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Full text of "Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto)"

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THE  LIBRARY 


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1^^ 

B 

THE  UNIVERSITY  OF 
BRITISH  COLUMBIA 


Kunstgeschichtliche  Monographien 

X 


KUNSTGESCHICHTLICHE  MONOGRAPHIEN 


X 

AUGUST  L.  MAYER 

JUSEPE  DE  RIBERA 
(LO  SPAGNOLETTO) 

MIT  59  ABBILDUNGEN  IN  LICHTDRUCK  AUF  43  TAFELN 


LEIPZIG  1908  VERLAG  VON  KARL  W.  HIERSEMANN 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2010  with  funding  from 

University  of  British  Columbia  Library 


http://www.archive.org/details/jusepederiberaloOOmaye 


Tafel  I 


JUSEPE  DE  RIBERA 
(nach  dem  Stich  der  „Espafioles  Ilustres") 


JUSEPE  DE  RIBERA 

::  (LO  SPAGNOLETTO)  :: 


VON 


AUGUST  L  MAYER 


MIT  59  ABBILDUNGEN  IN  LICHTDRUCK  AUF  43  TAFELN 


LEIPZIG    1908    VERLAG    VON   KARL   W.   HIERSEMANN 


„Quamdiu  te  tectoriim  umbrae  premunt? 
Quamditt  fumosanim   tirbiuin  carcer  iticliidit? 
Crede  mihi ,  nescis  quid  plus  hicis  aspicio. 
Libet  sarcina  corporis  abiecta  ad  purum  aetheris 
evolare  fulgorem  !" 
Hieronymus  ad  Heüodorum  de  vita  eremitica. 


Einleitung.     Kap.  I.  III.  B.    I — 4.     Exkurs   i   haben  Juni   1907   der  Berliner  philos. 
Fakultät  als  Inauguraldissertation  vorgelegen. 


MEINEN  ELTERN 


INHALTSÜBERSICHT. 

EINLEITUNO ii 

I.  ZUR  EINFÜHRUNO.    RIBERAS  LEBEN  UND  WIRKEN  14 

n.  FRANCISCO  DE  RIBALTA 25 

in.  RIBERAS  WERKE 33 

A.  JUGEND-JAHRE  DES  RINGENS 33 

B.  DER  FREIE  MEISTER 86 

C.  DER  REIFE  STIL 140 

IV.  RIBERAS  KUNST.    SCHULE  UND  EINFLUSS  ....  160 

V.  ANHANG 

EXKURS  1 172 

RIBERAS  GEBURTSJAHR  UND  HEIMAT      ....  172 

EXKURS  II 175 

DIE  „EXTASE  DER  HL.  MARIA  MAGDALENA"  UND 

IHRE   NACHAHMUNGEN 175 

EXKURS  III 179 

ZUR  ENTSTEHUNG  DER  „APOSTELCOMMUNION" 

IN  S.  MARTINO 179 

EXKURS   IV 180 

DER   „ORLANDO  MUERTO"  IN  DER   LONDONER 

„NATIONAL  GALLERY" 180 

KATALOG 

ORIGINALGEMÄLDE 186 

KOPIEN 191 

SCHULWERKE  UND  NACHAHMUNGEN     ....  193 

HANDZEICHNUNGEN 196 


VERZEICHNIS  DER  ABBILDUNGEN. 


Titelbild  Jusepe  de  Ribera  (Stich). 

Tafel  II  Abb.      I   Ribalta;   Die  Vision  des  heil.  Franz.     Madrid,     Prado. 

„      III  „         2  Der  hl.   Hieronymus  (Radierung  B.  4). 

„      IV  „         3  Der  hl.  Hieronymus  die  Posaune  des  jüngsten  Gerichts  vernehmend. 

Neapel,  Museo  Nazionale. 
„V  ,,4  Mundstudien  (Radierung  B.    l6). 

5   Simson  und  Delila  (Zeichnung).     Cordoba. 
„      VI  „        6  Das  Martyrium  des  hl.  Bartholomäus  (Radierung  B.  6). 

„      VII  „         7  Der  Silen  (Radierung  B.   13). 

„      VIII  „         8  Extase  der  hl.  Magdalena.    Madrid,  Ac.  S.  Fernando. 

„      IX  „        9  Der  hl.  Sebastian  von  den  Frauen  gepflegt.    Petersburg,  Eremitage. 

„      X  ,,       10  Die  Marter  des  hl.   Andreas.     Budapest. 

„      XI  ,,       1 1   Die  Marter  des  hl.  Bartholomäus.     Madrid,   Prado. 

,,      XII  ,,       12  Die  Marter  des  hl.  Lorenz.     Dresden. 

,,       13   Prometheus.      Madrid,   Prado. 
„      XIII  ,,       14   Archimedes.     Madrid,  Prado. 

,,       15   Diogenes.     Dresden. 
„      XIV  „       16  Christus  und  die  Schriftgelehrten.    Wien,  K.  K.  Gemälde-Galeric. 

„       17   Christus  als  Salvator  mundi.     Madrid,   Prado. 
„      XV  „18  Der  hl.   Bartholomäus.     Madrid,   Prado. 

„       19  Der  hl.  Bartholomäus  (Detail).     Madrid,   Prado. 
„      XVI  „       20  Der  hl.   Petrus.      Madrid,  Prado. 

„      XVII  „      21   Der  hl.  Andreas.     Dresden. 

,,       22  Der  hl.   Andreas.     Madrid,   Prado. 
„      XVIU  ,,      23   Der  Bildhauer  Gambazo.     Madrid,  Prado. 

,,       24  Die  Sibylle.     Madrid,   Prado. 
,^      XIX  ,,      25  Vision  des  hl.  Franz.     Madrid,  Prado. 

,,       26  Der   Christusknabe    erscheint   dem  hl.   Antonius.     Madrid,   Ac.  S. 
Fernando. 
„      XX  ,,       27  Der  jugendliche  Johannes  d.  T.     Madrid,  Prado. 

,,      28  Die  büßende  Magdalena.     Madrid,  Prado. 
XXI  ,,      29  La  Concepcion.     Salamanca,   Agustinas  recoletas. 

„      XXII  ,,      30  Isaak  segnet  Jakob.     Madrid,  Prado. 

„      XXIII  ,,      31   Beweinung  Christi.     Neapel,  Certosa  di  S.  Martino. 

„      XXIV         „      32  Der  Gnadenstuhl  in  den  Wolken.     Madrid,   Prado. 
„      XXV  ,,       33  Die  hl.  Familie.     Wiesbaden. 

„      XXVI  „      34  Die  Verlobung  der  hl.   Katharina.    London,   Earl  of  Northbrook. 

„      XXVII        ,,       35   Porträt  eines  maestro  al  Cembalo.     Rom,  Graf  G.  Stroganoff. 
„      XXVIII       „       36  Ein   spanischer  Edelknabe   mit  seinem  Schutzheiligen.     Schwerin, 

Großherzogl.  Galerie. 
„      XXIX         „       37  Der  hl.   Hieronymus.     Madrid,  Prado. 

,,       38   Der   hl.    Hieronymus   in  Medidation.     Neapel,   Museo    Nazionale. 
„      XXX  „      39  Der  hl.  Onuphrius.     Petersburg,  Eremitage. 

,,      40  S.  Paulus  Eremita.     Madrid,   Prado. 


Tafel  XXXI 

Abb.  41 

,.      42 

„      XXXII 

„      43 

„      44 

„      XXXIII 

.-      45 

„      XXXIV 

„      46 

„      XXXV 

„       47 

„      XXXVI 

„   48 

„    xxxvn 

„      49 

„    xxxvm 

„       50 

„      5' 

„      XXXIX 

u         52 

„      XL 

„      53 

„      XLI 

..       54 

-.      55 

„      XLII 

„      56 

„      XLIIl 

V      57 

„      58 

Die  Befreiung  Petri.      Escorial. 

Der  hl.  Franz  auf  den  Dornen.     Dresden. 

S.  Maria  Egyptiaca.    Montpellier. 

Der  hl.  Franz.     Florenz,  Pal.   Pitti. 

Die  hl.   Agnes.     Dresden, 

Die  hl.   Agnes  (Detail).     Dresden. 

Jakobs  Traum  von  der  Himmelsleiter.     Madrid,   Prado. 

Don  Juan  de  Austria  (Radierung  B.   14.  1). 

S.  Paulus  Eremita.     Madrid,  Prado. 

Der  hl.  Andreas.     Madrid,  Prado. 

Der  hl.  Hieronymus.     Madrid,  Prado. 

Die  Anbetung  der  Hirten.     Paris,  Louvre. 

Die  Kommunion  der  Apostel.     Neapel,  Certosa  di  S.  Martino.*) 

Der  hl.  Sebastian.     Madrid,   Prado. 

Der  hl.   Sebastian.     Neapel,  Museo  Nazionale. 

Der  Klumpfuß.     Paris,   Louvre. 

Die  Extase  der  hl.  Magdalena.     Rom.  Sign.  Simonetti. 

Murillo?     Die  büssende  Magdalena.     Madrid,  Prado. 


*)  Die  Mangelhaftigkeit  dieser  Reproduktion  ist  durch  die  völlig  ungenügende 
photographische  Vorlage  verschuldet;  eine  bessere  Photographie  war  leider  nicht  zu  be- 
schaffen. 


EINLEITUNG. 

Wohl  das  größte  Stiefkind  der  Kunstgeschichte  ist  die  spa- 
nische Malered.  Nur  wenige  sind  es,  die  sich  ernsthaft  mit  ihr 
befaßt  haben,  und  diese  Wenigen  richteten  dabei  ihr  Hauptaugen- 
merk auf  die  Sevillaner  Schule,  geblendet  von  dem  Glanz  der 
beiden  Sterne  am  bätischen  Kunsthimmel :  Velasquez  und  Murillo. 
Diese  beiden  Maler  gelten  auch  heute  noch  als  „die  spanischen 
Maler"  schlechtweg.  Vielleicht  nennt  man  noch  den  Namen  Zur- 
baran.  Aber  Spanien  ist  doch  etwas  reicher,  neben  seinem  Venedig 
hat  es  auch  noch  sein  Florenz.  Da!s  ist  Valencia.  Hier  herrscht 
ein  strenger,  ernsterer  Geist,  ein  Sinn  für  feste,  sorgsame  Zeich- 
nung. Andererseits  darf  man  aber  auch  Valencia  das  Toledo  der 
bildenden  Kunst  nennen.  Denn  was  jene  Hochburg  des  katholischen 
Glaubens  in  rein  kirchhcher  Hinsicht  für  die  spanische  Christen- 
heit geleistet  hat,  das  wirkte  Valencia  in  der  Kunst.  Nicht  die 
Sevillaner  mit  ihrem  heiteren  Naturell  waren  zu  solchen  Gottes- 
streitem  berufen,  sondern  die  düstereren  Valencianer  mit  ihrem 
glühenden,  rehgiösen  Pathos,  und  ihre  Führer  hießen  Ribalta, 
Ribera. 

Wenn  Ribera  nicht  in  dem  Maße  wie  seine  anderen  Landsleute 
der  Vergessenheit  anheimgefallen  ist,  so  liegt  es  vor  allem  daran, 
daß  er  die  größte  Zeit  seines  Lebens  in  Italien  verbracht  hat  und 
in  der  Geschichte  der  Neapolitaner  Barockmalerei  eine  bedeutende 
Rolle  spielt. 

So  haben  sich  denn  auch  bald  Biographen  gefunden.    Mit  am 


frühesten  Martinezi),  Pacheco-)  und  Sandrart^).  Die  größte 
italienische  Biographie  widmete  ihm  Dominici*);  ein  von  Feinden 
Riberas  beeinflustes,  höchst  unkritisches  Buch.  Nicht  viel  besser 
ist  die  des  Spaniers  Palomino  in  seinem  „Museo  Pictorico"5). 

Die  neueren  spanischen  Arbeiten  wollen  kritisch  sein,  sind 
es  aber  nicht.  Zu  nennen  sind  die  von  D.  Augusto  Danvila  Jal- 
dero*)   und  Baron   de  Alcahali'). 

Wenig  neues  brachte  Stirling  in  seinen  „Annais  of  the  artists 
of  Spain"*),  ebenso  Lefort*). 

Ein  reicher  Anekdotenkranz  hatte  sich  sehr  bald  um  das  Haupt 
des  „kleinen  Spaniers"  geflochten,  und  die  genannten  Werke  be- 
fassen sich  viel  mehr  mit  diesen  Geschichten  als  mit  des  Meisters 
künstlerischem   Schaffen. 

Das  Verdienst,  mit  manchem  Märchen  aufgeräumt  und  falsche 
Angaben  über  Riberas  Leben  richtig  gestellt  zu  haben,  gebührt 
vornehmlich  Neapolitaner  Gelehrten,  vor  allem  Salazar  und  Fa- 
raglia,  die  durch  ihre  Aufsätze  in  der  ,,Napoh  Nobilissima"  und 
dem  Archivio  storico  per  le  province  Napolitane  Licht  in  die  dunkle 
Lebensgeschichte    Riberas    gebracht    haben. 

Die  erste  neuere  kunsthistorische  Würdigung  Riberas  stammt 
von   Oskar  Eisenmann"). 

Es  versteht  sich  am  Ende  von  selbst,  daß  Carl  Justi  in  seinem 
grundlegenden  Werke  „Velasquez  und  sein  Jahrhundert"  unserem 
Künstler  eine  „Episode"  gewidmet  hat''). 

Auf  dieser  „Episode"  fußt  dann  Woermanns  Aufsatz^^)  und 
Kristellers  Skizze'^). 

Bei  allem  Streben,   dem  Künstler  Ribera  gerecht  zu  werden, 

•)  Jusepe  Martinez,  Discursos  practicables  del  nobilissimo  arte  de  la  pintura.  Neu 
herausgeg.  1866.  33  ff.  —  ^  El  Arte  de  la  Pintura.  Madrid  1648.  15,  16,  84.  — 
')  Joachim  von  Sandrart,  Teutsche  Akademie.  Nürnberg  1675.  S.  191.  —  *)  Dominici 
Vite  dei  pittori  scultori  ed  architetti  Napoletani.  Napoli  1742.  III.  1 — 24.  Neue  Aus- 
gabe 1844.  m.  111  ff.  —  »)  Palomino,  Museo  Pictorico.  III.  Madrid  1724.  3ioff. 
•)  Resena  Critica  de  las  Obras  de  Jose  de  Ribera,  in  der  Revista  de  Elspana. 
CXX.  168 — 210.  —  ')  Diccionario  Biografico  de  Artistas  Valencianos,  266—278.  — 
')  I.  740ff.  —  ')  P.  Lefort,  La  peinture  espagnole.  Paris  1893.  —  ")  Dohme,  Kunst 
und  Künstler,  III.  3.  —  ^')  Carl  Justi,  Velasquez  und  sein  Jahrhundert.  2.  Aufl.  Bonn 
1903.  I.,  269ff.  II,  I34ff.  —  ")  ZeiUchrift  für  bildende  Kunst.  Neue  Folge.  I.,  I44ff., 
177  ff.   —  ")  Das  Museum.     VIII.     53. 


13 

ist  es  doch  keinem  der  Gelehrten  gelungen,  die  Entwicklung  des 
Meisters  klar  darzulegen.  Eine  Bilderkritik  beabsichtigte  keiner 
der  Verfasser. 

Das  beste,  was  über  den  Maler  Ribera  gesagt  worden  ist, 
findet  man  aber  in  Carl  Justis  spanischer  Kunstgeschichte  in  der 
Einleitung  zu  Baedekers  „Spanien  und  Portugal".  (2.  Aufl.  1906. 
LXXXII). 

Eine  gute  Charakteristik  des  Radierers  gab  Kristeller  in 
seinem  Buch  „Kupferstich  und  Holzschnitt  in  4  Jahrhunderten", 
S.  410.  Unentbehrlich  für  eine  Betrachtung  des  Peintre-Graveur  ist 
natürlich  der  Abschnitt  im  XX.  Band  von  Bartschs  bekanntem 
Werk. 

Die  vorliegende  Arbeit  will  nun  nicht  nur  den  künstlerischen 
Entwicklungsgang  Riberas  näher  bestimmen,  sondern  auch  sein 
Oeuvre  von  den  vielen  Schulbildem,  Nachahmungen  und  Kopien 
säubern,  die  zum  großen  Teil  an  der  bisherigen  falschen  künstle- 
rischen Einschätzung  des  Meisters  schuld  sind.  Das  sehr  zerstreute 
Material  ist,  soweit  es  mir  nur  möglich  war,  an  Ort  und  Stelle 
nachgeprüft  worden,  doch  wäre  es  mir  kaum  gelungen,  eine  an- 
nähernd vollkommene  Würdigung  des  großen  Valencianers  zu  geben, 
hätte  mich  nicht  Carl  Justi  bei  meiner  Arbeit  in  liebenswürdigster 
Weise  durch  Mitteilungen  verschiedenster  Art  unterstützt. 

Auf  Notizen  Justis  gehen  vor  allem  die  Beschreibungen  der 
Gemälde  zurück,  die  ich  selbst  nicht  bezw.  nicht  mehr  sehen  konnte : 
derer  in  Petersburg  und  Murcia  sowie  einiger  früher  in  Pau  und  in 
Neapolitaner   Privatbesitz   befindlichen   Werke. 

Nächst  ihm  sei  meinem  verehrten  Lehrer  Heinrich  Wölfflin 
herzlicher  Dank  gesagt,  ebenso  wie  allen  andern,  die  mir  beim 
Abschluß  dieser  Monographie  behilflich  waren,  nicht  in  letzter  Linie 
den  Herren  Dr.  Max  J.  Friedländer  und  V.  von  Loga  sowie  der 
Direktion  des  kgl.  Kupferstichkabinetts  zu  Berlin. 

Darmstadt  im  Herbst   1907. 

August  L.  Mayer. 


1.  ZUR  EINFÜHRUNG. 

RIBERAS  LEBEN  UND  WIRKEN. 

I. 

Wenn  der  Wanderer  die  blühende  Valenzianer  huerta,  einen 
der  üppigsten  Gärten  Europas,  verläßt,  und  sich  dem  Gebirge  zu 
nach  Süden  wendet,  so  erblickt  er  einen  doppelgipfeligen,  von 
zwei  Burgen  gekrönten  Felshügel,  an  den  sich  die  Häuser  eines 
ansehnlichen  Städtchens  schmiegen:  Jatiba,  das  Felsennest,  die 
Heimat  der  Borgias  und  Jusepe  de  Riberas. 

Ein  alter  Platz,  berühmt  durch  die  Tapferkeit  seiner  Bewohner; 
das  Saetabis  der  Römer,  von  Philipp  V.  mit  dem  Ehrennamen  San 
Felipe  belehnt.  Hier  wurde  um  die  Mitte  der  achziger  Jahre  des 
XVI.  Jahrhunderts  Jusepe  de  Ribera  geboren,  als  Sohn  des  Antonio 
Simon  de  Ribera. 

Ein  großes  vor  allem  in  Valencia  blühendes  und  angesehenes; 
Geschlecht. 

Der  Vater  bekleidete  einen  höheren  militärischen  Posten,  um 
die  Wende  des  Jahrhunderts  wurde  er  nach  Neapel  versetzt,  als 
„Adjudant"   des  Castel   Nuovo  soll  er  dort  gestorben  sein. 

(Zur  Frage  über  die  Geburt  und  die  Familie  Riberas  vgl. 
Exkurs  I.) 

Die  Nachrichten  über  Riberas  Jugend  sind  höchst  dürftig. 
Sicher  ist,  daß  er  den  ersten  künstlerischen  Unterricht  bei  dem 
Begründer  der  neueren  Valencianer  Malerschule  erhalten  hat: 
bei  Francisco  Ribalta. 

Von  diesem,  der  selbst  in  Italien  gewesen  war  und  Rafael, 
Sebastiano  del  Piombo  und  Correggio  auf  sich  hatte  wirken  lassen, 
wurde  er  wohl  nach  nicht  allzulanger  Zeit  angeregt,  nach  Italien 
zu  wandern,  um  dort  die  großen  Meister  zu  studieren.     Er  hielt 


15 

sich  längere  Zeit  in  Oberitalien  auf,  vor  allem  in  Parma,  der  Stadt 
Correggios,  wo  er  in  S.  Andrea  einen  hl.  Martin  malte,  heute  so  gut 
wie  zerstört. 

Daß  er  auch  einen  Ausflug  ins  Venezianische  gemacht  habe, 
nimmt  schon  der  Cicerone  an.  Daß  er  in  Padua  war,  geht  aus 
der  Kopie  eines  Bildes  von  Paolo  Veronese  hervor,  das  sich  zu  jener 
Zeit  in  Padua  befand:  Christus  und  die  Schriftgelehrten  (Prado); 
die  Kopie  bei  der  Principessa  Fondi  in  Neapel. 

Wie  sehr  er  Rafaels  vatikanische  Fresken  bewundert  und  wie 
hoch  er  von  ihrem  Studium  gedacht  hat,  erfahren  wir  aus  dem 
Gespräch  des  Malers  mit  einem  Landsmann:  Jusepe  Martinez,  der 
ihn  1625  in  Neapel  besuchte^). 

Somit  wäre  auch  ein  längerer  Aufenthalt  in  Rom  für  Ribera 
gesichert. 

Ein  festes  Datum  tritt  uns  zum  erstenmal  mit  dem  Jahr  161 6 
entgegen.  Im  September  161 6  verheiratet  er  sich  nämlich  in 
Neapel  mit  Catarina  Azzolino,  der  Tochter  des  Malers  Gio.  Bernar- 
dino  Azzolino^).  Riberas  Schwiegervater  war  ein  Maler  von  gutem 
Ruf,  wie  die  Angabe  „Gio.  Bern,.  AzzoHno  Siciliano  e  pittore  fa- 
moso"  beweist^).  Eine  junge  Gattin  hatte  der  Künstler  heimgeführt, 
noch  nicht  16  Jahre  war  sie  alt.  Am  28.  Dezember  1600  war, 
Stefana  Catherina  figlia  legit.  de  Gio.  Bellardino  de  Ragana  Azzolino 
e  de  Antonia  d'India"  getauft  worden*). 

In  diesem  Jahre  kam  auch  Riberas  erster  Gönner  nach  Neapel : 
der  Herzog  von  Osuna,  der  als  Vizekönig  von  Neapel  161 6  die 
Regierung  übernahm. 

Ihm  soll,  der  bekannten  Anekdote  zufolge,  der  Maler  sein 
ganzes  Glück  verdanken.  Durch  die  Ausstellung  eines  Bildes,  die 
Bartholomäusmarter  darstellend,  auf  dem  sich  Ribera  als  espafiol 
bezeichnet  hatte,  sei  die  Aufmerksamkeit  des  Vizekönigs  auf  ihn 
gelenkt  worden.  Osuna  habe  das  Bild  erworben  und  den  Künstler 
zum  Hofmaler  gemacht.     Zu  beachten  ist  jedoch,  daß  die  Gattin 

')  Jusepe  Martinez,  Discursos  practicables.  S.  35.  —  ^)  vgl.  Salazar,  La  famiglia 
dello  Spagnoletto.  Nap.  Nob.  III.,  97  ff.  und  Faraglia  im  Arch.  Stör,  per  le  prov.  Nap. 
XVII.,  677.   —  =)  Nap.  Nob.  IL,   4.   —  ■")  Nap.   Nob.   XUI.,   20. 


des  Herzogs,  Catherina,  dem  Haus  Ribera  entstammte^)  und  der 
Admiral  der  Neapolitaner  Flotte  gleichfalls  den  Namen  Ribera 
führte.  Es  mag  wohl  eher  hohe  Protektion,  vielleicht  auch  Familien- 
rücksichten, dem  jungen  Künstler  sein  Amt  verschafft  haben. 

Sicher  ist,  daß  sich  seit  jener  Zeit  Ribera  ständig  in  Neapel 
befindet  und  mit  Aufträgen  reich  bedacht  eine  hohe,  vielbeneidete 
Stellung  einnimmt. 

1623  wird  er  als  Trauzeuge  erwähnt.-)  Am  18.  Januar  1627 
die  Taufe  seines  ersten  Sohnes  Antonio  Simone,  am  6.  Mai  1629 
und  28.  Februar  1630  Taufpate,  am  22.  April  1630  Taufe  seiner 
ältesten  Tochter  Margarita.  Am  2.  Mai  1631  wird  ihm  eine  Tochter 
Anna,  am  2.  Mai  1634  ein  Sohn  Francesco  Antonio  Andrea  und 
am  4.  Oktober    1636  eine  Tochter  Maria  Francesca  geboren^). 

1626  enieimt  ihn  die  Accademia  von  S.  Lucca  in  Rom  zu 
ihrem  Mitglied.  Ein  Jahr  vorher  empfing  er  den  Besuch  seines 
Landsmannes  Martinez,  drei  Jahre  später  den.  seines  berühmtesten 
Kollegen,  des  Velasquez. 

Die  Gunst,  die  ihm  Osuna  zugewandt,  verlor  er  auch  unter 
dessen  Nachfolgern  Alba,  Alcalä,  Monterey,  Medina  de  las  Torres 
nicht.  Dem  Principe  Philiberto  widmete  er  1624  eine  Reihe  seiner 
besten  Radierungen. 

Vornehmlich  war  er  aber  für  den  Grafen  Monterey  (1631  — 1636) 
tätig,  dem  wir  vor  allem  die  herrliche  Concepcion  von  1635  in  dem 
Augustinerkloster  in  Salamanca,  einer  Stiftung  des  Grafen,  zu  ver- 
danken haben. 

Von  1637  an  ist  der  Künstler  andauernd  mit  der  Ausführung 
großer  Aufträge  für  die  Kirche  der  Karthäuser  von  S.  Martino  über 
Neapel  beschäftigt. 

Die  letzten  Lebensjahre  des  Meisters  sind  durch  Krankheit 
getrübt.  Wir  hören  davon  in  dem  Bericht  über  die  sich  verzögernde 
Fertigstellung  des  großen  Gemäldes  der  Apostelkommunion  für  S. 
Martino*).  Namentlich  in  den  Jahren  1647 — 1649  ist  er  künst- 
lerisch werüg  tätig.  Nicht  ohne  Einfluß  mag  dabei  der  Masa- 
niellosche  Aufstand   (ausgebrochen   am   3.   April    1647)   geblieben 

*)  Gregorio  Leti,  Vita  di  Don  Pietro  Giron  Duca  D'Osuna.  Amsterdamo  1699. 
ni.,  223.  —  «)  Nap.  Nob.   IV.,    187.  —  8)  Nap.  Nob.  III.,  98.   —  *)  siehe  Excurs  UI. 


'7 

sein,  der  jedenfalls  dem  Hofmaler  wenig  Aufträge  und  noch  weniger 
Ruhe  brachte. 

Die  materielle  Not  bleibt  nicht  aus.  Am  20.  Juni  165 1  bittet 
der  alte  Mann  den  Prior  von  S.  Martino  um  Geld  „il  peso  della 
casa  e  grande  consideri  il  bisogno"  M.  Die  50  Dukaten,  die  er 
daraufhin  erhielt,  genügten  ihm  nicht  und  am  23.  Juni  fordert 
er  einen  weiteren  Vorschlaft.  Ein  Brief  vom  6.  September  1651 
sei   hier    wiedergegeben-). 

Molto  Revdo  Padrc 
Haviso  a  V.  P.  R.  come  aycre  al  tardi  me  ariivo  la  nova  della  niorte  del  Caro 
genero  Gio  leonardo  sersale.  Tanto  vero  servitore  di  V.  P.  R.  la  supplico  mi 
socorra  con  cento  ducati  perche  ho  da  fare  molti  lutti  e  me  mancano,  et  sono  cose 
che  non  cercano  dilazione  e  percio  la  prego  a  farmi  questo  favore  con  ogni  brevita 
et  mi  Consideri  del  modo  che  posso  estare,  per  tanto  rai  favorisca  escusarmi  del 
travaglio,  et  nostro  Signore  sia  quello  che  li  conceda  molti  anni  de  Vita  de  Casa 
hoggi  a  6  de  settembre   1651.     Servo  de  Vra  Ra  quc  le  basa  le  manc 

Jusepe  de   Ribera. 

In  der  letzten  Zeit  wohnte  der  Künstler  nicht  mehr  beim 
Palazzo  Ducale,  sondern  draußen  am  Posilipp.^)  Diese  Eitasamkeit, 
verbunden  mit  der  geringen  Produktivität  des  Meisters  in  den 
letzten  Jahren  war  daran  schuld,  daß  einige  ihn  am  Schluß  seines 
Lebens  für  verschollen  erklärten  und  von  allen  ein  falsches  Todes- 
jahr angegeben   wurde. 

Nach  der  von  Salazar  aus  dem  Totenbuch  der  Kirche  S.  Maria 
della  Neve  (heute  S.  Giuseppe)  mitgeteilten  Urkunde  starb  Ribera 
am   2.   September    1652.*) 

„An    di    2    settembre    mori    il    sr. 
Gioseppe  Rivera  e  fu  sepolto  a  Mergoglino."  . 

Auch  im  letzten  Dezennium  seines  Lebens  hatte  es  ihm  nicht 
an  Ehrungen  gefehlt.  1644  verlieh  ihm  der  Papst  die  hohe  Aus- 
zeichnung des  habito  di  Christo.  Nach  Palomino  soll  Velasquez  ihn 
auch  auf  seiner  zweiten  italienischen  Reise   1649  besucht  haben.'') 

Ob  Sandrart  Ribera  selbst  gesprochen  hat,  wie  Justi  meint*''), 
scheint  mir  nicht  so  sicher  zu  sein. 

')  Faraglia,  Arch.  Stör.  XVII,  673.  —  -)  ebenda.  —  '■')  Am  17.  Dez.  1651  fand 
eine  Tanfe  in  seinem  Haus  bei  S.  Maria  degli  angeli  statt.  —  *)  Nap.  Nob.  V.,  29 — 31.  — 
')  Palomino,    Museo  Pictorico.     IH.,    311.    —    ^)   Justi.    Velasquez   und   sein   Jahrhundert. 

I,   321- 

Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  2 


iS 

Sandrart  berichtet  in  seiner  „Akademie"  von  Bildern  Riberas,  die 
er   in   Neapel   bei   Romer  gesehen  hatte,    und   fährt   dann   fort :  ^) 

„Jetzt  beschriebene  höfliche  da  Ribera  begleitet  mich  zugleich 
an  den  Cavalier  de  Massimi,  weil  in  seiner  löblichen  Hand  bey  vor- 
genannten de  Romer  wie  auch  anderwärts  viel  gesehen  dieselbe 
wohlbedachtsame  betrachtet  und  befunden,  daß  alle  seine  Ge- 
danken und  Werke  des  erkannten  Ribera  Studien  ganz  contrari 
gewesen,   indem  .  .  ." 

Das   „Begleiten"    ist   doch    wohl    nur    bildlich   gemeint. 

Ribera  hatte  keine  Sehnsucht  in  seine  Heimat  zurückzukehren. 
Er  meinte  Martinez  gegenüber:  daß  „Quien  estä  bien  no  se  mueva". 
Er  glaubte  auch,  daß  der  Prophet  in  seinem  Vaterland  nichts  gilt 
„ — y  asi  juzgo  que  Espana  es  madre  piadosa  de  forasteros  y  cru- 
elisima  madrastra  de  los  proprios  naturales.'*)" 

Daß  sich  bei  der  angesehenen  Stellung,  die  Ribera  einnahm, 
Neider  genug  einstellten,  kann  uns  nicht  wundern.  Alle  Schlechtig- 
keiten wurden  dem  Spanier,  diesem  Eindringling,  angedichtet :  Hoch- 
mut, Habsucht,  Strebertum,  das  auch  vor  Gift  nicht  zurückscheut, 
um  seine  ehrgeizigen  Pläne  erfüllen  zu  körmen.  So  zeigt  ihn  uns 
vor  allem  Dominici,  der  die  Verführung  der  ältesten  Tochter  des 
Malers  als  gerechte  Strafe  für  all  seine  Freveltaten  hinzustellen 
Bucht. 

Diese  Verführungsgeschichte!  Sie  erschien  den  meisten  Bio- 
graphen  interessanter  als   der   ganze   Künstler. 

Und  dabei  ist^  so  wie  sie  erzählt  wird,  kein  Wort  wahr  davon. 
Hören  wir:  Zur  Unterdrückung  des  Masanielloauf Standes  war  1Ö48 

')  Joachim  von  Sandrart,  Teutsche  Akademie.  1675.  IL  Teil,  II.  Buch,  XIX.  Cap.,  191.  — 
^)  Juscpc  Martinez,  Discursos  practicables.  S.  34.  Entre  varios  discursos  pase  ä  preguntarle, 
de  cömo  viendose  tan  aplaudido  de  todas  las  naciones,  no  trataba  de  venirse  ä  Espana, 
pues  tenia  por  cierto  eran  vistas  sus  obras  con  toda  veneracion.  Respondiorae :  „Amigo 
carisimo,  de  mi  volundad  es  la  instancia  grande,  pero  de  parte  de  la  experiencia  de  muchas 
personas  bien  entendidas  y  verdaderas  hallo  el  impedimento,  que  es,  ser  el  primer  ano 
recibido  por  gran  pintor;  al  segundo  ano  no  hacerse  caso  de  mi,  porque  viendo  presente 
la  persona  se  le  pierde  el  respeto;  y  lo  confirma  esto,  el  constarme  haber  visto  algunas 
obras  de  excelentes  maestros  de  esos  reinos  de  Espana  ser  muy  poco  estimadas;  y  asi 
juzgo  etc.  Vo  me  hallo  en  esta  ciudad  y  reino  muy  admitido  y  estimado.  y  pagadas 
mis  obras  ä  toda  satisfaccion  mia  y  asi  seguire  el  adagio  comun  como  verdadero:  Quien 
estä  bien  no  se  mueva." 


19 

der  19jährige  D.  Juan  de  Austria  II.  nach  Neapel  gekommen.  Er 
verkehrte  in  der  Familie  des  Malers,  der  ihn  auch  in  einer  Ra- 
dierung verewigte.    Dies  ist  der  historische  Untergrund. 

Nun  habe  sich  der  Prinz  in  des  Malers  älteste  Tochter  Maria 
Rosa  verliebt,  sie  verführt  und  später  nach  Sizilien  gebracht,  von 
wo  sie  nach  Neapel  zurückgekehrt  sei  und  sich  verheiratet  habe. 

Die  Frucht  ihres  Liebesbundes  mit  dem  Prinzen  sei  eine  Tochter 
gewesen,  die  im  Alter  von  6  Jahren  in  das  vornehme  Madrider 
Kloster  S.  Isabella  gesteckt  worden  und  dort  ßöjährig  1686  gestorben 
sei.  Ihr  Name  wird  als  Sor  Margarita  de  la  Cruz  y  Austria  an- 
gegeben.i)  Früher  zeigte  man  auch  ihr  Porträt  im  Kloster,  das 
ich  jedoch  nicht  zu  Gesicht  bekommen  konnte. 

Daß  eine  Sor  Margarita  1656  in  das  Kloster  aufgenommen 
wurde,  die  1686  starb,  steht  fest,  ebenso  daß  dieses  Mädchen  die 
Tochter  Don  Juans  und  einer  Tochter  Riberas  war.  Hauptzeugnis 
dafür  ist  die  Stelle  in  den  Memoiren  des  Beichtvaters  der  Königin 
Marianne  von  Österreich,  des  Jesuitenpaters  Nithard,  wo  er  von 
dem  lockeren  Leben  des  jungen  Prinzen  in  Neapel  spricht  und  fort- 
fährt :  ,,ein  lebendiges  Zeugnis  dafür  existiert  heute  im  Kloster 
der  Descalzas  zu  Madrid  unter  dem  Titel  ,Excellentissima  Senora' 
und  ihre  Mutter  ist  die  Tochter  des  berühmten  Malers  Joseph  de 
Ribera".  Der  Pater  hatte  seinerzeit  für  die  Aufnahme  der  Tochter 
ins  Kloster  gesorgt  .und  den  Dank  Don  Juans  dafür  erhalten.^) 
Welche  Tochter  das  Opfer  des  Prinzen  war,  ist  uns  nicht  näher 
bekannt.  Maria  Rosa,  wie  die  Verführte  gewöhnlich  genannt  wird, 
hieß  überhaupt  keines  der  Kinder  Riberas.  Man  darf  aber  mit 
ziemlicher  Sicherheit  sagen,  daß  es  die  zweite  Tochter  des  Künst- 
lers war.  Die  älteste,  Margarita  (geb.  14.  IV.  1630)  war  wahr- 
scheinlich mit  Leonardo  Sersale  vermählt,  der  zwischen  23.  Juni 
und  6.  September  1651  starb,  die  jüngste,  Maria  Francesca  war 
1648  erst   12  Jahre  alt,'^)  bleibt  also  die    1631   geborene  Anna. 

1)  Vgl.  Nap.  Nob.  II,  31;  Nap.  Nob.  III.  Gius.  Ceci:  La  figlia  dello  Spagnoletto. 
S.  65 — 67 ;  ferner  Alcahali,  Diccionario  biografico.  S.  272.  —  *)  zuerst  mitgeteilt  von 
P.  Lefort.  Gaz.  d.  Beaux-Arts  18S2.  I,  42,  43.  —  ^)  Nicht  ganz  verständlich  ist  die 
in  Nap.  Nob.  II,  31  mitgeteilte  Notiz  aus  den  Giornali  di  Innocenzo  Fuidoro.  „28.  Marzo 
1667.     Questa  matüna  ha  preso  possesso  della  R.  Camera  di  Presidenet  Idiota  Don  .  .  . 


In  direktem  Gegensatz  zu  Dominicis  Behauptung  von  Riberas 
Hochmut  steht  der  Ausspruch  eines  Karthäusers  von  S.  Martino, 
der  von  Ribera  sagte^) :  ,,che  era  stato  persona  pia  de  rehgiosi  et 
con  chiese  procedeva  con   moha   amorevolezza   e   senza  tiratura." 

2. 

„Lo  Spagnoletto"  nannte  man  ihn,  den  kleinen  Spanier.  Seine 
Züge  sind  uns  erhalten,  wenn  auch  nur  in  einer  alten  Kopie  nach 
einem  Selbstporträt.  Dieses  Bild,  das  in  der  Malergalerie  der  Uffi- 
zien  hängt,  gilt  dort  als  Original,  ist  jedoch  nur  eine  maßlos  ge- 
dunkelte Kopie,   nicht  einmal   in  Riberascher   Technik'-). 

So  wie  uns  der  Maler  hier  entgegentritt,  mag  er  um  1626 
ausgeschaut  haben.  Lange  dunkle  Locken  fallen  ihm  bis  auf  die 
Schultern  herab,  die  Oberlippe  bedeckt  ein  kurzer  dichter  schwarzer 
Schnurrbart,  die  Nase  ist  kräftig,  der  Mund  voll,  sinnlich.  Der 
Blick  der  großen  dunklen  Augen  ist  ernst,  nachdenklich,  fast  melan- 
cholisch^). Die  Kleidung  höchst  einfach :  dunkler  Rock  mit  weißem 
Halskragen. 

3- 

Ribera  war  bei  dem  tenebroso  Ribalta  in  die  Lehre  gegangen. 
Da  kam  er  nach  Italien  und  sah  die  lichten,  schimmernden  Werke 
eines  Correggio,  eines  Veronese.  Nichts  düsteres  fand  er  da  in 
der  Färbung,  und  von  diesem  Eindruck  überwältigt  beschloß  er, 
diesen  Meistern  nicht  nur  wie  sein  Lehrer  die  Äußerlichkeiten, 
vor  allem  die  Verkürzungen,  abzusehen,  sondern  vollkommen  in 
ihren  Bahnen  zu  wandeln,  ein  Prophet  des  Lichts  zu  werden.  Doch 
rang  er  noch  lange.  Bis  in  die  Mitte  der  dreißiger  Jahre  dauert 
der  Kampf;  erst  mit  der  Concepcion  von  Salamanca  (1635)  ^^^  ^^ 
den  Tenebrosostil  vollkommen  überwunden. 

Jener   Cruzifixus,    in  der  Colegiata  von  Osuna,    zwischen  161 6 

Morgano  giovane  di  diciottanni  circa  per  haverci  pigliata  per  moglie  la  Ribera  colla  sorella 
della  quäle  D.  Giovanni  d'Astria  (sie!)  fece  una  figliuola."  Als  Braut  des  1 8 jährigen 
könnte  nur  die  jüngste  Tochter  Maria  Francesca  in  Betracht  kommen,  die  aber  bereits 
3 1  Jahre  alt  war.  Es  wird  auch  hier  wieder  eine  Verwechslung  sein,  die  bei  der  Häufig- 
keit des  Namens  Ribera  leicht  erklärlich  ist.  •)  Faraglia,  Archiv,  stör,  per  le  prov.  Nap. 
XVIl,  675.  —  ')  Ein  Selbstporträt  in  .\lton  Tower  von  Waagen  gelobt.  (Kunstwerke  II., 
463.)  —  ')  Gestochen  von  P.  Anton  Pazzi.  Auf  dem  Stich  Ribera  als  ,,Pittore  c  Intagli- 
atore  in  Rame"  bezeichnet  das  Bild  für  den  Porträt-stich  in  den  ,,Espanoles  Ilustres"  be- 
nutzt, der  hier  als  Titelblatt  wiedergegeben  ist. 


und  1620  für  den  Vizekönig  gemalt,  zeigt  mannigfache  venezianische 
Erinnerungen ;  die  Ignaziusgeschichten  in  S.  Gesü  zu  Neapel  aus 
derselben  Zeit  und  die  Ekstase  der  hl.  Magdalena  von  1626  (Madrid 
Academia  S.  Fernando),  vor  allem  aber  der  ,,Silen"  aus  dem 
gleichen  Jahr  (Museum  Neapel)  lassen  deutlich  das  Streben  nach 
Licht  erkennen. 

Und  wie  in  der  Malerei,  so  auch  bei  der  Radierung,  die  Ribera 
gerade  in  jener  Epoche  außerordentlich  pflegte,  ja,  in  der  er,  wie 
die  Blätter  „Der  reuige  Petrus"  (B.  7),  „Der  Hl.  Hieronymus  die 
Posaune  vernehmend"  (B.  4,  5),  „Der  Hl.  Hieronymus  in  der  Wüste 
studierend"  (B.  3),  ,,Die  Bartholomäusmarter"  (B.  6)  —  alle  aus 
der  ersten  Hälfte  der  zwanziger  Jahre  —  zeigen,  damals  weit  mehr 
noch  Meister  war  als  in  der  Malerei.  Das  Hauptblatt  aber  auch 
hier  der  „Silen"  von   1628  (B.   13). 

Den  Werken  der  Frühzeit  gemeinsam  ist  das  übermäßig  starke 
Betonen  des  Charakteristischen.  Der  Künstler  will  nicht  nur  durch 
die  Behandlung  des  Stoffes,  sondern  vor  allem  durch  die  Wahl 
der  Modelle  interessant  erscheinen.  (Studienköpfe,  bald  Apostel, 
bald  Philosophen  genannt,  Porträt  der  bärtigen  Maddalena  Ven- 
tura, Madrid  Duque  de  Lerma  1631,  das  des  blinden  Gambazo, 
Prado   1632.) 

Man  hat  mitunter  das  Gefühl,  als  ob  Ribera  nicht  allein  über- 
raschen, sondern  verblüffen,  ja  selbst  erschrecken  möchte;  es  liegt 
ihm  noch  viel  am  ersten  Eindruck  (Hieronymus  B.  4,  5.,  die  Ge- 
mälde gleichen  Inhalts  in  Petersburg  1626  und  Rom  bei  Principe 
Doria  1629). 

Der  gesteigerten  Physis  seiner  Helden  entspricht  nicht  immer 
eine  erhöhte  Psyche ;  nur  muß  alles  in  Aufregimg  sein :  plötzliche, 
auffahrende   Bewegungen,    flackerndes,    zerrissenes    Licht. 

Eine  Vereinigung  von  religiöser  Begeisterung  und  Freude  an 
Henkerszenen  zeigt  die  radierte  Bartholomäusmarter  (B.  6)  ,und 
die  Andreasmarter   (Budapest)   von    1628. 

Aber  auch  das  spanische  Verständnis  für  das  Transcendentale 
offenbart  sich  schon,  vor  allem  in  der  Ekstase  der  Magdalena  von 
1626  (Madrid,  Ac.  S.  Fernando). 


Nicht  ein  ,, Zugeständnis  an  den  Modegeschmack"  ist  Riberas 
Jugendstil,  sondern  ihn  bestimmt  ernstestes,  künstlerisches  Ringen. 

Mit  der  Concepcion  in  Salamanca  von  1635  erlangt  er  dann 
endlich  die  volle  künstlerische  Freiheit.  Der  Meister  ist  sich  dessen, 
wohl  bewußt,  ein  äußerst  reger  Schaffensdrang  beseelt  ihn  nun. 
Die  Jahre  1636  bis  1642  sind  die  fruchtbarsten  seines  Lebens. 
Der  gereifte  Mann  wnrd  ruhiger,  er  kommt  vom  Modell  los  und 
steuert  auf  einen  Monumentalstil  zu:  Petrus  und  Paulus  (1637, 
Vitoria),  Zyklus  der  Propheten,  Moses  und  Elias  (S.  Martino  Neapel 
1638  folg.),  vor  allem  aber  die  Pietä  (ebenda  1637),  das  tiefste 
Werk  aus  dieser  Glanzperiode. 

Das  schwere,  röthche  Inkarnat  der  ersten  Periode  schwindet 
nach  und  nach  völlig,  die  Körper  erhalten  ein  bernsteinfarbenes 
Leuchten,  bei  durchscheinendem  Licht  einen  hellrötlichen  Schim- 
mer. In  der  zweiten  Hälfte  der  dreißiger  Jahre  macht  sich  eine 
gewisse  Freude  am  Silbergrau  bemerkbar,  so  in  der  Concepcion 
(Salamanca),  bei  dem  Januarius  (ebenda),  dem  Antonius  mit  Jesus- 
knaben (Madrid  Accademie  1636  und  Escorial  1640).  Er  steht 
damit  nicht  allein  da,  die  dreißiger  Jahre  bedeuten  überhaupt  den 
höchsten  Triumph  des  Silbergrau :  Hals,  van  Dyck,  von  diesem; 
beeinflußt  Rubens,  Velasquez,  Reni  haben  ihm  gehuldigt. 

Riberas  Freude  am  Lichten,  Hellen,  Strahlenden  offenbaren 
neben  der  Salamancaer  Concepcion  vor  allem  seine  „Heilige  Fami- 
lien" (Toledo  1639,  Cordoba),  ferner  „Venus  und  Adonis"  (Rom, 
Museo  Nazionale,  1637),  „Apoll  und  Marsyas"  (Neapel,  Museum, 
1 637).  Den  Gipfel  aber  erreicht  er  in  seiner  „Hl.  Agnes"  (Dresden,  1 64 1 ). 

Wie  kühn  der  Meister  werden  kann,  lehrt  der  „Gnadenstuhl 
in  den  Wolken"  (Prado),  ein  Bild,  dessen  Struktur  keine  Linien, 
sondern  Licht-  und  Schattenmassen  bilden. 

Hervorragende  Werke  der  vertiefenden  Charakteristik  sind 
namentlich  der  „Segen  Isaaks"  (Prado,  1637)  und  die  „Hirten- 
anbetung" der  Valencianer  Seo  (1643),  das  beste  Hirtenstück  des 
Meisters. 

Was  Einzelköpfe  anlangt,  so  zeigen  in  erster  Linie  die  Hiero- 
nymusbilder  (Murcia,  Mailand,  Prado)  von  Jahr  zu  Jahr  eine  immer 
größere  Durchgeistigung. 


23 

Den  vorzüglichen  Erzähler,  der  über  eine  ungemein  plastische 
Anschaulichkeit  verfügt,  lernen  wir  besonders  schätzen  bei  den 
Werken  „Venus  und  Adonis",  „Isaaksegen"  und  nicht  zuletzt  in 
den  Wunderbildem,  die  eine  immer  überzeugendere  Kraft  erhalten : 
„Antonius,  dem  der  Bambino  erscheint"  (Madrid,  Academie,  Esco- 
rial),  „Befreiung  Petri"  (Escorial,  Prado),  die  ,,H1.  Agnes"  (Dres- 
den). Und  fragt  man  nach  dem  Grund,  warum  dies  alles  so  packend, 
so  wirklich  als  Wunder  wirkt,  so  ist  es  auch  hier  wieder  die  sieg- 
reiche Macht  des  Lichtes :  das  Wunder  ist  gar  nichts  weiter  als 
der  plötzliche  Eintritt  des  Lichtes,  dessen  Träger,  dessen  Verkör- 
perung nur  der  Bambino,  der  Engel  ist. 

Damit  ist  aber  Riberas  Entwicklung  noch  keineswegs  abge- 
schlossen. Der  alternde  Meister  wagt  sich  an  die  Lösung  kühnster, 
modernster  Probleme.    Hell  in  hell  will  er  malen,  Freilicht. 

Es  ist  dies  ein  Werdegang,  der  unwillkürlich  an  den  eines 
Rubens  erinnert.  Auch  dieser  hatte  als  tenebroso  angefangen  (hatte 
er  doch  Carravaggio  auf  sich  wirken  lassen!),  in  den  ersten  Jahren 
schwer  rötliche  Töne  gezeigt,  dann  aber  ganz  den  gleichen  Weg 
wie  unser  Maler  beschritten. 

Auch  diese  letzte  Epoche  läutet  eine  ,,Concepcion"  ein:  die 
von  S.  Isabella  in  Madrid  aus  dem  Jahre  1646.  Eine  nicht  völlig 
geglückte  Lösung  des  Problems. 

Wenn  ich  aber  Rubens  zum  Vergleich  heranzog,  so  dachte 
ich  vor  allem  an  die  „Errettung  des  Hl.  Januarius  aus  dem  Feuer- 
ofen" (Neapel,  Dom  Cap.  del  Tesoro,  1646),  wo  die  Flammen,  die 
feurig  aus  dem  Ofen  herausschlagen,  zu  keinerlei  Effekt  benutzt, 
sondern  — •  gleich  den  Flammen  der  brennenden  Stadt  auf  Rubens 
Bethlehemitischem  Kindermord  (München)  —  nur  ein  Licht  im 
hellen,  lachenden  Tageslicht  sind.  Und  ein  gleiches  finden  wir 
bei  „Jacobs  Traum  von  der  Himmelsleiter"  (Prado,  1648),  wo  dem 
Erzvater  das  schöne  Traumgesicht  am  hellen  Mittag  erscheint. 

Wie  vollkommen  Ribera  Herr  des  Plein  air  geworden  ist,  zeigt 
der  im  flimmernden  Sonnenlichte  dahingalloppierende  D.  Juan  de 
Austria  IL  (Radierung  von  1648)  und  der  „Klumpfuß"  (Louvre, 
1652). 

Wie  duftig  der  Maler  in  seiner  Technik  wird,  lehrt  der  „Eremit 


24 

Paulus"  (Prado,  1649)  und  der  „Klumpfuß",  wie  pastos,  der  hl. 
Hieronymus  (Prado  Nr.  996,  1652).  Der  männliche  Akt  ist  in 
dem  Paulus  von  1649  und  dem  Sebastian  (Neapel,  Museum,  1651) 
unübertrefflich  wiedergegeben.  Die  Stofflichkeit  am  vorzüglichsten 
in  dem  großen  Hirtenbild  des  Louvre  von  1650. 

Wird  man  bei  der  Entwicklung  des  Malers  Ribera  an  Rubens 
erinnert,  so  gemahnt  der  Gang  des  Charakteristikers  Ribera  stark 
an  den  Rejnbrandts.  Auch  er  geht  von  den  leidenschaftlichen, 
mitunter  aufdringlich  wirkenden  Gestikulationen  seiner  Aktoren 
aus,  auch  er  findet  im  Anfang  sein  Gefallen  am  derb  Charakteristi- 
schen bis  zum  fast  pervers  Häßlichen.  Dann  kommt  der  Aufschwung 
in  den  Jahren  der  mittleren  Reife,  bis  wir  am  Schluß  einen  Künst- 
ler vor  uns  sehen,  der  seine  Helden  ganz  gestillt,  ruhig,  durch- 
geistigt wiedergibt.  Die  Augen  seiner  Heiligen  leuchten  nun  im 
stillen  Feuer,  die  Leidenschaft  bricht  nicht  mehr  roh  hervor,  sie 
ist  verhalten. 

Welch  ein  Unterschied  zwischen  dem  auffahrenden  Hierony- 
mus von  1621,  ja  selbst  noch  dem  von  1644  und  dem  meditierenderij 
(Neapel,  Museum,  1651),  ganz  zu  geschweigen  von  dem  heiligen, 
Greis  im  Prado  Nr.  996  (1652).  Wie  anders  der  majestätische 
königliche  Fischer-Apostel  Andreas  (Prado,  1641)  gegenüber  dem 
aufblickenden  Modell  aus  dem  Anfang  der  dreißiger  Jahre  Dres- 
den, Prado). 

Doch  alles  wird  zusammengefaßt  in  der  Krone  der  Riberaschen 
Werke:  der  nach  langer  Arbeit  1651  vollendeten  „Communion  der 
Apostel"  (S.  Martino).  Der  Lichtmaler,  der  Kompositionskünstler, 
der  Charakteristiker  ist  hier  am  besten  zu  studieren,  seine  Auf- 
fassung von  Ideal-,  von  Monumentalkunst  hier  am  reinsten  zu 
erkennen. 

Lo  Spagnoletto.  Ja,  er  war  Spanier  geblieben.  Hatte  er  auch 
Venedig  und  Parma  auf  sich  wirken  lassen,  dankt  er  auch  seine 
große  Kompositionskunst  den  alten  italienischen  Meistern,  der  Geist, 
der  durch  alle  seine  Werke  weht,  das  tiefe  religiöse  Pathos  ist 
echt  spanisch,  valencianisch.  Darin  vor  allem  bleibt  er  Zeit  seines 
Lebens  Schüler  des  Ribalta,  der  auch  den  Sinn  für  klare,  sorgfältige 
Zeichnung  in  ihm  erweckt  hat. 


Lo  Spagnoletto.  Kein  anderer  seiner  Landsleute  aus  der  Luc- 
casgilde  darf  wie  er  den  Anspruch  erheben,  als  „der  Spanier" 
zu  gelten.  Keiner  besitzt  wie  er  jene  Verbindung  von  derbstem 
Naturalismus  und  blühendster  Mystik. 

Velasquez,  der  nüchternste  aller  Spanier,  wurzelt  ganz  im  Irdi- 
schen (es  so  hoch  geadelt  zu  haben  wie  kein  zweiter,  ist  sein  un- 
sterbliches Verdienst).  Ihm  hat  sich  nicht  der  glänzende  spanisch- 
katholische Wunderhimmel  erschlossen  wie  Ribera,  der  sich  darin 
ebenso  vertraut  fühlte  wie  unter  den  katilinarischen  Existenzen 
des  Neapolitaner  Hafenviertels. 

Auf  seinen  Schultern  steht  Murillo,  der  gemütvolle  Meister 
aus  der  sonnigen  Baetica.  Alles  Strenge  ist  bei  ihm  geschwvin- 
den.  Er  versüßte  die  herbe  Kost  eines  Montafiez,  eines  Ribera 
und  nahm  damit  den  Werken  nicht  nur  den  hohen  Ernst,  sondern 
auch  jegliche  Größe. 

Ribera  gleicht  aber  Rubens  abgesehen  von  der  malerischen 
Entwicklung  auch  in  seinem  Verdienst  um  das  religiöse  Leben 
seiner  Zeit,  indem  er  im  Süden  die  nämliche  Mission  erfüllte  wie 
der  große  Flame  im  Norden :  die  Förderung  des  katholischen  Glau- 
bens, die  Aneiferung  lässig  gewordener  Gläubigen.  Auch  er  war 
ein  miles  christianus,  ein  reisiger  Kämpe  im  Feldzug  der  Gegen- 
reformation. 

II.   FRANCISCO  RIBALTA. 

Die  großen  Handels-  und  Hafenplätze  des  Mittelmeers,  vor 
allem  Genua,  Neapel,  Valencia  entbehrten  lange  einer  eigenartigen 
einheimischen  Kunst.  Die  Niederlande  versorgten  die  Häuser  der 
reichen  Kaufleute  und  die  Kirchen  mit  Gemälden,  die  den  Handels- 
herrn vor  allem  wegen  ihrer  Ausführlichkeit,  wegen  all  des  Klein- 
krams, den  man  so  zierlich  und  sorgfältig  gemalt  auf  jenen  Bildern 
fand,  nicht  wenig  behagten. 

Als  dann  im  XVI.  Jahrhundert  endlich  in  diesen  Plätzen  eine 
wirklich  bodenständige  Kunst  aufblüht,  zeigt  sich  allerorten  die 
stärkste  Reaktion.  Gerade  diese  Städte  sind  die  Heimat  der  brei- 
ten, pastosen  Malerei,  die  nur  das  Große  sieht. 


26 

Die  Gefahr,  bei  dieser  Breitmalerei  die  feste  Zeichnung  zu 
verlieren,  liegt  nahe,  und  die  Schulen  von  Genua  und  Neapel  sind 
ihr  auch  nicht  entgangen.  In  Valencia  stand  es  damit  besser. 
Nicht  zum  geringsten  Teil  mag  es  daher  kommen,  daß  der  erste 
Meister  der  neuen  Richtung,  Francisco  Ribalta,  die  Werke  eines 
Raffael  und  Sebastiano  del  Piombo  gründlich  studiert  hatte.  Aber 
dies  war  auch  das  einzige,  was  die  Italiener  mit  Ausnahme  von 
Correggio,  dem  Ribalta  manche  Typen  und  die  Verkürzungen  ab- 
sah, dem  Valencianer  Meister  gegeben  hatten. 

In  ihre  Eigenart  wollte  der  auf  Individualität  abzielende  Maler 
nicht  weiter  eindringen,  ja  es  war  ihm,  dem  Spanier,  auch  nicht  möglich. 

Das,  wonach  er  strebte,  war  die  konsequente  Helldunkelmalerei ; 
und  diese  Absicht,  ein  Maler  von  starker  Eigenart  sein  zu  wollen, 
macht  ihn  zum  Begründer  der  neueren  Valencianer  Schule,  ebenso 
wie  die  glatte,  saubere,  etwas  süßliche  und  unselbständige,  frei- 
lich stets  wohlgemeinte  Manier  des  Juanes  uns  das  Recht  gibt, 
diesen  den  letzten  Meister  der  alten  Valencianer  Schule  nennen 
zu  dürfen. 

Geboren  wurde  Francisco  Ribalta  1551  oder  1555  in  Castellon 
de  la  Plana,  einem  kleinen  Städtchen  nördlich  von  Valencia.^) 
Er  studierte  zunächst  in  Valencia  bei  Juanes,  wie  die  „Klage  um 
den  Leichnam  Christi"  in  S.  Andres  zu  Valencia  (etwas  geringere 
Wiederholung  im  Prado  946)  beweist.  Er  ging  dann  nach  Italien, 
studierte  die  Werke  Raffaels,  Sebastianos  del  Piombos  und  Cor- 
reggios.  Castellon,  Valencia,  Algemesi,  Carcagente  und  Madrid 
waren  die  Hauptstätten  seiner  Tätigkeit.  1628  starb  er  in  Valencia, 
im  gleichen  Jahre  auch  sein  talentierter  frühreifer  Sohn  Juan,  der 
1599,  also  im  Geburtsjahr  des  Velasquez,  zur  Welt  gekommen  war. 2) 

Wie  schon  Justi  bemerkte^)  ist  Francisco  Ribalta  der  erste 
konsequente  Chiaroscurist  in  Spanien.  Dies  kündet  sich  bereits  in 
der  Kopie  von  Raffaels  Transfiguration  an  (Valencia  Mus.),  wo 
noch  mehr  als  im  Original  alles  Licht  von  Christus  auszugehen 
scheint  und  ebenso  die  untere  Gruppe  noch  dunkeler  gehalten  ist. 

^)  1651  wurde  ein  Francisco  R.,  Sohn  eines  Francisco  R.,  geboren,  1655  ein 
Francisco,  Sohn  eines  Pedro  R.  —  ')  vergleiche  den  Abschnitt  in  Alcahalis  Diccionario 
S.  25s  ff.  —  «)  Baedekers  Spanien  S.  LXXXII. 


27 

Dasselbe  macht  sich  auch  in  den  Kopien  nach  Sebastiane  del 
Piombo  geltend:  „Kreuztragung",  „Christi  Höllenfahrt"  (Valencia 
Museo  provincial). 

Vor  allem  aber  offenbart  sich  der  Helldunkelmaler  in  dem 
großen  Altarwerk  im  Dominikanerinnenkloster  von  Carcagente. 

Bei  Correggio  hatten  mehr  die  Äußerlichkeiten,  die  starken 
Verkürzungen  namentlich,  Eindruck  auf  ihn  gemacht.  Doch  wäh- 
rend Correggio  nach  dem  Heiteren,  Lichten  strebte,  ist  der  Valen- 
cianer schwermütig,  dunkel;  seine  Engel  sind  ohne  Correggio  nicht 
denkbar,  aber  viel  derber;  die  Karnation,  bei  Correggio  von  so 
unerreichter  Frische  und  Sinnlichkeit,  hier  schwer  rötlich. 

Neben  Corregio  auch  an  die  Venezianer  gemahnt  das  Bild 
„Christus  dem  hl.  Vincenz  Ferrer  erscheinend"  (Valencia,  Kirche 
des  Colegio  del  Patriarca,  miserabel  beleuchtet  in  einer  Kapelle 
links).  Christus  vor  allem  —  in  erdbeerrot  und  blau  gekleidet  — 
wirkt  ganz  venezianisch. 

Der  Engel,  der  vorn  rechts  knieend  mit  gefalteten  Händen 
etwas  aus  ,dem  Bild  herausschielt,  in  gelbem  Rock  mit  blauem 
Band,  ist  einer  seiner  anmutigsten.  Sehr  schön  auch  die  sanfte 
Bewegung  Christi  auf  den  Heiligen  zu,  der  im  Begriff  ist,  vor  dem 
hohen  unerwarteten  Besuch  auf  die  Kniee  zu  sinken. 

Noch  mehr  wird  man  bei  , .Christus  in  Gethsemane"  (Valencia 
Colegio  del  Patriarca,  Capilla  de  la  Purissima  Concepcion)  an  Cor- 
reggio erinnert. 

Der  links  oben  erscheinende  goldlockige  Engel,  in  blau  und 
gelb  gekleidet,  ist  die  vollkommenste  spanische  Umbildung  des 
Correggioschen  Typus.     Wir  werden  ihn  bei  Ribera  wiederfinden. 

Eigenartig  Christus,  leider  nur  in  der  Haltung,  ob  wirklich 
knieend  oder  sitzend,  nicht  klar  genug.  Mit  verschränkten  Händen 
blickt  er  ergebungsvoll  zu  dem  Engel,  der  mit  den  Leidenswerk- 
zeugen erscheint.  Christi  Oberrock  hat  einen  tiefen,  keilförmigen  Ein- 
schnitt, der  Hals  und  einen  Teil  der  Brust  freiläßt.  Von  eigenem  Reiz 
die  fließenden  Falten,  merkwürdig  die  Färbung  des  Rockes,  ein 
helles  Rot,  von  dem  sich  nur  das  Dunkelrot  der  Schärpe  tief- 
leuchtend abhebt.     Unverkennbar,   daß   Ribalta  bei  dem  Christus- 


28 

köpf  einen  idealen  Typus  angestrebt  hat.  Ganz  erreicht  hat  er 
sein  Ziel  hier  ebensowenig  wie  in  der  noch  zu  erwähnenden  Cena. 
Das  Mittelbild  dieses  AUarwerkes  stellt  eine  Grablegung  dar.  Ein 
Nachtstück.  Für  den  Chiaroscuristen  eigentlich  selbstverständlich. 
Das  Bild  ist  so  schlecht  wie  nur  möglich  beleuchtet,  seine  Schön- 
heiten sind  fast  mehr  zu  erraten  als  zu  sehen.  Auch  dieses  Werk 
ist  nicht  ohne  Einfluß  auf  die  Beweinungsbilder  Riberas  geblieben. 

Den  linken  Flügel  bildet  ein  Schmerzensmann  mit  sehr  edlem 
Haupt  (Kopie  in  der  Kathedrale).  Die  Unterarme  verschwinden :  die 
Hände  sind  auf  dem  Rücken  zusammengebunden.  Ebenso  sind  die 
Füße  gefesselt.  Die  von  vorn  gesehene,  ganz  leise  nach  der  Seite 
geneigte  Gestalt  macht   einen  tiefen  Eindruck. 

Ribaltas  Streben  nach  ,, starker  Plastik  der  Figuren  mittels 
einseitiger  Beleuchtung"  wird  von  keinem  seiner  Werke  besser  be- 
wiesen als   von   diesem. 

Am  meisten  weckt  aber  der  große  Hochaltar  der  Pfarrkirche  von 
Algemesi,  auf  dem  Ribalta  in  zahlreichen  Gemälden  Szenen  aus  dem 
Leben  Santiagos  und  aus  der  Passionsgeschichte  darstellte,  die  Er- 
innerung an  Correggio ;  in  erster  Linie  das  große  ßild :  „Die 
Erscheinung  des  Heiligen  im  Krieg  mit  den  Mauren."  Auf 
mächtigem  Schimmel  scheint  der  heilige  Ritter  schräg  aus  dem 
Bild  herauszusprengen.  Die  kühnen  Verkürzungen  sind  ganz 
Correggio  abgesehen;  mehr  aber  noch  der  Kopf  des  Glaubensstrei- 
ters mit  seinen  langen  dunklen  Locken,  seinem  dunkelblonden  Bart, 
ein  Kopf  von  höchster  sinnlicher  Schönheit. 

Ribalta  war  ein  Günstling  des  damaligen  Valencianer  Erz- 
bischofs Juan  de  Ribera.  Für  diesen,  der  den  Kultus  des 
Sakraments  besonders  förderte,  malte  er  auch  das  Bild  des  Hoch- 
altars in  der  Kirche  des  Colegio  del  Patriarca  (einer  Stiftung  eben 
dieses  Erzbischofs),  die  Cena.  Sein  Meisterwerk;  ungefähr  1605 
entstanden ;  bedeutend  nicht  nur  durch  das  konsequent  durchge- 
führte Helldunkel,  sondern  vor  allem  durch  die  Zentralkomposition. 
Mittelpunkt  ist  der  Calix,  der  auf  dem  runden,  weißgedeckten  Tische 
steht.  Die  Jünger  knieen  eng  zusammengedrängt  um  die  Tafel 
herum,  in  der  Mitte  hinten  sitzt  mit  dem  Haupt  die  anderen  über- 
ragend Christus.    Das  Licht,  von  links  einfallend  und  starke  Schatten 


werfend,  ist  fast  ganz  auf  ihn  gesammelt,  auf  ihn  fällt,  trotzdem  er 
am  weitesten  entfernt  ist,  unser  erster  Blick.  Gen  Himmel  schauend 
hält  er  wagrecht  in  seiner  Linken  die  Hostie,  während  die  Rechte 
in   Sprechgebärde  erhoben   ist. 

Der  dritte  von  Christus  rechts  (v.  Beschauer)  auf  den  der 
hl.  Andreas  deutet,  ein  in  gelb  gekleideter  Greis  mit  weißem  Bart 
und  gebogener  Nase  ist  Ribaltas  Schutzherr,  der  Erzbischof,  in 
eigener  Person.     Er  ist   nächst  Christus  am  hellsten  beleuchtet. 

Die  beiden  Vordergrundsfiguren  Petrus  und  Judas  sind  die 
einzigen  vollkommen  sichtbaren  Gestalten.  Rechts  Judas  knieend 
in  braunem  Rock  und  rotem  eigenartig  drapiertem  Mantel,  den  Be- 
schauer mit  seinen  glühenden  dunklen  Augen  anblickend,  mit  langem 
schwarzen  krausen  Haar  und  Bart :  ein  Künstlerkopf.  Bei  Petrus 
bricht  des  Malers  Naturalismus  durch :  er  läßt  uns  die  mit  großer 
Liebe  gemalten  Fußsohlen  des  Apostels  sehen. 

Sind  auch  die  übrigen  Apostel  im  Ausdruck  nicht  übermäßig 
unterschieden,  so  macht  das  Bild  doch  einen  sehr  starken,  feier- 
lichen  und   erhabenen   Eindruck. i) 

Eine  äußerst  auffallende  Verwandtschaft  mit  diesem  Gemälde 
besitzt  das  viel  später  (ca.  1630 — 32)  entstandene  Abendmahl  von 
Rubens  in  der  Brera.  Wenn  man  bedenkt,  daß  Rubens  1628  in 
Spanien  war,  so  kann  man  sich  nicht  des  Gedankens  erwehren, 
daß  Rubens  das  Bild  damals  gesehen  hat.  (Eine  Kopie  soll  sich 
nach  Bermudez  in  Madrid  befunden  haben.)  Auf  jeden  Fall  steht 
Rubens  in  der  Cena  Ribalta  viel  näher  als  Tizian,  mit  dessen  Ge- 
mälde zu  Urbino  das  Mailänder  Bild  früher  in  Zusammenhang  ge- 
bracht wurde. 

Einen  Vorläufer  hat  Ribaltas  Abendmahl  in  dem  viel  kleineren 
Bild  des  Valencianer  Museums,  das  uns  vor  allem  den  Maler 
Ribalta  bewundern  läßt.  Namentlich  das  Rot  des  Rockes  Christi 
ist  von  unerhörter  Leuchtkraft.  Vieles  ist  hier  noch  unausgeglichen : 
Aufdringlich,  wie  Christus  mit  der  einen  Hand  die  Hostie  hoch- 
hält und  mit  der  anderen  auf  den  Calix  weist,  wie  sich  der  in 
blau  gekleidete  Apostel  vorn  weit  aus  dem  Bild  herauswendet, 
die  Rechte  nach  uns,  die  Linke  nach  hinten  gegen  Christus  ausstreckt 

')  Leider  hat  das  Bild  durch   mehrfache  Restaurationen  gelitten. 


30 

Sehr  fein  malerisch  abgestimmt  ist  die  kleine  Marienkrönung, 
ebenfalls  im  Valencianer  Museum.  Die  Madonna  in  weißem  mit 
goldnen  Sternen  gemusterten,  rotgefüttertem  Obergewand  und 
grünem  Unterkleid,  auf  einer  Kugel  emporschwebend,  ist  dem 
Künstler  trefflich  gelungen.  Wie  in  der  Cena  auf  Christus,  so 
ist  hier  alles  Licht  auf  die  Himmelskönigin  gesammelt.  Die  Engel 
scheinen  zum  Teil  von  Riberas  Sohn  Juan  gemalt  zu  sein,  da 
sie  eine  andere,  weit  pastosere  Manier  zeigen.  Eigenartig  die  röt- 
lich grünliche  Glorie,  die  sich  auch  sonst  (Christus  in  der  großen 
Cena,  Johannes  der  Täufer)  wiederfindet. 

Das  Bildchen  ist  eines  der  entzückendsten  Werke  der  ganzen 
Valencianer  Malerei. 

Höchst  abgeklärt  ist  das  verhältnismäßig  kleine  Gemälde  der 
,,Glorification  des  Hl.  Bruno",  früher  in  der  Kapelle  des  Heiligen  in 
der  Cartuja  von  Valdecristo,  jetzt  im  Instituto  Provincial  in  Castellon 
de  la  Plana.     Es  ist  neben  der  Cena  die  beste  Leistung  Ribaltas. 

Der  hl.  Bruno  —  ungefähr  in  halber  Lebensgröße  —  steht  in 
der  Mitte,  in  der  gesenkten  Rechten  einen  Palmzweig,  ein  Buch 
in  der  erhobenen  Linken  haltend.  Zu  seinen  Seiten  hinter  ihm 
zwei  Bischöfe.  Links  von  dieser  Gruppe  ein  Bischof  und  ein  Mönch, 
rechts  ein  weiterer  Bischof.  Links  im  Vordergrund  beugt  sich 
vor  dem  Heiligen  ein  Karthäusermönch  tief  zur  Erde,  während 
rechts  ein  anderer  knieend  mit  Kapuze  über  dem  Kopf  begeistert 
zu  dem  Ordensstifter  aufblickt.  Zu  dessen  Füßen  ein  Kardinalshut. 
Der  Heilige  blickt  zum  Himmel,  wo  Gott  Vater  erscheint,  den  Sohn 
in  den  Armen :  frei  nach  Dürers  „Gnadenstuhl  in  den  Wolken". 
Die  Anlehnung  an  Dürers  berühmtes  Blatt  ist  unverkennbar.  Links 
und  rechts  Engelscharen. 

Die  Gestalt  des  hl.  Bruno  in  dem  weißen  Ordensgewand,  ganz 
de  face  gesehen,  fest  und  ruhig  stehend,  wirkt  höchst  feierlich 
und  imposant.  Tiefster  Ernst  und  innerlichste  Religiosität  spricht 
aus  diesem  Werk.  Was  die  Komposition  anlangt,  ist  es  das  beste 
Bild  Ribaltas   schlechtweg. 

Will  man  aber  die  religiöse  Phantasie  des  Valencianers  so  recht 
kennen  lernen,  dann  muß  man  sich  an  seine  ,,Extase  des  Hl.  Fran- 
ciscus"  und  an  den  ,vHl.  Franz,  den  Cruzificus  umarmend"  halten. 


Tafel  II 


Abb.  1     FRANCISCO  RIBALTA:  VISION  DES  HL.  FRANZISCUS 
Madrid     Prado 


31 

Die  Vision  des  HI.  Franciscus.  (Prado  947,  h.  2,04,  br.  1,58, 
Abb.  I.)  Ein  maßloses  Erstaunen  erfüllt  den  bleichen  auf  seinem 
Lager  ruhenden  Mönch,  der  da  plötzlich  in  der  Luft  einen  —  auf 
Gott  weiß  was  —  balanzierenden  himmlischen  Geiger  ihm  ein  geist- 
liches Violinkonzert  vorspielen  hört  und  sieht.  Die  Ueber- 
raschung,  das  Momentane  wiederzugeben,  ist  dem  Künstler  in  aus- 
gezeichneter Weise  gelungen.  Das  Bild  wirkt  überzeugend.  Dies 
ist  aber  auch  fast  alles ;  tiefe  Gefühle  werden  nicht  ausgelöst. 
Es  ist  der  Realismus,  der  sich  schrankenlos  hier  Bahn  gebrochen 
hat.  So  packend  ist  ein  derartiges  Sujet  nur  noch  einmal  in  der 
spanischen  Kunst  dargestellt  worden :  von  Ribera  in  der  ,, Be- 
freiung  Petri". 

Ganz  anders  das  Pendant  zu  diesem  Bild,  das  sich  noch  in 
Valencia  (Museum)  befindet.  Beide  stammen  aus  dem  Kapuziner- 
konvent in  Valencia. 

An  keinem  andern  Werk  als  an  diesem  „Franciscus,  der  den 
Cruzifixus  umarmt"  kann  man  besser  den  Unterschied  zwischen 
Valencianer  und  Sevillaner  Schule  studieren.  Murillos  Bild  gleichen 
Inhalts  im  Sevillaner  Museum  bietet  sich  uns  als  willkommenes 
Vergleichsobjekt  dar.  Bei  Ribalta  ist  es  ein  etwas  feister,  schwarz- 
bärtiger, stumpfnasiger  Mönch,  der  den  Leib  des  Herrn  umfaßt, 
was  sage  ich  umfaßt,  nein,  an  sich  preßt  in  der  ganzen  Glut  seiner 
Liebe  und  Verehrung.  Und  so  ruht  er  wonnetrunken  mit  ge- 
schlossenen Augen  an  des  Herren  Seite,  mit  innerlichen  Beben  die 
hohe  Ehrung  der  Krönung  erwartend.  Nicht  auf  der  Erde  steht 
er,  sondern  auf  einem  mächtigen,  liegenden  gekrönten  Löwen,  der 
laut  in  die  Nacht  hinaus  brüllt.  Christus  ist  in  Begriff  mit  seiner 
vom  Kreuz  gelösten  Rechten,  in  der  noch  der  Nagel  steckt,  seine 
Dornen-Krone  auf  das  Haupt  des  hl.  Franz  zu  drücken.  Ein  in 
Rot  gekleideter  Engel  reicht  ihm  von  links  dafür  eine  frische 
Krone,  aber  aus  Blumen  geflochten.  Die  Himmlische  Musik,  der 
Kontrast  zum  brüllenden  Löwen  fehlt  natürlich  nicht :  ein  Engel 
rechts   spielt   auf   einem  Cello. 

