THE LIBRARY
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THE UNIVERSITY OF
BRITISH COLUMBIA
Kunstgeschichtliche Monographien
X
KUNSTGESCHICHTLICHE MONOGRAPHIEN
X
AUGUST L. MAYER
JUSEPE DE RIBERA
(LO SPAGNOLETTO)
MIT 59 ABBILDUNGEN IN LICHTDRUCK AUF 43 TAFELN
LEIPZIG 1908 VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
Digitized by the Internet Archive
in 2010 with funding from
University of British Columbia Library
http://www.archive.org/details/jusepederiberaloOOmaye
Tafel I
JUSEPE DE RIBERA
(nach dem Stich der „Espafioles Ilustres")
JUSEPE DE RIBERA
:: (LO SPAGNOLETTO) ::
VON
AUGUST L MAYER
MIT 59 ABBILDUNGEN IN LICHTDRUCK AUF 43 TAFELN
LEIPZIG 1908 VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
„Quamdiu te tectoriim umbrae premunt?
Quamditt fumosanim tirbiuin carcer iticliidit?
Crede mihi , nescis quid plus hicis aspicio.
Libet sarcina corporis abiecta ad purum aetheris
evolare fulgorem !"
Hieronymus ad Heüodorum de vita eremitica.
Einleitung. Kap. I. III. B. I — 4. Exkurs i haben Juni 1907 der Berliner philos.
Fakultät als Inauguraldissertation vorgelegen.
MEINEN ELTERN
INHALTSÜBERSICHT.
EINLEITUNO ii
I. ZUR EINFÜHRUNO. RIBERAS LEBEN UND WIRKEN 14
n. FRANCISCO DE RIBALTA 25
in. RIBERAS WERKE 33
A. JUGEND-JAHRE DES RINGENS 33
B. DER FREIE MEISTER 86
C. DER REIFE STIL 140
IV. RIBERAS KUNST. SCHULE UND EINFLUSS .... 160
V. ANHANG
EXKURS 1 172
RIBERAS GEBURTSJAHR UND HEIMAT .... 172
EXKURS II 175
DIE „EXTASE DER HL. MARIA MAGDALENA" UND
IHRE NACHAHMUNGEN 175
EXKURS III 179
ZUR ENTSTEHUNG DER „APOSTELCOMMUNION"
IN S. MARTINO 179
EXKURS IV 180
DER „ORLANDO MUERTO" IN DER LONDONER
„NATIONAL GALLERY" 180
KATALOG
ORIGINALGEMÄLDE 186
KOPIEN 191
SCHULWERKE UND NACHAHMUNGEN .... 193
HANDZEICHNUNGEN 196
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
Titelbild Jusepe de Ribera (Stich).
Tafel II Abb. I Ribalta; Die Vision des heil. Franz. Madrid, Prado.
„ III „ 2 Der hl. Hieronymus (Radierung B. 4).
„ IV „ 3 Der hl. Hieronymus die Posaune des jüngsten Gerichts vernehmend.
Neapel, Museo Nazionale.
„V ,,4 Mundstudien (Radierung B. l6).
5 Simson und Delila (Zeichnung). Cordoba.
„ VI „ 6 Das Martyrium des hl. Bartholomäus (Radierung B. 6).
„ VII „ 7 Der Silen (Radierung B. 13).
„ VIII „ 8 Extase der hl. Magdalena. Madrid, Ac. S. Fernando.
„ IX „ 9 Der hl. Sebastian von den Frauen gepflegt. Petersburg, Eremitage.
„ X ,, 10 Die Marter des hl. Andreas. Budapest.
„ XI ,, 1 1 Die Marter des hl. Bartholomäus. Madrid, Prado.
,, XII ,, 12 Die Marter des hl. Lorenz. Dresden.
,, 13 Prometheus. Madrid, Prado.
„ XIII ,, 14 Archimedes. Madrid, Prado.
,, 15 Diogenes. Dresden.
„ XIV „ 16 Christus und die Schriftgelehrten. Wien, K. K. Gemälde-Galeric.
„ 17 Christus als Salvator mundi. Madrid, Prado.
„ XV „18 Der hl. Bartholomäus. Madrid, Prado.
„ 19 Der hl. Bartholomäus (Detail). Madrid, Prado.
„ XVI „ 20 Der hl. Petrus. Madrid, Prado.
„ XVII „ 21 Der hl. Andreas. Dresden.
,, 22 Der hl. Andreas. Madrid, Prado.
„ XVIU ,, 23 Der Bildhauer Gambazo. Madrid, Prado.
,, 24 Die Sibylle. Madrid, Prado.
,^ XIX ,, 25 Vision des hl. Franz. Madrid, Prado.
,, 26 Der Christusknabe erscheint dem hl. Antonius. Madrid, Ac. S.
Fernando.
„ XX ,, 27 Der jugendliche Johannes d. T. Madrid, Prado.
,, 28 Die büßende Magdalena. Madrid, Prado.
XXI ,, 29 La Concepcion. Salamanca, Agustinas recoletas.
„ XXII ,, 30 Isaak segnet Jakob. Madrid, Prado.
„ XXIII ,, 31 Beweinung Christi. Neapel, Certosa di S. Martino.
„ XXIV „ 32 Der Gnadenstuhl in den Wolken. Madrid, Prado.
„ XXV ,, 33 Die hl. Familie. Wiesbaden.
„ XXVI „ 34 Die Verlobung der hl. Katharina. London, Earl of Northbrook.
„ XXVII ,, 35 Porträt eines maestro al Cembalo. Rom, Graf G. Stroganoff.
„ XXVIII „ 36 Ein spanischer Edelknabe mit seinem Schutzheiligen. Schwerin,
Großherzogl. Galerie.
„ XXIX „ 37 Der hl. Hieronymus. Madrid, Prado.
,, 38 Der hl. Hieronymus in Medidation. Neapel, Museo Nazionale.
„ XXX „ 39 Der hl. Onuphrius. Petersburg, Eremitage.
,, 40 S. Paulus Eremita. Madrid, Prado.
Tafel XXXI
Abb. 41
,. 42
„ XXXII
„ 43
„ 44
„ XXXIII
.- 45
„ XXXIV
„ 46
„ XXXV
„ 47
„ XXXVI
„ 48
„ xxxvn
„ 49
„ xxxvm
„ 50
„ 5'
„ XXXIX
u 52
„ XL
„ 53
„ XLI
.. 54
-. 55
„ XLII
„ 56
„ XLIIl
V 57
„ 58
Die Befreiung Petri. Escorial.
Der hl. Franz auf den Dornen. Dresden.
S. Maria Egyptiaca. Montpellier.
Der hl. Franz. Florenz, Pal. Pitti.
Die hl. Agnes. Dresden,
Die hl. Agnes (Detail). Dresden.
Jakobs Traum von der Himmelsleiter. Madrid, Prado.
Don Juan de Austria (Radierung B. 14. 1).
S. Paulus Eremita. Madrid, Prado.
Der hl. Andreas. Madrid, Prado.
Der hl. Hieronymus. Madrid, Prado.
Die Anbetung der Hirten. Paris, Louvre.
Die Kommunion der Apostel. Neapel, Certosa di S. Martino.*)
Der hl. Sebastian. Madrid, Prado.
Der hl. Sebastian. Neapel, Museo Nazionale.
Der Klumpfuß. Paris, Louvre.
Die Extase der hl. Magdalena. Rom. Sign. Simonetti.
Murillo? Die büssende Magdalena. Madrid, Prado.
*) Die Mangelhaftigkeit dieser Reproduktion ist durch die völlig ungenügende
photographische Vorlage verschuldet; eine bessere Photographie war leider nicht zu be-
schaffen.
EINLEITUNG.
Wohl das größte Stiefkind der Kunstgeschichte ist die spa-
nische Malered. Nur wenige sind es, die sich ernsthaft mit ihr
befaßt haben, und diese Wenigen richteten dabei ihr Hauptaugen-
merk auf die Sevillaner Schule, geblendet von dem Glanz der
beiden Sterne am bätischen Kunsthimmel : Velasquez und Murillo.
Diese beiden Maler gelten auch heute noch als „die spanischen
Maler" schlechtweg. Vielleicht nennt man noch den Namen Zur-
baran. Aber Spanien ist doch etwas reicher, neben seinem Venedig
hat es auch noch sein Florenz. Da!s ist Valencia. Hier herrscht
ein strenger, ernsterer Geist, ein Sinn für feste, sorgsame Zeich-
nung. Andererseits darf man aber auch Valencia das Toledo der
bildenden Kunst nennen. Denn was jene Hochburg des katholischen
Glaubens in rein kirchhcher Hinsicht für die spanische Christen-
heit geleistet hat, das wirkte Valencia in der Kunst. Nicht die
Sevillaner mit ihrem heiteren Naturell waren zu solchen Gottes-
streitem berufen, sondern die düstereren Valencianer mit ihrem
glühenden, rehgiösen Pathos, und ihre Führer hießen Ribalta,
Ribera.
Wenn Ribera nicht in dem Maße wie seine anderen Landsleute
der Vergessenheit anheimgefallen ist, so liegt es vor allem daran,
daß er die größte Zeit seines Lebens in Italien verbracht hat und
in der Geschichte der Neapolitaner Barockmalerei eine bedeutende
Rolle spielt.
