  dem  Linsenkem  benachbarte  Capsula  interna  erwies  sich  bei  genauei 
logischer  Untersuchung  als  unverändert. 

Das  histologische  Bild  spricht  für  folgende  Auffassung:  Die  primäre  Sc 
Veränderungen  liegt  in  einer  Degeneration  der  parenchymatösen  Bestandteile  des  j 
kerns,  und  zwar  besonders  des  Putamen,  in  geringerem  Maße  aber  auch  des  Pa 
Dieser  Degenerationsprozeß  ist  ein  langsam  fortschreitender  und  ergreif 
zugs weise  die  Ganglienzellen,  ohne  indessen  die  feinen  marklosen  Nervenfäi 
der  grauen  Substanz  ganz  intakt  zu  lassen.  Denn  die  Silberpräparate  lehren,  in 
noch  hinzugefügt  werden  mag,  daß  ein  Ausfall  der  feinsten  marklosen  Element« 
gefunden  haben  muß.  Dieser  Parenchymausfall  ist  sekundär  durch  eine  starke  E 
Wucherung  der  Glia  fast  überall  gedeckt  worden,  mit  Ausnahme  der  schui 
porösen  Herdchen,  wo  die  Gliafaserwuchenmg  mit  der  Parenchymdegeneratioi 
80 


JJJJJgg'^       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        707 


Schritt  gehalten  hat^  und  wo  es  dann  zur  Bildung  kleiner  zystischer  Hohlräume  ge- 
konunen  ist. 

Die  geschilderten  Veränderungen  an  den  Kapillaren  sind  gleichfalls  als  Folge- 
endieinung  des  parenchymatösen  Degenerationsprozesses  aufzufassen.  Wir  sehen  ja 
nidt  selten,  daß  in  alten  Degenerationsgebieten  sich  Verdickungen  an  den  Gefäß- 
windea  und  Kapillarfibrosen  entwickeln.  Die  Erscheinung  der  Kapillarsprossung  ist 
sonerklären,  daß  in  ähnlicher  Weise,  wie  beim  paralytischen  Prozeß^  die  mesodermalen 
Elemeiite  Ansätze  zur  Deckung  des  Raum  Verlustes  machen.'' 

/!) Befunde  andernach  Weigert-Pal  behandelten  Schnittserie  durch  das  Gehirn. 

ftLK,  Flg.  1  zeigt  die  beiderseitige  enorme  Atrophie  des  Caudaium  und  jene 
ini<dgedessen  entstandene  Abplattung  der  dem  Ventrikel  zugekehrten  Seite  des  Cau- 
ittm,  welche  die  schon  in  unserem  „Erster  Versuch  usw."  erwähnte,  geradlinige 
literale  B^renzung  des  Seitenventrikels  zur  Folge  hat.  In  Nc  zeigt  außerdem  der 
InncQtdl  eine  deutliche  Vermehrung  der  Markfasern.  Ein  Vergleich  mit  normalen 
Mparaten  lehrt  aber,  daß  der  Gesamtmarkfasergehalt  von  Nc  keine  Zunahme  er- 
Muren  hat,  sondern  daß  es  sich  hier  nur  um  ein  Zusammenrücken  der  in  ihrer  abso- 
luten Zahl  sogar  verringerten  Markfasem  im  Anschluß  an  einen  Schwund  der  Ganglien- 
«llen  handelt,  mit  anderen  Worten  um  jenes  histologische  Bild,  welches  C.Vogt  als  Etat 
ßreux  bezeidmet  hat. 

hL  26,  Fig.  2  zeigt  in  einem  kaudaleren  Schnitt  der  rechten  Hemisphäre  den 

gkidien  starken  Schwund  und  den  abnormen  Fasergehalt  von  Nc,    Dasselbe  gilt  von 

Put,  Außerdem  fällt  hier  die  abnorme  Breite  der  inneren  Kapsel  (Ci)  auf.   Es  handelt 

sid)  dabei  um  nichts  anderes,  als  um  eine  sekundäre  Verbreiterung  der  infolge  dei 

Sduumpfung  der  Striata  in  ihrer  Länge  verkürzten  inneren  Kapsel,  wie  sie  C.  Vogt 

sdion  fttther  vom  Fall  Wiemer-Tochter  beschrieben  hat.  Man  vergleiche  zur  Würdigung 

der  eben  beschriebenen  Anomalie  diese  Figur  mit  der  linken  Hälfte  der  Taf .  20,  Fig,  1 ! 

1U.86,  Fig.  8  zeigt  einen  analogen  Befund.    Wir  erkennen  ein  sehr,  stark  ge- 

schmmpltes,  aber  zugleich  anormal  faserreiches   Striatum  und  ebenso  eine  außer- 

feivdhnlich  breite  Capsula  interna  (Ci). 

Sri.  86,  Fig.  4  läßt  ebenfalls  eine  fast  vollständige  Atrophie  von  Nc  erkennen. 
Dis  gkicfazeitig  in  seinem  Volumen  beträchtlich  reduzierte  Putamen  ist  nach  wie  vor 
«normal  faserreich.    Auch  das  zweifellos  geschrumpfte  Ge  ist  faserreicher  als  imter  nor- 
malen Verhältnissen.    Man  überzeugt  sich  am  besten  von  diesen  Tatsachen,  wenn  man 
die  voiii^ende  Figur  mit  der  linken  Hälfte  von  Taf.  20,  Fig.  2  Vergleicht. 

At  26,  Fig.  5  zeigt  ebenfalls  einen  vollständig  rudimentären  Nc.  Das  Putamen 
ist  gleichfalls  stark  reduziert,  dafür  aber  anormal  faserreich.  Ge  und  Gi  sind  weniger  — 
mni  auch  immerhin  beträchtlich  —  geschrumpft  imd  gleichzeitig  gegenüber  der  Norm 
markfaaltiger. 

Sri.  26,  Fig.  1  läßt  eine  Anomalie  in  H^  nicht  mit  Sicherheit  erkennen. 
At  26,  Fig,  2  zeigt  ein  normal  faserhaltiges  Corpus  Luysi  {CL).     Es  erreicht 
aber  nicht  den  Höhendurchmesser  des  normalen  CL  der  Fig.  8  dieser  Tafel.    Es  liegt 
zweifellos  eine  gewisse  Kleinheit  des  CL  vor. 

Tlrf.26,  Figg.  8  und  4  werden  S.  yogf.,  Tai  26^  Figg.  6  und  6  S.  716  und  TaL  26, 
Kgg.  7  und  8  unter  Fall  15  beschrieben. 

IML  27,  Fig.  1  läßt  in  dem  Pes  pedunculi  (P),  dem  Nucleus  ruber  {Nr)  und  seinem 
Ifark,  speziell  auch  der  lateralen  Partie  des  letzteren  (/iVr)^  keine  Anomalien  erkennen. 
Dagegen  scheint  die  Substantia  nigra  {Sn)  in  ihrem  Höhendurchmesser  vermindert 
zu  sein. 

TaL  27,  Fig.  2  wird  S.  716,  TaL  27,  Figg.  8  und  4  werden  sub  VIII  beschrieben. 

TiL  28,  Fig.  1  zeigt  in  bezug  auf  die  Pyramiden,  die  Brücke,  die  Hßubenregion 

und  speziell  auch  in  bezug  auf  die  Bindearme  (Bc)  durchaus  normale  Verhältnisse. 

ÄL  28,  Fig.  2  weist  intakte  Dentata,  Restiformia,  untere  Oliven  und   Pyramiden 

{Py)  auf. 

6      jownal  für  PqrdMlogie  and  MMrologie.    Bd.  95.    Ergh.  3.  8^ 


708 C.  UND  O.  VOGT. ^^j^eSSy 

Tat  28;  Yigg.  8  und  4  finden  ihre  Beschreibung  unter  FaU  15,  Tat  28^  Figg.  5—7 
auf    S.  716. 

Das  Markfaserbild  des  Coriex  cerebri  und  des  Cereheüum  ist  überall  normal. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Vom  gesamten  Nervensystem  weist  nur  das  Striatum  und  in  wesentlid^^ 
geringerer  Weise  das  Pallidum  sowie  in  noch  schwächerem  Grad  das  Carpu^s 
Luysi  eine  seit  längerer  Zeit  existierende  Erkrankung  auf.  Es  handelt  sich 
eine  Schrumpfung.  Ihr  liegt  im  Striatum  ein  sehr  weitgehender  Unterganj 
der  Ganglienzellen  und  zwar  speziell  derjenigen  des  kleinen  Typus  {8  i] 
Textfigg.  1  und  2)  mit  sekundärer  Gliawucherung  und  nach  Bielschowsk" 
ebenfalls  sekundären  Reaktionen  des  Gefäßsystems  (Verdickungen  der  Gefi 
wände,  Kapillarfibrose  und  Kapillarsprossungen)  zugrunde.  Da  sich  die  Marl 
tasern  des  Striatum,  d.  h.  vornehmlich  die  strioi>etalen  (6  Textfigg.  1  und 
relativ  gut  erhalten  haben,  ist  es  durch  ihr  Zusanmienrücken  zu  einem 
fibreux  gekonmien.  Die  Schnmipfung  des  Pallidum  beruht  vor  allem  auf  eineiran 
Untergang  jener  feinen,  zum  System  9  der  Textfigg.  1  und  2  gehörigen  FaserKT», 
welche  das  Striatum  mit  dem  Pallidum  verbinden.  Es  handelt  sich  also  mn 
wesentlichen  um  eine  primäre  Nekrose  der  Neurone  des  Striatum  (vor 
allem  5,  aber  auch  9  der  Textfigg.  1  und  2). 

C,  Epikrise.  ^ 

Auf  die  Erkrankung  des  Striatum  führen  wir  die  Chorea  zurück.    Dieselbe 
ist  unserer  Ansicht  nach  auf  den  Ausfall  der  Striatumfunktion  imd  die 
dadurch  bedingte  Enthemmung  der  Tätigkeit  des  Pallidum  eines  nicht 
mehr  in  den  ersten  Lebensjahren  stehenden   Menschen  zurückzuführen,    4 
Die  striäre  Bewegungsarmut,    die  wir  theoretisch  bei  einem  Ausfall  des    ' 
Striatum  postulieren,   wird  nach  unserer  Vermutung  nur  von  der  substriären 
Unruhe  verdeckt,  dürfte  aber  bei  besonders  darauf  eingestellter  Beobachtung 
in  Momenten  substriärer  Ruhe  nachzuweisen  sein.    Die  künftige  klinische  For- 
schung wird  das  Urteil  über  die  Richtigkeit  unserer  theoretischen  Anschauung 
zu  fällen  haben.     Ihr  wird  auch  die  Entscheidung  darüber  vorbehalten  sein^ 
wie  weit  die  in  der  Krankengeschichte  erwähnte  Erschwerung  der  Artiku- 
lation und  des  Ganges  auf  striärer  Akinesie  beruht. 

Die  schwere  Atrophie  des  oralen  Gebietes  des  Striatum  erklärt  uns  bei 
unserer  somatotopischen  Zerlegung  des  Striatum  die  schweren  Störungen  der 
bulbären  Funktionen. 

Die  Tatsache,  daß  das  Pallidum  hier  eher  stärker  erkrankt  ist  als  in 
unseren  Fällen  von  Etat  marbr^,  widerlegt  die  Kleistsche  Ansicht,  daß  die 
Miterkrankung  des  Pallidum  in  den  Fällen  von  Etat  marbr6  Athetose  an  Stelle 
einer  Chorea  hervorrufe. 

Der  Umstand,  daß  unser  vorliegender  Fall  eine  isoliertere  Erkrankung 
des   Striatum  darstellt  als  die  des  v.  Economoschen   Falles    Karl  P.,    zeigt 
andererseits  unsere   Berechtigung,  die  choreatischen   Spontanbewegungen   zum 
^jSyndrame  du  corps  strii''  hinzuzurechnen. 
82 


I 


JJjJjyjUJ'g       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        709 


11.  Bielsohowskys  Fall  E.  (Biel  21). 
A,  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich  hier  um  einen  FalJ,  von  dem  wir  leider  die  Kranken- 
geschichte nicht  besitzen.  Er  betrifft  eine  ungefähr  65  jährige  Frau,  welche 
aber  einmal  von  Bielschowsky  persönlich  untersucht  worden  ist.  Sie  zeigte 
am  ganzen  Körper  stärkste  motorische  Unruhe,  wälzte  sich  im  Bette  herum 
und  machte  mit  den  Extremitäten  heftigste  Schleuderbewegungen.  Ein  Intelli- 
genzdefekt bestand  nicht. 

B,  Anatomische  Untersuchung, 

a)  Makroskopischer  Befund. 
Die  äußere  Oberfläche  zeigte  keine  Anomalien. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

a)  Untersuchung  am  Nissl-  und  Fibrillen bild . 

Bielschowsky  hat  die  Liebenswüidigkeit  gehabt,  Stücke  aus  dem  Gyrus  centralis 

oftUricr  \xTi^  dem  Fuftdes  Gyrus  frontalis  superior  im  Nissl-  und  im  Fibrillen-Bild  zu 

untersuchen.  Die  von  ihm  gemachten  Feststellungen  hat  er  folgendermaßen  zusammen- 
gefaßt: 

„Die  größeren  Zelltypen  der  Lamina  pyramidalis  und  die  Riesenpyramiden  weisen 
einen  hohen  Gehalt  von  gelbem  Pigment  (Lipochrom)  auf.    Sonst  sind  qualitative  Ver- 
indenuigen  an  den  Ganglienzellen  nicht  vorhanden.    Nach  senilen  Plaques  und  Zellen 
mitdem  Alzheimerschen  Fibrillenprozeß  wurde  vergeblich  gesucht.  Der  hohe  Pigment- 
gebalt der  Ganglienzellen  entspricht  der  Altersstufe  der  Verstorbenen,    Bezüglich  der 
GefiAe  ist  zu  bemerken^  daß  die  Kapillaren  überall  das  typische  Bild  der  Kapillar- 
Mump  bieten.  Auch  die  Wandung  der  gröberen  Gefäße  ist  stellenweise  stark  verdickt. 
-Auch  hier  ist  die  Adventitia  der  Sitz  starker  fibröser  Verdickungen.  In  den  adventitiellen 
Uumen  der  gröberen  Gefäße  finden  sich  stellenweise  rostbraune^  kugelige  Körper  und 
rostbraune  Kömchenkonglomerate  (Blutpigment?).'' 

/3)  Ergebnisse  der  Untersuchung  der  Weigert -Falschen  Schnittserie. 

Sit  28j  Fls.  1  zeigt  uns  durchaus  einen  Befund^  welcher  mit  dem  in  Taf.  25^ 
Figg.  3  und  4  vom  vorigen  Fall  abgebildeten  identisch  ist;  nur  sind  die  in  der  Taf.  25 
konstatierten  Anomalien  hier  etwas  weniger  ausgeprägt.  Nc  ist  in  hohem  Maße  atro- 
phiert  und  hat  zu  einem  Hydrocephalus  in  der  für  eine  Volumenreduktion  von  Nc 
typischen  Form  geführt.  Dabei  zeigt  Nc  ebenso  wie  das  atrophierte  Putamen  einen 
deutlichen  Etat  fihreux.  Das  angeschnittene  Pallidum  ist  zweifellos  ebenfalls  ver- 
kleinert und  markhaltiger  als  in  der  Norm.  Dafür  zeigt  auch  hier  die  innere  Kapsel 
{Ci)  eine  ungewöhnliche  Breite. 

TUL  88^  Fls.  2  erinnert  in  allem  an  die  in  Fig.  4  der  Taf.  25  erhobenen  Befunde. 
Nur  ist  auch  hier  die  Atrophie  des  Striatum  und  sein  Etat  fibreux  etwas  weniger 
ausgeprägt. 

TUL  90,  Fig.  8  gibt  uns  einen  Schnitt,  der  annähernd  dem  in  Taf.  25,  Fig.  5  ab- 
gebildeten entspricht.  Auch  hier  haben  wir  analoge,  wenn  auch  etwas  weniger  pronon- 
cierte  Verhältnisse. 

üaL  88,  Fi|^  4  zeigt  uns  die  Pyramiden  (Py),  die  unteren  Oliven,  die  Haubenregion 
und  die  Bindearme  (ßc)  ohne  pathologische  Befunde. 

lUL  88,  Fls.  5  lehrt  uns,  daß  dasselbe  vom  Dentatum  und  dem  umgebenden  Klein- 
kimgebiet  gilt. 

TaL  86,  ng.  8  zeigt  keine  erkennbare  Volumenreduktion  in  H^  oder  H\ 

6«       •  33 


7  lO  C.  UND  0.  VOGT.  ^"^  jiJSSlÄ** 

7 

TaL  2ß,  Fig.  4  bringt  ein  CL,  welches  nicht  an  Fasergehalt^  wohl  aber  an  Ab- 
nahme des  Höhendurchmessers  das  Taf.  26^  Fig.  2  abgebildete  CL  des  vorigen  Falles 
noch  etwas  übertrifft. 

Das  Markfaser bild  des  Cortex  cerebri  und  des  Cerebeüum  ist  überall  ein  normales. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Als  einzigen  wesentlichen  pathologischen  Befund  haben  wir  eine  starke 
Schrumpfung  des  Striatum  unter  Ausbildung  eines  ausgesprochenen  Etat 
fibreuXy  ein  mäßig  geschrumpftes  und  etwas  anormal  markhaltiges 
Pallidum^  sowie  ein  verkleinertes  Corpus  Luysi  feststellen  können. 

C.  Epikrise. 

Wir  sehen  hier  —  wie  im  vorigen  Fall  —  das  Striatum  als  das  vornehmlich 
erkrankte  Organ  an  und  führen  auf  seine  pathologische  Veränderung  die  Chorea 
zurück.  Unsere  in  der  Epikrise  des  vorigen  Falles  gegebene  physiopatholo- 
gische  Erklärung  der  Chorea,  sowie  die  Einwände  gegen  Kleist  und  v.  Economo 
halten  wir  auch  für  diesen  Fall  aufrecht. 

■ 

12.  Schusters  Fall  Heinrich  H.  {Bif/  35), 

A,  Krankengeschichte.  1 

57  Jahre  alter  Arbeiter.  I 

Am   4.  Juni    1902  im   Lazarett   des   Städtischen  Arbeitshauses  aufgenommen.    \ 

Anamnese:  Fat.  hat  vor  4  Jahren  Veitstanz  bekommen  ohne  besondere  Ursache,    j 
Es  ist  keine  akute  Erkrankung^  speziell  kein   Gelenkrheumatismus  vorangegangen,    i 
Früher  immer  gesund  gewesen.     Seine  Krankheit  hat  zunehmend  sich  verschlechtert.    ; 
Lues  wird  geleugnet.    Gewisser  Potus  wird  zugegeben.    Litt  vor  einem  Jahr  an  einem 
ausgebreiteten  Ekzem  der  Unterschenkel. 

Status  am  8.  August  1903:  i 

Kräftig  gebauter,  genügend  genährter  Mann.  Am  ganzen  Körper,  vorzüglich  1 
in  den  Armen,  in  den  Beinen,  in  den  Augen  und  der  Zunge,  dauernd  ungewollte  i 
Bewegungen  von  ganzen  Muskelkomplexen.  Dieselben  nehmen  bei  Ruhe  i 
ab,  hören  im  Schlafe  fast  ganz  auf,  steigern  sich  aber  erheblich  bei  Gemüts-  ' 
bewegungen.  Fat.  kann  sich  allein  anziehen,  auch  allein  essen.  Es  werden  aber  bei 
diesen  Verrichtungen  die  unwillkürlichen  Bewegungen  in  den  nicht  beteüigten  Musk^  ' 
gruppen  stärker. 

Die  Stimmung  ist  im  allgemeinen  gleichmäßig.    Fat.  fühlt  sich  aber  deprimiert^    ! 
wenn  sein  Leiden  zur  Sprache  kommt.  .  ' 

Abgesehen  von  den  unwülkürlichen  Augcnbewegimgen  keine  Störungen  in  der    ' 
wülkürlichen  Innervation  der  Augen. 

Pupillen  gleich.     Lichtreaktion  vorhanden. 

Zunge  gerade  vorgestreckt.  i 

Fazialismuskulatur  ohne  pathologischen  Befund.  \ 

Patellar-  und  Achillessehnenphänomene  leicht  gesteigert.  1 

Haütreflexe  normal. 

Sensibilität  überall  intakt. 

Nervenstämme  nicht  besonders  druckempfindlich. 

Herztöne  rein.    Zweiter  Aortenton  verstärkt.    Puls  regelmäßig.    Wand  sehr  rigide. 

Limgen  hinten  unten  beiderseits  etwa  2  Finger  breit  zu  tief  stehend. 

Leber  an  normaler  Stelle  fühlbar. 

Bauchorgane  sonst  ohne  pathologischen  Befund. 
84 


I 
j 


^  Bf  ti.  lyeo.  2,VR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        7 1 1 

■    ■■  •  r ' — 

An    der   Vorderseite    des    rechten  Unterschenkels   ein   Ekzem   von  Talergröße. 
Urin  sauer^  ohne  Eiweiß  und  Zucker. 

4.  April  1906.  Pat.  ist  bei  der  Unterhaltung  sehr  aufgeregt  und  stößt  un- 
motivierte Schimpfworte  aus.  Sprachstörung  im  choreatischen  Sinne.  Sagt 
z.  B.  sutt  „Ja"  „Jan",  statt  „Nussbeck"  „Nussibeck". 

Rechnen  kann  er  nur  die  einfachsten  Multiplikationsexempel. 

Während  der  Unterhaltung  nehmen  die  choreatischen  Störungen  zu. 

Bei  intendierten  Bewegungen,  z.  B.  beim  Händedruck,  werden  die  unwill- 
kürlichen Bewegungen  geringer. 

Pat.  steht  nachts  häufig  auf. 

23.  November  1907:  Pat.  schläft  sehr  wenig  infolge  vermehrter  choreatischer 
Zuckungen.   Er  steht  sehr  häufig  des  Nachts  auf.   Beschmutzt  sich  selbst  und  das  Bett. 

5.  Mai  1908:  Pat.  wird  während  der  Visite  schlafend  angetroffen.  Er  schläft 
mit  offenen  Augen  und  ziemlich  engen,  aber  reagierenden  Pupillen.  66  Pulse,  dagegen 
aber  nur  12  Atemzüge.  Normale  Patellarreflexe.  Pat.  liegt  ruhig,  in  völliger  Reso- 
lution aller  Körperteile  da  und  ist  durch  die  Berührung  nicht  aus  dem  Schlaf  zu  bringen. 

16.  August    1908:    Temperaturerhöhung   auf    38®    und    heftige    Kopfschmerzen. 
28.  Oktober  1908:  Exitus. 

Diagnose:  Chronische  Chorea. 

Zusanunenfassung  der  Krankengeschichte: 

Es  handelt  sich  um  einen  Patienten,  der  10  Jahre  lang  an  zunehmender 
typischer  Chorea  gelitten  hat.  Interessant  ist  die  Beteiligung  der  Augenmuskulatur. 
Von  Heridität  ist  nichts  festzustellen  gewesen.  Ob  das  zeitweise  aufger^e 
Benehmen  und  die  geringe  Rechenfähigkeit  als  Ausdruck  eines  erworbenen 
IntelligenzJefektes  bezeichnet  werden  muß,  geht  aus  der  Krankengeschichte 
nicht  genügend  hervor. 

ß.  Anatomischer  Befund. 

# 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Das  kleine  Gehirn  zeigt  äußerlich  keine  Anomalien.  Auf  dem  Querschnitt  er- 
kennt man  schon  makroskopisch  die  typische  Atrophie  des  Striatum, 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)  Untersuchung  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

T9L  20,  Fig.  1  bringt  die  Area  gigantopyratnidalis  von  der  Mantelkante.  Über 
feinere  Veränderungen  möchten  wir  uns  kein  Urteil  erlauben,  da  das  Gehirn  vor  seiner 
Verarbeitung  10  Jahre  in  Formalin  gelegen  hat.  Jedenfalls  fehlt  aber  jede  Gliakem- 
vermehrung,  speziell  auch  an  der  Grenze  von  ///  und  V. 

ALSO,  Fig.  2  lehrt  uns,  daß  die  Purkinj eschen  Zellen  des  Cerebellum  nicht 
verändert  sind. 

ß)  Untersuchung  der  Markfaserserie. 

TaL  80,  Fig.  8.  Wir  konstatieren  einen  sehr  starken  Hydrocephalus  internus, 
eine  intensive  Atrophie  des  Caudatum  mit  der  typischen  Abflachung  seiner  inneren 
Oberfläche  imd  einen  ausgesprochenen  Etat  fibreux  in  demselben. 

TiL  80,  Fig.  4  zeigt  Nc  und  Put  stark  atrophiert  und  durch  einen  deutlichen 
Etat  fibreux  ausgezeichnet.  Den  Grad  der  Atrophie  erkennt  man  bereits  durch  einen 
Vergleich  mit  den  an  sich  auch  noch  subnormalen  Größen  Verhältnissen  der  Abbildungen: 

85 


7»2 • C.  UND  O.  VOGT. ''^i'^^SSl? 

Taf.  21,  Fig.  2,  Taf.  67.  Fig.  3  und  Taf^  72,  Fig.  3.  Noch  instruktiver  wirkt  die  Herai 
Ziehung  von  ganz  normalen|Bildern,  wie  wir  sie  Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf.  45,  Fig.  18  d( 
Ergänzungshefte  des  Bd.  18  dieses  Journals  vor  uns  haben. 

TaL  80,  Fig.  6.  Auch  hier  findet  sich  eine  starke  Atrophie  von  Nc  und  Pt 
mit  konsekutivem  Etat  fibreux.  Man  vergleiche  nur  die  wesentlich  größeren  Dimei 
sionen  der  betreffenden  Organe  bei  der  nur  kurze  Zeit  vor  dem  Tode  aufgetretene 
Chorea  eines  Paralytikers  in  Taf.  41,  Fig.  3 !  Das  Pallidum  ist  deutlich,  wenn  auc 
weniger  geschrumpft.    H^  hat  sich  in  ziemlich  gut^r  Ausdehnung  erhalten. 

Das  Corpus  Luysi  zeigt  die  Kleinheit  des  vorigen  Falles. 

TaL  80,  Fig.  6.  Die  Brachia  conjunctivae  die  Brachia  pontis  und  die  Pyramide 
zeigen  normale  Entwicklung. 

Taf.  81,  Figg.  1  und  2  sind  S.  706  beschrieben. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Als  sicheren  anatomischen  Befund  ergab  sich  nur  eine  Erkrankung  d< 
striären  Systems,  und  zwar:  ein  ausgesprochener  Etat  fibreux  des  sehr  star 
geschrumpften  Striatum^  eine  geringere  Volumenabnahme  des  Pallidum  un 
eine  noch  geringere  des  Corpus  Luysi. 

C.  Epikrise, 

In  diesem  Falle  haben  wir  also  auch  den  aus  der  Krankengeschichte  bereit 
erschlossenen  Befund  erheben  können:  schwere,  in  Atrophie  und  Etat  fibreu 
sich  äußernde  elektive  Zellnekrose  des  Striatum  mit  den  Folgeerscheinunge 
in  Pallidum  und  Corpus  Luysi  bei  Intaktsein  des  Cortex  cerebri. 

ZusammenfAsiimg. 

Es  gibt  beim  Erwachsenen  eine  Erkrankung  des  Zentralnervensystem 
welche  in  einer  isolierten  elektiven  Nekrose  der  Ganglienzellen  ur 
zwar  vor  allem  derjenigen  des  kleinen  Typus  {8  in  Texfigg.  1  und  2)  d 
Striatum  mit  konsekutiver  Reaktion  der  Neuroglia  und  des  Blutgefäßsysten 
besteht,  infolge  des  Zusammenrückens  der  erhalten  gebliebenen  Markfasem  d^ 
Striatum  zu  einem  Etat  fibreux  desselben  führt  und  sonst  nur  noch  vc 
einer  viel  geringeren  Schrumpfung  des  Pallidum  und  einer  noch  wenige 
ausgesprochenen,  wohl  nur  durch  sekundäre  Faserdegeneration  bedingten  d< 
Corpus  Luysi  begleitet  ist. 

Der  Prozeß  ist  stets  bilateral. 

Klinisch  entspricht  diesem  pathologischen  Prozeß  eine  progressive  bi 
laterale  Chorea. 

Wir  haben  außer  den  drei  oben  beschriebenen  Fällen  noch  einen  (Bf  19 
in  Bearbeitung.  Nach  Aufdeckung  des  pathologisch-anatomischen  Befunde 
im  ersten  Fall  haben  wir  in  den  drei  anderen  Fällen  auf  Grund  des  klinische 
Berichts  die  pathologisch-anatomische  Veränderung  vorausgesagt. 

Die  Ätiologie  ist  unbekannt. 

Einen  derartigen  pathologischen  Befund  ohne  Chorea  haben  wir  nid 
in  unserer  Sammlung. 

86 


5tÜ^.'  ,       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.  7 1 3 


3. 


b)  Mit  einer  typieehen  Qroßh4rnerkrankung  verbundener  Etat  ftbreux 

(Hunitngtaneche  Chorea). 

18.  Freund  I  Pall  H.  B.  [Bf  lo). 

A,  Krankengeschichte. 

Anamnese  aus  dem  Jahre  1910: 

Die  Chorea  laßt  sich  durch  drei  Generationen  nachweisen.  Der  Großvater 
litt  an  chronischer  Chorea,  die  Großmutter  war  geisteskrank.  Alle  ihre  Kinder  —  drei 
Söhne  —  litten  an  chronischer  CSiorea.  Der  älteste  Sohn  erkrankte  mit  44  Jahren  und 
starb  im  Alter  von  56  Jahren  an  Schlaganfall.  In  seinem  letzten  Lebensjahr  war  er 
.^besonders  auf  die  Sprache  ganz  gelahmt  und  wie  irre".  Er  hatte  außer  sieben,  im 
Alter  von  1 — 2  Jahren  gestorbenen  Kindern  vier  noch  lebende  Kinder :  eine  Toditer 
und  drei  Söhne.  Die  erstere,  jetzt  52  Jahre  alt,  ist,  wie  ihre  drei  Töchter  und  ihr  Sohn 
gesnnd.  Von  den  drei  Söhnen  soll  einer,  jetzt  40  Jahre  alt,  an  Zittern  leiden.  Ein  zweiter, 
jetzt  45  Jahre  alt,  ist  mit  ^^  Jahren  an  Chorea  erkrankt.  Der  dritte,  auf  den  sich  die 
folgende  Krankengeschichte  bezieht,  erkrankte  vor  6  Jahren  im  44.  Lebensjahr.  Der 
vorletzt  erwähnte  Kranke  hat  vier  Töchter  und  zwei  Söhne  ohne  nachweisbare  Krank- 
heit. Unser  Pat.  hat  einen  24jährigen,  bisher  gesund  gebliebenen  Sohn. 

Die  Krankheit  begaim  im  Anschluß  an  eine  Grippe.  Zuerst  wurden  die  Arme  und 
das  Gesicht  von  einem  imfreiwilligen  2^ppeln  und  von  Grimassenbewegungen  be- 
troffen. Seit  3 — 4  Jahren  war  Pat.  infolgedessen  zu  seinem  Schuhmacherhandwerk 
unffliig. 

Kein  Alkoholmißbrauch.   In  der  Eandheit  kein  Veitstanz.    In  der  Schule  war  Pat. 
wenig  befähigt,  er  wurde  aber  ein  tüchtiger  Handwerker.    Er  war  bis  zu  seiner  Er- 
knnhing  körperlich  recht  gewandt  und  bis  vor  sieben  Jahren  ein  flotter  Tänzer. 
SttOus  praesens  am  30.  April  1910: 
PajHllenreaktion  gut.    Augenhintergrund  normal. 

Ständig  vom  Erwachen  an  ein  ununterbrochenes  Zappeln  der  Arme 
ond  Beine,  ein  Wackeln  des  Kopfes  und  ein  unfreiwilliges  Gcbichter- 
schneiden.  Aufregungen  verstärken  diese  unwillkürlichen  Bewegungen, 
Keine  Schmerzen.  Kein  Gefühl  Innerer  Unruhe.  Auch  kein  Müdigkeitsgefülil 
Wm  Sitzen,  wohl  aber  beim  Gehen,  so  daß  Pat.  nach  einer  Viertelstimde  sich  setzen  muß. 
Gehör,  Sehkraft,  Geschmack  und  Geruch  ohne  Störungen.  Appetit  gut,  Schlaf 
ungestört. 

Kein  Herzklopfen.  Keine  Atemnot.  Kein  Rückenschmerz.  Keine  Gelenkschmerzen. 
Keine  Schweiße.    Keine  Durchfälle. 

Die  Zuckungen  zeigen  den  typischen  Charakter  der  Chorea.  Sie  erscheinen  wie 
gewollt,  sie  hindern  aber  in  ihrer  Planlosigkeit  beabsichtigte  Bewegungen.  Dies  tritt 
^^^Wödcrs  bei  Widerstandsbewegungen  hervor,  insofern  die  beabsichtigte  Wirkung 
®ri$t  erst  dann  geleistet  werden  kaim,  wenn  Pat.  die  anderen  Körperabschnitte  fest- 
steOt  und  dadurch  störende  Mitbewegungen,  speziell  seitens  der  Antago- 
nisten, verhindert. 

Wegen  der  Mitbewegungen  kein  deutliches  Resultat  bei  der  Prüfung  des  Gelenk- 
(cßhls.  Intaktheit  der  anderen  Gefühlsqualitäten.  Die  passive  Beweglichkeit 
fflißig  erhöht.  Ataxie  nur  angedeutet.  Treffsicherheit  leidlich  gut.  Sehnen - 
Phänomene  normal. 

ICtbewegiingen  verhindern  das  Stehenbleiben  auf  einem  Bein,  ebenso  das  Vor- 
strecken der  Zunge.  Es  besteht  eine  schwere  Artikulationsstörung,  analpg  der- 
jen^n  der  progressiven  Paral)rse.  Textfig.  5  (S.  714)  gibt  in  einer  Verkleinerung  um 
ein  Drittel  den  vom  Pat.  geschriebenen,  ihm  diktierten  Satz  „Breslau  ist  eine  schöne 
Stadt"  wieder. 

Der  Kranke  kann  traben,  sich  — *  wenn  auch  ungeschickt  und  langsam  —  um  die 
Längsachse  drehen,  auch  tiefgebückt  ohne  Gleichgewichtsstörungen  dasteheni 

87 


714 C.  UND  O.  VOGT. [°^ji^^ 

Intellektuelle  und  affektive  Störungen  sind  bisher  wenig  be^nerkb 
Es  zeigt  sich  vor  allem  eine  schlechte  Merkfähigkeit  für  Aufträge,  Besorgungen  u; 

7.  Februar  1911.  Seit  3 — 4  Wochen  fällt  dem  Pat.  das  Einschlafen  schwer,  li 
unter  ist  er  ganz  schlaflos,  höchstens  schläft  er  3 — 4  Stunden.    Als  Grund  gibt  I 


^7/ 


Fig.  5- 


an,  daß  ihm  vor  6 — 7  Wochen  im  Anschluß  an  ein  Vorkommnis  seine  Krankheit 
sonders  zum  Bewußtsein  kam. 

Herztöne  unrein.  Stark  erhöhte  passive  Beweglichkeit  der  untei 
Extremitäten.  Gang  mit  nach  hinten  libergeneigtem  Rumpf.  Kein  Rombc 
Keine  gleichmäßig  wirkende  Druckkraft,  sondern  eine  oft  unterbrochene.  Ke 
Bauchreflexe.  Plantarreflex  mittelstark.  Achillessehnenphänomen  lebhaft.  Kr 
Sehnenphänomen  mittelstark.  Lebhafte  Reaktion  auf  einen  Stich  in  den  Fuß.  K 
Babinski.  Rumpf bewegungen  nach  vom  erschwert.  Muskelerregbarkeit  eher  her 
gesetzt.  Sehnenphänomene  an  den  oberen  Extremitäten  schwach.  Auch  in  Rück 
läge  unwillkürliche  Zuckungen.  Kann  nicht  pfeifen.  Knie-Hacken-Versuch  m 
einigen  mißlungenen  Anfangsversuchen  gut.  Fällt  nicht  im  Gehen.  Kann  Wi 
kurlich  die  choreatischen  Zuckungen  vorübergehend  unterdrücken.  D 
selben  treten  aber  hernach  dann  stärker  hervor. 

Tod  am  3.  XII.  1914  an  Bronchopneumonie. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  hanJelt  sich  hier  um  einen  typischen  Fall  von  Huntingtonscher  Chor 
d.  h.  einer  Chorea,  deren  Erblichkeit  einerseits  festgestellt  ist  und  die  ander 
seits    von    den    typischen    psychischen    Störungen    dieser    Krankheit 
gleitet  war. 

B.  Anatomischer  Befund. 

m 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Die  makroskopische  Untersuchung  der  Hirnoberfläche  ließ  nichts  Wese 
liches  erkennen.     Das  Hirngewicht  betrug  ii8og. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 
a)  Zellbefunde  an  herausgeschnittenen  Stücken.   . 

I.  Hirnrinde. 
TaL  81,  Fig.  8  bringt  einen  Schnitt  aus  der  Area  gigantopyramidalis  aus  der  B< 
region.  Im  Vergleich  mit  einem  normalen  Schnitt  dieser  Gegend  — .  z.  B.  dem  in  Tai 
Fig.  1  abgebildeten  —  erkennt  man  wesentliche  Veränderungen.    Vor  allem  stellt*!) 
eine  bedeutende  Zunahme  der  Gliakeme  fest.  Dieselben  sind  in  den  äußersten  Schich 
am  wenigsten  vermehrt.   Sie  bilden  in  dem  im  normalen  Schnitt  mit  Var  bezeichne 
Gebiet  und  den  nach  außen  anstoßenden  Teilen  von  ///  ein  direktes  Zellband  ^ 
mit  n  bezeichnet),  welches  um  so  mehr  als  solches  hervortritt,  als  die  normalerw 
in  diesem  Gebiet  vorhandenen  Pyramidenzellen  zum  größeren  Teil  geschwunden  si 
Besonders  bei  einem  Vergleich  mit  Taf.  52,  Fig.  1  erkennt  man  dabei  »ehr  deuti 
daß  es  sich  bei  diesen  kleinzelligen  Elementen  nicht  etwa  um  kleine  Pyramidcnzel 
sogenannte  „Kömer",  sondern  —  wie  wir  schon  früher  (ds.  Joum.  ds.  Bd.  S.  358) 
hauptet  haben  —  um  die  sehr  viel  kleineren  Neurogliakeme  handelt.    Nach  innen 
diesem  mit  n  bezeichneten  Streifen  sind  die  Neurogliakeme  wesentlich  stärker 
88 


irtimirV^'  8.      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.  7 1 S 


mehrt  als  weiter  nach  außen.  Die  Riesenpyramiden  als  solche  haben  dabei  keine  £in- 
bufie  erlitten. 

M.S1;  Fig.  4  ist  der  Höhe  der  Beinregion  der  Area  89  0.  Vogts  entnommen. 
Audi  hier  sehen  wir  in  den  Außenschichten  eine  geringe,  in  den  Innenschichten  eine 
bctikhtlichere  Gliose  und  an  der  mit  n  bezeichneten  Grenze  zwischen  ///  und  V  eine 
so  starke,  daß  es  hier  beinahe  zu  einem  Neurogliabande  kommt. 

BezSglich  der  feineren  strukturellen  Veränderungen  dieser  Himrindenstellen  stellt 
Biclschowsky  zahlreiche  chronisch  und  wabig  veränderte  Ganglienzellen  fest.  Dies 
gilt  besonders  für  den  von  uns  mit  n  bezeichneten  Streifen,  da«m  aber  auch  für  einzelne 
Riesenpyramidenzellen  von  Vy  und  Zellen  der  VI,  Schicht. 

2,  Kleinhirn. 

M.81,  Fig.  5  bringt  einen  Schnitt  von  einem  Teil  des  Kleinhirns.  Derselbe  zeigt 
keine  Anomalien.  Speziell  zeigen  sich  die  Pur kinj eschen  Zellen  in  normaler  Zahl 
rad  von  normaler  Struktur. 

3.  Striatum  und  Umgebung. 

M.  82,  Fig.  1  zeigt  uns  das  ganze  Putamen  von  Neurogliakemen  erfüllt.  Dabei 
sind  in  dem  Außenteil  des  Putamen  alle,  in  dem  Innen  teil  fast  alle  kleinen  Gan- 
glienzellen zugrunde  gegangen.  Dagegen  erscheint  als  Folge  de;  Schrumpfung  des 
Pntamcn  in  der  gleichen  Raumeinheit  die  Zahl  der  größeren  Zellen  —  genau  wie  in 
dem  Innenteil  die  Zahl  der  Markfaserbündel  —  eher  vermehrt.  Dabei  erweisen  sich 
aber  auch  diese  größeren  Zellen  durch  ihre  blasse  Färbung  als  pathologisch  verändert. 
Zor  Würdigung  der  pathologischen  Verhältnisse  werfe  man  nochmals  einen  Blick  auf 
dasTaf.  1,  Fig.  1  wiedergegebene  normale  Putamen! 

Von  den  wenigen  erhaltenen  kleinen  Ganglienzellen  des  Putamen  stellt  Biel- 
schowsky  fest,  daß  ihr  Zellkörper  schwere  Veränderungen  darbiete.  Der  letztere 
Wdet  fast  ausschließlich  nur  noch  einen  ganz  zarten,  häufig  stark  pigmenthaltigen 
S^  um  den  Kern,  welcher  meist  von  gleichmäßig  dunkler  Farbe  ist  und  dann  keine 
ferneren  Strukturen  mehr  aufweist.  Die  größeren  2^11en  des  Putamen  zeigen  viel- 
Wi  wabige  Veränderungen  ihres  Zellkörpers.  Dieselben  sind  die  Ursache  ihrer  blassen 
^bung.  Auch  in  diesen  Zellen  ist  der  Pigmentgehalt  stellenweise  ein  recht  beträcht- 
licher. Ihre  Kerne  zeigen  wie  die  der  kleinen  Zellen  pyknotische  Veränderungen, 
^•k.  Schrumpfungserscheinungen  bei  gleichmäßig  dunkler  Färbung  infolge  Verdeckung 
^*r  Chromat  in  kömer  durch  dunkler  gefärbtes  Kernplasma. 

lU.  82,  Fig.  2  weist  links  in  dem  innersten  Teil  des  Putamen  die  aus  der  vorigen 
Abbildung  bekannten  Veränderungen  auf.  Der  im  rechten  Teil  getroffene  Abschnitt  des 
^^um  extemum  (Ge)  zeigt  ebenfalls  eine  sehr  starke  Vermehrung  der  Neuroglia- 
^t  und  infolge  der  Schrumpfung  eine  Zunahme  der  großen  Ganglienzellen  für  die 
^iche  Raumeinheit  im  Verhältnis  zum  normalen  Bilde.  Man  ziehe  zum  Vergleich 
<Jw  Kg.  2  der  Taf .  1  heran ! 

lÜ.  82,  Pig.  8  bringt  eine  analoge  Veränderung  des  Pallidum  internum  (Gi), 
^^  sehen  auch  hier  im  Vergleich  zu  Taf.  2,  Fig.  2  eine  beträchtliche  Vermehrung 
^  Neurogliakeine  und  ein  Aneinanderrücken  der  Ganglienzellen. 

Unter  den  Zellen  des  Pallidum  —  und  zwar  besonders  des  Pallidum  internum  — 
^^  sich  nach  Biclschowsky  geschrumpfte  Exemplare  mit  pigmentreichem, 
gleidunäßig  dunklem  Zellkörper,  in  dem  die  normalerweise  stichochrom  angeordneten 
Nisslkörpcrchen  gar  nicht  oder  nur  andeutungsweise  hervortreten.  Die  Dendriten 
Wtzen  an  derartigen  Stellen  häufig  einen  auffällig  gewundenen,  fast  korkenzieher- 
Ärtigen  Verlauf.     (Chronischer  Zerfallprozeß  in  mäßiger  Entfaltung.) 

Itf.  82,  FJg.  4  läßt  den  Nucleus  sübstantiae  innominatae  gegenüber  den  in  Taf.  2, 
Fig.  3  abgebildeten  normalen  Verhältnissen  nicht  sehr  beträchtlich  verändert  er- 
scheinen. Vielleicht  hat  die  2^hl  der  Neurogliakeme  etwas  zugenommen.  Dagegen 
zeigen  die  Ganglienzellen  selbst  keine  Veränderung. 

89 


( 


7 '6  c.  UND  o.  VOGT. ^°"5Sd  iri55biSy 

TaL  82,  Fig.  6  zeigt  eine  deutliche  Zunahme  der  Neurogliakerne  im  Clan 
strum  (Cl), 

4.  Rückenmark. 

Am  Rückenmarksquerschnitte  aus  dem  untersten  Abschnitt  des  Dorsalmarke 
ist  nach  Bielschowsky  der  geringe  Flächeninhalt  auffallend.  Die  motorischen  Vor 
derhomzellen  sind  hier  fast  sämtlich  von  der  chronischen  Zellverändenmg  Nissl 
betroffen  und  weisen  einen  hohen  Gehalt  an  gelbem  Pigment  auf.  Systematisch 
Strangveränderungen  treten  nicht  hervor.    (Kongenitale  Mikromyelie). 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

TaL  28,  Fig.  5.    Ein  Schnitt  durch  den  oralsten  Teil  des  Striatum  zeigt  ims  eir 
deutliche  Schrumpfung  von  Nc  unter  charakteristischer  Ausbildung  der  dafür  typische 
Form  des  Hydrocephalus  internus,  wenn  auch  andere  Fälle,  wie  z.  B.  der  Taf .  ^ 
Fig.  1  abgebildete  Fall  Lücke,  eine  noch  stärkere  Atrophie  darbieten. 

TaL  28,  Fig.  6  läßt  die  Atrophie  von  Nc  und  Put,  ihren  Etat  fibreux,  den  ano 
malen  Faserreichtum  des  eben  angeschnittenen  Paütdum  und  die  pathologische  V& 
breiterung  der  inneren  Kapsel  (Ct)  deutlich  erkennen. 

TaL  26,  Fig.  5  zeigt  keine  faßbare  Volumenreduktion  des  Bündels  H^. 

Taf.  28,  Fig.  6  bringt  ein  gegenüber  dem  Taf .  26,  Fig.  8  abgebildeten  normal« 
CL  um  ein  Dritteil  verschmälertes  CL.  Der  ganze  Schnitt  ist  stärker  entfärbt.  I> 
Helligkeit  von  CL  ist  deshalb  nicht  ohne  weiteres  als  pathologisch  anzusprecbe: 

TaL  27,  Fig.  2.  In  dem  ebenfalls  stärker  entfärbten  Schnitt  als  dem  Taf.  27,  Fig. 
abgebildeten  läßt  sich  mit  Sicherheit  nichts  Pathologisches  erkennen.  Speziell  kar 
von  einer  Volumenreduktion  von  Nr  nicht  die  Rede  sein. 

TaL  28,  Fig.  7  lehrt  die  Existenz  normaler  Bindearme  (Bc)  und  normaler  Pyf^4 
miden  (Py). 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Wir  haben  im  Zentralnervensystem  eine  weitgehende  Neurogliose  unte 
Zugrundegehen  des  rfervösen  Parenchyms,  speziell  der  Ganglienzellen,  festgestellt 
Dieser  Prozeß  ist  am  stärksten  im  Striatum  ausgebildet.  Er  führt  in  diesen 
zu  einer  beträchtlichen  Schrumpfung  und  der  Ausbildung  des  Etat  fibreux, 
Auch  im  Pallidum  erreicht  er  einen  Gr^d,  welcher  über  denjenigen  der  einfachen 
sekundären  Degeneration  hinausgeht.     CL  ist  ebenfalls  anormal  klein. 

In  z^^^eiter  Linie  ist  der  Cortex  cerebri  von  diesem  Prozeß  betroffen,  und 
zwar  besonders  die  IV.  Schicht,  bzw.  in  den  sekundär  agranulären  Gebieter 
die  Grenze  zwischen  ///  und  V.  Diese  Tatsache  hat  zuerst  der  leider  so  frül 
der  Wissenschaft  entrissene  KöJpin  in  unserem  Institut  festgestellt  (ds.  Jouin 
Bd.  12).  Wie  wir  aber  in  der  vorstehenden  Beschreibung  und  bereits  in  de 
ersten  Serie  unserer  ,, Allgemeine!  e  Ergebnisse  usw.**  (ds.  Journ.,  ds.  Bd.,  S.  35J 
u.  S.  378)  ausgeführt  haben,  hat  ei  diese  Kerne  fälschlicherweise  als  erhaltei 
gebliebene  Reste  der  ontogenetischen  Körnerschicht  gedeutet. 

C.  Epikrise. 

Wir    sehen   in    der  Erkrankung  des  striäreu  Systems  die  Ursache   de 
Chorea.    Wir  halten  tns  dazu  für  vollständig  berechtigt,  weil  in  der  vorige 
Gruppe  von  Etat-fibreux-Erkiankungen  eine  isolierte  derartige  Erkrankun 
dieses  Systems  dieselben  choreatisohen  Zuckungen  hervorrief. 
90 


[jlimMr?^  t.      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         7  1 7 


Unsöe  Vorgänger  in  dieser  Auffassung,  besonders  P.  Marie  und  J.  Lher- 
mitte,  sind  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw.**  S.  8  bereits  gewürdigt  worden. 
Wir  hatten  aber  übersehen,  daß  1909  Anglade  in  einem  typischen  Fall  von 
Huntingtonscher  Chorea  eine  starke  Gliose  der  ,,noyaux  gris  centraux"  auf- 
gefunden und  auf  sie  die  Chorea  zurückgeführt  hat.  1914  haben  dann  Lherm  i  t tc 
und  Porak  nach  der  Riv.  di  pathol.  nerv,  e  ment.  einen  weiteren  Fall  in  der  uns 
nicht  zugänglichen  Revue  neurolog.,  Vol.  13,  veröffentlicht.  Ferner  hat  Hunt 
1916  angegeben,  daß  er  in  vier  Fällen  von  Huntingtonscher  Chorea  einen 
ausschließlichen  Untergang  der  kleinen  Ganglienzellen  des  Striatum  gefunden 
habe.  Wir  halten  die  Einschränkung  des  krankhaften  Prozesses  auf  die  kleinen 
Ganglienzellen  nicht  für  gerechtfertigt. 

Unsere  obigen  Ausführungen  (S.  708)  über  den  Mechanismus  der  Chorea, 
sowie  unsere  Kritik  Kleistscher  und  v.  Economoscher  Anschauungen  gelten 
auch  für  diesen,  wie  die  übrigen  Fälle  der  Huntingtonschen  Chorea. 

In  der  an  einen  Zellunterg^ng,  besonders  in  der  IV.  bzw.  dem  Grenzgebiet 
zwischen  der  ///.  und  V,  Schicht  des  Cortex  cerebri  sich  anschließenden  Gliose 
sdien  wir  das  Substrat  der  psychischen  Störungen  des  vorliegenden 
Falles.  Wir  werden  auf  diesen  Punkt  noch  zurückkommen. 

14.  Liepmanni  Fall  Julie  E.  [D.  26-) 

A.  Krankengeschickte. 

Geboren  am  33.  Oktober  1866. 

I.  Hospitalbehandlung  1894  im  ^ankenhaus  Friedrichshain  wegen  Gastroenteritis 
^uta  infolge  Schwefelsäureintoxikation. 
Anamnese  am  16.  September  1894: 

Dienstmädchen.  Vater  war  Schneider,  an  der  Schwindsucht  gestorben.  Mutter 
*w  nervenkrank,  soll  Krampfanfälle  mit  Schaum  vor  dem  Munde  gehabt  haben, 
^t.  kann  sich  selbst  auf  frühere  Erkrankungen  nicht  besinnen.  Menstruation  seit 
dem  18.  Lebensjahre  regelmäßig.  Vor  der  ersten  Gravidität  wahrscheinlich  zwei  Aborte. 
Ein  normaler  Partus  vor  7  Jahren;  das  betreffende  Kind  lebt.  Jetzt  zum  zweiten  Male 
gravid  im  dritten  Monat.  Gestern  abend  wegen  der  neuen  Schwangerschaft  Schwefel- 
säure getrunken. 

Status  praesens  am  16.  September  1894: 

Mittelgroße^    ziemlich    kräftig   gebaute    Person    von    gutem    Ernährungszustand. 
Gcüunde  Gesichtsfarbe.    Brustorgane  ohne  Befund.    Unterleibsorgane,  abgesehen  von 
der  Gravidität,  normal.  In  der  Mundhöhle,  an  den  Wangen  und  in  der  hinteren  Rachen- 
ifand  oberflächliche  weiße  Schorfe. 

Magensaft  ohne  Schwefelsäurereaktion.     Stuhlgang  ohne  pathologischen  Befund. 
Am  26.  September  1894  als  geheilt  entlassen. 

2,  HospiUdaufnahme  in  der  Kgl.  Universitäts-Frauenklinik  zu  Berlin  am  14.  Fe- 
bruar 1895. 

Das  Kind  wurde  in  Sturzgeburt  geboren.  Das  Wochenbett  normal.  Das  Kind 
bat  gesunde  innere  Organe,  litt  vorübergehend  an  Eczema  capitis. 

3.  Aufnahme  in  der  Anstalt  Herzberge  am  4.  Februar  1904. 
Anamnese-. 

Bis  vor  4  Jahren  nach  Angabe  von  Bekannten  normal.  Vor  4  Jahren  schnitt 
Pat.  sich  ein  Bild  des  Prinzen  X  von  Baden  aus  einem  Buch  heraus.  Sagte,  der  Prinz 
>ei  ihr  Bräutigam,  sie  habe  ja  immer  mit  ihm  abends  auf  der  Treppe  gesessen.  Sagte 
in  einer  Gesellschaft  zu  einem  fremden  Mann:    „Du  verfluchter  Kerl  hast  dich  vor 

91 


7l8  C.  UND  O.  VOGT.  ^^"^^i'^SSSS^ 

einem  Jahr  mit  mir  verlobt,  jetzt  hast  du  eine  andere".  Verkannte  zeitweise  Per- 
sonen. Verlor  meist  ihre  Stellung,  weil  sie  den  Leuten  zu  verrückt  war.  Ihr  Schlaf 
war  unruhig,  schreckhaft,  sie  flog  immer  hoch. 

Seit  etwa  3  Jahren  hat  sie  Krampf  an  fälle,  bei  denen  sie  das  Bewußtsein  nich'^ 
vollständig  verliert,  keinen  Zungenbiß  zeigt,  keinen  Urin  unter  sich  läßt.  Die  Anfällt 
treten  zuweilen  alle  14  Tage  auf,  zeitweise  auch  nur  alle  6  Wochen. 

Die  Pat.  selbst  leugnet  zurzeit  Geschlechtsverkehr. 

Status  am  15.  Februar  1904: 

Größe:  1^48  m.     Gewicht:  49  kg.    Temperatur:  36,5*. 

ChoreUorme  Bewegungen  in  Armen,  Schultern  und  Kopf,  angeblioli 
seit  einem  Jahr. 

Leugnet  Lues,  Alkoholismus  und  Kopftrauma.  Sei  so  intolerant  gegen  Bier,  da^ 
sie  nach  einem  halben  Glase  „duselig"  werde.  , 

In  der  Schule  habe  sie  leicht  gelernt.  / 

örtlich  und  zeitlich  orientiert.  /^ 

Vor  6  Jahren  Tod  des  Bräutigams,  darüber  habe  sie  sich  sehr  gegrämt. 

Früher  immer  in  Stellung  als  Mädchen  für  alles,  später  vorübergehend  Kellnerin. 

Vor  4  Jahren  lernte  sie  ihren  Vetter  kennen.   Er  sagte  ihr,  er  sei  Kaiser  Friedrich. 
Sie  glaubte  es  anfangs  nicht,  da  er  keinen  Vollbart  hatte.    Später  glaubte  sie  es.    'Er 
sagte,  er  wolle  niemanden  heiraten  außer  ihr.  Er  wollte  ein  Geschenk  von  ihr.  Da  schenkte 
sie  ihm  zwei  Photographien,  eine  von  Kaiser  Friedrich  imd  eine  von  der  Königin  Luise. 
Auf  die  Frage,  ob  der  Vetter  denn  wirklich  Kaiser  Friedrich  gewesen  sei,  antwortet 
sie:   „Ja,  wie  soll  ich  das  wissen,  ich  weiß  ja  von  so  was  nicht.    Verstehe  das  nicht. 
Bin  ja  vom  kleinen  Ort  in  Ostpreußen".    Sie  habe  in  Büchern  gelesen,  daß  ihr  Vater 
König  Ludwig  IV.  gewesen  sei.     So  habe  sie  schließlich  auch  herausgelesen,  daß  ihr 
Vetter  der  Kaiser  Friedrich  sei. 

Vor  mehreren  Jahren  sagten  die  Leute,  als  sie  vor  einem  Bilderladen  stand: 
„Das  ist  eine  Prinzessin".  Sie  wußte  nicht,  ob  sie  es  auf  sich  beziehen  sollte  oder  auf 
Bilder  im  Schaufenster;  aber  sie  dachte  ojft  darüber  nach  und  meinte,  daß  sie  eine 
Prinzessin  sei. 

Leugnet  Verfolgungsideen.  Visionen  und  Stimmen  nicht  mit  Sicherheit  nach- 
weisbar. 

Pat.  wird  immer  weniger  zugänglich,  will  nichts  mehr  erzählen.  Sie  sei  nicht 
verrückt.  Man  halte  sie  aber  dafür,  denn  sonst  wäre  sie  nicht  hier.  Habe  immer  sehr 
schwer  arbeiten  müssen. 

7.  Februar  1904.'  Habe  in  einem  Buch  gelesen,  daß  die  Prinzessin  Helene  vcm 
Hessen  an  demselben  Tage  wie  ihre  Tochter  Geburtstag  habe.  Da  dachte  sie:  na  ja 
das  kann  ja  dann  stimmen.    Und  so  sei  ihr  manches  eingekommen. 

Der  Körper  sei  in  Ordnung  bis  auf  die  Zuckungen. 

Pat.  kann  die  choreYformen  Bewegungen  eine  Zeitlang  willkürlich 
unterdrücken;  bei  Ablenkung  der  Aufmerksamkeit  beginnen  diese  jedoch 
wieder  von  neuem. 

Asymmetrischer  Schädel. 

Angewachsene  Ohrläppchen. 

Zähne  und  Zunge  ohne  Befund. 

Innere  Organe  ohne  Besonderheiten. 

Pupillen  beiderseits  gleich.  Reaktion  auf  Licht  und  Konvergenz  beiderseits 
prompt.    Augen bewegungen  frei. 

Facialis  beiderseits  gleich. 

Kniesehnenphänomen  beiderseits  vorhanden. 

Plattfüße. 

Keine  Sprachstörung. 

Sensibilität  scheint  nicht  gestört. 

Kein  Romberg. 

92 


M.»,l9y,^        2UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         7 1 9 


CS 


Gang  ohne  pathologischen  Befund  (Plattfußgang). 

Gedächtnis  gut.   Rechnen  etwas  mangelhaft.   Eigentliche  Intelligenz- 
prüfung nicht  möglich^  da  Pat.  dabei  unwillig  wird. 
4.  Mär2  1904. 

I. Mundwinkel  steht  in  Ruhe  und  Bewegimg  ein  wenig  tiefer  als  der  r..  Die  Zungen- 
spitze weicht  deutlich  nach  r .  ab.  Hoher  Spitzbogengaumen.  Abweichen  des  Zäpfchens 
und  Verhalten  der  Gaumenbögen  ist  nicht  festzustellen^  weil  Pat.  beim  Einführen  des 
Spatels  den  Mund  sofort  schließt.    L.  Lidspalte  etwas  enger  als  die  f.. 

In  den  Händen  kleinschlägiger  Tremor.  Außerdem  werden  Hände, 
Arme  und  einzelne  Finger  in  ruckartigen  Spontanzuckungen  bewegt,  die 
selbst  beim  Auflegen  der  Glieder  auf  eine  feste  Unterlage  nicht  fehlen, 
beim  Sprechen  zunehmen  und  auch  während  der  Arbeit  (Kartoffel- 
schalen)  zu  beobachten  sind.  Dieselben  Zuckungen  finden  sich  im  Ge* 
biete  des  Mundfacialis  und  im  r.«  Bein,  während  sie  im  /.  Bein  seltener 
zu  sein  scheinen. 

Alle  Sehnenphänomene  an  den  Armen  und  Beinen  sehr  lebhaft.  Kein  Fuß- 
klonus.    Plantarreflex  beiderseits  schwach. 

Pupillen  beiderseits  gleich,  entrundet,  mittelweit.  Reagieren  auf  Licht  und  Kon- 
wgcnz. 

Keine  Ovarie,  keine  Mastod)rnie. 

Herzdämpfimg:  Mitte  des  Sternum,  3  Interkostalraum,  1  Finger  außerhalb  der 
/.  Mimillarlinie.    An  der  Mitralis  ein  kurzes,  schabendes,  systolisches  Geräusch. 
Langen  ohne  Besonderheiten. 

30.  Mai  1904.  In  der  Schälküche  beschäftigt.  Die  Chorea  wurde  mit  Arsen  be- 
IwüKlclt.  Darauf  As-Exanthem.  Arsen  ausgesetzt.  Die  choreatischen  Bewegungen 
und  gering. 

4.  Juni  1904.    Körperliche  Untersuchung  (Pat.  ist  sehr  ungeschickt): 
Rachennarben,  soweit  Prüfung  möglich,  nicht  zu  sehen. 
Gaumendefekte  fehlen. 
Zunge  ohne  Befund. 
Nasenkonfiguration  normal. 

Hab*  und  Nackendrüsen  sowie  Achselhöhle-  und  Ellenbogendrüsen  fehlen. 
Inguinaldrüsen  vorhanden.  \ 

Keine  Knochenauftreibungen. 

Zurzeit  leichte  Psoriasis.     Außerdem  im  Nacken  und  auf  der  Brust  zahlreiche 
weißliche  Flecke  (Leukoderma?). 
Schmerzen  im  rechten  Arm. 

Motilität  der  Beine  und  Arme  aktiv  und  passiv  frei. 
Grobe  Kraft  gleichfalls  ungestört.    Dyn.  r.  19,  /.  i8. 

Beim  Knie-Hackenversuch  mit  geschlossenen  Augen  werden  die  Bewegungen 
ruckartig  und  andeutungsweise  ausfahrend  ausgeübt.  Die  Ejiiescheibe  wird  auch  nicht 
immer  getroffen. 

Auch  der  Finger-Nasenspitzenversucb  wird,  selbst  unter  Berücksichtigung  der 
choreatischen  Bewegungen,  unsicher  ausgeführt.  Manchmal  fährt  der  Finger  erst  an 
der  Nasenspitze  vorbei.  Dieses  Phänomen  tritt  besonders  deutlich  hervor,  wenn  die 
Pat.  den  Versuch  langsam  ausführt.  R.  scheint  es  etwas  stärker  ausgeprägt  zu  sein 
ab  i..» 

Lokalisation  für  Berührungen  ungestört. 
Lagegeffihl  desgleichen. 

Taktile  Sensibilität  und  Schmerzempfindung  ungestört.  Es  ist  aber  nicht  aus- 
geschlossen, daß  trotzdem  Sensibilitätsstörungen  bestehen.  Pat.  gibt  z.  B.  an,  daß 
sie  im  r.  Oberarm  besser  fühle  als  im  Unterarm.  Es  sind  aber  keine  Grenzen  zu  er- 
zielen. 

Triceps-  und  Radiussehnenphänomen  beiderseits  lebhaft,  anscheinend  gleich. 

93 


720 •  _  C  UND  O.  VOGT.  ^^^^^^, 

Patellarsehnenphänomen  beiderseits  sehr  lebhaft,  r.  vielleicht  etwas  lebhafter 
als  /.. 

PJanJ;arreflex  nur  bei  sehr  starken  Schmerzreizen  zu  erzielen. 

Kein  Babinski. 

Achillessehnenphänomen  beiderseits  lebhaft,  r.  etwas  lebhafter  ajis  /.. 

Bauchdeckenreflex  wegen  der  Zuckungen,  die  sich  auch  auf  die  Bauchmus- 
kulatur  erstrecken,  nicht  sicher  zu  erkeimen.  Es  scheint,  als  ob  er  im  obersten  Teil 
vorhanden  ist  und  zwar  r.  stärker  als  /.. 

Schmerzen  im  r.  Arm. 

Pupillen  sind  r.  eine  Spur  enger  als  /.  (?),  etwa  mittelweit,  reagieren  auf  Licht 
und  Konvergenz  /.  prompt,  r.  ein  wenig  langsamer.    Augenmuskeln  frei. 

L.  Mundwinkel  steht  tiefer  als  der  f..  Zunge  weicht  nach  r.  ab.  Tremor  derselben. 
Zäpfchen  weicht  nicht  deutlich  ab.    Keine  merkliche  Differenz  in  den  GaumenbSgen. 

15.  Juni  1904.  Ihr  Vater  sei  König  Ludwig  IV.,  König  von  England  urd  von 
Österreich.  Daß  sie  Prinzessin  sei,  habe  sie  erst  jetzt  von  anderen  Leuten  erfahren. 
,,lch  habe  es  in  Geschichten  gelesen,  daß  die  Tochter  von  König  Ludwig  denselben 
Geburtstag  hat  wie  ich.  Deshalb  glaube  ich,  daß  ich  die  Tochter  bin.  Ich  habe  ein 
Gut  bei  Picheisdorf.  Ich  werde  Baron  von  Dörnberg  heiraten".  Daß  sie  als  Prinzessin 
hier  Kartoffeln  schäle,  schade  ja  nichts.  Sie  habe  in  Berlin  in  der  Lotterie  looooo  M. 
gewonnen.  Wo  das  (jeld  sei,  ob  es  verbraucht  sei  usw.,  wisse  sie  nicht.  Sie  sei  hier, 
weil  sie  krank  sei.  Werde  schon  auf  ihr  Schloß  kommen.  Sie  habe  sich  überarbeitet 
und  sei  nervös  geworden.  Sie  arbeite  trotz  ihrer  vornehmen  Herkunft,  Sie  habe  es 
von  Jugend  auf  nicht  anders  gelernt.  Sie  habe  z.  B»  Vieh  getrieben;  ihr  Vater,  der 
König,  habe  das  gewollt. 

„Seit  I.  Februar  1904  hier,  4  Monate,  in  der  Anstalt  Herzberge  für  Irre."  Sie  sei 
nicht  irre.  Heute  sei  der  14.  Juni  1904.  Sie  sei  37  Jahre  alt,  am  23.  Oktober  1S66 
geboren.  Im  Oktober  werde  sie  ^S  Jahre.  Habe  zwei  Kinder,  es  seien  zwei  Prin- 
zessinnen. Hier  gefalle  es  ihr  gut,  sie  schäle  Kartoffeln.  Sie  möchte  entlassen  werden, 
auf  ihr  Gut  gehen;  ohne  die  paar  tausend  Mark  könne  sie  aber  dort  nichts  anfangen. 
Sie  brauche  das  Geld  für  die  Bewirtschaftung.  Sie  wisse  nicht,  ob  die  looooo  Mark 
schon  dafür  verausgabt  seien. 

5  mal  7  =  35. 
7  mal  9  =  ? 

Sie  sei  hier  in  Brandenburg;  die  Hauptstadt  sei  Berlin. 

29.  Juni  1904.    Die  beobachtete  Pupillendifferenz  (l^O  ist  heute  deutlicher. 

Seit  30.  Juni  1904  Jodkali,  1,0  p.  d.  . 

4.  Juli  1904.  Geruchsprüfung:  Nelkenöl  riecht  nach  Spiritus.  OL  menth.  pip. 
wird  erst  im  Glase  mit  Plätzchen,  später  im  Zahnpulver  vorgesetzt  und  nicht  erkannt. 
Senfspiritus  kann  nicht  angegeben  werden. 

Sehschärfe  =  6/6. 

Levator  palpebrae  superior  steht  l,  tiefer  als  r, . 

Lidspalte  r.  1,1  cm,  l.  0,9  cm. 

Rectus  superior  bleibt  l,  eine  Spur  zurück. 

Die  übrigen  Augenmuskeln  zeigen  keine  deutlichen  Unterschiede  zwischen  r. 
und  /.. 

Beide  Bulbi  zucken. 

Sensibilität  des  Kopfes  für  taktile  Reize  und  Schmerzempfindung  auf  beiden 
Hälften  gleich.  Spitz  und  stumpf  wird  richtig  unterschieden.  Lokalisation  ungestört. 
Warm  und  kalt  wird  gleichfalls  richtig  angegeben. 

Pupillen  (/.  etwas. größer  als  r.)  unter  mittelweit,  leicht  verzogen,  reagieren  auf 
Licht  direkt  und  indirekt  etwas  träge  und  wenig  ausgiebig,  ebenso  auf  Konvergenz. 
Bei  Fixieren  auf  die  Nähe  tritt  die  Pupillendifferenz  noch  deutlicher  zutage. 

Di#J.  Nasolabialfalte  ist  flacher  als  die  r..  L.  Mundwinkel  beim  öffnen  und  Lachen 
tiefer  als  der  r..  Zuckungen  in  der  Stirn,  in  Wangen  und  Lippen  beiderseits.    Im  Stim- 
94 


ffJ^rJS*'^        ZUR  LEHRE  DER  ERKilANKüNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        721 


facialis  keine  deutliche  Differenz.  Zungenspitze  weicht  nach  r.  ab.  Starker  Tremor 
der  Zunge.  Keine  Bißnarben.  Fibrilläre  Zuckungen  fraglich.  L.  Zungenhälfte  scheint 
etwas  schmäler  als  die  r..  Zäpfchen  weicht  nach  /.  ab.  L,  Gaumenbogen  etwas  steiler 
als  der  f..    Zapfchenabweichung  auch  bei  Bewegung. 

Bei  Drehbewegungen  nach  r.  und  /.  leichte  Unsicherheit^  kein  Schwindel. 

Bnistorgane  ohne  Befund. 

Der  X[opf  wird  etwas  nach  vorn  und  r.  übergehalten. 

Geschmacksprüfung : 

Bitter  +;  sauer  r.  vom,  salzig  l.  vom  als  bitter  empfunden.  Sonst  keine  Ge- 
schmacks Wahrnehmungen  . 

Kcnijunktival-  und  Komealreflexe  beiderseits  gleich. 

Uvolarwürgreflex  nicht  zu  prüfen. 

Patellarsehnenphänomen  beiderseits  sehr  lebhaft,  l.  etwas  mehr  (?)  als  r.. 

Achillessehnenphänomen  beiderseits  gesteigert. 

L.  bei  ziemlich  starken  taktilen  Reizen  kein  Plan tarref lex;  ganz  leichte  Andeu- 
tungen vcm  Babinski.     R.  schwer  auslösbarer  Plantarreflex. 

Sehnenphänomene  an  den  Armen  lebhaft,  kein  deutlicher  Unterschied. 

Bauchdeckenreflex  nicht  erzielbar. 

Motilität  ungestört,  grobe  Kraft  desgleichen.  Grobe  Kraft  der  /.  Hand 
scheint  etwas  schwächer  als  r.  zu  sein,  auch  bei  Beugung  und  Streckung. 

Keine  Atrophien  oder  Hypertrophien. 

Der  r.  Facialis  ist  leicht  kontrakturiert. 

Keine  Stönmg  der  Tast-,  Schmerz-  und  Temperaturempfindung. 

Stereognostischer  Sinn  imgestört. 

Lagegefühl  desgleichen. 

An  den  Beinen  Varizen,  infolgedessen  leichte  Ödeme. 

Keine  trophischen  Störungen  der  Haut. 

Fat.  gibt  an,  viel  zu  schwitzen. 

Vasomotorische  Stönmgen  fehlen. 

Blasen-,  Mastdarm-  und  Genitalstörimgen  fehlen. 

Finger-Nasenspitzenversuch  ist  beiderseits,  namentlich  bei  geschlossenen  Augen, 
unsicher. 

Beim  Stehen  mit  geschlossenen  Augen  imd  Füßen  leichtes  Schwanken. 

Auch  der  Knie-Hackenversuch  ist  beiderseits  unsicher.  Eine  Differenz  zwischen 
r.  und  /.  ist  nicht  nachweisbar.  ^ 

Die  üblichen  Paradigmata  werden  ohne  Anstoß  und  deutlich  nachgesprochen. 

Schwindel  und  Erbrechen  fehlen. 

Schmerzen  im  r.  Arm. 

Injektion:  0,06  Hydrargyr.  salicylic. 

5.  Juli  1904.    Von  heute  ab  1,5  Jodkali. 

12.  Juli  1904.    Zweite  Injektion:  0,08  Hydrargyr.  salicylic. 

39.  Juli  1904.  Von  einer  weiteren  Injektion  muß  zunächst  abgesehen  werden, 
da  Fat.  sich  weigert,  eine  solche  vornehmen  zu  lassen.  Ist  ziemlich  wütend.  Hat  ge- 
droht, dem  Arzt  einen  Schemel  an  den  Kopf  zu  werfen,  wenn  er  sie  noch  einmal  spritzen 
würde. 

I.August  1904.    Von  heute  ab  2,0  Jodkali. 

16.  August  1904.  Die  Zuckungen  sind  geringer  geworden.  Pat.  bekommt 
seit  heute  2,5  g  Jodkali. 

26.  August  1904.    Bis  heute  102,5  g  Jodkali. 

Hat  vor  einigen  Tagen  den  Arzt  angesprochen  und  ihn  gefragt,  ob  ein  Brief,  den 
rAC  geschrieben  hatte,  al^eschickt  worden  sei.  Dabei  fing  sie  an,  von  ihrem  Bräutigam 
zu  sprechen.  Der  sei  sehr  dumm.  Mehr  als  2000  Mark  brauche  sie  doch  nicht  zum 
Ankauf  einer  Restauration  und  die  hätte  sie  doch. 

37.  Augnst  1904.   Verlangt  heute  einen  Briefbogen,  sie  müsse  einen  Brief  schreiben 

95 


I 

722  C.  UND  O.  VOGT.  ''°"55ld  K^ 

wegen  ihrer  Brauerei.  Sie  hätten  (d.  h.  ihr  Mann  und  sie)  außerhalb  eine  I 
die  augenblicklich  an  ein  Fräulein  verpachtet  sei.  Diese  gedenken  sie  im  1 
wieder  selbst  zu  übernehmen.  Deshalb  müsse  sie  schreiben^  dann  aber  au 
wegen  der  Kinder.  Sie  habe  deren  mehrere  und  es  würden  wohl  noch  welche  l 
Sie  fühle  es« 

12.  September  1904.  Fat.  hat  bis  heute  inklusive  152  g  Jodkali  bei 
Eine  Besserung  ist  insofern  eingetreten^  als  die  Chorea  tischen  Bewegungei 
Ruhe  überhaupt  kaum  je  auftreten.  Auch  wenn  Fat.  arbeitet,  is 
viel  von  denselben  zu  bemerken.  Wird  sie  durch  eine  plötzliche 
oder  sonst  irgendwie  überrascht  oder  erschreckt,  so  finden  sn 
einzelte  Zuckungen  in  den  Extremitäten  und  im  Kopf.  Doch  s 
Ausschläge  nicht  so  groß  wie  früher,  die  Zuckungen  erfolgen  auc 
so  zahlreich. 

Mit  Jodkali  wird  zunächst  ausgesetzt. 

14.  September  1904.  Fat.  hat  sich  bereit  erklärt,  sich  weitere  Injektionen 
zu  lassen.    Heute  eine  Spritze  Hydrarg.  salicylic.  =  0,1. 

Nach  der  Injektion  gibt  Fat.  folgendes  an:  Ihr  sei  aufgefallen,  daß  ihre 
warze  seit  4  Wochen  stärker  geworden  sei.     Bei  objektiver  Untersuchung 
Richtigkeit  der  Angabe  bestätigt.    (An  der  r .  Mamilla  fällt  außerdem  eine  Na 
alter  Mastitis  herrührend,  auf).    Femer  fällt  auf,  daß  Fat.  einen  aufgetriebei 
hat.   Sie  sagt,  sie  fühle  darin  gerade  solche  Bewegungen  wie  früher,  wenn  sie  in 
Umständen  war. 

22.  September  1904.    Injektion  von  0,1  Hydrarg.  salicylic. 
30.  September  1904.    Injektion  von  0,1  Hydrarg.  salicylic. 

12.  Oktober  1904.  Choreatische  Bewegungen  im  r.  Arm  und  in  den  Be 
stehen  noch  fort,  wenn  Fat.  lebhafter  wird. 

ELleine  Zeitungsabschnitte  werden  nur  mangelhaft  aufgefaßt  und^edei 
Äußert  ohne  Affekt  ihre  Größenideen.  Zuletzt  imzugänglich,  will  nicht  sovic 
werden. 

Kniesehnenphänomen  vorhanden. 

Keine  deutlichen  Sprachstörungen. 

20.  Dezember  1904.     Ruhig,  unauffällig,  beschäftigt  sich  mit  Stricken, 
und  zu.  um  Briefpapier  und  schreibt  dann  Briefe,  die  nicht  abgeschickt  werden 

23.  Februar  1905.  Fat.  hat  am  l,  oberen  Mahlzahn  ein  Geschwür,  L  Waj 
geschwollen.  Wenn  Fat.  spricht,  treten  die  früheren  choreatischen  Beweg 
den  Armen  und  Schultern  wieder  auf. 

21.  März  1905.  Glaubt  nicht  mit  zum  Vergnügen  gehen  zu  können.  Sa^ 
doch  so  hoch  schwanger,  alle  Leute  sähen  sie  schon  an. 

9.  Mai  1905.  Glaubt  sich  in  anderen  Umständen  von  dem  hiesigen  Dr.  I 
ihn  manchmal  treuer  Schwelow.  Schreibt  Briefe,  die  sich  auf  ihre  Nieder! 
ziehen. 

7.  August  1905.    Wie  oben. 

10.  Oktober  1905.    Fsychisch  unverändert. 

I.  Dezember  1905.    Auch  körperlich  unverändert. 
3.  März  1906.    Wie  oben.    Immer  dieselben  Ideen. 

22.  Mai  1906.  Dr.  F.  sei  ihr  Bräutigam^  von  ihm  habe  sie  zwei  Kinder,  d 
sei  12  Jahre  alt.  Dr.  F.  sei  doch  früher  beim  Militär  gewesen.  Jetzt  wolle  er  si< 
und  wolle  mit  ihr  zusammen  eine  Brauerei  in  Fichelsdorf  laufen.  Das  G< 
sie  wohl  geben  müssen.    Sie  habe  ja  reiche  Verwandte,  die  es  ihr  borgen  v 

5.  September  1906.  Zuckungen  bestehen  in  gleicher  Intensität.  Trotzden 
sie  fleißig  in  der  Schälküche. 

7.  November  1906.    Schreibt  wiederholt  wegen  des  Restaurants. 

15.  Januar  1907.  Hält  an  ihrem  Gedanken  fest,  sich  draußen  ein  Rest 
kaufen. 

96 


im. 


,        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         723 

5.  März  1907.  Will  sich  zum  Fenster  hinausstüizen^  falls  sie  nicht  entlassen  würde. 

4. September  1908.  Die  choreatischen  Zuckungen  im  ganzen  nicht  sehr 
auffallend,  werden  aber  deutlich  stärker  bei  Erregungen ^  ja  sogar  beim  ge- 
wöhnlidien  Anreden.    Es  verhält  sich  mit  dem  Stottern  ähnlich. 

Ziemlich  schwachsinnige,  bisweilen  eigensinnige  und  boshafte,  im  ganzen 
aber  harmlose  und  fleißige  Person. 

23. November  1911.  Sehr  ausgeprägte  choreatische  Zuckungen.  Spricht 
oft  vor  sich  allerlei  unverständliches  Zeug  hin.  Schälte  früher  Kartoffeln, 
nuurhte  infolge  ihrer  Koordinationsstörungen  mit  dem  Messer  die  unglaub- 
lichsten Bewegungen  um  die  Kartoffel  herum.  Hat  sich  dabei  in  den  Finger  ge- 
sdmitten.  Deshalb  zum  Kartoffelschälen  nicht  mehr  zugelassen.  Unsauber  in  ihrer 
Kleidung,  schmierig.    Wäscht  sich  jedoch  allein. 

25. November  191 3.  Täglich  Erbrechen  (choreatische  Bauchzuckungen). 
Wenn  man  sich  mit  Pat.  beschäftigt,  werden  die  Zuckungen  stärker. 
Spridit  viel  unverständlich  und  zusammenhanglos  vor  sich  hin.  ^ 

10.  Februar  1914.  Gegen  das  Erbrechen  täglich  10  Tropfen  Morphium.  Langsame 
Besserung  des  Erbrechens. 

Laryngoskopische  Untersuchung  ist  nicht  möglich. 

28.  Märzi9i4.  Erbrechen  läßt  auf  zweimal  10  Tropfen  Tinct.  opii  nach.  Be- 
finden unverändert. 

Laryngoskopische  Untersuchung  unmöglich. 

Gefäße  im  Augenhintergrund  von  normaler  Füllung.     Papiüengrenzen  deutlich. 

Wenn  Pat.  anfängt  zu  sprechen,  sind  die  ersten  Worte  verständlich,  dann 
nehmen  die   Zuckungen   zu   und    man   versteht   nichts   mehr. 

Bei  dreimal  täglich  lo  Tropfen  Morphium  werden  die  Würge bewegungen  sel- 
ber.  Ebenso  ist  Nährklystier  von  Erfolg.     Gewichtszunahme  i  kg. 

10.  Oktober  1915.  Pat.  ist  augenblicklich  weder  somatisch  zu  untersuchen  noch 
pychisch  zu  explorieren.  Ih-re  Sprache  sind  abgerissene,  hervorgewürgte 
Laute,  aus  denen  klug  zu  werden  schlechterdings  unmöglich  ist.  Sie 
fährt  dauernd  im  Zimmer  auf  und  ab,  stößt  an  Stühle,  Betten  usw.  an, 
^«dreht  die  Arme,  biegt  und  neigt  sich. 

Reflexe  sind  augenblicklich  nicht  zu  prüfen. 

18.  Oktober  191 5.  Pat.  erhält  gegen  ihr  Erbrechen  vor  der  Mahlzeit  6  Tropfen 
MorpWum. 

30.  Dezember  1915.  Liegtdauernd  im  Bett,hat  starke  choreatische  Zuckungen 
in  der  ganzen  Körper  muskulatur.  Kann  infolge  der  Zuckungen  nicht  allein  essen, 
^B gefüttert  werden.  Bekommt  nur  flüssige  und  breiartige  Nahrung.  Die  Nahrungs- 
aufnahme geht  sehr  langsam  vonstatten,  da  auch  in  der  Zunge  choreatische 
^«wegungcn  sind.  Infolgedessen  ist  auch  die  Sprache  ganz  unverständlich. 
Ab  und  zu  hat  sie  Erbrechen. 

15.  Mai  1916.  Hat  in  letzter  Zeit  an  Gewicht  abgenommen  .  Status  somaticus 
^  psychicus  unverändert. 

10.  Januar  191 7.    Ist  in  letzter  Zeit  sehr  elend  geworden,  wiegt  nur  noch  36,0  kg. 
Dauernd  unsauber  mit  Kot  und  Urin,  daher  ins  Holzwollbett. 

9.  Februar  1917.    Morgens  10,15  ^^^  Exitus  letalis  an  Herzschwäche. 

« 
Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Die  Pat.  war  17  Jahre  lang  krank.  Das  Leiden  begann  mit  dem  Auftielen  — 
teilweise  erotisch  gefärbter  — .Größenideen,  als  die  Pat.  34  Jahre  alt  war.  Der- 
artige Ideen  wechselnden  Inhaltes  ließen  sich  wenigstens  die  ersten  7  Jahre 
npchweisen,  ohne  daß  Sinnestäuschungen  festgestellt  wurden.  Sie  wird  am 
E^de  dieser  Zeit   als   ,, ziemlich  schwachsinnig**    bezeichnet.     Ein    Jahr    nach 

7       Jounul  fftr  Psychologie  und  Neurologie.    Bd..  95.   Ergh.  3.  97 


724 C.  UND  O.VOGT.      ^^°£Sdire£tt 

Krankheitsbeginn  sollen  für  einige  Zeit  Krampfanfälle  ohne  vollständigi 
Bewußtseinsverlust  aufgetreten  sein.  Nach  zwei  weiteren  Jahren  Auftreten  ch 
rea tischer  Zuckungen.  Diese  befielen  .zunächst  die  Arme,  die  Schultern  ui 
den  Kopf.  Pat.  konnte  diese  Zuckungen  zunächst  willkürlich  eine  Zeitlai 
unterdrücken.  Dieselben  nahmen  beim  Sprechen  zu.  Sie  ergiiffen  auch  bald  c 
Beine  und  die  Bauchmuskulatur.  Auch  wurden  schon  nach  wenigen  Monat 
Zuckungen  der  Bulbi  konstatiert.  Grobe  Kraft,  Motilität  und  Muskelton 
waren  ungestört.  Die  Sehnenphänomene  waren  gesteigert,  ohne  einen  patt 
logischen  Grad  zu  erreichen.  Nach  Quecksilber-  und  Jodkalibehandlung  vi 
übergehend  Abnahme  der  Zuckungen.  Sie  treten  jetzt  nur  noch  bei  plötzlict 
Anrede  oder  Erschrecktwerden  auf.  8  Jahre  nach  Krankheitsbeginn  auch  ch 
reatisches  Stottern  festgestellt,  ii  Jahre  nach  Krankheitsbeginn  so  au&gepräg 
choreatische  Bewegungen,  daß  Pat.  arbeitsunfähig  und  ihre  Sprache  zieml» 
unverständlich  geworden  ist.  Vom  13.  Jahre  des  Leidens  an  so  starke  chöre 
tische  Bauchzuckungen,  daß  sie  täglich  zu  Erbrechen  führen.  Bei  Beschäftigun 
mit  der  Pat.  nehmen  die  Zuckungen  zu.  Im  15.  Jahre  der  Erkrankung  vol 
ständig  unverständliche  Sprache.  Verdrehungen  des  ganzen  Körpers.  Muß  forta 
gefüttert  werden.  Tod  an  Herzschwäche.  Lues  nicht  mit  Sicherheit  nacl" 
gewiesen.    Eine  erT)liche  choreatische  Belastung  unbekannt. 