Welches  Pathos,  welch  düster-grandiose  Stimmung,  von  glü- 
hendster religiöser  Inbrunst  durchweht !  In  diesem  Mönch  ist  die 
ganze  spanische  fanatische  Glaubensglut  verkörpert. 


32 

Daß  das  Werk,  rötlich  in  der  Karnation,  überhaupt  schwer 
und  düster  in  der  Farbe  ist,  versteht  sich  am  Ende  von  selbst. 

Und  nun  Murillo.  Gewiß  edler,  aristokratischer,  nicht  so  wild 
und  leidenschaftlich,  kurz  gesagt,  „schöner",  aber  nicht  so  hin- 
reißend. Man  hat  im  Süden  nicht  so  starke  Nerven.  Alles  wird 
weicher,  freundlicher,  lieblicher.  Fast  zaghaft  legt  Franciscus  seinen 
Arm  um  den  Leib  des  Herrn,  als  getraue  er  sich  nicht,  den 
Heiligsten  zu  berühren.  Dagegen  ist  hier  alle  Wirkung  in  den 
Blick  gelegt.  Sicherlich  sehr  fein,  aber  eine  althergebrachte  Auf- 
fassung. Kein  Krönen  niit  der  Dornenkrone,  nur  ein  Umfassen. 
Kein  brüllender  Löwe :  eine  Weltkugel.  Bei  Ribalta  Leidenschaft, 
hier  süße  Milde.  Dort  eine  frische  grandiose,  dramatische  Stim- 
mung, hier  mehr  lyrisch.  Murillos  Bild  ist  ein  Kunstwerk.  Ribaltas 
Schöpfung  ist  aber  mehr  als  das :  es  ist  eine  Predigt,  ein  Credo. 

Wer  bis  jetzt  noch  nicht  gewußt  hat,  woher  ein  Ribera  die 
Leidenschaft  seines  Hieronymus,  die  Gottbegeisterung  seiner  Blut- 
zeugen empfangen  hat,  dem  sind  hier  wohl  die  Augen  aufgegangen. 

Es  mag  noch  kurz  von  Ribaltas  letztem  Werk  die  Rede  sein, 
seinen  Arbeiten  in  den  Jahren  1627,  1628,  die  der  Ausschmückung 
der  Cartuja  von  Porta  Coeli  bei  Valencia  galten.  Die  Hauptstücke 
des  Hochaltars  jetzt  im  Valencianer  Museum :  Marienkrönung,  S. 
Bruno,  S.  Paul,  S.  Petrus,  Johannes  der  Täufer  und  Johannes  Evang. 

Petrus  in  rotem  Untergewand  und  grünem,  vielfach  aufge- 
lichtetem Obergewand,  etwas  gebückt,  von  der  Seite  gesehen,  er- 
innert auffällig  an  die  Figur  Dürers  aus  den  „Vier  Aposteln". 
Große  Ähnlichkeit  auch  in  der  Durchbildung  der  Füße. 

Die  bedeutendste  Gestalt  ist  jedoch  der  hl.  Bruno,  mit  die  beste 
Einzelfigur  Ribaltas,  im  Ton  sein  kühlstes  Werk;  ein  heller  grauer 
Ton  wiegt  vor.  Der  Heilige  steht  frontal,  mit  dem  linken  Fuß  auf 
der  Weltkugel,  die  Linke  mit  einem  Buch  in  rotem  Einband  auf 
den  linken  Oberschenkel  gestützt.  Den  Zeigefinger  der  Rechten 
hat  er  an  den  Mund  gelegt,  an  das  strenge  Gebot  seines  Ordens  er- 
innernd. Über  den  trefflich  modellierten  Kopf  hat  er  die  Kapuze 
gezogen,  die  ein  helles  Reflexlicht  auf  die  Stirne  wirft.  Seine 
gelblich-weiße  Ordenskutte  ist  mit  einem  goldnen  Stern  auf  der 
Brust  geziert.    Am  Boden  die  Mitra.    Höchst  interessant  die  Falten- 


33 

behandlung:  Klar,  großzügig  und  weich.  Gerade  darin  unter- 
scheidet es  sich  von  seinem  Sohn,  der  anfänglich  hart  („Golgatha", 
Mus.  Valencia  von  1615),  später  viel  unbestimmter  und  weniger 
großartig  wird  (Porträt  des  hl.  Thomas  von  Villanueva  „in  ponti- 
fice"  im  Colegio  mayor  de  la  Presentacion  de  S.  Thomas  in  Valen- 
cia, das  den  Bischof  zwischen  zwei  knieenden  Colegiales  zeigt, 
femer  Prado  951  :  die  „zwei  Evangelisten  S.  Marcus  und  S.  Lucas" 
und  der  ,, Sänger"  Prado  951.)  Es  hängt  dies  mit  seiner  Technik 
überhaupt  zusammen,  die,  wie  gesagt,  viel  pastoser  ist  als  die 
des  Vaters,   der   darin   oft   noch   altmeisterlich  erscheint. 

Dies  in  großen  Zügen  das  Bild  von  Riberas  Lehrer.  Alles 
in  allem  ein  durchaus  malerisch  veranlagter  Künstler,  der  aber 
darüber  die  Zeichnung  keineswegs  vergaß,  fleißig,  sorgfältig  und 
konsequent  in  seinem  Schaffen,  von  tiefstem  religiösen  Pathos  er- 
füllt, der  diesem  gern  die  äußere  Schönheit  opferte,  ein  entschiedener 
Naturalist,  dem  die  derben  Apostelgestalten  weit  besser  gelangen 
als  der  ideale  Christus,  ein  Mann,  dessen  Wollen  vielleicht  oft 
größer  war  als  sein  Können.    Was  er  verheißen,  hat  Ribera  erfüllt. 

III.  RIBERAS  WERKE. 

A.  JUGEND.  JAHRE  DES  RINGENS. 

I. 

Daß  Ribalta  Riberas  erster  Lehrer  war,  hat  zuerst  Palomino 
mit  aller  Entschiedenheit  ausgesprochen.  Die  italienischen  Bio- 
graphen, vor  allem  Dominici,  hatten  ihn  bei  Carravaggio  in  die 
Schule  gehen  lassen.  Abgesehen  davon,  daß  sie  dem  nach  ihren 
Mitteilungen  in  Italien  geborenen  Künstler  nur  einen  Italiener  als 
Lehrmeister  geben  konnten,  ist  der  Irrtum  rein  künstlerisch  sehr 
begreiflich.  Ribalta  und  Carravaggio  sind  äußerst  verwandte  Na- 
turen. Beide  Bahnbrecher,  Schulgründer :  Tenebrosi  und  Na- 
turalisten. Beide  haben,  obwohl  sie  am  Anfang  einer  neuen  Be- 
wegung stehen,  oder  vielleicht  grade  deswegen  in  ihrer  Technik  noch 
etwas  von  der  früheren  Schule,  etwas  zumalendes,  die  eigentliche 
Mache  verdeckendes.      Es   ist   somit   schwer   zu  sagen,   ob  Ribera 

Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletrol.  -i 


34 

später  noch  viel  von  Carravaggio  hat  lernen  können,  er  war  eben 
schon  bei  dem  spanischen  Carravaggio  in  die  Lehre  gegangen. 
Ein  Jugendwerk  Riberas  aus  der  ^'^alencianerzeit  ist  nicht  mehr 
nachweisbar. 

2. 

Mit  erhaltenen  Werken  aus  der  Parmaer  Studienzeit  ist  es 
fast  ebenso  übel  bestellt.  Wie  schon  erwähnt,  ist  der  „hl.  Martin" 
in  S.  Andrea  eine  traurige  Ruine. 

In  Neapel  hängt  in  einem  Salon  des  Palazzo  der  Fürstin  Fondi 

—  die  früher  eine  ganze  Reihe  von  Werken  Riberas  besaß  — 
ein  kleines  Bildchen:  „Christus  im  Tempel  lehrend".  Dieses  Opus- 
culum,  mit  dem  von  Ribera  so  geliebten  feinhaarigen  Pinsel  ge- 
malt und  in  der  Kamation  das  etwas  schwere  Rot  seiner  Früh- 
zeit aufweisend,  ist  eine  höchst  interessante  freie  Kopie  nach  Paolo 
Veroneses  großem  prachtvollen  Gemälde  im  Prado  (Nr.  527).  Das 
Madrider  Bild  ist  höchst  wahrscheinlich  identisch^  mit  der  Tempel- 
disputation, die  sich  zu  Ridolfis  Zeiten  im  Haus  Contarini  in  Padua 
befand.!) 

Die  wesentlichsten  Unterschiede  in  der  Darstellung  sind,  daß 
der  Mann  rechts  im  Sessel  mit  dem  roten  Turban  nicht  wie  bei 
Veronese  nach  Christus  sieht,  sondern  starr  zum  Bild  heraus,  und 
statt  des  sich  vornüberbeugenden  Greises  —  ebenfalls  mit  Turban 

—  der  etwas  nachzulesen  scheint,  ein  junger  Mann  den  Kopf  nach 
vorn  neigt,  um  besser  hören  zu  können.  Der  Kopf  dieses  Jüng- 
lings nun  ist  vollkommen  spanisch. 

Auf  Grund  dieser,  besonders  der  letzten,  Abweichungen  und 
der  oben  angeführten  technischen  Eigentümlichkeiten  die  Kopie 
mit  aller  Bestimmtheit  Ribera  zuweisen  zu  wollen,  erscheint  mir 
etwas  gewagt.  Sehr  groß  ist  allerdings  die  Wahrscheinlichkeit, 
daß  er  der  Urheber  ist. 

Ribera  kann  das  Bild  sehr  wohl  in  Padua  gesehen  haben  und 
es  wäre  durchaus  erklärlich,  daß  dieses  eigenartige  Werk  des  Vene- 
zianers den  jungen  Maler  zu  einer  kleinen  Kopie  begeistert  hätte. 

1)  cf.  Catälogo  descriptivo  e  histörico  de  los  quadros  del  museo  del  Prado  en  Madrid 
por  D.   Pedro  de  Madrazo.     I.     Madrid    1872.     Seite  297. 


35 

Veroneses  Einfluß  auf  Ribera  ist  nicht  gering  gewesen,  der  beste 
Beweis  dafür  ist  seine  Apostelkommunion  in  S.  Martino  aus  seiner 
Reifezeit.  Und  daß  sich  das  Bildchen  in  Neapel  im  Besitz  dieser 
alten  Adelsfamilie  befindet,  macht  Riberas  Urheberschaft  nur  noch 
wahrscheinlicher. 


Im  Jahre  1616  kam  D.  Pedro  Giron,  Duque  de  Osuna,  als 
Vizekönig  nach  Neapel.  Nach  Dominici^)  soll  Ribera,  noch  ein 
armer  Teufel  damals,  eine  „Marter  des  hl.  Bartholomäus"  gemalt 
und  auf  der  Straße  ausgestellt  haben. 

Zahllose  Gaffer  seien  durch  den  unerhörten  Realismus  der 
Darstellung  herbeigelockt  worden.  Den  großen  Auflauf  habe  auch 
der  Vizekönig  beinerkt,  sich  nach  dem  Grund  erkundigt,  das  Bild 
holen  lassen,  und,  da  ihm  das  Werk  seines  Landsmannes  —  Ribera 
hatte  sich  espafiol  auf  dem  Gemälde  genannt  —  gefiel,  es  auch 
gekauft  und  Ribera  zu  seinem  Hof-  und  Lieblingsmaler  erkoren. 
Dominici  gibt  eine  genaue  Beschreibung  des  Bildes,  die  fast  vöUig 
mit  dem  bereinstimmt,  was  uns  die  bekannte  Radierung  bietet. 
Das  Gemälde  ist  nicht  mehr  erhalten,  vielleicht  existierte  es  nie. 
Es  ist  nicht  unwalirscheinlich,  daß  Dominici  für  die  Beschreibung 
des  Bildes  sich  überhaupt  auf  die  Radierung  gestützt  hat. 

Erhalten  ist  dagegen  der  herrliche  „Cruzifixus",  den  der  Herzog 
für  seine  Grabkapelle  in  Osuna  hatte  malen  lassen.  Die  Begräbnis- 
kirche des  alten  Geschlechtes  ist  die  außerhalb  des  eigentlichen 
Städtchens  auf  einer  Anhöhe  gelegene  Colegiata.  Das  Bild,  das 
jetzt  im  nördlichen  Querarm  hängt,  zierte  wohl  früher  den  Mittel- 
teil des  mächtigen  Hochaltars,  ebenso  wie  die  vier  Gemälde  auf 
den  Seiten  ebenfalls  von  Ribera  waren.  Man  sieht  nämlich  noch 
jetzt  vier  Lienzos  dort :  „Hieronymus,  die  Posaune  hörend",  „Seba- 
stian", ,, Bartholomäusmarter"  und  ein  „reuiger  Petrus",  alle  sehr 
verdorben,  zum  Teil  stark  restauriert,  in  sehr  dunklem  gelb-röt- 
hchen  Ton  gehalten,  glatt  und  breit  gemalt,  mäßige  Kopien,  kaum 
V/erkstattarbeiten.     Schon   Ponz   schätzte   sie   so   ein.  -) 

')   Domin.    115,   116.     -)  Ponz:   Viaje  por  Espana  XVIII,    141. 


Leider  ist  Riberas  Werk  sehr  stark  gedunkelt  und  dazu  schlecht 
beleuchtet. 

Christus  hängt  hochragend  am  Kreuz,  nur  mit  einem  weißen 
Lendentuch  bekleidet.  Den  Körper  leicht  nach  rechts  gedreht 
blickt  er  schmerzlich  nach  links  oben.  Er  trägt  dunkles  langes 
Haar  und  Bart;  die  Nase  gebogen.  Links  vom  Kreuz  steht  Maria 
in  rotem  Gewand,  tiefblauem  Mantel  und  braungrünem  Kopftuch. 
Ihre  Hände  hat  sie  zur  Brust  erhoben  und  klagend  gefaltet.  In 
stummem  Schmerz  blickt  sie  zum  Sohn  empor.  Anders  der  in 
einen  roten  Mantel  gehüllte  Johannes,  der  hinter  ihr  steht.  Er 
kann  sich  nicht  beherrschen  und  läßt  den  Tränen  freien  Lauf;  er 
trocknet  die  verweinten  Augen  mit  einem  Zipfel  seines  Mantels. 
Rechts  vom  Kreuz  kniet  Magdalena,  den  Stamm  umfassend,  im 
Begriff,  die  Füße  jd^s  Herrn  zu  küssen.  Ihr  goldblondes  Haar 
fließt  in  mächtigen  Wellen  über  ihre  Schultern;  kostbar  ist  sie  ge- 
kleidet :  ein  dunkelbraunes  wie  Seide  glänzendes  Gewand,  grüner 
Umschlag,  gelbbraun  leuchtender,  rotgefütterter  Mantel.  Hier  spürt 
man  Venedig.  Die  ganze  Leuchtkraft  des  Kolorit,  das  Betonen  des 
Stofflichen  bei   der  Magdalena  gemahnt   an  Tizian,   an  Veronese. 

Nur  das  Inkarnat  weicht  ab.  Es  ist  stark  rötlich,  wie  in  den 
Werken  Ribaltas. 

Hinter  Magdalena  steht  noch  eine  Frau,  ebenso  erblickt  man 
bei  näherem  Zusehen  auch  auf  der  anderen  Seite  im  Hintergrund 
noch  eine  Gestalt,  doch  ist  das  Bild  so  gedunkelt,  daß  von  diesen 
Figuren  rüchts  mehr  klar  zu  erkennen  ist. 

Dieses  Gemälde,  zwischen  1616  und  1620  entstanden,  hinterläßt 
einen  Eindruck,  der  an  Tiefe  und  Wirksamkeit  keineswegs  dem 
der  Schöpfungen  aus  des  Meisters  reifster  Zeit  nachsteht.  Es 
nimmt  in  der  Reihe  der  Frühwerke  durch  seine  außerordentliche 
Ruhe  und  Feierlichkeit  eine  Ausnahmestellung  ein.  Man  spürt  über- 
all die  verhaltene  Leidenschaft  und  bewundert  das  Maß,  das  der 
Künstler  hier  gehalten  hat. 

Ungefähr  aus  derselben  Zeit,  um  1620,  stanamen  die  Gemälde 
über  deni  Altar  im  linken  Querschiff  von  Gesü  Nuovo  (S.  Trinitä 
Maggiore)  zu  Neapel:  drei  Historien  aus  dem  Leben  des  hl.  Igna- 
tius  von  Loyola. 


37 

Nach  Dominici^)  hatte  der  Beichtvater  des  Vizekönigs,  ein 
Jesuitenpater,  dem  Maler  diesen  Auftrag  verschafft. 

Hier  nun  tritt  uns  zum  erstenmal  der  Lichtmaler  Ribera  ent- 
gegen. Nicht  den  Preis  des  scharfen  Kellerlichtes  kündet  er  in 
diesem  Frühw^erk,  sondern  den  des  Himmelslichtes,  des  strahlenden 
Wunderhimmels,  der  seine  Geliebten  und  Heiligen  mit  Wolken 
von  Licht  und  Glanz  umhüllt. 

Alles  ist  hell  und  freudig  in  dem  Bild;  das  einzige  ernste, 
dunkle  ist  des  Ignaz  schwarzes  Ordenskleid,  wie  schon  Justi  tref- 
fend bemerkt  hat.^) 

Im  ersten  Gemälde  sehen  wir  den  Heiligen  vor  Papst  Paul  IIL, 
offenbar  nach  Tizians  bekanntem  Neapler  Bild  —  das  sich  zu 
Riberas  Zeit  in  Parma  befand  —  gemalt.  Der  Papst  in  derselben 
Haltung  wiedergegeben.  An  die  Stelle  des  Herzogs  bei  Tizian  ist 
Ignatius  getreten  mit  zwei  Begleitern:  Salmeron  und  dem  greisen 
Laynes  mit  den  tiefliegenden  glühenden  Augen  und  dem  eingefal- 
lenen Mund.  Aus  den  Zügen  des  Ignatius  lesen  wir  deutlich  die 
Freude  über  die  Anerkennung  seiner  Gesellschaft.  Sein  Bild  ist 
ziemlich  getreu :  ein  alter,  feiner  Kahlkopf.  Der  Kardinal  ist  aus 
Tizians  Bild   beibehalten,   steht  aber   mehr  im  Vordergrund. 

Das  zweite  Bild  zeigt  uns  eine  Vision :  Ignatius  in  höchster 
Begeisterung,  die  Linke  auf  die  Brust  legend  und  den  rechten 
Arm  emporstreckend,  erblickt  das  Monogramm  Christi,  das  in 
einem  Lichtglanz  über  ihm  erscheint,  von  einem  Engel  ihm  gezeigt. 

Im  dritten  Bild  endlich  sehen  wir  den  Gründer  der  Gesellschaft, 
die  Konstitutionen  schreibend,  in  der  rechten  Ecke  des  Gemäldes. 
Freudig  blickt  er  sich  nach  der  Madonna  um,  die  dicht  hinter 
ihm  schwebend  sich  und  den  Bambius  vorbeugt  und  mit  dem 
Finger  deutend  diktiert.  Der  Jesusknabe,  der  die  Mutter  umhalst, 
eine  liebliche  echt  kindliche  Gestalt,  sieht  sich  nach  dem  Heili- 
gen um.  I 

Schon  Dominici  fiel  die  morbidezza  und  pastositä  in  der  Kar- 
nation auf  und  er  sagte,  man  könnte  eher  meinen,  das  Bild  sei 
von  einem  Schüler  der  Lombarden  gemalt  als  von  einem  Carra- 
vaggios.     Namentlich  die  kleinen  Engel  finden  wegen  der  außer- 

')  Domin.   117.   —  ')  Justi,   Velasquez  I.   274. 


38 

ordentlich  duftigen,  weichen  Manier,  in  der  sie  wiedergegeben  sind, 
die  Anerkennung  Dominicis. 

Diese  Schöpfung  Riberas  beweist  durch  ihren  zum  Teil  ja 
wortwörtlichen  Anklang  an  Tizian  aufs  neue,  welchen  Eindruck 
die   Venezianer   auf    den    jungen    Künstler   gemacht    haben. 

4- 

Sonst  ist  uns  kein  einziges  Gemälde  Riberas,  das  in  jenen 
Jahren  entstanden  sein  könnte,  bekannt,  dagegen  eine  ganze  Reihe 
von  Radierungen.  Der  Ätzkunst  scheint  der  junge  Meister  in  jener 
Zeit,  vor  allem  in  der  ersten  Hälfte  der  zwanziger  Jahre,  ein  weit 
höheres  Interesse  entgegengebracht  zu  haben  als  der  Malerei. 

Gaiidellini  berichtet,  daß  Ribera  eine  Art  Zeichenbuch  heraus- 
gegeben habe:  22  Blatt  nach  Guercino.  Ribera  selbst  habe  dies 
Werk  sehr  geschätzt  und  davon  gesagt,  daß  er  damit  als  jüngerer 
Mensch  in  der  Lombardei  sein  Brot  verdient  habe.  Dies  ist  jedoch 
kaum  richtig.  Vor  allem  hat  Guercino  eher  von  Ribera,  als  dieser 
von  Guercino  gelernt.  Gandellinis  Äußerung  scheint  durch  eine 
Zeichenschule  hervorgerufen  zu  sein,  in  der  sich  Stiche  nach  Ribera 
und  einem  Meister  der  Bologneser  Schule,  wahrscheinlich  Guer- 
cino, befinden,  von  der  noch  weiter  unten  die  Rede  sein  wird. 

Die  ersten  mit  Monogramm  und  Jahreszahl  versehenen  Blätter 
stammen  aus  dem  Jahr  1621  :  „Der  reuige  Petrus"  (B.  7)  und 
„Der  hl.  Hieronymus  die  Posaune  vernehmend".    (B.  5.) 

„Der  reuige  Petrus"   bez.  auf  dem  Boden  rechts  unten : 

l?A 

!.  auf  späteren  Drucken:  !•".  V.   Wyn. 

II.  auf  einer  gegenseitigen  Kopie:  Jusepe  de  Riuera  spanol  en  Napoles. 

III.  auf  einer  gegenseitigen   Kopie:  le  spagnolel  inuent  napoli. 

IV.  gegens.  Kopie  ohne  Signatur  und  Jahr. 

V.  ein  Stich  von  Carupion  benutzt  die  Figur.  Hier  kommen  aus  den  Wolken  rechts 
oben  größere  Strahlen.  Auf  dem  Felsen  der  Hahn.  Im  Hintergrund  die  Schlüssel- 
übergabe an  Petrus. 

Petrus,  ein  bärtiger  Greis,  nach  rechts  gewandt,  mit  dem  linken 
Bein   knieend,    das    rechte   etwas    gebeugt,    die   Hände   betend   ge- 


39 

faltet,  die  Augen  aufwärts  gerichtet.  Der  linke  Ann  ruht  auf  einem 
Steintisch,  über  den  auch  ein  Stück  des  Mantels  gebreitet  ist,  der 
über  die  linke  Schulter  und  den  Unterkörper  geht :  Rechts  unten 
auf  einem  Stein  der  Schlüssel ;  felsiger  Grund,  links  Ausblick  in 
eine  ziemlich  öde  Landschaft. 

Besonders  tief  kann  man  Petri  Ausdruck  nicht  nennen.  Das 
himmlische  Licht  fällt  keilförmig  von  rechts  oben  ein.  Eine  ein- 
heitliche Lichtwirkung  ist  nicht  erzielt;  in  dieser  Hinsicht  wirkt 
die  Radierung  zerrissen. 

Das  Blatt  fand  ungemeinen  Anklang.  Unzählige  Gemälde  gehen 
auf  diesen  reuigen  Petrus  zurück,  von  denen  jedoch  keines  ein 
Anrecht  hat,  als  Original  gelten  zu  können.  Sehr  kühl  im  Ton 
und  flau  in  der  Mache  ist  das  Bild  in  der  k.  k.  Gemäldegalerie 
in  Wien.  503.  Ein  Kniestück.  Der  Heilige  hält  in  den  gefalteten 
Händen  noch  ein  Schnupftuch.  (Kleine  Kopie  dieses  Bildes  in 
den  Uffizien  706  von  dem  jüngeren  Teniers;  früher  befand  sich  das 
Bild  in  der  Galerie  des  Erzherzogs  Leopold  Wilhelm.  Der  junge 
Teniers,  der  diese  Galerie  in  einigen  Gemälden  verewigte,  zeigt 
uns  das  Wiener  Bild  auch  in  dem  im  Prado  befindlichen  Gemälde 
(1747)  links  oben  mit  der  Unterschrift  „spagnolet".)  Nicht  übel 
das  Brustbild  beim  Principe  Doria  (Porto  d'Anzio),  ein  ähnliches, 
nur  ganze  Figur,  im  Hintergrund  ein  wundervoller  Hahn,  sah  Justi 
in  den  siebziger  Jahren  bei  D.  Juan  de  la  Palma  in  Sevilla. 

Am  beliebtesten  die  Stellung:  der  Heilige  stützt,  zum.  Himmel 
blickend,  das  Haupt  auf  einen  Arm,  den  andern  legt  er  auf  die 
Brust  oder  hält  den  Schlüssel.  So  Valencia  (Mus.  395,  561).  Cadiz 
(Mus.  43).  Cuenca  (Findelhaus).  Lyon.  Marseille.  Palma  de  Mal- 
lorca (D.  Felipe  Villalonga).  München  (Pinak.  1283).  Wien  Harrach 
(347).  Leipzig.  In  England  auch  eine  ganze  Anzahl.  Früher  bei 
Earl  Dudleyi),  E.  Molyneux^),  Waagen  erwähnt  derartige  Bilder 
bei  Sir  John  Nelthorpe^)  und  bei  Lord  Yai-borough*). 

Es  seien  hier  noch   die  übrigen  Ribera  zugewiesenen   Petrus- 

^)  No.  332.  der  Exhib.  of  the  Royal  Accademy  London.  1871.  —  '')  No.  129.  der 
Exhib.  of  the  Royal  Accademy  London.  1888.  —  ')  in  Scawby  Lincolnshire.  „of  elewated 
concepcion  for  him  and  of  raasterly  and  solid  painting  in  a  warm  tone"  (Waagen,  Galleries 
and  Cabinets.     S.   508.)  —  *)  Waagen,  Kunstwerke  11.   202. 


40 

bilder  erwähnt.  Die  ,,Verleugnung  Petri"  im  Museum  von  Toledo 
(aus  S.  Miguel  stammend)  ist  das  Werk  eines  spanischen  Nach- 
ahmers, ähnlich  dem  von  Justi  in  Sevilla  ervi^ähnten  (siehe  oben), 
ebenso  hat  die  große  figurenreiche  Genreszene,  auch  „Verleugnung 
Petri"  genannt,  hinter  dem  Hochaltar  der  Sevillaner  Kathedrale 
nichts  mit  Ribera  zu  tun.  Es  ist  ein  Werk  der  Sevillaner  Schule. 
Das  große  Bild  im  Palazzo  Corsini  in  Florenz  „Petrus  mit  dem 
Zollgroschen"  ist  die  Arbeit  eines  Bolognesen,  der  vor  allem  von 
Correggio  viel  gelernt  hat  (die  Stellung  und  Untenansicht  des 
Johannes !). 

Kehren  wir  aber  zu  den  Radierungen  zurück.  Das  Gegenstück 
zum  reuigen  Petrus  ist  „Der  hl.  Hieronymtis,  die  Posaune  zum 
jüngsten  Gericht  vernehmend".     Bezeichnet 

IpA  '621. 

Der  heilige  Einsiedler  sitzt  in  einer  wilden  Felsengegend  im  Be- 
griff, sich  eine  Feder,  die  er  in  der  linken  Hand  hält,  zurechtzu- 
schneiden.  Da  ertönt  eine  Posaune  und  im  gleichen  Augenblick 
bricht  durch  die  Wolke  eine  Fülle  flutenden  Lichts.  Von  diesem 
plötzlichen  Ereignis  überrascht,  hat  sich  der  Heilige  umgewandt 
und  er  erblickt  nun  in  dem  Lichtstrom  die  Arme  eines  Engels, 
die  die  Posaune  halten. 

Hieronymus,  eine  bärtige,  kräftige,  sehnige  Greisengestalt  mit 
wilden  weißen  Locken.  In  den  Bewegungen  ist  das  Knochige, 
Eckige  trefflich  zum  Ausdruck  gebracht :  das  Aufstützen  des  rechten 
und  das  kühne  Übergreifen  des  linken  Arms.  Die  Beine  bedeckt 
ein  großer  Mantel,  der  sich  auch  noch  nach  rechts  hin  über  denl 
Stein  ausbreitet.  Auch  der  Mantel  in  seinen  Falten  wild  und  auf- 
geregt. Den  rechten  Fuß  hat  der  Heilige  auf  eine  kleine  Boden- 
erhöhung gestellt,  der  linke  dagegen  ist  mehr  nach  auswärts  ge- 
richtet, er  ist  der  Schlußteil  der  Diagonale,  in  welcher  der  Körper 
ins  Bild  eingeordnet  ist. 

Rechts  wird  der  Kopf  des  treuen  Begleiters  Hieronymi,  des 
Löwen,  sichtbar.  Auf  dem  Steintisch  die  Schriftrolle,  mit  der 
sich  der  Heilige  beschäftigt  hatte;  am  Boden  aufgeschlagene 
Bücher,  Pergamente,  ein  Totenkopf.     Diese  Art  der  Hieronymus- 


41 

darstellung  findet  sich  bei  Ribera  zum  erstenmal.  Sie  geht  zurück 
auf  den  sich  oft  in  den  Schriften  des  Hieronymus  wiederholenden 
Ausruf:  „Ich  mag  wachen  oder  schlafen,  immer  tönt  in  meinen 
Ohren  die  schreckliche  Stimme :  Auf  ihr  Toten,  kommt  zu  Ge- 
richte!"^) 

Dieses  Blatt  nun  tritt  uns  in  jeder  Hinsicht  vertieft  aufs  neue 

in  B.  4  entgegen  (Abb.  2).  Die  Radierung     JP^^    bezeichnet  ist  wohl 

nicht  allzuspät  nach  B.   5  entstanden. 

I.  auf  den  späteren  Abzügen  unten :  F.  IV.  II.  auf  der  gegen- 
seitigen Kopie  „Mariette  ex."  in  einer  Höhle  mit  einem  Holzkreuz 
in  der  erhobenen  Linken.  III.  kleinere  Kopie  von  C.  Galle.  Im 
Beiwerk  einige  Varianten  (so  liegt  z.  B.  der  Löwe  auf  einer  Er- 
höhung rechts). 

Das  kleinliche  Motiv  des  Federspitzens  hat  Ribera  fallen  lassen; 
er  zeigt  uns  Hieronymus  mitten  im  Schreiben  von  der  himmlischen 
Erscheinung  überrascht.  Sein  rechter  Unterarm  liegt  auf  dem 
Schriftstück,  in  der  Hand  hält  er  die  Feder.  Ganz  hervorragend 
in  seinem  Leben  beobachtet  ist  der  linke  Arm :  in  der  Überraschung 
hat  ihn  der  Heilige  ausgestreckt;  die  Bewegung,  die  ihn  durch- 
läuft, spürt  man  bis  in  die  Fingerspitzen  hinein.  Das  rechte  Bein 
steht  auf  einem  noch  höheren  Stein  und  ist  viel  besser  sichtbar, 
das  linke  wird  gar  nicht  mehr  vom  Mantel  verdeckt,  es  tritt  frei 
heraus  und  erscheint  auch  nicht  mehr  so  dick.  Der  Mantel  selbst 
in  seinen  Falten  noch  weit  aufgewühlter  als  im  ersten  Stich. 
Den  Engel  erblicken  wir  jetzt  in  ganzer  Gestalt;  mit  seinen  mäch- 
tigen Schwingen  kommt  er  durch  die  Luft  gesaust;  die  Unter- 
schenkel in  kühnster  Verkürzung  gesehen  (überhaupt  nur  einer 
sichtbar).  Darin  wie  in  seiner  ganzen  Formenbildung  erinnert  er 
stark  an  Correggio.  Der  himmlische  Bote,  dessen  Hüften  ein  flat- 
terndes Tuch  umschlingt,  stößt  in  eine  seltsam  gewundene  Posaune. 
Auf  dem  Boden  liegen  jetzt  mehr  Schriftrollen  als  Bücher.  Auch 
diese  sind  im  Verhältnis  zu  B.  5  noch  aufgewühlter  wiederge- 
geben. 

')  Der  Hl.  Hieronymus  in  der  Sammlung  von  Sir  Fred.  Cook  in  Richmond  ist 
eine  Kopie  von  B.  5. 


42 

Der  Schädel  ruht  auf  einem  Steintisch,  der  Löwenkopf  ist 
jetzt  hnks  sichtbar. 

Die  Landschaft  ist  reicher.  Aus  dem  Baumstumpf  hnks  ragt 
ein  Holzkruzifix  hervor.  Während  die  Führung  der  Landschafts- 
silhouette in  der  ersten  Fassung  ganz  willkürlich  ist,  bringt  Ribera 
hier  zum  erstenmal  ein  Motiv,  das  er  später  sehr  oft  und  gern 
verwertet  hat.  Der  Hieronymuskopf  sitzt  unterhalb  des  Schnitt- 
punktes der  beiden  Felspartien  und  wird  dadurch  außerordentlich 
stark  hervorgehoben.  Die  Silhouette,  links  ziemlich  in  der  Mitte 
des  Blatts  beginnend,  sinkt  bis  etwas  über  den  Kopf  des  Heiligen, 
um  dann  zackig  hoch  hinaufzufahren.  Während  die  erste  Linie 
die  Bewegung  des  Hieronymuskörpers  aufnimmt  und  nach  oben, 
ausklingen  läßt,  ist  die  andere  die  wirksame  Gegendiagonale  zur 
Hauptdiagonale  Hieronymus. 

Auch  in  der  technischen  Behandlung  zeigen  sich  bedeutende 
Fortschritte.  Die  Wirkung  der  Parallelstriche  ist  hier  sehr  ge- 
steigert; man  beachte  nur  wie  die  kurzen  Striche  in  den  Fels- 
partien der  Hauptbewegung  folgen.  Die  Verteilung  von  Licht  und 
Schatten  ist  viel  feiner  und  sorgfältiger  (die  Draperie!). 

Ein  mächtiges  Leben  pulst  in  diesem  ungebrochenen  Greis 
Hieronymus.  Wie  jene  Hügelsilhouette  ebenso  wie  ein  Blitz  nieder- 
zufahren, einer  gewaltigen  Flamme  gleich  emporzuzüngeln  scheint, 
so  ist  auch  das  Widerspiel  der  Kräfte :  der  im  Sturmwind  auf 
der  Lichtwolke  zu  Tal  brausende  Engel  und  der  hohe  stämmige 
Heilige,  der  nicht  niedergebrochen  wird,  sondern  der  übergewal- 
tigen Erscheinung  frei  ins  Auge  sieht. 

Der  Naturalismus  der  Zeichnung  und  der  ganze  Realismus 
in  der  Wiedergabe  der  momentansten  Stimmungen  und  Empfin- 
dungen, der  uns  in  diesen  Blättern  entgegentritt,  hat  natürlich 
großes  Aufsehen  erregt   und   noch   mehr  Nachahmer  gefunden,  i) 

Das  Thema  des  durch  die  Posaune  aufgeschreckten  Hierony- 

')  Zu  B.  5  eine  ziemlich  treue  Kopie  in  der  .Auffassung  von  A.  Baldi.  Land- 
schaft etwas  erweitert.  Der  Engel  sichtbar,  aber  Trompetenform  von  B.  5  geblieben. 
Unten  Inschrift: 

Quid   semel   interius  furtim   pcccasse  iuvabit? 
Cuncta  palam  facinus  puniet  illa  dies 
Joseph  de  Ribera  pinxit  .\nt.   Baldi  del.  et  scul. 


Tafel  III 


Abb.  2     DER  HL.  HIERONYMUS 

DIE  POSAUNE  DES  JÜNGSTEN  GERICHTS  VERNEHMEND 
(B.4) 


Tafel  IV 


Abb.  3 
DER  HL.  HIERONYMUS 

DIE  POSAUNE  DES  JÜNGSTEN  GERICHTS  VERNEHMEND 

Neapel     Museo  Nazionale 


43 

mus  hat  Ribera  selbst  auch  in  der  Malkunst  in  den  zwanziger 
Jahren  mehrfach  behandelt.  Die  Besprechung  dieser  Werke  sei 
hier  gestattet. 

Das  früheste  datierte  Bild  stammt  aus  dem  Jahr  1626  un^d 
befindet  sich  in  der  Petersburger  Eremitage  {333).  Bez.  auf  dem  Fel.s : 

Joseph  a  ribera 

Valentinus  et 

Academicus  Roma  .  .  . 

Faciebat  1626. 
(1,87x1,34.)  In  der  Komposition  herrscht  große  Verwandtschaft 
mit  B.  4.  Der  Heilige  hält  die  Feder  in  der  ausgestreckten  Rechten 
etwas  flacher,  mit  der  Linken  faßt  er  ein  Pergamen ;  in  dem  Schreck 
hat  er  das  eine  Ende  der  Schriftrolle  fallen  lassen,  so  daß  sich 
die  Rolle  ihrer  ganzen  Länge  nach  ausgebreitet  hat.  Vor  allem 
erscheint  aber  der  Engel  nun  mehr  in  der  Mitte  oben.  Vollkommen 
mit  diesem  Petersburger  Exemplar  zusammen  geht  das  —  mir 
nur  aus  einer  Photographie  bekannte  —  Bild,  das  sich  früher  im 
Besitz  des  Herzogs  von  Osuna  befand.  Sollte  dies  eine  alte  Kopie 
sein? 

Der  Hieronymus  in  der  Galerie  Doria  in  Rom  (303)  ist  eine 
Halbfigur  im  Gegensatz  zu  Petersburg,  sonst  aber  diesem  sehr  nahe- 
stehend. 

Bezeichn.  auf  dem  Buchrücken 

Jusepe  de  Ribera 
espanol  K 

1629  (h.  1,10,  br.  0,90) 

Der  Heilige  sitzt  mehr  frontal.  Der  Oberkörper  ist  nach  rechts 
in  die  Bilddiagonale  geneigt,  entblößt;  den  unteren  Teil  des  Kör- 
pers bedeckt  eine  rote  Draperie,  wobei  oben  der  Saum  des  Hem- 
des sichtbar  wird.  Die  Draperie  geht  dann  noch  über  den  linken 
.'Irm.  Dies  alles  wie  in  Petersburg.  In  der  Linken  hält  er  die 
Schriftrolle,  die  sich  hier  zum  großen  Teil  auf  dem  Steintisch 
ausgebreitet  hat.  Auf  dem  Tisch  noch  Buch  und  Schädel.  Der 
rechte  Arm  ist  stark  gekrümmt :  der  Unterarm  ist  in  der  plötzlichen 
Bewegung  aufgefahren,  in  der  Hand  die  Feder.  Am  mächtigsten 
wirkt  aber  der  Kopf.    Der  Heilige  hat  den  Mund  aufgerissen,  offen- 


44 

bar  stößt  er  in  der  Überraschung  einen  lauten  Schrei  aus.  Er  bhckt 
nach  der  Trompete,  die  hnks  oben  in  ihrem  unteren  Teil  sicht- 
bar wird. 

Das  Petersburger  wie  das  Doriabild  sind  außerordentlich  sorg- 
fältig durchgeführt.  Hervorragend  die  Behandlung  der  runzlichen 
Haut  (z.  B.  Partie  um  den  Nabel),  genau,  ohne  je  kleinlich  zu 
werden.  Die  Lichtführung  ziemlich  einfach,  Gesicht  und  Körper 
dreiviertel  in  vollem  Licht.  Das  Inkarnat  stark  rötlich;  gerötete 
Augenlider;  das  Rot  an  Nasenfalte  und  Nase  besonders  auffällig. 
An  geistigem  Ausdruck  hat  Hieronymus  hier  gegen  die  Radierung 
nicht  gewonnen. 

Nichts  mit  Ribera  zu  tun  hat  der  Hieronymus  in  der  Tribuna 
der  Uffizien  (1104,  h.  1,25,  br.  0,98).  Dieses  leidenschaftlose,  flaue 
Bild  ist  das  Werk  eines  oberitalienischen  Nachahmers. i)  Nicht 
einmal  die  Technik  ist  die  Riberas. 

Etwas  anders  steht  es  mit  dem  großen  Altargemälde  in  der 
kleinen  Kapelle  links  in  der  Capeila  Sixtus  V.  in  S.  Maria  Maggiore 
in  Rom  (h.  4, — ,  br.  2,21).  Dargestellt  ist  der  Heilige  in  der  Wüste, 
de  face  an  einem  Steintisch  sitzend,  den  Kopf  auf  die  Linke  ge- 
stützt, die  Rechte  im  Schoß.  Der  Oberkörper  nackt,  den  Unter- 
körper bedeckt  ein  roter  Mantel.  Der  Heilige  blickt  nach  links 
oben,  wo  die  Trompete  erscheint.  Auch  hier  die  Stellung  des  Ein- 
siedlers diagonal ;  die  Silhouette  des  Abhangs,  vor  dem  Hieronymus 
sitzt,  begleitet  die  Bewegung  des  Heiligen.  Links  unten  der  Löwe, 
rechts   unten   Bücher    und   Schriftrollen. 

Eisenmann  machte  in  seinem,  in  der  Einleitung  genannten  Auf- 
satz die  Bemerkung^) :  „in  Rom  wird  behauptet,  daß  das  Original 
weg  und  eine  täuschende  Kopie  an  seine  Stelle  gebracht  sei".    Das 
Bild  selbst   beweist   die   Richtigkeit    der   Behauptung.     Einmal   ist 
die  MaJweise  gar  nicht  die  Riberas,  dann  aber  ist  bei  genauerem 
Zusehen  auf  einem   der   Pergamente   zu  lesen : 
Joannes  Micocca 
Restauravit  et  pinxit 
An.    1817. 

')  Burckhardt  im  Cicerone  II,  2.  930.  ,,Am  meisten  venezianisch  erscheint  mir  die 
im  übrigen  geringe  Figur  des  H.  Hieronymus."     ')   Eisenmann  a.  a.  O. 


45 

eine  sehr  diplomatische  Fassung.  Gemeint  war  wohl :  restaurando 
pinxit.  Statt  zu  „restaurieren"  wurde  das  Bild  neu  gemalt  und 
das  Original  verkauft.  Nicht  das  Gemälde,  sondern  der  Geld- 
beutel der  Kirche  wurde  also  „restauriert". 

Riberas  großartigstes  Werk  dieser  Art  ist  aber  das  Bild  aus 
S.  Trinitä  delle  monache,  jetzt  im  Museo  Nazionale  zu  Neapel  (Inv. 
Nr.  83979,  h.  2,62,  br.  1,64,  Abb.  3).  Das  Gemälde  befand  sich  bis 
1813  in  der  Kirche  S.  Trinitä  delle  monache  auf  der  Epistelseite^) 
und  wurde  von  jeher  als  ein  Meisterwerk  Riberas  bewundert.-) 
Am  14.  Februar  1813  kam  es  ins  Museum.-^) 

Der  Heihge,  weißbärtig  mit  wildem  Haar,  hat  Feder  und  Rolle 
hingeworfen  und  ist  vor  der  himmlischen  Erscheinung  aufs  Knie 
gesunken.  Er  kniet  auf  dem  rechten  Bein,  das  linke  ist  gebeugt. 
Den  Kopf  stark  in  Dreiviertelansicht  gedreht,  blickt  er,  den  Mund 
geöffnet,  mit  erhobenen  Armen  nach  rechts  zum  Engel  hinauf. 
Die  Arme  in  den  Ellbogen  gebeugt.  Unangenehm  das  Ver- 
schwinden des  Daumens  der  rechten  Hand.  Auch  den  rechten 
Oberschenkel  fühlt  man  nicht  genug  durch.  Der  Oberkörper  ist 
entblößt.  Den  Unterkörper  bedeckt  ein  weißes  Hemd  und  ein 
roter  Mantel.  Der  blondlockige  Engel  mit  mächtigen  Fittichen 
tritt  nur  mit  dem  Oberkör[>er  aus  der  Wolke  heraus.  Er  stößt 
in  eine  große  halbmondförmige  Posaune.  Auf  dem  Steintisch  Foliant 
und  Totenkopf;  felsiger  Abhang  als  Grund^  dessen  Silhouette  der 
Hauptdiagonale  der  Hochkomposition  folgt.  Knapper  Blick  auf  den 
bewölkten  Himmel.  Das  vollste  Licht  fällt  auf  den  Kopf  des 
Heiligen,  im  großen  und  ganzen  ist  aber  das  Licht  sehr  zerrissen. 
Gewandung  und  Modellierung  mit  größter  Sorgfalt  durchgeführt. 

Das  Gegenstück  zu  dem  vom  Engel  aufschreckten  Hieronymus 
bildet  der  „Hieronymus  in  Medidation",  der  studierende  Einsiedler. 
Aber  er  sitzt  nicht  mehr  in  der  Klause,  „im  Gehäuse",  sondern 
draußen  in  der  Wüste  im  flimmernden  Sonnenlicht.    So  erblicken 

1)  P.  Sarnelli,  Guida  dei  forestieri  Napoli  1791.  L.  Galanti,  Guida  di  Napoli 
1871.  *)  Dominici  127  giebt  eine  Beschreibung;  er  ist  von  dem  Bild  besonders  be- 
geistert und  nennt  es  ,,maravigliosamente  dipinto  ed  ottimaraente  ideato.  Celano  „Delle 
Notizie  del  Belle  etc.  della  Cittä  di  Napoli"  1792.  VI,  12  nennt  es  eines  der  schönsten 
Werke  Riberas.     ')  Nap.   Nob.  VIII.  S.  48. 


46 

wir  ihn  in  der  Radierung  (B.  3)  von  1624,  bez.  oben  links  Monogr. 
Bartsch  Register  Nr.  4.  Unten  die  —  von  Bartsch  nicht  berück- 
sichtigte —  Dedikation 

Dedico  mis  obras  y  esta  estampa  al  Sereiüssimo  Principe  Philiberlo  rai  senor 
cn  Napoles  ano   1624 

luscpe  de  Riuera  Spanol. 

Zwei  gegenseitige  Kopien  ohne  Namen. 

Der  Heilige,  ein  Greis  mit  mildem,  freundlichen  Ausdruck, 
sitzt  nach  rechts  gewandt  auf  der  Erde,  am  Fuß  einer  zerfallenen 
Steinmauer.  Er  liest  eifrig  in  einer  Schriftrolle,  die  er  in  beiden 
Händen  hält.  Eine  Art  Mantel  fällt  von  der  linken  Schulter  herab 
über  seinen  Schoß.  Auf  der  untersten  A'Iauerquader  Bücher.  Eben- 
so auf  einem  Stein  links  vom  Heiligen  mehrere  aufgeschlagene 
Bücher,   dahinter  erscheint  der  Löwenkopf. 

Die  Radierung  bildet  den  größten  Gegensatz  zu  B.  4  und  5. 
Nichts  von  Ringen,  von  Aufregung,  von  Sturm  und  Wolken.  Es 
ist  ein  Bild  der  Zufriedenheit,  des  Glückes,  das  im  beschaulichen 
Studieren  fernab  von  der  Welt  liegt.  Man  könnte  meinen,  er 
überlese  gerade  noch  einmal  seine  Schrift  über  das  Eremitenleben, 
und  seine  Zufriedenheit  scheint  zu  bestätigen,  daß  er  sich  in  der 
weiten  Einöde  nicht  einsam  fühlt,  sondern  wirklich  im  Geist  das 
Paradies   durchwandelt : 

„Super   undam   metuis   humum   exesa   ieiuniis   membra  colli- 

dere?     Sed   dominus  tecum  iacet.     Squalidi  capitis  horret  in- 

culta   ccesaries?    sed   Caput    tuum   Cristus   est.     Infinite    eremi 

vastitas  te  terret?    Sed  tu  paradisum  deambulas.   Quotiescunque 

illuc  cogitatione  conscenderis:  toties  in  eremo  non  eris."*) 

Ein   warmer   Sonnenschein   überrieselt   alles,    und   das   Breitformat 

des  Blattes  tut  schließlich  noch  ein  Übriges,  um  dem  ganzen  etwas 

ungemein    behagliches,    ruhiges    zu   geben. 

Und  doch  waltet  hier  ein  hoher  Ernst.  Dies  spürt  man  erst 
so  recht,  wenn  man  verwandte  Schöpfungen  aus  dem  XVII.  Jahr- 
hundert zum  Vergleich  heranzieht.  Francesco  Amato  (B.  5)  läßt 
seinen  Hieronymus  in  der  Wüste  sitzen  mit  übereinandergeschla- 
genen  Beinen  in  die  Lektüre  eines  Pergamens  vertieft  wie  ein  Mann. 

')  Hieronymus,   De  vita  eremitica. 


i 


47 

der  bei  der  Pfeife  seine  Zeitung  liest.  Etwas  besser  Guercinos 
Bild  (Stiche  von  Pasqualin).  Sehr  behebt  sind  Putten,  die  dem 
Heiligen  Gesellschaft  leisten  und  mit  dem  Löwen  und  dem  Kardinals- 
hut spielen;  so  P.  Testa  (B.  15.)  und  G.  F.  Mucci.  Renis  radierter 
Hieronymus  (B.  10)  ist  eine  schmale,  lange,  süßlich-kraftlose  Gestalt. 

Im  Zusammenhang  mit  Riberas  Radierung  seien  einige  hierher 
gehörige  Handzeichnungen  erwähnt.  Sicher  echt  die  Rötelzeichnung 
Uffizien  1386  h.  18,5  cm,  br.  14  cm,  weißes  Papier.  Der  Heilige 
liegt  auf  der  Erde  in  einem  Pergament  lesend,  das  er  in  beiden 
Händen  hält.  Sein  linkes  Bein  ist  etwas  höher  gestellt  als  das  auf 
der  Erde  ausgestreckte  rechte ;  vor  ihm  drei  Bücher  und  Totenkopf. 
Die  Zeichnung  sehr  sorgfältig. 

Ebenso    sauber    die    Rötelstudie    im    British    Museum,    weißes 
Papier,  h.   25,   br.    16,5   cm.     Bez.  auf  dem  Felsen  rechts 
Jusepe  de 
ribera  fe' 
1626 
ebenda  ein  gleiches  Exemplar,  gegenseitig;  durch  Abklatschen  her- 
gestellt?   In  den  Uffizien  (2192  F)  ein  sich  mit  dem  erstgenannten 
deckendes  Blatt,  nur  das  fe'  hinter  ribera  fehlt.    (Am  Ende  das  ur- 
sprüngliche ?) 

Der  Einsiedler,  ein  alter  bärtiger  Kahlkopf,  ist  mit  dem  linken 
Oberarm  an  einem  niederen  und  mit  dem  rechten  Unterarm  an 
einem  höheren  Stumpf  gebunden.  Er  steht  auf  dem  rechten  Fuß, 
der  linke  ist  auf  einem  Felsblock  aufgestüzt.  Nach  rechts  sich 
vorbeugend,  blickt  der  Heilige  auf  ein  Kreuz  das  auf  dem  Felsen 
liegt,  auf  den  er  seine  linke  Hand  stützt.  Ein  Lendentuch  ist 
sein  einziges  Kleidungsstück. 

Mit  etwas  weniger  Sicherheit  möchte  ich  für  die  Echtheit  der 
Dresdener  Skizze  eintreten,  bezeichnet  J«  Ribera.  Es  ist  eine  braun 
getuschte  Federzeichnung,  h.  15  cm,  br.  18  cm.i)  Dargestellt 
ist  Hieronymus  nach  links  gewandt,  auf  seinem  Mantel  unter  einem 
Baum  sitzend  bei  der  Lektüre.  Links  zu  seinen  Füßen  der  Löwe. 
Die  Zeichnung  hat  etwas  für  Ribera  zu  nervöses,  ein  wenig  fahriges. 
Sicherlich  stammt  sie  aus  seinem  Kreis. 

')  Abgeb.   in  Woermanns  .«Lufsatz.     Zeitschrift  f.  bild.   Kunst.     I.    183. 


48 

Nichts  mit  ihm  zu  schaffen  hat  die  flaue  Studie  in  Weimar, 
eine  schwach  getuschte  Federzeichnung  braun  auf  gelbem  Papier, 
h.  23,6,  br.  18,4  cm:  Hieronymus  in  der  Wüste  auf  den  Knieen 
lesend. 

Aus  dem  Jahr  1622  stammt  eine  ganze  Reihe  von  radierten 
Studienblättern,  vor  allem  zwei  Köpfe:  „Männerkopf  mit  Binde  im 
Haar  (B.  8.)  bez.  tp  k 

1622 
Die    späteren    Abzüge     zeigen     außerdem     unten     den    Vermerk 
F.  V.  Wyn.  ex. 

Der  Dargestellte  ist  eine  wahre  Spottgeburt  aus  Dreck  und 
Feuer.  Er  präsentiert  sich  im  Profil  nach  rechts,  damit  man  ja 
seine  große  Nase  und  die  vorspringende  Unterlippe  recht  deutlich 
hervortreten  sieht.  Stoppelbart  auf  Oberlippe  und  am  Kinn.  Kurze 
Haare,  zum  Teil  durch  die  Binde  verdeckt.  Auf  beiden  Seiten 
des  Halses  Drüsen. 

Den   ersten   Preis     in   der    Schönheitskonkurrenz    macht    ihm 

jedoch  sein  Nachbar  B.  9  bedenkhch  streitig  bez.    '|-    ^  hispanus. 

Es  ist  ganz  entschieden  das  ekelhafteste  Modell  Riberas.  Emp- 
findet man  schon  bei  der  Betrachtung  des  unbarmherzig  genauen 
Konterfeis  einen  physischen  Widerwillen,  welch  starke  Nerven 
mußte  dann  erst  der  Peintre-graveur  gehabt  haben,  um  den  An- 
blick dieses  Scheusals  längere  Zeit  aushalten  zu  können. 

Was  will  eine  Schindung  des  hl.  Bartholomäus  bedeuten  neben 
diesem  Kopf  (fast  Profil  nach  rechts)  voller  Warzen,  auf  denen 
Härchen  sprießen,  mit  den  beiden  mächtigen,  beutelgleichen  Drüsen 
am  Hals,  die  gleichfalls  mit  Warzen  geziert  sind.  Die  Zipfelmütze 
erscheint  wie  ein  ganz  organischer  Auswuchs  nach  oben.  Und  zu 
all  dem  der   unheimliche,   diabolische  Blick!    Satanas  in  persona. 

Auf  den  späteren  Abzügen  unten  F.  V.  W.  ex.  Gandellini  will 
12  solcher  Köpfe  gekannt  haben.     Uns  genügen  diese  beiden. 

Technisch  sind  die  Blätter  ganz  ungemein  fein.  Es  ist  jedoch 
keine  eigentliche  Radierkunst,  was  uns  Ribera  hier  bietet,  sondern 
es  ist  die  Übersetzung  seiner  Malweise  in  die  Radierung:  wie  er 


Tafel  V 


'35:-':V 


Abb.  4     MUNDSTUDIEN 


Abb.  5    SIMSON  UND  DELILA     Cördoba 


Tafel  VI 


■JJJ,  > 


ms  '  cu  V  /(j  rliiinpa  iil  'lercmj.  '"  prnvirx  ''Jfimerto  m\  i, 


hHfct{t  'iliüf  reAanof, 


Abb.  6    MARTER  DES  HL.  BARTHOLOMÄUS 


49 

dort  die  Formen  durch  die  eigenartige  Führung  seines  feinhaarigen 
Pinsels  modelliert,  so  auch  hier.  Die  Führung  der  feinen  dünnen 
Striche  ahmt  die  Maltechnik  so  vollkommen  nach,  daß  man  fast 
versucht  ist,  hier  von  einem  „Radierpinsel"  zu  reden. 

Neben  diesen  Köpfen  sind  uns  aus  diesem  Jahr  einige  radierte 
Detailstudien  erhalten,  die  zeigen,  wie  ernst  es  Ribera  im  Gegensatz 
zu  den  meisten  seiner  Zeitgenossen  nüt  dem  genauen  Studium  der 
Einzelform,  mit  der  festen,  sicheren  Zeichnung  nahm.  Die  Be- 
schreibung der  Blätter  bei  Bartsch  ist  ungenau. 

B.  15.  7  Augen  im  Umriß  und  6  in  Durchführung  bez.  unten 
Josephf  Ribera    espaiiol 

I.  das  Blatt  in  der  Mitte  geteilt 

a)  auf  der  linken  Hälfte  bez.  Joseph  Ribera  espanol;  ganz 
unten  F.  V.  Wyn. 

b)  auf  der  rechten  Hälfte  bez.  F.  V.  Wyn. 

B.  16.  Mund  und  Profilstudien.  (Abb.  4.)  Ein  Unter- 
gesicht mit  einem  weit  aufgerissenem  Mund,  Warze  am  Kinn,  in 
Umriß  und  Durchführung.  Ein  kleinerer  Mund,  weniger  weit  ge- 
öffnet. Links  oben  eine  Nase  im  Profil,  nur  Zeichnung.  In  der 
Mitte  Nase  von  vom;  ganz  rechts  Profil  eines  Mannes  ohne  Augen- 
angabe mit  Warzen  auf  Nase  und  am  Kinn,  nur  im  Umriß.  Schließ- 
lich noch  eine  Nase  und  ein  Mund  fast  Profil,  an  der  Nase  eine 
Warze,  in  Durchführung. 

Bez.  rechts  unten  Joseph  Ribera  espaiiol. 

I.  in  der  Mitte  getrennt 

a)  linke  Hälfte  bez.  weiter  unten  F.  V.  W. 

b)  rechte  Hälfte  F.  V.  Wyn. 

B.  17.  9  Ohren.  3  in  Umriß,  6  in  Durchführung  in  ver- 
schiedenen Ansichten  und  Verkürzungen,   bez.   unten   rechts 

ipA  '622  -f^ 

I.  in  2  Teile  getrennt 

a)  linke  Hälfte  bez.   Joseph   Ribera  espanol   (gefälscht)   und 
F.  V.  Wyn. 

b)  rechte    Hälfte    außer    der    genannten    Bezeichnung    noch 
unten  F.  V.  W. 

Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (l.o  Spagnoletto).  a 


50 

Dieselbe  Widmung  wie  der  „Hieronymus  in  Medidation"  trägt 
eines  der  berühtntesten  Werke  Riberas :  Die  Marter  des  hl.  Bartho- 
lomäus (B.  6,  bei  Bartsch  in  der  Dedikation  fälschlich  mi  obras  statt 
mis  obras,  Abb.  6),  die  subtilste  Radierung  des  peintre-graveur. 
„Cette  piece  est  la  plus  belle  de  l'oeuvre  de  notre  artiste  et  les 
bonnes  ^preuves  en  sont  tres  rares. i) 

Der  graubärtige  Heilige,  nur  mit  einem  Lendentuch  bekleidet, 
ist  mit  dem  rechten  Arm  an  einen  Baumstumpf,  mit  dem  linken 
an  einen  vom  Stumpf  ausgehenden  Ast  gebunden.  Das  rechte 
Bein  ruht  knieend  auf  einem  Felsstück,  das  linke  ist  gebeugt. 

Geduldig  erträgt  er  das  furchtbare  Martyrium.  In  sicherem 
Glauben  schaut  er  zum  Himmel  empor,  aus  dem  zwei  Hände  ihm 
Krone  und  Palme  reichen.  (Auf  dem  Gemälde  hielten  nach  Domi- 
nici^)  zwei  Putten  die  Märtyrerkrone.)  Von  dieser  Stelle  oben 
geht  alles    Licht   aus,    das   vornehmlich   den   Heiligen   überstrahlt. 

Rechts  steht  der  Henker,  der,  das  Messer  im  Mund,  ein  Stück 
Haut  vom  Oberarm  reißt.  Hinter  diesem  Gesellen  ein  Krieger  in 
Rüstung,  den  Beschauer  anblickend  imd  der  Kopf  eines  Alten, 
der  nach  dem  Heiligen  sieht.  Über  diesen  beiden  werden  Lanzen- 
spitzen sichtbar:  eine  Andeutung  der  Wache,  die  auf  dem  Exe- 
kutionsplatz erschienen  ist.  Weiter  im  Hintergrund  eine  Gruppe 
von  Alten  und  Kriegern.  Links  kommt  der  Oberkörper  eines  jungen 
Burschen  hervor:  der  Gehilfe  des  Henkers.  Lachend  den  Be- 
schauer anbückend  schärft  er  ein  Messer.  Zu  seinen  Füßen  ein 
Baumstumpf  und  ein  Kopf  einer  antiken  Apollonstatue.  Eine  Zen- 
tralkomposition; mehr  angedeutet  als  ausgeführt.  Ein  großer  Ring 
von  Soldaten  und  Zuschauern  umschließt  die  Richtstätte,  in  deren 
Mitte  der  Henker  sein  grausiges  Werk  verrichtet. 

Hauptlinie  die  Diagonale,  die  durch  die  Stellung  des  Heiligen 
bezeichnet  wird.  Ihr  wirkt  entgegen  die  große  Schräge,  die  vom 
Kopf  des  Kriegers  rechts  über  den  des  Henkers  und  des  Märtyrers 
zu  dem  Jungen  führt.  Diese  wird  begleitet  von  der  parallel  laufen- 
den Schrägen  des  großen  Astes  am  Stamm.  Das  Spiel  der  beiden 
Hauptdiagonalen  wiederholt  ßich  in  dem  kleinen  Stumpf  mit  dem 

')  Bartsch  a.  a.   O.     -)  vergl.  S.   26. 


51 

Zweig  links.  Der  steilen  ersten  Diagonalen  wirkt  schließlich  noch 
die  ebenso  steile  des  großen  Speeres  in  der  Hand  des  Kriegers 
rechts  entgegen. 

Kein  Werk  Riberas  ist  so  maßlos  oft  kopiert  und  nachgeahmt 
worden  wie  dieses. 

1.  Auf  einer  Kopie: 

S.  BARTHOLOMEVS 
SteflFano  Scolari  Forma  a  Vene" 

2.  gegenseitige  kleinere  Kopie  bez.  links  unten:  Jusepe  de 
Rivera  spannol  en  Napoles. 

3.  Eine  freiere  Kopie  von  1678,  getreu  nur  der  Heilige  und 
der  Henker.  Der  Märtyrer  hat  hier  einen  Nimbus.  Der  Junge 
nicht  mehr  lachend  und  weiter  im  Hintergrund.  Im  Vordergrund 
links  ein  Schild  mit  Aufschrift  IHS.,  rechts  eine  Kriegergruppe. 
Aus  den  Lüften  naht  ein  Engel  mit  einem  Band,  worauf  zu  lesen  ist : 
S.  BARTHOL:  PATRON:  CONVL  1678.  ganz  rechts  oben  Hand 
mit  Krone.    Unten  eine  Dedikation: 

Santo  Bartholomeo 
Pontificy  ac  Caesarei  Convictorum  Collegy  Pragensis  Societatis  JESU 
Patrono 
Honoris   ergo 
D.  D. 
Per  illustris,   Generosus  ac  Eruditus  D.  Maximilianus 
Klozek,  Eqves  Bohemus  de  Zampach,   Augustissimae 
Imperatricis  Annae  Alumnus  Liber  ex  eodem  Convictu. 
Dan  Carlo  Kommex  delin.  Philipp  Kilian  sculp. 

4.  Kopie.  Stich  in  Folio.  Auf  die  Mittelgruppe  beschränkt. 
Die  Hände  mit  Krone  oben  fehlen.  Unten  links  zieht  ein  Henker 
den  Strick  an,  mit  dem  der  linke  Fuß  des  Heiligen  festgebunden, 
ist.     Der  Kopf  des  Märtyrers  süßlich,  ausdruckslos. 

A  paris  Chez  P.  Landry  rue  St.  Jaques  ä  St.  Frangois  de  Sales 
S.  BARTHOLOMAEVS. 

5.  Gegenseit.  nicht  ganz  getreue  Kopie.  Kniestück.  Henker 
mit  einem  Teil  des  Heiligentorso. 

Aber  auch  von  Malern  wurde  die  Radierung  ausgenutzt.  So 
Kopie  des  Blattes  in  dem  Gemälde  im  Palazzo  Rospigliosi  Rom, 
ebenso  in  Neapel  bei  Principe  di  Casapesenna.  Das  Gemälde  Mus. 
in  Cadiz  Nr.  42  gibt  die  Mittelgruppe  nach  der  Radierung  wieder. 

4* 


52 

Auch  eine  braune  Federzeichnung  und  eine  sehr  flotte  größere 
Rötelskizze  (Kniestück)  im  Louvre  gehen  auf  Riberas  Komposition 
zurück;  ebenso  eine  weiß  gehöhte  Kohlezeichnung  im  British 
Museum  und  ein  Deckenentwurf  (bologn.  Schule)  im  Victoria  and 
Albert  Museum  London  (Jonides  Sammlung),  eine  braun  getuschte 
Federzeichnung. 

Das  wüste  Opus  in  der  Pittigalerie  mit  seinem  Sammelsurium 
von  allen  möglichen  Riberaschen  Figuren  hat  natürlich  gar  nichts 
mit  dem  Meister  zu  schaffen.  Vor  allem  der  lachende  Knabe  aus 
der  Radierung  entlehnt.  Höchst  geschmacklos  wie  hier  der  Antiken- 
kopf in  die  Mitte  gepflanzt  ist  und  dazu  noch  auf  der  Nase  liegt. 

In  manchen  Punkten  mit  diesem  Werk  verwandt  ist  das  Bild 
bei  M.  Hernando  in  Madrid^),  dem  auch  das  Gemälde  im  Museum 
von  Grenoble  Nr.  552)  nahe  steht.  Das  gemeine  —  sehr  schlecht 
erhaltene  —  Bild  im  Museum  von  Barcelona  (h.  2, — ,  br.  1,50) 
ist  trotz  der  Bezeichnung  Jusepe  de  Ribera  espanol  F.  1644  keine 
Arbeit  des  Meisters;  zumal  keine  Schöpfung  aus  seiner  reifen  Zeit!^) 

Eine  höchst  interessante  spanische  Imitation  ist  das  Gemälde 
in  der  großen  Kapelle  in  S.  Andres  zu  Valencia  (rechts  vom  Ein- 
gang in  die  Kirche). 

Nachahmungen  ferner  die  Halbfigurenbilder  im  Prado  991, 
Venedig  Accademia  61,  München  Pinak.  1288,  Chenmitz  (früher 
Dresden  690)   und  das  Gemälde  in   Stockholm. 

Den  Abschluß  von  Riberas  Glanzzeit  als  Radierer  bildet  der 
„Silen"  von  1628  (B.  13),  dem  jedoch  das  große  Gemälde  von 
1626  im  Museo  Nazionale  zu  Neapel  vorangeht. 

Dieses  Bild  ist  auf  einem  Zettel,  den  eine  Schlange  im  Maule 
hält,   bezeichnet : 

Josephus  ä  Ribera.     Hispanus  Valentin 

et  accademicus  Romanus  faciebat. 

partenope    1626. 

Ein  außerordentlich  feister,  völlig  unbekleideter  bartloser  Mann, 

^j  Abbildung  in  Las  joyas  de  la  Exposicion  historico  —  Europea  de  Madrid  1892. 
B.  n.  Tafel  CXCI  und  CXCU.  ^)  cf.  Gaz.  d.  B.-A.  I.  per.  VII.  73.  »)  Ähnlich 
diesem  Gemälde  und  dem  im  Pittipalast  ein  Bild  früher  beim  Grafen  Jacob  Derby. 
Knowsley.  (alt  ped  6.   pol.    10.  lat.   ped.   5.   pol.   3.)     Stich  von  H.   Winstanley. 


53 

den  man  kaum  Bacchus  nennen  darf,  jedoch  eigentlich  auch  nicht 
Silen,  da  er  keineswegs  genau  als  solcher  gekennzeichnet  ist,  hat 
sich  der  Länge  nach  auf  die  Erde  gelagert.  Nur  ein  geflecktes 
Tuch  mildert  die  etwas  harte  Position.  Dieses  Tuch  ist  mit  dem 
einen  Ende  noch  über  das  niedere  Felsstück  gebreitet,  auf  das 
der  Zechgenoß  seinen  linken  Unterarm  gelegt  hat.  Die  Rechte 
hat  er  erhoben;  in  der  Hand  hält  er  eine  Muschel,  in  die  ein 
Satyr  dunkelfarbenen  Wein  aus  einem  Schlauch  einschenkt.  Der 
feiste  Schletamer  blickt  hinauf,  die  Muschel  soll  ja  bis  zum  Rand 
gefüllt  werden  —  gemischt  wird  der  schwere  Kyprier  natürlich 
nicht !  —  und  im  Vorgefühl  von  solchem  Glück  genießt  er  jetzt 
den  für  ihn  höchsten  Augenblick :  sein  Mund  ist  halb  geöffnet,  die 
Zähne  werden  sichtbar,  man  glaubt  sein  wohlgefälliges,  das  Wonne- 
gefühl kaum  verhehlendes  Schnaufen,  oder  vielleicht  besser  gesagt 
Grunzen  zu  hören.  Der  Satyr  ziemlich  de  face  gesehen,  rechten  Fuß 
hochgestellt,  neigt  sich  stark  vornüber,  die  Nase  dicht  über  der 
Schale;  als  ob  er  den  Duft  des  Göttersaftes  so  recht  ordentlich 
einsaugen  wollte.  Seine  Rechte  umfaßt  die  Schlauchmündung,  sein 
linker  Arm  greift  über  den  Kopf;  er  drückt  mit  der  linken  Hand 
auf  den  Schlauch,  dessen  Inhalt  eben  erst  angebrochen  wird:  Wir 
stehen  am  Beginn  des  Gelages.  Das  sehen  wir  auch  aus  der  Be- 
schäftigung des  Faunes  rechts,  der  im  Begriff  ist,  dem  Zechkumpan 
einen  Kranz  aus  Weinlaub  aufs  dunkelhaarige  Haupt  zu  drücken. 
Wie  sein  Kollege  Mundschenk  ist  er  mit  Eselsohren  geziert,  zeichnet 
sich  aber  durch  größere  Widderhörner  aus;  er  trägt  ein  Fellchen 
auf  dem  Oberkörper  und  läßt  seine  Bocksfüße  sehen.  Die  beiden 
Gesellen  sind  mit  Distelkränzen  geschmückt.  Einen  merkwürdigen 
Kontrast  bildet  zu  dieser  Gruppe  der  blondlockige  Profilkopf  eines 
Jünglings,  ein  junger  Apoll,  der  nach  der  Szene  im  Vordergrund 
blickt.  Ihm  wendet  sich  lächelnd  ein  Faun  zu,  dessen  Kopf  ganz 
im  Dunkeln  liegt. 

Links  sitzt  ein  junger  Bursch  mit  Silensohren.  Er  ist  mit 
einem  Fell  bekleidet  und  blickt,  aus  vollem  Halse  lachend,  den 
Beschauer  fröhlich  an.  Es  ist  der  Hüter  des  Esels,  auf  dem  der 
feiste  Zecher  sich  wbhl  zum  Gelag  begeben  hat.  Nun  ist  ihm  eine 
weitere  Aufgabe  zugefallen:  er  sorgt  für  die  Tafelmusik;  das  edle 


54 

Grautier,  vom  Hals  ab  links  sichtbar,  posaunt  aus  Leibeskräften 
drauf  los,  dabei  sein  ganzes  famoses  Gebiß  zeigend.  Ein  Konzert, 
vollkommen  der  Gelegenheit  angemessen. 

Aber  auch  für  einen  würdigen  Abschluß  der  Szene  ist  gesorgt : 
zwei  mächtige  Weinkufen  und  ein  Stück  Mauer,  über  dem  links 
ein  Fetzen  schönsten  italienischen  Himmels  sichtbar  wird. 

Selbst  der  Erdboden  darf  nicht  stumm  bleiben.  Auch  da 
muß  etwas  kribbeln  und  krabbeln :  eine  schwerfällige  Schildkröte 
und  ein  flinkes  Schlänglein,  Muschel  und  Hirtenstab. 

Ein  warmes  Licht  strahlt  hernieder;  vor  allem  leuchtet  es 
über  den  ganzen  Körper  des  dicken  Gastes,  der  sich  förmlich  im. 
Licht  zu  baden  scheint.  Auch  der  Junge  ist  ziemlich  hell  beleuchtet. 
Über  die  andern  aber  huscht  das  Licht  nur  lustig  hin. 

Kein  Gelage  im  Keller,  nein  draußen  in  Gottes  freier  Luft. 
Das  Inkarnat  in  diesem  sehr  gedunkelten  Bild  stark  rötlich. 

Erscheint  die  Komposition  im  ersten  Augenblick  ebenso  kraus 
wie  die  Eselsmusik,  so  merkt  man  doch  bald  die  feine  Berechnung; 
ganz  der  Stimmung  entsprechend  bildet  eine  sanfte,  schlaffe  Dia- 
gonale die  Hauptlinie. 

Ribera  zeigt  hier  sein  ganzes  Können;  Mensch  wie  Tier  ist 
gleich  vortrefflich  wiedergegeben :  der  Knabenkörper,  das  klassische 
Jünglingsgesicht,  die  feiste,  schwammige  moles  des  Zechers,  die 
knochigen,  sehnigen  Gestalten  der  Faune.  Auch  die  starken  Ver- 
kürzungen kommen  zu  ihrem  Recht,  vor  allem  im  einschenkenden 
Faun. 

Der  Hauptvorwurf,  den  man  dem  Bild  machen  kann,  ist  der 
einer  allzugroßen  Reliefmäßigkeit.  Trotz  aller  Verkürzungen  stehen 
die  Figuren  noch  zu  sehr  in  einer  Ebene,  fehlt  die  eigentliche  Tiefe. 

In  jeder  Hinsicht  die  Vollendung  dieses  Werkes  ist  die  Radie- 
rung von  162*8.   (Abb.  7.)    Hier  ist  die  Tiefenwirkung  erreicht,  hier 
kommt  das  Licht  erst  zur  vollen  Herrschaft,  alles  scheint  geradezu 
in  einem  Meer  von  Licht  zu  schwimmen.    (B.  13.) 
1.  Bez.  auf  dem  Stein  rechts : 

Joseph  ä  Ribera  Hisp^-  Valenti^ 

Setaben  f.    Partenope. 

1628. 


55 

II.  Auf  den   späteren  Abzügen  noch  eine  Dedikation: 

AI  Molto  Mrc  S'  Don  Gioseppe  Balsame  Barone  di  Cattafi  Girato 
Senato  della  nobile  Citta  di  Messina  Giouanni  Orlandi  Romano 
D.  D. 

III.  Gegens.   vorzügliche   Kopie,    hinzugefügt   ein   „Romae   D.   D." 
(Die  Firma  Riberas  hier  natürlich  links.) 

IV.  Gegens.  Kopie,   unter  dem  Hirtenstab :  alla  Pace  Gio  Jacomo 
Roßi  formis  Roma   1649. 

V.  Gegens.  Kopie  ohne  Namen. 

VI.  Karrikaturhafte  schwächliche  Nachahmung  von  Franc.  Burani. 
(Bartsch  XX,  89,  i .) 

Die  Radierung  natürlich  gegenseitig  zum  Gemälde.  Der  Mund- 
schenk beugt  sich  nicht  so  sehr  über  die  Schale,  er  macht  ein  sehr 
vergnügliches  Gesicht.  Auf  der  Seite  des  bekränzenden  Fauns 
die  Radierung  breiter  als  das  Bild;  man  sieht  fast  die  ganze  Ge- 
stalt dieses  Fauns,  vor  allem  auch  sein  Bocksschwänzchen.  Hinter 
ihm  sitzt  auf  einer  Art  Brüstung  oder  hohem  Felsblock  ein  anderer 
mit  dem  Rücken  nach  uns.  Er  hat  sich  in  einer  Vierteldrehung 
nach  rechts  zu  dem  Beschauer  umgewandt  und  läßt,  sich  mit  der 
Rechten  auf  den  Stein  stützend  in  der  Linken  eine  Flöte,  sein 
grinsendes  Antlitz  sehen;  er  trägt  wie  der  kränzende  Faun  einen 
dünnen  Rebenkranz  im  Haar.  Noch  weiter  im  Hintergrund  er- 
blicken wir  einen  nur  mit  dem  Oberkörper  sichtbar  werdenden; 
schönen  weinlaubbekränzten  Jüngling,  der  in  der  erhobenen  graziös 
nach  dem  Gesicht  zu  gebogenen  Hand  ein  Tambourin  hält.  Diese 
Figur  ist  die  einzige  völlig  im  Schatten  liegende  Gestalt. 