So haben sich denn auch bald Biographen gefunden. Mit am
frühesten Martinezi), Pacheco-) und Sandrart^). Die größte
italienische Biographie widmete ihm Dominici*); ein von Feinden
Riberas beeinflustes, höchst unkritisches Buch. Nicht viel besser
ist die des Spaniers Palomino in seinem „Museo Pictorico"5).
Die neueren spanischen Arbeiten wollen kritisch sein, sind
es aber nicht. Zu nennen sind die von D. Augusto Danvila Jal-
dero*) und Baron de Alcahali').
Wenig neues brachte Stirling in seinen „Annais of the artists
of Spain"*), ebenso Lefort*).
Ein reicher Anekdotenkranz hatte sich sehr bald um das Haupt
des „kleinen Spaniers" geflochten, und die genannten Werke be-
fassen sich viel mehr mit diesen Geschichten als mit des Meisters
künstlerischem Schaffen.
Das Verdienst, mit manchem Märchen aufgeräumt und falsche
Angaben über Riberas Leben richtig gestellt zu haben, gebührt
vornehmlich Neapolitaner Gelehrten, vor allem Salazar und Fa-
raglia, die durch ihre Aufsätze in der ,,Napoh Nobilissima" und
dem Archivio storico per le province Napolitane Licht in die dunkle
Lebensgeschichte Riberas gebracht haben.
Die erste neuere kunsthistorische Würdigung Riberas stammt
von Oskar Eisenmann").
Es versteht sich am Ende von selbst, daß Carl Justi in seinem
grundlegenden Werke „Velasquez und sein Jahrhundert" unserem
Künstler eine „Episode" gewidmet hat'').
Auf dieser „Episode" fußt dann Woermanns Aufsatz^^) und
Kristellers Skizze'^).
Bei allem Streben, dem Künstler Ribera gerecht zu werden,
•) Jusepe Martinez, Discursos practicables del nobilissimo arte de la pintura. Neu
herausgeg. 1866. 33 ff. — ^ El Arte de la Pintura. Madrid 1648. 15, 16, 84. —
') Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie. Nürnberg 1675. S. 191. — *) Dominici
Vite dei pittori scultori ed architetti Napoletani. Napoli 1742. III. 1 — 24. Neue Aus-
gabe 1844. m. 111 ff. — ») Palomino, Museo Pictorico. III. Madrid 1724. 3ioff.
•) Resena Critica de las Obras de Jose de Ribera, in der Revista de Elspana.
CXX. 168 — 210. — ') Diccionario Biografico de Artistas Valencianos, 266—278. —
') I. 740ff. — ') P. Lefort, La peinture espagnole. Paris 1893. — ") Dohme, Kunst
und Künstler, III. 3. — ^') Carl Justi, Velasquez und sein Jahrhundert. 2. Aufl. Bonn
1903. I., 269ff. II, I34ff. — ") ZeiUchrift für bildende Kunst. Neue Folge. I., I44ff.,
177 ff. — ") Das Museum. VIII. 53.
13
ist es doch keinem der Gelehrten gelungen, die Entwicklung des
Meisters klar darzulegen. Eine Bilderkritik beabsichtigte keiner
der Verfasser.
Das beste, was über den Maler Ribera gesagt worden ist,
findet man aber in Carl Justis spanischer Kunstgeschichte in der
Einleitung zu Baedekers „Spanien und Portugal". (2. Aufl. 1906.
LXXXII).
Eine gute Charakteristik des Radierers gab Kristeller in
seinem Buch „Kupferstich und Holzschnitt in 4 Jahrhunderten",
S. 410. Unentbehrlich für eine Betrachtung des Peintre-Graveur ist
natürlich der Abschnitt im XX. Band von Bartschs bekanntem
Werk.
Die vorliegende Arbeit will nun nicht nur den künstlerischen
Entwicklungsgang Riberas näher bestimmen, sondern auch sein
Oeuvre von den vielen Schulbildem, Nachahmungen und Kopien
säubern, die zum großen Teil an der bisherigen falschen künstle-
rischen Einschätzung des Meisters schuld sind. Das sehr zerstreute
Material ist, soweit es mir nur möglich war, an Ort und Stelle
nachgeprüft worden, doch wäre es mir kaum gelungen, eine an-
nähernd vollkommene Würdigung des großen Valencianers zu geben,
hätte mich nicht Carl Justi bei meiner Arbeit in liebenswürdigster
Weise durch Mitteilungen verschiedenster Art unterstützt.
Auf Notizen Justis gehen vor allem die Beschreibungen der
Gemälde zurück, die ich selbst nicht bezw. nicht mehr sehen konnte :
derer in Petersburg und Murcia sowie einiger früher in Pau und in
Neapolitaner Privatbesitz befindlichen Werke.
Nächst ihm sei meinem verehrten Lehrer Heinrich Wölfflin
herzlicher Dank gesagt, ebenso wie allen andern, die mir beim
Abschluß dieser Monographie behilflich waren, nicht in letzter Linie
den Herren Dr. Max J. Friedländer und V. von Loga sowie der
Direktion des kgl. Kupferstichkabinetts zu Berlin.
Darmstadt im Herbst 1907.
August L. Mayer.
1. ZUR EINFÜHRUNG.
RIBERAS LEBEN UND WIRKEN.
I.
Wenn der Wanderer die blühende Valenzianer huerta, einen
der üppigsten Gärten Europas, verläßt, und sich dem Gebirge zu
nach Süden wendet, so erblickt er einen doppelgipfeligen, von
zwei Burgen gekrönten Felshügel, an den sich die Häuser eines
ansehnlichen Städtchens schmiegen: Jatiba, das Felsennest, die
Heimat der Borgias und Jusepe de Riberas.
Ein alter Platz, berühmt durch die Tapferkeit seiner Bewohner;
das Saetabis der Römer, von Philipp V. mit dem Ehrennamen San
Felipe belehnt. Hier wurde um die Mitte der achziger Jahre des
XVI. Jahrhunderts Jusepe de Ribera geboren, als Sohn des Antonio
Simon de Ribera.
Ein großes vor allem in Valencia blühendes und angesehenes;
Geschlecht.
Der Vater bekleidete einen höheren militärischen Posten, um
die Wende des Jahrhunderts wurde er nach Neapel versetzt, als
„Adjudant" des Castel Nuovo soll er dort gestorben sein.
(Zur Frage über die Geburt und die Familie Riberas vgl.
Exkurs I.)
Die Nachrichten über Riberas Jugend sind höchst dürftig.
Sicher ist, daß er den ersten künstlerischen Unterricht bei dem
Begründer der neueren Valencianer Malerschule erhalten hat:
bei Francisco Ribalta.
Von diesem, der selbst in Italien gewesen war und Rafael,
Sebastiano del Piombo und Correggio auf sich hatte wirken lassen,
wurde er wohl nach nicht allzulanger Zeit angeregt, nach Italien
zu wandern, um dort die großen Meister zu studieren. Er hielt
15
sich längere Zeit in Oberitalien auf, vor allem in Parma, der Stadt
Correggios, wo er in S. Andrea einen hl. Martin malte, heute so gut
wie zerstört.
Daß er auch einen Ausflug ins Venezianische gemacht habe,
nimmt schon der Cicerone an. Daß er in Padua war, geht aus
der Kopie eines Bildes von Paolo Veronese hervor, das sich zu jener
Zeit in Padua befand: Christus und die Schriftgelehrten (Prado);
die Kopie bei der Principessa Fondi in Neapel.
Wie sehr er Rafaels vatikanische Fresken bewundert und wie
hoch er von ihrem Studium gedacht hat, erfahren wir aus dem
Gespräch des Malers mit einem Landsmann: Jusepe Martinez, der
ihn 1625 in Neapel besuchte^).
Somit wäre auch ein längerer Aufenthalt in Rom für Ribera
gesichert.
Ein festes Datum tritt uns zum erstenmal mit dem Jahr 161 6
entgegen. Im September 161 6 verheiratet er sich nämlich in
Neapel mit Catarina Azzolino, der Tochter des Malers Gio. Bernar-
dino Azzolino^). Riberas Schwiegervater war ein Maler von gutem
Ruf, wie die Angabe „Gio. Bern,. AzzoHno Siciliano e pittore fa-
moso" beweist^). Eine junge Gattin hatte der Künstler heimgeführt,
noch nicht 16 Jahre war sie alt. Am 28. Dezember 1600 war,
Stefana Catherina figlia legit. de Gio. Bellardino de Ragana Azzolino
e de Antonia d'India" getauft worden*).
In diesem Jahre kam auch Riberas erster Gönner nach Neapel :
der Herzog von Osuna, der als Vizekönig von Neapel 161 6 die
Regierung übernahm.
Ihm soll, der bekannten Anekdote zufolge, der Maler sein
ganzes Glück verdanken. Durch die Ausstellung eines Bildes, die
Bartholomäusmarter darstellend, auf dem sich Ribera als espafiol
bezeichnet hatte, sei die Aufmerksamkeit des Vizekönigs auf ihn
gelenkt worden. Osuna habe das Bild erworben und den Künstler
zum Hofmaler gemacht. Zu beachten ist jedoch, daß die Gattin
') Jusepe Martinez, Discursos practicables. S. 35. — ^) vgl. Salazar, La famiglia
dello Spagnoletto. Nap. Nob. III., 97 ff. und Faraglia im Arch. Stör, per le prov. Nap.