B.  Anatomische  Unterstuhung. 

a)  Makroskopischer  Befund. 

Das  in  allen  Dimensionen  kleine  Gehirn  bot  äußerlich  keine  herdartige  ErkrankuD 
dar.  Auf  einem  Frontalschnitt  macht  sich  ein  sehr  starker  Hydrocephalus  intemi 
bemerkbar. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

a)  Befunde  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

I.  Cortex. 

Tai  38^  Pig.  1  bringt  einen  Schnitt  aus  der  Beinregion  der  Area  gigantopyramidali 
Derselbe  läßt  eine  beträchtliche  Verschmälerung  der  Rinde  erkennen,  ohne  daß  die  fi 
diese  Gegend  charakteristische  Schichtung  verloren  gegangen  ist.  /,  //  und  der  äußci 
Hauptteil  von  ///  zeigen  eine  mäßige  Vermehrung  der  Neurogliakerne.  Das  im  normal« 
Schnitt  der  Taf .  6,  Fig.  1  mit  Var  bezeichnete  Gebiet  und  der  unmittelbar  anstoßen« 
Abschnitt  von  ///  sind  durch  einen  weitgehenden  Schwund  ihrer  normalen  Ganglie 
Zellen  und  das  direkt  bandförmige  Auftreten  von  Neurogliakemen  charakterisiei 
Das  so  entstehende  Band  ist  in  der  Figur  mit  n  bezeichnet.  Die  Riesenpyramiden  in  l 
sind  auffallend  klein.  Auch  Vy  zeigt  wie  die  weiter  nach  innen  gelegenen  Rinde 
partien  eine  pathologische  Vermehrung  der  Neurogliakerne. 

Tai  88,  Pig.  2  gibt  die  Area  89  0.  Vogts  wieder.  Auch  hier  begegnen  wir  in  be» 
auf  die  Vermehrung  der  Neurogliakerne  ähnlichen  Verhältnissen  wie  in  der  vorig 
Figur,  An  der  Grenze  zwischen  ///  und  V  hat  sich  unter  weitgehendem  Zugnmdeg^ 
der  im  normalen  Schnitt  an  dieser  Stelle  befindlichen  Ganglienzellen  direkt  ein  a 
besonders  zahlreichen  Neurogliakemen  bestehendes  Band  gebildet  (n). 

Tat  88,  Fig.  8  bringt  einen  Ausschnitt  aus  0.  Vogts  Area  69  (kaudaler  Lippe  c 
Sulcus  centralis).  Neben  zweifelloser  Verschmälerung  zeigt  sich  auch  hierin  den  Schicht 
// — IV  eine  deutliche  Zunahme  der  Neurogliakerne.    Das  gilt  insbesondere  von  J 

Tat  88,  Pig.  4  ist  O.Vogts  Area  70  (oralem  Teil  der  Kuppe  des  Gyrus  centn 
posterior)  entnommen.  Auch  hier  ist  die  Rinde  deutlich  verschmälert^  zeigen  die  grol 
98 


jyjJJJt.  "    ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         72$ 


Pyramidenzelkn  nirgends  die  normale   Größe  und  ist  eine  allgemeine  Zunahme  der 
NeuTOgliakeme  vorhanden^  die  insbesondere  in  IV  stärker  hervortritt. 

Diesen  architektonischen  Befunden  hat  Bielschowsky  eine  Reihe  histologischer 
hinzugefügt: 

ffitLS  Stratum  zonale  ist  stark  verdichtet.  Um  die  hier  vorhandenen  Gliakerne 
sind  hiufig  kreisrunde  und  farblose  Höfe  gelegen.  An  den  Ganglienzellen  der  Rinde 
fillt  im  allgemeinen  auf,  daß  die  Differenzierung  der  plasmatischen  Bestandteile  des 
Zcllkörpers  sehr  schwach  hervortritt.  Auch  an  den  großen  Ganglienzelltypen,  ins- 
besondere an  den  Riesenpyramiden,  sind  die  Nissl-Körperchen  von  der  gleichmäßig 
(junkel  gefärbten  plasmatischen  Grundsubstanz  kaum  trennbar.  Auch  die  Zellkerne 
haben  den  Farbstoff  im  allgemeinen  stark  akzeptiert  und  heben  sich  vom  Zellkörper 
nnr  wenig  ab.  Viele  Pyramidenzellen  der  ///.  Schicht  sind  dabei  geschrumpft  und 
«igen  zuweilen  eine  korkzieherartige  Schlängelung  der  Gipfeldendriten.  Andere  Zell- 
eumplare  weisen  eine  grobwabige  ^Zerklüftung  ihrer  Zellkörper  und  Dendriten  auf. 
Andiesen  chro^sch  und  wabig  veränderten  Zellen  sind  die  Trabantzellen  häufig  ver- 
nehrtimd  in  die  Randzone  des  2^11eibs  eingestanzt.  Die  Gliakerne  haben  häufig  einen 
Slam  (dasmatischer  Substanz,  welcher  von  feinen  Körnchen  mit  gel  blich -grüner  Eigen- 
liebe erfüllt  ist.  Auch  die  Adventiazellen  der  Gefäße  sind  in  reichlichem  Maße  von 
pigmentartigen  Abbauprodukten  ähnlicher  Beschaffenheit  erfüllt." 


2.  Striatum  und  Umgebung. 

Titf.88,  Pig.  5  zeigt  gegenüber  den  normalen  Verhältnissen  (Taf.  1,  Fig.  2)  im 
PüUiium  externum  eine  starke  Gliose  und  ein  beträchtliches  Aneinandergerückt- 
scinder sonst  gut  erhaltenen  Ganglienzellen. 

M  88,  Pig.  6.  Es  lehrt  ein  Vergleich  mit  Taf.  32,  Fig.  3,  daß  in  dem  vorliegenden 
Fall  das  Pallidum  internum  wesentlich  geringer  von  der  Gliose  befallen  ist.  Die  gut 
rtakenen  Ganglienzellen  sind  aber  auch  hier  entsprechend  der  Schrumpfung  des 
Pallidum  internum  näher  aneinander  gerückt. 

U.  S8,  Fig.  7  bringt  einen  kleinen  Ausschnitt  aus  dem  Nucleus  substantiae  in- 
^naiae.  Von  der  Norm  (Taf.  2,  Fig.  3)  weicht  diese  Abbildung  höchstens  durch 
*ö»  geringfügige  Zunahme 'der  Neurogliakerne  ab. 

U.  84,  Fig.  1  zeigt  im  Caudatum  (Nc)  eine  beträchtliche  Gliose,  einen  fast  voll- 
ständigen Schwund  der  kleinen  Ganglienzellen  und  auch  nur  ein  sehr  gering- 
fügiges Erhaltensein  der  größeren. 

M  84,  Fig.  2  zeigt  Im  Putamen  {Put)  gegenüber  Taf.  32,  Fig.  i  eine  noch  weitere 
Zunahme  der  Gliose.  Infolge  der  noch  stärkeren  Schrumpfung  sind  die  erhalten 
§*UiebcneD  großen  Ganglienzellen  —  genau  so  wie  die  Faserbündel  —  noch  dichter 
**öUUKicrg^ückt  als  in  Taf.  32,  Fig.  1.  Es  sind  aber  offenbar  etwas  mehr  kleine 
''•Hglienzellen  erhalten  als  in  dem  Taf.  32,  Fig.  1  abgebildeten  Fall. 

Unsere  architektonischen  Feststellungen  am  Striatum  und  Pallidum  ergänzte 
Kelschowsky  durch  folgenden  histologischen  Befund: 

iiDic  Gliakerne  des  Striatum  sind  von  hellen  Höfen  umgeben.    In  den  Höfen  selbst 

sumI  häufig  radiär  angeordnete  feine  Plasmabälkchen  —  die  Reste  der  dazu*  gehörigen 

Mkörper  —  kenntlich.    Hier  und  da  finden  sich  Exemplare  von  amöboider  Glia  mit 

*®kel  gefärbtem  und  unregelmäßig  gestaltetem  Plasmakörper.    Wie  in  der  Hirnrinde 

^  auch  hier  in  den  Gliazellen  vielfach  pigmentähnliche  Abbauprodukte  nachweisbar. 

Bezü.^lich  des  Gefäßapparates  ist  noch  zu  bemerken,  daß  alle  Gefäße  des  Striatum 

und  des  I^Uidum  stark  erweitert  und  prall  gefüllt  sind.  Hier  und  da  finden  sich  frische 

{Knvaskuläre  Blutungen.    Einzelne  -^terien  dieser  Region  haben  eine  stark  verdickte 

ond  veränderte  Wandmig.    Am  stärksten  betroffen  ist  die  Media,  welche  in  ein  glasig 

^usseheodes,  kemarmes  Rohr  verwandelt  ist.   In  die  veränderten  Wandteile  sind  häufig 

jgrohkÖmige^  Anilinfarbstoff   stark   akzeptierende    Niederschläge    abgelagert    (hyaline 

Metamorphose  mit  konsekutiver  Petrifikation)." 

;•  99 


726  C.  UND  O.VOGT.  '°^H«£o!Ä!' 

3.  Rückenmark. 

Bielschowsky  stellte  eine  ungewöhnliche  Schmächtigkeit  des  ganzen  Rücke; 
marks  fest.  ,,Die  Durchmesser  entsprechen  nicht  den  Maßen  eines  erwachsenen  Me 
sehen.  Feinere  histologische  Veränderungen  sind  aber  nirgends  nachweisbar.  (Ka 
genitale  Mikromyelie.y 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

TaL  85^  Flg.  1  gibt  den  oralsten  Teil  des  Striatum  der  rechten  Hemisphäre  wied< 
Wir  erkennen  in  der  Abbildung  die  starke  Schrumpfung  des  Striatum,  die  ffir< 
Schrumpfung  von  Nc  charakteristische  Abplattung  seiner  in  den  Ventrikel  hinei 
ragenden  Oberfläche^  in  dem  erhaltenen  Striatum  das  uns  als  Etat  fibreux  bekanx 
Zusammengerücktsein  der  Markfasem  und  einen  beträchtlichen  Hydrocephal 
internus. 

TaL  85;  Fig.  2  weist  den  gleichen  Befund  auf.  Welche  beträchtliche  Sdirumpfu 
das  Striatum  zeigt,  lehrt  ein  Vergleich  mit  Taf.  11^  Fig.  6!  Dem  Stijcitum  gegen&b 
ist  das  Pallidum  sehr  viel  weniger  verkleinert. 

TaL  35;  Fig.  3  bringt  bei  25facher  Vergrößenmg  den  dorsalen  Teil  des  linki 
Pallidum  externum  eines  etwas  kaudaler  gelegenen  Schnittes.  Zur  Würdigung  der  AI 
bildung  muß  man  diese  Figur  mit  den  Figg.  10  und  11  der  Taf.  5  der  Ergänzungshefl 
des  18.  Bandes  dieses  Journals  vergleichen.  In  der  betreffenden  Fig.  11  verlaufe 
sehr  zahlreiche  dünnfaserige  Faserbündel  in  lateral-medialer  Richtimg  im  normale 
Pallidum  externum  (Ge).  Daneben  sehen  wir  zahlreiche  dicke  Fasern,  vomehmlic 
in  dorso-lateraler  Richtung.  Sie  sind  im  mittleren  Teil  des  Pallidum  externum  dorsa 
wärts  bis  zu  der  Bezeichnung  „Ge"  in  größerer  Zahl  vorhanden.  In  Taf.  5,  Fig.  M 
welche  von  dem  Fall  Wiemer-Tochter  (fetat  marbr^)  stammt,  liegt  eine  starke  Schrumi 
fung  von  Ge  unter  gleichzeitiger  beträchtlicher  Abnahme  der  das  Pallidum  in  latera. 
medialer  Richtung  durchlaufenden  Faserbündel  vor.  C6cile  Vogt  hat  schon  b« 
der  damaligen  Beschreibung  dieser  Figur  darauf  hingewiesen,  daß  es  sich  hier  um  eifl 
sekundäre  Degeneration  von  Fasern  handelt,  die  zwischen  dem  Striatum  imd  dci 
Pallidum  verlaufen,  und  daß  speziell  die  dorsal  von  der  Bezeichnung  „Ge"  gelegen 
Fasenmg  zum  Caudatum  in  Beziehung  steht.  In  u/iserer  jetzigen  Figur  sehen  wi 
diese  strio-paUidären  Fasern  ganz  und  gar  zurücktreten.  Dagegen  ist  das  stark  gi 
schrumpfte  Pallidum  externum  ausgefüllt  von  den  dickeren  Fasern  und  zwar  zeige 
diese  —  wie  schon  bei  der  vorliegenden  Vergrößerung  erkennbar  ist  —  gegenüber  de 
beiden,  eben  aus  dem  18.  Bande  dieses  Journals  zitierten  Abbildungen  eine  ohne  weiter« 
als  anormal  zu  bezeichnende  Verdickung  ihrer  Markscheiden.  In  dem  kleinen,  noc 
mit  abgebildeten  Teil  vom  Putameti  tritt  der  Etat  fibreux  fleckweise  besonde 
intensiv  auf. 

TaL  85,  Fig.  4  stammt  von  der  linken  Hemisphäre  eines  weiter  kaudal  gelegen< 
Schnittes.  Wir  sehen  in  diesem  ziemlich  lange  exponierten  Schnitt  die  starke  Schrum] 
fung  des  Striatum,  Man  vergleiche  zur  Abschätzung  dieser  Schrumpfung  die  Fig. 
der  Taf.  3  der  Ergänzungshefte  des  18.  Bandes  dieses  Journals !  Das  Pallidum  lä 
seine  Unterabteilungen  ebensogut  wie  seine  Aksa  lenticularis  erkennen,  zeigt  kl 
gegenüber  normalen  Verhältnissen  —  wie  die  genannte  Fig.  7.  deutlich  lehrt  —  ei 
beträchtliche  Verkleinerung.  Außerdem  existiert  auch  hier  ein  starker  Hydr 
cephalus  internus. 

TaL  35,  Fig.  5  gibt  Nc  desselben  Schnittes  bei  geringerer  Expositionsdauer  wied 
Man  erkennt  dann  deutlich  in  ihm  den  Etat  fibreux. 

TaL  85,  Fig.  6  bringt  von  derselben  Figur  bei  der  gleichen  geringen  Expositioi 
dauer  das  Putamen.  Man  ersieht  aus  dieser  Abbildung  deutlich  den  Etat  fibrev 
Und  zwar  zeigt  es  sich,  daß  er  —  wie  wir  schon  bei  der  Beschrdbung  der  Fig.  3  herv 
gehoben  haben  —  hier  nicht  in  der  Form  eines  gleichmäßigen  Zusammenrückens  i 
erhalten  gebliebenen  Markfasem  auftritt,  sondern  daß  er  herdförmig  besond 
starke  Faseransammlungen  bildet. 
100 


J^JMS?"«        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        727 


I!d.S6^  Fig. 7  läßt  die  Forelschen  Bündel  H*  und  H^  erkennen.  Vv'enn  man  auch 
die  allgemeine  Kleinheit  des  Gehirns  in  Betracht  zieht^  so  kann  doch  eine  spezielle 
Sdunächtigkeit  der  beiden  Bündel  nicht  geleugnet  werden. 

I!d.S5^  Fig.  8  stammt  von  einem  etwas  kaudaleren  Schnitte  der  rechten  Hemisphäre 
und  zwar  aus  jener  Gegend,  wo  das  Corpus  Luysi  soeben  begonnen  hat.  Die  beträcht- 
lidie  Atrophie  des  Siriaium  geht  gut  aus  einem  Vergleich  mit  Fig.  13  der  Taf.  6 
der  Ergänzungshefte  des  Bandes  18  dieses  Journals  hervor.  Auch  ein  Blick  auf  die 
linke  Hälfte  der  Fig.  3  der  Taf.  23  dieser  Arbeit  läßt  die  Schrumpfung  deutlich  er- 
kennen. Ein  entsprechender  Vergleich  zeigt  dabei,  daß  die  Schrumpfung  auch  das 
VtSMum  betrifft,  aber  doch  in  deutlich  geringerem  Maße,  was  namentlich  aus 
der  Verschiebung  der  Breitendurchmesser  zwischen  Putamen  und  Pallidum 
^  Taf.  35,  Fig.  8  gegenüber  den  beiden  genannten,  normale  Verhältnisse  darbietenden 
Figuren  hervorgeht.  Man  sieht  femer  einen  deutlichen  Hydrocephalus  internus, 
im  Vergleich  zu  Fig.  13  der  Taf.  6  der  Ergänzungshefte  des  18.  Bandes  dieses  Journals 
r  ein  verschmälertes  Corpus  caüosum  und  einen  in  seiner  Gesamtheit  etwas  kleineren 
Thdamus.  Zieht  man  auch  diese  allgemeine  Kleinheit  in  Betracht,  so  muß  man  den 
\     Mangsteil  des  Corpus  Luysi  doch  noch  als  speziell  verkleinert  bezeichnen. 

Cd.  86,  Fig.  9  bringt  von  einem  kaudaleren  Schnitt  der  linken  Hemisphäre  noch 
einmal  das  Corpus  Luysi.  Verglichen  mit  den  bei  Beschreibung  der  vorigen  Figur  heran- 
gengenen  normalen  Bildern  muß  es  als  speziell  gegenüber  seiner  Umgebung  ver- 
kkinert  angesehen  werden. 

Das  Cerebellunty  die  Brachia  conjunctiva,  die  Pyramiden  und  die  unteren  Oliven 
»gen  keine  speziellen  Veränderungen. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Abgesehen  von  einer  kongenitalen  Mikromyelie  haben  wir  es  mit  einer 
veitgehenden,  zu  Parenchymzerfall  und  Gliose  führenden  Erkrankung 
IQ  tun. 

Dieser  Krankheitsprozeß  hat  in  intensivster  Weise  das  Striatum  er- 
griffen. Er  hat  dabei  das  Pallidum  zweifellos  in  einem  über  eine  sekundäre 
Degeneration  hinausgehenden  Maße  in  Mitleidenschaft  gezogen.  Dabei 
wigcn  die  Markscheiden  der  groben  Fasern  des  Pallidum  externum  ein  außer- 
gewöhnliches Kaliber.  CL  ist  zweifellos  verkleinert.  Auch  H^  und  H^  sind  etwas 
«ditticrt. 

Iföchst  dem  Striatum  ist  der  Cortex  cerebri  und  in  ihm  vor  allem  die 
/^.Schicht,  bzw.  in  den  sekundär  a granulären  Gebieten  die  Grenze  zwischen 
///  und  V  am  schwersten  betroffen. 

C.  Epikrise, 

Die  Chorea  bringen  wir  natürlich  auch  hier  mit  der  Striatumer krankung 
in  Beziehung.  Die  vorliegende  sehr  schwere  pathologische  Veränderung  des 
Striatum  macht  die  sehr  starke  Chorea  der  letzten  Jahre  verständlich. 

Die  Partizipierung  der  oralen  Teile  des  Striatum  an  dem  schweren  Krank- 
heitsprozeß ist  mit  unserer  Tendenz,  dieses  Gebiet  zu  den  bulbären  Funk- 
tionen in  Beziehung  zu  bringen,  in  vollem  Einklang. 

Was  die  psychischen  Störungen  anbelangt,  so  ist  in  den  letzten  Jahren 
*in  Schwachsinn  urid  ein  Benehmen  der  Kranken  konstatiert  worden,  wie 
*s  typisch  für  die  Huntingtonsche  Chorea  ist.  Wir  sind  deshalb  natürlich 
geneigt,  die  von  uns  oben   beschriebenen  pathologischen  Veränderungen  des 

lOI 


728 C.  UND  O.VOGT. ^^yeSgtoSi 

Cortex  cerebri  deswegen  mit  den  genannten  psychischen  Störungen  in  1 
Ziehung  zu  bringen,  weil  wir  denselben  Befund  in  Freunds  Fall  H.  B.  erhob 
haben  und  in  den  weiteren  Fällen  von  Huntingtonscher  Chorea  stets  wie< 
konstatieren  werden.  Ob  die  in  den  ersten  Krankheitsjahren  aufgetreter 
Größenideen  auch  noch  als  Symptome  dieses  pathologischen  Prozesses  u 
dementsprechend  als  ein  gelegentliches  Teilsymptom  der  Huntingtonscli 
Chorea  aufzufassen  sind  oder  ob  sich  neben  der  typischen  seelischen  1 
krankung  der  Huntingtonschen  Chorea  noch  eine  zweite  Psychose  abgespi 
hat,  möchten  wir  unentschieden  lassen. 

15.  Maats'  FAU  Poertoh  (S 15). 

A.  Krankengeschichte. 

Auguste  P.  —  Geschäftsfrau. 

Geboren  12.  August  1839. 

Status  am  9.  September  1908,  also  im  Alter  von  69  Jahren. 

Eine  Anamnese  ist  infolge  des  psychischen  Zustandes  der  Kranken  nicht  zu  erheb 

Auf  die  Frage:  „Sind  Sie  krank?"  antwortet  sie:  „Husten." 

,Sind  Sie  sonst  völlig  gesund  ?"      „Ja." 
,Sind  Sie  früher  krank  gewesen  ?"      „Niemals." 

Status  corporis: 

Der  Körper  der  Kranken  befindet  sich  in  dauernder  Bewegung,  fortwähn 
wird  der  Kopf  hin  und  her  geworfen,  der  Mund  geöffnet  und  wieder  geschlossen, 
wird  der  Unterkiefer  auch  seitwärts  verschoben^  die  Extremitäten  werden  eb 
falls  dauernd  bewegt.  Diese  Bewegungen  erfolgen  niemals  mit  der  Langsamk 
wurmförmiger  athetolfder  Bewegungen,  erinnern  auch  weder  an  c 
Wackeln  bei  multipler  Sklerose,  noch  an  die  Ataxie  bei  Tabes.  Je 
der  Bewegungen,  einzeln  für  sich  betrachtet,  gleicht  einer  normal 
intendierten  Bewegung,  und  nur  durch  die  Häufung  und  Zwecklosigk( 
der  Bewegungen  wird  der  krankhafte  Charakter  erkennbar. 

Die  Sehnenphänomene  sind  an  den  Armen  nicht  mit  Sicherheit  auslösbar.  Lähmu 
der  Arme  besteht  nicht.  Einfache  intendierte  Bewegungen,  wie  z.  B.:  „Mit  dem  Zei] 
finger  die  Öffnung  des  Stethoskops  berühren"  führt  Pat.  auf  Aufforderung  oft  pron 
und  fehlerlos  aus.  Auch  ist  sie  imstande,  an  ihrer  Schürze  auf  dem  Rücken  die  Bän( 
zur  Schleife  zu  binden. 

An  den  Beinen  sind  Kniephänomene  und  Achillesreflexe  sicher  vorhanden,  al 
infolge  der  unwillkürlichen  Bewegungen  ist  die  Stärke  der  Reflexe  nicht  mit  Sicherh 
zu  beurteilen.  Es  besteht  starke  Plantarhyperästhesie.  Beim  Bestreichen  der  Fußso 
erfolgt  plantare  Reflexbewegung  der  Zehen.  Alle  aktiven  Bewegungen  der  unte 
Extremitäten  sind  ausführbar. 

Auf  Nadelstiche  erfolgt  an  beiden  Beinen  prompte  Reaktion;  genaue  Gefül 
prüfung  ist  infolge  des  psychischen  Zustandes  nicht  ausführbar. 

Der  Knie-Hackenversuch  gelingt,  aber  während  der  Bewegung  und  auch  nachd 
der  Fuß  das  Knie  erreicht  hat,  sieht  man  dauernd  unwillkürliche  Bewegungen 
beiden  Beinen. 

Bauchreflex  ist  beiderseits  nicht  auslösbar,  vielleicht  infolge  Sp>annung  der  Bai 
decken. 

Facialis,  Hypoglossus  sind  frei,  ebenso  Augen bewegungen.  Pupillarreaktion 
infolge  Widerstandes  der  Pat.  nicht  zu   beurteilen. 

Schlucken  ist  ungestört. 

Sprache: 

Die  Artikulation  aller  einzelnen  Laute  gelingt;  bei  zusammenhängendem  Spree 
102 


JjJJJJJg»,       ZUR  LEHRE  DER  ERKRÄNKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        729 


ist  aber  die  Sprache  außerordentlich  undeutlich.  Oft  bildet  Pat.  dabei  keine  richtigen 
Sitze.  Es  besteht  keine  Störung  der  Wortfindung  beim  Anblick  von  Bildern.  Das 
Spradiverständnis  ebenso  wie  das  Lautlesen  und  Verstehen  kleiner  gelesener  Sätze 
sind  ungestört.  Das  Diktatschreiben  einzelner  Worte  gelingt,  wenn  auch  mit  ortho- 
graphischen Fehlem. 

IntdHgenzprüfungi 

Die  Merkfähigkeit  ist  grob  gestört.  Pat.  ist  bei  mehrfacher  Prüfung  nicht  imstande^ 
seds einzelne^  ihr  vorgesprochene  Zahlen  nachzusprechen;  auch  bei  fünf  Zahlen  macht 
sie  noch  Verwechslungen ;  erst  vier  Zahlen  werden  ri<^htig  nachgesprochen. 

örtlich  ist  sie  orientiert. 

Auf  die  Frage:  „Welches  Jahr  ist  jetzt?"  sagt  sie:  „Kann  nicht  antworten."  Den 
Monat  kann  sie  richtig  angeben^  den  Wochentag  aber  nicht. 

Den  Namen  des  Kaisers  weiß  sie,  kann  aber  nicht  sagen,  wo  er  wohnt. 

Nach  dem  Unterschiede  zwischen  Baum  und  Strauch  gefragt,  sagt  sie :  „Am  Baum 
können  mehr  Sträucher  hängen." 

Unterschied  zwischen  Treppe  und  Leiter?  „Treppe  geht  man  rauf.  Leiter  hängt 
man  hin,  hat  mehr  Stufen." 

Kopfrechnen : 

3+4  wird  richtig  gerechnet,  ebenso  7  +  18  sowie  19 — 6.  Auf  die  Frage  25 — 14 
Mgtsie:  „Kann  ich  nicht."  5x8  rechnet  sie  45.  Auf  die  Frage  7x9  sagt  sie:  „7  x  10 
ist  70." 

Es  wird  die  Diagnose  der  Huntington  sehen  Chorea  mit  erheblicher  Demenz 
gestellt. 

Tod  am  4.  April  X910. 

Eme  Änderung  im  Zustande  der  Pat.  ist  bis  zum  Tode  nicht  beobachtet  worden« 

c)  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich  um  eine  im  71.  Lebensjahr  verstorbene  Kranke,  die  in  den 
tetcn  Lebensjahren  eine  sich  auch  auf  die  Kopfmuskulatur  beziehende  Chorea 
oebcn  deutlicher  Demenz  aufwies.     Von  einer  Erblichkeit  ist  nichts  bekannt. 

B,  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

I         Das  Gehirn  zeigt  abgesehen  von  seiner  Kleinheit  keine  besonderen  äußerlichen 
Vcrindcningen.      Auf  dem    Querschnitt  ist  ein  deutlicher   Hydrocephalus  internus 
1   Ahtbar. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

•     a)  Befunde  an  Nissl- Präparaten  herausgeschnittener  Rindenstücke. 

Stf.  M,  Fig.  1  bringt  einen  Ausschnitt  aus  der  Area  gigantopyramidalis.     Die 

Äinde  ist  durch  Nervenzelldichtigkeit,  verhältnismäßig  kleine  Riesenpyramidenzellen 

öod  Vermehrung  der  Gliakeme  ausgezeichnet.    Diese  sind  besonders  zahlreich  an  der 

Grenze  zwischen  ///  und  Var.    Nach  außen  davon  zeigen  sie  die  geringste,  nach  innen 

eine  weniger  starke  Zunahme. 

TU.  86,  Fig.  2  ist  O.  Vogts  Area  39  entnommen.  Auch  hier  begegnen  wir  den 
gleichen  Veränderungen  wie  in  der  vorigen  Figur,  d.  h.  einer  Verschmälerung  der 
lUnde,  einem  Aneinanderrücken  der  Nervenzellen  und  daneben  einer  Vermehrung 
der  Gliakeme.  Diese  ist  am  geringsten  in  den  äußeren  Rindenschichten.  Sie  tritt  am 
stärksten  in  dem  mit  n  bezeichneten  Grenzgebiet  zwischen  ///  und  V  auf.  Hier  hat' 
^Idchzeitig  ein  stäiicerer  Zerfall  von  Ganglienzellen  stattgefunden,  so  daß  die  zahl- 
richen  in  Erscheinung  tretenden  Gliakeme  an  dieser  Stelle  eine  Pdeudokömerschicht 

103 


730       C.  UND  0^  VOGT.  ^^'SdJtoS 

bilden.  Die  weiter  nach  innen  gelegenen  Schichten  zeigen  eine  weniger  starke  G 
sie  ist  aber  immerhin  deutlich  ausgeprägter  als  in  den  Außenschichten. 

TaL'd6,  Fig.  8  macht  uns  mit  der  Struktur  des  Feldes  69  0.  Vogts  be 
(hinterer  Lippe  des  Sulcus  centralis).  Gegenüber  dem  in  Fig.  6  dieser  Tafel  abgebi] 
normalen  Bilde  fällt  eine  Verschmälerung.  ein  Zusammenrücken  der  Ganglien 
und  eine  sehr  beträchtliche  Zunahme  der  Gliakeme  auf.  Die  letztere  ist  besc 
zahlreich  in  IV,  aber  auch  ziemlich  ausgeprägt  in  den  Außenschichten,  währei 
hier  im  Gegensatz  zu  den  beiden  eben  beschriebenen  Figuren  in  den  Innensch; 
weniger  deutlich  hervortritt. 

TaL  86,  Figg.  4 — 7  werden  S.  731  f.  beschrieben. 


ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

Tat  28,  Fig.  8.  Der  orale  Teil  des  Striatum  ist  in  der  in  den  letzten  Fäll< 
schriebenen  Art  geschrumpft  und  weist  daher  einen  Etat  fibreux  auf.  Si>eziell 
auch  hier  die  dem  Ventrikel  zugekehrte  Seite  des  Caudatum  die  typische  Abfla 
und  führt  damit  zu  der  in  dieser  Frontalebene  für  die  Chorea  charakteristischen  | 
linigen  Begrenzung  des  erweiterten  Seitenventrikels.  Zum  Vergleich  möge  spezic 
die  normale  Figur  12  der  Taf.  44  der  Ergänzungshefte  des  18.  Bds.  dieses  Jo 
hingewiesen  werden!  Dabei  sei  noch  darauf  aufmerksam  gemacht,  daß  die  C 
interna  keine  Verschmälerung  erfahren  hat,  ihre  Bündel  aber  sekundär,  d.  h.  i 
Schrumpfung  von  Striatumsubstanz  dichter  aneinandergerückt  sind.  Außerdem 
das  Striatum  einen  deutlichen  Etat  criblö  (vgl.  unter  VII!). 

TaL  28.  Fig.  4  lehrt  uns,  wie  auch  in  den  kaudaleren  Partien  Nc  und  P 
schrumpft  sind  und  es  dabei  speziell  in  den  dorsaleren  Gebieten  von  Put  zu 
ausgesprochenen  Etat  fibreux  gekommen  ist.  Das  Pallidum  (Ge  +  Gi)  zeigt  auc 
Höhenreduktion  und  ist  zweifellos  anormal  markhaltig.  Die  Volumenveränc 
ist  aber  im  Vergleich  zu  derjenigen  des  Striatum  eine  deutlich  geringere.  Ma 
gleiche  zur  Würdigung  dieser  Verhältnisse  Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf .  45,  Fig.  18  d 
gänzungshefte  des  18.  Bds.  dieses  Journals!  Die  Faserung  der  Substantia  innon 
speziell  auch  ihr  dorsalster,  zur  Ansa  lenticularis  gehöriger  Abschnitt  zeigt 
Anomalien.  Dasselbe  gilt  vom  abgebildeten  Teil  des  Thalamus.  In  den  verschic 
Partien  des  Schnittes,  speziell  aber  im  Putamen  und  im  Pallidum  begegnen  wir  j 
zeitig  einem   Etat  cribl^. 

TaL  26,  Kg.  7.   Das  Corpus  Luysi  (CL)  ist  ausgesprochen  markhaltig,  aber 
über  den  normalen  Verhältnissen  in  seinem   Höhendurchmesser  um  über  ein  ] 
reduziert. 

TaL  26,  Pig.  8  bringt  aus  einer  normalen  Serie  das  Corpus  Luysi  (CL)  in  j 
größten  Höhendurehmesser.  Wir  begegnen  ihm  an  derjenigen  Stelle,  wo  die  oroh 
Markkapsel  des  Nucleus  ruber  {INr)  getroffen  ist.  Man  erkennt  in  der  Abbildun 
CL  dorsal  und  ventral  von  einer  schmalen  Faserkapsel  umgeben  ist  und  wie  der 
gehalt  der  Zona  incerta  (Zi)  deutlich  hinter  demjenigen  von  CL  zin*ücksteht. 

* 

Zusammenfassung    des    anatomischen    Befundes. 

Im  kleinen  Großhirn  zeigt  die  Rinde  eine  Verschmälerung,  ein  Anein; 
rücken  der  in  ihrer  absoluten  Zahl  verminderten  Ganglienzellen  und  eine 
oder  in  den  sekundär  agranulären  Feldern  an  der  Grenze  von  ///  und 
sonders  stark  auftretende  Gliose. 

Das  Striatum  ist  stark  geschrumpft  und  zeigt  einen  deutlichen  Etat  fi 

Diese  Schrumpfung  hat  zu  einem  Hydrocephalus  internus  geführt.    Das  Pa 

•ist  auch  noch  ziemlich  stark,   das  Corpus  Luysi  immerhin   in  faßbarer 

verkleinert.      Die  Capsula  interna  zeigt  keine  Faserverminderung.     Auß 

weist  das  Gehirn  und   speziell  Striatum  +  Pallidum    einen   Etat  cribl( 

104 


> 


JJ*2g'g^       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄ1fti51S-§y-§TEMS.        731 


C.   Epikrise. 

Es  handelt  sich  um  einen  Fall,  der  ohne  jede  Anamnese  erst  im  69.  Lebens.-: 
jähr  zur  Untersuchung  kam  und  dann  neben  einer  Chorea  einen  Intelligenzdefekt:  /-•"  '  . 
zeigte,  der  auch  seniler  Natur  sein  konnte.     Es  bot  aber  neben  dem  Striatum     *  /" 
aiKhder  Cortex  einen  Befund  dar,  wie  er  für  die  Huntingtonsche  Krankheit 
charakteristisch  ist.     Man  vergleiche  z.  B.   die  in  Taf.  76,  Fig.  i    abgebildete, 
ganz  anders  gestaltete  Area  gigantopyramidalis  einer  senilen  Demenz!      Der 
Etat  cribl6  hat  gegenüber  dem  Etat  fibreux  nach  der  Krankengeschichte 
sich  nicht  klinisch  geäußert. 

16.  Thomallas  Fall  Anna  D.  [Bf  23). 

Es  handelt  sich  um  eine  48  Jahre  alte  Patientin.  Neben  einer  Charakter- 
veränderung und  Intelligenzstörungen  zeigte  sie  eine  typische  Chorea  bei  ent- 
sprechender erblicher  Belastung.  Die  Einzelheiten  der  Krankengeschichte  und 
des  anatomischen  Befundes  werden  später  zusammen  mit  Thomalla  ver- 
öffentlicht werden.  Wir  wollen  nur  auf  einige  Rindenbefunde  des  kleinen  Groß- 
hirns hinweisen. 

bL  86^  Fig.  4.  Es  handelt  sich  um  die  Area  gigantopyramidalis.  Sie  ist  zweifel- 
los gegen  die  Norm  verschmälert.  Ihre  Riesenpyramidenzellen  sind  klein.  Ein  besonderer 
Ausfall  an  Nervenzellen  macht  sich  im  innersten  Teil  von  ///  und  in  Var  bemerkbar. 
Hier  dnd  auch  die  Gliakeme  am  stärksten  vermehrt.  Es  existiert  hier  direkt  ein  von 
GKikemen  gebildetes  Band.  Eine  weniger  ausgesprochene  Gliose  befindet  sich  weiter 
nd  innen,  eine  noch  geringere  weiter  nach  außen. 

lULM,  Fig.  5.  Die  Area  69  0.  Vogts  (kaudale  Lippe  des  Sulcus  centralis)  zeigt 
ttch  hier  die  in  den  bisherigen  Fällen  von  Huntingtonscher  Chorea  festgestellten 
Abveichnngen  von  den  in  Taf.  36,  Fig.  6  abgebildeten  normalen  Verhältnissen.  Die 
Made  ist  verschmälert.  Die  großen  Pyramidenzellen  sind  anormal  klein.  Vor  allem 
Mt aber  die  große  Zahl  von  Gliakemen  auf.   Dieselben  sind  in  IV  besonders  zahlreich. 

bL  M^  Rg.  6  bringt  dieselbe  Area  von  einem  normalen  Erwachsenen.  Man  er- 
kennt hier  sehr  gut  alle  diejenigen  Merkmale  wieder,  welche  wir  neben  den  schon  von 
•öderen  Autoren,  vor  allem  Brodmann,  festgestellten,  zum  ersten  Male  in  diesem 
Joonalband  S.  306  beschrieben  und  S.  305  in  Textfig.  17  schematisch  zur  Darstellung 
[5*^dit  haben.  Wir  verweisen  auf  diese  Beschreibung.  Gegenüber  den  Taf.  33,  Fig.  3 
WJd  Taf.  36,  Figg.  3  und  5  abgebildeten  pathologischen  Veränderungen  dieser  Area 
^konstatieren  wir  in  der  gegenwärtigen  Figur  eine  größere  Breite,  eine  geringere 
^Wrtigkeit  der  Ganglienzellen,  eine  deutlichere  Ausprägung  der  großen  P>Tamiden- 
»Den  in  ///»  und  eine  viel  geringere  Zahl  von  Neurogliakemen,  insbesondere  in  der 
^^•Sdiicht.  Vergleicht  man  speziell  diese  mit  derjenigen  der  vorigen  Figur,  so  er- 
kennt man  deutlich,  wie  die  IV  der  Fig.  6  zwar  von  kleinen,  aber  eine  dreieckige 
Form  zeigenden  Bestandteilen,  also  echten  Körnern,  gebildet  wird,  während  die  IV 
der  Fig.  5  kleinere  rundliche  Neurogliakerne  vornehmlich  aufweist.  Der  Ungeübte 
betrachte  die  Abbildungen  mit  der  Lupe! 

17.  Thomallas  Fall  Paul  B.  [Bf  20\ 

Es  handelt  sich  um  einen  19  jährigen  Patienten  aus  einer  an  Huntigton- 
schcr  Chorea  leidenden  Familie,  der  drei  Monate  nach  Beginn  der  Erkrankung 
bereits  zugrunde  ging.  Der  Kranke  zeigte  in  der  ersten  Periode  einen  an  das 
sogenannte  ,, Delirium  acutum*  erinnernden  Erregungszustand,   in  der  zweiten 

105 


•  * 


•  • 


732  ,••.■':'•.'••■  C.  UND  O.VOGT.  *      '"Sld  j^,*3*S!j* 

V 

Phase\eineii  ,, Stupor".  Die  genauere  Krankengeschichte  und  der  gesamte  ana- 
.^toniische  Befund  werden  später  zusammen  mit  Thomalla  veröffentlicht  werden. 
. '  *  TaL  86,  Pig.  7  ist  der  Area  gigantopyramidalis  des  ziemlich  großen,  d.  h.  wohl 
•  "infolge  der  erst  kurzen  Krankheitsdauer  noch  nicht  geschrumpften  Großhirns  ent- 
nommen. Man  beobachtet  auch  hier  eine  Verschmälerung  der  Rinde,  eine  anormale 
Dichtigkeit  der  Nervenzellen,  einen  besonderen  Untergang  derselben  in  For,  eine  hiw 
am  stärksten,  weiter  nach  innen  weniger  und  nach  außen  noch  geringer  ausgeprägte 
Gliose.  Dagegen  sind  die  Riesenpyramiden  in  dem  abgebildeten  Schnitt  von  normaler 
Größe. 

Zusammenfatsimg. 

Wir  haben  hier  Fälle  zusammengestellt,  die  anatomisch  folgenden  gemein- 
samen Befund  darboten: 

Starke  Schrumpfung  des  Striatum,  beruhend  auf  einem  Untergang 
der  meisten  Ganglienzellen  unter  gleichzeitiger  so  starker  Ersatzwucherung 
der  Gliazellen,  daß  sie  an  Intensität  diejenige  der  vorigen  Gruppe  zu  übertreffen 
scheint.  Infolge  Erhaltenbleibens  der  groben  Markfasern  des  Striatum  einen  durch 
Zusammenrücken  derselben  entstandenen  Etat  fibreux.  Konsekutiven 
Hydrocephalus  internus,  in  den  oralen  Partien  mit  typischen  gradlinigen 
Wänden. 

Eine  weniger  intensive  Verkleinerung  des  Pallidum  mit  gleichzeitiger  Gliose. 

Eine  Volumenabnahme  des  Corpus  Luysi. 

Ein  kleines  Großhirn  mit  schmaler,  nervenzelldichter  Rinde  und  besonders 
in  der  Gegend  der  embryonalen  IV  auftretender  Gliose. 

Verkleinerung  des  übrigen  Zentralnervensystems,  teilweise  mit  gleicfc» 
zeitiger  Gliose. 

Alle  Fälle  zeigten  klinisch  neben  einer  ausgesprochenen  Chorea  psychiscl^ 
Störungen. 

Von  den  fünf  Fällen  waren  drei  sicher  gleichsinnig  belastet. 

In  der  geschilderten  pathologischen  Veränderung  des  Striatum  und  dc^ 
Cortex  sehen  wir  den  für  die  Diagnose  der  Huntingtonschen  Chorea  notwendige^ 
pathologisch- anatomischen  Befund.  Die  Vererbung  scheint  uns  für  das  KranW- 
heitsbild  nicht  unbedingte  Voraussetzung  zu  sein. 

c)  Etat  fibreux  als  Folge  des  progressiven  paralytischen  Prozesses 

im  Striatum. 

18.  Liepmanns  Fall  Karl  E.  {D  25). 

A,  Krankengeschichte. 

Geboren  am  11.  Oktober  1875.     Ledig.     Hausdiener. 

I.  Ej-ankenhausbehandlung  im  Sanatorium  Beelitz  vom  10.  April  1909  b^ 
15.  Mai  1909. 

Anamnese:  Keine  erbliche  Belastung.  Keine  Geschlechtskrankheiten.  Mäßigt 
Alkoholgenuß.  War  Soldat;  bekam  dabei  Gelenkrheumatismus.  Seit  der  Zeit  öftc" 
Rückfälle  und  Atembeklemmung ;  zuweilen  Herzklopfen.  In  den  letzten  Tagen  groß^ 
Mattigkeit,  Gedächtnisschwäche,  schlechten  Schlaf,  Kopfs chwindel.  August  190S 
plötzlich  Lähmung  im  rechten  Fuß.  Im  letzten  Halbjahr  in  der  hydrotherapeutischen 
Anstalt  Ziegelstr.  laut  Ausweis  wegen  Gelenkrheumatismus,  Herzklopfens  und  Chorea 
erfolglos  behandelt. 
106 


M.  U,  IMO.  2uj(  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        733 


s. 


Status  praesens: 

Körperbau  und  Muskulatur  kräftig.  Mittelm^Eiger  Ernährungszustand.  Blasse 
Hautfarbe.   Körpergewicht  ca.  75  kg. 

Longe  ohne  pathologischen  Befund. 

Herz:  Töne  rein,  Grenze  normal,  Tätigkeit  leicht  arythmisch. 

Bauchorgane  ohne  pathologischen  Befund. 

Die  Gelenke  der  Gliedmaßen  äußerlich  nicht  verändert.  In  den  Kniegelenken 
leidites  Reiben. 

R.  Unterschenkel  im  Umfang  V2  cm  geringer  als  der  /..  Seine  Muskelkraft  herab- 
gesetzt. 

Beim  Gehen  wird  der  r.  Fuß  mehr  gehoben.  Beugen  des  Fußes  geschieht  ohne 
Kraft  (Peroneuslähmung  ?). 

Schmerz-  und  Berührungsempfindungen  normal.  Am  r.  Unterschenkel  wird  Kälte 
itiiker  imd  Wärme  schwächer  als  am  /.  empfunden. 

Reflexe  vorhanden. 

Leichtes  Stocken  beim  Sprechen. 

Leichte  stoßartige  Bewegungen  im  ganzen  Körper. 

Gutes  Seh-  und  Hörvermögen. 

I.Mai  1909.  Die  Beschwerden  sind  noch  dieselben.  Seit  den  letzten  Wochen 
besteht  auch  erschwertes  Urinlassen. 

IX.  Mai  1909.  Keine  wesentliche  Besserung.  Der  Mund  steht  etwas  schief.  Leichte 
choreatische  Bewegungen  in  der  r.  Hand,  deutliche  Lähmung  des  Peroneus 
•"t^^Fuß.  Außerdem  klagt  Pat.  über  Gedächtnisschwäche.  Zeigt  häsitierende 
Sprache,  Steigerung  der  Patellarreflexe. 

15- Mai  1909.    Pat.  wird  als  unheilbar  entlassen, 

4*  März  191  o.     Aufnahme  im  Krankenhaus  Moabit. 

^«gnoie:     Polyarthritis  rheumatica.     Dementia  paralytica? 

^^^  3  Wochen  von  neuem  heftige  Schmerzen  in  den  Fuß-  und  Kniegelenken, 
^^tus  praesens:  Mittelgroßer,  gut  ernährter  Mann. 
JJ*  om  melschlägerf  inger . 
r^^örmiger  Thorax, 
^^rz    von  Lunge  ziemlich  überlagert.    2.  Aorten  ton  mäßig  akzentuiert. 

^-  I'Ungenlappen  hinten  zwei  Finger  breit  gedämpft, 
^cto^alfremitus  abgeschwächt, 
«attcl-^  Knie-  und  Fußgelenke  geschwollen. 

^•'^Äi-z  1910.     Abgeschwächtes  Atmen,  kleinblasige  Rasselgeräusche. 
o.JC&Yz  1910.     Kann  nicht  Urin  lassen,  wird  katheterisiert. 
'^•^Ä^wz  1910.    L.  Pupille  weiter  als  die  r.,  beide  reagieren  höchst  träge. 
Faci  ^ijs  i^  paretisch. 
Km  ^schnenphänomen  gesteigert. 

^  ^^r  Nacht  ist  Pat.  sehr  unruhig,  glaubt  verfolgt  zu  werden. 
Sp^^-chstörung  is.t  nicht  vorhanden. 

Rccl^net   schlecht.     Kann    5    Zahlen    nicht    nachsprechen. 
Spricht  verwirrt. 

i5'^ärz'i9io.     Psychische  Störungen  unverändert  nachweisbar. 
XucK  die  Sprache  ist  gewissermaßen  verwaschen,  murmelnd. 
PÄ^-  hat  nur  noch  geringe   Gelenkschmerzen, 
ao.  März  1910.     Cystitis. 

i4*Vlrz  1910.     Geistig  in  desolatem  Zustand.     Die  Fiebersteigerungen  werden 
gu{  ein«  aufsteigende  Infektion  seitens  der  Blase  bezogen. 
Gelenke  nicht  mehr  nachweisbar    verändert. 
]^tn  ohne  pathologischen  Befund . 

107 


734  C.  UND  O.  VOGT.  '^'^wJ 

Nßck  DaUdorf  verUgt. 

25.  März  X910. 

Status : 

Gestern  Abend  in  ruhigem  Zustand  eingeliefert.     Temp.  37,2*. 

Kein  Alkoholgeruch. 

Bei  der  Morgen visite  ruhig,  geordnet,  über  Ort  und  seine  Person  orientiert, 
es  sei   191 1  (er  habe  solange  Fieber  gehabt). 

L.  Pupille  weiter  als  die  r.. 

Lichtreaktion  beiderseits  schwach,  Konvergen2Teaktion  beiderseil 

Paradigmen  werden  ziemlich  gut  nachgesprochen,  nur  ab  und  zu  leii 
deutlichkeit  („Brigarde"). 

Am  Kreuzbein  handtellergroßer  Decubitus. 

Unrein  mit  Urin. 

Untere  Extremitäten  paretisch. 

Kniesehnenphänomen  beiderseits  vorhanden. 

Sprache  nicht   deutlich   gestört. 

Pat.  gibt  sinngemäße  und  geordnete  Auskunft. 

Monate  rückwärts  werden  richtig  angegeben. 

Für  Dementia  paralytica   bestehen   keine  sicheren  Zeichen; 
gewisse  Oberflächlichkeit  in  der  Beurteilung  seiher  Person  ist  verdächtig. 

Fieber. 

29.  März  1910.  Sauber,  ruhig  und  geordnet  in  seinem  Verhalten.  Nin 
ständig  Nahiung  zu  sich. 

31.  März  1910.  Autoanamnese:  Vater  ist  plötzlich  an  Apoplexie  gestorben 
angeblich  gesund.  Zwei  Geschwister  sind  klein  gestorben,  fünf  lebende  solle 
sein.    In  der  Familie  soll  außer  Pat.  niemand  nervenleidend  sein. 

Pat.  besuchte  in  seinem  Heimatsort  die  Dorfschule;  hat  nicht  besonders  gu 

Psychischer  Befund: 

Pat.  gibt  seinen  Namen,  Alter,  Geburtsort  und  -jähr  sowie  heutige 
richtig  an. 

Auf  die  Frage,  weswegen  er  hier  sei,  antwortet  Pat.:  „Ja,  Herr  Doktor, 
verschiedenes  gehört,  ich  soll  schon  so  langsam  gesprochen  haben,  aber  ich  ] 
jeher  langsam  gesprochen.     Ich  war  damals  sehr  schwer  krank,  hatte  hohes 

Nach  zweimaligem  Vorsprechen  spricht  er  fünf-  und  sechsstellige  Zahl 

Zeigt  seiner   Bildung  entsprechende  gebgraphische   und  historische   Kc 

Kopfrechnen   mäßig   (vielleicht  nur  auf  ungenügender   Schulbildung   b< 

Unterschied  zwischen  Baum  und  Strauch  und  zwischen  Fluß  und  Teich  wii 
angegeben. 

Sprache:  Artikuliert  gut,    keine    Mitbewegungen  dabei. 

Körperlicher  Befund: 

Mittelgroßer  Mann  von  kräftigem  Körperbau  und  gutem  Ernährung! 
Temperatur  abends  unbedeutende  Steigerung. 

Haut  weiß,  elastisch.    Querverlaufende  Narbe  an  der  Stirn,  oberhalb  des 
herrührend  von  einer  Verletzung  vor  acht  Jahren.     Am  Rücken  einige  Aki 
und  ein  kinderhandtellergroßer  Decubitus. 

An  den   Gelenken  keine  Schwellungen  mehr  nachweisbar. 

Klagen  über  Schmerzen  im  r.  Kniegelenk  und  beiden  Fußgelenken. 

Zunge  belegt. 

Rachenorgane  gerötet. 

Lungen:  Thorax  gut  gewölbt.  R.  Grenze  etwas  höher  als  die  /..  Im  übrig 
überall  voll,  Atemgeräusche  vesikulär,  einige  bronchitische   Geräusche. 

Herz  in  normalen  Grenzen,  Töne  rein. 

Abdomen  ohne  pathologischen  Befund. 

Mundwinkel  /.  tiefer  stehend  als  r.. 
108 


*!J!J?^  ^     ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         735 


Pupille  /.  weiter  als  r.,  reagieren   beide  sehr  wenig  auf  Lichteinfall. 

Konvergenzreaktion  der  Pupillen  normal. 

Motilität  der  Arme  ohne  pathologischen  Befund. 

Gang  ist  mit  Rücksicht  auf  die  Gelenkerkran kimg  nicht  zu  prüfen. 

Kniesehnenphänomene  vorhanden,  /.  anscheinend  stärker  als  r.. 

3.  April  1910.    Anhaltende  Temperatur  bis  über  38^. 

Starke  Schwellung  des  /.  Kniegelenks.    Tanzen  der  Patella. 

Puls  ca.  100.  • 

Herz  nihil. 

Therapie:  2stündlich  i  Eßlöffel  Mixt,  antirheum. 

4. April  1910.  Schwellung  zurückgegangen.  Subjektives  Wohlbefinden.,  Kein 
Fieber  mehr.  —  Urin  sehr  trübe,  enthält  reichlich  Leukozyten.  Dreimal  tägl.  i  g  Salol. 

S.April  19x0.  Puls  leicht  arythmisch.  Frequenz  100.  Therapie:  Inf.  digit,  drei- 
stündlich. 

9.  April  1910.  In  voriger  Nacht  sehr  unruhig  und  andauernd  laut,  warf  das  Bett- 
aug öfter  von  sich. 

15.  April  1910.  Keine  Gelenkschmerzen  mehr.  Abends  immer  noch  Temperatur 
bis  über  38^.  —  Puls  leicht  schnellend,  ca.  100.  Herzgrenzen  normal.  Keine  Neben- 
gerausche. 

Decubitus  hat  Fortschritte  gemacht. 

19.  April  1910.  Abendlich  leichte  Temperatursteigerungen.  Urin  noch  immer 
trotz  Fol.  uvae  ursi  und  Salol  stark  getrübt.  —  Keine  Gelenkschwellung  und  Schmerzen 
mehr. 

Fortgesetzt  unsauber  mit  Urin.  Entschuldigt  dies  damit,  er  könne  manchmal 
Ä€  Flasche  nicht  finden.     Gegen  die  Sache  an  sich  völlig  stumpf. 

17.  Hai  1910.  Ist  jetzt  vollkommen  fieberfrei.  Keine  Schwellung  und  Schmerz- 
htftigkeit  der  Gelenke  mehr.    Decubitus  in  guter  Heilung  begriffen. 

Urin  allerdings  noch  immer  sehr  trübe.  Hat  sich  in  letzter  Zeit  seltener  verunreinigte 

Ist  geistig  klar. 

Steht  nachmittags  aus  dem  Bett  auf. 

jo.  Mai  1910.  Verhält  sich  ganz  geordnet  und  wird  mit  etwas  Hausarbeit  be- 
scbiftigt. 

16.  Juli  1910.     Hat  zu  keinerlei  Klagen  in  letzter  Zeit  Anlaß  gegeben.     Verhält 
«ch  gec^dnet.  Hilft  dem  Pfleger  etwas  bei  der  Hausarbeit,  bringt  aber  nicht  viel  fertig. 

Stumpfer  Gesichtsausdruck. 

R.  Nasolabialfalte  verstrichen. 

Sprache:  Artikuliert  gut,  höchstens  unbedeutende  Mitbewegungen. 

Pupillen  jetzt  gleich  weit. 

Lichtreaktion  /.  spurweise,  r.  aufgehoben. 

Kopfrechnen  jetzt  schlechter  als  früher. 

30.  August  1910.  Verhält  sich  geordnet  und  hilft  etwas  bei  der  Hausarbeit  mit. 
—  Decubitus  noch  nicht  ganz  geheilt.  —  Drängt  auf  seine  Entlassung.  —  Hat  sich 
nicht  mehr  mit  Urin  venmreinigt. 

3.  September  1910.  Gibt  an,  daß  er  sich  subjektiv  wohl  fühle  und  wünscht  dringend 
seine  Entlassung.     Hofft,  sich  draußen  mit  leichter  Arbeit  beschäftigen  zu  können. 

Pat.  ist  fortgesetzt  sauber  und  will  auch  keine  subjektiven  Beschwerden  mehr 
beim  Urinieren  empfinden. 

Keine  choreatischen  Bewegungen  in  der  r.  Hand  mehr.  Im  r.  Fußgelenk 
werden  sämtliche  Bewegungen  ebensogut  wie  im  l,  ausgeführt.  —  Keine  Schwäche 
bei  der  Dorsalflexion.  —  Gang  ohne  pathologischen  Befund. 

22.  Oktober  1910.  Weiter  geordnet  in  seinem  Verhalten.  Hilft  bei  der  Hausarbeit, 
bringt  aber  nichts  Ordentliches  fertig.  — 

Bei  der  Unterhaltung  zeigt  er    leichte   motorische  Unruhe  in  seinen 

Gesichtszügen. 

109 


736 _^ C.  UND  O.VOGT. ^"^iJSSSSü^ 

Sprachdefekt   nur   ganz   leicht. 
•Schwerer   Defekt    beim    Kopfrechnen. 
Lichtreaktion   der    Pupillen   aufgehoben. 

14.  November  1910.     Von  heute  ab  nach  Berlin  in  Pflege  gegeben. 

14.  Dezember  191 7.  Aufnahme  in  der  Irrenanstalt  Hersberge  mit  der  Diagnose: 
Paralyse. 

15.  Dezember  1917.  Liegt  ruhig  im  Bett,  schläft  ohne  Schlafmittel.  —  Bisher  sauber. 
(Gewicht:  58  kg.     Temperatur  37,3®.  —  Urin  frei. 

Beginnender  Decubitus. 

Pat.  hat  Fieber  infolge  einer  ausgedehnten  Phlegmone  des  /.  Unterarms,  ödem 
des  Handrückens. 

Wird  ins  Untersuchungszimmer  gefahren. 

Gibt  seine  Personalien  richtig  an. 

Dauernde  Unruhe  der  Muskulatur  der  Stirn,  der  Arme  und  Beine. 

Keine  Sprachstörung. 

Rechnen  kann  er  nicht. 

Reaktion  der  Pupillen  auf  Licht  beiderseits  erloschen,  auf  Konvergenz  erhalten 

Facialis  und  Zunge  symmetrisch  innerviert. 

Vorgestreckte  Zunge  zittert. 

Zittern  der  gespreizten  Hände. 

Kjiiesehnenphänomen   beiderseits  gesteigert. 

Brustorgane  ohne  pathologischen  Befund. 

Diagnose:   Dementia   paralytica?? 

17.  Dezember  1917.  Starke  choreaähnliche  Unruhe  der  Gesichts 
muskulatur,  der  Arme  und  Beine,  ganz  besonders  r.  Auch  Zunge  beteilig' 

Macht  kindlichen  Findruck,  zutraulich,  artig  und  zufrieden.  Gedankenlos.  Ds 
Zucken  der  Gesichtsmuskulatur  merkt  er  gar  nicht. 

Psychisch  nicht  wie  ein  Paralytiker,  mehr  wie  ein  angeborene 
Schwachsinniger   oder   wie   ein    Huntington. 

Aber    Pupillenreaktion    auf    Licht  erloschen. 

Rechnet  2  x  17,  S  +  g  und  21 — 3  richtig, 

4.  Januar  1918.     Eiweiß  im  Urin. 

6.  Februar  1918.  Dauernd  ruhig  im  Bett.  Choreatische  Bewegun-gen.  H& 
sich  noch  leidlich  sauber.  Zeitweise  Urinretention.  Läßt  dann  aber  wieder  vo 
selbst  Urin,    Die  ödematösen  Schwellungen  sind  ganz  zurückgegangen. 

Psychisch  unverändert. 

13.  Februar  1918.  Heute  äußerst  schwach,  kollabiert.  —  Hatte  die  letzten  Tag 
Durchfall.     Kein  Schleim  und  Blut.     Tannalbin. 

14.  Februar  19 18.     Heute  früh   7,15  Uhr  Exitus  letalis. 

Sektionshericht. 

Allgemein bef und:  Ausgedehnte  Verwachsungen  der  Pleura  an  beiden  Lungei 
desgl.  des  Herzens  mit  dem  Zwerchfell.  Herz  vergrößert,  von  mittlerer  Festigkei 
Klappen  ohne  pathologischen  Befund,  desgl.  die  Lungen.  Leber  stark  vergrößer 
dunkelrot.  Milz  vergrößert,  etwas  matsch.  Nieren  beide  vergrößert.  Auf  der  Außei 
fläche  und  dem  Durchschnitt  zahlreiche  kleine  eitrige  Herde  (Tbc.?).  Nierenkaps 
schwer  abziehbar.  Blase  gefüllt,  starkwandig.  Keine  Entzündungserscheinungen  i 
der  Innenwand. 

Hirn-  und  Rückenmarks  bef  und:  Pia  zart  und  durchscheinend.  Nur  an  einig« 
Stellen  (Fu''chen)  leicht  getrübt.  Arterien  der  Basis  zart.  Keine  Arteriosklerose  d 
Basalarte  ien. 

Gehirngewicht:   1445  g. 

Gehirn  und  Rückenmark  werden  in  toto  dem  Neuro-Biologischen  Institut  übe/liefe 
HO 


2;2Liiffi  8      ^U^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         737 


Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich  um  einen   Kranken,   der  zehn   Jahre  hindurch   zeit- 
weise, zuletzt  dauernd  an  choreatischen  Zuckungen  gelitten  hat.    Die 
Gesichtsmuskulatur  wai    ebenso  wie  die  der   Extremitäten  betroffen. 
Die  Sprache  war  aber  wenig  gestört.     Zwei  Jahre  nach  Beginn  dieser  Er- 
krankung wurde  Trägheit  der  Lichtreaktion  der   Pupillen,   zeitweilige 
Verwirrtheitszustände,  speziell  nachts,  und  ein  leichter  Schwachsinn 
konstatiert,  so  daß  man  an  die  Möglichkeit  einer  beginnenden  progressiven 
Paralyse  dachte.     In  jener  Zeit  wurde  auch  der  ,, stumpfe  Gesichtsausdruck** 
des  Pat.  hervorgehoben.     Aber  noch  drei  Monate  vor  dem  Tode  wurde  fest- 
gestellt, daß  das  psychische  Verhalten  des  Kranken  nicht  dasjenige 
!     eines  Paralytikers,  sondern  das  eines  an  Huntingtonscher  Chorea  Leiden- 
\    den  oder  eines  angeboren  Schwachsinnigen  sei.    Die  Trägheit  der  Lichtreaktion 
\    der  Pupillen  ging  allmählich  in  vollständige  Starre  über.    Außerdem  litt  Pat. 
t    in  den  letzten  acht  Jahren  zeitweise  an  Retentio  urinae.    Endlich  zeigte  Pat. 
öfter  Rezidive  eines  Gelenkrheumatismus. 

B.  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Das  Gehirn  zeigte  nirgends  auf  der  Oberfläche  eine  greifbare  Anomalie.  Ent- 
*prediend  dem  hohen  Himgewicht  sind  die  Großhirnhemisphären  nicht  wie  diejenigen 
•Her  unserer  länger  krank  gewesenen  Fälle  von  Huntingtonscher  Chorea  durch  Klein- 
heit ausgezeichnet. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 
a)  Befunde  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

I.  Cortex. 

TllL87,  Rg.  1  bringt  die  inneren  fünf  Schichten  vom  Culmen  der  Area  giganto- 
pyfMüialis  aus  der  Beinregion.  Gegenüber  dem  normalen  Bilde  (vgl.  z.  B.  Taf.  6, 
%  i!)  fallt  das  Fehlen  wirklich  großer  Riesenpyramiden  in  Vy  auf.  Außerdem  ist  VI 
^  seinen  äußeren  Teilen  zweifellos  anormal  zellarm.  Femer  dürften  in  V  und  VI  die 
Ncurogliakeme  gegenüber  der  Norm  vermehrt  sein.  Endlich  sieht  man  schon  bei  dieser 
y*^ößerung  die  Verdickung  der  Gefäßwände.  Ein  Vergleich  mit  Taf.  31,  Fig.  i 
^  T»f.  33,  Fig.  I  zeigt,  daß  das  architektonische  Bild  ein  ganz  anderes  ist  als  in  den 
'*Ucn  der  Huntingtonschen  Chorea.  Von  einem  Zellschwund  nach  außen  von  Vy 
"deinem  Ersatz  dieser  Gegend  durch  ein  Neurogliaband  kann  nicht  die  Rede  sein. 
^^(*öso  zeigen  die  weiter  nach  innen  gelegenen  Schichten  nicht  annähernd  die  Neuro- 
^Ittkcmvermehrung,  wie  sie  uns  z.  B.  in  Taf.  ^^,  Fig.  i  entgegentritt. 

hL  97,  Fig.  2  i^t  in  derselben  Höhe  dem  im  Sulcus  centralis  gelegenen  Ab- 
ritt der  Area  gigantopyramidälis  entnommen.     In  dieser  Gegend  ist  normalerweise 
^flf  und  der  angrenzende  Teil  von  ///  reicher  an  kleinzelligen  Elementen  als  das  das 
Culmen  bildende  Gebiet  derselben  Area.    Daß  es  sich  trotzdem  nicht  um  das  architek- 
tonische Bild  der  Huntingtonschen  Chorea  handelt,  zeigt  auch  hier  ein  Vergleich 
mit  Taf.  31,  Fig.  i  und  Taf.  33,  Fig.  i.    Denn  erstens  bleibt  die  Zahl  der  kleinen  Ele- 
mente in  dieser  dem  Sulcus  entnommenen  Abbildung  hinter  derjenigen  der  eben  ge- 
kannten Abbildungen  zurück,  obgleich  diese  vom  Culmen  stammen.    Dann  sind  aber 
weiter  die  kleinzelligen  Elemente  zu  einem  gewissen  Teil  gröberer  Natur.    Und  endlich 
sind  sie  in  weit  stärkerem   Maße  von  größeren  Pyramidenzellen  durchsetzt,  d.  h.  es 
ist  nicht  —  wie  in  den  beiden  herangezogenen  Figuren  der  Huntingtonschen  Chorea  — 

III 


;38 


.  UND  O.  VOGT. 


zu  einem  Untcrf^ang  der  Pyramidenzellen  in  Var  und  in  dem  innersten  Teil  \'on 
gekommen. 

Tat  87.  Fig.  8  gibt  O.  Vogts  Area  71  wieder,  d,  h.  die  kaudale  Hälfte  des  G) 
cenlralis  posterior,  und  zwar  in  der  Höhe  der  Beinregion.  Die  Abbildung  zeigt  gtf 
über  normalen  Verhältnissen  eine  Verminderung  der  großen  PjTamidenzellen  im  im 
sten  Teil  von  ///.  Dagegen  fehlt  hier  durchaus  jene  Vermehrung  der  NeurogÜakemi 
speziell  in  IV  —,  welche  die  benachbarte  j\rea  70  in  Taf.  33,  Fig.  4  zeigt.  Es  hau 
sich  also  auch  hier  um  ein  architektonisches  Bild,  welches  in  keiner  Weise  an  das 
die  Huntingtonsche  Chorea  charakteristische  erinnert. 

Tal  87.  Fig.  4  macht  uns  mit  der  Architektonik  der  Area  BS  0.  Vogts  (d 
der  hinteren  Lippe  des  Sulcus  centralis)  bekannt.  Auch  hier  fehlt  die  Neurogliaki 
Vermehrung,  wie  dieselbe  Taf.  36^  Fig.  3  in  einem  Falle  der  Huntingtonschen  Ch( 
vorhanden  ist.  Außerdem  mangelt  dieser  Area  wie  der  in  Figg.  t  und  a  abgebildt 
Area  gigantopyramidalis  die  für  die  Huntingtonsche  Chorea  charakteristische  Riix 
sehmalheit  und  Zelldichtigkeit. 

Die  an  den  architektonischen  Bildern  erhobenen  pathologischen  Feststellun 
ergänzt  Bielschowsky  durch  folgenden  histo- pathologischen  Befund: 

,.Bei  der  feineren  histologischen  Untersuchung  der  Hirnrinde  stellt  sich  hen 
daß  ein  paralytischer  Prozeß  vorliegt.    An  den  kleineren  Gefäßen  der  grauen  Substi 


insbesondere  an  denjenigen  der  äußeren  Zellschichten,  begegnet  man  einer  zell 
Infiltration  mäßigen  Grades,  an  welcher  vorwiegend  Lymphozjten  —  hier  und  da  ■■ 
auch  Abbau-  und  Plasmazellen  {Plz)  von  prägnanter  Struktur  —  beteiligt  sind  1 
TfXtfig,  61).      Im    Nisslpraparat   finden   sich   in   den    Ganglienzellen  aller    Schic 


iMv  Si^    Al^Mpf 


3       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         739 


schwer  veränderte  Exemplare^  welche  vorwiegend  einer  wabigen  Degeneration  anheim 
gefallen  sind.     Stellenweise  sind  die  Zellen  bis  auf  dürftige  Reste  und  Schatten  ver- 
schwunden.    In  der  linken  Hälfte  der  Textfig.  6  sind  einige  degenerierte  Pyramiden- 
allen  der  ///.  Schicht  (Ggz)  abgebildet.     Trotz  der  im  allgemeinen  recht  schweren 
Verändeningen  an   manchen    Ganglienzellen  sind  die   reaktiven    Erscheinungen   von 
Seiten  der  Neuroglia  (Neuronophagie)  wenig  ausgeprägt.      Trotzdem  kann  an  der  Dia- 
gnose „Progressive  Parah'se"  kein  Zweifel  bestehen,  weil  sie  auch  durch  das  Verhalten 
der  Geföße  —  insbesondere  durch  den  Nachweis  der  Plasmazellen  -  -  ausreichend  ge- 
sichert wird.*' 

2.   Striatum  und  Umgebung. 

M.  97,  Kg,  6  lehrt  uns,  daß  der  Nucleus  substantiae  innominatae  in  diesem  Fall 
dordttus  normale  Verhältnisse  zeigt.  Speziell  bieten  auch  hier  die  großen  Ganglien- 
ttUen  keine  pathologische  Veränderung  dar. 

fiL  88,  Flg.  1  bringt  das  Caudatum.  Wenn  man  sich  vergegenwärtigt,  daß  der 
Sdmitt  dem  Corpus  des  Caudatum  entnommen  ist,  so  fallen  zunächst  seine  starke 
Vohunenreduktion  und  die  vollständige  Abflachung  seiner  in  der  Abbildung  rechts 
gelegenen,  in  den  Ventrikel  hineinragenden  Oberfläche  auf.  An  ihre  Stelle  sind  zahl- 
rcid»  Neurogliakeme  getreten.  Diese  bilden  außerdem  noch  besondere  nesterförmige 
Anhäufungen.  Femer  haben  sich  die  Kapillaren  nicht  nur  vermehrt,  sondern  zeigen 
»ndi  die  etwas  größeren  Blutgefäße  Infiltrate  in  ihren  Wänden.  Man  vergleiche  zur 
Würdigung  aller  dieser  pathologischen  Abweichungen  die  vorstehende  Abbildung 
mit  Ttf.  2,  Fig.  1 1 

'hL  88;  Rg.  2  macht  uns  mit  der  .\rchitektonik  des  Putamen  bekannt.  Wir 
begegnen  hier  einem  Ganglienzellenschwiind,  welcher  noch  etwas  größer  ist  als  der 
ifi  den  Taf.  32,  Fig.  i  und  Taf.  34,  Fig.  2  abgebildeten  Huntingtonschen  Chorea- 
Bllen.  Dabei  gehören  auch  hier  die  meisten  der  erhalten  gebliebenen  Ganglienzellen 
TO  größeren  Typus  an.  Aber  sie  sind  ausnahmslos  schwer  verändert.  Dafür  ist 
•WC  betrachtliche  Wucherung  der  Neuroglia  eingetreten.  Aber  diese  hat  bei  weitem 
■Wit  den  Grad  erreicht,  wie  er  uns  in  Taf.  32,  Fig.  i  und  Taf.  34,  Fig.  2  entgegentritt, 
Ke  starke  Vermehrung  der  Faserbündel  —  speziell  in  der  rechten  (medialen)  Hälfte  — 
ffficnüber  der  in  Taf.  i,  Fig.  i  wiedergegebenen,  von  der  anderen  Himhälfte  stammenden 
^  deshalb  umgekehrt  orientierten  Abbildung  weist  —  wie  in  Taf.  32,  Fig.  i  und 
**^'  34»  Fig.  2  —  auf  eine  starke  Atrophie  des  Putamen  hin.  Außerdem  begegnen  wir 
*wh  hier  einer  deutlichen  Zellinfiltration  der  Gefäßwände. 

TI1L88,  Fig.  8  zeigt  vom  Pullidum  externum  gegenüber  Taf.  i,  Fig.  2  eine  starke 
^«nndining  der  Neurogliakeme  ohne  wesentliches  Aneinandergerücktsein  der  Ganglien- 
^^^  Jfit  Rücksicht  darauf,  daß.  es  sich  hier  —  wie  wir  noch  weiter  unten  bei  der 
«idireibung  der  Faserbilder  sehen  werden  —  um  ein  geschrumpftes  Pallidum  handelt, 
®WKn  irir  einen  partiellen  Untergang  der  Ganglienzellen  des  Pallidum  externum  an- 
"*taen.  Man  vergegenwärtige  sich,  wie  z.  B.  in  Taf.  ^^,  Fig.  5  bei  einer  annähernd 
*^<Urken  Schrumpfung  die  Ganglienzellen  dichter  liegen  und  auch  schärfer  hervor- 
^'ttcn!   Außerdem  muß  auf  die  Infiltration  der  Gefäßwände  hingewiesen  werden. 

TU.  88,  Kg.  4  zeigt  uns  ähnliche  Verhältnisse  vom  Pallidum  iniernum.  Im  Ver- 
fi^  zu  Taf.  2,  Fig.  2  ist  die  Zahl  der  Ganglienzellen  nicht  vermehrt.  Sie  sind  aber 
'Cellos  verschwommener  in  ihrer  Struktur.  Dagegen  ist  eine  deutliche  Vermehrung 
wr  Neurogliakeme  nachweisbar.  Auch  hier  müssen  wir  daneben  einen  direkten  Aus- 
M  von  Ganglienzellen  annehmen,  denn  bei  der  vorliegenden  Schrumpfung  müßten 
sonst  die  Ganglienzellen  so  dicht  zusammen  liegen,  wie  wir  es  in  Taf.  32,  Fig.  3  fest- 
^^eljt  haben.     Endlich  findet  sich  hier  ebenfalls  eine  Infiltration  der  Gefäßwände. 

Diesen  architektonischen  Befunden  fügt  Bielschowsky  folgende  histo-patho- 
Jogischen  Feststellungen  hinzu: 

„Im  ganzen  Gebiet  des  Schwanz-  und  Linsenkerns  sieht  man  Gefäße  mit  leichten 
U'acherungserscheinungen  in  der   Intima  und   zelliger   Infiltration  der  Außenwand - 

$    JmvBftI  r.  Piqrchologi«  u    Neurologie.    Bd.  7$,   Ergh.  3.  I  I  3 


740 


C.  VtiD  O.  VOGT. 


bcstandteile.  Auch  hier  sind  es  vorwiegend  Elemente  von  Imphczytärer  Beschaffen- 
heit, welche  die  Gefäßwand  durchsetzen.  Daneben  finden  sich  wieder  typische  Plasmi- 
(Pli)  und  vereinzelte  Abbauzellen  mit  lipoldem  und  pigmentösem  Inhalt  (vgl.  Tcxtfig.  7). 
Auffallend  ist  femer  das  Bestehen  einer  mehr  oder  minder  ausgesprochenen  Petrifikation 
an  den  Wanden  größerer  Gefäße,  besonders  im  Bereich  des  Pallidum.    Hier  siebt  man 


Ä         »»^  ••w* 


%*• 


Fig.  7. 


auf  zahlreichen  Querschnitten  kömige  und  schollige  Konkremente,  welche  vorwiegend 
in  der  Adventitia  abgelagert  sind,  nicht  selten  aber  auch  auf  die  Media  übergreifen- 
Die  Media  derartiger  Gefäße  bietet  häufig  das  Aussehen  einer  beginnenden  hj-alineU 
Metamorphose.  In  dem  an  Ganglienzellen  sehr  verarmti'n  Putamen  zeigen  die  noch 
erhaltenen  Exemplare  vom  größeren  T\pus  schwere  Seh  rümpf  ungserscheinungen 
mit  Verlust  der  Protoplasmafortsätze  und  Pigmentanhäufungen  in  der  Nachbarschaft 
des  häufig  pyknotisch  veränderten  Kernes.  Einzelne  Zellen  bieten  das  Bild  einer  wabigcs 
Degeneration  in  ähnlicher  Form,  wie  sie  an  den  KindenzcUen  besteht."  , 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie, 

TaL  89,  Fig.  1  bringt  einen  Schnitt  vom  oralsten  Teil  des  rechten  Stritüum.  Wir 
erkennen  die  deutliche  Atrophie  desselben,  die  Abplattung  der  dem  Ventrikel  zugekehrtai 
Oberfläche  von  Nc.  die  dadurch  bedingte  dreieckige  Gestaltung  des  erweiterten  Ven- 
trikels und  die  Andeutung  eines  Etat  fibreux  im  Striatum. 

TaL  39,  Fig.  2.  Es  handelt  sich  hier  um  einen  etwas  kaudaler  gelegenen  Sdinitt 
der  anderen  Hemisphäre,  der  den  gleichen  Befund  ergibt  wie  der  in  der  vorigen  Rgui 
erhobene.  Das  Caudatum  ist  stark  atrophisch  und  abgeplattet,  der  Ventrikel  erweitcit 
und  dreieckig.  Put  ist  ebenfalls  atrophisch.  In  den  inneren  Partien  von  A'e  und  den 
Außenpartien  von  Put  sehen  wir  einen  deutlichen  Etat  fibreux. 
114 


^m  ■?!??'  1       ZURLEH'REDER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         74 1 


3.         ^ _  

• 

Tli  89,  Kg.  8  zeigt  einen  entsprechenden  Befund  von  der  rechten  Hemisphäre. 
Auch  hier  ist  das  Striatum  stark  atrophisch  und  weist  der  innere  Teil  von  Nc  und  der 
äußere  von  Put  einen  ausgesprochenen  Etat  fibreux  auf.  Die  Capsula  interna  erscheint 
hier  wie  in  den  vorigen  Abbildungen  entsprechend  der  Atrophie  des  Striatum  etwas 
massiger  als  normal. 

Ttf.  89;  Fig.  4  bringt  einen  weiter  kaudal  gelegenen  Schnitt.  Nc  und  Put  sind 
audi  hier  atrophisch.  Nc  zeigt  im  inneren,  Put  im  dorso-lateralen  Teil  einen  deutlichen 
Etat  fibreux.  Das  Pallidum  ist  ebenfalls  geschrumpft  und  erscheint  faserreicher  als 
im  normalen  Bilde.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  zeigen  die  meisten  Markfasern  des 
Pallidum  eine  ganz  enorme  Verdickung,  welche  die  in  Taf.  35,  Fig.  3  von  Ge  abgebildete 
nod)  beträchtlich  übertrifft.  Die  Verdickung  ist  auch  in  Gi  vorhanden,  nimmt  aber  nach 
LI  zu  allmählich  ab. 

fiL  89,  Hg.  5  stellt  das  gleiche  Putamen  bei  geringerer  Expositionsdauer  dar. 
Man  erkennt  nun  besser  den  Etat  fibreux.  Eine  stärkere  Vergrößerung  dieses  Etats 
bringen  wir  Taf.  77,  Fig.  5. 

fiL  89,  Fig.  6.  Der  etwas  kaudalere  Schnitt  der  /.  Hemisphäre  zeigt  Nc  und 
Put  noch  stärker  atrophiert.  Ebenso  weist  das  Pallidum  eine  beträchtliche  Reduktion 
seines  Höhendurchmessers  auf.  Die  Markscheiden  seiner  Fasern  sind  dabei  —  wie 
stärkere  Vergrößerungen  lehren  —  ebenso  verdickt  wie  in  der  Fig.  4  abgebildeten 
redten  Hemisphäre.  Sonst  ist  noch  auf  den  beträchtlichen  Ilydrocephalus  internus 
hinzuweisen.  Corpus  callosum  (Cc),  Capsula  interna  (Ci)  und  der  Anfang  des  Thalamus 
hssen  dagegen  keine  faßbaren  Anomalien  erkennen. 

TaL89,  Fig.  7  zeigt  dasselbe  Putamen  bei  kürzerer  Exposition.  Man  erkennt 
Wer  gut  den  Etat  fibreux.  Die  Capsula  externa  (Ce)  läßt  dagegen  keine  Anomalien 
erkennen. 

W.  89,  Fig.  8.  Im  Hirnfuß  sieht  man  nirgends  eine  lokalisierte  Degeneration. 
Die  Bündel  H^  und  H^  sind  vielleicht  etwas  schmächtiger  als  im  ganz  normalen  Gehirn. 
Sie  können  aber  nicht  als  degeneriert  bezeichnet  werden.  Das  Virq  d'Azyrsche  Bündel 
(y^l)  und  der  Fomix  (Fo)  lassen  keine  Anomalien  erkennen. 

W.  89,  Fig.  9.  Das  Corpus  Luysi  ist  annähernd  so  verkleinert  wie  in  den  Fällen 
<Jfr Huntingtonschen  Chorea:  d.  h.  sein  Höhendurchmesser  ist  um  ein  Drittel  verringert. 

Brachium  conjünctivum  und  Pyramide  sind  von  einer  gewissen  Kleinheit,  aber 
ö^ne  andere  Anomalien. 

c)  Zusammenfassung    des    anatomischen    Befundes. 

Der  architektonische   Befund   in   der  Hirnrinde   ist   ein   relativ   normaler, 
ß«  Hauptabweichung  von  der  Norm  sind  die  Infiltrationen  in  den  Blutgefäß- 
Bänden.     Aus   den   Feststellungen    Bielschovvskys   folgt,    daß   diese   Gefäß- 
^''^nuiderung  eine  typisch  paralytische  ist  und  daß  bei  stärkeren  Vergröße- 
•^cn  auch  ein  paralytischer  Prozeß  an  den  Zellen  festgestellt  werden  kann. 
^  handelt  sich  also  um  eine  progressive  Paralyse,   die  in  der  Hirnrinde 
^tz  des  langen  Bestehens  der  Erkrankung  relativ  geringe  Verheerungen  hervor- 
genifen  hat. 

Dagegen  zeigt  das  Striatum  eine  sehr  beträchtliche  Atrophie.     Ihr  liegt  in 

ostcr  Linie  ein  Untergang  der  Ganglienzellen  zugrunde,  während  die  dickeren 

Markfasem  sich  relativ  gut  erhalten  haben.    Es  hat  also  der  paralytische  Prozeß 

Wer  jene   elektive   Nekrobiose   der   Gangricnzellcn   veranlaßt,    welche   zu   dem 

architektonischen  Bilde  des  Etat  fibreux  führt.     Dabei  ist  die  Vermehrung  der 

Keurogliakerne   —  speziell  im  Putamen  —  keine  so  starke  wie  in  unseren  Fällen 

der   Huntingtonschen   Chorea.       Daneben    begegnen   wir   den    paralytischen 

!•  115 


I 

742 C.  UND  O.  VOGT. ^^^^dyJSS?' 

Veränderungen  des  Gefäßsystems,  welche  den  bisher  studierten  Untergruppe 
des  Etat  fibreux  selbstverständlich  abgingen.  Auch  das  Pallidum  zeigt  hi 
neben  einer  Schrumpfung  und  paralytischen  Gefäßveränderung  eine  Zellabnatm 
und  eine  Erkrankung  der  übrig  gebliebenen  Ganglienzellen  in  solcher  Intensita 
wie  wir  sie  bisher  in  unseren  Fällen  von  Etat  fibreux  nicht  gefunden  habei 
Dabei  weisen  die  dicken  Markfasern  des  Pallidum  externum  eine  pathologiscl 
Verdickung  (Quellung?)  von  einer  Intensität  auf,  die  auch  noch  die  im  i^.Fal 
festgestellte  beträchtlich  übertrifft.     CL  ist  etwas  verkleinert. 

Die  anderen  subkortikalen  Gehirnteile  zeigen  keine  Veränderungen,  welcl 
neben  den  eben  beschriebenen  für  die  Erklärung  der  klinischen  Symptome  i 
Betracht  kommen. 

C.  Epikrise. 

Die  Klinik  ließ  es  zweifelhaft,  ob  den  Intelligenzstörungen  in  diesem  Fal 
eine  progressive  Paralyse  zugrunde  lag.  Die  anatomische  Untersuchung  tu 
den  paralytischen  Prozeß  einwandsfrei  nachgewiesen,  gleichzeitig  aber  durc 
die  Feststellung,  daß  in  diesem  Falle  trotz  der  langen  Erkrankung  die  Rinc 
relativ  intakt  geblieben  ist,  eine  Erklärung  dafür  gegeben,  daß  die  psychischi 
Störungen  der  progressiven  Paralyse  so  wenig  hervortraten. 

In  der  fast  vollständigen  Nekrobiose  der  Ganglienzellen  des  Striatum  sehi 
wir  die  Ursache  der  Chorea.  Die  Erkrankung  des  Pallidum  dürfte  erst  allmähli« 
hinzugetreten  sein.  Die  Tatsache  dieser  Erkrankung  im  vorliegenden  Fall  leb 
uns,  daß  sie  auftreten  kann,  ohne  den  choreatischen  Charakter  der  unwillkL 
liehen  Bewegungen  zu  ändern. 

Ferner  ist  es  interessant,  daß  die  choreatischen  Zuckungen  im  Krankhei 
verlauf  zeitweise  vollständig  geschwunden  sind. 

Wir  wagen  nicht  zu  entscheiden,  ob  die  periodenweise  auftretende  Retea 
urinae  in  diesem  Fall  auch  ein  Striatumsymptom  bedeutete.  Ebensowenig  fühl 
wir  uns  berechtigt  den  schon  zwei  Jahre  nach  dem  Krankheitsbeginn  konstatiert 
,,  stumpf  sinnigen  Gesichtsausdruck"  mit  Sicherheit  als  Folge  einer  striän 
Amimik  anzusprechen. 