Der  lachende  Junge  ist  verschwunden.  Dafür  liegen  zu  Füßen 
des  „Silens"  zwei  Kinder.  Das  eine  liegt  von  dem  Weingenußl 
überwältigt  schlafend  am  Boden,  Kopf  nach  vomen,  fast  die  Sohlen, 
des  Dicken  berührend  (und  beriechend  1).  Das  andere  liegt  an, 
den  Rücken  seines  Gespielen  gelehnt  und  leert  gerade  sich  zurück- 
beugend eine  Schale  Weins.  Wie  die  Alten  sungen . . .  Eingefügt 
sind  die  Kinder  aber  auch  schon  aus  rein  tektonischen  Gründen. 
In  ihnen  klingt  die  Diagonale  aus,  die  oben  beim  lachenden  Faun 
anhebt. 

Der  Esel  streckt  den  Hals  steiler  in  die  Höhe,  seine  Bewegung 


56 

wird  kräftig  von  dem  Baumstumpf  rechts  aufgenommen  und  unter- 
stützt. Schildkröte,  Muschel  und  Schlange  sind  verschwunden,  nur 
der  Stab  und  eine  Syrinx  liegen  am  Boden.  Die  dunkeln  Schranken 
des  Grundes  sind  durchbrochen.  Nicht  mehr  in  einem  Hof,  son- 
dern frei  draußen,  beim  Weinberg  spielt  sich  der  Vorgang  ab. 
Als  Hintergrundsfolie  dient  dazu  eine  große  bis  über  den  Rand 
nüt  Trauben  gefüllte  Kufe,  die  auf  einem  Gerüst  aus  Holz  und 
Stein  ruht,  und  ein  großer  Felsblock.  Unter  der  Kufe  eine  kleine 
Bütte.  Rechts  aber  öffnet  sich  der  Blick  auf  die  im  Sonnenlicht 
flimmernde  Ferne,  die  von  lustigem  Leben  erfüllt  ist:  eine  muntere 
Vogelschar  schwingt  sich  durch  die  Lüfte. 

Wundervoll,  wie  alles  vom  Sonnenlicht  durchdrungen,  ausge- 
zeichnet, wie  der  Blick  in  die  Tiefe  geführt  wird;  meisterlich  die 
Technik,  wie  das  fette  Fleisch,  das  Stoffliche  in  den  Fellen  heraus- 
gebracht ist;  sehr  fein  der  Unterschied  in  der  subtilen  Behandlung 
der  nahegelegenen,  deutlich  erkennbaren  Dinge  und  der  impres- 
sionistischen Art,  in  der  mit  intermittierenden  Linien  die  verschwim- 
mende Ferne  gezeichnet   ist. 

Es  ist  leicht  erklärlich,  daß  Leute,  die  mehr  an  Raffaelische 
Madonnen  gewöhnt  sind,  vor  allem  über  die  Gestalt  des  Bacchus 
oder  Silens  in  Aufregung  geraten,  und  daß  Jacob  Burckhardt  ihn 
gar  nicht  anders  als  „abscheulich"  finden  konnte.  Will  man  aber 
wirklich  gerecht  sein,  so  \vird  man  dieses  lebensprühende,  humor- 
volle, mit  höchstem  künstlerischem  Ernst  und  größter  Sorgfalt 
durchgeführte  Werk  nicht  mit  dem  Wort  „gemein"  abtun  können. 
Was  sollte  man  denn  da  erst  zu  Poussins  „trunkenem  Silen"  im 
Prado  (2052)  sagen?  Äußerlich  ist  das  Poussinsche  Bild  ziemlich 
mit  Riberas  Schöpfung  verwandt,  jedoch  in  jedem  Punkte  roher. 
Auch  hier  ein  feister,  nun  aber  wirklich  widriger,  dazu  noch  in 
stärkster  Verkürzung  gesehener  Zecher,  der  seine  Schale  einem 
Faun  zum  Einschenken  hinhält.  Dieser  preßt  aus  einer  Traube 
direkt  den  Saft  in  das  Gefäß.  Die  beiden  Kinder  fehlen  auch 
nicht;  das  eine  pickt  Trauben,  das  andere  befriedigt  ein  natürliches 
Bedürfnis.  Das  Inkarnat  sehr  stark  rötlich.  Es  fehlt  diesem  Jugend- 
werk des  großen  Franzosen  wirklich  jeglicher  Witz;  Poussin  glaubte 


57 

ihn  durch  Gemeinheit  und  bravourmäßige  Verkürzungen  ersetzen 
zu  können. 

Was  Riberas  Komposition  anlangt,  vor  allem  die  der  Radierung, 
so  scheint  sie  mir  stark  von  Mantegnas  Stich  „Bacchanal  an  der 
Kufe"  beeinflußt  zu  sein.  Der  feiste  Schlemmer,  der  schöne  Jüng- 
ling, die  Kufe  mit  Trauben  gefüllt,  finden  sich  bereits  hier,  ebenso 
die  Verwendung  der  beiden  zechenden  Putti. 

Bartsch  weist  noch  eine  ganze  Anzahl  Blätter  Ribera  zu.  Ab- 
gesehen von  dem  im  Kap.  3  zu  erwähnenden  Don  Juan  von  1648 
(B.  14)  scheint  mir  nur  B.  10  „Der  Dichter",  zweifelsohne  von 
Riberas  Hand  zu  stammen.  Entstanden  ungefähr  zwischen  1624 
und  1628.  Das  Blatt  weist  alle  Feinheiten  der  Riberaschen  Technik 
auf.  Ein  lorbeergekrönter  Mann  in  einen  Mantel  gehüllt  steht  ziem- 
lich de  face,  mit  gesenktem  Haupt,  das  er  auf  seine  Linke  stützt. 
Der  linke  Ellbogen  ruht  auf  einem  Felsblock. 

Ein  Blatt  in  Erinnerung  an  Gestalten  Raffaels  geschaffen. 
Und  doch  so  ganz  anders.  Es  fehlt  die  letzte  Klarheit  des 
Plastikers;  wo  ist  der  rechte  Arm?  wo  das  Standbein?  dies  alles 
ist  nicht  recht  durchgefühlt.  Dafür  aber  ist  das  Ganze  von  einer 
wirklich  dichterischen,  schwermütigen  (spanischen!)  Stimmung  er- 
füllt. Nicht  ganz  mit  Unrecht  hat  man  schon  das  Blatt  „Dante" 
nennen   wollen. 

Vielleicht  ist  auch  B.  2,  ein  heiliger  Sebastian,  eine  Schöpfung 
Riberas.   Es  ist  eine  sehr  leicht  und  geistreich  behandelte  Radierung. 

Der  Heilige,  mit  Lendentuch  bekleidet,  an  einen  Baumstamm 
gefesselt.  Kopf  in  Dreiviertelansicht.  Blick  nach  links  oben.  Die 
Linke  frei  mit  einer  Gebärde  der  Ergebung  ausgestreckt.    Kniestück. 

Nicht  von  Ribera  ist  aber  eines  der  berühmtesten  Blätter: 
„Satyr  von  Amor  gezüchtigt."  (B.  12.)  In  dem  prächtigen  Blatt 
zeigt  sich  ein  ganz  anderer  Sinn  für  die  radierte  Linie,  wie  er 
Ribera  nie  eigen  geworden  ist.  Die  ganze  Zeichnung  ist  viel  zu- 
sammengezogener; eine  Hand  wie  die  des  Putto,  die  die  Rute 
schwingt,   ist   für   Ribera   eine   Unmöglichkeit. 

Das  Blatt  steht  in  seiner  Art  (man  beachte  nur  noch  die  Haar- 
behandlung) Salvator  Rosa  sehr  nahe,  der  jedoch  nicht  der  Autor 
sein  kann,    wie   schon  das    Monogramm   zeigt. 


58 

Ein  „R"  aus  dem  Monogramm  herauslesen  zu  wollen,  ist 
schlechterdings  unmöghch.  Es  lautet  ^J^  oder  aufgelöst  S.  V. 
(?)  N.  J.  (oder  L?). 

Die  „Pietä"  (B.  i)  soll  bei  den  Beweinungsbildern  ihre  Be- 
sprechung  finden. 

Höchst  zweifelhaft  die  in  der  Technik  sehr  derbe  Radierung 
„Kampf  von  Kentaur  und  Triton"  (B.  ii).  Die  beiden  gehen  mit 
Keulen  aufeinander  los.  Im  Hintergrund  links  ein  Triton  in  das 
Meer  hinausschwimmend   mit   einer  Nymphe. 

Hinter  den  Bergen  rechts  sieht  man  die  untergehende  Sonne, 
doch  ist   das   Beleuchtungsproblem  nicht   viel   durchgearbeitet. i) 

Zweifelhaft  auch  die  Wappenradierung  (B.  1 8,  das  Exemplar  der 
Wiener  Hofbibliothek,  das  mir  einzig  bekannte).  Auffallend  die 
Nüchternheit  und  Glätte  der  Technik;  vielleicht  brachte  das  jedoch 
der  Gegenstand  mit  sich.  Aber  auch  die  Überschneidung  des 
Gesichts  bei  dem  mittleren  die  Krone  tragenden  Engel  ist  wenig 
künstlerisch  und  wirkt  etwas  peinlich.  Die  beiden  seitlichen  Engel 
oder  Putten  finden  sich  als  Nr.  19  in  der  noch  zu  besprechenden 
Zeichenschule   wieder. 

Kristeller^)  hat  von  dem  Silen  ausgehend  eine  Analyse  der 
Riberaschen  Radierkunst  zu  geben  versucht.    Er  sagt  von  ihr: 

„Die  zeichnerisch  geführte,  breit  angelegte  Ätzlinie,  die  fast 
nie  der  Nachhilfe  mit  Stichel  oder  Nadel  bedarf,  ist  ihre  Grund- 
lage. 

Die  tiefen  Schatten,  die  aus  gekreuzten  Lagen  mehr  oder  weniger 
regelmäßig  und  gerundeter  Linien  bestehen,  läßt  er  schnell  und 
weich  in  die  großen  Flächen  hellen  Lichtes  übergehen  und  er- 
zielt dabei  mit  wenigen  feinen  Linien  oder  Punkten  die  größten 
plastischen  und  malerischen  Wirkungen.  Ein  paar  weich  ge- 
geschwungene Linien  auf  dem  beleuchteten  Körper,  eine  Über- 
schneidung der  zarten  Umrißlinie,  ein  scharf  absetzender  Schatten 
geben  unmittelbar  den  Charakter  des  Fetten,  Weichen  oder  des 
hart  muskulösen  Fleisches  oder  die  Falten  der  Haut  wieder.    Die 

')  Das  Monogramm  Riberas  auf  dem  Stich  „Ruhe  auf  der  Flucht"  Carolus  Sarazenus 
Inuent.  F.  v.  Wyn.  exe.  ist  eine  eigenmächtige  Hinzufügung  Wyngaerdes.  (vergl. 
Bartsch  XX.  87).     2)  vergl.  Einleitung. 


59 

Umrißlinie  ist  mit  der  größten  Lebendigkeit  und  Elastizität  ge- 
führt, im  Licht  ganz  zart,  oft  kaum  merkbar,  dann  vom  Schatten 
des  dunkeln  Hintergrunds  verschlungen,  häufig  aussetzend  oder 
in  die  Form  einbiegend.  Die  breiten  Halbtöne  sind  durch  lange, 
gleichlaufende   Linien   gebildet." 

Dem  gegenüber  ist  jedoch  das  zu  beachten,  was  bei  den 
Studienköpfen  (B.  8  und  9)  über  Riberas  Radiermalerei  gesagt 
wurde.  Bemerkt  sei  noch,  daß  Ribera  mit  gekreuzten  Linien  äußerst 
sparsam  verfährt  und  den  Schatten  lieber  durch  bald  enge,  bald 
weiter  geführte  Parallestriche  nuanciert. 

Die  zeichnerische  Vortrefflichkeit  der  Radierungen  Riberas  blieb 
nicht    unausgenutzt.     Einzelne    Teile    wurden    in    einer   „Zeichen- 
schule" verwertet,  vor  allem  Details  aus  B.  4  und   13,  B.    15  — 17. 
Der  Titel   dieser  Zeichenschule   lautet   (S.    i.). 
Livre 
de 
Portraiture 
receuilly  des  oeuvres  de  Joseph  de  Riuera 
dit  TEspagnolet 
Et  Grave  ä  l'eau  forte  par  Louis  Ferdinand 
A  Paris  1650  chez  Nicolas  Langlois  Rue  Sainct  Jacques  a  la  Victoire 
[Neu  herausgegeben  wurde  das  Buch  in  Madrid  1774.] 
Der  Inhalt : 

Bl.   I.  Das  zitierte  Titelblatt.  Bl.    14.    Dasselbe       in      Durchführung. 

2.  4  Kopfmaße.  Hinzugekommen   noch   der  Fuß 

3.  6   Augen.  des  Henkers  B.  6. 

4.  7   Augen.  ,j    Hieronymustorso  B.   3. 

5.  12  Mund  und  Nasen.  Hand    mit  Griff  der   Trompete 

6.  B.   16.  Gegendruck  r.  Hälfte.  g    , 

7.  B.   16.  Gegendruck  1.  Hälfte.  ,t     j      •      • 

'  ^  Hand  mit  emem  Blatt. 

8.  B.   17.  I.  a. 

g  j    1  Silensarm  mit  Schale.     B.   13. 

10.  4    Köpfe    von    Jünglingen    und  16.  Hieronymi  linker  Arm  mit  Stein 
ein  Greisenkopf.  i°    Umriß    und    Durchführung. 

11.  8  Füße.  Arm  des  Faun,  der  den  Schlauch 

12.  6    Hände.      3    im   Umriß,    3    in  preßt.     Der  andere  Arm  dieses 
Durchführung.  Faun.       Die     Kinderhand     mit 

13.  Unterkörper    des    „Silen",      die  Schale  (aus  B.   13). 

Beine    des    Hieronymus    B.    4,  17.  Füße  des  Hieronymus  in  Umriß 

alle  in  Umriß.  und  Durchführung  B.   5. 


6o 

Bl.   18.  Der  Engel  mit  der  gewundenen  Bl.   20.   Bartholomäusschinder  B.  6. 

Posaune  B.  4.  21.  B.  8. 

19.  Ein  Putto  in   2   Ansichten.  22.   B.   9. 

II.  Diese  „Schule"  stach  G.  Valk  nach.  Der  Titel  in  den 
ersten  5   Zeilen  wie  bei  I.   dann  heißt  es :  G.  Valk  Excudit. 

Hinzugefügt  sind  noch    2   Blätter : 

23.  Reuiger  Petrus.  Halbfigur  aus  B.  7.  24.  Der  Dichter. 

III.  Valk  stach  noch  eine  andere  Schule  nach,  deren  Haupt- 
bestandteil aber  Zeichnungen  nach  einem  anderen  Meister  aus- 
machen. Genannt  wird  dieser  hier  Palma  giovane.  Mir  scheint 
es  scheint  aber  viel  eher  ein  Bologneser  Maler  zu  sein,  und  wenn  man 
einen  Namen  nermen  soll:  Guercino.  Vielleicht  bezieht  sich  auf 
diese  Folge  die  bereits  erwähnte  Äußerung  Gandellinis. 

Auf  dem  ersten  Blatt  Halbfigur  eines  Mannes  in  Profil,  der 
auf  eine  Tafel,  die  links  auf  einer  Staffelei  steht,  folgenden  Titel 
geschrieben  hat : 

Tabulae 

De  Institutionibus   praccipuis 
ad 

Picturam 

Necessariis  ac  Inventae 
Per 

Josephum  River  Spaniolette 
et  Jacomo  Palma 

Gerardus  Valck  Excudit 

op  den  Dam 

—  tot  Amsterdam 

Mir  sind  23  Blatt  dieser  Schule  bekannt.  Für  uns  kommen  nur 
die  ersten  Blätter  in  Betracht,  die  vor  allem  aus  dem  Livre  de 
Portraiture  Blatt   2,   3    und   8   bringen. 

IV.  Schließlich  ist  noch  eine  Zeichenschule,  aus  12  Blatt  be- 
stehend, zu  erwähnen,  die  gewissermaßen  eine  Auswahl  aus  dem 
Livre  de   Portraiture   mit  einigen  Varianten   bietet. 

I.   Der  Dichter  B,    lo  nach  links. 

Auf  dem  Felsblock  liest  man 

Joseph  Riber 
espanöl 
invenit 


6i 

2.  Augen.  7.   B.   9  nach  links. 

3.  Ohren.  8.   Hände. 

4.  Mund,  Nase,  Profil.  9.  Füße. 

5.  Köpfe    von   Silen    B.  13;    B.   8;  10.   Beine  des  Hieronymus  B.  4   und 

Antikenkopf.  des  Silen  B.   13. 

6.  Kopf    des    Hieronymus     in     der  11.  B.    5    ™it   Varianten,    vor    allem 

Wüste  B.   5,  eines  Greises,    des  fehlt  die  Trompete. 

Schinders.  12.   B.  6  Mittelteil  nach  links. 

5- 

In  die  Zeit  des  Silenbildes,  oder  besser  gesagt  wohl  etwas  vor- 
her, fällt  die  Entstehung  des  leider  verschollenen  Gemäldes  „Sim- 
son  und  Delila".i)  Glücklicherweise  ist  uns  aber  noch  eine  köst- 
liche Studie  zu  dem  Werk  in  einer  Zeichnung  des  Museums  von 
Cordoba  erhalten,  die  völligen  Aufschluß  über  die  Komposition  des 
Gemäldes  gibt. 

Die  Handzeichnung  des  Meisters  ist  sehr  sorgfältig  mit  Blei- 
stift und  Rötel  ausgeführt  (br.  39,7  cm,  h.  28,0,  Abb.  5). 

Simson,  ein  Mann  von  wirklich  herkulischem  Körperbau,  liegt 
schlafend  am  Boden;  der  Köper  so  gedreht,  daß  seine  Ebene 
parallel  der  des  Beschauers  ist.  Er  ruht  mit  seiner  linken  Seite 
an  den  linken  Oberschenkel  Delilas  angelehnt.  Delila  selbst  sitzt 
auf  drei  mit  Quasten  verzierten  Polstern.  Simsons  Oberarm  liegt 
auf  dem  linken  Oberschenkel  der  Gattin,  während  sein  Unterarm] 
schlaff  herabhängt.  Seinen  unschönen  —  im  Gesicht  etwas  auf- 
gedunsenen ■ —  Kopf  hat  er  auf  die  linke  Seite  geneigt,  die  Beine 
etwas  nach  hinten  weit  ausgestreckt.  Er  trägt  einen  leichten  Leder- 
panzer, die  die  Modellierung  der  Brust  vollkommen  durchblicken 
läßt. 

Ganz  vorzüglich  ist  die  Gelöstheit  des  gewaltigen  Körpers  im 
Schlaf  ausgedrückt.  Durch  das  halbtote  Aussehen  wird  man  an 
einen  Christus  einer  Pietä,  erinnert;  jedoch  hat  die  ganze  Lage 
mit  der  seitlichen  Drehung  und  dem  aufliegenden  Arm  —  wo- 
durch sehr  geschickt  der  Eindruck  der  latenten  Kraft  erregt  und 
der  des  völlig  Leblosen  vermieden  wird  —  noch  viel  mehr  mit 
der  des   Silens   gemein.     Fast   möchte   man  ihn  als   Pendant   auf- 

^)  Zusammen  mtt  einem  ebenfalls  verschollenen  Gemälde  ,,Jael  und  Sisera"  früher 
im  ,, Spiegelsaal"   des  Madrider  Palastes  vergl.   auch  Justi,   Velasquez  I.   274. 


62 

fassen.  In  beiden  Fällen  interessierte  den  Künstler  die  Wieder- 
gabe eines  schweren,  ungefügen  männlichen  Körpers,  namentlich 
aber  die  Darstellung  eines  verschobenen,  hängenden  Bauches. 
Diesem  Problem  opferte  der  Meister  gern  jede  äußere  Schönheit. 

Über  Simson  beugt  sich  von  hinten  her  ein  in  starker  Ver- 
kürzung gesehener  Philister  weit  vor,  der  im  Begriff  ist,  mit  dem 
Messer  in  seiner  Rechten  Simsons  Vorderschädel  glatt  zu  rasieren. 

Dalila,  das  Weibchen.  Eine  völlig  correggeske,  sinnliche  Ge- 
stalt. Namentlich  ihr  Köpfchen  erinnert  an  den  großen  Italiener. 
Sie  sitzt  auf  Polstern,  bekleidet  mit  Rock  und  Leibchen;  das  dünne 
Hemd  läßt  ihren  Busen  durchfühlen. 

In  ihrer  nach  unten  ausgestreckten  Linken  hält  sie  einen  Geld- 
beutel und  weist,  sich  etwas  nach  links  biegend,  mit  einer  Viertel- 
drehimg  nach  dem  Beschauer,  mit  der  erhobenen  Rechten  nach 
links.  Ihren  Kopf  wendet  sie  nach  rechts  in  Dreiviertelansicht  zu 
einem  Krieger,  dem  sie  einen  Befehl  zu  geben  scheint.  Der  Körper 
des  Weibes  ist  sorgfältig  modelliert,  eine  wirklich  correggeske 
Sinnlichkeit  ausströmend,  nur  der  rechte  Arm  wirkt  etwas  plump. 

Der  bärtige  Krieger,  zu  dem  sich  die  Treulose  wendet,  kommt 
von  rechts  herbeigeeilt,  bhckt  nach  dem  Schlafenden  und  ist  im' 
Begriff,  mit  der  Rechten  sein  Schwert  zu  ziehen,  das  er  in  der 
Linken  hält.  Er  trägt  einen  Lederpanzer,  der  an  den  Schultern  durch 
metallene  Achselstücke  zusammengehalten  wird ;  auf  dem  Kopf  einen 
Helm  mit  herabgesenkten  Backenklappen.  Die  Arme  sind  nackt, 
nur  werden  oben   die  Enden  des  kurzämeligen  Hemdes  sichtbar. 

Zu  seinen  Füßen  eine  kauernde  männliche  Gestalt,  in  der  Tätig- 
keit nicht  recht  klar;  übergreifende  Rechte,  nach  Simson  den, 
Kopf  wendend. 

Links  im  Hintergrund  wird  ein  Soldat  —  wie  der  erste  Krieger 
gewappnet  —  mit  dem  Oberkörper  sichtbar.  Mit  seiner  über- 
greifenden Rechten  schiebt  der  Bursch  einen  Vorhang  zurück  und 
hält  in  der  Linken  horizontal  ausgestreckt  den  Degen.  Der  Vor- 
hang gehört  wohl  zum  Bett,  das  links  erscheint.  Rechts  ragen 
Speere  in  das  Bild  hinein,  auf  weitere  Krieger  schließen  lassend. 


63 

Das  Ganze  wirkt  recht  lebendig.  Die  Hauptlinie  wie  beim: 
„Silen"  eine  sanfte  Diagonale.  Das  Breitformat  selbstverständlich. 
Jedoch  finden  sich  hier  noch  mehr  Ungeschicklichkeiten  als  bei 
dem  Silen  von  1626.  Hier  wie  da  das  in  eine  Ebene  gedrängte. 
Reliefmäßige. 

Der  Endpunkt  der  Diagonale  auch  hier  nicht  glücklich  be- 
zeichnet :  die  ganz  verzettelt  wirkende  Figur  des  Kriegers  im  Hinter- 
grund links.  Übel  auch,  wie  der  scherende  Philister  zwischen 
Delilas  Arm  und  Simsons  Kopf  und  Schulter  eingepreßt  erscheint. 

Freilich  muß  man  bedenken,  daß  es  nur  eine  Zeichnung  und  kein 
ausgeführtes   Gemälde   ist. 

Höchst  interessant  der  Vergleich  nüt  dem  Rembrandtschen 
Werk  gleichen  Inhalts  aus  dem  Jahre  der  Riberaschen  Silens- 
radierung:  1628.  (Berlin,  Kaiser  Friedrich  Museum)  Auffallend 
—  um  mit  dem  Kleinen  zu  beginnen  —  die  Verwandtschaft  im 
Motiv  des  beim  Vorhang  lauernden  Soldaten.  Auch  hier  das 
Hauptlicht  auf  dem  Antlitz  Delilas.  Aber  welche  Genialität  bei 
dem  22  jährigen  Rembrandt!  Da  ist  nichts  von  Relief  mäßigem,  mit 
jeder  Figur  geht  es  mehr  in  der  Tiefe.  Und  zu  dem  einq  ein-« 
fächere,  straffere  Komposition.  Keine  Person  unentbehrlich.  Alles 
viel  dramatischer,  aufgeregter,  spannender.  Nicht  zum  geringsten 
ist  dies  alles  durch  das  Hochformat  erreicht,  durch  die  äußere 
steile  Diagonale,  die  als  Hauptlinie  vom  oberen  Vorhangende  über 
den  Kulissenkrieger,  .den  Saum  des  Vorhangs,  Delilas  Kopf  zu 
ihrem  Fuß  sich  senkt.  Ein  ganz  ungemein  berechnetes  Bild,  auf 
dessen  weitere  Feinheiten  hier  nicht  eingegangen  werden  kann. 
Trotz  alledem  vidrkt  Rembrandt  aber  hier  im  Grunde  ebenso  leer 
wie  Ribera;  es  ist  halt  auch  beim  ihm  alles  gestellt:  ein  „Lebendes 
Büd". 

Noch  vor  der  Simsonzeichnung  entstanden  ist  die  kleine 
feine  Rötelstudie  zu  einem  hl.  Michael,  ebenfalls  im  Museum  von 
Cordoba.  Der  Erzengel,  geflügelt,  in  der  erhobenen  ausholenden 
Rechten  das  Flammenschwert  schwingend,  in  der  Linken  den  Schild 
tragend  mit  der  Aufschrift  QVIS  VT  DEVS,  steht  mit  dem  rechten 
Fuß  auf  dem  Rücken  eines  Verdammten.  Sein  linker  Fuß  schwebt 
in  der  Luft.    Der  Himmelsbote  scheint  mit  dem  Verdammten  durch 


64 

die  Lüfte  zu  sausen,  ihn  in  die  Hölle  hinabzupeitschen.  Des  Engels 
Haupt  ist  gesenkt,  beschattet  von  der  Eisenhaube.  Er  trägt  einen 
Lederpanzer,  der  in  Form  und  Behandlung  ganz  dem  Simsons 
gleicht.  Unter  dem  Panzer  flattert  ein  helles  Untergewaud  im 
Wind.  Der  Gefallene  ist  eine  nicht  in  allen  Teilen  gelungene 
Aktstudie  in  stärkster  Verkürzung;  trefflich  modelliert  ist  der 
Rücken.  Die  Rechte  greift  nach  dem  Kopf,  jedoch  ist  gerade 
hier  die  Verkürzung  mißglückt.  Peinlich  auch,  daß  das  linke  Bein 
fast    völlig   verschwindet. 

6. 

Das  derbe  Trinklied,  das  uns  aus  dem  „Silen"  von  1626  ent- 
gegentönt, ist  jedoch  nicht  die  einzige  Melodie,  die  der  Künstler 
in  diesem  Jahre  angestimmt  hat.  Fremd  allem  irdischen  Genuß 
und  ganz  in  der  Gottheit  aufgehend,  zeigte  er  uns  bereits  den  Peters- 
burger Hieronymus;  vor  allem  aber  von  mächtigstem  Pathos  ge- 
tragen ist  seine  „Magdalena  in  Extase"  in  der  Academia  de  S. 
Fernando  in  Madrid.    (Abb.  8.) 

Bez.  Jusepe  de  Ribera 

espaiiol   F.   1626. 

Dieses  in  seiner  Auffassung  so  tiefe,  alle  andern  Darstellungen 
des  Themas  weit  hinter  sich  lassende  Werk  ist  leider  nicht  mehr 
zum  besten  erhalten.  Restaurationen  machen  sich  an  vielen  Stellen 
recht   störend    bemerkbar. 

Wiedergegeben  ist  eine  Verzückung  der  büßenden  schönen 
Sünderin,  die  der  Legende  zufolge  sieberunal  des  Tags  von  Engeln 
in  die  Lüfte  erhoben  worden  sein  soll. 

Wir  erblicken  die  Heilige  im  freien  Äther  auf  einer  Wolke,  die 
von  Engeln  getragen  wird,  knieend,  nach  rechts  gewendet,  mit 
großen  voll  aufgeschlagenen  Augen  nach  links  oben  blickend,  die 
Hände  auf  der  Brust  gekreuzt.  Ihr  prächtiges  braunes  Haar  fließt 
in  großen  Wellen  über  ihren  Nacken  herab.  Störend  der  harte 
Kontur  des  etwas  langen  Halses. 

Die  ganz  jugendliche  Heilige,  eine  kaum  erblühte  Jungfrau, 
trägt  ein  zerrissenes,  härenes  Gewand,  darüber  einen  roten  Mantel, 
der  in  den  Lüften  flattert. 


Tafel  VIII 


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Braun  A  Clement 

Abb.  8     EXTASE  DER  HL.  MARIA  MAGDALENA 
Madrid  Ac.  de  S.  Fernando 


65 

Wundervoll  die  Putti,  die  in  keiner  Weise  hinter  denen  eines 
Tizian  oder  Rubens  zurückbleiben.  Vorn  rechts  trägt  einer  auf- 
blickend in  der  erhobenen  Linken  die  Geißel,  neben  ihm  einer 
das  Salbgefäß  und  weiter  hinten  ein  anderer  einen  Totenkopf; 
wieder  andere  halten  Magdalenas  Mantel. 

Tief  unten  erblicken  wir  Marseille,  als  Modell  hat  der  Nea- 
politaner Golf  gedient.  Am  Himmel  Wolken.  Die  Färbung  etwas 
schwer.  Bei  den  Engeln  fällt  bereits  das  durchscheinende  Rot 
und  die  roten  Konturen  auf. 

Justi  rühmt  das  Bild  außerordentlich. i)  „Das  erste  Beispiel 
jenes  schwermütigen  Frauentypus,  der  bei  ihm  viele  Jahre  lang 
wiederkehrt,  mit  seinen  großen  dunklen  träumerischen  Augen  und 
den  langen  Händen  rrüt  den  dünnen  Fingern;  in  ruhigem  Zauber 
kaum  von   italienischen   Malern   dieses   Jahrhunderts   erreicht." 

7- 
Aus  dem  Jahre  der  Silensradierung  stammt  das  tiefernste  Ge- 
mälde „Sebastian  von  den  Frauen  gepflegt".    Nr.  331   der  Peters- 
burger Eremitage.    (1,56x1,89,  Abb.  9.),  bez. 
lOSEPH  A'  RffiERA  HISP= 

VALETIN.  SET— BE  ACC. 
ROM^  PATENOPE  F. 
1628. 
Nicht  in  allen  Teilen  tadellos  erhalten.    (Mantel  Irenens,  Lenden- 
tuch rechts.)    Der  von  den  Pfeilschüssen  zu  Tod  verwundete  gold- 
lockige,  in   den   Zügen   noch   knabenhafte  Glaubensheld  liegt  fast 
horizontal   auf    dem   Rücken,    die   Beine   nach   links   ausgestreckt; 
seine  Linke  hängt  hoch  am  Baumstumpf  festgebunden,  die  Rechte 
ruht  am  Boden.     Nur  ein  Lendentuch  bedeckt  die  Blöße  des  Hei- 
ligen.   Links  neigt  sich  Irene,  eine  Frau  mit  edlem,  an  griechische 
Vorbilder  gemahnenden  Kopf,  knieend  über  Sebastian,  im  Begriff 
einen  Pfeil  aus  seiner  Brust  zu  entfernen.    Ihre  älthche  Begleiterin, 
die  neben  ihr  steht,  trägt  eine  Balsamflasche.     Das  Licht  kommt 

')  Justi,  Velasquez   I,   293. 
Mayer,    Juscpe   de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  r 


66 

von  links,  geht  über  Irenens  Antlitz  und  fällt  ziemlich  voll  auf  den 
Heiligen.    Das  starke  Streben  nach  Plastik  ist  unverkennbar. 

Das  fast  völlig  Geruhte  in  dem  Märtyrer  erschien  aber  dem 
Künstler  doch  als  zu  wenig  heldenhaft.  Für  die  Folge  gibt  er  den 
Oberkörper  in  aufrechter  Haltung  wieder,  was  das  Zusammen- 
brechen viel  wirksamer  und  deutlicher  macht :  er  ist  erst  im  Be- 
griff, seine  Kraft  zu  verlieren.  In  dieser  Fassung  bekommt  die 
Gestalt  mit  den  hochgereckten  Armen  etwas  von  einem  Aufschrei. 
In  dieser  Form  wurde  Riberas  Sebastian  sehr  beliebt  und  vielfach 
nachgeahmt.  Ein  Original  Riberas,  das  uns  den  Heiligen  mit  den 
beiden  Frauen  in  der  neuen  Fassung  zeigt,  ist  uns  nicht  mehr  er- 
halten. 

Das  Petersburger  Bild  (Eremitage  330.  1,18X1,06)  scheint  der 
bläulichen  Kamation  im  Sebastiankörper  und  der  rötlichen  Schatten- 
töne wegen  mehr  auf  Giordano  hinzudeuten.  (Ganz  sicher  von 
diesem  ist  ja  das  Dresdener  Bild  Nr.  479.) 

Aber  auch  das  Gemälde  im  Valencianer  Museum  macht  den 
Eindruck  einer  Kopie  (vor  allem  flüchtigere,  breitere  Behandlung, 
andere  Färbung).^) 

Diese  Sebastiansdarstellungen  zeigen  uns  die  andere  Seite  im 
Gefühlsleben  jener  Zeit,  die  Neigung  zum  Empfindsamen.  Neben 
der  Wiedergabe  entsetzlichster  Martyrien  versenkte  man  sich  gern 
in  Stoffe,  die  ein  stark  lyrisches  MonT,ent  in  sich  tragen,  ja  man 
legte  es  sogar  wie  bei  dem  hl.  Sebastian  erst  nachträglich  hinein. 
Dieses  Ermatten  war  ein  neuer  Reiz.  Und  so  genoß  man  neben 
einem  brillanten  AUegro  furioso  auch  einmal  gerne  ein  solches 
gedämpftes  adagio  in  Moll. 

Welch  ein  Wunder  noch,  daß  Ribera  diese  Stimmung  auch  in 
der  umgebenden  Natur  auszudrücken  versuchte,  daß  er  seinen  todes- 
matten Helden  in  eine  Nachtlandschaft  setzte,  am  Himmel  des  Mon- 
des magre  Sichel  erscheinen  ließ,  über  die  dünne  Wölkchen  ziehen; 
Die  Einzelfigur  des  Heiligen  aus  des  Meisters  reiferer  Zeit,    1636. 

')  Die  Haltung  des  Riberaschen  Sebastian  hat  ein  Nachahmer  für  einen  Bartholomäus 
benutzt:  „Vorbereitung  zur  Bartholomäusmarter"  in  der  Gallerie  Harrach- Wien.  Das  aus 
S  und  R  bestehende  Monogramm  des  Künstlers  ist  weder  das  Salv.  Rosas  noch  das 
Riberas. 


(Berlin,  Kaiser-Friedrich-Museum  405   B.    h.   2,—,  br.    1,49.)     Bez. 

Jusepe  de  Ribera  ....  panol 

F  1636. 

Das  Gemälde  hat  nicht  unwesentlich  gelitten.  Das  Lendentuch 
ist  fast  völlig  neugemalt. 

Neben   dem   ganz   gestillten   Petersburger  Sebastiansbild  malte 

Ribera  im  gleichen  Jahre  die  grandiose,  von  gewaltigstem  Pathos 

erfüllte  Andreasmarter  (im  Museum  von  Budapest,  Abb.   10).    Bez. 

Josep.  ä  Ribera  hispanus 

Valentinus  Setaben.  Acc°  Rom. 

Partenope  F. 

1628. 

Dargestellt  ist  der  letzte  Augenblick  vor  dem  Martyrium.  Der 
greise  Heilige,  in  fast  verlorenem  Profil,  ist  im  Begriff  auf  das 
Kreuz  gebunden  zu  werden;  schon  ist  sein  rechter  Arm  festgemacht, 
sein  linker  wird  eben  vom  Henker  festgeschnürt;  sein  linker  Fuß 
steht  noch  auf  der  Erde.  Da  hält  ihm  noch,  zum  letzten  Male, 
der  heidnische  Priester  eine  vergoldete  Statuette  des  thronenden, 
blitzeschleudernden  Zeus  entgegen  und  ruft :  Bekenne !  Aber  er 
weist  das  zurück;  die  noch  freie  Linke  in  Sprechgebärde  ausge- 
streckt hat  er  den  Blick  hinaufgelenkt  zu  seinem  Gott,  für  den 
er  in  den  Tod  gehen  will. 

Der  Heilige  nur  mit  einem  Lendentuch  bekleidet,  das  mit 
einem  Strick  zusammengehalten  wird.  Der  Oberkörper  weit  zurück- 
gelehnt. 

Rechts  beugt  sich  ein  Heide  neugierig  vor.  Links  die  mächtige, 
vollkommen  ruhige  Profilfigur  eines  bärtigen  römischen  Fahnen- 
trägers, der  verachtungsvoll  auf  den  Apostel  niederblickt.  In  seiner 
Rechten  hält  er  die  Purpurfahne. 

Die  Lanzen  eines  Kriegertrupps  werden  noch  sichtbar,  ein  Soldat 
im  Hintergrund  scheint  einen  Freund  des  Märtyrers  zurückzuweisen, 
der  ganz  in  seinen  Mantel  gehüllt  mit  klagendem  Ausdruck  ge- 
naht ist. 

Bleibt  auch  der  Himmel  mit  dunklen  Wolken  verschlossen,  so 
ist  doch   der  Körper  des   Heiligen,   vornehmlich  sein  Antlitz,   von 

5* 


68 

hellstem   Licht    Übergossen,    während   alle    andern    in    Dunkel   ge- 
taucht sind,  und  nur  hie  und  da  ein  Lichtblitz  aufsprüht. 

Die  „Andreasmarter"  im  Palazzo  Corsini  in  Florenz,  107,  wohl 
ein  mäßiges  Schulbild.  Kniestück.  Ein  gewappneter  Krieger  rechts 
entblößt  mit  der  Linken  die  Brust  des  weißbärtigen  Apostels,  der 
die  Hände  ergebungsvoll  ausstreckt.  Links  ein  schwarzlockiger 
Jüngling,  der  auf  den  verklärt  in  die  Ferne  blickenden  Heiligen  ein- 
spricht.   Fleischtöne  stark  braun. 


Einen  sehr  bedeutenden  Fortschritt  in  der  Gesinnung  gegen 
die  Bartholomäusmarter -Radierung  von  1624  bedeutet  das  Gemälde 
im  Prado  (989,  h.  2,31,  br.  2,34)  von  1630.    (Abb.  11.)    Bez. 
Jusepe  de  Ribera  espafiol 
1630. 
Das  Bild  hat  sehr  stark  gelitten  und  ist  übel  restauriert. 

Zwei  Henker  sind  im  Begriff,  den  Heiligen,  der  in  den  Hand- 
gelenken an  die  Enden  eines  Holzbalkens,  der  durch  Stricke  in 
Verbindung  mit  einem  großen  Holzstamra  steht,  zum  SchindenJ 
emporzuziehen,  gerade  wie  wenn  man  ein  Segel  hißt.  Wir  haben 
es  also  nicht  mehr  mit  der  Marter  selbst,  sondern  nur  mit  der 
weniger  gräßlichen,  dafür  um  so  spannenderen  Vorbereitung  zur 
Exekution  zu  tun. 

Das  Gesicht  des  Heiligen  gleicht  dem  eines  Galeerensträflings : 
abgezehrt,  hervorstehende  Backenknochen,  kurzes  schwarzes  Haar, 
Schnurrbart,  rötliche  Nase.  So  jung  wie  hier  erscheint  der  Märtyrer 
sonst  nirgends.  Den  Kopf  wendet  er  —  leicht  auf  seine  rechte 
Schulter  neigend  —  empor,  und  blickt  schmerzlich  mit  geöffnetem 
Mund  zum  Himmel.  Sein  rechtes  Bein  ist  stark  gebeugt,  nur  noch 
mit  den  Fußspitzen  die  Erde  berührend,  der  linke  Unterschenkel 
wird  von  einem  Henker  gepackt.  Der  Heilige  ist  nur  mit  einem 
dunkelgrünen  Lendentuch  bekleidet,  das  ein  Strick  zusammenhält. 
Der  Körper  ist  schwer :  die  beiden  Henkersknechte  ziehen  mit  der 
größten  Anstrengung.  Der  vordere,  eine  Rückenfigur,  mit  etwas 
gebeugten  Knieen.  Der  den  beiden  behilfliche  Dritte,  in  starker 
Verkürzung  gesehen,  sich  vorbeugend  nach  dem  Heiligen,  mit  ge- 


Tafel  X 


Phot.    Hanfataengl 


Abb.  10    MARTER  DES  HL.  ANDREAS     Budapest 


Tafel  XI 


Phot.    AüdcrsoQ 


Abb.  11     MARTER  DES  HL.  BARTHOLOMÄUS     Madrid     Prado 


69 

geöffnetem  Mund  den  Kopf  wendend,  in  Rot  gekleidet,  ist  der  eigent- 
liche Schinder,  worauf  das  Messer  am  Gürtel  hindeutet. 

Nach  rechts  steigt  das  Ganze.  Ein  gepanzerter  schwarzbärtiger 
Krieger  betrachtet  mit  offenem  Mund  auf  den  Ellbogen  gestützt 
die  Szene,  ebenso  noch  ein  Alter  und  mehrere  junge  Leute.  Ganz 
rechts  erblickt  man,  die  Gruppe  überragend,  Stümpfe  von  kanne- 
lierten Säulen  und  Lanzen. 

Links,  mehr  im  Mittel-  und  Hintergrund,  sieht  man  auf  niedri- 
gerem Terrain  —  die  Szene  spielt  sich  also  offenbar  auf  einem 
Hügel  vor  einem  im  Bau  befindlichen  Tempel  ab  —  eine  andere 
Gruppe,  in  der  eine  den  Beschauer  anblickende  Frau,  die  ihr  Kind 
an  der  Brust  hält,  und  ein  bärtiger  Marm,  in  Profil  gesehen,  vor 
den  andern  auffallen.     Der  Himmel  wolkig. 

Der  Wert  des  Bildes  liegt  vornehmlich  in  der  außerordentlich 
sorgsam  durchdachten  Komposition.  Der  Heilige  im  Treffpunkt 
zweier  Diagonalen;  die  Hauptschräge,  die  von  den  Säulen  über  den 
Krieger  herunterführt,  wird  begleitet  von  dem  Rand  des  lichten 
Wolkenstreifens,  der  gerade  über  dem  Haupt  des  Märtyrers  in  die 
dunkle  Wolke  übergeht,  so  daß  nur  der  Kopf  des  Bartholomäus 
völlig  gegen  das  Licht  gestellt  ist.  Die  entgegengesetzte  Diago- 
nale im  Heiligen  selbst  wird  vom  Henker  links  aufgenommen  und 
klingt  in  dem  Seil  rechts  und  in  den  Lanzen  am  rechten  Rand 
aus.  Die  erstgenannte  Diagonale  findet  ihre  Fortsetzung  im  rechten 
gebeugten  Fuß  des  Märtyrers  und  endet  ihrerseits  in  der  Grenzlinie 
des  Schattens  auf  dem  Boden  links. 

An  Donatello  oder  an  den  „Heliodor"  wird  man  erinnert  durch 
die  Verteilung  der  Zuschauermassen :  der  tiefliegenden  Gruppe  links 
entspricht   die  hoch   hinaufgetriebene   rechts. 

Der  Eindruck  des  weiten  Raumes  wird  dadurch  verstärkt,  daß 
der  Holzstamm  wie  die  Stricke  im  Bild  nur  bis  zu  einer  mäßigen 
Höhe  sichtbar  sind.  Das  verfolgende  Auge  geht  unwillkürlich  noch 
weiter  hinauf.  Ebenso  tragen  die  Lanzen  und  die  vielen  die  Luft 
durchschneidenden  Stricke  dazu  bei,  die  Vorstellung  eines  wirk- 
lich luftigen,  von  Leben  erfüllten  Raumes  recht  eindringlich  zu 
machen.  ; 

In  BerUn,  Kaiser-Friedrich-Museum  416.  eine  alte  Kopie,  nach 


70 

dem  Katalog  ein  Werk  der  zweiten  Hälfte  des  XVII.  Jahrhunderts 
aus  Murilloschem  Kreis.  Hier  alles  weicher,  zerflossener.  Das 
Bild  nach  rechts  weiter  fortgeführt.  Die  Lanzen  fehlen  ganz,  statt 
der  Säulen  eine  obskure  Kulisse.  Links  schneidet  das  Gemälde 
früher  ab. 

Aus  derselben  Zeit  ungefähr  stammt  auch  die  ,, Marter  des  Hl. 
Laurentius",  wiederum  keine  eigentliche  Marter,  sondern  nur  die 
Vorbereitung  dazu.  Das  Originalgemälde  ist  wohl  verschollen;  denn 
wenn  auch  das  Exemplar  in  der  Vatikanischen  Pinakothek  am 
ehesten  von  allen  Repliken  den  Anspruch  erheben  darf  als  eigen- 
händiges Werk  zu  gelten,  so  ist  es  doch  nicht  über  jeden  Zweifel 
erhaben. 

Der  bis  auf  ein  Lendentuch  völlig  entkleidete  jugendliche,  bart- 
lose Heilige  ist  nach  rechts  in  die  Knie  gesunken.  Die  Rechte 
hoch  erhoben,  die  Linke  in  Redegebärde  ausgestreckt  blickt  er 
offenen  Mundes  mit  seinen  großen  Augen  gläubig,  vertrauensvoll 
zum  Himmel :  Sieh,  dir  weih'  ich  mich  ganz  1  Am  rechten  Hand- 
gelenk packt  ihn  ein  Scherge,  links  unten  kniet  ein  anderer,  mit 
entblößter  Brust  wie  der  erste,  die  Kleider  des  Märtyrers  aufraffend. 
Über  ihm  ein  bärtiger  Mann,  der  Holz  herbeischleppt  für  das  Feuer 
des  Rostes,  mit  dem  sich  ein  anderer  im  Hintergrund  beschäftigt. 
Ganz  rechts  eine  alte,  bärtige  Profilfigur  neben  einem  Mann  mit 
einer  Kapuze  ,über  dem  Kopf. 

Deutlich  ist  der  edJe  Jüngling  von  den  gemeinen  Henkern  ge- 
schieden, außerordentlich  bereits  die  Leuchtkraft  des  bernstein- 
farbenen Fleisches. 

Das  Bild  der  Dresdener  Galerie  686  (2,06X1,54.  Abb.  12)  steht 
beträchtlich  unter  dem  römischen.  Die  Angabe  des  Dresdener 
,yAbreg^  von  1782",  das  Bild  sei  für  den  Herzog  von  Osuna  gemalt 
gewesen,  der  es  bei  seinem  Sturz  an  einen  Hamburger  Privatmann 
verkauft  habe,  kann  nicht  ernst  genommen  werden. 

Das  Bild,  nicht  unerheblich  restauriert,  nicht  so  stark  gedunkelt 
wie  das  römische,  zeigt  ganz  das  schwere  Kolorit  der  Frühbilder 
Giordanos,  für  den  ich  diese  Replik  in  Anspruch  nehmen  möchte. 
Der  Lorenzkörper  ist  hier  bei  weitem  nicht  so  gut  durchmodelliert 
als  in  dem  Vatikanischen  Bild. 


71 

Fast  ganz  verdorben  ist  die  an  mehreren  Stellen  eingerissene 
Kopie  in  der  Kathedrale  von  Granada  (oben  am  Altar  Jesus  Naza- 
reno).     Eine  Kopie  in  der  Kathedrale  von  Saragossa.(?)  i) 

9- 

Im  gleichen  Jahr  wie  die  Madrider  Bartholomäusmarter  ent- 
standen ist  auch  der  „Archimedes"  im  Prado.  Dieses  Gemälde 
eröffnet  für  .uns  den  Reigen  der  Philosophenbilder,  die  Ribera 
vor  allem  im  Lauf  der  dreißiger  Jahre  gemalt  hat.  Der  Bettel- 
philosoph. Ein  Typus,  von  Ribera  geschaffen  wie  der  auffahrende 
Hieronymus,  der  geschundene  Bartholomäus;  wie  diese  sofort  viel 
bewundert  und  nachgeahmt.  Die  Philosophen  des  Velasquez,  vor 
allem  seine  herrlichen  Spätwerke,  gehen  auf  Schöpfungen  Riberas 
zurück. 

Und  mit  den  j, Philosophen"  zusammen  zu  nennen  sind  die 
„Apostel",  die  nur  eine  Abart  der  ersten  Gattung  sind.  Alle  diese 
Bilder  sitid  aus  einem  Gefühl  entstanden,  aus  der  Freude  am: 
Robusten,  Charakteristischen.  Die  Gemälde  sind  nicht  als  einzelne 
für  sich  bestehende  Kunstwerke  gedacht,  sondern  stets  als  Zyklus, 
als  eine  Reihe  von  dekorativ  zu  verwendenden  Studien.  Wie 
man  in  alten  Zeiten  die  Gärten  mit  Hermen  und  Büsten  von  Cäsaren 
und  Philosophen  geschmückt  hatte,  so  hing  man  nun  in  den  Sälen, 
den  „Galerien"  der  Palazzi  diese  Philosophenbilder  auf.  Es  sind 
eine  Unmasse  derartiger  Gemälde  erhalten,  sehr  interessant  ein 
großer  Saal  bei  Sr.  Ramön-Marotö  in  Palma,  der  geradezu  mit 
solchen  Bildern  tapeziert  ist. 

Es  ist  ja  klar,  daß  auch  diese  Dinge  unter  Riberas  Hand  zu 
wirklichen  Kunstwerken  .wurden.  Die  besten  seiner  Philosophen- 
bilder befinden  sich  im  Prado,  in  Genua  und  in  Wien. 

Da  bei  diesen  Studien  es  dem  Künstler  fast  ausschließlich  auf 
den  Kopf  ankam,   so  ist  alles  andere  nur  summarisch  behandelt. 

Der  Maler  wirft  dem  Modell  irgend  ein  Tuch  um,  häufig  aus 
vielen  Lappen  ^zusammengesetzt,  stellt  sich  seinen  Mann  zurecht, 
bald  de  face,  bald  etwas  mehr  theatralisch:  Körper  seitlich,  Kopf 

^)  In  der  Gallerie  Aguado  war  auch  ein  Exemplar,  cf.  Charles  Gueulette:  Les 
peintres  espagnols.     Paris   1863.      (Bibl.   d.  B. — A.)  S.   99. 


72 

de  face  nach  dem  Beschauer,  befiehlt  dem  Gesell'  bald  zu  grinsen, 
bald  ein  finsteres  Gesicht  zu  machen,  was  beides  gleich  unheim- 
lich wirkt,  drückt  ihm  ein  Buch,  ein  Pergament  oder  einen  Zirkel 
in  die  Hand  und  —  alles  ist  fertig  zur  „Aufnahme". 

Gleich  das  erste  uns  bekannte  derartige  Werk,  der  lachende 
,,Archimedes"  des  Prado  (loio,  h.  1,25,  br.  0,81,  Abb.  14)  ist  ein 
Meisterstück.     Bez. 

Jusepe  de  Ribera  espa"°' 
F.     1630. 

Ein  unheimlicher  |Schwarzbärtiger,  großohriger  Kerl,  breit  grin- 
sind,  in  ,der  erhobenen  Rechten  den  Zirkel,  in  der  auf  dem  Tisch 
ruhenden  Linken  ein  Papier  mit  Zeichnungen  haltend. 

Die  beiden  andern  Philosophenbilder  des  Prado,  1009  und  loii, 
gehören  zeitlich  2u  dem  Archimedes.  Alle  weisen  die  bekannte 
schwer  rötliche  Kamation  auf.  Besonders  häufig  ist  1009,  ein 
stehender  zeichnender  Philosoph  mit  entblößter  Brust,  kopiert  wor- 
den (zwei  Kopien  bei  Sr.  Marotö  in  Palma,  eine  bei  Sr.  Conde  de 
Sallent  in  Madrid). i) 

Der  Bettelphilosoph  in  der  Galerie  Corsini  (Nazionale)  in  Rom, 
dort  „Bildnis  ;eines  alten  Arbeiters"  genannt,  früher  Strozzi,  jetzt 
Ribera  zugewiesen,  ist  eine  tüchtige  Imitation  von  Giordanos  Hand. 
Auch  die  vier  Philosophenbilder  der  Sammlung  La  Gaze  im  Louvre 
(1726 — 1729)  gehen  auf  Giordano  zurück,  wahrscheinlich  auch  der 
größte  Teil  der  Gemälde  dieser  Art  bei  Sr.  Marotö  in  Palma,  vor 
allem  „Sokrates,  sich  im  Spiegel  betrachtend"  (in  zwei  Repliken 
vorhanden). 

Gute  Schulbilder  die  zwei  Philosophen  im  Kapitelsaal  des  Esco- 
rial  (bei  dem  einen  liest  man  auf  dem  Buchrücken  HISSOPO) ; 
eine  große  Anzahl  Schulbilder  in  England  in  Privatbesitz  wie  in 
großen  Galerien  (Glasgow,  Edinburgh).  Den  ,, Archimedes"  in 
„Alton  Tower"  rühmte  Waagen")  von  kräftiger  Wirkung  und  vieler 
Bravour.  Schulbild  auch  der  „Philosoph"  im  Hampton  Court  Palace 

')  Bei  Simonetti  in  Rom  sah  ich  Frühjahr  1906  zwei  echte  Philosophenbilder,  beide 
signiert:  ein  ,, Geograph"  und  ein  „Archimedes",  letzterer  stark  gedunkelt.  ')  Waagen, 
Kunstwerke.  II.  462.  463. 


73 

(im  Katalog  von  1907  unter  Nr.  478  als  „a  Scholar  with  a  Map" 
bezeichnet). 

Nicht  von  Ribera  der  „Schmied"  Dulwich  Gallerie  233  (299) 
früher  Caravaggio,  jetzt  Ribera  zugewiesen.  Ein  ausgezeichnetes 
Gemälde,  jedoch  mit  dem  warmen  goldgelben  bis  bräunlichen  Fleisch- 
ton und  den  braunroten  Schatten  mehr  auf  einen  andern  tüchtigen 
Neapolitaner  oder  Sizilianer  Meister  des  Seicento  (Morrealese  ?) 
weisend. 

Die  Apostelbilder  .unterscheiden  sich  wie  gesagt  so  gut  wie 
gar  nicht  von  diesen  „Philosophen".  Der  „hl.  Rochus"  und  der 
„ältere  Jacobus"  in  der  Pradogalerie,  beide  aus  dem  Jahr  1631 
stammend,   können   als    Musterbeispiele   dienen. 

Der  hl.  Rochus  (1000,  h.   2,12,  br.   1,44), 
bez.  rechts  Jusepe  de  Ribera 

espanol  F.  1631. 
ganze,  lebensgroße  Gestalt;  schwarzbärtig,  die  Linke  auf  ein  Posta- 
ment legend,  ,in  der  Rechten  den  Stab  haltend,  mit  dem  er  das 
Gewand  zurückgeschoben  hat,  um  die  Pestbeule  zu  zeigen;  be- 
gleitet von  einem  weiß-  und  schwarzgefleckten  Hund  mit  einem 
Brot  im  Maul.^) 

Die  Halbfigur  des  hl.  Rochus  (ebenda  looi,  h.  1,26  br.  0,93) 
ist  stark  gedunkelt.  Der  Kopf,  ernst  im  Blick,  ist  etwas  edler 
als  der  von   1000. 

Jacobus  der  Ältere,  ein  einfältiger,  kläglicher  Bettler.  (Prado 
974,  h.  2,02,  br.  1,46.)  Bez.  an  der  zweituntersten  Treppenstufe 
Jusepe  de  Ribera  espafiol  F. 
1631. 
Der  Apostel  steht  am  unteren  Ende  einer  Treppe,  auf  deren  letzte 
Stufe  er  den  rechten  Fuß  gestellt  hat.  Er  blickt  mit  dem  Pilger- 
stab in  der  Rechten,  in  der  herabhängenden  Linken  ■ —  der  linke 
Unterarm  ruht  auf  dem  Treppenpfosten  —  eine  Schriftrolle  haltend, 
nach  links  oben.  Sein  dunkles  Gewand  läßt  rechte  Schulter  und 
Brust  frei.    Er  macht  mit  seinem  hilflosen  Blick  und  dem  schlecht 


')  Justi,  Velasquez  I.   273    meint,    Rochus   besitze    einen    tückischen    Ausdruck,    was 
ich  nicht  finden  kann. 


74 

gepflegten  Bart  einen  jämmerlichen,  mitleiderweckenden  Eindruck. 
Die  Kamation  wie  beim  Hl.  Rochus  schwer  rötlich. 

In  diesen  Jahren  wird  wohl  auch  der  Cyklus  von  Halbfiguren 
entstanden  sein  ,Jesus  als  Salvator  Mundi"  mit  den  Aposteln  Petrus, 
Paulus,  Andreas,  Felix,  Jacobus  d.  Ä.,  Bartholomäus,  Thomas, 
Matthäus,  Simon,  Jacobus  d.  J.  (Prado  955 — 958,  961 — 964,  967, 
968,  971,  972.)  Diese  Serie  hing  früher  ebenso  wie  die  noch  weiter 
unten  zu  erwähnenden  Apostelbilder  im  Casino  del  Principe  beim 
Escorial.  Die  Gemälde  sind  durchschnittlich  75  cm  hoch  und 
65   cm  breit. 

Die  ganze  Art  der  Auffassung,  der  Zusammenhang  mit  den 
„Philosophen"  wie  der  schwer  rötliche  Fleischton  weisen  uns  auf 
die   ersten   dreißiger   Jahre   als    wahrscheinlichste   Entstehungszeit. 

Der  „Erlöser"  (Abb.  17)  fällt  durch  den  stark  jüdischen  Typus 
auf;  dieses  jugendlich  schwermütige  Gesicht  mit  den  mandelför- 
migen Augen,  dem  Schnurrbart,  schüchternen  Bartansatz  unter  der 
Unterlippe  und  kurzem  dunklen,  das  Gesicht  einrahmenden  Bart 
werden  wir  später  bei  dem  ,,Franziscus  auf  den  Dornen"  in  Dresden 
wiederfinden. 

Die  Haltung  sehr  ruhig  und  feierlich;  Gesicht  vollkommen  de 
face.  Die  Linke  auf  die  Weltkugel  legend,  segnet  Christus  mit 
der  erhobenen  Rechten  die   Schar  seiner  Gläubigen,   die  Welt. 

Er  trägt  einen  einfachen  roten  Rock,  über  den  auf  der  linken 
Seite  der  dunkle  Mantel  geworfen  ist.  Die  Grenze  von  Licht  und 
Schatten  bei  Augenbrauen  und  Nase  ist  so  scharf,  daß  ich  an- 
fangs glaubte,  diese  Studien  in  die  erste  Zeit  von  Riberas  Nea- 
politaner Tätigkeit  setzen  zu  müssen. 

Petrus  mit  bauernschlauem  Gesichtsausdruck;  Paulus,  dem 
man  das  Zurechtgestellte  besonders  anmerkt,  scheint  geradezu  uns  zu 
fragen:  Steh  ich  so  recht?  958,  als  S.  Andreas  und  961  als  S. 
Felix  bezeichnet  geben  dasselbe  Modell  in  gleicher  Haltung  waeder. 
964,  Ap.  Thomas,  das  gleiche  Modell  wie  970,  Judas  Thaddäus 
genannt.  Die  Echtheit  von  970  scheint  mir  sehr  zweifelhaft.  Das 
Bild  hat  stark  gelitten;  schwer  im  Ton,  flüchtig  in  der  Behandlung 
des   Mantels.     966   Schulwiederholung  von   964. 

Eine  der  gelungensten  Gestalten  ist  der  Apostel  Bartholomäus 


Tafel  XIV 


Abb.  17    CHRISTUS  ALS  SALVATOR  MUNDI     Madrid     Prado 


Abb.  16    CHRISTUS  UND  DIE  SCHRIFTGELEHRTEN 
Wien     Hofmuseum 


75 

(963,  Abb.  18.  19.),  ganz  besonders  interessant  als  Draperiestudie. 
Der  Greis  hat  mit  den  edelsten  Ausdruck  von  allen  Aposteln,  schon 
in  der  Neigung  des  Kopfes  liegt  etwas  mildes,  gottergebenes.  In  der 
erhobenen  Rechten  hält  er  das  Messer.  Der  weißgraue,  leicht  ins 
grünliche  spielende  Mantel  ist  in  der  Faltengebung  mit  seltener 
Liebe   durchstudiert,    ohne   je   kleinlich   zu   wirken. 

Von  diesem  Bild  eine  mäßige  Wiederholung  aus  Riberas  Atelier 
in  der  Münchener  Pinakothek^)  (1284)  mit  einer  Anzahl  kleiner, 
aber  nicht  unwesentlicher  Varianten.  Die  Drapierung  ist  wesent- 
lich einfacher.  Die  Partie  rechts  wirkt  zu  leer.  Der  Kopf  länglicher, 
weniger  geneigt.  Vor  allem  aber  die  linke,  aus  dem  Mantel  her- 
vorlugende Hand  übel  verzeichnet,  besonders  der  Ansatz  des  Zeige- 
fingers. 

Prado  960,  S.  Juan  Evangelista  genannt,  ist  die  breit  hingepin- 
selte Studie  eines  Schülers,  vielleicht  Giordanos.  Die  auf  dem  Buch 
mit  auffällig  großen  Buchstaben  hingesetzte  Firma 

Jusepe  de  Ribera  F.   1637 
ist  gefälscht. 

Conca  erwähnt  in  seiner  Descrizione  odeporica  I.  181  bei  der 
Beschieibung  der  Kirche  der  Recoletos  zu  Madrid  einen  Cyklus 
von  12  Aposteln.  Eine  Serie  in  der  Galerie  von  Parma  ist  Schul- 
gut. (Gall.  515,  br.  0,92,  h.  1,05,  Petr.,  Paul.,  Andr.,  Jac.  d.  Ä., 
Joh.  Ev.,  Thomas,  Jac.  d.  J.,  Phil.,  Barthol.,  Tadd.,  Sim.,  Matth. ;  die 
Köpfe  mit  Heiligenschein);  eine  weitere  Reihe  früher  bei  Duca 
di  Marianella  in  Neapel.  10  Apostel.  Nach  Justi  „gute  Atelier- 
arbeiten. Jacobus  —  der  als  Selbstporträt  des  Meisters  bezeichnet 
wird  —  am  besten")  neben  dem  etwas  jugendlichen  Johannes". 

Auf  Ribera  als  Vorbild  geht  schließlich  noch  der  —  stark  über- 
malte —  Apostelcyklus  im  Kapitelsaal  der  Valladolider  Catedral 
zurück. 

Schulbild  der  schöne  Kopf,  Genua  Pal.  Durazzo.  Der  braun- 
bärtige Apostelkopf,  Museum  von  Montpellier  625,  scheint  eher  der 

■)  Das  Kniestück  282  in  der  Sammlung  Harrach-Wien  mit  gefälschter  Signatur  ist 
eine  der  tüchtigsten  Nachahmungen.  Für  Ribera  zu  breit  und  zu  stumpf  in  den  Tönen. 
^)  Ähnlich  der  Jacobus  in  der  Sakristei  von  S.  Filippo  Neri  in  Neapel.  Gleichfalls  als 
Porträt  bezeichnet  (h.  0,75  br.  0,65). 


76 

Bologneser  Schule  anzugehören.  Schulbilder  die  Apostel  in  der 
Galerie  Harrach-Wien  (164,    167,  230,   256,   262). 

Waagen  erwähnt  ^)  bei  Mr.  Matthew  Anderson,  Jesmond  Cottage 
bei  Newcastle,  einen  Apostel  Simon  und  einen  Jacob,  d.  J.  „of 
unustially  grand  and  earnest  concepcion  of  broad  drapery  con- 
formable   to    style   and   masterly   handling". 

In  der  Chatsworthgalerie  ein  Apostel  Paulus  in  rotem  Mantel; 
Kopf  gesenkt,  vertieft  in  die  Lektüre  der  Schriftrolle,  die  er  in 
der  Linken  hält,  die  Rechte  mit  dem  Schwert  erhoben.  Das  Haar 
rötlich. 

In  die  Entstehungszeit  des  Pradocyklus  fallen  auch  die  größeren 
Studien,   gleichfalls   im  Prado :    Petrus   975,    Simon   978,   Andreas. 

Petrus  (1,28X1, — ,  Abb.  20)  grandios  in  der  Silhouette  und  in 
der  Faltengebung,  trotzdem  gerade  er  derjenige  Apostel  ist,  den  Ri- 
bera am  meisten  in  Positur  gesetzt  hat :  Der  alte  weißbärtige  Fischer 
ist  frisch  gewaschen  und  frisiert  worden,  das  Haar  gewellt,  der 
Bart  geschnitten.  Ein  großes  gelbes  Laken  wurde  ihm  als  Mantel 
übergeworfen,  in  seine  Linke  ein  Buch,  in  die  Rechte  zwei  Schlüssel 
gedrückt,  die  er  nun  recht  hochhält.  Dabei  blickt  er  bei  seit- 
licher Körperhaltung  mit  fast  völlig  nach  vorn  gedrehten  Kopf  den 
Beschauer  an:  „Jaja,  seht  nur,  ich  bin  jetzt  der  Petrus". 

Der  Apostel  Simon  (1.07X0,91)  scheint  ungefähr  1630/31  ge- 
gemalt zu  sein.  Er  zeigt  in  der  technischen  Behandlung  die  größte 
Verwandtschaft  mit  dem  „Archimedes"  und  dem  noch  zu  er- 
wähnenden „Gambazo" ;  nur  daß  er  mit  am  breitesten  gemalt  ist. 
Sehr  auffällig  auch  der  dünne  Nimbus,  der  einzige  mir  bei  Ribera 
bekannte.  Die  etwas  summarische  Angabe  eines  lichten  Streifens 
um  das  Haupt  der  Heiligen!,  z.  B.  Petrus,  Hieronymus  von  1644, 
kann  nicht  gut  als  Heiligenschein  ausgelegt  werden,  da  sich  dieser 
Streifen  auch  bei  dem  Archimedes  findet.  (Es  ist  dies  aus  rein 
künstlerischen  Absichten  hervorgegangen:  Der  Kopf  soll  sich 
wirkungsvoll  vom  Hintergrund  abheben.) 

Am  meisten  Beifall  aber  fand  der  hl.  Andreas  (h.  1,27, 
br.    I, — ),   Kniefigur  wie  die  anderen.     Die  Rechte  auf  die  Brust 

•)  Waagen,  Galleries  and  Cabinetts,  481. 


Tafel  XVI 


PLot.    Anderson 


Abb.  20    DER  HL.  PETRUS     Madrid     Prado 


legend,  die  Linke  leicht  in  Redegebärde  ausgestreckt,  blickt 
der  graubärtige  lockenhaarige  Heilige  —  in  ein  dunkles  Ge- 
wand gekleidet  —  zum  Himmel  empor:  Der  sich  hingebende 
Märtyrer.  Vorn  jauf  dem  Tisch  ein  Fisch,  im  Hintergrund  das 
Andreaskreuz. 

Eine  gleich  vortreffliche  Originalreplik  in  Dresden  Nr.  688. 
(Abb.  22,  gleiche  Größe.) 

Das  Madrider  Bild  ist  etwas  weicher  als  das  Dresdener ;  wärmer 
im  Ton,  aber  weniger  sorgfältig  durchgeführt  (Modellierung  der 
linken  Hand !),  Haarbehandlung  einfacher.  Das  Dresdener  Exemplar 
zeigt  uns  besser  als  manches  anderes  Werk  Riberas,  wie  es  der 
Meister  verstanden  hat,  durch  die  eigenartige  Führung  des  fein- 
haarigen Pinsels  allein  schon  vollkommen  zu  modellieren. 

Schulwiederholung  in  Neapel,  Sakristei  von  S.  Filippo  Neri, 
bei  Felipe  Villalonga  in  Palma  de  Mallorca,  in  Narbonne,  sowie  bei 
Konsul  Weber  in  Hamburg. 

Weit  wuchtiger  jedoch  wirkt  die  Kniefigur  Prado  973.  (1,23 
X  0,95,  Abb.  21.)  Der  alte  Graubart  steht  hier,  den  Oberkörper  völlig 
entblößt,  vor  uns.  Im  hnken  Arm  hält  er  das  Kreuz.  Er  bhckt  nach 
links  nieder  zu  dem  Fisch,  den  er  an  einer  Schnur  in  seiner 
Rechten  hält. 

Eine  mäßige  Nachahmung  eines  Riberaischen  Andreas,  das 
Brustbild  in  einem  Bibliothekszimmer  bei  der  Kirche  S.  Andres 
zu  Valencia. 

Ein  Evangelist  Matthäus  aus  dem  Jahr  1630,  den  Palomino 
erwähnt,^)  ist  verschollen.  Das  Bild  war  —  auf  einem  Zettel  — 
bezeichnet : 

Jusepe  de  Ribera  espanol  de  la  Ciudad  de  Xativa  Reyno 
de  Valencia  Academico  Romano.     Ano  de   1630. 

Mit  dem  Modell  des  „jüngeren  Jacobus"  (Prado  971)  sehr  ver- 
wandt ist  der  Kopf  im  Museum  von  Solothurn.    Bez. 
Jusepe  de  Ribera  /"' 
1634. 

•)  Palomino,  Mus.  Pict.  III.   312. 


78 

Die  Signatur  ist  etwas  verdächtig,  das  Bild  selbst  kann  sehr 
wohl  ein  Werk  Riberas  sein. 

Eine  ganze  Sammlung  von  Charakterköpfen  bietet  uns  das 
Halbfigurenbild  „Christus  und  die  Schriftgelehrten".  Wien  K.  K. 
Gemäldegalerie  162  (h.  1,29,  br.  1,75,  Abb.  16).  Links  die  Gruppe 
von  vier  Gelehrten,  höchst  eigenartig  zusammengehalten  durch  die 
Silhouette  des  Mantels,  den  der  durch  die  Lupe  blickende  Ge- 
lehrte über  den  Kopf  zieht.  Christus  sitzt  rechts  in  einem  Sessel, 
reines  Profil.  Leider  macht  der  mit  der  erhobenen  Rechten  die 
Alten  belehrende  Knabe  einen  etwas  dummlichen  Eindruck.  Man 
glaubt  ihm  nicht  recht.  Rechts  im  Hintergrund  die  ernsten,  fast 
besorgt  erscheinenden  Köpfe  des  alten  Joseph  (Profil)  und  Marias 
(de  face).  Am  wirkungsvollsten  der  Unterschied  zwischen  dem 
rotbraunen  Inkarnat  der  Gelehrten  und  der  helleuchtenden  Fleisch- 
farbe des   jungen  Jesus. 

Eine  kleinere,  gute  Kopie  in  der  Bridgewatergalerie  (279,  47 
X67  cm),  die  aus  der  Galerie  Orleans  stammt.  Gegen  Wien  die 
Tönung  stärker  rötlich,  das  Ganze  jedoch  ohne  das  rechte  Feuer. 

Wie  die  „Disputation"  stammt  auch  die  „Kreuztragung"  der 
Wiener  Galerie  aus  der  Sammlung  des  Erzherzogs  Leopold  Wil- 
helm. (501,  h.  1,44,  br.  1,98)  Halbfigurenbild.  Es  ist  jedoch 
kein  eigenhändiges  Werk  Riberas;  dafür  ist  es  in  den  Formen  viel 
zu  wenig  bestimmt,  zu  weich,  zerflossen,  in  den  Bewegungen  zu 
lahm  (wie  Christus  das  Kreuz  trägt!  vor  allem  der  rechte  Arm 
ungenügend).  Das  Bild  ist  ganz  offenbar  eine  Arbeit  Giordanos, 
was  auch  die  Typen  (z.  B.  der  Soldat  ganz  links)  und  die  Färbung 
beweisen. 

Offenkundige  Frühwerke  Giordanos,  die  Riberas  Stil  nach- 
ahmen, sind  auch  die  Bilder  Nr.  108  und  109  des  Museums  von 
Bordeaux :  „Eine  Versarmnlung  antiker  Gelehrten"  und  die  „Dis- 
putation des  hl.  Hieronymus  mit  den  Schriftgelehrten";  beide  Knie- 
figurenbilder. 

Von  der  Hand  eines  mäßigen  Nachahmers  ist  die  krause 
„Hieronymusdisputation"  Nr.  81  der  Galerie  der  Academia  di  S. 
Lucca  in   Rom. 


79 

lo. 

Die  Freude  Riberas  am  Chakteristischen,  Eigenartigen  kommt 
aber  vielleicht  am  stärksten  in  zwei  Porträts  aus  jenen  Jahren  zum 
Ausdruck:  Das  Bildnis  der  bärtigen  Maddalena  Ventura  und  das  des 
blinden  Bildhauers  Gambazo. 

Das  Porträt  der  Ventura  befand  sich  früher  in  S.  Ildelfonso, 
kam  dann  in  die  Academia  de  S.  Fernando,  aus  der  es  eines  schö- 
nen Tags  verschwunden  war.  Auf  einmal  tauchte  es  in  den  acht- 
ziger Jahren  des  vergangenen  Jahrhunderts  wieder  auf :  bei  der 
verwitweten  Herzogin  von  Medinaceli.  Gegenwärtig  befindet  es 
sich  im  Besitz  des  Duque  de  Lerma  in  Madrid. 

Das  Bild,  von  jeher  gerühmt,  wird  von  den  Kennern  kurzweg 
als  „La  barbosa",  die  Bärtige,   bezeichnet. ') 

Eine  runzliche  ältere  Frau  mit  langem  schwarzen  Bart.  Die 
harten  Züge  eher  männlich  als  weiblich.  An  ihrer  Brust  hält  sie 
stillend  ein  Kind.    Ihr  Gatte,  ein  Greis,  steht  hinter  ihr. 

In  der  einen  Ecke  liest  man: 

Retratto  de  Maddalena  Ventura  nacida  en  los  Abruzzes  edad 
de  52  anos.  Tenia  37  afios  quando  le  empiezo  a  crecer  una  barba 
larga.  a  tenido  tres  hijos  de  su  marido  Felix  de  Amicis.  Pintado 
del  natural  para  la  admiracion  de  los  vivientes  por  Jusepe  de 
Ribera  1631. 

Eine  weit  bedeutendere  Leistung  aber  ist  das  Porträt  Gambazos. 
Prado  1003  (h.  1,25,  br.  0,98,  aus  dem  Escorial,  Abb.  23)  bez.  rechts 
Jusepe  de  Ribera 
F.  1632. 

Der  bärtige,  greise  Bildhauer  steht  de  face  mit  fast  völlig 
geschlossenen  Augen  an  einem  Tisch,  auf  dem  ein  spätgriechischer 
marmorner  Apollokopf  liegt,  den  er  mit  beiden  Händen  betastet.  Ge- 
kleidet ist  er  in  einem  einfachen  schwarzen,  etwas  zerschlissenen 
Rock;  an  den  Ärmeln  unten  wie  am  Hals  kommt  das  Hemd  zum 
Vorschein. 

Ganz  vorzüglich  ist  der  Gesichtsausdruck  gelungen;  man  spürt 
die   geistige   Arbeit,    die   gesammelte,    angestrengte   Tätigkeit   des 

*)  cf.  Viardot;  Les  musees  d'Espagne.  Paris  1843.  S.  175.  Ausführlich  be- 
schrieben von  Paul  Lefort:   G.  d.  B-A.  II  per.  XXV  (1882,  I)  S.  40  ff. 


8o 

Blinden,  sich  aus  dem  Abtasten  der  Formen  ein  leibliches  Bild  von 
dem  edlen  Antikenkopf  zu  schaffen.  Meisterlich  die  Modellierung 
der  Hände. 

Nicht  Ribera  angehört  der  „Mann  mit  der  Vase"  bei  Graf 
Harrach  in  Wien,  der  eine  ganz  andere  Technik  zeigt,i)  ebenso 
der  „Duns  Scotus"  Hampton  Court  871  (779)  ein  sehr  minder- 
wertiges Werk.  —  Das  Bildnis  in  der  Braunschweiger  Galerie  498 
(h.  0,72,  br.  0,60),  das  eine  Zeitlang  als  Porträt  Zurbarans  galt,  ist 
wahrscheinlich  ein   Werk    der   Sevillaner    Schule. 

Das  Bild  „Simone  Paganucci"  genannt,  Florenz,  Palazzo  Pitti 
117,  ist  sehr  gedunkelt  und  hängt  so  hoch,  daß  eine  genaue  Be- 
urteilung unmöglich  ist. 

II. 