XVII., 677. — =) Nap. Nob. IL, 4. — ■") Nap. Nob. XUI., 20.
des Herzogs, Catherina, dem Haus Ribera entstammte^) und der
Admiral der Neapolitaner Flotte gleichfalls den Namen Ribera
führte. Es mag wohl eher hohe Protektion, vielleicht auch Familien-
rücksichten, dem jungen Künstler sein Amt verschafft haben.
Sicher ist, daß sich seit jener Zeit Ribera ständig in Neapel
befindet und mit Aufträgen reich bedacht eine hohe, vielbeneidete
Stellung einnimmt.
1623 wird er als Trauzeuge erwähnt.-) Am 18. Januar 1627
die Taufe seines ersten Sohnes Antonio Simone, am 6. Mai 1629
und 28. Februar 1630 Taufpate, am 22. April 1630 Taufe seiner
ältesten Tochter Margarita. Am 2. Mai 1631 wird ihm eine Tochter
Anna, am 2. Mai 1634 ein Sohn Francesco Antonio Andrea und
am 4. Oktober 1636 eine Tochter Maria Francesca geboren^).
1626 enieimt ihn die Accademia von S. Lucca in Rom zu
ihrem Mitglied. Ein Jahr vorher empfing er den Besuch seines
Landsmannes Martinez, drei Jahre später den. seines berühmtesten
Kollegen, des Velasquez.
Die Gunst, die ihm Osuna zugewandt, verlor er auch unter
dessen Nachfolgern Alba, Alcalä, Monterey, Medina de las Torres
nicht. Dem Principe Philiberto widmete er 1624 eine Reihe seiner
besten Radierungen.
Vornehmlich war er aber für den Grafen Monterey (1631 — 1636)
tätig, dem wir vor allem die herrliche Concepcion von 1635 in dem
Augustinerkloster in Salamanca, einer Stiftung des Grafen, zu ver-
danken haben.
Von 1637 an ist der Künstler andauernd mit der Ausführung
großer Aufträge für die Kirche der Karthäuser von S. Martino über
Neapel beschäftigt.
Die letzten Lebensjahre des Meisters sind durch Krankheit
getrübt. Wir hören davon in dem Bericht über die sich verzögernde
Fertigstellung des großen Gemäldes der Apostelkommunion für S.
Martino*). Namentlich in den Jahren 1647 — 1649 ist er künst-
lerisch werüg tätig. Nicht ohne Einfluß mag dabei der Masa-
niellosche Aufstand (ausgebrochen am 3. April 1647) geblieben
*) Gregorio Leti, Vita di Don Pietro Giron Duca D'Osuna. Amsterdamo 1699.
ni., 223. — «) Nap. Nob. IV., 187. — 8) Nap. Nob. III., 98. — *) siehe Excurs UI.
'7
sein, der jedenfalls dem Hofmaler wenig Aufträge und noch weniger
Ruhe brachte.
Die materielle Not bleibt nicht aus. Am 20. Juni 165 1 bittet
der alte Mann den Prior von S. Martino um Geld „il peso della
casa e grande consideri il bisogno" M. Die 50 Dukaten, die er
daraufhin erhielt, genügten ihm nicht und am 23. Juni fordert
er einen weiteren Vorschlaft. Ein Brief vom 6. September 1651
sei hier wiedergegeben-).
Molto Revdo Padrc
Haviso a V. P. R. come aycre al tardi me ariivo la nova della niorte del Caro
genero Gio leonardo sersale. Tanto vero servitore di V. P. R. la supplico mi
socorra con cento ducati perche ho da fare molti lutti e me mancano, et sono cose
che non cercano dilazione e percio la prego a farmi questo favore con ogni brevita
et mi Consideri del modo che posso estare, per tanto rai favorisca escusarmi del
travaglio, et nostro Signore sia quello che li conceda molti anni de Vita de Casa
hoggi a 6 de settembre 1651. Servo de Vra Ra quc le basa le manc
Jusepe de Ribera.
In der letzten Zeit wohnte der Künstler nicht mehr beim
Palazzo Ducale, sondern draußen am Posilipp.^) Diese Eitasamkeit,
verbunden mit der geringen Produktivität des Meisters in den
letzten Jahren war daran schuld, daß einige ihn am Schluß seines
Lebens für verschollen erklärten und von allen ein falsches Todes-
jahr angegeben wurde.
Nach der von Salazar aus dem Totenbuch der Kirche S. Maria
della Neve (heute S. Giuseppe) mitgeteilten Urkunde starb Ribera
am 2. September 1652.*)
„An di 2 settembre mori il sr.
Gioseppe Rivera e fu sepolto a Mergoglino." .
Auch im letzten Dezennium seines Lebens hatte es ihm nicht
an Ehrungen gefehlt. 1644 verlieh ihm der Papst die hohe Aus-
zeichnung des habito di Christo. Nach Palomino soll Velasquez ihn
auch auf seiner zweiten italienischen Reise 1649 besucht haben.'')
Ob Sandrart Ribera selbst gesprochen hat, wie Justi meint*''),
scheint mir nicht so sicher zu sein.
') Faraglia, Arch. Stör. XVII, 673. — -) ebenda. — '■') Am 17. Dez. 1651 fand
eine Tanfe in seinem Haus bei S. Maria degli angeli statt. — *) Nap. Nob. V., 29 — 31. —
') Palomino, Museo Pictorico. IH., 311. — ^) Justi. Velasquez und sein Jahrhundert.
I, 321-
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto). 2
iS
Sandrart berichtet in seiner „Akademie" von Bildern Riberas, die
er in Neapel bei Romer gesehen hatte, und fährt dann fort : ^)
„Jetzt beschriebene höfliche da Ribera begleitet mich zugleich
an den Cavalier de Massimi, weil in seiner löblichen Hand bey vor-
genannten de Romer wie auch anderwärts viel gesehen dieselbe
wohlbedachtsame betrachtet und befunden, daß alle seine Ge-
danken und Werke des erkannten Ribera Studien ganz contrari
gewesen, indem . . ."
Das „Begleiten" ist doch wohl nur bildlich gemeint.
Ribera hatte keine Sehnsucht in seine Heimat zurückzukehren.
Er meinte Martinez gegenüber: daß „Quien estä bien no se mueva".
Er glaubte auch, daß der Prophet in seinem Vaterland nichts gilt
„ — y asi juzgo que Espana es madre piadosa de forasteros y cru-
elisima madrastra de los proprios naturales.'*)"
Daß sich bei der angesehenen Stellung, die Ribera einnahm,
Neider genug einstellten, kann uns nicht wundern. Alle Schlechtig-
keiten wurden dem Spanier, diesem Eindringling, angedichtet : Hoch-
mut, Habsucht, Strebertum, das auch vor Gift nicht zurückscheut,
um seine ehrgeizigen Pläne erfüllen zu körmen. So zeigt ihn uns
vor allem Dominici, der die Verführung der ältesten Tochter des
Malers als gerechte Strafe für all seine Freveltaten hinzustellen
Bucht.
Diese Verführungsgeschichte! Sie erschien den meisten Bio-
graphen interessanter als der ganze Künstler.
Und dabei ist^ so wie sie erzählt wird, kein Wort wahr davon.
Hören wir: Zur Unterdrückung des Masanielloauf Standes war 1Ö48
') Joachim von Sandrart, Teutsche Akademie. 1675. IL Teil, II. Buch, XIX. Cap., 191. —
^) Juscpc Martinez, Discursos practicables. S. 34. Entre varios discursos pase ä preguntarle,
de cömo viendose tan aplaudido de todas las naciones, no trataba de venirse ä Espana,
pues tenia por cierto eran vistas sus obras con toda veneracion. Respondiorae : „Amigo
carisimo, de mi volundad es la instancia grande, pero de parte de la experiencia de muchas
personas bien entendidas y verdaderas hallo el impedimento, que es, ser el primer ano
recibido por gran pintor; al segundo ano no hacerse caso de mi, porque viendo presente
la persona se le pierde el respeto; y lo confirma esto, el constarme haber visto algunas
obras de excelentes maestros de esos reinos de Espana ser muy poco estimadas; y asi
juzgo etc. Vo me hallo en esta ciudad y reino muy admitido y estimado. y pagadas
mis obras ä toda satisfaccion mia y asi seguire el adagio comun como verdadero: Quien
estä bien no se mueva."
19
der 19jährige D. Juan de Austria II. nach Neapel gekommen. Er
verkehrte in der Familie des Malers, der ihn auch in einer Ra-
dierung verewigte. Dies ist der historische Untergrund.
Nun habe sich der Prinz in des Malers älteste Tochter Maria
Rosa verliebt, sie verführt und später nach Sizilien gebracht, von
wo sie nach Neapel zurückgekehrt sei und sich verheiratet habe.
Die Frucht ihres Liebesbundes mit dem Prinzen sei eine Tochter
gewesen, die im Alter von 6 Jahren in das vornehme Madrider
Kloster S. Isabella gesteckt worden und dort ßöjährig 1686 gestorben
sei. Ihr Name wird als Sor Margarita de la Cruz y Austria an-
gegeben.i) Früher zeigte man auch ihr Porträt im Kloster, das
ich jedoch nicht zu Gesicht bekommen konnte.