Der  vorliegende  Fall  beansprucht  endlich  nach  zwei  Richtungen  hin  ci 
besonderes  Interesse.  Erstens  beweist  er  die  Tatsache,  daß  in  seltenen  Falk 
der  paralytische  Prozeß  vor  allem  das  Striatum  befallen  kann.  Und  zweita 
zeigt  er  uns,  daß  der  paralytische  Prozeß  im  Striatum  im  Gegensatze  zu  des 
was  man  auf  Grund  der  Großhirnrindenbefunde  erwarten  sollte,  nicht  a 
einer  diffusen,  sondern  zu  einer  elektiven  Nekrose  der  Ganglienzellc 
führt.  Wir  sehen  in  dieser  Tatsache  einen  neuen  Beweis  dafür,  daß  die  Ganglie 
Zellen  des  Striatum  eine  ganz  besondere  Vulnerabilität  besitzen. 

19.  Beiohs  Fall  Georg  M.  {He  12). 

A.  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 
Ein  37jähriger  Mann  hat  wenigstens  das  letzte  Lebensjahr  die  typisch 
Störungen  einer  Taboparalyse  geboten.      2^/2  Wochen  vor  dem  Tode  bega 
eine  heftige  Chorea.      Reich  wird  die  Krankengeschichte  ausführlicher  v 
öffentlichen. 
116 


JJÜJJJ  a       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        743 


B.  Anatomischer  Befund, 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Eine  gröbere  Herderkrankung  war  an  der  Himobetfläche  nicht  zu  konstatieren. 
Das  Gehini  ist  dabei  von  mittlerer  Größe. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)  Befi^nde  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

I.  Cortex. 

An  einem  dem  Frontallappen  entnommenen  und  zu  Nisslpräparaten  verarbeiteten 
Block  fand  Bielschowsky  „das  typische  Bild  der  Paralyse.  Mannigfaltige  Verän- 
dcmi^en,  vorwiegend  akuter  Art,  an  den  Ganglienzellen.  (Schwellung  und  Abblassung 
des  Zcllkörpers  mit  Aufstäubung  der  chromatophilen  Elemente).  Starke  Inf  iltrations- 
ersdicinungen  (Lymphozyten  "und  Plasmazellen)  an  den  Gefäßwänden.  In  den  tieferen 
Rindenschichten  sind  außerordentlich  zahlreiche  Kapillaren  und  kleine  Blutgefäße 
von  Infiltrationszellen  dicht  umrahmt.  In  den  Außenschichten  der  Rinde  zahlreiche 
Stäbdienzellen." 

2.  Striatum  und  Umgebung. 

Till.  40,^^Fig.  1  zeigt  im  Putamen  bei  einem  Vergleich  mit  Taf.  i,  Fig.  i  einen  — 
teilweise  nesterförmig  auftretenden  —  Ausfall  von  Ganglienzellen.  In  diesen  Nestern 
ist  eine  maßige  Vermehrung  der  Neurogliakeme  sichtbar.  Die  Blutgefäße  sind  erweitert 
nnd  ihre  Zellwände  deutlich  infiltriert. 

Bielschowsky  hat  diesen  architektonischen  Befund  noch  durch  folgende  histo- 
pitix>]ogischen  Feststellungen  ergänzt :  „An  den  noch  vorhandenen  Ganglienzellen  viel- 
fech  akute  Veränderungen.  An  den  Gefäßen  dieselben  Infiltrationserscheinungen  mit 
Lynphozyten  (Lz  in  Textfig.  8,  S.  744)  und  Plasmazellen  (Plz  in  Textfig.  8)  wie  in, der 
ffinrinde.  Einzelne  Gefäße  sind  von  dicken,  aus  Infiltrationszellen  zusammengesetzten 
VaHnln  umgeben.  Neben  den  Infiltrationszellen  finden  sich  besonders  im  Putamen 
atetiche  Abbauzellen,  welche  mit  einem  pigmentähnlichen  Körper  von  gelbbrauner 
Efgenfarbe  angefüllt  sind.'* 

lU.  40,  Kg.  2  bringt  bezüglich  des  Putanien  (Put)  denselben  Befund.    Dagegen 

weist  das  Pallidum  externum  gegenüber  Taf.  i,  Fig.  2  keine  pathologischen  Verän- 

'    demngen  auf.    Es  ist  sehr  interessant  in  der  Figur  zu  beobachten,  wie  der  paralytische 

ftoicß  an  den  Blutgefäßen  im  Putamen  bei  5ofacher  Vergrößerung  als  ein  sehr  starker 

erkennbar  ist,  andererseits  aber  in  dieser  Intensität  scharf  auf  Put  begrenzt  ist  und  nicht 

«tf  Le  und  Ge  übergreift. 

lU.  40,  Fig.  8  weist  im    Pallidum  internum  (Gi)  und  dem  Nucleus  suhstantiae 
tmomnatae  nur  vereinzelte  Blutgefäße  mit  infiltrierten  Wandungen  auf.    Sonst  zeigt 
&sc  Abbildung  keine  Abweichungen  von  den  in  der  rechten  Hälfte  von  Taf.  2,  Fig.  3 
«tgelnldeten  normalen  Verhältnissen. 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

Tai  41,  Fig.  1.  Nc  und  Put  sind  —  wie  z.  B.  ein  Vergleich  mit  der  /.  Hälfte  von 
Taf.  20,  Fig.  I  lehrt  —  deutlich  verkleinert.  Auch  ist  die  innere  Kapsel  (Ct)  etwas 
massiger.  Dagegen  zeigt  ein  Vergleich  mit  Taf.  39,  Fig.  2,  daß  die  Schrumpfung  des 
Striatum  erst  im  Anfangsstadium  sich  befindet.  Nc  zeigt  an  seiner  Ventrikeloberfläche 
Kigar  noch  eine  leichte  Wölbung.  Der  erweiterte  Seitenventrikel  hat  dorsolateral  jene 
Rundung,  welche  für  denjenigen  Hydrocephalus  internus  charakteristisch  ist,  der 
irenigstens  teilweise  auf  Schrumpfung  des  Centnmi  ovale  beruht.  Entsprechend  der 
nt\  geringeren  Volumveränderung  des  Striatum  ist  Ci  auch  weniger  kompakt  und  ver- 
>reitert  als  in  Taf.  39,  Figg.  i — 3. 

117 


744 


r.  UND  o.  vor.T. 


Tai  41.  Fig.  2.    Das  Striatum  ist  deutlich  etwas  geschrumpft.    Auch  das  Paäii 

zeigt  eine  leichte  Hühenabnahme.  .W  hat  dabei  eine  gewisse  Wölbung  behalten.  1 
erweiterte  Seiten \-fntrikel  zeigt  auch  dir  in  der  vorigen  Abbildung  festgestellte  dm 
laterale  Rundung. 


Ab1)ildungen  entsprechenden  Grad 
-Gl    ;teigcn  die  leichte  Schrumpfung 


Tat  41,  Kg.  S  weist  einen  den  frühmr 
Hydrocephalus  internus  auf.  AV,  Put.  Ge  - 
vorigen  Figuren.     fP  ist  gut  entwickelt. 

Tat  *l.  Kg.  4  ergibt  denselben  Befund.  Mit  einem  leichten  Hydrocephi 
internus  verbindet  sich  eine  mäßige  Schrumpfung  des  Striatum.  Ge  weist  noch  i 
geringere  Atrophie  auf.  Cl.  zeigt  einen  nur  um  ein  Fünftel  verringerten  Höhendui 
messer  des  Taf.  26,  Fig.  8  abgebildeten  normalen  Corpus  Luysi. 

Brafhiuiii  fonjunctivuni  und  Pyramidf  sind  etwas  verkleinert,  sonst  von  norm« 
Befund. 

c)  Zusatnincnfassung  des  anatomischen  Befundes. 
Neben  eineiTi  ausgesprochen  paralytischen  Befund  in  der  Uimrinde  ha 
wir  zahlreiche  typisch  pamly tische  fiefäßverändcrungen  im  Puiatnen.  1 
selben  finden  sich  im  Pallidum  nur  in  sehr  <;eringer  Menge.  Dazu  kommt  1 
partielle,  stellenweise  nesterfömiig  auftretende  elektive  Zellnekrose  im  Strial 
Sie  hat  erst   zu   einer  geringen   Schrumpfung  und   noch   /.a  keinem   deutlic 


üth^Si  %      ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        745 


8. 


Etat  fibreux  im  Striatum  geführt.  Im  Vergleich  zu  den  starken  Veränderungen 
im  Striatum  sowie  den  schwächeren  im  Pallidum  und  Corpus  Luysi  zeigen  die 
übrigen  subkortikalen  Hirnteile  nur  geringe  pathologische  Abweichungen  von 
der  Norai. 

C.  Epikrise, 

Die  Aufdeckung  einer  erst  einsetzenden  elektiven  Zellnekrose  im  Striatum 
deckt  sich  gut  mit  der  klinischen  Tatsache  einer  nur  wenige  Wochen  alten  Chorea. 

ZuBammenfassung. 

In  den  beiden  vorstehenden  Fällen  hatten  wir  auf  Grund  der  Kranken- 
gcsdiichten  eine  Striatumerkrankuhg  diagnostiziert.  Es  ergab  sich  jedesmal 
ein  im  Blutgefäßapparat  typisch  paralytischer  Prozeß,  der  gleichzeitig  im 
Striatum  zu  einer  Zellnekrose  geführt  hatte.  , 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen. 

Allen  diesen  Fällen  ist  gemeinsam,  daß  sich  bei  ihnen  im  erwachsenen 
Striatum  progressiv  eine  elektive  Nervenzellnekrose  ausgebildet  hat.  Gleich- 
»itig  trat  eine  so  weitgehende  Ersatzwucherung  der  Neuroglia  auf,  daß  es  zu 
keinen  größeren  Hohlräumen  kam,  aber  eine  starke  Striatumschrumpfung 
nicht  unterblieb.  Da  sich  bei  dieser  Erkrankung  die  dickeren  (strio-petalen) 
Markfasem  —  wenigstens  zu  einem  großen  Teil  —  erhalten,  werden  die  Reste 
te  Striatum  anormal  markhaltig.  So  entsteht  ein  Etat  fibreux.  An  der  Nerven- 
allnekrose  nehmen  auch  die  großen  Ganglienzellen  des  Striatum  teil,  wenn  sie 
aodi  länger  dem. Zerfall  widerstehen. 

Dieser  pathologische  Prozeß  kann  nun  als  ein  im  wesentlichen  identischer 

'*>liert,  in  Verbindung  mit  der  typischen  Großhirnveränderung  der  Hunt ington- 

8ch«i  Chorea  und   als  Teilerscheinung  einer  progressiven  Paralyse  auftreten. 

Wir  haben  hier  also  die  annähernd  gleiche  anatomische  Veränderung  als 

Reaktion  auf  wenigstens  drei  ungleiche  Ätiologien. 

Andererseits  zeigt  jede  der  drei  Formen  des  progressiven  Etat  fibreux  eine 
spezifische  Färbung:  diejenige  der  Huntingtonschen  Chorea  zeigt  eine 
Volkere  Gliose,  diejenige  der  progressiven  Paralyse  typisch  paralytische  Gefäß- 
^^derungen. 

Von  größtem  Interesse  ist  dann  weiter  die  Tatsache,  daß  der  annähernd 
identische  Prozeß  im  Striatum  stets  die  gleiche  progressive  bilaterale  Chorea 
'hervorrief,  mochte  nun  die  Erkrankung  isoliert,  in  Verbindung  mit  der  Hunting- 
tonschen Großhirnerkrankung  oder  im  Verlauf  einer  progressiven  Paralyse 
auftreten. 

Die  Erkrankung  des  Striatum  war  einerseits  eine  so  starke,  die  begleitende 

des  Pallidum  (und  des  Corpus  Luysi)  meist  eine  soviel  geringere,  daß  wir  die 

choreatischen  Bewegungen  auf  eine  Enthemmung  des  Pallidum  zurückführen 

möchten.     Die  Erkrankung  des  Pallidum  kann  dabei  eine  stärkere  sein  als  in 

unseren  Fällen  von  Etat  marbrö  (speziell  Fall  i8),  so  daß  man  unmöglich  die 

athetotischen  Bewegungen  des  Etat  marbr6  mit  Kleist  auf  eine  stärkere  Mit- 

119 


746 C.  UND  O.  VOGT. ^"^N J 

erkrankung  des  Pallidum  bei  diesem  pathologischen  Prozesse  zurüc 
kann.  Einen  anderen  Erklärungsversuch  für  diese  verschiedenen  Krai 
bilder  haben  wir  oben  S.  70if.  unternommen. 

Endlich  seien  die  Kliniker  für  die  Zukunft  vor  allem  darauf  hing( 
in  Augenblicken  relativer  Ruhe  auf  Akinesen  zu  achten  und  femer  zi 
suchen,  wie  weit  und  unter  welchen  speziellen  Umständen  die  heute 
physiologisch  noch  ganz  unklare,  öfter  von  Autoren  —  so  auch  von  I 
im  Fall  13  —  beobachtete  Hypotonie  in  Erscheinung  tritt. 


120 


J*J?Lj£t  .       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         747 


IV.  Pille  von  Etat  dysmyäiniqtte. 

Unter  dem  Etat  dysmyilinique  (Status  dysmyelinisatus)  möchte  C^cile  Vogt 
das  Ergebnis  eines  pathologischen  Prozesses  verstanden  wissen,  welcher  unter 
gleichzeitiger  Volumenverminderung  zu  einer  Verarmung  der  striären  Mark- 
faserung  führt  und  zwar  besonders  im  Gebiet  des  Pallidum.  Die  beiden 
uns  zur  Verfügung  stehenden  Fälle  stellen  seit  der  frühesten  Kindheit 
bestehende  Erkrankungen  dar  und  bilden  klinisch  das  Bild  einer  progressiven 
reinen  Starre.  In  enger  Beziehung  zu  diesem  pathologischen  Prozeß  und 
seinem  Krankheitsbilde  dürfte  entsprechend  den  Ausführungen  in  unserer  Mit- 
teilung „Zur  Kenntnis  usw.*'  Oskar  Fischers  i.  Fall  stehen.  Er  zeichnet  sich 
von  den  beiden  jetzt  zunächst  näher  zu  schildernden  Fällen  dadurch  aus,  daß 
er  nicht  eine  schon  in  frühester  Kindheit,  sondern  erst  im  juvenilen  Alter 
entstandene  Erkrankung  darstellt.  Ein  Bindeglied  zwischen  diesen  beiden  Unter- 
gruppen von  Etat  dysmyilinique  scheint  ein  Fall  Rothmanns  zu  bilden. 

Derselbe  betraf  ein  Mädchen,  welches  im  12.  Jahre  verstarb.     Es  handelte  „sich 
^  ein  anfangs  anscheinend  normales  Kind,  das  nur  langsam  laufen  und  sprechen 
lernte.  Erst  vom  6.  Lebensjahre  an  entwickelten  sich  spastische  Zustände  an  den  Extre- 
mitäten mit  choreatisch-athetotischen  Bewegungen ;  doch  lernte  das  Kind  noch  lesen, 
►  schreiben  und  rechnen.    Erst  vom  10.  Lebensjahr  an  verschlimmerte  sich  der  Zustand 
Mdtuemd,  die  Zwangsbewegungen,  die  auch  auf    Gesicht-  und   Schlundmuskulatur 
itepiffen,  verstärkten  sich  derart,  daß  sie  jede  brauchbare  Willkürbewegung  sowohl 
io  <ien  Extremitäten  als  auch  in  der  Sprachmuskulatur  fast  unmöglich  machten.    Nur 
'   im  zusammengekauerten  Zustande  fand  das  Kind  noch  bisweilen  Ruhe.     Interessant 
*ar  das  Aufhören  der  Zwangsbewegungen  unter  Wiederauftreten  leidlicher  Willkür- 
bew(^ngen  und  verständlicher  Sprache  bei  leichtem  Anchloroformieren.     Exitus  in 
schwer  besinnungslosem  Zustande.  Am  Gehirn  fiel  makroskopisch  bereits  eine  eigentüm- 
lich dunkle  Verfärbung  und  Schrumpfung  des  Globus  pallidus  des  Linsenkerns  beider- 
seits auf.  •  Die  Hirnrinde  erwies  sich  als  intakt."     ,,In  Weigertpräparaten  der  großen 
Ganglien"  waren  ,, zahlreiche  sklerotische   Herde  mit  reichlicher  Gefäßneubildung  im 
GeWct  des  Globus  pallidus  bei  intaktem  Putamen  und  Nucleus  caudalus  sichtbar". 

A.  Beschreibung  der  Fälle. 
20.  Oallns'  Fall  Gerhard  E.  [Biel  25). 

A.  Krankengeschichte. 

Gerhard  F.,  ehelicher  Sohn  eines  Eisenbahnarbeiters,  geb.  am  17.  Januar  1907 
u  Berlin.  Die  Eltern  sind  nicht  blutsverwandt  und  nicht  lungenkrank.  Auch  sind 
Msteskrankheiten  aus  der  Aszendenz  nicht  bekannt.  Die  Mutter  soll  acht  Fehl- 
;cburten  gehabt  haben  und  fünf  andere  Kinder,  von  denen  zwei  an  Krämpfen,  einer 
luTch  einen  Unfall  und  zwei  an  Lungenentzündung  gestorben  sind. 

Der  Patient  ist  als  Siebenmonatskind  zur  Welt  gekommen;  die  Geburt 
lauerte  lange.  Es  lag  Steißlage  vor  und  es  ist  eine  Wendung  vorgenommen  worden. 
>as  Kind  ist  fünf  Monate  mit  Muttermilch  ernährt  worden.  Die  Krankheit  begann 
lach   Angabe  der   Mutter  im  sechsten   Lebensmonat    mit    Krämpfen.     Das   Kind 

121 


748  C.  UND  O.  VOGT.  '"^^^i) 


und  NeorcÄiglA. 


machte  die  ersten  Sprechversuche  mit  einem  Jahr.  Es  hat  nie  laufen  gelernt. 
Die  geistige  Entwickelung  war  angeblich  gut,  die  Gemütsart  gutmütig.  Die 
Krämpfe  und  die  Spannungserscheinungen  sollen  seit  dem  ersten  Krampf- 
anfall im  sechsten  Lebensmonat  allmählich  zugenommen  haben.  Patient  wurde 
191 1  im  Oskar- Helenen- Heim  (Prof.  Biesalski)  aufgenommen. 

Aufnahmesiatus:  Unruhiges  Kind  mit  fortwährenden  athetotischen 
Bewegungen^  einschließlich  des  Gesichts.  Dauerndes  unverständliches 
Stammeln.  Auf  Fragen  antwortet  es  ganz  verständig.  Es  bezeichnet  einen 
Xorgehaltenen  Gegenstand  richtig,  scheint  bildungsfähig  zu  sein. 

Bei  irgendwelchen  Einwirkungen  psychischer  Art  —  wie  Fragen,  Ansehen 
von  Bildern  —  oder  mechanischer  Art  (Berührung  der  Haut  oder  Streckung  eines 
Gelenks)  steigern  sich  die  unwillkürlichen  Bewegungen  zu  äußerster  Unruhe  der 
ganzen  Körpermuskulatur. 

Spasmus  der  Arme  und  Schultern,  ebenso  in  schwerer  Form  der 
Beine,  die  meist  in  rechtwinkliger  Beugung  in  Hüfte  und  Knie  gehaHen 
werden. 

Bei  Beugung  der  Knie  sind  die  Strecker  in  extremer  Kontraktion. 

Füße  meist  supiniert,  plantarflektiert,  adduziert. 

Reflexe  bei  der  ewigen  Unruhe  schwer  auszulösen. 

Bei  leichter  Berührung  der  Sohlen  gehen  die  Zehen  in  die  Höhe. 

Leise  Berührung  der  Außenseite  des  Thorax  ruft  eine  sofortige  Bewegung  von 
Becken  und  Schultergürtel  nach  derselben  Seite  hervor. 

Gehen,  Stehen,  Sitzen  unmöglich. 

Starke  Spasmen  der  Adduktoren;  es  gelingt  unter  Anwendung  großer  Kraft, 
die  Beine  etwas  zu  spreizen. 

13.  11.  191 1.  Patient  erkrankt  mit  Fieber  an  Bronchopneumonie  und  wirft 
sich  unruhig  im  Bett  hin  und  her. 

19.  11.  1911.  Durch  kräftige  Ernährung  ist  es  gelungen,  den  Allgemeinzastand 
und  das  Körpergewicht  zu  heben. 

28.  2.  1912.  An  den  Spasmen  keinerlei  Veränderung  eingetreten;  dagegen  ge- 
winnt man  den  Eindruck,  daß  die  athetotischen  Bewegungen  etwas  zurückgegangen  sind. 

16.  3.  1912.  Foerstersche  Operation.  Resektion  von  L2,  L3,  L5,  Si 
und  S2  der  rechten  Seite. 

15.  4.  1912.  Nach  längeren  Eiterungen  der  Narbe  ist  die  Wunde  jetzt  fast  voH^ 
ständig  zugeheilt. 

25.  4.  1912.     Das  rechte  Bein  ist  viel  beweglicher  als  das  linke. 

15.  5.  1912.  Die  Operations  wunde  ist  völlig  verheilt.  Das  rechte  Bein  ist 
weniger  gespannt  als  das  linke. 

I.  6.  191 2.  Es  werden  täglich  Übungen  gemacht.  Das  rechte  Bein  ist  leicht 
zu  bewegen,  das  linke  setzt  den  Bewegungen  starken  Widerstand  entgegen. 

15.  8.  1912.     Passive  Bewegungen  werden  fortgesetzt.   Lagerung  mit  Sandsäcken. 

20.  9.  19 12.  Nach  vorübergehender  Unterbrechung  der  Übungen  infolge  von 
Temperatursteigerungen  und  Furunkulose  werden  jetzt  die  Übungen  täglich  fortgesetzt. 
Die  passiven  Bewegungen  des  rechten  Beines  begegnen  geringerem  Widerstand 
als  diejenigen  des  linken.  Sonst  ist  in  dem  Zustand  des  Jungen  keine  Änderung  ein- 
getreten. 

21.  II.  1912.     Angina. 

*30.  I.  1913.     Da  die  Kontrakturen  am  linken  Knie  und  in  beiden  Hüftgelenken 
nicht   nachgelassen   haben,    beiderseits    Tenotomie    der    Adduktoren   und   der 
Beuger  des  linken  Knies.    Gips  mit  Einschluß  des  Beckens  in  Abduktion  und  Über- » 
Streckung  des  Kniegelenks. 

.9.  2.  1913.  Temperaturerhöhung  bis  zu  40®.  Der  Junge  hustet  viel,  hat  schleimig- 
eitrigen Auswurf.  Über  beiden  Lungen  giemende  und  schnurrende  laute  Geräusche. 
Keine  Dämpfung. 

122 


4 

i 


2ii5:JJ22'  s     ^^r  lehre  der  Erkrankungen  des  striären  Systems.      749 


s^ 

14.  2.  1913.  Temperatur  normal,  Auswurf  reichlich,  Geräusche  über  den  Lungen 
unverändert. 

24.  2.  19 13.  Pirquetsche  Hautreaktion  stark  positiv.  Temperatur  andauernd 
nonnaL 

17.  3.  1913.     Starker  Furunkel  in  der  Scapulagegend. 

20.  3.  1913.    Allgemeinstatus  gut.  Temperatur  normal.  Kein  Husten  und  Auswurf . 

8.  4.  191 3.  Die  täglichen  Übungen  werden  fortgesetzt.  Fortschritte  nur  gering. 
Die  athetotischen  Bewegungen  sind  immer  noch  stark.  Der  Knabe  wird 
täglich  aufgesetzt  und  in  sitzender  Stellung  angebunden.  Normale  Temperatur.  Gutes 
Allgemeinbefinden.     Gewicht:  13,5  kg. 

10.  5.  191 3.  Fortsetzung  der  Übungstherapie  und  der  Sitzübungen.  Status 
unverändert. 

15.  6.  191 3.  Die  Übungen  haben  nur  einen  sehr  geringen  Erfolg  gehabt.  Der 
Zustand  ist  nicht  verschlechtert,  aber  auch  nicht  gebessert. 

22.  7.  1913.  Zustand  unverändert.  Die  Übungen  für  beide  Beine  und  Arme  werden 
fortgesetzt,  auch  die  Sitzübungen.     Gewicht:  13,5  kg. 

16.  IG.  1913.  Unveränderter  Zustand.  Gewicht:  15,2  kg.  Erfolge  der 
Übungen  nur  sehr  gering.  Die  athetotischen  Bewegungen  bestehen  weiter 
in  gleicher  Stärke  fort. 

14.  11.  191 3.     Kinderfaustgroßer  Abszeß  auf  dem  Rücken. 

4.  I.  1914.  Inzwischen  neue  Abszesse,  die  alle  inzidiert  werden  mußten  und  zum 
Teil  zu  Fisteln  führen. 

15.  5.  1916.  Patient  ist  sehr  wenig  intelligent,  ist  in  fortwährender 
Bewegung.  Seine  Muskeln  sind  sämtlich  gespannt.  Darauf  ist  wahrscheinlich 
zurückzuführen,  daß  Sehnenreflexe  schwierig  auszulösen  sind.  Die  Spasmen  am 
Arm  wie  am  Bein  sind  sehr  erheblich.  Patient  liegt  mit  überstrecktem  Knie- 
gelenk. Die  Füße  sind  auswärts  rotiert.  Alle  Glieder  sind  sehr  mager.  Aktiv  ist 
CS  Patient  anscheinend  unmöglich,  irgendeine  gewollte  Bewegung  auszuführen. 
Vom    Stehen   oder   Gehen   kann   keine   Rede  sein. 

23.  6.    1916.     Patient  hat  viele  Krampfanfälle  am  Tage. 

25.  10.  1916.  Zustand  hat  sich  im  allgemeinen  nur  wenig  verändert  und  die 
athetotischen  Bewegungen  bestehen  nach  wie  vor.  Auch  Krampfanfälle  treten  noch 
zeitweilig  auf.    Patient  liegt  im  Bett  auf  dem  Rücken,  unfähig  sich  aufzurichten. 

In  die  Brandenburgische  Provinzialheilanstalt  für  Epileptische  in  Potsdam  über- 
führt. 

Aus  der  Anamnese  dieser  Anstalt  ist  noch  hervorzuheben,  daß  bei  den  einzelnen 
Krampfanfällen  das  Bewußtsein  nur  teilweise  schwindet  und  daß  Patient  nachher 
nicht  schlafsüchtig  oder  aufgeregt  ist.  Die  Dauer  des  Anfalles  ist  verschieden.  Eine 
Abnahme  der  Geisteskräfte  ist  nicht  beobachtet  worden.  Patient  hat  keine  Schul- 
kenntnisse.   Er  kann  nicht  nur  weder  stehen  noch  gehen,  sondern  auch  nicht  allein  essen. 

Status  am  4.  11.  1916: 

Körpergewicht:   14  kg.     Größe:   105  cm. 

Knochenbau  gracil,  Muskulatur  und  Ernährungszustand  dürftig. 

Atrophie  der  Beinmuskulatur. 

Keine  Dermographie,  Exantheme  oder  Ödeme. 

Behaarung:  0.  B. 

Verletzungen:  o 

Schädel  dolichocephal,  Umfang  49  cm. 

Ohren  groß,  anliegend,  wohlgebildet. 

Augenbewegungen  anscheinend  frei. 

Pupillen  mittelweit,  gleich,  rund.  Direkte  Lichtreaktion  erhalten.  Konvergenz- 
reaktion  nicht  prüfbar.  da  Patient  nicht  fixiert. 

Gesichtsausdruck:   blöde. 

123 


7  so C.  UND  O.  VOGT. "^St&l^ 

• 

Fazialis:  linksseitige  Parese. 

Zunge  weicht  nach  links  ab. 

Würgreflex  vorhanden. 

Zähne:  obere  Schneidezähne  stehen  spitzwinklig  schief.     Gebiß  defekt. 

Sprache  undeutlich  und  schwer  verständlich. 

Hals:  o.  6. 

Brustkorb  flach^  Perkussion  der  Lungen  o.  B.^  vereinzelte  bronch.  Geräusche 
beiderseits,  Husten,  kein  Auswurf. 

Herz:  Töne  rein;  Puls:  kräftig,  regelmäßig;  Grefäße:  weich. 

Unterleib:  o.  B. ;  keine  Hernien. 
'     Genitalien:   kindlich,  Phimose,  kein  Ausfluß,  keine  Narben  oder  L^^mphdrüsen. 

Obere  Gliedmaßen:    R.  Oberarm  im  Schultergelenk  spitzwinklig  fixiert. 

Am  Schultergelenk  mehrere  bis  2  cm  lange,  eingezogene  und 
mit  dem  Knochen  verwachsene  Narben.  Arme  in  Beuge- 
stellung leicht  kontrahiert.  Hände  machen  athe- 
totische  Bewegungen;  nur  mit  der  /.  Hand  vermag 
er  Gegenstände  festzuhalten.    Reflexe:  vorhanden. 

Untere  Gliedmaßen:  10 cm   lange   Narbe   über  der  unteren   Wirbelsäule,   9 cm 

lange  Narbe  über  /.  Kniekehle.  An  beiden  Inguinalgegenden 
feine,  etwa  3  cm  lange  Narben.  R.  Patella  schaut  nach 
innen.  Beine  in  Streckstellung  kontrahiert.  Passive 
Bewegungen  sind  schmerzhaft,  /.  nur  in  geringem 
Grade  möglich.      R.  Fuß  in  überstreckter  Stellung. 

Gang:  kann  weder  stehen,  sitzen  noch  gehen. 

Patellarreflex:  nicht  auslösbar. 

Achillesreflex:  vorhanden. 

Sohlenreflex:  vorhanden. 

Bauchdeckenreflex:  schwach. 

Berührungs-  und  Schmerzempfindlichkeit:  anscheinend  ungestört. 

4.  11.  16.  Ist  freundlich  und  vergnügt,  antwortet  gern,  ist  aber  schwer  zu  ver- 
stehen. Gibt  Alter  und  Namen  sowie  Herkunft  richtig  an.  Weiß,  daß  gr  hier  in  Pots- 
dam jst  und  kennt  die  Pflegerin  bei  Namen.  Liegt  steif  im  Bett,  kann  sich  nicht 
aufsetzen  und  auch  nicht  aufgesetzt  werden.  Kopf  und  Hände  werden  oft  in  un- 
geordnete Bewegungen  versetzt. 

6.  11.  16.  Stimmung  wechselnd.  Oft  heiter  und  gesprächig,  dann  wieder  weiner- 
lich und  unleidlich.     Näßt  viel  ein. 

20.  11.  16.  Freundlich  und  zufrieden.  Beteiligt  sich  gern  am  Unterricht  der 
Kindergärtnerin. 

27.  11,  16.  Einige  Tage  leichte  Temperatursteigerungen.  Hatte  etwas  Durch- 
fall, hustete  zeitweise  und  war  etwas  heiser. 

15.  12.  16.  Wieder  unregelmäßige  Temperatursteigerungen.  Klagte  viel  über 
Kopfschmerzen,  war  zeitweise  sehr  unruhig.    Sonst  kein  objektiver  Befund. 

31.  12.  16.  Nur  noch  ab  un3  zu  leichte  Temperatursteigerungen.  Verhalten 
wechselnd:  oft  tagelang  ruhig  und  zufrieden,  dann  wieder  unruhig,  krampf- 
artige Gesichtsverzerrungen,  lebhaHFte  ungeordnete  und  unwillkürliche 
Bewegungen  des  /.  Armes  und  der  /.  Hand.  Ist  dann  sehr  unleidlich  und  klag- 
sam. —  Gewicht:  15,0  kg. 

1917. 

31.  I.     Hin  und  wieder  leichte  Temperatursteigerungen.     Ist  öfter  etwas  heiser. 
Oft  tagelang  sehr  unruhig,  kann  dann  nicht  still  liegen,  verzieht  das  Gesicht, 
bewegt/.  Hand  krampfhaft;  ist  dann  sehr  unleidlich.  —  Gewicht:  12,0  kg.  — Chloral- 
hydrat  bzw.   Luminal  nach   Bedarf  (0,5  bzw.  0,15). 
124 


^^mvSSt  8.      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        75 1 

20.  2.  Gestern  wieder  subfebrile  Temperaturen.  Nachts  etwas  unruhig,  dann 
zunehmende  Schwäche. 

Exitus  letalis  2,30  Uhr  Vorm. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Der  sehr  klein  und  körperlich  dauernd  unentwickelt  gebliebene  Pat.  ist 
als  Siebenmonatskind  erst  nach  langem  Geburtsakt  zur  Welt  gekommen.  Mit 
6  Monaten  Krämpfe.  Dann  zunehmende  Spannungserscheinungen  mit  atheto- 
tischen  Bewegungen  in  der  gesamten  Körpermuskulatur,  welche  zur  normalen 
Zeit  die  Entwickelung  einer  allerdings  nur  schwer  verständlichen  Sprache  er- 
n>|öglichten,  aber  nie  ein  Gehen,  Stehen  oder  Sitzen  gestattet  haben.  Pseudo- 
babinski.  Foerstersche  Resektion  von  L2,  Lj,  7.5,  Si  und  52  der  rechten 
Seite  machte  das  rechte  Bein  dauernd  beweglicher.  Psychische  und  körperliche 
Reize  steigerten  die  Spasmen  und  die  athetotischen  Bewegungen  bedeutend. 
In  den  letzten  Jahren  vollständige  Versteifung  der  Beine  und  des  Rumpfes. 
Dabei  tagelange  Anfälle  schwerer  unwillkürlicher  Bewegungen  im  Gesicht  und 
den  oberen  Extremitäten  mit  Zeiten  der  Ruhe  wechselnd.  Mäßige  Intelligenz. 
Der  Gesichtsausdruck  wird  als  „blöde"  bezeichnet. 

B.  Anatomische  Untersuchung. 

a)  Makroskopischer   Befund. 

Das  Gehirn  ist  eher  groß.  Außerdem  fällt  es  durch  seine  Breite  auf.  Sonst  ergibt 
der  makroskopische  Befund  nichts  Pathologisches. 

> 

b)  Mikroskopischer   Befund. 

TaL  42;  Rg.  1.   £s  handelt  sich  um  die  oralsten  Partien  des  Striatum.   Sie  zeigen* 
eine  gute  Volumenentwicklung.  Dagegen  ist  die  Zahl  ihrer  kleinen,  meist  quer  getroffenen 
FaserbündelcheTl  gegenüber  der  Norm  beträchtlich  reduziert.     Man  vergleiche  Nc 
dieser  Figur  mit  Nc  von  Taf .  56,  Figg.  i  und  2 ! 

TaL  42,  Fig.  2.  Wir  begegnen  hier  ebenfalls  einer  zweifellos  pathologischen 
Armut  an  Faserbündeln  im  Striatum,  Besonders  auffallend  tritt  diese  Erscheinung 
in  dem  linken  Put  hervor.  Aulkrdem  muß  noch  eine  auffallende  Vorwölbung 
des  letzteren  lateral wärts  und  eine  anormale  Breite  des  in  der  Figur  allerdings  nur 
teilweise  abgebildeten  Claustnim  konstatiert  werden. 

Tat  42,  Pig.  8.  In  Nc  begegnen  wir  jetzt  mehr  Faserbündeln  als  oraler,  wenn 
auch  ihre  Zahl  und  vor  allem  die  Dunkelheit  ihrer  Färbung  deutlich  hinter  der  Norm 
zurückbleibt.  Man  ziehe  zum  Vergleich  Taf.  49,  Fig.  2  heran !  Dagegen  entbehrt  das 
ventrale  Verbindungsgebiet  zwischen  Nc  und  Put  und  Put  selbst  auch  hier  noch  in 
der  bisherigen  auffallenden  Weise  dieser  Bündel.  Die  laterale  Vorwölbung  von  Put 
ist  jetzt  ebenfalls  in  der  rechten  Hemisphäre  erkennbar.  In  der  linken  Hemisphäre 
ist  das  Claustnim  (C/)  in  voller  Ausdehnung  noch  zur  Abbildung  gelangt  und  zeigt 
die  schon  bei  Beschreibung  der  vorigen  Figur  kurz  erwähnte  auffallende  Breite.  Gieson- 
bilder  dieser  Gegend  lassen  keine  sicheren  Anomalien  in  der  gröberen  Cytoarchi- 
tektonik  des  Striatum  erkennen. 

TaL  48,  Kg.  1.  In  Nc  und  dem  dorsalen  Teil  von  Put  der  hier  allein  abgebildeten 
linken  Hemisphäre  existieren  jetzt  mehr  Faserbündel.  Dagegen  fällt  auch  hier  die  große 
Breite  des  Putamen  und  des  Claustrum  auf.  Im  Gegensatz  dazu  ist  der  jetzt  zum  ersten 
Male  getroffene  orale  Anfang  des  Pallidum  (ße)  nicht  verbreitert.  Dagegen  zeigt  er 
eine  auffallende  Blässe,  so  daß  er  sich  vom  Putamen  kaum  abhebt.  Dabei  ist  die  dor- 
sale HäUte  deutlich  etwas  dmikler  als  die  ventrale. 

125 


752 C.  UND  O.  VOGT.  ^""Sd  H.o^SS^'' 

Tat  48,  Fig.  2.  Es  handelt  sich  hier  um  einen  ähnlichen  Schnitt  einer  Serie  eines 
normalen  Erwachsenen.  Put  ist  hier  nur  i^j  mal  so  breit  als  der  orale  Anfang  des 
Pallidum,  während  es  in  der  Fig.  i  dieser  Tafel  die  doppelte  Breite  zeigt.  Der  Farben- 
Unterschied  ist  dabei  zwischen  den  beiden  Abschnitten  des  Lentiforme  beträchtlidi 
größer  als  in  der  vorigen  Figur.  Außerdem  zeigt  das  Putamen  eine  geringere  laterale  Vor- 
wölbung und  das  Claustrum  eine  wesentlich  geringere  Breite. 

Tai  43,  Fig.  8  gibt  bei  5ofacher  Vergrößerung  einen  Ausschnitt  aus  dem  ventralen 
Teil  des  Pallidum  von  Taf.  43,  Fig.  i  wieder.  Bei  einem  Vergleich  mit  der  folgenden 
Figur  erkennen  wir,  daß  hier  die  zahlreichen  Bündel  feiner  Fasern,  welcjie  das  normale 
Pallidum  in  dieser  Schnittebene  auszeichnen,  vollständig  fehlen,  daß  dagegen  die 
dicken  Fasern  offenbar  durch  Aneinanderrücken  eine  scheinbare  Vermehrung  erfahren 
haben.  Die  dorsale,  in  Taf.  43,  Fig.  i  etwas  dunkler  gefärbte  Hälfte  des  Pallidum  ent- 
hält dagegen  jene  Markfaserbündel,  wenn  auch  in  anormal  geringer  Zahl.  Einige  der- 
selben kann  man  auch  dabei  durch  die  Capsula  interna  hindurch  bis  in  Nc  hinein 
verfolgen. 

Tai.  43,  Fig.  4  zeigt  dieselbe  Stelle  der  r.  Hemisphäre  jenes  Falles  des  Biel- 
schowskyschen  Tj'pus  zerebraler  Hemiatrophie,  von  welchem  wir  Taf.  23,  Figg.  2  und  3 
bereits  Abbildungen  gebracht  haben.  Die  betreffende  Hemisphäre  bot  —  obwohl  von 
einem  23  jährigen  Individuum  stammend  —  die  gleiche  Größe  dar  wie  das  zurzeit 
studierte  Gehirn.  Im  Gegensatz  zu  Taf.  43,  Fig.  3  ist  nun  das  Pallidum  hier  im  wesent- 
lichen durch  Bündel  feiner  Fasern  ausgefüllt  und  sind  die  dazwischen  gelagerten  groben 
Fasern  weniger  zahlreich  vorhanden  als  in  der  Fig.  3. 

TaL  44,  Fig.  1  bringt  einen  Schnitt  aus  der  Gegend  der  rechten  Hemisphäre, 
wo  das  orale  Gebiet  der  Pars  interna  {Gil  +Gim)  des  Pallidum  bereits  aufgetreten 
ist.  Jetzt  zeigen  Nc  und  Put  die  normale  2^hl  von  Faserbündeln.  Aber  sie  sind  anormal 
hell.  Man  vergegenwärtige  sich  nur  die  Dunkelheit  der  Striatumbündel  der  nur  2  Jahre 
älteren  Marie  S.  (Fall  8)  in  Taf.  15,  Fig.  4!  Dieser  Differenz  liegt  in  erster  Linie  kein 
Unterschied  in  der  Zahl  der  Fasern,  sondern  im  Kaliber  (oder  der  Färbbarkeit  ?)  ihrer 
Markscheiden  zugrunde.  Es  fällt  endlich  auch  hier  die  laterale  Vorwölbung  von  Put 
und  seine  große  Breite  auf.  Die  letztere  gilt  ebenfalls  noch  von  Cl.  Im  Gegensatz  zu 
Put  +  Nc  ist  Ge  annähernd  von  normaler  Breite,  aber  von  verminderter  Höbe,  Gi 
dagegen  deutlich  in  allen  Richtungen  reduziert.  Man  ziehe  aus  den  Ergänzungsheft» 
des  18.  Bds.  Taf.  3,  Fig.  7  heran!  Man  erkennt  bei  diesem  Vergleich  femer,  daß  jetzt 
Ge  von  Bündeln  der  feinen  strio-pallidären  Fasern  erfüllt  ist  und  zwar  in  einer  patho- 
logisch dichten  Weise.  Die  Zahl  der  dicken  Fasern  ist  dagegen  hier  beträchtlich 
gegenüber  der  Norm  vermindert.  Dieses  hat  zu  einem  dichteren  Aneinanderrücken  der 
Bündel  der  strio-pallidären  Faserung  geführt.  Gi  ist  in  seiner  Gesamtheit  auffallend 
faserarm.  Speziell  hebt  sich  aber  Gil  durch  besondere  Helligkeit  ab.  Endlich  zeigen 
auch  Le,  Li,  La,  AI  und  LI  eine  deutliche  Faserarmut.  Daß  dieselbe  überall  auf 
Schwund  dicker,  früh  markreifer  Fasern  beruht,  lehrt  ein  Vergleich  mit  Taf.  3,  Fig.  2 
und  Taf.  4.  Fig:  i. 

Tal.  44,  Fig.  2.  Es  handelt  sich  um  einen  Teil  eines  weiter  kaudal  gel^enen 
Schnittes  der  linken  Hemisphäre.  Ein  Vergleich  mit  der  Fig.  3  dieser  Tafel  von  einem 
normalen  Gehirn  eines  14  jährigen  Knaben  zeigt  die  außergewöhnliche  Faser- 
armut der  abgebildeten  Teile  des  Pallidum.  Sie  ist  in  allen  Gebieten  des  Pallidum, 
seinen  Lamellen  und  in  der  Ansa  lenticularis  in  starkem  Maße  vorhanden.  Ganz  be- 
sonders aber  tritt  sie  in  den  ventraleren  Partien  von  Ge,  Gil  und  Gim  auf.  Infolge 
dieser  Faserarmut  kommt  es  kaum  zu  einer  erkennbaren  La  und  zu  einer  wenig  sich 
von  Gim  abhebenden  LI.  Dabei  ist  Gi  auch  deutlich  in  seinem  Volumen  reduziert; 
dies  gilt  vor  allem  von  Gil.  Femer  zeigen  die  von  LI  zu  H^  und  Cl  ziehenden  Fasern 
eine  starke  Verringerung.  Diese  führt  direkt  zu  ^iner  deutlichen  Aufhellimg  der  Über- 
gangsstelle zwischen  Capsula  interna  und  Pcs  pedunculi  unmittelbar  lateral  von  H* 
und  CL.  Sie  bedingt  endlich  eine  starke  Volumenreduktion  sowie  eine  auch  dabei 
126 


Br^^lph^^S.     ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS-         753 

loch  hervortretende  Helligkeit  des  hier  in  seiner  größten  Dicke  getroffenen  Forel- 
>chen  Bündels  H^  und  eine  Kleinheit  des  eben  angeschnittenen  CL. 

Das  Giesonbild  eines  benachbarten  Schnittes  lehrt  eine  zweifellose  Abnahme 
ier  Ganglienzellen  des  Pallidum. 

TbL  44,  Fig.  8  bringt  einen  annähernd  identischen  Schnitt'  von  einem  in  bezug 
luf  diese  Himgegend  normalen  14  jährigen  Knaben  (P  4r  unserer  Sammlung).  Unter 
Hinweis  auf  das  bereits  in  den  normal-anatomischen  Vorbemerkungen  über  das  striäre 
System  Gesagte  seien  an  dieser  Figur  die  folgenden  Feststellungen  erhoben.  Im  Ver- 
gleich mit  Taf.  45,  Figg.  i  und  2  begegnen  wir  in  Ge  einer  wesentlich  größeren  Faser- 
nenge.  Ein  mittlerer  Hauptteil  von  Ge  ist  am  faserreichsten.  Ihm  gegenüber  weist 
ier  ventralste  Teil  eine  gewisse  und  der  dorsalste  eine  starke  Faserabnahme  auf.  In 
1er  Fasening  von  G^  kann  man  dabei  überall  schon  bei  dieser  Vergrößerung  die  bereits 
n  den  „Vorbemerkungen"  unterschiedenen  und  auch  später  wiederholt  erwähnten 
>eiden  Faserkategorien  voneinander  trennen:  die  aus  dem  Striatum  in  lateral-medialer 
Achtung  in  Ge  hineinziehenden  strio-pallidären  Faserbündel  und  die  dicken,  bis  zu 
hrer  baldigen  Verzweigung  vorwiegend  ventral-dorsal  verlaufenden  Einzelfasem. 
h  dem  dorsalsten  sehr  hellen  Teil  treten  beide  Faserarten,  in  dem  ventralsten  dunkleren 
lur  die  zweite  Art  im  Vergleich  zum  Hauptteil  weniger  zahlreich  auf.  Gegenüber 
•lg.  2  ist  Fig.  3  femer  durch  ein  größeres  Gt,  speziell  durch  ein  voluminöseres  Gil, 
Dwie  durch  ein  viel  faserreicheres  Gi  ausgezeichnet.  Gil  weist  zahlreiche  dicke  lateral- 
ledial  verlaufende  Faserbündel  und  einen  zwischen  den  Fasciculi  gelegenen  dunklen 
'aserfilz  auf.  Mit  Ausnahme  der  dorsalsten  und  ventralsten  Abschnitte  ist  dabei  der 
tau  ein  gleichmäßiger.  Gim  zeigt  eine  ähnliche  Architektonik.  Nur  sind  die  Fasciculi 
mlb  quer  getroffen.  Topische  Strukturdifferenzen  finden  sich  in  Gim  nicht.  Ferner 
aöchten  wir  darauf  aufmerksam  machen,  wie  stark  sich  in  der  Fig.  ^La,Liy  AI  und  LI 
hirch  ihren  Fasergehalt  von  Ge  und  Gi  abheben,  wie  zwischen  LI  einerseits  und  H^ 
uid  CL  andererseits  keine  helle  Stelle  an  der  Grenze  zwischen  Capsula  interna  und  Pes 
pedunculi  existiert  und  wie  //*  hier  mehr  als  die  doppelte  Breite  von  H^  der  Fig.  2  und 
eine  wesentlich  größere  Dunkelheit  zeigt. 

TaL  44,  Figg.  4  und  6.    Ihre  Beschreibung  folgt  auf  diejenige  von  Taf.  46,  Fig.  i. 

CiL  46,  Fig.  1  gibt  bei  achtfacher  Vergrößerung  das  Pallidum  eines  Schnittes  wieder, 

wcldicr  etwa  7  mm  kaudal  von  dem  Taf.  44,  Fig.  2  abgebildeten  gelegen  ist.    Während 

in  der  ganzen  Längsausdehnung  Markfaserbündel  in  ziemlich  gleicher  Menge  aus  Put 

in  Ge  eintreten  und  dabei  eine  pathologische  Verminderung  der  strio-petalen  dicken 

J^'ascm  nicht  konstatiert  werden  kann,  fehlen  in  Ge  die  ventral-dorsalen  dicken  Einzel- 

^^^em  in  weitem  Maße.  Ein  Vergleich  mit  der  Taf.  44,  Fig.  3  zeigt  deutlich  diese  Differenz. 

7^  weitgehende  Fehlen  dieser  dicken  Fasern  in  Ge  der  vorliegenden  Figur  ist  eine 

^^^  beiden  Ursachen  dafür,  daß  die  ventrale  Hälfte  von  Ge  heller  erscheint  als  die  dor- 

''^.       Der  zweite  Grund  besteht  darin,  daß  die  bekanntlich  vornehmlich  aus  feinen 

'^^m  bestehenden,  strio-pallidären  Faserbündel  —  offenbar  infolge  von  Schrumpfung 

*  dorsalen  Teils  von  Ge  und  Abnahme  seiner  dicken  Einzelfasem  —  hier  in  anormal 

^^^r  Weise  aneinandergerückt  sind.     Wir  erkennen  in  dieser  Figur  ferner  deutlich 

einer  Verschmälerung  von  Gil  eine  Höhenabnahme  des  gesamten  Gi.     Dabei 

ein  Vergleich  mit  Taf.  44,  Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3,  daß  in  dem  ventralen  Teil 

^  ^^i  eine  einfache  Faserverarmung  vorliegt,  daß  aber  im  dorsalen  Teil  die  lateral- 

*^^1  verlaufenden  Faserbündel  bei  gleichzeitiger  Abnahme  des  Volumens  des  ein- 

^^^  Bündels  in  pathologischer  Weise  aneinander  gerückt  sind.    Aus  diesen  beiden 

^^^^en  hebt  sich  —  wie  schon  Taf.  44,  Fig.  2  —  die  dorsale  Hälfte  von  Gi  im  Gegen- 

^^    XU  normalen  Verhältnissen  durch  Dunkelheit  vom  ventralen  Teil  ab.    Die  schon 

^y  ^,  Fig.  2  festgestellte,  besonders  starke  Faserabnahme  von  La  tritt  auch  in  dieser 

'^?^T  hervor.  Die  Faserverminderung  in  LI  ist  daran  gut  zu  erkennen,  daß  LI  sich  hier 

i>i^^  Helligkeit  von  der  anstoßenden  Kapself aserung  unterscheidet,  während  im  nor- 

mÄ\^u  Präparat  (vgl.  Taf.  44,  Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3!)  eher  das  Gegenteil  der  Fall 

\st-    Endlich  zeigen  auch  Li  und  AI  eine  deutliche  Faserverarmung. 

127 


754 C.  UND  0.  VOGT.  _      ^''"^NelJgtoSy 

TaL  46,  Pig.  2  bringt  die  in  der  vorigen  Figur  abgebildete  Gegend  von  einem 
etwa  0.35  mm  kausaler  gelegenen,  schwächer  differenzierten  Schnitt.  Die  bei  Beschrei- 
bung der  vorigen  Abbildung  festgestellten  pathologischen  Befunde  gelten  auch  für 
diese  Figur.  Nur  ist  der  dorsalste  Teil  von  Ge  gegenüber  dem  ventral wärts  sich  an- 
schließenden Abschnitt  etwas  heller  geworden. 

Tai.  45,  Fig.  3.  Es  handelt  sich  um  einen  Schnitt  von  jenem  normalen  Knaben- 
gehirn, dem  Taf .  44,  Fig.  3  entnommen  ist,  und  zwar  aus  derjenigen  Gegend,  welche 
annähernd  der  in  den  Figg.  2  und  4  dieser  Tafel  wiedergegebenen  entspricht.  Die  Ab- 
bildung soll  uns  als  Maßstab  für  die  pathologischen  Veränderungen  der  Figg.  1,  2  und  4 
dieser  Tafel  dienen.  In  Ge  konstatieren  wir  auch  hier  eine  dorsale  hellste,  eine  mittlere 
dunkelste  und  eine  ventrale,  nur  noch  in  ihrer  lateralen  Hälfte  etwas  hellere  Partie. 
Gtl  und  Gim  zeigen  annähernd  dieselbe  Breite.  Sie  sind  in  ganzer  Längenaus dehnung 
gleich  dunkel  und  in  gleichmäßigen  Abständen  von  Faserbündeln  durchsetzt.  La 
hebt  sich  als  breites  dunkles  Band  von  Gtl  und  Gim  ab.  AI  ist  so  faserreich,  daß  es 
in  der  Abbildung  einfach  als  schwarzer  Streifen  erscheint.  LI  ist  eher  dunkler  als  die 
benachbarte  Übergangsstelle  zwischen  Ci  und  P.  Diese  Übergangsstelle  selbst  ist 
nicht  heller  als  die  anstoßenden  Partien  von  Ci  und  P.  Man  beachte  femer  die  groBe 
Breite  und  Dunkelheit  von  H^j  obgleich  es  schon  die  Hälfte  seiner  stärksten  Dicke 
verloren  hat.  Man  sieht  aus  H^  dicke  Bündel  in  vtl  einstrahlen.  Endlich  sei  auf  die 
Breite  des  eben  erst  angeschnittenen  CL  hingewiesen. 

TaL  46,  Pig.  4.  Der  Schnitt  ist  stärker  differenziert  als  die  Taf.  45,  Figg.  i  und  1 
abgebildeten.  Er  liegt  etwa  0,35  mm  kaudal  von  dem  in  Fig.  2  wiedergegebenen.  Dai 
ganze  Pallidum  und  seine  Grenzlamellen  zeichnen  sich  auch  hier  durch  Faseiarmut 
aus.  Der  dorsalste  Teil  von  Ge  ist  jetzt  ausgesprochen  heller  als  der  Rest  von  Ge.  Gil 
weist  immer  noch*die  aus  den  Figg.  i  und  2  bekannte  Verschmälerung  gegenüber  Gl« 
auf  Im  ganzen  Gi  ist  auch  hier  noch  der  ventrale  Teil  faserärmer.  Ein  Vergleich  wk 
Fig.  3  deckt  gut  die  Dürftigkeit  von  La  und  LI  auf.  AI  ist  ebenfalls  verschmälert  und 
läßt  daran,  daß  man  in  ^/  die  einzelnen  Faserbündel  getrennt  verlaufen  sieht,  ihre 
Faserverarmung  erkennen.  An  der  Übergangsstelle  von  Ci  und  dem  Pes  pedunaü 
begegnen  wir  einer  Faseraufhellung.  Diese  beruht  darauf,  daß  der  Faseraustausch 
zwischen  LI  und  Thalamus  +  Hypothalamus  sehr  reduziert  ist.  H^  zeigt  dadurch  seine 
Düiftigkeit,  daß  man  im  Gegensatz  zu  Fig.  3  seine  einzelnen  Faserbündel  erkennen  kann. 
CL  ist  gegenüber  Fig.  3  deutlich  reduziert.  Die  Decussatio  Foreli  (DF)  ist  gegen  die 
Norm  verschmälert.  Man  sieht  femer  keine  dickeren  Bündel  aus  W^  in  vtl  einstrahlen. 
vtly  vtm  und  der  sich  medial  anschließende  Kern  mv  sind  verkleinert.  Die  beiden  letzteitn 
erweisen  sich  endlich  auch  im  Vergleich  zu  Fig.  3  als  sehr  faserarm.  Der  dorsale  Teil 
von  Foreis  lateralem  Thalamuskem^  sowie  ma  und  aa  lassen  ebensowenig  eine  patho- 
logische Veränderung  erkennen  wie  die  zum  Pes  ziehenden  Fasern  von  Ci  und  der 
Pes  selbst. 

TaL  46,  Pig.  1  gibt  bei  vierfacher  Vergrößerung  die  zentralen  Himpartien  eines 
Schnittes  wieder,  der  etwa  i  mm  kaudal  von  dem  eben  beschriebenen  gelegen  ist.  Wir 
sehen  hier,  daß  Nc  und  Put  eine  normale  Zahl  von  Faserbündeln  aufweisen.  Beide 
Grisea  sind  aber  auch  hier  wie  CI  von  anormaler  Breite.  Ge  +  Gi  zeigen  umgekehrt 
gegenüber  normalen  Verhältnissen  die  bei  den  übrigen  Abbildungen  dieses  Gehirns 
beschriebene  Volumenreduktion.  Die  pathologische  Faserarmut  -von  Ge  +  Gi  und  die 
besondere  Form,  in  der  sie  auftritt,  entspricht  der  Beschreibung,  die  wir  bei  der  gleich 
folgenden,  doppelt  so  stark  vergrößerten  Fig.  4  dei  Taf .  44  geben  werden.  CL  ist 
deutlich  gegenüber  der  Norm  verkleinert.  Der  ventrale  Teil  {vtl  +  vtm)  von  Foreis 
lateralem  Thalamuskern  ist  auch  hier  pathologisch  verschmälert.  Der  medial  von  vtm 
zwischen  ma  und  INr  gelegene,  in  der  Figur  nicht  mit  einer  Bezeichnung  versehene 
Kern  mv  ist  ebenfalls  reduziert  und  faserarm.  Der  Rest  des  Thalamus  weist  normale 
Verhältnisse  auf.  Das  Corpus  callosum(C^)  ist  gut  entwickelt.  Auch  zeigt  die  oro-latend 
aus  dem  Xucleus  ruber  und  seiner  Kapsel  in  den  Thalamus  einstrahlende  Fasermässe 
{INr)  —  was  besonders  hervorgehoben  zu  werden  verdient  —  keine  erkennbare  Anomalie. 
128 


Erjto'i^kid^'a.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        755 

Ttd,  44,  Pig.  4.  Es  handelt  sich  um  eine  achtfache  Vergrößerung  eines  Teiles 
eines  etwa  0,35  mm  kaudal  von  dem  in  Taf.  46,  Fig.  i  abgebildeten  Schnitt  gelegenen 
Schnittes.  Die  Faserverarmung  sowie  die  Reduktion  des  Pallidum ,  insbesondere  die- 
jenige von  Gil,  besteht  weiter.  Die  bisherige  Differenz  in  der  Faserverminderung 
zwischen  dorsalem  und  ventralem  Teil  von  Gil  +Gim  hat  sich  ausgeglichen.  CL  ist 
hier  nahezu  in  seiner  größten  Höhenausdehnung  getroffen.  Ein  Vergleich  mit  Fig.  5 
dieser  Tafel  zeigt,  daß  es  beinahe  um  die  Hälfte  reduziert  ist. 

Tat  44,  Kg.  5  gibt  bei  derselben  achtfachen  Vergrößerung  das  Corpus  Luysi 
{CL)  in  seiner  größten  Ausdehnung  von  demselben  normalen  14  jährigen  Knaben 
wieder,  von  dem  Taf.  44,  Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3  stammen.  Die  Figur  soll  uns  einen 
Anhaltspunkt  dafür  geben,  wie  weit  CL  in  Fig.  4  reduziert  ist. 

TaL  46,  Hg.  2.  Es  handelt  sich  um  einen  Schnitt,  welcher  etwa  0,7  mm  kaudal 
von  dem  Taf .  44,  Fig.  4  abgebildeten  gelegen  ist.  Caudatum  und  Putamen  zeigen  auch 
hier  eine  pathologische  Breite.  Von  einer  Faserabnahme  in  ihnen  kann  gegenüber  Taf.  46, 
Flg.  I  nicht  die  Rede  sein,  wenn  man  in  Betracht  zieht,  daß  der  vorliegenden  Abbildung 
eine  längere  ExpoÄtionszeit  zugrunde  liegt.  Ge  weist  den  Befund  von  Taf.  44,  Fig.  4 
auf.  Gi  zeigt  im  Vergleich  zu  oraleren  Schnitten  eine  weitere  Faserverarmung.  Diese 
ist  femer  jetzt  im  ganzen  Gi  eine  gleichmäßige.  Man  sieht  auch  helle  Streifen  sich  aus 
Gi  in  die  Übergangsstelle  von  Ci  und  P  fortsetzen.  Sie  kommen  durch  den  Ausfall 
von  Fasern  zwischen  Pallidum  und  Thalamus  +  Hypothalamus  zustande.  Sonst  zeigen 
Ci  und  P  keine  Anomalien.  CL  ist  verschmälert.  Der  eben  angeschnittene  Nucleus 
ruber  (Nr)  und  seine  Kapselfaserung  lassen  ebensowenig  wie  die  Substantia  nigra  (Sn)  eine 
Anomalie  erkennen.  Der  ventralste  Teil  von  Foreis  lateralem  Thalamuskern  ist  noch 
etwas  verschmälert.      Sonst  zeigt  der   Thalamus  keine  erkennbaren  Abweichungen. 

TaL  46,  Pig.  8.  Die  Abbildung  bringt  bei  achtfacher  Vergrößerung  Teile  eines 
Schnittes,  welcher  0,7  mm  kaudal  von  dem  Taf.  46,  Fig.  2  wiedergegebenen  gelegen  ist. 
Die  von  Put  in  Ge  eindringenden  Faserbündel  zeigen  keine  Abnahme.  Jetzt  ist  der 
dorsalste  Teil  von  Ge  wieder  eher  dunkler  als  das  übrige  Ge.  Gi  zeigt  dieselbe  Kleinheit 
und  gleichmäßige  Faserarmut  der  vorigen  Figur.  Die  faserarmen  Stellen  an  der  Über- 
gangBStalle  zwischen  Ci  und  P  treten  hier  dagegen  weniger  hervor.  CL  ist  nach  wie  vor 
durch  seine  Verschmälerung  etwa  um  die  Hälfte  charakterisiert.  Die  übrigen  ab- 
gebildeten Himteile  lassen  keine  Anomalien  erkennen. 

TaL  46,  Fig.  4  gibt  bei  der  gleichen  achtfachen  Vergrößerung  A>  in  seinem 
grö0ten  Umfang  wieder.  Wir  können  weder  an  Nr  selbst,  noch  an  seiner  Umgebung 
irgend  etwas  Anormales  erkennen. 

liaL46,  Hg.  5  bringt  bei  der  gleichen  achtfachen  Vergrößerung  A>  und  seine 
Umgebung  von  jenem  normalen  14  jährigen  Knaben,  dessen  Gehirn  schon  Taf.  44, 
Figg.  3  und  5  sowie  Taf.  45,  Fig.  3  entnommen  sind.  Das  der  Abbildung  zugrunde 
liegende  photographische  Negativ  war  etwas  länger  exponiert  als  dasjenige  der  vorigen 
Figur.  Ein  Vergleich  mit  der  Fig.  4  dürfte  bei  Berücksichtigung  dieser  Tatsache  unsere 
Ansicht  stützen,  daß  Nr  und  seine  Umgebung  in  Fig.  4  keine  Anomalien  erkennen  läßt* 

liaL  47,  Fig.  1  zeigt  uns  das  linke  Striatum  dicht  vor  dem  kaudalen  Ende  von 
Ge.  Auch  hier  weisen  Nc  und  Put  eine  pathologische  Breite  und  Ge  eine  anormale 
Helligkeit  auf.  Die  den  kaudalsten  Teil  von  Put  durchsetzenden  Faserbündel  stammen 
aus  dem  Gyrus  temporalis  superior. 

Wir  bringen  jetzt  einige  Schnitte  aus  dem  kaudalsten  Teil  der  rechten  Hemisphaere. 

liaL  47,  Fig.  2.  Das  gesamte  Pallidum  ist  auch  hier  anormal  klein  und  faserarm. 
In  Ge  fehlen  —  wie  links  —  vornehmlich  die  dicken  Fasern.  Auch  hier  ist  Gil  schmäler 
als  Gim.  Die  krankhafte  Faserarmut  ist  eine  gleichmäßiger  verteilte  als  /. .  La  ist  ganz 
reduziert.  Auch  die  anderen  Grenzlamellen  sind  in  ihrem  Fasergehalt  verarmt.  Das  hier 
in  seiner  größten  Ausdehnung  getroffene  H^  ist  etwa  um  die  Hälfte  reduziert.  Man 
vgl.  Taf.  44,  Fig.  3!  Von  H^  sieht  man  nicht  die  normalen  dicken  Bündel  in  vtl  ein- 
ziehen, vtl  +  vtm  sind  schmäler  als  der  dorsalere  Teil  des  lateralen  Thalamuskerns 
Foreis. 

9       Joanal  Hir  Psychologie  imd  Neurologie     Bd.  «5.   Ergh.  3.  1^9 


75^ C.  WD  0.  VOGT. ^^yiSy 

Fat  47,  Fig.  3.  Es  handelt  sich  hier  um  einen  Schnitt,  der  beinahe  3  mm  kaudaler 
liegt  als  der  Taf.  47,  Fig.  2  abgebildete.  Neben  den  in  der  vorigen  Figur  beschriebenen 
Defekten  im  Fasergehalt  des  Pallidum  ist  hier  noch  speziell  ein  solcher  von  Gim  hervor- 
zuheben. Die  Reduktion  von  //*,  CL  und  den  dicken  Faserbündeln  in  vtl  geht  sehr  gut 
aus  einem  Vergleich  mit  Taf.  45,  Fig.  3  hervor.  Außerdem  zeigt  der  medial  von  vtm 
gelegene,  in  der  Figur  nicht  bezeichnete  Kern  mv  eine  Verkleinerung  und  einen  Faser- 
schwund. 

TaL  47,  Fig.  4.  Nc  und  Put  sind  auch  hier  gegenüber  dem  Pallidum  auffallend 
breit,  wenn  auch  diese  Eigentümlichkeit  nicht  so  hervortritt,  wie  in  der  linken  Hemi- 
sphäre. Die  Faserarmut  von  Ge  läßt  sich  speziell  auch  daran  erkennen,  daß  Ge  heller  « 
ist  als  der  dorsale  Teil  des  Campus  Amoldi  (A).  CL  zeigt  hier  die  gleiche  Verschmalerung, 
die  wir  in  der  linken  Hemisphäre  bereits  konstatiert  haben.'  Andere  Anomalien  haboi 
wir  in  dieser  Abbildung  nicht  feststellen  können. 

TaL  47,  Fig.  5  zeigt  einen  Schnitt  aus  der  Brückenregion.  Die  ganzen  Dimen- 
sionen sind  gegenüber  der  Norm  etwas  verkleinert.  Das  gilt  auch  von  den  Bindearpen 
und  Pyramiden.  Man  ziehe  zum  Vergleich  Taf.  57,  Fig.  4  heran!  Einseitige  Anomalien 
sind  nicht  festzustellen. 

Das  Markfaserbild  zeigt  überall  in  der  Hirnrinde  eine  dürftige  Entwickelung- 
Eine  Reihe  daraufhin  durchgesehener  Schnitte  läßt  aber  keine  qualitativen  Abweichungem 
von  der  normalen  Architektonik  erkennen.  Das  Giesonbild  der  Area  gigantopyratnd 
dalis  weist  verhältnismäßig  kleine  RiesenpjTamiden,  aber  sonst  normale  Schichtung 
Verhältnisse  auf.  Das  Giesonbild  des  Cortex  cerebelli  läßt  nichts  Pathologisches  ^^ 
kennen.  Auch  das  Mark,  die  Stiele  des  Cerebellum  und  die  Dentata  zeigen  außer  ei«*^* 
gewissen  Kleinheit  nichts  Anormales. 

c)  Zusammenfassung   des   anatomischen   Befundes. 

In  einem  allgemein  kleinen  und  markarmen  Gehirn  zeigt  das  Ptäa?^^-' 
eine  anormale  Breite  und  Vorwölbung  nach  außen.  Ebenso  ist  das  Claustr^^ 
auffallend  breit.  Umgekehrt  sind  das  Pallidum  (in  ihm  vor  allem  G|t/), 
Corpus  Luysi  und  in  geringerem  Grade  die  Thalamuskerne  vtl^  vtm  und 
speziell  klein.  Die  oralsten  strio-pallidären  Fasern  sind  zum  Teil  verschwand 
Dagegen  kann  von  einer  Verminderung  der  dicken  strio-petalen  Fasern,  weni 
innerhalb  des  Putamen,  nirgends  die  Rede  sein.  Statt  dessen  ist  ein 
Teil  der  dicken  Fasern,  welche  zwischen  Ge  und  Thalamus  -f  Hypothalam^ 
verlaufen,  geschwunden.  In  weit  stärkerem  Maße  fehlen  aber  die  dicken  Fas^^ 
welche  Gi  und  Thalamus  +  Hypothalamus  miteinander  verbinden.  So  z^^ 
H^  eine  Reduktion  um  die  Hälfte  und  ist  ein  großer  Teil  der  pallido-Luysiscf^ 
Fasern  ausgefallen.  Das  etwa  um  die  Hälfte  geschrumpfte  Corpus  Luysi  z^^^ 
in  der  erhaltenen  Größenausdehnung  annähernd  normalen  FasergehalL  -* 
vtl  treten  die  typischen  dicken  Faserbündel  nicht  hervor,  vtm  und  mv  si^ 
faserarm.  Faserausfällc  in  der  Substantia  nigra,  dem  Nucleus  ruber  und  seio^ 
tCapsel  konnten  nicht  festgestellt  werden. 

C.  Epikrise, 

Die  erst  nach  der  Geburt  einsetzende,  allmählich  zur  Versteifung  führende 
progressive  Athetose  ließ  uns  von  vornherein  eine  progressive  Erkrankung  des 
striären  Systems  vermuten.  Wir  haben  diese  vornehmlich  in  jenem  Untergang 
der  Faserung  des  Pallidum  gefunden,  wie  er  uns  aus  den  Fällen  Fischers  und 
Rothmanns  bei  etwas  später  im  Leben  einsetzenden  Erkrankungen  bekanntwar. 
130  4 


I 

l 


l 


KrS^^^^'^-      ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKÜN(iEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         757 

Wieweit  der  ,, blöde  Gesichtsausdruck'*   eine  Amimik  darstellt,   wagen  wir 
nicht  zu  entscheiden. 

Mit  den  in  unseren  normalanatomischen  Vorbemerkungen  gemachten  faser- 
systematischen  Feststellungen    stimmt    die   Volumen-    und    Faserreduktion    in 
vtl^  vtm  und  mv  und  die  Faserverminderung  in  der  Decussatio  Foreli  überein. 
Dagegen  bedarf  die  Tatsache,   daß  es  uns  nicht  möglich  war,  Veränderungen 
im  Nucleus  ruber ^  seiner  Kapsel  und  in  der  Substantia  nigra  festzustellen,  weiterer 
Aufklärung. 

Auf  die    schon  oben  S.  646  hervorgehobene  Bedeutung  der  Verminderung 
der  dicken  //^-Bündel  in  vtl  werden  wir  noch  S.  yt'i  zurückkommen. 

31.  ThomaUas  FaU  Oskar  M.  [Bf  18), 

Herr  Kollege  Thomalla  wird  eine  ausführliche  Darstellung  des  Krankheits- 

Wles  später  in  diesem  Journal  bringen.  •     Wir  geben  hier  nur  ein  ganz  kurzes 

Resümee. 

A.  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte, 

Als  Achtmonatskind  schwierig,  aber  nicht  asphyktisch  geboren.     Tod  mit 
^S  Jahren. 

Jn    den   ersten   Lebensmonaten    bereits   konstatierte,    zeitweilige,    durch 
-•»oJenlcung   zu    beseitigende    Spannungen    in    der   Hals-    und    Extremitäten- 
'''üsJculatur  führten  schließlich  zu  einer  allgemeinen,  auch  im  Schlafe  nicht 
'''^ar    schwindenden  spastischen  Versteifung.     Die  Verschlimmerung  voU- 
^    sich   schubweise    unter   dem    vorübergehenden   Auftreten   durch   Willkür- 
^^^^^SUngen   und  psychische  Erregungen  gesteigerter  spastischer   Krampf- 
ant^]]^  und   noch   schneller   wieder   aus   dem  Krankheitsbild   geschwundener, 
^"^  "Während,  ihrer  Existenz  dauernd  im  Wachsein  vorhandener  athetotischer 
Öcwegi2ngen.    Die  /.  Körperhälfte  war  im  allgemeinen  etwas  stärker  betroffen. 
Aliinä.liiich  auch  Störung  der  Sprache,   zuletzt  auch  solche  des   Schluckaktes 
und   fl^g  Urinlassens.     Vor  der  allgemeinen  Versteifung  mäßige  Steigerung  der 
Sennenphänomene,  Erhaltensein  der  Hautreflexe,  beiderseitiger  Babinski.    Dieser 
aucrx   noch  am  Ende  des  Lebens  im  Amylenhydratschlaf  festgestellt.    Bei  Nach- 
lassen ^j^j.  Spannungen  Hypotonie. 

*^eine  Lähmungserscheinungen  oder  Sensibilitätsstörungen,  kein  Intelligenz- 
defelct, 

ß.  Anatomische  Untersuchung, 

a)  Makroskopischer  Befund. 

.  ^i  der  Sektion  wurde  ein  ödem  über  den  zwei  kaudalen  Dritteilen  der  Kon- 
^exit^t  des  Großhirns  festgestellt.     Gehimgewicht  =  1190  g. 

Das  nach  Formalinhärtung  uns  zugesandte  Gehirn  zeigte  eine  gute  Entwickelung 
^^'^^r  Oberfläche,  hier  wie  auf  mehreren  Frontalschnitten  keine  herdförmigen  Ver* 
awlctungen  und  nur  vom  eine  ganz  leichte  Erweiterung  der  Seitenventrikel. 
l)as  Rückenmark  fiel  durch  seine  Kleinheit  auf.  • 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

a)  Untersuchung  an  herausgeschnittenen  Stücken. 

Tai  48,  Pig.  1  gibt  uns  einen  Ausschnitt  aus  dem  dorsalsten  Teil  der  Kuppe  de.s 
G)Tus  centralis  posterior.    Links  haben  wir  0.  Vogts  Feld  69.    Bei  dem  t  geht  dieses 

v'  131 


7S^ ^  ^.^^^^_i^^?I: '^^i^^^ 

unter  Zellverarmung  und  Auftreten  größerer  Pyramidenzellen  in  ///,  gleichzeitiger 
Verbreiterung  von  IIP  sowie  einer  Verarmung  von  IV  in  das  Feld  70  über.  Der  ganze 
Rindenschnitt  zeigt  die  normale  Architektur  und  keine  pathologischen  Befunde.  Es 
kann  hier  weder  von  einer  ontogenetischen  Retardierung,  noch  von  einem  Zelluntergang 
von  Ganglienzellen  mit  nachfolgender  Neurogliawucherung  die  Rede  sein. 

TaL  48,  Fig.  2  stammt  aus  dem  frontalen  agranulären  Gebiet.  Wir  begegnen  hier 
einer  durchaus  normalen  Architektur.  Speziell  befindet  sich  an  der  Grenze  zwischen 
///  und  Va  weder  eine  aus  einem  frühen  ontogenetischen  Stadium  zurückgebliebene 
Kömerschicht,  noch  ist  ein  Untergang  von  Ganglienzellen  oder  eine  Neurogliawucherung 
festzustellen.    Auch  das  Gefäßsystem  tritt  nur  in  normalen  Grenzen  in  Erscheinung. 

TaL  W,  Rg.  2.  Wir  haben  hier  die  Area  gigantopytamidalis  vor  uns.  Sie  zeigt 
die  für  die  einzelnen  Schichten  charakteristischen  architektonischen  Merkmale.  Es 
besteht  weder  eine  durch  Nervenzellarmut  und  Ersatzneuroglia  charakterisierte  Kfl, 
noch  eine  pathologisch  stark  erhaltene  IV.  Die  Riesenzellen  sind  von  normaler  Größe. 
Das  geringere  Volumen  vieler  Mlen  im  Vergleich  zu  der  von  einem  43  jährigen  Mann 
stammenden  Fig.  i  beruht  vor  allem  auf  einer  stärkeren  Entfärbung.  Der  weniger 
entfärbte  Schnitt,  dem  Taf.  48,  Fig.  2  entnommen  ist,  zeigt  die  Klobigkeifr  der  Zellen 
von  Taf.  58,  Fig.  i.  Der  großen  Differenz  in  der  Zelldichtigkeit  dürfte  hauptsachlich 
eine  Differenz  in  der  Schnittdicke  zugrunde  liegen.  Gerade  die  vorliegende  Figur  zeigt 
den  hohen  Grad  technischer  Fehlerquellen. 

TaL  48,  Fig.  3.  Dic^  Nervenzellen  vom  kleinen  Typus  des  hier  zur  Abbildung 
gelangten  Ausschnittes  aus  Nc  sind  —  wie  ein  Vergleich  mit  Taf.  2,  Fig.  i  und  auch 
Taf.  19,  Fig.  I  lehrt  —  zweifellos  etwas  kleiner  als  in  der  Norm.  Vielleicht  ist  auch  die 
Zahl  der  Ganglienzellen  des  großen  T\'pus  verringert.  Andere  pathologische  Ver- 
änderungen können  nicht  konstatiert  werden.  Die  Abbildung  ist  wie  die  folgenden 
dem  gleichen  Schnitte  entnommen.  Derselbe  stammt  aus  der  Gegend,  wo  die  Com- 
missura  anterior  auf  die  andere  Seite  übergeht,  ist  also  zwischen  den  in  Taf.  49,  Fig.  3 
und  Fig.  4  abgebildeten  Schnitten  gelegen. 

TaL  48,  Fig.  4.  Ein  Vergleich  mit  Taf.  i,  Fig.  i  läßt  in  dem  hier  abgebildeten 
Putamen  keine  Anomalien  in  der  Architektonik  erkennen.  Wir  haben  —  wenigstem 
annähernd  —  die  normale  Zahl  und  Größe  der  Ganglienzellen,  ein  normales  Zurück- 
treten der  Neurogliakerne  und  kein  pathologisches  Hervortreten  des   Gefäßsystems. 

TaL  48,  Fig.  5  bringt  einen  Ausschnitt  aus  dem  oralsten  Teil  des  Pallidum  exiemum. 
Als  pathologischer  Befund  ist  zunächst  eine  große  Zahl  sehr  dunkel  gefärbter,  über 
den  ganzen  Schnitt  zerstreuter  Konkremente  aufzuführen.  Die  2^hl  der  Ganglien- 
zellen zeigt  gegenüber  der  Norm  keine  Verminderung.  Es  fällt  aber  schon  bei  dieser 
50 fachen  Vergrößerung  auf,  daß  die  Dendriten  anormal  stark  gefärbt  sind.  Die  Zahl 
der  Neurogliakerne  hat  sich  nicht  vermehrt,  ebenso  weist  das  Gefäßsj'stem  keine  Ano- 
malien auf. 

TaL  48,  Fig.  6.  Das  Pallidum  internum  zeigt  sehr  viel  weniger  Konkremente. 
In  der  Abbildung  haben  wir  nur  ein  einziges  ganz  links  unten.  Auch  hier  fällt  aber  die 
anormal  starke  Färbung  der  Dendriten  auf.  Sonst  läßt  die  Figur  nichts  Pathologisches 
erkennen. 

Bielschowsky  fügt  noch  auf  Grund  seiner  Präparate  vom  Pallidum  folgendes 
hinzu : 

„Die  unter  normalen  Verhältnissen  in  diesem  Kemgebiet  vorkommenden  Kon- 
kremente treten  hier  in  anormal  großer  Zahl  auf.  Sie  sind  meist  klumpige  oder  eiförmige 
Gebilde,  welche  sich  mit  basischem  Hämatoxylin  und  basischen  Anilinfarbstoffen 
intensiv  färben. •  Durch  Versinterung  benachbarter  Kügelchen  entstehen  häufig  Maul- 
beerformen. Auch  an  der  Oberfläche  von  Kapillaren  und  präkapillaren  Gefäßen  liegen 
häufig  feine  Kömchengebilde  mit  denselben  Farbreaktionen.  Es  fehlt  jeder  Anhalts- 
punkt, daß  diese  Körperchen  durch  Inkrustation  präformierter  Gewebsbestandteile 
entstehen.  Es  spricht  vielmehr  vieles  dafür,  daß  sie  aus  einer  allmählichen  Umwandlung 
von  Niederschlagsprodukten  der  Gefäßlymphe  hervorgehen.  Für  diese  Auffassung 
132 


Er^ili^^Sft  3.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRÜREN  SYSTEMS.         759 

spricht  auch  die  Tatsache,  daß'  die  perivaskulären  und  adventitiellen  Lymphräume 
der  gröberen  Gefäße  häufig  von  einer  blaßgefärbten,  homogenen,  aus  Lymphnieder- 
schiägen  hervorgegangenen  Masse  erfüllt  sind.  Die  Färbungsintensität  der  Körperchen 
schwankt  übrigens  in  weiten  Grenzen. 

Die  Zellen  des  Pallidum  sind  im  Nisslpräparat  abgeblaßt.  Die  chromatophilen 
Elemente  ihres  Zellplasmas  sind  verwaschen.  Ihre  Kerne  sind  häufig  geschrumpft 
und  zeigen  Falten  in  der  Kernmembran.  Die  plastischen  Randstreifen,  welche  die 
2^1Ikörper  und  noch  deutlicher  ihre  Dendriten  schon  in  der  Norm  besitzen,  treten  als 
ungewöhnlich  breite  Bänder  hervor.  Dieser  Umstand  läßt  die  Dendriten  schon  im 
ardiitektonischen  Bild  anormal  stark  hervortreten.  Dagegen  fehlen  in  den  Silber- 
präparaten trotz  guten  Gelingens  der  Färbung  sowohl  an  den  Zellkörpem  wie  an  den 
Dendriten  der  Pallidum zellen  die  unter  normalen  Verhältnissen  an  ihnen  zahlreich 
vorhandenen  Auerbach- Hei dschen  Endformationen.** 

Es  muß  bei  allen  diesen  Befunden  am  Pallidum  darauf  aufmerksam  gemacht  werden, 
daß  sie  am  oralsten,  relativ  gesunden  Teil  desselben  erhoben  sind.  Leider  haben  wir 
den  zum  Zweck  der  feineren  histologischen  Untersuchung  herausgeschnittenen  Block 
nicht  dem  am  stärksten  erkrankten  Teile  von  Ge  +Gi  entnommen. 

TU.  48,  Fig.  7  lehrt  uns,  daß  auch  hier  der  Nucleus  substantiae  innominatae 
normal  ist. 

Im  Dentatum  fand  Bielschowsky  normale  Verhältnisse.  Keine  quantitativen 
und  qualitativen  Veränderungen  an  den  Ganglienzellen. 

Das  Rückenmark  ist  nach  Bielschowsky  in  seiner  ganzen  Länge  auffallend 
dünn  und  schmächtig  (Mikromyelia  congenita). 

„Im  Zervikalmark  ist  die  Verkürzung  des  dorso- ventralen  Durchmessers  sehr 
auffällig.  Ein  distinkter  Faserausfall  hat  in  der  weißen  Substanz  nicht  stattgefunden. 
Auch  in  der  grauen  Substanz  sind  Zellausfälle  in  den  einzelnen  Zellgruppen  nicht  zu 
konstatieren.  Im  Gliapräparat  ist  eine  diffuse  Vermehrung  des  gliösen  Fasergerüstes 
und  der  weißen  Substanz  n,achweisbar,  welche  sich  aber  in  mäßigen  Grenzen  hält. 

Bemerkenswert  ist  die  Tatsache,  daß  der  Zentralkanal  in  seiner  ganzen  Länge  vom 
Zervikal-  bis  Sakralteil  offen  geblieben  ist  und  stellenweise  kleine  Divertikel  bildet, 
welche  nach  dem  Septum  longitudinale  posterius  hin  gerichtet  sind.** 

ß)  Untersuchungen  an  der  Markfaserserie. 

TU.  49,  Kg.  1  zeigt  aus  der  Brückenregion  normale  Brachia  conjuniiva  und  Pyra- 
miden^ wie  auch  keine  pathologischen  Abweichungen  in  der  Haube. 

TU.  49,  Pig.  2.  Das  Striaium  weist  normale  Größenverhältnisse  auf.  Der  Innen- 
teil von  Nc  enthält  auch  die  normale  Zahl  von  Faserbündeln.  Der  Faserbündelgehalt 
von  Put  sinkt  hier  ebenfalls  nicht  unter  die  Norm.  Das  Corpus  callosum  {Cc)  ist  nor- 
mal entwickelt. 

TaL  49,  Fig.  8.  Das  Striatum  und  das  eben  angeschnittene  Pallidum  extemum 
zeigen  eine  normale  Faserbündelzahl.  Auch  existiert  die  t>T)ische  Farbendifferenz 
zwischen  Striatum  und  Pallidum.  Im  Vergleich  zum  vorigen  Fall  ist  das  Striatum 
kleiner  (vgl.  Taf .  43,  Fig.  i !). 