Demselben  Jahr  wie  der  Gambazo  gehören  die  Kolossalgemälde 
„Prometheus"  (Abb.  13)  und  „Ixion"  im  Prado  (1004,  1005)  an.  Zu 
diesen  gesellten  sich  noch  ein  „Sisyphus"  und  ein  „Tantalus"  früher 
in  Buonretiro,  jetzt  verschollen.^) 

Die  Darstellung  dieser  vier  großen  Männer,  die  sich  in  frevel- 
haftem Übermut  zu  den  Göttern  erhoben  hatten  und  so  schwer  dafür 
büßen  mußten,  war  in  jener  Zeit  anscheinend  sehr  beliebt.  Eben- 
falls im  Prado  befindet  sich  ein  „Sisyphus"  und  ein  ,, Prometheus" 
von  Tizian  gemalt.  Die  beiden  Gemälde  hingen  früher  im  kgl. 
Schloß  zusammen  mit  einem  „Tantalus"  und  einem  „Ixion",  Kopien 
nach  Tizian  von  der  Hand  des  Hofmalers  Alonso  Sanchez  Coello. 
Auch  Giordano  ist  im  Prado  (223 — 225)  mit  einem  „Prometheus",*) 
einem  „Ixion"  und  „Tantalus"  vertreten,  Gemälde,  in  denen  er 
Ribera  nachahmen  wollte. 

Die  vier  Bilder  Riberas  sollen  sich  nach  Sandrart*)  früher  in 
Amsterdam  im  Besitz  eines  Herrn  van  Uffel  befunden  haben.  Da 
sich  aber  dessen  schwangere  Ehefrau  Jacoba  an  einem  der  scheuß- 
lichen Bilder   versehen   habe   und   eine   Mißgeburt   erfolgt   sei,   so 

')  Wohl  Madrider  Schule  um  1660.  ')  Verloren  auch  ein  „Laokoon"  früher  in 
S.  Ildelfonso,  verschollen  ein  „Kampf  des  Herkules  mit  einem  Kentaur"  früher  in  der 
Sammlung  Lonis-Philippes  zu  Paris  „ein  Bild  von  widerwärtigem  Eindruck"  (Nagler,  XIII 
99).  ^)  Kopie  nach  einem  Prometheus  von  Ribera  oder  Giordano  in  Cassel.  *)  Sandrart, 
Teutsche  .-Akademie   191. 


8i 

hätte  der  Gatte  die  Bilder  schleunigst  nach  Italien  verkauft;  von 
da  sind   sie   später   nach   Spanien  gekommen. 

Diese  Kolossalgemälde  sind  natürlich  Arbeiten  mehr  deko- 
rativer Art,  ebenso  wie  die  Philosophenbilder  oder  die  „zwölf  Taten 
des  Hercules",  die  Zurbaran  um  dieselbe  Zeit  für  Buonretiro  malte, 
(h.  2,27,  br.  3,01)  „Ixion"  bez.  rechts. 

Jusepe  de  Ribera 
F.  1632. 

Die  Aktfiguren  mit  ihrem  schwerrötlichen  Kolorit  sind  bei 
aller  glänzenden  Beherrschung  des  männlichen  Körpers  doch  un- 
erfreuliche Werke;  sie  machen  mit  den  rohesten  Eindruck  im 
ganzen  Oeuvre  Riberas. 

Ebenfalls  in  diese  Zeit  gehört  der  ganzen  Anlage  und  Färbung 
wegen  das  kolossale  Brustbild  des  hl.  Christophorus,  Prado  1002. 
(h.   1,27,  br.    I, — ;  aus  der  Kapelle  des  Pal.  nuevo.) 

Mit  den  oben  genannten  Bildern  zusammen  verkaufte  Herr 
van  Uffel  nach  Sandrart  auch  einen  „Cato  vor  Utica  sich  den  Ver- 
band abreißend".  Das  Kniestück  dieses  sterbenden,  in  Verzweiflung, 
Wut  und  Schmerz  laut  aufbrüllenden  Republikaners  befand  sich 
früher  in  der  Sammlung  der  Herzogin  von  Montpensier  im  Palazzo 
Santelmo  in    Sevilla,     (jetzt   in   Sanlucar   de   Barrameda?) 

Auch  hier  alles  Gewicht  auf  das  rein  Physische  gelegt,  der 
Eindruck   daher   gleichfalls    wenig   befriedigend. 

In  die  erste  Hälfte  der  dreißiger  Jahre  wird  wohl  ein  Gemälde 
zu  setzen  sein,  das  nur  in  zwei  Fragmenten  auf  uns  gekommen  ist : 
„Der  Triumph  des  Bacchus".  Wie  so  manches  Meisterwerk  wurde 
auch  dieses  Bild  bei  einem  Palastbrand  derartig  mitgenommen, 
daß  man  sich  entschloß,  das  ganze  Gemälde  aufzugeben  mit  Aus- 
nahme von  vier  Köpfen  oder  Brustbildern,  die  herausgeschnitten 
und  im  Pal.  Buonretiro  in  der  Sammlung  Carls  III.  aufgehängt 
wurden:  Der  Kopf  des  Bachus  und  drei  weitere  Köpfe.  Auf  uns 
sind  nur  zwei  gekommen,  die  ,, Sibylle"  (Abb.  24)  und  der  „Bacchus- 
priester",  loii    und   1012  des   Prado. 

Es  war  ein  Gemälde  mit  lebensgroßen  Figuren  von  leuchtendem 
Kolorit.  Wie  das  Bild  im  ganzen  ausgesehen  hat,  läßt  sich  nicht 
mehr  sagen.     Die  Figuren  heben  sich  von  einem  tiefroten  Grund 

Mayer,   Jusepe  de  Ribera  (Lo  SpagDoletto).  5 


82 

ab.     Die   „Sibylle",    genannte    Frau,    macht   den   Eindruck   einer 
Zuschauerin. 

12. 

Wieder  auf  das   religiöse   Gebiet   führt   uns   das   Gemälde  im 
Kapitelsaal  des  Escorial   „Jacob  mit  der  Herde   Labans".     Bez. 
Jusepe  de  Ribera  espanol 
F.  1634. 
Man   ist    versucht    die   letzte   Ziffer   zuerst   als    2    zu   lesen,    es   ist 
jedoch  eine  4     (h.   1,75,  br.  2,20). 

Jacob  in  braunem  Kittel,  schwarzbärtig  und  dunkelhaarig,  blickt 
kniend,  die  Linke  auf  der  Brust,  die  Rechte  auf  den  Rücken 
eines  Lammes  legend,  zum  Himmel  empor.  Die  prachtvoll  ge- 
malte Herde  läßt  uns  Ribera  als  ausgezeichneten  Tiermaler  schätzen. 
Herrlich  vor  allem  der  Widderkopf  rechts.  Links  eine  FelskuUsse, 
rechts  Aussicht  in  eine  weite  Landschaft,  in  der  man  ganz  entfernt 
den  schlafenden  Jacob  erblickt.  Dies  hat  offenbar  Müller  (Dres- 
den) übersehen,  der  die  Szene  als  die  „Berufung  des  Moses  am 
Berge   Horeb"   deuten   wollte.^) 

Das  Bild  war  sehr  beliebt,  wie  uns  die  Kopien  bei  Earl  of  Derby 
(1857  in  Manchester  ausgestellt  und  als  Original  ausgegeben),  in 
der  Dresdener  Galerie  689  und  bei  Marqu6s  de  Palmer  (Palma  de 
Mallorca)  beweisen.  Eher  als  bei  diesem  Werk  möchte  man  bei 
Nr.  244  der  National  Gallery  in  London  an  die  „Berufung  Mosis" 
denken.  Das  Bild  (h.  4ft.  s/i  in-,  br.  3  f  t.  6V4  in.)  ist  sehr  schlecht 
erhalten,  so  daß  man  Riberas  Autorschaft  mit  gleich  geringer 
Sicherheit  behaupten  wie  bestreiten  kann.  Jedenfalls  ist  das  Ge- 
mälde aus  seinem  Atelier  hervorgegangen  und  die  immer  noch 
ziemhch  rötliche  Camation  macht  es  wahrscheinlich,  daß  es  anfangs 
der  dreißiger  Jahre  entstanden  ist.  Für  den  Schäfer  diente  das 
gleiche  Modell  wie  für  das  Escorialbild.  Unter  einem  Baum  sitzend 
hält  er  nach  rechts  oben  blickend  in  der  lässig  gesenkten  Linken 
den  Hirtenstab,  die  Rechte  greift  nach  dem  Lamm,  das,  auf  ein 
Tuch  gebettet,  auf  seinem  Schöße  ruht.  Links  Ausblick  in  die 
gebirgige  Feme.    Abendstimmung. 

')  cf.   Bemerkung  im  Dresdener  Galleriekatalog  zu  Nr.   689. 


83 

Der  Baum  schmiegt  sich  in  der  Bewegung  an  die  des 
Mannes   an. 

Waagen,  der  das  Bild  noch  bei  Lord  Colbome  sah,  (aus  dessen 
Besitz  das  Gemälde  1854  in  die  Galerie  kam),  spendet  ihm  hohes 
Lob^)  „of  unusual  elevation  of  character,  golden  in  colour  and 
masterly  and  marrowy  in  touch." 

Das  Jacobsmodell  hat  dann  Ribera  —  ganz  getreu  in  der 
Haltung  von  Kopf  und  linker  Hand  —  in  dem  „hl.  Joseph  mit 
dem  Jesusknaben"  benutzt.  (Prado  979,  h.  1,26,  br.  i, — )  Kniestück. 
Zu  dem  Heiligen,  de  in  der  Rechten  den  Blütenstab  hält,  blickt 
der  kleine  Jesus  auf,  der  in  seinen  Ärmchen  ein  Körbchen  mit  den 
Marterwerkzeugen  herbeiträgt. 

Schulgut  die  Halbfigur  des  hl.  Joseph,  der  das  Kind  auf  den 
Armen  trägt.     (Granada,   Kathedrale.     Gap.   de  la   Trinidad). 

Das  Gesicht  des  blondhaarigen  Jesusknaben  auf  dem  Madrider 
Bild  hat  etwas  von  innen  durchleuchtetes,  ebenso  wie  der  Engel 
auf  dem  —  als  Pendant  gedachten?  —  Gemälde  „Die  Extase  des 
hl.  Franziscus".  (Prado  998,  h.  1,28,  br.  1,20  Abb.  25.)  Kniestück. 
Beide  Bilder  stehen  auf  der  Grenze  der  ersten  und  zweiten  Epoche  des 
Künstlers,    sind   also   um    1635    entstanden. 

Der  hl.  Franz  fast  im  Profil  nach  rechts,  schwarzbärtig,  mit  tief- 
liegenden Augen,  erstaunt  zu  dem  goldblondgelockten  Englein  enl^ 
porblickend,  das  mit  dem  Oberkörper  aus  einem  Wölkchen  hervor- 
leuchtend, in  den  Händen  eine  Phiole  mit  kristallklarem  Wasser 
hält:  Das  Wasser  natürhch  hier  als  Symbol  der  Reinheit.  Eben- 
so wie  der  Putto  zeichnet  sich  auch  das  Gesicht  des  Heiligen  durch 
ein  intensiv  weLßlichgelb  leuchtendes  Kolorit  aus. 

Nicht  vor  diese  Zeit,  vielleicht  sogar  erst  gegen  1640  sind  die 
Gemälde  Prado  997,  S.  Maria  Ägyptiaca  999,  der  jugendliche  Jo- 
hannes d.  T.  in  der  Wüste,  980  die  reuige  Magdalena  und  977, 
Apostel  Bartholomäus  zu  setzen.  Sämtlich  lebensgroße  Figuren 
(h.    1,83,   br.    1,97),   eine   Signatur  konnte  ich   nicht  finden. 

Die  vier  Bilder  gehörten  dem  Marques  de  los  Llanos  und  kamen: 
später  in  den  Pal.  Nuevo  (Sammlung  Carls  III.)  Sie  befanden  sich 
da  in  der  pieza  de  conversacion  de  la  infanta. 

')  Waagen,  .^rt  treasures  II  241. 

6* 


84 

Leider  haben  sie  durch  Restauration  sehr  stark  gehtten,  was 
die   genaue    zeitliche    Festlegung   natürlich   noch    mehr   erschwert. 

Es  entsprechen  sich  je  zwei  Heilige :  Der  alte  Bartholomäus  und 
die  greise  Maria  Ägyptiaca;  der  junge  Johannes  und  die  jugend- 
liche Magdalena.  Die  Alten  in  ihrer  scheinbar  unverwüstlichen; 
physischen  Konstitution,  ebenso  vorzüglich  gekennzeichnet  wie  die 
Jungen  in  ihrer  zauberhaften  frischen  Schönheit.  Alle  aber  sind 
von  tiefster  Religiosität  durchdrungen,  die  Alten  leidenschaftlicher, 
die  Jungen  inniger. 

Der  greise  Apostel  sitzt  airf  einem  Stein  am  Fuß  eines  ge- 
waltigen Baumstammes  vor  einem  mächtigen  Felsen,  nur  mit  einem 
grauen  Mantel  bekleidet,  der  Brust  und  Arme  freiläßt.  Mit  der 
Linken  hält  er  das  Gewand  auf  der  Brust  fest,  in  der  erhobenen; 
Rechten  zeigt  er  uns  das  berühmte  Marterinstrument:  Das  Messer. 
Den  Kopf  de  face  schaut  er  uns  mit  kraftvollem  Blick  an.  Der 
rechte  Fuß  etwas  vor,  der  linke  etwas  erhöht  zurückgesetzt.  Das 
Ganze  von  ungemeiner  Dringlichkeit.  Ein  überwältigendes  Pathos, 
ein  faszinierender  Schwung  geht  von  diesem  graubärtigen  jünglings- 
frischen Blutzeugen  aus. 

Und  im  Johannes  (Abb.  27)  eine  Milde  und  Süßigkeit,  wie  sie 
bei  männlichen  Gestalten  Riberas  nie  wieder  vorkommt.  Wer  ver- 
zichtete da  nicht  bei  diesem  Lächeln  des  heiligen  Knaben  auf  all  die 
lächelnden,  übermäßig  liebenswürdigen  Heiligen  der  Sevillaner! 
Das  Bild  war  stets  ein  Entzücken  der  Beschauer,  schon  Palomino 
äußert  sich  in  diesem  Sinn  ,,con  tal  propriedad  que  mueva  a  risa 
a   quantos   lo   miran.''^) 

Daß  hier  eine  Erinnerung  an  oberitalienische  Eindrücke,  an 
Lionardo  vor  allem,  vorliegt,  ist  auf  den  ersten  Blick  klar.  Ganz 
vollendet,  wahrhaft  klassisch  wirkend  ist  die  Komposition,  der  Fluß 
der  Linien  bei  diesem  dunkeläugigen  Jüngling,  dessen  Brust  völlig 
frei,  dessen  Leib  und  Oberschenkel  nur  mit  einem  Fellchen  —  mit 
einem  Strick  zusammengehalten  und  mit  der  Haarseite  nach  innen 
gekehrt  —   bedeckt  wird  und  über  dessen  rechtes  Bein  ein  roter 

*)  Palomino  Mus.  pict.  III.  311,  hier  jedoch  als  im  Escorial  befindlich  erwähnt. 
Wie  eine  gemeine  Karikatur  wirkt  der  schmunzelnde  Johannes  im  Hampton  Court  Palace 
174  (166),  eine  „freie"  Kopie  des  Madrider  Bildes. 


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85 

Mantel  fällt.  Wie  der  Sitzende  mit  der  hocherhobenen  Linken  den 
Kreuzstab  umfaßt  hältl  Welch  ein  Fluß  im  rechten  Arm  und  in 
der  Hand,  die  dem  Lamm,  das  sich  von  links  her  naht,  etwas  reicht ! 
Der  mächtige  Baumstamm,  vor  dem  Johannes  sitzt,  folgt  der  Be- 
wegung des  Heiligen;  sehr  fein,  wie  dieser  Diagonalen  eine  andere 
in  Gestalt  des  kleinen  Stumpfes  entgegenwirkt.  Eine  duftige  Fern- 
sicht auf  ein  Schneegebirge  vollendet  den  zauberhaften  Eindruck, 
den  dieses  Meisterwerk  trotz  aller  Zerstörung  noch  auf  den  Be- 
schauer macht. 

Das  weibliche  Gegenbild  zu  diesem  Johannes,  die  reuige  Magda- 
lena, ist  in  jeder  Hinsicht  eine  Vorläuferin  der  hl.  Agnes  in 
Dresden  von  1641  und  soll  darum  auch  dort  erst  ihre  eigenthche 
Würdigung  finden. 

Die  alte  Büßerin  tritt  uns  in  der  Maria  Ägyptiaca  entgegen, 
dem  weiblichen  Hieronymus  Riberas.  Es  liegt  etwas  durchaus 
vergeistigtes  in  dem  Blick  der  Matrone,  die  in  ihrer  Höhle  auf 
einem  Stein  sitzend  die  Hände  betend  gefaltet  hat  und  die  Augen 
zum  Himmel  erhebt;  das  Haupt  mit  kurzem  grauen  Haar  bedeckt; 
bekleidet  ist  sie  nur  mit  einem,  dunklen  Mantel,  der  Arme,  rechte 
Brust  und  die  Füße  freiläßt. 

Ein  Brustbild,  in  Haltung  diesem  Madrider  sehr  verwandt,  im, 
Museum   von   MontpeUier    776.     (1,31x1,04).      Bez. 
Jusepe  de  Ribera    espanol  F.  1641. 

Das  Gemälde  (Abb.  43)  hat  durch  Restauration  stark  gelitten, 
vor  allem  sind  die  Hände  übel  zugerichtet  worden.  Die  Gesamtauf- 
fassung ist  naturalischer.  Merkwürdig  die  wie  im  Fieber  glänzen- 
den  Augen. 

Ein  ähnliches  Bild,  jedoch  Schulgut  im  Museum  von  Cadiz 
(Nr.   45)- 

In  dem  mehrfach  zitierten  Aufsatz  in  der  Zeitschrift  für  christl. 
Kunst  V.  erwähnt  Justi  eine  ähnliche  naturalistische  Maria  im  Be- 
sitz des  Duca  di  Miranda  in  Neapel.    Bez. 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
F.  1651. 

In  einer  Notiz  beschreibt  sie  der  Gelehrte  wie  folgt :  „Ein 
gealtertes  einst  schönes  Weib ;  magerer  Hals ;  oberer  Brustknochen 


86 

sichtbar;  ihre  großen  stark  hervortretenden  Augen,  der  einzige 
Rest  ihrer  früheren  Schönheit,  nach  oben  gerichtet.  Die  Haare; 
nicht  aufgelöst,  herabgestrichen  und  mit  einem  weißen  Tuch  zu- 
sammengebunden; kurze  Stirn;  ärmliche  Kleider."  Später  zweifelte 
Justi  das  Bild  stark  an  „seiner  Gemeinheit  wegen". 

Etwas  nüchtern  wirkt  die  „hl.  Teresa",  Halbfigur  im  Museum; 
von  Valencia;  schwerlich  Original.  Die  ziemlich  porträtgetreu 
wiedergegebene  Heilige  schreibt  gerade,  von  der  hl.  Taube  in- 
spiriert, ihre  himmlischen  Eingebungen  nieder.  Mit  erhobener  Feder 
blickt  sie  die  Taube  an,  man  merkt,  sie  paßt  scharf  auf!  Diese 
Art  der  Auffassung  gemahnt  mehr  an  einen  Velasquez  als  an 
Ribera. 

B.  DER  FREIE  MEISTER. 

I. 

Mit  der  Concepcion  des  Monterey-Klosters  in  Salamanca  von 
1635  (Abb.  29)  hat  sich  endlich  der  Meister  gefunden.  Ein  heller 
Jubel  klingt  aus  dem  Bild,  die  Freude  über  den  Sieg  des  Lichtes,  der 
Farbe.  Und  diese  glühende,  glänzende  Farbengebung  ist  es,  die 
sich  zuerst  unserer  Bewunderung  aufdrängt  und  alles  andere  bei 
dieser  Concepcion  aller  Concepcionen  im  Anfang  vollkommen  in 
den  Hintergrund  schiebt. 

Ein  mächtiges  Rauschen  geht  durch  das  Werk,  der  ganze 
Himmel  ist  in  Bewegung.  Nur  die  Jungfrau  selbst  ist  ruhig.  Wie 
sie  fromm  die  schmalfingrigen  Hände  über  der  Brust  kreuzt  und 
ganz  leise,  kindhch  gläubig  lächelnd  vertrauensvoll  die  großen 
Augen  erhebt,  das  alles  läßt  den  Beschauer  in  die  Worte  aus- 
brechen: Ja,  dies  ist  die  Immaculata,  die  reine,  selige,  tiefbeglückte 
Himmelsbraut!  Fern,  ist  jeder  Gedanke,  daß  diese  Jungfrau  der 
Erde  entstamme;  sie  erscheint  ganz  mit  ihrem  königlichen  An- 
stand als  eine  Märchenprinzessin,  oder  richtiger  gesagt,  als  die 
wahre  Himmelskönigin. 

Zu  dem  Eindruck  des  Majestätischen  trägt  nicht  wenig  der 
wie  ein  Segel  vom  Wind  geblähte  Mantel  bei,  der  eine  Silhouette 
von  seltener  Größe  abgibt.  Ja,  davon  lebt  eigentlich  die  ganze 
Gestalt!     Hier  kommt  der  Barocco  vollkommen  zum  Durchbruch: 


Tafel  XXI 


Abb.  29     LA  CONCEPCION     Salamanca     Agostinas  recoletas 


87 

Man  denke  sich  einmal  den  Mantel  weg  und  man  wird  eine  über- 
mäßig lange  Gestalt  ä  la  Greco  erhalten,  wird  bemerken,  daß  wie 
bei  Greco  die  unteren  Extremitäten  im  Vergleich  zum  Oberkörper 
zu  lang  sind.  So  aber  wäre  es  geradezu  verfehlt,  die  Proportionen 
anders  zu  nehmen;  der  weit  nach  rechts  ausgebauschte  Mantel 
stellt  jede  künstlerische  Harmonie  wieder  her. 

Nicht  zu  vergessen  auch  die  feindurchdachte  Anordnung  des 
Lockenhaares,  das  in  zwei  Strömen  nach  rechts  und  links  her- 
niederfließend, die  Mantelsilhouette  überaus  glücklich  ergänzt. 

Wenn  auch  das  eigentlich  Körperhche  bei  Maria  etwas  ge- 
dämpft ist,  so  konnte  sich  Ribera  doch  nicht  dazu  entschließen, 
dem  alten  Brauch  der  Concepciondarstellung  gemäß  auf  das  Kör- 
perliche so  gut  wie  ganz  zu  verzichten;  so  ist  es  denn  eine  Neue- 
rung des  Meisters,  daß  er  uns  die  Füße  der  Jungfrau  sehen  läßt, 
die  über  der  nach  oben  geöffneten  Mondsichel  schweben. 

Die  blondhaarige  Königin  ist  in  ein  silberschimmerndes  Atlas- 
gewand gehüllt,  darüber  trägt  sie  einen  blauen  Mantel,  der  oben 
zugeknöpft  ist.  Um  ihr  Haupt  ein  schmaler,  in  ganz  feine  Strahlen 
auslaufender  Glorienschein.  Über  ihr  ein  schwebendes  Diadem: 
ein  Reif  von  zwölf  goldenen  Sternen. 

Darüber  erscheint  in  einer  großen,  goldbraun  schimmernden 
Engelswolke  die  hl.  Taube  und  über  dieser  wiederum  aus  der 
Tiefe  heranbrausend  in  fast  horizontaler  Lage  Gott  Vater,  ein 
milder  Greis  mit  leuchtenden  Augen  und  langem  weißen  Bart, 
hoch  über  sein  Haupt  die  Rechte  reckend,  Maria  zur  Gottesmutter 
und  Herrscherin  des  Himmels  weihend.  Auch  er  in  lichte  Farben 
gekleidet :  sein  Rock  hellgrau,  der  Mantel  hellrot. 

Vorzüglich  die  Engelswolke,  die  sich  weit,  weit  ins  Bild  hinein 
mit  den  vielen  Engelsköpfchen  zu  verlieren  scheint :  die  Unend- 
lichkeit des  Himmels. 

Und  wie  die  obere,  so  auch  die  untere  Wolke;  ein  großer 
Ring  von  Engeln,  über  dessen  Mitte  Maria  schwebt.  Hier  herrscht 
nun  bunteste  Mannigfaltigkeit.  Große  und  kleine  Engel,  beklei- 
dete und  nackte,  anbetende  in  stiller  Verehrung  wie  der  vom 
rechts  —  in  blau  mit  rotem  Mantel  — ,  oder  in  Begeisterung  wie 
der  große   in    dunkelgelb   gekleidete,   goldlockige   links.     Ganz   in 


dessen  Nähe  ein  wunderschönes  kleines  Engelchen,  die  Hände  fal- 
tend und  mit  frommem  echtem  KinderbHck  zur  Madonna  empor- 
schauend; ein  etwas  größerer  ganz  im  Vordergrund,  gedankenlos 
die  Bewegung  des  Händefaltens  nachmachend,  dann  wieder  zwei 
Putti,  die  sich  kosend  umarmen;  kurz,  ein  unerschöpflicher  Reich- 
tum von  Gestalten  und  Motiven.  Dazu  die  Engel  mit  den  Symbolen 
der  Concepcio  Immaculata.  Wie  meisterhaft  ist  das  dem  Ganzen 
eingefügt,  ohne  jede  aufdringliche  Weisheit.  Wie  die  Kleinen, 
stolz  den  Spiegel  halten,  ein  größerer  links  den  Zweig  mit  Rosen 
und  Lilien  hochhebt,  dies  alles  ist  von  der  größten  Ungezwungenheit. 

Höchst  interessant  der  Engel  rechts,  der  mit  seiner  Linken 
einen  Rosenzweig  hochhebt  und  dabei  sich  umwendend  zu  einem 
Gespielen  niederblickt :   eine  huldigende  Erinnerimg  an  Corregio. 

Mit  feinster  künstlerischer  Diskretion  der  Tempel  in  den  Lüften 
rechts  angedeutet. 

Über  die  Erde  ist  ein  Dämmerlicht  gebreitet.  Sonst  ist  alles 
hell,  leuchtend.  Wie  die  Englein  jubilieren,  so  jauchzt  auch  das 
Licht,  die  Farbe. 

In  der  Karnation  ist  der  schwer  röthche  Ton  ganz  verschwun- 
den. Die  Engel  zeigen,  vor  allem  in  den  Konturen,  ein  helles, 
durchscheinendes  Rot. 

Mag  man  Murillo  immer  den  Maler  der  Concepcionen  nennen, 
Ribera  ist  der  Maler  der  Concepcion  schlechtweg.  Es  ist  keines- 
wegs übertrieben,  wenn  man  sagt :  Keine  Murillosche  Concepcion 
reicht  an  diese  heran,  die  in  wahrhaft  klassischer  Weise  das  Thema 
erschöpft  und  die  gewünschte  Stimmung  auslöst,  ohne  auch  nur 
einen  Augenblick  weichhch  zu  werden.  Auch  der  Engelmaler 
Murillo  hat  keine  herrlicheren  Kinder  auf  die  Leinwand  gezaubert 
als  hier  Ribera. 

Bezeichnet  ist  das  Werk,  eine  Stiftung  des  Vizekönigs  Graf 
von  Monterey, 

Jusepre  de  Ribera 

espafiol  Valenciano 

F.  1635. 

Die  Figuren  überlebensgroß.  Das  Bild  ziert  noch  heute  als 
Mittelstück  den  Hochaltar  der  Kirche  des  Klosters  der  Agustinas 


recoletas  (errichtet   1598 — 1636),  nach  seinem  Erbauer  auch  Mon- 
tereykloster  genannt. 

Unbegreiflich  erscheint  es  nach  diesem  Gemälde,  wie  man 
Ribera  die  Concepcion  im  Prado  (984,  h.  2,20  br.  1,60)  zuweisen 
konnte;  ein  krudes  Bild,  das  schon  mit  der  furchtbar  harten,  hoch- 
gezogenen Halskontur,  der  halb  weinerlichen  Miene  der  Madonna 
und  der  rötlichen  Färbung  einen  erkältenden  Eindruck  macht. 
Dazu  ist  noch  der  untere  Teil  der  Gewandung  mit  den  Füßen  auf 
der  Mondsichel  wie  die  Arme  buchstäblich  von  der  Concepcion 
in  Salamanca  abgeschrieben,  ebenso  die  Anordnung  des  Mantels 
links  oben,  während  die  grandiose  Entfaltung  nach  rechts  hier 
stark  eingeschränkt  ist.  Schließlich  noch  die  platte  Engelskulisse 
rechts  und  links,  die  harten  Konturen  der  Engelsköpfe.  Kurzum, 
es  ist  das  Werk  eines  mittelmäßigen  spanischen  Ribera -Verehrers. 

Wohl  Kopie  nach  einem  Riberaschen  Bild,  vielleicht  auch  eine 
Nachahmung,  die  Concepcion  in  der  Galerie  Harrach  in  Wien  (350), 
bezeichnet 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 

1637, 
für  Ribera  viel   zu   hart   und  flüchtig,   ohne  inneres   Leben,   auch 
von  Verzeichnungen  nicht  frei. 

Im  Auftrag  des  Grafen  Monterey  hat  Ribera  noch  eine  Anzahl 
anderer  Gemälde  für  die  Kirche  des  Montereyklosters  in  Sala- 
manca geschaffen,  die  alle  um  das  Jahr  1635  entstanden  sind. 
(Der  Graf  war  von  1631  — 1636  Vizekönig  von  Neapel.)  Eine  ge- 
nauere Datierung  ist  ausgeschlossen,  da  diese  Bilder  wie  keine 
anderen  durch  übelste  „Restauration"  fast  gänzlich  ungenießbar 
geworden  sind.  Oft  kann  man  Riberas  Hand  überhaupt  nur  noch 
ahnen.  Verschwunden  ist  das  Bildnis  des  Grafen  Monterey  und 
das  seiner  Schwester,   Dona  Margarita  Fonseca. 

Das  früheste  Gemälde  scheint  die  ^,Geburt  Christi"  zu  sein 
(linkes  Querschiff),  künstlerisch  heute  so  gut  wie  verloren.  Etwas 
besser  erhalten  die  „Madonna  mit  dem  hl.  Antonius  und  Augustin" 
(rechtes  Quexschiff).  Die  Madonna  (mit  dem  Rosenkranz)  selbst 
ist  von  großer  Schönheit;  das  Kind  segnend,  die  Lilie  dem  jungen 


90 

Antonius  reichend.  Auch  die  Engel  zeichnen  sich  durch  hohe 
Anmut  aus. 

Mit  am  spätesten  von  diesen  Bildern^)  ist  wohl  „Der  hl.  Janua- 
rius"  gemalt  (auf  der  Epistelseite  des  Langhauses).  Seine  Ent- 
stehung verdankt  dieses  Bild  vielleicht  dem  großen  Vesuvausbruch 
von  1631.  (Die  ersten  Eruptionen  begannen  am  16.  Dezember.) 
Der  Vizekönig  war  damals  überall  zur  Stelle,  vornehmlich  aber 
beteiligte  er  sich  stets  bei  den  Bittprozessionen  mit  dem  Blut  des 
hl.  Januarius,  wie  aus  Briefen  des  Jesuitenpaters  Ascanio  Capell 
und  von  ,Giov.   Batt.   Manzo,   marchese  di   Villa,   hervorgeht. 2) 

Der  Heilige  ist  dargestellt,  wie  er  auf  einer  Engelswolke  über 
Neapel  zum  Himmel  emporschwebt. 

Den  Körper  nach  rechts  gerichtet,  wendet  er  uns  sein  jugend- 
liches, mit  der  Mitra  gekröntes  Haupt  zu,  die  Augen  gen  Himmel, 
die  Linke  auf  der  Brust,  die  Rechte  nach  oben  weisend.  Sein 
braunroter  Mantel,  der  eine  machtvolle  Silhouette  abgibt,  ist  sehr 
breit  behandelt.  Ein  Englein  links  trägt  auf  einem  Buch  die  beiden 
Fläschchen  mit  dem  wundertätigen  Blut.  Oben  eine  Engelsgloriole, 
unten  der  Blick  auf  den  Neapolitaner  Golf,  vom  Posilipp  aus  ge- 
sehen, sehr  klar  wiedergegeben. 

Trotz  aller  Restaurationen  spürt  man  doch  noch  die  feine  Ab- 
tönung der  Farben  durch.  Ein  matter  Silberton  liegt  über  dem 
Ganzen. 

(Der  gleiche  Vorwurf  auch  von  Vacarro  behandelt,  Prado  515, 
jedoch  in  der  Farbe  imd  namentlich  im  Ausdruck  hinter  Ribera 
zurückbleibend.) 

Ob  der  „Hl.  Augustin"  (linkes  Querschiff)  ein  eigenhändiges 
Werk  des  Meisters  ist,  läßt  sich  bei  dem  heutigen  Zustand  des 
Bildes  nicht  mehr  genau  feststellen.  Es  macht  sich  ein  Streben 
nach  Monumentalität   bei  diesem  Heiligen  bemerkbar. 

In  diese  Zeit  gehört  auch  der  hl.  Augustin  Prado  992  (h.  2,03, 
br.  1,50).  Der  schwarzbärtige  Heilige  kniet  im  Gebet  nach  rechts 
gewandt  in  seiner  schlichten  Zelle.     Er  trägt  die  schwarze  Kutte 

^)  „Die  Pietä"  am  Gipfel  des  Retablo  ist  bei  den  anderen  Pietabildern  dieser 
Periode  behandelt.  -)  Mitgeteilt  von  L.  Riccio,  Nuovi  documenti  sull'  incendio  Vesuviano 
deir  anno   1631,   (Arch.  Stör,  per  le  prov.  Nap.  XIV.  48917.). 


91 

seines  Ordens.  Überrascht  von  dem  himmlischen  Lichtschein,  der 
die  Zelle  hell  aufleuchten  läßt,  hat  Augustin  den  Kopf  umgedreht 
und  blickt  empor. 

Vielleicht  ist  dies  Madrider  Gemälde  nur  eine  gute  alte  Schul- 
wiederholung.i) 

In  der  „Messe  des  hl.  Gregor",  die  das  Museum  von  Amiens 
besitzt,  hat   für   den   hl.   Gregor  das  gleiche  Modell   wie  für  den 
AugTOstin  gedient.     Bezeichnet  ist  das  Bild  an  der  Altarstufe 
Joseph  de  Ribera 
Napoles  1634. 

Gonse  sagt  von  dem  Gemälde^) :  „Les  tons  fauves  jaunes  et 
bruns  d'une  ampleur  de  styl  et  d'une  verit^  de  dessin  d'expression 
vraiment   extraordinaires". 

Eine  andere  Wunderszene  in  der  Mönchsbehausung  zeigt  uns 
das  Bild  „Das  Christusknäblein  erscheint  dem  hl.  Antonius"  in 
der  Ac.  S.  Fernando  zu  Madrid  (h.  2,14,  br.  1,79  Abb.  26),  bez. 
auf  dem  Tisch 

Jusepe  de  Ribera 
F.   1636»). 

Zusammen  mit  diesem  Bild  sei  hier  die  Variante  von  1640 
im  Escorial   behandelt. 

Nicht  den  glückstrahlenden  Antonius,  der  das  rosige  Kind 
in  seinen  Armen  hält,  wie  Murillo  ihn  verewigt  hat,  will  uns  der 
Meister  zeigen.  Er  gestaltet  das  Ganze  erhabener,  dramatischer. 
Der  himmlische  Knabe  hat  sich  nur  für  einen  Augenblick  herab- 
gesenkt und  ist  schon  wieder  im  Begriff,  dem  jungen  Anbeter,  der 
in  Verlangen  und  Entzücken  die  Arme  ausgebreitet  hat,  wieder  zu 
entschweben. 

Zu  einer  körperiichen  Berührung  wie  bei  Murillo  kommt  es 
gar  nicht.     Es  ist  eine  Vision  des  verzückten  Heiligen. 

Auf  dem  Escorialbild  bhckt  Antonius  überhaupt  nicht  pach 
dem  jungen  Christus,  sondern  nach  aufwärts,  er  sieht  nach  dem, 

^)  In  der  zerstörten  Kirche  S.  Felipe  el  Real  in  Madrid  soll  sich  nach  Jaldero  ein 
Augustin  von  Riberas  Hand  befunden  haben.  '')  L.  Gonse,  Les  musees  de  France,  1617, 
daselbst  auch  Abbildung  (1654  bei  Gonse  natürlich  ein  Druckfehler).  ")  Die  letzte  Zahl 
nicht  ganz  deutlich. 


92 

was  ihm  der  Bambino  zeigt.  Das  Ganze  hier  nach  links.  Die 
Diagonalbewegung  in  den  Figuren  wird  glücklich  unterstützt  durch 
die  gleichfalls  schräg,  parallel  zur  Hauptbewegung  verlaufende 
Schattengrenze  an  der  Wand.  Das  Bild  ist  sonst  im  ganzen  schlich- 
ter als  das  Madrider.  Bei  dem  Kind  erblickt  man  nur  drei  Engels- 
köpfe. Antonius  erscheint  hier  noch  leidenschaftlicher.  Das  Christ- 
kind hat  sich  in  einem  Strom  von  Licht  herabgesenkt,  das  nun 
mächtig  durch  die  schlichte  Zelle  flutet.  Die  Mauer  der  Zelle 
zeigt  einen  feingrauen   Ton. 

Das  Ganze  besitzt  einen  großzügigen,  monumentalen  Charakter. 
Von  dem  Akademiebild  gute  Kopie  in  Neapel  (Chiesa  S.  Ferdi- 
nande, früher  Francesco  Xaverio,  für  die  das  Bild  bestimmt  war)^), 
eine  weniger  gute  im  Prado  1013  und  in  der  Kathedrale  von  Gra- 
nada (Altar  Jesus  Nazareno). 


Am  stärksten  kommt  Riberas  Streben  nach  Monumentalität 
zum  Ausdruck  in  den  Bildern  „Paulus"  und  „Petrus"  in  Vitoria  und 
in  den  alttestamentarischen  Gestalten  in  den  Zwickeln  der  Kirche 
von  S.  Martino. 

Petrus  und  Paulus,  früher  in  der  Kirche  S.  Domingo  in  Vito- 
ria"), jetzt  in  der  Disputacion  provincial.     Beide  bezeichnet  *) 
Jusepe  de  Ribera  espanol 
Valenciano  F.    1637. 

Paulus  mit  prachtvollem  schwarzbärtigem,  schwarzgelocktem 
Kopf  hält  in  der  Rechten  einen  mächtigen  Zweihänder  mit  der 
Spitze  nach  unten,  in  seiner  herabhängenden  Linken  ein  Buch. 
Nach  links  gewandt  hat  er  den  Kopf  nach  dem  Beschauer  gedreht. 
Beide  Arme  vollkommen  von  dem  roten  Mantel  verdeckt.  Leider 
versagt  hier  ausnahmsweise   der  Formenkenner  Ribera,  es  gelang 

')  Unmöglich  erscheint  der  Entstehungszeit  wegen,  daß,  wie  Dominici  1 1 7  behauptet, 
der  Beichtvater  Osunas,  dem  Ribera  den  Auftrag  für  Gesü  verdankte,  auch  diesen  Auf- 
trag veranlaßt  habe.  -)  Dort  sah  sie  in  der  Capeila  del  Noviziato  D.  Antonio  Conca. 
Descrizione  Odeporica  della  Spagna  I.  12.  '')  Bermudez  kennt  nur  die  Signierung  bei 
Petras. 


93 

ihm  nicht,  die  Arme  unter  dem  Mantel  deuthch  fühlbar  zu  machen. 
Der  Mantel  selbst,  der  auf  dem  Boden  leicht  nachschleift,  ist  meister- 
haft drapiert. 

Petrus  tritt  im  ganzen  hinter  Paulus  zurück,  ist  jedoch  sorg- 
fältiger modelliert.  Graubärtig,  nach  rechts  gewendet,  Kopf  in 
Dreiviertelansicht,  scharfblickende  Augen.  Er  trägt  ein  blaugraues 
Gewand.  Seine  Rechte  greift  in  die  Falten  des  braungelben  Man- 
tels, der  auch  hier  äußerst  wirkungsvoll  drapiert  ist,  rechten  Arm 
und  Brust  ganz  frei  läßt.  In  der  Rechten  hält  er  die  beiden  Schlüssel. 

Wie  Paulus  ist  auch  er  neben  einen  einfachen,  grauen  Sockel 
gestellt.     In  der  Ferne  ein  Gebirge  angedeutet. 

Die  bedeutendste  Leistung  Riberas  auf  diesem  Gebiet  sind 
jedoch  die  12  „Propheten",  Moses  und  Elias  in  der  Kirche  von 
S.  Martine  über  Neapel.  Alle  früheren  Apostel-  und  Philosophen- 
bilder scheinen  fast  nur  Vorstudien  zu  diesem  Werk. 

Die  Karthäuserkirche  ist  von  Fansanga  gebaut;  ein  Schiff  mit 
je  3  Kapellen;  zwischen  den  Arkaden  eine  Pilasterordnung.  Die 
Propheten  füllen  die  Zwickel  der  Arkaden  über  den  Kapellen- 
eingängen. Der  Name  „Propheten"  paßt  eigentlich  nicht  recht 
für  die  Gestalten,  denn  wir  erblicken  auch  den  alten  Noah  in 
ihrer  Mitte,  die  Arche  in  der  Hand,  die  Taube  mit  Ölzweig  zu 
seinen  Füßen.  Wichtig  ist  diese  Figur  vor  allem  deswegen,  weil 
sich  bei  ihm  die  Signierung  findet : 

Jusepe  de 

Ribera  es 

pafiol  F 

1638. 

Über  die  Entstehung  dieser  Signatur  bei  Dominicii)  folgende 
Anekdote :  Der  rechte  Arm  des  Noah  sei  zu  lang  geraten  —  was 
in  der  Tat  richtig  ist  —  j,ma  per  sostenere  che  il  braccio  stava 
bene  dipinse  a  piedi  di  quel  Profeta  la  sua  impresa  quasi  per 
gloriarsi  quella  essere  opera  di  sua  mano". 

Es  sind  jedoch  nicht  alle  Propheten  im  Jahre  1638  entstanden, 
wie  die  von  Faraglia  mitgeteilten  Dokumente  beweisen.^)    Die  Voll- 

*)  Dom.  125.  '')  Faraglia,  Notizie  di  alcuni  artisti  che  hanno  lavorato  nella  chiesa 
di  S.   Martine  sopra  Napoli.     (Arch.  stör,  per  le  prov.  Nap.  XVII.     S.  670).      I.  A  primo 


94 

endung  zog  sich  bis  1643  hin.  Einzuschließen  sind  dabei  die  Halb- 
figuren von  Moses  und  Elias  über  den  Nischen  an  der  Eingangs- 
wand der  Kirche. 

Vollkommen  haltlos  ist  durch  das  Bekanntwerden  der  Doku- 
mente die  an  und  für  sich  schon  unglaubliche  Behauptung  Raffaelq 
Liberatores  ^)  geworden,  Moses  und  Elias  seien  Arbeiten  Lucca 
Giordanos.  Unmöglich  dies  schon  deshalb,  weil  Giordano  ja  erst 
1632  geboren  ist. 

Es  ist  selbstverständlich,  daß  bei  den  beiden  Figuren  in  jedem 
Bogen  mit  starken  Kontrasten  gearbeitet  ist.  Die  eine  ruhig:  Ein 
Alter,  der  auf  ein  geschlossenes  Buch  deutet,  das  er  auf  den  Knien 
hält;  ein  anderer,  ganz  in  die  Lektüre  vertieft,  liest  mit  dem 
Finger  nach,  um  ja  kein  Wort  zu  verlieren;  ein  Kahlkopf,  mehr 
sinnend  bei  dem  Studium  der  heiligen  Schriften:  il  Fenseroso. 
Er  stützt  das  Kinn  auf  seine  Rechte. 

Auf  der  anderen  Seite  wieder  die  lebhafteste,  momentanste 
Bewegung.  Der  sogenannte  Amos,  der  eben  von  einem  hohen 
Gedanken  erleuchtet  sich  rasch  vorbeugt,  um  die  Feder  ins  Tinten- 
faß einzutauchen,  während  er  in  der  Linken  das  weiße  Perga- 
ment zum  Schreiben  bereit  hält.  Oder  der  leidenschaftlich  be- 
wegte Haggai,  der,  wie  von  einer  plötzlichen  Erscheinung,  einem 
himmlischen  Ruf  getroffen  sich  umwendet,  mit  kühn  übergreifender 
Rechten,  die  nach  einem  Buche  langt. 

Alles  ernste  Männer,  Leute  aus  dem  Volk,  keine  „schönen" 
Köpfe,  aber  durchgeistigt.    Mächtige  Gestalten  in  einfachster  Klei- 

di  Febbraio  1638  al  suddetto  inconto  delli  profeli  che  sta  facendo  per  la  nostra 
chiesa  duc.  100.  2.  II  suddetto  signor  Ribera  ha  consignato  li  ducedi  Profeti  posti  sopra 
l'Archi  delle  capelle  quäle  se  li  pagano  ducati  80  conforme  haveva  stabilito  il  V.  P. 
Pisante  all'hora  Priore  duc.  960.  Per  li  due  Profeti  Moyse  et  Elia  posti  sopra  li  nicchi 
alli  lati  dcUa  Porta  duc.  50.  l'uno  per  esserno  mezze  figure  duc.  100.  3.  Dal  primo 
de  Febbraio  1638  per  tutto  li  3  di  settembre  1643  ^^  ricevuto  detto  Ribera  dal 
P.  Isidoro-d'.Mlegria  all'hora  Priore  ducati  1365  et  haveva  consignato  al  monasterio 
li  12  Profeti  che  stanno  sopra  le  capelle  e  li  due  Moise  et  Elia  etc.  4.  Ha  consignato 
detto  Ribera  12  Profeti  posta  sopra  le  Capelle  della  nostra  Chiesa,  quali  si  pagano  con- 
forme l'accordo  fatto  col  V.  P.  Pisante  a  ragione  di  ducati  80  l'uno  per  non  esserno 
figure  intere  et  alquanto  piü  grande  dell'  ordinario  che  Importano  ducati  960.  le  due 
mezze  figure  di  Moise  et  Elia  duc.  100.  *)  R.  Liberatore:  Le  migliore  Pitture  della 
Certosa  di  Napoli   1840.     S.   20  und   25. 


95 

düng,  die  häufig  die  sehnigen  Arme  oder  einen  Teil  des  Ober- 
körpers frei  läßt.  Die  Stellung  bei  jedem  neu,  niemals  ermüdet 
das  Auge. 

Mit  größter  Liebe  sind  Hände  und  Füße  behandelt ;  namentlich 
die  Füße,  die  in  jeder  Ansicht  wiedergegeben  sind:  von  vom, 
von  hinten,  von  der  Seite,  von  oben  und  von  der  Sohle  gesehen; 
überall  gleich  vollendet. 

Das  Kolorit  sehr  tief.  Der  Grund  ganz  dunkel.  Die  Figuren 
sollen  rücht  übermäßig  stark  ins  Auge  fallen,  nur  den  Platz,  der 
ihnen  angewiesen  ist,  würdig  ausfüllen.  Dies  verstanden  natür- 
lich die  meisten  Neapolitaner  nicht,  denen  diese  schlichten  Leute 
inmitten  des  blendenden  Glanzes  der  reichen  Kirche  zu  düster 
erschienen.  Daher  auch  das  von  Dominici  den  Gegnern  Riberas, 
vor  allem  Stanzioni  in  den  Mund  gelegte  Urteil  „che  apparivano 
piü  tosto  dipinti  nelle  grotte,  che  ne'  luoghi  sacri  o  nella  cittä,  e 
che  insomme  erano  troppo  oscuri". 

Das  Problem  der  Einordnung  in  den  Raum  ist  hier  in  ebenso 
vollkommener  wie  vornehmer  Weise  gelöst.  Es  sind  diese  „Profeti" 
die  bedeutendsten  Zwickelfüllungen  des  Barock.  Zu  welchen  Aus- 
artungen es  gerade  in  dieser  Gattung  im  Barocco  gekommen  ist, 
weiß  man  ja  nur  zu  gut.  Hier  aber  ist  alles  nicht  nur  maßvoll; 
sondern  auch  würdig.  Die  Gestalten  sprengen  nicht  wie  sonst 
den  Raum,  sie  drängen  nicht  nach  außen,  sondern  sitzen  hinter 
den  Bogen.  Dort  drinnen  spielt  sich  ihr  Leben  ab.  Und  trotzdem 
oder  vielleicht  gerade  deshalb  ist  es  dem  Künstler  gelungen,  den 
Raum,  den  die  Gestalten  ausfallen,  doch  größer  erscheinen  zu  lassen. 

Dieser  Würdigkeit  wegen  spricht  sich  auch  Burckhardt^)  an- 
erkennend über  das  Werk  aus. 

Schon  vor  Spinnazolas  begeisterter  Beschreibung^)  hat  der  Abb^ 
de  St.  Non  diesen  Gemälden  höchstes  Lob  gespendet,  zu  einer 
Zeit,  wo  man  sich  blutwenig  um  den  Spanier  kümmerte^). 

„Malgr^  la  difficult^  extreme,  qu'il  y  avoit  de  renfermer  des 
figures  entieres  dans  des  formes  aussi  resserrees  et  aussi  ingrates, 

')  Cicerone.  II.  3,  346.  ^)  Nap.  Nob.  XI.  162  und  „L'arte  ed  il  Seicento  in  Napoli" 
S.  ig,  20.  ')  Voyage  pittoresque  ou  description  des  royaumes  de  Naples  et  Sicile.  Paris 
1781.     I.   112. 


96 

l'artiste  semble  avoir  sgu  tirer  de  cette  necessit^  meme  et  de  la 
contrainte  oü  il  6toit,  une  variete  de  caractferes  et  d'attitudes  ab- 
solument  diff^rentes  dans  chacun  de  se  sujets . . .  L'expression 
surtout  et  les  coloris  en  sont  admirables." 

Zu  diesen  12  Propheten  i)  gehören  noch  die  beiden  bereits 
erwähnten  Halbfiguren  des  Moses  und  EHas.  GewaUige  GestaUen 
von  großem  Wurf,  in  denen  ein  leises  Streben  nach  Idealisierung 
durchschimmert,  namentlich  bei  Moses.  Dieser,  weißbärtig,  auf 
die  Gesetzestafeln  deutend,  bildet  in  der  Ruhe  und  Abgeklärtheit 
des  Greises  einen  starken  Gegensatz  zu  dem  etwas  finster  blickenden 
schwarzbärtigen  Elias,  dem  fanatischen  Gottesstreiter,  dem  Ver- 
nichter der  Baalspfaffen.  Man  glaubt,  daß  auch  in  seinem  Inne- 
ren ein  ähnliches  Feuer  lodere  wie  das,  welches  auf  seiner  aus- 
gestreckten Rechten  brennt. 

Schon  Justi  bemerkte,  daß  der  Elias  im  Ausdruck  etwas  mit 
dem  Rochus  von  1631  verwandt  sei;  jedoch  ist  die  Neapolitaner 
Gestalt  viel  monumentaler. 

3- 

Auf  ein  ganz  anderes  Gebiet  führt  uns  die  „Segnung  Jacobs 
durch  den  blinden  Isaak"  aus  dem  Jahre  der  Apostelbilder  in 
Vitoria.  Das  Gemälde  befindet  sich  im  Prado")  (938,  h.  1,29, 
br.   2,89  Abb.   30),  bez.   rechts  unten 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
F.  Ano     1637. 

Eine  alte  Kopie  bei  Graf  Czernin  in  Wien. 

Der  Künstler  zeigt  hier  ebensosehr  seine  Meisterschaft  der 
Zeichnung,  des  Kolorits  und  der  Stillebenmalerei,  wie  eine  überaus 
anziehende  Erzählungskunst  und  feinstes  psychologisches  Ver- 
ständnis. 

Der  erblindete,  weißbärtige  würdige  Greis  hat  sich  im  Bett 
aufgerichtet  und  streicht  mit  den  Fingern  über  das  Fell,  das  Jacobs 
rechten  Arm  bedeckt.     Ein  Lächeln,   unendlich   rührend,   entsteht 

')  Abbildungen  in  dem  zitierten  Werk  Liberatores  und  bei  Abbe  de  Saint-Non 
„Recueil  de  griffonis"  Paris.  *)  Aus  der  Sammlung  Carls  lll.  Pal.  Nuevo;  cf.  Conca, 
Descrizione  odeporica  I,   137. 


97 

in  des  Patriarchen  Gesicht :  Die  Freude  des  Erkennens.  Ungemein 
lebendig,  wie  die  Hände  des  Vaters  fühlen  und  tasten,  wie  die 
Finger  in  dem  weichen  Fell  geradezu  einsinken;  wie  Isaak  mit 
der  Rechten  das  Fell  faßt  und  mit  der  Linken  den  Arm  hinauf- 
streicht, diese  Wiedergabe  der  Bewegung  ist  in  der  Kunst  nur 
noch  einmal  erreicht :  in  der  Anna  Boleyn  Holbeins,  die  sich  wohlig 
die  Hände  zu  streichen  scheint. 

Der  junge  Jacob,  im  Profil,  etwas  schüchtern  ziemlich  weitab 
vom  Vater  stehend,  blickt  gespannt  zu  diesem  hin.  Er  wartet 
augenscheinlich  mit  dem  Nähertreten,  bis  er  sich  ganz  sicher  fühlen 
darf.  Nun,  da  ihn  der  Vater  zu  erkennen  glaubt,  wird  er  nicht 
zögern,  vor  ihm  niederzuknien,  um  den  heißerwünschten  Segen 
auf  sein  Haupt  kommen  zu  lassen.  Lange  dunkle  Locken  fließen 
über  seine  Schultern.     In  seiner  Linken  hält  er  eine  grüne  Mütze. 

Er  trägt  einen  einfachen  blauen,  hellbraun  gefütterten  Kittel, 
während  der  Vater  mit  einem  dunkelgrünen,  ganz  kurzärmeligen 
Rock  bekleidet  ist. 

Die  Mutter  steht  hinter  ihrem  Lieblingssohn  und  sucht  ihn 
zu  ermutigen.  Sie  streicht  mit  der  Rechten  seinen  Rücken,  halb 
vorwärtsdrängend,  halb  liebkosend.  Auch  sie  ist  aufs  höchste  ge- 
spannt. Sie  lauscht,  was  der  Gatte  nun  sprechen  wird;  dabei  hat 
sie,  um  ja  keinen  Laut  zu  verlieren,  den  Kopf  gewendet,  ein  höchst 
natürlicher  Zug,  und  in  der  Erwartung  macht  sie  mit  der  Linken 
—  der  gehobene  Zeigefinger  —  eine  Geste  der  Spannung  und  Auf- 
merksamkeit, die  ganz  der  Handbewegung  des  musiklauschenden 
Jünglings  aus  Pompei,  des  sogen.  Narciß,  gleicht.  Auch  in  der 
Miene  der  alten  Rebecka  ist  das  Gespannte  sehr  deutlich  zum 
Ausdruck  gebracht.  Die  Mutter  erscheint  als  Matrone  mit  großen, 
glänzenden,  klugen  Augen,  feinem,  recht  energischen  Mund.  Etwas 
wie  Gram  läßt  sich  aber  doch  aus  den  Zügen  des  welkenden  Ge- 
sichtes herauslesen.  Sie  trägt  ein  schlichtes  schwarzes  Kleid,  weißen 
Kragen  und  weiße  Haube. 

Links  erblicken  wir  durch  eine  Tür,  die  ins  Freie  hinausführt, 
den  jungen  Esau,  der,  in  einen  braunen  Kittel  gekleidet,  das  Wild- 
bret an  einem  Spieß   über  der  Schulter  herbeibringt. 

Das  Mahl,  das  Jacob  dem  Vater  bereitet  hat,  ist  auf  einem 

Mayer,   Jusepe  de  Ribera  (La  Spagooletto).  n 


Tisch  rechts  aufgetragen.  Ein  prachtvolles  Stilleben:  Braten  mit 
einer  halben  Zitrone,  Brot  und  eine  Flasche  Chianti. 

Die  glühendsten  Töne  im  Bild  geben  die  purpurne  Draperie 
des  Himmelbettes  und  die  in  etwas  hellerem  Rot  funkelndey 
braun  gefütterte  seidene  Bettdecke.  Sehr  fein  durchgeführt  ist 
das  Helldunkel  in  Jacobs  Gesicht. 

Daß  das  Bild  zum  Hochhängen  bestimmt  war,  ist  deutlich  aus 
der  ganzen  Anlage  zu  erkennen,  vor  allem  liegt  der  Augenpunkt 
unterhalb  der  unteren  Bildgrenze. 

Das  Gemälde  gleichen  Inhalts  bei  Harrach-Wien  271  ein  Werk 
Giordanos. 

Im  Besitz  von  Graf  Brühl  befand  sich  ein  ähnliches  Werk, 
gleichfalls  auf  Riberas  Namen  gehend;  wiederum  eine  Nachahmung 
Giordanos  (h.  2  f.  8  p.,  br.  3  f.  8  p.,  Stich  Steph.  Torelli  Pict. 
R.  delin.  Laur.  Zucchi  Sculptor  R.  sculp.  Die  Mutter  hat  hier  die 
Linke  in  eindringlicher  Redegebärde  erhoben  und  faßt  Jacob  mit 
der  Rechten   etc.). 

Es  sei  hier  noch  eines  Bildes  Erwähnung  getan,  das  gleich- 
falls ein  alttestamentarisches  Thema  behandelt,  jedoch  keine 
Schöpfung  Riberas  ist : 

„Hagar  und  Ismael"  im  Palazzo  Doria  Pamphili  in  Rom  (Privat- 
zimmer) h.  3  m,  br.  1,45.  Dieses  keineswegs  wdrkungslose,  sehr 
breit  auf  ganz  grobe  Leinwand  ziemlich  dünn  gemalte  Bild  ist 
vielleicht  ein  Werk  Pietro  Novellis  (gen.  Morealese).  Sicher  eine 
höchst   respektable   Leistung  eines   Schülers   Carravaggios. 

4. 
Neben  dem  blinden  Gambazo  und  dem  erbhndeten  Isaak  malte 
Ribera  noch  einen  hochberühmten  Bhnden:  Homer.  Das  Original- 
gemälde scheint  verloren  zu  sein.  Das  Exemplar  in  Turin  ist  eine 
—  für  Ribera  zu  breit  gemalte  —  gute  Kopie  (Halbfiguren  h.  1,40, 
br.  1,35).  Homer  erscheint  als  der  Rhapsode:  Ein  lorbeergekrönter, 
blinder  Greis,  der  Violine  spielt.  Zu  seiner  rechten  ein  Mann  in 
mittlerem  Alter,  der  an  einem  Tisch  sitzt,  bereit,  die  Gesänge  des 
Dichters  niederzuschreiben.  Eine  Variante  dieses  Bildes  bietet  uns 
das  Gemälde  Le  Valentins  in  Dresden   (715). 


Mit  diesem  „Homer"  sind  wir  zu  den  antiken  Stoffen  gelangt, 
die  den  Künstler  gerade  in  jenen  Jahren  sehr  stark  beschäftigen. 

Von  den  Philosophenbildern  im  allgemeinen  war  schon  im 
vorigen  Abschnitt  die  Rede.  Von  den  späteren  Köpfen  sei  nur 
der  Diogenes  der  Dresdener  Galerie  hier  herausgegriffen  (Nr.  682, 
h.  0,76,  br.  0,61),  bez. 

Jusepe  de  Ribera 
espafiol  F.  1637, 
ein  höchst  bezeichnendes  Bild  für  den  Lichtmaler  Ribera.  Das 
Ganze  auf  einen  hellen,  kühlen,  ziemlich  grauen  Ton  gestimmt. 
Äußerst  charakteristisch,  daß  die  brennende  Laterne  in  der  Hand 
des  Zynikers  zu  keinerlei  Lichteffekten  ä  la  Honthorst  benutzt  ist. 
Darin  ist  der  „Diogenes"  ein  Vorläufer  des  „Januarius"  von  1646. 
Leider  steht  in  dem  Dresdner  Gemälde  der  geistige  Inhalt  nicht 
auf  der  Höhe  des  malerischen.  Auf  dieses  Bild  geht  eine  verlorene 
Nachahmung  Giordanos  zurück,  von  der  eine  Kopie  in  Kassel  (533) 
erhalten  ist. 

Im  Besitz  des  Fürsten  Liechtenstein- Wien  gleichfalls  Diogenes 
aus    dem   Jahre    1637,    bez. 

Joseph   a  Ribera   espan 

F.   1637. 

Über  dieses  Bild  wie  über  das  Exemplar  in  der  Grosvenorgalerie^) 

vermag  ich  kein   Urteil  abzugeben,   da  ich  keines  von  beiden  zu 

Gesicht  bekam. 

Nicht  von  Ribera  ist  das  allegorische  Bild  des  Amsterdamer 
Rijksmuseums  „Die  Eitelkeit",  das  Werk  eines  Nachahmers.  Ein 
ähnliches  Gemälde  soll  sich  im  Besitz  des  Fürsten  Liechtenstein 
befinden. 

Aus  dem  Jahre  1636  stammt  der  merkwürdige  „Kampf  zweier 
weibhchen  Gladiatoren",  Prado  988.  (h.  2,12,  br.  2,35),  bez. 
rechts  unten 

Jusepe   de   Ribera   Valenciano 
F.    1636. 

*)  ..Streng  und  fleißig  in  einem  klaren,  warm  gelblichen  Ton  durchgeführt"  Waagen, 
Kunstwerke  II,    125. 

7* 


Das  Thema  war,  wie  es  scheint,  in  jener  Zeit  beliebt.  Der 
Prado  birgt  in  Nr.  518  ein  Bild  ganz  gleichen  Inhalts  von  der  Hand 
Andrea  Vacarros. 

Das  Erfreulichste  an  dem  Riberaschen  Gemälde  ist  das  leuch- 
tende Kolorit. 

Die  unterliegende  „Amazone"  blutet  am  Hals;  sie  ist  blond, 
trägt  dunklen  Rock,  darüber  ein  hellgrünes  Obergewand  und  blauen 
Mantel,  der  am  Hals  durch  einen  goldenen  Knopf  zusammengehalten 
wird.  Das  Blau  und  das  Hellgrün  von  besonderer  Leuchtkraft. 
Die  Siegerin  brünett  in  dunkelgrünem  Gewand,  orangefarbenen 
Shawl  und  flatterndem  Mantel,  dessen  violette  Färbung  in  allen 
Abstufungen  wiedergegeben  ist.  Die  Bänder  ihrer  Sandalen  blau 
und  goldbraun. 

Einen  starken  Kontrast  zu  den  beiden  wütenden  Weibern  bietet 
der  ganz  ruhig  dastehende  Krieger  —  offenbar  der  Schiedsrichter. 
Im  Hintergrund   eine  Anzahl   Zuschauer. 

Ebenso  glühend  im  Kolorit  ist  die  Marsyasschindung  im  Museo 
Nazionale  zu  Neapel  (h.  1,80,  br.  2,32)  1862  aus  dem  Besitz  von 
D.  Alfonso  marchese  del  Vasto  ins  Museum  gekommen. i)  Bez. 
unten  rechts  auf  einem  Stein 

Jusepe  de  Ribera  espafiol   Valenciano 
F.   1637 

Justi  berichtet  in  seinem  „Velasquez"-)  von  einem  derartigen 
Gemälde,  das  im  XVII.  Jahrhundert  im  Schlaf-  und  Sterbezimmer 
Philipps  IV.  gehangen  hat.  Später  kam  es  in  Besitz  des  Infanten 
D.  Luis  de  Borbon  y  Salamanca  und  wurde  1874  in  Paris  auf  der 
Auktion  Salamanca  für  2000  Fr.  verkauft.  Der  damalige  Katalog 
gab  die  Signatur  als 

Jusepe  da  (!)  Ribera  espagnol  (!) 
F.  1630 
an.    Auch   Justi,    der   der   Auktion    beiwohnte,    las    1630   und   be- 
schreibt das  lichte  Gemälde  als  Parallele  zu  der  „finsteren  Bartholo- 
mäusmarter"   von    1630. 

Dieses  Gemälde  ist  nun  nichts  anderes  als  das  Bild  Nr.  372 
des    Brüsseler    Museums,    das    1899    aus    dem   Besitz    der    Brüder 

^)  Le  Gallerie  Ilaliane  V.   236.     *)  Justi,  Velasquez  I.   272. 


Le  Roy,  die  es  auf  der  Auktion  1874  erworben  hatten,  ins  Museum 
gelangte.  Wie  die  Signatur  auf  dem  Felsblock  rechts  unten  zeigt, 
ist  das  Werk  aber  nicht  1630,  sondern  1637  entstanden:  Jusepe  de 
Ribera   espafiol  F.   iö^J. 

Es  ist  nicht  ohne  Interesse,  daß  sich  Justi  bei  diesem  angeblich 
aus  dem  Jahr  1630  stammenden  Gemälde  an  die  „Klage  der  Venus 
um  Adonis"  in  der  Corsinigalerie  zu  Rom  erinnert  fühlte.  Kein! 
Wunder;  denn  dieses  Werk  ist  gleichfalls  1637  datiert. 

Beide  Gemälde  sind  Arbeiten  Riberas.  Das  Brüsseler  Bild 
ist  nicht  zum  besten  erhalten,  jetzt  nicht  ungeschickt  restauriert, 
aber  zu  stark  gefirnißt.  Vielleicht  sind  bei  der  Fertigstellung  des' 
Brüsseler  Exemplars  Gehilfenhände  beteiligt  gewesen.  In  der  Dar- 
stellung zeigen  sich  zalilreiche  Varianten,  im  Ganzen  steht  das 
Neapolitaner  Bild  höher  als  das  Brüsseler. 

Marsyas  mit  den  Füßen  nach  oben  an  einem  Baumstamm  ge- 
bunden, mit  dem  Rücken  auf  der  Erde  liegend,  die  Linke  an  einem 
Pflock  befestigt,  schreit  aus  Leibeskräften  mit  hochrotem  Gesicht,  die 
Stirn  vor  Schmerz  stark  gerunzelt.  Über  ihm  steht,  in  den  Krüeen, 
etwas  gebeugt,  der  unerbittliche  Sieger,  der  lorbeergekrönte  junge 
Apoll.  Ein  echt  griechischer  Gott  mit  seinem  edlen  goldgelockten; 
Kopf  und  dem  klassischen  Jünglingskörper.  Er  ist  im  Begriff, 
die  Haut  an  dem  einen  Bein  des  Marsyas  herunterzureißen.  In 
N.  blickt  er,  den  Kopf  ziemlich  stark  nach  vom  drehend  zu  Marsyas 
nieder;  in  Br.  ist  seine  Aufmerksamkeit  mehr  auf  die  augenblick- 
liche Arbeit  gerichtet,  der  Kopf  im  Profil,  jedoch  ein  wenig  leer 
im  Ausdruck.  Mächtig  wird  die  Gestalt  des  Gottes  gehoben  durch 
den  weit  nach  links  (in  Br.  in  ^die  Höhe)  flatternden  etwas  ins 
violett  schimmernden  Purpurmantel,  der  nur  Scham  und  Hüften 
des  Gottes,  einem  Lendentuch  ähnlich,  bedeckt.  Ein  blaues  Bänd- 
chen hält  ihn  in  N.  am  Hals  zusammen,  in  Br.  ein  grünes  über 
der  Brust;  in  Br.  flattert  das  Tuch  viel  aufgeregter  im  Wind  als 
in  N.  Das  Neapolitaner  Exemplar  wirkt  überhaupt  ruhiger,  ge- 
schlossener, vor  allem  durch  die  Führung  der  Gesamtsilhouette 
erreicht :  Der  Kopf  des  Marsyas  bildet  den  tiefsten  Punkt,  die  Arme 
gehen  in  leichten  Kurven  in  die  Höhe,  links  schließt  sich  die,  die 
obere  Partie  abrundende  Mantelsilhouette  an.   In  Br.  liegt  der  Kopf 


des  Opfers  lange  nicht  so  tief,  die  Nachbarschaft  mit  Apollos  rechtem 
Bein  wirkt  nicht  besonders  gut.  Der  prachtvolle,  angespannte 
Thorax,  der  in  N.  vorzüglich  durchmodelliert  ist,  kommt  durch  die 
veränderte  Lage  viel  weniger  zur  Geltung.  Apollos  rechter  Arm' 
in  N.  viel  besser  bewegt,  die  Hand  greift  nicht  so  plump  in  die  Haut. 

An  dem  Baumstamm,  der  in  N.  viel  schlichter  wiedergegeben 
ist  als  in  Br.,  hängt  eine  Syrinx.  Links  am  Boden  in  N.  ein 
Cellino,  in  Br.  eine  Art  Viola  d'amour,  jedoch  nur  teilweise  sicht- 
bar. Das  Brüsseler  Exemplar  schneidet  links  früher  ab.  In  Br. 
vorn  am  Boden  eine  Flöte.  Rechts  etwas  in  der  Ferne  sehen  drei 
Gefährte  des  Marsyas  dem  furchtbaren  Schauspiel  zu,  in  N.  mit 
mehr  unmittelbarer  Teilnahme  als  in  Br.,  wo  sie  sich  über  das  Er- 
eignis unterhalten.  Die  Rückenfigur  weniger  im  Geschmack  Riberas 
als  Giordanos. 

Am  blauen  Himmel  gelbe  Wölkchen.  Die  Gestalt  des  jugend- 
lichen Gottes  ist  von  so  hohem  Adel  und  so  sieghafter  Schönheit, 
daß  man  darüber  fast  ganz  das  Gräßhche  des  Vorwurfs  ver- 
gißt, zumal  ja  sehr  geschickt  das  Gesicht  des  Opfers  in  den 
Schatten  gelegt  ist.  Marsyas  erscheint  im  Grund  nur  als  Folie 
für  Apoll.  Über  die  hohen  malerischen  Quahtäten  des  Werkes,  „den 
Silberglanz  der  Haut,  die  grünlichen  Halbtöne,  die  goldenen  Haare 
zu  einer  Harmonie  gestimmt  auf  dem  Grund  des  schimmernden  Pur- 
purmantels"   hat   sich    schon   Justi    bewundernd   geäußert. 

Im  Zusammenhang  mit  diesem  Bild  sei  die  Rötelzeichnung  im 
Louvre  erwähnt  „ein  Silen,  an  einem  Baumstumpf  festgebunden". 
Die  Figur  läßt  sich  am  ehesten  als  eine  Studie  zu  einem  Marsyas 
deuten.  Jedoch  scheint  mir  das  Blatt  nicht  von  Riberas  Hand 
herzurühren;  die  Arme  und  der  Kopf,  vor  allem  der  Blick  nach  unten 
nicht  schlecht,  sehr  öde  und  verlegen  aber  die  Kontur  am  Rumpf 
rechts;  auch  das  Verschwinden  des  linken  Beins  erweckt  Bedenken. 

Von  Riberas  Gemälde  vielleicht  beeinflußt  ist  das  Bild  Giulio 
Carpionis  (Stich  von  Giac.  Leonardi)  und  der  Maler  der 
kleinen  Tafel  im  Museum  von  Parma  (406,  hier  Vlämische  Schule 
genannt).  Übereinstimmend  vor  allem  die  Anordnung  von  Apoll 
und  Marsyas. 

Den  schärfsten  Kontrast  zu  der  Marsyasschindung  bildet  die 


I03 

„Klage  der  Venus  um  Adonis"  aus  demselben  Jahr  in  der  Galleria 
Nazionale  (früher  Corsini)  in  Rom  248.  (h.  1,79,  br.  2,62)1)  gez. 
unten  etw.  links  von  der  Mitte 

Jusepe  de  Ribera  espanol  Valenciano 
.F,  1637 

Ein  Werk  ebenso  hervorragend  durch  seine  Form-  und  Farben- 
schönheit, als  durch  den  poetischen  Hauch,  der  es  durchweht. 
Die  Elegie  wird  dank  der  Valencianer  Herbigkeit  nicht  zu  einer 
süßlichen  Rührszene,  sondern  sie  erhält  in  der  Venus  einen  Zug 
zu  hohem,  ergreifendem  Pathos.  Man  vergesse  nicht,  daß  der  Stoff 
der  damaligen  Zeit  vor  allem  Neapel  sehr  nahe  lag,  hatte  ja  doch 
erst  vor  kurzem  Cavaliere  Marino  seinen  weltberühmten  farben- 
reichen und  leidenschaftlichen  „Adone"  geschrieben. 

Adonis  mit  einem  roten  Mantel  bekleidet,  der  jedoch  nur 
Hüften  und  einen  Teil  der  Oberschenkel  bedeckt,  liegt  entseelt 
am  Boden.  Der  Oberkörpver  hat  eine  Biegung  nach  vorn  gemacht, 
so  daß  das  lockige  Haupt  beinahe  der  vorderste  Punkt  des  Bildes 
ist.  Durch  diese  Wendung  erscheint  der  Körper  wirklich  wie  zer- 
schmettert.   Am  Fuß  einer  Eiche  ist  er  vom  Felsen  niedergestürzt. 

Venus  kommt  von  links  auf  einer  Wolke  herbeigeeilt.  Ihren 
linken  Fuß  hat  sie  bereits  ,auf  die  Erde  gesetzt;  klagend  breitet 
sie  die  Arme  aus,  den  Körper  vorbeugend  nach  dem  Geliebten. 
Sie  trägt  ein  dunkelviolettes  Untergewand,  blaues,  etwas  ins  grün- 
liche schimmerndes  Oberkleid,  das  an  der  Brust  von  einem  roten 
Band  zusammengehalten  wird,  und  braunen  Mantel. 

Das  Hemd  an  der  Brust,  vor  allem  am  rechten  Oberarm  sicht- 
bar. Der  linke  Arm  fast  ganz  von  derri  Mantel  verdeckt.  Im 
blonden  offenen  Haar,  das  ein  leichter  brauner  Schleier  ziert,  trägt 
sie  zwei  rote  Rosen  und  ein  grünes  Zweiglein. 

Rechts  beschnuppert  der  treue  Jagdhund  seinen  toten  Herrn. 
Am  Boden  vom  der  Jagdspeer. 

Die  Landschaft  großzügig  und  diskret  mit  dem  Vorgang  in 
Verbindung  gebracht :  Berge  und  drei  zersplitterte  Eichen. 

Wie  beim  Jacobsegen  und  beim  Marsyas  bewundem  wir  auch 

')  Nach  Jaldero  soll  sich  im  Besitz  von  Jose  Madrazo  ein  Bild  Riberas  „Diana 
und  Endymion"  befunden  haben. 


I04 

hier  die  Anschaulichkeit  der  Erzählung.  Und  dann  die  Würde. 
Kein  Schreien,  aber  auch  kein  sentimentaler  Himmelblick.  Es 
ist  das  rechte  Maß  gehalten.  Gern  kehrt  man  stets  zu  diesem; 
Bild  zurück,  denn  es  ist  ein  ganzes  Gedicht. 

Die  Größe  Riberas  hat  P.  F.  Mola  gleich  vernichtet,  der  in 
seinem  Gemälde  „Hero  und  Leander"  (Dresden  380)  starke  An- 
leihen bei  dem  römischen  Bild  gemacht  hat;  namentlich  Herd 
deckt  sich  fast  völlig  mit  der  Venus. 

5- 

Die  gerühmte  Würde  und  Erhabenheit  beweist  aber  Ribera 
vielleicht  in  noch  höherem  Grade  in  der  größten  religiösen  Elegie: 
der  „Pietä".  Die  ,, Klage  um  den  Leichnam  Christi"  in  der  Capeila 
del  Tesoro  der  Kirche  von  S.  Martino  ist  das  erhabenste  Werk  aus 
der  Reifezeit  des  Künstlers.  (Abb.  31.)  Wie  ,, Venus  und  Adonis" 
ist  auch  diese  Pietä  1637  gemalt.   Bez. 

Jusepe  de  Ribera  espaiiol 
F.   1637. 

Am  3.  Oktober  1637  erhielt  Ribera  400  Dukaten  für  die  Pietä 
„che  sta  nella  sacrestia".i)  Erst  später  kam  das  Bild  in  den  Tesoro.2) 

Wie  jener  Adonis  ist  auch  Christus  ein  zerschmetterter  Baum. 
Ergreifend  zeigt  uns  der  Maler  das  Gebrochene,  Zerbrochene.  Der 
Torso  seitlich  gelagert,  von  Johannes  gestützt,  das  Haupt  müde 
auf  die  Seite  gesunken,  die  Gliedmaßen  nach  hinten  gestreckt. 
Eckig  steht  die  rechte  Schulter  hoch,  zerrissen  wirkt  der  nach  einer 
Überschneidung  an  der  rechten  Hüfte  wieder  hervortauchende  rechte 
Arm  mit  der  geknickten  Hand.  Schwer  lastet,  wie  der  ganze 
Körper  auch,  der  linke  Unterarm  auf  dem  weißen  Bahrtuch,  das 
ebenso  wie  das  weißgrünliche  Lendentuch  nur  um  ein  geringes 
den   leuchtenden,    mächtigen   Körper   überstrahlt. 