Daß eine Sor Margarita 1656 in das Kloster aufgenommen
wurde, die 1686 starb, steht fest, ebenso daß dieses Mädchen die
Tochter Don Juans und einer Tochter Riberas war. Hauptzeugnis
dafür ist die Stelle in den Memoiren des Beichtvaters der Königin
Marianne von Österreich, des Jesuitenpaters Nithard, wo er von
dem lockeren Leben des jungen Prinzen in Neapel spricht und fort-
fährt : ,,ein lebendiges Zeugnis dafür existiert heute im Kloster
der Descalzas zu Madrid unter dem Titel ,Excellentissima Senora'
und ihre Mutter ist die Tochter des berühmten Malers Joseph de
Ribera". Der Pater hatte seinerzeit für die Aufnahme der Tochter
ins Kloster gesorgt .und den Dank Don Juans dafür erhalten.^)
Welche Tochter das Opfer des Prinzen war, ist uns nicht näher
bekannt. Maria Rosa, wie die Verführte gewöhnlich genannt wird,
hieß überhaupt keines der Kinder Riberas. Man darf aber mit
ziemlicher Sicherheit sagen, daß es die zweite Tochter des Künst-
lers war. Die älteste, Margarita (geb. 14. IV. 1630) war wahr-
scheinlich mit Leonardo Sersale vermählt, der zwischen 23. Juni
und 6. September 1651 starb, die jüngste, Maria Francesca war
1648 erst 12 Jahre alt,'^) bleibt also die 1631 geborene Anna.
1) Vgl. Nap. Nob. II, 31; Nap. Nob. III. Gius. Ceci: La figlia dello Spagnoletto.
S. 65 — 67 ; ferner Alcahali, Diccionario biografico. S. 272. — *) zuerst mitgeteilt von
P. Lefort. Gaz. d. Beaux-Arts 18S2. I, 42, 43. — ^) Nicht ganz verständlich ist die
in Nap. Nob. II, 31 mitgeteilte Notiz aus den Giornali di Innocenzo Fuidoro. „28. Marzo
1667. Questa matüna ha preso possesso della R. Camera di Presidenet Idiota Don . . .
In direktem Gegensatz zu Dominicis Behauptung von Riberas
Hochmut steht der Ausspruch eines Karthäusers von S. Martino,
der von Ribera sagte^) : ,,che era stato persona pia de rehgiosi et
con chiese procedeva con moha amorevolezza e senza tiratura."
2.
„Lo Spagnoletto" nannte man ihn, den kleinen Spanier. Seine
Züge sind uns erhalten, wenn auch nur in einer alten Kopie nach
einem Selbstporträt. Dieses Bild, das in der Malergalerie der Uffi-
zien hängt, gilt dort als Original, ist jedoch nur eine maßlos ge-
dunkelte Kopie, nicht einmal in Riberascher Technik'-).
So wie uns der Maler hier entgegentritt, mag er um 1626
ausgeschaut haben. Lange dunkle Locken fallen ihm bis auf die
Schultern herab, die Oberlippe bedeckt ein kurzer dichter schwarzer
Schnurrbart, die Nase ist kräftig, der Mund voll, sinnlich. Der
Blick der großen dunklen Augen ist ernst, nachdenklich, fast melan-
cholisch^). Die Kleidung höchst einfach : dunkler Rock mit weißem
Halskragen.
3-
Ribera war bei dem tenebroso Ribalta in die Lehre gegangen.
Da kam er nach Italien und sah die lichten, schimmernden Werke
eines Correggio, eines Veronese. Nichts düsteres fand er da in
der Färbung, und von diesem Eindruck überwältigt beschloß er,
diesen Meistern nicht nur wie sein Lehrer die Äußerlichkeiten,
vor allem die Verkürzungen, abzusehen, sondern vollkommen in
ihren Bahnen zu wandeln, ein Prophet des Lichts zu werden. Doch
rang er noch lange. Bis in die Mitte der dreißiger Jahre dauert
der Kampf; erst mit der Concepcion von Salamanca (1635) ^^^ ^^
den Tenebrosostil vollkommen überwunden.
Jener Cruzifixus, in der Colegiata von Osuna, zwischen 161 6
Morgano giovane di diciottanni circa per haverci pigliata per moglie la Ribera colla sorella
della quäle D. Giovanni d'Astria (sie!) fece una figliuola." Als Braut des 1 8 jährigen
könnte nur die jüngste Tochter Maria Francesca in Betracht kommen, die aber bereits
3 1 Jahre alt war. Es wird auch hier wieder eine Verwechslung sein, die bei der Häufig-
keit des Namens Ribera leicht erklärlich ist. •) Faraglia, Archiv, stör, per le prov. Nap.
XVIl, 675. — ') Ein Selbstporträt in .\lton Tower von Waagen gelobt. (Kunstwerke II.,
463.) — ') Gestochen von P. Anton Pazzi. Auf dem Stich Ribera als ,,Pittore c Intagli-
atore in Rame" bezeichnet das Bild für den Porträt-stich in den ,,Espanoles Ilustres" be-
nutzt, der hier als Titelblatt wiedergegeben ist.
und 1620 für den Vizekönig gemalt, zeigt mannigfache venezianische
Erinnerungen ; die Ignaziusgeschichten in S. Gesü zu Neapel aus
derselben Zeit und die Ekstase der hl. Magdalena von 1626 (Madrid
Academia S. Fernando), vor allem aber der ,,Silen" aus dem
gleichen Jahr (Museum Neapel) lassen deutlich das Streben nach
Licht erkennen.
Und wie in der Malerei, so auch bei der Radierung, die Ribera
gerade in jener Epoche außerordentlich pflegte, ja, in der er, wie
die Blätter „Der reuige Petrus" (B. 7), „Der Hl. Hieronymus die
Posaune vernehmend" (B. 4, 5), „Der Hl. Hieronymus in der Wüste
studierend" (B. 3), ,,Die Bartholomäusmarter" (B. 6) — alle aus
der ersten Hälfte der zwanziger Jahre — zeigen, damals weit mehr
noch Meister war als in der Malerei. Das Hauptblatt aber auch
hier der „Silen" von 1628 (B. 13).
Den Werken der Frühzeit gemeinsam ist das übermäßig starke
Betonen des Charakteristischen. Der Künstler will nicht nur durch
die Behandlung des Stoffes, sondern vor allem durch die Wahl
der Modelle interessant erscheinen. (Studienköpfe, bald Apostel,
bald Philosophen genannt, Porträt der bärtigen Maddalena Ven-
tura, Madrid Duque de Lerma 1631, das des blinden Gambazo,
Prado 1632.)
Man hat mitunter das Gefühl, als ob Ribera nicht allein über-
raschen, sondern verblüffen, ja selbst erschrecken möchte; es liegt
ihm noch viel am ersten Eindruck (Hieronymus B. 4, 5., die Ge-
mälde gleichen Inhalts in Petersburg 1626 und Rom bei Principe
Doria 1629).
Der gesteigerten Physis seiner Helden entspricht nicht immer
eine erhöhte Psyche ; nur muß alles in Aufregimg sein : plötzliche,
auffahrende Bewegungen, flackerndes, zerrissenes Licht.
Eine Vereinigung von religiöser Begeisterung und Freude an
Henkerszenen zeigt die radierte Bartholomäusmarter (B. 6) ,und
die Andreasmarter (Budapest) von 1628.
Aber auch das spanische Verständnis für das Transcendentale
offenbart sich schon, vor allem in der Ekstase der Magdalena von
1626 (Madrid, Ac. S. Fernando).
Nicht ein ,, Zugeständnis an den Modegeschmack" ist Riberas
Jugendstil, sondern ihn bestimmt ernstestes, künstlerisches Ringen.
Mit der Concepcion in Salamanca von 1635 erlangt er dann
endlich die volle künstlerische Freiheit. Der Meister ist sich dessen,
wohl bewußt, ein äußerst reger Schaffensdrang beseelt ihn nun.
Die Jahre 1636 bis 1642 sind die fruchtbarsten seines Lebens.
Der gereifte Mann wnrd ruhiger, er kommt vom Modell los und
steuert auf einen Monumentalstil zu: Petrus und Paulus (1637,
Vitoria), Zyklus der Propheten, Moses und Elias (S. Martino Neapel
1638 folg.), vor allem aber die Pietä (ebenda 1637), das tiefste
Werk aus dieser Glanzperiode.
Das schwere, röthche Inkarnat der ersten Periode schwindet
nach und nach völlig, die Körper erhalten ein bernsteinfarbenes
Leuchten, bei durchscheinendem Licht einen hellrötlichen Schim-
mer. In der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre macht sich eine
gewisse Freude am Silbergrau bemerkbar, so in der Concepcion
(Salamanca), bei dem Januarius (ebenda), dem Antonius mit Jesus-
knaben (Madrid Accademie 1636 und Escorial 1640). Er steht
damit nicht allein da, die dreißiger Jahre bedeuten überhaupt den
höchsten Triumph des Silbergrau : Hals, van Dyck, von diesem;
beeinflußt Rubens, Velasquez, Reni haben ihm gehuldigt.
Riberas Freude am Lichten, Hellen, Strahlenden offenbaren
neben der Salamancaer Concepcion vor allem seine „Heilige Fami-
lien" (Toledo 1639, Cordoba), ferner „Venus und Adonis" (Rom,
Museo Nazionale, 1637), „Apoll und Marsyas" (Neapel, Museum,
1 637). Den Gipfel aber erreicht er in seiner „Hl. Agnes" (Dresden, 1 64 1 ).
Wie kühn der Meister werden kann, lehrt der „Gnadenstuhl
in den Wolken" (Prado), ein Bild, dessen Struktur keine Linien,
sondern Licht- und Schattenmassen bilden.