'  TaL  49,  Fig.  4.  Putamen  und  Pallidum  zeigen  hier  eine  starke  Breiten-  und  eine 
geringe  Höhenausdehnung.  Bezüglich  des  Putamen  erinnert  dieser  Befund  an  den- 
jenigen des  vorigen  Falles.  Dabei  weisen  die  Markfaserbündel  von  Nc  und  dem  dor- 
salen Teil  w)n  Put  zweifellos  eine  pathologische  Abnahme  auf.  Bei  stärkerer  Ver- 
größerung kann  dabei  keine  Abnahme  der  dicken  striopetalen  Fasern  mit  Sicherheit 
festgestellt  werden.  Ge  ist  in  seiner  dorsalen  Hälfte  und  vor  allem  in  seinem  dorsalsten 
Viertel  krankhaft  markarm.  Man  ziehe  die  normale  Fig.  3  und  die  in  anderer  Form 
pathologisch  veränderte  Fig.  i  der  Taf.  44  heran !  Dabei  lehrt  die  mikroskopische  Be- 
trachtung, daß  an  dem  Faserschwund  in  erster  Linie  die  strio-pallidären  Faserbündel 
beteiligt  sind.  Aber  auch  die  dicken  Einzelfasern  des  Pallidum  sind  dünner  und  weniger 
zahlreich.    Ebenso  begegnen  wir  im  dorsalsten  Teil  des  Pallidum  internum  einer  krank- 


haften  Aufhellunj;.  Auch  hier  lehrt  ein  Vergleich  mit  normalen  Gehirnen,  daß  es  sich 
dabei  nicht  nur  um  ein  Fehlen  von  pallido-striären  Bündeln  handelt,  sondern  daß  auch 
die  dicken  Fasern  eine  Einbuße  erfahren  haben.  Außerdem  sind  hier  —  wie  an  der 
entsprechenden  Stelle  des  Pallidum  externum  —  die  wohl  als  End Verästelungen  auf- 
zufassenden, feinen  P^inzelfasern  vollständig  verschwunden.  Die  Ansa  lenticularis 
und  ihre  mediale  Fortsetzung  sowie  die  Lameila  limitans  zeigen  gegenüber  einem  normalen 
Präparat  eines  gleich  alten  Kindes  eine  geringere  Faserzahl  und  eijj  durchgängig  ge- 
ringeres Kaliber  der  Markfasem.  In  dieser,  wie  in  den  folgenden  Abbildungen  sind 
der  ventrale  Teil  von  Ci.  Faserinseln  im  Stratum  reticulatum  lateral  von  Nc,  Ca  und 
andere  aus  sehr  dünnen  Markfasern  bestehende  Fasermassen  so  hell  wie  in  einem  sehr 
stark  differenzierten  Schnitt.  Eine  so  starke  Differenzierung  liegt  aber  in  diesen  Schnitten 
nicht  vor.  Es  haben  vielmehr  alle  dünnen  Markscheiden  dieses  Gehirns  eine  außer- 
gewöhnliche Tendenz,  bei  der  Entfärbung  das  Hämatoxylih  wieder  abzugeben.  Wir 
verfügen  aber  auch  über  Präparate,  in  welchen  diese  dünnen  Markfasem  alle  gut  ge- 
färbt sind.  In  derartigen  Präparaten  zeigen  Striatum  und  Pallidum  die  gleichen  patho- 
logischen Faserverhältnisse  wie  in  den  abgebildeten  Schnitten. 

Taf.  49,  Fig.  5.  l^r  2  mm  weiter  kaudal  gelegene  Schnitt  bestätigt  in  jeder 
Weise  den  bei  der  vorigen  Abbildung  erhobenen  Befund.  Hervorzuheben  sei  nur  noch, 
daß  —  offenbar  parallel  der  Volumenreduktion  des  dorsalen  Teils  von  Ge  —  die  LatnelU 
externa  in  ihrem  dorsalen  Teil  eine  pathologische  Einbiegung  nach  innen  aufweist. 

Tai  50,  Fig.  1.  Zunächst  sei  auf  die  pathologische  Faserarmut  des  Caudatum 
der  /.  Hemisphäre  hingewiesen.  Dann  sei  hervorgehoben,  daß  auch  hier  das  ganze 
Lentiforme  eine  anormale  Einbuße  in  seinem  dorsal- ventralen  Durchmesser 
erfahren  hat.  Dagegen  hat  aber  das  Putamen  an  Breite  zugenommen,  wahrend 
das  Pallidum  auch  in  diesem  Durchmesser  reduziert  ist  (vgl.  Taf.  16,  Fig.  ir,  Taf.  44, 
Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3!).  Dabei  ist  hier  aberG^  anormaler  Weise  ebenso  breit  wie 
Gi  und  auch  gegenüber  normalen  Schiritten  pathologisch  breit.  Dementsprechend 
erweist  sich  in  dieser  Schnittebene  Ge  als  etwa  um  die  Hälfte,  Gi  als  noch  stärker  geg^ 
die  Norm  verkleinert.  Im  Innenteil  von  Put  zeigt  der  dorsale  und  der  ventrale  Ab- 
schnitt eine  so  geringe  Zahl  von  Faserbündeln,  daß  sie  entsprechend  unseren  Aus- 
führungen auf  S.  650  als  pathologisch  bezeichnet  werden  muß.  Dabei  lehren  stärkere 
Vergrößerungen  auch  hier  ein  gutes  Erhaltensein  der  dicken  strio-petalen  Fasern. 
Der  dorsalste  Teil  von  Ge  ist  stark  verschmälert  und  entbehrt  fast  vollständig  der 
strio-pallidären  Fasern.  Parallel  seiner  Reduktion  weist  Le  die  für  die  r.  Hemisphäre 
schon  aus  der  vorigen  Figur  bekannte  Knickung  auf.  Gi  läßt  im  dorsalen  und  ventralen 
Viertel  eine  Faserverarmung  deutlich  erkennen.  La,  AL  LI  und  H^  zeigen  gegenüber 
normalen  Präparaten  eine  mehr  oder  weniger  ausgesprochene  Reduzierung. 

Die  r.  Seite  der  Abbildung  ist  in  ganzer  Ausdehnung  deutlich  heller  als  die  /., 
während  diese  Differenz  für  die  Hirnrinde  nicht  existiert.  Es  handelt  sich  dabei  um 
eine  Tatsache,  die  durch  die  ganze  Serie  zu  verfolgen  ist.  wenn  sie  auch  um  so  geringer 
hervortritt,  je  weniger  weit  man  den  Differenzierungsprozeß  bei  der  Entfärbung  ge- 
trieben hat.  Eine  Erklärung  können  wir  für  diese  Tatsache  nicht  geben.  Die  Größen- 
verhältnisse von  Put  und  Ge  +  Gi  sind  annähernd  die  gleichen  wie  Z. .  Innerhalb  von 
Gi  hat  sich  das  Verhältnis  noch  zu  Ungunsten  von  Gil  verschoben.  In  Put  ist  vornehm- 
lich der  dorsale  Teil  faserarm.  Le  zeigt  auch  hier  ihre  dorsale  Einknickung.  In  Ge ' 
ist  der  dorsalste  Abschnitt  ganz  besonders  hell.  Aber  noch  die  ganze  dorsale  Hälfte 
ist  faserärmer  als  die  ventrale.  Dieser  Faserarmut  liegt  auch  ein  beträchtlicher  Aus- 
fall dicker  Fasern  zugrunde.  In  Gi  sehen  wir  nicht  nur  eine  dorsale,  besonders  helle 
Zone,  sondern  auch  die  ventralen  drei  Fünftel  von  Gil  zeichnen  sich  durch  spezielle 
Faserarmut  aus.  In  Gim  ist  auch  der  ventralste  Teil  heller  als  die  mittlere  Haupt- 
partic.  La  ist  besonders  faserarm  und  hebt  sich  deshalb  nur  sehr  wenig  von  ihrer 
Umgebung  ab.  AI.  LI.  die  durch  Pi  zu  //*-  ziehenden  Fasern  und  H^  selbst  sind 
schmäler  als  in  normalen  Präparaten  gleich  alter  normaler  Kinder.  Ebenso  ist  vil 
zweifellos  reduziert. 


nff;^,!ffPf  3.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         761 

TU.  50,  Fig.  2.  Der  der  Abbildung  zugrunde  liegende  Schnitt  liegt  etw^  i  mm 
kaudaler  von  dem  in  der  vorigen  Figur  wiedergegebenen. 

In  den  /.,  zum  striären  System  gehörigen  Gebilden  hat  sich  nichts  Wesentliches 
geändert.  Im  einzelnen  sei  nur  nochmals  folgendes  hervorgehoben.  Put  ist  breit. 
Ge  zeigt  die  Breite  von  Gi.  Die  Faserbündel  im  mittleren  Teil  von  Put  sind  zahlreicher 
als  dorsaler  und  ventraler.  Die  dorsalen  zwei  und  das  ventralste  Fünftel  von  Ge  weisen 
eine  anormale  Helligkeit  auf.  Das  gesamte  Gi  ist  ausgesprochen  faserärmer  als  das 
dritte  und  vierte  Fünftel  von  Ge,  Dabei  fällt  speziell  der  ventrale  Teil  von  Gi  durch 
seine  Helligkeit  auf.  La  (in  der  Figur  nicht  bezeichnet,  direkt  über  der  Bezeichnung 
,,AV*  gelegen)  hebt  sich  infolge  ihrer  Faserarmut  kaum  von  der  Umgebung  ab.  AI, 
LI,  die  Verbindung  zwischen  LI  und  H^  sowie  H^  selbst  sind  verschmälert.  Femer 
treten  die  aus  H^  in  den  Thalamuskem  vtl  einstrahlenden  gröberen  Bündel  sehr  zurück. 
Endlich  ist  der  dorsal  und  dorso-medial  von  VA  gelegene  Thalamuskem  mv,  wie  die 
Commissura  mollis  sehr  markarm.    Man  vergleiche  Taf .  16,  Fig.  i  /. ! 

Die  f.  Hälfte  der  Abbildung  ist  in  ihrer  Gesamtheit  ebenfalls  schwächer  gefärbt 
als  die  /.*.  Aber  der  Unterschied  zwischen  den  beiden  Teilen  ist  geringer  als  in  Fig.  i 
dieser  Tafel.  Die  stärkere  Faserabnahme  in  Ge  +Gi  gegenüber  /.  ist  daher  auf  die 
diffuse  Farbendifferenz  nicht  zurückzuführen.  Diejenigen  Partien  von  Ge  +Giy  welche 
/.  am  markhaltigsten  sind,  sind  es  auch  r . .  Aber  der  absolute  Faserschwund  ist  r.  ein 
viel  beträchtlicherer.  An  ihm  sind  die  dicken  Fasem  stark  beteiligt.  Die  Grenzlamellen, 
H*,  vtl  und  mv  verhalten  sich  wie  /. . 

TaL  61,  Hg.  1.  Die  beiden  Putamina  haben  die  gleiche  Form  wie  in  den  vorigen 
Abbildungen.  Dabei  zeigt  auch  hier  das  wesentlich  deutlichere  Hervortreten  der  Mark- 
fasern  in  den  mittleren  Abschnitten  gegenüber  den  dorsalen  und  den  ventralen  Partien 
eine  entschiedene  Abweichung  von  der  Norm.  Die  auch  in  dieser  Figur  vorhandene 
gröEere  Faserarmut  des  rechten  Putamen  scheint  uns  aber  hier  ebenfalls  nicht  einfach 
auf  die  allgemein  etwas  schwächere  Färbung  der  rechten  Zentralganglien  zurück- 
geführt werden  zu  können.  Die  Pdüi^a  sind  —  wie  in  der  vorigen  Figur  —  gegenüber 
den  Putamina  in  pathologischer  Weise  verkleinert.  Dabei  ist  Ge  beiderseits  deutlich 
breiter  als  Gi,  während  im  normalen  Schnitt  dieser  Gegend  das  Gegenteil  der  Fall  ist. 
Im  /.  Ge  sind  hier  —  wie  in  der  vorigen  Figur  —  die  dorsalen  zwei  Fünftel  pathologisch 
faserarm.  Dagegen  weist  die  ventrale  Aufhellung  eine  geringere  Ausdehnung  auf.  Das 
/.  Gi  zeigt  zunächst  —  wie  in  der  vorigen  Figur  —  gegenüber  dem  mittleren  Teil  von 
Ge  in  seiner  Gesamtheit  eine  pathologische  Faservermindemng  und  dann  eine  spezielle 
in  der  dorsalsten  und  der  ventralsten  Partie.  Im  r .  Ge  ist  die  dorsale  und  die  ventrale 
Aufhellung  noch  intensiver  als  in  der  vorigen  Figur.  Ebenso  begegnen  wir  im  dorsalsten 
Teil  von  Gi  einem  Gebiete,  welches  eine  Faserarmut  von  einer  bisher  noch  nicht  be- 
obachteten Intensität  darbietet.  Einen  weiteren  besonderen  Fasermangel  zeigt  dann 
noch  der  ventralste  Teil  von  Gil,  Es  ist  femer  als  durchaus  pathologisch  zu  bezeichnen, 
wenn  in  dieser  Schnittebene  eine  La  in  keinem  der  beiden  Gi  deutlich  erkannt  werden 
kann.  Die  Faserreduktion  in  AI,  LI  und  H^  äußert  sich  /.  darin,  daß  diese  Fasermassen 
nur  wenig  dunkler  sind  als  das  Corpus  Luysi.  Auf  der  r.  Seite  ist  die  Differenz,  speziell 
in  bezug  auf  LI,  noch  geringer.  CL  selbst  ist  verkleinert.  'Man  ziehe  zum  Vergleich 
die  doppelt  so  stark  vergrößerte  Fig.  3  der  Taf.  45  heran !  Die  im  normalen  Schnitt 
aus  H'^  in  den  Thalamuskem  vtl  eindringenden  dickeren  Faserbündel  treten  in  der 
vorliegenden  Figur  ebenfalls  in  beiden  Hälften  ganz  zurück,  mv  ist  auch  hier  beider- 
seits auffallend  markarm. 

Tat  51,  Fig.  2.  Beide  Caudata  sind  kleiner  und  ärmer  an  Faserbündeln  als  Kon- 
trollpräparate  gleich  alter  normaler  Gehirne.  Ebenso  entbehren  die  beiden  in  ihrer 
Höhe  verkürzten,  aber  normal  etwas  verbreiterten  Putamina  fast  jeglichen  Faseraus- 
tausches mit  dem  Pallidum.  Die  in  den  Putamina  hervortretenden  Bündel  stellen  größten- 
teils fibres  of  passage  dar.  Die  Markfaserung  beider  speziell  in  ihrem  Höhendurch- 
messer stark  verkleinerten  Pallida  ist  so  verringert,  daß  sie  nicht  dunkler  erscheinen 
als  die  ventral  von  ihnen,  unmittelbar  lateral  vom  Tractus  opticus  {IT)  gelegenen  Campi 

135 


762  C.  UND  O.  VOGT. ^""u^  ^J^XfiH!^ 

Arnoldi.  Die  Corpora  Luysi  (CL)  sind  hier  bereits  jenseits  ihrer  größten  Ausdehnung 
p:etroffen.  Sie  zeigen  an  der  Stelle  ihres  größten  Volumens  eine  Verminderung  ihres 
Höhendurchmessers  um  ein  Viertel.  Das  orolaterale  Mark  des  Nucleus  ruber  {INr) 
sowie  die  Substantia  nigra  {Sn)  lassen  ebensowenig  eine  pathologische  Veränderung 
erkennen  wie  der  Rest  der  Abbildung. 

Kaudaler  gelegene  Schnitte  gestatten  uns  nicht,  im  \ucleus  ruber  od^r  seiner 
Kapsel  etwas  Pathologisches  festzustellen. 

Die  Myeloarchitektonik  der  Hirnrinde  ist  —  soweit  die  Betrachtung  einer  Aus- 
wahl von  Schnitten  entsprechende  Schlüsse  gestattet  —  eine  durchaus  normale  und 
für  das  Alter  gut  entwickelt.  Die  Area  gigantopyramidalis  zeigt  im  Giesonbild  zahl- 
reiche und  gut  entwickelte  Riesenp>Tamiden  sowie  keine  anderen  Abweichungen 
von  der  normalen  Architektonik. 

Färbungen  einzelner  Schnitte  der  Serie  nach  van  Gieson  lassen  keine  Anomalien 
im  Cortex  cerehelli  erkennen. 

c)  Zusammenfassung   des   anatomischen   Befundes. 

Das  Großkim  eruies  sich  im  Gegensatz  zum  vorigen  Fall  als  gut  entwickelt. 
Speziell  waren  auch  die  Riesenpyramidenzellen  der  Area  gigantopyramidalis 
von  normaler  Zahl  und  Größe. 

Die  Striata  waren  —  wenn  auch  hier  die  Putamina  noch  eine  anormale  Breite 
darboten  —  kleiner  als  im  vorigen  Fall.  Vor  allem  aber  zeigten  sich  die  PaUida 
und  speziell  Gi  stärker  reduziert  als  in  der  vorhergehenden  Beobachtung.  Inner- 
halb der  Pallida  kam  es  stellenweise  zu  einem  starken  Faserausfall.  Dieser  war 
aber  anders  lokalisiert  als  im  vorigen  Fall.  Die  oralsten  strio-pallidären  Fasern 
zeigten  sich  intakt.  Dagegen  waren  —  worin  unsere  vorläufige  Angabe  in  unserem 
Beitrag  ,,Zur  Kenntnis  usw."  ergänzt  werden  muß  —  diejenigen  der  Cauda  von 
Nc  sowie  der  dorsalen  und  ventralen  Partien  der  mittleren  Gebiete  und  des 
kaudalen  Abschnittes  des  Putamen  stark  reduziert.  Alle  diese  Faserausfälle  traten 
r.  stärker  auf  als  Z. .  Die  Grenzlamellen  des  Pallidum  und  //*  waren  faserhaltiger 
als  im  vorigen  Gehirn.  Die  dicken  Fasern  von  vtl  traten  sehr  zurück,  mv  und 
die  Commissura  tnollis  erwiesen  sich  als  markarm.  Das  Corpus  Luysi  war  etwa. 
um  ein  Viertel  reduziert,  aber  von  normalem  Fasergehalt.  Andererseits  könnt 
wir  auch  hier  keine  Anomalien  in  Nr^  seiner  Kapsel  und  Sn  erkennen. 

Speziell  die  markarmen  Fasersysteme  hatten  eine  anormale  Tendenz, 
Hämatoxylin  bei  der  Differenzierung  abzugeben.     Die  ganzen  Zentralgangli^ 
der  r.  Hemisphäre  waren  in  allen  Schnitten  etwas  schwächer  gefärbt  als  die  der /— 

C,  Epikrise. 

Die  Ähnlichkeit  des  klinischen  Bildes  mit  dem  in  der  vorigen  Beobachtung 
wiedergegebenen  ließ  uns  einen  Etat  dysmyelinique  annehmen,  wenn  überhau] 
eine  der  bisher  von  uns  beobachteten  pathologischen  Veränderungen  in  Betracl 
kommen  sollte.    Die  Untersuchung  hat  unsere  Vermutung  bestätigt. 

Die  stärkeren  Symptome  in  der  /.  Körperseite  erklären  sich  durch  die  stärkc^^ 
Erkrankung  des  r.  striären  Systems. 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen. 

Die  Ursache  des  Untergangs  von  Neuronen,  wie  wir  sie  im  Etat  dysmy^liniqu^ 
vor  uns  haben,  ist  uns  ebenso  verborgen  geblieben  wie  O.  Fischer.    Jelgersm^ 
136 


764_ C.UND  O.  VOGT.       '""ISdK.^Sy 

chronischen  Halluzinanten  —  wie  es  öfter  geschehen  ist  —  derartige  mechanische 
Reize  anzunehmen,  sondern  wir  können  seine  Sinnestäuschungen  —  wie  O.  Vogt 
es  1895  für  die  unseres  normalen  Traumlebens  versucht  hat  —  auf  eine  Stauung 
neuro-dynamischer  Reizenergie  infolge  herabgesetzter  Ableitungsmöglichkeiter 
zurückführen.  Diese  herabgesetzten  Ableitungsmöglichkeiten  äußern  sich  gleicli 
zeitig  in  einer  Kritiklosigkeit  des  Halluzinanten  gegenüber  den  Sinnestäuschungen 
welche  man  als  eine  Störung  der  Koordination  des  Denkens  bezeichnen  könnte 
Auf  einen  ähnlichen,  also  schon  heute  mehr  in  seine  Einzelheiten  zerlegbare?: 
Mechanismus  könnte  man  bei  einer  Zerstörung  eines  Teiles  der  Nervenbahn^ 
des  Pallidum  jene  pathologisch  intensiven  und  zugleich  inkoordinierten  Hypei 
kinesen  zurückführen,  welche  uns  in  der  Athctose  und  in  Anfällen  von  Musk^ 
Spasmen  entgegentreten.  Wird  doch  erstens  bei  der  uns  hier  beschäftigende 
Erkrankung  die  thalgimo-pallidäre  Reizenergie  infolge  Zerstörung  zahlreichie 
thalamo-pallidärer  Bahnen  in  die  übrig  gebliebenen  Leitungen  zum  Pallidiu: 
hmeingezwängt !  Ist  doch  zweitens  ein  Teil  der  pallido-fugalen  Nervenbaha^ 
vernichtet!  Und  kann  endlich  drittens  nach  einer  partiellen  Nekrose  des  Pallid 
die  Einwirkung  an  sich  intakt  gebliebener  Striatumpartien  doch  nur  noch  ei 
eingeengte  sein! 


•38 


5|Ü*Li^  3       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         765 


V.  Fälle  von  Totalnekrose  des  Striatum. 

32.  Thomallas  FaU  Alfred  L.   {Bf,  17). 

A.  Zusammenfassung  der  Krankheüsgeschichte. 

'\t  in  der  S.  639  zitierten  Arbeit  von  Thomalla  sehr  ausführlich  wieder- 
:ne  Krankheitsgeschichte  wollen  wir  nur  kurz  resümieren. 

s  handelt  sich  klinisch  um  einen  Torsionsspasmus,  welcher  in  ^/4  Jahren 
Tode  führte  und  in  der  letzten  Lebenszeit  in  eine  allgemeine  Muskelsteifig- 
ganzen  Körpers  überging. 

jr  Patient  erkrankte  im  Alter  von  12^/2  Jahren  mit  Torsionsbewegungen 
chten  Bein.     Bald  nahmen  auch  der  Rumpf  und  der  rechte  Arm  an 
nfallsweise  auftretenden  Verdrehungen  teil.    4  Monate  nach  Krankheits- 
kamen  Sprachstörungen  hinzu.   2  Monate  später  traten  auch  Schluck- 
*■  ^J  ngen  auf  und  lief  der  Speichel  aus  dem  halb  offen  stehenden  Munde  heraus. 

Öei  der  dann  folgenden  Aufnahme  im  Krankenhaus  zeigte  der  Patient  Dreh- 
^<^lcen  des  ganzen  Körpers  mit  Ausnahme  des  frei  bleibenden  linken  Arms. 
^  Ciefühl,  beobachtet  zu  werden,  steigerte  die  Symptome  zeitweise;  aktive 
^^Siingen  der  an  den  Krampfanfällen  teilnehmenden  Körperteile  taten 
'      3tets. 

^-^ie  Sprache  wurde  nach  einigen  Worten  unmöglich. 

-allmählich  gingen  die  anfallsweise  auftretenden  Spannungen  in  dauernde 

i  ^  " 

**Skeit  über.     Der  /.  Arm  nahm  an  dieser-  Versteifung  ebenfalls  teil. 

C>er  Schlaf  milderte  in  der  ersten  Zeit  des  Krankenhausaufenthaltes  bis 
^*^em  gewissen  Grade  die  Erscheinungen. 

^robe  motorische  Kraft,  Sensibilität,   Intelligenz  intakt. 

^ehnenphänomene  und  Hautreflexe  auslösbar. 

«abinski  höchstens  zeitweise  rechts  angedeutet. 

^^och  keine  Behaarung  an  den  Geschlechtsteilen  und  in  den  Achselhöhlen. 
^     unentwickelte  Genitalien. 

Vorübergehend   während    14  Tage   durch   passive   Bewegungen,    aber   nicht 
'^«ctirlich    überwindbare   Fixationskontraktur    in   den   Armen.      Während 
^^^  Zeit  große  Neigung  zu  Mitbewegungen  in  den  Beinen  bei  jedem  Versuch 
Girier  aktiven  Bewegung, 
liin  einziges  Mal  im  Hyoscinschlaf  athetotischc  Bewegungen  in  der  rechten 
■^^d  und  Babinski  beiderseits.     Am  folgenden  Tage  noch  andeutungsweise 
^^^  Bewegungen  im  Wachen. 
Tod  an  Schluckpneumonic 


766 ^.  UND  0.  VOGT.    '°3'w.£Sä 

I 

B.  Anatomische  Untersuchung. 
a)  Makroskopischer  Befund. 

Außer  einer  Pneumonie  wurde  eine  Kollo'idstruma  der  Thyreoidea  und  eine 
fallend  kleine  und  an  der  Oberfläche  grobhöckrige  Leber  festgestellt. 

Das  Gehirn  wog  1340  g  und  zeigte  äußerlich  keine  Anomalien.  Die  Ventrikel 
hielten  nur  kleine  Mengen  klarer  Flüssigkeit. 

Das  Rückenmark  und  seine  Häute  zeigten  makroskopisch  keine  Besonderhe 

Bei  einem  Frontalschnitt  durch  das  Gehirn  in  der  Gegend  des  Putamen  l\ 
schwere  Veränderungen  in  diesem  auf.  Das  Putamen  erscheint  auf  beiden  Seiten  a 
verschmälert.  Das  Gewebe  ist  teilweise  zerklüftet  und  sinkt  unter  das  Niveau 
Schnittfläche  hinab.  Die  Konsistenz  des  Putämen  ist  auf  beiden  Seiten  weiche; 
diejenige  der  Nachbarteile. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 
a)  Untersuchung  an  herausgeschnittenen  Hiinstücken. 

I.  Cortex. 

TaL  52,  Fig.  1  bringt  einen  Schnitt  aus  der  Area  gigantopyratnidalis.  Es  ist 
wenn  auch  immer  noch  in  rudimentärer  Form,  die  IV.  Schicht  besser  vorhandei 
in  einem  normalen  menschlichen  Gehirn  dieses  Alters.  Andererseits  lehrt  um 
Vergleich  mit  Taf.  31,  Fig.  3  und  Taf.  ;^^j  Fig.  i  —  vor  allem  unter  Benutzung  < 
Lupe  — ,  daß  es  sich  in  der  vorliegenden  Figur  nicht  um  die  für  die  Huntington 
Chorea  charakteristische,  einem  Untergang  der  größeren  Pyramidenzellen  pai 
gehende  Vermehrung  der  Neurogliakeme  handelt,  sondern  daß  neben  größeren  I 
midenzellen  kleinere  zellige  Elemente  in  größerer  Menge  vorhanden  sind,  die  alle 
mehr  oder  weniger  die  Form  von  Pyramidenzellen  zeigen,  also  Ganglienzellen  in 
Form  von  echten  Körnern  darstellen.  Es  handelt  sich  also  hier  um  das  Erhaltengeblic 
sein  eines  ontogenetischen  Durchgangsstadiums  bis  zum  14.  Lebensjahr. 

2.  Putamen. 

Tat  52,  Fig.  2  gibt  im  Spiegelbild  einen  Teil  des  rechten  Putamen  eines  Sehn 
wieder,  der  etwas  kaudal  von  dem  Taf.  56,  Fig.  2  abgebildeten  gelegen  ist.  Der  n 
befindliche  Teil  der  Abbildung  stößt  unmittelbar  an  die  innere  Kapsel.  In  diesem 
schnitt  beobachten  wir  ein  weitgehendes  Zugrundegegangensein  der  Ganglienz 
und  eine  gegenüber  Fällen  von  Huntingtonscher  Chorea  —  z.  B.  Taf.  32,  Fig.  i  — ge 
fügige  Ersatzwucherung  der  Glia.  In  den  linken  Partien  der  Abbildung  ist  der  Ui 
gang  der  Ganglienzellen  ein  noch  beträchtlicherer.  Die  Ersatzwucherung  der 
ist  dabei  aber  eine  so  geringfügige  geblieben,  daß  es  hier  zur  Entstehung  eines  schv 
migen,  zahlreiche  Lücken  aufweisenden  Gewebes  gekommen  ist.  Nach  Bielscho*« 
existieren  in  diesem  Gebiet  auch  zahlreiche  kleine  Fettkömchenzellen.  ,, Faserbild 
Astrozyten  sind  nur  in  spärlicher  Menge  vorhanden.  Die  Gefäße  treten  in  diesem  gli 
Retikulum  stark  hervor,  sind  aber  quantitativ  nicht  vermehrt.  An  einzelnen  Gefi 
findet  sich  eine  schwache  Rund  Zelleninfiltration  der  Außenwand.** 

ß)  Befunde  an  der  Markfaserserie. 

Das  Gehirn  wurde  uns  in  stark  deformierten  Blöcken  eingeliefert.     Dieser 
stand  erklärt  die  eigentümliche  Gestaltung  der  abgebildeten  Schnitte.     Er  hat 
aber  gleichzeitig  ein  sicheres  Urteil  über  die   Größenverhältnisse  gewisser  Teile 
Zentralganglien  und  der  hypothalamischen  Region  unmöglich  gemacht. 

Die  Markfaserfärbung  ist  in  allen  Schnitten  gegenüber  solchen  eines  norm 

Gehirns  des  gleichen  Alters  eine  geringere.    So  sind  z.  B.  in  der  Hirnrinde  die  2, 

3.  Schicht  auffallend  markarm.     Wie  weit  dieser  Tatsache  eine  allgemeine  Hemn 

der   Markfaserentwickelung.   prämortale    Schädigungen   des    Marks   oder  ungeeig 

140 


^^ii^i^Si  8.      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         767 

Vorbehandlung  der  Blöcke  vor  ihrem  Einlegen  in  die  Chromkalilösung  zugrunde  liegen, 
^'ennögen  wir  nicht  zu  entscheiden.  Wir  werden  in  der^  folgenden  Beschreibung  von 
dieser  allgemein  abgeschwächten  Markfärbung  abstrahieren. 

I.  Linke  Hemisphäre. 

TU.  68,  Kg.  1  bringt  ein  Caudatum  (Nc),  welches  wir  trotz  der  Schwierigkeit 

der    JBntscheidung  solcher  Fragen  bei  der  vorliegenden  Deformation  doch  als  patho- 

Ic^sch  verkleinert  zu  bezeichnen  wagen.     Der  Innenteil  zeigt  die  normale  Zahl  von 

^rJc faserbündeln.    Dagegen  erkennt  man  unter  dem  Mikroskop  im  ganzen  Nc  ebenso 

aÄlireiche  geschwärzte,  d.  h.  infolge  des   Erstickungstodes  prall  gefüllte  Kapillaren 

wie   in  der  Taf.  77,  Fig.  2.    Put  ist  nicht  nur  zweifellos  verkleinert,  sondern  besteht 

bis  nalie  an  die  innere  Kapsel  heran  aus  einem  Gewebe,  welches  durch  seine  besondere 

Blässe  und  das   fast  vollständige  Fehlen  an  Markfasern  von  der  Norm  abweicht. 

Ci  tst  in  ganzer  Ausdehnung  durchaus  erkennbar,  aber  —  speziell  in  ihrem  mittleren 

Hauf>"t"tcil  —  durch  Markarmut  ausgezeichnet. 

In  einem  benachbarten,  nach  van  Gieson  behandelten  Schnitt  hebt  sich  der 

im  soolDen  beschriebenen  Faserpräparat  durch  seine  Faserarmut  charakterisierte  Teil 

^^^    C^  schon  bei  bloßem  Auge  durch  Blässe  x'on  dem  übrigen  Himmark  ab.    Unter 

dem     Mikroskop  erkennt  man  eine  Aufhellung  der  Grundsubstanz  und  eine  Zunahme 

^^  Nexirogliakeme.  Eben^  erscheint  Put  in  ganzer  Ausdehnung  schon  bei  Betrachtung 

™*^  bloßem  Auge  heller  als  Nc  und  die  Substanzbrücken  zwischen  Nc  und  Put.   Unter 

dem    Mikroskop  nimmt  man  auch  hier  eine  fleck  weise  Aufhellung  der  Grundsubstanz, 

einen  partiellen  Schwund  der  Ganglienzellen  und  eine  deutliche  Vermehrung  der  Neuro- 
glia 


^^.«.  S8,  Fig.  2  zeigt  Nc  deutlich  verkleinert,  aber  von  annähernd  nörmalei  Archi- 

tektonii^    j)|e  ^ei  Beschreibung  der  vorigen  Abbildung  hervorgehobene  starke  Füllung 

.   ^Ä^Mllaren  tritt  auch  hier  bei  stärkerer  Vergrößerung  hervor.  Put  ist  nicht  nur  nach 

^"^  "Vo^r  durch  eine  starke  Verschmälerung  ausgezeichnet,  sondern  entbehrt  —  wenn  wir 

^.**     *«inem   allerdorsalste»  Abschnitt  und  seiner  ventralsten  Partie  absehen  —  fast 

.wner  gesamten  Markfaserung.    Außerdem  erkennt  man  bei  genauer  Betrachtung  der 

rf^xr  \xi  der  Mitte  von  Put  bereits  einige  Substanzdefekte.     Ce  ist  in  ihrem  ventralen 

^***I^^«tbschnitt  durch  anormale  Helligkeit  ausgezeichnet.  Die  Ge  von  Put  abgrenzende 

L0ffBe22^  externa  ist  gegen  die  Norm  deutlich  verschmälert  und  nur  durch  etwas  stärkere 

*!,**^*^ichtigkeit  von  dem  übrigen  Ge  verschieden.     Dieser  Verschmälerung  liegt  die 

***^^lle  zugrunde,  daß  die  normalerweise  in  großer  Zahl  Le  duichflechtenden  putamino- 

.P*~?^*Ären  Faserbündel  vollständig  fehlen.    Ge  selbst  zeigt  bei  stärkerer  Vergrößerung 

'  .    ^*5^  unmittelbar  dorsal  von  der  Commissura  anterior  {Cd)  gelegenen  Abschnitt  einen 

.    -.^^^s^n  Ausfall  der  strio-pallidären  Faserbündel.     Direkt  oberhalb  dieses  Gebietes 

Q^^^^t  sich  noch  in  der  Mitte  ein  in  der  Figur  eben  erkennbarer  linearer  Faserausfall. 

^..J^^   ^eigt  Ge  in  normaler  Zahl  strio-pallidäre  (d.  h.  wohl  ausschließlich  caudato- 

^*^  ^*^re)  Faserbündel,  umschlungen  von  dickeren  Einzelfasern  in  gewöhnlicher  Zahl 

^On  typischem  Bau. 

~    .      ^%1.  68,  Flg.  8.     Nc  läßt  auch  hier  mit  Sicherheit  keine  architektonischen  Ver- 

II  *^*igen  erkennen.   Man  kann  nur  eine  gewisse  Volumenverminderung  außer  Zweifel 

g  .  ^*^-      Put  ist  in  ganzer  Ausdehnung  nekrotisch.    Die  Nekrose  hat  stellenweise  zu 

^^^  ^^tizdefekten  geführt.    Sie  greift  hier  femer  auf  die  mittleren  Partien  der  Capsula 

,  I     ^^^  (C^)  über.    Dabei  möchten  wir  in  suspenso  lassen,  ob  die  in  dieser  und  den      * 

^  ^«^^en  Abbildungen  sichtbaren  Spaltbildungen  an  der  Grenze  von  Put  und  Ce 

S^tcns  teilweise  keine*  Kunstprodukte  darstellen.    Erst  bei  stärkerer  Vergrößerung 

^      ^^*it  man  in  Put  Reste  dicker  Fasern.  Dagegen  fehlen  die  feinen  putamino-pallidären 

^^^^^ündel  vollständig.     Dieser  Umstand  führt  auch  hier  dazu,  daß  nur  eine  sehr 

scB^al^  und  bloß  durch  etwas  stärkere  Dunkelheit  abgehobene  Lamella  externa  Put 

^eft^'n  Q^  abgrenzt.   In  Ge  selbst  zeigt  die  dorsale  Hälfte  einen  normalen  Bau.   Dagegen 

\«»t  die  ventrale  Hälfte  im  Volumen  stark  reduziert.     In  ihr  fehlen  alle  feinfaserigen 

141 


768  C.  UNDP,  VOGT. ^;;Ä^^^ 

(putamino-pallidären)  Faserbündel.  Die  infolge  dessen  dichter  aneinander  gerückten 
dicken  Markfasern  zeigen  äußerst  zahlreiche  variköse,  kugelige  Anschwellungen.  Daß 
diese  etwas  Pathologisches  darstellen,  geht  daraus  her\'or,  daß  die  dicken  Fasern  im 
dorsalen  Teil  von  Ge  diese  Varikositäten  nicht  oder  fast  nicht  zeigen.  Das  eben  an- 
geschnittene Gi  ist  auch  in  normalen  Gehirnen  in  diesem  oralsten  Abschnitt  heller 
als  der  dorsalste  Teil  von  Ge.  £s  geht  aber  doch  aus  einem  Vergleich  mit  normalen 
Präparaten  eine  Abnahme  seiner  dicken  Fasern  hervor.  Ein  mittlerer  Teil  von  £f  ist 
vollständig  ausgefallen.  Der  Rest  von  Li  ist  reduziert.  Dagegen  weisen  AI  und  LI 
keine  sicher  als  solche  anzusprechenden  Anomalien  auf. 

Taf.  63.  Rg.  4.  Für  Nc  wagen  wir  es  jetzt  nicht,  einen  pathologischen  Befund 
zu  erheben.  Das  auch  hier  stark  verschmälerte  Put  ist  nach  wie  vor  vollständig  nekro- 
tisch. Der  Krankheitsprozeß  greift  in  noch  intensiverer  Weise  auf  Ce  über.  Die  ihrer 
Natur  nach  zweifelhaften  Spaltenbildungen  an  der  Grenze  von  Put  und  Ce,  wie  auch 
die  innerhalb  von  Put  vorhandenen,  zweifellos  präformierten  Substanzdefekte  haben 
sich  vermehrt.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  stellt  man  in  Put  t—  wie  bisher  —  nur  eine 
sehr  reduzierte  Zahl  dicker  und  dabei  noch  morphologisch  veränderter  Fasern  fest. 
Die  dünnen  Fasern  fehlen  nach  wie  vor.  Nur  ganz  ventral  unmittelbar  über  Ca  gibt  es 
ein  paar  aus  markdünnen  Fasern  bestehende  Bündel.  Le  ist  ebenfalls  in  dieser  Figur 
schmal  und  wenig  von  Ge  abgehoben.  Wie  in  der  vorigen  Abbildung  muß  man  in  Ge 
eine  dorsale,  normal  gebaute  Hälfte  von  einer  ventralen  unterscheiden.  An  der  Grenze 
beider  befindet  sich  die  Bezeichnung  j,Ge'\  Der  ventrale  Abschnitt  ist  —  wie  in  Fig.  j— 
durch  das  Fehlen  feiner  Faserbündel  und  den  starken  varikösen  Charakter  der  erhal- 
tenen und  dichter  aneinander  gerückten  dicken  Fasern  ausgezeichnet.  Er  dürfte  etwa 
den  ventralen  zwei  Dritteilen  des  normalen  Ge  entsprechen.  Li  ist  zweifellos  reduziert. 
Für  die  übrigen  Gi  begrenzenden  Lamellen  gilt  dieses  weniger.  Dagegen  ist  die  Zahl 
der  dicken  Fasern  in  Gi  deutlich  vermindert.  Die  feinfaserigen  Bündel  nehmen  an 
dieser  Verarmung  nicht  teil.  Die  vorhandenen  dicken  Fasern  zeigen  keine  pathologischen 
Varikositäten. 

Tat  58,  Fig.  5.  Der  bei  der  makroskopischen  Zerschneidung  erhalten  gebliebene 
Rest  von  Nc  läßt  keine  Anomalien  erkennen.  Der  nekrotische  Prozeß  umfaßt  hier 
nicht  nur  Put,  sondern  hat  sich  lateralwärts  über  Ce  etwas  auf  das  Claustrum  und 
medialwärts  auf  den  ventrolateralen  Teil  von  Ge  ausgedehnt.  In  Put  finden  sich  attch 
in  dieser  Abbildung  erst  bei  stärkerer  Vergrößerung  sichtbare  Reste  morphologisdi 
stark  modifizierter  dicker  Fasern.  Im  ganzen  Ge  fehlen  jetzt  die  dünnfaserigen  strio- 
pallidären  Faserbündel.  Wir  begegnen  nur  noch  dicken  Einzelfasern  und  diesen  aus- 
schließlich in  ausgesprochen  variköser  Entartung.  Den  Rest  des  striären  Systems 
studieren  wir  besser  an  der  folgenden,  diese  Teile  bei  doppelt  so  starker  (achtfacher) 
Vergrößerung  wiedergebenden  Abbildung.  Dagegen  sei  in  der  vorliegenden  Figur 
noch  darauf  aufmerksam  gemacht^  daß  die  Capsula  interna  (Ci)  und  der  ThaioMus 
keine  Abweichungen  von  der  Norm  zeigen.  Das  gilt  speziell  auch  von  der  Zona  fith 
culata  und  der  Lameila  thalami  externa. 

Taf.  64,  Fig.  1.    Man  ziehe  zum  Vergleich  Taf.  44,  Fig.  3  und  Taf.  45,  Fig.  3  von 
einem  gleichaltrigen  normalen  Gehirn  heran!    Li  zeigt  jetzt  eine  normale  Breite.    Es 
fehlen  aber  die  in  der  gesunden  Li  zerstreut  vorhandenen  strio-pallidären  Bündel. 
Außerdem  zeigen  die  dicken  Markfasem  eine  Verschmälerung.    Das  Volumen  von  Gi 
hat  nicht  wesentlich  abgenommen.    Dagegen  zeigt  Gil  nicht  nur  absolut,  sondern  auch 
im  Gegensatz  zu  Gim  eine  pathologische  Helligkeit.  Sie  beruht  auf  einer  Faserverannung 
der  lateral-medial  Gil  durchsetzenden  Bündel  und  vor  allem  auf  einer  Reduktion 
der  zwischen  diesen  Bündeln  sich  verflechtenden  Fasern.  Gith  zeigt  demgegenüber  eine 
viel  geringere  Faserverminderung.    Das  Volumen  von  La,  AI  und  LI  ist  normal.    Da- 
^'egen  gibt  sich  ein  gewisser  Grad  von  Faserabnahme  in  diesen  Lamellen  dadurch  kund, 
daß  sie  heller  sind  als  das  anstoßende  Übergangsgebiet  zwischen  Ci  und  P.  Die  weiBen 
Lücken  in  diesem  Gebiet  sind  wie  in  den  folgenden  Abbildungen  darauf  zurückzoführto, 
(hiß  infolge  Überhärtung  beim  Schneiden  .Substanzteile  herausgesprungen  siiid,     Sic 
142 


tJSu^JSSi  8       ^UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         769 

Steilen  also  ^Vrtefakte  dar.  Im  Gegensatz  zur  Faservermindening  der  pallidären  La- 
mellen zeigt  H*  eine  so  starke  Ausbildung  und  eine  so  starke  Färbung^  daß  man  keine 
Degeneration  in  ihm  nachweisen  kann.  Man  ziehe  zum  Vergleich  das  normale  H^  von 
Taf .  44,  Fig.  3  und  das  stark  degenerierte  von  Taf .  44,  Fig.  2  heran !  Ebenso  scheinen 
uns  H^  wie  auch  v//  und  in  diesem  die  für  den  normalen  vtl  charakteristischen  dicken 
Faserbündel  gut  erhalten,  wenn  man  der  schon  oben  erwähnten  künstlichen  Defor- 
mierung Rechnung  trägt. 

TaL  64,  Kg.  2.  Man  vergleiche  die  Abbildung  mit  der  normalen  Fig.  3  der  Taf.  45! 
//*,  H*  +  H^,  H^  und  vU  zeigen  keine  sicher  erkennbare  Abweichung  von  der  Norm^ 
wenn  man  vom  künstlichen  Plattgedrücktsein  dieser  Gegenden  in  dorsal-ventraler 
Richtung  absieht.  Dagegen  dürfte  CL  auch  bei  Berücksichtigung  dieser  künstlichen 
Deformität  eine  Reduktion  seines  dorsal-ventralen  Durchmessers  erfahren  haben. 
Auf  alle  Fälle  zeigt  es  eine  deutliche  Faserabnahme,  besonders  in  seinen  lateralen  Ab- 
schnitten. Dieses  geht  klar  aus  der  geringen  Farbendifferenz  zwischen  CL  und  Zi 
hervor,  während  diese  in  einem  normalen  Gehirn  eine  beträchtliche  ist.  Auch  die  Kapsel 
von  CL  weist  eine  ausgesprochene  Faserverminderung  auf. 

Tal  54,  Fig.  8.     Es  handelt  sich  um  eine  küizere  Zeit  exponierte  Photographie 
einer  lateraleren  Partie  des  gleichen  Schnittes.     Infolge  dieser  kurzen  Expositionszeit 
erscheint  das  Pallidum  zu  Unrecht  markhaltiger  als  in  Taf.  54,  Fig.  i.   Das  abgebildete 
Stück  von  Put  zeigt  den  bisherigen  Grad  von  Nekrose.  Le  ist  hier  wie  in  Taf.  53,  Fig.  5 
auf  einen  schmälen  Streifen  reduziert.     Strio-pallidäre  Faserbündel  fehlen  auch  jetzt 
in  Ge  vollständig.    Das  dorsale  Gebiet,  welches  noch  an  Einzelfasern  relativ  reich  ist, 
hat  sich  zugunsten  des  auch  an  diesen  Fasern  ganz  verarmten  ventralen  Teils  verkleinert. 
Li  zeigt  ähnliche  Verhältnisse  wie  in  Taf.  54,  Fig.  i.   Gi  weist  auch  hier  im  Gegensatz 
zu  Ge  bloß  eine  geringe  Volumenreduktion  auf.    Im  ventralen  Teil  von  Gil  finden  sich 
nur  noch  einige  ganz  verdünnte  lateral-medial  verlaufende  Bündel.   Die  zwischen  ihnen 
gelegene  graue  Substanz  zeigt  nur  noch  schlecht  gefärbte  Reste  der  sich  in  ihr  ver- 
zweigenden Faserung.  Das  letztere  gilt  auch  vom  dorsalen  Teil  von  Gil.   Hier  sind  aber 
die  durchziehenden  Faserbündel  zwar  ebenfalls  verdünnt,  aber  in  anormal  dichter 
Aneinanderreihung  vorhanden.    Gim  hat  gegenüber  Taf.  54,  Fig.  i  eine  beträchtliche 
Faserverarmung  erfahren:  eine  Tatsache,  die  allerdings  infolge  der  ungleichen  Expo- 
sitionszeiten aus  einem  Vergleiche  der  beiden  Abbildungen  nicht  hervorgeht.    La,  AI, 
LI  und  Lid  zeigen  auch  jetzt  bei  nur  geringer  Volumenreduktion  eine  pathologische 
H^igkeit  gegenüber  den  zum  Himfuß  ziehenden  Kapselfasem.     Endlich  sei  darauf 
*^cwiesen,  daß  auch  bei  der  kurzen  Expositionszeit  dieser  Figur  kaum  eine  Farben- 
Differenz  zwischen  dem  lateralen  Zipfel  von  CL  und  zwischen  Zi  besteht. 

lUL  64,  Hg.  4.  Es  ist  hier  CL  in  seinem  größten  dorsal-ventralen  Durchmesser 
«^troffen.  Seine  starke  Verschmälerung  erkennt  man  sofort  bei  einer  Betrachtung  der 
^?^  einem  ebenso  alten  normalen  Gehirn  stammenden  Fig.  5  der  Taf.  44.  Seine  gleich- 
j^^'^e  pathologische  Faserarmut  ist  leicht  festzustellen,  wenn  man  in  den  beiden 
^^^rexi  die  Dunkelheit  von  CL  mit  derjenigen  der  Substantia  nigra  (Sn)  vergleicht. 
r- .  •»  -W^  und  vtl  lassen  auch  hier  keine  Anomalien  mit  Sicherheit  erkennen.  AI  und 
•  «5^^t>cn  sich  nach  wie  vor  durch  eine  pathologische  Helligkeit  von  der  zum  Himstamm 

^*^den  Faserur^  ab. 
j  ^t»L  64,  Kg.  6   wird   nach   Taf.  55,   Fig.  2,  S.  770,  Tat  64..  Fig.  6  nach  Taf.  55 

3,   S.  770  beschrieben. 

^Caf.  66,  Flg.  1    bringt  von  neuem   eine   Gesamtübersicht  über  die   Zentral- 

,  V^V^n  eines  etwa  0,35  mm  kaudal  von  der  eben  beschriebenen  Abbildung  gelegenen 

^^^^ttcs.     Die  Nekrose  läßt  hier  den  allerdorsalsten,  zwischen  den  Bezeichnungen 

^yj^  *    "^öd  „Cf"  gelegenen  Zipfel  und  die  ventralste  Partie  von  Put  frei.     Sie  greift 

T^^   ebenso  stark  wie  in  Tat.  53,  Fig.  5  auf  Ce  und  Cl  über.    Das  Pallidum  zeigt  die 

^^  ^^*-  54,  Fig.  3  bei  stärkerer  Vergrößerung  wiedergegebenen  Verhältnisse.  Die  Faserung 

H    "V-  ^*  ist  nicht  von  der  in  Taf.  54,  Fig.  4  abgebildeten  verschieden.    Das  hier,  eben- 

\^Y  '"^duzierte  CL  ist  nicht  dunkler  gefärbt  als  Zi.    Ci,  Pes  pedunculi  und  Thalamus 

143 


770  C.  UND  O.  VOGT.  ^"""^ vJSSSSH* 


lassen  —  abgesehen  von  ihrer  äußeren  artifiziellen  Deformation  —  keine  Abweithungei 
mit  Sicherheit  erkennen.  Auch  von  der  Substantia  nigra  kann  nicht  bestimmt  behauptet 
werden,  daß  ihre  auffallende  Schmalheit  nicht  ausschließlich  auf  ihre  künstlidie  Ab 
plattung  zurückzuführen  ist. 

TaL  65^  Fig.  2  betrifft  einen  etwa  i  mm  kaudaler  gelegenen  Schnitt.  Der  nekio 
tische  Prozeß  zeigt  in  Put,  Ce  und  Cl  die  gleiche  Ausdehnung  und  Intensität  wie  ii 
der  vorigen  Abbildung.  Strio-pallidäre  Bündel  fehlen  nach  wie  vor.  «Das  inzwiscbe: 
schon  kleiner  gewordene  Pallidum  zeigt  die  in  den  letzten  Abbildungen  festgestellt 
Faserverarmung.  CL  weist  auch  hier  die  Helligkeit  von  Zi  auf.  Ct,  Pes  pedunaä 
Substantia  nigra,  der  zum  ersten  Male  angeschnittene  Nucleus  ruber  und  seine  Kafu^ 
sowie  der  Thalamus  zeigen  normale  Größenrelationen  und  Faserverhältnisse. 

TaL  64,  Rg.  5  bringt  den  Nucleus  ruber  (Nr)  und  seine  Nachbarschaft  von  einei 
1,4  mm*  kaudaler  gelegenen  Schnitt.  Nr  sowie  seine  Kapsel  bieten  auch  hier  ketii 
Volumenverkleinerung  oder  Faserverarmung  dar.  Man  ziehe  zum  Vergleich  die  n« 
male  Fig.  5  der  Taf.  46  unter  Beachtung  der  äußeren  Deformation  der  Schnitte  <k 
jetzt  zur  Erörterung  stehenden  Falles  heran!  Der  Thalamuskem  vb  imd  die  ac 
geschnittenen  Teile  von  mb  und  va^  weisen  keine  Anomalien  auf.  Dagegen  ist  C* 
nach  wie  vor  nicht  dunkler  als  Zi, 

TaL  65;  Fig.  3.  Auch  hier  fällt  die  auf  den  nekrotischen  Prozeß  zurückzuführend 
Aufhellung  von  Ce,  die  vollständige  Faserarmut  des  Hauptteils  von  Put  und  die  seil 
geringe  Färbung  des  in  seinem  kaudalsten  Teil  getroffenen  Pallidum  externum  au 
CL  zeigt  nach  wie  vor  die  Faserarmut  von  Zt.  Der  Thalamus  zeigt  zweifello«  ein 
anormale  Aufhellung  von  va^  (dorso-medial  von  der  Bezeichnung  „Ci").  Sonst  W 
er  keine  Anomalien  erkennen.  Dasselbe  gilt  —  wie  wir  noch  näher  bei  Beschreiboo 
der  nächsten  Figur  sehen  werden  —  vom  Nucleus  ruber  und  seiner  Kapsel.  Die  »i 
Ci  in  den  Pes  pedunculi  ziehende  Faserung  erscheint  normal.  Von  der  Substanüa  nip 
gilt  hier  ebenfalls  die  schon  früher  hervorgehobene  Tatsache,  daß  es  nicht  ausgeschl088< 
jst,  daß  ihre  Schmalheit  ausschließlich  auf  der  Deformation  des  Gehirns  beruht. 

TaL  64,  Fig.  6  gibt  den  Nucleus  ruber  und  seine  Umgebung  des  gleichen  Schnitt 
bei  der  doppelt  so  starken  Vergrößerung  wieder.  Man  findet  auch  bei  dieser  stärker 
Vergrößerung  die  Tatsache  bestätigt,  daß  CL  ebenso  markarm  ist  wie  Zi,  Das  lateti 
Mark  des  Nucleus  ruber  (INr),  vb  und  der  abgebildete  Teil  von  mb  lassen  keine  Ai 
malien  erkennen.  Dasselbe  gilt  vom  Nucleus  ruber  (Ar)  und  dem  Rest  seiner  Kap- 
Die  Helligkeit  seines  dorso-medialen  Abschnittes  halten  wir  nicht  für  pathologis 

TaL  66,  Fig.  4.  Ce  ist  auch  hier  in  ihren  mittleren  Partien  aufgehellt.  Der  v« 
tralste  Teil  von  Put  enthält  eine  normale  Zahl  von  f ihres  of  passage  und  erweist  s 
auch  in  einem  benachbarten  Giesonbild  als  normal.  Der  mittlere  Abschnitt  von  / 
ist  noch  krankhaft  faserarm.  Er  ist  auch  im  bereits  genannten  Giesonbild  nekrotis 
verändert.  Der  dorsalste  Teil  von  Put  ist  normal.  Außerdem  fällt  eine  noch  stärk« 
Faserverarmung  des  Thalamuskerns  va^  (ventro-medial  von  der  Bezeichnung  .,Ci**)  < 
als  in  Taf.  55,  Fig.  3. 

2.  Rechte  Hemisphäre. 

TaL  66,  Fig.  1.  Auch  der  orale  Teil  des  r.  Caudatum  (Nc)  erscheint  uns  verkleinci 
wenn  auch  diese  Feststellung  durch  die  künstliche  Deformation  erschwert  ist.  Dageg 
kann  von  einer  Abnahme  der  ihm  eigenen  Faserbündei  nicht  die  Rede  sein. 

Tai.  66,  Fig.  8.  Vom  Caudatum  (Nc)  gilt  das  bei  Beschreibung  der  vorigen  A 
bildung  Gesagte.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  erkennt  man  deutlich  im  Caudatt 
einen  ausgeprägten  Faserfilz.  Also  auch  bei  der  vorliegenden,  nicht  einwandsfrci 
Färbung  ist  dieser  immerhin  bis  zu  einem  gewissen  Grade  zur  Darstellung  gekomm 
Das  in  dieser  Abbildung  zum  ersten  Male  angeschnittene  Put  entbehrt  dagegen  ei 
großen  Teils  seiner  Faserbündel  und  vollständig  des  Faserfilzes.  Der  letztere  Man 
kann  auf  Grund  des  für  Nc  festgestellten  Befundes  nicht  auf  einen  technischen  Fei 

144 


Bd.  Sft.  1980. 


3       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        H I 


zuruckgdührt  werden.    Ce  ist  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  gegen  die  Norm  abgeblaßt. 
Das    g^t  besonders  von  ihren  inneren  Partien. 

In  einem  benachbarten^  nach  van  Gieson  behandelten  Schnitt  erkennt  man  in 
der  M^i-tte  von  Put  einen  kleinen  nekrotischen  Herd.  Sonst  ist  Fut  im  Zellbild  annähernd 
normstl.  Dag^en  ist  C^  —  namentlich  in  ihren  inneren  Partien  —  von  eine  Auf- 
hellung der  Grundsubstanz  darstellenden  weißen  Fleckchen  und  Adern  durchsetzt 
und  zeigt  außerdem  eine  Vermehrung  der  Neurogliakeme.  Die  den  ventralsten  Teil 
von  I^  Mt  begrenzende^  in  Taf .  56,  Fig.  2  viel  dunkler  gefärbte  ventro-mediale  Fort- 
setzuri^  von  Ce  ist  im  Zellbild  durch  gleichförmige  Färbung  der  Grundsubstanz  und 
eine  geringere  Zahl  von  Neurogliakemen  gut  vom  dorsaleren  Gebiet  von  Ce  ab< 
^^rez^zt:  Ein  reichlich  i  mm  weiter  kaudal  gelegener,  nach  van  Gieson  gefärbter 
Schutt:  zeigt  das  ganze  Putamen  bereits  nekrotisch  verändert  imd  zwar  in  der  Form, 
wie  «ie  die  rechte  Hälfte  von  Taf.  52,  Fig.  2  zeigt:  unter  Abnahme  der  Ganglienzellen 
und  V^olumenreduktion  ist  es  zu  einer  ziemlich  starken  Vermehrung  der  Neuroglia 
gekontirnen,  so  daß  hier  noch  kein  Substanzdefekt  aufgetreten  ist. 

X>icht  an  diesen  Schnitt  schließt  sich  dann  der  Block  an,  der  nach  Nissl  behandelt 
bt  und  von  dem  wir  einen  Teil  des  Putamen  im  Spiegelbild  Taf.  52,  Fig.  2  ab- 
gebildet: haben.  Hier  sind  bereits  infolge  nicht  genügender  Neurogliäwucherung  Hohl- 
räume  vorhanden. 

M^ir  wenden  uns. nunmehr  den  Schnitten  der  kaudal  von  dem  für  Zellfärbimg 
l^ciÄUsgr^schnittenen  Block  gelegenen  Hälfte  der  rechten  Hemisphäre  zu. 

Eaner  der  ersten  Schnitte  dieses  Himabschnittes  (Bf  17  r  a,  287),  welcher  dem 
TäI-  S3,  Fig.  3  von  der  /.  Hemisphäre  abgebildeten  annähernd  entspricht,  weist  im 
^^'Slcich  zu  diesem  ein  etwas  kleineres  Caudaium  auf.  Das  in  seiner  Längenausdehnung 
auch  et^as  kleinere  Put  zeigt  ebenfalls  in  ganzer  Ausdehnung  neben  seiner  pathologischen 
VcTBdmialerung  eine  Totalnekrose.  In  seiner  Mitte  befindet  sich  ein  5  mm  langer  und 
inm  breiter  Defekt.  Der  Prozeß  hat  außerdem  zu  einer  stärkeren  Vernichtung  der 
^'^'^^en  Hälfte  der  Capsula  externa  geführt  als  L  Le  ist  ebenso  reduziert  wie  /.  In 
^^^^  ^er  noch  strio-pallidäre  Bündel  enthaltende  dorsale  Teil  im  Vergleich  zur  Z.  Hemi- 
auf  Kosten  des  ventralen  verringert.  Der  letztere  enthält  die  dicken  Einzel- 
in  demselben  varikösen  Zustand  wie  l.  Dagegen  zeigt  Li  keine  Lücke,  wie  wir 
2j^^  <icr  anderen  Hemisphäre  in  dieser  Gegend  beobachteten.  Gegenüber  normalen 
S^*Mtten  weist  Li  aber  auch  hier  eine  pathologische  Schmalheit  auf.  Gi  ist  im  Ver- 
^*^*^  *ur  anderen  Hemisphäre  etwas  faserhaltiger,  bleibt  aber  noch  an  Markreichtum 
™?^''  <icr  Norm  zurück.  Dagegen  lassen  AI  und  LI  auch  in  dieser  Ebene  der  r.  Hemi- 
^P^*^   keine  Abweichungen  von  der  Norm  mit  Sicherheit  erkennen. 

Iti  einem  etwa  0^3 mm  oraler  gelegenen^  nach  van  Gieson  behandelten   Schnitt 

'T^^^ix^t  Nc  architektonisch  durchaus  normal,  wenn  wir  von  der  schon  einmal  er- 

.    .^^I^^xi  Blutfülle  der  Gefäße  absehen.   Dagegen  gibt  sich  der  nekrotische  Herd  bereits 

.    .j  "^^titachtung  mit  bloßem  Auge  durch  seine  helle  Färbung  kund.     An  dieser  Auf- 

.    ^K  nimmt  der  allerdorsalste  Teil  von  Put  und  Ce  nicht  teil.     Er  zeigt  aber,  schon 

•       ^y^^rmchrung  der  Neurogliazellen.    Der  Hauptteil  von  Put  weist  neben  Aufhellung 

p^^^^'txndsubstanz  einen  weitgehenden  Untergang  seiner  Ganglienzellen  und  nur  jenen 

•  '^on  Gliavermehrung  auf,  der  eine  teilweise  Lückenbildung  ermöglicht  hat.    Der 

„•^  'tische  Prozeß  greift  im  mittleren  Teil  von  Ce  auf  den  innersten  Teil  des  Claustrum 

"        *      t)ie  ventraleren  Partien  von  Ge  zeigen  annähernd  eine  ebenso  starke  Aufhellung 

.^^^"tmndsubstanz,  Zunahme  der  Neurogliakeme  und  stellenweise  zweifellose  Ver- 

^^'v^^r^ng  der  Ganglienzellen.     Es  handelt  sich  also  bei  den  bei  Beschreibung  der 

vor*^^^^  Figur  erwähnten  Faserveränderungen  des  ventralen  Teils  von  Ge  nicht  nur 

y3^  ?^Vundäre  Degenerationen,  sondern  um  ein  Übergreifen  des  nekrotischen  Prozesses 

a,w^TOi.  Der  dorsale  Teil  von  Ge  und  das  eben  angeschnittene  Gi  lassen  im  van  Gieson- 

\5ÄV*  keine  pathi^ogischen  Veränderungen  erkennen. 

lU.  M,  flf.  8 .  entspricht  annähernd  dem  Taf.  53,   Fig.  4  abgebildeten   Schnitt 
^c^  ^'  Hemisphäre.    Put  ist  —  ventralwärts  bis  zur  Bezeichnung  „Puf'  —  hier  ebenso 

^0  J*«iiil  fftr  Fqrckologi«  md  Ncurologi«.   Bd.  95.    Ergh.  3.  I45 


772^^ ■_       C.  UND  O.  VOGT. ^_  "^»«53$^* 

nekrotisch  wie  /.  £s  zeigt  nach  wie  vor  in  der  Mitte  eine  große  Lakune.  Die  Nekrose 
greift  dabei  auch  in  diesem  Schnitt  intensiver  auf  Ce  über  als  in  der  anderen  Himhalfte. 
Li  ist  nicht  ganz  so  verschmälert  wie  /.  Dagegen  existieren  strio-pallidäre  Bündel  nur 
noch  im  dorso-medialen  Teil  von  Ge.  Das  übrige  Ge  enthält  nur  dicke^  im  ZerfoU  be- 
griffene imd  varikös  veränderte  Fasern.  Von  Gi  und  seinen  Lamellen  gilt  das  für  Taf.  53, 
Fig.  4  Gesagte:  d.  h.  von  den  Lamellen  ist  vor  allem  Li  reduziert  up4  in  Gi  sind  die 
dicken  Fasern  vermindert.  Dabei  zeigen  die  erhaltenen  dicken  Fasern  —  wie  i.  r- 
keine  pathologischen  Varikositäten. 

In  einem  benachbarten,  nach  van  Gieson  behandelten  Schnitt  hebt  sich  der 
nekrotische  mittlere  Haupttei]  von  Ce  durch  Aufhellung  der  plasmatischen  Gründe 
Substanz  und  starke  Vermehrung  der  Neurogliakeme  von  den  normalen  Partien  ab. 
Eine  ähnliche  Veränderung  hat  den  anstoßenden  Abschnitt  des  Claustrum  ergrtffen. 
In  Put  zeigt  der  ventralste  Abschnitt  neben  fleck  weiser  Aufhellung  der  Gnindsubatanz 
eine  Abnahme  der  Ganglienzellen  und  eine  —  teilweise  nesterweise  -r-  auftretende 
Vermehrung  der  Neuroglia.  Es  handelt  sich  um  eine  Veränderung,  welche  der  in  der 
r.  Hälfte  der  Fig.  2  der  Taf.  52  alDgebildeten  des  Nisslbildes  entspricht.  Der  dorsale 
Teil  zeigt  neben  einer  großen  Lakime  eine  Nekrose  von  der  Intensität  der  i.  Hälfte 
des  eben  genannten  Zellbildes.  Der  nekrotische  Prozeß  hat  endlich  auch  das  ganse 
Ge  erfaßt,  aber  in  abgeschwächtem  Grade.  Hier  äußert  er  sich  durch  diffuse  Aaf- 
hellung  der   Grundsubstanz  und  eine  mittelstarke  Vermehrung  der  Neurogliazellen. 

Taf.  56^  Fig.  4.  An  Nc  können  pathologische  Veränderungen  nicht  festgestäh 
werden.  Ce  ist  hier  besser  erhalten  als  in  der  vorigen  Abbildung.  In  Put  sind  jetzt  eine 
Reihe  von  Faserbündeln  vorhanden.  Dieselben  sind  aber  gegenüber  der  Norm  ver- 
schmälert. Außerdem  treten  ihre  dicken  Einzelfasem  wenig  hervor.  I/e  ist  auch  hier 
etwas  breiter  als  /.  InGe  sind  die  feinen  Fasern  der  striären  Bündel  nicht  so  vollständig 
resorbiert  wie  /.  Dagegen  sind  die  dicken  Fasern  deutlich  schmäler.  Li  ist  breiter  als  L; 
die  dicken  Fasern  treten  aber  weniger  scharf  hervor.  In  Gi  zeigt  der  nicht  in  Gim  und 
Gil  zerteilte  dorsalste  Teil,  sowie  Gil  eine  pathologische  Aufhellung.  Für  Gim  und  seine 
Lamellen  läßt  sich  eine  Abweichung  von  der  Norm  nicht  feststellen.  Ci  und  der  Thäknmts 
zeigen  keine  Anomalien.  Insbesondere  lassen  die  Zona  reticulata  und  die  LameUa  thaUum 
externa  keine  Reduktion  erkennen. 

Tal  66,  Fig.  5.  Nc,  Ce,  Put,  Le  und  Ge  zeigen  das  Verhalten  der  yoi^gen  Ab- 
bildung. Im  Gegensatz  zu  dem  korrespondierenden  Schnitt  der  anderen  Hemispbte 
(Taf.  53,  Fig.  5)  ist  auch  hier  die  Nekrose  in  Put  geringer  und  zeigt  Ge  in  seiner  ganxoi 
Längsausdehnung  ein  ziemlich  gleichartiges  Verhalten.  Überall  sind  in  Ge  mehr  feine 
Fasern  der  striären  Bündel  und  des  Grundfaserfilzes  vorhanden.  Dagegen  ist  auch  hier 
ebenfalls  ein  geringeres  Kaliber  der  dicken  Fasern  zu  konstatieren.  Gil  ist  —  1^ 
oraler  r.  und  wie  in  der  korrespondierenden  Ebene  Z.  —  durch  pathologisch  gröBeit 
Faserarmut  von  Gim  unterschieden.  Dabei  ist  aber  auch  hier  im  Gegensatz  mr  L 
Hemisphäre  im  ganzen  Gi  der  Gnindfaserfilz  besser  erhalten.  An  AI  und  LI  wag^ 
wir  nach  wie  vor  keine  pathologische  Verminderung  festzustellen.  Das  hier  zum  ersten 
Male  getroffene  Bündel  H^  und  seine  zum  Tuber  cinereum  hinziehende  Spitze  zeigen 
keine  erkennbare  Volumenreduktion.  Dassdbe  gilt  von  dem  gerade  angeschnittenen 
oralsten  Teil  von  H^  und  vil.  Der  übrige  Thalamus  ist  ebenfalls  normal.  Das  letztere 
trifft  speziell  auch  für  seine  Zona  reticulata  und  Lametta  externa,  wie  femer  auch..f&r 
Ci  und  den  Fomix  truncalis  zu.  •   . 

Tai.  67,  Fig.  1.  Von  Nc  und  Ce  gilt  nach  wie  vor  der  bisher  an  der  r,  Hemisphäre 
erhobene  Befund.  Ferner  ist  auch  hier  in  Pu  t  die  Nekrose  nicht  so  weit  vorgeschritten 
wie  /.,  indem  nicht  nur  der  ventralste  Teil  intakt  ist,  sondern  —  wie  weitey  oral  — r  im 
dorsalen  Teil  mehr  Faserbündel  erhalten  geblieben  sind.  Ge  zeigt  gegenüber  /.  da&  gleiche 
Verhalten  wie  in  der  vorigen  Abbildung.  Dasselbe  gilt  von  Gi.  An  AI  und  U  Jcöimett 
wir  auch  hier  keinen  pathologischen  Befund  erheben.  //*  erscheint  uns  nicht  anormal. 
Dasselbe  gilt  von  der  dorsal  und  ventral  angeschnittenen  Zona  incerta  und  dem  *sidi 
146  . . 


S^^ifff  8.      ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        773 


an  ihren  ventralen  Teil  medialwärts  anschließenden  oralsten  Abschnitt  von  CL.  H^, 
vä  sowie  der  übrige  Thalamus  mit  Einschluß  der  Zona  reticulata  und  der  Lameüa  externa 
sind  ebenso  normal  wie  Ci  und  der  Pes  pedunculi, 

TU.  n,  Hg.  &  Ce  ist  ganz  wesentlich  besser  erhalten  als  /.  (vgl.  Taf .  55,  Fig.  2 !). 
Ptit  ist  weniger  verschmälert.  Außerdem  ist  ganz  dorsal  ein  etwas  größerer  Abschnitt 
und  auch  ganz  ventral  ein  ausgedehnteres  Gebiet  normal.  Der  nekrotisch  veränderte 
mittlere  Hauptteil  enthält  endlich  weniger  Substanzlücken.  Das  Pallidum  ist  natür- 
lich auch  geschrumpft  und  markarm.  Bezüglich  der  Markarmut  ziehe  man  Taf.  44, 
Fig.  5  zum  Vergleich  heran'  Aber  gegenüber  L  smd  Le  und  Ge  deutlich  weniger  redu- 
ziert und  ist  auch  das  in  seinem  kaudalsten  Teil  getroffene  Pallidum  intemum  mark- 
haltiger.  Das  Corpus  Luysi  ist  hier  in  seiner  größten  Ausdehnung  getroffen*  Es  ist 
aniÄhemd  so  reduziert  wie  L,  d  h.  es  ist  kleiner  als  im  21.  Fall  (Taf.  51,  Fig.  2)  und 
annähernd  so  groß  wie  im  20.  Fall  (Taf.  47,  Fig.  4),  aber  deutlich  markärmer  als  in 
diesen  Beiden  Fällen.  An  Ci,  P,  Sn,  dem  übrigen  Hypothalamus  und  dem  Thalamus 
haben  wir  keine  pathologischen  Veränderungen  feststellen  können.  Nur  zeigt  der  mittlere 
Teil  von  Foreis  lateralem  Thalamuskem  eine  anormale  Faserverarmung. 

TUL  W,  Hg.  8.  Von  einer  pathologischen  Aufhellung,  wie  Ce  sie  /.  (Taf.  55, 
•  Fig.  4)  auch  in  dieser  Ebene  zeigt,  ist  hier  nicht  mehr  die  Rede.  Put  bietet  desgleichen  in 
einem  benachbarten,  nach  Gieson  gefärbten  Schnitt  keine  pathologische  Veränderung 
dar.  Die  Helligkeitsdifferenz  zwischen  dem  kaudalen  Rest  von  Ge  und  zwischen  Cv 
ist  dagegen  eine  krankhafte.  Außerdem  weist  der  ventrale  Teil  von  Foreis  lateralem 
Thalamuskem  (unserem  va^)  wie  l,  in  Taf.  55,  Fig.  4  eine  starke  Faserverarmxmg  auf. 
Spnst  können  wir  nichts  Anormales  an  der  Abbildung  erkennen.  Speziell  vermögen 
wir  an  Nr  und  seiner  Kapsel  keine  Abweichung  von  der  Norm  festzustellen.  Ebenso 
kann  die  Schmalhcit  der  SubstanHa  nigra  —  wie  l.  —  ihre  Erklärung  in  der  kühst- 
lidien  Deformierung  des  Gehirns  finden. 

3.  Hirnstamm. 

Tiid.  W,  Flg.  4.  Brachia  conjunctiva,  Pyramiden  wie  der  Rest  der  Abbildung 
sind  normal. 

TU.  n,  Hg.  6.  Auch  hier  ist  nichts  Anormales  zu  konstatieren.  Das  gilt  speziell 
von  den  Deniatä,  dem  Mark  der  r.  Kleinhirnhemisphäre,  den  unteren  Oliven  und  den 
Pyramiden, 

y)  Befund  an  der  Leber. 

Die  äußere  Kleinheit  und  Höckerigkeit  der  Leber  führt  Bielschowsky  auf 
Grund  der  von  ihm  angestellten  mikroskopischen  Untersuchung  auf  eine  atypische 
Bildung  der  Acini  und  auf  herdförmige  Stellen  zurück,  in  welchen  die  Leberzellen 
unter  sekundärer  Bindegewebswucherung  verkleinert  sind.  Der  der  Bildung  dieser 
Herde  zugrunde  liegende  Prozeß  ist  ein  „entschieden  progressiver".  Er  dürfte  mit 
demjenigen  identisch  sein,  welcher  bei  der  Wilsonschen  Krankheit  und  der  Pseudo- 
slderose  beobachtet  worden  ist. 

c)  Zusammenfassung   des   anatomischen   Befundes. 

Im  Cortex  cerebri  fanden  sich  keine  gröberen  myeloarchitektonischen  Ver- 
änderungen. Nur  fiel  eine  allgemeine  Markarmut  auf.  Es  konnte  aber  nicht 
entschieden  werden,  wie  weit  sie  bloß  auf  technischen  Fehlern  beruhte.  Das 
cytoarchitektonische  Bild  der  Area  gigantopyramidalis  zeigte  ein  anormal  starkes 
Erhaltensein  der  embryonalen  Körnerschicht  [IV). 

Die  pathologischen  Befunde  betrafen  vornehmlich  Teile  des  striären 
Systems. 


774  C.  UND  O.  VOGT.  '"""^i. 


und  VeuralQglte 


In  der  /.  Hemisphäre  fand  sich  eine  leichte  Verkleinerung  von  Nc.  Das 
stark  verschmälerte  Put  bildete  das  Zentrum  einer  zunächst  die  Zellen,  dann 
aber  auch  die  Fasern  vernichtenden  Totalnekrose,  wie  sie  Wilson  -in  seinen 
Fällen  beschrieben  hat.  Dieselbe  hat  sich  lateral  teilweise  auf  die  Capsula  externa 
und  an  einer  Stelle  sogar  auf  das  Claustrum^  medial  in  sicher  nachweisbarer 
Weise  wenigstens  auf  Teile  von  Ge  ausgedehnt.  Auch  Gi  zeigt  eine  Faserreduktion. 
Femer  ist  das  Corpus  Luysi  nicht  nur  stark  verkleinert,  sondern  sehr  faseranä, 
während  der  übrige  Hypothalamus  ebensowenig  wie  der  Thalamus  außerhalb 
des  Gebietes  von  va^  oder  der  Pedunculus  Anomalien  erkennen  läßt. 

In  der  r.  Hemisphäre  zeigten  sich  die  gleichen  Gebiete  krankhaft  verändert 
Nur  war  der  nekrotische  Prozeß  in  den  oralen  Partien  von  Put  und  seiner  Um- 
gebung stärker,  in  den  kaudaleren  schwächer.  Im  Thalamus  zeigt  die  Gegeml 
von  va^  eine  ähnliche  Faserverarmung  wie  /. 

Die  Leber,  zeigte  eine  Zirrhose,  welche  mit  der  von  Wilson  beschriebenen 
Form  identisch,  sein  dürfte. 

C,  Epikrise, 

Das  Krankheitsbild  ist  zweifellos  das  des  Torsionsspasmus.  Daß  ihm  eine 
progressive  Erkrankung  des  striären  Systems  zugrunde  lag,  war  uns  von  vorn- 
herein selbstverständlich.  Wir  sind  aber  erstaunt  gewesen,  einen  pathologischen 
Prozeß  aufgedeckt  zu  haben,  den  wir  seiner  Natur  und  seinem  Sitze  nach  ebensot- 
wenig  wie  die  begleitende  Leberzirrhose  von  den  Befunden  der  Wilsonschen 
Fälle  und  des  klinisch  nur  eine  progressive  Starre  zeigenden  Falls  v.  Economos 
zu  unterscheiden  vermögen.  Wir  halten  die  Zeit  noch  nicht  für  gekommen, 
die  Ursache  für  die  große  Verschiedenheit  der  klinischen  Bilder  klären  zu 
wollen. 

Im  vorliegenden  Fall  ist  das  Putamen  der  primäre  Sitz  der  Erkrankung.  Nach* 
dem  aber  einmal  die  Totalnekrose  begonnen  Kat,  greift  sie  peripherwärts  ati£ 
die  nervösen  Nachbarorgane  über,  ohne  daß  deren  ganz  andere  Struktur  dieserm. 
irgendeinen  Schutz  vor  der  Miterkrankung  zu  gewähren  scheint. 

Die  beiderseitige  Faserverarmung  in  der  Gegend  des  Thalamuskems  va  ~^- 
bedarf  noch  ihrer  Klärung  bezüglich  Ursache  und  klinischer  Bedeutung. 

Ob  das  relativ  lange  Intaktsein  des  /.  Armes  mit  der  -geringeren  ErkrankuhfMi 
der  kaudaleren  Partien  des  r.  Putamen  in  Verbindung  steht:  das  zu  entscheidend* 
muß  einer  künftigen  feineren  somatotopischen  Gliederung  nicht  nur  des  Putamc»^ 
sondern  auch  des  Pallidum  vorbehalten  sein. 

Sehr  erstaunlich  ist  endlich  der  große  Gegensatz  zwischen  der  schweren^ 
Degeneration  des  Corpus  Luysi  und  dem  Intaktsein  des  übrigen  HypothaUüiM 
und  derjenigen  Gebiete  des  Thalamus^  welche  wir  bisher  zum  striären  System 
in  Beziehung  gebracht  haben.    Wir  müssen  daraus  schließen,  daß  zum  mindesten 
Ge  nur  wenig  Fasern  in  die  zuletzt  genannten  Hirn  teile  entsendet. 

Der  besser  erhaltene  Markgehalt  der  oralen  Partien  des  /.  Corpus  Luysi 
spricht  für  seine  fasersystematische  Beziehung  zum  Caput  caudati  und  dem 
oralsten  Teil  des  Pallidum, 
148 


Bd. »,  IMO. 


8. 


ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         775 


Mit  Rücksicht  darauf,  daß  die  schwersten  Fälle  des  Etat  fibreux  nicht  zu 
einer  allgemeinen  Versteifung  führen,  sehen  wir  uns  auch  hier  genötigt,  die- 
selbe zu  der  sich  auch  in  der  starken  Degeneration  des  Corpus  Luysi  äußernden 
tlrkrankung  des  Pallidum  (speziell  von  Ge)  in  Beziehung  zu  bringen,  sie  als 
PaUidumsyndrom  aufzufassen. 

Dagegen  möchten  wir  auf  Grund  der  Tatsache,  daß  wir  den  Beginn  des 
pathologischen  Prozesses  in  das  Striatum  verlegen  müssen,  die  anfänglich  ohne 
R^Bidualerscheinungen  verlaufenden  Torsionsbewegungen  und  Bulbärsymptome 
als  ein  Syndrom  des  Corpus  striatum  deuten. 


149 


n(>  C.  UND  O.  VOGT.  ^""^  '•  Pifishpto^ 


md  HciiralQilk 


VI.  FUle  von  Nettroglia-Proliferationsherden  im  Striatnm  bei  siddudtigai 

prisenilen  Verindernngen  des  striiren  Systems. 

28.  Weitphals  Fall  Johann  Beiehardt  {B  ^). 

A,  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte, 

Bei  dem  in  der  oben  S.  639  erwähnten  Arbeit  Westphals  eingehend  be- 
schriebenen 43  jährigen  Kranken  sollen  siqh  in  wenigen  Tagen  äthetofde  Be- 
wegungen in  den  proximalen  Gelenken  des  /.  Beines  und  Armes  sowie  beider- 
seits im  Gesicht  und  Zunge  entwickelt  haben.  Nach  einigen  Wochen  dehnten 
sich  diese  Störungen  auf  den  ganzen  Körper  aus.  Der  Patient  zeigte  dann  eine 
allgemeine,  durch  psychische  Reize  steigerungsfähige  Athetose,  an  Torsionsspas- • 
mus  erinnernde  Stellungen,  eine  nicht  konstante,  in  ihrer  Intensität  schwankende^ 
durch  passive  Bewegungen  nicht  steigerungsfähige  und  durch  aktive  herabsetzbaie 
Rigidität,  in  zunehmendem  Maße  Dysphagie,  Dysarthrie,  Salivation,  Brachy- 
basie  mit  vomübei^ebeugtem  Rumpf,  Retro-  und  mitunter  Lateropulsionen, 
starren  Gesichtsausdruck,  Bewegungsarmut  sowie  Hamträufeln  bei  Erhalten- 
sein der  Bauchreflexe  und  ohne  Steigerung  der  Sehnenphänomene.  An  psydii* 
sehen  Störungen  war  eine  Herabsetzung  des  Gedächtnisses,  speziell  der  Meifc- 
fähigkeit,  zu  konstatieren.  Etwa  7  Wochen  nach  Beginn  der  Erkrankung  traten 
Diarrhoen  auf.  Patient  ging  nach  weiteren  etwa  3  Wochen  an  Erschöpfung 
zugrunde. 

B.  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Das  Gehirn  zeigt  äußerlich  keine  pathologischen  Veränderungen.  Ein  Horizontil- 
schnitt  lehrt,  daß  sich  die  kaudalen  Enden  beider  Putamina  in  ein  Gebiet  von  waben- 
artiger Struktur  umgewandelt  haben  (vgl.  Taf.  62,  Fig.  i !). 

Von  den  inneren  Organen  sind  Herz,  Aorta,  Nieren,  Magen  und  Hoden  auiffallend 
klein.  Der  Dickdarm  ist  stark  hyperämisch  mit  zahlreichen  Geschwüren.  Die  Leber 
war  etwas  vergrößert.     Ihre  Oberfläche  war  glatt. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

.Westphal  hat  kleine  Stücke  aus  den  l.  F^,  Ca  und  Cp  sowie  aus  dem  wabi^ 
veränderten  r.  Putamen  entnommen  und  in  Alkohol  fixiert.     Der  Rest  des  Gehimi 
wurde  in  Formalin  gelegt.    Von  diesem  haben  wir  ein  Stück  von  Ca  +  Cp  aus  der  Gegend 
des  Beinzentrums  herausgeschnitten.     Außerdem  wurde  das  ganze  übrig  gebliebene 
Striatum  +  Thalamencephalon  der  r.   Hemisphäre  herausgeschält  und  in  drei  Hwi- 
zontalblöcke  zerlegt.  Alle  diese  Himteile  wurden  in  Paraffin  eingebettet  und  mit  Oesyl- 
violett  oder  nach  Heidenhain  gefärbt.   Die  ganze  l.  Hemisphäre  haben  wir  inCelloüdin 
eingebettet  und   ebenfalls   in   Horizontalschnitte   zerlegt.      Einen  Teil  der  letstfifen 
färbten  wir  nach  Weigert-Pal  und  nach  van   Gieson.     Teile  vom  Rückenmaik 
wurden  nach  verschiedenen  Methoden  behandelt.    Unter  anderem  hat  Bielschowsky 
auch  Gefrierschnitte  angefertigt  und  an  ihnen  seine  Gliafärbung  durchgeführt. 
150 


^SSj^JSSi  8.  •    ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         777 


a)  Befunde  an  herausgeschnittenen  Rindenstücken. 

In  dem  herausgeschnittenen  Stück  aus  F^  fanden  Westphal  und  Sioli  in  vielen 
Gefäßrandzellen  grüne  Pigmentkörner  und  in  den  adventitiellen  Scheiden  vieler  Mark- 
gefäße reichliche  Zellansammlungen  ohne  Plasmazellen.  Die  Ganglienzellen  waren 
vielfach  im  Zustand  der  chronischen  Veränderung  in  verschiedenen  Graden  des  kömigen 
Zerfalls  bei  starker  Vermehrung  der  Gliakeme.  Die  von  Westphal  imd  Sioli 
untersuchte  vordere  und  hintere  Zentralwindung  bot  denselben  Befund  in  stark  ab- 
geschwächtem Grade. 

TiL  68,  Fig>  !•  An  dem  hier  abgebildeten  Stück  der  Area  gigantopyramidalis 
vermögen  wir  keine  architektonischen  Veränderungen  zu  konstatieren. 

TU.  68,  Hg.  2  ist  bereits  nach  Taf.  48,  Fig.  2,  S.  758  beschrieben  worden. 

ß)  Befunde  an  den  r.  Zentralganglien. 

TmL  58,  Fig.  8  hat  schon  S.  652  ihre  Beschreibung  gefimden. 
TU.  58,  ng*  4.    Der  Beschreibung  dieser  Figur  lassen  wir  diejenige  von  Taf.  62, 
ffgg.  6 — 8  vorangehen. 

Diese  stellen  3  Ubersichtsbilder  dar. 

TU.  82,  Flg.  8  bringt  eine  Heidenhainsche  Färbung  eines  Schnittes  des  ven- 
tralsten Blockes  (I).  Nc  ist  leicht  geschrumpft.  In  Put  findet  sich  eine  Reihe  er- 
weiterter perivaskulärer  Lymphräume  oder  „Criblüren".  Eii^er  sehr  großen  derartigen 
4Mblare  bi^egnen  wir  im  ventralsten  Teil  des  Pallidum.  Kleinere  Criblüren  existieren 
•fn  dem  Claustrum,-  der  Insel  und  der  Substantia  innominata.  Andere  Anomalien  sind 
nicht  hervorzuheben.  Speziell  erweist  sich  der  Nucleus  ruber  als  ganz  normal.  Diesem 
nock  sind  entnommen:  Taf.  59,  Fig.  i,  Taf.  60,  Figg.  i  und  2  und  Taf.  61. 

TU.  92,  Fig.  7  stammt  aus  dem  mittleren  Block  (III).  Nc  ist  auch  hier  etwas 
sdunächtig.  In  Put  sieht  man  eine  Reihe  von  Criblüren.  Die  Faserung  von  Ce,  Nc, 
Pui  und  Ge  +  Gi  läßt  nichts  Pathologisches  erkennen.  Dasselbe  gilt  von  beiden 
Sdienkeln  der  Capsula  interna  (Ci).  Teile  von-  Schnitten  dieses  Blockes  sind  in 
Taf.  59,  Figg.  2,  3,  5,  und  6  sowie  Taf.  60,  Figg.  3  und  4  dargestellt. 