Von  höchstem  Adel  und  wie  der  ganze  Körper  von  wunder- 
voller Plastik  das  schwarzbärtige  Haupt.  Christus  hat  die  Augen 
geschlossen.  Man  sieht,  er  hat  ausgelitten  nach  schwersten  Leiden. 
Der  Mund  noch  halbgeöffnet,  auf  der  Stirne  Spuren  des  Blutes, 
das  die  Domenkrone  verschuldet. 

^)  Faraglia  in  dem  citierten  Aufsatz  S.   670.     -)  Celano  VI,   25. 


Abb.  30     BEWEINUNG  CHRISTI     Neapel     S.  Martino 


los 

Sich  aus  der  Tiefe  weit  vorbeugend  ist  die  in  stärkster  Ver- 
kürzung gesehene  hl.  Magdalena  im  Begriff,  den  rechten  Fuß' 
des  Herrn  zu  küssen,  den  sie  mit  ihrer  Linken  ein  wenig  gehoben 
hat.  Ihr  herrliches  goldblondes  Haar  fheßt  über  ihre  Schultern  und 
den  Rücken;  ihr  gelbes  Gewand  bedeckt  ein  roter  etwas  ins  violett 
schimmernder  Mantel.  Johannes  knieend  den  Herrn  stützend,  ganz 
jung,  bartlos;  seine  langen  kastanienbraunen  Haare  gehen  bis  zu 
seinen  Schultern.  Er  trägt  grünen  Rock  und  roten  Mantel.  Das 
Gesicht  hat  er  von  Christus  abgewendet;  er  blickt  in  verlorenem 
Profil  hinauf  zu  den  beiden  Engelein,  die  sich  mit  Dornenkrone 
und  Nagel  weinend  herabsenken. 

Über  Johannes  vollkommen  ruhig  dastehend,  den  Hammer  in 
der  Hand,  Joseph  von  Arimathia,  ein  würdiger  graubärtiger  Greis 
mit  langem  Haar;  den  Kopf  leicht  geneigt  in  die  Ferne  blickend, 
gramerfüllt,  in  verhaltenem  Schmerz. 

In  der  Mitte  aber  kniet  Maria  in  dunkelrotem  Kleid,  blauem 
Mantel  und  braungrünem  Kopftuch,  die  Mutter,  mit  zusammen- 
gepreßten Händen,  den  Mund  leicht  geöffnet,  die  großen  Augen 
klagend  zum  Himmel  erhebend.  Doppelt  erschütternd  wirkt  sie 
in  dieser  stummen  Trauer,  mit  den  tränenschweren  Augen,  denen 
doch  keine  Träne  entrinnen  will;  wahrhaft  königlich  in  ihrem 
Schmerz. 

iWenn  nicht  sie,  so  macht  keine  das  Dichterwort  zur  Wahrheit : 

Quis  est  homo    qui  non  fleret 
Christi  matrem  si  videret 
In  tanto  supplicio? 

Quis  non  possit  contristari 
Piam  matrem  contemplari 
Dolentem  cum  filio? 

Das  Bild  ist  stark  gedunkelt,  kaum  ist  mehr  der  untere  Teil  des 
Kreuzstammes   links   piit   der   Fußstütze   erkenntlich. 

Wie  bei  Jesu  Geburt  der  göttliche  Knabe  alle  mit  seinem 
himmlischen  Licht  überstrahlte,  so  erscheint  auch  der  tote  Held 
nüt  dem  wunderbaren  Schein  seines  bernsteinfarbenen  Körpers  den 
ganzen  Schauplatz  zu  erhellen.  Daß  im  allgemeinen  hier  tief- 
leuchtende  Farben   gewählt    sind,    ist   selbstverständlich. 


io6 

Eigenartig,  kein  einziger  der  Beteiligten  sieht  auf  Christus,  und 
doch  sind  alle  nur  mit  ihm  beschäftigt.  Daß  der  Künstler  nicht  nur 
diese  tiefe  Idee  aufgenommen,  sondern  sie  auch  vollkommen  glaub- 
haft durchgeführt   hat,  gereicht  ihm  zu  hohem  Lobe. 

Wundervoll  auch,  wie  es  der  Meister  verstanden  hat,  das 
schwere  Sichniedersenken  des  Christuskörpers  uns  eindringlich  zu 
machen.  Es  ruht  nämlich  nur  der  mittlere  Teil  des  Körpers  — 
Gesäß  und  Oberschenkel  —  a,uf  dem  Boden;  Oberkörper  und 
Kopf  sind  leicht  erhöht,  ebenso  der  rechte  von  Magdalena  erfaßte 
Fuß.  Durch  diese  Kurve  im  Körper  kommt  so  der  Eindruck  des 
langsamen  Niedersenkens  zustande,  zumal  diese  Bewegung  noch 
durch  die  herabschwebenden  Engelchen  verstärkt  wird.  Das  Gan^e 
ein  tieftrauriges  Andante,  dessen  Thema  eine  absteigende  Moll- 
skala zu  bilden  scheint. 

„Ogni  cosa  e  dolore  nella  rappresentazione  di  questa  sacra 
e   funesta  tragedia''^). 

Das  Bild  ist  mit  unheimlicher  Virtuosität  aufgebaut.  Ein  fast 
rechtwinkliges  Dreieck.  Die  untere  Kathete  Christus.  Die  Hypo- 
thenuse  vom  Kopf  Josephs  über  Maria  zur  Magdalena.  Diese  Haupt- 
linie wird  begleitet  von  der  Diagonalen,  in  welche  die  Putti 
hineinkomponiert  sind;  entgegen  wirkt  ihr  die  Diagonale,  die 
von  dem  Engel,  der  nach  Johannes  blickt,  über  Maria  zu  Jo- 
hannes geht.  Marias  Haupt  also  im  Schnittpunkt  der  beiden  großen 
Diagonalen;  ihr  ist  somit  an  der  wirksamsten  Bildstelle  der  Haupt- 
platz neben  dem  Sohn  gesichert. 

Nach  Dominici^)  hat  das  Gemälde  einer  Konkurrenz  zwischen 
Ribera  und  Cav.  Massimo  sein  Dasein  zu  verdanken.  Ribera  hätte 
nicht  hinter  Renis  vielbewundertem  Hirtenbild  (im  Chor  der  Kirche 
von  S.  Martino)  zurückstehen  wollen  und  die  Mönche  um  einen 
Auftrag  gebeten.  Diese  aber  wären  bereits  Cav.  Massimo 
verpflichtet  gewesen.  Nun  hätten  beide  Künstler  um  die  Wette  ge- 
malt, Riberas  Werk  habe  den  Vorrang  erhalten,  und  Riberas 
Überlegenheit  sei  von  Massimo  selbst  anerkannt  worden. 

Eine  Ausnahme  in  dieser  allgemeinen  Anerkennung  macht  nur 

')  Dom.   130.     ')  Dom.   129.     ')  Cicerone  II3  940  a. 


I07 

Burckhardt.  Er  sagt  von  dem  Bild^)  „in  den  Linien  unangenehm, 
was  man  allerdings  über  der  Farbe  und  dem  ergreifenden,  obwohl 
auf  keine  Weise  verklärten  Schmerz  übersehen  kann." 

So  mußte  ja  der  Apologist  der  reinen  Renaissance  sprechen, 
der  dann  natürlich  Massimo  Stanzionis  Pietä  über  dem  Portal  von 
S.  Martino  überschwänglich  preist^);  „den  seelenvollsten  Bildern  des 
Van  Dyck  gleich  zu  achten ;  auch  in  der  edlen  Haltung  und  Verkürzung 
des  Leichnams  alle  Neapolitaner,  zumal  Spagnoletto  übertreffend". 
Dagegen  muß  doch  Einsprache  erhoben  werden.  Es  wurde  ge- 
zeigt, wie  die  Verkürzungen  und  die  Haltung  Christi  bei  Ribera 
ihre  innerliche  Berechtigung  besitzen,  wie  alles  von  höchstem  künst- 
lerischen Geist  getragen  ist.  Bei  Stanzioni  ist  die  Verkürzung  nur 
um  der  Verkürzung  willen  vorhanden.  Auch  edel  kann  man  diese 
Haltung  nicht  gut  nennen,  wo  die  Füße  uns  am  nächsten  sind, 
der  Leib  höchst  unangenehm  auffällt  und  das  Haupt  ganz  hinten 
liegend  in  der  starken  Verkürzung  uns  gar  nichts  mehr  sagen 
kann.  Dazu  die  Komposition  akademisch,  nach  althergebrachten 
Schema:  Gleichschenklige  Pyramide  mit  Maria  als  Spitze.  Die 
Komposition  war  Stanzioni  Hauptsache,  über  der  er  den  Inhalt, 
den  Ausdruck  vernachlässigte. 

Christus  im.d  Magdalena  aus  Riberas  Gemälde  sind  von  dem 
Maler  der  „Beweinung"  (Giordano?)  im  Oldenburger  Museum  für 
sein  Gemälde  benutzt. 

Die  „Mater  dolorosa"  in  der  Galerie  zu  Kassel  von  1638  steht, 
was  Auffassung  anbelangt,  etwas  hinter  der  Maria  der  Pietä  von 
S.  Martino  zurück,  jedoch  wirkt  auch  sie  noch  höchst  er- 
greifend. In  ein  rotes  Gewand,  blauen  Mantel  und  hellbraunes 
Kopftuch  gekleidet,  blickt  sie,  den  Kopf  stark  in  Dreiviertelansicht, 
tränenden  Auges  mit  schmerzlich  geöffnetem  Mund  gen  Himmel, 
in  den  zusammengepreßten  Händen  ein  Tüchlein  haltend.  Ihre 
Lider  stark  gerötet,  eine  Träne  fließt  die  Wange  herab.  Die 
Lippen  fast  blutleer,  auf  den  Wangen  nur  ein  schwaches  Rot. 
Die  Nase,  ganz  gerade,   wirkt  fast  etwas  zu  scharf.    Schwärzliche 

l)  Cicerone  11.   3,  943.  b. 


io8 

Schatten.     Bezeichnet   ist   das   Brustbild   (h.   0,76,    br.   0,62) : 
Jusepe  de  Ribera  espanol 
F  1638. 
Das  Gemälde  war  früher  in  München,  der  einzige  wirklich  echte 
Ribera,  den  der  Kurfürst  besaß.    Aber  da  dieser  gern  einen  Paulus 
Potter  haben  woUte,  tauschte  er  das  Bild  1803  gegen  den  kleinen 
Potter  aus  der     Kasseler  Sammlung  (jetzt  Pinakothek  472)   umi). 

Das  Thema  der  Pietä  hat  der  Künstler  verschiedentlich  be- 
handelt. Nicht  von  Ribera  ist,  um  es  gleich  vorwegzunehmen  das 
Gemälde  im  Louvre  1722  (h.  1,25,  br.  1,81),  eine  frühe  Nachahmung 
Giordanos.  Von  einer  „Komposition"  kann  eigentlich  gar  nicht 
gesprochen  werden.  Es  ist  ein  wüster  Haufen  von  Menschen.  Der 
junge  Johannes  rechts  wirkt  ganz  verzettelt.  Besonders  auf  Giordano 
weist  das  rotbraune  Jnkarnat  und  der  Profilkopf  rechts. 

Um  die  Mitte  der  dreißiger  Jahre  entstanden  ist  die  Pieta  im 
Augustinerkloster  zu  Salamanca^,  das  Gemälde  bildet  die  Spitze 
des  Hochaltars.  Es  hat  sehr  stark  gelitten.  Maria  hält  sitzend  ihren 
toten  Sohn  gegen  den  Schoß  gelehnt.  Christus  in  den  Knieen  ge- 
beugt, so  daß  die  Unterschenkel  seitwärts  am  Boden  ruhen.  Die 
Mutter  faßt  ihn  in  den  Achselhöhlen,  wodurch  die  ganze  Leblosig- 
keit und  Gebrochenheit  des  schlaff  die  Arme  herabhängenlassen- 
den Christus  äußerst  stark  hervortritt.  Den  Blick  hat  Maria  klagend 
nach  oben  gerichtet. 

Ein  ähnliches  Werk  erwähnt  Celano*)  in  der  Chiesa  della 
Solitaria  zu  Neapel  in  der  ersten  Kapelle  zur  Rechten  beim  Ein- 
tritt „La  vergine  col  suo  morto  figlio  in  seno." 

Von  der  größten  Bedeutung  ist  aber  ein  Beweinungsbild  im 
Besitz   des   Cav.   d'Angelo   in   Neapel*).    Bez.: 

Jusepe  de  Ribera  espafiol  F.    1644. 
(h.   1,80,  br.  2,50).    Dieses  Werk  hat,  wie  Justi  einmal  sehr  richtig 
bemerkte,    für   den   spanischen   Hof   des    XVIL    Jahrhunderts   die- 

^)  Einer  freundl.  Mitteilung  Oscar  Eisenmanns  zufolge  befand  sich  laut  den  ersten 
Inventaren  der  Gallerie  im  XVIII.  Jahrhundert  in  der  Sammlung  unter  Nr.  707  ein  „Brust- 
bild eines  Jünglings,  der  seinen  Kopf  auf  die  rechte  Hand  stützt,  worin  er  eine  Flöte 
hält  und  mit  der  Linken,  Musikalien",  damals  Ribera  zugewiesen.  Mit  Jerome  verschwand 
das  Bild  aus  Cassel.  ^)  vergl.  S.  90.  ')  Celano  V.  9.  ■•)  vergl.  auch  Les  Arts.  1903. 
No.    17  (Mai)  S.   34. 


I09 

selbe  Bedeutung  gewonnen,  wie  das  des  Roger  van  der  Weyden 
im  XV.  Kopien  —  mit  Varianten  —  in  nicht  geringer  Anzahl 
zeugen  für  die  Beliebtheit  des  Bildes,  z.  B.  im  Prado,  Escorial, 
sowie  das  Exemplar  früher  bei  Duca  di  Miranda  in  Neapel,  i) 

Das  Exemplar  des  Cav.  d'Angelo  stammt  aus  dem  Besitz  des 
Principe  di  Piedimonte,  kam  dann  zur  Marchesa  Campolattaro, 
von  der  es  ein  Herr  Scihzzi  erwarb,  dessen  Erbe  Cav.  d'Angelo  ist. 

Wir  befinden  uns  in  dem  Grabgewölbe.  Christus  nach  rechts 
auf  einem  Brett  ausgestreckt,  sein  Oberkörper  wird  von  dem  alten 
Joseph  von  Arimathia,  einem  langbärtigen  Greis,  gestützt.  Gerade 
über  Josephs  Kopf  erblickt  man  den  Pfeiler  des  großen  Eingangs- 
bogens  der  Gruft,  er  scheint  dem  gebeugten  Körper  des  Alten 
einen   festen  Halt  geben  zu  sollen. 

Johannes  im  Profil  nach  rechts  hat  Christi  linken  Arm  er- 
griffen, um  der  klagenden  Maria  die  Wunde  in  der  Hand  zu  zeigen. 
Die  Mutter  hat  mit  gefalteten  Händen  ergebungsvoll  das  Haupt 
geneigt.  Magdalena,  in  stärkster  Verkürzung  gesehen,  zu  Füßen 
des  Heilands  mit  der  Rechten  seine  Füße  ergreifend;  die  Linke 
auf  der  Brust  blickt  sie  trostlos  zu  Christus  hin.  Hinter  Joseph 
steht  als  einzige  ganz   ruhige  Gestalt  Nicodemus. 

Das  Ganze  ist  gegenüber  S.  Martino  wohl  figurenreicher,  sonst 
aber  viel  kleinlicher,  freilich  das  große  Publikum  fesselnder. 

Der  Madrider  Kopist  (Prado  986,  h.  2,02,  br.  2,59)  hat  die 
Feinheit  der  Vertikale  in  der  Gewölbeöffnung  nicht  verstanden 
und  eine  ganz  vage  Felsengruft  hingemalt. 

Die  Kopie  im  Escorial  (Sakristei)  ist  sehr  hell  im  Ton.  Gering 
die  Kopie  im  Museum  von  Cadiz  Nr.  41. 

Im  Anschluß  an  diese  Pietä  ist  das  Bild  in  der  Ac.  S.  Fer- 
nando entstanden,  bez. : 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
Academico  Romano  Ft   1645 

Das  Gemälde  macht  einen  zweifelhaften  Eindruck  (dazu  kommt 

')  Verkauft  in  Rom  April  1895,  vergl.  Nr.  404  des  Auctionskatalogs  „Grande  CoUection 
de  tableaux  du  Prince  de  Fondi  k  Naples".  Sangiorgi.  Roma.  Aprile  1895.  (Katal. 
Nr.  60.   V.  Jahrgang), 


noch  das  Ft  in  der  Signatur,  das  sich  sonst  nie  in  dieser  P'orm 
bei  Ribera  findet). 

Christus  ähnlich  wie  in  dem  vorherbesprochenen  Beweinungs- 
bild,  Joseph  faßt  ihn  aber  nicht  an  der  Brust,  sondern  an  den 
Armen.  Er  steht  höher;  sein  rechtes  Bein  steht  auf  dem  Brett  auf, 
das  Christus  als  Lager  dient.  Sein  Kopf  überragt  den  des  Toten, 
nach  dem  Joseph  bekümmert  den  Blick  gerichtet  hat.  Johannes 
ist  im  Begriff  Christi  Linke  zu  küssen,  Maria  weit  nach  links  vor- 
geneigt, schaut  mit  gerungenen  Händen  auf  den  Sohn.  Zu  dessen 
Füßen  Magdalena,  die  Rechte  auf  der  Brust,  schmerzlich  nach 
oben  blickend.  Sie  ist  von  großer,  aber  nicht  eigentlich  Riberesker 
Schönheit.     Links    Nicodemus   stehend. 

Im  Louvre  eine  mittelmäßige  Kopie  ohne  den  Nicodemus. 

Mit  am  tiefsten  geht  ein  Gemälde,  das  uns  leider  nur  noch 
in  einer  —  sehr  breit  gemalten  —  Kopie  in  der  Academie  S.  Fer- 
nando (602/134)  erhalten  ist. 

Christus  hier  nach  links  ruhend,  von  Joseph  gehalten  an  der 
linken  Seite  und  an  der  rechten  Schulter.  Christi  Haupt  ist  an 
Josephs  Brust  gesunken.  Dieser  blickt  nach  Maria,  die  —  in  der 
Kopie  etwas  sentimental  geraten  —  mit  verschlungenen  Händen 
zum  Himmel  aufsieht.  Johannes  hat  weinend  Christi  Rechte  er- 
griffen, um  sie  zu  küssen.  Magdalena,  sonst  die  leidenschafthchste, 
hier  am  ruhigsten  von  allen;  eine  herbe  echt  Ribereske  jungfräu- 
liche Gestalt. 

Sie  steht  zu  Füßen  Christi,  die  Linke  in  Redegebärde  vorge- 
streckt. Die  Augen  tränenlos,  und  doch  unendliche  Wehmut  in 
den  Zügen,  bhckt  sie  in  die  unbestimmte  Feme  hinaus,  nein,  nicht 
ins  Unbestimmte :  nicht  an  den  einzelnen  Beschauer  wendet  sie 
sich,  sie  spricht  zur  ganzen  Welt:  Seht,  er  hat  für  Euch  gelitten! 

Es  weht  durch  das  Werk  etwas  vom  Hauch  der  Pietä  von  S. 
Martino,  mit  der  es  ja  auch  den  Zug  gemein  hat,  daß  niemand  zu 
Christus  blickt  und  doch  alle  sich  mit  ihm  beschäftigen. 

Schließlich  sei  noch  die  Pietä  der  Londoner  National-Galerie 
(235,  50x70  inch.)  genannt. 

Christus,  der  hier  nur  einen  dünnen  Schnurrbart  trägt,  liegt 
nach  links  auf  dem  in  den  Falten  sehr  sorgsam  durchstudierten 


Bahrtuch.  Der  Oberkörper  wird  von  Johannes  aufrecht  gehalten; 
der  Jünger  beugt  sich  von  rechts  her  über  den  Herrn.  Zu  Christi 
Füßen  Magdalena,  in  kühnster  Verkürzung  gesehen,  die  sich  über 
die  Füße  des  Heilands  beugt.  Ihr  Gesicht  etwas  derb.  Maria  in 
der  Mitte  wendet  sich  klagend  mit  gerungenen  Händen  dem  Sohne 
zu.  Ihr  weiter  Mantel  verleiht  ihr  eine  außerordentlich  macht- 
volle Silhouette.  Überhaupt  ist  in  diesem  Bild  das  größte  Gewicht 
auf  die  Gesamtsilhouette  gelegt.  Von  Magdalena  steigt  die  Kurve 
über  Maria  zu  Johannes,  um  sich  wieder  bis  zur  Mitte  der  Bildhöhe 
zu  senken. 

Waagen,  der  das  Bild  noch  in  Wardour  Castle  bei  Lord  Arun- 
del  sah,  sagt  von  ihm^)  „unusually  elevated  in  character  for  him 
but  much  injured  with  cleaning".  Wie  das  andere  Ribera  zuge- 
wiesene Werk  der  National  Gallery  hat  auch  dieses  Bild  sehr 
gelitten.  Es  ist  stark  gedunkelt,  die  Feinheiten  der  Modellierung, 
vor  allem  im  Christuskörper,  sind  verschwunden.  Rührt  das  Ge- 
mälde wirklich  von  Ribera  her,  so  ist  es  mit  das  früheste  der  Be- 
weinungsbilder,  vielleicht  schon  um  1630  entstanden.  Wie  bei 
dem  Petersburger  Sebastian  macht  sich  auch  hier  noch  das  starke 
Streben  nach  Plastik  bei  dem  tenebroso  Ribera  bemerkbar. 

Große  Verwandtschaft  mit  diesem  Bild  besitzt  die  Ribera  zu- 
gewiesene Radierung  B.  i.  Christi  Kopf  ruht  hier  auf  einem  Stein. 
Johannes  stützt  knieend  Maria,  auch  er  schaut  wie  die  Mutter  weh- 
mutsvoll nach  Christus.  Hinter  den  beiden  sieht  man  den  unteren 
Teil  des  Kreuzstamms,  an  dem  die  Fußstüze  sichtbar  ist,  und  die 
an  den  Stamm  gelehnte  Leiter.  Magdalena  wie  immer  in  kühnster 
Verkürzung  gesehen,  beugt  sich  geradeaus  über  die  Füße  des 
Herrn;  den  linken  hat  sie  ergriffen,  um  ihn  zu  küssen. 

In  einer  Kopie  ergreift  Magdalena  den  rechten  Fuß. 

Das  Blatt  ist  unten  links  mit  Monogr.  B.  Nr.  2.  bezeichnet,  i)  Es 
geht  ganz  sicher  auf  Ribera  zurück ;  schwerlich  aber  hat  Ribera  die 
Radierung  so  ausgeführt,  wie  sie  uns  vorliegt.  Kristeller  dachte  an 
eine  frühe  Arbeit  des  Meisters;  es  scheint  aber  wenig  wahrschein- 

')  Waagen,  Galleries  and  Cabinetts.  S.  393.  ^)  Früher  von  einigen  als  Guido 
Reni  gelesen.     Auf  Mattiolis  Kopie  liest  man  „Guido  Reni  Inv." 


lieh,  daß  Ribera  dieses  radierte  Blatt,  das  wir  dann  ca.  1620  an- 
setzen müßten,  erst  10  Jahre  später  in  Malerei  umgesetzt  hat. 
Für  1630  ist  aber  die  Radierung  zu  derb  in  der  technischen  Be- 
handlung. Es  hat  den  Anschein,  als  ob  eine  sehr  subtile  Radie- 
rung Riberas  vorgelegen  hat,  die  von  einem  Schüler  aufgearbeitet 
wurde.  (Man  sehe  nur  die  cruden,  den  Himmel  andeuten  sollen- 
den  Striche,   die   über   die  feinmaserige   Holzleiter   geführt   sind !) 


Die  Pietäbilder  mögen  uns  zur  Betrachtung  der  entsprechen- 
den Szene  im  Himmel  leiten,  zu  Riberas  „Gnadenstuhl  in  den 
Wolken".  Prado  990  (h.  2,26,  br.  1,81  Abb.  32)  ohne  Signatur. 
Eine  Originalreplik  im  Escorial.  Sicher  in  der  zweiten  Hälfte  der 
dreißiger   Jahre   entstanden. 

Gott  Vater  thront  auf  einer  Engelswolke,  ein  Greis  in  voll- 
kommener Ruhe:  die  durch  nichts  zu  erschütternde  Majestas.  Die 
leuchtenden  Augen  von  gedankenvollem,  sinnendem  Ausdruck.  Be- 
kleidet ist  er  mit  einem  blauen  Rock,  darüber  ein  mächtiger  pur- 
purner, im  Winde  flatternder  Mantel,  der  mit  violetter  Seide  ge- 
füttert ist. 

Über  Gott  Vaters  unbedecktem  Haupt  das  Triangulum.  Vor 
seiner  Brust  schwebt  die  heilige  Taube.  Seine  Hände  ergreifen 
ganz  leicht  die  Dornenkrone  des   Sohnes. 

Dieser  ruht,  das  Haupt  müde  zurückgebeugt,  mit  geschlossenen 
Augen  und  halboffenem  Mund  im  Schoß  des  Vaters.  Die  Ober- 
arme über  dessen  Oberschenkeln  ausgebreitet,  die  Unterarme  hängen 
schlaff  herab.  Die  Beine  in  den  Knien  gebeugt,  so  daß  die  Unter- 
schenkel seitwärts  gerichtet  sind.  Mit  seinem  Unterkörper  ruht 
Christus  halb  auf  dem  weißen  Bahrtuch,  dessen  Zipfel  von  Engeln 
gehalten  werden.  Dadurch,  daß  der  Unterkörper  nicht  fest  auf- 
liegt,  bekommt   die  ganze  Gestalt  etwas  Schwebendes. 

Die  große  Wolke  im  unteren  Teil  ganz  düster,  fast  schwarz. 
In  der  Ecke  rechts  unten  erblickt  man  den  blauen  Himmel;  oben 
aber  ist  alles  licht,  ein  Meer  von  Tausenden  kleiner  Engelsköpfe 
—  wie  es  aus  Raffaels  Sistina  so  bekannt  ist  —  gegen  das  sich 
einzig  Gott  Vater  mit  seiner  erhabenen  Silhouette  abhebt.    Dieses 


Tafel  XXIV 


Pliot     Audersoo 


Abb.  32     DER  GNADENSTUHL  IN  DEN  WOLKEN     Madrid     Prado 


"3 

wogende  Lichtmeer  ist  sein  Schmuck,  seine  Krone,  er  braucht 
keine  Tiara. 

Völhge  Stille  herrscht  ringsum;  nur  der  Mantel  rauscht  irn 
Wind.     Keine    Leidenschaft.     Alles   atmet    Ruhe,    Milde,    Frieden. 

Die  Ruhe  des  Vaters  ist  aber  schon  aus  Kontrastrücksichten 
gefordert :  der  ungebrochene,  aufrecht  sitzende  Greis  und  der  ge- 
brochene junge  Held.  Auch  fällt  Gott  Vater  bei  der  diagonalen 
Hauptrichtung  der  Komposition  die  Aufgabe  zu,  die  ausgleichende, 
feste  Vertikale  zu  bilden. 

Die  Komposition  ist  nun  das  eigentlich  Neue  und  Über- 
raschende. Denn  nicht  Linien  sind  es,  die  die  Struktur  des  Bildes 
ausmachen,  sondern  Lichtstreifen,  Lichtflächen.  Zunächst  die 
Hauptdiagonale,  die  von  Gott  Vater  über  die  Taube  zu  Christi 
Knien  führt.  Diesem  Lichtstreifen  wirken  zwei  breite  Lichtflächen, 
im  rechten  Winkel  zur  Hauptachse,  oben  und  unten  und  ein  schma- 
ler Streifen  in  der  Mitte  entgegen :  Die  Engelsglorie  (durch  die 
schräglaufende  Kontur  des  Mantels  Gott  Vaters  begrenzt),  das 
Bahrtuch,  die  Arme  Christi.  Ein  Kompositionsversuch  ebenso 
kühn  wie  gelungen.  So  gewinnen  erst  die  abwechselnd  hellen  und 
dunklen   Flächen   ein   wahres   Leben. 

Daß  die  Zeichnung  neben  dem  glühenden  Kolorit  von  höchster 
Vollendung,  daß  die  Putti  von  größtem  Liebreiz  sind,  sei  noch 
zum  Schluß  hinzugefügt. 

Alonso  Cano  gefiel  diese  Auffassung  der  Trinität,  vor  allem 
die  Gott  Vaters  dermaßen,  daß  er  diese  Gestalt  vollkommen  in 
sein  Trinitätsbild  herübernahm  (Granada  Kathedrale  Cap.  de  la 
Trinidad). 

7- 
Ein  Kruzifixus  aus  Riberas  reifer  Zeit  ist  uns  nur  in  dem  Ge- 
mälde  in    Vitoria   erhalten.     Früher   in   der   Kirche    S.    Domingo, 
jetzt  im  großen  Sitzungssaal  der  Disputacion  provincial,  bez. 
Jusepe   de  Rivera  espanol 
F.    1643. 
Ein  höchst  eigenartiges  Werk.     Christus  allein.     Tiefe  Nacht 
ringsum.    Das  Haupt  hat  er  auf  die  linke  Seite  geneigt,  den  Mund 

Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  g 


114 

leicht  geöffnet,  die  Lippen  fast  blutleer  blickt  er  zum  Himmel: 
Warum  hast  du  mich  verlassen?! 

Das  rechte  Bein  ist  über  das  linke  gesetzt,  eine  eigenartige, 
aber  keineswegs  schöne  Stellung.  Die  Behandlung  des  Körpers 
zeichnet  sich  wie  die  Führung  der  Silhouette  durch  Großzügig- 
keit aus.  Die  Struktur  des  Körpers  ist  nur  leise  angedeutet.  Chri- 
stus strahlt  in  einem  gleichmäßigen,  wie  ein  Wunder  wirkenden 
Licht,  die  Dunkelheit  ringsum  erhellend.  Vom  Körper  ist  fast 
jeglicher  Schatten  gebannt,  nur  am  Rand  die  Dunkelheiten,  treff- 
lich zur  plastischen  Wirkung  beitragend.  Eine  Anhöhe  ist  in  der 
Dunkelheit  als  einzige  Andeutung  der  Landschaft  zu  erkennen; 
sie  erstreckt  sich  über  die  ganze  Bildbreite,  nach  rechts  sich  lang- 
sam zur  Ebene  senkend.  Rechts  am  Himmel  die  augenscheinlich 
nach  der  Natur  beobachtete  verfinsterte  Sonne. 

Ein  Kruzifixus  früher  in  S.  Thom^  in  Madrid^)  ist  verschwunden; 
ebenso  der  von  Palomino  erwähnte^)  in  der  Sala  de  profundis  del 
Colegio  de  Atocha  zu  Madrid. 

Eine  „Kreuzabnahme"  befand  sich  in  der  Galerie  Aguado; 
jetziger  Aufenthalt  mir  nicht  bekannt.  Wie  der  Stich  von  Gel6e 
(„La  galerie  Aguado  publ.  ä  Paris  par  Pavard")  zeigt,  war  es  ein 
Nachtstück :  Der  Leib  Christi  allein  erleuchtet  die  Finsternis.  Drei 
Männer  sind  im  Begriff,  ihn  niederzulassen;  die  Hauptlinie  pine 
schlaffe  Kurve. 

Ein  „Schmerzensmann",  sehr  schlecht  erhalten,  wahrschein- 
lich aus  Riberas  erster  Periode  in  der  Academia  S.  Fernando  zu 
Madrid. 

Von  der  Seite  gesehen,  blickt  Christus  leicht  vorgeneigt  den 
Beschauer  an,  in  rotem  Mantel,  der  rechte  Schulter  und  Arm 
freiläßt ;  in  der  Rechten  hält  er  den  Rohrstab,  mit  der  Linken  greift 
er  nach  dem  Mantel.  Das  einzige,  was  man  noch  würdigen  kann, 
sind  die  wundervoll  gemalten  Hände. 

Schulgut  ist  der  Schmerzensmann  zwischen  zwei  Soldaten  in 
der  Sakristei  von  S.  Filippo  Neri  in  Neapel.^ 

')  Cean  Bermudez  Diccionario  S.  192.  -)  Palomino  312.  ')  Ein  „Christus  an  der 
Säule"  (75X5°  inches)  aus  dem  Besitz  von  Miss  Maguire  war  ausgestellt  London  1901 
in  der  Exhibition  of  the  works  of  spanish  painters.    Katalog  Nr.   73  a). 


"S 


Die  „Heilige  Familie"  hat  Ribera  in  diesen  Jahren  ziemlich 
oft  gemalt.  Das  erste  Bild,  ungefähr  1636  entstanden,  ist  uns 
leider  nicht  mehr  im  Original  erhalten.  Die  beste  Wiederholung, 
die  ich  nicht  als  eigenhändige  Arbeit  ansehen  kann,  befindet  sich 
im  Museum  von  Cördoba.  Eine  fast  ebensogute  bei  D.  Felipe 
Villalonga  in  Palma  de  Mallorca  und  schließlich  noch  eine  Kopie 
rechts  an  der  Eingangswand  der  Grenadiner  Kathedrale  —  ein 
Bild,    das   dort   große   Verehrung   genießt. 

Maria,  eine  spanische  Schönheit  mit  goldbraunem  Haar  und 
süßem  kleinem  Mund,  hält  auf  ihrem  Schoß  das  beim  Trinken 
an  ihrer  Brust  eingeschlafene  Knäblein,  das  sie  mit  ihrer  Linken 
umfaßt. 

Ihre  Rechte  nimmt  in  äußerst  graziöser  Bewegung  ein  weißes 
Tüchlein  vom  Sattel  auf.  Die  Mutter  ist  sehr  behutsam,  als  fürchte 
sie  den  Knaben  zu  wecken. 

Sie  trägt  ein  rosa  Kleid  mit  gelben  Ärmeln  und  blauen  Mantel. 
In  ihrer  Haltung  liegt  höchste  Vornehmheit.  Den  edlen  Fluß  der 
Linien  kann  man  nicht  genug  bewundem.  Die  Szene  spielt  im' 
Freien.  Maria  sitzt  im  Schatten  vor  einem  braunen  Tuch,  das  als 
Schutz  vor  den  hellen  und  heißen  Strahlen  der  Sonne  zwischen 
zwei  Eichbäume  gespannt  ist.  An  einen  andern  belaubten  Eich- 
stamm lehnt  sich  rechts  Joseph,  im  besten  Mannesalter  uns  hier 
entgegentretend. 

Er  blickt  lächelnd  auf  Mutter  und  Kind,  die  Hände  verschränkt, 
mit  dem  linken  Unterarm  sich  an  den  Stamm  lehnend.  Er  ist 
mit  einem  schlichten  braunen  Rock  bekleidet. 

Ganz  rechts  erscheint  ein  Eselskopf. 

Aus  den  Lüften  schwingen  sich  zwei  Englein  hernieder  mit 
einem  Rosenzweig.     Der  Himmel  strahlt  in  heiterstem  Blau. 

Was  diese  „Ruhe  auf  der  Flucht"  so  unvergeßbar  macht,  ist 
aber  nicht  der  Adel  der  Formen,  nicht  die  Vornehmheit  der  Auf- 
fassung, nicht  das  blühende  lichte  Kolorit,  sondern  die  zauberhafte 


ii6 

Stimmung.  Man  fühlt  die  Stille,  den  Frieden  bei  dieser  Mittags- 
rast an  einem  heißen  Sommertag.   Es  ist  eine  wirkliche  „Ruhe".i) 

Neben  dieser  großzügigen  Idylle  kommt  uns  dann  die  Zimmer- 
mannsfamilie von  1639  im  Museum  von  Toledo  etwas  kleinbürger- 
lich vor.  Leider  ist  das  Werk  durch  eine  geradezu  abscheuliche 
Restauration  jedem  wahren  künstlerischen  Genuß  entzogen  wor- 
den, furchtbar  vor  allem  das  viele  Rosa  und  Rot  in  der  Karnation 
(das  Gesicht  der  Madonna!).  Die  Signierung  dürfte -in  der  vor- 
liegenden Form  schwerlich  die  ursprüngliche  sein: 
Jusepe  deri  bera  f 
a  1639 

Ich  kann  nicht  ganz  meinen  Verdacht  unterdrücken,  daß  das 
Toledaner  Bild  nur  eine  Kopie  ist.  Eine  Kopie  im  Museum  zu 
Wiesbaden  (früher  in  der  Berliner  Galerie  405  B  Abb.  23)-  D^s 
Toledaner  Exemplar  stammt   aus   Ocafia.^) 

Die  Familie  in  der  Werkstatt,  eine  „Holzhackerfamilie".  Maria 
nach  rechts  gewandt  auf  dem  rechten  Bein  knieend  deckt  den 
in  ihrem  Schoß  ruhenden  Jesusknaben  auf,  der  für  ein  Schoß- 
kind reichlich  groß  ist.  Sie  hält  den  Sohn  mit  der  Linken  um- 
faßt; die  Rechte  faßt  sehr  graziös  —  der  aufgehobene  kleine 
Finger!  —  den  einen  Zipfel  des  gelupften  weißen  Tuches.  Maria 
eine  fast  üppig  zu  nennende  Erscheinung  in  rotem  Kleid  und 
blauem,  am  Hals  zusammengeschlossenem  Mantel.  Den  Kopf  leise 
auf  die  Seite  geneigt,  blickt  sie  schwermütig,  versonnen  an  Joseph 
vorbei  nach  rechts  oben. 

Lächelnd  schaut  im  Gegensatz  zu  Maria  der  rechts  an  der 
Werkstattbank  stehende  Joseph,  hier  kaum  als  ein  Vierzigjähriger 
erscheinend,  auf  den  Knaben.  In  der  Linken  hält  er  ein  großes 
Scheit  Holz,  in  der  Rechten  eine  Axt.  Zwischen  ihm  und  Maria 
steht  der  kleine  Johannes,  neben  der  Gestalt  des  Giovannino  im 
Prado    die    entzückendste    Kinderfigur    Riberas.      Den   Kreuzstab 

')  Ein  derartiges  Descanso  befand  sich  nach  Cean  Bermudez  194  in  der  Cappuziner- 
kirche  von  Cordoba.  Conca  sah  das  Bild  dort  (Descrizione  Odeporica  III,  184)  und  be- 
merkt „belissima  pittura  che  ha  restituita  a  vita  Don  Antonio  Torrado "     ")  In  der 

Sammlung  Soult  zu  Paris  befand  sich  ein  Bild  mit  den  gleichen  Personen.  Eine  solche 
„Holzhackerfamilie"  Riberas  erwähnt  auch  Conca,  Descrizione  Odeporica  II  lio/lll  im 
Capitolo  del  Vicario  des  Escorial. 


Tafel  XXV 


Photogr.    Greseliechalt   BerliD 


Abb.  33      DIE  HL.  FAMILIE     Wiesbaden 


Tafel  XXVI 


Phot.   Haotstaengl 


Abb.  34     DIE  VERLOBUNG  DER  HL.  KATHARINA 
London     Earl  of  Northbrook 


"7 

haltend,  mit  einem  Fellchen  bekleidet,  blickt  er  uns  halb  von  der 
Seite  an.  Links  neben  Maria  ein  Korb  mit  Kissen,  rechts  vorn  ein 
Mantel  und  eine  Säge.     Der  Boden  mit  Fliesen  bedeckt. 

Die  Komposition  sehr  sorgfältig.  Zwei  Diagonalen,  in  deren 
tiefgelegenen  Schnittpunkt  das  Köpfchen  des  Knaben  gesetzt  ist. 
Die  eine  Diagonale  wird  bezeichnet  durch  die  Schattengrenze  an 
der  Wand  links,  die  dann  über  Maria  zum  Jesusknäblein  führt. 
Die  andere  geht  vom  Kopf  Josephs  über  den  des  Johannes  gleich- 
falls zu  Jesus.  Als  Ausgleich  für  diese  beiden  starken  Schrägen 
dient  neben  der  Vertikalen  im  Joseph  die  große  Gerade  in  der 
Mitte  des  Bildes,  die  vordere  Ecke  des  dämmrigen  Raumes  rechts. 
Marias  Kopf  allein  hebt  sich  vom  lichten  Grund  der  beleuchteten 
Wand  ab. 

Die  Krone  aller  dieser  Schöpfungen  aber  ist  doch  die  „Ver- 
mählung der  hl.  Katharina"  wie  man  das  Bild  bei  Earl  of  Northbrook 
wohl  nennen  darf.  Das  beste  Gemälde  Riberas  in  England.  Es 
stammt  aus  Genua;  früher  war  es  im  Besitz  von  Sir  Thomas 
Baring.  Nr.  237  der  Sammlung^)  (79I/2X60  inch.  Abb.  34)  bez. 
dem   Stuhl 

Jusepe  de  Ribera  espanol 
Accademico  Ro"" 
F.   1643. 
Rechts   sitzt    die   Madonna,   ein   spanisches   Mädchen   von   großer, 
ernster  Schönheit,  den  Beschauer  anblickend.    Ihr  reiches  schwarzes 
Haar  fällt   über   ihren  Nacken  herab.     Sie  trägt  ein  rotes   Kleid; 
ein  blauer   Mantel  fällt   über  ihren   Unterkörper.     Das   Kind,   mit 
hellem  Seidenhaar,  hält  sie  über  ihrem  Schoß  auf  beiden  Armen 
auf  einem  weißen  Tuch.     Links  kniet  nach  rechts  sich   wendend 
die  hl.  Katharina,  ebenfalls  eine  spanische  Schönheit.     Sie  drückt 
des  Kindes   rechtes   Händchen  an  ihre  Lippen,  das   sie   mit   ihrer 
Rechten  ergriffen  hat;  ihre  Linke  ruht  auf  der  Brust.     Auch  ihr 
fließt   das   reiche   Haar   über   den  Nacken.     Sie   trägt   ein   weißes 
Obergewand  mit  blauen  Ärmeln  und  einen  schweren,  bronzegelben 
Mantel.     Der   Christusknabe,    der   nach   rechts   sitzt,    hat   mit    der 

1)  Vergl.  den  Catalog  (S.   182). 


ii8 

Linken  den  einen  Mantelzipfel  Marias  gefaßt  und  das  Köpfchen 
zu  Katharina  gewendet.    Sein  Blick  aber  schweift  sinnend  in  die  Feme. 

Hinter  Katharina  steht  die  alte  Anna,  in  der  Linken  ein  Körb- 
chen mit  Pfirsichen,  in  der  Rechten  eine  Rose  haltend,  die  sie 
lächelnd  dem  Kinde  anbietet.  Hinter  Maria  erbhcken  wir  in  einen 
Mantel  gehüllt  Joseph,  in  der  Stellung  des  Joseph  von  Arimathia 
in  der  Pietä  von  S.  Martino,  hier  besonders  stark  an  Velasquez 
Menipp  erinnernd:  Körper  von  der  Seite  gesehen,  völlig  in  den 
Mantel  eingehüllt,  Kopf  de  face,  ganz  leicht  nach  links,  den  Be- 
schauer anblickend;  dunkelbraune  Haare,  schwarzer  Bart.  Mit  der 
Rechten  stützt  er  sich  auf  seinen  Stab. 

Ganz  vorn  rechts  ein  Körbchen  mit  rotem  und  weißem  Kissen. 
Auch  hier  Fliesenboden. 

Wie  alle  Werke  dieser  Epoche  ist  auch  dieses  Bild  hell- 
leuchtend in  warmem  Ton  gemalt.  Zart  und  licht  vor  allem  Maria 
und  der  Knabe,  dessen  Körper  mit  seinen  hellrötlichen  Konturen 
ohne  große  Schattenflächen  mit  leichten  graubraunen  Linien  mo- 
delliert ist.  Die  anderen  Gestalten,  namentlich  Anna  und  Joseph, 
sind   durch  kräftige   Schatten  sehr  plastisch  herausgeholt. 

Die  Komposition  sehr  ähnlich  der  der  „Holzhackerfamilie". 
Aller  Nachdruck  ist  auf  die  Begegnung  der  Katharina  mit  der  Hand 
des  Kindes  gelegt,  die  in  dem  Schnittpunkt  der  beiden  von  den 
Seiten  (den  Köpfen  Josephs  und  Annas)  ausgehenden,  sich  nach 
der  Mitte  hin  senkenden  Diagonalen  angebracht  ist. 

Waagen,  der  für  den  schlichten  Adel  und  die  Tiefe  der  Emp- 
findung dieses  Werkes  kein  Verständnis  besaß,  charakterisiert  das 
Bild  wie  folgt  i): 

„Man  glaubt  hier  nicht  eine  heilige,  sondern  eine  ganz  ge- 
wöhnUche,  ja  ziemlich  gemeine  Familie  zu  sehen."  Dann  aber 
sagt  er:  „in  der  fleißigen  Ausführung,  in  Klarheit  und  Wärme 
der  Färbung  der  berühmten  Anbetung  der  Hirten  im  Louvre  ver- 
gleichbar."^) 

')  Kunstwerke  II.  249,  250.  *)  Eine  „hl.  Katharina"  Riberas  erwähnt  Waagen  (Galleries 
and  Cabinets  S.  64)  bei  Lord  Yarborough  „Although  somewall  secular  in  general  character, 
yet  the  forms  are  more  elevated  for  the  master  than  usual  for  the  master  and  the  drawing 
particulary  refined. 


119 

Es  dürfte  nicht  uninteressant  sein,  dem  Ausspruch  Waagens 
die  vor  dem  Bild  in  Begeisterung  niedergeschriebenen  Sätze  Justis 
gegenüberzustellen:  „.  .  .  Wie  rein,  wie  edel  ist  das  alles  empfunden, 
wie  ohne  alle  Phrase,  ohne  konventionelles  Pathos  der  Leerheit. 
Es  ist  die  im  Innern  verborgene  Tiefe  des  Gefühls.  Wie  lautlos, 
wie  lange  könnte  das  alles  so  verharren  —  ein  Adagio!" 

In  diese  Gruppe  gehört  auch  das  in  jenen  Jahren  entstandene 
Gemälde:  „Der  Besuch  der  hl.  Familie  beim  hl.  Bruno."  (Palazzo 
Ducale  zu  Neapel.)  Ein  in  lichten  Farben  strahlendes,  überaus 
liebenswürdiges  und  vornehmes  Bild. 

An  einem  schönen  Frühlingstag  hat  sich  die  Jungfrau  mit  dem 
Jesusknaben  aufgemacht,  den  frommen  Asketen  Bruno  zu  besuchen. 
Joseph  gibt  den  Führer  ab.  Nun  sind  sie  angelangt ;  Joseph  wendet 
sich   wie   fragend   Marien   zu:    Sind   wir  hier   recht? 

Ergriffen  kniet  der  alte,  etwas  jämmerlich  aussehende  Asket 
vor  der  hohen  Frau,  die  das  Kind  an  der  Hand  führt;  sie  blickt 
er  an,  die  ganze  Welt  sonst  ist  für  ihn  versunken.  Und  wenn  auch 
Maria  lücht  mit  großem  Gepränge  erschienen  ist,  wenn  sie  auch 
statt  hoch  auf  Wolken  zu  thronen  sich  zu  Fuß  dem  Andächtigen 
genaht  hat,  die  Himmelskönigin  ist  doch  sofort  zu  erkennen.  Eine 
Idealgestalt.  Vielleicht  die  idealisierteste  Frau,  die  Ribera  überhaupt 
geschaffen.  Dominici  ist  nicht  mit  dieser  Maria  zufrieden;  „un 
naturale  non  troppo  hello,  n^  gentile"  nennt  er  sie,^)  das  Strenge, 
Hoheitsvolle  befremdete  ihn.  Idealisiert  auch  das  Kind,  das  der 
Mutter  auffallend  ähnelt. 

Gleichsam  als  unsichtbares,  himmlisches  Diadem  wiegen  sich 
über  Maria  drei  Engel  in  den  Lüften,  darüber  noch  eine  weitere 
Gruppe,  in  deren  Mitte  Gott  Vater  erscheint. 

Über  dem  Heiligen  steht  noch  ein  Bischof:  S.  Benediktus.  Da- 
hinter wird   ein   ehrwürdiger,   bärtiger   Kopf  sichtbar. 

Alle  sind   ergriffen,    es   herrscht  eine   feierliche   Stille. 

Dominici  erzählt,-)  Ribera  habe  das  Bild  für  die  Chorwand  der 
Karthäuserkirche  S.  Martine  gemalt.  Es  sei  jedoch  zu  Streitig- 
keiten gekommen  —  Dominici  glaubt  natürlich  wegen  eines  zu 
hohen  Preises  oder  durch  Eifersüchteleien  des  Meisters.    Die  Mönche 

^)  Dominici   126.      ^)  Dominici  ebenda. 


hätten  schließlich  an  Stelle  dieses  Gemäldes  die  „Geburt  Christi" 
Renis  dort  aufgehängt.  Ribera  habe  dann  sein  Bild  an  die  Mönche 
von  S.  Trinitä  verkauft  und  die  zwei  andern  Heiligen  hinzugemalt. 
Das  Werk  habe  in  der  capellone  del  canto  gehangen. 

An  dieser  Stelle  sei  noch  des  kleinen  auf  Kupfer  gemalten 
Bildchens  im  Museo  Nazionale  in  Neapel  gedacht  „Der  hl.  Bruno 
empfängt  die  Ordensregeln."  (Inventar  Nr.  84396;  h.  0,38,  br.  0,27) 
Jusepe  de  ...  . 
.  .  .  bera  .... 
Nicht  sonderlich  gut  erhalten.  Das  weiße  Gewand  des  Heiligen, 
in  der   unteren   Partie   ziemlich  roh   übermalt. 

Der  Heilige  im  Profil  nach  links  knieend  am  Rand  seiner  Höhle, 
wo  ein  Totenkopf  und  ein  Bischofsstab  sichtbar  werden;  die  Arme 
auf  der  Brust  blickt  er  nach  oben  zu  den  beiden  Englein,  die  sich 
mit  einem  Buch,  den  Ordensregeln,  nahen.  Die  Putti  kommen  aus 
einer  lichten  Engelsglorie.  Der  vordere  wendet  sich  zum  Heiligen, 
auf  eine  Stelle  des  aufgeschlagenen  Buches  deutend,  der  andere 
hält  es. 

Das  Gewand  des  Heiligen  ist  in  der  Faltengebung  sehr  sorg- 
sam behandelt.  Die  Silhouette  der  Höhlenkulisse  rechts  macht  leise 
die  Bewegung  S.  Brunos  mit. 

Ausblick  in  eine  Gebirgslandschaft.  Blauer  Himmel  mit  gelben 
Wolken. 

Das  Halbfigurenbild  „Christus  in  Emmaus"  beim  Herzog  von 
Sutherland  (Staffordhouse)  scheint  mit  eine  tüchtige  Werkstattarbeit 
zu  sein.  Für  den  Meister  in  der  Auffassung  nicht  vornehm  genug 
und  in  der  Ausführung  etwas  zu  breit,  jedoch  sehr  kräftig  und  in 
den  Typen  ihm  verwandt,  i) 


Den  Beschluß  in  dieser  Reihe  mögen  die  Navidadbilder  machen. 
Schon  1630  hatte  Ribera  eine  Geburt  Christi  gemalt.    Galerie 

*)  „very  vividly  conceived,    though  differing   both   in  Charakter  and  cxecution  from 
the  usual  manner  of  the  master  .  .  .  ."   Waagen,  Art  Treasurcs  II.   66,67). 


Weber  in  Hamburg.  Bez.  auf  dem  Sattel.   (Die  Signierung  in  dieser 
Form  wohl   nicht   mehr  die   ursprüngliche) 

Josephus  a  Ribera  yspanus  Setaben 
p.  Roma  Academie  faciebat 
Parteno   1630. 
Das  Bild  ist  sehr  gedunkelt,  restauriert  und  stark  gefirnist,  so  daß 
die  technische  Eigenart  des  Meisters   kaum  mehr  erkenntlich  ist. 
In  dem  heutigen  Zustand  erinnert  das  Gemälde  am  meisten  von 
allen  Werken  Riberas  an  Honthorst.    Es  ist  ein  Nachtstück.    Alles 
Licht  geht  vom  Kind  aus,   das  Maria  über  der  Krippe  hält.    Die 
Mutter,  ein  junges  blondes  Mädchen  in  rotem  Kleid  und  blauem,  über 
den  Kopf  gezogenem  Mantel,  blickt  schmerzlich  lächelnd  auf  das 
Knäblein.    Joseph  und  die  Hirten  schauen  mit  vergnügten  Mienen 
auf  das  Christkind. 

Dem  bereits  kurz  erwähnten  Bild  in  Salamanca  ähnlich  ist  die 
Ribera  zugewiesene  Anbetung  im  Museum  zu  Cördoba,  die  jedoch 
wohl  nur  eine  Nachahmung  ist. 

Wichtig  vor  allem  der  Signierung  wegen  ist  das  Hirtenstück 
im  Kapitelsaal  des  Escorial  32g.  Bez.  auf  dem  Schnitt  eines  Baum- 
stumpfes  in   ziemlich  kleiner   Schrift. 

Jusepe  de  Ribera  espaüol  Valenciano 
de  la  ciudad  de  Xativa  academi™ 
Romano  F.   1640 
sehr  verdorben,   stark  restauriert   und  schlecht  beleuchtet. 

Gleichfalls  ein  Nachtstück.  Die  Szene  sehr  figurenreich.  Maria 
sitzt,  das  Kind  im  Schoß  haltend,  den  Kopf  über  es  gebeugt.  Vor 
ihr  die  Krippe.  Die  Hirten  mit  einem  jugendlichen  Begleiter  links, 
der  ein  totes  Lämmlein  herbeiträgt.  Rechts  die  Alte  mit  den  Eiern 
und  dem  Huhn,  eine  Lieblingsfigur  der  spanischen  Maler. 

Über  ihr  steht  Joseph,  der,  auf  den  linken  Ellbogen  gestützt, 
den  ganzen  Vorgang  beobachtet.     In  den  Lüften  kleine  Engel. 

Auch  hier  wieder  in  der  Komposition  die  zwei  Diagonalen, 
in  deren  Schnittpunkt  das  Köpfchen  des  Kindes  gesetzt  ist.  (Die 
eine  Schräge  vom  Putto  links  über  den  stehenden  Hirten  und  Maria, 
die  andere  vom  Kopf  Josephs  über  die  knieende  Alte.) 

Die  Anbetung  Nr.  441  ebenda  ist  noch  mehr  verdorben  als  339. 


Das  Bild  macht  nicht  den  Eindruck  eines  Originals.  Die  Kompo- 
sition hier  auch  weniger  sorgfältig.  Jedoch  ist  das  Gemälde  kolo- 
ristisch interessant,  weil  eine  Dämmerstimmung  wiedergegeben 
ist.  Für  Ribera  auffällig  ist  der  überaus  heitere  Ton  der  Gesell- 
schaft. Die  Hirten  wie  die  Alte  lachen  fröhlich.  Maria  hier  dar- 
gestellt, wie  sie  das  Kindlein  (das  offenbar  überhaupt  neu  gemalt 
ist)  aufdeckt. 

Eine  Kopie,  anschaulicher  als  das  Original  selbst,  in  Sevilla 
bei  Herrn  Lopez  Cepero. 

Diesen  beiden  Darstellungen  verwandt  ein  Gemälde,  das  nur 
in  zwei  mäßigen  Kopien  auf  uns  gekommen  ist.  Es  befand  sich 
vielleicht  früher  im  Kloster  S.  Isabella  zu  Madrid,  wo  noch  jetzt 
(rechts  vom  Hochaltar)  eine  Kopie  zu  sehen  ist.  Die  andere  im: 
Valencianer  Museum,  aus  der  Sammlung  D.  E.  Pons-For^s. 

Maria  sitzt  hier  rechts,  das  Kind  an  der  Brust,  nach  oben 
blickend,  wo  sich  aus  den  Lüften  kleine  Engel  niedersenken.  Rechts 
von  ihr  Joseph,  vom  ein  Sattel.  Soweit  könnte  das  Bild  aus  einem 
„Descanso"  Riberas  entlehnt  sein.  Nach  links  folgen  pun  die 
Hirten,  der  ganz  links  ein  Mohr;  femer  die  Alte,  die  knieend  die 
Hände  gefaltet  hat,  aber  gar  nicht  bei  der  Sache  ist,  sondern  sich 
nach  uns  umblickt;  oder  soll  ihre  Bewegung  so  zu  deuten  sein, 
daß  sie  den  Beschauer  zur  Verehrung  des  Kindes  auffordert? 

Alle  diese  Darstellungen  überragt  aber  weit  die  Anbetung  der 
Hirten  in  der  Seo  von  Valencia  (Sakristei).  Ein  Halbfigurenbild.  Bez. 
auf  einem  Brett  der  Krippe 

Jusepe  de  Ribera 
F.  1643. 
An  Tiefe  der  Empfindung  und  Größe  der  Auffassung  das  mehr 
virtuosenmäßig  anmutende  Spätbild  des  Louvre  von   1650  gleich- 
falls um  ein  Bedeutendes  hinter  sich  zurücklassend. 

Der  Künstler  hat  sich  hier  wieder  auf  seine  Schlichtheit  be- 
sonnen. Maria,  das  Kind,  die  drei  Hirten,  der  Ochsenkopf;  auf 
jeden  weiteren  Personenapparat  hat  er  verzichtet.  Nur  links  in  der 
Ferne  sieht  man  ganz  leicht  die  Erscheinung  an  die  Hirten  skizziert. 

Schon  die  Gestalt  der  Maria  genügt,  um  das  Bild  zu  einer  der 
bedeutendsten  Leistungen  des  Meisters  zu  machen.    Sie  allein  ist 


123 

gan?  de  face  gesehen,  das  Kopftuch  und  der  weite  Mantel  geben 
ihr  eine  großartige  Silhouette,  die  den  Eindruck  erhabenster 
Ruhe  hervorruft.  Maria  noch  vollkommen  Kind.  Um  so  er- 
greifender wirken  die  großen  braunen,  voll  zum  Himmel  aufge- 
schlagenen Augen :  die  bange  Ahnung  der  Mater  dolorosa.  (Ihre 
.Wimpern  und  Brauen  im  Gegensatz  zu  den  Augen  selbst  schwarz.) 
Mit  ihrer  Rechten  hat  sie  ein  Tüchlein  vom  Körper  des  Kindes 
weggenommen  und  hält  es  sehr  graziös  mit  dem  einen  Zipfel 
zwischen  Daumen  und  Zeigefinger,  während  die  anderen  Finger 
leicht  gekrümmt  und  gespreizt  sind.  Mit  der  Linken  umfaßt  sie  den 
Bambino.  Dem  Maler  ist  es  nun  vorzüglich  gelungen  zu  zeigen,  wie 
Maria  diese  irdische  Beschäftigung  ganz  vergessen  hat  und  sich 
vollständig   ihren   schwermütigen    Gedanken   hingibt. 

Das  Kindlein  in  der  hoch  mit  Stroh  gefüllten  Krippe  auf 
einer  weißen  Windel  liegend,  blickt  in  rührender  Unschuld  lächelnd 
gleichfalls  zum  Himmel.  In  seiner  strahlenden  Heiterkeit  der  stärkste 
Kontrast  zu  Maria.  Der  Bambino  natürlich  der  Lichtspender:  er 
leuchtet  ganz  weiß,  in  dem  dünnen  Halbschatten  leicht  bläulich, 
die  Konturen  hellrot. 

Rechts  vorn  kniet  mit  gefalteten  Händen  der  älteste  Hirt  im 
Profil,  ein  Greis  mit  struppigem  Haar  und  Bart  und  abgearbeiteten 
Händen;  in  warmem  bräunlichem  Ton  modeliert.  Weiter  zurück 
zwischen  ihm  und  Maria  erblickt  man  den  Kopf  des  jungen  Hirten. 
Rechts  steht,  eine  sehr  würdige  Erscheinung,  der  dritte  Hirt,  die 
Rechte  auf  die  Brust  legend. 

In  dieser  Schlichtheit  ist  das  Werk  mit  seinem  hellen  leuchten- 
den Kolorit  eines   der  allersympathischsten  des  Meisters,  i) 

Im  Zusammenhang  mit  den  Navidadbildem  steht  auch  die  so- 
genannte „Höckerfrau"  mit  dem  Huhn  in  der  Hand  und  dem  Eier- 
korb in  Arm.    (München,  Alte  Pinakothek  1285.  h.  0,77,  br.  0,63.) 

Diese  Halbfigur  ist  nichts  weiter  als  eine  Studie  zu  der  be- 
kannten Alten  in  den  Anbetungsbildern.  Nur  darf  sie  nicht  den 
Anspruch  erheben,  für  ein  Originalwerk  Riberas  gelten  zu  wollen. 
Allerdings  ist  die  Studie  mit  feinhaarigem  Pinsel  nach  Art  Riberas 
gemalt,  jedoch  viel  roher,  ohne  in  die  Eigenart  Riberas,  mit  der 

')  Eine  moderne  Kopie  in  der  Colegiata  von  S.  Felipe  de  Jätiba. 


124 

Pinselführung  schon  zu  modelheren,  eingedrungen  zu  sein;  auch 
ist  alles  viel  breiter,  flüchtiger  hingesetzt.  Hart,  wie  die  Federn  des 
Huhns  über  die  das  Tier  packende  Hand  gehen.  Man  fühlt  nicht 
das  Flaumige  der  Federn,  nicht  das  wirkliche  Hineingreifen  der 
Hand  wie  beim  Isaaksegen  des  Meisters. 

Das  Bild  gehört  der  Sevillaner  Schule  an.  (Murillo  liebte 
diese  Figur  sehr;  er  brachte  sie  nicht  nur  in  den  Navidad- 
bildern  (Prado  859.  Berlin)  an,  sondern  auch  in  der  Caselverleihung 
des  hl.  Ildelfons  (Prado  869),  in  der  alten  Händlerin  mit  dem  Gassen- 
jungen (Berlin,  Sammlung  Carstanjen  etc.). 

Zum  Schluß  seien  noch  zwei  Brustbilder  der  Madonna  mit 
dem  Bambino  erwähnt.  Das  eine,  1639  gemalt,  befand  sich  früher 
im  Besitz  des  Duca  di  Bovino  in  Neapel.  Justi  sah  es  noch  und 
gibt  folgende  Beschreibung:  „Ganz  licht  auf  hellem  Grund.  Die 
Madonna  della  Sedia  Vorbild,  jedoch  hier  Maria  ernster,  nachdenk- 
licher. Der  Kopf  des  Kindes  schmiegt  sich  in  die  Bucht  zwischen 
Kinn  und  Hals;  es  sieht  gleichfalls  nach  außen.  Madonna  hat 
hellen  Teint  und  helles  Haar.  Kind  nicht  schön,  obwohl  der  Maler 
sein  Bestes  geben  wollte.  Rechte  Hand  der  Maria  von  unten  ge- 
krümmt ist  unschön  gezeichnet  und  verkürzt.  Linke  Hand  in 
einer  Linie    mit    der  Biegung   des   Handgelenks." 

Das  andere  Bild  im  Louvre  (Sammlung  La  Gaze  1724.  h.  i, — , 
br.  0,85),  eine  Madonna,  die  das  an  ihrer  Brust  eingeschlafene 
Kind  in  die  Krippe  legen  will,  macht  nicht  den  völlig  überzeugen- 
den Eindruck  eines  Originals.  Das  Gemälde  könnte  1642  ungefähr 
entstanden  sein.  In  dem  Aufschlag  der  großen  Augen  erinnert 
Maria  an  die  der  Valencianer  Seo.  Befremdend  wirkt  die  starke 
Neigung  des  Kopfes  auf  die  linke  Seite. 


Wie  uns  schon  die  Philosophen-,  die  Apostelbilder  und  der 
Prophetenzyklus  in  S.  Martino  zeigten,  hat  auch  die  Einzelfigur 
in  dieser  Periode  bei  Ribera  ihre  Pflege  gefunden. 

Vor  allem  genannt  sei  das  Porträt  eines  Maestro  al  cembalo 


125 

im  Besitz  des  Grafen  Gregor  Stroganoff  in  Rom.  (h.  0,76,  br.  0,61 
Abb.  35)  bezeichnet 

Jusepe  de  Ribera 
F.  1638. 

Das  Brustbild  stammt  aus  dem  Besitz  der  Gräflichen  Familie 
Potocki,  die  es  wiederum  mit  anderen  Gemälden  als  Geschenk 
Augusts  III.   von  Polen-Sachsen  erhalten  haben  soll.i) 

Das  Gemälde  war  ursprünglich  sicher  ein  Kniestück,  gab  viel- 
leicht sogar  die  ganze  Gestalt  wieder:  der  linke  Arm  und  die  linke 
Hand,  die  den  großen  Stab  hält,  sind  nicht  mehr  sichtbar. 

Den  Körper  etwas  nach  rechts  gedreht,  Kopf  fast  de  face, 
sieht  uns  der  im  besten  Mannesalter  stehende  Maestro  an.  Er 
trägt  einen  dunklen  Vollbart,  das  dichte  dunkle  Haupthaar  ist 
wirr.  Seine  Kleidung  äußerst  schlicht.  In  der  bis  zur  Brust  er- 
hobenen Rechten  hält  er  eine  Notenrolle^),  seine  Linke  umfaßt 
einen  langen  Stock  mit  eigenartigem  Metallende;  für  einen  Violin- 
bogen ist  er  zu  lang,  für  einen  Cellobogen  erst  recht,  ein  Takt- 
stock kann  es  nicht  sein,  denn  dieser  ist  erst  eine  Errungenschaft 
des  19.  Jahrhunderts,  von  Karl  Maria  v.  Weber,  eingeführt ;  zudem 
würde  er  ihn,  ebenso  wie  einen  Bogen,  in  der  rechten  Hand  halten. 
Wenn  er  taktiert,  so  bedient  er  sich  der  Rolle  in  seiner  Rechten. 

Schade,  daß  wir  so  gar  nichts  wissen,  wer  dieser  Künstler  mit 
den  dunklen  Augen,  dem  ernsten,  leicht  schwermütigen  Ausdruck 
ist,  dessen  Wesen  eine  natürliche  Vornehmheit  atmet.    Ein  Spanier? 

Auf  jeden  Fall  dürfen  wir  in  ihm  Riberas  bestes  uns  erhaltenes 
männliches  Porträt  erblicken. 

In  das  vorangehende  Jahr  1637  fällt  ein  Porträtwerk,  über 
dessen  Persönlichkeiten  gleichfalls  leider  keine  letzte  Klarheit 
herrscht;  es  ist  dies  das  vor  zwei  Jahren  aus  einer  Sammlung 
französischen    Ursprungs    ins    Schweriner    Museum    gelangte    Ge- 

')  Dem  Grafen  G.  Stroganoff  sei  auch  an  dieser  Stelle  für  seine  liebenswürdigen 
Mitteilungen  wie  für  die  Reproduktionserlaubnis  des  Gemäldes  bester  Dank  gesagt. 
')  Daß  sich  auf  der  Rolle  das  5,  6  und  9  zeilige  Notensystem  befindet,  darf  nicht  be- 
fremden. Die  Einigung  auf  das  fünfzeilige  erfolgte  erst  Ausgangs  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts. 


126 

mälde    „Ein    spanischer  Edelknabe    mit    seinem   Schutzheiligen^) 
(h.    1,26,  br.   1,02  Abb.  36)  bez. 

Jusepe  de  Ribera 
espanol  ,F, 

1637 
Das  Bild  hat  durch  Übermalungen  die  sich  bis  auf  Änderung 
der  Signierung  (espanoletto !)  erstreckten  und  von  denen  es  erst 
in  jüngster  Zeit  befreit  worden  ist,  stark  gelitten;  namentlich  der 
Knabenkopf,  bei  dem  eine  gewisse  Leerheit  unangenehm  auffällt. 
Das   Gemälde   war   wohl   ursprünglich   größer. 

Ein  graubärtiger  heiliger  Bischof,  dessen  Haltung  sich  nicht 
genau  bestimmen  läßt,  blickt,  seine  Linke  auf  den  Rücken  des 
Knaben  legend,  mit  erhobener  Rechten  nach  links  oben,  den  jungen 
Edelmann  dem  Schutz  des  Himmels  empfehlend.  Über  weißem, 
spitzenbesetztem  Unterkleid  trägt  er  eine  weiße  dunkelgelbgefütterte 
Brokatkasel.  Links  hinter  ihm  ein  Bischofsstab;  die  Statuette  darin 
erinnert  an  den  Zeus  der  Andreasmarter.  Vom  Stab  hängt  ein 
Fischnetz  herab,  was  den  Heiligen  wohl  als  den  hl.  Petrus  Gon- 
zalez (der  allerdings  kein  Bischof  war)  charakterisieren  soll.  Der 
Edelknabe,  sicher  ein  junger  Spanier,  vielleicht  ein  Mitglied  des 
Hauses  der  Medina  de  las  Torres,  ist  als  Halbfigur  sichtbar;  Kopf 
de  face,  ruhig  geradeausblickend  hat  er  die  —  vorzüglich  gemalten 
—  Hände  auf  einen  mächtigen  Zweihänder  gelegt.  Er  trägt  einen 
hellbraunen  Rock  mit  kirschrotleuchtenden  geschlitzten  Ärmeln  und 
einen  Eisenkragen.    Die  Karnation  ziemlich  hell,  bläuliche  Schatten. 

Die  fortschreitende  Verinnerlichung  der  Kunst  des  Meisters 
läßt  sich  aber  nirgends  besser  verfolgen,  als  in  seinen  Hieronymus- 
bildem. 

Zuerst  sei  das  maßlos  gedunkelte  Gemälde  in  der  Ac.  S. 
Fernando  erwähnt,  das  vielleicht  schon  im  Laufe  der  zwanziger 
Jahre  entstanden  ist.  Der  Greis  de  face  gesehen,  eine  große, 
hagere   Gestalt;    er    sitzt,   hält    in    der    Linken   ein   großes    Perga- 

')  Herrn  Museumsdirektor  Prof.  Dr.  Steinmann  für  seine  liebenswürdigen  Mit- 
teilungen wie  die  gütige  Überlassung  seiner  Gemäldeaufnahme  für  die  beigegebene  Ab- 
bildung auch  an  dieser  Stelle  herzlichsten  Dank. 


Tafel  XXVII 


Phot.   StrogoDott 


Abb.  35 


PORTRÄT  EINES  MAESTRO  AL  CEMBALO 
Graf  Stroganoff 


Rom 


Tafel  XXVIII 


Abb.  36 

EIN  SPANISCHER  EDELKNABE  MIT  SEINEM  SCHUTZHEILIGEN 

Schwerin     Museum 


127 

ment,  in  der  Rechten  eine  Feder,  mit  der  er  auf  ein  Blatt  eine 
Bemerkung  schreibt.  Dieser  rechte  Arm  mit  der  federhaltenden 
Hand  ist  ein  Meisterstück  der  Modellierung. 

Aus  dem  Jahre  1637  stammt  der  wenig  edle  Hieronymus  des 
Museo  provincial  in  Murcia.  Der  Heilige,  eine  hohe  kräftige  Gestalt, 
nackt  bis  auf  das  Lendentuch.  Weiße,  kurze  Haare.  Der  Körper 
in  Seitenansicht;  der  linke  Arm  ausgestreckt,  nach  einem  ge- 
schlossenen Buch  greifend.  In  der  erhobenen  Rechten  hält  er  die 
Feder  zum  Schreiben  bereit.  Er  blickt  aus  dem  Bild,  seine  Augen 
jedoch  sind  beschattet. 

Beträchtlich  höher  schon  steht  der  Hieronymus  bei  Herrn  Luis 
de  Navas  in  Madrid  (h.  2,10,  br.  1,50),  bez. 
Jusepe  de  Ribera 
espafiol  F.  1638. 

Der  sehnige  Greis  sitzt  auf  einem  Stein  an  einer  Berglehne; 
Körper  in  Dreiviertelansicht,  das  linke  Bein  vor-,  das  rechte  zurück- 
gesetzt. Die  Rechte  auf  der  Brust,  in  der  Linken  ein  Holzkreuz 
haltend,  wendet  er  den  Blick  zum  Himmel:  der  reuige  Büßer. 
Bekleidet  ist  er  mit  einem  roten  Mantel,  der  jedoch  den  größten 
Teil  des  Körpers  freiläßt. 

Links  Ausblick  in  eine  hügelige  Landschaft.  Vorn  rechts  der 
Löwenkopf,  am  Boden  rechts  ein  Pergament  und  ein  Schädel. 

Mehr  durchgeistigt  die  Halbfigur  in  der  Galerie  Crespi  in 
Mailand  (h.   1,21,  br.   i, — );  bez. 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
F.  1640. 

Hieronymus  steht  hier  hinter  einem  Tisch,  auf  dem  zwei  Bücher 
und  eine  Feder  liegen.  Von  vom  gesehen,  richtet  er  die  Augen 
zum  Himmel.  Mit  der  linken  hält  er  einen  Schädel  gegen  die  Brust 
und  faßt  mit  der  Rechten  einen  Stein  auf  dem  Tisch,  um  sich  da- 
mit zu  schlagen.  Bekleidet  mit  einem  roten  Mantel,  der  die  rechte 
Schulter  freiläßt.i) 

Eine  kleine  Variante  das  Gemälde  der  Galerie  Corsini  (Nazio- 
nale)  in  Rom.  Nr.  182,  gleiche  Größe,  vielleicht  gleichfalls  Original. 

•)  Vergl.   Venturi,   La  Galleria  Crespi  a  Milano.      1900.     S.   297  ff. 


128 

Der  Blick  ist  hier  gesenkt,  auf  den  Schädel  gerichtet,  den  der 
Heilige  in  beiden  Händen  hält;  auf  dem  Tisch  mehr  Bücher. 

Echt  wohl  auch  der  Hieronymus  der  Brera,  der  vor  allem 
im  Gewand  (Hemd  und  Mantel)  stark  durch  Restauration  gelitten 
hat.  Der  Heilige  hier  in  Dreiviertelansicht  nach  rechts,  den  Schädel 
betrachtend,  den  er  in  der  Linken  hält. 

Die   Halbfigur   eines    büßenden    Hieronymus,    de   face,   hinter 

einem    Tisch    ruhig    auf    ein    Holzkreuz    blickend,  das    er    in    der 

erhobenen  Rechten  hält,  ist  uns  in  einem  Nachstich  erhalten.   Auf 

dem  einen  auf  dem  Tisch  liegenden  Pergament  liest  man 

Jusepe  de  Ribera  es 

pafiol   F.   1642 

Die  Unterschrift  des  Stiches  lautet 

Gius.  Magni  dis.     Carlo  Fauci  sc. 
Alto  Palmi  6  once  2   Largo  Pal.  4  oncc   10. 

Das  Original  ist  verschollen. 

Ein  anderes  Kniestück  aus  Besitz  von  Baron  Leon  de  Bussi^res 
war  in  der  Exposition  pour  L'Alcass-Lorraine  im  Palais  Bourbon 
ausgestellt.  Das  Bild  stammte  aus  der  Galerie  des  Grafen  Pour- 
tales  und  ist  von  Roman  Bayeu  radieit  worden. i)  (Eine  alte  Kopie 
in   der   Cap.    S.   Jos6   der   Sevillaner   Kathedrale.) 

Dem  Bild  bei  Herrn  Navas  verwandt  Nr.  297  der  Galerie 
Doria  Pamphili  in  Rom;  ein  Schulbild;  ähnlich  auch  Cadiz,  Mus. 
prov.  Nr.  44,  gleichfalls  Schulgut. 

(Von  anderen  Schulbildem  seien  voV  allem  Berlin,  Kaiser-Fried- 
rich-Museum 403  und  das  Gemälde  im  Palazzo  Durazzo  in  Genua 
genannt.) 

Am  höchsten  aber  von  den  Hieronymusdarstellungen  aus  die- 
ser Periode  steht  die  mit  großer  Verve  gemalte  Studie  im  Prado 
994.     (Halbfigur,  h.    1,09,  br.  0,90  Abb.  37),  bez. 
Jusepe  de  Ribera  espafiol 
1644. 