Hervorragende Werke der vertiefenden Charakteristik sind
namentlich der „Segen Isaaks" (Prado, 1637) und die „Hirten-
anbetung" der Valencianer Seo (1643), das beste Hirtenstück des
Meisters.
Was Einzelköpfe anlangt, so zeigen in erster Linie die Hiero-
nymusbilder (Murcia, Mailand, Prado) von Jahr zu Jahr eine immer
größere Durchgeistigung.
23
Den vorzüglichen Erzähler, der über eine ungemein plastische
Anschaulichkeit verfügt, lernen wir besonders schätzen bei den
Werken „Venus und Adonis", „Isaaksegen" und nicht zuletzt in
den Wunderbildem, die eine immer überzeugendere Kraft erhalten :
„Antonius, dem der Bambino erscheint" (Madrid, Academie, Esco-
rial), „Befreiung Petri" (Escorial, Prado), die ,,H1. Agnes" (Dres-
den). Und fragt man nach dem Grund, warum dies alles so packend,
so wirklich als Wunder wirkt, so ist es auch hier wieder die sieg-
reiche Macht des Lichtes : das Wunder ist gar nichts weiter als
der plötzliche Eintritt des Lichtes, dessen Träger, dessen Verkör-
perung nur der Bambino, der Engel ist.
Damit ist aber Riberas Entwicklung noch keineswegs abge-
schlossen. Der alternde Meister wagt sich an die Lösung kühnster,
modernster Probleme. Hell in hell will er malen, Freilicht.
Es ist dies ein Werdegang, der unwillkürlich an den eines
Rubens erinnert. Auch dieser hatte als tenebroso angefangen (hatte
er doch Carravaggio auf sich wirken lassen!), in den ersten Jahren
schwer rötliche Töne gezeigt, dann aber ganz den gleichen Weg
wie unser Maler beschritten.
Auch diese letzte Epoche läutet eine ,,Concepcion" ein: die
von S. Isabella in Madrid aus dem Jahre 1646. Eine nicht völlig
geglückte Lösung des Problems.
Wenn ich aber Rubens zum Vergleich heranzog, so dachte
ich vor allem an die „Errettung des Hl. Januarius aus dem Feuer-
ofen" (Neapel, Dom Cap. del Tesoro, 1646), wo die Flammen, die
feurig aus dem Ofen herausschlagen, zu keinerlei Effekt benutzt,
sondern — • gleich den Flammen der brennenden Stadt auf Rubens
Bethlehemitischem Kindermord (München) — nur ein Licht im
hellen, lachenden Tageslicht sind. Und ein gleiches finden wir
bei „Jacobs Traum von der Himmelsleiter" (Prado, 1648), wo dem
Erzvater das schöne Traumgesicht am hellen Mittag erscheint.
Wie vollkommen Ribera Herr des Plein air geworden ist, zeigt
der im flimmernden Sonnenlichte dahingalloppierende D. Juan de
Austria IL (Radierung von 1648) und der „Klumpfuß" (Louvre,
1652).
Wie duftig der Maler in seiner Technik wird, lehrt der „Eremit
24
Paulus" (Prado, 1649) und der „Klumpfuß", wie pastos, der hl.
Hieronymus (Prado Nr. 996, 1652). Der männliche Akt ist in
dem Paulus von 1649 und dem Sebastian (Neapel, Museum, 1651)
unübertrefflich wiedergegeben. Die Stofflichkeit am vorzüglichsten
in dem großen Hirtenbild des Louvre von 1650.
Wird man bei der Entwicklung des Malers Ribera an Rubens
erinnert, so gemahnt der Gang des Charakteristikers Ribera stark
an den Rejnbrandts. Auch er geht von den leidenschaftlichen,
mitunter aufdringlich wirkenden Gestikulationen seiner Aktoren
aus, auch er findet im Anfang sein Gefallen am derb Charakteristi-
schen bis zum fast pervers Häßlichen. Dann kommt der Aufschwung
in den Jahren der mittleren Reife, bis wir am Schluß einen Künst-
ler vor uns sehen, der seine Helden ganz gestillt, ruhig, durch-
geistigt wiedergibt. Die Augen seiner Heiligen leuchten nun im
stillen Feuer, die Leidenschaft bricht nicht mehr roh hervor, sie
ist verhalten.
Welch ein Unterschied zwischen dem auffahrenden Hierony-
mus von 1621, ja selbst noch dem von 1644 und dem meditierenderij
(Neapel, Museum, 1651), ganz zu geschweigen von dem heiligen,
Greis im Prado Nr. 996 (1652). Wie anders der majestätische
königliche Fischer-Apostel Andreas (Prado, 1641) gegenüber dem
aufblickenden Modell aus dem Anfang der dreißiger Jahre Dres-
den, Prado).
Doch alles wird zusammengefaßt in der Krone der Riberaschen
Werke: der nach langer Arbeit 1651 vollendeten „Communion der
Apostel" (S. Martino). Der Lichtmaler, der Kompositionskünstler,
der Charakteristiker ist hier am besten zu studieren, seine Auf-
fassung von Ideal-, von Monumentalkunst hier am reinsten zu
erkennen.
Lo Spagnoletto. Ja, er war Spanier geblieben. Hatte er auch
Venedig und Parma auf sich wirken lassen, dankt er auch seine
große Kompositionskunst den alten italienischen Meistern, der Geist,
der durch alle seine Werke weht, das tiefe religiöse Pathos ist
echt spanisch, valencianisch. Darin vor allem bleibt er Zeit seines
Lebens Schüler des Ribalta, der auch den Sinn für klare, sorgfältige
Zeichnung in ihm erweckt hat.
Lo Spagnoletto. Kein anderer seiner Landsleute aus der Luc-
casgilde darf wie er den Anspruch erheben, als „der Spanier"
zu gelten. Keiner besitzt wie er jene Verbindung von derbstem
Naturalismus und blühendster Mystik.
Velasquez, der nüchternste aller Spanier, wurzelt ganz im Irdi-
schen (es so hoch geadelt zu haben wie kein zweiter, ist sein un-
sterbliches Verdienst). Ihm hat sich nicht der glänzende spanisch-
katholische Wunderhimmel erschlossen wie Ribera, der sich darin
ebenso vertraut fühlte wie unter den katilinarischen Existenzen
des Neapolitaner Hafenviertels.
Auf seinen Schultern steht Murillo, der gemütvolle Meister
aus der sonnigen Baetica. Alles Strenge ist bei ihm geschwvin-
den. Er versüßte die herbe Kost eines Montafiez, eines Ribera
und nahm damit den Werken nicht nur den hohen Ernst, sondern
auch jegliche Größe.
Ribera gleicht aber Rubens abgesehen von der malerischen
Entwicklung auch in seinem Verdienst um das religiöse Leben
seiner Zeit, indem er im Süden die nämliche Mission erfüllte wie
der große Flame im Norden : die Förderung des katholischen Glau-
bens, die Aneiferung lässig gewordener Gläubigen. Auch er war
ein miles christianus, ein reisiger Kämpe im Feldzug der Gegen-
reformation.
II. FRANCISCO RIBALTA.
Die großen Handels- und Hafenplätze des Mittelmeers, vor
allem Genua, Neapel, Valencia entbehrten lange einer eigenartigen
einheimischen Kunst. Die Niederlande versorgten die Häuser der
reichen Kaufleute und die Kirchen mit Gemälden, die den Handels-
herrn vor allem wegen ihrer Ausführlichkeit, wegen all des Klein-
krams, den man so zierlich und sorgfältig gemalt auf jenen Bildern
fand, nicht wenig behagten.
Als dann im XVI. Jahrhundert endlich in diesen Plätzen eine
wirklich bodenständige Kunst aufblüht, zeigt sich allerorten die
stärkste Reaktion. Gerade diese Städte sind die Heimat der brei-
ten, pastosen Malerei, die nur das Große sieht.
26
Die Gefahr, bei dieser Breitmalerei die feste Zeichnung zu
verlieren, liegt nahe, und die Schulen von Genua und Neapel sind
ihr auch nicht entgangen. In Valencia stand es damit besser.
Nicht zum geringsten Teil mag es daher kommen, daß der erste
Meister der neuen Richtung, Francisco Ribalta, die Werke eines
Raffael und Sebastiano del Piombo gründlich studiert hatte. Aber
dies war auch das einzige, was die Italiener mit Ausnahme von
Correggio, dem Ribalta manche Typen und die Verkürzungen ab-
sah, dem Valencianer Meister gegeben hatten.
In ihre Eigenart wollte der auf Individualität abzielende Maler
nicht weiter eindringen, ja es war ihm, dem Spanier, auch nicht möglich.
Das, wonach er strebte, war die konsequente Helldunkelmalerei ;
und diese Absicht, ein Maler von starker Eigenart sein zu wollen,
macht ihn zum Begründer der neueren Valencianer Schule, ebenso
wie die glatte, saubere, etwas süßliche und unselbständige, frei-
lich stets wohlgemeinte Manier des Juanes uns das Recht gibt,
diesen den letzten Meister der alten Valencianer Schule nennen
zu dürfen.