TriL  92,  Fig.  8  gibt  einen  Schnitt  aus  dem  dorsalsten  Block  (II)  wieder.    Nc  zeigt 

Midi  hier  die  leichte  Volumenreduktion  der  früheren  Abbildungen.    In  Put  und  dem 

Zonalsten  Teil  des  Pallidum  begegnen  wir  einer  gewissen  Zahl  von  Criblüren.    Ci  sowie 

^  Thalamus  zeigen  keinen  pathologischen  Befund.     Zellbilder  aus  diesem  Block 

W)cn  wir  Taf.  58,  Fig.  4  und  Taf.  59,  Fig.  4  vor  uns. 

Wir  gehen  nunmehr  zu  den  Zellbildern  aus  diesen  Blöcken  über. 
lU.  86^  Fig.  4   ist    dem    Caudatum   des   obersten    Blockes    entnommen.       Der 
^P^fiiymstreifen  zeigt  gegenüber  normalen  Verhältnissen  (vgl.  Taf.  58,  Fig.  3!)  keine 
•wlndcrungen.     Dagegen  ist  die  marklose  Zone  sehr  verschmälert  und  entbehrt  voll- 
^'^'^g  ihrer  zellarmen  äußeren  Unterabteilung.  Die  gliösen  Elemente  haben  eine  leichte 
^J^™^ehrung  erfahren.     Besonders  gilt  das  von  den  gliogenen  Stäbchenzellen.    Auch 
^^^  dann  folgende^  im  Zellbild  durch  relative  Zellarmut  charakterisierte  Tangential- 
^.**/ett  ist  verschmälert  und  zellreicher  geworden.     Er  enthält  gegen  die  Norm  mehr 
^^**'*'~ie  Stäbchenzellen.    In  dem  eigentlichen  Außenteil  des  Caudatum  haben  wir  ganz 
Nester^  in  denen  sich  die  Gliakeme  vermehrt  haben.    Hier  und  da  ist  diese  Ver- 
um eine  Ganglienzelle  erfolgt  und  zeigt  so  das  Bild  der  sogenannten  Neuro- 

.  ^  ^U.59>  lüg.  1  bringt  einen  Teil  des  Caudatum  des  untersten  Blockes.  Bei  n  sehen 
-•  Zierde,  in  denen  die  Ganglienzellen  zugrunde  gegangen  und  an  ihre  Stelle  Neuro- 
^^^^llen  getreten  sind.  Gleichzeitig  beobachten  wir  eine  Infiltration  der  Gefäßwände. 
^^  Infiltrate  bestehen  nach  Bielschowsky  vorwiegend  aus  lymphocytären  Ele- 
*]^^*^^*xi,  enthalten  aber  auch  Plasmazellen  und  vereinzelte  Mastzellen.    Man  beobachtet 

VK^^esen  Proliferationsherden  eine  Reihe  von  Stäbchenzellen  und  außerdem  gegen- 
der Umgebung  eine  gewisse  Sprossung  von  Kapillaren. 

151 


77^ _C.  UND  O.VOGT. ^'''SdHaSSS!!*^ 

Taf.  59;  Fig.  2  stammt  vom  Caudatum  des  mittleren  Blockes.  Auch  hier  haben  * 
wir  in  der  Mitte  (n)  einen  großen  Neurogliaproliferationsherd  nach  Untergang  der 
Ganglienzellen.  In  demselben  beobachtet  man  ebenfalls  Stäbchenzellen.  Außerdem 
zeigen  die  Blutgefäße  perivaskuläre  Infiltrate  und  tritt  uns  im  Gegensatz  zu  der  ge- 
sunden Umgebung  eine  auf  Sprossung  beruhende  Zunahme  der  Kapillären  entgegen. 
Oben  f.  in  der  Abbildung  befindet  sich  bei  i  eine  Vene,  in  deren  Wandung  besonders 
starke  Zellinfiltrationen  vorhanden  sind. 

TaL  69;  Fig.  8  macht  uns  mit  dem  Putamen  desselben  Schnittes  bekannt.  Auch 
hier  haben  wir  bei  n  in  kleinerem  Maßstabe  Proliferationsnester  von  Gliakemen,  wie 
wir  sie  bereits  aus  dem  Caudatum  kennen.  Bei  i  tritt  uns  eine  besonders  intensive 
perivaskuläre  Zellinfiltration  entgegen. 

Tai.  69,  Fig.  4  zeigt  uns  bei  n  ein  größeres  Proliferationsnest  aus  dem  Puiamen 
des  obersten  Blockes.  Dieses  Nest  zeigt  alle  Merkmale,  denen  wir  in  der  Fig.  a  im 
Caudatum  begegnet  sind:  unter  den  Neurogliaelementen  Stäbchenzellen,  betracfat- 
liehe   Zunahme  der  Kapillaren  und  perivaskuläre   Infiltrate. 

Tai.  59,  Fig.  5.  Hier  findet  sich  in  Le  und  dem  lateralsten  Teil  von  Ge  des 
mittleren  Blockes  neben  Blutgefäßen  mit  perivaskulären  Zellinfiltraten  (t)  eine  Fülle  . 
von  Kapillaren,  deren  Wände  von  größeren  und  kleineren  Kalkkonkrementen  bedeckt 
sind.  Sehr  vereinzelt  liegen  Kalkkonkremente  auch  isoliert  im  Gewebe.  Man  kann 
aber  nicht  entscheiden,  ob  sie  nicht  der  Umgebung  eines  nicht  getroffenen  Blutgefa0ei 
angehören. 

Tai.  69,  Fig.  6  gibt  einen  Teil  des  Pallidum  intemum  (Gt)  des  gleichen  Schnittes 
wieder.  In  der  Mitte  haben  wir  eine  Zone  vor  uns,  in  der  die  kleinsten  Blutgefäße  von 
zahlreichen  Kalkkonkrementen  bedeckt  sind.  Die  Bezeichnung  i  indiziert  BlutgeBlfie 
mit  perivaskulären  Infiltraten.  Mit  c  haben  wir  dagegen  Blutgefäße  mariciert,  deren 
Media  eine  gleichmäßige  Verkalkung,  d.  h.  eine  Petrifikation  im  Sinne  Virchowti 
erfahren  hat. 

TaL  60,  Fig.  1  bringt  bei  i5ofacher  Vergrößerung  einen  aus  Neurogliazelien 
bestehenden  Proliferationsherd  (n)  von  dem  Putamen  des  ventralen  Blockes.  In  der 
'Mitte  befindet  sich  eine  Vene  mit  ausgesprochenem  perivaskulären  Zellinfiltrat.  ÜB 
der  Peripherie,  z.  B.  bei  mt,  erkennen  wir  kleine  normale  Ganglienzellen  des  Putamen. 

Tal  60,  Fig.  2  stammt  von  demselben  Schnitt.  Wir  haben  hier  mehrere  GeflLfle 
mit  starken  perivaskulären  Zellinfiltraten  und  stellenweise  eine  deutliche  Vennehiui|g 
der  Neuroglia.  Bei  mi  sind  kleine,  bei  m  eine  große  Ganglienzelle  des  Putamen  wieder 
gegeben. 

TaL  60,.  Fig.  8  ist  dem  Pallidum  internum  des  mittleren  Blockes  entnommea 
Wir  haben  nebeneinander  ein  Blutgefäß,  dessen  Media  petrifiziert  ist  {c),  und  ein  sdcheft 
mit  perivaskulärem  Zellinfiltrat.  Außerdem  belehrt  uns  das  Bild  über  die  Größe^  welche 
die  Ganglienzellen  bei   150  facher  Vergrößerung  zeigen. 

Tal  60,  Fig.  4  gibt  einen  Ausschnitt  aus  dem  Zentrum  von  Taf.  59,  Hg.  6  bei 
150  facher  Vergrößerung  wieder.     Man  erkennt  hier  besser  die  einzelnen  Kalkkonkre— ^ 
mente,  die  zumeist  in  der  unmittelbaren  Umgebung  von  Kapillaren  angehäuft  sind.— - 
Außerdem  sind  die  Ganglienzellen  —  wenn  auch  etwas  schattenhaft  —  doch  deutli 
sichtbar. 

Tai.  61,  Fig.  1  ist  dem  ventralen  Block  entnommen,  und  zwar  einer  G^efid 
die  etwas  dorsal  von  jenem  PM/afw^nbezirk  liegt,  welcher  beiderseits  aus  dicht  anei 
liegenden  Hohlräumen  besteht.  Wir  haben  in  dieser  Ebene  nur  noch  relativ  kleine 
erweiterte  perivaskuläre  Lymphräume.  Aber  auch  ihre  gliöse  Wand  bt  von  einem 
Hof  (Ä)  rarefizierten  Gewebes  (neben  den  Zellen  ist  auch  die  Grundsubstanz  rareäxiect) 
umgeben.  Diese  Zellabnahme  stempelt  neben  der  Größe  der  Hohlräume  dieselben 
zu  einer  anormalen  Erscheinung,  wenn  sie  sich  auch  häufig  in  Gehirnen  von  etva 
Vierzigjährigen  finden,  welche  in  allgemeinen  Krankenhäusern  als  neurologisch  „nor- 
male'' Kranke  angesehen  werden.  In  dem  peripheren  Lymphraiun  links  oben  in  der 
Figur  befindet  sich  am  unteren  Rand  des  /.  Blutgefäßes  eine  degenerierte  große  GangUen- 
152 


« 


J^^^Li^  ^      ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         779 


£rgiBmiikbeft  S 


zelle.  .  I Vi  cm  nach  r.  von  ihr  liegt  eine  ganz  schattenhafte  am  Innenrand  der  gliösen 
Wand  der  Lymphscheide.  Wir  müssen  aus  solchen  Bildern  mit  Bielschowsky  schließen, 
daß  der  Erweiterung  des  peripheren  Lymphraumes  zum  Teil  eine  Einschmelzung  des 
Parenchyms  zugrunde  liegt.  Rechts  unten  haben  wir  femer  mehrere  kleine  Venen, 
die  dunkel  umgrenzt  sind.  Diese  Umgrenzungen  sind  von  Zellinfiltrationen  gebildet. 
Außerdem  weist  die  Abbildung  eine  Reihe  von  Nestern  (n)  auf,  die  durch  Untergang 
von  Ganglienzellen,  Vermehrung  der  Gliakeme  und  Auftreten  von  Stäbchenzellen 
charakterisiert  sind.  Auch  der  Ungeübte  erkennt  die  letzteren  gut  bei  Lupenbetrachtimg 
der  Figur.  Endlich  zeigen  die  großen  Ganglienzellen  eine  anormal  starke  Neurono- 
phagie.     Man  kann  diese  Tatsache  sehr  gut  in  der  Abbildung  erkennen. 

TiL  9i,  Fig.  2  bringt  einen  sehr  großen  perivaskulären  Lymphraum  aus  dem 
Pallidum  externum  (fälschlicherweise  mit  Gi  bezeichnet)  des  gleichen  Schnittes.  Bei 
einer  Durchsicht  zahlreicher  normaler  Präparate  haben  wir  in  dieser  Gegend  höchstens 
einen  perivaskulären  Raum  von  Dreiviertel  des  vorliegenden  Durchmessers  gefunden. 
In  allen  normalen  Präparaten  reichten  femer  die  großen  Ganglienzellen  wie  die  Neuro- 
gliaacellen  von  Ge  ohne  Abnahme  ihrer  Zahl  bis  an  die  periphere  gliöse  Scheide 
des  Lymphraumes.  Hier  sehen  wir  dagegen  —  wie  in  der  vorigen  Abbildung  —  einen 
bveiten  Hof  um  den  Lymphraum  mit  nur  noch  schattenhaften  Resten  einiger  Ganglien- 
zellen und  einer  verminderten  Zahl  von  Neurogliakernen.  Im  Heidenhainschen 
Präparat  erweist  sich  außerdem  hier  ebenfalls  die  Grundsubstanz  rarefiziert.  Von 
nonnaI*architektonischem  Interesse  ist  dann  noch  die  Tatsache^  daß  in  der  morpho- 
logisch zweifellos  zu  G^  gehörenden  oberen  rechten  Ecke  der  Abbildung  größere  Gan- 
gEenzellen  vorhanden  sind,  als  sie  sonst  in  Ge  vorkommen. 

y)  Befunde  an  den  /.Zentralganglien. 

-   TU. 82,  Hg.  1  gibt  einen  Weigert-Palschen  Schnitt  aus  derjenigen  Gegend  wieder, 

in  welcher  der  käudalste  Teil  des  Putamen  aus  großen  perivaskulären  Hohlräumen  besteht. 

Die  mikroskopische  Untei  suchung  lehrt,  daß  ihnen  eine  Einschmelzung  von  Parenchym 

zugrunde  liegt.   Es  muß  aber  betont  werden,  daß  Präparate  von  sogenannten  normalen, 

mcht  mehr  ganz  jugendlichen  Gehirnen  auch  recht  große  Hohlräume  in  beträchtlicher 

Zahl  gerade  an  dieser  Stelle  zeigen  (z.  B.  unsere  Serie  A.  i8).  Auch  das  übrige  Putamen 

^ind  Nc  wie  ihre  Umgebung  bieten  in  der  gegenwärtigen  Figur  Criblüren  dar.  Nc  weist 

aüBerdem  eine  leichte  Volumenreduktion  auf,  die  zu  einer  pathologischen  Erweiterung 

te  Ventrikels  geführt  hat.  Der  Nucleus  ruber  und  seine  Kapsel  erscheinen  von  normaler 

Größe.   Dasselbe  gilt  vom  Corpus  Luysi,    Auch  der  Pes  pedunculi  zeigt  nur  ganz  oral 

einen  zirkumskripten  Faserausfall. 

lUL  tt|  Fig.  2  ist  etwa  0,3  mm  weiter  dorsal  gelegen.  Die  Zahl  und  Größe  der 
Criblüren  im  kaudalsten  Teil  von  Put  und  seiner  Umgebung  sind  bereits  im  Abnehmen 
^^?*Tffcn.    Im  übrigen  haben  wir  denselben  Befund  vor  uns  wie  in  der  vorigen  Figur. 

^       Tltf.  82,  Fig.  8  liegt  etwa  i  mm  dorsaler  von  dem  in  der  vorigen  Figur  abgebildeten 

i?~**itt.   Die  großen  perivaskulären  Hohlräume  sind  beinahe  vollständig  geschwunden. 

j/^*8en  zeigt  auch  hier  das   Putanien  noch  einige  kleinere  Criblüren  und  daneben 

p,        -Pallidum  externum  eine  besonders  große.    Nc  ist  leicht  atrophisch.     Die  striären 

"    'Systeme  lassen   nichts  Pathologisches   erkennen.     Ebensowenig  sind  das  Corpus 

der  Nucleus  ruber  oder  seine  Kapsel  geschrumpft.     Endlich  muß  auch  der 

l^dunculi  wie  Ce  und  Ci  als  normal  bezeichnet  werden. 

In«!    ^'•'*  ^>  ^^*  ^  ^^^  ^^^^  Reihe  kleinerer  Criblüren  in  Put,     Eine  noch  größere 

.   ^^   sich  im  kaudalsten  Teil  von  Li  (in  der  Fig.  fälschlicher  Weise  als  „l^"  be- 

^^^^^et).  Die  weiße  Lücke ^  welche  im  orsalsten  Teil  von  G^  an  der  Stelle,  wo  dieses 

.    ^«    angrenzt,  gelegen  ist,  stellt  ebenfalls  eine  solche  Criblüre  dar.     Nc  ist  nach 

,    Vor  deutlich  etwas  geschrumpft.     Dies  hat  auch  hier  zu  einer  Erweiterung  des 

S^Ufcnventrikeb  geführt.     Sonst  können  in  der  Abbildung  keine  pathologischen  Fest- 

sWlungen  gemacht  werden. 

153 


78o C.  UND  O.  VOGT. ^^MtSSgy 

Tai.  62,  Fig.  5  weist  ebenfalls  in  Put  eine  Reihe  von  Criblüren  auf.  Auch 
die  hellere  längliche  Stelle^  die  im  oralsten  Teil  von  Pui  an  Ci  anstö0t^  ist  eine  tokbe. 
Nc  zeigt  wie  bisher  eine  leichte  Atrophie  mit  sekundärem  Hydrocephalus  intenms. 
Das  jetzt  in  seinem  dorsalsten  Teil  getroffene  Pallidum  läßt  nur  ganz  kleine  Criblüren 
erkennen. 

Tai.  92,  Figg.  6 — 8  sind  bereits  oben  auf  S.  777  beschrieben  worden. 

TaL  92,  Fig.  9  wird  nach  Taf .  63,  Fig.  a  auf  S.  780  beschrieben  werden. 

Tai.  68^  Fig.  1  läßt  immer  noch  im  Putamen  einige  Criblüren  erkennen..  Nc  ist 
nach  wie  vor  etwas  verkleinert.  Dieser  Atrophie  entspricht  ein  deutlich  erkennbarer 
Hydrocephalus  internus.  Abgesehen  von  einer  gewissen*  Zahl  von  Criblüren  zeigt  das 
übrige  Präparat  keinen  pathologischen  Befund. 

TaL  rä,  Fig.  2  zeigt  noch  einmal  die  Volumenreduktion  von  Nc  mit  dem  dadurch 
bedingten  Hydrocephalus  internus.  Sonst  bietet  das  Präparat  nichts  Bemerkens- 
wertes dar. 

S)  Befunde  am  Hirnstanun. 

Tai.  82^  Fig.  9.  Die  Pyramiden  und  die  unteren  Oliven  erweisen  sich  als  durcb- 
aus  normal. 

Tal.  88,  Fig.  8  bringt  einen  Querschnitt  vom  Rückenmark,  den  Bielschowsky 
mit  seiner  Gliafärbung  behandelt  hat.  Man  erkennt  eine  Zunahme  der  Glia  im  Bereich 
der  Seitenpyramiden  und  der  GoUschen  Stränge.  Zu  einem  erkennbaren  Faserausfiill 
im  Wcigertpräparat  ist  es  nicht  gekommen. 

Tat  88,  Figg.  4 — 1  werden  unter  dem  27.  Fall  beschrieben. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Wir  haben  perivaskuläre  Zellinfiltrate  in  einzelnen  Blutgefäßen  des  Rinden- 
marks,  Westphal  und  Sioli  fanden  chronische  Veränderungen  und  gewisse 
Abbauprodukte  in  der  Rinde  von  F^  und  in  geringerem  Maße  in  Ca  und  Cp. 
Die  Area  gigantopyramidalis  bot  nach  unseren  eigenen  Untersuchungen  keine 
architektonischen  Veränderungen  dar. 

Das  Striatum  und  das  Palliduni,  zeigten  um  zahlreiche  Blutgefäße  perivas- 
kuläre Zellinfiltrate.  Diese  bestanden  hauptsächlich  aus  Lymphozyten,  ent- 
hielten  aber  auch  Plasma-  und  Mastzellen.  Die  Media  mancher  Blutgefäße  dieser 
Organe  waren  petrifiziert.  Dieser  Feststellung  muß  noch  die  auch  schon  von 
Bielschowsky  hervorgehobene  Tatsache  hinzugefügt  werden,  daß  die  Media 
anderer  Blutgefäße  derselben  Gegend  und  ebenfalls  des  Thalamus  eine  hyaline 
Degeneration  aufwiesen.  Außerdem  waren  die  Kapillaren  in  gewissen  Teilea 
des  Pallidum  von  Kalkkonkrementen  bedeckt,  wie  sie  unseres  Wissens  bisher 
nur  je  einmal  von  Walbaum  in  einem  Fall  von  Paralysis  agitans  (s.  Anhang 
zur  Epikrise!)  und  von  Catola  als  Nebenbefund  einer  Autopsie  bei  einem 
Tabiker  beschrieben  worden  sind. 

Alle  diese  pathologischen  Prozesse  hatten  zu  keinem  Parenchymzerfall 
geführt. 

Außerdem  fanden  sich  aber  durch  Parenchymzerfall  entstandene 
Criblüren:  und  zwar  vorzugsweise  im  Striatum  und  seiner  Umgebung. 

Die  wesentlichste  pathologische  Veränderung  wurde  jedoch  von  zahl- 
reichen Herden  gebildet,  in  welchen  das  normale  Gewebe  durch  Neuroglia 
ersetzt  war.     Diese  waren  auf  das  Striatum  beschränkt. 

Die  Ätiologie  der  ganzen  pathologischen  Befunde  ist  unaufgeklärt. 
154 


SnmJlffit  8.      ^UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  ST RIÄREN »SYSTEMS.         78 1 


C,  Epikrise, 

Es  handelt  sich  um  einen  singulären  Fall  unserer  Sammlung.  Bei  dem 
Kranken  entwickelt  sich  in  wenigen  Tagen  eine  zirkumskripte  Athetose,  die 
sich  bald  generalisiert  und  von  Erscheinungen  begleitet  wird,  welche  an  Torsions- 
spasmus und  Paralysis  agitans  sine  agitatione  erinnern,  bis  nach  zehn 
Wochen  der  durch  eine  interkurrente  Erkrankung  des  Rektum  wenigstens  be- 
schleunigte Exitus  eintritt. 

Die  mikroskopische  Untersuchung  zeigt  neben  gewissen,  teilweise  auch  in 
anderen  Himpartien  vorkommenden,  aber  doch  vornehmhch  auf  das  Striatum  + 
Pallidum   konzentrierten   präsenilen   Erscheinungen   einen   ausgesprochenen 
Parenchymausfall   nur»  im   Striatum  +  Pallidum   und   hier   vornehmlich 
im  Striatum.    Wir  halten  uns  deshalb  für  berechtigt,  die  Krankheitssymptome 
in  erster  Linie  zu  diesen  Parenchymausfällen  in  Beziehung  zu  bringen.     Damit 
gelangen  wir  aber  dazu,  nicht  nur  Athetose  und  Torsionsspasmus,  sondern 
auch  die  Symptome  der  Paralysis  agitans  sine  agitatione  als  die  Folgen 
einer  Erkrankung  des  striären  Systems  aufzufassen:  und  zwar  —  entsprechend 
der  Tatsache,  daß  das  Striatum  in  ganz  überragender  Weise  der  Sitz  der  patho- 
logischen Vorgänge  war  —  als  eifie  Form  des  .^Syndrome  du  corps  strii'\    Wir 
neigen  um  so  mehr  zu  dieser  Ansicht,  als  sich  bei  dem  Kranken  noch  keine  Dauer^ 
^Kontraktionen  — .die  wir  (wenigstens  beim  Erwachsenen)  mit  einer  Schädigung 
I       d«  Pallidum  in  Verbindung  zu  bringen  die  Tendenz  haben  —  entwickelt  hatten. 


Anhang. 


1 901   hat  bereits  Walbaum  derartige  Petrifikationen  und  Kalkkörperchen  um 

.^  kÜnen  Blutgefäße  —  wie  wir  sie  im  vorstehenden   Fall  festgestellt  haben  — 

^^den  Zentralganglien  bei  einer  achtzigjährigen,  an  Paralysis  agitadS  verstorbenen 

itn  beobachtet.     In  der  Umgebung  einzelner  größerer  Gefäße  konstatierte  er 

einen  Untergang   der   Ganglienzellen«     Wal  bäum    fand    diesen    Befund    viel 

in   der  rechten  Hemisphäre  als  in  der  linken,  während  die  Symptome  der 

lysis  agitans  auf  beiden  Seiten  völlig  gleich  waren.    Wenn  denn  auch  der  Ver- 

t*  trotzdem  bereit  ist,  eine  Beziehung  zwischen  den  Veränderungen  im  Thalamus 

^        ^^  Entstehung  des  starren  Gesichtsausdrucks  anzunehmen,  und  das   Zittern, 

t't    Muskelrigidität  sowie  die  Parese  auf  Reizung  der  Fasern   der  Capsula  interna 

^^^^*8e  einer  durch  die  erwähnten  Gefäßveränderungen  und  die  Ansammlung  von 

^^*^örpern    und   Corpora   amylacea   bedingten    Ischaemie   imd    Behinderung   der 

^T^phzirkuiation  zurückzuführen,    so   kommt  er  doch   zu   dem  Ergebnis,    daß  die 

,^^xilysi8  agitans  bis  auf  Weiteres  zu  den  funktionellen  motorischen  Neurosen  zu 

tcärnen  ist". 


155 


782  .  C.  UND  O.  VOGT.  ^^""S^i 


und  Vamoloilti. 


VII.  Status  desintegritioiiit  (Etat  de  dMnt^[ratioii). 

Die  Befunde  des  vorigen  Falles  hatten  in  uns  die  schon  früher  von  andereo 
und  von  uns  gehegte  Auffassung  gestärkt,  die  Paralysis  agitans  —  wenigsten! 
soweit  sie  sine  agitatibne  auftritt  —  als  eine  Erkrankung  des  striären  Systems 
aufzufassen.  C.  Vogt  hat  deshalb  alle  unsere  Fälle  von  Paralysis  agitans  erneut 
darauf  untersucht,  ob  neben  mehr  oder  weniger  anderweitigen  Erkrankungen 
des  Gehirns  ein  konstanter  pathologischer  Befund  im  Striaium  und  PaiHdum 
nachzuweisen  wäre.  Sie  hat  ausnahmslos  Veränderungen  gefunden,  wddie 
sie  in  engem  Anschluß  an  Pierre  Marie  als  Etat  de  disintigration  zusammen^ 
gefaßt  hat.  Sie  hat  ferner  alle  unseren  normalen  Gehirne  darauf  untersudit 
und  in  keinem  Falle,  in  welchem  Paralysis  agitans- Symptome  sicher  aus- 
geschlossen waren,  derartige  Veränderungen*  gefunden.  Sie  hat  dagegen  ta 
zwei  Fällen  ohne  Kenntnis  der  Krankengeschichte  auf  Grund  des  pathologndir 
anatomischen  Befundes  die  Diagnose  einer  Paralysis  agitans  gemacht  und  her 
nach  durch  Mitteilung  der  Krankheitsbeobachtung  ihre  Diagnose  bestätigt 
gefunden. 

Wie  wir  schon  in  unserem  Beitrag  „Zur  Kenntnis  usw."  ausgeführt  habeiv 
verstehen  wir  dabei  unter  dem  Status  desintegrationis  die  folgenden,  im  einzelnen 
Krankheitsfall  mehr  oder  weniger  miteinander  verbundenen  Formen  von  Unter- 
gang des  Striatuni'  und  Pa//uittm- Gewebes: 

1.  den  zu  einer  Volumenverminderung  führenden  Untergang  von  Gan- ' 
glienzellen  und  Markfasern,  der  gelegentlich  als  ^^Etat  paradysmyiUniqiuf' 
sich  sehr  dem  Bilde  des  Etat  dysmy^linique  nähert, 

2.  kleine,  durch  Nekrobiose,  Erweichung  oder  Hämorrhagie  ent- 
stehende Lakunen  (Etat  lacunaire)  und 

3.  eine  Rarefizierung  und  daran  sich  eventuell  anschließende  mehr 
oder  weniger  vollständige  Resorption  des  Gewebes  um  die  Blutgefäße 
herum.  Dieser  nekrobiotische  Prozeß  beginnt  mit  einer  Aufhellung  der  Grund- 
Substanz,  wie  man  sehr  gut  an  van  Giesonpräparaten  erkennen  kann  {vfjL 
z.  B.  Taf.  69,  Fig.  1 1).  Daran  schließt  sich  ein  Untergang  der  Ganglienzellen 
und  der  Neurogliakerne  an,  ohne  daß  es  zu  einer  Ersatzwucherung  von  selten 
der  Neuroglia  kommt.  Die  Markfasern  gehen  erst  an  dritter  Stelle  zugrunde, 
Am  längsten  erhalten  sich  Bindegewebselemente  und  Blutgefäße.  Bei  den 
kleinsten  Blutgefäßen  führt  dieser  Vorgang  zu  dem  von  Durand- Fardel 
im  Jahre  1854  beschriebenen  Etat  cribli  (Status  cribratus).  Das  einem  vollständigen 
Untergang  des  Parenchyms  vorangehende  Stadium  der  Rarefizierung  liaben 
wir  in  der  eben  zitierten  Arbeit  ab  Status  praecribratus  [Etat  pricribli)  bezeichnet 
Die  Resorption  des  Gewebes  um  die  größeren  Blutgefäße  ist  eine  der  Formen, 
welche  zu  dem  Etat  lacunaire  Pierre  Maries  führt.    Das  vorangehende  Stadium 

156 


Bd.  U,  19M.  2UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         783 


S. 


der  Rarefizierung  kann  dementsprechend  als  Etat  prilacunaire  bezeichnet  werden. 
Wir  möchten  nun  aber  zunächst  darauf  aufmerksam  machen,  daß  solche  peri- 
vaskuläre Erweiterungen  nicht  nur  um  Arterien,  sondern  auch  um  Venen  ent- 
stehen können.  Wir  haben  dann  weiter  zu  betonen,  daß  —  wie  es  übrigens 
Pierre  Marie  auch  bereits  hervorgehoben  hat  —  die  Erweiterungen  um  größere 
Blutgefäße  nicht  wesensverschieden  von  denjenigen  um  kleinere  Gefäße  sind. 
Dagq;en  ist  ihre  Ätiologie  eine  ganz  andere  als  die  der  unter  2  erwähnten  „La- 
kunen*'.  Wir  werden  deshalb  im  folgenden  alle  Erweiterungen  perivaskulärer 
Lymphräume  als  Criblüren  und  ihre  Vorstadien  als  Präcriblüren  bezeichnen 
und  den  Begriff  der  Lakunen  auf  die  unter  2  ai^[eführten  pathologischen  Prozesse 
beschranken. 

Eine  Zusammenfassung  aller  dieser  unter  sich  sehr  verschiedenen  patho- 
logischen Prozesse  unter  dem  Begriff  des  Etat  de  disintigration  erfolgt  hier  des- 
halb, weil  in  jedem  einzelnen  von  uns  bisher  untersuchten  Krankheitsfall  mehrere 
dieser  Desintegrationsarten  zusanunen  vorkamen,  wenn  auch  ihre  Kombination 
adir  wechselte. 

A.  Beschreibung  der  Fälle. 

Dieser  Status  desintegrationis  kann  ohne  oder  mit  einer  schweren  arterio- 
sklerotischen oder  senilen  Demenz  auftreten. 

a)  SUiiu»  deHntegraUonis  ohne  aehwere  Demenz. 

Die  im  folgenden  beschriebenen  Fälle  zeigten  klinisch  sämtlich  das  Krank- 
heitsbild  der  Paralysis  agitans.  Wir  werden  weiter  unten  in  einem  historischen 
Obert>lick  über  die  bisherige  Literatur  feststellen,  daß  die  nachstehenden,  von 
uns  beschriebenen  Krankheitsprozesse  bereits  von  anderen  Autoren  beobachtet 
worden  sind. '  Wir  werden  dabei  auseinandersetzen,  warum  eine  Reihe  von  For- 
schem die  enge  Beziehung  dieser  pathologischen  Prozesse  7ur  Paralysis  agitans 
nicht  erkannt  hat. 

S4.  BielacluiWikyi  Fall  Xsroline  V.  (Bül  12). 

A.  Krankengeschichte. 

Witwe  von  78  Jahren.  Aufnahme  am  22.  11.  1910  im  Berliner  städtischen  Kranken- 
haus^ Gitschinerstraße. 

Anamnese:  Keine  Nervenkraükheiten  in  der  Familie  nachweisbar.  Keine  eigenen 
sdiweren  Erkrankungen  im  Vorleben.  Ein  gesundes  Kind.  Kein  Abortus.  Mit  40  Jahren 
Menopause.  Seit  Jahren  leidet  Patientin  an  Zittern  in  Händen  und  Füßen  und  vermag 
seitdem  nicht  mehr  gut  zu  gehen. 

Staius  fräsens:  Mittelgroße  Person  in  leidlichem  Ernährungszustand.  Keine  Ödeme, 
Exantheme,  Drüsenanschwellungen.  Decubitus  in  der  Kreuzgegend.  Über  den  Lungen 
heller  Sdiall.  Grenzen  normal.  In  den  unteren  Partien  Rasseln.  Herz  und  Abdomen 
ohne  pathologischen  Befund.  Lichtreaktion  der  Pupillen  träge.  Deutlicher  Rigor. 
Andauernde  Zitterbewegungen;  in  den  Armen  zeitweise  in  der  Form  des 
Pillendrehens,  zeitweise  bis  zur  Jactatio  ngesteigert.  Die  Zitterbewegungen 
sind  für  eine  Paralysis  agitans  ganz  besonders  intensiv.  Maskenartiger 
Gesichtsausdruck. 

1. 12.  10.    Status  idem.    Der  Decubitus  ist  stärker  geworden. 

19. 12.  10,  In  den  letzten  Tagen  Temperatut  anstieg.  Rasseln  in  der  rechten 
Lunge.    Bedeutende  Zunahme  des  Decubitus.     Exitus  letalis. 

157 


7^4  C.  UND  O.  VOGT.  ^"^Jimi^a^^ 


Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich   also  um  eine  typische   Paralysis  agitans  mit  besonders 
heftigem  Tremor. 

B,  Anatomischer  Befund. 
a)  Makroskopische   Untersuchung. 

Das  Gehirn  bot  äußerlich  nichts  Anormales.  Auf  dem  Querschnitt  erkennt  man 
eine  beiderseitige  deutliche  Ei  Weiterung  des  Seitenventrikels. 

b)  Mikroskopischer  Untersuchung. 

Die  /.  Hemisphäre  und  die  ventrale  Hälfte  der  r.  Hemisphäre^  nebst  Hirastämai 
wurden  uns  zur  mikroskopischen  Untersuchung  überlassen.  Wir  haben  sie  chromkit 
und  in  eine  Frontalserie  zerlegt.  Die  Schnitte  wurden  nach  Weigert-Pal  und  nach 
van  Gieson  gefärbt. 

TaL  64j  Fig.  1  bringt  das  Striatum  der  r.  Hemisphäre.  Der  Außenteü  des  Cmh 
datum  zeigt  eine  beträchtliche  Schrumpfung,  welche  sich  auch  in  Umwandlung  der 
normal  konvexen  Oberfläche  in  eine  gerade  Linie  äußert.  Außerdem  sehen  wir  eine 
Reihe  größerer  Criblüren  und  femer  das  ganze  Striatum  erfüllt  von  einer  hdka 
Aderung  und  Fleckung.  Es  ist  dies  nichts  anderes  als  ein  Etat  cribli  oder  pricnHL 
Auf  Grund  einer  leichten  Retusche  tritt  er  etwas  deutlicher  hervor  als  in  der  OrigiiMl- 
photographie. 

TaL  64,  Figg.  2 — 8  werden  nach  Taf.  66,  Fig.  3  auf  S.  785  beschrieben  werdqn. 

TaL  86,  Fig.  1  gibt  bei  50  facher  Vergrößerung  den  dorsalen  Teil  desselben  Camli^ 
tum  wieder.  Wir  sehen  hier  links  eine  größere  längsgetroffene  Lücke.  Sie  enthält  OBe 
Reihe  von  Pigmentzellen  und  daneben  geringfügige  Reste  von  Substanzgewebe«  ft 
handelt  sich  um  dieselbe,  ganz  in  ihrer  Peripherie  getroffene  Criblüre^  welcher  wir  Taf .  tf^ 
Fig.  2  wieder  begegnen  werden.  Rechte  liegt  eine  quergeschnittene  Criblüre  mit  nns 
Arterie  in  der  Mitte.  An  ihrer  Peripherie  befindet  sich  eine  Ansammlung  von  Maifc- 
fasern.  Neben  diesen  beiden  größeren  Criblüren  gibt  es  aber  femer  um  zahlreidie 
kleine  Blutgefäße  —  meist  Kapillaren  —  herum  entsprechend  kleine  Criblüren  oder 
Präcriblüren.  Meist  handelt  es  sich  um  Criblüren,  d.  h.  um  wirkliche.  Hohlräume  i&- 
folge  einer  vollständigen  Resorption  des  gesamten  Gewebes.  In  vereinzelten  FilkB 
ist  das  Gewebe  jedoch  nicht  ganz  eingeschmolzen.  Dann  haben  wir  Präcriblüren  ¥or 
uns.  Peripherwärts  von  diesen  Criblüren  und  Präcriblüren  befindet  sich  eine  Zdw 
rarefizierter  Substanz. 

TaL  86;  Fig.  2  zeigt  von  einem  benachbarten,  auch  nach  Weigert-Pal  geflLrbtCD 
Schnitt  ebenfalls  bei  5ofacher  Vergrößerung  den  Etat  cribH  und  pr6cribl6  des 
Außenteils  des  Putamen,  Auch  hier  sehen  wir  unmittelbar  um  kleine  Blutgefäße  heiUB 
einen  vollständigen  Schwund  oder  eine  sehr  starke  Rarefizierung  des  gesamten  Gewdws 
und  peripherwärts  eine  immer  noch  durch  partiellen  Untergang  von  Qewebe  va^ 
gezeichnete  Übergangszone. 

Wir  wollen  noch  hinzufügen,  daß  die  den  eben  beschriebenen  Abbildungen  so* 
gründe  liegenden  Schnitte  derartige  feine  Erweiterungen  um  die  Blutgefilße  in 
vielen  Teilen  des  Marks  der  Hirnrinde  mehr  vereinzelt  und  zahlreicher 
in  der  Capsula  extrema  (vgl.  Taf.  64,  Fig.  4!),  einer  der  beiden  schon  von  Pierre 
Marie  als  Prädilektionsstelle  für  den  Etat  cribli  bezeichneten  Gebiete,  aufweiseiL 
Eine  Betrachtung  von  Schnitten  dieser  Gegend  läßt  aber  keinen  Zweifel  darüber,  daß 
das  Striatum  ganz  wesentlich  schwerer  erkrankt  ist  als  irgeiüdeine  andere  Himstdl^ 
selbst  mit  Einschluß  der  Capsula  extrema.  Die  Hirnrinde  zeigt  keine  schwereren  Ver- 
ändenmgen  im  Sinne  einer  arterio-sklerotisch^  oder  senilen  Degeneration. 

TaL  88,  Fig.  1  zeigt  uns  bei  der  gleichen  5ofachen  Vergrößerung  den.  Etat  cribli 
des  Caudatum  eines  anderen  benachbarten,  nach  van  Gieson  behandelten  Schnittes. 
Man  sieht  sehr  gut,  wie  um  die  Kapillaren  und  kleinen  Blutgefäße  ein  mehr  odicr  weniger 
158 


> 


JSlSiJSit  a       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         785 


gewebsfreier  Raum  vorhanden  ist  und  sich  peripher  an  diesen  eine  Zone  rarefizierten 
Gewebes  anschließt. 

TU.  66,  füg.  2  bringt  vom  gleichen  Schnitt  jene  perivaskuläre  Criblüre  des  Cauda- 
tum,  die  in  einer  weiter  peripheren  Ebene  Taf.  64,  Fig.  i  und  Taf.  65,  Fig.  i  zur  Ab- 
bildung gelangt  war.  Dieselbe  ist  dadurch  entstanden,  daß  es  links  von  einer  Vene 
in  weiter  Ausdehnung  zu  einem  fast  vollständigen  Schwund  des  Gewebes  gekommen 
ist.  Peripher  von  dieser  Criblüre  haben  wir  dann  noch  eine  Aufhellung  des  Gewebes 
vor  uns.  Rechts  von  der  Vene  ist  es  bisher  nur  zu  einer  solchen  gekommen.  Die  Vene 
liegt  also  durchaus  nicht  etwa  in  der  Mitte  der  eigentlichen  Criblüre. 

TU.  66^  flf.  8  ist  dem  Putamen  des  gleichen  Schnittes  entnommen.  Links  oben 
haben  wir  unmijttelbar  um  eine- größere  Arterie  einen  vollständigen  Gewebsschwund 
und  peripher  davon  eine  Gewebsauf  hellung  vor  uns.  Im  übrigen  sehen  wir  über  die 
ganze  Abbildung  den  Status  cribratus  et  praecribratus  verbreitet. 

TU.  66,  Hg.  4.    Wir  finden  die  Beschreibung  dieser  Figur  imter  dem  26.  Fall. 

TU.  64^  Fig.  2  zeigt  in  einer  leicht  retuschierten  Wiedergabe  eines  Schnittes 
der  L  Hemisphäre  aus  der  Ebene  des  oralsten  Teils  des  Pallidum  extemum  (Ge)  den 
Elat  cribl^  in  dem  abgeplatteten  Nc  und  in  G^. 

TU.  64^  Hg.  8  stammt  von  einem  etwas  kaudaleren  Schnitt  der  r.  Hemisphäre. 
Dank  einer  leichten  Retusche  tritt  der  Etat  cribl6  in  Put  deutlich  in.  Erscheinung. 
Im  PalUdum  exUrnum  befindet  sich  medio-ventral  von  der  Bezeichnung  ,ße''  eine 
größere  Criblüre.  Bei  genauerem  Zusehen  erkennen  wir  aber  in  dem  nicht  retuschierten 
Qbiigtt  Ge  und  den  PäUidumlameüen  noch  eine  ganze  Reihe  kleinerer  Criblüren. 

TU  6t;  füg.  4.  In  den  lateralen  Partien  des  Put  haben  wir  einen  mit  Hilfe  leichter 
Retusche  deutlich  hervortretenden  Etat  cribl6.  An  der  Basis  des  Putamen  haben  wir 
envtiterte  perivaskuläre  Lymphräume^  wie  sie  an  dieser  Stelle  so  auch  in  angeblich 
„mrnialen"  Gehirnen  auftreten.  Im  Claustrum  ist  unmittelbar  lateral  von  der  Be- 
Mdmang  j^Pül^*  durch  Hesorption  eines  erweichten  Gewebes  eine  Lakune  entstanden. 
Im  döriib-ihedialen  Teil  von  Put  begegnen  wir  einer  frischen  Erweichung,  die  sich 
dovdi  die  Capsula  interna  (Ci)  in  das  geschrumpfte  Caudatum  {Nc)  fortsetzt.  Ein 
umter,  ebenso  frischer  Erweichungsherd  befindet  sich  \n  Ge,  Nach  einiger  Zeit 
wfirden  sich  die  beiden  Erweichungsherde  in  Lakunen  umgewandelt  haben.  In  allen 
fibrigen  Teilen  der  Abbildung  begegnen  wir  noch  (man  benutze  die  Lupe!)  Criblüren: 
den  zahlreichsten  im  Pallidum  und  in  der  Capsula  extrema: 

TU.  6t,  flg.  6.  Man  sieht  in  dem  abgebildeten  Teil  des  Thalamus  eine  Reihe 
vcm  Criblüren.  Sie  sind  aber  bei  weitem  nicht  so  zahlreich  wie  im  Striätum.  H^  ist 
unter  keinen  Umständen  in  stärkerem  Mäße  atrophiert. 

TU.  6t,  Hg.  6.  Das  Corpus  Luysi  überragt  an  Größe  das  mancher  normaler 
Gehirne.  Man  vergl.  z.  B.  Taf.  26,  Fig.  8!  Und  dabei  zeigt  es  einen  durchaus  normalen 
Markfasergehalt. 

TU  6t,  Hg.  7.  Der  Nucleus  ruber  {Nr)  und  seine  Kapsel  lassen  nichts  Patho- 
logisches  erkennen. 

TU  6t,.  lüg.  8.  Die  Abbildung  zeigt  normale  Brachia  conjunctiva  und  Pyramiden, 
Der  Ventrikelist  dagegen  zweifellos  erweitert. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Die  Großhirnrinde  zeigte  keine  schwere  Veränderung  im  Sinne  einer  senilen 
oder  arteriosklerotischen  Demenz.  Dagegen  weisen  manche  Partien  des  Gehirns 
Criblüren  auf:  Sie  treten  aber  zweifellos  am  stärksten  im  Striätum  auf.  Außerdem 
finden  sich  im  Gehiiti  einige  kleine  Erweichungen.  Die  größten  sind  Taf.  64, 
Fig.  4  abgebildet.  Die  im  Striätum  und  Pallidum  gelegenen  sind  aber  so  jungen 
Datums,  daß-  sie  nicht  als  anatomische  Grundlage  des  klinischen  Bildes  an- 
gesehen werden  können.    Außerdem  ist  Nc  deutlich  geschrumpft. 

159 


786  C.  UND  O.VOGT.  '^'SJdNeÄll!!* 


C.  Epikrise. 

Als  wesentlichste  pathologische  Veränderung  haben  wir  rieben  einer  Schrump- 
fung von  Nc  in  verschiedenen  Hirnteilen  gelegene  Criblüren  festgestellt.  Die- 
selben treffen  wir  aber  speziell  im  Striatum  so  zahlreich  an,  daß  dieser  Mimteil 
den  am  stärksten  veränderten  darstellt.  Wenn  wir  auf  seine  Anomalien  die  Para- 
lysis  agitans  im  vorliegenden  Fall  zurückführen,  so  geschieht  es  also  nicht  nur 
durch  den  Nachweis,  daß  dieser  Hirnteil  überhaupt  an  einem  diffuser  verbreiteten 
pathologischen  Prozeß  teilgenommen  hat,  sondern  in  erster  Linie  von  ihm  be- 
troffen ist.  Es  sei  noch  darauf  hingewiesen,  daß  dieser  Fall  mit  vorherrschender 
Erkrankung  des  Striatum  einen  sehr  starken  Tremor  zeigte. 

25.  Bieltohowtkyt  FaU  Wilhelmine  P.  [Biet  tl). 

A,  Krankengeschichte, 

Geboren  1842.     Witwe. 

Aufnahme  in  dem  Berliner  städtischen  Krankenhaus,  Gitschinerstraße,  am  2.  3. 19x1. 

Anamnese:  Die  Tochter  gibt  an,  daß  die  Mutter  in  früheren  Jahren  immer  gesund 
gewesen  sei.  Vor  sieben  Jahren  sei  sie  die  Treppe  heruntergefallen.  Seit  fünf  MoDateii 
könne  sie  sich  nicht  mehr  bewegen  und  müsse  an-  und  ausgekleidet  werden.  Jedodi 
sei  sie  geistig  bis  in  die  letzten  Tage  hinein  klar  gewesen.  Vor  (einigen  Tagen  sei  tte 
plötzlich  umgefallen.  Seit  dieser  Zeit  spreche  sie  alles  mögliche  durcheinander  und  k&ODt 
sich  nicht  mehr  bewegen.    Sie  habe  zu  Hause  über  starke  Kopfschmerzen  geklagt. 

Status   präsens:    Altersschwächliche    Person   in   schlechtem    Ernährungszustand. 

Keine  Ödeme.     Keine  Exantheme. 

Lungen:  Stellenweise  Rasselgeräusche,  sonst  ohne  Befund. 

Herz:  2.  Aortenton  verstärkt,  sonst  ohne  pathologischen  Befund. 

Abdomen  ohne  pathologischen  Befund. 

Urin  ohne  Eiweiß  und  Zucker. 

Es  besteht  eine  große  Steifigkeit  in  allen  Gliedern,  die  bei  passiven  Bewegungen 
nur  mit  großer  Mühe  überwunden  werden  kann. 

Es  besteht  auch  beträchtliche  Nackensteifigkeit. 

Die  Sprache  ist  verhältnismäßig  deutlich. 

Bewußtsein  klar. 

Lichtreaktion  der  Pupillen  träge  und  geringfügig. 

Kniesehnenphänomene  lebhaft. 

Kein  Babinski. 

Bauchdeckenreflex  undeutlich. 

Die  aktive  Bewegung  der  Arme  möglich,  die  der  Beine  nur  gering. 

Keine  deutlichen  Augenmuskellähmungen. 

Die  Patientin  kann  sich  nicht  aufsetzen. 

Temperatur  fieberhaft. 

II.  3.  1911.  Die  Steifigkeit  der  Muskulatur  ist  die  gleiche  geblieben.  Die 
Patientin  ist  fast  völlig  apathisch  und  liegt  mit  nach  vorn  gebeugtem  Kpp^f  und 
adduzierten  Armen  da.    Die  Beine  sind  im  Kniegelenk  gebeugt. 

17.  3.  191 1.  In  den  Lungen  hinten  unten  beiderseits  zahlreiche  feuchte  Rasse!: 
geräusche.     Sonst  Status  idem. 

30.  3.  191 1.  In  den  letzten  Tagen  immer  Fieber.  Die  Patientin  ist  benomm^ 
und  die  Steifigkeit  der  Muskulatur  besteht  fort.    Nachmittags  Exitus  letalis. 

Diagnose:  Paral^'sis  agitans  sine  agitatione. 
160 


\ 


Bd.  ti^  1«D, 


3        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SVSTEMS.         787 


B.  AnatomiscHe  ^Untersuchung. 

a)  Makroskopischer  Befund. 

Das  kleine  Gehirn  zeigt  auf  derOberfläche  nichts  AbsonderH  dies.  Auf  einem  jFrontaj- 
chnitt  erweist  sich  der  linke  Seitenventrikel  deutlich  stärker  erweitert  als  der  rechte. 
Xc  spatere.  Schnittserie  lehrt,  daß  dieses  insbesondere  vom  Hinterhorn  gilt. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

Das  Gehirn  wurde  chromiert  xxnd  in  eine  Frontalserie  zerlegt.  Eine  Reihe  von 
>chnitten  wurde  liach  Weigert-Palxund  nach  van  Gieson  gefärbt. 

TiaL  97^  Hg.  1  läßt  eine,  leichte  Atrophie  des  Caudatum  (Nc)  mit  Abflachung  seiner 
>berfläche  erkennen.  Außerdem  sehen  wir  in  Nc  und  in  Put  neben  den  leicht  erweiterten 
perivaskulären  Lymphräumen  um  die  größeren  Blutgefäße  durch  leichte  Retusche 
twas  starker  hervorgehobene  kleine  helle  Stellen:  deh  Anfang  eines  Etat  pr6cribl6 
ind  Etat  cribl6.  Endlich  zeigt  das  Mark  der  Insel  diesen  Etat  cribl6  in  sehr  ausgeprägtem 
tfaBe. 

TbL  W,  Kg,  2  zeigt  nach  Anwendung  einer  sehr  leichten  Retusche  deutlich 
Icn  Etat  pr^cribl6  und  cribl6  im  Pallidum  internum  (Gt)  und  im  abgebildeten  Ab- 
chnitt  des  Pallidum  externum.  Die  Capsula  interna  (Ci)  ist  dagegen  frei  von  derartigen 
»ubstanzdefekten.  * 

TU.  n,  Fig.  8.  Hier  hat  ausschließlich  das  Putamen  eine  leichte  Retusche  er- 
ahren.  Man  sieht  nicht  nur  am  Boden  desselben  einzelne  stark  erweiterte  perivaskuläre 
^3rmpbraiiine^  sondern  solche  das  ganze  Putamen  durchsetzen.  Die  einzelne  Criblüre 
st  dunkel  umrandet.  Diese  Umrandung  beruht  auf  einer  Ansammlung  von  Mark- 
asem^  die  dadurch  zustande  kommt,  daß  dieselben  —  wie  wir  schon  S.  782  heWor- 
ehoben  haben  —  der  Nekrose  länger  widerstehen  als  die  Grundsubstanz  und  die  zelligen 
ervöscn  und  gliösen  Elemente.  Abgesehen  von  großen  Criblüren  am  Grunde  von 
'e  sehen  wir  bei  genauerer  Betrachtung  das  ganze  G^  und  Gi  sowie  ihre  Kapseln  von 
riblüren  erfüllt.  Man  ziehe  zum  Vergleich  aus  den  Ergänzungsheften  des  18,  Bds. 
icses  Journals  Taf .  45,  Fig.  18  heran !  Viele  Criblüren  finden  sich  außerdem  in  der 
nscl.  Auch  im  Marke  zahlreicher  anderer  Hirnwindungen  —  speziell  im  Schlaf en- 
ippen  —  beobachten  wir  solche  Criblüren.  Die  Architektonik  der  Rinde  weist  keine 
roheren  Störungen  auf.  Die  Capsula  interna  {€%)  ist  frei  von  solchen  Substanzdefekten 
benso  wie  das  Corpus  callosum  {Cc),  Nc  ist  atrophiert,  seine  Oberfläche  abgeplattet 
nd  der  Scitenventrikel  vergrößert. 

T9L  97,  Vig.  4 — TaL  68,  Rg.  4  sind  nach  Taf.  6g,  Figg.  i  und  2  S.  788  beschrieben. 

TbL  9ß,  Rg.  6.    Die  Erklärung  dieser  Figur  befindet  sich  S.  790. 

TbL  W,  Fig.  1  zeigt  uns  von  einem  etwas  kaudaleren  Schnitt  den  Etat  cribl^ 
ind  prtoriW  des  Markes  der  Insel  im  van  Gieson-Bilde.  Den  Etat  pr^cribl6  haben 
rir  z.  B.  bei  a  vor  uns.  Hier  hat  um  das  Blutgefäß  herum  das  Gewebe  eine  Rarefi- 
ierung  erfahren,  ohne  daß  es  zu  einem  gewebsfreien  Hohlraum  gekommen  ist.  Peripher- 
vsLTts  nimmt  die  Rarefizierung  ab.  Um  die  meisten  Blutgefäße  ist  es  dagegen  bereits 
XI  einer  vollen  Nekrose  des  unmittelbar  benachbarten  Parenchyms  gekommen:  d.h. 
.US  dem  Etat  prto-ibl^  hat  sich  ein  Etat  cribl6  entwickelt.  Vielfach  sieht  man  jn  der 
Jmgebung  des  vollständig  untergegangenen  Gewebes  eine  peripherwärts  allmählich 
kbndunende  Rarefizierung  desselben.  In  der  Mitte  der  l.  Hälfte  der  Abbildung  haben 
rir  eine  SteUe^  wo  die  Nekrose  des  Gewebes  nur  auf  der  einen  Seite  des  Blutgefäßes 
rfolgt  ist. 

TaL  08»  Fig.  2.  Es  handüt  sich  um  das  Pallidum  internum  des  gleichen  Schnittes. 
Üer  herrscht  der  Etat  pr6crible  vor,  so  daß  wir  seine  allmähliche  Entwicklung  zum 
stat  cribl6  noch  besser  studieren  können  als  in  der  vorigen  Abbildung.  Man  sieht  dabei 
ehr  gut,  wie  der  erste  Beginn  der  Nekrose  sich  in  einer  Aufhellung  der  Grundsubstanz 
uQett.  Das  ganze  Zentrum  der  Abbildung  zeigt  eine  solche  Aufhelluiig,  währfend  wir 
n  der  Peripherie  überall  noch  dunkel  gefärbte  Grundsubstanz  vor  uns  haben. 

1       joaroal  für  Psychologie' und  Neurologie.    Bd.  25.    Ergh.  3.  I6I.. 


788  '  C.  UND  O.  VOGT  '"^i-SSSff*' 


und 

Tal  69;  Fig.  8  ist  weiter  unten  S.  79^  beschrieben. 

Taf.  67;  Fig.  4  hat  nur  eine  sehr  leichte  Retusche  erfahren.  Sie  ist  so  gering;  daft 
im  Pallidum  der  Etat  cribl6  im  Originalpräparat  mit  bloßem  Auge  immer  noch  deut- 
licher sichtbar  ist  als  hier  in  der  Photographie.  Put  zeigt  in  seinem  Hauptteil  weniger 
große  Criblüren  als  in  Taf.  67^  Fig.  3.  Sonst  erinnert  der  Befund  durchaus  an  den  der 
Fig.  3.  Speziell  existiert  ein  deutlicher  Gegensatz  zu  der  der  Criblüren  entbehrenden 
Capsula  interna  (Ct)  und  dem  diese  in  großer  Zahl  aufweisenden  Pallidum. 

TaL  67;  Fig.  6  zeigt  uns  eine  Abbildung  der  r.  Hemisphäre.  Der  Seitenventrikei 
ist  etwas  weniger  erweitert;  das  Caudatum  weniger  abgeflacht  als  /.  Der  Etat  criUe 
des  Puiamen  gleicht  demjenigen  der  anderen  Seite..  Dagegen  weist  das  Pallidum,  und 
zwar  vor  allem  das  Pallidum  intemum,  einen  ganz  ausgesprochenen  Etat  cribl^  auf, 
der  trotz  leichter  Retusche  nicht  einmal  so  deutlich  hervortritt  wie  im  Originalpraparat. 
Wir  haben  dann  auch  noch  am  dorsalen  Rande  von  H^  eine  Reihe  von  Criblüren.  Da- 
gegen ist  die  Capsula  interna  (Ci)  frei  von  solchen  und  auch  der  eben  angeschnittene 
Thalamus  läßt  nur  wenige  erkennen. 

Tal.  68,  Fig.  1  macht  uns  bei  achtfacher  Vergrößerung  mit  dem  PaUidum  in- 
ternum  und  seiner  Umgebung  eines  kaudaleren  Schnittes  bekannt.  Die  Criblüren  im 
Pallidum  sind  durch  Retuschen  leicht  verstärkt.  Gil  und  Gim  zeigen  außerdem  in  ; 
ihrem  ventralen  Dritteil  eine  pathologische  Faserverminderung.  Ferner  lassen 
•der  abgebildete  Teil  von  Ge  sowie  Gil  +Gim  einen  Etat  cribl6  erkennen,  den  wir 
weder  im  normalen  Präparat  (vgl.  z.  B.  Taf.  44,  Fig.  3 !)  noch  im  Etat  dysmy^inique 
(vgl.  z.  B.  Taf.  45;  Figg.  i  und  2 !)  vor  uns  haben.  Gleichzeitig  lehrt  dieser  Vergleich, 
daß  eine  Volumenverminderung  des  Pallidum  im  vorliegenden  Fall  nicht  stattgefunden 
hat.  H^  zeigt  keine  deutlich  faßbare  Verminderung.  In  C«  und  im  abgebildeten  Thalamus- 
gebiet  treten  nach  wie  vor  die  Criblüren  ganz  zurück. 

TaL  68;  Fig.  2.  Auch  hier  hat  das  Pallidum  eine  leichte  Retusche  erfahren.  Mit 
Rücksicht  auf  die  sehr  dunkle  Capsula  interna  ist  der  Rest  der  Abbildung  übere3q>oniert. 
Er  erscheint  faserärmer  als  in  der  Wirklichkeit.  Man  erkennt  aber  deutlich  im  Paüidum 
die  zahlreichen  Criblüren.  Der  Zweck  der  Abbildung  ist  aber  ein  anderer:  sie  zeip 
uns  das  Corpus  Luysi  dieses  Gehirns  in  seiner  größten  Ausdehnung  und  soll  uns  davon 
überzeugen,  daß  dieses  gegenüber  .der  Norm  ganz  wesentlich  verkleinert  ist.  Man 
ziehe  zum  Vergleich  Taf.  64.  Fig.  6  des  vorigen  Falles  und  die  normale  Abbildung  der 
Taf.  26;  Fig.  8  heran! 

Taf.  68;  Fig.  8  stellt  den  Nucleus  rüber  der  gleichen  /.  Seite  in  seiner  größten  Aus- 
dehnung dar.  Eine  pathologische  Veränderung  läßt  sich  an  ihm  oder  seiner  Kapd 
nicht  erkennen. 

Taf.  68;  Fig.  4  zeigt  die  Brachia  conjunctiva,  die  Pyramiden  und  die  unteren 
Oliven  in  durchaus  normalem  Zustande.    Dagegen  ist  der  Ventrikel  vergrößert. 

Die  Rinde  und  das  Mark  des  Kleinhirns  zeigen  keine  gröberen  pathologischen 
Veränderungen. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Im  Marke  mancher  Hirnwindungen  haben  wir  einen  ausgesprochenen  Etat 

cribl6  gefunden.    Derselbe  hat  aber  nirgends  zu  einer  erkennbaren  Degeneration 

eines  bestimmten  Fasersystems  geführt.      Das  Caudatum  zeigt  eine  deutliche 

Atrophie,  besonders  /.     Es  weist  ferner  wie  das  Putamen  einen  mäßigen  Etat 

cribl6  auf.    In  letzterem  betrifft  dieser  auch  größere*  Gefäße.    Ferner  finden  wir 

einen  besonders  intensiven  Etat  criblö  im  Pallidum  und  zwar  vornehmlich 

in  seinen  vorderen  Partien.    Außerdem  zeigt  dasselbe  teilweise  einen  deutlichen 

Faserschwund  (partiellen  Etat  paradysmy^linique),  der  an  denjenigen  des 

Etat  dysmyelinique  erinnert.    Endlich  ist  das  Corpus  Luysi  deutlich  atrophiert. 
162 


Bd.tt,  IMO 


;  3        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.  789 


C.  Epikrise. 

Auch  in  diesem  Fall  haben  wir  also  eine  krankhafte  Veränderung  des  striären 
Systems  im  Sinne  eines  Etat  de  d6sint6gration  als  wesentlichste  Gehirnver- 
änderung nachweisen  können.  Im  Gegensatz  zum  vorigen  Falle  ist  aber  das 
PaUidum  weit  stärker  erkrankt  als  das  Striatum.  Dieser  Tatsache  entspricht 
die  deutliche  Kleinheit  des  Corpus  Luysi. 

Klinisch  war  die  vorli^ende  Paralysis  agitans  dadurch  ausgezeichnet, 
daß  sie  keinen  Tremor  aufwies,  dafür  aber  eine  sehr  ausgesprochene  Ver- 
steifung zeigte,  also  das  Bild  darbot,  welches  wir  bereits  in  unserem  Beitrag 
,yZur  Kenntnis  usw.**  und  weiter  oben  als  Pallidumsyndrom  bezeichnet  haben. 
Mit  dieser  theoretischen  Auffassung  deckt  sich  gut  die  Tatsache,  daß  wir  im 
vorliegenden  Fall  eine  besonders  starke  Erkrankung  des  Pallidum  aufdecken 
konnten. 

Endlich  sei  darauf  hingewiesen,  daß  wir  auch  hier  einen  Gegensatz  zwischen 
dem  gut  erhaltenen  //*  und  dem  deutlich  geschrumpften  CL  haben. 

26.  Freund  •  EaU  Panline  H.  {Bf,  IG), 

A.  Klinische  Beobachtung. 

Erste  ärztliche  Uniersiuhung  am  3.  10.  1914: 

Patientin  sieht  und  hört  ihrem  Alter  entsprechend  gut.  Sie  zittert  stark  mit 
beiden  Händen.  Sie  kann  nur  die  Füße  schleifend^  sich  langsam  vorwärts 
bewegen. 

Patientin  kann  den  Urin  nicht  halten^  die  Blase  träufelt  dauernd. 

Bnistorgane  gesund. 

Blutgefäße  stark  verkalkt. 

Urin  ohne  Eiweiß  und  Zucker. 

Aufnahme  im  CUuissenschen  Stechenhaus,  Breslau,  am  5.  12.  191 4: 

Anamnese: 

74jährige  Witwe. 

Patientin  hat  mit  23  Jahren  geheiratet,  war  45  Jahre  lang  verheiratet.  Hat 
niemals  konzipiert.  Mann  tot  vor  7  Jahren  an  Lungenentzündung.  Mußte  vor  4  Jahren 
ihre  langjährige  Wohnung  aufgeben,  hat  seitdem  vom  Vermieten  möblierter  Zimmer 
gelebt  und  dabei  viel  Sorgen  xmd  Überarbeitung  gehabt. 

Anfang  1914  eines  Morgens  plötzlich  Steifigkeit  im  ganzen  linken  Bein 
und  im  /.  Arm.  Infolgedessen  3  Wochen  bettlägerig.  Mit  der  Zeit  besserte  sich  dieser 
Zustaad,  doch  blieb  ein  Steifheitsgefühl  zurück.  Auch  war  das  Gehen  seitdem 
erschwert.  Juli  1914  trat  eine  schmerzhafte  Steifigkeit  im  r.  Bein  ein.  Patientin 
versuchte  mit  dem  Stock  zu  gehen.  Seit  Ende  1914  auch  eine  Steifigkeit  hinten 
im  Kreuz,  so  daß  ihr  das  Bücken  schwer  fiel.  Ebenso  lange  auch  ein  Zittern  in  der 
/.  Hand. 

2^itweise  kann  sie  frühmorgens  beim  Aufstehen  sich  schnell  bewegen. 

Nach  ihren  Angaben  keine  Neigung  zu  Pulsionen. 

Seit  Ende  1914  ständig  schwermütig. 

Status  frOsens  am  8.  i.  191 5: 

Patientin  klagt  zurzeit  über  keine  innerlichen  Beschwerden,  hat  kein  Herzklopfen 
und  keinen  Schwindel. 

Normaler  Stuhlgang. 

Sie  ist  aber  sehr  nervös,  ängstlich  und  schreckhaft  vor  dem  Neuen. 

Etwas   erstaunter,    maskenartiger,    unbeweglicher    Gesichtsausdruck. 
Sie  kann  aber  dabei  ausdrucksvoll  lachen. 
II»  163 


790 C.  UND  0.  VOGT.  ^^^^^^^^ 

An  den  oberen  Extremitäten  Muskelspannüng  nur  /.,  beim  Abduzicren 
im  Schultergelenk  und  beim  Strecken  im  Ellenbogengelenk.  An  der  /.  Hand 
sind  der  2. — 5.  Finger  im  Grundgelenk  gebeugt,  ist  der  Daumen  leicht  addu- 
ziert  und  zeigen  sich  leichte  pillendrehartige  Zitterbewegungen  an  den  Fingern. 

Passive  Beugung  an  den  Beinen  durchweg  beim  ersten  Bewegungsversuch 
etwas  erschwert.     Links  sind  die  Muskelspannungen  etwas  stärker. 

In  den  Hüftgelenken  Flexion  und  Abduktion,  in  den  Fußgelenken 
Dorsalflexion  besonders  erschwert. 

Zehenreflex  plantarwärts  von  mäßiger  Stärke. 

Kniephänomene  mittelstark. 

Achillessehnenphänomene  nicht  sicher  auslösbar. 

Sensibilität  ohne  pathologischen  Befund. 

Urin  ohne  Eiweiß  und  Zucker. 

Diagnose:  Paralysis  agiians. 

Tod:  am  16.  2.  1916  an  Lungenembolie. 

Ergebnisse  der  Sektion  der  übrigen  Organe: 

Erweiterung  des  rechten  Ventrikels.  Arteriosklerose.  Trombose  an  der  Wand 
des  rechten  Herzventrikels.  Lungenembolie.  Adhäsion  der  Pleura.  Atrophie  der  Leber 
und  der  Nieren. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Es  handelt  sich  also  um  eine  erst  vor  zwei  Jahren  entstandene  Paralysis 
agitans,  welche  sich  hauptsächlich  in-  einer  Versteifung  äußerte  und  nur  zu 
einem  mäßigen  Zittern  in  den  Händen,  vielleicht  sogar  nur  in  der  /.  Hand,  ge- 
führt hat.  Die  Rigidität  beschränkte  sich  in  den  oberen  Extremitäten  auf  die  Z. 
Sie  war  in  den  Beinen  stärker  als  im  /.  Arm  und  /.  ausgesprochener  als  r. 

« 

B.  Anatomische  Untersuchung, 

a)  Makroskopischer  Befund. 

Das  Gehirn  zeigte  äußerlich  und  auf  dem  Querschnitt  keine  besonderen  patho- 
logischen Eigentümlichkeiten. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

Tai.  66,  Fig.  4  bringt  ein  van  Giesonbild  vom  oralsten  Teil  des  r.  Putamen, 
Man  erkennt  hier  in  enger  Beziehung  zu  Blutgefäßen  entweder  kleine,  zirkumskripte 
Stellen  rarefizierten  Gewebes  oder  ebensowenig  umfangreiche  Lücken  mit  einem  Hof 
derartiger  partiell  eingeschmolzener  Substanz:  also  einen  tN-pischen  Etat  pr^cribK 
und  cribl6. 

Tal.  68«  Fig.  6  zeigt  uns  ein  leicht  retuschiertes  Bild  des  /.  Striaium  eines  etwas 
kaudaleren  Schnittes.  Der  Seitenventrikel  ist  nicht  erweitert.  Dagegen  weicht 
das  Striatufn  durch  sein  Plattgedrücktsein  und  durch  die  fast  horizontale  Stellung 
der  es  durchsetzenden  Kapself asem  (Ci)  durchaus  von  der  Norm  ab.  Man  ziehe  zum 
Vergleich  aus  den  Ergänzungsheften  des  18,  Bds.  dieses  Journals  Taf.  44,  Fig.  12  heran! 
Wir  sind  schon  Taf.  41,  Fig.  i  in  einem  Paralytikergehim  einer  ähnlichen Formveränderung 
des  Striatum  begegnet.  Hier  war  dieselbe  aber  mit  einem  ausgesprochenen  Hydro- 
cephalus  internus  verbunden.  Nc  läßt  —  vornehmlich  in  seinem  Außenteil  —  einen 
deutlich  sichtbaren  Etat  crible  erkennen.    In  Put  konstatiert  man  dasselbe. 

Tat  70,  Fig.  1  ist  ebensowenig  wie  Fig.  2  retuschiert  worden.  Zunächst  muß 
hervorgehoben  werden,  daß  auch  hier  beiderseits  keine  Erweiterung  des  Seiten- 
ven/rikels  vorliegt.  Beide  Striata  sind  anormal  breit.  Dabei  sind  die  Putamina  in 
ihrem  dorsal  -  ventralen  Durclimesser  gegen  die  Norm  deutlich  verkürzt.     iSie  bieten 

164 


^JLJiSSi  3.       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         79 1 


hier  dieselbe  Form  dar,  die  wir  in  unseren  beiden  Fällen  von  Etat  dysmyäinique  kon- 
statiert haben.  Man  vgl.  z.  B.  Tkf .  49,  Figg.  4  und  5 !  Trotz  des  Fehlens  jeder  Retusche 
zeigt  Nc  in  geringem^  Put  in  stärkerem  Maße  einen  Etat  crible.  Das  gilt  besonders 
vom  r.  Putamen.  Im  /.  Putamen  existiert  statt  dessen  eine  größere  Criblüre.  Beide 
Paüida  sind  in  ihrem  Höhendurchmesser  stark  verkürzt.  Zum  Vergleich  ziehe  man  aus 
den  Ergänzungsheften  des  18.  Bds.  dieses  Journals  Taf.  3,  Fig.  7  und  Taf.  45,  Fig.  18 
heran!  Im  /.  Pallidum  kann  man  —  abgesehen  von  einer  großen  Criblüre  —  keinen 
Faserschwund  mit  Sicherheit  nachweisen.  Dagegen  ist  das  r.  Pallidum  nicht  nur  kleiner 
als  das  /.,  sondern  es  zeigt  bereits  bei  der  vorliegenden  Vergrößerung  eine  deutliche 
Faseraufhellung  im  ventralen  Teil  von  Gi.  Die  mikroskopische  Betrachtung  lehrt 
daneben  auch  noch  einen  zweifellosen  Schwund  der  dicken  Fasern  im  lateralen  Teil 
von  Ge.  Der  dritte  Ventrikel  ist  deutlich  erweitert.  Femer  sehen  wir  noch  eine  Reihe 
von  Criblüren  in  der  Umgebung  des  Putamen.  Der  laterale  Thalamuskem  zeigt  /. 
und  r.  einige  kleine  aufgehellte  Stellen.  Sonst  erweisen  sich  die  Thalamuskerne  wie 
die  Capsula  interna  normal. 

TaL  70^  Fig.  2.  Auch  hier  fehlt  eine  Erweiterung  des  Seitenventrikels,  liegt 
aber  eine  solche  des  dritten  Ventrikels  vor.  Die  Putamina  erscheinen  nach  wie  vor 
anormal  breit  und  lassen  wie  ihre  laterale  Umgebung  eine  Reihe  von  Criblüren  er- 
kennen. Die  Pallida  sind  hier  ebenfalls  beiderseits  verkleinert  und^  zwar  —  wie  in  der 
vorigen  Figur  —  das  r.  stärker  als  das  L  Aber  auch  /.  liegt  jetzt  zweifellos  ein  Schwund 
der  dicken  Pallidumfasern  vor.  Dies  gilt  insbesondere  von  dem  ventralsten  Teil  des 
Pallidum  intemum.  Daneben  weisen  die  zwischen  Pallidum  und  Putamen  ver- 
laufenden Faserbündel  eine  herabgesetzte  Zahl  ihrer  dicken  Fasern  auf^  während 
die  dünnen  strio-pallidären  Fasern  keine  Verminderung  erkennen  lassen.  Im  r.  Palli- 
diun  ist  der  Schwund  der  dicken  Fasern  noch  ein  wesentlich  größerer.  Die  aus  dem 
Pallidum  in  das  Putamen  eintretenden  Faserbündel  entbehren  fast  aller  dicken 
Fasern,  ohne  daß  die  dünnen  strio-paUidären  Fasern  eine  Verminderung  erfahren 
haben.  Ganz  besonders  foserarm  ist  Gil.  H^  ist  /.  bereits  zweifellos  etwas  verschmälert. 
Man  ziehe  zum  Vergleich  das  Paralytikergehiin  Taf.  41,  Fig.  3  heran !  R,  ist  die  Schmäch- 
tigkeit von  H*  zweifellos  noch  größer.  Die  aus  H^  in  vtl  hineinziehenden  Einzelbündel 
treten  beiderseits  gegen  die  Norm  zurück.  Der  Thalamus,  die  Capsula  interna  und 
der  anstoßende  Teil  des  Album  centrale  (Centrum  semiovale)  zeigen  annähernd  normale 
Verhältnisse.  Hervorgehoben  sei  noch,  daß  das  Mark  der  Inseln  im  vorliegenden 
Gehirn  den  Etat  cribl6  sehr  wenig  zeigt. 

TaL  71,  Figg.  1  nnd  2  werden  S.  795,  TaL  71«  Figg.  8  and  4  S.  797,  Taf.  71,  Fig.  6 
S.  798,  Tat  72  S.  803  f.*  und  Taf.  78  S.  807  f.  beschrieben  werden. 

IW.  74,  Rg.  1  bringt  das  Corpus  Luysi  {CL)  in  größter  Ausdehnung.  Es  ist 
j^egen  die  Norm  um  mehr  als  die  Hälfte  verkleinert.  Die  Substantia  nigra  (5n)  ist 
hier  wie  in  kaudaler  gelegenen  Schnitten  jedenfalls  gegenüber  manchen  normalen 
Schnitten  verschmälert.  Die  pathologische  Bewertung  dieses  Befundes  bedarf  aber 
noch  spezieller  Studien,  da  überhaupt  große  Schwankungen  in  den  Größenverhält- 
nissen dieses  Organs  im  normalen  Gehirn  vorkommen.  Jedenfalls  ist  kein  Unterschied 
zwischen  den  beiden  Seiten  zu  konstatieren,  während  CL  der  l.  Hemisphäre  um  ein 
Viertel  breiter  ist  als  das  hier  abgebildete  CL  der  r.  Himhälfte. 

TaL  74,  Fig.  2  zeigt  normale  Rinde  und  Mark  des  Kleinhirns,  normale  Brachta 
conjunctivae  untere  Oliven  und  Pyramiden  sowie  normale  Verhältnisse  des  übrigen 
abgebildeten  Hirnstämms. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

An  pathologischen  Erhebungen  haben  wir  neben  einer  Formveränderung 
des  Strialutn  und  speziell  des  Putatnen  einen  deutlichen  Etatcribl6im  Ptäamen 
festgestellt.  Derselbe  war  r.  etwas  deutlicher  als  /.  Vor  allem  zeigte  aber  das 
Pallidum    infolge   Höhenabnahme   eine   starke   Volumenverminderung.      Diese 

165 


792  C.  UND  O.  VOGT.  ''^"Sd  Ne^SSte!**' 

• 

war  r,  stärker  als  /.  Außerdem  waren  im  Pallidum  und  zwar  speziell  r.  zahlreiche 
dicke  Fasern  geschwunden.  Dieser  Etat  paradysmy61inique  betraf  auch 
diejenigen  dicken  Fasern,  welche  die  aus  dem  Pallidum  in  das  Striatum  ein- 
tretenden Faserbündel  begleiten.  //*  zeigte  eine  leichte  Volumenvermindening. 
Diese  war  r.  stärker  als  /.  Die  aus  //^  in  vtl  eintretenden  Faserbündel  hoben 
sich  gegen  die  Norm  weniger  ab.  Das  Corpus  Luysi  war  beiderseits  stark  ver- 
kleinert, r.  aber  beträchtlich  stärker  als    /. 

C,  Epikrise. 

Es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  die  Hauptveränderungen  im  vor- 
liegenden Gehirn  das  striäre  System  betrafen.  Neben  einem  Etat  crible  im  Putamen 
lag  vor  allem  ein  teilweiser  Schwund  der  dicken  Fasern  des  Pallidum  vor,  welcher 
als  Etat  paradysmy^linique  an  unsere  Fälle  von  Etat  dysmy61inique  er- 
innert und  in  seinem  Intaktsein  des  strio-pallidären  Systems  vielleicht  als  An- 
fangsstadium des  unter  VII,  B,  c  ausführlich  erwähnten  Jelgersmaschen 
Falles  anzusprechen  ist. 

Die  Ursache  des  teilweise  an  topographische  Bezirke  geknüpften  Schwundes 
der  dicken  Pallidumfasern  ist  ebensowenig  wie  in  den  Fällen  von  Etat  dysmyi- 
linique  geklärt. 

Es  ist  interessant,  daß  wir  die  pathologisch-anatomischen  Hauptveränderungen 
dort  gefunden  haben,  wo  wir  sie  nach  der  Krankengeschichte  entsprechend 
unseren  bereits  in  unserem  Beitrag  ,,Zur  Kenntnis  usw.**  ausgeführten  An- 
schauungen erwarten  mußten.  Auf  Grund  der  Tatsache,  daß  eine  Versteifung 
im  Vordergrunde  des  Krankheitsbildes  stand,  mußte  in  erster  Linie  eine  Er- 
krankung des  Pallidum  vermutet  werden.  Diese  Annahme  ist  vollständig  be- 
stätigt worden.  Wir  mußten  ferner  entsprechend  der  Tatsache,  daß  nur  der  /. 
Arm  eine  Rigidität  zeigte  und  das  /.  Bein  eine  stärkere  als  das  r.,  eine  schwerere 
und  auch  in  oraleren  Partien  nachweisbare  Erkrankung  des  r.  Pallidum  an- 
nehmen. Auch  dieser  Schluß  hat  sich  als  vollständig  im  Einklang  mit  den  Tat- 
sachen erwiesen.  Unsere  Tendenz  endlich,  das  Zittern  mit  Erkrankung  des 
Striatum  in  Verbindung  zu  bringen,  wird  durch  den  Etat  criblj6  und  seine  stärkste 
Ausprägung  im  r.  Putamen  durchaus  gestützt. 

Ferner  geht  auch  hier  dem  Etat  paradysmyelinique  des  Pallidum 
eine  starke  Verkleinerung  von  CL  parallel,  und  ist  diese  entsprechend  der 
stärkeren  Erkrankung  des  r.  Pallidum  auch  im  r.  CL  ausgesprochener.  Eine 
gewisse  Verminderung  von  .//*  und  H^  stützt  des  Weiteren  die  positiveren  Be- 
funde der  Fälle  20  und  21  und  des  Jelgersmaschen  Falles  (vgl.  S.  646!). 

Schließlich  sei  unter  Heranziehung  unserer  beiden  Fälle  von  Etat  dys- 
myölinique  darauf  hingewiesen,  daß  in  allen  diesen  drei  Fällen  einer  starken 
Höhenabnahme  des  Pallidum  eine  anormale  Breitenentwicklung  des 
Putamen  parallel  geht.  Dabei  ist  nicht  anzunehmen,  daß  die  im  vorliegenden 
Fall  vorhandene  Kleinheit  des  Pallidum  und  Breite  des  Putamen  sich  etwa  in 
den  zwei  Krankheitsjahren  ausgebildet  haben  sollten.  Wir  neigen  vielmehr  zu 
der  Annahme  einer  angeborenen  Kleinheit  des  Pallidum  und  möchten  dem- 
entsprechend eine  entwicklungsmechanische  Beziehung  zwischen  angeborener 
166 


Id.  85.  lOSO. 


g        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         793 


einheit  oder  in  früher  Kindheit  auftretender  Volumenverminderung  des 
Jlidum  und  Breite  des  Putamen  supjionieren.  Als  ein  weiteres  Problem  der 
kunft  entsteht  dann  aber  noch  die  Frage,  wie  weit  eine  angeborene  Kleinheit 
j  Pallidum  zu  einem  späteren  Untergang  seiner  Markfasern  prädisponiert. 
Lß  eine  zur  Verbreiterung  des  Putamen  führende  Kleinheit  des  Pallidum  jeden- 
Is  keine  notwendige  Vorbedingung  ist,  beweist  der  unter  VII,  B,  c  näher 
schriebene  Fall  Jelgersmas. 

27.  P.  Marie  •  7aU  Senralt  [Bi  21). 

A,  Krankengeschichte. 

Renoult,  Louis,  entr^  le  lo.  janvier  1902. 

Anamnese: 

Bitumier,  äg6  de  72  ans. 

M^e  morte  d'une  maladie  de  poitrine;  p^re  mort  de  vieillesse.  Les  grands-p^res 
»nt  eu  aucune  maladie  nerveuse.  Les  fr^res  (3)  sont  morts  assez  agös,  mais  il  n'ont 
[lais  eu  de  troubles  du  Systeme  nerveux. 

II  n'a  jamais  fait  de  maladies.  A  la  suite  d'une  chute  du  deuxi^me  etage  en  mai 
95  surle  dos,  sans  aucune  fracture.  ilacommenc^  —  deux  ou  trois  jours  apr^s  — r-  ä 
*mbler.de  la  main  gauche.  1 

Quelques  mois  apr^s  le  tremblement  est  pass^  ä  la  main  droite  et  puis  peu  de 
nps  apr^  ä  la  jambe  gauche.  La  jambe  droite  ne  tremble  pas.  II  n'a  jamais  eu  de 
Ision.  La  raideur,  qui  d'ailleurs  n'a  jamais  6t6  tr^s  accentu6e,  s'est  manifest6e  quel- 
e  temps  apr^s  le  tremblement. 

Depuis  2  ans  environ  il  a  de  l^g^res  douleurs  aux  articulations. 

Etat  präsent: 

Droitier,  sait  lire  et  6crire.  Tremblement  des  deux  mains  et  du  pied  gauche.  Lc 
mblement  augmente  sous  les  6motions,  sous  Tinfluence  de  la  fatigue.  Lorsque  le  malade 
mdunobjet^  le  tremblement  diminue;  il  peut  boire  tout  seul  assez  facilement ;  il  peut 
»i  s'habiller.  II  peut  faire  tous  les  mouvements  avec  les  mains,  mais  plus  lentement 
avec  une  certaine  difficult^  avec  la  main  gauche.  II  ne  peut  plus  bien  6crire.  Avec  la 
lont^  il  ne  peut  pas  du  tout  emp^er  son  tremblement.  II  peut  l'arr^er  au  niveau 
la  main  en  serrant  la  main,  mais  alors  il  se  manifeste  dans  Tavant-bras  et  dans  le 
[gnet  qui  tremblent  en  masse.  Pendant  le  sommeil  le  tremblement  s'arr^e.  Les 
»uvements  sont  assez  libres  sauf  pour  le  bras  gauche.  II  fait  encore  des  promenades 
;ez  longues. 

Reflexes  tendineux,  particuli^rement  les  rotuliens,  assez  forts. 

Le  mouvement  du  pied  gauche  est  en  p6dale. 

Le  malade  a  remarqu^  une  certaine  faiblesse  seulement  au  bras  gauche. 

Pas  de  troubles  des  organes  des  sens,  pas  de  troubles  de  la  sensibilit^. 

Fonctions  de  la  vie  vegetative  normales. 

II  ne  transpire  pas  davantage  qu'avant  le  tremblement. 

Pas  de  Sensation  de  chaleur. 

Pas  d'atrophie.  ni  de  d6formations. 

Jamais  de  maux  de  tete,  ni  de  vertigs. 

Pas  de  troubles  dans  le  domaine  des  nerfs  bulbaires. 

Pas  de  sialorrh^e. 

Le  facies  parkinsonien  n'est  pas  bien  evident.    II  cligne  souvent. 

Pas  de  troubles  psychiques. 

I^  malade  marche  assez  facilement,  16g^rement  penche  en  avant. 

Etat  g^n^ral  assez  bon. 

II  scnt  le  besoin  de  se  d^lacer  tr^s  souvent. 

167 


794  _  _  C.  UND  0.  VOGT. ^^y\MS?**' 

II-  est  tr^s  optimiste. 

Les  muscles  de  la  bouche  ne  tremblent  pas. 

27  d^cembre  1905: 

A  gauche: 

Le  poignet  gauche  semble  tout  a  fait  ankylose,  les  mouvements  sont  impossibles. 
I^  d6formation  fait  penser  k  la  d^formation  du  rhumatisme  chroniquc. 

Le  pouce  est  en  hyperextension. 

L'index  est  en  extension.     La  phalangette  est  en  hyperextension. 

Medius:  la  phalangine  est  flöchie  sur  la  phalange;  la  phalangette  est  en 
extension  sur  la  phalangine. 

Annulaire:  la  premi^re  phalange  est  en  hyperextension,  les  deux  demi^rei 
sont  ilechies. 

Auriculaire :  la  d6formation  ressemble  ä  celle  de  Tannulaire;  eile  est  plus  accentuee. 

Sur  les  doigts,  la  peau  ist  lisse,  glabre. 

A  droite: 

Le  poignet  fonctionne  ä  peu  pr^s  bien,  un  peu  de  raideur  cependant. 

Les  6paules  sont  le  si^ge  de  l^gers  craquement  et  de  douleurs,  qui  parfois  au  dire 
du  malade  Tempechent  de  porter  la  main  ä  la  tete. 