Der  Heilige  mit  dem  Körper  in  Dreiviertelansicht,  Kopf  im 
Profil  nach  links,  die  Hände  vor  der  Brust  gekreuzt,  vor  einem 
Tisch  mit   Schädel  und  Pergamen.     Ein  großer  —  in  der  Skizze 

')  Vergl.  auch  Paul  Mantz,  La  gallcrie  Pourtales.     Gaz.  d.  Beaux-Arts  1865.     S.  100. 


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stecken  gebliebener  —  roter  Mantel  um  ihn  drapiert,  der  linkel 
Schulter  und   Brust  freiläßt. 

Wie  veredelt,  wie  durchgeistigt  dieses  Antlitz  gegenüber  dem 
der  Radierung  von  1622!  Wie  leicht,  wie  frei  und  kühn  in  der 
Technik,  vor  allem  in  der  Behandlung  der  Hände  im  Vergleich 
zu  den  Bildern  von  1628  und  1629.  Nicht  nur  Plastik  ist  hier 
erreicht,  sondern  man  fühlt  auch  Luft,  wirklichen  Raum;  wie  sich 
z.  B.  die  Hände  gegen  Brust  und  Mantel  abheben. 

Auf  fast  gleicher  Höhe,  was  den  Ausdruck  anlangt,  die  durch- 
geführtere  Halbfigur  in  Turin  (h.  0,96,  br.  0,74),  die  aus  Sara- 
gossa stammen  soll.  Der  Heilige,  de  face,  in  rotem  Mantel,  der 
rechte  Schulter  und  Arm  freiläßt,  in  der  Linken  den  Schädel 
haltend,  mit  der  Rechten  einen  Stein  gegen  die  Brust  schlagend. 
Den  Mund  leicht  geöffnet,  richtet  der  graubärtige  Büßer  seine 
großen  glänzenden  Augen  gen  Himmel,  das  Haupt  leicht  auf 
seine  linke  Seite  neigend.     Kopie  im  Escorial  (Sakristei). 

Der  gleichfalls  in  der  Sakristei  des  Escorial  sich  befindende, 
kläglich  am  Boden  liegende  Hieronymus,  der  die  Arme  empor- 
streckt, kann  wohl  mit  seiner  schmutziggrauen  Färbung  nicht 
als    Originalwerk    betrachtet    werden. 

Eine  richtige  „pintura  de  borrones"  ist  die  Halbfigur  des 
Hieronymus  in  Lille.  (644,  h.  0,78,  br.  0,65.)  Vielleicht  in  Riberas 
Werkstatt  entstanden.  Eine  plumpe  Fälschung  die  Signatur  auf 
dem   Schädel : 

1643 
Jusepp.  (!)  De  (!)  Ribera 
C  F-° 
Gar   nichts    mit    Ribera    zu    schaffen    hat    der   gemütlich    stu- 
dierende, mit  einem  Nimbus  gekrönte  Heilige  Nr.   56  der  Galerie 
Borghese    in    Rom.     Dieser   gute   Alte    ist    eine    Schöpfung    eines 
Caravaggioschülers . 

Als  das  Werk  eines  deutschen  Nachahmers  ist  schon  seit  län- 
gerer Zeit  Nr.    1290  der  Münchener  Pinakothek  erkannt   worden. 
Den  Hieronymusbildern  sehr  nahe  verwandt  sind  die  Gemälde, 
die   Paulus   als   den  ersten  Eremiten   verherrlichen. 

Dieser  fromme  Einsiedler  hatte  vom  hl.  Hieronymus  eine  be- 
Mayer,  Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  n 


I30 

geisterte  „Vita"  erhalten,  in  der  der  Lieblingsheilige  unseres  Malers 
u.  a.  gesagt  hatte :  „Vos  gemma  bibitis,  ille  naturae  concavis  mani- 
bus  satisfecit.  Vos  in  tunicis  aurum  texitis,  ille  ne  vilissimum 
quidem  indumentum  habuit  ....  Paulus  vilissimo  pulvere  cooper- 
tus  iacet  resurrecturus  in  gloriam :  vos  operosa  saxi  sepulcra  pre- 
munt  cum  vestris  opibus  arsuros." 

Vielleicht  gaben  diese  Sätze  den  Anlaß  zu  Riberas  Paulus- 
darstellungen. 

Das  Hauptbild  kommt  in  mehreren  Repliken  vor :  Louvre, 
Turin  (326),  Valencia,  Prado  (1012a).  Sicher  echt  nur  das  Pariser 
Bild,  (Louvre  1723,  h.  1,54,  br.  0,99),  das  jedoch  recht  gelitten  hat. 

Bezeichnet :  Jusepe  de  Ribera  espanol  .... 

Vielleicht  auch  das  recht  tüchtige  Turiner  Exemplar  eigen- 
händige  Arbeit    (2,04x1,47);    die   anderen    mittelmäßige    Kopien. 

Der  Heilige  sitzt  am  Eingang  seiner  Höhle  auf  einem  Fels- 
block in  Dreiviertelansicht  nach  rechts.  Aufblickend  hält  er  in 
den  gefalteten  Händen  den  Rosenkranz;  seine  einzige  Kleidung 
das  Strohgeflecht,  welches  seine  Lenden  umschließt.  Rechts  Aus- 
bück in  eine  hügelige  Landschaft.  In  den  Lüften  der  Rabe,  der 
dem  Einsiedler  die  Nahrung  bringt. 

Entstanden  wohl  Anfang  der  dreißiger  Jahre.  Aus  derselben 
Zeit  die  Halbfigur  im  Prado  1006,  ein  hl.  Anachoret  genannt 
(h.  1,18,  br.  0,98,  Abb.  40).  Davon  eine  Kopie  im  Escorial 
(Sakristei).  Der  Heilige  im  Profil,  betend  mit  gefalteten  Händen 
auf  ein  Buch  blickend,  das  vor  ihm  auf  dem  Steintisch  liegt 
(darauf  auch  Brot  und  Schädel);  bekleidet  nur  mit  einem  Stroh- 
geflecht um  die  Hüften.  Was  man  vielleicht  am  meisten  bewundert, 
ist  die  prachtvoll  durchmodellierte  Rückenpartie;  jedoch  auch  die 
sonstige  Modellierung,  vor  allem  die  des  Armes  ist  hervorragend. 
Die  Hände  ziemlich  derb  hingehauen.  Das  Kolorit  noch  schwer, 
namentlich  Wange,  Nase  und  Ohr  stark  rotbraun,  ein  Versuch, 
das  Fleisch  bei  durchscheinendem  Licht  wiederzugeben. 

Den  dreißiger  Jahren  gehört  auch  der  Paulus  der  Dresdener 
Galerie  an  (87),  (h.  2,04,  br.  1,50). 

Bez.  links  unten 

Jusepe  de  Ribera   F. 


131 

Das  Bild  hat  sehr  gelitten,  von  einer  argen  Übermalung  ist 
es  vor  einigen  Jahren  befreit  worden. 

Der  Heilige  hier  knieend  in  ganzer  Figur  nach  links,  Rosen- 
kranz in  den  Händen.  Rechts  oben  erscheint  der  Rabe  mit  dem 
Brot. 

Eine  Nachahmung  die  Halbfigur  der  Sammlung  Carstanjen, 
Berlin  (mit  plump  gefälschter  Signierung  auf  dem  Buchrücken 
Jusepe  de  Ribera  F  1647). 

Das  Bild  hat  etwas  weiches,  süßliches,  im  Ausdruck  Ribera 
ganz  fremdes.  Auch  in  der  technischen  Behandlung  nicht  ener- 
gisch genug. 

Der  Anachoret,  Prado  1007  (h.  1,28,  br.  0,93),  ein  sicheres 
frühes  Werk.  Stark  gedunkelt.  Der  bärtige  Greis,  von  vorn  ge- 
sehen, heftet  den  Blick  auf  das  Kreuz  in  seiner  Rechten  und  er- 
greift mit  der  Linken  einen  Stein,  um  sich  zu  peinigen.  Das  In- 
karnat stark  bräunlich,  vor  allem  im  Gesicht. 

Mit  dem  Eremiten  Paulus  vielfach  verwechselt,  bald  auch  Pro- 
cop  oder  Hieronymus  genannt  wird  der  hl.  Onuphrius,  jener  fromme 
Einsiedler,  dessen  Körper  dicht  behaart  ist  und  der  als  einzige 
Kleidung  einen  Gürtel  von  Eichenblättern  trägt. 

Riberas  Darstellung  aus  dem  Jahre  1637  erfreute  sich  großer 
Beliebtheit.  Das  Original  in  der  Petersburger  Eremitage  334 
(h.  1,04,  br.  1, — ,  Abb.  39),  bez. 

Jusepe  de  Ribera  espafiol  F. 
1637 
eigenhändige  Wiederholung  vielleicht  auch  das  Dubliner  Exem- 
plar (32  X  26V2  inches).  Ein  Halbfigurenbild.  Der  Heilige  in  Drei- 
viertelansicht nach  rechts  blickt  mit  erhobenen  gefalteten  Händen, 
die  einen  Rosenkrranz  halten,  zum  Himmel.  Vor  ihm  auf  dem 
Tisch  Totenkopf,  Zepter  und  Krone. i) 

Das  Dubliner  Bild^)  zeigt  einige  Varianten;  vor  allem  leichte 
Änderung  in  der  Haltung  der  Hände;  Mittelglatze;  die  Augen  nicht 
wie  in  Petersburg  beschattet.    Nach  dieser  Fassung  Kopien  in  der 

')  „Von  ungemein  in  das  Einzelne  gehender  Individualisirung,  doch  etwas  blasser. 
Farbe."  Waagen,  Die  Gemäldesammlung  i.  d.  Eremitage  zu  St.  Petersburg.  S.  104 
')  Vergl.    den  Aufsatz  L.  Salazars   in  Nap.   Nob.   XIX.      153 — T56,    wo    auch  Abbildung. 

9* 


132 

Münchener  Pinakothek  (1285)  und  in  Kopenhagen  (mit  ganz  grob 
gefälschter  Signierung  Jusepe  de  Ribera  F.   1630). 

Höher  als  das  Petersburger  Bild  steht  das  Gemälde,  das  sich 
früher  bei  Lord  Dudley  befand.    Bez. 

Jusepe  de  Ribera  es 
panol  F.   1642 

„Der  Greis  mehr  als  bloßes  Modell;  edel  in  Haltung  und  Blick. 
Dieser  ist  sanft,  ruhig,  gesammelt,  wie  einer  sicheren  Seligkeit 
entgegensehend.  Haar  und  Bart  weiß.  Die  Rechte  auf  einen  Stab 
gestützt,  in  der  Linken  fest  erhoben  ein  Kreuz.  Rechts  Toten- 
kopf und  Rosenkranz."    (Justi.) 

Aus  dem  Jahre  1640  stammt  das  Bild  des  hl.  Franziskus  von 
Paula.    Früher  in  Pau.    Bez. 

Jusepe  de  Ri 

bera  espanol 

1640.  F 

„Stirn,  Augen  und  das  halbe  Gesicht  von  der  Kapuze  be- 
schattet, aber  in  bräunlichem  Helldunkel,  das  an  ähnliche  Halb- 
schatten Rembrandts  erinnert.  Auf  einem  Blatt,  das  er  in  der 
Hand  hält,  liest  man  ,Charitas'.  Eine  Kopie  mit  gefälschter  Firma 
(1645)  ii^  rötlichem  Ton  bei  D.  Nuiiez."     (Justi.) 

Eine  Variante  dieses  leider  nicht  mehr  auffindbaren  Bildes 
in  Petersburg.  Erem.  336  (h.  0,72,  br.  0,58).  Nach  rechts  ge- 
wandt, die  Kapuze  über  dem  Kopf  wie  in  Pau  stützt  sich  der 
Heilige  mit  der  Linken  auf  einen  Stock,  während  er  mit  der  Rechten 
ein  Buch  gegen  die  Brust  hält,  auf  dem  man  ^^g  "  liest.  Das 
Bild  stammt  aus  der  Toledaner  Kathedrale  und  scheint  eigenhän- 
dige Arbeit  zu  sein.^) 

Ein  ähnliches  Bild  war  früher  im  Wiener  Belvedere  ausgestellt 
(gestochen  von  Preuner).  Kopie  in  Granada,  Gap.  de  la  Trinidad 
der  Kathedrale. 

Das  Thema  der  Befreiung  Petri  ließ  auch  unser  Maler  nicht 

')  Möglicherweise  jedoch  nur  gute  Kopie ;  Waagen  glaubte  nicht  an  die  Eigenhändig- 
keit. „Der  bräunliche  Ton  ist  für  Ribera  etwas  schwer,  das  Gefühl  der  Andacht  auf- 
fallend milde."  (Die  Gemäldesammlung  i.  d.  Erem.  S.  104.)  Für  die  Echtheit  hat  sich 
zuletzt  Bode  im  Petersburger   Galeriewerk   ausgesprochen. 


Tafel  XX^ 


Abb.  42     DER  HL.  FRANCISCUS  AUF  DEN  DORNEN     Dresden 


133 

unbehandelt.  Es  war  ihm  dabei  aber  nicht  nur  um  das  rein  Male- 
rische, den  Lichtglanz  in  der  dunklen  Kerkerzelle  zu  tun,  ihn 
interessierte  vielmehr  in  erster  Linie  das  psychische  Moment :  das 
Momentane  des  Vorgangs,  das  plötzliche  Auffahren  des  Ahnungs- 
losen, das  Wunder.  Es  wurde  auf  dieses  Werk  ja  schon  bei  der 
Besprechung    von    Ribaltas    „Extase  des    hl.    Franz"    hingewiesen. 

Das  Bild  im  Escorial  (Sakristei,  Abb.  41)  zeigt  uns  den  Heiligen 
durch  die  himmhsche  Erscheinung  vom  Schlaf  aufgeschreckt.  Als 
Lager  diente  ihm  der  Fliesenboden,  der  Kopf  ruhte  auf  hartem 
Pfühl.  Der  Überraschte  stützt  sich  mit  der  Rechten  auf  den  Boden, 
die  Linke  liegt  auf  der  Erhöhung;  den  Kopf  hat  er  jäh  umgewendet 
und  lauscht  nun  mit  leicht  geöffnetem  Mund  den  Worten  de? 
Engels.  Dieser  ist  in  einer  Lichtwolke  herangebraust;  nur  sein, 
Oberkörper  ist  sichtbar,  weit  sind  seine  mächtigen  Schwingen  aus- 
gebreitet. Seine  Linke  ruht  auf  der  Wolke,  mit  der  ausgestreckten 
Rechten  weist  er  hinaus,  in  die  Freiheit. 

Das  Ganze  von  einer  überaus  packenden  Anschaulichkeit. 

Sehr  dem  Escorialbild  verwandt  das  Gemälde  Prado  987, 
(h.   1,77,  br.   2,32),  bez.  links 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
/.   1639 
Sehr  stark  übermalt,  vor  allem  Petrus  selbst.    Dieser  in  blau-grünem 
Rock  und  gelbem  Mantel,  der  Engel  in  Gelb  und  Dunkelviolett  ge- 
kleidet. 

Viel  trockener,  derber  ist  der  gleiche  Gegenstand  in  dem  Dres- 
dener Bild  behandelt.     684  (h.    1,76,   br.   2,26),   bez.   rechts  unteii 
Jusepe   de  Ribera  espaiiol   F.    1642.^) 

Der  Heilige  hat  hier  die  Rechte  erhoben  zum  Zeichen  des 
Erstaunens,  die  Linke  ruht  auf  der  Brust  (also  höchst  typische 
Bewegungen).  Die  Füße  hier  noch  in  eisernen  Banden,  während 
die  Ketten  von  den  Händen  bereits  abgesprungen  sind.  Der  Engel 
hier  greifbarer,  eine  viel  weniger  hohe,  himmlische  Erscheinung; 
er  berührt  mit  der  Linken  leise  den  Greis,  während  er  mit  der. 
Rechten  ins  Freie  weist.  Die  Erscheinung  wirkt  nüchtern.  Man 
sieht  den  ganzen  Körper  des  Engels,  der  mit  dem  Leib  auf  der 

')  Im  letzten  Galeriekatalog    durch    einen  Druckfehler   1641   angegeben. 


134 

Wolke  ruht,  wie  das  Modell  im  Atelier  auf  einem  Kissen  gelegen 
hat.  Ganz  sicher  sind  bei  diesem  Werk  Gehilfenhände  beteiligt. 
Darauf  weist  auch  die  langweilige,  leere  Behandlung  des  Gewandes. 
In  der  Ausführung  der  derben  Hände  wie  des  Gesichtes  (Nasel) 
zeigt  sich  ein  Talent  zweiten  Ranges. 

In  der  Galerie  Borghese  Rom  eine  mäßige  Nachahmung  Riberas 
von  der  Hand  P.  Fr.  Molas. 

Ein  wenig  besser  als  mit  dem  Petrus  steht  es  mit  dem  Pendant 
in  Dresden,  „Dem  hl.  Franz  auf  dem  Dornenlager  erscheint  ein 
Engel".    685  (h.  1,71,  br.  2,225,  Abb.  42). 

Auffällig  der  jüdische  Gesichtstypus  des  Heiligen.  Den  Kopf 
im  Profil  wendet  er  sich  mit  ausgestreckter  Rechten  nach  dem 
Engel,  der  ihm  auf  einer  Wolke  naht,  und  mit  der  Linken  in  die 
Ferne  zeigt.  Der  jugendliche  Franciskus,  der  einen  schwachen 
Vollbart  trägt,  ist  nur  mit  einem  braunen  Lendenschurz  bekleidet. 
Seine  ganze  Haltung  hat  etwas  Gequältes,  Lahmes,  namentlich  in 
den  Armen  etwas  Gezwungenes  und  Steifes.  Der  Engel,  eine  Variante 
des  Petrusbefreiers,  etwas  besser. i)  Das  einzige  wirklich  an  Ribera 
Gemahnende  ist  die  Leuchtkraft  des  bleichen  Franciskuskörpers. 
Sonst  aber  kann  man  dieser  beiden  Werke  nicht  sonderlich  froh 
werden. 

Viel  früher  entstanden  ist  die  „Stigmatisierung  des  hl.  Franz" 
in  der  Sakristei  des  Escorial;  ein  sehr  grob  gemaltes  Bild,  das 
starke  Zweifel  an  der  Eigenhändigkeit  erregt.  (Eine  eingehende 
Prüfung  ließ  sich  leider  nicht  bewerkstelligen.) 

Ein  Meisterstück  der  Charakterisierungskunst  ist  aber  die  Halb- 
figur des  hl.  Franziskus  im  Palazzo  Pitti  73  (Abb.  44),  bez. 
Jusepe  de  Ribera 
espanol  1643. 

Das  Jahr  sagt  schon  genug.  Der  Heilige,  de  face  gesehen, 
mit  dünnem  schwarzem  Vollbart,  in  seine  braune  Kutte  gehüllt, 
blickt  zum  Himmel  empor,  mit  beiden  Händen  einen  Schädel  hal- 
tend. Die  Augen  rotumrändert.  Der  Ausdruck  ernst,  schmerzlich, 
wehmütig.     Doch    läßt    dies    der   Meister   mehr   ahnen   als   sehen. 

*)  Der  Engel  benutzt  von  einem  Nachahmer  im  „.\brahamsopfer"  der  Gallerie 
Harrach  in  Wien. 


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135 

Er  kommt   uns   nicht   grob,  auch  nicht  süßHch  sentimental.     Die 
stille  Größe  ist  es,  die  uns  hier  ergreift. 

Gemalt  mit  höchster  Sorgfalt,  ohne  ins  Kleinliche  zu  geraten. 

Angesichts  dieses  Werkes  ist  es  rätselhaft,  wie  man  den  ver- 
blasenen,  sentimentalen  Franziskuskopf  im  Palazzo  Reale  zu  Genua 
Ribera  zuweisen  konnte. 

Sehr  würdig  der  hl.  Joseph   mit  dem  Blütenstab,   leider  jiur 
in  einer  Kopie  erhalten  (Galerie  Harrach  in  Wien),  bez. 
Jusepe  de  Ribera  es 
spanoletto  (!) 
F.  1644. 

Der  dunkelbärtige,  langhaarige  Heilige,  im  besten  Mannesalter 
uns  gegenübertretend,  blickt  uns,  das  Gesicht  de  face,  an,  während 
der  Körper  leicht  nach  rechts  gedreht  ist.  In  der  Linken  hält  er 
den  Blütenstab,  dessen  unteres  Ende  er  auf  die  rechte  Hand  ge- 
setzt hat.  Gekleidet  ist  er  in  einen  einfachen  dunklen,  oben  ani 
Hals  ausgeschnittenen  Rock,  über  die  linke  Schulter  fällt  ein  Mantel. 
Das  Bild  wirkt  außerordentlich  feierlich. i) 

Das  Brustbild  eines  greisen  Joseph  mit  Blütenstab  in  der 
Dubliner  National  -  Galerie  hat  bereits  Salazar  als  Werk  eines 
Schülers,  vielleicht   des   Giordano,   erkannt.^) 

Gleichfalls  aus  dem  Jahre  1644  stammt  der  „Johanneskopf 
auf  einer  Schüssel"  in  der  Ac.  S.  Fernando  zu  Madrid.  126/493. 
Bez.  rechts  unten 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
1644 
Der  Kopf  des  Täufers,  schwarzhaarig  und  bärtig,  ruht  auf  einer 
Schüssel,  die  auf  einem  Felsentisch  steht;  dabei  ein  weißes  Tuch 
mit  Blutflecken  und  das  Richtschwert.  Rechts,  fast  ganz  ver- 
schwindend, ein  Holzkreuz.  Das  bleiche  Antlitz  von  großer  Leucht- 
kraft, sieghaft  noch  im  Tode  Licht  verbreitend.^) 

')  Der  Kopf  copiert  im  Museum  von  Marseille  (früher  Chäteau  Borely)  dort  Jacobus 
genannt.  Falsch  bezeichnet  Jusepe  de  Ribera  espanolet(l)  ^)  In  dem  bereits  zitierten 
Aufsatz.  ')  Ein  ähnliches  Bild  soll  sich  im  Besitz  des  Principe  Gaetano  Filangieri  in 
Neapel  befunden  haben.  Etwas  anders  das  Thema  von  einem  Nachahmer  behandelt: 
„Der  Scharfrichter  zeigt  das  Haupt  des  Johannes."     München   Pinakothek   1289. 


136 

I  II. 

Alles  aber,  was  der  Künstler  in  jenen  Jahren  errungen:  Licht- 
malerei, monumentale  Größe,  verbunden  mit  Schlichter  Innigkeit  und 
spanischer  Herbheit,  das  zeigt  vereint  die  „hl.  Agnes"  aus  dem' 
Jahr  1641  in  der  Dresdener  Galerie.  (683,  h.  2,02,  br.  1,52,  Abb. 
45,  46.)    Bez. 

Jusepe  de  Ribera  espanol 
F.  1641. 
Nach  rechts  gewandt  kniet  die  junge  Heilige,  die  Beine  im  Profil, 
Oberkörper  jedoch  nach  vorn  gedreht,  Kopf  de  face,  leicht  auf 
die  rechte  Seite  geneigt ;  sie  kniet  mit  gefalteten  Händen,  die  Augen 
nach  oben  gerichtet,  von  ihrem  langen  Haare  bis  zu  den  Knieen 
umflossen  auf  dem  Fliesenboden  ihrer  Zelle,  die  ganz  von  goldenem 
Wolkennebel  erfüllt  ist.  Links  oben  der  Engel,  der  die  Heilige 
mit  einem  weißen  Tuch  bekleidet;  der  Engel  hält  den  oberen 
Zipfel  des  Lakens,  während  der  untere  von  der  Heiligen  zwischen 
Brust  und  rechtem  Arm  (im  Winkel  von  Ober-  und  Unterarm) 
festgehalten  wird. 

Die  richtige  Deutung  des  Bildes,  das  früher  als  eine  Maria 
Egyptiaca  ausgelegt  wurde,  ist  Justi  gelungen.^) 

Eine  feierliche  Stimmung.  Körperlich  dadurch  erreicht,  daß 
die  Heilige  in  der  denkbar  breitesten  Ansicht  wiedergegeben  worden 
ist,  ferner  durch  die  ruhige  Fläche  des  Lakens  und  die  große, 
geschlossene  Silhouette;  malerisch  durch  das  Lichte,  Strahlende 
des  Ganzen,  psychisch  durch  Gebärde  und  Ausdruck  der  stillen 
Anbetung  und  Dankbarkeit. 

Wunderbar  wirkt  die  echt  spanische  Vereinigung  von  Himm- 
lischem und  Irdischem.  Wäre  nicht  der  Fliesenboden,  so  glaubte 
man  in  goldenen  Himmelsregionen  zu  weilen,  aus  einer  lichten 
Wolke  die  Heilige  hervorstrahlen  zu  sehen. 

*")  Carl  Justi  „Die  Heiligen  Magdalena  und  Agnes  von  Ribera  und  Giordano". 
Zeitschrift  für  christl.  Kunst  V.  S.  9  (auch  Woermann  Katalog  S.  223).  Acta  Sanctorum 
21  Januarii.  Die  Heilige,  die  die  Liebe  des  Sohnes  des  römischen  Präfekten  verschmäht 
hat,  ist  in  ein  Lupanar  geschleppt  worden.  Da  schickt  ihr  der  Himmel  einen  Engel,  der 
sie  bekleidet,  und  als  weiteres  Wunder  läßt  er  ihre  Haare  lang  wachsen,  die  sie  wie  ein 
natürlicher  Mantel  umschließen.  Endlich  umhüllt  sie  ein  himmlischer  Lichtglanz,  der 
Keinen  an  die  Jungfrau  treten  läßt. 


Tafel  XXXIII 


Photogr.    Gesellechaft  Berlin 


Abb.  45    DIE  HL.  AGNES     Dresden 


Tafel  XXXIV 


Pbot.  Tanime 


Abb.  46     DIE  HL.  AGNES  (Detail)     Dresden 


137 

Sehr  zu  der  feierlichen  Stimmung  trägt  auch  die  ruhige  Verti- 
kale in  der  Haltung  der  Heiligen  bei;  jedoch  als  Künstler  des 
Barocco  konnte  Ribera  nicht  auf  die  Diagonale  verzichten.  So 
finden  wir  sie  denn  in  dem  großen  Laken  als  die  sprechendste; 
Linie  im  Bild.  Ihr  wird  entgegengewirkt  durch  die  kurzen  Schrägen 
beim  Engel  (Flügel  und  Arm),  durch  den  Rand  des  Fliesenbodens 
links,   durch   den   rechten  Unterarm  der  Agnes. 

Für  den  Zauber,  den  das  reine,  keusche,  kindliche  Köpfchen 
dieser  heiligen  Jungfrau  mit  den  großen  dunklen  Augen  und  dem! 
kleinen,  aber  doch  kräftigen  Mündchen  ausübt,  lassen  sich  keine 
Worte  finden.  Nur  eines  muß  doch  gesagt  werden :  Kein  anderer 
Künstler,  nur  ein  Spanier,  ein  so  herber,  tiefernster  Meister  wie 
Ribera  konnte  ein  solches  Werk  schaffen. 

Alles  strahlt  in  dem  Bild :  die  glänzenden  Augen  der  Heiligen, 
ihr  Haar,  das  Goldbächen  gleich  niederrieselt,  ihr  Leib,  ihre  Finger, 
rosig  im  durchscheinenden  Licht.  Wie  Agnes,  so  auch  der  Engel. 
(Vor  allem  auch  bei  ihm  das  helle  Rot  der  Karnation  bei  durch-, 
scheinendem  Licht.)  Das  goldene  Lichtmeer,  das  die  Heilige  um- 
flutet, wird  in  ihrer  unmittelbaren  Nähe  besonders  hell,  so  daß 
man  ihr  Haupt  noch  einmal  von  einer  besonderen  Glorie  umstrahlt 
zu  sehen  glaubt. 

Das  dunkle,  etwas  rätselhafte  Loch  rechts  vorn  ist  wohl  vor 
allem  aus  künstlerisch-tektoiüschen  Gründen  hinzugefügt :  Der 
großen  Helligkeit  des  Hauptraumes  hat  der  Maler  links  oben  eine; 
Dunkelheit  entgegengesetzt,  die  notwendigerweise  in  der  Ecke  rechts 
unten  ihre  Entsprechung,   ihr   Gegengewicht  finden   muß. 

Ein  künstlerischer  Vorläufer  des  Bildes  ist,  wie  schon  erwähnt, 
die  büßende  Magdalena.    Prado  980.    (h.   1,81,  br.   1,95,  Abb.  28.) 

Die  Stellung  fast  die  gleiche  wie  bei  der  Agnes,  der  Ausdruck 
jedoch  strenger,  ein  leiser  Zug  von  Schwermut  macht  sich  be- 
merklich. Das  Haar  fließt  nicht  auch  nach  vorn  über  die  Schulter, 
sondern  nur  über  den  Nacken.  Die  Heilige  trägt  ein  graues 
Kleid,  darüber  einen  rotseidenen,  verschlissenen  Mantel  und  auf  der 
Brust  noch  ein  Stück  Geflecht  aus  Esparterogras.  Hals  und  oberer 
Teil  der  Brust  sind  unbedeckt.  Magdalena  kniet  in  ihrer  Höhle  an 
einem  Felsblock,  bei  dem  man  unten  Salbgefäß  und  Geisel  erblickt. 


138 

Die  Silhouette  der  Höhle  wird  unten  durch  die  Schräglinie  eines 
mächtigen  Baumstumpfs  überschnitten,  welcher  der  Bewegung  der 
Heiligen  leise  in  der  Linie  folgt.  Links  Ausblick  in  die  Ferne 
auf  blaue  Berge. 

Sicher  vor  dieser  Magdalena  noch  entstanden  die  Halbfigur  der 
Büßerin.  Prado  981.  (h.  0,97,  br.  0,66.)  Eine  rotlockige  Jüdin  mit 
mandelförmigen  Augen  und  etwas  weinerlichem  Ausdruck.  Sie 
hat  ihr  Haupt  mit  der  linken  Wange  auf  ihre  über  einem 
Schädel  verschränkten  Hände  gelegt.  Ihr  rotlockiges  Haar  fließt 
auch  mit  einer  Welle  nach  vorn  über  die  rechte  Schulter.  Neben 
dem  Totenkopf  die  Geisel,  weiter  unten  das  Salbgefäß.  Das  Streben 
nach  Plastik  ist  unverkennbar,  weshalb  man  das  Werk  wohl  stark 
in  den  Anfang   der  dreißiger  Jahre  setzen   muß. 

Ein  Jahr  nach  der  Dresdener  Agnes  entstanden  ist  die  Magda- 
lena in  der  Galerie  Estor  zu  Murcia.  Auch  sie  in  jugendlicher 
Schönheit  glänzend  „Der  Kopf  gemahnt  an  Guido".i)  Sie  stützt 
ihr  nach  rechts  gewandtes  Haupt  auf  ihre  Rechte,  deren  Zeige- 
finger nach  oben  ausgestreckt  ist.  Die  Linke  hält  einen  gelben 
Mantel  gegen  die  Brust.    Vor  der  Heiligen  liegen  drei  Brote.^) 

Die  Magdalena  in  der  Kathedrale  von  Granada  (Altar  Jesus 
Nazareno)  rührt  nicht  von  Ribera  her.  Sie  ist  ganz  offenbar  eine 
Schöpfung  Alonso  Canos  in  deutlicher  Anlehnung  an  Ribera.  Im 
Ausdruck  etwas  sentimental,  in  der  Ausführung  ziemHch  glatt, 
in  der  Faltengebung  sehr  weich  und  breit. 

Echt  ist  dagegen  nach  Mitteilung  Justis  die  im  Katalog  als 
Original  angezweifelte  S.  Lucia  337  der  Petersburger  Eremitage. 
(Halbfig.  h.  0,75,  br.  0,64.)  Eine  jugendliche  volle  Erscheinung 
in  rotem  Rock  und  Brokatmantel;  die  Augen  gen  Himmel  hält  sie 
die  Palme  und  eine  Silberplatte  mit  zwei  Augen  in  den  Händen.-^) 

Nichts  mit  Ribera  zu  tun  hat  das  Gemälde  „Susanna  und  die 

')  Justi  a.  a.  O.  ")  Zweifelhaft  scheint  mir  eine  Ribera  zugewiesene  Handzeichnung. 
Uffizien  2igi.  F  darstellend  eine  büssende  Magdalena,  in  der  Wüste  vor  einem  Kreuz 
das  auf  einem  Felstisch  steht  knieend,  mit  einem  Stein  sich  die  Brust  schlagend.  Die 
Silhouette  des  Bergrückens  im  Hintergrund  folgt  leise  ihrer  Bewegung  (h.  0,205,  br.  0,135.) 
Feder  und  Wasserfarbe,  weißes  Papier.  Copiert  von  Stefano  Mulinari  „Spagnol.  inv.  et 
del.")  ")  Waagen  (Die  Gemäldesammlung  i.  d.  Eremitage  S.  104)  erschien  das  Bild 
zweifelhaft:    ,, abweichend   im  Gefühl    und    zu   wenig  bestimmt  in  den  Formen." 


139 

beiden  Alten"  im  Städelschen  Institut  zu  Frankfurt  a.  Main.  Ob 
aber  dieses  rohe,  in  der  Behandlung  für  Ribera  viel  zu  flaue,  schlecht 
modellierte  Bild  Massimo  Stanzioni  angehört,  wie  Justi  annimmt,  ^) 
möchte  ich  nicht  so  sicher  behaupten.  Auffallend,  daß  die  beiden 
Alten  sich  ganz  genau  in  Renis  Susannenbild  im  Palazzo  Pitti 
wiederfinden ! 


Vorzügliche  Arbeiten  im  Stil  Riberas  sind  die  beiden  großen 
Gemälde  der  Münchener  Pinakothek  „Kreuzabnahme  des  hl. 
Andreas"  (1280)  und  „Senecas  Tod"  (1281):  unzweifelhaft  aus- 
gezeichnete Imitaionen  von  der  Hand  Lucca  Giordanos,  was  bereits 
Bayersdorfer  erkannt  hatte. 

Die  Signierungen  der  beiden  Bilder  sind  graphologisch  wie 
philologisch  höchst  durchsichtige  Fälschungen. 

Andreas:  Josepe  De  ribera  Espanol  F.  1644. 
Seneca:  Josepe  de  Ribera  Espaiiol  F.   1645. 

Im  Kolorit  sind  die  Gemälde  für  Ribera  —  namentlich  für  den 
der  vierziger  Jahre!  —  viel  zu  dumpf,  in  der  Technik  zu  pastos.  Von 
der  zeichnerischen  Schärfe  des  Meisters  haben  sie  wenig,  vor  allem 
das  Andreasbild  mit  seinen  etwas  verschwommenen  Köpfen. 

In  erster  Linie  aber  ist  die  Auffassung  viel  zu  niedrig.  So 
hätte  Ribera  allenfalls  1625  die  Dinge  angeschaut,  nicht  aber  1645. 

Eine  „Kreuzabnahme  des  Andreas  in  Riberas  Manier"  wird 
im  Inventar  der  Bilder  des  Hauses  Colonna  erwähnt.  -) 

Von  dem  sterbenden  Seneca  eine  Variante  aus  Giordanos 
späterer  Zeit  in  der  Dresdener  Galerie;  davon  eine  schlechte  Kopie 
im  Museo  Nazionale  Neapel.  (Magazin.)  Auf  das  Dresdener  Bild 
geht  das  Gemälde  Giordanos  im  Louvre  (Sammlung  La  Gaze  1 3 1 1 ) 
zurück,  das  in  einigen  Punkten  von  Dresden  abweicht.  Das  Thema 
war  damals  sehr  beliebt.  Auch  Sandrart  z.  B.  schuf  einen  sterbenden 
Seneca.^)    Am  bekanntesten  ist  wohl  Rubens'  Darstellung. 

')  Justi,  Zeitschr.  f.  christl.  K.  V.  S.  6.  ")  Veröffentlicht  in  Nap.  Nob.  IV.  30. 
Nr.  II  des  Inventars  ,,un  altro  di  palmi  8e  12  ...  .  S.  Andrea  quande  scese  della  croce 
alla  maniera  del  Spagnoletto.  200  L(ire),"  '')  Lebenslauf  und  Kunstwerke  Joachim  von 
Sandrart.     Nürnberg   1675.     S.  9. 


I40 

Die  Münchener  Gemälde  Giordanos  stammen  aus  derselben 
Zeit  wie  der  Dresdener  Sebastian,  die  „Disputationen"  in  Bordeaux 
und  die  beiden  Braunschweiger  Bilder  „Kirke  und  König  Picus"  und 
„Römische  Gesandte  beim  Äsculap". 

C  DER  REIFE  STIL. 


Wie  in  der  vorangegangenen  Periode  steht  auch  in  dieser 
letzten  eine  Concepcio  immaculata  an  der  Spitze,  in  der  uns  der 
Künstler  seine  neuen,  seine  höchsten  Ziele  offenbart.  Alles  Dunkle 
will  er  bannen,  Licht  in  Licht  will  er  malen,  Lichtes  will  er  mit 
Lichtem  modellieren. 

Das  Kolossalgemälde,  bez. 

Joseph  de  Ribera  hispanus 
F.   1646. 
schmückt   den   Hochaltar   der  Kirche   des   Klosters   S.   Isabella   zu 
Madrid. 

Maria  auf  der  nach  unten  sich  öffnenden  Mondsichel  stehend 
in  langem,  weißem  Gewand  und  blauem,  weit  nach  rechts  flattern- 
dem Mantel.  Der  Körper,  einem  Segel  gleich,  etwas  nach  rechts 
gebläht,  der  Kopf  nach  links  gewendet;  der  Blick  hier  nicht  auf- 
wärts, sondern  nach  links  unten  gerichtet.  Wie  in  Salamanca 
auch  hier  die  Füße  sichtbar.  Die  Arme  auf  der  Brust  gekreuzt; 
die  Finger  lang  und  schmal  mit  gebogenen  Spitzen.  Marias  Haupt 
ist  von  zwölf  Sternen  umgeben,  die  aber  nicht  als  Reif,  sondern 
in  Kreisform  wie  ein  perspektivisch  nicht  verkürzter,  alter  Nimbus 
angeordnet  sind. 

Die  Jungfrau  schwebt  in  dem  von  gelblichem  Licht  durch- 
strahlten Äther.  Der  Himmel  unter  ihr  erscheint  hellblau,  weiße 
Wölkchen  schwimmen  in  ihm. 

Links  unten  ein  großer  Engel  in  Blau  gekleidet,  mit  gefalteten 
Händen,  den  Kopf  nach  dem  Beschauer  wendend.  Der  Engel 
rechts  in  Orange  mit  Lilie  in  der  Hand,  staunend  zur  Madonna  auf- 
blickend. Weiter  oben  ein  Engel  mit  Spiegel,  ein  anderer  mit 
einem   Rosenzweig   usw.     Über   der   Jungfrau   eine   dritte   Sphäre, 


141 

eine  lichte  Wolke  von  Cherubinköpf chen ;  ganz  oben  lösen  sich 
vier  Engel  los;  von  denen  die  beiden  mittleren  sich  umfassen.  Das 
Inkarnat  ganz  hell,  die  Konturen  blaß  rot. 

Dieses  hell  in  hell  Gemalte  befriedigt  au;f  die  Dauer  jedoch 
nicht  ganz,  man  mißt  ungern  einen  Kontrast. 

Der  Kopf  der  Madonna  rührt  in  seiner  jetzigen  Gestalt  nicht  von 
Ribera  her,  sondern  von  Claudio  Coello;  es  heißt,  Ribera  habe  für 
der  Kopf  der  Gottesmutter  den  seiner  Tochter  als  Modell  benutzt; 
dies  habe  dann  bei  den  Nonnen,  als  sie  davon  erfuhren,  Ärgernis 
erregt,  und  Claudio  Coello  sei  von  ihnen  beauftragt  worden,  einen 
anderen  Kopf  zu  malen. i)  Coello  hat  sich  mit  ziemlichem  Geschick 
der  mißlichen  Aufgabe  entledigt.  Der  Kopf  ist  nicht  schlecht, 
aber  etwas    charakterlos. 

Dieser  Concepcion  scheint  eine  andere  sehr  verwandt  zu  sein, 
die  gleichfalls  um  diese  Zeit  entstanden  ist  und  sich  in  der  Kapelle 
des  Palazzo  Reale  in  Neapel  befand.    Das  Bild  ist  heute  verschollen. 

Seite  53  des  „Diario  del  successo  nelle  Revolution!  popolari  de 
Napoli  dalli  7  di  luglio  1647  in  avanti"-)  lesen  wir 

„.  .  .  .  Tenendo  Giuseppe  Ribera  famoso  pittore  una  bellissima 
figliuola,  il  cui  ritratto  il  medesimo  padre  1'  effigiö  nella  Figura 
della  Concepcione  novamente  fatta  nella  capella  del  Regio 
Palazzo  .  .  ." 

Celano  erwähnt  gleichfalls  eine  Concepcion  in  der  Kapelle  des 
kgl.  Palastes^)  „La  Vergine  Concetta  opera  forse  la  piü  bella  che  fosse 
uscita  dal  penello  di  Gius.  de  Rivera:  e  perch^  il  volto  della  ver- 
gine era  stato  preso  da  un  volto  naturale  d'una  donna  molto 
bella,  cagionö  piü  d'un  in  un  signore  che  il  vide." 

Conca*)  spricht  von  einer  Concepcion,  die  er  am  Altar  S.  Elisa- 
betha  der  Kirche  der  Recoletos  in  Madrid  gesehen  habe. 

2. 

Gleichfalls  ein  Lichtproblem  ist  der  „Traum  Jakobs  von  der 
Himmelsleiter".  Ein  höchst  schwieriges  Thema  für  einen  Maler, 
das,    um    wirklich    vollendet    gelöst    zu    werden,    ein    hohes    Dar- 

1)  Palomino  312.  ")  Nap.  Nob.  III.  65 — 67.  Gius.  Ceci  „La  Figlia  dello  Spag- 
noletto".     ^)   Celano  V.   108.     *)  Conca,  Descrizione  Odeporica  I.   181. 


142 

Stellungsvermögen,  plastische  Anschaulichkeit  und  psychologische 
Vertiefung  erfordert.  Man  darf  wohl  sagen,  daß  Ribera  der  Auf- 
gabe in  jeder  Hinsicht  gerecht  geworden  ist  in  seinem  Bilde  Prado 
982.  (1,79,  br.  2,33,  Abb.  47);  bez.  rechts 

Jusepe  de  ribera  espanol  F.    1646. 

Man  gab  das  Jahr  der  Entstehung  des  Gemäldes  bisher  stets 
als  1626  an  (so  auch  Justi,  Woermann  usw.),  obwohl  schon  Ma- 
drazo  in  seinem  Pradokatalog  ein  Fragezeichen  hinter  die  Zahl  ge- 
setzt hat.  Der  Irrtum  kommt  daher,  daß  Ribera  den  Anfangsstrich 
bei  einer  vier  einer  zwei  sehr  ähnlich  bildet.  Die  ersten  beiden 
Zahlen  sind  hier  fast  überhaupt  nicht  mehr  sichtbar.  Nicht  recht 
erklärlich  sind  die  beiden  Schnörkel  hinter  der  Jahreszahl^  die 
33  sehr  ähnlich  sehen. 

Jakob  gehört  offenbar  zu  Riberas  Lieblingsgestalten.  Er  malte 
ihn  den  väterlichen  Segen  empfangend,  dann  inmitten  der  Herde; 
nun  sehen  wir  das  verbindende  Glied : 

Jakob  der  Flüchtling.  Ein  Mann  von  etwa  25  bis  30  Jahren. 
Schwarzes  Haar,  Schnurrbart,  dünner  Vollbart.  Kein  schöner  Kopf, 
aber  man  spürt  die  Energie.  Schlicht  gekleidet.  Dunkelgrüner 
Rock,  am  Hals  tief  ausgeschnitten,  darunter  sieht  man  das  weiße 
Hemd.  Der  Mantel  graubraun;  er  bedeckt  seine  Füße  und  dient 
auch  gewissermaßen  als  Überzug  für  sein  hartes  Kopfkissen,  den 
Stein,  auf  den  der  Wanderer  sein  müdes  Haupt  gelegt  hat. 

Er  schläft;  den  Kopf  mit  der  linken  Wange  auf  die  Linke 
gestützt,  die  mit  dem  Ellbogen  auf  der  Erde  aufsteht.  Dabei  hat 
sich  der  Rockärmel  etwas  verschoben,  ein  großes  Stück  des  Hemd- 
ärmels wird  sichtbar.    Die  Rechte  ruht  übergreifend  auf  dem  Boden. 

Er  schläft.  Doch  kein  leichter  Schlummer  hat  ihn  umfangen, 
kein  wohliges  Gelöstsein  der  Glieder  ist  zu  verspüren,  kein  frohes, 
friedliches  Gesicht.  Sorgenvoll,  ernst.  Und  in  dieser  Sorge  ist 
ihm  der  verheißungsvolle,  den  Lebensmut  wachhaltende  Traum 
ein  Wunsch,  ein  Bedürfnis. 

Er  träumt  in  tiefer  Einsamkeit.  Ringsum  eine  weite,  etwas 
wellige  Ebene,  hier  und  da  ein  Baumstumpf,  ganz  in  der  Ferne 
blaue  Berge. 

Er  träumt;  aber  nicht  in  tiefer  Nacht.    Das  wäre  doch  etwas 


143 

für  den  „Tenebroso"  Ribera  gewesen,  so  ein  Nachtstück  mit  einer 
blendenden  himmlischen  Erscheinung!  Aber  nichts  von  alledem 
ist  zu  sehen;  wenn  etwas  geeignet  ist,  diese  irrige  Meinung  zu 
widerlegen,  so  unser  Bild:  Ein  Lichtmaler  ist  hier  am  Werk. 
Frisches  Tageslicht  sehen  wir  über  die  weite  Fläche  gebreitet;  der 
Himmel  links  dunkelbewölkt.  Rechts  aber  ist  er  hell;  er  hat  sich 
geöffnet  und  läßt  in  breitem  Strom  sein  Licht,  einen  glühenden 
gelblichen  Schein,  herniederfluten.  Und  in  diesem  Meer  erblicken 
wir  bei  genauem  Zusehen  ganz  feine  Elfen  —  leicht  rötlich  im! 
Ton  —  die  da  auf-  und  niedersteigen.  Lichtgestalten  im  Licht. 
Es  ist  als  ob  sich  der  himmlische  Nebel  hier  und  dort  zu  kleinen 
Engeln  verdichtet  hätte.  Luftige  Gebilde  sind  diese  Himmelsbe- 
wohner, die  sich  nicht  auf  einer  prosaischen,  irdischen  Leiter  be- 
wegen, sondern  sich  im  Licht  herabsenken  und  wieder  himmel- 
wärts heben. 

Das  ist  das  Werk  des  Malers  der  Bartholomäusmarter,  des  Ver- 
herrlichers des  greisen  HieronymusI  Musterhaft  wie  stets  der  Auf- 
bau des  Bildes.  Ein  Schlafender  sollte  dargestellt  werden.  Da- 
mit war  eine  sanfte  Diagonale  als  Hauptlinie  gegeben.  Ihr  wirkt 
entgegen  die  Diagonale  des  Baumstumpfes.  Die  Hauptbewegung 
wird  von  dem  Ast  begleitet,  der  von  dem  Stamm  ausgeht,  mit  dem 
großen  Zwieg.  Die  einzige  Vertikale,  der  linke  Unterarm  Jakobs; 
leise  unterstützt  ihn  der  in  der  Ferne  rechts  aufragende  Stumpf. 

Eine  alte,  kleine  Kopie  bei  Herrn  Lopez  Cepero  in  Sevilla. 

Das  Bild  ist  von  jeher  als  eines  der  besten  Gemälde  Riberas 
berühmt    und    gilt    vielen   als   sein    Meisterwerk. 

Passavant  fühlte  sich  jedoch  von  ihm  abgestoßen.  „Selbst  in 
Spanien  dürfte  es  Mühe  kosten,  eine  solch  gemeine  Natur  (wie  Jakob) 
unter  den  Männern  zu  finden. "i) 

3- 

Eine  Schöpfung  ganz  anderer  Art  ist  das  Gemälde  in  der  Gap. 
del  Tesoro  des  Neapolitaner  Doms  ,,Der  hl.  Januarius  unversehrt  aus 

')  Passavant,  Uie  christliche  Kunst  in  Spanien  S.  lOi.  Von  dem  Schläfer  Jakob 
sagt  Stirling,  Annales  III,  904.  ,,You  pause  instinctively  in  approaching  the  sleeper  and 
tread  softly;    you    think    you    see   his   bosom   heave   and  hear   bis  measured  respiration." 


144 

dem  Feuerofen  hervorgehend".   Wohl  das  bewegteste  Werk  Riberas, 
doppelt  packend  inmitten  der  so  vollkommen  ruhigen  Bilder  seiner 
Spätzeit.     Auf  Schiefer.    Bez.  auf  einem  Stein   rechts   unten 
Joseph  de  Ribera  hispa- 
nus,  F.   1646. 
Die  Ausschmückung   der   Kapelle   des   hl.   Januarius,   geweiht   für 
eine  1526  vom  Heiligen  erlangte  Befreiung  von  der  Pest,  hat  be- 
kanntlich lange  Zeit  in  Anspruch  genommen.    Zu  kurz  gekommene 
Künstler  haben  über  Riberas  Tätigkeit  dabei  boshafte  Anekdoten 
verbreitet  und  vor  allem  gegen  den  Meister  schwere  Beschuldigungen 
erhoben,  die  aber  nur  für  einige  untergeordnete  Neapolitaner  Maler 
und  Haudegen  —  in  der  Art  Caravaggios  —  Geltung  besitzen. 

Auch  hier  gebührt  Faraglia  das  Verdienst,  der  Wahrheit  zum 
Recht  verholfen  zu  haben. i) 

Dominichino,  der  vor  allen  andern  an  der  Ausschmückung 
beteiligt  war,  hatte  bei  seinem  Tod  ein  Altargemälde  noch  nicht 
ausgeführt:  „Die  Errettung  des  Heiligen  aus  dem  Feuerofen". 
Ribera  übernahm  es  dann,  dieses  Bild  zu  malen. 

Zur  Erklärung  der  dargestellten  Szene  diene  folgendes : 

Der  Bischof  Januarius  von  Benavent  hatte  den  in  Pozzuoli  bereits 
gefangenen  Sosius  besucht.  Das  erfuhr  der  Statthalter  Timotheus 
bei  einer  Reise  in  Nola.  Januarius  wurde  in  Haft  genommen  und 
aufgefordert,  den  Göttern  zu  opfern.  Dies  verweigerte  der  Bischof. 
Da  ließ  ihn  der  Statthalter  in  einen  drei  Tage  lang  geheizten  feurigen 
Ofen  bringen.  Doch  der  Heilige  ging  unversehrt  daraus  hervor, 
während  die  aus  dem  Ofen  schlagenden  Flammen  mehrere  der 
Umstehenden  schwer  verletzten.  Im  Jahre  305  an  einem  unbekannten 
Tag  wurde  Januarius  dann  eine  Meile  östlich  von  Pozzuoli,  „ad 
Sulphuratoriam"  lautet  die  nähere  Ortsbestimmung,  enthauptet. 
(Acta  Sanctorum,   19.  September.) 

')  Faraglia,  Notizie  di  alcuni  artisti  che  lavorarono  nella  chiesa  di  S.  Martine  e  nel 
Tesoro  di  S.  Gennaro.  Arch.  stör,  per  le  prov.  Napol.  X  S.  449  ein  Bericht  über  Riberas 
Bild:  „1647.  16  settembre.  A  Giuseppe  Ribera  ducati  1000  a  compimento  di  ducati 
1400  per  r  intero  prezro  del  quadro  ad  olio  continente  il  miracolo  fe  nella  fornace  il 
glorioso  S.  Gennaro  con  patto  che  de  piii  che  valese  detto  quadro  lo  dona  al  detto 
glorioso  Santo  .  ."  Die  in  dem  Aufsatz  folgende  Rechnung  über  das  „Quadro  del  martirio 
di  S.   Gennaro"  hat  mit  Riberas  Bild  gar  nichts  zu  tun. 


145 

Rechts  schreitet  der  jugendliche  heilige  Bischof  vorwärts,  der 
eben  den  Ofen  verlassen  hat,  noch  ringsum  von  Flammen  umgeben. 
Die  Hände  auf  die  Brust  gelegt,  blickt  er  erhobenen  Hauptes  dankbar 
zum  Himmel.  Vor  ihm  eine  wilde  Flucht.  Das  Entsetzen  über- 
wiegt das  Erstaunen:  die  Flammen  drohen  die  Umstehenden  zu  er- 
greifen. Soldaten  und  Henker  in  Verzweiflung;  der  Hauptmann 
blickt  voll  Angst  und  Überraschung  zugleich  nach  Januarius,  ent- 
setzt schreit  er  auf.  Aus  all  den  Fliehenden,  die  zum  Teil  zu  Boden 
gestürzt  sind,  ragt  rühmlich  der  Soldat  in  der  Nähe  des  Hauptmanns 
hervor,  der  seine  Genossen  zum  Standhalten  auffordert,  nicht  gewillt, 
den  Heiligen  so  ohne  weiteres  nun  davonkommen  zu  lassen. 

Links  ragen  Lanzen  in  das  Bild  hinein,  die  auf  weitere  Soldaten 
schließen  lassen.  Über  dem  Ganzen  wölbt  sich  aber  ein  herrlicher 
blauer  Himmel,  und  in  den  Lüften  wiegen  sich  Englein  in  freu- 
digem Reigen. 

Der  Heilige  die  große  Vertikale,  die  dem  Ganzen  den  nötigen 
Halt  gibt.  Sehr  bezeichnend  die  Gesamtsilhouette  der  Komposition: 
ein  Zickzack  —  ein  Schrei. 

Die  Durchführung  äußerst  sorgfältig.  Beim  Heiligen  selbst 
der  wegrasierte  Schnurrbart  in  der  Farbangabe  zu  erkennen.  Die 
Modellierung  vorzüglich,  namentlich  der  ausgestreckte  Arm  des  einen 
Fliehenden. 

Das  Bild  ist  ganz  hell  in  den  Farben  gehalten,  das  Feuer  des 
Ofens  spielt  malerisch  keine  beherrschende  Rolle,  es  ist  nur  Licht 
im  Licht. 

Dominici,  der  das  Gemälde  sehr  ausführlich  beschreibt,  lobt 
es  außerordentlich  „.  .  .  .  le  fisonomie  proprie,  e  gli  affetti  e  passi- 
oni  deir  animo  spiegate  a  maraviglia.  In  fine  per  ultima  laude  di 
cosi  degna  pittura  basterä  dire  che  non  riceve  pregiudizio  dalle  opere 
excellentissime  dall'  egregie  Domenichini  che  le  stanno  al  con- 
fronto".!) 

Die  letzte  Bemerkung  ist  sehr  richtig.  Ja,  man  bedauert  es  fast, 
daß  Ribera  der  künstlerische  Sieg  über  Domenichino  hier  so  leicht 

*)  Dominici   121  — 123.     Unsinn    natürlich  seine  Behauptung,    erst  durch  dieses  Bild 
sei    die  Aufmerksamkeit   der  Karthäuser   von  S.  Martino  auf  Ribera   gelenkt   worden,    die 
ihm  als  ersten  Auftrag  die  Malereien  der  Bogenzwickeln  hätten  zukommen  lassen. 
Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  jq 


146 

gemacht  ist.  Die  Werke  des  Bolognesen  in  der  Kapelle  zählen  fast 
zu  seinen  schwächsten  Leistungen,  dazu  sind  sie  stark  gedunkelt  und 
restauriert.  Dominici  erscheint  hier  im  großen  und  ganzen  als 
der  Dunkelmaler! 

Radiert  ist  Riberas  Gemälde  von  Seb.  Marcotti,  Caspar  de  Romer 
gewidmet.    13.  Februar  1665.    (Außerdem  auch  von  Keyl  gestochen.) 

Aus  dem  Jahre  1647  stammt  das  Gemälde  „Der  Hohepriester 
Simeon  mit  dem  Jesuskind  auf  dem  Arm"  im  Besitz  des  Marquis 
of  Bristol  in  Ickworth  bei  Bury  St.  Edmunds   (Suffolk).^) 

Bez.  unten  auf  einem  Stein: 

Jusepe  de  Ribera  espaiiol  F 
1647 

Halbfigurenbild.     (48V2X40  inch.) 

Der  Hohepriester,  ein  ehrwürdiger  Greis  mit  grauem  Vollbart, 
trägt,  ziemlich  frontal  gesehen,  auf  dem  Haupt  die  goldene  Mitra, 
über  dem  dunkelgrünen  Unterkleid  in  einen  braungelben,  brokat- 
artigen Mantel  gehüllt,  nach  links  aufblickend  das  nackte  Knäblein 
auf  einem  weißen  Tuch.  Grauer  Hintergrund.  Kopf  und  Hände 
des  Priesters  sind  besonders  sorgfältig  durchgeführt.  Der  auf- 
blickende Christusknabe  dem  der  Valencianer  Hirtenanbetung  sehr 
ähnlich;  sehr  hell,  nur  an  den  Konturen  hellrot.  Der  Mantel  pastos 
behandelt. 

Das  Gemälde  ist  nicht  unerheblich  restauriert,  namentlich  die 
Gewandpartien,  und  stark  gefirnißt. 

4- 
Dem  gleichen  Jahre   1647  gehört  der  herrliche  Andreaskopf, 
Prado  959,  an  (h.  0,76,  br.  0,63,  Abb.  50);  bez.: 
Jusepe  de  Ribera 
1647. 
Ein   Greis   mit   weißem   Bart   und   weißen   Locken,    dunklen, 
leuchtenden  Augen,  in  einen  einfachen  schwarzen  Rock  gekleidet. 
De  face  gesehen,  hält  er  in  der  erhobenen  Rechten  den  Fisch  an 
der  Angelschnur. 

')  •■ausgestellt  in  den  Exhib.  of  the  Royal  Academie  1875,  1S91,  igoi.  Die 
Signatur  wurde  stets  übersehen. 


147 

Gütig  und  mild,  leise  lächelnd,  blickt  uns  der  Greis  an ;  ein  könig- 
licher Fischer.  Man  kann  es  wohl  verstehen,  wenn  Justi  vor  diesem 
faszinierenden  Alten  den  Namen  „Masaniello"  ausrief.  In  der  Tat, 
das  ist  ein  Mann,  der  ein  Volk  führen  kann,  mag  man  ihn  nun 
Apostel  Andreas  oder  Masaniello  nennen.  Eine  bezaubernde,  höchst 
vornehme,  fast  einem  jeden  Südländer  angeborene  Liebenswürdig- 
keit besitzt  dieser  schlichte  Mann  ebenso  wie  eine  ganz  natürliche 
Hoheit.  Daß  er  uns  de  face  gegenübertritt,  erhöht  natürlich  noch 
die  Würde  und  Feierlichkeit  des  Bildes.  Gemalt  ist  es  äußerst 
pastos;  alles  groß  gesehen. 

5- 

Und  wie  Ribera  es  hier  erreicht  hat,  über  das  Modell  hinaus- 
zukommen, dieser  Gestalt  aus  dem  Volk  ein  höheres  geistiges  Leben 
einzuflößen,  so  gelang  ihm  im  folgenden  Jahre  sein  bestes  vor- 
nehmes Porträt:  Die  Radierung  B.  14,  darstellend  den  jungen 
D.  Juan  de  Austria  IL     (Abb.  48.) 

Der  junge  Prinz  zu  Roß;  nach  rechts  galoppierend;  in  der  aus- 
gestreckten Rechten  hält  er  den  Kommandostab;  das  Gesicht  in 
Dreiviertelansicht;  die  Locken  fallen  dem  bartlosen  Jüngling  bis  auf 
die  Schultern  herab.  Im  Hintergrund  Neapel  mit  seinem  schiffe- 
reichen  Port. 

Das  Blatt  ist  sorgfältig  in  der  Durchführung,  aber  doch  sehr 
leicht  behandelt.  Auch  in  dieser  Radierung  verleugnet  sich  Riberas 
künstlerischer  Grundsatz,  dem  er  in  den  Bildern  seiner  Spätzeit 
folgt,  nicht :  Alles  ganz  hell  wiederzugeben.  So  ist  auch  dieses 
Blatt  duftig,  silbrig  schimmernd.  Roß  und  Reiter  schwimmen  im 
Licht.  Man  ist  versucht,  hier  von  einer  pointillistischen  Radierung 
zu  sprechen,  so  ist  alles  in  kleine  Strichlein  und  Punkte  aufgelöst 

Bez.  oben: 

El  5"°°  S'  Don  Juan  de  Austria 
unten  links 

Jusepe  de  Riuera  F. 
1648. 

Später  in  allen  Teilen  retuschiert.  Der  Kopf  wurde  in  den 
Karls  II.  verwandelt  und  oben  drei  Engel  zugefügt,  von  denen  zwei 
über   des   Herrschers    Haupt   die   Königskrone   halten.     Der   dritte 


rechts   trägt   das   spanische  Wappen.     Das   Koller   des   Herrschers 
ist  reicher  geziert,  ebenso  Satteldecke,  Zügel  und  Gurt.    Statt  Kom- 
mandostab das  Zepter.    Die  Schiffe  nun  bewimpelt.    Aus   1648  ist 
1 670  gemacht  worden.    Ferner  ist  hinzugefügt : 
CAROLUS II DEI  GRATIA  HISPANIARUM  E  INDIARUM  REX. 

Gaspar  de  Hollander  excud.  Antuerpia  op  de  meer. 

Ein  Nachstich  nach  der  ersten  Fassung  zeigt  D.  Juan  mit  leich- 
tem Schnurrbart  und  „Fliege".  Am  Himmel  Wolken.  Der  betr. 
Graveur  arbeitete  stark  mit  Kreuzlagen,  sodaß  alles  dunkler  ge- 
tönt erscheint  (mir  nur  das  Exemplar  des  brit.  Museums  bekannt). 

Von  der  Beliebtheit  der  Radierung  zeigt  auch  das  Gemälde  im 
Kgl.  Schloß  zu  Madrid,  das  Riberas  Blatt  getreulich  wiedergibt 
(h.  3,08,  br.  2,41,  ausgestellt  Madrid  1902,  Exposicion  Nacional  de 
Retratos.  Nr.  586). 

6. 

Vielleicht  die  vollendetste  Aktfigur  Riberas  ist  der  „Eremit 
Paulus"  vom  Jahr  1649.  (Prado  985,  h.  1,43,  br.  1,43,  Abb.  49.) 
Bez.: 

Jusepe  de  Ribera  espaiiol  Valenciano 
F.  1649. 

Der  Heilige  nach  rechts  gewandt  am  Boden  liegend  in  seiner 
Höhle.  Mit  dem  linken  Unterarm  sich  auf  einen  Stein  stützend, 
blickt  er,  leicht  vorgebeugt,  die  Hände  auf  der  Brust  in  stiller  an- 
dächtiger Betrachtung  auf  den  Totenkopf,  der  vor  ihm  am  Boden 
liegt.     Um  den  linken  Unterarm  der  Rosenkranz  geschlungen. 

Das  Gesicht,  durch  den  Eifer  der  Gebetsübung  leicht  gerötet, 
ist  ganz  beschattet.  Auf  den  vorderen  Teil  der  Schädeldecke  fällt 
das  höchste  Licht. 

Alles  von  der  größten  Plastik.  (Wie  beispielsweise  die  Nase 
heraustritt!)  Die  Modellierung  vollendet;  die  Angabe  der  Adern 
kann  vorzüglicher  nicht  gedacht  werden.  Dabei  alles  leicht  hin- 
gesetzt, fast  duftig  in  der  Technik,  hell  im  Kolorit. 

Der  Heilige  liegt  vor  einem  mächtigen,  ganz  schräg  stehenden 
Baumstamm,  dessen  Anbringung  in  der  Höhle  sich  mehr  aus  künst- 
lerischen Gründen  rechtfertigen,  als  aus  natürlichen  erklären  läßt. 


Tafel  XXXVI 


^    (RJ? 


Uli  S     j3  JJon  Imn  ük  ^Äusir/a, 


Abb.  48    D.  JUAN  DE  AUSTRIA  II 


Tafel  XXXVII 


Abb.  49    S.  PAULUS  EREMITA     Madrid    Prado 


149 

Er  soll  die  Hauptrichtung  der  Komposition  deutlich  hervortreten 
lassen,  den  Heiligen  in  seiner  Bewegung  begleiten.  Ganz  leise  klingt 
diese  Schräge  dann  noch  in  jenem  belaubten  Baumstumpf  in  der 
Ferne  rechts  nach.  Der  nach  rechts  ansteigenden  Diagonalen,  die 
so  kräftig  betont  ist,  wirkt  einzig  jener  dunkle  Streifen  an  der 
Höhlenöffnung  links  oben  entgegen.  Nur  hier  erscheint  die  Höhle 
dunkel,  sonst  hat  sie  der  Künstler  ganz  aufgehellt. 

Eine  alte,  saubere  Kopie  —  für  ein  wertvolles  Original  ge- 
halten, 1840  gestohlen,  später  wieder  zurückgebracht  —  das  Bild 
unten  am  Altar  Jesus  Nazareno  der  Grenadiner  Kathedrale.  Eine 
weniger  gute  Kopie  im  Valencianer  Museum  aus  der  Sammlung 
D.  E.  Pons.  Fores. 


7.- 

Aus  dem  Jahr  1650  stammt  ein  Johannes  der  Täufer,  London 
Apsleyhouse,  bez. : 

Jusepe  de  Ribera  espaiiol 
F.  1650. 
In  der  Rechten  hält  er  einen  Rohrstab  ausgestreckt,  vom  rechten 
Arm  hängt  ein  großer  roter  Mantel  herab.  Die  Linke  weist  auf 
das  Lamm.  Johannes  herb,  ein  jugendlicher  Held.  Verborgene 
Glut.  Schmaler  kleiner  Mund,  spitzes  kleines  Kinn.  Ein  Schafpelz 
schmiegt  sich  an  den  Leib.    Grund  der  ungeheure  Baum. 

Neben  diesem  „Hirten"  ist  eines  der  bekanntesten  Werke  Ri- 
beras entstanden:  die  „Anbetung  der  Hirten"  im  Louvre.     (1721, 
h.  2,38,  br.  1,79,  Abb.  52),  bez.  rechts  auf  dem  Stein: 
Jusepe  de  Ribera  espaiiol 
Accademico  romano 
F.  1650. 
Das  Kindlein  liegt  auf  einem  weißen  Tuch  in  der  strohgefüllten 
Krippe;  sein  Blick  wendet  sich  nach  rechts  zu  den  Hirten.     Der 
vorderste  im  Profil,  ein  kräftiger  dunkelhaariger  Mann  mit  Vollbart ; 
er  kniet  mit  dem  rechten  Bein  auf  einem  Felsblock.    Seine  Gewan- 
dung ist  mit  der  größten  Sorgfalt  behandelt;  über  dem  dunklen 
Unterkleid   trägt   er   einen  ärmellosen  Rock   aus   Schafpelz.     Eine 


Büchse    und   einen   Brotbeutel   hat   er   umhängen.     Mit    gefalteten 
Händen  blickt  er  in  ruhiger  Andacht  zu  dem  Kind  nieder. 

Sein  Genosse,  mehr  nach  links  etwas  weiter  hinten,  de  face, 
beugt  sich  leicht  mit  auf  der  Brust  gekreuzten  Armen  nach  vorn, 
gleichfalls  zum  Knaben  blickend.  Er  trägt  einen  einfachen  Rock 
und  Mantel.  Er  scheint  einige  Jahre  älter  zu  sein  als  der  erste  Hirt. 
Seine  Stirne  ist  tiefgefurcht. 

Hinter  den  beiden  die  Alte,  uns  anblickend.  Zurückschauend 
hält  sie  über  ihren  Kopf  einen  Korb,  wohl  mit  Eiern  gefüllt.  Der 
dritte  Hirt,  ein  junger  Mensch  mit  hellbraunen  Augen,  langem  die 
Ohren  bedeckenden  Haar  und  noch  ganz  flaumigem  Vollbart,  tritt 
schüchtern  von  links  heran,  die  Linke  auf  die  Brust  legend,  mit 
der  Rechten  die  Mütze  lüftend,  das  einzige  Mal,  daß  Ribera  dieses 
alte  bei  den  hl.  drei  Königen  so  oft  angewandte  Motiv  benutzt. 
Auch  er  schaut  zu  dem  Kinde. 

Über  dem  Knäblein  aber  sehen  wir  die  Mutter,  die  ihre  Hände 
betend  gefaltet  hat  und  aus  ihren  großen  ernsten  dunklen  Augen 
einen  leicht  schmerzlichen  Blick  zum  Himmel  richtet.  Maria  ist 
hier  weniger  groß  geschaut  als  die  herbe,  ahnungsvolle  noch  halb 
als  Kind  erscheinende  Valencianer  Madonna.  Sie  ist  um  einen  ganz 
geringen  Grad  sinnlicher,  irdischer,  einen  hohen  Zauber  ausübend 
mit  den  großen  Augen,  der  etwas  langen,  geraden  Nase  und  dem 
kleinen,  feingezeichneten  Mund,  dem  schwarzen  schlichten,  in  der 
Mitte  gescheitelten  Haar.  Ihr  blauer  Mantel  umhüllt  ihren  Kopf; 
er  verleiht  der  ganzen  Figur  eine  überaus  würdige,  ruhige  Sil- 
houette. Links  ragt  ein  Eselskopf  in  das  Bild  hinein,  zu  Füßen 
des  Kindes  liegt  ein  totes  Lämmchen.  Die  Szene  spielt  in  einer 
Art  Scheune,  deren  Dachansatz  über  dem  jungen  Hirten  sicht- 
bar wird. 

Über  die  niedrige  Mauerbrüstung  aber  sehen  wir  in  die  hüge- 
lige Ferne,  wo  der  Künstler  uns  die  Verkündigung  an  die  Hirten 
schauen  läßt :  Hoch  aus  den  Wolken  kommt  ein  Engel  herab, 
der  zwei  Hirten  die  Botschaft  mitteilt;  es  vernimmt  sie  auch  der 
dritte,  der  von  rechts  her  vom  Gebirge  mit  seiner  Herde  zu  den 
beiden  andern  zieht. 

Die  Komposition  ist  gut  durchdacht.    Die  Linienführung  hebt 


Tafel  XXXIX 


Braun  ti  Clement 


Abb.  52    DIE  ANBETUNG  DER  HIRTEN     Paris     Louvre 


151 

Marias  Kopf  stark  hervor.  Hauptlinie  die  Diagonale,  welche  vom 
Kopf  des  Alten  zu  dem  Marias  niederführt;  ihr  wirkt  eine  andere 
entgegen,  die  von  der  Kappe  des  jungen  Hirten  über  dessen 
Kopf  gleichfalls  zur  Madonna  geht.  Die  erste  Schräge  wird  reich 
sekundiert :  nach  oben  von  der  Silhouette  der  hügeligen  Heide 
und  der  Holzstütze  des  Daches;  unten  ist  in  der  Lage  des  Kindes 
auf  die  Diagonale  Rücksicht  genommen. 

Die  Alte  hilft  vortrefflich  den  Eindruck  der  Raumtiefe  heben. 
Durch  ihren  Blick  zieht  sie  das  Auge  des  Beschauers  nach  dem 
Hintergrund,  um  es  dann  langsam  wieder  nach  vorn  zurückkehren 
zu  lassen. 

Nirgends  sonst  hat  Ribera  so  viel  Wert  auf  die  täuschende 
Wiedergabe  des  Stofflichen  gelegt  wie  hier.  Der  Schafpelzrock 
und  das  Lämmchen  sind  zum  Greifen. 

Doch  die  Hauptsache  auch  in  diesem  Bild  die  Behandlung  des 
Lichtes.  Seinem  Grundsatz  getreu  vermied  es  der  Künstler  ein 
Nachtstück  zu  geben.  Er  läßt  den  Vorgang  sich  in  einer  lichten 
Scheune  abspielen,  deren  Mauer  nur  bis  zur  halben  Höhe  des  Ge- 
bäudes reicht.  So  kommt  viel  Licht  und  Luft  in  den  Raum.  Das 
Kind  strahlt  natürlich  hellstes  Licht  aus,  doch  es  ist  nicht  die 
einzige  Lichtquelle.  Vor  allem  wird  Marias  Antlitz  von  einem  über- 
irdisch leuchtenden  Schein  erhellt.  Seine  ganze  Freude  am  warmen 
Licht  zeigt  der  Maler  aber  doch  erst  in  der  Verkündigung  an  die 
Hirten.  Die  Hüter  mit  ihren  Herden  erscheinen  uns  in  einem  flim- 
mernden Glanz,  von  einem  leichten  Lichtnebel  umwogt. 

Das  Bild  hat  stets  größte  Anerkennung  gefunden.  Waagen 
bemerkte:  „Der  Meister  hat  sich  in  diesem  trefflichen  Bild  selbst 
übertroffen.  Im  vollsten  Licht  genommen,  ist  die  selbst  im  Aus- 
druck edlere  Maria  als  meist,  sowie  das  Kind  von  einer  seltenen 
Klarheit,  Zartheit  und  Sättigung  des  gelblichen  Tones.  Die  Hirten, 
von  gutartig -porträtmäßigem  Charakter,  sowie  ein  Zicklein  und 
ein  Lamm  sind  in  allen  Teilen  mit  genreartiger  Ausführlichkeit 
meisterhaft  gemalt,  die  Haltung  des  Ganzen  endlich  bewunderungs- 
würdig" i). 

')  Kunstwerke  III.  S'l-  Dominici  erwähnt  drei  Hirtenanbetungen  in  Neapel:  in 
der  Sacristei  des  Gesü,  von  S.  Maria  de'   P.  P.  Predicatori  und  der  Pietä  de'  Turchini. 


IS2 

8. 

Ein  anderes  großes  Werk  wurde  im  folgenden  Jahre,  1651, 
nach  langer  Arbeit  vollendet,  die  Apostelkommunion  im  Chor  von 
S.  Martino.     (4,00X4,00,  Abb.   53.)     Riberas  Meisterwerk. 

Bezeichnet  auf  einem  Zettel  links  unten: 

Joseph  de  Ribera  hispanus   Valentinus 
Academicus   Romanus   F.    1651. 

Es  ist  wohl  nicht  ohne  Bedeutung,  daß  Ribera  sich  auf  den  drei 
großen  Spätwerken :  Concepcion  in  Madrid,  Januariuswunder  imd 
Apostelkommunion,  nicht  Jusepe  de  Ribera  espafiol,  sondern  Joseph 
de  Ribera  hispanus  nennt.  Man  denkt  unwillkürlich  an  den  Alber- 
tus Dürer  alemanus. 

Seit  Mai  1638  arbeitete  Ribera  an  dem  Gemälde,  dessen  Vol- 
lendung infolge  der  Ausführung  anderer  großer  Aufträge  und  krank- 
heitshalber sich   bis    1651    hinzog.     (Siehe  Exkurs   111.) 

Der  Vorgang  spielt  sich  im  Freien  ab,  vor  einer  links  sichtbar 
werdenden  Halle.  (Ein  großer  Architekt  scheint  Ribera  nicht  ge- 
wesen zu  sein:  die  Kreuzgewölbe  sind  von  einer  sehr  bedenk- 
lichen Güte.)  Christus  teilt  das  Abendmahl  aus.  Stehend  nach 
links  gewandt  in  Dreiviertelansicht,  reicht  er  mit  der  Rechten  einem 
vor  ihm  knieenden  Jünger,  der  die  erhobenen  Hände  anbetend 
gefaltet  hat,  die  Hostie;  in  der  Linken  hält  er  eine  kleine  Platte 
mit  Hostien.  Das  Haupt  Christi,  von  langen,  dunklen  Locken  um- 
wallt, ist  von  großer  vornehmer  Schönheit.  Der  Blick  ganz  Güte 
und  Milde.  Gekleidet  ist  er  in  ein  langes  rotes  Gewand  und  in  einen 
blauen  Mantel. 

Die  Apostel  sind  frei  über  den  Raum  hin  verteilt;  Leute  aus 
jedem  Lebensalter.  Man  sieht  sie  geschildert  in  allen  denkbaren 
Momenten  der  Gemütsverfassung :  tief  ergriffen  Johannes,  der  rechts 
hinten,  den  Kopf  in  die  Rechte  geschmiegt  —  den  rechten  Arm 
mit  dem  Ellbogen  auf  den  Tisch  stützend  —  die  Linke  auf  der 
Brust  an  der  weißgedeckten  Tafel  sitzt.  Er  hat  bereits  den  Leib 
des  Herrn  genossen. 