Geboren wurde Francisco Ribalta 1551 oder 1555 in Castellon
de la Plana, einem kleinen Städtchen nördlich von Valencia.^)
Er studierte zunächst in Valencia bei Juanes, wie die „Klage um
den Leichnam Christi" in S. Andres zu Valencia (etwas geringere
Wiederholung im Prado 946) beweist. Er ging dann nach Italien,
studierte die Werke Raffaels, Sebastianos del Piombos und Cor-
reggios. Castellon, Valencia, Algemesi, Carcagente und Madrid
waren die Hauptstätten seiner Tätigkeit. 1628 starb er in Valencia,
im gleichen Jahre auch sein talentierter frühreifer Sohn Juan, der
1599, also im Geburtsjahr des Velasquez, zur Welt gekommen war. 2)
Wie schon Justi bemerkte^) ist Francisco Ribalta der erste
konsequente Chiaroscurist in Spanien. Dies kündet sich bereits in
der Kopie von Raffaels Transfiguration an (Valencia Mus.), wo
noch mehr als im Original alles Licht von Christus auszugehen
scheint und ebenso die untere Gruppe noch dunkeler gehalten ist.
^) 1651 wurde ein Francisco R., Sohn eines Francisco R., geboren, 1655 ein
Francisco, Sohn eines Pedro R. — ') vergleiche den Abschnitt in Alcahalis Diccionario
S. 25s ff. — «) Baedekers Spanien S. LXXXII.
27
Dasselbe macht sich auch in den Kopien nach Sebastiane del
Piombo geltend: „Kreuztragung", „Christi Höllenfahrt" (Valencia
Museo provincial).
Vor allem aber offenbart sich der Helldunkelmaler in dem
großen Altarwerk im Dominikanerinnenkloster von Carcagente.
Bei Correggio hatten mehr die Äußerlichkeiten, die starken
Verkürzungen namentlich, Eindruck auf ihn gemacht. Doch wäh-
rend Correggio nach dem Heiteren, Lichten strebte, ist der Valen-
cianer schwermütig, dunkel; seine Engel sind ohne Correggio nicht
denkbar, aber viel derber; die Karnation, bei Correggio von so
unerreichter Frische und Sinnlichkeit, hier schwer rötlich.
Neben Corregio auch an die Venezianer gemahnt das Bild
„Christus dem hl. Vincenz Ferrer erscheinend" (Valencia, Kirche
des Colegio del Patriarca, miserabel beleuchtet in einer Kapelle
links). Christus vor allem — in erdbeerrot und blau gekleidet —
wirkt ganz venezianisch.
Der Engel, der vorn rechts knieend mit gefalteten Händen
etwas aus ,dem Bild herausschielt, in gelbem Rock mit blauem
Band, ist einer seiner anmutigsten. Sehr schön auch die sanfte
Bewegung Christi auf den Heiligen zu, der im Begriff ist, vor dem
hohen unerwarteten Besuch auf die Kniee zu sinken.
Noch mehr wird man bei , .Christus in Gethsemane" (Valencia
Colegio del Patriarca, Capilla de la Purissima Concepcion) an Cor-
reggio erinnert.
Der links oben erscheinende goldlockige Engel, in blau und
gelb gekleidet, ist die vollkommenste spanische Umbildung des
Correggioschen Typus. Wir werden ihn bei Ribera wiederfinden.
Eigenartig Christus, leider nur in der Haltung, ob wirklich
knieend oder sitzend, nicht klar genug. Mit verschränkten Händen
blickt er ergebungsvoll zu dem Engel, der mit den Leidenswerk-
zeugen erscheint. Christi Oberrock hat einen tiefen, keilförmigen Ein-
schnitt, der Hals und einen Teil der Brust freiläßt. Von eigenem Reiz
die fließenden Falten, merkwürdig die Färbung des Rockes, ein
helles Rot, von dem sich nur das Dunkelrot der Schärpe tief-
leuchtend abhebt. Unverkennbar, daß Ribalta bei dem Christus-
28
köpf einen idealen Typus angestrebt hat. Ganz erreicht hat er
sein Ziel hier ebensowenig wie in der noch zu erwähnenden Cena.
Das Mittelbild dieses AUarwerkes stellt eine Grablegung dar. Ein
Nachtstück. Für den Chiaroscuristen eigentlich selbstverständlich.
Das Bild ist so schlecht wie nur möglich beleuchtet, seine Schön-
heiten sind fast mehr zu erraten als zu sehen. Auch dieses Werk
ist nicht ohne Einfluß auf die Beweinungsbilder Riberas geblieben.
Den linken Flügel bildet ein Schmerzensmann mit sehr edlem
Haupt (Kopie in der Kathedrale). Die Unterarme verschwinden : die
Hände sind auf dem Rücken zusammengebunden. Ebenso sind die
Füße gefesselt. Die von vorn gesehene, ganz leise nach der Seite
geneigte Gestalt macht einen tiefen Eindruck.
Ribaltas Streben nach ,, starker Plastik der Figuren mittels
einseitiger Beleuchtung" wird von keinem seiner Werke besser be-
wiesen als von diesem.
Am meisten weckt aber der große Hochaltar der Pfarrkirche von
Algemesi, auf dem Ribalta in zahlreichen Gemälden Szenen aus dem
Leben Santiagos und aus der Passionsgeschichte darstellte, die Er-
innerung an Correggio ; in erster Linie das große ßild : „Die
Erscheinung des Heiligen im Krieg mit den Mauren." Auf
mächtigem Schimmel scheint der heilige Ritter schräg aus dem
Bild herauszusprengen. Die kühnen Verkürzungen sind ganz
Correggio abgesehen; mehr aber noch der Kopf des Glaubensstrei-
ters mit seinen langen dunklen Locken, seinem dunkelblonden Bart,
ein Kopf von höchster sinnlicher Schönheit.
Ribalta war ein Günstling des damaligen Valencianer Erz-
bischofs Juan de Ribera. Für diesen, der den Kultus des
Sakraments besonders förderte, malte er auch das Bild des Hoch-
altars in der Kirche des Colegio del Patriarca (einer Stiftung eben
dieses Erzbischofs), die Cena. Sein Meisterwerk; ungefähr 1605
entstanden ; bedeutend nicht nur durch das konsequent durchge-
führte Helldunkel, sondern vor allem durch die Zentralkomposition.
Mittelpunkt ist der Calix, der auf dem runden, weißgedeckten Tische
steht. Die Jünger knieen eng zusammengedrängt um die Tafel
herum, in der Mitte hinten sitzt mit dem Haupt die anderen über-
ragend Christus. Das Licht, von links einfallend und starke Schatten
werfend, ist fast ganz auf ihn gesammelt, auf ihn fällt, trotzdem er
am weitesten entfernt ist, unser erster Blick. Gen Himmel schauend
hält er wagrecht in seiner Linken die Hostie, während die Rechte
in Sprechgebärde erhoben ist.
Der dritte von Christus rechts (v. Beschauer) auf den der
hl. Andreas deutet, ein in gelb gekleideter Greis mit weißem Bart
und gebogener Nase ist Ribaltas Schutzherr, der Erzbischof, in
eigener Person. Er ist nächst Christus am hellsten beleuchtet.
Die beiden Vordergrundsfiguren Petrus und Judas sind die
einzigen vollkommen sichtbaren Gestalten. Rechts Judas knieend
in braunem Rock und rotem eigenartig drapiertem Mantel, den Be-
schauer mit seinen glühenden dunklen Augen anblickend, mit langem
schwarzen krausen Haar und Bart : ein Künstlerkopf. Bei Petrus
bricht des Malers Naturalismus durch : er läßt uns die mit großer
Liebe gemalten Fußsohlen des Apostels sehen.
Sind auch die übrigen Apostel im Ausdruck nicht übermäßig
unterschieden, so macht das Bild doch einen sehr starken, feier-
lichen und erhabenen Eindruck. i)
Eine äußerst auffallende Verwandtschaft mit diesem Gemälde
besitzt das viel später (ca. 1630 — 32) entstandene Abendmahl von
Rubens in der Brera. Wenn man bedenkt, daß Rubens 1628 in
Spanien war, so kann man sich nicht des Gedankens erwehren,
daß Rubens das Bild damals gesehen hat. (Eine Kopie soll sich
nach Bermudez in Madrid befunden haben.) Auf jeden Fall steht
Rubens in der Cena Ribalta viel näher als Tizian, mit dessen Ge-
mälde zu Urbino das Mailänder Bild früher in Zusammenhang ge-
bracht wurde.
Einen Vorläufer hat Ribaltas Abendmahl in dem viel kleineren
Bild des Valencianer Museums, das uns vor allem den Maler
Ribalta bewundern läßt. Namentlich das Rot des Rockes Christi
ist von unerhörter Leuchtkraft. Vieles ist hier noch unausgeglichen :
Aufdringlich, wie Christus mit der einen Hand die Hostie hoch-
hält und mit der anderen auf den Calix weist, wie sich der in
blau gekleidete Apostel vorn weit aus dem Bild herauswendet,
die Rechte nach uns, die Linke nach hinten gegen Christus ausstreckt
') Leider hat das Bild durch mehrfache Restaurationen gelitten.
30
Sehr fein malerisch abgestimmt ist die kleine Marienkrönung,
ebenfalls im Valencianer Museum. Die Madonna in weißem mit
goldnen Sternen gemusterten, rotgefüttertem Obergewand und
grünem Unterkleid, auf einer Kugel emporschwebend, ist dem
Künstler trefflich gelungen. Wie in der Cena auf Christus, so
ist hier alles Licht auf die Himmelskönigin gesammelt. Die Engel
scheinen zum Teil von Riberas Sohn Juan gemalt zu sein, da
sie eine andere, weit pastosere Manier zeigen. Eigenartig die röt-
lich grünliche Glorie, die sich auch sonst (Christus in der großen
Cena, Johannes der Täufer) wiederfindet.