Plus  tard: 

Le  tremblement  se  montre  aussi  dans  la  jambe  droite,  mais  d'une  fa9on  moins 
accentuee.   : 

R^tropulsion  assez  marquee  qui  fait  parfois  tomber  le  malade. 

Cligne  parfois  des  yeux. 

La  parole  ne  presente  pas  de  caract^res  particuliers. 

Mort  le  16  avril  1909  de  pneumonie  gauche. 

Diagnostique: 

Maladie  de  Parkinson  avec  d^formation  des  doigts  et  du  poignet  gauches,  Simulant 
le  rhumatisme  chronique. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Ein  bis  dahin  gesunder  Mann  zeigt  typisches  Paralysis  agitans-Zittem  der 
/.  Hand  2 — 3  Tage  nach  einem  Sturz  aus. der  IL  Etage.  Das  Zittern  dehnt  sich 
bald  auf  die  r.  Hand  und  den  /.  Fuß  aus.  Schließlich  nimmt  auch  das  r.  Bein 
am  Zittern  teil.  Die  Rigidität  bleibt  dauernd  gering.  Nur  sehr  wenig  ausgeprägte 
Amimik.  Keine  Pseudobulbärsymptome.  In  der  /.  Hand  allmählich  eine  Ankylo- 
sierung  der  Gelenke  wohl  auf  rheumatischer  Basis. 

B.  Anatomischer  Befund, 

a)  Makroskopische  Untersuchung. 
Äußerlich  bot  das  Gehirn  keine  nennenswerten  Anomalien. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

Die  beiden  Hemisphären  wurden  getrennt  in  Horizontalschnitte  zerlegt. 

In  der  /.  Hemisphäre  sind  auf  der  Medianseite  das  Mark  des  Cuneus^  des  Prae- 
cuneus,  Teile  des  Gyrus  lingualis  und  des  Isthmus  gyri  limbici,  sowie  große  Abschnitte 
des  Splenium  corporis  callosi  mehr  oder  weniger  vollständig  resorbiert  unter  starker 
Verschmälerung  der  Rinde  der  betreffenden  Gegend.     (Alte  Erweichung.) 

In  der  /.  Hemisphäre  ein  starker,  in  der  r.  ein  geringerer  Hydrocephalus  internus. 

Vielfach  im   Hemisphärenmark  ein  Etat  cribl6  um  kleine  und  größere  Gefäße. 
Besonders  ausgeprägt  ist  diese  Erscheinung  im  Mark  der  Insel. 
J68 


ff:i^5£*  8       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  StRIÄREN  SYSTEMS.        795 


Im  van  Giesonbild  läßt  der  Nucleus  substaniiae  innominatae  nichts  Pathologisches 
erkennen. 

Die  Myeloarchitektonik  der  Großhirnrinde  zeigt  keine  gröberen  Veränderungen. 

lU.  ra^  Fig.  4  zeigt  uns  r.  im  dorsalsten  Teil  des  Caput  caudati  {Nc)  und  dem 
allerdorsalsten  Teil  des  Putamen  {Put)  einen  deutlichen  Etat  cribl6.  Im  Mark  der 
Insel  und  im  Stratum  subcallosum  sind  die  Criblüren  noch  stärker  ausgeprägt.  In  den 
übrigen  Teilen  der  Abbildung,  so  speziell  in  der  Capsula  interna  (Ci)  und  dem  Thalamus. 
treten  sie  dagegen  ganz  zurück. 

Tal  68,  Fig.  6  macht  uns  mit  einem  etwas  ventraleren  Schnitt  der  /.  Hemisphäre 
bekannt.  Die  stärksten  und  meisten  Criblüren  befinden  sich  in  .den  Capsulae  externa 
et  extrema.  Sodann  zeigt  Put  die  meisten  derartigen  Lücken.  A^^  und  das  Pallidum  sind 
wesentlich  ärmer  daran.  Die  Capsula  interna  {Ct)  zeigt  nur  eine  einzige  Criblüre  in 
ihrem  vorderen  Schenkel  lateral  von  der  Bezeichnung  „Ci".  Der  Thalamus  läßt  nur 
wenige  perivaskuläre  Desintegrationen  erkennen. 

Tal  W,  Rg.  6  bringt  einen  noch  ventraleren  Schnitt  der  r.  Hemisphäre.  Auch 
hier  zeigen  Claustrum  und  Capsula  extrema  die  stärksten  und  meisten  perivaskulären 
Hohlräume.  Die  Criblüren  in  Put  stehen  ihrer  Zahl  nach  an  zweiter  Stelle.  Sie  sind 
in  Nc  und  vor  allem  im  Pallidum  in  geringerer  Menge  vorhanden.  Größe  und  Faserr 
gehalt  des  letzteren  zeigen  keine  greifbaren  Anomalien.  Die  Capsula  interna  (Ci)  ent- 
halt keine  Criblüren.  Die  zwei  kleinen  Löcher  kaudo-medial  vom  kaudalen  Rand  des 
Put  sind  beim  Schneiden  entstanden.  Auch  der  Thalamus  ist  arm  an  perivaskulären 
Lücken. 

Tal  W,  Fig.  7  ist  einem  ventraler  gelegenen  Schnitt  derselben  r.  Hemisphäre 
entnommen.  Neben  einer  Erweiterung  des  perivaskulären  Raumes  um  die  großen 
Gefäße  lateral  von  der  Commissura  anterior  zeigt  Put  eine  ganze  Reihe  von  Criblüren. 
Abgesehen  von  der  Capsula  extrema  sind  perivaskuläre  Desintegrationen  in  den  übrigen 
Teilen  der  Abbildung  selten.    Das  Corpus  Luysi  ist  nicht  verkleinert. 

lU.  69^  Fig.  8  bringt  ein  Stück  des  oralsten  Teils  von  Put  eines  benachbarten 
Schnittes  bei  sofacher  Vergrößerung.  Man  erkennt  jetzt,  wie  schwere  Veränderungen 
die  Lücken  der  vorigen  nur  zweimal  vergrößerten  Abbildung  darstellen.  Man  sieht 
um  kleine  Blutgefäße  -7-  teilweise  exzentrisch  —  gelegene  vollständige  Substanzlücken 
oder  Gebiete  rarefizierten  Gewebes  und  diese  Rarefizierung  nur  allmählich  in  gesundes 
Gewebe  übergehen.  Man  beobachtet  femer  noch  eine  ganze  Reihe  kleiner  Desintegra- 
tionsherde, welche  bei  zweifacher  Vergrößerung  überhaupt  noch  nicht  sichtbar  sind. 

Tal  71,  Fig.  1  zeigt  uns  von  einem  Schnitte   der  /.  Himhälfte,  der  noch  dor- 
saler gelegen  ist  als  der  Taf.  63,  Fig.  4  von  der  r.  Hemisphäre  abgebildete,  wie  man  bei 
starker  Vergrößerung  in  einem  Weigert-Pal- Schnitt  auch  in  dem  Caudatum  zahl-, 
reiche  Criblüren  erkennen  kann. 

Tal  71,  Rg.  2  bringt  bei  50  f acher  Vergrößerung  einen  Ausschnitt  aus  dem  Putamen 
eines  nach  van  Gieson  gefärbten  Schnittes  aus  der  Nachbarschaft  des  Taf.  63,  Fig.  5 
abgebildeten.  Neben  zwei  Criblüren,  welche  schon  in  einer  Abbildung  wie  der  Taf.63, 
Fig.  5  wiedergegebenen  sichtbar  sind,  sehen  wir  einmal  in  der  Umgebung  der  dorsalen 
Criblüre  in  weiter  Ausdehnung  die  Grundsubstanz  aufgehellt  und  dann  zahlreiche 
"  kleine^  bei  schwacher  Vergrößerung  noch  nicht  sichtbare  Criblüren.  Auch  an  diesem 
Präparat  kann  man  sich  davon  überzeugen,  wie  die  van  Giesonfärbung  geeignet  ist, 
den  Etat  cribl6  sichtbar  zu  machen,  und  wie  viel  stärker  das  Striatum  erkrankt  ist 
ab  die  medial  davon  gelegenen  Himteile. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Von  einem  großen  Erweichungsherd  im  kaudalen  Teil  der  Medianseite  der 
/.  Hemisphäre  abgesehen,  fand  sich  eip  weit  verbreiteter  Etat  cribl6.  Derselbe 
war  aber  im  Mark  der  Insel  und  im  Striatum  viel  stärker  als  in  anderen  Gegenden. 

169 


796  C.  UND  O.  VOGT.  ''^''SSd  nJu3^!** 

C,  Epikrise. 

Wir  haben  also  auch  hier  in  einem  Etat  crible  des  Striatum  eine  der  Former^- 
des  Status  desintegrationis  vor  uns.    Hervorzuheben  ist,  daß  das  Pallidum  un^ii 
die  pallidären  Systeme  relativ  gut  erhalten  sind.    Der  vornehmlich  im  Striatunc~)L 
lokalisierten   Erkrankung   entspricht   im    klinischen   Bild   ein   Vorherrsche 
des  Zitterns  und  ein  Zurücktreten  der  Rigidität.   Für  eine  künftige  Vertiefung, 
der  Forschung  sei  der  Hinweis  nicht  unterlassen,  daß  sich  ein  Etat  cribl6  nor 
stärker  in  den  Capsulae  externa  et  extrema  entwickelt  hatte. 

28.  Ereundt  Eall  Bertha  Z.  {Bf  25). 

A.  Krankengeschichte. 

Frau  Bertha  Z.,  Schneiderswitwe. 

Geboren:  22.  7.  1835. 

Aus  den  Akten  Dr.  Steinbergs  am  i.  3.  1916: 

Sehr  schwerhörig.    Starkes  Alters  zittern,  besonders  im  r.  Arm.    Herrmusk^s^^  ^ 
schwäche.    Arterienverhärtung. 

Aufnahme  im  Claassenschen  Siechenhaus  am  13.  6.  1916. 

Status  am  16.  6.  1916: 

Rechter  Arm   zittert  ungleich  stark,    wird  im   Ellenbogengelenk, 
den  Fingergrundgelenken  und  oberen  Fingergelenken  leicht  gebeugt  g 
halten.     Das  Zittern  wird  in  der  Erregung  heftiger,  hört  bei  intendiert« 
Bewegungen  vorübergehend  auf,  doch  soll  zeitweilig  beim   Suppenlöffeln  d 
Suppe  verschüttet  werden. 

Klagt  über  Beängstigung,  Herzklopfen,  Schlaflosigkeit,  Schwerhörigkeit.  Di 
Zittern  soll  vor  zwei  Jahren  beim  Erwachen  ohne  Vorboten  sich  eingestellt  habec    '^ 

Herztöne  zu  hart  klappend.  Spitzenton  im  V.  Interkostalraum.  Nicht  vcrbrcitei»  ' 

Grenzen. 

Starke  Lungenblähung. 

Deutliches  Reiben  im  linken  Kniegelenk  (vor  vielen  Jahren  auf  das  linke  Kn: 
gefallen).  Leichtes  Reiben  im  rechten  Kniegelenk.  Die  anderen  Gelenke  frei  von  Reibung 
geräuschen. 

Kniescheibenreflexe  lebhaft,  f.  = /.  Kein  Babinski.  Fußkitzelreflex  schwach,  r. « 

Leib:  0.  B. 

Allgemein  reduziert  und  abgemagert.     Schwerhörig. 

Beim  Gehen  verstärktes  Zittern  des  r.  Arms  und  viel  Schwindelgefühl. 

Urin:  Eiweiß  und  Zucker. 

15.  II.  1916:  Vornübergeneigte  Haltung,  etwas  ,, schiebender"  Ganj 
Beginnende  Schüttellähmung  (?). 

Zeigte  zuletzt  schwere  Dysenterie  und  starb  an  Bronchopneumonie  am  15.3.  1917'- 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Die  Kranke  zeigte  in  den  letzten  drei  Lebensjahren  ein  bei  Erregung  ge- 
steigertes, durch  intendierte  Bewegung  vorübergehend  aufgehobenes  Zittern 
des  r.,  gleichzeitig  rigiden  Arms.  Im  letzten  Lebensjahr  ,, schiebender"  Gang 
mit  vornübergeneigtem  Körper. 

B.  Anatomische  Untersuchung. 
a)  Makroskopischer    Befund. 

Sektionsbefund     des     Pathologischen     Instituts     der     Universität     Breslau. 
Dr.  Häuser^  den  17.  3.  1917: 
170 


35;  8.       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        797 

literatio  pericardii.  —  Myocarditis  fibrosa.  —  Arteriosderosis  aortae  et  arter. 
Atrophia  lienis.  —  Adhaes.  veter.  pleur.  utr.  —  Pleuritis  fibrin.  sin.  — 
neumonia  confl.  lob.  sup.  et  inf .  sin.  —  Enteritis  dysenterica  oilcerosa  gravis.  — 
)er.  —  Atrophia  hepatis.  —  Nephritis  interstit.  chron.  —  Cystitis.  —  Oedema 
Atrophia  gyrorum  (Gehirn  in  toto  konserviert), 
irngewicht:  ii6og." 

b)  Mikroskopischer   Befund. 

haben  bisher  nur  Blöcke  aus  Ca  und  Umgebung,  sowie  dem  Striatum  und 
untersucht. 

Area  gigantopyramidalis  zeigte  keine  gröberen  cytoarchitektonischen  Ver- 
en.  Speziell  waren  die  Riesenzellen  in  normaler  Zahl  vorhanden.  Im  Nissl- 
keine  Drusen  sichtbar. 

eineren  histopathologischen  Befunden  dieser  Area  und  ihrer  oralen  Nachbar- 
illte  Bielschowsky  folgendes  fest: 

ibrillenpraparate  zeigen  in  der  Rinde  massenhaft  Drusen  von  typischem 
Das  Stratum  zonale  ist  verbreitert,  reich  an  pyknotischen  Kernen.  Das 
che  Retikulum  der  Glia  in  III  ist  grob  retikulär  und  enthält  zahlreiche 
i  und  kleine  Schollen.  Die  AlzheimerscheFibrillenveränderung  ist  nur  ganz 
:  anzutreffen.  Zellkörper  der  Ganglienzellen  zeigen  schlechte  Färbung,  Fibrillen- 
unkle  Kerne.    Kapillarfibrose. 

r i SS  1  Präparate    zeigen   wabigen    Zellzerfall,    viel   Pigment,    chronische    Ver- 
der  Ganglienzellen  mit  üppiger  Neuronophagie. 

rliapräparate  zeigen  starke  Proliferation  der  epizerebralen  Randglia,  ver- 
rliafasem  in  ///  und  IV  und  zahlreiche  faserbildende  Astrozyten  im  Mark, 
seilen  sind  zum  Teil  vakuolisiert,  enthalten  gelbes  Pigment  (Abbauprodukte 
Natur)  und  gut  gefärbte  Plasmaleiber. 

71,  Fig.  8  lehrt  uns  an  einem  20  fi  dicken  van  Gi es onpräparat,  daß  bereits 
tarnen  ein  Etat  cribl^  begonnen  hat. 
/.  Putamen  zeigt  ähnliche  Veränderungen. 

71;  Fig.  4  macht  uns  mit  der  stärksten  Veränderung  bekannt,  die  wir  in  den 
von  Striatum  +  Pallidu|n  gefunden  haben.  Die  Außenhälfte  der  l,  Lameüa 
iterna  zeigt  in  fast  ihrer  ganzen  Längehausdehnung  eine  starke  Aufhellung 
"  in  der  Gegend  3er  Lamella,  in  welche  wir  die  Armzone  zu  lokalisieren  die 
haben.  Eine  ähnliche,  wenn  auch  weniger  prononcierte  Aufhellung  zeigen 
ben  Frontalebene  die  zwei  äußeren  Dritteile  der  L  Lameüa  externa.  Im 
lainschen  Eisenhämatoxylinpräparat  weisen  diese  aufgehellten  Stellen  einen 
iden  Untergang  der  Markscheiden  auf.  Im  Giesonbild  erkennt  man  bei 
i  Vergrößerungen  eine  deutfiche  Ersatzbildung  von  Gliafasem,  zahlreiche 
amylacea  und  daneben  wenigstens  einige  intakte  Ganglienzellen, 
terdem  zeigen  die  Präparate  eine  ausgesprochene  Volumenreduktion  von  Nc. 
Nucleus  substantiae  innominatae  läßt  keine  pathologischen  Veränderungen 


c)  Zusammenfassung   des    anatomischen  Befundes. 

untersuchten  Blöcke  zeigten  neben  einer  gewissen  senilen  Veränderung 
ßhirns  eine  Atrophie  der  Caudata,  einen  beginnenden  Etat  cribl6  in 
tamina  und  vor  allem  einen  ausgesprochenen  Faseruntergang  in  den 
n  zwei  Dritteilen  der  /.  Lamella  externa  und  einen  noch  stärkeren 
Vußenhälfte  der  /.  Lamella  interna  im  Gebiet  unserer  hypothetischen 

171 


\ 


79« C.  UND  O.  VOGT.  '"""^^i'^SSS!!^     ! 

C.  Epikrise.  j 

Die  Untersuchung  der  herausgeschnittenen  Blöcke  hat  genügt,  um  uns  Von 
der  a  priori  vermuteten  Existenz  des  Status  desintegrationis  des  StriahiM'+ 
Pallidum  zu  überzeugen.  In  der  schweren  Faserverminderung  jenes  Teils  der 
Lameila  interna^  den  wir  als  Armzentrum  auffassen,  auf  der  /.  Seite  dürfen  wir 
wenigstens  einen  Teil  der  Ursache  des  hier  mit  deutlicher  Rigidität  verbundenen 
Zitterns  des  r.  Arms  vor  uns  haben. 

29.  Sohuitert  Fall  Maria  B.    (Ho  /.) 

A,  Krankengeschichte. 

Aufnahme  im  Hospital  der  Fröbelstraße  am  lo.  u.  igig. 

Anamnese: 

61jährige  Witwe,  gibt  an,  seit  einigen  Monaten  beim  Gehen  nach  vorn  oder 
hinten  zu  taumeln  und  Zitterbewegungen  in  den  Händen  zu  haben.        f 

Status  praesens: 

Mager,   Gesichtsausdruck   maskenhaft,  seltener  Lidschlag,   Rigidität    J 
der  Muskulatur.  | 

Pro-  und  Retropulsion. 

Arterien  hart. 

Sonst  kein  besonderer  Befund. 

Diagnose:  Paralysis  agitans. 

Herr  Prof.  Schuster  hat  die  Kranke  einmal  vor  dem  Tode  gesehen  und  die 
Diagnose  bestätigt. 

Tod  am  2.  2.  1920. 

B.  Anatomische  Untersuchung. 

Es  wurden  bisher  nur  einige  Paraffinschnitte  aus  den  Zentralwindungen  unjJ 
den  herausgeschnittenen  und  in  3  Blöcke  zerlegten  /.  Zentralganglien  untersucht. 

Die  Hirnrinde  zeigte  keine  gröberen  cytoarchitektonischen  Veränderungen.  Auch 
im  van  Giesonbild  und  dem  Heidenhainschen  sieht  man  nichts  von  Drusen. 

Das  Caudatum  ist  geschrumpft.    Es  zeigt  einen  mäßigen  Etat  cribl6. 

Das  Putamen  weist  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  einen  etwas  stärkeren  Etat 
cribl^  auf. 

TaL  71,  Fig.  6  bringt  diesen  Status  aus  dem  oralen  Teil  des  Putamen.  In  der 
Mitte  /.  haben  wir  eine  größere  Criblüre.  Unter  dieser  sehen  wir  um  ein  kleineres  Bhit- 
ßefäß  einen  Hohlraum,  der  noch  teilweise  nicht  resorbierte  Substanz  enthält.  Auch 
in  der  Peripherie  dieses  Hohlraums  ist  die  Grundsubstanz  noch  rarefiziert.  Ganz  oben 
haben  wir  eine  Criblüre  mit  deutlich  rarefizierter  Umgebung.  Daneben  zeigt  die  Ab- 
bildung noch  viele  kleine  und  kleinste  Criblüren. 

In  der  Schnittebene,  welcher  diese  Figur  entnommen  ist,  zeigt  das  Mark  der  Insd 
einen  starken  Etat  cribl^.  Die  Capstdae  externa  et  interna  weisen  nur  wenige  Criblüren 
mit  ganz  zirkumskriptem  Faseruntergang  auf.  Am  Nucleus  substantiae  innominatae 
können  wir  keine  Veränderungen  erkennen. 

In  der  Frontalebene  des  Übertritts  der  Commissura  anterior  auf  die  andere  Seite 
zeigt  der  hier  getroffene  orale  Teil  des  Pallidum  externum  eine  Reihe  kleiner  Criblüren 
mit  peripherem  Faserzerfall.  Es  gibt  auch  in  dem  einzelnen  Schnitt  kleine  Stellen, 
die  einen  Faserzerfall  aufweisen,  ohne  daß  ein  Zusammenhang  mit  einer  Criblüre  er- 
kennbar ist,  Aber  in  diesen  Fällen  läßt  sich  nicht  ausschließen,  daß  die  Peripherie  eii^ 
nekrotischen  Herdes  getroffen  ist.  Die  Außenpartie  der  Lamella  pallidi  externa  zeigt 
eine  Faserverarmung.  Die  Capsula  interna  enthält  hier  wie  oraler  kleinste  Hefdchen 
mit  in  Zerfall  begriffenen  Markscheiden,  Diese  Herdchen  bilden  teilweise  die  Peripherie 
172 


SJkSliSS;  3.      ZUR  LEHRE  DE  ^  ERKRANKUNGEN  DES  STRÜREN  SYSTEMS.         799- 


von  Criblüren.  Für  die  übrigen  ist  dieses  wenigstens  möglich.  Das  Mark  der  Insel  zeigt 
nach  wie  vor  einen  starken  Etat.cribl6. 

In  derjenigen  Frontalebene,  in  welcher  das  Pallidum  in  seinei;  größten  Ausdehnung 
getroffen  ist,  sind  das  Putamen  und  besonders  das  Pallidum  in  ihrer  Höhe  reduziert. 
Von  einen  gleichzeitigen  Verbreiterung  des  Putamen  kann  dabei  nicht  die  Rede  sein. 
Die  vential-dorsal  verlaufenden  Fasern  der  Lameüa  pallidi  externa  sind  hier  größten- 
teik  geschwunden.  Die  Lameüa  interna  zeigt  auch  einen  teilweisen  Untergang  ihrer 
ventral-dorsalen  Fasern.  Im  dorso-lateralen  Teil  dieser  Lamelle  sind  dieselben  sogar 
fast  ganz  degeneriert.  In  beiden  Lamellen  kann  man  femer  eine  Vermehrung  der  Glia- 
kemc  und  der  Gliafasem  nachweisen.  Die  Faserung  der  Ansa  lenticularis  ist  im  Hei  de  n- 
hainschen  wie  im  Giesonschen  Präparat  von  kleinen  Hohlräumen  (Resten  degenerierter 
gequollener  Markscheiden  ?)  erfüllt,  die  vielfach  von  vermehrten  Gliafasem  durchsetzt 
und  umsponnen  sind.  Außerdem  finden  sich  im  Pallidum  zerstreut  kleine  Criblüren. 
Die  Capsula  interna  und  der  Thalamus  sind  im  Vergleich  zu  den  Verändemngen  im 
Striatum  +  Pallidum  und  dem  Etat  crible  der  Insel  .wenig  verändert. 

In  der  Frontalebene  der  oraleren  Partien  des  Corpus  Luj'si  zeigt  die  Lameüa 
pallidi  externa  den  gleichen  Befund.  Dagegen  ist  die  Degeneration  in  der  Lameüa  in- 
terna eine  sehr  viel  beträchtlichere.  Gil  ist  wesentlich  schmäler  als  Gim.  Die  Fasern 
des  Paüidum  tnternum  wie  die  die  Capsula  interna  durchsetzenden  Fasern  des  striären 
Systems  zeigen  die  gleichen  Lücken,  welche  wir  in  der  vorigen  Frontalebene  für  die 
Ansa  lenticularis  feststellten  und  hier  von  neuem  finden.  Das  Corpus  Luysi  ist  im 
Heidenhainschen  Präparat  nicht  dunkler  als  die  Zona.  incerta. 

Zusammenfassung   des   anatomischen   Befundes. 

Neben  einer  gewissen  Kleinheit  des  Striatum  und  Pallidum  und  einem  Etat 
cribl6  in  ihnen  fand  sich  ein  teilweiser  Untergang  der  Fasern  des  Pallidum.  Der- 
selbe war  am  ausgeprägtesten  im  kaudalsten  Teil  des  Pallidum. 

C.  Epikrise. 

Parallel  der  ausgesprochenen  Rigidität  finden  wir  eine  starke  Pallidum- 
erkrankung.  Die  letztere  ist  am  stärksten  im  kaudalen  Teil  des  Pallidum,  d.  h. 
demjenigen  Teil,  welchen  wir  als  Rücken-  und  Beinzentrum  auffassen.  Diese 
unsere  somatotopische  Lokalisation  dürfte  in  der  Tatsache  eine  Stütze  finden, 
daß  in  dem  vorliegenden  Fall  die  Pulsionen  so  im  Vordergrund  standen,  wobei 
wir  die  letzteren  nicht  einfach  als  eine  mechanische  Folge  der  Versteifung  auffassen. 

80.  Lernet*  EaU  J.  D.     (P  7.) 

Der  folgende  Fall  ist  einer  der  beiden,  in  welchen  C.  Vogt  auf  Grund  des 
patholc^isch- anatomischen  Befundes  die  Diagnose  einer  Paralysis  agitjms  ge- 
macht hat,  ohne  die  Krankengeschichte  zu  kennen.  Es  ist  nun  sehr  interessant, 
daß  unser  sehr  verehrter  Kollege  Lemos  bereits  191 2  den  Fall  als  ,, Paralysis 
agitans  und  Pseudobulbärparalyse*'  in  den  ,,Anais  Scientificos  de  Faculdade 
de  Medecina  do  Porto**  beschrieben  hatte.  Der  Autor  hat  uns  vor  kurzem  die 
folgende  französische  Übersetzung  gütigst  zur  Verfügung  gestellt. 

Bapporti  de  U  paralytie  agitante  aveo  la  paralyaie  pseudo-bolbaire  ohes  un  malade 

affeote  de  psyohose  systematisee  progresBive  (paranoia). 

La  paralysie  pseudo-bulbaire  est  susceptible  de  localisations  anatomiques  differentes^ 
en  vertu  de  quoi  eile  peut  s'associer  avec  Th^mipl^gie,  Tath^tose,  la  maladie  de  Par- 
kinson, etc, 

173 


800  C.  UND  0.  VOGT.  '^'^'Sd^  iimnUogü. 


Le  malade  dont  nous  allons  nous  occuper  a  fait  cette  demi^re  association.  Dau 
une  phase  tr^  avanc6e  d'iine  interessante  psychose  syst^matis^  progressive,  la  paral^^ie 
pseudo-bulbaire  et  la  maladie  de  Parkinson  se  sont  manifest^  en  mtoie  temps  et 
sc  sont  d^veloppees  si  intimement  unies  comme  si  elles  ^taient  sous  la  d^pendanoe 
directe  de  la  m6me  l^ion  r6alisant  un  ensemble,  un  tout^  constitu^  par  la  fusion  des 
symptomes  de  la  paralysie  pseudo-bulbaire  avec  les  symptomes  de  la  maladie  de  Par- 
kinson^ et  qui  peut  s'appeler  paralysie  pseudo-bulbaire  k  forme  parkinsonienne,  ou 
plus  simplement  paralysie  pseudo-bulbaire  parkinsonienne. 

Observation. 

.  Joachim  J.  D.^  lieutenant  de  Tancienne  garde  municipale  avait  ^6  toujouis  bicn 
portant^  sobre^  un  peu  concentre^  mais  bien  ^quilibr^.  II  dtait  droitier.  Pas  d'alcoolisme. 
Pas  de  Syphilis.  II  aimait  sa  femme  et  lui  donnait  toutes  ies  preuves  de  la  confianoe, 
d'ailleurs  m^rit^e^  qu'il  avait  dans  sa  fid^lit^  conjugale.  II  n'a  jamais  6te  jaloux.  Un 
fils^  debile  mental^  est  mort  k  Tbopital  du  Conde  de  Ferreira  avec  un  d^lire  polymor[rfiei 
un  autre  fils  fut  victime  d'une  tuberculose  intestinale.  Deux  filles  sont  hystäiques. 
Un  fr^re  du  malade  a  fait  une  pouss^e  de  d^lire  religieux^  dont  il  s^est  r^tabli. 

Notre  malade  a  ^t^  interne  ä  THopital  du  Conde  de  Ferreira,  le  26  juillet  1893, 
ä  Tage  de  42  ans^  avec  une  psychose  syst^matisde,  qui  avait  6clat6  deux  jours  auparavant 
par  une  excitation  tr^s  violente  pendant  laquelle  il  a  failli  assommer  le  commandant 
de  la  garde  parce  qu'il  croyait  que  cc  demier  avait  des  relations  intimes  avec  sa  femme, 
mais  k  cette  date  la  p^'schos-e  avait  d^jä  6  mois  au  moins. 

Sa  croyance  dans  Tinfidelite  de  sa  femme  ^tait  alors  in^branlable.  £n  plus  il 
pensait  qu'ellecherchaitä  Tempoisonner  par  tous  les  moyens  possibles,  dans  les  cigarettes, 
dans  le  th^,  dans  le  pain,  dans  tout  ce  qu'il  mangeait. 

Elle  voulait  s'en  d6barrasser  le  plus  t6t  possible  pour  jouir  de  sa  libert6. 

II  entendait^  mais  seulement  apr^  Tinternement,  des  voix  injurieuses,  qui  se 
rapportaient  k  Tadult^re  scandaleux  de  sa  femme.  Plus  tard  il  a  eu  aussi  des  hallucina- 
tions  de  la  sensibilit^  gön^rale:  on  le  frappait  k  distance,  on  le  pin9ait,  on  lui  donnait 
des  d^charges  el^ctriques,  etc. 

Dans  le  cours  de  1894  les  hallucinations  s'att6nu^rent  et  le  d^lire  de  perstoition 
et  jaloux  commen9a  k  s'effacer;  mais,  en  m^me  temps,  le  malade  devient  peu  ä  peu 
ambitieux  et  örotique:  il  croit  appartenir  k  la  famille  royale  et  veut  se  marier  avec 
la  reine  Maria  Pia. 

Enfin,  ce  d^lire  se  st6r6ot3rpe  et  le  malade  glisse  vers  la  d^mence. 


En  .191O;  outre  la  dömence  tr^s  avanc^e,  ce  qui  frappait  le  plus  Tattention,  c'dtait 
un  ötat  physique^  d^velopp^  progressivement  et  constitu^  par  Tassociation  des  sympto- 
mes carat^ristiques  de  la  paralysie  agitante  avec  la  paralysie  pseudo-bulbaire. 

Mentionnons  tout  d'abord  sa  mani^re  tr^s  speciale  de  se  tenir  debout  et  de  marcher. 

A3^nt  la  t^e  inclinee  sur  la  poitrine  et  le  corps  16g^rement  pench^  en  avant,  notre 
malade  marchait  raide,  soud6,  k  petits  pas  pr^cipit^,  absolument  conmie  un  parldn- 
sonien.  Si  nous  ajoutons  que  la  propulsion  6tait  si  accus^e  que  parfois  on  ^tait  Obligo 
de  retenir  le  malade  pour  empecher  sa  chute  en  avant,  que  son  regard  ^tait  fixe,  stupide 
et  etonne,  nous  avons  le  tableau  parkinsonien,  except^  le  tremblement,  qui  est  un 
ph^nom^ne  contingent,  accessoire  et  chronologiquement  secondaire. 

C'ötait  la  rigiditd  g^nöralis^e  qui  dominait  la  Situation  et  produisait  son  attitode 
soudee.  Les  muscles  ^taient  durs  au  toucher  et  si  on  cherchait  k  imprimer  aux  membres 
des  mouvements  passifs  on  sentait  une  certaine  resistance.  Impossible  de  toumer  la 
tete  pour  regarder  de  cot^.  Lorsqu'on  appelait  le  malade  par  derri^re  il  se  toumait 
lentement  tout  d'une  pi^ce,  comme  un  mannequin. 

L'attitude  des  membres  sup^rieurs  est  digne  de  remarque.  L'avant-bras  6tait 
en  flexion  sur  le  bras  et  la  main,  ram^nee  sur  l'epigastre,  16g^rement  fl^hie. 

174 


Bd.»,  IMO,  ^       2VR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         8oi 


Le  front  6tait  pliss^  transversalement,  les  sourcils  relev^  et  les  yeux  grands 
ouverts . 

Les  r6flexes  6taient  normaux. 

Eji  m^me  temps  que  se  d^veloppaient  ces  symptomes  on  constatait  un  ensemble 
de  troubles  progressifs  de  l'articulation  des  mots^  de  la  döglutition,  de  la  mastication 
et  de  la  phonation^  qui  caract^risent  la  paTal3^ie  pseudo-bulbaire. 

La  dysarthrie  ^tait  d^  le  d^but  le  trouble  pr^dominant. 

Le  14  Novembre  1911,  dans  Tapr^s-midi,  et  lorsque  la  paralysie  pseudo-bulbaire 
^tait  d€}ä  constitu^e^  le  malade  eut  un  ictus  apoplectique  avec  perte  passag^re  de  con- 
naissance;  le  lendemain  je  le  trouvai  au  lit  avec  une  l^gdre  paralysie  du  bras  gauche 
et  du  facial  inf6rieur  du  m^me  c6t^. 

Les  r^flexes  tendineux  6taient  alors  exag^r^  du  c6t^  gauche. 

Pas  de  signe  de  Babinski.  Pas  de  clonus  du  pied.  La  dysarthrie  ^tait  tr^s  accentu6c ; 
le  malade  pouvait  ä  peine  ^mettre  quelques  sons  laryng^.  La  mastication  dtait  im> 
possible^  mais  la  d^lutition  semblait  normale.  II  ne  pouvait  ni  siffler^  ni  souffler^  ni 
faire  la  moue. 

Le  r^flexe  pharyngien  6tait  normal. 

Apr^  une  am^lioration  temporaire  de  la  paralysie  pseudo-bulbaire^  celle-ci  et 
r^tat  g^n^ral  du  malade  s'aggrav^rent  progressivement. 

La  langue  ^tait  par^si^e^  mais  le  malade  pouvait  encore  la  mouvoir  assez  bien. 

La  beuche  entr'ouverte  laissait  involontairement  s'^couler  la  salive. 

Le  gatisme  v6sical  et  rectal  fit  son  apparition. 

Le  malade^  ^tant  peu  k  peu  envahi  par  une  grande  faiblesse,  ne  pouvait  plus  d^- 
tacher  les  pieds  du  sol  et  s'alita  d^finitivement. 

Enfin^  il  mourut  le  7  mai  1912^  k  Tage  de  61  ans^  19  ans  aprös  l'intemement  et 
2  ans  apr^  le  d^but  de  sa  paralysie  agitante  et  de  sa  paralysie  pseudo-bulbaire;  et  il 
succomba  par  T^puisement  de  toutes  ses  forces,  dans  Tinconscience  absolue  de  sa  Situation^ 
aux  progr^s  d'une  cachexie  terminale. 


Ne  nous  occupons  plus  de  la  maladie  mentale^  d'ailleurs  tr^s  interessante,  que 
nous  avons  r^um^e  —  un  d^lire'de  pers^cution,  k  syst^matisation  parfaite,  qui  dans 
un  moment  donn^,  a  pris  la  forme  du  d^lire  de  Jalousie  et  qui  ^volutionna  dans  le  sens 
du  d61ire  chronique  de  Magnan. 

Ce  qui  donne  le  plus  grand  int^ret  k  ce  cas  clinique  c'est  le  rapprochement  qu'il 
montre  entre  la  paralysie  agitante  et  la  paralysie  pseudo-bulbaire  —  rapprochement 
rare,  extraordinaire  et  pour  cela  mime  bien  digne  de  remarque. 

Le  fait  n'est  pas  nouveau.  Le  professeur  Brissaud,  k  diff^rentes  reprises,  appela 
Tattention  sur  les  relations  intimes,  «tr^s  etroites»,  qui  existent  entre  le  Syndrome 
pseudo-bulbaire  et  la  paralysie  agitante  qu'il  n'envisageait  plus  comme  une  tUvrose^ 
mais  comme  une  nSvropathie,  probablement  li6e  k  une  16sion  sous-thalamique  ou  p^- 
donculaire.^) 

La  Physiologie  pathologique  des  symptomes  que  nous  avons  observös  ne  peut 
ttre  essay^e  qu'apr^s  Texamen  du  cerveau,  d6bit6  en  coupes  microscopiques  s6ri^es. 

Contentons-nous  pour  le  moment  de  constater  que  chez  notre  malade  la  paralysie 
pseudo-bulbaire  et  la  maladie  de  Parkinson  se  sont  manifest6es  simultarUment  et  ivolu- 
tionnireni  si  intimement  unies  comme  si  elles  itaient  sous  la  dipendance  d*une  seule  et 
meine  lision.  , 

Cela  6tant,  rappelons  que  la  localisation  anatomique  de  la  paralysie  pseudo-bulbaire 
est  encore  discut^e.  Nous  savons  que  la  Ifeion  bilaterale  de  Topercule  frontal  (zone  motrice 
facio-pharyngo-laryngee)  ou  du  faisceau  pyramidal  produit  ce  Syndrome.     Et  le  prof. 


^)  E.  Brissaud y  Le^ons  sur  les  maladies  nerveuses  (Salpetri^re,    1893 — '894).     Le^ons   II', 
XXII*,  XX  IIP. 

i7S 


S02  C.  UND  O.  VOGT.  '«^  kJSSS?!^ 

D^jerine^  entre  autres,  a  soutenu  que  cette  16sion  etait  la  seule  capable  de  le  produire. 
cLa  l^sion  rencontr^e  parL6pine^  dans  laparalysie  pseudo-bulbaire^  ^tait  S3an6trique 
et  si^geait  dans  le  segment  externe  —  putamen  —  de  chaque  noyau  lenticiilaire.  ^e 
a  6te  retrouv^e  par  differents  auteurs:  Leresche  (1890),  Galavielle  (1893),  Brissaud 
et  Halipr6  (1894).  Pour  nous^  cette  localisation  ne  peut  plus  etre  admise.  ,Le  noyau 
lenticulaire^  en  effet^  n'envoie  pas  de  fibres  dans  le  pied  du  pedoncule  c^r6bral  et  n'en 
re9oit  pas  de  la  corticalit^.»^) 

Cependant^  d'apr^s  Pierre  Marie^  tout  le  monde  s'accorde  ä  localiser  la  Idsion 
de  Tanarthrie  «dans  la  region  et  dans  le  voisinage  du  noyau  lenticulaire^  soit  dans  ce 
noyau  lui-meme  soit  dans  la  partie  ant6rieure  et  le  genou  de  la  capsule  interne^  soit 
dans  la  capsule  externe.» ^j 

Dans  son  deuxi^me  article  suf  la  RMnsion  de  la  question  de  Vaphasie,  rillustrt 
neurologiste  reproche  ä  D^jerine  d'attribuer,  ä  Tappareil  moteur  intra-c6r6bral  de 
la  parole^  une  Constitution  presque  analogue  ä  celle  du  faisceau  pyramidal.  U  ne  com- 
prend  pas  pourquoi^  dans  son  trac^  de  Ten^emble  des  organes  nerveux  de  la  phonation^ 
son  contradicteur  ne  parle  pas  des  ganglions  centraux.  II  pense  cque  le  corps  lenti- 
culo-stri6  represente^  dans  le  m^canisme  de  la  parole^  soit  par  lui-m€me^  soit  par  ses 
fibres  afferentes  ou  eff6rentes,  un  rouage  beaucoup  plus  important  (au  point  de  vue 
moteur)  que  le  centre  cortical  seul  mis  en  cause  par  D^jerine». 

En  se  rapportant  aux  alt^rations  anatomiques  de  Tappareil  lenticulo-stri^  il  dcrit 
ceci :  a  Certaines  lesions  donneront  Heu  ä  l'anarthrie  teile  que  je  la  comprends^  d'autres 
lesions,  et  ce  sont  surtoutles  lesions  d^origine  lacunaire,  produiront  la  paral3rsie  pseudo- 
bulbaire.*) 

Brissau d^  de  son  cote,  pensait  que  le  Syndrome  pseudo-bulbaire  pouvait  etre  pro- 
duit  par  des  l&ions  symetriques  des  masses  opto-stri^es.*) 

Enfin,  Madame  Cecile  Vogt,  bien  connue  par  ses  travaux  d'anatomie  c6r6brale, 
dans  une  Observation  publice  en  collaboration  avec  Hermann  Oppenheim  sous  la 
d^signation  de  uNature  et  localisation  de  la  paralysie  pseudo-bulbaire  conginitdU  et 
injantile^^)  explique  la  dysarthrie,  la  difficult^  de  la  mastication  et  de  la  d^glutition 
de  la  malade,  ainsi  que  les  autres  troubles  moteursqu'elle  pr6sentait  par  Tatrophie  marbr6e 
du  corps  stri6  qui  6tait  la  seule  l^ion  existante. '  La  capsule  interne  ne  pouvait  pas  itre 
mise  en  cause  ^tant  donn6  qu'elle  n'^tait  pas  af f ectee  ni  directement  ni  par  compression. 

En  s'appuyant  sur  cette  Observation  et  sur  un  cas  d'Anton,  un  gar9on  de  9  ans 
qui  avait  des  mouvements  choröo-athetosiques  et  de  16gers  troubles  de  la  parple^  et 
chez  lequel  on  avait  trouv^  la  meme  l&ion,  envahissant  les  ^j^  post^rieurs  du  putamen 
(le  noyau  caud^  etait  intact)  Madame  Vogt  ^tablit  «que  non  seulement  les  niusdes 
labio-glosso-laryngopharyng^  sont  repr^ent^  dans  le  corps  striö.  mais  la  musculature 

toute    enti^re». 

*. 

D'apr^s  ce  que  nous  venons  de  dire,  une  Idsion  bilaterale  du  corps  stri6  explique 
suffisamment  le  Syndrome  pseudo-bulbaire  et  la  marche  «ä  petits  pas»  que  notre  malade 
pr^sentait.    . 

Pourrions  nous  mettre  aussi  sous  la  d^pendance  de  cette  l^sion  la  propulsion  du 
malade  et  son  attitude? 

Si  le  diagnostic  topographique  de  la  paralysie  pseudo-bulbaire  est  un  probltoe 
assez  deiicat,  meme  lorsque  en  vertu  de  conditions  speciales  il  parait  de  prime  abord 

*)  J.  D^jerine,  Anatomie  des  centres  nerveux.    Vol.  II.  p.  253, 
*)  Pierre  Marie,  La  Semaine  M6dicale.     1906.     p.  243. 
*)  Pierre  Marie,     La  Semaine  MMicale.     1906,     p.  497. 
*)  E.  Brissaud,  Legons  sur  les  maladies  nerveuses  (deuxieme  s^rie).     p.  324* 
^)  H.Oppenheim  und  C.  Vogt,  Wesen  und  Lokalisation  der  kong^italen  und  iafantikn 
Pseudobulbärparalyse.     Journal  für  Psychologie  und  Neurologie.     1911,  p.  293 — 308,. 
176 


Bd, »,  WD,  2UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         803 


3^ 

comporter  une  Solution  simple^  puisque  les  autopsies  montrent  que  les  16sions  n'ont 
pas  tcujours  la  localisation  que  Tanalyse  clinique  faisait  pr^voir,  le  substratum  anar 
imtdque  de  la  maladie  de  Parkinson^  encore  aujourd'hui  g6n6ralement  consid^r6e 
comme  une  n^vrose^  maladie  sine  materia,  est  inconnu. 

Dans  cette  incertitude,  seul  Texamen  du  cerveau  en  coupes  microscopiques  s^ri^es, 
comme  nous  Pavons  dit,  pourra  indiquer  T Interpretation  plus  judicieuse  des  symptömes 
observds  chez  notre  malade. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Der  Kranke  begann,  nachdem  er  17  Jahre  an  einer  Paranoia  (Paraphrenie) 
gelitten  hatte,  gleichzeitig  an  Symptomen  einer  Paralysis  agitans  sine 
agitatione  und  an  (vorübergehend  im  Anschluß  an  einen  Iktus  mit  /.-seitiger 
Parese  des  Mundfazialis  und  des  Armes  stark  gesteigerten,  sonst  aber  der  Ver- 
schlinunerung  der  Paralysis  agitans-  Symptomen  parallel  zunehmenden)  Störungen 
der  Phonation,  Sprachartikulation,  des  Schluckens  und  Kauens 
zu  erkranken.  Ausgesprochene  Brachybasie  mit  nach  vorn  übergeneigtem  Kopf, 
starke  Propulsion  und  Rigidität  bei  normalen  Reflexen.    Tod  nach  zwei  Jahren. 

Lern  OS  neigt  dazu,  die  Ursache  der  Pseudobulbärparalyse  und  die  Brachy- 
basie durch  eine  symmetrische  Erkrankung  des  Striatum  zu  erklären.  Er  läßt 
in  suspenso,  durch  welche  Erkrankung  die  Propulsion  und  die  Rigidität  ent- 
standen sind.  Er  hebt  aber  ausdrücklich  hervor,  daß  die  gleichzeitige  Entwicklung 
der  Pseudobulbärparalyse  und  der  Paralysis  agitans  auf  eine  und  dieselbe  Hirn- 
verletzung hinweise. 

• 

B.  Anatomischer  Befund. 

a)  Makroskopische   Untersuchung. 
Das  Gehirn  bot  äußerlich  nichts  Besonderes  dar. 

b)  Mikroskopische   Untersuchung. 

Das  Gehirn  wurde  in  einen  kleinen  oralen  (P  7  a)  und  einen  großen  kaudalen 
Frontalblock  (P  7)  geteilt.  Der  orale  Block  wurde  von  vorn  nach  hinten,  der  kaudale 
in  umgekehrter  Sichtung  in  Serienschnitte  zerlegt.  Einen  Teil  derselben  färbten  wir 
dann  nach  Weigert-Pal  und  nach  van  Gieson. 

Das  Mark  des  Stirnpols  (P  7a,  206)  zeigt  einen  deutlichen  Etat  cribl6.  Er  ist 
besonders  in  F^  ausgeprägt.  Im  Mark  der  /.  Hemisphäre  findet  sich  außerdem  eine 
kleine,  noch  von  Fettzellen  erfüllte  malacische  Lakune.  Die  Hirnrinde  weist  nirgends 
eine  lokale  Veränderung  auf. 

Ein  Schnitt  durch  die  beiden  Hemisphären  in  der  Frontalebene  des  oralsten  Teils 
(P  7,  1627)  des  Genu  corporis  callosi  zeigt  ebenfalls  keine  Herderkrankung  der  Rinde, 
Das  zentrale  Album  bietet  in  ganzer  Ausdehnung  einen  Etat  cribl^  dar.  Von  den 
Alba  gyrorum  ist  besonders  dasjenige  von  F^  von  diesem  Status  betroffen.  Im  Mark 
der  f.  Hemisphäre  befinden  sich  außerdem  zwei  kleine  malacische  Herde.  Um 
beide  ist  das  Album  aufgehellt. 

Tai  72,  Fig.  1.  Es  handelt  sich  nicht  um  den  1442.,  sondern  um  den  1492.  Schnitt. 
Die  in  ihrem  oralsten  Teil  angeschnittenen  Caudata  sind  geschrumpft.  Ihre  dem 
Seitenventrikel  zugekehrten  Oberflächen  sind  abgeplattet.  In  der  Mitte  des  /.  Nc 
haben  wireine  malacische  Lakune  vor  uns.  Daneben  sehen  wir  eine  Reihe  von  C  ri  b  1  ü  r  e  n. 
Bei  stärkerer  Vergrößerung  erkennt  man  noch  eine  größere  Zahl  derselben.  Im  r.  Nc 
befindet  sich  auch  eine  kleine  zirkumskripte  Aufhellung.  Sie  zeigt  bei  stärkerer  Ver- 
größerung stark  gefüllte  Kapillaren,  auch  bei  van  Giesonfärbungen  eine  Aufhellung 

12     Journal  (Qr  Psychologie  und  Neurologie.    Bd.  35,    Ergh.  3.  1^77 


804  C.  UND  O.  VOGT.  '"°Sd  NeSSÄ?.'' 

der  Gnindsubstanz  und  in  der  Peripherie  eine  Markierungslinie  gegen  die  Umgebung. 
Es  handelt  sich  offenbar  um  den  Beginn  einer  Erweichung  auf  Grund  der  Verstopfung 
der  zugehörigen  Vene.  Außerdem  kann  man  auch  schon  bei  dieser  Vergrößerung  einen, 
Etat  cribl6  des  r.  Nc  erkennen.  Bei  stärkeren  Vergrößerungen  tritt  er  deutlidier 
hervor.  In  der  marklosen  Zone  ist  die  gliazellarme  AußenhälfU  geschwunden.  Die 
Atrophie  der  Caudata  dürfte  die  Hauptursache  des  Hydrocephalus  internus  seiD 
und  gibt  den  Seitenventrikeln  auch  hier  die  für  diese  Ätiologie  charakteristische  drei- 
eckige Form.  Im  Album  centrale  der  r.  Hemisphäre  begegnen  wir  einem  neuen  malacischcn 
Erweichungsherd.  Nach  außen  befindet  sich  noch  eine  kleine  schmale  mAlacische 
Lakune.  In  der  /.  Hemisphäre  sind  Teile  der  beiden  malacischen  Herdchen 
getroffen,  welche  hier  im  Album  nahe  dejn  Fundus  des  Sulcus  frontalis  superior  ge- 
legen sind.  Die  Abbildung  läßt  endlich  den  Etat  cribl^  der  Alba  centralia  erkennen. 
Von  den  Alba  gyrorum  des  Stimhirns  zeigt  auch  hier  dasjenige  von  F^  diesen  Statv 
am  stärksten.  Noch  mehr  ist  derselbe  im  Mark  der  angeschnittenen  TempondpeU 
ausgebildet.    Der  Cortex  cerebri  zeigt  keine  herdförmigen  Veränderungen. 

TaL  72,  Fig^  2.  Es  sind  hier  Teile  der  r.  Hemisphäre  aiisnahmsweise  nur  bei 
dreifacher  Vergrößerung  wiedergegeben.  Nc  zeigt  wie  bisher  eine  vollständige  Ah- 
flachung  seiner  Ventrikeloberfläche.  Auch  sein  Innenteil  ist  verschmälert  und  die 
Zahl  seiner  Faserbündel  vermindert.  Put  zeigt  schon  bei  dieser  Vergrößerung  einige 
Criblüren.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  kann  man  sie  hier  in  größerer  Zahl  und  auch 
ihre  Existenz  in  A'^^  erkennen.  Im  Album  centrale  sehen  wir  wieder  einen  neuen  kleinen 
malacischen  Herd.  Es  hat  derselbe  hier  ia  der  Mitte  von  F*  den  größten  Teil  des 
Album  centrale  durchschnitten.  Außerdem  konstatieren  wir  einen  Etat  cribl6  speziell 
im  Mark  der  Insel,  In  der  /.  Hemisphäre  haben  wir  noch  einen  Rest  der  einen  der  beiden 
kleinen  Erweichungen  nach  innen  vom  Fundus  des  Sulcus  frontalis  superior. 

In  einem  Frontalschnitt  durch  die  Commissura  anterior  (P7,  1292)  zeigen  die 
Caudata  ebenfalls  eine  deutliche  Abflachung  und  eine  Armut  an  Fasern.  Der  an- 
geschnittene oralste  Teil  des  Pallidum  externum  weist  vielfach  einen  Ausfall  der  sino- 
pallidären  Bündel  auf,  während  die  dicken  Pallidumfasern  keine  Verminderung  darbieten. 

Taf.  72,  Fig.  3.  A'^  ist  nach  wie  vor  geschrumpft,  enthält  in  seiner  Mitte  eine 
kleine  Blutung,  zeigt  bei  stärkerer  Vergrößerung  einige  Criblüren  und  ist  lateral- 
wärts  durch  eine  malacische  Lakune  begrenzt.  In  Put  haben  wir  zunächst  lateral 
von  Ca  die  schon  öfter  erwähnte,  anscheinend  symptomlos  verlaufende  Erw'eiterung 
der  perivaskulären  Lymphräume  großer  Blutgefäße.  Außerdem  zeigen  aber  auch  die 
anderen  Teile  von  Put  Criblüren.  Ge  weist  einige  malacische  Lakunen  auf.  InGi 
sind  die  strio-pallidären  Fasern  zweifellos  vermindert.  Ci  und  Cc  sind  gut  erhalten.  Da- 
gegen befinden  sich  in  dem  noch  abgebildeten  kleinen  Teil  des  Album  centrale  einige 
kleine  malacische  Lakunen.  Eine  Durchmusterung  der  oraleren  Schnitte  lehrt,  daß 
die  Faserung  von  F^  nur  durch  kleinste  Lakunen  geschädigt  ist.  Dasselbe  gilt  ebenso 
von  der  Faserung  des  in  diesem  Schnitt  getroffenen  oralsten  Teils  des  Operculum. 

TaL  72,  Fig.  4.  Das  ganze  Striatum  +  Pallidum  ist  verkleinert  und  läßt  einen 
Etat  cribl6  erkennen.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  sieht  man,  daß  in  Ge  die  stfio- 
pallidären  Fasern  deutlich  verringert  sind.  H^  ist  höchstens  mäßig  verschmälert.  Cc 
ist  auch  hier  annähernd  normal.  Die  Fasern  des  kleinen  abgebildeten  Stückes  des 
Album  centrale  (dorsolateral  von  Ci)  sind  teilweise  degeneriert.  Ci  und  der  Aniangl- 
teil  vom  Pes  pedunciäi  zeigen  fast  keine  Substanzdefekte.  Dagegen  findet  sich  eine 
Reihe  kleiner  malacischer  Lakunen  im  lateralen  Kern  des  geschrumpften  TßudamMS, 
Seiten  Ventrikel  und  dritter  Ventrikel  sind  erweitert.  Ein  größerer  Herd  ist  auch  in 
den  zwischen  Figg.  3  und  4  abgebildeten  Schnitten  im  Mark  vom  r.  Operculum  nicht 
vorhanden.  Das  Album  centrale  der  /.  Hemisphäre  ist  viel  besser  erhalten.  Die  Hirn- 
rinde selbst  zeigt  nirgends  einen  Herd. 

In  den  kaudaleren  Schnitten  zeigen  Striatum  und  Pallidum  den  gleichen  Etat 
cribH.  Das  Corpus  Luysi  läßt  keine  Verkleinerung  erkennen.  Es  zeigt  aber  beider- 
seits einige  Criblüren. 

178 


Bl  .23.    1920, 


3        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         805 


Im  Schnitte  iioo  ist  der  dorsalste  Teil  der  r.  Capsula  interna,  d.  h.  die  Projektions- 
faserung  aus  dem  ventralen  Teil  des  Gyrus  centralis  anterior,  dem  Fuß  des  Gyrus  fron-- 
toHs  medius  und  dem  kaudalen  Dritteil  des  Gyrus  frontalis  superior  durch  eine  Er- 
weichung vollständig  zerstört.  Die  /.-seitige  Projektionsfaseruug  ist  im  Album  cen- 
trale dieses  Schnittes  annähernd  normal.  Beide  Thalami  zeigen  mehrere  kleine  malacische 
Lakunen. 

Im  Schnitt  1062  ist  im  Album  centrale  die  Projektionsfaserung  r.  infolge  des  im 
Schnitt  IIOO  konstatierten  Herdes  fast  ganz  degeneriert;  /.  ist  sie  —  speziell  in  den 
ventraleren  Partien  —  gut  erhalten.    Die  Nuclei  rubri  sind  normal. 

Weiter  kaudal  zeigt  das  Album  centrale  beiderseits  neue  kleine  malacische  Lakunen, 
so  daß  die  Projektionsfaserung  beider  Gyri  centrales  anteriores  auch  in  den  dorsalen 
Partien  gelitten  hat.  Auch  weiter  kaudal  weist  das  Album  centrale  überall  Lakunen 
auf.     Dasselbe  gilt  von  den  kaudaleren  Teilen  des  Thalamus. 

In  der  Brückengegend  sind  die  Brachia  conjunctiva  normal.  Dasselbe  gilt  vom 
Tegmentum  und  von  den  Brachia  fontis.  Unmittelbar  ventral  vom  Tegmentum  finden 
sich  Criblüren  und  r.  eine  frische  kleinste  Erweichung.  Die  Pyramidenfasern  haben 
f.  speziell  in  ihrem  ventralsten  Teil  gelitten;  /.  ist  mehr  ein  fleckweiser  Untergang  zü 
konstatieren.  Im  Album  des  Kleinhirns  finden  sich  einige  Criblüren  und  kleinste  mala- 
cische Herde.  Die  Kleinhirnrinde  läßt  im  Faser-  und  im  Giesonbild  nichts  Patho- 
logisches erkennen.    Der  vierte  Ventrikel  ist  kaum  erweitert. 

Die  Pyramiden  der  MeduUa  oblongata  sind  diffus  aufgehellt. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Es  handelt  sich  hier  um  einen  schweren  ,,Lacunaire"  im  Sinne  P,  Maries 
(S.  7^),  d.  h.  um  einen  Fall  mit  sehr  zahlreichen  kleinen  Erweichungen,  ver- 
einzelten Blutungen  und  vielen  Criblüren  im  Album  der  Hemisphären  und 
in  den  Zentralganglien,  sowie  mit  wenig  zahlreichen  derartigen  Veränderungen 
in  der  Brücke  und  im  Mark  des  Kleinhirns.  Dieser  Etat  lacunaire  et  cribU 
hat  sich  zweifellos  größtenteils  in  den  letzten  Lebensjahren  entwickelt.  Für  die 
uns  hier  interessierenden  Fragen  ist  noch  hinzuzufügen,  daß  Striatum,  Pallidum 
und  Thalamus  geschrumpft  sind  und  ein  Teil  der  strio-pallidären  Fasern  de- 
generiert  ist. 

C.  Epikrise. 

Die  aus  dem  Etat  de  d6sint6gration  von  C.  Vogt  erschlossene  Diagnose 
einer  Paralysis  agitans  ist  durch  die  obige  Krankengeschichte  bestätigt  worden. 
Indessen  muß  doch  hervorgehoben  werden,  daß  uns  die  Stärke  der  Erkrankung 
des  Striatum  und  Pallidum  die  aus  der  Krankengeschichte  hervorgehende  Schwere 
der  Rigidität  und  der  Neigung  zu  Pulsionen  nicht  zu  erklären  scheint. 
Ebenso  dürfen  wir  in  der  Erkrankung  des  Caput  caudati  und  dem  Untergang  eines 
Teils  seiner  zum  Pallidum  ziehenden  Fasern  zwar  eine  Ursache  der  Bulbär- 
symptome  sehen.  Aber  auch  hier  glauben  wir  ein  mit  unseren  bisherigen  Er- 
fahrungen im  Widerspruch  stehendes  Mißverhältnis  zwischen  der  immerhin 
ni cht  zu  starken  Caudatumer krankung  und  den  allmählich  sehr  schweren 
Pseudobulbärerscheinungcn  vor  uns  zu  haben.  Dieser  Widerspruch  klärt 
sich,  wenn  wir  die  starke  lakunäre  Schädigung  des  Album  der  Großhirn- 
hemisphären und  diejenige  des  Thalamt4s  heranziehen.  Die  ganze  Motilität 
und  unter  ihr  auch  die  Bulbärfunktionen  müssen  dadurch  schwer  gelitten  haben. 
Wir  führen  dementsprechend  die  Stärke  der  „striären"  Symptome  auf  diesen 
12*  179 


8o6  C.  UND  O.  VOGT.  ^^'^  vJSSSS^ 

Faktor  zurück,  wie  wir  zur  Erklärung  der  im  33.  Fall  besonders  ausgesprochenen 
Rigidität  die  gleichzeitig  vorliegende  kortikale  Erkrankung  heranziehen  werden 
Der  Iktus  mit  passagerer  Z.-seitiger  Parese  von  Arm  und  Mundfaziaüs  und  eben- 
falls vorübergehender  starker  Zunahme  der  Bulbärsymptome  erklärt  sich  durch 
den  im  Schnitt  iioo  konstatierten  Herd  in  der  r.  Capsula  interna. 

Unser  sehr  verehrter  Kollege  Lemos  hat  also  durchaus  recht  gehabt,  wenn 
er  I.  aus  der  parallelen  Zunahme  der  Paralysis  agitans- Symptome  und  det 
Pseudobulbärparalyse  auf  ein  gemeinsames  anatomisches  Substrat  schloß, 
und  wenn  er  2.  als  Ursache  für  die  Paralysis  agitans  und  Pseudobulbärparalyae 
eine  Herderkrankung  in  den  Striata  annahm.  Beide  Symptomenkompleze 
wurden  aber  nicht  nur  durch  eine  gleichzeitige  Pallidumveränderung,  sondern 
auch  noch  durch  eine  der  Veränderung  des  striären  Systems  parallel  gehende 
andere  Hirnerkrankung  verstärkt:  die  lakunäre  Erkrankung  des  Großhim- 
marks  und  der  Thalami. 

1 

31.  Lemos'  FaU  ,,100jährig6r  Heger^.     (P  8.) 

Herr  Kollege  Lemos  hatte  uns  das  Gehirn  dieses  Negers  als  das  eines 
,, Normalen"  zugesandt.  Um  so  erstaunter  war  C.  Vogt,  als  sie  im  StriiUumi- 
Pallidum  dieses  Gehirns  einen  ausgesprochenen  Etat  de  d6sint6gration 
nachwies.  Eine  Nachfrage  bei  Herrn  Prof.  Lemos  ergab,  daß  die  Bezeichnung 
,, normal"  sich  nur  darauf  bezog,  daß  der  Neger  als  Arbeiter  und  nicht  als  Geistes- 
kranker in  der  Irrenanstalt  in  Porto  untergebracht  gewesen  war. 

A.  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte, 

,,Le  n^gre  n'6tait  pas  ali6n6.  II  travaillait  dans  les  champs  de  Tasile.  II 
n'avait  pas  de  troubles  de  la  parole.  Tres  pench6  en  avant  il  marchait  ä  petits 
pas.  Parfois,  conmie  pouss6  par  un  ressort,  la  marche  prenait  une  attitude  de 
plus  en  plus  pr6cipit6e,  mais  le  malade  s'arretait,  sans  tomber.  II  ne  pouvait 
pas  tourner  la  tete  pour  regarder  ä  c6t6.  II  6tait  oblig6  de  se  tourner  tout  d*une 
piice.     II  tremblait." 

B.  Anatomische  Untersuchung. 
a)  Mikroskopischer  Befund. 
Das  Gehirn  zeigt  äußerlich  keine  pathologischen  Veränderungen. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

TaL  78^  Fjg.  1  bringt  einen  Querschnitt  durch  die  Brücke  dieses  Gehirns.    Die 
Brachia  conjunctiva  sind  annähernd  normal. 

TaL  78,  Flg.  2  zeigt  gut  entwickelte  Dentata,  Olivae  inferiores  und  Pyramii». 

Ein  Schnitt,  der  dem  Taf.  72,  Fig.  i  abgebildeten  entspricht,  zeigt  eine  noch 
3tärkere  Erweiterung  des  Seitenventrikels.  Dabei  hat  aber  der  Seitenventrikel  eioe 
ganz  andere  Form.  Die  Ventrikeloberfläche  des  Caudatum  ist  konvex.  Der  doiso- 
laterale  Rand  des  Seitenventrikels  zeigt  die  rundliche  Wölbung  der  Fig.  7  von  Bd.  24^ 
Taf.  I  dieses  Journals.  £s  ist  hier  eben  nicht  nur  das  Caudatum,  sondern  auch  das 
Album  centrale  geschrumpft.  Auch  zeigt  das  letztere  —  teilweise  fledcweise  —  eine 
gewisse  Aufhellung.  Dabei  kann  aber  hier  —  wie  weiter  oral  —  von  jener  lakun&ren 
rErkiankung  des  vorigen  Falles  nicht  die  Rede  sein. 
180 


BfSi£JSi9,       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRUREN  5\"STEMS.         807 


HiL  n.  flf.  S  stammt  aus  der  eben  beschriebenen  G^end  und  von  einem  nach 
van  Gieson  gefiLibten  Schnitt.  Sie  lehrt  uns,  daß  das  Caudatum  in  starkem  )Iaße 
Criblüren  zeigt.  Die  Umgebung  der  beiden  größeren  Blutgefäße  ist  teilweise  ganz 
resorbiert  (Etat  crible)^  teib  ist  nur  die  Grundsubstanz  aufgehellt  (Etat  precribleU 
Dabei  vtrflzieht  sich  der  Resorptionsprozeß  durchaus  nicht  konzentrisch  um  die  Bhit- 
gefiLfie. 

HiL  TS,  Ks*  4  ist  dem  L  Pmtamen  und  nicht  —  wie  fölschhcherweise  in  der  Be» 
schnftnng  angegeben  ist  —  dem  r.  entnommen.  Es  handelt  sich  um  die  Frontalebene, 
in  weldier  das  Pallidum  eben  angeschnitten  ist.  Die  van  Giesonfärbung  zeigt  auch 
hier  einen  au^esprochenen  Etat  crible.  Man  sieht  r.  \t}n  der  Wand  des  großen  Bhit- 
gefißes  in  mehr  oder  weniger  breiter  Ausdehnung  eine  A-olbtändige  Resorption  und 
peripher  davon  stellenweise  eine  Rarefizierung  des  Gewebes.  Links  ist  davon  nicht 
die  Rede.  Also  auch  hier  ist  der  Prozeß  ein  exzentrischer.  Links  oben  sieht  man  ein 
Fdd  rarefizierten  Gewebes.    Außerdem  finden  sich  zahlreiche  kleinere  Criblüren« 

\c  zeigt  in  dieser  G^end  ebenfalls  eine  leicht  konvexe  Oberfläche.  Der  stark  er- 
weiterte Seitenventrikel  ist  nach  wie  vor  durch  seine  dorso-laterale  Rundung  charak- 
terisiert. Das  Aümm  ctntraU  zeigt  nur  einige  Criblüren  und  eine  allgemeine  Re- 
duktion, aber  keine  Lakunen.  Mele  Criblüren  finden  sich  statt  dessen  im  Mark  des 
Temp^ralpols.  Weniger  zahlreich  sind  sie  im  Mark  der  Insel  und  einiger  anderer  Win- 
dungen. Im  eben  angeschnittenen  Paüidum  extemum  fehlen  zahlreiche  strio-paUidäre 
Faseiböndel.  Der  yudeus  subsiandae  inmotmmalae  zeigt  im  Giesonbild  bei  50 f acher 
VeigiüOenmg  keine  Anomalien.     Der  CoHex  cenbri  weist  sehr  \iele  Drusen  auf. 

AdL  TS.  fiK-  5  bringt  zum  Vergleich  einen  Ausschnitt  aus  einem  ebenfalls  nach 
van  Gieson  gefärbten  Putanun  eines  sechzigjährigen  .jiorroalen"  Mannes.  Hier 
sieht  man  nichts  von  Lakunen  oder  auch  von  Criblüren. 

HÜL  TS,  fls.  6  madit  uns  mit  einem  Teil  des  Pallidum  exiemum  eines  nach  va  n 
Gi  eso n  gefilrbten  Schnittes  bekannt,  welcher  kaudal  von  dem  Taf .  73.  Fig.  4  abgebildeten 
gelten  ist.  Wir  sehen  hier  einen  typischen  Etat  precrible.  Es  ist  um  die  Blutgefäße 
bereits  zu  einer  Rarefizierung  des  Gewebes  gekommen.  Eine  Totalresorption  hat 
aber  nur  in  geringem  Maße  stattgefunden. 

AdL  TS.  fls.  T  zeigt  uns  einen  analoifen  Befund  des  Pallidum  iniemum  des  gleichen 
Schnittes. 

AdL  Tt,  flgg.  1  nnd  2  sind  bereits  oben  S.  791  beKfarieben. 

Tai  T4,  Ks*  S.  Die  Criblüren  des  Put  sind  hier  wie  in  der  folgenden  Abbildung 
leicht  retuschiert.  Die  gegenwärtige  Figur  stammt  von  einem  etwas  kaudaleren  Schnitt 
als  demjenigen,  welchem  Taf.  73,  Figg.  6  und  7  entnommen  sind.  Hier  begegnen  wir 
dem  Bild  des  —  schon  bei  den  früheren  Figuren  besdiriebenen  —  erweiterten  und 
dorso-lateral  abgerundeten  SeUetwettirikds.  Die  Oberfläche  von  Sc  zeigt  auch 
hier  noch  einen  leidit  konvexen  Bogen.  Man  vergleiche  den  Befund  mit  Taf.  72,  Fig.  3 
und  vor  allem  mit  Taf.  67.  Fig.  3!  Dabei  enthalt  .V^  nur  wenige  Criblüren.  Dagegen 
ist  Put  erfüllt  von  solchen.  Außerdem  haben  wir  lateral  von  Ca  perivaskuläre 
Lymphräume  \'on  einer  Weite,  die  wohl  kaum  s>'mptomljos  in  Erscheinung  treten 
kann.  Auch  im  Pallidum  erkennen  wir  schon  bei  dieser  Vergrößerung  eine  Reihe  von 
Criblüren.  Thalamus.  Ci  und  Cc  weisen  solche  fast  gar  nicht  auf. 

TwL  T4,  Rs*  ^      I^^J"  Seitentmirikel  und   Sc  zeigen  keine  wesentlichen    Ver|.Or 
derungen  gegenüber  der  vorigen  Abbildung.     Put  weist  auch  hier  zahlreiche  OiblÜMf 
auf.    Auch  das  Pallidum  enthält  einige  ziemlich  große.   CL  ist  nicht  geschrumpft.    IM 
dritte  Ventrikd  ist  nicht  wesentlich  erweitert.     Thalamus,  Ci  und  P  sind  in  ihrer  C 
samtheit  klein,  zeigen  aber  keine  lokalen  Lüdcen.    Das  AWum  cenirale  ist  nach  wie 
diffus  aufgehellt  und  versdmiälert.     Es  finden  sich  a^>er  nir;;ends  Lakunen,     lim 
zuheben  ist.  daß  hier  —  wie  schon  im  vorijjtn  Schnittt  -     das  Mark  der  Inid 
keine  Criblüren  aufweist. 


8o8  C.  UND  O.  VOGT.  "^  vJSSSSl^ 

Der  Thalamus  enthält  in  seiner  Gesamtheit  nur  eine  einzige  kleine  maladscfae 
Lakune.  Außerdem  zeigt  das  Mark  und  die  Rinde  der  ventralen  SchläfentDtndungen 
stellenweise  kleine  Defekte.  Dagegen  fehlen  soldie  vollständig  im  Album  und  Cortex 
der  Gyri  centrales. 

Überall  in  der  Hirnrinde  finden  sich  zahlreiche  im  Giesonbild  und  im  Weigert- 
Pa Ischen  Bild  (hier  durch  ihren  gelblichen  Farbenton)  deutlich  hervortretende  Drusen. 
Dieselben  enthalten  meist  sehr  wenige  oder  keine  Neurogliakerne. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Außer  einem  diffusen  Schwund  der  Markfasening  des  Großhirns  und 
nur  vereinzelten  Herdchen  im  Schläfenlappen  und  einem  im  Thalamus  fand 
sich  ein  ausgesprochener  Etat  cribl6  im  Striatum  und  Pallidum.  Ihm  geht  in 
diesem  Fall  kein  solcher  im  Album  insulae  parallel. 

C.  Epikrise, 

Die  von  C.  Vogt  auf  Grund  des  Status  desintegrationis  diagnostizierte 
Paralysis  agitans  ist  durch  die  Krankheitsgeschichte  bestätigt.  Das  Capiä 
caudati  und  seine  Faserung  sind  zwar  nicht  ganz  so  stark  erkrankt,  wie  im  vorigen 
Fall.  Wenn  nun  aber  hier  Pseudobulbärerscheinungen  gar  nicht  beobachtet 
sind,  so  stützt  die  Tatsache  unsere  Auffassung,  daß  eine  wesentliche  Komi>onente 
der  Bulbärsymptome  des  vorigen  Falles  in  der  schweren  lakunären  Erkrankung 
des  Album  der  Hemisphären  und  derjenigen  des  Thalamus  zu  suchen  ist.  Was 
dann  die  Rigidität  anbelangt,  so  mag  hier  der  diffuse  Markfaserschwund  der 
Hemisphären  dieselbe  gesteigert  haben.  Interessant  ist  endlich  die  Tatsache, 
daß  sich  ein  Etat  cribl6  im  Putamen  entwickelt  hat,  ohne  daß  ein  solcher  in 
der  Insel  in  ausgeprägterem  Maße  aufgetreten  ist. 

32.  Westphalt  Fall  P.  Orohe  {B  5). 

A,  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Aus  dem  in  der  oben  S.  639  zitierten  Arbeit  Westphals  enthaltenen 
Krankheitsbericht  sei  folgendes  hervorgehoben: 

65  jähriger  Schlosser,  alter  Syphilitiker,  schwerer  Alkoholist,  zeigte  1914 
träge  Lichtreaktion,  1917  beiderseits  Miosis  und  reflektorische  Pupillenstarre. 
Psychisch:  Stumpfheit  und  starke  Herabsetzung  der  Merkfähigkeit.  Nonnak 
Sehnenreflexe.  In  dem  letzten  halben  Lebensjahr  ausgesprochene 
Retropulsion,  starrer  maskenartiger  Gesichtsausdruck,  steife  Kör- 
perhaltung, Verlangsamung  und  Erschwerung][^aller  Bewegungen, 
bei  passiven  Bewegungen  leichter  gleichmäßiger  spastischer  Wider- 
stand, der  bei  brüsken  Bewegungen  nicht  verstärkt  ist,  und  Speichel- 
fluß.    Kein  Zittern. 

B,  Anatomische  Untersuchung. 
a)  Makroskopischer  Befund. 

Die  Sektion  ergab  nach  Westphal  außer  stark  vergrößertem  Herz,  sehr  starker 
Arteriosklerose  der  Aorta  und  geringer  Granularatrophie  der  Nieren  fönenden  Ifim 
befund : 


dtai'J^^^'s.       ^UR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         809 


Himgewicht:  1270  g.  Keine  schweren  äußeren  Veränderungen.  Auf  einem  Hori- 
zont^lschnitt  zeigt  sich  r.  im  Putamen  (vgl.  Taf.  74,  Fig.  5!)  eine  große  Lakune,  /.  etwas 
tiefer  im  Putamen  eine  „etwa  linsengroße,  sich  durch  den  rötlichen  Farbenton  deutlich 
von  der  Umgebung  abhebende  Stelle  (beginnende  Erweichung.^)". 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

Außer  einigen  Rindenstücken  wurden  aus  dem  dorsalen  Block  der  r.  Hemisphäre 
die  2^ntralganglien  herausgeschalv  und  in  Paraffin  eingebettet.  Der  untere  Block  der  r. 
und  die  beiden  der  /.  wurden  nach  Chromierung  und  Celloidineinbettung  in  Serien- 
schnitte zerlegt  und  nach  Weigert -Pal  gefärbt. 

TaL74^  Hg.  5  ist  dem  Paraffinblock  der  r.  Hemisphäre  entnommen.  Es  handelt 
sich  um  eine  Heidenhainsche  Eisenhämatoxylinfärbung.  In  dem  Putamen  und  dem 
anstoßenden  Teil  von  Ci  sehen  wir  die  von  Westphal  aufgefundene  größere  Lakune. 
Die  helle  Stelle  in  iV^  ist  ein  künstlicher  Substanzdefekt.  Dagegen  erkennt  man  schon 
bei  dieser  Vergrößerung  einen  Etat  cribl^  in  Nc. 

-    TaL74,  Figg.  6  und  7  werden  nach  Taf.  75,  Figg.  i  und  2,  S.  809 f.,  beschrieben 
werden. 

Titf.  74,  Fig.  8  findet  S.  814  ihre  Erläuterung. 

AdL  75^  Flg.  1  bringt  bei  stärkerer  Vergrößerung  ein  Nisslbild  von  einem  Teil 
der  eben  erwähnten  Lakune.  Wir  sehen,  daß  sich  —  wie  es  Westphal  schon  auf  Grund 
des  Biels cho  WS ky sehen  Berichts  hervorgehoben  hatte  —  in  ihm  Teile  des  binde- 
gewehigeh  Gefäßapparates  und  daneben  noch  —  zum  Teil  sogar  gewucherte  (man 
vergleiche  den  dichten  Haufen  von  Neurogliakemen  direkt  in  der  Mitte  der  Abbildung !) 
—  gliöse  Elemente  erhalten  haben.  Von  dem  Blutgefäß,  welches  in  der  Mitte  etwas 
nach  f.  gelegen  ist,  sehen  wir  r.  eine  Kapillare  abgehen,  welche  nicht  mehr  für  Blut 
durchlässig  ist.  Eine  zweite  solche  Kapillare  ist  /.  von  diesem  Blutgefäß  in  der  Mitte 
zwischen  ihm  und  dem  schon  erwähnten  Haufen  gewucherter  Neurogliakeme  quer 
getroffen.  Die  übrigen  erhaltenen  Blutgefäße  erscheinen  normal.  Aus  dieser  Tatsache 
und  der  Art  des  partiellen  Erhaltenseins  der  Glia  und  ihrer  lokalen  Proliferations- 
erscheinungen  hat  Bielschowsky  die  im  Entstehen  begriffene  Lakune  auf  einen 
nekrobiotischen  Prozeß  zurückgeführt.  Die  Undurchlässigkeit  einzelner  Kapillaren 
kann  nach  seiner  Ansicht  sekundärer  Natur  sein.  In  der  Nachbarschaft  des  Defektes 
sehen  wir  —  teilweise  mikroskopisch  kleine  —  Anhäufungen  von  Pigmentzellen  {p). 
Bielschowsky  sieht  in  ihnen  Residuen  kleiner  Blutungen^ 

TaL  75;  Fig.  2  bringt  einen  Teil  von  Nc  des  gleichen  Schnittes.  In  einem  van 
Giesonbild  zeigt  diese  Gegend  einen  typischen  Etat  criblö.  Im  vorliegenden  Nissl- 
bild erkennt  man  zunächst  den  Schwund  der  an  Gliakemen  armen  Außenschicht 
der  marklosen  Zone.  Bei  den  mit  c  r  bezeichneten  Stellen  begegnen  wir  sodann  besonders 
ausgeprägten  Criblüren.  Nach  außen  von  der  ganz  resorbierten  perivaskulären 
Criblüre  befindet  sich  im  Nisslbild  entsprechend  der  rarefi zierten  Zone  des  Gieson- 
bildes  ein  besonders  an  Ganglienzellen,  aber  auch  an  Gliakenien  verarmtes  Gebiet. 

Tai  74,  Fig.  6  zeigt  uns  die  ventralere  Fortsetzung  der  Taf.  74,  Fig.  5  abgebildeten 
Lakune  in  einem  Weigert-Palschen  Präparat.  Die  einheitliche  Lakune  der  Fig.  5 
erscheint  hier  in  drei  getrennten  Ausläufern,  die  durchaus  ungleich  gebaut  sind.  Der 
mediale  Ausläufer  liegt  in  der  Regio  suhihälamica.  Er  besteht  ai|s  ziemlich  gleich- 
mäßig ungefärbtem  Gewebe,  das  nur  in  seiner  Mitte  teilweise  resorbiert  ist.  Lateral  stößt 
an  ihn  eine  sekundäre  Degeneration  eines  Teiles  von  Ci.  In  der  Mitte  von  Put  haben 
wir  den  mittleren  Ausläufer,  der  den  Taf.  75,  Fig.  i  bei  stärket  er  Vergrößerung  wieder- 
gegebenen Bau  der  Lakune  zeigt.  Nur  ist  ihre  mediale  Wand  streckenweise  in  breiter 
Ausdehnung  von  Pigmentzellen  besetzt.  Der  dritte,  lateral  \n  Put  gelegene  Ausläufer 
der  Lakune  ist  in  seinem  mittleren  Teil  eine  leere  Cyste.  Die  laterale  Wand  ist  hier 
areoliert,  die  mediale  wird  von  Pigmentzellen  gebildet.  Der  orale  und  der  kaudale 
Teil  dieses  Ausläufers  der  Lakune  sind  von  Pigmentzellen  erfüllt.    Die  hier  erhaltenen 

183 


8lO  C.  UND  O.VOGT.  '""^d  NeJSS!?*^ 

• 

Blutgefäße  zeigen  keine  pathologischen  Veränderungen.  Medial  von  dem  zuerst  er- 
wähnten medialen  Ausläufer  der  Lakune  findet  sich  (ganz  an  der  /.  Peripherie  der  Ab- 
bildung) noch  ein  kleiner  nekrotischer  Herd.  Wohl  infolge  der  Lakune  des  Put  fehlen 
in  den  oraleren  Partien  von  Put  fast  alle  Faserbündel.  Das  Pallidum  ist  nicht  nur  all- 
gemein stark  im  Volumen  reduziert,  sondern  entbehrt  speziell  in  den  kaudaleren  Ab- 
schnitten auch  eines  beträchtlichen  Teils  seiner  dicken  Fasern, 

Tat  74,  Rg.  7.  Die  Abbildung  lehrt  uns,  daß  auch  das  /.  Put  eine  in  eine  leere 
Cyste  verwandelte  Lakune  enthält.  Eine  zweite  größere  Lakune  von  dem  Taf.  75, 
Fig.  I  bei  stärkerer  Vergrößerung  wiedergegebenen  Bau  befindet  sich  im  Pallidum. 
Außerdem  finden  sich  im  Striatum  +  Pallidum  Criblüren.  Der  orale  Teil  von  Put 
entbehrt  fast  aller  Faserbündel.  Die  Fasern  des  Pallidum  sind  stark  degeneriert. 
Je  eine  ausgesprochene  sekundäre  Degeneration  findet  sich  im  vorderen  Teil  des  hinteren 
Segmentes  von  Ci  und  medial  vom  kaudalen  Abschnitt  des  oralen  Segments  von  Cu, 

Es  muß  betont  werden,  daß  daneben  nicht  nur  ein  Etat  cribl6  im  Mark  der 
Inseln  und  in  geringem  Maße  weit  verzweigt  im  Album  der  Hemisphären  vorhanden 
ist,  sondern  daß  wir  noch  kleine,  mehr  oder  weniger  weit  in  Cysten  veränderte  Herde 
im  ganzen  Gehirn  verbreitet  vorgefunden  haben. 

Taf.  76,  Fig.  3  lehrt  uns  dabei  von  der  Area  gigantopyramidalis  —  wie  es  berdts 
Bielschowsky  und  Sioli  betont  haben  — ,  daß  hier  keine  bei  5ofacher  Vergrößerung 
sichtbaren  Veränderungen  vorhanden  sind. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Neben  zahlreichen,  teilweise  großen  Lakunen  vaskulären  oder  nekrobio- 
tischen  Ursprungs  im  übrigen  Gehirn  sind  speziell  beide  Striata  und  Pallida 
durch  solche  schwer  geschädigt. 

^  C.  Epikrise. 

Es  handelt  sich  um  einen  Patienten,  der  zum  Schluß  Paralysis  agitans- 
Symptome  darbot.  Er  erwies  sich  als  ein  ,,lacunaire**.  Da  beide  Striata  und 
Pallida  von  solchen  Herden  betroffen  waren,  führen  wir  auf  sie  in  erster  Linie 
die  Paralysis  agitans- Symptome  zurück. 

b)  Status  desifUegraüaniB  mit  schwerer  seniler  Densen». 

33.  Reichs  Fall  Hermann  W.  {Hf  10). 

A.  Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Herr  Kollege  Reich  wird  selbst  einen  ausführlichen  klinischen  Bericht 
über  diesen  Fall  veröffentlichen.  65  jähriger  Patient  erkrankte  vier  Jahre  zuvor 
an  zunehmender,  eine  volle  Verblödung  erreichender  Demenz  auf  arteriosklero- 
tischer Grundlage.  Gleichzeitig  progressive  Muskelrigidität.  Sie  war  /•  stärker 
als  r.  Sie  betraf  vor  allem  Arme  und  Rumpf,  so  daß  passive  und  aktive  Be- 
wegungen dieser, Körperteile  sehr  stark  geschädigt  waren.  Anfänglich  zugleich 
leichter  statischer  Tremor  der  Arme.  Schwere  Starre  der  Gesichtsmuskulatur. 
Geringere  Rigidität  in  den  unteren  Extremitäten.  Keine  Steigerung  der  Sehnen- 
reflexe. Kein  Babinski.  Aber  auffallende  Steigerung  eines  allgemeinen  Zu- 
sammenzuckens  und  Auftreten  eines  eigenartigen  Freßreflexes.  Die  Rigidität 
übertraf  bedeutend  die  einer  gewöhnlichen  Paralysis  agitans, 
184 


^ZlISSi  II       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         8 1 1 


jB.  Anatomischer  Befund, 
a)  Makroskopische  Untersuchung. 

Die  Arterien  der  Himbasis  zeigen  eine  ausgesprochene  Sklerose.  Die  Himfurcheri 
sind  etwas  verbreitert.     Sonst  kein  besonderer  makroskopischer  Befund. 

b)  Mikroskopische  Untersuchung. 

a)  Mikroskopische  Untersuchung  herausgeschnittener  Blöcke. 

I.  Großhirnrinde. 

TaL76^  Rg.  1  bringt  aus  der  Beinregion  die  Area  gigantopyramtdalis.  Es  ist 
eine  leichte  Verschmälerung  der  Rinde  festzustellen.  Sonst  zeigt  die  Architektur  keine 
wesentlichen  Anomalien.  Die  größere  Zelldichtigkeit  gegenüber  anderen  Abbildungen, 
z.  B.  Taf.  75,  Fig.  3,  dürfte  auf  ungleicher  Dicke  der  Schnitte,  bzw.  Schrumpfung  bei 
der  Technik  beruhen.  Der  weniger  präzisen  Abgrenzung  der  Zellen  in  der  vorliegenden 
Abbildung  liegt  eine  diffusere  Färbung  zugrunde.  Bei  der  jetzigen  Abfassung  des  Textes 
ist  das  abgebildete  Präparat  mehr  ausgeblichen.  Die  Zellen  heben  sich  jetzt  gut  vom 
Untergrund  ab.    Dagegen  zeigt  das  Bild  in  allen  Schichten  Fischersche  Drusen. 