Im  Gegensatz  zu  ihm,  dem  ruhigen  Jüngling,  der  leidenschaft- 
liche Greis :  Petrus,  der  sich  in  überströmendem  Dankesgefühl 
Christus  zu  Füßen  geworfen  hat.    (In  der  Stellung  an  die  Magdalena 


Tafel  XL 


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Abb.  53    DIE  COMMUNION  DER  APOSTEL     Neapel     S.  Martino 


153 

der  berühmten  Pietä  erinnernd;  gekleidet  in  einen  dunkelgrünen 
Rock  und  gelben  Mantel.) 

Und  wieder  ein  neuer  Kontrast.  Diesem  sich  in  den  Staub 
werfenden  Apostel  entspricht  auf  der  anderen  Seite  der  Alte,  der 
kniend  im  Vorgefühl  der  Gnade  zum  Himmel  blickend  die  Arme 
ausbreitet. 

Hinter  ihm  ein  sinnender  Mann,  der  die  Rechte  am  Kinn  hält, 
und  schließlich  jener  halbträumerische  Jünger,  der,  de  face  gesehen, 
in  der  Öffnung  der  Halle  steht  und  uns  anzublicken  scheint.  Aber 
noch  ist  die  Fülle  der  Motive  nicht  erschöpft :  Der  ehrwürdige 
Greis  hinter  dem  vor  Christus  knienden  Bruder  stehend,  blickt  er- 
wartungsvoll zu  dem  Herrn.  Im  nächsten  Augenblick  wird  er  auf 
die  Knie  sinken,  um  gleichfalls  die  Hostie  zu  empfangen.  Ein  an- 
derer Greis  neben  ihm  hat  nachdenklich  den  Blick  zu  Boden  gesenkt. 

Eine  der  schönsten  Gestalten  aber  ist  der  kniende  dunkelbärtige 
Mann  neben  Christus,  der  unseren  Blick  nach  oben  zu  den  Engeln 
lenkt.  Das  Gedämpfte  in  seinen  Bewegungen,  das  fromme  Erstaunen 
des  Jüngers  über  die  himmlische  Erscheinung  fesselt  den  Beschauer 
nächst  Christus  wohl  am  meisten.  In  leiser  Überraschung  hat  er 
die  Linke  erhoben  und  schaut  zu  den  Englein,  die  in  langem  Zug 
aus  den  himmlischen  Regionen  niedergeflogen  kommen,  der  vor- 
derste anbetend,  die  beiden  folgenden  sich  umschlungen  haltend. 

Der  blaue  Himmel,  den  ein  warmer  goldner  Schein  überzogen 
hat,  strahlt  es  über  dem  blau  in  der  Ferne  schimmernden  Gebirge. 

Der  Beschauer  soll  vor  dem  Bild  seine  Andacht  verrichten, 
eine  heiligste  Szene  enthüllt  sich  vor  den  Augen  des  Gläubigen: 
Darauf  weist  der  aufgezogene  rote  Vorhang,  der  oben  und  an  der 
linken  Seite  sichtbar  wird. 

Die  Komposition  erscheint  zuerst  ganz  frei,  die  Gestalten  wie 
zufällig  hier  und  dort  aufgestellt.  Und  doch  ist  alles  bis  aufs 
kleinste  abgezirkelt;  es  ist  Riberas  raffinierteste  Komposition,  einen 
anderen  Ausdruck  kann  man  dafür  nicht  finden. 

Am  leichtesten  erkennbar  die  zentrale  Anlage  der  größeren 
rechten  Hälfte  mit  Christus  als  Mittelpunkt.  Hauptlinie  ist  natür- 
lich eine  Diagonale :  Sie  führt  von  Christi  Haupt  über  den  Kopf 
des  vor  ihm  Knienden  zu  dem  zurückgesetzten  Fuß  dieses  Apostels. 


154 

Mächtig  wird  diese  Diagonale,  einem  musikalischen  Thema  gleich, 
von  der  großen  Schräglinie  aufgenommen,  die  von  den  Engeln 
über  den  Alten  im  Profil  zu  dem  in  Begeisterung  Knienden  führt. 
Sie  klingt  nach  in  dem  Vorhang. 

Dem  Herabneigen  der  die  Hostie  reichenden  Hand  Christi  wie 
überhaupt  seiner  ganzen  sich  leise  vorbeugenden  Bewegung  ent- 
spricht das  Sichherabsenken  der  Engel.  So  sind  die  beiden  Dia- 
gonalen nicht  willkürliche  Kompositionslinien,  sondern  vom  künst- 
lerischen Standpunkt  aus  direkt  gefordert.  Die  Gegendiagonale 
geht  vom  Kopf  des  Sinnenden  über  den  des  Begnadeten  zu  dem 
Petri.  Will  man  noch  weiter  gehen,  so  darf  man  sagen,  daß  die 
Hauptgruppe  in  einer  Pyramide  aufgebaut  ist,  deren  Spitze  Christus 
und  deren  Fußpunkte  der  Kniende  und  Petrus  bilden.  (Eingeschaltet 
der  aufblickende  Jünger.) 

Diese  Gruppe  hat  nur  eine  niedrige  Mauer  als  Hintergrund. 
Die  andern  werden  durch  die  Halle  mehr  als  Masse  zusammen- 
genommen. 

Von  dem  leuchtenden  Hintergrund  sich  abzuheben  versuchen. 
die  Köpfe  des  nachdenklichen  Greises,  des  Aufwärtsblickenden  und 
der  des  Johannes.  Doch  es  gelingt  nur  Christus  allein.  Die  ihn  um- 
gebende Helle  wirkt  wie  ein  großer  Glorienschein. 

Reiflich  ist  abgewogen  zwischen  der  Zahl  der  Knienden  und 
Stehenden,  zwischen  Leidenschaftlichem  und  Gestilltem,  so  daß  man 
als  Gesamteindruck  den  einer  hohen  Würde,  stillen  Ergriffenheit 
und  gefestigten  Andacht  erhält. 

Keine  Modellfiguren,  wo  jeder  nur  für  sich  lebt;  nein,  all^ 
tiefdurchgeistigt,  alle  in  Beziehung  gebracht  zu  Christus,  alle  durch- 
drungen von  der  hohen  Bedeutung  des  Augenblicks.  Das  schließt 
sie  zusammen,  das  läßt  das  Ganze  wie  aus  einem  Guß  erscheinen. 

Man  hat  das  Kolorit  venezianisch  gefunden,  vielleicht  fühlte 
man  auch  unbewußt,  daß  das  Bild  den  Zauber  venezianischer  ganz 
geruhter  Heiligenszenen  ausübt,  ja  jener  uns  anblickende  Apostel 
links  wie  auch  der  Kopf  Christi  scheinen  fast  einer  „Santa  Conver- 
sazione"  zu  entstammen  1 

Daß    Ribera    hier   so    licht    und    farbenfreudig    ist,    darf    uns 


ISS 

nicht  wundernehmen.  Der  Lichtmaler  durfte  mit  gar  keinem  an- 
deren Kolorit  aufwarten. 

Welch  ein  Weg  von  Ribaltas  bedeutender  Cena  bis  zu  diesem 
Werk!  Die  Wirkung  in  beiden  Fällen  ähnlich,  die  Mittel  aber 
ganz  verschieden.  Dort  die  geschlossene  Zentralkomposition,  eine 
dichtgedrängte  Schar  in  geschlossenem  Raum  mit  einseitiger  Be- 
leuchtung. Hier  eine  kunstvoll  lose  Verteilung  über  die  Fläche 
draußen  im  Freien,  wo  überall  frisches  Tageslicht  hindringt. 

Dem  Cicerone  scheint  hier  Ribera  „nicht  auf  der  rechten  Höhe 
zu  stehen".  (II.  3.  942.  i.)  Dominici,  der  das  Bild  sehr  lobt,  kann 
es  doch  dem  Januarius  gleichstellen.  Die  Farbe  behagt  ihm  nicht. 
Vielleicht  ist  dies  aber  nur  Schein,  er  benutzt  die  Gelegenheit  zu 
einem  Ausfall  gegen  den  Künstler.  „Perocche  egli  mutö  maniera 
credendo  con  la  vaghezza  del  colorito  far  gran  colpo  contro  gli 
emoli  etc."  Doch  meint  auch  er  schließlich,  obwohl  unvollendet 
sei  es  trotzdem   sein  bestes  und  vollkommenstes  Werk. 

9- 

Aus  dem  Jahr  1651  stammen  auch  der  hl.  Hieronymus  und  der 
hl.  Sebastian  im  Museo  Nazionale  von  Neapel.  Beide  ebenfalls 
für  die  Karthäuser  gemalt  und  mit  100  Dukaten  bezahlt.  i8o6 
kamen  die  Bilder  aus  der  Certosa  ins  Museum. i) 

Sebastian  (Inv.  No.  83978,  h.  1,21,  br.  1,00,  Abb.  54),  bez.: 
Jusepe  de  Ribera  espanol 
F  idsi 
bildet  in  gewissem  Sinn  das  Gegenstück  zu  dem  Paulus  von  1649, 
indem  er  nämlich  der  vollendetste  Jünglingsakt  aus  Riberas  Spät- 
zeit ist. 

Der  Abend  naht;  von  zwei  Pfeilen  getroffen  lehnt  sich  der 
Heilige  an  den  schrägen  Baumstamm,  an  den  er  gefesselt  ist.  Der 
letzte  Augenblick,  bevor  er  bewußtlos  zusammenbricht.  Doch  er 
benutzt  diesen  letzten  Moment  der  Klarheit  noch,  um  Gott  seine 
Festigkeit  im  Glauben  und  seine  Zuversicht  auf  ihn  zu  beteuern. 
Den  Kopf  nach  oben  gerichtet,  blickt  er  mit  seinen  großen  Augen 
gen  Himmel,  während  er  die  Rechte  ergebungsvoll  leicht  in  Rede- 

')  Le  Gallerie  Italiane.  V.   239. 


156 

weise  ausgestreckt  hat.  Er  scheint  zu  sagen:  „Stets  werde  ich 
Dein  sein!"  Der  hnke  Arm  ist  über  seinem  Haupt  am  Stamm  be- 
festigt, er  hängt  sozusagen  im  hnken  Handgelenk.  Die  physische 
Anstrengung  des  HeiHgen  spürt  man  sehr  gut  in  den  geblähten 
Nasenflügeln  und  dem  leicht   geöffneten    Mund. 

Sebastian  ein  kräftiger  Jüngling;  er  trägt  ein  kleines  Schnurr- 
bärtchen,  Fliege  und  schwachen  Vollbart.  Er  ist  bis  auf  das  weiße 
Lendentuch,  das  noch  rechts  über  einen  morschen  Stumpf  gebreitet 
ist,  nackt.  Der  Körper  außerordentlich  sorgsam  modelliert.  Bei 
der  Arbeit  mit  dem  feinhaarigen  Pinsel  wirkt  auch  die  genaue 
Wiedergabe  der  Härchen  in  der  Achselhöhle  und  auf  der  Brust 
keineswegs  kleinlich. 

Links  sieht  man  in  die  dunkele  Landschaft.  Das  Stämmchen, 
das  links  aufragt,  wiederholt  gleich  einem  Echo  din  Bewegung  des 
Heiligen.  In  die  steile  Hauptdiagonale  ist  auch  der  Stumpf  rechts 
eingestellt.  Die  Gegenlinien:  der  hoch  gehobene  rechte  Unterarm 
und  der  Wolkenrand.  Die  einzigen  Horizontalen  sind  die  beiden 
Pfeile. 

Die  Leuchtkraft  des  Fleisches  ist  hier  auf  das  denkbar  höchste 
Maß  gesteigert.  Bernsteinfarben,  in  wärmstem  Goldton  strahlt  der 
herrliche  Jünglingskörper  aus  der  Dämmerung  hervor. 

„Spätestes  mit  Liebe  gemaltes  Bild"   nennt  es  Burckhardti). 

Dieses  Gemälde  hat  jenem  süßlichen  Werk  eines  Nachahmers 
zum  Vorbild  gedient,  das  jetzt  in  der  Augsburger  Galerie  (407) 
hängt.  Den  Augen  des  Heiligen  entperlen  zwei  große  Tränen;  die 
Farbe  des  —  sehr  mäßig  gemalten  —  Lendentuches  bleu  mourant. 
Diesem  ähnlich  die  flaue  Nachahmung  des  Budapester  Museums 
6622). 

Von  Riberas  Hand  jedoch  rührt  das  Kniestück,  Prado  933, 
(h.  1,27,  br.  1,00,  Abb.  55)  her,  das  wie  eine  Vorstudie  zu  dem  Neapo- 
litaner Bild  anmutet.  Der  Hauptunterschied  zwischen  den  beiden 
Gemälden  liegt  aber  im  Kolorit,  indem  nämlich  das  Madrider  Bild 
ganz  licht  gehalten  ist. 

')  Cicerone  II.  3.  930.  g.  ')  Eine  Sebastiansmarter  Riberas  befand  sich  noch  in  der 
ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts  bei  den  Nonnen  des  hl.  Pasqual  zu  Madrid. 


'57 

Dieses  wie  die  breite,  duftige  Behandlung  (z.  B.  auch  des 
Laubes)  weist  schon  allein  auf  Riberas  letzte  Lebensjahre  als  Ent- 
stehungszeit hin. 

Der  Heilige  steht  fest  auf  der  Erde,  von  einem  drohenden, 
Zusammenbrechen  ist  nichts  zu  merken.  Er  ist  mehr  frontal  ge- 
sehen als  der  Neapolitaner  Sebastian.  Seine  Linke  gesenkt,  die 
Hand  selbst  nicht  sichtbar.  Die  Rechte  über  dem  Kopf  wie  in, 
Neapel  am  Baum  befestigt.  Der  völlig  bartlose  Heilige  hat  das 
Haupt  erhoben  und  blickt  —  mit  leicht  geöffnetem  Mund,  die 
Zähne  hier  nicht  wie  in  Neapel  sichtbar  —  zum  Himmel.  Etwas 
Klagendes  liegt  in  seinem  Ausdruck.  Ein  Pfeil  ist  durch  den  rechten 
Oberarm  gedrungen,  der  nun  gleichsam  an  den  Stamm  angeheftet 
erscheint.  Ein  zweiter  Pfeil  traf  ihn  in  die  linke  Hüfte.  In  dem 
links  sichtbar  werdenden  großen  Stumpf  stecken  zwei  weitere  Ge- 
schosse. 

Ganz  unten  ist  eine  hügelige  Landschaft  angedeutet.  Sonst 
bildet  ein  blauer  mit  dünnen  gelben  Wölckchen  überzogener  Him- 
mel den  Hintergrund. 

Der  Neapolitaner  Sebastian  besitzt,  wie  schon  gesagt,  einen 
Gefährten  in  dem  „Hieronymus  in  Medidation"  (Kniestück.  Invent. 
No.  83980,  h.  1,25,  br.  1,00,  Abb.  38),  bez.: 

Jusepe  de  Ribera  espafiol 
F.    1651 

Nicht  ein  kraftstrotzender,  aufgeregter,  derber  Greis  blickt  aus 
diesem  Bild,  nein,  ein  feiner,  alter  Gelehrter  mit  höchst  durch- 
geistigen Zügen,  mit  einer  Künstlermähne  und  langem  weißem 
Bart  schaut  sinnend  in  die  Feme.  Der  hohe  Mann  sitzt  an  einem 
Holztisch,  auf  dem  Bücher  und  ein  Schädel  liegen,  in  der  Linken 
ein  Pergament  haltend,  in  der  Rechten  die  Feder.  Er  hat  die  Ar- 
beit unterbrochen  und  denkt  über  etwas  nach. 

Bekleidet  ist  er  nur  mit  einem  roten  Mantel,  der  linke  Schulter 
und  Brust  freiläßt.  Der  lange  Bart  wirft  einen  kräftigen  Schatten  auf 
die  Brust.  Der  Heilige  sitzt  ein  wenig  vorgeneigt.  Seiner  Bewegung 
wirkt  der  Baumstamm  entgegen,  der  links  in  das  Bild  hineinragt. 

Das  Gemälde  ist  schlecht  erhalten,  viele  malerische  Feinheiten 
sind  verloren  gegangen.  Jedoch  besteht  der  Hauptwert  dieses  Werkes 


158 

ja  nicht  so  sehr  im  Kolorit  als  in  der  geistigen  Vertiefung  dieser 
Lieblingsgestalt  des  Künstlers. 

In  der  Petersburger  Eremitage  (332)  ebenfalls  ein  Hieronymus 
aus  dem  Jahre  1651.  Die  Jahreszahl  steht  auf  dem  Deckel  des 
Buches,  das  der  Heilige  in  der  Hand  hält  (h.  2,00,  br.  1,49). 

Der  Heilige,  unter  einem  Baum  auf  einem  Stein  sitzend,  liest 
in  einem  Folianten.  Bekleidet  mit  einem  roten  Mantel.  Hier  auch 
der  schlafende  Löwe  sichtbar.  Totenkopf,  Bücher.  Ein  Holzkreuz 
ragt  gegen  den  blauen  Himmel. 

Am  Ende  dieser  langen  Reihe  steht  der  Hieronymus  von  1652 
im  Prado;  ein  Abschluß,  wie  er  glän2ender  nicht  gedacht  werden 
kann. 

Prado  996  (h.  0,77,  br.  0,71,  Brustbild,  Abb.  51),  bez.: 

Jusepe  de 

Ribera 

espafiol 

F.  1652. 

Das  Gemälde  macht  den  Eindruck,  als  habe  es  der  Meister  bei 
seinem  Tod  unvollendet  auf  der  Staffelei  zurückgelassen,  so  pastos, 
so  kühn,  so  frisch,  so  „naß"  wirkt  es.  Keine  wilde  Leidenschaft 
mehr,  kein  Aufwerfen  des  Kopfes,  kein  Recken  von  Armen,  kein 
Spreizen  von  Beinen  —  alles  ganz  gestillt  —  ganz  ruhig.  Nur  die 
Augen  reden;  aber  welche  Augen!  Wie  sie  leuchten,  wie  voll  und 
offen,  wie  gläubig  sie  zum  Himmel  emporschauen!  Die  Model- 
lierung vollendet.  Man  betrachte  nur  die  rechte  Hand,  die  den 
Stein  hält,  oder  die  linke,  die  mit  festem  Griff  das  Holzkreuz  um- 
spannt. 

Der  letzten  Zeit  des  Künstlers  gehört  endlich  noch  der  „Klump- 
fuß" im  Louvre  an.  (Sammlung  La  Gaze  1725,  h.  1,61,  br.  0,92, 
Abb.  56),  bez. 

Jusepe  de  Ribera  espanol 
F.    1652. 

Lefort  las  die  Zahl  1642.1)     In  der  Tat  ist  man  zunächst  ver- 

')  Gaz.  des  Beaux-Arts  1882.  40  fr.  „Ribera  et  son  tableau  du  Pied-Bot  au  Louvre." 
Raimondo  Diosdado  erwähnt  in  seinen  ,Osservazioni  suüa  Patria  dcl  pitore  Gius.  de  Ribera.' 
Antologia  Romana    1796    (XXII)    p.   321    bei   Cav.    Azaro,    bevollmächtigtem    spanischet 


Tafel  XLII 


Br&DD  &  Glement 


Abb.  56     DER  KLUMPFUSS     Paris     Louvre 


159 

sucht,  die  5  als  4  2U  lesen,  jedocli  ist  bei  näherem  Zusehen  die  große 
untere  Schleife  der  5  deutlich  zu  erkennen.  Aber  selbst  wenn  dem 
nicht  so  wäre,  weist  das  Bild  rein  künstlerisch  auf  Riberas  reifste 
Periode.  Soll  vielleicht  der  Text  des  Zettels,  den  uns  der  grinsende 
Betteljunge  zeigt,  auf  die  damalige  wirtschaftliche  Verlegenheit  des 
Meisters  hinweisen? 

DA  MIHI  ELIMOSINAM  PROPTER  AMOREM  DEL 
Es  wäre  ein  grimmiger  Witz. 

Ein  lachendes  Elend,  wie  es  der  Reisende  im  Süden  täglich 
dutzendmal  findet.  Dreiviertel  nach  rechts  gewandt  in  seinem  nicht 
einmal  übermäßig  zerlumpten  Rock  und  in  der  kurzen  Hose  — 
auch  den  sonst  hier  so  seltenen  Luxus  eines  Hemdes  leistet  er 
sich !  ^,  barfüßig  natürlich,  blickt  uns  der  Betteljunge,  seine  schad- 
haften Zähne  bleckend,  mit  vergnügtem  Grinsen  an.  Die  Krücke 
hat  er  links  geschultert,  in  der  linken  Hand  hält  er  außerdem  noch 
den  erwähnten  Zettel.  Die  Rechte  faßt  den  Mantel,  den  er  zusammen- 
gerollt um  die  Hüften  trägt. 

In  der  Ferne  duftige  Bäume  und  Gebirge.  Der  Knabe  ist  voll- 
kommen gegen  das  Licht  gestellt.  Vollstes  Plein-air.  Das  ist  der 
Abschiedsgruß  des  „in  Marterszenen  schwelgenden,  finsteren" 
Ribera. 

Vor  ihm  wollen  wir  nicht  nur  „propter  amorem  dei"  uns 
verneigen,  wir  kommen  aus  eigenem  Antrieb,  um  diesem  ernsten 
Künstler  unsere  Achtung  zu  beweisen,  der  stets  ein  denkender 
Mensch  gewesen  ist,  erfüllt  von  tiefster  Religiosität  gegen  Gott 
und  die  heilige  Kunst. 

Minister  beim  heiligen  Stuhl  ein  Gemälde  Riberas,  das  einen  Bettler  darstellt.  In  der 
Rechten  hält  er  ein  Stück  Papier,  auf  dem  zu  lesen  ist 

V.  Senor   mio  compatisca  la  ve 

cciaya  C-  le  cative  estrade 

Jusepe  de  Rebera  (sie!)  Espa 

nol    Valenciano 

I 640  F. 

Ein  Stich  „Winstanley    fecit   1729"    gibt   diesen  Bettler  wieder,   jedoch  als  im  Besitz  von 

Lord  Derby    befindlich  (h.  ped  2.  pol.  6.  br.  ped  2.  pol.   I.)     Der  Name  „Ribera"    hier 

richtig  geschrieben. 


IV.  RIBERAS  KUNST. 

SCHULE  UND  EINFLUSS. 

Ribera  ist  wohl  der  universalste  aller  spanischen  Meister.  Kein, 
Gebiet,  das  er  nicht  gepflegt  hätte.  Er  malte  Bilder  religiösen  In- 
halts :  Szenen  aus  dem  Alten  Testament,  vor  allem  aus  der  Geschichte 
Jakobs,  Szenen  aus  dem  Neuen  Testament,  in  erster  Linie  natürlich 
aus  dem  Leben  und  Leiden  Christi ;  den  Gemälden  dieser  Art  folgen 
die  der  Concepcionen,  Wunderszenen,  Martyrien,  Apostel  und  Ere- 
miten. Daneben  behandelt  er  Stoffe  der  Antike :  Marsyas  und  Apoll, 
Venus  und  Adonis,  Laokoon,  Cato,  griechische  Philosophen.  Er 
pflegt  das  Porträt :  Sein  Selbstbildnis,  das  Porträt  Gambazos,  Mon- 
tereys,  D.  Juans  de  Austria,  eines  Neapolitaner  Musikers.  Die  Bettel- 
jungenbilder zeigen  seinen  Sinn  für  die  Genremalerei.  Den  Tier- 
maler lassen  uns  Bilder  wie  der  „Silen",  „Jakob  bei  seiner  Herde", 
die  Pariser  ,, Hirtenanbetung"  schätzen;  den  Stillebenmeister  zeigt 
uns  vor  allem  der  ,, Jakobssegen". 

Reine  Landschaftsbilder  von  Riberas  Hand  sind  uns  nicht  be- 
kannt. Wie  er  aber  die  Landschaft  tektonisch  wie  inhaltlich  mit 
dem  dargestellten  Gegenstand  zu  verknüpfen,  zu  verschmelzen  wußte, 
können  wir  aus  einer  großen  Reihe  seiner  Werke  erkennen.  An- 
zufangen mit  den  Hieronymusradierungen ;  dann  die  „Klage  um 
Adonis",  „Jakobs  Traum"  usw. 

(Darstellungen  von  Neapel  gibt  er  mehrfach  ;  so  auf  der  „Extase 
der  hl.  Magdalena",  dem  „hl.  Januarius"  in  Salamanca,  dem  „D.  Juan 
de  Austria".) 

Daß  Martyrienbilder  und  Darstellungen  des  hl.  Hieronymus  uns 
so  oft  bei  Ribera  begegnen,  darf  uns  nicht  wundernehmen.  In 
jener  Zeit  raffte  sich  die  Kirche  wieder  auf  und  suchte  die  schlaff 
gewordenen  Gläubigen  zu  neuem  frommem  Eifer  anzuspornen.  Was 
konnte  da  besser  dazu  beitragen,  die  Wankenden  im  Glauben  zu 
stützen  und  neue  Opferfreudigkeit  zu  erwecken,  als  dieser  Hinweis 
auf  die  alten  Märtyrer  und  Asketen,  die  heiligen  Säulen  der  Kirche  ? 

Solches  auf  dem  Gebiet  der  Malerei  zu  schaffen,  war  niemand 
geeigneter  als  ein  Spanier.     Wohl  hatte  im  Norden  der  genialere 


i6i 

Rubens  die  gleiche  Aufgabe  in  die  Hand  genommen.  Doch  geht 
ihm,  dem  heiteren  Vlämen,  ganz  das  Finstere,  Fanatische  ab,  das 
dem  Valencianer  angeboren  erscheint,  und  die  leidenschafthche  Er- 
regung findet  oft  nur  in  grandiosen  Bewegungen,  geschickt  arangier- 
ten  Massen,  in  herkulisch  gebauten  Körpern  ihren  Ausdruck,  wo 
weniger  psychische  Kraft  zum  Vorschein  kommt  als  physische,  die 
jedoch  zum  größten  Teil  nutzlos  verpufft. 

Im  Anfang  glaubte  auch  Ribera  seine  Heiligen  durch  großen 
physischen  Aufwand  allein  schon  bedeutend  machen  zu  können. 
Bal-d  jedoch  erkannte  er  seinen  Irrtum  und  suchte  zu  einer  immer 
größeren  Verinnerlichung  zu  gelangen. 

Die  Vorliebe  für  derbe,  ja  oft  häßliche  Formen  zeigt  sich  in  der 
ganzen  ersten  Periode  des  Künstlers :  der  sehnige,  feste,  abgehärtete 
Greis  Hieronymus  oder  Andreas ;  der  schwammige  Silen,  jene  scheuß- 
lichen Kerle  mit  den  Warzen  und  Drüsen.  Daneben  aber  von  An- 
fang an  ein  feines  Verständnis  für  die  schönen  Formen  eines  Jüng- 
lingskörpers :  der  Ephebe  auf  dem  Silensbild,  Sebastian,  Laurentius, 
Apoll.  Am  vollendetsten  aber  der  Christus  der  Pietä  von  S.  Martino. 
Auch  die  Kindergestalten  von  den  ersten  Werken  an  den  Beschauer 
durch  ihre  Formschönheit  anziehend.  (Ignaziusgeschichten,  Ekstase 
der  Magdalena,   Concepcion  Salamanca  usw.) 

Mit  der  Zeit  kam  er  auch  zu  einer  immer  größeren  Veredelung 
der  greisen  Gestalt.  Es  mag  dies  zum  guten  Teil  zusammenhängen 
mit  dem  Fortschritt  seiner  Technik,  die  mit  der  steigenden  Monu- 
mentahtät  Hand  in  Hand  geht.  Er  sieht  in  seinen  späteren  Jahren 
alles  größer,  schlichter,  ohne  dabei  die  Gründlichkeit  der  Model- 
lierung und  die  Genauigkeit,  die  Sauberkeit  der  Zeichnung  zu  ver- 
lieren, die  von  Anfang  an  allgemeine  Bewunderung  erregten.  Der 
reife  Meister  modelliert  viel  mehr  mit  Licht  und  Schatten  als  nur 
mit  dem  feinhaarigen  Pinsel,  durch  dessen  Führung  er  höchst  vir- 
tuos die  Formen  zu  bilden  verstand. 

Greise,  Männer,  Jünglinge  und  Knaben  besitzen  alle  etwas  Herbes 
in  ihren  Formen.  Riberas  Gestalten  sind  die  denkbar  männlichsten. 
Die  Putten,  in  der  Bildung  von  Correggio  angeregt,  sind  wie  bei  Ri- 
balta  feste  Bürschlein.    Dem  Sebastian  fehlt  jede  Bologneser  Weich- 

Mayer,  Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletto).  U 


l62 

heit  und  Hieronymus,  Petrus,  Bartholomäus  zeigen  nicht  wie  die 
alten  Heiligen  Domenichinos  einen  dem  Verfall  zuneigenden  Körper. 

Daß  Ribera  bei  alledem  den  Zauber  der  Kinderwelt  ebenso  gut 
kennt,  wie  der  große  Meister  von  Parma,  beweist  ja  vor  allem  die 
Concepcion  von  Salamanca. 

Was  vom  männlichen  Akt  gesagt  wurde,  gilt  auch  vom  weib- 
lichen. Wie  beim  hl.  Hieronymus  reizte  den  Künstler  bei  der  Maria 
Egyptiaca  die  Darstellung  eines  alt  gewordenen,  aber  noch  nervigen, 
durch  Entbehrungen  gestählten  Körpers.  Gerade  bei  den  weib- 
lichen Gestalten  zeigt  sich  Riberas  große  Herbheit.  Man  betrachte 
nur  seine  Magdalena,  seine  Agnes,  seine  Maria.  Durch  diese  eigen- 
artige Strenge  erreichte  er  aber  etwas,  was  kein  anderer  in  gleich 
überzeugender  Weise  auszudrücken  verstand :  die  Wiedergabe  der 
keuschen  Jungfrau.  Nicht  das  Kind,  wie  bei  Murillo,  ist  sein  Modell, 
sondern  —  an  Praxiteles  gemahnend  —  das  heranreifende  Mädchen. 
Dadurch  wirkt  er  schlagender  als  jeder  andere.  Ein  weiblicher  Voll- 
akt fehlt  im  Oeuvre  des  Künstlers.  Bereits  Justi  ist  die  Scheu  der 
Spanier  vor  der  Darstellung  des  weiblichen  Aktes  aufgefallen,  und 
mit  Recht  bemerkt  er,  daß  Velasquez  der  einzige  unter  den  früheren 
Spaniern  ist,  der  sich  an  die  Teufelin  Venus  gewagt  hat^).  Riberas 
Venus  ist  völlig  bekleidet  und  seine  hl.  Agnes  hat  sich  in  ihren  Gold- 
haarmantel gehüllt. 

Riberas  Frauen  sind  echte  Spanierinnen  mit  großen  dunklen 
Augen,  goldblondem  oder  tiefschwarzem  reichlockigem  Haar,  feiner 
schmaler  Nase,  kleinem  Mund,  etwas  langem  dünnem  Hals,  zarten, 
fast  zerbrechlichen,  langen  Fingern.  Diese  Hände!  Die  Behand- 
lung der  Hände  ist  ja  stets  bei  Ribera  meisterhaft.  Aber  hier  ist 
es  mehr  als  reines  Virtuosentum.  Die  ganze  SensibUität  des  Barocco, 
alles  Vornehme,  Graziöse,  Elegante  jener  Zeit  kann  man  aus  diesen 
Händen  entnehmen;  aus  ihnen  kann  man  sich  die  ganze  übrige 
Gestalt  aufbauen,  so  sind  sie  bis  in  die  Spitzen  der  Finger  hinein 
von  dem  Leben  durchglüht,  von  der  Erregung  durchbebt,  die  die 
Heilige  erfüllt. 

Daß  bei  all  der  Strenge  eine  hohe  lautere  Schönheit  erreicht 
wird,  beweist  mehr  als  ein  Beispiel.     Der  junge  Johannes  (Prado), 

')  Justi,  Velasquez  II,   238. 


i63 

Apoll,  Christus  (Pietä  S.  Martino),  Paulus  (Vitoria),  Andreas  von  1647, 
Magdalena  (Prado  980),  Maria  (Anbetung  Valencia),  Agnes,  Katharina 
und  Maria  (Verlobung  der  hl.  Katharina). 

Aber  ob  auch  seine  Gestalten  schön  oder  weniger  schön  er- 
scheinen, niemals  wirken  sie  leer.  Sein  Petrus  und  Hieronymus 
von  1622  ist  ebenso  von  Leidenschaft  geschüttelt  wie  jener  Andreas, 
der  den  Zeus  verschmäht,  wie  Bartholomäus,  der  den  Opfertod  er- 
leidet. Wie  wirkt  der  Paulus  von  1637  in  seiner  latenten  Kraft, 
der  Elias  von  S.  Martino  mit  seinem  verhaltenen  Feuer.  Und  nicht 
weniger  eindringlich  die  späten  Gestalten:  in  dem  stillen  Leuchten 
der  Augen  seines  Andreas  von  1647  liegt  ebenso  die  Siegesgewiß- 
heit des  Apostels  wie  in  denen  des  Hieronymus  von  1652  das  Ver- 
trauen des  gläubigen  Büssers  auf  die  Gnade  des  Himmels.  Seine 
Magdalena,  die  sich  über  des  Herren  Füße  wirft,  ist  nicht  weniger 
erschüttert  als  Petrus,  der  sich  (in  der  Apostelcommunion)  von  dem 
Gefühl  der  Gnade  und  des  eignen  Unwerts  überwältigt  Christus  zu 
Füßen  gestürzt  hat.  Wie  verschieden  der  Aufblick  zum  Himmel. 
Maria  in  banger  Ahnung,  Magdalena  in  sichrer  Hoffnung  auf  Ver- 
gebung, Agnes  in  fester  Zuversicht  und  Dank  für  des  Himmels 
Güte  zugleich.  Wie  rührend  die  Freude  des  Erkennens  bei  dem 
erbUndeten  Isaak,  wie  ergreifend  der  trostlose  Schmerz  Mariens 
(S.  Martino);  wie  bescheiden  und  respektvoll  die  anbetenden  Hirten, 
wie  jubelnd  und  ausgelassen  die  Kinderschar  der  Concepcion. 

Hier  offenbart  sich  etwas  mehr  als  ein  Talent.  Eigenartig  dazu 
noch  der  grimme  Humor;  der  lachende  Henkergehilfe,  Archimedes, 
der  Bettelknabe  des  Louvre  seien  als  Hauptvertreter  genannt.  Man 
denkt  manchmal  an  Filippo  Neri  den  Jesuitenheiligen  aus  Neapel 
mit  dem  krausen  Humor. 

Ribera  der  nüchterne  Realist  und  Poet  zugleich.  Nur  ihm 
konnte  jene  Mischung  von  Übersinnlichem  und  Irdischem  gelingen, 
nur  ihm  sich  der  spanische  Wunderhimmel  erschließen  und  daneben 
das  Auge  für  das  derbe,  volkstümliche  offenbleiben,  ihm,  dem 
Landsmann  des  Ignatius  von  Loyola,  bei  dem  sich  in  gleicher  Weise 
der  Hang  zum  Übersinnlichen  mit  dem  sicheren  Blick  für  das 
praktische  Leben  wunderbar  vereinigt  hatte. 

Vergleicht   man   die    „idealen"    Bolognesen   mit   dem    „Natura- 


i64 

listen'  Ribera,  so  ist  man  oft  versucht,  die  Beiworte  zu  tauschen. 
In  der  Grableg-ung  Annibale  Carraccis  in  Palermo  ist  keine  Gestalt 
ideal;  Marias  Schmerz  wirkt  als  Grimasse.  Mit  auffälliger  Liebe 
das  Körbchen  mit  Seilen  im  Vordergrund  behandelt.  Der  Bethle- 
hemitische  Kindermord  Annibales  in  München  ist  höchst  roh  und 
wild.  Wichtig  war  dem  Künstler  die  Verkürzung  des  einen  Kindes 
vom  am  Boden.  Lodovicos  Carraccis  Grablegung  in  München 
weder  in  der  Anlage  noch  im  Ausdruck  tief  Die  Verkürzung  der 
Leiche  war  die  Hauptsache.  Wie  sich  der  Mann  hinten  mit  der 
Laterne  zu  schaifen  macht!  Um  Christus  kümmert  sich  im  Grunde 
niemand.  In  Domenichinos  Hirtenstück  (Dulwich)  fesselt  den  Be- 
schauer die  große  Gestalt  des  Dudelsackspielers  weit  mehr  als  aUes 
andere.     Dies  eine  ganz  kleine  Auslese  von  Beispielen. 

Riberas  monumentaler  Stil,  der  in  der  zweiten  Hälfte  der 
dreißiger  Jahre  einsetzt,  zeitigte  natürlich  auch  einen  idealen  Typus. 
Er  begegnet  uns  zuerst  im  Paulus  von  1637  und  tritt  uns  zuletzt, 
diesem  ganz  ähnlich  aber  noch  edler  im  Christus  der  Apostelcommu- 
nion  entgegen. 

Daneben  gehört  Ribera  zu  den  ersten  Meistern  der  „Ausdrucks- 
halbfigur".  Sein  büßender  Hieronymus  und  sein  ergebungsvoll 
leidender  Sebastian,  beide  frei  von  jeglicher  Sentimentalität,  ge- 
hören zum  allerbesten,  was  der  Barock  in  dieser  Gattung  hervor- 
gebracht hat. 

Ebenso  sorgfältig  wie  die  Modellierung  des  menschlichen  Körpers 
ist  auch  die  Behandlung  des  Gewandes.  Gerade  hier  zeigt  sich 
der  strenge  Zeichner  Ribera,  der  nichts  von  dem  leichtsinnigen 
Geschmier  vieler,  oder  besser  gesagt,  der  meisten  Genossen  wissen 
will.  Scharf,  klar  und  sicher  ist  er  in  der  Faltengebung,  die  zu- 
weilen fast  ans  harte,  brüchige  streift. 

Auf  die  fein  abgewogene  Komposition  Riberas  wurde  schon 
oft  hingewiesen.  Sie  ist  des  Meisters  größte  italienische  Errungen- 
schaft. Der  kunstvolle,  rhythmisch  gegliederte  Bau  nicht  nur  der 
Architektur  sondern  auch  der  Gemälde  verursachte  den  Spaniern 
ähnliche  Mühe  wie  den  Deutschen.  Nur  Italien  konnte  dem  Künstler 
die  Geheimnisse  der  Tektonik  enthüllen,  nur  Italien  ihm  offenbaren, 
worin  in  letzter  Linie  die  Harmonie  eines  Kunstwerks  bestehe.     Und 


I6S 

Italien  hat  es  ihn  auch  wirklich  gelehrt.  Man  kann  wohl  ohne 
Übertreibung  sagen,  daß  Riberas  Kompositionen  die  italienischsten 
jener  Zeit  sind.  Nicht  nur  daß  alles  sorgsam  berechnet  ist, 
sie  zeigen  auch  echt  italienische  Einfachheit  und  Größe.  Den 
Bolognesen  mangelt  diese  Ökonomie  oft  in  bedenklicher  Weise. 
Ihre  Bilder  sind  nicht  selten  unheimlich  vollgepfropft  mit  Menschen 
und  Tieren;  man  denke  z.  B.  an  Domenichinos  Madonna  del  Rosario 
(Bologna)   oder  an   seine   Sebastiansmarter  (Rom  S.  M.   d.  Angeli). 

Der  Ausgangspunkt  für  ihn  ist,  wie  für  so  viele  andere, 
Correggios  Kompositonsweise  (ScodeUamadonna  in  Parma):  Die 
Diagonale  im  Hochbild  die  Hauptlinie.  Jedoch  ist  natürlich  das 
Hochbild  nicht  das  ausschließliche  Format.  Mit  feinem  Gefühl 
wendet  der  Künstler  bei  Scenen  wie  dem  „Süen",  dem  ruhenden 
Einsiedler  Paulus  das  Breitformat  an  mit  einer  sanften  Diagonalen 
als  Hauptachse.  Die  Hauptfigur  holt  er  oft  dadurch  heraus,  daß 
er  sie  in  den  Schnittpunkt  zweier  Diagonalen  setzt,  die  sich  nach 
der  Mitte  zu  senken  (Hieronymus  Rad.  v.  1622,  Pietä  S.  Martino, 
Verlobung  der  hl.  Katharina  u.  s.  w.)  oder  er  setzt  sie  in  eigen- 
tümhche  Beziehung  zu  dem  sie  umgebenden  Licht.  (Maria  in  der 
Concepcion  von  1641  allein  im  Lichtkreis  schwebend,  Christuskopf 
in  der  Kommunion,  der  sich  allein  gegen  den  Himmel  voll  abhebt.) 

In  der  Wahrung  der  Massenkontinuität,  wo  keine  Gestalt  aus 
dem  Ganzen  herausgenommen  werden  kann,  jede  nur  im  Zusammen- 
hang mit  den  anderen  seine  Bedeutung  besitzt,  zeigt  sich  der  echte 
Barockkünstler.  In  der  Kunst  macht  sich  da  derselbe  Geist  be- 
merkbar, der  im  religiösen  Leben  jener  Zeit,  vor  allem  in  der  Ge- 
sellschaft Jesu  herrscht:  Der  einzelne  ist  nichts,  er  ist  nur  Glied 
eines  Ganzen,  und  erst  dieses  Ganze  besitzt  Bedeutung. 

Die  Landschaft  dient  Ribera  in  ihren  Elementen  dazu,  die 
Hauptbewegung  kräftig  zu  unterstützen:  die  Hügel-  oder  Höhlen- 
silhouette, der  Baumstumpf.  Ebenso  wie  Dürer  hat  auch  Ribera 
den  Wert  der  Lanzen  in  der  Komposition  erkannt  und  alles,  was 
Waldmann ^)  für  Dürer  nachgewiesen  hat,  kann  man  auch  bei 
Ribera  finden  (Bartholomäusmarter,  Radierung  wie  Gemälde, 
Samson,  Januarius  u.  a.). 

')  Waldmann,   „Lanzen,   Fahnen  und  Stangen  bei  Dürer."      1906. 


i66 

Über  das  kühne  Wagfnis  mit  Licht-  und  Schattenflächen  das 
BUdgerüst  aufzubauen,  wurde  an  der  betreffenden  Stelle  („Der 
Gnadenstuhl  in  den  Wolken")  schon  eingehend  gehandelt. 

Bei  einem  tenebroso  war  Ribera  in  die  Lehre  gegangen.  Von 
ihm  hatte  er  das  rötliche  Kolorit.  Daß  er  es  so  schwer  überwand, 
kam  zum  Teil  wie  bei  Poussin  und  anderen  von  der  noch  nicht 
erlangten  Sicherheit,  mit  dem  neu  aufgekommenen  Bolusgrund  zu 
arbeiten.  Mit  der  Zeit  wird  Ribera  immer  lichter;  die  Schatten 
hellen  sich  mehr  und  mehr  auf,  das  durchscheinende  Rot  (Finger, 
Engelsköpfe)  bekommt  eine  lichtere  Frische,  die  Körper  erhalten 
eine  von  Jahr  zu  Jahr  wachsende  Leuchtkraft:  bernsteinfarben 
funkeln  sie  dann  in  warmem,  goldenem  Licht. 

Von  einer  Lieblingsfarbe  kann  man  nicht  gut  reden.  Der 
Maler  freute  sich  des  tiefen  klaren  Blau  des  neapolitaner  Himmels, 
der  goldenen  Wölkchen,  die  Schiffchen  gleich  den  Himmelsozean 
durchqueren;  sehr  gerne  verwendet  er  den  Purpur:  Mantel  Apollos, 
Gott  Vaters,  Bett  Isaaks  (Draperie  und  seidene  Decke),  Vorhang 
beim  Kommunionsbild. 

Ribera  galt  zu  seiner  Zeit  als  einer  der  bedeutendsten  Kolo- 
risten,  vor  allem  in  Spanien  ,Y  ahora  tiene  el  primado  en  pie  en 
la  practica  de  los  colores  Jusepe  de  Rivera  Uamado  en  Italia  el 
Espaüol  eto  "  sagt  Pacheco,  der  Schwiegervater  des  Velasquez,  von  ihm  ^). 

Riberas  Entwicklung  steht  nicht  außerhalb  jeden  Zusammen- 
hangs, sie  geht  vielmehr  parallel  mit  der  eines  Rembrandt,  Hals, 
Velasquez.     Zeitlich  wie  innerlich. 

Wie  die  beiden  ersten  Jahrzehnte  des  Cinquecento,  so  werden 
die  vierziger  und  fünfziger  Jahre  des  Seicento  zu  einem  Höhepunkt 
der  Malerei  aller  Zeiten,  ja  man  kann  sagen  zum  Gipfel  der  Mal- 
kunst überhaupt.  Es  sind  die  Jahre  der  großzügigsten  Malerei,  des 
Triumphes  der  malerischen  Anschauungsweise.  Alle  die  genannten 
Meister  erlangen  im  Lauf  der  dreißiger  Jahre  ihre  innere  Befreiung; 
sie  werden  von  da  an  in  ihrer  Malkunst  nicht  nur  pastoser,  monu- 
mentaler, sondern  auch  in  ihrer  Auffassung  ernster,  schlichter,  vor- 
nehmer.    Hals   lärmt   nicht    mehr   so   ausgelassen,   der   Humor   des 

')  Arte  de  la  Pintura.     Herausg.   von  Villaamil.     Madrid   1866.     S.   84. 


16/ 

alternden  Mannes  ist  nicht  bloße  Lustigkeit,  es  liegt  etwas  Bitteres 
darin,  das  ihm  erst  die  Größe  gibt;  aus  dem  lauten,  gar  oft  posieren- 
den, derben  Rembrandt  wird  ein  ruhiger,  denkender  Künstler,  der 
nichts  nach  Gunst  und  Beifall  des  großen  Haufens  fragt,  sondern 
still  nur  sich  und  seiner  Kunst  lebt.  Und  aus  Velasquez  wird  in 
jenen  Jahren  der  große  Menschenkenner  und  Beherrscher  des 
Tageslichts.  Es  gelingt  ihm  das  Porträt  aller  Porträts,  sein  Innocenz  X 
von  1649,  zu  der  Zeit  wo  sein  Landsmann  Ribera  das  Reiterporträt 
des  jungen  Don  Juan,  den  hl.  Andreas  von  1647  ^^"^  "^i®  Apostel- 
kommunion schuf.  Ribera  starb  als  erster  aus  der  Reihe  hinweg. 
Ob  er  noch  höher  hätte  steigen  können? 

2. 

Ein  solch  ernster,  in  sich  gekehrter  Mann,  ein  so  tief  schürfen- 
der, mit  größter  Gewissenhaftigkeit  und  Sorgfalt  arbeitender  Künstler 
konnte  in  jenem  rasch  und  leicht  schaffenden  Zeitalter  keine  eigent- 
lichen Schüler  hinterlassen.  Nur  Nachahmer.  Von  ihnen  allen  gilt 
das  fa  presto  eines  Giordano,  für  sie  wie  die  ganze  Neapolitaner 
Kunstwelt,  in  der  sich  Ribera  wie  ein  Mensch  aus  der  guten  alten 
Renaissance  ausnimmt. 

Der  genialste  Nachahmer,  Lucca  Giordano,  der  auch  auf  Riberas 
Namen  Bilder  fälschen  durfte,  mag  als  Beispiel  für  aU  die  kleinei^en 
dienen.  Er  zeigt  uns,  was  die  damalige  Welt  an  Ribera  bewunderte, 
was  sie  als  seine  schöpferische  Tat  ansah.  Man  kann  es  sich  wohl 
denken.  Es  ist  mehr  das  äußerliche:  Hieronymus  oder  Petrus,  der 
Greis,  der  noch  von  mächtigem  Leben  durchpulst  ist ;  der  Charakter- 
kopf: die  „Philosophen";  die  Marterbilder:  der  geschundene  Bartho- 
lomäus. Nur  daß  in  der  Nachahmung  die  Tiefe  der  Charakteristik,  die 
Gediegenheit  der  Zeichnung,  die  Sorgfalt  der  Ausführung  fehlt. 

Jedoch  kam  auch  für  Giordano  die  Stunde  der  Einsicht,  daß 
er  doch  mehr  vermöge  als  berühmte  Meister  nachzuahmen.  Er 
wurde  ein  Eigener,  der  koloristisch  denselben  Weg  ging  wie  Poussin, 
der  aus  einer  schwer  rot-blaugrauen  Färbung  zu  lichten  Tönen  ge- 
langte, für  den  gleich  Poussin  und  Tiepolo  Blau  und  Gelb  Lieblings- 
farben wurden.  Wer  den  reifen  Giordano  kennen  lernen  will,  muß 
sich  an  das  grandiose,  stark  an  Tiepolo  gemahnende  Fresco  in  der 


i68 

großen  Sakristei  der  Toledaner  Kathedrale  halten:  Das  Wunder 
des  Hl.  Ildelfonso.     Belehrend    ist   auch   das   Berliner   „ Parisurteil. " 

Über  den  Werkstattbetrieb  bei  Ribera  teilt  uns  Dominici  einiges 
mit.  Der  Vater  Giordanos,  Antonio,  copierte  die  Antoniusbilder 
des  Meisters,  die  dann  von  diesem  nochmals  übergangen  wurden 
(„ritoccati  par  il  maestro").  Für  die  Verbreitung  der  Halbfiguren- 
bilder  von  Philosophen  und  hl.  Hieronymi  habe  D.  Gio.  Dö  gesorgt. 
,nel  maneggio  del  colore  e  nel  girar  dell'impasto  eran  tutt'  uno." 
Ein  weiterer  Gehilfe  war  Bartolomeo  Passante  »che  il  maestro 
molto  l'adoperava  nelle  molte  richieste  de  sue  pitture" ;  vor  allem 
für  die  Gemälde,  die  in  fremde  Länder  geschickt  wurden.  Auch 
der  Schlachtenmaler  AnieUo  Falcone  wird  unter  Riberas  Schülern 
genannt. 

Unrichtig  wohl  Dominicis  Mitteilung,  daß  Andrea  Vacarro  direkt 
bei  Ribera  gelernt  habe.  Der  Künstler  schlug  mehr  die  Wege 
Stanzionis  ein;  Riberas  Einfluß  konnte  er  sich  natürlich  nicht  ent- 
ziehen. (Am  meisten  bemerkbar  in  der  jüngst  in  das  Wiener 
Hofmuseum  gelangten  ,  Hirtenanbetung. ")  Riberas  bedeutendster 
Schüler  war  vielleicht  Salvatore  Rosa,  der  am  meisten  etwas  von 
des  Meisters  Kraft  und  Leidenschaft  zeigt.  Namentlich  der  Radierer 
Rosa  ist  von  Ribera  angeregt  worden. 

Daß  die  Bolognesen  nicht  nur  von  Carravaggio,  sondern  auch 
von  Ribera  beeinflußt  worden  sind,  unterliegt  keinem  Zweifel.  Guido 
Reni  ebensogut  wie  Domenichino.  Zum  erstenmal  hat  dies  Unger*) 
klar  ausgesprochen.  Namentlich  Domenichinos  Münchner  Hiero- 
nymus  ist  ohne  Riberas  Radierung  undenkbar.  Auch  auf  deutsche 
Meister  wirkte  der  Künstler.  So  schuf  abgesehen  von  dem  Autor 
des  Münchner  Hieronymus  (Pinakothek  1290)  Sandrart  in  Riberas 
Geist  einen  Seneca  und  einen  Cato  Uticensis.'^  Über  Ribera  selbst 
urteilt  der  Maler  in  seiner  Teutschen  Accademie  wie  folgt:*)  „wolte 
sein  Genio  keine  gefällige,  angenehme,  sondern  lieber  andere  schreck- 
bare crudele  Historien,  alte  abgelebte  Körper,  mit  zerrümpfter  Haut, 
bejahrte  wilde  angesichter,  die  er  alle  warhaft  lebendig  mit  großen 
Kräften  und  Wirkungen  ausgebildt." 

•)  Kritische  Forschungen  S.  165.  ')  Sandrart,  Lebenslauf  und  Kunstwerke.  Nürn- 
berg  1675.     S.    10  u.    II.     ')  Sandrart,  Teutsche  Accademie  S.    191. 


i69 

Nicht  viel  anders  urteilte  übrigens  Goethes  Freund,  der  Kunst- 
historiker H.  Meyer  über  unseren  Künstler.  „Michel  Angelo,  Merigi 
von  Carravaggio  aber  und  sein  Schüler  Joseph  Ribera  genannt 
Spagnoletto,  stellten  sich  dem  edleren  Geschmack  ganz  entgegen 
und  traten  als  entschiedene  Naturalisten  auf,  das  ist,  sie  ahmten 
die  Natur,  mit  sinnlicher  Anschauung,  treu  nach,  doch  ganz  ohne 
Wahl  der  Formen  noch  mit  bestimmter  Rücksicht  auf  den  erforder- 
lichen Charakter  ihrer  Figniren  zum  beygelegten  historischen  Zweck. 
Die  Madonnen  sind  gewöhnliche  bloße  Dirnen,  das  Christkind  ein 
gemeiner  Knabe,  St.  Joseph  ein  Zimmermann,  der  Hl.  Hieronymus 
ein  elender,  runzliger  Alter  u.  s.  w.;  ja,  oft  laden  diese  Künstler 
sogar  den  Verdacht  auf  sich,  das  fehlerhafte,  das  niedrige,  dürftige 
und  gemeine  absichtlich  gesucht  zu  haben ''.^) 

Weit  günstiger  fährt  Ribera  bei  R.  Mengs,  der  in  einem  Brief 
an  Ponz  schreibt^  „E  ammirabile  il  Ribera  nell'  imitazione  del 
naturale,  neUa  forza  del  chiaroscuro,  nel  maneggio  del  penello,  e 
nel  dimostrare  gli  accidenti  del  corpo,  le  rughe,  i  peli  etc.  II  suo 
Stile  e  sempre  forte;  ma  non  giunse  al  Velasquez  neU'  inteUigenza 
de'  lumi,  e  deU'  ombre,  mancandogli  la  degradazione,  e  l'ambiente 
deU'  aria;  benche  nel  colorito  e  di  maggior  forza,  e  brio".  Ein  für 
jene  Zeit  außerordentlich  feinfühliges  künstlerisches  Urteü. 

StirUngs  Ansicht^)  „the  jealous  implacable  Spaniard  was  indeed 
cursed  with  the  evil  eye,  seeing  trighful  visions  in  the  midst  of 
sunshine  and  beauty"  deckt  sich  ziemlich  mit  den  von  ihm  zitierten 
Worten  Byrons  aus  dessen  Don  Juan.*) 

, .Spagnoletto   tainted 
His  brush  with  all   the  blood  of  all   the  sainted". 

Weit  einsichtsvoller  hatte  geraume  Zeit  vorher  ein  anderer 
Engländer  geurteUt,  Richard  Cumberland : ') 

„Some  of  the  characters  of  his  Baptist  from  Magdalens  and 
Madonas  wich  I  have  met,  are  equal  in  grace  and  tendemess  of 
expression  to  the  best  heads  of  Guido  and  Guercino. 

^)  ,,Winckelmann  und  sein  Jahrhundert"  herausgeg.  von  Goethe  1805  in  dem  von 
Meyer  bearbeiteten  ,, Entwurf  zu  einer  Kunstgeschichte  des  18.  Jahrhunderts".  S.  173. 
^)  R.  Mengs.  „Opere".  Roma  1787.  S.  308.  ')  Stirling,  Annais  903.  *)  Byron,  Don 
Juan  XllI,  71.  *)  R.  Cumberland,  .Anecdotes  of  eminent  painters  in  Spain  during  the 
sixteenth  and  seventeenth  Centuries.     London   1782.     I,  205. 


170 

I  confess  my  surprize  was  great  in  discovering  him  in  a  character, 
wich  was  new  and  unknown  to  me  before  I  went  to  Spain". 

Viel  richtiges  liegt  in  den  Worten  Ungers/)  daß  Ribera  Vor- 
würfe behandele,  „wo  eine  gesteigerte  Anspannung  des  mensch- 
lichen Organismus  unter  den  Bedingungen  des  moralischen  und 
physischen  Schmerzes  noch  mehr  ans  Licht  stelle".  Nicht  gefiel 
ihm  bei  dem  Künstler  das  angeblich  übermäßig  starke  Betonen  des 
Anatomischen.  „Sowohl  Caravaggio  als  auch  Ribera  verfallen  nicht 
selten  aus  anatomischen  Zwecken  in  den  Fehler,  daß  sie  die  Haut 
zu  gespannt  und  straff  darstellen,  weil  sie  es  weniger  mit  dieser 
als  mit  der  darunter  befindlichen  zu  tun  haben.  Bei  Guido  ge- 
langt aber  alles  zu  seinem  natürlichen  Recht."'") 

Carl  Justis  Urteil^)  mache  als  jüngstes  in  dieser  Reihe  den  Be- 
schluß: „Er  der  in  Kenntnis  und  Kunst  der  Zeichnung  kaum  von 
einem  seiner  Landsleute  erreicht  worden  ist,  ist  doch  am  größten 
in  der  tragischen  Tiefe  der  Stimmung;  freilich  geht  der  leiden- 
schaftliche Zug  der  nationalen  Devotion  oft  bis  zum  Düstern  und 
Grausamen.  Aber  auch  der  Zauber  hoher  Anmut  fehlt  nicht,  wie 
eine  farbenglühende  Blume  aus  Felsgestein  emporblüht.  Er  gab 
zuerst  ein  Beispiel  der  Verbindung  des  Naturalismus  mit  dem 
katholischen  Geist,  und  darin  lag  eine  befreiende  Kraft:  er  hat  den 
Malern  des  XVII.  Jahrhunderts  den  nationalen  Weg  zu  Originalität 
und  Größe  gezeigt.' 

3- 
Einen  mächtigen  Einfluß  hat  Ribera  natürlich  auf  die  spanische 
Kunst  ausgeübt. 

Wie  weit  der  junge  Juan  de  Ribalta  in  seiner  Kreuzaufrichtung 
(Valencia  Mus.  prov.)  von  Ribera  beeinflußt  ist,  läßt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  sagen.  Eines  aber  sieht  man  auf  den  ersten  Blick:  dem 
Bild  fehlt  jede  Tektonik  im  Aufbau,  die  Ribera  den  Italienern  so 
vollkommen  abgelauscht  hatte. 

Die  Studienköpfe  und  Heiligenbilder  des  Esteban  March  gehen 
auf  Ribera    zurück;    die   flüchtigsten  Arbeiten  Giordanos    aber    er- 

•)  Unger,  Kritische  Forschungen  S.  169.  ^)  Krit.  Forsch.  176.  •')  Baedekers 
Spanien  und  Portugal.   LXXXIII. 


171 

scheinen    sorgfältige    Gemälde    neben    den   wüsten  Pinseleien    des 
Valencianers. 

Auf  Pereda  hat  Riberas  von  der  Trompete  aufgeschreckter 
Hieronymus  großen  Eindruck  gemacht,  wie  sein  Gemälde  Prado  939 
beweist,  auf  Cerezo  der  Crucifixus  in  Vitoria;  man  betrachte  nur 
seinen  „Cristo  de  la  agonia"  in  der  sala  capitular  der  Kathedrale 
von  Burgos;  sein  , Hieronymus"  im  Leipziger  Museum  geht  in  allen 
Teilen  auf  Riberas  Radierung  B.  4.  zurück. 

Alonso  Cano  hat  an  allen  Ecken  und  Enden  Werke  Riberas 
für  eigne  Arbeiten  benutzt;  so  den  „Reuigen  Petrus"  von  1621  für 
seinen  „Johannes  auf  „Patmos"  (Prado  667),  den  „Hieronymus  in 
der  Wüste"  in  dem  Bild  gleichen  Inhalts  (Prado  669),  die  „Trinität" 
für  sein  Gemälde  in  der  Grenadiner  Kathedrale  usw. 

Riberas  „Descanso"  hat  Romero  Juan  de  Sevilla  für  seine 
„Ruhe  auf  der  Flucht"  (Budapest  305)  verwertet. 

Vor  allem  aber  stehen  die  drei  bekanntesten  Spanier  Velas- 
quez,  Murillo,  Zurbaran  unter  Riberas  Einfluß.  Zurbaran  zeigt  dies 
namentlich  in  dem  (früher  Velasquez  zugewiesenen)  Hirtenbild  der 
Londoner  National  Gallery. 

Die  starke  Wirkung  auf  Murillo  ersehen  wir  namentlich  aus 
den  Werken  der  Übergangszeit  zum  sogenannten  estilo  caliente; 
z.  B.  „Familia  del  Pajarito"  (Prado  854)  beeinflußt  von  Riberas 
„Holzhackerfamilie",  die  Navidadbilder  besonders,  London,  Wallace 
CoUection  34,  Prado  859,  und  das  unlängst  vom  Kaiser  Friedrich- 
museum in  Berlin  erworbene  Gemälde.  Als  Vorbild  diente  augen- 
scheinlich Riberas   „Hirtenanbetung"   von   1640  im  Escorial. 

Den  Einfluß  auf  Velasquez,  der  ja  in  persönliche  Berührung 
mit  dem  Meister  gekommen  ist,  bezeugt  uns  auch  der  alte  Pacheco, 
des  Velasquez  Schwiegervater;  in  seiner  „Arte  de  la  Pintura"  *) 
spricht  er  vom  reinen  Naturstudium,  wie  er  es  selbst  verfolgt,  wie 
es  Caravaggio  geübt  hat,  und  fährt  dann  fort: 

„Asi  lo  hace  Jusepe  de  Rivera;  pues  sus  figuras  y  cabezas 
entre  todas  las  grandes  pinturas  que  tiene  el  duque  de  Alcalä, 
parecen  vivos,  y  los  demas  pintado  aunque  sea  junto  ä  Guido  Bolones; 

')  Arte  de  la  Pintura  S.    15,   16. 


172 

y   mi  yemo  que  signe   este  Camino,    tambien    se,    ve    la    diferencia 
que  hace  ä  los  demas,  por  tener  siempre  delante  et  natural." 

So  darf  man  denn  wohl  Ribera  einen  Mitbegründer  der  großen 

spanischen  Kunst  im  XVII.  Jahrhundert,  ja  einen  Künder  modemer 

Malerei   überhaupt  nennen.     Sein   Werk  ist   von  demselben  Geist 

erfüllt   wie   die  Schriften   seines  Lieblingsheiligen  Hieronymus,   der 

in  seinem  Brief  an  Heliodor  über  das  Eremitenleben  ausgerufen  hat: 

»Wie  lange  soUen  die  Häuser  noch  ihren  Schatten  auf  dich 

werfen?    Wie  lange  sollst  du  noch  eingeschlossen  sein  in  die 

Kerkerluft   rauchiger   Städte?     Glaube   mir,   ich   genieße    ein 

Licht,    das   ich    nicht    zu    schildern  vermag.     Wirf  die  Wucht 

des    Leibes   von    dir   und    fliege    aus    zum    reinen  Glanz    des 

Aethers!" 

Exkurs  I. 
RIBERAS  GEBURTSJAHR  UND  HEIMAT. 

Daß  Ribera  in  Jätiba  geboren  ist,  kann  keinem  Zweifel  unter- 
liegen. Er  selbst  neimt  sich  auf  dem  Navidadbild  von  1640  (Es- 
corial)  „espaiiol  valenciano  de  la  ciudad  de  Xativa",  bezeichnet  sich 
öfters  als  Setabensis  (Petersburger  Sebastian,  Silen,  Andreasmarter, 
Hirtenanbetung  bei  Weber-Hamburg),  fast  stets  als  valenciano  und 
hispanus  oder  espanol. 

Femer  wird  im  Taufregister  der  Parr.  di  S.  Marco  dei  tessitori 
IIb.  V^)  gleichfalls  Jätiba  als  seine  Geburtsstadt  angegeben. 
Adi  9  maggio  1634  Fran"  Aato°  And"  Figlio  di  Gioseppe  di  Rivera 
della  Cittä  di  Sativa  nel  regno  di  Valentia  .  .  .  .* 

Damit  verlieren  die  Angaben  Dominicis"),  der  Gallipoli  in 
Unteritalien,  und  Celanos*)  der  Lecce  zum  Geburtsort  Riberas  machen 
will,  jede  Bedeutung. 

*)  L.  Salazar,  La  patria  e  la  familia  dello  Spagnoletto.  Nuovi  documenti.  Nap. 
Nob.  III.,  97 ff.  ')  Dom.  III.,  III.  ')  Celano.  II.,  99.  Während  Giacinto  Ginna  in  der 
„Idea  della  storia  dell'  Italia  letteraria"  Napoli  1723  in  cap.  32  gleich  Celano  und  D.  Pietro 
Signo  rellis  „Vicende  della  letteratura  delle  due  Sicilie"  Tom.  V  gleich  Dominici  berichtet,  be- 
zeichnet Pompeo  Sarnelli  im  „Guida  dei  Forestieri"  Napoli,  1685,  II.  Ribera  als 
Spagnuolo,  F.  Bellori  in  der  Vita  des  Carravaggio  (1672)    als  Spagnuolo  di  Valenza,    de 


173 

Wann  aber  Ribera  geboren  wurde,  läßt  sich  nicht  mit  Be- 
stimmtheit sagen.  Diosdado  hat  freilich  in  seinen  „Osservazioni 
sulla  patria  del  pittore  Giuseppe  de  Ribera"  *)  ein  Taufzeugnis  mit- 
geteilt, dem  zufolge  Ribera  am  12.  Januar  1588  geboren  worden  sei. 

,A  12  de  Giner  any  1588  fon  batizot  Josef  Benet  fill  de  Llois 
de  Ribera  y  de  Margarita  Gil  foren  copares  berthomesi  crionys 
notary  y  comare  mangalida  riba  albero  donsella  filla  nofre  albero." 

Dieses  Zeugnis  nützt  uns  jedoch  gar  nichts,  denn  es  steht  fest, 
daß  Riberas  Vater  mit  Vornamen  nicht  Luis,  sondern  Antonio 
Simone  oder  Simone  Antonio  hieß. 

Hauptbeweis  dafür  ist  eine  Eintragung  im  Register  der  Parr. 
di  S.  Marco  zu  Neapel  Lib.  IV  Fol.  107.^  Wir  lesen  da,  daß  am 
28.  Februar  1630  als  Taufpate  fungfierte  „Gioseppe  de  Rivera,  Figlio 
de  Simone  de  Rivera  de  Valentia." 

Riberas  ältester  Sohn  heißt  Antonio  Simone  Gioseppe,  sein 
zweiter  Francesco  Antonio  Andrea.^) 

Dominici  und  seine  Nachfolger  geben  Antonio  als  Vornamen 
des  Vaters  an. 

Aber  ganz  abgesehen  von  diesem  Vornamen  trifft  schon  des- 
halb das  Zeugnis  nicht  auf  unseren  Ribera  zu,  weil  dieser  sich  nie- 
mals Joseph  Benet  nennt  und  auch  nirgends  von  einem  Giuseppe 
Benito  die  Rede  ist. 

Dieser  Joseph  Benito  mag  wohl  ein  Verwandter  Riberas  ge- 
wesen sein.  Der  Name  Ribera  war  ja  sehr  verbreitet.  Wir  kennen 
bereits  jenen  Kunstfreund  Juan  de  Ribera,  Erzbischof  von  Valencia. 
Am  6.  Mai  1621  vermählte  sich  der  Admiral  D.  Francesco  de 
Ribera  in  Neapel.*)  D.  Giulio  Cesare  Infantino  erwähnt  in  seinem 
Buch  „Lecce  Sacra"*)  einen  Antonio  Ribera,   castellano  di  Trezzo 

Piles  im  „Abrege  de  la  vie  des  peintres"  1699  als  Spanier,  der  Anonymus  E.  D.  R.  in 
der  „Nouveau  voyage  en  Italic"  1699  als  Joseph  de  Ribera  de  Valence,  ebenso  Sandrart, 
„Teutsche  Accademie"  1683,  S.  181.  ')  Antologia  Romana.  XXII,  334  wieder  abge- 
druckt von  Lefort  Gaz.  d.  B.-A.  II.  per.  XXV,  43  und  von  Alcahali  Diccion.  Biogr.,  266. 
Nach  der  Handschrift  getreu  wiedergegeben  auf  der  Rückseite  des  Postamentes  des  Ribera- 
denkmals in  Jätiba.  *)  Salazar  a.  a.  O.  ')  Am  3.  Juli  1602  wurde  Anna,  die  Tochter 
des  Simone  Rivera  und  der  Vittoria  bricchi  de  Rivera  getauft.  Am  18.  Juni  1605 
heiratet  Simone  de  Ribera  Spagnolo  Vittoria  Azevedo  spagnola.  Sollte  dies  ebenfalls  der 
Vater  Jusepes  sein?     *)  Salazar  a.  a.  O.     '■)  Erschienen  Lecce  1633,  S.  154. 


174 

e  supremo  comandante  dell'  esercito  di  Spagna  nella  Savoja  e  Pie- 
monte  nel  1592*;  man  denkt  dabei  unwillkürlich  an  Riberas  Vater 
zumal  Dominici  berichtet,  Riberas  Vater  sei  spanischer  Offizier  ge- 
wesen^) („uffiziale  in  quel  CasteUo*  —  nämlich  Gallipoli;  als  >Ad- 
judant"   vom  Castello  Nuovo  in  Neapel  sei  er  gestorben). 

Immerhin  dürfen  wir  wohl  annehmen,  daß  Riberas  Geburtsjahr 
in  die  zweite  Hälfte  der  achtziger  Jahre  des  XVI.  Jahrhunderts  fällt. 
16 16  erscheint  er  bereits  als  verheirateter  Mann  und  fertiger  Künstler. 

Palomino,  der  zuerst  von  dem  Riberabiographen  Jätiba  als 
Geburtsort  des  Meisters  angibt,  nennt   1589  als  Geburtsjahr.^ 

Daß  Dominici  Ribera  zu  einem  Italiener  machen  will,  hat  ja 
seinen  Grund;  er  bekommt  dadurch  Gelegenheit,  dem  verhaßten 
Maler  den  Vorwurf  zu  machen,  die  Bezeichnung  espafiol  sei  —  kurz 
gesagt  —  nur  ein  übler  Geschäftstrick  gewesen.  Jedoch  liegt  die 
Begründung  aber  noch  tiefer.  Als  Ribera  in  die  Höhe  kam,  be- 
neidete man  zuerst  den  Forestiere,  den  , kleinen  Spanier*,  der  den 
Italienern  so  viele  Aufträge  wegnahm;  dann  aber  war  man  in 
Neapel  doch  stolz  darauf  einen  so  berühmten  Mann  zu  besitzen. 
Er  soUte  einer  der  ihrigen  sein,  eine  Zierde  der  Neapolitaner 
Malerzunft. 

Mit  der  Angabe  über  Riberas  Geburt  hängen  auch  die  Mit- 
teilungen Dominicis  über  Riberas  Lehrer  zusammen.^  Der  Vater,  der 
ihm  eine  gute  Erziehung  habe  zuteil  werden  lassen,  hätte  ihn  an- 
fangs zum  Kriegsdienst  bestimmt,  doch  sei  Joseph  durch  einen 
Malersohn  mit  der  Malkunst  vertraut  gemacht  worden  und  hätte 
sich  so  in  sie  versenkt,  daß  der  Vater  seinen  ursprünglichen  Plan 
aufgegeben  und  den  Sohn  zu  Carravaggio  in  die  Lehre  getan  habe. 
In  dessen  Stil  hätte  er  einige  Studienköpfe  und  Halbfiguren  von 
Greisen  gemalt,  die  von  kunstverständigen  Leuten  gelobt  worden 
wären.  Nach  Carravaggios  Tod  sei  er  mit  seinem  Bruder  nach 
Rom  gegangen,  um  Raffaels  Werke  zu  studieren.  Dominici  nennt 
vor  allem  S.  M.  deUa  Face  und  die  gaUeria  Farnesina  als  die  Stätten, 

')  Dom.  III,  112.  '')  Palomino,  Museo  Pictorico  III,  310.  Nach  ihm  R.  Cumber- 
land,  Anecdotes  of  eminent  painters  in  Spain  during  the  sixteenth  and  seventeenth  centuries. 
London  1782.  I,  197.  Ebenso  Orlandi  im  Abecedario  Pittorico.  Venezia  1753.  S.  236. 
")   Dom.    II2ff. 


175 

wo  Ribera  nach  eigener  Aussage  viel  gelernt  habe.  Als  er  dann 
den  Correggio  loben  hörte,  sei  er  nach  Parma  und  Modena  ge- 
gangen und  habe  dort  in  großer  Begeisterung  viel  kopiert. 
„Stupendo  esempio  dell'  esattissimo  sotto  in  giü."  Seine  ersten 
Malereien  in  Neapel  nach  seiner  Rückkehr  seien  ganz  in  diesem 
Stil  gehalten  gewesen.  Da  sei  der  Vater  gestorben,  die  Familie 
in  Not  geraten,  die  künstlerischen  Nebenbuhler  dazu  sehr  zahlreich 
gewesen:  Santafede,  Imparato,  Carracciolo  u.  a.  Von  einem  dieser 
Maler  habe  er  den  Rat  bekommen,  zur  Manier  Carravaggios  zurück- 
zukehren, „per  far  colpo  ed  avere  il  suo  luogo  fra'  valenti  uomini". 
Diesem  Rat  sei  Ribera  dann  auch  getreulich  nachgekommen  und 
mit  größtem  Erfolg. 

Exkurs  n. 

(zu  S.   64.) 

DIE  „EXTASE  DER  HL.  MARIA  MAGDALENA"  IN  DER  ACA- 
DEMIA    DE    S.    FERNANDO    UND    IHRE    NACHAHMUNGEN. 

Das  Gemälde  muß  sofort  einen  tiefen  Eindruck  gemacht  haben, 
denn  es  sind  mehrere  höchst  interessante  freie  Kopien  nach  diesem 
Werk  erhalten.  Die  beste  sah  ich  Frühjahr  1906  bei  Simonetti  in 
Rom^)  (h.  2,50  br.   1,81    Abb.   57). 

Es  fällt  mir  außerordentlich  schwer,  diese  hervorragende  Arbeit 
einem  andern  als  Ribera  selbst  zuzuweisen,  so  genial,  so  durchdacht 
ist  sie  in  den  Varianten,  so  vollkommen  stimmt  sie  in  der  tech- 
nischen Behandlung  mit  Riberas  Werken  überein.  Und  doch  beweisen 
einige  Änderungen,  wie  zu  zeigen  ist,  daß  wir  es  mit  einer  Arbeit 
eines  Kopisten  zu  tun  haben.  Es  kann  dann  niemand  anders  als 
Luca  Giordano  sein,  der  hier  wie  kein  zweites  Mal  in  Riberas  Art 
aufgegangen  wäre. 

Die  Frage  nach  dem  Autor  wird  freilich  noch  etwas  verwickelt 
durch  eine  andere  freie  Kopie  im  Besitz  von  Dr.  G.  Martins  in 
Bonn,  von  Justi  ausführlich  in  einem  größeren  Aufsatz  behandelt.") 
Diese  Kopie  ist  jedoch  von  geringerer  Güte. 

')  Als  Murillo  verkauft  1895.  Auktion  der  Sammlung  des  Principe  Fondi  in  Rom 
bei  Sangiorgi  (im  Katalog  Nr.   324).     ^}  Zeitschrift  für  Christliche  Kunst,  V.   I  ff. 


176 

Das  römische  Bild  nun  teilt  eine  Anzahl  Characteristica  mit 
dem  Bonner  und  andere  wieder  mit  dem  Madrider  Gemälde. 

Wie  B.  so  hat  auch  R.  die  große  Strenge  verloren.  Grund  in 
erster  Linie  der  weichere,  etwas  süße  Blondkopf.  Jedoch  wirkt  R. 
lange  nicht  so  sentimental  wie  B.:  Durch  den  geradeaus  nach  oben 
gerichteten  Blick  fällt  das  schmachtende  von  B.  weg.  Die  ganze 
Gestalt  in  R.  hat  eine  größere  Sinnlichkeit  gewonnen.  Das  härene 
Gewand  fehlt  in  B.  wie  in  R.  Nur  in  einen  großen  Mantel  ist 
die  Heilige  gehüUt,  der  rechte  Schulter  und  Arm  freiläßt.  Der 
harte  Halskontur  ist  verschwunden:  goldblonde  Locken  rieseln  nun 
auch  über  die  Schultern  nach  vom.  Die  Hände,  überaus  zart  und 
feingliedrig,  sind  betend  gefaltet.  Wie  durchgefühlt  sie  sind,  kann 
man  in  dem  Leben  der  „kleinen  Finger'  besonders  merken. 

Der  Mantel  ist  knittriger  als  in  M.  und  hat  namentlich  in  der 
rechten  Hälfte  große  Verwandschaft  mit  dem  fliegenden  Mantel 
Gottvaters  in  der  ,Trinität"   (Prado). 