Das Bildchen ist eines der entzückendsten Werke der ganzen
Valencianer Malerei.
Höchst abgeklärt ist das verhältnismäßig kleine Gemälde der
,,Glorification des Hl. Bruno", früher in der Kapelle des Heiligen in
der Cartuja von Valdecristo, jetzt im Instituto Provincial in Castellon
de la Plana. Es ist neben der Cena die beste Leistung Ribaltas.
Der hl. Bruno — ungefähr in halber Lebensgröße — steht in
der Mitte, in der gesenkten Rechten einen Palmzweig, ein Buch
in der erhobenen Linken haltend. Zu seinen Seiten hinter ihm
zwei Bischöfe. Links von dieser Gruppe ein Bischof und ein Mönch,
rechts ein weiterer Bischof. Links im Vordergrund beugt sich
vor dem Heiligen ein Karthäusermönch tief zur Erde, während
rechts ein anderer knieend mit Kapuze über dem Kopf begeistert
zu dem Ordensstifter aufblickt. Zu dessen Füßen ein Kardinalshut.
Der Heilige blickt zum Himmel, wo Gott Vater erscheint, den Sohn
in den Armen : frei nach Dürers „Gnadenstuhl in den Wolken".
Die Anlehnung an Dürers berühmtes Blatt ist unverkennbar. Links
und rechts Engelscharen.
Die Gestalt des hl. Bruno in dem weißen Ordensgewand, ganz
de face gesehen, fest und ruhig stehend, wirkt höchst feierlich
und imposant. Tiefster Ernst und innerlichste Religiosität spricht
aus diesem Werk. Was die Komposition anlangt, ist es das beste
Bild Ribaltas schlechtweg.
Will man aber die religiöse Phantasie des Valencianers so recht
kennen lernen, dann muß man sich an seine ,,Extase des Hl. Fran-
ciscus" und an den ,vHl. Franz, den Cruzificus umarmend" halten.
Tafel II
Abb. 1 FRANCISCO RIBALTA: VISION DES HL. FRANZISCUS
Madrid Prado
31
Die Vision des HI. Franciscus. (Prado 947, h. 2,04, br. 1,58,
Abb. I.) Ein maßloses Erstaunen erfüllt den bleichen auf seinem
Lager ruhenden Mönch, der da plötzlich in der Luft einen — auf
Gott weiß was — balanzierenden himmlischen Geiger ihm ein geist-
liches Violinkonzert vorspielen hört und sieht. Die Ueber-
raschung, das Momentane wiederzugeben, ist dem Künstler in aus-
gezeichneter Weise gelungen. Das Bild wirkt überzeugend. Dies
ist aber auch fast alles ; tiefe Gefühle werden nicht ausgelöst.
Es ist der Realismus, der sich schrankenlos hier Bahn gebrochen
hat. So packend ist ein derartiges Sujet nur noch einmal in der
spanischen Kunst dargestellt worden : von Ribera in der ,, Be-
freiung Petri".
Ganz anders das Pendant zu diesem Bild, das sich noch in
Valencia (Museum) befindet. Beide stammen aus dem Kapuziner-
konvent in Valencia.
An keinem andern Werk als an diesem „Franciscus, der den
Cruzifixus umarmt" kann man besser den Unterschied zwischen
Valencianer und Sevillaner Schule studieren. Murillos Bild gleichen
Inhalts im Sevillaner Museum bietet sich uns als willkommenes
Vergleichsobjekt dar. Bei Ribalta ist es ein etwas feister, schwarz-
bärtiger, stumpfnasiger Mönch, der den Leib des Herrn umfaßt,
was sage ich umfaßt, nein, an sich preßt in der ganzen Glut seiner
Liebe und Verehrung. Und so ruht er wonnetrunken mit ge-
schlossenen Augen an des Herren Seite, mit innerlichen Beben die
hohe Ehrung der Krönung erwartend. Nicht auf der Erde steht
er, sondern auf einem mächtigen, liegenden gekrönten Löwen, der
laut in die Nacht hinaus brüllt. Christus ist in Begriff mit seiner
vom Kreuz gelösten Rechten, in der noch der Nagel steckt, seine
Dornen-Krone auf das Haupt des hl. Franz zu drücken. Ein in
Rot gekleideter Engel reicht ihm von links dafür eine frische
Krone, aber aus Blumen geflochten. Die Himmlische Musik, der
Kontrast zum brüllenden Löwen fehlt natürlich nicht : ein Engel
rechts spielt auf einem Cello.
Welches Pathos, welch düster-grandiose Stimmung, von glü-
hendster religiöser Inbrunst durchweht ! In diesem Mönch ist die
ganze spanische fanatische Glaubensglut verkörpert.
32
Daß das Werk, rötlich in der Karnation, überhaupt schwer
und düster in der Farbe ist, versteht sich am Ende von selbst.
Und nun Murillo. Gewiß edler, aristokratischer, nicht so wild
und leidenschaftlich, kurz gesagt, „schöner", aber nicht so hin-
reißend. Man hat im Süden nicht so starke Nerven. Alles wird
weicher, freundlicher, lieblicher. Fast zaghaft legt Franciscus seinen
Arm um den Leib des Herrn, als getraue er sich nicht, den
Heiligsten zu berühren. Dagegen ist hier alle Wirkung in den
Blick gelegt. Sicherlich sehr fein, aber eine althergebrachte Auf-
fassung. Kein Krönen niit der Dornenkrone, nur ein Umfassen.
Kein brüllender Löwe : eine Weltkugel. Bei Ribalta Leidenschaft,
hier süße Milde. Dort eine frische grandiose, dramatische Stim-
mung, hier mehr lyrisch. Murillos Bild ist ein Kunstwerk. Ribaltas
Schöpfung ist aber mehr als das : es ist eine Predigt, ein Credo.
Wer bis jetzt noch nicht gewußt hat, woher ein Ribera die
Leidenschaft seines Hieronymus, die Gottbegeisterung seiner Blut-
zeugen empfangen hat, dem sind hier wohl die Augen aufgegangen.
Es mag noch kurz von Ribaltas letztem Werk die Rede sein,
seinen Arbeiten in den Jahren 1627, 1628, die der Ausschmückung
der Cartuja von Porta Coeli bei Valencia galten. Die Hauptstücke
des Hochaltars jetzt im Valencianer Museum : Marienkrönung, S.
Bruno, S. Paul, S. Petrus, Johannes der Täufer und Johannes Evang.
Petrus in rotem Untergewand und grünem, vielfach aufge-
lichtetem Obergewand, etwas gebückt, von der Seite gesehen, er-
innert auffällig an die Figur Dürers aus den „Vier Aposteln".
Große Ähnlichkeit auch in der Durchbildung der Füße.
Die bedeutendste Gestalt ist jedoch der hl. Bruno, mit die beste
Einzelfigur Ribaltas, im Ton sein kühlstes Werk; ein heller grauer
Ton wiegt vor. Der Heilige steht frontal, mit dem linken Fuß auf
der Weltkugel, die Linke mit einem Buch in rotem Einband auf
den linken Oberschenkel gestützt. Den Zeigefinger der Rechten
hat er an den Mund gelegt, an das strenge Gebot seines Ordens er-
innernd. Über den trefflich modellierten Kopf hat er die Kapuze
gezogen, die ein helles Reflexlicht auf die Stirne wirft. Seine
gelblich-weiße Ordenskutte ist mit einem goldnen Stern auf der
Brust geziert. Am Boden die Mitra. Höchst interessant die Falten-
33
behandlung: Klar, großzügig und weich. Gerade darin unter-
scheidet es sich von seinem Sohn, der anfänglich hart („Golgatha",
Mus. Valencia von 1615), später viel unbestimmter und weniger
großartig wird (Porträt des hl. Thomas von Villanueva „in ponti-
fice" im Colegio mayor de la Presentacion de S. Thomas in Valen-
cia, das den Bischof zwischen zwei knieenden Colegiales zeigt,
femer Prado 951 : die „zwei Evangelisten S. Marcus und S. Lucas"
und der ,, Sänger" Prado 951.) Es hängt dies mit seiner Technik
überhaupt zusammen, die, wie gesagt, viel pastoser ist als die
des Vaters, der darin oft noch altmeisterlich erscheint.
Dies in großen Zügen das Bild von Riberas Lehrer. Alles
in allem ein durchaus malerisch veranlagter Künstler, der aber
darüber die Zeichnung keineswegs vergaß, fleißig, sorgfältig und
konsequent in seinem Schaffen, von tiefstem religiösen Pathos er-
füllt, der diesem gern die äußere Schönheit opferte, ein entschiedener
Naturalist, dem die derben Apostelgestalten weit besser gelangen
als der ideale Christus, ein Mann, dessen Wollen vielleicht oft
größer war als sein Können. Was er verheißen, hat Ribera erfüllt.
III. RIBERAS WERKE.
A. JUGEND. JAHRE DES RINGENS.
I.