1teL76,  Flg.  2  gibt  einen  Schnitt  aus  der  Örbitalseite  des  Stimhims  (Area  61 
O.  Vogjs)  wieder.  Man  erkennt  stellenweise  einen  deutlichen  Ausfall  von  Zellen.  Das 
gik  insbesondere  von  den  äußeren  Teilen  von  ///,  von  Vb  und  einer  Stelle  von  Via 
und  VIb  rechts  von  der  betreffenden  Bezeichnung.  Außerdem  sind  in  VI  eine  größere 
Anzahl  von  Fischerschen  Drusen  zu  erkennen.  Studiert  man  diese  bei  stärkerer  Ver- 
groBening  des  Nisslbildes,  so  kann  man  erstens  feststellen,  daß  sich  die  Grundsubstanz 
der  ,^rusen"  in  diesem  Gehirn  ziemlich  stark  mit  Cresylviolett  färbt,  während  in 
anderen  Fallen  von  Drusen  diese  Färbung  unterbleibt.  Das  galt  z.  B.  vom  28.  Fall. 
Außerdem  erkennt  man  in  diesen  Drusen  mehr  Neurogliakeme  als  im  28.  und  31.  Fall. 
Wir  wollen  noch  hinzufügen,  daß  im  Bielschowskypräparat  die  Grundsubstanz  der 
Drusen  dieses  Gehirns  in  Kömer  zerfällt,  welche  fast  die  Größe  von  Neurogliakemen 
haben,  während  sonst  die  Grundsubstanz  aus  viel  feineren  Elementen  besteht. 

Bielschowsky  fügt  den  aus  den  beiden  vorstehenden  Abbildungen  sich  er- 
gebenden Rinden  Veränderungen  folgende  Befunde  hinzu: 

„In  allen  untersuchten  Gebieten  der  Hirnrinde  starke  Entwicklung  der  Fischer- 
schen Drusen,  am  stärksten  im  Subiculum  des  Ammonshoms.  Der  AI zheim ersehe 
Fibrillenprozeß  ist  nur  an  den  Pyramiden  der  Ammonsformation  in  quantitativ  be- 
trachtlidier  Weise  ausgeprägt.  Die  Kapillaren  und  kleinen  Venen  der  Hirnrinde  zeigen 
stellenweise  eine  erheblidie  Wandverdickung  im  Sinne  der  bekannten  Verändenuig  der 
Kapillarfibrose :  es  entwickeln  sich  in  der  Außenzone  der  Gefäßwand  massenhaft  zarte, 
mit  ammoniakalischem  Silber  stark  tingierbare  Faserkonvolute,  welche  stellenweise 
zu  muffenartigen  Belägen  anschwellen." 


2.  Befunde  am  Corpus  striatum  und  seiner  Umgebung. 

TiL  76,  Hg.  3  zeigt  im  Caudatum  zunächst  eine  Verarmung  der  Gliazellen  in 
der  an  Gliakemen  reichen  Innenabteilung  der  marklosen  Zone.  Wir  haben  femer  in 
den  äußeren  zwei  Fünfteln  der  Abbildung  nach  innen  von  der  marklosen  Zone  einen 
sehr  starken  Ausfall  von  Nervenzellen  ohne  Gliaersatzwucherung.  Weiter  nach  innen 
befindet  sich  eine  typische  Criblüre.  In  der  unmittelbaren  -Umgebung  des  Blutgefäßes 
ist  es  zu  einer  vollständigen  Resorption  des  Gewebes  gekommen.  Weiter  nach  außen. 
speziell  r.  unten,  begegnen  wir  einer  starken  Verminderung  der  Nervenzellen.  Auch 
die  übrigen  Blutgefäße  des  Präparates  zeigen  ausnahmslos  einen  hellen  Hof  um  sich 
herum  mit  oder  ohne  vollständigen  Substanzdefekt  unmittelbar  um  das  Gefäß  (Etat 
cribl^  und  prtoibl^). 

TaL  76,  Fig.  4  zeigt  uns  im  Putamen  eine  größere  Criblüre  mit  einem  besonderen 
Divertikel  /.  unten.   Die  eigentliche  Criblüre,  wie  ihr  Divertikel  sind  von  einer  schmalen 

185 


812  C.  UND  O.  VOGT.  ^^^56^5^ 

Schicht  begrenzt,  die  neben  einer  gewissen  Zahl  von  Neurogliazellen  und  anderen  nicht 
nervösen  Zellen  teilweise  schon  stark  veränderte  Ganglienzellen  enthält,  so  daß  man 
daraus  schließen  kann,  daß  die  Bildung  der  Criblüre  durch  Einschmelzung  des  Paren- 
chyms  zustande  gekommen  ist.  Nach  außen  von  dieser  schmalen  Scheide  existiert 
dann  aber  noch  ein  großes  Gebiet,  welches  eine  sehr  beträchtliche  Verarmung  an  Nerven- 
zellen aufweist.  Dabei  fehlt  jede  irgendwie  hervortretende  Vermehrung  der  Neuro- 
gliakerne. 

Bielschowsky  ergänzt  diesen  c\i;oarchitektonischcn  Befund  am  Putamen  in 
folgender  Weise: 

„Im  Putamen  gleichfalls  schwere  fibröse  Veränderungen  an  den  Wänden  der 
Gefäße  jeglichen  Kalibers.  An  den  gröberen  Gefäßen  ist  das  bindegewebige  Geflecht 
der  Adventitia  stark  vergröbert  und  verdichtet. 

Die  Kapillarfibrose  macht  sich  hier  an  Silberpräparaten  schon  dadurch  bemerkbar, 
daß  das  gesamte  Areal  des  Linsenkems  infolge  des  scharfen  Hervortretens  der  Kapillar- 
wände wie  ein  Injektionspräparat  aussieht. 

Drusenbildungen  und  Zellveränderungen  im  Sinne  der  AI zh ei m ersehen  Fibrillen- 
\eränderung  sind  im  Putamen  nicht  nachweisbar. 

Am  van  Giesonpräparat  des  Putamen  fällt  zunächst  neben  der  Entwicklung 
starker  fibröser  Einlagerungen  in  die  Adventitia  an  den  gröberen  Gefäßen  auch  die 
Verdickung  der  Intima  durch  Vermehrung  der  Kerne  und  der  Interzellularsubstanz 
auf.  Ein  weiterer  bemeikenswerter  Befund  liegt  in  der  Tatsache,  daß  die  die  gröberea 
Gefäße  umgebenden  L\Tnphräume  stellenweise  eine  enorme  Erweiterung  erfahren  haben. 
Auf  diese  Weise  ist  es  zur  Bildung  großer,  unregelmäßig  begrenzter  Lücken  gekommen. 
Außerdem  sind  diese  von  einem  Hof  (dem  bei  Beschreibung  von  Taf .  76,  Fig.  4  erwähnten, 
durch  Zellverarmung  ausgezeichneten  Gebiet)  umgeben,  in  dessen  Bereich  die  Gnuid- 
substanz  des  Gewebes  netzförmig  aufgelockert  ist.  Die  zelligen  Elemente  sind  hier 
auseinandergedrängt  und  das  Gewebe  erscheint  infolge  der  spongiösen  Anordnung 
an  solchen  Stellen  erheblich  blasser  und  zellärmer  als  in  der  Nachbarschaft.  Da,  wo 
die  stärksten  Erweiterungen  der  jjerivaskulären  Lymphspalten  vorhanden  sind,  g^ 
winnt  man  den  Eindruck,  daß  der  Prozeß  der  spongiösen  Auflockerung  am  Rande  dei 
Lücken  schließlich  zu  einer  Einschmelzung  der  Grundsubstanz  ohne  reaktive  Glia- 
Wucherung  führt  und  daß  dadurch  eine  progressive  Erweiterung  derselben  hei  vor- 
gerufen wird.  Als  Ausdruck  dieses  Erweiterungsprozesses  ist  die  in  der  Beschreibung 
von  Taf.  76,  Fig.  4  erwähnte  und  von  C.  und  0.  Vogt  auch  in  diesem  Sinne  gedeutete 
Grenzschicht  der  Lymphspalte  aufzufassen.  Das  Gesamtbild  der  Veränderungen 
läßt  sich  zwanglos  auf  eine  durch  die  Gefäßfibrose  bedingte  Störung  der 
Lymphzirkulation   in   den   adventitiellen   Lymphspalten   zurückführen." 

Wir  werden  auf  das  van  Giesonbild  des  Putamen  unter  ß  und  noch  weiter  unten 
auch  auf  Bielschowskys  Erklärung  des  Etat  cribl^    zurückkommen. 

Der  jWucleus  substantiae  innominatae  zeigt  keine  Anomalien  in  seiner  Architektonik. 

ß)  Mikroskopische  Untersuchung  der  nach  VVeigcr^-Pal  und  van  Gieson 

gefärbten  Serie. 

TaL  77,  Pigg.  1  und  2  werden  nach  Taf.  78,  Fig.  i  beschrieben. 

Tat  77,  Pigg.  8 — 6.  Ihre  Erläuterung  folgt  auf  diejenige  von  Taf.  78,  Fig.  4,  S.  814. 

TaL  78,  Fig.  1  zeigt  uns  den  oralsten  Teil  des  Striatum  der  linken  Hemisphäre. 
Wir  erkennen  ein  noch  recht  gut  erhaltenes  Centrum  ovale  und  eine  nur  mäßige  Schrump- 
fung des  Corpus  callosum  {Cc).  Dagegen  liegt  eine  starke  Atrophie  von  Nc  vor, 
wie  aus  der  vollständigen  Abplattung  seiner  Oberfläche  hervorgeht.  In  dieser  Atrophie 
von  Nc  ist  die  Hauptursache  des  starken  Hydrocephalus  internus  zu  sehen.  Zur 
Würdigung  der  im  vorliegenden  Falle  vorhandenen  Atrophie  von  Nc  vergleiche  man 
die  gegeni^'ärtige  Abbildung  mit  der  Fig.  12  der  Taf.  44  der  Ergänzungshefte  des  t8,  Bds. 
186 


j 


^;i£:iS&  3        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         8 1  3 


KrgtiLnmfflieft  3 


dieses  Journals !  Zu  der  Annahme  einer  Volumen  Verringerung  des  eben  angeschnittenen 
Putamen  berechtigt  die  Abbildung  nicht.  Die  Insel  zeigt  einen  deutlichen  Etat  crible. 
Im  Präparat  isl  er  sonst  noch  im  Album  des  Gyrus  centralis  anterior,  des  Fußes  von 
jp*  und  des  lateralen  Teils  des  Fußes  von  F^  stark  ausgeprägt.  Im  Schläfenpol  ist  er 
hier  viel  geringer.  Im  Album  der  Windungen  der  Medianseite  und  der  Orbitalfläche 
fehlt  er  vollständig. 

Ein  benachbarter,  nach  van  Gieson  gefärbter  Schnitt  zeigt  einen  deutlichen 
Etat  crible  im  Striatum, 

Tal  77,  Pig.  1  bringt  eine  schon  S.  648!.  erwähnte  Abbildung  des  äußeren  Teils 
eines  normalen  Caudatum,  Auf  einem  bei  der  vorliegenden  50 fachen  Vergrößerung 
nicht  ganz  i  mm  breiten,  hier  durch  homogene  Dunkelheit  ausgezeichneten  Efendym- 
sireifen  folgt  eine  etwa  7  mm  breite  marklose  Zone.  Die  dunklen  Kömer  in  ihr  sind 
leicht  geschwärzte  Neurogliakeme.  Dann  kommt  der  Tangentialstreifen.  Er  zeigt  eine 
^»erdichtere  äußere  und  eine  faserärmere  innere  Unterabteilung.  Die  darauf  folgenden 
drei  Fünftel  der  Abbildung  bilden  den  Außenteil  von  Nc.  Nur  in  ihrem  innersten  Gebiete 
findet  sich  ein  einziges  stärkeres  Faserbündel.  (Der  unmittelbar  r.  davon  gelegene 
schwarze  längliche  Fleck  ist  ein  Blutgefäß.)  Dagegen  sieht  man  in  diesem  Außenteil 
eine  Reihe  dünnerer,  meist  auf  eine  gewisse  Strecke  längsgetroffener  Bündel  sich  all- 
mählich ventrikelwärts  verlieren.  In  den  untersten  zwei  Fünfteln  der  Abbildung  be- 
gegnen wir  dagegen  zahlreichen,  meist  quergetroffenen  Faserbündeln,  wie  sie  für  den 
InmenUü  des  Caudatum  charakteristisch  sind. 

TaL  77,  Pig.  2  bringt  bei  der  gleichen  50  fachen  Vergrößerung  einen  Ausschnitt 
aus  dem  Taf.  78,  Fig.  i  abgebildeten  Nc.  Zunächst  fällt  die  starke  Injektion  der  Blut- 
gefäße auf.  Sie  hängt  mit  dem  durch  die  terminale  Bronchopneumonie  bedingten 
Erstickungstod  zusammen.  Weiterhin  sind  dann  aber  noch  folgende  Anomalien  zu 
erkennen.  Die  markLose  Zone  ist  verschmälert.  Im  Giesonbild  ist  dabei  aber  durchaus 
zwischen  einer  an  Gliakemen  armen  Außenabteilung  und  einer  an  solchen  reichen 
Innenabteilung  zu  unterscheiden.  Die  dann  folgende  Außenabteilung  des  Tangential' 
Streifens  ist  verschmälert,  aber  faserreicher.  Dagegen  ist  die  Innenabteilung  dieses 
Streifens  pathologisch  arm  an  Fasern.  Ebenso  zeigt  der  übrige  Teil  der  Abbildung  eine 
sehr  große  Faserverarmung.  Endlich  weisen  einige  Blutgefäße  eine  Erweiterung 
des  peripheren  Lymphraumes  auf,  wenn  auch  stärker  ausgesprochene  Criblüren  gerade 
in  dem  abgebildeten  Ausschnitt  nicht  enthalten  sind. 

Tat  W,  Fig.  2  macht  uns  mit  einem  etwas  kaudaleren  Schnitt  der  rechten  Hemi- 
sphäre bekannt.  Die  Capsula  interna  {Ci)  ist  eher  etwas  verbreitert  als  die  von  uns 
schon  öfter  geschilderte  Folge  ihrer  durch  die  Atrophie  des  Striatum  bedingten  Ver- 
kürzung. Nci&t  auch  hier  deutlich  atrophiert  und  m  seiner  Oberfläche  abgeplattet. 
Eis  entsteht  so  der  typisch  dreieckig  erweiterte  Seitenventrikel.  Man  ver- 
gleiche diesen  Schnitt  mit  der  normalen  Abbildung  von  Taf.  43,  Fig.  2!  Ein  solcher 
Vergleich  wie  auch  der  mit  der  /.  Seite  von  Taf.  20,  Fig.  2  beweist  ferner,  daß  im 
vorliegenden  Fall  auch  eine  gewisse  Atrophie  des  Putamen  vorhanden  ist.  Ein 
Studium  von  van  Giesonbildem  lehrt  des  Weiteren,  daß  die  in  Put  vorhandenen 
Lücken  Criblüren  darstellen.  Im  eben  angeschnittenen  Ge  zeigt  nur  der  ventralste, 
von  der  Commissura  anterior  (Ca)  durchsetzte  Teil  eine  Verarmung  an  strio-faüidären 
Fasern  und  hebt  sich  so  durch  pathologische  Helligkeit  von  normalen  Verhältnissen 
ab.     Man  ziehe  zum  Vergleich  Ge  von  Taf .  43,  Fig.  2  heran! 

Bezüglich  der  nicht  abgebildeten  Teile  dieses  Schnittes  sei  folgendes  hervorgehoben. 
Das  Corpus  caüosum  und  das  Album  centrale  sind  in  einem  sehr  guten  Zustand.  Das 
Album  gyrorum  zeigt  wenig  Criblüren.  Die  Rinde  ist  sehr  markhaltig.  Nur  ist 
sie  vollständig  von  „Drusen'*  durchsetzt.  Im  Gebiet  der  Drusen  fehlen  die  Markfasem. 
Man  sieht  im  Mittelpunkt  mancher  rundlichen  Druse  ein  geschwärztes  kleines  Blut- 
gefäß. 

Das  Giesonbild  zeigt  eine  Reihe  in  der  Abbildung  nicht  hervortretender  Criblüren 
im  Striatum  und  auch  einige  im  Pallidum.  Die  Rinde  zeigt  hier  die  zahlreichen  „Drusen". 

187 


8l4  C.  UND  O.  VOGT.  ^"^i^^Sü^ 

In  der  Mitte  rundlicher  Drusen  befindet  sich  oft  ein  meist  sehr  dickwandiges  kleinet 
Blutgefäß.  Von  der  Pia  eintretende,  längsgetroffene  Blutgefäße  sind  öfter  auf  lange 
Strecken  von  Drusensubstanz  umgeben.  Die  Drusen  bilden  hier  also  teilweise 
perivaskuläre  Zylinder.  In  der  einzelnen  Druse  ist  eine  starke  Vermehrung  der 
Neurogliakerne  zu  konstatieren.  Nicht  ganz  selten  sieht  man  um  einen  zentralen 
Kern  von  Drusensubstanz  mehr  oder  weniger  pyknotisch  veränderte  längliche  Neuro- 
gliakerne sternförmig  gelagert.  Bielschowsky  hat  einen  solchen  Befund  auch  an 
einem  anderen  Gehirn  erhoben.  Es  handelt  sich  also  um  eine  für  ein  bestimmtes  Stadium 
gewisser  Drusen  charakteristische  Erscheinung. 

TaL  78,  Fig.  8.  Nc  und  Put  sind  zweifellos  in  ihrem  Volumen  reduziert.  An 
Ge  und  Gi  können  wir  keinen  pathologischen  Befund  mit  Sicherheit  feststellen.  Die 
anormale  breite  Ci  weist  auch  hier  auf  eine  Längenreduktion  des  Striatum  +  Pallidum 
hin.  Bei  stärkerer  Vergrößerung  lehrt  ein  Vergleich  mit  normalen  Gehirnen,  daß  das 
Markfasergeflecht  des  Pui  im  Gegensatz  zum  guten  Markgehalt  der  Rinde  sehr 
wenig  gefärbt  ist. 

Im  Giesonbild  dieser  Gegend  konstatiert  man  deutlich  mehr  kleinste  Criblürenj 
als  sie  das  Faserbild  vermuten  ließ. 

Tai  78,  Fig.  4.  Auch  hier  sind  Nc  und  Put  auffallend  klein.  Man  braucht  nur 
zum  Vergleich  Taf.  74,  Fig.  4  des  100 jährigen  Negers  heranzuziehen!  Wir  konstatieren 
gleichzeitig  in  dem  Präparat  eine  sehr  starke  Erweiterung  der  Funduspartie  des  Stdcus 
sylvit  posterior.  DieserHydrocephalus  externus  scheint  auf  eine  erworbene  Volumen- 
verminderung von  Put  hinzuweisen,  wie  der  geradelinig  begrenzte  Hydrocephalus 
internus  auf  die  Schrumpfung  von  Nc.  Ge  +Gi  sind  hier  gegenüber  normalen  Prä- 
paraten deutlich  im  Volumen  reduziert.  Ge  läßt  ventral,  Gi  dorsal  und  ventral  zweifd- 
los  pathologische  Faser  Verminderungen  erkennen.  Das  GL  ist  hier  schon  in  größter 
Ausdehnung  getroffen.  Es  ist  deutlich  kleiner  als  das  des  100 jährigen  Negers  (Taf.  74, 
Fig.  4)  und  so  hell  wie  die  Zona  incerta.  Die  Insel  weist  wenig  Criblüren  auf.  Thalamus^ 
Ci  und  der  Pes  pedunculi  zeigen  keine  Anomalien. 

TaL  77,  Fig.  3  bringt  aus  dem  dorso-lateralen,  d.  h.  dem  markhaltigsten  Teil 
des  Put  einen  Ausschnitt  bei  50 f acher  Vergrößerung.  Ein  Vergleich  mit  der  folgenden, 
normale  Verhältnisse  darbietenden  Abbildung  zeigt  die  große  und  dabei  fleckweise 
besonders  starke  Abnahme  des  Markfasergeflechtes. 

Taf.  77,  Fig.  4  ist  dem  Put  eines  normalen  Gehirns  entnommen.  Sic  lehrt  uns, 
ein  wie  dichter  Faserfilz  bei  guter  Markscheidenfärbung  im  Putamen  enthalten  ist. 

TaL  77;  Fig.  5  zeigt  uns  endlich  die  pathologische  Verdichtung  dieses  Faser- 
filzes durch  Schwund  der  Ganglienzellen  im  Etat  fibreux.  Es  handelt  sich  dabei  nicht 
um  den  ,,533*">  sondern  um  den  „553."  Schnitt. 

Die  kaudaleren  Schnitte  der  r.,  wie  die  entsprechenden  der  /.  Hemisphäre  zeigen 
im  33.  Fall  auch  weiter  eine  starke  Volumenreduktion  des  Striatum  und  eine  gewisse 
des  Pallidum  und  des  Corpus  Luysi,    Die  Nuclei  rubri  sind  normal. 

Taf.  74,  Fig.  8  zeigt  normale  Brachia  conjunctiva,  Brachia  pontis  und  Pyramiden, 

Das  Cerebellum  wie  das  Rückenmark  bieten  keine  stärkeren  pathologischen  Ver- 
änderungen dar. 

c)  Zusammenfassung  des  anatomischen  Befundes. 

Der  Cortex  cerebri  zeigt  stellenweise,  z.  B.  im  Stirnpol,  einen  starken  Zdlt 
ausfall  in  gewissen  Schichten.  In  der  Area  gigantopyramidalis  läßt  sich  ein 
solcher  nicht  nachweisen.  Dagegen  zeigt  die  Hirnrinde  überall  sehr  zahlreiche 
,, Drusen**.  Diese  sind  hier  vor  manchen  anderen  Fällen  dadurch  ausgezeichnet, 
daß  sie  sich  wenigstens  teilweise  -  mit  Cresylviolett  färben,  daß  ihre  Grund* 
ubstanz  im  Bielschowsky bild  in  Körner  zerfällt,  daß  sie  vielfach  um  die 
i'88 


SLSlJSS^  9       ZUR  LEHRt  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS .         8 1  5 


Blutgefäße  herum  gelagert  sind  und  diese  oft  auf  längere  Strecken  umhüllen, 
sowie  daß  sich. endlich  in  ihnen  meist  ziemlich  viele  Neurogliakerne  finden. 

Das  Album  gyrorum  zeigt  einen  mäßigen  Etat  cribl6. 

Das  Album  centrale,  die  Capsula  interna,  der  Pes  pedunculi,  Thalamus, 
Nucleus  ruber,  Cerebeüum,  Ports  und  Medulla  sind  ohne  stärkere  pathologische 
Veränderungen. 

Dagegen  sind  das  Striatum  und  in  geringerem  Maße  auch  das  Pallidum 
und  das  Corpus  Luysi  geschrumpft.  Im  Striatum  ist  ein  gewisser  Grad  von 
Status  cribratus  festzustellen.  Vor  allem  fällt  aber  im  Striatum  neben  der 
Schrumpfung  die  Abnahme  seiner  Ganglienzellen  und  seines  Markfaser- 
filzes auf.  Auch  das  Pallidum  ist  stellenweise  pathologisch  faserarm  (par- 
tidler  Etat  paramyilinique).  Es  ist  aber  nicht  etwa  allgemein  ein  Ausfall 
der  strio-pallidären  Faserung  zu  konstatieren. 

C.  Epikrise. 

Eis  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  wir  ohne  Kenntnis  der  Krankengeschichte 
im  vorliegenden  Fall  auf  Grund  des  pathologischen  Befundes  eine  Paralysis 
agitans  diagnostiziert  haben  würden.  Wenn  wir  uns  nun  auch  noch  nicht  auf 
(zrund  des  pathologischen  Befundes  ein  Urteil  über  die  Schwere  der  klinischen 
Erscheinungen  erlauben  können,  so  glauben  wir  doch  nicht  in  den  Veränderungen 
des  striären  Systems  eine  genügende  Erklärung  für  die  im  vorliegenden  Fall 
besonders  starke  Rigidität  zu  haben.  Wir  ziehen  als  symptomverstärkendes 
Moment  die  schwere  Verblödung  hinzu.  Wir  werden  in  dieser  Auffassung 
dadurch  bestärkt,  daß  die  offenbar  wesensgleichen  Fo  erst  ersehen  Fälle  von 
,, arteriosklerotischer  Muskelstarre''  und  ein  vom  Autor  selbst  mit  diesen  Foerster- 
schen  Fällen  identifizierter  Fall  Strümpells  auch  an  Demenz  litten.  Und  wir 
sehen  weiter  eine  Stütze  dieser  Anschauung  in  der  Tatsache,  daß  im  31.  und 
vor  allem  im  30.  Fall  striäre  Symptome  von  einer  Intensität  bereits  zur  Beob- 
achtung kamen,  welche  uns  nicht  durch  die  pathologischen  Veränderungen 
innerhalb  des  striären  Systems,  sondern  nur  durch  Heranziehung  einer  schweren 
Allgemeinerkrankung  des  Cerebrum  ausreichend  begründet  schienen. 

Von  fasersystematischer  Bedeutung  scheint  uns  die  Tatsache  zu  sein,  daß 
bei  dem  starken  Schwund  des  Markfasergeflechtes  im  Striatum  die  zwischen 
Striatum  und  Pallidum  verlaufenden  Bündel  relativ  intakt  sind.  Wir  müssen 
deshalb  annehmen,  daß.  die  Achsenzylinder  der  SchaÜzellen  des  Striatum 
wenigstens  größtenteils  markhaltig  sind:  eine  Annahme,  für  welche  schon 
der  große  MarkreichLum  des  Striatum  spricht  (vgl.  S.  650!). 

Eine  eigentlich  zum  Thema  dieser  Arbeit  nicht  gehörige  Frage  ist  die,  ob 
wir  eine  anatomische  Grundlage  für  die  schwere  Demenz  gefunden  haben.  Wir 
lernten  Taf.  76,  Fig.  2  einen  deutlichen  Zellausfall  in  gewissen  Schichten  der 
Rinde  des  Stirnpols  kennen.  Dagegen  war  die  Cytoarchitektonik  der  Area 
gigantopyramidalis  intakt.  Es  fanden  sich  aber  überall  im  Cortex  cerebri 
Drusen,  welche  durch  den  körnigen  Bau  ihrer  Grundsubstanz,  ihre  vielfache 
räucfiliche  Beziehung  zu  den  Blutgefäßen  und  ihr  häufiges  Durchsetztsein  von 
Neurogliakernen  vor  den  bei  nicht  dementen  Fällen  von  Paralysis  agitans  be- 

189 


8l6  CUM)  O.VOGT.  '°^|».5SSÜ*' 

obachteten  ausgezeichnet  sind.  Es  fragt  sich  nun,  ob  die  engere  Beziehung  zu 
den  Blutgefäßen  den  Stoffwechsel  schwerer  gestört  hat  oder  die  körnige  Grund- 
Substanz  bzw.  die  zahlreicheren  Neurogliakeme  in  den  Drusen  Anzeichen  eines 
stürmischeren  Prozesses  bilden,  so  daß  die  im  vorliegenden  Fall  vorhandenen 
Drusen  für  die  klinisch  festgestellte  schwere  ,, Verblödung''  mit  verantwortlidi 
gemacht  werden  können. 

Ein  anderer  Punkt  muß  uns  dagegen  im  gegenwärtigen  Zusammenhang 
sehr  interessieren:  die  Klärung  der  Entstehung  der  Criblüren.  Von  großer 
Wichtigkeit  dafür  ist  Bielschowskys  Idee,  diese  Entstehung  auf  eine 
Behinderung  des  Abflusses  der  Lymphe  infolge  Verstopfung  der  adventitiellen 
Lymphräume  zurückzuführen.  Bielschowsky  stützt  sich  auf  die  im  vorli^enden 
Fall  von  ihm  nachgewiesene  Fibrose  der  Adventitia  der  Blutgefäße.  Wie  wir 
später  noch  sehen  werden,  neigen  P.  Marie  und  einige  seiner  Schüler  dazu, 
die  Criblürenj  auf  eine  Diffusion  eines  „korrosiv  wirkenden*'  Stoffes  aus  den 
Arterienwänden  zurückzuführen.  Sie  sprechen  von  einer  ^,Vaginalitis  destruciiva''. 
Zunächst  müßte  die  Diffusion  eines  solchen  Stoffes  auch  für  die  Venen  angenommen 
werden,  da  sich  Criblüren  auch  um  Venen  bilden  können.  Sodann  ist  dieser 
nekrotisierende  Stoff  aber  noch  ganz  hypothetisch.  Dagegen  wird  der  Biel- 
schowskysche,  auch  vom  Ferrandschen  (siehe  darüber  weiter  unten!)  ab- 
weichende Erklärungsversuch  durch  andere  pathologische  Befunde  gestützt, 
wenn  er  auch  noch  einer  umfangreicheren  empirischen  Begründung  bedarf. 

B.  Allgemeine  Bemerkungen  zu  den  vorstehenden  Fällen. 

Alle  vorstehenden  Fälle  können  einerseits  klinisch  als  typische  Fälle  von 
Paralysis  agitans,  durch  andere  zerebrale  Erkrankungen  komplizierte 
Fälle  von  Paralysis  agitans  oder  wenigstens  als  Paralysis  agitans- 
Zustandsbilder  (32.  Fall)  klassifiziert  werden.  Ausnahmslos  fand  sich  anderer- 
seits eine  Erkrankung  des  striären  Systems  im  Sinne  des  oben  näher  definierten 
Status  desintegrationis.  Die  gleichzeitigen  Veränderungen  des  übrigen 
Nervensystems  wechselten  dabei  so,  daß  nur  der  Status  desintegrationis  als 
stets  vorhandener  pathologisch- anatomischer  Prozeß  übrig  blieb.  Endlich 
konnte  aber  für  die  Fälle  24 — ^26  direkt  gezeigt  werden,  daß  das  striäre  System 
von  allen  Hirn  teilen  am  stärksten  erkrankt  war.  So  sind  wir  wohl  berechtigt, 
als  bewiesen  anzusehen,  daß  ,die  Motilitätsstörungen  (und  die  eventuell  ge- 
steigerte Salivation)  der  Paralysis  agitans  eine  Folge  des  Status  desintegrationis 
bilden.  Diese  Feststellung  ist  nicht  nur  deswegen  von  großer  Bedeutung,  weil 
sie  endlich  die  pathologisch- anatomische  Grundlage  der  Parkinsonschen 
Krankheit  in  zweifelsfreier  Weise  aufdeckt,  sondern  weil  die  Einreihungsmöglich- 
keit  dieser  Krankheit  in  diejenigen  des  striären  Systems  für  die  Pathophysiologie 
der  hierher  gehörigen  Erkrankungen  von  besonderem  Werte  ist.  Dieser  liegt 
in  der  Tatsache,  daß  akinetische  und  inkoordinatorische  Störungen  der 
Paralysis  agitans  besser  bekannt  sind,  und  zwar  einmal,  weil  sie  weniger  als  in 
anderen  Erkrankungen  des  striären  Systems  durch  die  hyperkinetischen  ver- 
deckt werden,  und  dann,  weil  die  Parkinsonsche  Krankheit  überhaupt  klinisch 
besser  durchgearbeitet  ist. 
190 


U^^jJJ^  3        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         8 1  ^ 

a)  Zur  Symptomatologie  der  Paralysis  agitans. 

Die  Paralysis  agitans  kann  mit  dem  Monotremor  eines  Körperteils,  z.  B. 
ner  Hand,  beginnen,  ohne  andere  Begleiterscheinungen  zu  zeigen.  Die  Form  des 
remors  ist  oft  genug  beschrieben.  Wichtig  ist  für  uns  seine  beträchtliche  Steige- 
ngsfähigkeit  durch  Hautreize  und  vor  allem  durch  Gemütsbewegungen  sowie 
IS  verstärkte  Übergreifen  auf  sonst  nicht  zitternde  Körperteile  bei  dem  Ver- 
ich  einer  willkürlichen  Unterdrückung. 

Der  Tremor  kann  andererseits  in  der  sogenannten  Paralysis  agitans  sine 
[itatione  bis  zum  Exitus  letalis  fehlen.  Dann  steht  die  Rigidität  im  Vorder- 
und.  An  ihr  erkranken  in  einzelnen  Fällen  gewisse  Muskeln  besonders 
flyk  und  entstehen  so  spezielle  Haltungsanomalien,  an  welchen  die 
Vädilektionsmuskeln**  der  Area  gigantopyramidalis  sich  nicht  besonders  he- 
iligen. Vielfach  sind  indessen  Agonisten  und  Antagonisten  gleich  stark  von 
r  befallen.  Es  wird  dann  jede  beliebige  Stellung  krankhaft  stark  fixiert 
faltungsfixation).  Periphere  Reize  und  Emotionen  steigern  die  Rigidität, 
irsichtige  passive  und  aktive  Bewegungen  setzen  sie  herab. 


Fig.  9. 

Die  Vermehrung  der  Spastizität  durch  gemütliche  Erregung  geht  gut  aus  der 
xtfig.  9  hervor.  Es  hanclelt  sich  um  einen  gebildeten  Patienten,  der  an  Tremor  und 
gor  dei  r.  oberen  Extremität  leidet.  Diese  Störungen  gfestatten  ihm  langsam  bei 
mütlichem  Gleichgewicht  ein  Schreiben,  wie  es  die  erste  Hälfte  der  ersten  Zeile  und 
»  zweite  Zeile  zeigen.  Beim  Niederschreiben  der  durch  Striche  abgetrennten 
eilen  Hälfte  der  ersten  Zeile  fühlt  sich  der  Patient  beobachtet  und  wird  dadurch 
gstlich.  Es  entsteht  sofort  ein  solcher  Rigor,  daß  der  Patient  zeitweise  beim  Schreiben 
5  Hand  nicht  vorwärts  bewegen  kann.  Wir  sehen  dieses  besonders  gut  bei  der  zweiten 
Lifte  von  „a"  sowie  dem  Beginn  des  zweiten  ,,t"  in  ,, statt",  bei  dem  Querstrich  von 
"  und  dem  Beginn  von  „A"  in  ,,August**. 

Zu  dieser  Rigidität  gesellen  sich  nun  eine  Reihe  von  Krankheitserscheinungen, 
liehe  bisher  von  den  meisten  Autoren  als  Folgen  des  Rigors  aufgefaßt  wurden, 
*  aber  alle  eine  akinetische  bzw.  inkoordinatorische  Komponente 
er  beide  enthalten:  i.  weil  sie  kein  proportionales  Verhältnis  zum  Rigor  zeigen 
d  2.  vielfach  auch,  weil  sie  die  akinetische  oder  inkoordinatorische  Komponente 
-ekt  erkennen  lassen. 

So  haben  wir  in  unserem  Aufsatz  ,,Zur  Kenntnis  usw."  darauf  hingewiesen, 
ß  in  der  ,, mimischen  Starre"  die  Rigidität  nur  soweit  eine  Rolle  spielt, 
;  sie  ,, einen  absolut  nichtssagenden  Gesichtsausdruck"  fixiert.  Es  hat  dann 
er  weiter  ein  Kranker  unter  unseren  Augen  einen  leichten  maskenartigen  Aus- 
jck  bekommen,  ohne  daß  die  geringste  Hypertonie  der  Gesichtsmuskulatur 
bjektiv  oder  objektiv  festgestellt  werden  konnte.  Ein  Teil  der  „normalen 
mischen   Innervation"  war  einfach  ausgefalfen. 

19X 


8l8  C.  UND  O.VOGT.  '""^iJSSSS^ 

Weiter  ist  v.  Malaisö  —  wie  wir  ebenfalls  bereits  in  unserer  Mitteilung 
,,Zur  Kenntnis  usw."  hervorgehoben  haben  —  bei  der  Analyse  der  JBrachybasie 
zu  dem  Resultat  gekommen,  daß  ihr  vor  allem  eine  Inkoordination  und  in 
zweiter  Linie  eine  sehr  leichte  Parese  zugrunde  liegt,  daß  sich  daneben  Rigor 
zwar  mit  diesen  Störungen  verbinden  kann,  aber  in  keiner  Proportionalitat 
zu  ihnen  steht,  v.  Malais6  hat  dabei  übrigens  nur  frühere  Anschauungen  By- 
schowskys,  Maillards  und  Zingerles  durch  eingehendere  Untersuchungen 
bestätigt  und  hat  hernach  noch  inFoerster  einen  warmen  Fürsprecher  gefunden. 

Zingerle  hat  —  entsprechend  den  Ausführungen  unseres  eben  genannten 
Aufsatzes  —  ferner  hervorgehoben,  daß  neben  dem  Minenspiel  auch  andere 
Mitbewegungen,  Positionsänderungen,  Seitwärtswendungen  von  Kopf  und 
Augen  und  gewisse  Schutz-  und  Abwehrbewegungen  öfter  unterbleiben,  ohne 
daß  ein  Rigor  in  den  betreffenden  Muskeln  überhaupt  nachgewiesen  werden 
kann.  Wir  müssen  deshalb  diese  Motilitätsausfälle  auf  eine  Aufhebung  der  sidi 
in  den  eben  genannten  Bewegungen  äußernden,  nach  unserem  Eriimenuigi- 
vermögen  seit  unserer  frühesten  Kindheit  unwillkürlich  verlaufenden  primären  , 
Automatismen  zurückführen. 

Wie  weit  eine  striäre  Akinese  oder  eine  striäre  Inkoordination  bei 
anderen  Muskelbewegungen,  bei  der  Verlangsamung  der  Willkür- 
bewegungen und  ihren  Beschränkungen  auf  die  notwendigsten  Muskel- 
aktionen sowie  bei  den  selten  stärker  ausgeprägten  Bulbärsymptomen  eine 
Rolle  spielen,  bedarf  noch  eingehenderer  klinischer  Analyse  und  genauer  patho- 
logisch-anatomischer Untersuchung  der  betreffenden  Fälle.  Bei  der  allgemeinen 
Muskelschwäche  wird  die  Aufdeckung  einer  echten  striären  Akinese  nodi 
durch  den  Umstand  erschwert,  daß  die  Kranken  durch  ihre  gesteigerte  Affek- 
tivität  viele  Kraft  verausgaben.  In  bezug  auf  die  von  gewissen  neueren  Autoren 
konstatierte  ,,Adiadokokinesis**  verweisen  wir  auf  das  oben  S.ÖQof.  Gesagte, 
wobei  noch  hervorgehoben  werden  muß,  daß  entsprechend  unseren  Ausführungen 
im  Aufsatz  „Zur  Kenntnis  usw.**  wenigstens  die  hyperkinetische  Hauptursache 
der  spastischen  Pseudoadiadokokinesis  bei  der  Paralysis  agitans  in 
der  Haltungsf  ixation  zu  suchen  ist.  Was  endlich  die  Bulbärsymptome  an- 
belangt, so  scheint  es  uns  wenigstens  a  priori  einseitig  zu  sein,  dafür  nur  den  Rigor 
verantwortlich  zu  machen,  nachdem  man  für  die  Amimik,  die  Brachybasie  usw. 
striäre  Akinesen  und  Inkoordinationen  nicht  mehr  ausschließen  zu  können  glaubt 
Schließlich  begegnen  wir  noch  in  der  Paralysis  agitans  als  echten  Hyper- 
kinesen  häufig  Pulsionen  und  selten  mimischen  Zwangsbewegungen 
(Anfällen  von  Zwangsweinen  oder  Zwangslachen). 

b)  Zur  PathophysiologU  dieser  Symptome. 

Zunächst  müssen  wir  betonen,  daß  die  ganzen  Symptome  der  Ps^ysts 
agitans  über  Jahre  und  Jahrzehnte  hinaus  so  konstant  sein  können,  daß  sie 
unserer  Meinung  nach  nicht  auf  mechanische  Reize  nekrobiotischer  Prozesse 
zurückgeführt,  sondern  nur  als  Ausfallserscheinungen  gedeutet  werden 
können.  Diese  Auffassung  wird  den  folgenden  theoretischen  Ausführungen 
zugrunde  liegen. 
192 


ifaJSiJitSn  8.       ^U^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         8t 9 


Wir  beginnen  mit  dem  Tremor.  Die  Tatsache,  daß  die  Wilsonsche  Krank- 
heit mit  einem  ganz  ähnhchen  Tremor  einsetzt  und  daß  bei  ihr  zweifellos  das 
Striatum  zuerst  erkrankt,  beweist,  daß  der  Tremor  ein  Symptom  des  Syn- 
droms des  Striatum  sein  kann.  Daß  er  auch  in  der  Parkinsonschen  Krank- 
heit ak  solcher  aufgefaßt  werden  darf,  leiten  wir  aus  der  Tatsache  ab,  daß  in 
den  zwei  Fällen  von  Paralysis  agitans  (24.  und  27.  Fall),  in  welchen  der  Tremor 
ganz  im  Vordergrund  stand,  auch  der  pathologisch- anatomische  Prozeß  vorzugs- 
weise das  Striatum  befallen  hatte.  Das  Zittern  erweist  sich  hier  also  als  eine 
pallidäre  Hyperkinese.  Es  entsteht  dann  aber  gleich  die  Frage,  warum  der 
Status  desintegrationis  einen  Tremor,  der  Etat  fibreux  und  große  Herde  jedoch 
choreatische  Zuckungen  auslösen.  Der  Status  desintegrationis  der  in  Betracht 
kommenden  Fälle  ist  gegenüber  den  beiden  anderen  Erkrankungen  eine  leichtere, 
welche  nur  die  Funktion  eines  Teiles  der  Striatumzellen  zerstört.  Nun  lehrt 
uns  schon  die  Beobachtung  einfach  ,, nervöser"  Menschen,  daß  sie  nicht  in  der 
Lage  sind,  einen  affektiven  Tremor  zu  unterdrücken.  Dag^en  zeigen  diese 
nicht  die  ausfahrenden  Bewegungen  der  Chorea.  Wir  dürfen  daraus  schließen, 
daß  der  Tremor  eine  geringere  Störung  der  Pallidumhemmung  zur  Voraussetzung 
hat  ab  die  Chorea.  So  verstehen  wir,  daß  die  leichtere  Erkrankung  des  erwachsenen 
Striatum  Tremor,  die  schwerere  Chorea  auslöst. 

Will  man  diesen  Gedankengang  weiter  spinnen,  so  könnte  man  daran  denken, 
in  der  Wilsonschen  Krankheit  bei  zunehmender  Erkrankung  des  Striatum 
die  trotzdem  dauernd  nicht  über  einen  Tremor  hinausgehenden  unwillkürlichen 
Bcfwegui^en  auf  die  Behinderung  der  Motilität  durch  den  gleichzeitig  einsetzen- 
den Rigor  zurückzuführen.  Man  könnte  dann  noch  weiter  folgern,  daß  in  sehr 
stürmisch  verlaufenden  Fällen  von  Totalnekrose  das  frühzeitige  Mitergriffensein 
des  Pallidum  gleich  zu  einer  Versteifung  ohne  Tremor  führt,  wie  im  Fall 
v.  Economos.  Und  man  könnce  schließlich  die  heuristische  Hypothese  auf- 
stellen, daß  in  der  Paralysis  agitans  sine  agilatione  der  infolge  einer 
von  vornherein  praevalierenden  Pallidumerkrankung  sofort  einsetzende 
Rigor  das  Auftreten  eines  Tremors  verhindert. 

Die  Steigerung  des  Tremors  in  der  Paralysis  agitans  durch  periphere 
Reize  und  vor  allem  durch  Gemütsbewegungen  erklärt  sich  -  wie  die  schon 
früher  erwähnten  analogen  Erscheinungen  bei  der  Athetose  und  der  Chorea  — 
durch  die  vom  Thalamus  vermittelte  Verknüpfung  des  Pallidum  mit  der  Peri- 
pherie und  der  Großhirnrinde.  Die  Ausdehnung  des  Tremors  auf  sonst 
nicht  zitternde  Körperteile  bei  willkürlicher  Unterdrückung  des  Zitterns 
scheint  uns  darauf  hinzuweisen,  daß  auch  andere  Pallidumteile  durch  eine  ent- 
sprechende Striatumerkrankung  bereits  eine  gewisse  Enthemmung  erfahren 
haben,  daß  diese  aber  wegen  ihrer  bisherigen  Geringfügigkeit  nur  unter  diesen 
besonderen  Bedingungen  manifest  wird.  Es  muß  dabei  weiteren  klinischen 
Untersuchungen  die  Entscheidung  überlassen  bleiben,  wie  weit  diese  besonderen 
Bedingungen  in  gemütlichen  Erregungen  oder  einer  einfachen  Behinderung 
der  zurzeit  üblichen  Pallidumentladung  zu  suchen  sind. 

Im  Emklang  mit  früheren  Ausführungen  dieser  Arbeit  erblicken  wir  da- 
gegen im  Rigor  ein  Pallidumsyndrom:  d.  h.  wir  führen  denselben  auf  eine 

1^     Journal  fttr  Psychologie  und  Neurologie.    Bd.  25.    Ergh.  3.  '93 


8^0 C.  UND  O.  VOGT. ^"^i'eoi^lo^ 

starke  Einschränkung  der  Pallidumfunktion  zuHlck.  Speziell  der  25.  Fall  be- 
stärkt uns  in  dieser  Auffassung.  Im  Rigor  des  30.  und  vor  allem  des  33.  Falles 
sehen  wir  dann  weiter  eine  Verstärkung  dieses  Pallidumsyndroms  durch  Schädigung 
der  präfrontalen  Denervationsfunktion.  Die  Steigerung  des  Rigors  durch 
periphere  Reize  und  vor  allem  durch  Gemütsbewegungen  erklärt  sich  wie  die 
analoge  Erscheinung  beim  Tremor. 

Die  Tatsache  der  Existenz  einer  mimischen  Akinese  —  und  zwar  auch 
bei  vorwiegender  Erkrankung  des  Striatum  —  muß  uns  zu  der  Annahme  ver- 
anlassen, daß  nicht  nur  denervatorische,  sondern  auch  innervatorische  Reize 
vom  Striatum  auf  das  Pallidum  übergehen. 

Der  Umstand,  daß  auch  die  auf  Inkoordination  und  leichter  Parese  be« 
ruhende  Brachybasie  bei  vorwiegender  Erkrankung  des  Striatum  (23.  Fall) 
auftreten  kann,  spricht  nicht  nur  ebenfalls  für  seine  innervatorische  Funktion, 
sondern  läßt  dann  weiter  noch  vermuten,  daß  seine  koordinatorische  sich  aui 
Denervationen  und  Innervationen  zusammensetzt.  Dabei  weist  die  durch  die 
klinische  Analyse  der  Brachybasie  von  Seiten  der  oben  S.  818  genannten  Autoren 
und  unsere  pathologisch- anatomischen  Untersuchungen  aufgedeckte  koordina- 
torische Funktion  des  Striatum  auf  fasersystematische  Einzelheiten  hin,  welche 
vorläufig  aus  unseren  anatomischen  Feststellungen  nicht  abgeleitet  werden  können. 
Wir  haben  oben  S.  645  in  suspenso  lassen  müssen,  ob  das  Striatum  von  anderen 
Grisea  —  oder  wenigstens  in  anderen  quantitativen  Verhältnissen  —  zentri- 
petale Bahnen  erhält  als  das  Pallidum.  Die  Tatsache,  daß  das  Striatum  gegen- 
über dem  Pallidum  ein  Koordinationszentrum  darstellt,  legt  uns  eine  solche 
Annahme  nahe.  Denn  ein  spezifischer  Charakter  der  zuleitenden  Reize  erscheint 
uns  als  die  einfachste  Basis  für  die  Erklärung  der  koordinatorischen  Funktion 
des  Striatmn.  Dabei  dürften  wir  in  der  wenigstens  wahrscheinlich  gemachten, 
aber  noch  eingehender  Untersuchungen  bedürftigen  Faserverbindui^  zwischen 
Pallidum  und  Tractus  longitudinalis  dorsalis  wenigstens  eine  der  für  die  striare 
Koordination  des  Gehens  und  Stehens  in  Betracht  kommenden  Bahnen  vor 
uns  haben. 

Die  Pulsionen  und  das  Zwangslachen  bzw.  Zwangsweinen  kommen 
unserer  Ansicht  nach  durch  Fortfall  striärer  Hemmungen  des  Pallidum  zustande. 

c)  Zur  pathologischen   Anatomie  und   Ätiologie  des  StaUiS  desintegratimis 

nebst  historischen  Bemerkungen, 

Wir  betrachten  als  ein  zweifelloses  Resultat  unserer  Studien  die  Tatsache, 
daß  der  Paralysis  agitans  bereits  im  architektonischen  Bilde  faßbare  Ver- 
änderungen zugrunde  liegen,  welche  wir  unter  dem  Begriff  des  Status  desinUffra^ 
tionis  zusammengefaßt  haben.  Dieser  Status  enthält  aber  sehr  verschiedene 
Formen  von  Desintegration,  sie  sind  ungleich  lokalisiert  und  in  ganz  differenter 
Weise  mit  ähnlichen  oder  anderen  Veränderungen  des  übrigen  Cerebrum  assoziiert. 
Wir  können  deshalb  das  Ergebnis  unserer  pathologisch -anatomischen  Studien 
nur  als  den  Beginn  einer  neuen  Ära  in  der  Erforschung  der  Paralysis  agitans 
bezeichnen.  Es  gilt  mehr  als  bisher,  die  motorischen  Störungen  jedes  einzelnen 
Falles  intra  vitam  genau  zu  analysieren  und  hernach  das  Gehirn  gründlich  zu 
194 


l£2r  8        ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         82 1 


untersuchen.  Dann  dürfen  wir  hoffen, ,  nicht  nur  für  die  einzelnen  Formen  der* 
E>esintegration  besondere  klinische  Symptome  aufzudecken  (s.  weiter  unten!), 
nicht  nur  die  somatotopische  Gliederung  des  Putamen,  des  Pallidum  und  der 
übrigen  Bestandteile  des  striären  Systems  weiter  zu  vertiefen,  sondern  auch 
noch  mehr  in  die  Einzelheiten  der  Pathophysiologie  der  Paralysis  agitans  ein- 
zudringen  und   damit   neue   physiologische  Rückschlüsse  auf  die  Funktion  des 

« 

striären  Systems  anzubahnen. 

Wir  betonten  eben  von  neuem,  daß  wir  unter  dem  Status  desintegrationis  sehr 
verschiedene  Veränderungen  zusammenfassen.  Wir  haben  schon  oben  (S.  783) 
diese  Zusammenfassung  damit  begründet,  daß  im  Einzelfall  immer  mehrere 
dieser  Formen  vereinigt  miteinander  auftreten.  Wir  glauben  aber  diese  Zu- 
sammenfassung auch  noch  durch  die  Auffassung  rechtfertigen  zu  können,  daß 
wir  alle  Formen  der  Desintegration  als  Äußerungen  einer  frühen  Senilität 
bezeichnen  können.  Es  ergibt  sich  somit,  daß  die  Paralysis  agitans  nicht  der 
Ausdruck  eines  vorzeitigen  Alterns  des  ganzen  Cerebrum  darstellt,  sondern 
die  Folge  der  Tatsache  ist,  daß  das  striäre  System  und  insbesondere  das 
Striatum  -(-  Pallidum  zu  präsenilen  Erkrankungen  ganz  besonders  ten- 
dieren. 

Wir  können  uns  dabei  nicht  des  Eindrucks  erwehren,  daß  die  Syphilis 
aJs  Förderin  der  Gefäßsklerose  diese  Präsenilität  begünstigt.  Wir  würden  diese 
Ansicht  auch  als  weitgehend  pathologisch- anatomisch  gestützt  ansehen,  wenn 
«vir  nicht  nur  manche  Lakunen  —  wie  schon  heute  —  mit  Recht  auf  syphili- 
tische Gefäfliveränderungen  zurückführen  können,  sondern  wenn  auch  die 
B  i  e  Ischowsky  sehe  Erklärung  (vgl.  oben  S.  816)  der  Criblüren  durch 
Gefäßveränderungen  weitere  Bestätigungen  erführe.  Wie  weit  in  den  Fällen 
kombinierter  Paralysis  agitans  und  Tabes  —  Camp  hat  neqerdings  die 
Literatar  darüber  zusammengestellt  —  neben  einer  solchen  syphilitischen 
Schädigung  der  Blutgefäße  noch  spezifisch  syphilitische  Veränderungen 
des  striären  Systems  vorkommen^  bedarf  noch  der  Klärung  durch  eine  patho- 
logisch-anatomische Untersuchung  solcher  Fälle. 

Natürlich  wird  es  auf  die  Dauer  den  pathologischen  Anatomen  und  den 
klinischen  Systematiker  nicht  befriedigen,  im  Status  desintegrationis  so  ver. 
schiedene  anatomische  Veränderungen  zusammenzufassen.  Und  es  wird  sich 
uns  deshalb  immer  wieder  die  Frage  aufdrängen,  ob  nicht  klinisch^  Merkmale 
die  Diagnose  der  im  Einzelfall  vorliegenden  speziellen  Form  des  Status  des- 
integrationis ermöglichen. 

Nach  unseren  bisherigen  Untersuchungen  und  den  Literaturangaben  sind 
wir  geneigt,  dort  einen  Etat  lacunaire  als  prävalierendes  Moment  des  Statut 
desintegrationis  anzunehmen^  wo 

1.  das  Krankheitsbild  sehr  akut  in  Erscheinung  getreten  ist  (32.  Fall), 

2.  sehr  starke  Pseudobulbärerscheinungen  und  gleichzeitig  leichte 
Insulte  aufgetreten  sind  (30.  Fall), 

3.  leichte  Insulte  sich  gezeigt  haben  und  nur  einzelne  Symptome 
der  Paralysis  agitans  mit  mehr  oder  weniger  prononzierten  Pseudobulbär- 
13*  195 


822  C.  UND  0.  VOGT.  JorntAt  Ttjft^tk^ 


und  Hiiiralo0B» 


crscheinungen  nachweisbar  sind  (Fälle  P.  Maries  und  seiner  Schüler,  beaondeiB 

Ferrands). 

Ein  progressiver  Tremor  mit  geringer  Rigidität  spricht  für  dai 
Prävalieren  eines  Etat  cribl6  im  Striatum  (24.  und  27.  Fall). 

Eine  ausgesprochene  Rigidität  ging  in  allen  von  uns  untersuditen 
Fällen  einer  Erkrankung  des  Pallidum  parallel.  Bei  langsamerer  Zuaahme 
des  Rigors  handelte  es  sich  immer  um  einen  Etat  cribH  des  Pallidum 
(31.  Fall)  oder  eine  Kombination  von  Etat  cribl6  und  Etat  para- 
dysmy^linique.  Unser  Material  gibt  uns  aber  bisher  keine  Fingerzeige  dis 
Vorherrschen  einer  dieser  beiden  Veränderunaen  im  Pallidum  intra  vitam  a 
diagnostizieren.  Da  der  Etat  paradysmy61inique  gegenüber  dem  Etat  cribU 
zweifellos  die  schwerere  Erkrankung  darstellt,  ist  es  theoretisch  wahrscfadnlid^ 
daß  bei  sehr  starkem  Rigor  in  nicht  zu  vorgeschrittenem  Alter  der  enten 
prävaliert 

Es  wird  —  wie  wir  schon  oben  S.  820  betonten  —  die  Aufgabe  weiteRr 
Forschung  sein,  diese  ersten  Ansätze  zur  Zerlegung  des  Status  desintegratioiii 
weiter  auszubauen.  Vielleicht  wird  dabei  auch  die  Serologie  eines  Tages  vn 
Nutzen  werden.  Zur  Stütze  dieser  Behauptung  weisen  wir  darauf  ,hin,  dal 
Sicard  bei  der  Paralysis  agitans  niemals  chemische  oder  cytologische  Modh 
fikationen  in  der  Cerebrospinalflüssigkeit  gefunden,  oft  dagegen  bei  „Laci- 
nairen"   und  „Pseudobulbären^  eine  Hyperalbuminose  festgestellt  hii 

Wir  möchten  zum  Schluß  dieses  Kapitels  derjenigen  Autoren  gedenken, 
in  welchen  wir  Vorgänger  unserer  Anschauungen  erblickenr 

Wenn  auch  immer  wieder  Ärzte  geneigt  waren,  die  Parkinsonsche  Krank- 
heit als  eine  funktionelle  zu  erklären,  so  gibt  es  doch  andererseits  eine  ausführ- 
liche Literatur  über  ihre  pathologische  Anatomie.  Diese  Literatur  umfaßt  eine 
ältere,  welche  ausnahmslos  den  Sitz  der  Krankheit  außerhalb  des  striam 
Systems  gesucht  hat.  Wir  lassen  diese  hier  vollständig  unberücksichtigt.  Auf 
der  anderen  Seite  hat  aber  eine  ganze  Reihe  von  Autoren  einen  Teil  der  hier 
unter  dem  Begriff  des  Etat  de  d^sintdgration  zusammengefaßten  pathologischen 
Veränderungen  bereits  eingehend  geschildert,  ohne  ihn  mit  der  Paralysis 
agitans  in  kausale  Beziehung  gebracht  zu  haben.  Wir  werden  weiter 
unten  den  Grund  dafür  erörtern. 

Schon  im  Jahre  1854  hat  Durand-Fardel  eine  ausgezeichnete  Bescfareibong 
des  Etat  cribl6  gegeben.  Dieser  Status  ist  in  der  Folgezeit  der  Gegenstand  einer  gamen 
Reihe  von  Arbeiten  gewesen,  die  wir  hier  aber  übergehen  wollen.  Allen  diesen  Ver- 
öffentlichungen ist  gemeinsam,  daß  sie  nicht  speziell  den  Etat  cribl^  der  Grisea  do 
striären  Systems  behandeln. 

Nur  Dowse  hat  —  und  zwar  bereits  im  Jahre  1878  —  in  einem  Fall  von 
Paralysis  agitans  den  Etat  cribli  in  den  Striata  beobachtet:  „The  Corpora  stiiaii 
are  honeycombed  with  miliary  degeneration*'.  Der  Verfasser  hebt  ausdrOddidi 
hervor,  daß  diese  Anomalie  in  den  Thalami  viel  geringer  war,  aber  er  lengneft 
einen  Zusammenhang  dieser  Befunde  mit  der  Paralysis  agitans. 

Dann  hat  aber  Alzheimer  1894  darauf  hingewiesen^  daß  besonders  oft  in  den 
Basalganglien  und  der  inneren  Kapsel  von  Gehirnen  solcher  Personen,  welche  an 
,. arteriosklerotischer  Verblödung"  verstorben  waren^  sich  um  die  meittea  GeSfle 
196 


ISLSxJSS^  8       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        8«3 


makroskopisch  siditbare^  weite^  mit  Flüssigkeit  gefüllte  Räume  befänden.  ^^Die  Gefäße 
ließen  sich  leicht  in  langen  Stücken  aus  diesen  oft  zystischen  Erweiterungen  heraus- 
ziehen." Wir  begegnen  also  hier  bereits  einer  Beschreibung  der  Criblüren  im  Striaiutn 
+  PaUidum. 

Im  gleichen  Jahre  gab  Campbell  eine  noch  eingehendere  Beschreibung  dieser 
Criblüren.  Man  beobachte  in  Gehirnen  seniler  Geisteskranker  häufig  kleine  braune 
Stellen^  die  die  Reste  resorbierter  perivaskulärer  Hämorrhagien  seien.  Es 
handele  sich  hier  um  Durand-Färdels  Etat  cribl6.  Sie  seien  besonders  häufig 
im  Putamen,  sodann  am  verbreitetsten  im  Pallidum,  weniger  zahlreich  im  Caudatum 
und  noch  weniger  häufig  im  Thalamus.  Man  begegne  ihnen  dagegen  öfter  im  Dentatum 
urebeüi  und  im  oberen  Teil  des  Pons,  Bei  mikroskopischer  Prüfung  eines  in  dieser 
Weise  veränderten  Basalganglions  konstatiere  man  nicht  nur  eine  Erweiterung  des 
perivaskulären  Raumes^  sondern  eine  unregelmäßig  gestaltete  zystische  Höhle  rings 
um  das  Blutgefäß^  der  eine  Zerstörung  einer  beträchtlichen  Menge  nervöser  Substanz 
aeogninde  läge.  Der  Verfasser  führt  dabei  alle  diese  perivaskulären  Erweiterungen 
auf  geringe  Blutungen  in  die  perivaskulären  Lymphräume  zurück^  obgleich  er  zugibt^ 
dafi  man  nur  in  vereinzelten  Fällen  sich  wirklich  von  dieser  Entstehungsart  der  Lakunen 
fiberzeugen  könne.  Die  in  sehr  vielen  seiner  Krankheitsfälle  beobachteten  Störungen 
der  Deghitition  und  Artikulation  führt  er  auf  derartige  Veränderungen  in  der  Bulbär- 
region  zurück.  Campbell  erwähnt  endlich  noch,  daß  er  manche  der  vaskulären  Ver- 
änderungen, die  Redlich  bei  der  Paralysis  agitans  in  der  Medulla  spinalis  als  Substrat 
dieser  E^rankung  beschrieben  hat,  auch  bei  seinen  Kranken  wieder  aufgefunden  hat: 
sie  konnten  also  nicht  als  die  Ursache  der  Paralysis  agitans  angesprochen  werden. 
Es  hat  dementsprechend  Campbell  1894  bereits  zwischen  den  perivaskulären  Er- 
wetteiungen  um  die  großen  und  denjenigen  um  die  ganz  kleinen  Blutgefäße  keinen 
Unterschied  gemacht.  Aber  er  sieht  einen  gelegentlichen  hämorrhagischen  Ursprung 
(vielleicht  handelte  es  sidi  überhaupt  nur  um  eine  sekundäre  Blutung)  dieser  peri- 
vaskulären Erweiterungen  als  den  allgemein  gültigen  Entwicklungsmodus  derselben  an. 

In  einem  1898  erschienenen  Referat  über  „Neuere  Arbeiten  über  die  Dementia 
senilis  und  die  auf  atheromatöser  Gefäßerkrankung  basierenden  Gehiinkiankheiten'' 
nahm  Alzheimer  dieses  Thema  von  neuem  auf.  In  dem  Referat  eiklärte  er  für  wahr- 
scheinlich, daß  auch  die  Paralysis  agitans  nur  durch  besonders  lokalisierte,  auf 
Arteriosklerose  zuiückzuführende  Veränderungen  veranlaßt  wird.  Aber  der  Sitz  des 
betreffenden  Krankheitsprozesses  sei  nach  wie  vor  unbekannt. 

1900  wies  Pierre  Marie  auf  dem  Pariser  neurologischen  Kongreß  darauf  hin, 
daß  man  bei  alten,  an  vorübergehenden  oder  inkompletten  Hemiplegien  erkrankten 
Leuten  als  pathologisch-anatomische  Ursache  die  bisher  übersehenen  „Foyers  lacunaires 
de  disintigraUon**  ansehen  müsse.  r 

1901  veröffentlichte  dann  Pierre  Marie  seine  Anschauungen  in  extenso.  Seine 
Foyers  lacunaires  seien  kleine  Hohlräume  von  unregelmäßiger  Umgrenzung.  Die  Größe 
schwanke  zwischen  einem  kleinen  Hanfkom  und  einer  Bohne.  Ihre  Zahl  könne  über 
zehn  in  den  beiden  Hemisphären  betragen.  Sie  seien  vor  allem  im  Putamen  lokalisiert 
und  eventuell  auf  dieses  beschränkt.  Sie  kämen  auch  öfter  im  Pallidum  vor,  etwas 
seltener  im  Thalamus  und  noch  seltener  im  Caudatum.  Einzelne  Male  träfe  man  sie 
in  der  Capsula  interna,  im  Centrum  ovale  und  im  Corpus  callosum.  Demgegenüber 
sei  die  Brücke  eine  neue  Prädilektionsstelle.  Sie  seien  selten  im  Kleinhirn,  niemals 
im  Pedunculus,  in  der  Medulla  oblongata  und  der  Medulla  spinalis.  Sie  seien  mikrosko- 
pische Erweichungen  oder  Hämorrhagien  auf  Grund  einer  Arteriosklerose.  In  emer 
gewissen  Zahl  der  Lakunen  begegnet  man  in  der  Mitte  durchlässigen  Blutgefäßen  ver- 
schiedenen Kalibers.  Andererseits  gäbe  es  Fälle,  in  denen  die  perivaskulären  Räume 
der  Blutgefäße  stark  erweitert  seien  und  um  diese  herum  das  nervöse  Gewebe  eine 
Veränderung  erfahren  habe,  so  daß  man  sich  fragen  müsse,  ob  nicht  gewisse  Lakunen 
auf  eine  destruktive  Vaginalitis  zurückzuführen  seien.  Mit  diesem  Etat  lacunaire 
verbände  sich  eine  mehr  oder  weniger  starke  Atrophie  der  Hirnwindungen,  eine  eberi- 

197 


824__ C.  UND  0.  VOGT.   ^ ^"^KeSSy 

solche  Erweiterung  der  Seitenventrikel  mit  Abflachung  der  Caudata  und  oft  eine 
Volumenreduktion  des  Corpus  callosum.  Das  häufigste  Symptom  dieser  Erkrankung 
seien  plötzlich  auftretende^  aber  inkomplette  und  mehr  oder  weniger  ganz  wieder  ver- 
schwindende Hemiplegien.  Die  hemiplegischen  Störungen  der  unteren  ExtremititeD 
blieben  konstanter  und  es  resultiere  sehr  oft  aus  solchem  Iktus  eine  Braehybasie.  Bauf^ 
sei  Dj'sarthrie  imd  Dysphagie  zu  konstatieren. 

Von  diesem  Etat  lacunaire  will  Pierre  Marie  den  Etat  cnb\6  Durand-Fardels 
unteischieden  wissen,  der  eine  geringfügige  Erweiterung  des  perivaskulären  Lympb- 
raumes  um  zahlreiche  benachbarte  Blutgefäße  darstellt  und  den  Pierre  Marie  persön- 
lich auf  eine  Retraktion  des  diffus-atrophischen  Parenchyms  zurückführt.  Prädilek- 
tionsstellen sind  die  Insula  und  der  Temporalpol. 

Außerdem  trennt  Pierre  Marie  von  den  Lakunen  die  isolierte,  perivaskuläre 
Erweiterung,  welche  um  einzelne  lenticulo-striäre  Blutgefäße  bei  ihrem  Eintritt  in  den 
Linsenkem  in  Erscheinung  träte.  Dics^  Veränderung  ist  nur  quantitativ  und  durd 
ihre  Lokalisation  von  dem  Etat  cribl6  verschieden  und  weniger  häufig,  ohne  indesiei 
sehr  selten  zu  sein. 

1902  behandelt  Pierre  Maries  Schüler.  J.  Ferrand,  dieses  Thema  ausführlicber. 
Tm  Gegensatz  zu  Pierre  Marie  behauptet  er,  daß  jede  Lakune  in  der  Mitte  ein  durdi- 
lässiges  Blutgefäß  behalte.  Die  Begrenzung  der  Lakunen  sei^  eine  durchaus  unregd 
mäßige.  Der  Autor  weist  dabei  ihre  Entstehung  aus  einer  Blutung  oder  einer  Erweidrang 
zurück.  Ihre  Entwicklung  aus  erweiterten  perivaskulären  Lymphräumen  halt  er  ät 
gegen  für  möglich,  führt  sie  aber  nicht  —  wie  Pierre  Marie  —  auf  eine  Vaginalitil 
zurück,  sondern  auf  eine  arteriosklerotische  Ernährungsstörung,  wdclie 
peripher  von  dem  betreffenden  Blutgefäß  allmählich  abnähme.  Dieser  Erklärungs- 
versuch scheitert  an  der  Tatsache,  daß  sich  Criblüren  auch  aus  Venen  bilden,  li 
den  97  Beobaclitungen ,  welche  der  Autor  seiner  Arbeit  hinzufügt,  spielen  neba 
vorübergehenden  und  inkompletten  Hemiplegien  dieBrachybasie  undPseudobulbir- 
Erscheinungen  (Dysarthrie.  Dysphagie,  Zwangsweinen  und  seltener  Zwangslachen) 
die  Hauptrolle.  Femer  ist  in  den  Ferrand sehen  Krankheitsfällen  von  den  Extremi- 
täten das  Bein  stärker  beteiligt  als  der  Arm.  Endlich  betont  Ferrand,  daß  viel- 
fach mit  der  Braehybasie  nicht  die  geringste  Kontraktur  der  Beinmnskulatnr 
verbunden  gewesen  wäre. 

1904  behandelte  ein  anderer  Schüler  Pierre  Maries,  Catola.  von  neuem  dicKi 
Thema.  Er  weist  nicht  nur  darauf  hin,  daß  Dupr^  und  Devaux  im  wesentlichen 
Pierre  Maries  Anschauungen  bestätigt  haben,  sondern  daß  schon  Campbell,  Alx- 
heimer  und  Jacobsohn  bereits  zwischen  1894  und  1898  derartige  Lakimen  b^ 
schrieben  und  Probst  1901  und  Weber  1901  und  1902  ähnliche  Feststellungen  ge- 
macht haben.  Indem  er  sonst  im  wesentlichen  die  Lebren  Pierre  Maries  ausfühzlid) 
wiedergibt,  legt  er  bei  der  Entstehung  der  Lakunen  das  Hauptgewicht  auf  eine  Peri- 
arteritis. 

1906  veröffentlichte  L6ri  seine  Monographie  ,,Le  cerveau  senile".  L6ri  wies 
die  einseitige  Weiterverarbeitung  der  Mari  eschen  Lehre  von  der  Genese  der  Lakunen 
durch  Ferrand  und  Catola  zurück.  Er  hob  zunächst  her\'or,  daß  —  wie  auch  Marie 
gelehrt  hatte  —  nicht  alle  Lakunen  ein  zentrales  Blutgefäß  enthielten.  Er  beschrieb 
einen  Fall,  wo  die  Lakune  aus  einer  kleinen  Blutung  entstanden  war  und  zwei  andeie 
P^lle,  in  denen  eine  Obliteration  von  Blutgefäßen  als  wesentliches  ätiologisches  Moment 
in  Betracht  gezogen  werden  mußte.  Er  erweiterte  deshalb  die  von  Pierre  Marie 
ursprünglich  vertretene  Anschauung  dahin,  daß  neben  einer  möglichen  Vaginalitis 
destructiva  und  mikroskopischen  Erweichungen  oder  Hämorrhagien  eine  arteriosklero- 
tische Ernährungsstörung  die  Ursache  der  Lakunen  wäre. 

Aus  allen  diesen  Veröffentlichungen  geht  hervor,  daß  P.  Marie  persönlich 
am   weitgehendsten   die   verschiedenen   pathologischen   Veränderungen   erkannt 
198 


^St^J^  a       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        825 


hat,  welche  wir  unter  dem  Status  desintegrationis  zusammenfassen.  Er  hat 
nur  den  Etat  paradysmy61inique  des  Pallidum  nicht  mit  aufgezählt. 

Wenn  nun  aber  alle  diese  Autoren  die  Beziehungen  der  von  ihnen  erkannten 
pathologischen  Prozesse  zur  Paralysis  agitans  verkannt  haben,  so  liegt  es  wohl 
daran,  daß  sie  einerseits  typische  Fälle  von  Parkinsonscher  Krankheit  nicht 
untersucht,  andererseits  aber  auf  andere  klinische  Symptome  (arteriosklerotische 
Demenz  oder  Hemiplegie  der  Greise)  ihre  Aufmerksamkeit  eingestellt  hatten. 
Man  braucht  jedoch  nur  die  oben  erwähnten  Krankheitsbeobachtungen  Ferrands 
durchzusehen,  um  zu  erkennen,  daß  gar  nicht  die  Hemiplegie  —  und  das  war 
ja  eigentlich  gerade  die  Tatsache,  welche  P.  Marie  frappierte  —  im  Mittelpunkt 
dieser  *  Erkrankungen  steht,  sondern  Symptome,  die  wir  heute  als  striäre  be- 
zeichnen und  die  ein  mehr  oder  weniger  ausgesprochenes  Paralysis  agitans- 
Zustandsbild  zeitigten.  Wenn  J.D^jerine  in  seiner  Bekämpfung  der  in  den  vor- 
stehenden Ausführungen  entwickelten  Lehre  von  den  Erkrankungen  des  striären 
Systems  behauptet,  daß  Lakunen  usw.  in  dem  Linsenkern  bei  Greisen  „banal** 
seien,  aber  symptomlos  verliefen,  so  erkennen  wir  die  Häufigkeit  derartiger 
pathologischer  Veränderungen  im  Senium  vollständig  an.  Wir  bestreiten  aber 
ihre  Symptomenlosigkeit  und  sehen  in  der  senilen  ,,Taperhaftigkeit**,  Kurz- 
schrittigkeit,  Steifheit,  Stumpfheit  des  Gesichtsausdruckes,  dem  —  wie  schon 
von  Trousseau,  Charcot  und  Demange  betont  wurde  —  übrigens  relativ 
seltenen  senilen  Zittern  usw.  den  klinischen  Ausdruck  der  betreffenden  patho- 
logisch-anatomischen Prozesse. 

Wir  kommen  jetzt  zu  denjenigen  Autoren,  welche  die  Paralysis  agitans 
zu  anatomischen  Veränderungen  des  striären  Systems  in  Beziehung  gebracht 
haben. 

Nach  Lewy  (1912)  hat  Manschot  1904  in  einer  uns  nicht  zugänglichen  Doktor- 
dissertation in  einem  Fall  von  Paralysis  agitans  Fasern  und  Zellenuntergang  im  Thalamus 
—  speziell  im  lateralen  Kern  desselben  —  sowie  Atrophie  im  Putamen  und  in  der  sub- 
thalamischen  Region  festgestellt. 

Nach  Jelgersma  (1909)  hat  femer  Winkler  in  einer  uns  nicht  einmal  dem  Titel 
nach  bekannt  gewordenen  Arbeit  (eine  briefliche  Anfrage  an  Herrn  Winkler  unserer- 
seits ist  unbeantwortet  geblieben)  den  pathologisch-anatomischen  Befund  von  drei 
Fallen  von  Paralysis  agitans  beschrieben.  Er  konstatierte  in  diesen  Fällen  „einen  Aus- 
fall von  Fasern  in  der  Regio  subthalamica,  in  dem  Nucleus  lateralis  thalami,  in  den 
Innengliedem  des  Nucleus  lentiformis,  in  der  Haube  und  im  Pons  Varoli". 

1908  äußerte  sich  Jelgersma  über  die  pathologische  Anatomie  der  Paralysis 
agitans  auf  Grund  von  Serienschnitten  durch  zwei  Gehirne.  An  dem  einen  der  beiden 
Fälle,  der  —  abgesehen  von  einer  deutlichen  Dementia  —  klinisch  „keine  Besonderheiten" 
zeigte,  fand  er  „eine  sehr  starke  Atrophie  der  Strahlung  des  Nucleus  lentiformis  und 
deren  Fortsetzung  nach  dem  Zwischenhim".  Der  Nucleus  ruber  erwies  sich  als  intakt. 
Dagegen  existierte  eine  starke  Atrophie  distal  von  der  Gegend  des  roten  Kerns  in  der 
Haubengegend  „direkt  ventral  von  den  Corpora  quadrigemina  und  weiterhin  zwischen 
den  Pedunculi  cerebeüi  superiores.  Auch  sind  diese  in  ihrem  Volumen  reduziert**. 
Der  Verfasser  schließt  aus  diesen  Befunden,  „daß  die  Atrophie**  —  die  Verfasser  nach 
mündlicher  Angabe  als  eine  „Systemerkrankung**  auffaßte  (vgl.  oben  S.  763!)  —  „bei 
der  Paralysis  hauptsächlich  Bahnen  betrifft,  die  von  den  Stammganglien  aus  nach  dem 
Cerebellum  hin  verlaufen**.  Der  Verfasser  fügt  dann  noch  hinzu:  „Eins  muß  man  aber 
beachten.  Ich  glaube  nicht,  daß  in  allen  Fällen  von  Paralysis  agitans  die  pathologischen 

199 


826 C.  UND  0.  VOGT.  _        ^^^j^V^SSg^ 

Veränderungen  immer  genau  dieselben  sind.  So  war  z.  B.  in  dem  hier  demonstrierten 
Fall  der  Ntuleus  Luysi  fast  ganz  geschwunden^  ebenso  wie  die  Bündel  H"^  und  £f*  von 
Forel.    In  meinem  anderen  Fall  aber  ist  der  Nucleus  Luysi  so  ziemlich  intakt." 

Der  Verfasser  hat  die  große  Liebenswürdigkeit  gehabt^  uns  acht  Präparate  des 
zuerst  erwähnten  Falles  zu  überlassen.  Das  Striatum  läßt  hier  keine  Volumen- 
verminderung erkennen.  Auch  sind  die  Höhen-  und  Breitenverhältnisse  des  Pulamm 
normal.  Ge  ist  nur  ganz  geringfügig,  Gi  auch  nur  so  mäßig  verkleinert,  daß  man  hier 
durchaus  eine  ausschließlich  erworbene  Schrumpfung  annehmen  kann  und  an 
keine  angeborene  Kleinheit  dieser  Himteile  zu  denken  braucht.  Wir  haben  darauf 
schon  oben  S.  793  hingewiesen.  Im  Striatum  und  im  Pallidum  zeigen  sich  nun  weiter 
zahlreiche  Criblüren.  Die  Haupt  Veränderung  bildet  aber  der  von  Jelgersma 
aufgefundene  Schwund  eines  Teiles  der  striären  Faserung.  Die  Faserbündel  des  Striahm 
entbehren  der  dicken  (zentripetalen)  Markfasem  vollständig,  während  ihre  dünnen 
(striopallidären)  wenigstens  in  weitem  Maße  erhalten  sind.  Der  oralste  Teil  vonG^  läßt 
nur  Reste  dicker  Fasern  erkennen  und  zeigt  daneben  auch  einen  fleckweisen  Schwund 
der  strio-pallidären  Fasern.  Im  übrigen  Ge  und  in  Gi  hat  die  Zahl  der  dicken  Bfaric- 
fasem  stark  abgenommen  bei  weitgehendem  Erhaltensein  der  dünnen'  strio-pallidarea 
Fasern.  Auch  die  GrenzlamelUn  des  Pallidum  sind  in  ihrem  Gehalt  an  dicken  Fasern 
sehr  verarmt.  Man  kann  sich  —  das  sei  noch  nebenbei  hervorgehoben  —  bei  diesem 
Schwund  der  dicken  Pallidumfasem  sehr  gut  davon  überzeugen,  daß  die  —  wie  gesagt  — 
wenigstens  zumeist  erhalten  gebliebenen  dünnen  Fasern  der  Bündel  des  Striatum 
fast  ausnahmslos  mGe  +  Gi  endigen.  Höchstens  schließt  sich  ein  sehr  geringer  Bnicb- 
teil  den  zum  Hirnfuß  strebenden  Fasern  an.  Nach  innen  von  der  Capsula  interna  ist 
nicht  nur  CL  sehr  stark  verkleinert  und  an  Fasern  verarmt,  sondern  sind  auch  H^  und 
/fi  sowie  das  ovo  ventrale  Gebiet  des  Thalamus  stark  reduziert.  Femer  fehlt  lateral  von 
CL  unsere  Fasermasse  X.  Außerdem  scheint  die  Substantia  nigra  in  ihrem  Volumen 
verringert  zu  sein.  Wir  haben  hier  also  —  wie  schon  S.  763  hervorgehoben  wurde  — 
den  stärksten  von  uns  beobachteten  Etat  paradysmy^linique,  d.h.  eine  sehr  an 
den  Etat  dysmyölinique  erinnernde  Weiterentwicklung  des  von  uns  speziell  im  26.  Fall 
beobachteten  Untergangs  der  zum  Pallidum  in  enger  Beziehung  stehenden  Faserungen, 
in  Verbindung  mit  einem  Etat  cribl^  vor  uns. 

Aus  diesen  Feststellungen  geht  hervor,  daß  die  genannten  holländischen 
Autoren  -  und  unter  ihnen  insbesondere  Jelgersma  —  zum  ersten  Male  den 
speziellen  Schwund  der  Pallidumfasem  beobachtet  und  damit  um  dieses  Mo- 
ment unseren  Status  desintegraiionis  bereichert  haben  und  daß  sie  ferner  in  den  von 
ihnen  beobachteten  Degenerationen  die  Ursache  der  Paralysis  agitans  erblickten. 
Andererseits  möchten  wir  aber  gegenüber  Jelgersma  betonen  (auf  eine  ent- 
sprechende Kritik  der  uns  nicht  persönlich  bekannt  gewordenen  Ausführungen 
Manschots  und  Winklers  müssen  wir  verzichten),  daß  Jelgersma  nicht  nur 
den  Etat  cribl^  in  seinem  Falle  übersehen  hat,  sondern  auch  irrtümlicherweise 
den  Schwund  der  Pallidumfaserung  als  das  regelmäßige  anatomische  Sub- 
strat der  Paralysis  agitans  ansprach. 

1912  hat  F.  H.  Lewy  eine  ,, Pathologische  Anatomie"  der  Paral}'sis  agitans  ver- 
öffentlicht. Aus  dieser,  die  im  wesentlichen  unsere  damalige  Unkenntnis  zeigt,  sei 
bloß  hervorgehoben,  daß  der  Autor  einen  typischen  Etat  cribl6  des  Putamen  und 
ganz  besonders  des  Pallidum  abbildet,  ohne  ihm  diejenige  Bedeutung  zuzuschreiben, 
welche  wir  ihm  beimessen. 

1913  hat  dann  F.  H.  Lewy  über  seine  eigenen  pathologisch-anatomischen  Unter- 
suchungen an  Fällen  von  Paralysis  agitans  eingehender,  aber  leider  nicht  in  sehr  präziser 
Form  berichtet.  Er  will  klinisch  einen  besonderen  TN-pus  ableiten,  der  «^ungewöhnlich 
starke  Kontraktiu*''  mit   Schmerzanfällen,   Incontinentia  urinae  et  alvi   bei  intakter 

200 


ttJ^^t^JSSl  8.       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         827 

Intelligenz,  aber  verändertem  Affektleben  zeigt.  Die  Sektion  ergibt  Schrumpfung  des 
Caput  caudati  und  vor  allem  eine  solche  des  Lentiforme  mit  sekundären  „Degenera- 
tionen in  der  Meynert sehen  Kommissur  und  geringeren  Grades  im  Fo reischen 
Haubenbündel  sowie  in  der  Faserung  zum  Luysi sehen  Körper  und  diesem  selbst". 
Die  gewöhnliche  Paralysis  agitans  zeige  den  gleichen  Befund,  nur  ,,in  sehr  viel  geringerem 
MaBe"^  ,,so  daß  das  Markscheidenpräparat  häufig  überhaupt  nichts  Pathologisches 
erkennen  laßt".  Das  Zellbild  zeigt  aber  in  Nc  und  weit  mehr  in  Put  „starke  Glia- 
vcrmehning"  und  daneben  Gefäßwandveränderungen,  im  Pallidum  Abbauprodukte 
und  im  Nucleus  substantiae  innominatae  „alle  Zeichen  einer  senilen  Veränderung". 
Der  Verfasser  sieht  in  der  Pu/am^nerkrankung  die  Ursache  der  Rigidität,  in  der 
PoüfWififi Veränderung  das  Substrat  für  den  Tremor. 

Über  den  von  Lewy  aufgestellten  besonderen  Typus  haben  wir  bisher  keine 
Erfahrungen.  In  allen  unseren  Fällen  zeigt  jedes  Markfaserbild  den  Status 
desintegrationis  in  der  einen  oder  anderen  Kombination.  Am  Nucleus  substantiae 
nmotninatae  haben  wir  nie  Veränderungen  wahrgenommen.  Im  Gegensatz 
zmn  Autor  bringen  wir  endlich  den  Tremor  zum  Striatum  und  den  Rigor  zum 
Pallidum  in  Beziehung. 

1916  veröffentlichten  Au  er  und  Mc  Cough  zwei  Fälle  von  Paralysis  agitans.  Sie 
fanden  keine  grobe  Atrophie  der  Basalganglien,  dagegen  i.  kleine  Stellen  von  Rare- 
fikation  der  Faserung,  die  wie  „Mottenfraß"  aussahen  und  meist  keine  Beziehung  zu 
Blutgefißen  hatten,  und  zwar  am  häufigsten  im  Linsenkem,  aber  auch  überall  sonst  im 
Cerebnim  mit  Ausnahme  des  Cortex  und  des  Nucleus  ruber,  2.  anscheinend  Criblüren 
hauptsachlich,  wenn  auch  nicht  ausschließlich  im  Linsenkem  und  3.  Abnahme  der 
Fasern  in  der  Lamella  pallidi  externa  und  im  Pallidum. 

Die  von  diesen  Autoren  mit  „Mottenfraß**  verglichenen  Rarefizierungen 
der  Faserung  möchten  wir  mit  unseren  Präcriblüren,  wie  sie  z.  B.  in  Taf.  69, 
Fig.  2  al^ebildet  sind,  identifizieren,  ohne  leugnen  zu  wollen,  daß  es  sich  in 
den  betreffenden  Fällen  um  eine  uns  unbekannt  gebliebene  Form  von  Desinte- 
gration handeln  könnte.  Wir  möchten  aber  darauf  aufmerksam  machen,  daß 
man  solche  Präcriblüren  genau  studieren  muß,  um  die  von  uns  behauptete  Be- 
ziehung zu  den  Blutgefäßen  zu  erkennen. 