In  erster  Linie  jedoch  haben  wir  es  bei  dem  Maler  von  R.  mit  einem 
Mann  zu  tun,  dem  das  Lichtproblem  die  Hauptsache  ist.  Auf 
den  breiten  glatten  Teil  des  Mantels  fäUt  hellstes  Licht  (auch  in  B). 
Vor  allem  aber  hat  sich  in  B.  und  R.  der  Himmel  geöffnet.  Ein 
blendendes  Licht  ist  ausgegossen  und  verbreitet  sich  um  Magdalena 
wie  eine  Gloriole.  Aus  dem  Lichtmeer,  das  seitlich  von  dunklen 
Wolken  begrenzt  ist,  tauchen  rosige  Engelsköpfchen  auf;  im  höchsten 
Licht  nur  schwach  in  ihren  Formen  mit  roten  Konturen  angedeutet; 
je  mehr  sie  aus  dem  Lichtkreis  heraustreten,  desto  kräftiger  sind 
sie  modelliert. 

Gegen  B.  sitzt  in  R.  der  Profilkopf  rechts  nicht  mehr  so 
häßlich  über  dem  Mantelzipfel  Magdalenens,  sondern  ist  näher  an 
seine  Gefährten  herangerückt.  Auch  sind  die  Wolken  viel  feiner 
behandelt  und  besser  abgetönt.  Von  schroffen  Absätzen  gegen 
das  Licht  ist  hier  keine  Spur  mehr.  Die  Englein  der  unteren 
Region  sind  viel  gründlicher  durchmodelliert  als  in  M.  Der 
Engel  in  der  Ecke  ganz  links  unten,  nach  dem  sein  Gespiele 
über  ihm  sein  rechtes  Armchen  ausstreckt  —  in  B.  noch  vor- 
handen —  fehlt  in  R.  Es  war  eine  etwas  unglückliche  Figur, 
nur  begründet  als  der  eine  Endpunkt  der  Hauptdiagonale,  geeignet 


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177 

die  Illusion  des  sich  von  der  Erde  lösenden,  hinaufschwingenden 
zu  verstärken.  Das  Weglassen  ist  vom  ästhetischen  Standpunkt  aus 
sehr  wohl  verständlich.  Aber  nun  wird  die  Armbewegung  des  Ge- 
fährten ganz  unbegreiflich.  Dies  ist  der  Hauptpunkt,  der  den  Ver- 
dacht einer  Kopistenarbeit  aufkommen  läßt. 

Vorzüglich  ist  aber,  daß  der  Mund  dieses  sich  nach  unten  beugenden 
Putto,  der  in  M.  und  B.  häßlich  von  einem  Engelsflügel  verdeckt 
wurde,  in  R.  nun  sichtbar  ist,  ebenso  wie  ein  großer  Teil  der  Kinn- 
partie. Der  nach  rechts  folgende  Engel  hat  das  rechte  Füßchen 
etwas  mehr  gehoben.  Der  Engel,  der  in  M.  das  Salbgefäß  hält, 
trägt  in  B.  und  R.  den  Totenkopf.  Die  Armchen  dieses  Putto  in 
R.  besonders  gut  durchmodelliert.  Der  Engel  mit  der  Geißel  — 
diese  in  B.  und  R.  etwas  anders  behandelt  als  in  M.  —  wird  in 
den  unteren  Extremitäten  mehr  von  der  Wolke  umspült;  auch  ist 
er  etwas  weiter  hinaufgerückt,  so  daß  seine  Rechte  etwas  den 
Mantel  Magdalenens  überschneidet.  (In  B.  dieser  Engel  höchst 
liederlich  behandelt!)  Der  Putto  darüber  —  in  M.  mit  dem  Toten- 
kopf —  hält  in  B.  und  R.  das  Salbgefäß.  Der  Putto  daneben  in 
R.  nicht  mehr  betend  wie  in  M.  und  B.,  sondern  sein  eines  Händ- 
chen ruht  auf  der  einen  Wolke.  Der  Abstand  der  beiden  letzt- 
genannten Engel  vom  Mantel  der  Magdalena  ist  kleiner,  da  der 
Mantel  verbreitert  worden  ist.  Auch  bei  all  diesen  Englein  ist  die 
Verteilung  von  Licht    und  Schatten  viel  feiner  nuanciert  als  in  M. 

Die  Landschaft,  in  B.  ganz  verschwommen,  in  R.  mit  großer 
Liebe  behandelt;  das  Gebirg  in  der  Form  gegen  M.  bestimmter; 
auch  erstreckt  sich  der  Küstensaum  hier  über  die  ganze  Breite  des 
Bildes,  während  in  M.  links  das  offene  Meer  zu  sehen  ist.  Echt 
Riberesk  wirkt  auch  der  Baumstumpf  mit  seinen  beiden  Zweigen. 

Das  Incamatleicht  rötUch,  das  ganze  mit  feinhaarigem  Pinsel  gemalt. 

Daß  R.  in  jeder  Hinsicht  die  reifste  Fassung  ist,  kann  keinem 
Zweifel  unterhegen.  Eine  Mittelstellung  nimmt  das  Bonner  Bild 
ein.  Vielleicht  sind  beide  Arbeiten  im  Atelier  Riberas  entstanden. 
R.  ist  ohne  B.  nicht  gut  zu  denken.  Nicht  ausgeschlossen  ist,  daß 
wir  in  R.  eine  Kopie  vor  uns  haben  nach  einem  Original  Riberas, 
das  dann  um  1642  entstanden  wäre,  in  der  Blütezeit  des  Licht- 
malers, des  Schöpfers  der  Dresdener  Hl.  Agnes. 

Mayer,    Jusepe  de  Ribera  (Lo  SpagDoletto).  j2 


178 

Gegen  Ribera  als  Autor  von  R.  spricht,  wie  gesagt,  abgesehen 
von  dem  weggelassenen  Engel  vor  allem  der  weichliche  Kopf. 

Höchst  seltsam  nun,  daß  dieser  Kopf  wie  auch  die  Arme  der 
Heiligen  in  der  „büßenden  Magdalena"  Prado  857  Abb.  58  genau 
wiederkehren.  Man  teilte  früher  dieses  Bild  Murillo  zu  und  setzte 
das  pastos,  nicht  mit  feinhaarigem  Pinsel  gemalte  Werk  in  die  Über- 
gangszeit zum  letzten  Stil,  dem  estilo  vaporoso.') 

Nun  wurden  Bedenken  geäußert  und  vor  allem  hat  Justi  die 
Ansicht  vertreten,  daß  Ribera  der  Maler  des  Bildes  sei;  Farb- 
gebung und  Technik  beweise  das.  Dies  ist  aber  nie  und  nimmer 
der  Fall.  Vor  allem  ist,  wie  gesagt,  das  Bild  gar  nicht  mit  dem 
feinhaarigen  Pinsel  Riberas  gemalt,  man  sehe  nur  einmal  die  Ge- 
wandung daraufhin  an.  Die  Malweise  ist  echteste  Murilloart. 
Ebenso  auch  die  Farbgebung;  das  Gemälde  ist  ganz  in  MuriUos 
Weise  auf  ein  feines  Grau  und  ein  von  Rosa  bis  in  tiefe  Tinten 
gehendes  Rot  abgestimmt.  Auch  diesen  Heiligenschein  wird  man 
bei  Riberaschen  Werken  vergeblich  suchen.  Jedoch  auch  für 
Murillo  einigermaßen  befremdlich  ist  das  etwas  schwammige, 
schwappige  Fleisch  der  schönen  Sünderin.  Der  Maler  dieses 
Magdalenenbildes  ist  unstreitig  von  dem  römischen  Gemälde  ab- 
hängig. Er  ist  jedoch  durchweg  weniger  edel,  in  der  Körperbildung, 
wie  im  Gesichtsausdruck  (der  Mund!)  Sollte  am  Ende  Alonso  Cano 
der  Autor  des  Madrider  Gemäldes  sein? 

Schließlich  sei  noch  das  Bildchen  Prado  2187  (h.  1.90,  br.  1.20) 
erwähnt,  das  gleichfalls  eine  Variante  des  Madrider  Accademie- 
bildes  ist.  Mit  Recht  wird  es  als  „Sevillaner  Schule"  bezeichnet; 
alles  ist  weicher,  lieblicher,  freudiger.  Auch  hier  Wechsel  von 
Totenkopf  und  Salbgefäß,  der  kleine  Engel  links  unten  vor- 
handen, auf  Magdalenens  Mantel  der  große  Lichtstreifen;  wieder 
ein  Beweis  für  die  Richtigkeit  der  oben  ausgesprochenen  Vermutung, 
daß  eine  nun  verloren  gegangene  Originalreplik  des  Academie- 
bildes  mit  einigen  wesentlichen  Varianten  vorhanden  gewesen  sein 
muß.  Magdalena  kniet  hier  auf  einer  Wolkenkugel,  die  aus  kleinen 
Engelsköpfchen  gebildet  wird.     Große  Engel  tragen  den  Ball.     Von 

^)  Der  „Hiob"  in  der  Gallerie  zu  Parma  gehört  wie  dieses  Bild  in  MuriUos  Kreis  und 
hat  mit  Ribera  nichts  zu  tun. 


179 

oben  dringt  ein  großer  Lichtstrahl  herab  und  Scharen  von  Engeln 
stürzen  der  Heiligen  mit  Blumen  und  Kränzen  entgegen.  Unten 
dunkle  Berglandschaft  mit  Blick  aufs  Meer.  Rechts  ein  Wartturm. 
Hier  erst  wird  Justis  Wort,  von  dem  Bonner  Bild  mit  einiger 
Übertreibung  gesagt,  zur  vollen  Wahrheit  „Das  Bild  der  Extase 
der  Einsiedlerin  hat  sich  in  das  der  Verklärung  gewandelt,  eine 
Apotheose  der  Magdalena." 


Exkurs  m. 

ZUR    ENTSTEHUNO   DER  „APOSTELCOMMUNION"  IN 
S.   MARTINO. 

In  den  von  Faraglia  mitgeteilten  Documenten  lesen  wir  folgendes: 

„II  quadro  grande  del  Choro  fu  datto  a  fare  a  Gioseppe  de  Ribera 
l'anno  1638,  del  V.  P.  D.  Gio.  Battista  Pisante,  Priore  in  quel 
tempo,  insieme  con  li  quadri  delli  profeti  posti  sopre  le  CapeUe 
della  chiesa,  quali  haveva  cominciati  e  ricevuto  in  conto  in  tre 
partite  ducati  200  —  e  poi  la  seguente  videhcet.  A  4  de  maggio 
1638  al  detto  Ribera  in  cunto  ut  supra  et  in  particulare  per  Caparra 
del  quadro  grande  che  fä  per  il  nostro  Choro  duc.    100. 

l'Anno  165 1  rihavutosi  alquanto  delle  sue  infermitä  fe  instanza 
voler  finire  il  quadro,  al  quäle  ne  anco  se  ci  pensava  ne  inclinava 
ma  per  le  relazione  del  signor  Domenico  Gargiulo  pittore,  e  Gennaro 
Monte  quali  asserivano  che  erano  piü  di  ducati  300  in  mano  del 
detto  Ribera  in  cunto  di  detto  quadro,  si  diede  orecchia  ä  farlo 
finire  piü  per  non  perdere  li  detti  denari,  che  per  haver  il  quadro 
da  lui  giä  caduto  assai  dalla  sua  virtü  e  forza  per  le  sue 
lunghe  infermitä,  per  rispetto"  deUe  quali  lui  si  sforzö  assai,  come 
soleva  dire  per  far  vedere  al  Mondo  ch'era  vivo  e  non  morte;  e 
ciö  faceva  con  gusto  grande  per  ricuperare  la  sua  estinta 
f  ama. 

Ha  ricevuto  in  cunto  di  detto  quadro  daUi  15  de  febbraro 
1651  per  tutto  li  6  de  settembre  seguente  ducati  780  —  che  uniti 
con  H  sopradetti  ducati  1365  — fanno  la  summa  de  ducati  2145  et 
ha  consignato   il   quadro    del   quäle    pretende    fuor    d'ogni    ragione 


i8o 

prezzo  esorbitante,  ne  vuol  star  a  raggione,  mentre  il  Monasterio 
intende  pagfarlo  Conforme  ha  pagato  l'altre  opere  sue  di  meglior 
Conditione,  e  valore,  e  come  si  ha  fatto  pagare  da  estranei,  che 
saria  Cento  ducati  la  figura  intiera  e  cinquanta  la  mezza  figura 
,dal  che  non  deve  uscire  senza  nota  di  biasmo,  e  di  Tiranno  con 
un  Monasterio  dalquale  ha  ricevuto  molte  cortesie,  e  sempre  l'ha 
ritrovato  pronto  neue  sue  occurrenze,  e  si  puö  dire  che  l'a  fatto 
reviviscere  con  farii  fare  detto  quadro  dopo  le  sue  infermitä  .... 
lo  quadro  grande  se  stima  per  otto  figure  da  esperti  senza 
passione  che  sariano  ducati  800  —  ad  ogni  modo  se  li  donano  altri 
ducati  100  —  di  piü  che  sono  ducati  900.     Ducati  2060. 

Ne  ha  ricevuto  come  appare  dalli  conti  de  Procuratori  2145 
ha  ricevuto  in  piü  ducati  85.' 

Der  ganze  den  Meister  als  Mensch  und  Künstler  herabsetzende 
Ton  dieses  Schreibens  erklärt  sich  sehr  einfach  daraus,  daß  die 
Mönche  nicht  den  hohen  Preis  bezahlen  wollten.  Ribera  selbst 
starb  über  der  Sache.  Seine  Söhne  jedoch  ließen  nicht  von  den 
Mönchen  ab.  Sie  beschweren  sich  am  12.  Dezember  1652  beim 
Nuntius,  weil  für  das  große  Gemälde  nicht  der  volle  Preis  bezahlt 
worden  wäre.  In  der  Erwiderung  der  Mönche,  in  der  auch  der 
Profeten  Moses  und  Elias  mit  100  Ducaten  Erwähnung  getan  wird, 
heißt  es,  Ribera  habe  für  das  große  Gemälde  985  Ducaten  erhalten. 
Es  seien  nur  8,  nicht  13  vollständige  Figuren.  Jedoch  behalten 
die  Erben,  unter  denen  auch  ,D.  Caterina  Azzolini  loro  madre' 
genannt  wird.  Recht,  wie  aus  einem  Schriftstück  vom  9.  Juli  1655 
hervorgeht.  Die  Cena  wird  mit  1 300  Ducaten  angesetzt  und  ihnen 
eine  Restsumme  von  210  Ducaten  ausgezahlt. 

Exkurs  IV. 

DER  „ORLANDO  MUERTO"  IN  DER  LONDONER  NATIONAL 
OALLERY. 

In  der  Londoner  Nationalgallerie  hängt  unter  den  spanischen 
Gemälden  ein  eigenartiges  Bild,  „El  Orlando  muerto",  der  tote 
Roland  genannt.    (Nr.  741.    Leinw.     h.  3  ft.  5  in.,  br.  5  ft.  5  in.) 

Ein  junger  Krieger   in  grauer  Kleidung,  mit  Brustpanzer  und 


i8i 

Armschienen  gewappnet,  liegft  am  Boden  ganz  ausgestreckt  auf 
seinem  Rücken.  Die  Augen  des  bartlosen,  rotbraungelockten 
Mannes  sind  geschlossen,  seine  rechte  Hand  ruht  auf  der  Brust, 
seine  Linke  greift  nach  dem  Degen,  von  dem  man  jedoch  nur  den 
Korb  sieht.  Ist  die  Klinge  abgebrochen  oder  liegt  der  Krieger 
auf  ihr?  Dies  ist  nicht  zu  entscheiden.  Die  Gestalt  ist  ziemlich 
stark  verkürzt,  Kopf  und  linker  Arm  sind  uns  am  nächsten,  der 
rechte  Arm  wie  der  rechte  Fuß  verschwinden  fast  ganz.  Über 
den  Füßen  des  Toten  hängt  an  einem  Ast  ein  Öllämpchen  mit 
schwälendem  Docht:  es  ist  am  Erlöschen.  Der  Ast  geht  von  einem 
Gestrüpp  auf  dem  Felsen  rechts  aus.  Ganz  rechts  sind  zwei  Fels- 
platten erkenntlich.  Versperren  sie  den  Eingang  zu  einer  Höhle? 
Zu  Häupten  des  Toten  ein  Schädel,  links  im  Vordergrund  gleich- 
falls ein  Totenkopf  und  Knochen.  Wir  befinden  uns  scheinbar  im 
Gebirg  auf  einer  Anhöhe.  Schwarze  Wolken  jagen  über  den 
Himmel,  dessen  Blau  an  einigen  Stellen  durchbricht.  Gegen  den 
Horizont  zu  wird  es  heller:  der  Tag  beginnt. 

Das  Bild,  das  aus  der  Sammlung  Pourtales  stammt,  ist  schon 
mehrfach  beschrieben  worden. ')  Zuletzt  von  Carl  Justi  in  der  ersten 
Auflage  seines  Velasquez.^) 

Der  tote  Roland.  Justi  fiel  es  auf,  daß  keine  Wunde  zu  sehen 
ist.  Grade  dieser  Umstand  aber  beweist,  daß  das  Bild  von  einem 
Maler  herrührt,  der  die  spanische  Fassung  der  Rolandsage  ge- 
nau kannte.  Nach  der  spanischen  Version  war  nämlich  Roland 
nur  mit  der  Spitze  einer  Stecknadel  an  der  Sohle  des  linken  Fußes 
verwundbar,  weshalb  ihn  Bernardo  del  Carpio  in  seinen  Armen 
vom  Boden  erhob  und  ihn  so,  wie  Herkules  den  Antäus,  erwürgte.*) 

Mit  Recht  meint  Justi,  daß  es  mit  Velasquez  gar  nichts  zu 
tun  hat.  Wer  aber  ist  sein  Autor?  Mit  feinem  Verständnis  kommt 
er  auf  die  Neapolitaner  Schule  des  Seicento.  Jedoch  welchem 
Meister  das  Werk  zuzuschreiben  ist,  vermag  er  nicht  mit  Bestimmt- 
heit zu  sagen.  An  Mattia  Preti  erinnert  ihn  der  grünliche  Ton 
der  Lichter  im  Fleisch,  doch  sei    die  Zeichnung  für  ihn  zu  straff 

•)  Paul  Mantz,  La  Gallerie  Pourtales.  Gaz.  d.  Beaux-Arts  1865.  Curtis,  Velasquez 
and  Murillo  Nr.  26.  ')  Carl  Justi,  „Velasquez  und  sein  Jahrhundert".  Bonn  1888.  II.  85. 
*)  vergl.   u.  a.  Cervantes,  Don  Quijote  0,    I.    Cap.   32. 


l82 

und  fein;  an  Salvator  Rosa  und  seinen  „Hl.  Wilhelm"  die  düstere 
Idee  des  einsamen  Ritters,  doch  sei  das  Gemälde  in  vieler  Be- 
ziehung zu  gut  für  diesen  Meister;  an  Ribera  endlich  die  diagonale 
Lage  mit  dem  Haupt  nach  vom  (Justi  dachte  wohl  vor  allem  an 
den  „Adonis"),  der  alte  schiefe  Baum,  die  Landschaft,  jedoch  sei 
die  Malerei  für  Spagnoletto  zu   dünn. 

Die  letzte  Bemerkung  ist  nicht  ganz  richtig,  wohl  aber  ist  die 
Technik  der  Hauptpunkt  und  Grund,  weshalb  es  auch  mir  unmög- 
lich ist,  das  Gemälde,  wie  es  uns  jetzt  vor  Augen  steht,  für  ein 
völlig  eigenhändiges  Werk  des  Meisters  zu  halten. 

Dank  dem  liebenswürdigen  Entgegenkommen  der  Direktion 
der  Nationalgallerie  konnte  ich  das  Bild  aufs  eingehendste  unter- 
suchen und  fand  als  größte  Schwierigkeit  für  die  Autorbestimmung, 
daß  das  Bild  zwei  verschiedene  Techniken  aufweist.  Kopf,  Strümpfe, 
Schuhe  sowie  der  Grund  sind  mit  dem  Riberesken,  modellierend 
geführten  feinhaarigen  Pinsel  gemalt,  das  andere  dagegen,  in  erster 
Linie  die  Hände  und  Rüstung  in  ganz  anderer  breiterer  Manier. 
Daß  diese  zweite  Hand  die  eines  späteren  Restaurators  ist,  scheint 
mir  ausgeschlossen  zu  sein.  Der  Kopf  mit  den  wirren  in  größere 
Partien  zusammengenommenen  Locken  erinnert  in  der  Wiedergabe 
stark  an  den  Apollonkopf  auf  dem  Gambazoporträt.  In  der  Kom- 
position zeigt  sich  eine  gewisse  Verwandtschaft  mit  dem  „Traum 
Jakobs":  zur  schwachen  Hauptdiagonale  die  entgegenwirkende 
Schräge  des  Astes.  Eine  stärkende  Vertikale  mangelt  fast  ganz, 
nur  die  jetzt  fast  unsichtbar  gewordene  Silhouette  der  Höhle  oder  Berg- 
lehne wirkt  etwas  stützend.  Der  grünliche  Lichtton  im  Fleisch,  den  Justi 
für  Preti  in  Anspruch  nimmt,  findet  sich  auch  bei  Riberaschen  Werken : 
Apoll  (Apoll  und  Marsyas),  Christus  der  Pietä  von  S.  Martino  z.  B. 
Auch  mir  erscheint  das  Gemälde  als  ganzes  für  Rosa  zu  gut, 
doch  halte  ich  es  keineswegs  für  ausgeschlossen,  daß  er  das  Bild 
vollendete,  welches  der  Meister  vielleicht  in  seinen  letzten  Lebens- 
jahren begonnen  hatte,  dessen  Fertigstellung  jedoch  die  lange 
Krankheit  und  schließhch  der  Tod  verhinderte.  Rosa  war  ja 
Schüler  des  Spaniers  und  wie  nahe  er  ihm  anfangs  gestanden  hat, 
zeigt  vor  allem  seine  ,Ruhe  auf  der  Flucht"  bei  Earl  of  EUesmere 
(Bridgewaterhouse). 


i83 

Doch  mag"  er  oder  ein  anderer  an  der  Arbeit  beteiligt  sein, 
das  Werk  gfeht  sicher  in  seiner  Anlage  und  mit  der  spanischen 
Fassung  der  Rolandsag-e  auf  Ribera  zurück,  ist  vielleicht  unter 
seinen  Augen  vollendet  worden,  wofür  namentlich  die  Sorgfalt  der 
Ausführung  spricht.  Ein  junger  Schüler  kann  diesen  verkürzten 
Körper,  ein  Meisterstück  der  Zeichenkunst,  nicht  auf  die  Leinwand 
gebracht  haben. 

Vielleicht  sah  das  Bild  in  der  ersten  Anlage  anders  aus;  ich 
glaube  ganz  rechts  in  der  Felspartie  Leitersprossen  erkennen  zu 
können,  doch  ist  dieser  Teil  zu  sehr  gedunkelt,  als  daß  sich  ge- 
naueres feststellen  üeße. 


DATIERTE  WERKE  RIBERAS. 


1621.  Hieronymus  (Radierung). 
Reuiger  Petrus  (Radierung). 

1622.  Männerkopf  mit  Binde  im  Haar. 

(Radierung). 

Ohrstudien  (Radierung). 
1624.    Bartholomäusm  arter     (Radie- 
rung). 

Hl.  Hieronymus  (Radierung). 
1626.    Silen.      Neapel,    Museo   Nazionale. 

Hieronymus.  Petersburg,  Eremi- 
tage. 

Extase  der  hl.  Magdalena. 
Madrid,   Ac.  S.  Fernando. 

Hieronymus  (Zeichnung).  Florenz, 
Uffizien. 

1628.  Hl,  Sebastian.     Petersburg,  Eremi- 

tage. 

Silen  (Radierung). 

Andreasmarter.  Budapest,  Na- 
tionalmuseum. 

Büßender  Eremit.  (Zeichn.)  Flo- 
renz, Uffizien  (London,  Brit.  Mu- 
seum). 

1629.  Hl.      Hieronymus.       Rom,     Pal. 

Doria. 

1630.  Bartholomäusmarter.        Madrid, 

Prado. 
Archiraedes.     Madrid,  Prado. 
Apostel   Matthäus.     Verschollen. 

1631.  Maddalena     Ventura.       Madrid, 

Duque  de  Lerma. 

Hl.   Rochus.      Madrid,   Prado. 

Jacobus  der  .ältere.  Madrid, 
Prado. 

Philosoph.  Wien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

1632.  Ixion.     Madrid,   Prado. 

Der  blinde  BildhauerGambazo. 
Madrid,  Prado. 
1634.    Jacob,    Labans  Herde   hütend. 
Eicorial. 
Evangelist  Matthäus.    Solothurn. 
Messe  Gregors.      Amiens. 


1635.  Concepcion.   Salamanca,  Agustinas 

Recoletas. 
HeraklitundDemokrit.    Genua, 
Pal.   Durazzo. 

1636.  Hl.    Sebastian.      Berlin,     Kaiser- 

Friedrich-Museum. 

.Anaxagoras.  Wien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

Visiondeshl.  Antonius.  Madrid, 
Ac.  S.  Fernando. 

Kampf  weiblicherGladiatoren. 
Madrid,  Prado. 

1637.  Isaak     segnet     Jacob.       Madrid, 

Prado. 

Hl.  Petrus.  Vitoria,  Disputacion 
provincial. 

Hl.  Paulus.  Vitoria,  Disputacion 
provincial. 

Hl.  Hieronymus.  Murcia,  Mus. 
prov. 

Hl.  Onuphrius.  Petersburg,  Eremi- 
tage. 

Diogenes.     Dresden. 

Diogenes.  Wien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

Philosoph.  W'ien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

Philosoph.  Wien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

Philosoph.  Wien,  Fürst  Liechten- 
stein (privat). 

Venus  und  Adonis.  Rom,  Gal. 
Nazionale. 

Apoll  und  Marsyas.  Neapel, 
Museo  Nazionale  Brüssel,  Mu- 
seum. 

Pieta.     Neapel,  S.   Martino. 

1638.  Mater  dolorosa.     Cassel. 

Hl.     Hieronymus.      Madrid,     D. 

Luis  de  Navas. 
Ein  spanischer    Edelknabe  mit 

seinem  Schutzheiligen. 

Schwerin,  Mus. 


185 


Porträt   eines  raaestro  al  Cem- 
balo.     Rom,     Comte    Gregoire 
Stroganoff. 
und  ff.  Die    12    Propheten.      Neapel,    S. 
Martino. 

Moses.     Neapel,  S.  Martino. 

Elias.     Neapel,  S.  Martino. 

1639.  Zimmermannsfamilie.      Toledo, 

Mus. 
Befreiung  Petri.    Madrid,  Prado. 
Madonna     mit     Kind.         Früher 

Neapel,  Ducca  di  Bovino. 

1640.  Vision   des   HI.    Antonius.     Es- 

corial. 
Hirtenanbetung.      Escorial. 
S.  Franciscus  von  Paula.    Früher 

Pau. 
Hl.    Hieronyraus.     Mailand,    Gal. 

Crespi. 
Bettler.     Früher  Nicolas  de  Azara. 

1641.  Hl.  Agnes.     Dresden. 

Hl.  Maria  Eyptiaca.    Montpellier. 

1642.  Hl.  Magdalena.  Murcia,  Gal.  Estor. 
Befreiung  Petri.     Dresden. 
Franciscus     auf     den    Dornen. 

Dresden. 
Hl.  Procop.     Früher  Lord  Dudley. 

1643.  Verlobung   der  Hl.  Katharina. 

London,  Earl  of  Northbrook. 

Hl.  Franziscus.  Florenz,  Pal.  Pitti. 

Cruzifixus.     Vitoria,  Disput,  prov. 

Hirtenanbetung.   Valencia  Kathe- 
drale. 


1644.    Grablegung     Christi.        Neapel, 

Cav.  d'Angelo. 
Kopf   Johannes    d.    T.      Madrid, 

Acc.  S.   Fernando. 
Hl.  Hieronymus.    Madrid,  Prado. 
St.   Diego.     Toledo  Catedral. 

1646.  Januarius wunder.     Neapel,  Dom 

Cap.  del.  Tesoro. 
Concepcion.     Madrid,    Kloster  S. 

Isabella. 
Jacobs  Taum.     Madrid,   Prado. 

1647.  Hl.   Andreas.     Madrid,  Prado. 
Der        Hohepriester        Simeon 

mit  dem  Jesusknäblein. 
Marquis  of  Bristol.  Ickworth  bei 
Bury  St.  Edmunds. 

1648.  D.  Juan   de  Austria    (Radierung). 

1649.  Paulus  Eremit.     Madrid,   Prado. 

1650.  Hirtenanbetung.     Paris,   Louvre. 
Johannes    der  Täufer.     London, 

Apsleyhouse. 

1651.  Hl.     Sebastian.       Neapel,    Museo 

Nazionale. 
Hl.  Hieronymus  in  Medidation. 

Neapel,  Museo  Nazionale. 
Hl.      Hieronymus.         Petersburg, 

Eremitage. 
Apostelcommunion  (vollendet). 

Neapel,  S.  Martino. 

1652.  Klumpfuß.      Paris,   Louvre. 

Hl.  Hieronymus.    Madrid,   Prado. 


ORIGINALGEMÄLDE 
JUSEPE  DE  RIBERAS/) 


SPANIEN. 

MADRID. 

Museo  del  Prado. 

955  Christus 

956  Petrus 

957  Paulus 

958  Andreas 

961  Philippus 

962  Jacobus  d.   Ä. 

963  Bartholomäus 

964  Thomas  (=:  Judas  Thaddäus?) 

965  Thomas 

967  Matthaus 

968  Simon 

97 1  Jacobus  d.  J. 

969  Simon 

972  Matthäus 

973  Andreas 
•974  Jacobus  d.  Ä. 
*959   Andreas 

976   Andreas 
975   Petrus 

978  Simon 

979  Joseph  mit  dem  Jesusknaben 
981   Reuige  Magdalena 

♦982  Jacobsleiter 

•983  Jacob  von  Isaak  gesegnet 

985   Paulus  Erem. 
•987   Petri  Befreiung 
♦988  Frauenkampf 
•989  Bartholomäusmarter 

990  Hl.   Dreieinigkeit 

992  Augustin 

993  Sebastian 

•994  Hieronymus  von   1644 
•996  Hieronymus  von   1652 
997  Maria  Egyptiaca 
977   Bartholomäus 
980  Reuige  Magdalena 
999  Johannes  der  Täufer 


*looo 

lOOI 

1002 

*ioo5 

1004 

•1003 

1006 

1007 

1008 

1009 

*ioio 

lOlI 

1012 


Extase  des  Hl.   Franciscus 

Hl.  Rochus 

Hl.  Rochus 

Hl.   Christophorus 

IxioD 

Prometheus 

Gambazo 

Hl.  Eremit 

Ein  Anacoret 

Ein  Philosoph 

Ein  Philosoph 

Archimedes 

Eine  Frau  1 


aus  dem  verloren 
gegangenen    Ge- 
Bacchuspriester  I  mälde  „Triumph 
des  Bacchus". 


ogegebe 


')  Die  mit  einem 
,  auf  Leinwand. 


ACADEMIA  DE  S.  FERNANDO. 
♦Extase  der  Hl.  Magdalena. 

*  Vision  des  Hl.  Antonius  von  Padua. 
Ecce  homo. 

*  Kopf  Johannis  d.T.  auf  einer  Schüssel. 
Hl.  Hieronymus. 

DUQUE  DE  LERMA. 

•Porträt  der  Maddalena  Ventura. 

D.  LUIS  DE  NAVAS. 

♦Hl.  Hieronymus. 

KLOSTER  S.  ISABELLA. 
♦Concepcion. 

(Früher  DUQUE  DE  OSUNA. 
Hl.  Hieronymus.) 

ESCORIAL. 

*33g   Anbetung  der  Hirten. 
♦Vision  des  Hl.  Antonius  von  Padua. 
♦Jacob,   Labans  Herde  hütend. 
♦Befreiung  Petri. 
Der  Gnadenstuhl  in  den  Wolken. 

MURCIA. 
Museo  prov. 

♦Hl.   Hieronymus. 
sind  signiert.     Alle  Gemälde,    soweit  nichts  anderes 


i87 


Galerie  Estor. 

*H1.  Magdalena. 

OSUNA. 
Colegiata. 

Kreuzigungsgruppe. 

SALAMANCA. 

Kirche  der  Agustinas  Recoletas. 

*  Concepcion. 

Maria  mit  Antonius  u.  Augustin. 

Hl,  Januarius. 

Pietä. 

Geburt  Christi. 

SANLUCAR. 

Palast  des  Herzogs  von  Montpensier  (früher 
Palazzo  Santelmo  in  Sevilla), 
Cato  Ulicensis. 

TOLEDO, 
Museo, 

*H1.  Familie, 
Catedral. 

•St.  Diego. 

VALENCIA. 
Seo.  Sacristei. 

*  Anbetung  der  Hirten. 

VITORIA. 

Disputacion   provincial. 

*  Petrus, 

*  Paulus. 

*  Cruzifixus. 

ITALIEN, 

FLORENZ. 
Pal.  Pitti. 

*HI.  Franciscus. 

GENUA. 

Pal.  Durazzo. 

*Heraclit  und  Democrit. 

MAILAND. 
Gal.   Crespi. 

*H1.  Hieronymus. 
Brera. 

Hl.   Hieronymus. 


NEAPEL. 

Dom.   Cap.  del  Tesoro. 

*Der  hl.  Januarius  geht  unversehrt  aus 
dem  Feuerofen  hervor.    (Schiefer). 
Gesü. 

3    Bilder    aus    dem    Leben    des    Hl. 
Ignatius. 
S.  Martino. 
Kirche. 

*I2  Propheten  (*Noah). 
Moses. 
Elias. 
*Communion  der  .'\postel. 
Cap.  del  Tesoro. 

*Pietä. 

Museo  Nazionale 

*Silen. 

*  Apoll  und  Marsyas. 

*  S.  Bruno  empfängt  die  Ordensregeln, 

(Kupfer). 

•Hieronymus  in  Medidation. 

•Hieronymus      die      Posaune      ver- 
nehmend. 

•Hl.  Sebastian. 
Pal.  Reale. 

Vision  des  Hl.  Bruno. 
Cav.  d'Angelo. 

•Grablegung  Christi. 
Früher  Ducca  di  Bovino. 

•Maria  mit  Kind. 

PARMA. 
S.   Andrea. 

Hl.  Martin. 

ROM. 

Gal.   Nazioaale. 

•Venus  und  Adonis. 
Gal.  Doria. 

•Hl.   Hieronymus. 
Früher  bei  Sign.  Simonetti. 

*  Geograph. 

*  Archimedes. 
Graf  Stroganoff. 

*  Porträt   eines   maestro  al    cembalo. 


TURIN. 


*  Hl.  Hieronymus. 


i88 


DEUTSCHLAND. 

BERUN. 

Kaiser-Friedrich-Museum. 

*  Hl.  Sebastian. 

CASSEL. 

•Mater  dolorosa. 

DRESDEN. 

'Diogenes. 
•Paulus  Eremit. 
•Befreiung  Petri. 
•Franciscus  auf  den  Dornen. 
•Hl.  Agnes. 
Hl.  Andreas. 

HAMBURG. 

Sammlung  Weber. 

•Anbetung  der  Hirten. 

SCHWERIN. 

•  Ein  spaniseher  Edelknabe  mit  seinem 

Schutzheiligen. 

RUSSLAND. 
PETERSBURG. 
Eremitage. 

•334.   Hl.  Onuphrius. 
•331.  Hl.   Sebastian. 
•333.  Hl.  Hieronymus. 
332.  Hl.  Hieronymus. 

FRANKREICH. 

AMIENS. 

•Die  Messe  des  hl.   Gregor. 

MONTPELLIER. 

•Maria  E^yptiaca. 
PARIS. 
Louvre. 

•Paulus  Eremit. 

•Anbetung  der  Hirten. 

•Klumpfuß. 


Baron  Leon  de  Bus: 
•Hl.   Hieronymus. 
Früher  in  PAU. 

•Hl.  Franciscus  von  Paula. 

ÖSTERREICH. 

WIEN. 

K.  K.   Gemäldegalerie. 

Christus  und  die  Schriftgelehrten. 
Fürst  Liechtenstein'). 

*  Anaxagoras. 

•  Archimedes. 
•Diogenes. 
•Philosoph. 

*  Philosoph. 
•Philosoph. 

UNGARN. 

BUDAPEST. 

•Marter  des  hl.   .\ndreas. 

BELGIEN. 

BRÜSSEL. 

•  Marsyasschindung. 

SCHWEIZ. 

SOLOTHURN. 

•Evang.   Matthäus. 

ENGLAND. 

Marquis  of  Bristol. 

Ickworth  bei  Bury  St.   Edmunds. 

•Der  Hohepriester  Simeon    mit  dem 
Jesusknäblein. 
Earl  of  Northbrook,  London. 

•Verlobung  der  hl.  Katharina. 
Duke  of  Wellington,   Apsleyhouse. 

•Johannes  d.  T. 
Früher  Lord  Dudley. 

•Hl.   Procop. 


j)  Diese  Gemälde  befind 
Prüfung   war    mir   nicht    möglich.     Mit  diesen 
Zeit",  die  gleichfalls  Ribera  zugewiesen  war. 
Fürsten  verteilt  sein. 


ch   seit  geraumer  Zeit   nicht   mehr   in   der  Galeric.     Eine  Nach- 

diesen  Gemälden    entfernt  wurden  noch    eine  ,, Allegorie  auf  die 

Die  Gemälde  sollen  jeut  auf  verschiedene  Schlosser  des 


VERSCHOLLEN. 


Kapuzinerkloster. 

Ruhe  auf  der  Flucht. 

MADRID. 

Nonnen  des  hl.   Pascual. 

Concepcion. 

Taufe  Christi. 

Sebasti  ansmarter. 

Hl.  Eremit. 
S.  Thomas. 

Cruzifixus. 
Academia  de  S.  Fernando. 

Hirtenanbetung. 
ndelfonso. 

Laokoon. 
Buonretiro. 

Sisyphus. 

Tantalus. 
Nicolas  de  Azarra. 
*  Bettler. 

SALAMANCA. 

Kirche  der  Agustinas. 

Porträt  des  Grafen  Monterey  und 
das  seiner  Schwester  Donna 
Marg.  Fonseca. 


PARIS. 

1875   in  Paris  versteigert: 
Paulus  Eremit. 
(Albarran). 
Concepcion. 

(Angebl.    aus   Montereykloster   a.    d. 
Bes.  des  Marques  de  Salamanca). 
Sammlung  Louis-Philippe. 

Kampf  des  Herkules  mit  dem   Ken- 
taur. 
PAU. 

Franz  von  Paula. 
Porträt  eines  span.  Vicekönigs. 
NEAPEL»). 

Cap.  del  Pal.   Reale. 

Concepcion. 
Madonna  mit  Kind,  früher  bei  Ducca  di 
Bovino. 
ROM. 

Hl.  Hieronymus   aus  S.  Maria  Maggiore. 
Gal.  Borghese. 

St.  Stanislaus  Kostka  mit  dem  Jesus- 
knaben auf  dem  Arm.*) 


Hieronymus  früher  bei  Duque  de  Osuna. 
Paulus.    Onuphrius,  früher  bei  Lord 
Dudley. 


i)  A.  Nap.  Nob.  VU.  73. 
Sammlung  des  priDcipe  di  Scilla 
Due  quadrt  original!  di  Giuseppe 


Register  vom  7.  Februar  1853: 
ivera,  detto  lo  Spagnoletto,  uno  rapprefentaute 


d'Assissi  con  la  comice  u 
la  coraice  nera  a  tre  ordini 

Nap.  Nob.  VII.  95. 

Vicente  della  Quad; 


tre  ordini 
di  palmi 


di  Capodi 


l'altro  di  S.  Ma 


S.  Fr 
Egii 


e  3- 


nel 


28.  Mezza  Figu: 

29.  Mezza  Figu; 
Sammlung  des 

des  Vaters  Tod  .  .  .  .  : 
B.  Von    den    im 
nicht  mehr  auffindbar: 
Johaou,    d.    Täufers.  — 
Philosoph.  —  Frai 


la  Repubblica  franc 


799: 

la  Vecchia,  che  pesa  I'oro,  dcllo  Spagnoletto. 

1  Vecchio  dello  stcsso  Nap.  Nob.  VU,   183. 

MaruUi  Neapel  1825:  Duca  Don  Sebastiane  erhielt  bei  der  Teilung  nach 

filosofi  del  Ribera  duc.  120. 

Katalog  verzeichneten  Neapolitaner  Gemälden  waren  ferner 
:  Princ.  di  Fondi  Franz  v.  Assisi;  Ma.iouna  Hbfg.  —  Princ,  Gaet.  Filangieri  Kopf 
—  Princ.  di  Castelcicala  Hieronymus  Hbfg.  —  Com.  Carafa  di  Noia  Apostel. 
Siciliani  Anachoret  Hbfg.  —  Onorato  de'Medici  Apostel  Hbfg. 


Anfangs  der  i 


Jahre  des  vorigen  Jahrhunderts  verkauft.     Ci 


n.  3,  951  h. 


ZWEIFELHAFT. 

SPANIEN. 

MADRID. 
Ac.  S.  Fern. 

Grablegung  bez.   1645. 
Prado. 

970.  Judas  Thaddäus. 
ESCORIAL. 

Onuphrius. 
Franciscus. 
Hieronymus. 

441.  Anbetung  der  Hirten. 
PALMA  DE  MALLORCA. 

Marques  de  Vivot  Conde  de  Perelada. 
Versuchung  deshl.  Antoniusbez.  1642. 
VALENCIA. 
Mus.  Prov. 

S.  Teresa. 

271.  Studienkopf. 

ITALIEN. 

NEAPEL. 

Ducca  di  Miranda. 

Magdalena. 
Principessa  dei  Fondi. 

Christus  unter  den  Schriftgelehrten. 
ROM. 

Vatican.  Pinakothek. 
Lorenzmarter. 
TURIN. 
Homer. 

i)  Nicht  nachprüfcD  konnte  ich  von  eng 
Alton  Tower. 

Christus. 
Selbstporträt. 
Burleighhouse. 

Ruhe  auf  der  Flucht. 
Wrotham  Park  Lord  Enfield. 

Ungläub.  Thomas. 
Miss  Maguirc. 

Christus  an  d.  Säule. 
Chatsworth. 

Paulus, 
a)  Waagen  erwähnt  S.  434  seines  Buche 
der   Herren    J.  N.    von    Tchelistcheff    von  Riber: 
stücke.     Sehr  energisch  aufgefaßt  und  ebenso  m 


FLORENZ. 
Pitti. 

Porträt  des  Simone  Paganucci. 

FRANKREICH.. 

GRENOBLE. 

Bartholoraäusmartcr. 
NANCY. 

Taufe  Christi. 
PARIS. 
Louvre. 

Maria  mit  Kind. 
ROUEN. 

Der  barmherzige  Samariter. 

ENGLAND  (und  Irland). 
DUBLIN. 

Onuphrius. 
LONDON'). 
Nat.   Gallerie. 
Pietä. 
Die  Berufung  Mosis.  (f) 

RUSSLAND. 

PETERSBURG«). 
Eremitage. 

336.  Der  hl.  Francesco  de  Paula. 

337.  Hl.   Lucia. 

ischen  Bildern: 

Grosvenorgallerie. 
Diogenes. 
Dr.  E.  Pick 

Italienerin. 
Lord  Yarborough. 

Petrus.     (Waagen  Kw.  II.  aoa). 
Earl  Spencer. 

Carl   Borromäus  im  Gebet. 
(Manchester  Exhib.    of  Art  Treasurei 
1857.     No.  369). 
Mr.  Anderson,    Newcastle.     Jesmond  Cottage 
Simeon  und  Jacobus  d.  J. 
über  die  Petersburger  Gemäldesammlungen  im  Besit: 
!  Hand    „Archimed    und    ein    alter  Philosoph.     Gegen 
isterlich  als  fleißig  durchgeführt." 


KOPIEN. 

SPANIEN. 

CADIZ  Mus. 

Beweinung. 

CORDOBA  Mus. 

Ruhe  auf  der  Flucht. 

GRANADA. 

Catedral  Altar  Jesus  Nazareno. 

Vision  des  hl.   Antonius  von  Padua. 

Paulus  Erem.  in  der  Höhle. 

Lorenzmarter. 

Ruhe  auf  der  Flucht. 

MADRID. 
Prado. 

g66.   Ap.  Thomas. 

986.   Beweinung. 

Onuphrius. 
S.  Isabella. 

Hirtenanbetung. 
Kgl.   Palast. 

D.  Juan  de  Austria  II. 
Conde  de  SallenL 

Philosoph. 

ESCORIAL. 

Beweinung. 
Hieronymus. 

PALMA  DE  MALLORCA. 
D.  Felipe  Villalonga. 

Andreas. 

Ruhe  auf  der  Flucht. 
Marques  de  Palmer. 

Jacob  mit  Labans  Heerde. 
D.  Ramön  Marotö. 

Philosoph. 

PUERTO  S.  MARIA. 

„Holzhackerfamilie". 

SEVILLA. 

D.  Lopez  Cepero. 
Jacobs  Traum. 
Hirtenanbetung. 


VALENCIA. 
Mus. 

Sebastian. 
Onuphrius. 
Reuiger  Petrus. 
Paulus  Erem. 
Hirtenanbetung. 

VALLADOLID. 
Mus. 

Reuiger  Petrus. 
Catbedr. 

Apostelcyclus. 

ITALIEN. 

FLORENZ. 
Uffizien. 

Selbstporträt. 

NEAPEL. 

Principe  di  Casapesenna. 

Bartholomäusmarter. 
S.  Filippo  Neri. 

Hl.   Andreas. 
S.  Francesco  Xaverio. 

Vision  des  Hl.  Antonius  von  Padua. 
Früher  Ducca  di  Bovine. 

Franziscus  von  Paula. 

ROM. 

S.  M.  Maggiore. 

Hl.  Hieronymus. 
Pal.  Rospigliosi. 

Bartholomäusmarter. 

TURIN. 

Paulus  Eremit. 

DEUTSCHLAND. 

BERLIN. 

K.  Friedrichmuseum. 

Bartholomäusmarter. 

DRESDEN. 

Lorenzmarter. 

Jacob  mit  Labans  Heerde. 


192 


HAMBURG. 
Galerie  Weber. 
Hl.   Andreas. 

MÜNCHEN. 

Alte  Pinakothek. 

Hl.  Bartholomäus. 

WIESBADEN. 

„Holzhackerfamilie". 

ÖSTERREICH. 

WIEN. 

Graf  Czernin. 

Isaaksegen. 
Graf  Harrach. 

Hl.  Joseph. 


UNGARN. 


BUDAPEST. 

Hl.  Sebastian. 


FRANKREICH. 


DIJON. 


Barlholomäusmarter. 
Hieronymus. 


MARSEILLE. 

Hl.  Joseph. 

NARBONNE. 

Hl.  Andreas. 

PARIS.     Louvre. 

1722.  Grablegung. 

DÄNEMARK. 

KOPENHAGEN. 

Hl.  Onuphrius. 

SCHWEDEN. 

STOCKHOLM. 

Bartholomäusmarter. 

ENGLAND. 

LONDON. 

Bridgewater  Galerie. 

Christus  und  die  Schriftgelehrten. 
Earl  of  Derby. 

Jacob  mit  Labans  Heerde. 

HAMPTON  COURT. 

Bartholomäusmarter. 


SCHULBILDER,  NACHAHMUNGEN. 


SPANIEN. 

BARCELONA, 
Mus. 

Bartholomäusmarter. 
CADIZ. 
Mus. 

Hicronymus. 
Maria  Egyptiaca. 
Reuiger  Petrus. 
Bartliolomäusmarter. 
CUENCA. 
Findelhaus. 

Reuiger  Petrus. 
GRANADA. 
Catedral. 

Joseph  mit  Jesusknäblein. 
Hl.  Franz.  von  Paula. 
Magdalena  (AI.   Cano). 
MADRID. 
Prado. 

960.  Johannes  Evang. 
984.  Concepcio  Immaculata. 
991.  Bartholoraäusmarter. 
M.   Hernando. 

Bartholomäusraarter. 
Conde  de  Sallent. 
Apostel. 
ESCORIAL. 

441.  Hirtenanbetung. 
Onuphrius. 
Philosoph. 
OSUNA. 
Colegiata. 

Hieronymus. 
Sebastian. 
Petrus. 

Bartholomäusmarler. 
PALMA  DE  MALLORCA. 
Marques  de  la  Cenia. 
2  Philosophen. 
2  Apostel. 
D.  Felipe  Villalonga. 
Reuig.  Petrus. 
Mayer,  Jusepe  de  Ribera  (Lo  Spagnoletlo). 


D.  Ramön  Marotu. 

13   Philosophen. 
TOLEDO. 
Mus. 

Reuiger  Petrus. 
VALENCIA. 
S.   .■andres. 

Hl.  Andreas. 
Bartholomäusmarter. 

ENGLAND  (Irland). 
DUBLIN. 

HI.  Joseph. 
EDINBURGH. 

Philosoph. 

Sir  John  Nelthorpe  Scawby  Lincolnslüre. 
Reuiger  Petrus. 

E.  Molyneux 

Petrus. 
Früher  Lord  Dudley. 

Petrus. 
John  Grant  of  Kilgraston. 

Petrus. 
LONDON. 

National  Gallerie. 

„Orlando  raucrto". 
Alton  Tower. 

Archimedes. 
Hampton  Court. 

Der  jugcndl.  Johannes  d.T.  i.d. Wüste. 

Philosoph. 
Cobhamhall  Lord  Darnley. 

Heraklit. 

Demokrit. 
Früher  Mr.  Nesbit. 

Demokrit. 
Herzog  v.  Sutherland  (Stafford  Ilouse). 

Heraklit. 

Christus  in  Emmaus. 
RICHMOND. 

Sir  Fred.  Cook.  Bart.  (Daugthyhouse). 

Hieronymus,  die  Posaune  vernehmend. 

Hl.  Petrus. 

Ein  Apostel. 

13 


194 


FR.\NKREICH. 

AVIGNON. 

Petrus  auf  den  Welleu. 
BORDEAUX. 

Philosophenversammlung. 

Hieronymusdisputacion. 
CHERBOURG. 

Reuiger  Petrus. 

LILLE. 

Hicronymus. 

LYON. 

Reuiger  Petrus. 
MONTPELLIER. 

Apostelkopf. 
PARIS. 
Louvrc. 

4  Philosophen. 

Beweinung. 

DEUTSCHLAND. 

AUGSBURG. 

Hl.  Sebastian. 

Frauenporträt. 
BERLIN. 

K.  Friedrichmuseum. 

Hieronymus. 
Sammlung  Carstanjen. 

Paulus  Erem. 
Frau  Direktor  Kocherthaler. 

Apostelkopf. 
Prof.   Ludwig  Knaus. 

Der  barmherzige  Samariter. 

BONN. 

Dr.  Martins. 

Extase  der  hl.  Magdalena. 

CHEMNITZ. 

Bartholomäusmarter. 

CÖLN. 

Sebastian. 
DRESDEN. 
Mus. 

691.  Männliches  Porträt. 
Kunstakademie. 

Schüler  und  Lehrer. 


FULDA. 
A.   Gies. 

Apostel. 
LEIPZIG. 

Reuiger  Petrus. 
MÜNCHEN. 

Kreuzabnahme  des  Andreas. 

Tod  Senecas. 

Hieronymus. 

Onuphrius. 

,, Höckerfrau". 

Mönch. 

.■\rchimedes. 

Reuiger  Petrus. 

Bartholomäusmarter. 

Henker  mit  Kopf,  Joh.  d.  Tauf. 
OLDENBURG. 

Grablegung. 
STUTTGART. 

Hieronymus. 

ITALIEN. 

FLORENZ. 
Uffizien. 

Hieronymus. 
Pal.   Pitli. 

Bartholomäusmarter. 
Pal.  Corsini. 

Andreasmarter. 

Zwei  Gelehrte  am  Studiertisch. 

NEAPEL. 

Ducca  di  Marianella. 

10  Apostel. 
Früher  Ducca  di  Bovine. 

Franziscus. 
S.   Filippo  Neri. 

Jacobus. 

Ecce  Homo. 
Museum. 

Studienkopf. 
P,\RMA. 

12   .Apostel. 
PORTO  D'ANZIO. 

Princ.  Borghese  (Villa  Doria). 

Reuiger  Petrus. 


195 


ROM. 

Gal.   Nazionale. 

Philosoph. 
Gal.  Doria  Pamphili. 

297.  Hieronymus. 
Principe  Doria. 

Hagar  und  Ismael. 
Sign.  Simonetti. 

Extase  der  hl.  Magdalena. 
Accad.   S.  Lucca. 

Hieronymusdisputacion. 

VENEDIG. 

Academia. 

Bartholomäusmarter. 

ÖSTERREICH. 

WIEN. 

K.  K.  Museum. 

Kreuztragung. 

Philosoph. 

Archimedes. 

Reuiger  Petrus. 
Fürst  Liechtenstein. 

Kreuzigung  Petri. 

Hieronymus. 
Graf  Czernin. 

Philosoph. 


Graf  Harrach. 
Hieronymus. 
Bartholomäus. 
Apostelkopf. 
Concepcion. 
Bartholomäusmarter. 

UNGARN. 

BUDAPEST. 

Philosoph. 

HOLLAND. 

AMSTERDAM. 

Die  Eitelkeit. 

SCHWEDEN. 

STOCKHOLM. 

Paulus  Eremit. 

RUSSLAND. 

PETERSBURG. 
Eremitage. 

338  Philosoph. 
330  Sebastian. 


HANDZEICHNUNGEN. 


CORDOBA. 

Simson  und  Delila.     Rötel. 
Der   Erzengel    Michael    einen    Ver- 
dammten in  die  Hölle  jagend.  Rötel. 
FLORENZ. 
Uffizien. 

Hieronymus  (1386)  Rötel. 
'Büßender     Heiliger     (Hieronymus? 
2192^).  Rötel. 
BüJäendc  Magdalena.     Rötel. 
LONDON. 
Brit.  Mus. 

'Büßender  Heiliger.  Rötel. 
[cf.  Uffizien  2192^]. 


Christ  Church.     Collect.  Guise.') 
.\lte  Frau.    Rötel. 


ZWEIFELHt^FT. 

DRESDEN. 

Hieronymus.  Fed.  und  Röt. 

PARIS  LOUVRE. 

Studie  zu  einem  Marsyas?  Rötel. 


Alle  andern  Ribera  zugewiesenen  Zeichnungen  in  Florenz,  Frankfurt,  Leipzig,  London, 
Mailand,  München,  Neapel,  Paris,  Wien  —  in  der  überwiegenden  Mehrzahl  Feder- 
zeichnungen —  gehören  nicht  dem  Meister  an. 


Nachtrag. 


Zu  S.  49  aus  B.  17  zwei  Ohren  kopiert.  Unterschrift  Gioseppe  de  riuera  spanuolo 
fece  a  bolino. 

B.  15 — 17  sind  für  das  B.  XVI.  p.  288.  2)  erwähnte  Blatt  der  1636  in  Venedig 
erschienenen  Zeichenschule  des  Palma  giovane  benutzt. 


■)  Diese  sehr  breit  behandelte  Studie,  wohl  a' 
der  Abbildung  im  IV.  Bd.  von  Sidney  Colvins  „Sele 
bekannt,  bez.  rechts  oben  Joseph  ä  Ribera  hisp. 


der  späteren  Zeit  des  Meisters,   ist  mir  nur  aus 
ed  Drawings    from   old    masters".     Oxford    1905 


VERLAG    VON    KARL  W.  HIERSEMANN   IN   LEIPZIG 
KUNSTGESCHICHTLICHE   MONOGRAPHIEN 

BAND  I. 

A.  HAUPT,  PETER  FLETTNER,  DER  ERSTE  MEISTER  DES 
OTTO-HEINRICHSBAUS  ZU  tIEIDELBERG. 

Mit  Unterstützung  des  Großherzoglich  Badischen  Ministeriums  der  Justiz,  des  Kultus 
und  des  Unterrichts  herausgegeben.  Mit  15  Tafeln  und  33  Illustrationen  im  Text.  Kart. 
Leipzig   1904.  Preis  8  Mark. 

Die  neue  Studie  des  Verfassers,  der  sich  schon  seit  längerer  Zeit  mit  den  Bauwerken 
Heidelbergs  und  ihrer  Geschichte  beschäftigt  und  bereits  vor  einigen  Jahren  mit  einem 
der  wichtigsten  Werke  über  den  Otto-Heinrichsbau  hervortrat,  hat  die  Aufgabe,  die  Mög- 
lichkeit der  Beteiligung  Flettners  am  ersten  Entwürfe  der  Fassade  dieses  vielumstrittenen 
herrlichen  Denkmals  deutscher  Profanarchitektur  nachzuweisen.  Das  aktuelle  Werk  ver- 
dankt seine  Entstehung  dem  warmen  Interesse  S.  K.  H.  des  Großherzogs  von  Baden  und 
gewinnt  hauptsächlich  an  Bedeutung  durch  seine  zwingende  Beweisführung  in  Gestalt  einer 
Kette  von  Vergleichen  nachgewiesenermaßen  Flettnerscher  Originalarbciten  an  Baudenk- 
mälern verschiedener  Länder  mit  der  Ornamentik  und  dem  skulpturcllen  Schmucke  des 
Heidelberger  Schlosses.  Das  Buch  ist  ein  weiterer  schätzenswerter  Beitrag  zur  Lichtung 
des  bisher  undurchdringlichen  Dunkels,  das  über  der  Geschichte  der  künstlerischen  Ent- 
stehung des  Otto-Heinrichsbaus  lagerte  und  wird  als  solcher  von  Kunsthistorikern  und 
Architekten,  Architektursaramlungen  und  Bibliotheken,  technischen  Hochschulen  und  Kunst- 
akademien und  nicht  zuletzt  auch  von  einem  kunstliebenden  Publikum  lebhaft  begrüßt  werden. 
BAND  U. 

R.  BURCKHARDT,  CMA  DA  CONEGLIANO. 

Ein  venezianischer  Maler  des  Übergangs  vom  Quattrocento  zum  Cinquecento.  Ein 
Beitrag  zur  Geschichte  Venedigs.    Mit  31  Abbildungen  in  Autotypie.    Eleg.  kart.  Preis  12  Mk. 

Wer  Venedigs  Kunst  liebt,  wen  der  Übergang  von  der  herb  archaischen  Kunst  zur 
hoch  klassischen  fesselt,  der  findet  in  diesem  dem  schlichten  Maler  Cima  da  Concgliano 
gewidmeten  Versuch  reiche  Anregung  und  edlen  Genuß,  denn  auch  dieser  bis  jetzt  noch 
wenig  bekannte   Künstler  hat  viel  zum   Werden  der  großen  Kunst  beigetragen. 

Die  Bedeutung  des  Künstlers  konnte  erst  gewürdigt  werden,  nachdem  alle  wich- 
tigen Bilder  persönlich  studiert  waren,  nachdem  versucht  worden  war,  durch  archivarische 
Forschungen  und   Stilkritik   sie   chronologisch    einzureihen. 

Es  ist  ein  ganz  neues  Bild  des  venezianischen  Malers,  dieser  liebenswürdigen  heiteren 
Künstlernatur,  entstanden,  das  dem  Forscher  und  dem  Kunstfreunde  dadurch,  daß  dem 
Buche  von  allen  wichtigen  Bildern  des  Künstlers  gute  Abbildungen  beigegeben  sind,  be- 
sonders willkommen  sein  wird. 

Im  Stil  ist  erstrebt,  einfach  und  schlicht,  aber  wahr  und  warm  das  wiederzugeben 
was   dem   Verfasser  bei  seinen  Studien  über  Cima  zum  Erlebnis  geworden;   dieses  immer 
Höherstreben  eines  großen  Künstlers  in  einer  wunderbar  fruchtbaren  Zeit. 
BAND  m. 

ERNST  HEIDRICH,  GESCHICHTE  DES  DÜRERSCHEN 
MARIENBILDES. 

Gr.-8.,  XIV,  und  209  Seiten  mit  26  Abbildgn.  in  Autotypie.    Eleg.  kart.    Preis  1 1  Mk. 

Das  Buch  gibt  zunächst  einen  wertvollen  Beitrag  zur  genaueren  Kenntnis  der  Kunst 
Albrecht  Dürers,  indem  es  die  eine  inhaltlich  und  formal  bestimmte  Linie  des  Dürcrschen 
Schaffens  im  Zusammenhange  ihrer  Entwicklung  verfolgt:  eine  Geschichte  des  Dürcrschen 
Marienbildes  nicht  im  Sinne  einer  bloßen  Aufreihung  der  einzelnen  Mariendarstellungen, 
sondern  im  Sinne  einer  in  sich  geschlossenen  und  mit  der  Gesamtentwicklung  Dürers 
zusammenhängenden  notwendigen  Folge.  An  zweiter  Stelle  erscheint  das  Buch  als  ein  Aus- 
schnitt aus  einer  Geschichte  der  religiösen  Themata  in  der  deutschen  Kunst  der  Refor- 
mationszeit. Die  Abbildungen  geben  25  der  schönsten  und  für  die  Entwicklung  wich- 
tigsten Zeichnungen  und  außerdem  die  Reproduktion  eines  bisher  nicht  beachteten 
Gemäldes,  das  als  treue  Kopie  eines  verlorenen  Dürcrschen  Sippenbildes  von  1508  bis  1509 
erwiesen  wird. 

Fortsetsmig  siehe  nächste  Seite. 


VERLAG   VON   KARL   W.    HIERSEMANN    IN   LEIPZIG 


ERNST  STEINMANN,  DAS  GEHEIMNIS  DER  MEDICIGRABER 
mCHEL  ANGELOS. 

Groß-Oktav,  128  Seiten  mit  33  in  Doppeltonfarbe  gedruckten  Abbildungen  im  Text 
und   15   Tafeln,  davon   10  in  Duplex-Autotypie.     In  eleg.  Leinwandband.     Preis  12  Mark. 

Die  Medici-Denkraäler  von  San  Lorenzo  boten  von  jeher  Anlaß  zu  besonderen 
Betrachtungen.  Sie  schienen  von  allen  Rätseln  in  der  Kunst  Buonarrotis  das  unbegreif- 
lichste zu  sein.  Die  endgültige  Lösung  des  Problems  darf  daher  das  allgemeinste 
Interesse  beanspruchen.  Die  Erfahrungen  einer  etwa  zehnjährigen  Tätigkeit  und  Beschäf- 
tigung mit  Michelangelo  legte  der  als  Herausgeber  des  Sixtina-Werkes  bekannte  Verfasser 
in  dem  Buche  in  einer  Form  nieder,  die  als  Verbindung  höchster  dichterischer  Kunst  mit 
vollkommenstem  Wissen  alles  dessen,  was  alte  und  neue  Forschung  über  den  Künstler 
ergeben  hat,  bezeichnet  werden  kann. 

Auf  die  ."Kusstattung  des  Bandes,  der  auch  in  den  Abbildungen  mancherlei  Un- 
ediertes  und  außerdem  einige  neue  Beiträge  zum  Problem  der  Flußgötter  Michelangelos 
bringt,  wurde  die  größte  Sorgfalt  verwendet. 

BAND  V. 

IL\NS  BORGER,  GRABDENKMÄLER  IM  MAINGEBIET  vom 
Anfang  des  XIV.  Jahrhunderts  bis  zum  Eintritt  der  Renaissance. 

Groß-Oktav,  78  Seiten  mit  33  .'Abbildungen  auf  28  Tafeln.  Im  elegantem  Lein- 
wandband. Preis   12  Maik. 

Eine  der  wichtigsten  Aufgaben  der  mittelalterlichen  Kunst  stellte  das  Grabdenkmal. 
Die  Forschung  hat  dieses  Spezialgebiet  bisher  verhältnismäßig  wenig  gepflegt,  und  doch 
sollte  man,  ganz  abgesehen  von  den  hohen  künstlerischen  Leistungen  dieser  Grabplaslik, 
sich  längst  allgemeiner  auf  ihre  grundlegende  Bedeutung  für  die  Datierung  anderer  Skulp- 
turen besonnen  haben.  Das  vorliegende  Werk  behandelt  ein  besonders  bemerkenswertes 
Gebiet,  das  Maintal  mit  den  Domen  zu  Bamberg,  Würzburg  und  Mainz  und  ihren  großen 
Reihen  von  bischöflichen  Grabdenkmälern.  Auch  die  Hauptorte  des  Mainlaufes  sind  in 
die  Untersuchung  mit  hineingezogen. 

Die  besten  und  interessantesten  Grabdenkmäler  des  Maintales  sind  in  der  Publika- 
tion auf  28  Tafeln  vorzüglich  wiedergegeben. 

BAND  VI. 

ANDREAS  AUBERT,  DIE  MALERISCHE  DEKORATION  DER 
SAN  FRANCESCO  KIRCHE  IN  ASSISI.  EIN  BEITRAG 
ZUR  LÖSUNG  DER  CBLABUE-FRAGE. 

Groß-Oktav,  149  Seiten  mit  80  Abbildungen  in  Lichtdruck  auf  69  Tafeln;  da- 
von eine  farbig.     In  elegantem  Leinwandband.  Preis  36  Mark. 

CIM.AEUE  gilt  heute  für  eine  gewisse  Richtung  der  modernen  Kunstkritik,  die 
immer  mehr  Anhänger  findet,  als  ein  Name  ohne  kunsthistorische  Bedeutung.  Hand  in  Hand 
mit  dieser  Unterschätzung  des  Meisters  geht  eine  Vernachlässigung  seiner  von  der  Zeit  schon 
stark  mitgenommenen  Werke,  die  langsam  dem  Verfall  entgegengehen.  Die  Reste  jener 
vorgiottesken  Kunstepoche  zeigen  auch  in  ihrem  traurig  verwüsteten  Zustande  eine  monu- 
mentale Größe  und  dekorative  Werte,  die  sich  mit  Giottos  Kunst  wohl  messen  können, 
ja  die  Voraussetzung  Giottos  bilden.  Von  einer  tiefen  Bewunderung  für  die  Kunst  Cima- 
bues  getrieben,  hielt  es  der  Verfasser  an  der  Zeit,  nach  jahrelangen  ernsten  Studien,  das 
Cimabue-Problem  von  neuem  aufzunehmen  und  dem  Meister  den  ihm  gebührenden  Platz 
als  Grundstein  der  italienischen  Malerei  zurückzugeben. 

Der  Wert  der  Publikation  wird  dadurch  ganz  besonders  erhöht,  daß  darin  auf  nicht 
weniger  als  69  Lichldrucktafeln,  wovon  I  farbig,  ein  überaus  reiches,  bis  jetzt  meist  un- 
publiziertes  Bildermaterial  aus  der  Zeit  Cimabues  und  Giottos  der  Forschung  zugänglich 
gemacht  wird. 

Prospekte  stehen  Interessenten  siir  Verfügung. 


VERLAG  VON   KARL   W.    HIERSEMANN   IN   LEIPZIG 


HERMANN  VOSS,  DER  URSPRUNG  DES  DONAUSTILES. 
EIN  STÜCK  ENTWICKLUNGSGESCHICHTE  DEUTSCHER 
MALEREI 

Groß-Oktav,  223  Seiten  Text  mit  30  Abbildungen  auf  14  Tafeln  und  im  Text. 
In  elegantem  Leinwandband.  Preis   18  Mark. 

Wie  der  Untertitel  verrät,  ist  es  die  Absicht  des  Verfassers,  einen  Beitrag  ent- 
wickelungsgeschichtlicher  Art  zur  deutschen  Malerei  zu  liefern.  Gegenstand  war  ihm  dabei 
die  Kunstübung  der  oberdeutschen,  besonders  der  bayerischen  Lande  seit  etwa  1450; 
Zweck  der  .\rbeit  ist,  zu  zeigen,  wie  aus  einheimischen  und  fremden  Vorbedingungen 
zusammen  die  Kunst  des  ,, Donaustiles'*,  also  Altdorfers  und  seines  Kreises  in  weiterem 
Sinne,  sich  entfaltet  hat.  Von  besonderem  Interesse  war  die  höchst  eigenartige  und  über- 
raschend bedeutende  Persönlichkeit  des  Wolf  Huber  von  Passau,  dessen  malerische  Tätig- 
keit im  ersten  Teil  der  .\rbeit  erstmals  zusammengestellt  und  gewürdigt  wird.  Während 
dann  der  zweite  Teil  den  Kern  der  Untersuchung  aufnimmt,  wird  im  dritten  der  Aufbau 
der  Elemente  versucht,  die  den  künstlerischen  und  geistigen  Charakter  des  Donaustiles  im 
Ganzen  bedingen.  Neben  den  so  angedeuteten  Hauptlinien  des  Buches  findet  sich  eine 
größere  Zahl  von  Nebenlinien  eingezeichnet,  die  zur  Erhellung  einzelner  kritischer  Fragen 
bestimmt  sind,  zwei  von  ihnen  bilden  kleine  Abhandlungen  für  sich  und  sind  als  Exkurse 
ans  Ende  gestellt. 

BAND  VIII. 

OTTO  HOERTH,  DAS  ABENDMAHL  DES  LEONARDO  DA 
VINCI.  Em  BEITRAG  ZUR  FRAGE  SEINER  KÜNSTLE- 
RISCHEN REKONSTRUKTION. 

Groß-Oktav,  250  Seiten  Text  mit  25  Abbildungen  in  Lichtdruck  auf  23  Tafeln. 
In  elegantem   Leinwandband.  Preis  20  Mark. 

In  dem  Abendmahl  des  Leonardo  da  Vinci  verkörpert  sich  schlechtweg  unsere 
Vorstellung  von  dem  letzten  Passahmahl  Christi.  Zu  dieser  Bedeutung  des  Werkes  aber 
steht  in  innerem  Widerspruch  der  ruinöse  Zustand  des  Originals  in  S.  Maria  delle  Grazie 
sowie  auch  der  Umstand,  daß  mittelmäßigen  Nachbildungen  bisher  die  Vermittlerrolle 
überlassen  bleiben  mußte.  Da  das  Original  aus  Pietätsgründen  nur  konserviert,  niemals 
restauriert  oder  gar  ergänzt  werden  darf,  so  läßt  sich  jener  Widerspruch  nur  durch  Er- 
stellung einer  den  ursprünglichen  Zustand  des  Originals  wiedergebenden  Kopie  beheben, 
die  jedoch  eine  vollständige  und  genaue  Kenntnis  der  Komposition  voraussetzt.  Die 
Hauptaufgabe,  die  die  vorliegende  Publikation  sich  stellte,  war  demgemäß,  das  Werk 
Leonardos  zu  erkennen.  Die  Untersuchungen  des  zweiten  und  dritten  und  eines  Teils 
des  vierten  Kapitels  sind  diesem  Zweck  gewidmet:  dann  erst  konnte  das  zur  Schaffung 
einer  Musterkopie  brauchbare  Material,  soweit  es  der  heutigen  Forschung  zugänglich  ist, 
nachgewiesen  werden. 

BAND  IX. 

JOHANNES  SIEVERS,  PIETER  AERTSEN.  EIN  BEITRAG 
ZUR  GESCHICHTE  DER  NIEDERLÄNDISCHEN  KUNST 
IM  XVI.  JAHRHUNDERT. 

Groß-Oktav,  ca.  176  Seiten  Text  mit  35  .Abbildungen  in  Lichtdruck  auf  34  Tafeln. 
In  elegantem  Leinwandband.  Preis  noch  unbestimmt. 

BA^^D  X. 

AUGUST  L.  MAYER,  JUSEPE  DE  RIBERA  (LO  SPAGNOLETTO). 

Groß-Oktav,  ca.  192  Seiten  Text  mit  59  Abbildungen  in  Lichtdruck  auf  43  Tafeln. 
In  elegantem  Leinwandband.  Preis  noch  unbestimmt. 

Prospekte  stehen  Interessenten  sur  Verfügung. 


VERLAG   VON   KARL   W.   HIERSEMANN   IN   LEIPZIG 

Erstes  Beiheft  der  Kunstgeschichtlichen  Monographien: 

KUNSTWISSENSCHAFTLICHE  BEITRÄGE  AUGUST 
SCHMARSOW  GEWIDMET  ZUM  FÜNFZIGSTEN 
SEMESTER  SEINER  AKADEMISCHEN  LEHRTÄTIGKEIT 
von  H.  Weizsäcker,  M.  Semrau,  A.  Warburg,  R.  Kautzsch, 
O.  Wulff,  P.  Schubring,  J.  von  Schmidt,  K.  Simon,  G.  Graf 
Vitzthum,  W.  Niemeyer,  W.  Finder. 

Groß-Quart,   178  Seiten  Text,    12  Tafeln,    davon    9    in  Lichtdruck,    und  43  Abbil- 
dungen im  Text.  Preis  32  Mark. 

Inhalt: 

OSKAR  WULFF-Berlin ,    Die  umgekehrte  Perspektive   und  die  Niedersicht.     Eine  Raum- 

anschauungsform  der  altbyzantinischen  Kunst  und  ihre  Fortbildung  in  der  Renaissance. 

(i — 40)     Mit   16   Abbildungen. 
WILHELM    NIEMEYER-Düsseldorf,    Das  Triforium.     (41—60)      Mit    2    Buchdrucktafcin. 
GEORG    GRAF    VITZTHUM-Leipzig,   Eine    Miniaturhandschrift   aus    Weigelschem   Besitz. 

(61 — 72)     Mit  2   Abbildungen  und    t   Lichtdrucktafel. 
RUDOLF  KAUTZSCH-Darmstadt,  Ein  Beitrag  zur  Geschichte   der   deutschen   Malerei   in 

der   ersten   Hälfte    des    14.  Jahrhunderts.     (73 — 94)      Mit   4  Textabbildungen   und 

1  Lichtdrucktafel. 

MAX  SEMRAU-Breslau,    Donatello   und    der   sogenannte  Forzori-Altar.      (95 — 102)      Mit 

2  Textabbildungen. 

PAUL  SCHUBRING-Berlin,    Matteo  de  Pasti.     (103—114)      Mit  7  Textabbildungen  und 

I   Lichtdrucktafel. 
JAMES  VON  SCHMIDT-St.  Petersburg,  Pasquale  da  Caravaggio.    (115— 128)    Mit  4  Text- 
abbildungen und   l   Lichtdrucktafel. 
ABY   WARBURG-Hamburg,  Francesco  Sassetis  letztwillige  Verfügung.     (129—152)      Mit 

6  Textabbildungen,  2   Lichtdruck-  und   I   Autotypietafel. 
HEINRICH   WEIZS.^CKER-Sluttgart,  Der  sogenannte  Jabachsche  Altar  und  die  Dichtung 

des  Buches  Hiob.    Ein  Beitrag  zur  Geschichte  von  Albrecht  Dürers  Kunst.   (153 — 162) 

Mit   I   Lichtdrucktafel. 
KARL  SIMON-Posen,  Zwei  Vischersche  Grabplatten    in    der  Provinz  Posen.     (162—169) 

Mit   I   Lichtdrucktafel. 
WILHELM   PINDER- Würzburg,    Ein    Gruppcnbildnis    Friedrich   Tischbeins    in    Leipzig. 

(170 — 178)     Mit   I    Lichtdrucktafel. 


August  Schmarsow,  Professor  der  Kunstgeschichte  an  der  Universität  Leipzig  und 
Direktor  des  kunsthistorischen  Instituts,  kann  auf  mehr  als  50  Semester  hingebender  Lehr- 
tätigkeit an  deutschen  Hochschulen  zurückblicken.  Aus  diesem  Anlaß  hat  sich  aus  der 
Gesamtheit  seiner  Schüler  ein  engerer  Kreis  vereinigt,  um  ihm  in  dankbarer  Verehrung 
die  in  diesem  Bande  gesammelten  Ergebnisse  wissenschaftlicher  Arbeit  zu  widmen.  Bei 
dem  Ansehen,  das  Professor  Schmarsow  in  der  kunstwissenschaftlichen  Welt  genießt,  dürfte 
diese  Festschrift  allseitiger  Beachtung  sicher  sein.  Sie  bietet  in  kunstgeschichtlicher  An- 
ordnung eine  Reihe  wichtiger  Beiträge,  die  sich  über  das  Gesamtgebiet  der  neueren  Kunst- 
entwickelung verteilen.  Die  Mannigfaltigkeit  und  Bedeutsamkeit  der  behandelten  Themata 
stellt  zugleich  der  anregenden  Kraft  des  Lehrers  ein  lebendiges  Zeugnis  aus. 

Prospekte  stehen  Interessenten  sur  Verfügung. 


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