1916  beschrieb  femer  Hunt  einen  Fall  juveniler  Paralysis  agitans  mit  Zittern 
und  allmählicher  vollständiger  Versteifung.  Er  fand  einen  weitgehenden  Untergang 
der  großen  Ganglienzellen  des  Striatum^  sowie  einen  solchen  der  Nervenzellen 
des  Paüidum  und  des  Nucleus  substantiae  innominatae.  Daneben  fand  sich  eine  Ver- 
dünnung der  Ansa  lenticularis  el  peduncularis  ohne  Reduktion  der  Lamellae  pallidi. 
Der  Verfasser  knüpft  an  diebc  Feststellung  pathologische  Erklärungsversuche  der  Er- 
krankungen des  striären  Systems  an,  welche  unserer  Ansicht  nach  von  schon  S.  654 
kritisierten  falschen  anatomischen  Voraussetzungen  ausgehen.  Außerdem  dürfte  nach 
den  vom  Verfasser  angegebenen  Zellveränderungen  ein  schwererer  Faserschwund  vor- 
verlegen haben,  als  ihn  der  Autor  erkannt  hat. 

Weitere  Vorarbeiten  für  die  von  uns  entwickelten  Anschauungen  über  die 
pathologische  Anatomie  der  Paralysis  agitans  sind   uns   unbekannt  geblieben. 


201 


828  C.  UND  0.  VOGT.  '^^^HeSSSS?* 


VIII.  Fälle  von  groben  Herderkranknngen  im  striiren  System. 

Wir  verfügen  in  unserer  Sammlung  bisher  nur  über  einen  einzigen  Fall 

34.  Liepmannt  IUI  Eliiabeth  L.    (Z).  24.) 

A.  Krankengeschichte, 

Geboren  am  6.  Januai   1840. 
Ledige  Lehrerin. 

Aufnahme  in  der  Irrenanstalt  Dalldorf  am  30.  September  1882  w^en  halluam* 
torischer  Verwirrtheit. 

30.  10.  1882: 

Die  Patientin  ist  von  mittlerer  Größe,  mittelkräftig  und  ziemlich  gutem  Er- 
nährungszustande 

Der  Gang  ist  langsam  und  vorsichtig 

Patellarsehnenreflexe  sind  verlangsamt. 

Die  Worte  sind  verschwommen,  wenig  artikuliert.  Die  Patientin  spricht,  ab  ob 
sie  einen  Kloß  im  Munde  hat. 

Sonst  keine  wesentlichen  Befunde. 

Dabei  halluziniert  sie,  verkennt  die  Personen  und  ist  zeitweise  tobsüchtig. 

Gibt  teilweise  unzusammenhängende  Antworten. 

14.  12.  1905.  Patientin  ist  allmählich  unter  zunehmender  Verblödung  ruhiger 
geworden.  Zeigt  aber  zwischendurch  noch  Erregimgszustände  mit  größerer  Verwinthcit 

Hat  am  heutigen  Tage  einen  Schwindelanfall. 

5.  2.  1907.  Ruhig,  verfertigt  kleine  Stickereien.  Redet  oft  ganz  verwirrt  vor 
sich  hin.    Dabei  choreatische  Unruhe  im  rechten  Arm. 

15.  4.  1907.  Bewegungen  des  rechten  Armes  in  den  letzten  Tagen  sehr 
stark.  Patientin  faßt  sich  fortwährend  an  Nacken,  Kopf,  Bein  usw.  Stellt  sich  oft 
mit  dem  Arm  an  die  Wand,  um  die  Bewegungen  zu  unterdrücken. 

31.  5.  07.  Kurzer  Schwindelanfall,  fällt  vom  Stuhl.  Danach  keine  Verändening 
gegen   sonst. 

29.  6.  07.  Fieber.  Wird  nachmittags  schwach.  Faßt  sich  öfter  an  den  Kopf. 
Lähmungserscheinungen  nicht  festzustellen. 

30.  6.  07.  Hat  wenig  blutig-schleimigen  Stuhlgang  gehabt.  Der  rechte  Arm 
macht  nicht  mehr  die  choreatischen  Bewegungen,  ist  schlaffer  als  der 
linke.     Der  rechte  Mundwinkel  hängt  nach  unten. 

1.  7.  07.    Choreatische  Bewegungen  wieder  eingetreten.  Normaler  Stuhl. 
30.  7.  07.    Choreatische  Bewegungen  dauern  fort       Sie  bestehen  auch 

etwas  schwächer  im  rechten  Bein.  Lähmungserscheinungen  sind  nicht 
festzustellen. 

Völlig  verblödet.  Faßt  bisweilen  eine  Frage  nach  dem  Essen  richtig  auf,  sonst 
antwortet  sie  unverständlich  oder  wirres  Zeug. 

15.  9.  07.    Choreatische  Bewegungen  im  r.  Arm  und  Bein  dauern  fort. 

2.  II  07.  Choreatische  Bewegungen  im  r.  Arm  nur  noch  in  sehr  ge- 
ringem Grade.  Psychischer  Zustand  unverändert.  Verbringt  im  allgemeinen  ihre 
Tage  in  Stumpfsinn.  Nur  ab  und  zu  treten  plötzlich  explosivartig  Zustände  von  Rede- 
drang ohne  besondere  motorische  Unruhe  bei  ihr  auf,  in  denen  sie  Schimpfworte  gegen 

202 


JS^mS:JSSl  8.       ^^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         829 


das  Personal  und  die  Mitpatienten  schleudert.    Ihr  Lieblingswort  scheint  dabei  „frecher 
Pudel"  zu  sein.    In  der  Nacht  manchmal  leichte  motorische  Unruhe. 

4.  II.  07.    Die  Bewegungen  des  r.  Armes  sind  jetzt  wesentlich  schwächer 
als  vor  einigen  Monaten.    Es  besteht  noch  eine  motorische  Unruhe  in  der  r.  Hand. 
Zupft  an  der  Jacke.   Patientin  hält  meist  die  r.  Hand  mit  der  linken  fest.   Bisweilen' 
greifen  die  Bewegungen  auf  den  linken  Zeigefinger  über. 

Auch  in  den  Zehen  des  rechten  Beines  Zuckungen,  besonders  wird  die 
grbße  Zehe  stark  nach  oben  bewegt.    Zunge  gerade,  ruhig  herausgestreckt. 

5.  II.  07.  In  der  Nacht  sehr  unruhig.  Redet  inkohärent.  Sie  wolle  Klavier- 
spielen usw.  Sei  in  der  Linkstraße.  Kniesehnenphänomen  lebhaft.  Fußsohlen- 
reflex dorsal.     Mendel  dorsal. 

15.  I.  08.     Choreatische  Bewegungen  sehr  schwach.      Sonst  unverändert. 

30.  9.  08.     Choreatische  Bewegungen  wieder  stärker. 

29.  IG.  08.  Knüpft  oft  an  Sinneseindrücke  an,  redet  dann  ganz  inkohärent  weiter. 
Schimpft  z.  B.  auf  eine  Patientin,  welche  beim  Essen  ist:  Nicht  so  schnell  fressen, 
Teufel  von  Nichtsein,  Bengel  von  Mutter.  (Erregter.)  Nicht  so  schnell  fressen.  Die 
Hand  kann  sie  sehen,  die  ist  abgerissen,  abgekniffen,  Handschuh  kann  sie  machen. 
VVohip?     Pfui  Teufel,  Ministerialgebäude. 

25,  I.  09.  Die  Bewegungen  des  r.  Armes  haben  jetzt  nicht  den  aussetzen- 
den Charakter,  sondern  bestehen  aus  gleichmäßigen,  rhythmischen,  ziemlich 
kurzen  Zuckungen,  die  sich  wechselnd  auf  die  Muskeln  des  Schultergelenks,  dann 
besonders  des  Ellenbogengelenkes,  dann  der  Hand-  und  Fingergelenke  erstrecken. 
Bei  intendierten  Bewegungen  sistieren  die  Zuckungen.  Die  Hand  zupft  oft  an  den 
Kleidern,  sie  wird  bisweilen  durch  die  /.  Hand  festgehalten.  Im  Bein  sind  jetzt  keine 
Zuckungen. 

Sehnenphänomene  der  oberen  Extremitäten  sehr  lebhaft,  r.  etwas  stärker 
als  /.  Beim  Klopfen  auf  den  dorsalen  Unterarm  macht  die  /.  Hand  im  ganzen  eine 
Plantar- Zuckung.  R.  werden  auch  die  Finger  plantar  gebeugt.  (Also  wie  der  patho- 
logische Mendelsche  Fußrückenreflex.) 

Kniesehnenphänomen  und  Achillessehnenphänomen  beiderseits  sehr  lebhaft,  rechts 
starker  als  links. 

Babinski? 

Mendel  beiderseits  dorsal,  links  stärker  als  rechts. 

Passiven  Bewegungen,  besonders  Beugung,  wird  ein  starker  Widerstand 
entgegengesetzt. 

Auf  Nadelstiche  wird  nicht  reagiert. 

Gang:  Beide  Sohlen  werden  am  Boden  geschleift.  R.  Fuß  wird  bisweilen  nach- 
geschleift. 

10.  5.  09.     Ephemere  Temperatursteigerung.     Obstipat.    Klysma.    Abführmittel. 

11.  5.  09.    Fieberlos. 

12.  5.  09.     Fiebert  wieder.    Keine  Ursache  nachweisbar.    Kampferbenzo6pulver. 

13.  5.  09.    Dasselbe. 

14.  5.  09.     Entfiebeit. 

3.  6.  09.     Abends    nach  Angabe    der  Pflegerin:    Patientin   kann    nicht   gehen, 
schleppt  /.  Bein  nach. 
L.  Arm   in   Beuge. 
L.  Mundwinkel    hängt. 

4.  6.  09.     Die  /.  Extremitäten  zeigen  geringere  Kraft  als  die  r. 
/?.  noch   choreatische   Zuckungen. 
Hemianopsie  /. 
Augen  nach  r.  gerichtet. 

Antwortet  auf  Anruf,  fixiert  aber  den  /.  stehenden  Arzt  nicht. 
Kniesehnenphänomen  /.  stärker  als  r. 
Babinski    beiderseits   vorhanden. 

203 


830 C.  UND  O.  VOGT. ^'"'^  i\SSSS!^ 

Mendel  beiderseits  dorsal. 
Zunge  gerade  herausgestreckt. 

8.  6.  09.     Sehr  schwach.    Kann  nicht  schlucken.    Bewußtlos. 
14.  6.  09.     Exitus. 

Zusammenfassung  der  Krankengeschichte. 

Bei  einer  Patientin,  welche  im  42.  Lebensjahre  an  halluzinatorischer  Ver- 
wirrtheit mit  zunehmender  Verblödung  erkrankt  und  schon  bei  ihrer  Aufnahme 
eine  verschwommene  und  wenig  artikulierte  Sprache  zeigt,  entsteht  im  67.  Lebens- 
jahr eine  choreatische  Unruhe  im  r.  Arm.  Diese  nimmt  dann  an  Heftigkeit 
zu.  Nach  einer  neuen  Attacke,  die  zu  einer  leichten  Parese  des  rechten 
Mundwinkels  und  des  rechten  Armes  führt,  schwinden  die  choreatischen 
Zuckungen  für  24  Stunden.  Dann  treten  sie  wieder  auf  und  gehen  auch  auf 
das  rechte  Bein  über,  ohne  daß  Lähmungserscheinungen  vorhanden  sind.  Die 
choreatischen  Zuckungen  bestehen  hernach  in  wechselnder  Intensität  bis  zu  dem 
im  69.  Lebensjahre  erfolgten  Tode.  Vorübergehend  nahm  auch  der  linke  Zeige- 
finger an  den  Bewegungen  teil.  Die  Sehnenphänomene  waren  sehr  lebhaft, 
r.  stärker  als  /  Babinski  meistens  sicher  nachgewiesen.  Hypertonie  in  den  Beinen 
im  letzten  Lebensjahr  festgestellt.  Ein  Monat  vor  dem  Tode  eine  leichte  links- 
seitige Hemiplegie. 

B.  Anatomische  Untersuchung, 

a)  Makroskopischer  Befund. 

Starke  Arterioskleiose  der  Himgefäße.  Auf  einem  Horizontalschnitt  durch  dts 
Gehirn  erkennt  man  einen  alten  Herd^  der  links  den  Kopf  des  Caudatum  und  das  vordere 
Ende  des  Putamen  zerstört  hat.  Gegen  die  äußere  Kapsel  ist  der  Herd  mit  scharfem 
Rande  abgegrenzt. 

b)  Mikroskopischer  Befund. 

TaL  af7y  Fig.  3  gibt  einen  Horizontalschnitt  durch  den  dorsalen  Teil  des  Striatum 
der  beiden  Seiten  wieder.  Wir  sehen^  wie  das  Caput  caudati  in  der  /.  Hemisphäre  voll- 
ständig zerstört  ist.  Außerdem  erkennen  wir  frischere  Herde  im  Centrum  ovale  beider 
Hemisphären. 

TaL  27,  Fig.  4  zeigt  einen  ventraleren  Schnitt  desselben  Gehirns.  Auch  hier  ist 
das  Caput  caudati,  der  anstoßende  Teil  des  vorderen  Schenkels  der  inneren  Kapsel  und 
die  orale  Hälfte  des  Putamen  durch  den  Herd  vollständig  zerstört.  Der  hintere 
Schenkel  der  beiden  inneren  Kapseln  ist  in  dieser  Schnittebene  intakt. 

Das  Gehirn  zeigt  noch  eine  Reihe  von  Herden  jüngeren  Datums. 

C.  Epikrise. 

Wir  bringen  die  choreatischen  Zuckungen  zu  dem  im  linken  Striatum 
festgestellten  Herde  in  Beziehung.  Es  ist  interessant,  daß  vorübergehend  die 
choreatischen  Zuckungen  auch  auf  den  linken  Zeigefinger  übergegriffen  haben, 
obwohl  wir  einen  besonderen  Herd  für  diese  Bewegungen  m  der  rechten  Hemi- 
.sphäre  nicht  feststellen  konnten.  Von  Bedeutung  ist  ferner  die  schon  in  unserem 
,, Erster  Versuch  usw.*'  hervorgehobene  Tatsache,  daß  nach  einer  neuen 
Attacke  parallel  einer  leichten  vorübergehenden  Parese  des  rechten 
Arms  die  choreatischen  Zuckungen  für  24  Stunden  geschwunden 
waren,  um  dann  wieder  aufzutreten. 

204 


^^JSSi  Q       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         83 1 


Schlaßbetrachtiingen. 

Im  vorstehenden  haben  wir  diejenigen  33  Gehirne  unserer  Sammlung  be- 
schrieben, welche  bei  pathologischen  Veränderungen  des  striären  Neuronen- 
Systems  im  engeren  Sinne  durch  keine  anderen  Hirnerkrankungen  verdeckte 
striäre  oder  pallidäre  Symptome  dargeboten  hatten. 

Ks  bleibt  uns  jetzt  nur  noch  übrig,  zu  untersuchen,  wie  weit  wir  auf  Grund 
dieses  Materials  jene  in  der  Einleitung  kurz  skizzierten  Fragen  beantworten 
können,  welche  C.  Vogt  und  später  uns  beide  zu  der  vorliegenden  Arbeit  ver- 
anlaßt haben. 

Wir  sind  im  Vorstehenden  bemüht  gewesen,  diejenigen  Neuronengruppen. 
deren  Erkrankung  verwandte  Symptome  hervorruft,  zum  striären  System 
im  engeren  Sinne  zu  vereinigen. 

Die  Symptomatologie  unserer  einzelnen  Fälle  ist  nun  aber  doch  eine  sehr 
verschiedene.  Man  vergleiche  nur  einen  Athetotiker  mit  einem  vollständig 
Versteiften!  Man  muß  sich  aber  i.  vergegenwärtigen,  daß  unser  engeres  striäres 
System  Grisea  von  verschieden  hoher  Funktion  umfaßt.  Je  nach  der  Zer- 
störung eines  physiologisch  höheren  oder  tieferen  Griseum  müssen  feinere  oder 
gröbere  Ausfälle  auftreten.  Der  Ausfall  der  feineren  Striatumfunktion  führt 
zu  fortgesetzten  unwillkürlichen  Bewegungen,  derjenige  der  gröberen  Pallidum- 
funktion  zeitigt  die  von  größter  Bewegungsarmut  begleitete  Versteifung.  So 
entstehen  äußerlich  sehr  ungleiche  Krankheitsbilder.  Ihr  enger  Zusammenhang 
wird  aber  2.  dadurch  dokumentiert,  daß  im  Verlauf  der  einzelnen  Erkrankung 
der  Ausfall  der  Pallidumfunktion  zu  demjenigen  der  Striatumfunktion  hinzu- 
treten und  so  allmählich  das  Krankheitsbild  ganz  beherrschen  kann.  3.  Erhellt 
aber  die  intime  Verwandtschaft  der  durch  Schädigungen  des  engeren  striären 
Systems  entstehenden  Krankheitsbilder-  speziell  aus  der  wichtigen  Tatsache, 
daß  eine  einseitige  Erkrankung  dieses  Neuronensystems  an  irgendeiner 
Stelle  immer  nur  einen  Ausfall  der  Striatumfunktion  der  betreffenden  Seite 
zur  Folge  hat.  Wir  verweisen  wegen  Einzelheiten  dieser  Tatsache  auf  Ausführungen 
in  unserem  Beitrag  „Zur  Kenntnis  usw.**  S.  33  ff.  und  wegen  unserer  Erklärung 
derselben  auf  S.  47  f.  des  gleichen  Aufsatzes;  4.  können  wir  aber  noch  die  Fest- 
stellung hinzufügen,  daß  wir  andererseits  in  unserer  Sammlung  und  unter  den 
genügend  einwandsfreien  Beobachtungen  anderer  Autoren  nicht  einen  Fall 
mit  einer  ähnlichen  Symptomatologie  und  einem  Intaktsein  des  striären  Systems 
im  engeren  Sinne  gefunden  haben.  So  stellt  das  striäre  System  im  engeren 
Sinne  ein  Neuronensystem  dar,  dessen  Erkrankung  an  jeder  belie- 
bigen Stelle  bei  genügender  Würdigung  der  unter  i  aufgezählten  Mo- 
mente miteinander  verwandte  Krankheitsbilder  hervorruft,  während 
anderweitig  lokalisierte  pathologische  Prozesse  diese  Syndrome 
nicht  bedingen.     Das  striäre  System  im  engeren  Sinne  gewährt  uns  also  ein 

205 


833  C.  UND  O.  VOGT.  '**^i: 


und 


Beispiel  dafür,  wie  in  der  Zukunft  das  Nervensystem  zum  Zweck  des  Ver- 
ständnisses der  klinischen  Erscheinungen  wie  der  physiologischen 
Leistungen  in  Neuronensysteme  zu  gliedern  ist. 

Schon  vor  der  Frage,  ob  ein  striäres  Neuronensystem  mit  ihm  eigenen 
Krankheiten  abgrenzbar  sei,  beschäftigte  uns  eine  andere,  nämlich  die,  ob  eine 
isolierte  Erkrankung  des  ganz  eigenartig  gebauten  5^'a/um  durch  eine  pro- 
portionale Besonderheit  ihrer  Symptomatologie  charakterisiert  sei.  An  diese 
Frage  schloß  sich  weiterhin  diejenige  an,  ob  dasselbe  auch  von  dem  wiederum 
architektonisch  ganz  isoliert  dastehenden  Pallidum  gelte. 

Schon  die  die  verschiedenen  Krankheitsgruppen  zusammenfassende 
Analyse  unserer  Fälle,  wie  wir  sie  in  unserem  Aufsatz  „Zur  Kenntnis  usw." 
gaben,  führte  zu  einer  Bejahung  dieser  Frage.  Zur  gleichen  Anwort  gelangen 
wir  aber  auch  auf  Grund  der  vorstehenden  besonderen  Analyse  der  Krank- 
heitssymptome   jeder    der    obigen    acht    pathologisch- anatomischen    Gruppen. 

Beginnen  wir  mit  dem  Striatumsyndrom!  Man  muß  natürlich  Reiz- 
und  Ausfallssymptome  unterscheiden.  Wir  möchten  uns  auf  die  Ausfalls- 
symptome beschränken,  als  welche  wir  die  Krankheitserscheinungen  des  Status 
marmoratus,  fibrosus,  desintegrationis  und  großer  alter  Herde  früheren  Aus- 
führungen zufolge  ansehen  zu  dürfen  glauben.  Wir  sehen  dementsprechend 
das  Striatumausfa  11s Syndrom  als  durch  folgende  Symptome  charakterisiert  an: 

1.  Striäre  Akinesen,  welche  wenigstens  eine  Komponente  in  der  Armut  des 
Minenspiels  sowie  der  Mitbewegungen,  Positionsänderungen,  Orientierungs- 
bewegungen, Schutz-  und  Abwehrreflexe  darstellen  und  sich  ferner  viel- 
leicht  in  einer  gewissen  Asthenie  der  im  Einzelfall  befallenen  Muskeln  äußern, 

2.  Inkoordinationen^,  die  besonders  in  der  Bulbärmuskulatur  und  im 
Gehen  und  Stehen  zutage  treten, 

3.  substriäre  (pallidäre)  Hyperkinesen  und  zwar: 

a)  unwillkürliche  Bewegungen  (choreatische  Zuckungen,  eine  eventuell 
nur  als  Pseudobabinski  auftretende  Athetose,  Spasnius  mobilis,  Tremor;  größten- 
teils gesteigerte  Ausdrucksbewegungen  darstellende  Mitbewegungen;  Zwangs- 
lachen und  Zwangsweinen),  welche 

a)  wohl  immer  willkürlich  für  den  Augenblick  unterdrückt  werden 
können  und 

ß)  durch  periphere  Reize  und  vor  allem  seelische  Vorgänge  gemütlicher 
Natur  hervorgerufen  oder  gesteigert  werden, 

b)  hypertonische  Zustände, 

er)  deren  Dauer  und  Intensität  noch  nicht  genügend  geklärt  ist,  weil 
wir  über  ganz  reine  Striatumer krankungen  nicht  verfügen, 

ß)  die  durch  periphere  und  vor  allem  psychische,  bei  feinerer  Analyse 
wohl  immer  auf  Emotionen  zurückzuführende  Reize  verstärkt,  durch  Dehnungs- 
reize  nicht  gesteigert,  durch  nicht  reizend  wirkende  passive  oder  aktive  Be- 
wegungen aber  sogar  gemildert  werden. 


^)  Wie  weit  diese  Inkoordinationen  auf  striärer  Akinesie  und  wie  weit  auf  substriärer  Hyper- 
kinesie  beruhen,  bedarf  noch  der  Klärung.     Vergleiche  darüber  üben  S.  820 1 
206 


l  3       ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        833 


y)  entweder  in  spezifischer  Form  besondere  Muskelgruppen  bevor- 
zugen oder  Agonisten  und  Antagonisten  gleichmäßig  befallen  und 

d)  eine  gewisse  Abnahme  der  Muskelkraft  oder  Bewegungsverlang- 
»axnungen  veranlassen, 

4.  vielleicht  gelegentlich  eine  patho- physiologisch  noch  ganz  unklare 
Hypotonie  und 

5.  das  Fehlen  anderer  Störungen. 

Ein  solches  Krankheitsbild  wird  durch  die  Erkrankung  keines  anderen 
Griseum  des  Cerebrum  hervorgerufen,  sofern  nicht  die  strio-petale  oder  die  strio- 
fugale  Faserung  getroff^  ist.  Die  Erkrankung  des  Striatum  veranlaßt  also 
\usfallserscheinungen,  deren  Besonderheiten  durchaus  in  proportionalem 
V^erhältiiis  zu  seiner  ganz  eigenen  Architektonik  stehen.  Unser  Befund  be- 
stätigt also  durchaus  unsere  Auffassung  von  einem  Parallelismus  zwischen 
architektonischer  und  physiologischer  Differenz. 

Einen  um  denjenigen  der  Striatumleistung  vermehrten  Ausfall  der  Palliduni' 
funktion  oder  wenigstens  eine  sehr  starke  Reduzierung  der  letzteren  haben  wir 
im  Endstadium  der  Totalnekrose  und  des  Status  dysmyelinisatus  vor  uns.  Eine 
Annäherung  an  diesen  Zustand  bilden  schwere  Desintegrationen  des  Pallidum. 
Alle  diese  Fälle  zeitigen  bei  beiderseitiger  Erkrankung  eine  dauernde  schwere 
V^ersteifung.  Bezüglich  des  Status  desintegrationis  möchten  wir  zunächst 
unsere  Fälle  24  und  25  einander  gegenüberstellen.  Weiter  verweisen  wir  speziell 
noch  auf  Hunts  Fall  »Juveniler  Paralysis  agitans*'.  Auf  der  anderen  Seite  fand 
Pollok  bei  einem  an  progressiver  Degeneration  des  Lentiforme  leidenden  Kran- 
ken, der  schon  zu  einer  Zeit  starb,  wo  noch  keine  Kontrakturen  bestanden,  nur 
eine  geringe  Miterkrankung  des  Pallidum.  Dagegen  haben  wir  in  der  Literatur 
keinen  genügenden  Nachweis  dafür  gefunden,  daß  eine  auch  nur  relativ  reine 
Striatumerkrankung  derartig  schwere  Versteifungen  zur  Folge  hat.  Bezüglich 
des  Economoschen  Falles  haben  wir  bereits  in  unserem  Beitrag  ,,Zur  Kennt- 
nis usw.**  betont,  daß  die  vom  Verfasser  beschriebenen  sekundären  Degenera- 
tionen auf  eine  schwerere  Erkrankung  des  Pallidum  hinweisen,  als  sie  der  Autor 
sugibt.  Die  Fälle  Löwy  und  Deutsch  können  zur  Klärung  der  Frage,  welchen 
!3rad  von  Muskelstarre  reine  Striatumerkrankungen  auslösen,  nicht  herangezogen 
Verden,  da  Löwy s  Fall  gar  nicht  mikroskopisch  geprüft  und  der  Deuts chsche 
Fall  nur  mangelhaft  untersucht  und  beschrieben  ist. 

So  steht  unsere  Schlußfolge,  daß  eine  beiderseitige  schwere  Erkrankung  des 
t^allidum  zu  einer  durch  Striatumerkrankungen  nicht  auslösbaren  allgemeinen 
Versteifung  führe,  in  keinem  Widerspruch  zu  irgendeinem  genügend  unter- 
suchten Fall  anderer  Autoren.  Damit  zeigt  aber  die  Erkrankung  des  Pallidum 
ron  neuem  die  Proportionalität  zwischen  architektonischer  und 
unktioneller  Differenz. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  der  Frage,  welche  Schlußfolgerungen  wir  aus 

lern  Pallidum-  und  dem  Striatumsyndrom  auf  die  normale  Funktion  dieser 

irisea  ziehen  können. 

207 


834 C.  UND  0.  VOGT, ^^ifa^ggy 

Bei  Beantwortung  dieser  Tatsache  wollen  wir  uns  fünf  früher  erhobener 
anatomischer  Feststellungen  erinnern. 

1.  Das  Pallidum  und  das  Striatum  des  Menschen  zeigen  gegenüber  den 
betreffenden  Organen  des  Cercopithecinengehirns  weder  eine  Rückbildui:^ 
noch  eine  Weiterentwicklung.  Wir  müssen  deshalb  beiden  Grisea  die  gleiche 
Funktion  zuschreiben,  welche  sie  bei  den  niederen  Affen  ausüben. 

2.  Die  Faserung  des  Pallidum  ist  so  viel  früher  markhaltig  als  die- 
jenige des  Striatum,  und  des  Cortex,  daß  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  der 
ontogenetischen  Entwicklung  eine  Zeit  existiert,  in  welcher  die  höchsten  moto- 
rischen Äußerungen  vom  Striatum  und  dem  Cortex  unbeeinflußte  Pallidum- 
reflexe  darstellen. 

3.  In  der  cortico-spinalen  Faserung  und  wohl  auch  in  der  Großhirn- Brücken- 
Kleinhirnbahn  haben  wir  cortico-fugale  Wege,  welche  mit  Umgehung  von  Palli- 
dum und  Striatum  unmittelbar  auf  das  periphere  motorische  Neuron  ein- 
wirken können. 

4.  Die  pallido-  und  strio-petale  Zuleitung  stammt  wenigstens  in  der  Haupt- 
sache aus  dem  Thalamus  und  ihm  unmittelbar  benachbarten  Grisea. 

5.  Die  subpallidären  Bahnen  wirken  nicht  unmittelbar  auf  das  peri- 
phere motorische  Neuron  ein. 

Unter  Berücksichtigung  dieser  anatomischen  Tatsachen  müssen  wir  am 
dem  PalUdumsyndrmriy  d.  h.  aus  der  bei  anderen  pathologischen  Veränderungen 
nicht  zur  Beobachtung  kommenden  allgemeinen  Versteifung  in  ganz  vertrackten 
Stellungen  schließen,  daß  das  Pallidum  unter  normalen  Verhältnissen  eiK 
hemmende  Wirkung  auf  subpallidäre  Grisea  ausübt. 

Aus  dem  Striatumsyndrom  haben  wir  zunächst  zu  folgern,  daß  das  PaUidim 
das  Zentrum  für  zahlreiche  primitive  Kinesen  darstellt.     Es  handelt  sich 
dabei  ausschließlich  um  solche,  welche  nicht  nur  beim  Erwachsenen  unwill- 
kürlich^)  erfolgen,   sondern  auch   auf  diese  Weise  zustande  kommen,   soweit 
unser  Gedächtnis  in  die  Kindheit  zurückreicht.     Sie  werden  ferner  nicht  nur 
alle  durch  Emotionen,  d.  h.  vermutlich  durch  cortico- thalamische  Reize  ver- 
stärkt, sondern  ein  Teil  derselben  bildet  direkt  grobe  Ausdrucksbewegungen 
unseres  Gefühlslebens.    Mit  der  myelogenetisch  wahrscheinlich  gemachten  Tat- 
sache,   daß   diese   Pallidumkinesen   die   höchsten   motorischen   Leistungen  des 
kleinen  Kindes  darstellen,  stimmt  die  schon  S.  659  erwähnte  Verwandtschaft 
mancher  Erscheinungen  des  Striatumsyndroms    (der  choreatischen  Ausdrucks- 
und Mitbewegungen  nach  Freund,  Anton,  Leri  u.  a.,    der  Spastizitat  nach 


^)  Unter  unwill  kürlichen  Bewegungen  verstehen  wir  solche,  welchen  niemals  eine  die  Idee  dnei 
aktiven  Handelns  enthaltende  Ziel  Vorstellung  vorausgeht  und  deren  Ausführung  von  keinen 
Aktivitätsgefühl  begleitet  wird.  Primäre  Automatismen  sind  solche  Bewegungen,  fOr  tndck 
dieser  Sachverhalt  nach  unserem  Erinnerungsvermögen  für  immer  ^gölten  hat.  Unter  se  kundiren 
Automatismen  verstehen  wir  dagegen  diejenigen,  welche  sich  in  einem  gegebenen  lloment  ohne 
die  eben  genannten  psychischen  Phänomene  vollziehen,  jederzeit  aber  diese  Begleitung  wieder 
erfahren  können  und  sich  unter  einer  solchen  eingeübt  haben.  Es  muß  natürlich  das  Bestreben  dei 
Naturforschers  sein,  diese  verschiedenen  Äußerungen  der  Motilität  rein  physiologisch  zu  definieitfi. 
Aber  es  ist  dies  vorläufig  nicht  möglich. 
208 


^it^JSSl  q       2JUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.         835 


S. 


Anton  und  L^ri  sowie  der  Pulsionen  nach  Zingerle)  mit  der  Motilität  der 
frühesten  Kindheit  überein.  Die  Feststellung  endlich,  daß  der  Cortex  Bahnen 
zum  peripheren  Keuron  ohne  Berührung  des  striären  Systems  entsendet,  >  macht 
verständlich,  daß  willkürliche  Bewegungen  und  Entspannungen  pallidäre  Kinesen 
vortfbei^^ebend  zu  hemmen  vermögen. 

Diese  primitiven  Kinesen  des  Pallidum  erfahren  nun  durch  das  Striahani 
vor  allem  auf  denervatorischem,  aber  auch  auf  innervatorischem  Wege  ■-—  wie 
aus  der  Existenz  der  Striatumakinesen  hervorgeht  —  eine  starke  Zügelang: 
Aul. diese  Weise  werden  die  Pallidumkinesen  verfeinert.  Es  bleibt  aber  auch 
diese  Zügelung  eine  unwillkürliche:  eine  primär  automatische.  So  er-: 
weist  sich  das  Striatum  beim  Erwachsenen  als  ein  dem  Pallidum  übei^eordnetes 
Zentrum  für  unser  unwillküriiches  ,, Mienen*  und  Gestenspiel,  für  automatische 
Mitbewegungen  und  Positionsänderungen,  für  Abwehr-  und  Schutzreflexe^'. 
EjKÜich  müssen  wir  aus  der  Tatsache,  daß  Bulbärsymptome,  Steh-  und  Geh« 
9^6niiigen,  sowie  wohl  auch  eine  echte  Verarmung  und  Vereinfachung  anderer 
Wdlktirbewegungen  bei  Striatumerkrankungen  auftreten,  schließen,  daß  ein 
Teil  dieser  primären  Automatismen  als  elementare  Teilbewegungen  in  die  höher 
koordiiiierteny  kortikalen  Willkürbewegungen  aufgenommen  werden.  Bei  dieser 
Destung  der  Bulbärsymptome  und  der  Geh*  und  Stehstörungen  brauchen  wir 
diese  nicht  alle  auf  die  Spastizität  zurückzuführen,  setzen  wir  uns  aber 
its  nicht  durch  Annahme  eines  e^entlichen  Sprachzentrums  oder  eines 
sokheo  i^  den  aufrechten  Gang  in  Gegensatz  zu  unserer  anatomischen  Fest- 
stelhu^^y  daß  Striatum  und  Pallidum  des  Menschen  durchaus  einen  Cercopithe- 

cifwocharakter  bewahrt  haben. 

•» 

Die  letzten  Ausführungen  veranlassen  noch  eine  andere  in  der  Einleitung 
angeschnittene  Frage.  Wir  erkennen  aus  ihnen  nicht  nur,  daß  das  striäre 
System  bestimmte  motorische  Funktionen  hat,  sondern  wir  sehen  gleichzeitig, 
wie  sich  diese  phylogenetisch  alten  Leistungen  des  striären  Systems  in  die  jüngeren 
nnd  höherm  des  Cortex  als  unentbehrliche  Elemente  einordnen.  Man  kann  ruhig 
fortfahren,  die  motorischen  Äußerungen  der  Hirnrinde  unter  dem  Bilde  des 
Reflexbogens  zu  betrachten.  Man  muß  sich  aber  vergegenwärtigen,  daß  der 
cortico-fugale  Abfluß  in  sehr  verschiedene  Bahnen  erfolgt,  daß  sich  dieser 
Abfluß  unter  Aufnahme  bis  dahin  sich  in  andere  Bahnen  ergießender  Reiz- 
energie subkortikaler  Reflexe  vollzieht  und  daß  endlich  die  erste  in  die  Peri- 
pherie gelangte  Reizenergie  neue  tiefere  und  höhere  Reflexe  auslöst. 
So  ist  in  Wirklichkeit  der  unserer  Motilität  zugrunde  liegende  „Reflexbogen" 
auch  bei  bloßer  Berücksichtigung  der  innervatorischen  Seite  schon  von  einer 
Kompliziertheit,  die  wir  uns  vorläufig  nicht  vorstellen  können.  Dabei  dürfte  die 
Anregung  der  striären  Leistungen,  soweit  sie  Ausdrucksbewegungen  darstellen, 
vornehmlich  durch  einen  cortico-fugalen  Abfluß  in  den  Thalamus  zustande 
konunen.  In  welchem  Maße  aber  die  striären  Elemente  der  Willkürbewegungen 
erst  durch  Umgestaltung  des  Abflusses  der  striären  Reizenergie  oder  gar  auf 
uem  Wege  über  die  Peripherie  in  Tätigkeit  gesetzt  werden,  entzieht  sich  vorläufig 
dnserer  Kenntnis,  wie  wir  schon  oben  S.  690  betont  haben.  : 

1  4     jooriial  f.  Pqreholoffi«  and  Neurologie.    Bd.  35.    Ergh.  3.  i309 


836 C.  UND  O.  VOGT. !°!Sl.yÄ? 

Aus  allen  bisherigen  Schlußbetrachtungen  geht  daher  zweifellos  hervor, 
daß  wir  heute  i.  bereits  wichtige  Kenntnisse  von  der  Symptomatologie 
der  pathologischen  Veränderungen  des  engeren  striären  Systems 
besitzen  und  2.  daraus  Schlüsse  auf  die  normale  Funktion  desselben  ziehen 
Icönnen.  Wir  haben  damit  gegenüber  der  Zeit,  in  welche  der  Beginn  luiserer 
Studien  fällt,  zusammen  mit  anderen  Autoren  für  jeden,  der  sehen  will,  gezeigt, 
daß  das  striäre. System  beim  Mensdien  nicht  nur  physiologisch  und 
klinisch  seine  Bedeutung  hat,  sondern  in  welcher  Richtung  dieselbe  liegt 

Wir  sind  uns  dabei  der  vielen  Lücken  unserer  Feststellungen  durchaus 
bewußt. 

Entgegen  dem  in  der  pathologischen  Anatomie  des  Nervensystems  weit 
verbreiteten  Vorkommnis,  aus  Unkenntnis  der  Schwankungen  der  normalen 
Verhältnisse  innerhalb  dieser  gelegene  und  noch  mehr  unmittelbar  prä- 
mortale oder  gar  —  was  am  häufigsten  vorgekommen  ist  —  natürliche  oder 
künstliche  postmortale  Veränderungen  als  pathologische  zu  beschreiben, 
sind  wir  bemüht  gewesen,  nur  diejenigen  Befunde  zu  registrieren,  welche  wir  auf 
Grund  eingehender  Vergleiche  mit  unserem  normalen  Material  wirklich  ab 
pathologisch  anzusprechen  uns  für  berechtigt  hielten.  Eine  noch  weitere  Ver- 
tiefung in  die  normale  Anatomie  wird  un^  wohl  hier  und  da  noch  eine  nicht 
erwähnte  pathologische  Veränderung  in  unserem  Material  erkennen 
lassen,  selbst  wenn  wir  von  den  erst  durch  besondere  oben  S.  662  erwähnten 
Messungen  erkennbaren  leichteren  Größenabweichungen  von  der  Norm  abseheiL 
Im  allgemeinen  glauben  wir  aber  doch  das  Wesentliche  in  unseren  Fällen  er- 
kannt zu  haben:   die  allen  gemeinsame  Erkrankung  des  engeren  striären 

m 

Systems, 

Dagegen  zweifeln  wir  nicht  einen  Moment  daran,  daß  die  von  uns  unter- 
schiedenen Gruppen  in  der  Zukunft  noch  eine  weitere  Vermehrung  erfahren 
werden. 

Daneben  ist  ferner  eine  eingehende  Vertiefung  des  Studiums  der  oben  be- 
f^chriebenen  pathologischen  Prozesse  nach  ihrer  histo- pathologischen  Seite 
^in  dringendes  Bedürfnis.  Sie  kann  uns  allein  bessere  Einblicke  in  die  Ätiologie 
der  architektonischen  Veränderungen  gewähren. 

Endlich  ist  aber  noch  eine  gründlichere  Analyse  der  klinischen  Sym- 
ptome des  einzelnen  Krankheitsbildes  eine  unentbehrliche  Voraussetzung  für 
den  weiteren  Ausbau  der  normalen  und  der  pathologischen  Physiologie  des  striären 
Systems.  Aus  unseren  Untersuchungen  hat  sich  eine  ganze  Reihe  neuer  Frage- 
Stellungen  ergeben.  Dieselben  konnten  natürlich  noch  nicht  in  den  Kranken- 
geschichten berücksichtigt  werden,  welche  uns  unsere  Kollegen  zur  Verfügung 
gestellt  haben.  Aber  in  der  Zukunft  muß  es  anders  werden]^)  Dabei  glauben 
wir  aus  den  Ergebnissen  unserer  Untersuchungen  die  Forderung  ableiten  zu 
dürfen,  daß  die  neuen  kUnischen  Fragestellungen  in  engster  Beziehung  mit 
der    pathologisch -anatomischen    Forschung    und    der    durch    sie    auf- 


*)  Wir  selbst  werden  uns  dementsprechend  nur  noch  zur  anatomischen  Untersuchung  solcher 
Fälle  entschließen,  in  welchen  die  klinische  Untersuchung  diese  Vertiefung  erfahren  hat. 
3IO 


^SlÜSSS;  ft        ZUR  LEHRE  DER  ERKR2WKÜNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        837 


8. 


gedeckten  Lokalisation  der  krankhaften  Veränderungen  erfolgen  müssen. 
Es  gilt  ja  nicht  nur  im  Einzelfall  die  klinischen  Symptome^  sowie  die  patho- 
Ic^ischen  Veränderungen  und  ihren  Sitz  in  möglichst  vollkommenem  Umfang 
SU  erfassen»  sondern  das  Wesentliche  in  der  Symptomatologie,  dem  histo* 
logischen  Prozeß  ^)  und  seiner  Lokalisation  zu  erkennen.  Zu  diesem  Zweck 
müssen  die  klinischen  und  pathologisch-anatomischen  Untersuchungen  in  eine 
bisher  nicht  vorhandene  enge  Arbeitsgemeinschaft  treten.  Daß  sie  dabei 
auch  noch  nach  Kräften  durch  normal-anatomische  sowie  experimentell- 
physiologische Forschungen  zu  fördern  sind,  braucht  wohl  nicht  weiter 
ausgeführt  zu  werden.  Beruht  doch  —  wie  wir  in  unseren  .Ausfuhrungen  hervor- 
zuheben nicht  unterlassen  haben  —  die  Unsicherheit  in  der  pathophysio- 
logischen  Erklärung  der  klinischen  Symptome  unserer  Krankheitsfalle  zu  einem 
großen  Teil  auf  Lücken  unseres  fasersystematischen  und  synaptologischen 
Wissens  und  dem  fast  noch  vollständigen  Fehlen  einer  experimentell-physio- 
logischen Erforschung  des  engeren  striären  Systems! 

Am  Ende  dieses  Teiles  unserer  Schlußbetrachtungen  möchten  wir  noch  zu 
den  von  v.  Strümpell  neuerdings  auf  Grund  von  klinischen  Studien  an  Kranken 
mit  pathologischen  Veränderungen  des  striären  Systems  aufgestellten  Begriffen 
der  normalen  ^^myostatischen  Innervation''  und  des  pathologischen  ,,amyostatischen 
Symptontenkamplexeä''  Stellung  nehmen,  v.  Strümpell  bezeichnet  die  von  der 
„vorderen  Zentralwindung"  durch  die  ,, Pyramidenbahn"  in  die  Peripherie 
geleitete  willkürliche  Motilität  als  die  myomotorische  oder  myodynämische  und 
stellt  ihr  die  diese  erst  ermöglichende  Innervation  und  Denervation  als  die 
myosUUische  gegenüber.  Die  Störungen  dieser  myostatischen  Funktionen  bilden 
Strümpells  amyostatischen  Symptomcnkomplex.  v.  Economo  und  Schilder 
haben  jüngst  dagegen  eingewandt,  daß  diese  Zusammenfassung  die  Gefahr  mit 
sich  brächte,  die  „feineren  Details"  der  einzelnen  Erkrankungen  zu  verwischen. 
Wir  stimmen  darin  den  Wiener  Autoren  bei,  wenn  wir  uns  auch  bewußt  sind, 
daß  man  ebenfalls  gegen  unsere  viel  engeren  Begriffe  des  Striatum-  und  des 
Pallidumsyndroms  den  gleichen  Vorwurf  machen  könnte.  Wir  haben  al>er  gegen 
die  V.  St r um pel Ischen  Begriffe  bei  voller  Anerkennung  alles  dessen,  was  der 
Autor  über  die  ,,myostatische'*  Funktion  sagt,  vor  allem  einzuwenden,  daß  die 
myostatische  Funktion  sich  nicht  nur  aus  dem  Zusammenspiel  des  striären 
Systems,  des  Cerebellum,  gewisser  Cortexabschnitte  usw.  zusammensetzt, 
also  lokalisatorisch  sehr  differente  Elemente  der  Motilität  umfaßt,  sondern  daß 
V.  Strümpells  Umgrenzung  der  myostatischen  und  myodynamischen  Funktion 
auf  alle  Fälle  sowohl  vom  lokalisatorischen,  wie  vom  psychophysiologischen 
Standpunkt  aus  keine  glückliche  ist.  So  rechnet  v.  Strümpell  einerseits  die 
choreatischen  Bewegungen  zu  denjenigen  des  ,,neurodynamischen  Pyramiden- 
systems".    Und  andererseits  müssen  wir  auf  (irund  unserer  Experimente  am 


')  Die  Wichtigkeit  der  Aufdeckung  des   Wesentlichen   bei   histologischen  VerAnderungen, 
ist  io  einer  uns  erst  bei  der  Korrektur  dieses  Druckbogens  zugesandten,   sehr  interessanten  Arbeit 
Spielmeyers  von  neuem  betont  worden  (Die  histopathologische  Zusammengehörigkeit  der  Wilson- 
sehen  Krankheit  und  der  Pftendosklerose.    Zeitschr.  f.  d.  ges.  Neurol.  u.  Psych.   Bd.  57,   1920).  * 
14»  211 


83« C.  UND  0.  VOGT.  ^"^vJ^^S!^ 

Affen  mit  der  Möglichkeit  rechnen,  daß  speziell  die  ,,myostatische"  Funktion  des 
agranulären  Gebiets  durch  Vermittlung  der  Area  gigantopyramidalis  und  damit 
eventuell  der  Pyramidenbahn  zustande  kommt.^)  Ferner  sind  nicht  nur  auf  Grund 
der  Introspektion  die  willkürlichen  Denervationen,  welche  v.  Strümpell  blofi 
nebenbei  erwähnt  und  zur  myöstatischen  Funktion  rechnet,  als  den  innerva- 
torischen  Myodynamismen  gleichwertig^)  anzusehen,  sondern  sie  gehen  nach  den 
Experimenten  Sherringtons  und  Herings  auch  teilweise  von  der  Area  giganto- 
pyramidalis aus.  Endlich  haben  wir  erst  S.  835  gesehen,'  daß  die  Willkür- 
bewegungen, welche  v.  Strümpell  doch  mit  seinen  myödynamischen  Bewegungen 
identifiziert,  auf  extrapyramidalcm  Wege  wirksame  striäre  Elemente  um- 
schließen. Das  ungeheuer  komplizierte  Problem  der  Motilität  kann  eben  unserer 
Ansicht  nach  nicht  durch  eine  rein  klinische  Beobachtung  unter  Berück- 
sichtigung einiger  Talsachen  der  Introspektion  gelöst  werden,  sondern  nur 
durch  topistische^)  Forschung,  d.  h.  durch  experimentellen  und  klinischen 
Ausbau  der  Lokalisationslehre  unter  Führung  der  architektonischen 
Gliederung  bei  gleichzeitiger  Benutzung  der  Tatsachen  der  Selbstbeobachtung. 
Die  Kliniker  müssen  endlich  aufhören,  unter  Nichtberücksichtigung  der  neue- 
sten Fortschritte  der  Lokalisationslehre  pathologischen  Bewegungsäußerungen 
ihren  Sitz  ansehen  zu  wollen. 

2. 

Wir  kommen  nunmehr  zu  den  pathologisch- anatomischen  Fragen, 
welche  uns  zu  der  vorstehenden  Untersuchung  veranlaßten.  Wir  haben  in  dieser 
und  früheren  Arbeiten  darauf  hingewiesen,  wie  in  den  obigen  Gruppen  ge- 
schilderte Krankheitsbilder  bis  in  die  jüngste  Zeit  hinein  von  einzelnen  Autoren 
als  sogenannte  funktionelle  Neurosen  angesprochen  wurden.  Um  so  auf- 
fallender ist  es,  daß  bereits  alle  untersuchten  Krankheitsbilder  ein  architek- 
tonisch faßbares  Substrat  geliefert  haben,  ein  Substrat,  welches  bereits 
im  Markfaserbild  mit  bloßem  Auge  erkannt  werden  kann.  Wir  haben  hier 
dieselbe  Überraschung  erlebt,  welche  uns  einst  die  architektonische  Rinden- 
felderung  bereitet  hat. 

Aus  dieser  Feststellung  möchten  wir  einige  methodologische  Forderungen 
für  die  Zukunft  herleiten.  So  wichtig  die  histopathologische  Vertiefung  der  Er- 
krankungen des  striären  Systems  unseren  obigen  Ausführungen  gemäß  auch 
ist,  so  scheint  uns  doch  für  die  Vergleichung  der  einzelnen  Fälle,  für  ihre  Grup- 
pierung und  ihre  lokalisatorische  Ausnutzung  das  Markfaserbild  und  das  er- 
gänzende Giesonbild  das  Wichtigste  zu  sein.  Die  soeben  erschienene  Ver- 
öffentlichung V.  Economos  und  Schilders  gibt  uns  z.B.  durchaus  kein  Bild 
von  der  Ausdehnung  des  pathologischen  Prozesses.    Die  Darstellungen  anderer 


^)  Vgl.  darüber  C.  und  0.  Vogt,  Zur  Psychophysiologie  der  Motilität.  Dieses  Journal,  Bd.  jtf. 
Vom  Standpunkt  der  Introspektion  werden  wir  in  dieser  Arbeit  die  Zielbewegungen  den  AuxiUSt* 
bewegtmgen  gegenüberstellen.  Beide  Gruppen  umfassen  innervatorische  und  denervatorisclie  Djf- 
namismen. 

*)  Vgl.  das  Nähere  in  0.  Vogt,  Zur  topistischen  Erforschung  des  Seelen-  und  Nervenlebens 
des  Menschen.    Dieses  Journal,  Bd.  26. 
212 


S:«i:i£2g  s.     zur  lehre  der  Erkrankungen  des  striären  Systems.      839 


Autoren  enthalten  schwere  anatomische  Widersprüche.  Wir  schlagen  deshalb 
vor,  zunächst  zur  Erleichterung  des  Vergleichs  nur  Front alserien  anzuwenden, 
bei  annähernd  bilateraler  Erkrankung  eine  Hemisphäre  in  eine  lückenlose 
Markfaserserie  zu  zerlegen  und  nur  die  andere  Hemisphäre  für  feinere  histo- 
pathologische  Methoden  zu  reservieren,  bei  unilateraler  oder  ungleicher 
Erkrankung  der  Hemisphären  aber  beide  nach  Herausschneiden  schmaler 
Blöcke  zu  sonst  lückenlosen  Markfaserserien  zu  verarbeiten.  Nur  in  ,ganz 
frischen  Fällen  sollte  man  davon  absehen  und  die  Marchi-Methode  in  An- 
wendung bringen.  Diese  warme  Empfehlung  der  Benutzung  von  Weigert:  oder 
richtiger  Kultschitzky- Falschen  Markfaserserien  stützt  sich  dabei  noch  speziell 
auf  zwei  Tatsachen.  Bei  gut  gelungener  Färbung  verrät  sich  jede  destruktive 
Rindeoerkrankung  sofort  dem  Kenner  der  Cortexmyeloarchitektonik.  Irgend- 
welche kortikalen  Komplikationen  einer  striären  Erkrankung  werden  deshalb 
bei  Durchforschung  der  Markfaserserie  nicht  übersehen  werden.  Dasselbe  gilt 
von  Thalamusveränderungen  oder  solchen  anderer  Grisea.  Dazu  kommt  dann 
aber  noch  die  weitere  Tatsache,  dafl  etwas  ältere  lokale  Prozesse  sich  auch  in 
den  sekundären  Degenerationen  äußern.')  Für  die  pathophysiologische 
Deutung  möge  man  sich  aber  bei  dem  Vorhandensein  architektonischer 
Veränderungen  vorläufig  an  diese  halten  und  nicht  irgendwelche  feine  Ver- 
änderungen, z.  B.  in  Sudanpräparaten  hervortretende  Fettablagerungen,  eine 
wichtige  Rolle  spielen  lassen.  Wir  werden  diese  letzte  Forderung  noch  weiter 
unten  näher  begründen. 

Wenn  wir  von  der  Ähnlichkeit  zwischen  Etat  dysmy61inique  und  dem  Schwund 
derPallidumfaserung  im  Status  desintegrationis  (Etat  paradjrsmy61inique)  absehen, 
sind  alle  oben  von  uns  unterschiedenen  pathologisch-anatomischen  Gruppen  gut 
gegeneinander  abgegrenzt.  Sie  sind  reell  in  der  Natur  existierende  und 
nicht  etwa  nur  —  wie  es  fälschlicherweise  von  systematischen  Gruppen  der 
Zoologie  und  Botanik  so  oft  behauptet  worden  ist  —  auf  Abstraktionen 
beruhende  künstliche  Kategorien.  Wollen  wir  diesen  Befund  mit  0.  Vogts 
Ergebnissen  seiner  Studien  über  das  Variieren  gewisser  Insektenarten  in  Ana- 
logie bringen,  so  müssen  wir  —  entsprechend  unseren  Ausführungen  in  der  Ein- 
leitung —  schließen,  daß  extrastriäre  Schädigungen  —  eventuell  auch  nur 
in  der  Aszendenz  —  als  Ursache  nicht  nur  des  Status  marmoratus  (vgl.  oben 
S.  692!),  sondern  auch  der  übrigen  Krankheitsformen  anzusehen  sind.  Unsere 
bisherigen  Studien  haben  aber  nach  dieser  Richtung  keine  positiven  Ergebnisse 
gehabt.  Wir  können  höchstens  für  diejenigen  Erkrankungen,  welche  mehrere 
Geschwister  befallen,  ohne  sich  in  der  Aszendenz  gezeigt  zu  haben  (Etat  marbr6, 
Totalnekrose),  entsprechend  dem  schon  S.  692  Ausgeführten  von  der  hypothetischen 
Noxe  vermuten,  daß  sie  bereits  die  Keimzellen  getroffen  hat.    Es  erscheint  uns 


')  So  wird  die  in  der  eben  erwfthnten  Arbeit  Spielmeyers  zitierte  Verftnderuog  des  Subi- 
kulum  (S.  337)  auch  myeloarchitektonisch  hervortreten.  Und  die  von  diesem  Autor  beobachtete 
Erkrankung  des  Dentatum  (S.  327)  wird  sich  nicht  nur  in  einem  veränderten  architektonischen  Bild, 
sondern  auch  in  einer  sekundären  Degeneration  des  Brachium  conjunctivum  offenbaren. 

213 


840  C.  UND  0.  VOGT.  ''^'Sd  HeSSöSS*" 

aber  als  eine  durchaus  fruchtbare  Aufgabe  der  weiteren  Forschung,  nach  der- 
artigen Schädigungen  zu  suchen. 

fLbenso  muß  künftigen  Untersuchungen  die  Entscheidung  darüber  vor- 
behalten bleiben,  in  welchem  xMaße  besondere  Familien  und  Rassen  spezi- 
fisch gefärbte  Erkrankungen  des  striären  Systems  zeigen  oder  bei  gewissen 
Rassen  bestimmte .  Krankheiten  überhaupt  nicht  auftreten,  wie  man  es 
entsprechend  unserer  Einleitung  bei  durch  extrastriäre  Noxen  ausgelösten 
Schädigungen  des  striären  Systems  annehmen  muß. 

In  der  vorstehenden  Arbeit  ließen  33  Fälle  pathologisch- anatomischer 
Veränderungen  des  engeren  striären  Systems  8  Gruppen  unterscheiden.  Drei 
dieser  Gruppen,  den  Status  marmoratus,  den  progressiven  Status  fibrosus  und 
den  Status  desintegrationis,  hätten  wir  leicht  um  viele  Fälle  vermehren  können, 
wenn  wir  uns  der  Mühe  ihrer  Untersuchung  bei  den  bisher  üblichen  Kranken- 
geschichten hätten  unterziehen  wollen.  Aus  dieser  Sachlage  scheint  uns  ohne 
weiteres  die  beschränkte  Zahl  verschiedener  Erkrankungen  des  striären  Systems 
hervorzugehen,  wenn  auch  die  weitere  Forschung  zweifellos  noch  neue  Formen 
aufdecken  wird.  In  dieser  Beschränktheit  striärer  Krankheiten  ^ehen  wir  nach 
unserer  Einleitung  den  Ausdruck  dafür,  daß  die  Gewebselemente,  welche  die 
einzelnen  Teile  des  striären  Systems  zusammensetzen,  ihrer  Konstitution  nach 
nur  in  ganz  bestimmten  Richtungen  auf  extrastriäre  Schädigungen  reagieren 
können. 

Mit  dieser  Einengung  \'on  Reaktionsformen  dürfte  es  weiter  zusammen- 
hängen, daß  wie  wir  es  in  der  Einleitung  von  den  künstlichen  Schmetterlings- 
aberrationen erwähnten  -  ganz  ungleiche  Ursachen  nahezu  identische 
pathologisch- anatomische  Bilder  zeitigen.  Wir  haben  schon  in  unseren 
Aufsätzen  und  hier  S.  694  darauf  hingewiesen,  daß  ein  enzephalitischer  Groß- 
hirnherd im  kindlichen  Gehirn,  eine  enzephalitische  Erweichung  der  Umgebung 
des  Striatum  beim  Erwachsenen,  die  unbekannten  Ursachen  der  einfachen  pro- 
gressiven und  der  Huntingtonschen  Chorea,  sowie  die  progressive  Paralyse  zu 
jener  elektiven  Nervenzellnekrose  führen,  welche  den  Status  fibrosus  zeitigt. 
Die  unbekannte  Ursache  der  Wilsonschen  Krankheit  veranlaßt  —  so  führten 
wir  früher  (,,Zur  Kenntnis  usw.',  S.  52)  auch  schon  aus  —  ebenso  wie  eine  Stran- 
gulation eine  Totalnekrose.  Wir  können  heute  noch  diese  Feststellungen  dahin 
ergänzen,  daß  die  (iefäßsklerose,  welche  nicht  nur  zu  großen  hämorrhagischen 
und  malacischen  Herden  führt,  sondern  auch  die  Lakunen  und  vielleicht  sogar 
die  Criblüren  veranlaßt,  sicherlich  eine  sehr  verschiedene  Ätiologie  hat. 

Führen  aber  ungleiche  Ursachen  zu  annähernd  denselben  anatomischen 
Veränderungen,  so  entsteht  die  w- eitere  Frage,  ob  diese  Veränderungen  im  Einzel- 
fall  nicht  doch  eine  durch  die  spezielle  Ätiologie  bestimmte  Färbung 
aufweisen.  Diese  PVage  können  wir  schon  heute  für  die  4  Gruppen  des  Etat 
fibreux  bejahen.  Der  durch  enzephalitische  Nachbarprozesse  ausgelöste  erreicht 
nicht  nur  bald  einen  Stillstand,  sondern  auch  der  Bau  der  Ersatzglia  ist  —  wie  wir 
oben  S.  699  sahen  —  ein  besonderer.  Bei  den  drei  anderen  Ätiologien  ist  die 
elektive  Zellnekrose  nicht  nur  eine  dauernd  progressive,  sondern  bei  der  einfachen 
Chorea  ist  die  Gliose  eine  geringere  als  bei  der  Huntingtonschen,  und  bei  der 
214 


SL^LJS^  8.       2^^  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  DES  STRIÄREN  SYSTEMS.        84 1 


progressiven  Paralyse  zeigt  die  Striatumerkrankung  die  typischen  Gefäßverän- 
derungen der  Paralyse.  Die  pathologisch- anatomische  Untersuchung  darf  des- 
halb nicht  bei  der  Einreihung  des  einzelnen  Falles  in  eine  unserer  jetzigen  oder 
der  noch  später  abzugrenzenden  Gruppen  stehen  bleiben.  Sie  muß  in  die  be- 
sonderen Eigentümlichkeiten  jedes  Falles  möglichst  tief  eindringen,  um 
auf  diese  Weise  die  gegenwärtigen  Gruppen  in  ätiologisch  differente  Unter- 
abteilungen mehr  und  mehr  zu  zerlegen.  Nur  so  dürfen  wir  hoffen,  allmählich 
in  die  kausale  Begründung  der  einzelnen  Erkrankungen  des  engeren  striären 
Systems  einzudringen. 

Die  weitere  Vermutung,  daß  unsere  Erkenntnis  der  verschiedenen  Er- 
krankungen des  striären  Systems  seine  besondere  Disposition  oder  Nicht- 
veranlagung  zu  bestimmten  Erkrankungen  aufdecken  würde,  hat  sich  voll- 
ständig bestätigt,  wie  wir  schon  in  unserem  Beitrag  ,,Zur  Kenntnis  usw.**,  S.  53, 
feststellen  konnten:  „Der  Etat  marbr^  ist  eine  angeborene  Mißbildung,  welche 
in  diesem  Grade  bisher  nur  im  Striatum  beobachtet  worden  ist.  Sie  ergreift 
dabei  nie  die  Umgebung  des  Striatum.  Nur  in  sehr  viel  leichterem  Grade  kommt 
sie  daneben  als  C.  Vogts  Plaques  fibromy^liniques  im  Cortex  cerebri  vor.** ,  Da- 
gegen haben  wir  sie  bisher  niemals  in  einem  anderen  Griseum  des  Zentral- 
nervensystems aufgefunden.  Wir  dürfen  deshalb  wohl  ohne  weiteres  behaupten, 
daß  das  Striastum  zu  dieser  Mißbildung  ganz  besonders  disponiert  ist. 
In  der  elektiven  Zellnekrose  des  Striatum  als  einer  Teilerscheinung 
des  Bielschowskyschen  Typus  der  zerebralen  Hemiatrophie  ver- 
fallen die  Zellen  des  Striatum  und  solche  der  III.  Hirnrindenschicht  einer  Nekro- 
biose,  während  die  anderen  Hirnrindenschichten  intakt  bleiben.  Neben  der 
III.  Himrindenschicht  neigt  also  hier  das  Striatum  in  besonderem  Maße 
zu  einem  Absterben  seiner  Zellen.  Bei  dem  progressi.ven  Etat 
fibreux  der  einfachen  Chorea  haben  wir  vollends  eine  isolierte  schwerste 
Erkrankung  des  Striatum,  während  das  ganze  übrige  Zentralnervensystem, 
abgesehen  von  einer  leichten  Miterkrankung  des  Pallidum  und  selbst- 
verständlichen sekundären  Degenerationen,  intakt  sein  kann.  Von  neuem 
begegnet  uns  also  hier  eine  besondere  Disposition  des  Striatum  zur 
Nekrobiose.  Dagegen  nimmt  das  striäre  System  nur  ausnahmsweise  an 
dem  paralytischen  Prozeß  teil.  Dabei  existiert  noch  in  bezug  auf  Neigung 
zur  paralytischen  Erkrankung  ein  Unterschied  zwischen  Striatum  und  Pallidum. 
Umgekehrt  befällt  der  Status  dysmyelinisatus  vornehmlich  die  pallidäre 
Faserung.  ,,Die  Totalnekrose  beginnt  wohl  immer  im  Putamen.*'  Endlich  sind 
für  die  im  Etat  de  d&int^gration  vereinigten  pathologischen  Prozesse  Striatum 
und  Pallidum  Prädilektionsstellen.  Wir  sehen  so,  ,,daß  das  striäre  System  oder 
Teile  desselben  von  bestimmten  Erkrankungen  ausschließlich,  besonders 
stark  oder  speziell  oft  heimgesucht  werden".  Anderen  Krankheiten  verfällt 
dagegen  das  striäre  System  nur  selten.  Wir  können  dabei  schon  heute  fest- 
stellen, daß  diese  Dispositionen  oder  NichtVeranlagungen  keine  Beziehung  zum 
phylogenetischen  Alter  oder  zur  Reihenfolge  in  der  ontogenetischen 
Reifung  haben.  Im  Etat  fibreux  gehen  phylogenetisch  oder  ontogenetisch 
relativ  jugendliche  Neurone  (8  und  9  unserer  Textfigg.  i  und  2),  im  Etat  dysmy6- 

ai5 


«42  C^ND  0.  VOGT.  ^'^JSrciinAnii, 

linique  dagegen  zumeist  phylogenetisch  alte  und  ontogenetisch  früh  markreife 
Neurone  zugrunde.  Das  bei  der  einfachen  Chorea  absterbende  Striatum  ist 
aber  immerhin  noch  ein  phylogenetisch  sehr  altes  Gebilde  gegenüber  manchen 
Partien  der  bei  seiner  Erkrankung  intakt  bleibenden  Hirnrinde.  Auch  die  öfter 
ausgesprochene  Idee,  diese  diffcrente  Vulnerabilität  der  verschiedenen  zere- 
bralen Grisea  auf  ungleiche  Ernährungsbedingungen  und  dabei  speziell 
.  die  zweifellos  große  Empfindlichkeit  des  Striatum  für  manche  Erkrankungen 
auf  besonders  ungünstigeBlutversorgungsverhältnisse  desselben  zurück- 
führen zu  wollen,  ist  unserer  Ansicht  nach  mit  der  Tatsache  unvereinbar,  daß 
das  Striatum  gewissen  Erkrankungen  besonders  schwer  verfällt.  Dieser  Unter- 
schied in  der  Widerstandskraft  gegenüber  verschiedenen  Noxen  scheint  uns 
vielmehr  darauf  hinzuweisen,  daß  wir  denselben  direkt  auf  den  besonderen 
Chemismus  der  einzelnen  Grisea  des  Zentralnervensystems  zurückzuführen 
haben.  Mit  der  Feststellung  dieses  ungleichen  Chemismus  schaffen  wir  aber 
die  notwendige  Voraussetzung  für  seine  Aufdeckung  und  damit  —  wie  wir  schon 
wiederholt  betont  haben  —  weiterhin  die  unentbehrliche  Basis  für  jene  Chemo- 
therapie, die  uns  mehr  als  andere  therapeutische  Maßnahmen  eine  erfolgreiche 
Bekämpfung  der  striärcn  Erkrankungen  in  Aussicht  zu  stellen  scheint. 

Unsere  Untersuchungen  bezweckten  dann  weiter  —  entsprechend  unseren 
Ausführungen  in  der  Einleitung  —  die  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  patho- 
logisch-anatomische Gruppierung  der  Erkrankungen  des  striären  Systems  jene 
wissenschaftliche  Klassifikation  ermöglicht,  welche  nicht  nur  eine  schnellste 
Diagnose  gestattet,  sondern  auch  durch  Analogieschlüsse  uns  über  die  Prognose, 
die  Therapie  und  die  Prophylaxie  unterrichtet.  Wir  haben  in  der  Einleitung 
S.  633  schon  darauf  hingewiesen,  daß  Beginn  und  Entstehung  nervöser  Er- 
krankungen von  dem  pathologisch- anatomischen  Prozeß  und  der  Funktions- 
tüchtigkeit der  gesund  gebliebenen  Hirnteile  abhängt.  Bei  dieser  Sachlage  mufl 
sich  uns  die  Frage  aufdrängen,  ob  bei  Erkrankungen  des  striären  Systems  der  erste 
dieser  beiden  Faktoren  von  so  überragendem  Einflüsse  ist.  Als  Resultat  unserer 
Untersuchungen  konnten  wir  ni^n  bereits  in  unserem  Aufsatz  „Zur  Kenntnis  usw.", 
S.  51,  mitteilen,  daß  alle  acht  von  uns  unterschiedenen  Gruppen  von  patho- 
logisch-anatomischen Veränderungen  durch  spezifische  Krankheitsbilder  charak* 
terisiert  sind.  Daraus  ergibt  sich  ohne  weiteres,  daß  bei  einem  im  übrigen  ge- 
sunden Zentralnervensystem  die  Art  der  pathologischen  Erkrankung  des  striären, 
Systems  —  neben  der  Zeit  ihres  Auftretens  —  das  Krankheitsbild  vom  Anfang 
bis  zum  Ende  in  der  für  uns  heute  faßbaren  Form  allein  bestimmt. 

Aber  wir  können  noch  ein  Weiteres  feststellen.  Manche  Fälle  des  Status 
marmoratus  waren  mit  anderen  Anomalien  des  Zentralnervensystems  kombiniert 
Bei  der  Huntingtonschen  Chorea  und  bei  der  Paralyse  des  Striatum  existierte 
gleichzeitig  eine  schwere  Großhirnerkrankung.  Aber  alle  diese  die  Striatum- 
veränderungcn  begleitenden  Anomalien  des  Zentralnervensystems  haben  keinen 
heute  schon  erkennbaren  P^influß  auf  den  Charakter  des  jedesmaligen  striären 
Krankheitsbildcs.  Es  behält  also  in  vielen  Fällen  von  gleichzeitiger  Erkran- 
kung anderer  Hirnteile  der  pathologische  Prozeß  im  striären  System 
216 


SS;>SJSf;  s:    zur  lehre  der  Erkrankungen  des  striären  Systems.      843 


seinen  das  Zustandsbild  und  den  Krankheitsverlauf  qualitativ  bestimmen- 
den Einfluß. 

Aber  es  sind  hiervon  diejenigen  Fälle  ausgenommen,  in  welchen  eine  spezielle 
Schädigung  anderer  motorischer  Mechanismen  vorliegt.  Eine  schwerere 
Störung  im  spino-cortico-spinalen  Reflexbogen  der  Area  gigantopyramidalis 
verdeckt  —  wie  wir  zuerst  in  unserem  ,, Erster  Versuch  usw.*'  gezeigt  und  in. 
dieser  Arbeit  S.  700f .  wieder  erörtert  haben  —  das  striäre  Symptomenbild  wenig- 
stens für  imsere  heutige  klinische  Analyse  vollständig.  Auch  andere  Sftörungen 
motorischer  Mechanismen  vermögen  des  Krankheitsbild  qualitativ  zu  ändern 
und  so  die  Diagnose  und  die  Klassifizierung  einer  striären  Erkrankung  intra  vitam 
mehr  oder  weniger  zu  erschweren,  wie  es  z.  B.  der  Fall  v.  Stauffenbergs  zeigt. 

In  anderen  Fällen  verstärken  anden^'eitige  Hirnerkrankungen  wenigstens 
die  striären  Symptome.  Wir  haben  schon  S.  677  auf  einen  derartigen  Einfluß 
der  Mikrocephalie  hingewiesen.  Ferner  steigert  z.  B.  eine  starke  senile  Demenz 
wohl  infolge  der  weitgehenden  Aufhebung  der  Denervationsfunktion  die  striäre 
Rigidität  wesentKch  (33.  Fall;  vgl.  auch  30.  Fall!).  Hier  entsteht  ein  striäres 
Symptomenbild,   das  zur  striären  Erkrankung  unproportional  intensiv  ist.. 

Wenn  wir  aber  von  diesen  speziellen  Kombinationen  striärer  und  anderer 
motorischer  Störungen  absehen,  so  müssen  wir  unsere  Erfahrung  dahin  resü- 
mieren, daß  die  pathologische  Anatomie  der  striären  Erkrankungen 
sogar  einen  größeren  klassifikatorischen Wert  hat,  als  man  a  priori 
voraussehen  konnte. 

Die  weiter  in  der  Einleitung  angeschnittene  Frage,  wie  w^eit  bei  annähernd 
gleichem  pathologischen  Prozeß  die  spezielle  ätiologische  Färbung  das 
Zustandsbild  und  den  Krankheitsverlauf  beeinflußt,  vermögen  wir 
heute  noch  nicht  zu  beantworten. 

Die  letzte  Frage  endlich,  welche  C.  Vogt  zur  systematischen  Bearbeitung 
der  striären  Erkrankungen  veranlaßte,  die  Frage,  ob  aus  der  pathologisch- 
anatomischen Gruppierung  der  Krankheiten  des  striären  Systems  allgemein  für 
pathologisch-anatomischeKlassif  ikationen  Charakteristisches  in  den 
klinischen  Symptomen  ableitbar  und  so  Fingerzeige  für  eine  derartige,  aber 
vorläufig  nur  auf  dem  Wege  der  klinischen  Beobachtung  anstrebbare  Einteilung 
der  zurzeit  pathologisch-anatomisch  noch  nicht  faßbaren  Erkrankungen  des 
Nervensystems  zu  gewinnen  wären,  haben  wir  schon  in  unseren  früheren  Aus- 
führungen dahin  beantworten  können,  daß  nicht  das  momentane  Zustandsbild, 
sondern  die  Zeit  des  Krankheitsbeginns  und  die  Gestaltung  des  Sym- 
ptomenbildes während  des  ganzen  Verlaufs  das  Charakteristische  seien. 

Damit  sind  wir  an  das  Ende  unserer  heutigen  Ausführungen  gelangt.  Wollen 
wir  einen  letzten  Schluß  aus  denselben  ziehen,  so  ist  es  der,  daß  unser  Studium 
uns  gezeigt  hat,  daß  sich  eine  weitere  pathologisch- anatomische  wie  klinische 
Vertiefung  der  Lehre  von  den  Erkrankungen  des  striären  Systems  in  hohem 
Maße  lohnen  und  dazu  angetan  sein  wird,  über  den  Rahmen  dieser  Erkrankungen 
hinaus  eine  Reihe  allgemeinerer  physiologischer  und  anatomischer  Fragen  nor- 
maler und  pathologischer  Natur  zu  klären. 

217 


844  C.  UND  O.VOGT.  '"^^KiiSSC 


Benutite  Litaratar. 

Die  in  der  vorliegenden  Arbeit  nicht  erwähnte,  aber  in  unserem  ohne  Literaturveraeichnif  ver- 
öffentlichten Beitrag  „Zur  Kenntnis  usw."  benutzte  Literatur  ist  hier  ebenfalls  teilweise  sitiert  und 
durth  ein  vorgestelltes  Kreuz  hervorgehoben.  Die  mit  einem  Stern  versehenen  VerMfentlichunfOi 
waren  ims  bei  der  Abfassung  des  ebengenannten  Beitrags  noch  nicht  bekannt.  Wir  recSmcn  damit, 
daß  uns  im  neutralen  und  „feindlichen"  Auslande  erschienene  Arbeiten  der  letzten  Jahre  noch  ent- 
gangen sind.  Soweit  Autoren  ein  Interesse  daran  haben,  daß  wir  in  unseren  künftigen  Studien  ihre 
in  diesen  Ländern  erschienenen  Arbeiten  berücksichtigen,  möchten  wir  ihnen  hiermit  nahe  lifen, 
uns  Separata  zukommen  zu  lassen.  Wir  sind  gern  bereit,  Separata  unserer  Veröffentlichungen  iii 
Tausch  abzugeben.  Dagegen  ermöglicht  die  Gestaltung  des  „Friedens"  von  Versailles  und  St.  Gennaia 
uns  nicht,  die  betreffende  Literatur  zu  erwerben. 

Alzheimer,  Die  arteriosklerotische  Atrophie  des  Gehirns.    Neurolog.  Centralbl.,  1894.    S.  76$. 
—    Neuere  Arbeiten  über  die  Dementia  senilis  usw.     Monatsschr.  f.  Psych,  u.  Neurol.,    J,    189I. 
t —    Über  die  anatomische  Grundlage  der  Huntingtonschen  Chorea  und  die  choreatischen  Bi- 

wegungen  überhaupt.    Neurolog.  Centralbl.,  1911. 
*Anglade,  La  chor^e  chronique.    Diskussionsbemerkung.     Congr^  de  Nantes.  Revue  neurologiqnc. 

Annöe  1909.     Page  1056. 
Anton,  Über  die  Beteiligung  der  großen  basalen  Ganglien  bei  Bewegungsstörungen  und  insbetondcfc 

bei  Chorea.     Jahrbücher  f.  Psychiatrie,  14^  1895. 
fd'Antona,  Contributo  all'  anatomia  patologica  della  corra  di  Huntington.    Riv.  di  patol.  nennia 

e  mentale,  XIX,  fas.  6,  8^  191 4. 
*Auer  and  Mc Cough,  Pathological  findiiigs   in  two   cases  of  pa  alysis  agitans.     The  Joum.  o( 
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Babinski,  Diadococin^ic.     Revue  ncurologique.     1902. 
Berger,  Zur  Kenntnis  der  Athctose.     Jahrbücher  f.  Psychiatrie,  2j,  1903. 
Bielschowsky,  Beiträge  zur  Histopathologie  der  Ganglienzelle.     Dieses  Journal^  iS^  1912. 

—  Über  Hemiplegie  bei  intakter  Pyramidenbahn.     Dieses  Journal,  23,  1916. 

—  Einige  Bemerkungen  zur  normalen  und  pathologischen  Histologie  des  Schweif-  und  Linsen* 
kems.     Dieses  Journal,  25,  191 9. 

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218 


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K&lliker,  Handbuch  der  Gewebelehre  des  Menschen.    2.  Band.    Engelmann,  Leipzig  1896. 
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219 


846   C.  UND  O.  VOGT.  ZUR  LEHRE  DER  ERKRANKUNGEN  USW.  ^^!^  t 


und 


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Dieses  Journal,  2^,  1918. 

Allgemeinere  Ergebnisse  unserer  Himforschung.     Dieses  Journal,  25,  191 9. 

—  Zur  Kenntnis  der  pathologischen  Veränderungen  des   Striatum  usw.      SitcungBberiditt  dtt 
Heidelberger  Akad.  der  Wiss.,  AbteiL  B.     Jahrg.  191 9.     14.  Abhandl. 

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Winkler,  Zitiert  nach  Jelgersma. 
Zingerle,  Über  Paralysis  agitans.     Dieses  Journal,  14,  1909. 


230 


jrnal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    ErgänKungsheft  3. 
u.  O.Vogt,  EiknuikoDgeD  d«t  iliitren  Systemi.) 


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tal  f.  Psychol.  u.  Neuro).    Bd.  25.    Ergäniungsheft  3. 
O.  Vogt,  Erkrankniigen  des  striSren  Sfltems.) 


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nal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

O.  Vogt,  EikrankuüEcn  des  striarcn  Syslems.) 


1.    5  Monate  alte«,  noTinalM  KÄnä, 


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Tafel  4. 


nal  f.  Psychol.  u.  Neuro],    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

O.  Vogt,    Erkrank un (Jen  des  slrilien  Systems.) 


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3Dmal  f.  Psychol.  u.  Neural.    Bd.  25,    Er^änzungsheft  3. 

:.  u,  O.  Vogt,  Erkrankungen  des  ilrilren  Sy»tem>.) 


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mal  f.  Fsychol.  u.  Neurol,    Ud.  25.    Ei^änzungsheft  3. 
1.  O.  Vogt,  EckrankungcQ  dei  Etrilren  Syslems.) 


Tafel  9. 


al  f.  Psycho!,  u.  Neuro).    Bd.  35.    Ergänzungsheft  3. 
O.  V(i|;l,   Erkrankungea  dci  stiiäreD  Systemi.) 


2.   3.  Fall.     Etat  tnarbrt. 


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3urnal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ei^äozungsheft  3 

!.   u.  O.  Vogt,  Erkrankungen  dea  iliiSien  Syitcms.) 


2.  4.  Ftai.    Eut  mubrt. 


&.   4.  Fall.    EUl  mattafe. 


irnal  f.  Psychol.  u.  Neural.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

n.  0.  Vogt,  ErkruiknDfren  de«  itrilreD  Syitemi.) 


5.   4.  Fall.     EM  matbrt. 


r.  ^  JUL    EM  aubi*. 


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O.  Vogt. 


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lal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    I!d.  25.    Ergän7.ungsheft  3. 
I.  O.  Voßt,  Ecktantiiingea  des  alriHren  Syslems.) 


1.  fsychol.  u.  Neurol.    Ud.  2$.    tirganzui^^shelt  3. 

VoK^i  Erbati hiiDgcn  dei  itritreo  Systems.) 


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irnal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.  Ergänzung^ft  3. 

n.  O.  VogI,  Erkiankungcn   des  stiilren  Systems.) 


il  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

D.  Vogt,  Erkrinknngco  d«t  itrilteo  Syittmi.) 


Journal  f.  Fsychol.  ii.  Neurol.    Hd.  25.    Erganzungshcft  3. 
(C,  n.  O.  VoK'.   Eikiankmigen  des  striarcn  Systems,) 


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KtitiawKiUl 

\.   Normaler  ErwschBenet.     PUque  ßbrOteyHiniquf. 


A  Normaler  Eiwacbieaer.  Ha^ne  fibromj'^liDlque. 


S,  IJtrtmüm  ?.t«ftös»Mi«i,    V\mi^ 


al  f.  Psychol.  u.  Neuroi.  Bd.  3$.    Ei^ränzungsheft  3. 
O.  Vogt,  Erkrankaagen  det  MrUreD  Syitetni.) 

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1.   9.  Fall.     StaÜoDlrer  Etil  fibrent. 


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2.    9.  Fall.     SlatiorSter  Elal  fihrei 


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S.   9.  FalJ. 


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«.  U  Vogt.  Erkrwkungen  des  stnäten  Sysiem...) 


.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

"ogt,    EikrHQkungcn  des  sltilien  Syslems.) 


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Journal  (.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

(C.  11.  O.  Vogl,  ErluHnkungen  d«  üriHfen  Syalcms.) 


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(C  a.  O.  Vogt, 


Tafel  : 


rnal  f.  Psycho!,  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergansungsheft  3. 
u.  0.  VoE'i  Eikianknneea  des  slriSrca  Systems.) 


2.   10.  Fall.    IsoVmxwi 'E.MvWn"!^*- 


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t.  r^cnoL  u.  neuroi.    aa.  25.    ^.i^anzungsnett  3. 

Vogl,   Etknnknngen  des  ■triartn  Sjntemi.) 


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O.  Voe'i   Erkrankuneen  des  itiilren  Syiteoii.) 


Journal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Hd.  25-    Ergänrungsheft  3. 

[C.  u.  O.  VoKt,    Eikrani 


Tafel  27 


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nal  f.  Psychol.  u.  Neurol.  Bd.  25.    Ergänz.ungshefV  3. 
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arnal  f.  Psychol.  u.  Neuro).    Bd.  25.    Ergänzut^sheft  3. 

n.  O.Vogt,  Etkvnkangen  de*  itritien  Syslemi.) 


2.  II.  Fall.    Isolierter  EUt  fibren. 


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.  u.  O.  VoKl,  Erktankun;;eD  des  striSren  Systems.) 


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.  u.  O,  Voet,  Erkrankungen  dcE  sliiircn  SyMenu.) 


Journal  £  PsychoL  u.  Neuroi.   Bd.  25.    Ei^[änzungibeft  3. 
(C  n.  O.  Vogt,  Eikno1niDg«n  dci  ttrilren  Sjritemc) 


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n.  O.  Vogt,  Eiknnkangen  de»  (triireii  Syttenu.) 


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Journal  f.  Psycho!,  u.  Ncurol.    B<1.  25.    Erganmngshefi  3. 

(C.  n.  O.  Vogt,  Erkrtnkungen  des  BlriSien  Sytfcmi.l 


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lal  f.  Psycho!,  u.  Neuroi.    Bd.  25.  Ergänzungsheft  3. 
O.  Vogt,  ErlcrBiikunfien  des  »trilren  Systems.) 


3.    10.  Ysü,     E.laV  d'jbwi'jyininue, 


Tafel  43. 


4.  Norauler  Btfuad  bei  lUtionSiem  Etkt  fibT«iu  (K\u«.  \^ 


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.  O.  Vogt,  ErkrankUDBCO  des  slrilreo  Syslenia. 


6.  L&ifiins?  tiowmI«  tofc«. 


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urnal  f.  Psycho!,  u,  Ncurol.    Bd.  25.  ErgätiEungsheft  3. 

u,  O.  Vogt,   EikranliunBPn  dei  striireo  Syslemg.) 


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irnal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.  Ergäniungsheft  3. 

n,   O.  Vogt,   ErkrankuDgCH  des  iiriSren  Systems,) 


Tafel  47. 


3.   10.  Fall.     Etat  dysmytUnique. 


Journal  f.  Psychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 
(C.'^Q.  O.  Voet,  E;TknnttuaB«n  de«  itriben  Syfteai*.) 


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-  Vogt,  EilirMlcuneeD  d»  lUilnn  Syslems.) 


Journal  f  Psychol.  u.  Neurol.    lid.  25.    Ergänzungslieft  3. 
[C,  u.  O.  Vogt,  Erkrankungen  Jes  sliiaten  Syslcmf.) 


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2.  n.  O.  Vogt,   ElrknuikungeD  des  strilKD  Systems.) 


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Tafel  54. 


4.   2J.  Fdl.     Totalnekrose. 


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C.  u.  O.  Vogl,  EJikraokaiigen  det  ttriareo  Syitemi.) 


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.  O.  Voßl,  Erkriinkun(;en  tief  mriirtD  Systems.) 


Tafel  57. 


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.  O.  Vogt,   Erkraukuni^cn  des  sttiSien  Syttenu.) 


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Tafel  63 


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n,  O.  Vogt,  Erknnkonteo  de«  ttrilren  SjiteBU.) 


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(C.  u.  O.  Vogt,  ErküuikuiiEfP  äes  slriäreu  Sysloiiu,! 


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Journal  f.  Psychol.  u.  Neuro).    Bd.  2$.    Ergänsungsheft  3. 
{C.  u.  O.  Vogt,  ErknDknngen  des  iDilren  Sfitem».) 


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Dal  {.  Fsychol.  u.  Neuroi.    Bd.  25.    Ef;gänzungsheft  3. 


Tafel  77. 


3.   jj.  Fall.     „ArterioBkletotische  MiukelsUn«". 


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4,   Normaler  Erwachsener. 

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6.    18.  FrU.     Pualylitcher  Etat  fibrenx.     Stitt  „S^i"  \w*  .A^V- 


Journal  f.  l'sychol.  u.  Neurol.    Bd.  25.    Ergänzungsheft  3. 

(C.    u.  Ü.  Vrjj^l,    KrkraiikuiiKcii  deb  blriürcii  S>^lems.) 


2-   JJ.  FiiU.     „Artcriosklcrolische  Muskelslarrc". 


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DATE   DUE 

JUN  ^  1999 

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