Daß Ribalta Riberas erster Lehrer war, hat zuerst Palomino
mit aller Entschiedenheit ausgesprochen. Die italienischen Bio-
graphen, vor allem Dominici, hatten ihn bei Carravaggio in die
Schule gehen lassen. Abgesehen davon, daß sie dem nach ihren
Mitteilungen in Italien geborenen Künstler nur einen Italiener als
Lehrmeister geben konnten, ist der Irrtum rein künstlerisch sehr
begreiflich. Ribalta und Carravaggio sind äußerst verwandte Na-
turen. Beide Bahnbrecher, Schulgründer : Tenebrosi und Na-
turalisten. Beide haben, obwohl sie am Anfang einer neuen Be-
wegung stehen, oder vielleicht grade deswegen in ihrer Technik noch
etwas von der früheren Schule, etwas zumalendes, die eigentliche
Mache verdeckendes. Es ist somit schwer zu sagen, ob Ribera
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletrol. -i
34
später noch viel von Carravaggio hat lernen können, er war eben
schon bei dem spanischen Carravaggio in die Lehre gegangen.
Ein Jugendwerk Riberas aus der ^'^alencianerzeit ist nicht mehr
nachweisbar.
2.
Mit erhaltenen Werken aus der Parmaer Studienzeit ist es
fast ebenso übel bestellt. Wie schon erwähnt, ist der „hl. Martin"
in S. Andrea eine traurige Ruine.
In Neapel hängt in einem Salon des Palazzo der Fürstin Fondi
— die früher eine ganze Reihe von Werken Riberas besaß —
ein kleines Bildchen: „Christus im Tempel lehrend". Dieses Opus-
culum, mit dem von Ribera so geliebten feinhaarigen Pinsel ge-
malt und in der Kamation das etwas schwere Rot seiner Früh-
zeit aufweisend, ist eine höchst interessante freie Kopie nach Paolo
Veroneses großem prachtvollen Gemälde im Prado (Nr. 527). Das
Madrider Bild ist höchst wahrscheinlich identisch^ mit der Tempel-
disputation, die sich zu Ridolfis Zeiten im Haus Contarini in Padua
befand.!)
Die wesentlichsten Unterschiede in der Darstellung sind, daß
der Mann rechts im Sessel mit dem roten Turban nicht wie bei
Veronese nach Christus sieht, sondern starr zum Bild heraus, und
statt des sich vornüberbeugenden Greises — ebenfalls mit Turban
— der etwas nachzulesen scheint, ein junger Mann den Kopf nach
vorn neigt, um besser hören zu können. Der Kopf dieses Jüng-
lings nun ist vollkommen spanisch.
Auf Grund dieser, besonders der letzten, Abweichungen und
der oben angeführten technischen Eigentümlichkeiten die Kopie
mit aller Bestimmtheit Ribera zuweisen zu wollen, erscheint mir
etwas gewagt. Sehr groß ist allerdings die Wahrscheinlichkeit,
daß er der Urheber ist.
Ribera kann das Bild sehr wohl in Padua gesehen haben und
es wäre durchaus erklärlich, daß dieses eigenartige Werk des Vene-
zianers den jungen Maler zu einer kleinen Kopie begeistert hätte.
1) cf. Catälogo descriptivo e histörico de los quadros del museo del Prado en Madrid
por D. Pedro de Madrazo. I. Madrid 1872. Seite 297.
35
Veroneses Einfluß auf Ribera ist nicht gering gewesen, der beste
Beweis dafür ist seine Apostelkommunion in S. Martino aus seiner
Reifezeit. Und daß sich das Bildchen in Neapel im Besitz dieser
alten Adelsfamilie befindet, macht Riberas Urheberschaft nur noch
wahrscheinlicher.
Im Jahre 1616 kam D. Pedro Giron, Duque de Osuna, als
Vizekönig nach Neapel. Nach Dominici^) soll Ribera, noch ein
armer Teufel damals, eine „Marter des hl. Bartholomäus" gemalt
und auf der Straße ausgestellt haben.
Zahllose Gaffer seien durch den unerhörten Realismus der
Darstellung herbeigelockt worden. Den großen Auflauf habe auch
der Vizekönig beinerkt, sich nach dem Grund erkundigt, das Bild
holen lassen, und, da ihm das Werk seines Landsmannes — Ribera
hatte sich espafiol auf dem Gemälde genannt — gefiel, es auch
gekauft und Ribera zu seinem Hof- und Lieblingsmaler erkoren.
Dominici gibt eine genaue Beschreibung des Bildes, die fast vöUig
mit dem bereinstimmt, was uns die bekannte Radierung bietet.
Das Gemälde ist nicht mehr erhalten, vielleicht existierte es nie.
Es ist nicht unwalirscheinlich, daß Dominici für die Beschreibung
des Bildes sich überhaupt auf die Radierung gestützt hat.
Erhalten ist dagegen der herrliche „Cruzifixus", den der Herzog
für seine Grabkapelle in Osuna hatte malen lassen. Die Begräbnis-
kirche des alten Geschlechtes ist die außerhalb des eigentlichen
Städtchens auf einer Anhöhe gelegene Colegiata. Das Bild, das
jetzt im nördlichen Querarm hängt, zierte wohl früher den Mittel-
teil des mächtigen Hochaltars, ebenso wie die vier Gemälde auf
den Seiten ebenfalls von Ribera waren. Man sieht nämlich noch
jetzt vier Lienzos dort : „Hieronymus, die Posaune hörend", „Seba-
stian", ,, Bartholomäusmarter" und ein „reuiger Petrus", alle sehr
verdorben, zum Teil stark restauriert, in sehr dunklem gelb-röt-
hchen Ton gehalten, glatt und breit gemalt, mäßige Kopien, kaum
V/erkstattarbeiten. Schon Ponz schätzte sie so ein. -)
') Domin. 115, 116. -) Ponz: Viaje por Espana XVIII, 141.
Leider ist Riberas Werk sehr stark gedunkelt und dazu schlecht
beleuchtet.
Christus hängt hochragend am Kreuz, nur mit einem weißen
Lendentuch bekleidet. Den Körper leicht nach rechts gedreht
blickt er schmerzlich nach links oben. Er trägt dunkles langes
Haar und Bart; die Nase gebogen. Links vom Kreuz steht Maria
in rotem Gewand, tiefblauem Mantel und braungrünem Kopftuch.
Ihre Hände hat sie zur Brust erhoben und klagend gefaltet. In
stummem Schmerz blickt sie zum Sohn empor. Anders der in
einen roten Mantel gehüllte Johannes, der hinter ihr steht. Er
kann sich nicht beherrschen und läßt den Tränen freien Lauf; er
trocknet die verweinten Augen mit einem Zipfel seines Mantels.
Rechts vom Kreuz kniet Magdalena, den Stamm umfassend, im
Begriff, die Füße jd^s Herrn zu küssen. Ihr goldblondes Haar
fließt in mächtigen Wellen über ihre Schultern; kostbar ist sie ge-
kleidet : ein dunkelbraunes wie Seide glänzendes Gewand, grüner
Umschlag, gelbbraun leuchtender, rotgefütterter Mantel. Hier spürt
man Venedig. Die ganze Leuchtkraft des Kolorit, das Betonen des
Stofflichen bei der Magdalena gemahnt an Tizian, an Veronese.
Nur das Inkarnat weicht ab. Es ist stark rötlich, wie in den
Werken Ribaltas.
Hinter Magdalena steht noch eine Frau, ebenso erblickt man
bei näherem Zusehen auch auf der anderen Seite im Hintergrund
noch eine Gestalt, doch ist das Bild so gedunkelt, daß von diesen
Figuren rüchts mehr klar zu erkennen ist.
Dieses Gemälde, zwischen 1616 und 1620 entstanden, hinterläßt
einen Eindruck, der an Tiefe und Wirksamkeit keineswegs dem
der Schöpfungen aus des Meisters reifster Zeit nachsteht. Es
nimmt in der Reihe der Frühwerke durch seine außerordentliche
Ruhe und Feierlichkeit eine Ausnahmestellung ein. Man spürt über-
all die verhaltene Leidenschaft und bewundert das Maß, das der
Künstler hier gehalten hat.
Ungefähr aus derselben Zeit, um 1620, stanamen die Gemälde
über deni Altar im linken Querschiff von Gesü Nuovo (S. Trinitä
Maggiore) zu Neapel: drei Historien aus dem Leben des hl. Igna-
tius von Loyola.
37
Nach Dominici^) hatte der Beichtvater des Vizekönigs, ein
Jesuitenpater, dem Maler diesen Auftrag verschafft.
Hier nun tritt uns zum erstenmal der Lichtmaler Ribera ent-
gegen. Nicht den Preis des scharfen Kellerlichtes kündet er in
diesem Frühw^erk, sondern den des Himmelslichtes, des strahlenden
Wunderhimmels, der seine Geliebten und Heiligen mit Wolken
von Licht und Glanz umhüllt.
Alles ist hell und freudig in dem Bild; das einzige ernste,
dunkle ist des Ignaz schwarzes Ordenskleid, wie schon Justi tref-
fend bemerkt hat.^)
Im ersten Gemälde sehen wir den Heiligen vor Papst Paul IIL,
offenbar nach Tizians bekanntem Neapler Bild — das sich zu
Riberas Zeit in Parma befand — gemalt. Der Papst in derselben
Haltung wiedergegeben. An die Stelle des Herzogs bei Tizian ist
Ignatius getreten mit zwei Begleitern: Salmeron und dem greisen
Laynes mit den tiefliegenden glühenden Augen und dem eingefal-
lenen Mund. Aus den Zügen des Ignatius lesen wir deutlich die
Freude über die Anerkennung seiner Gesellschaft. Sein Bild ist
ziemlich getreu : ein alter, feiner Kahlkopf. Der Kardinal ist aus
Tizians Bild beibehalten, steht aber mehr im Vordergrund.
Das zweite Bild zeigt uns eine Vision : Ignatius in höchster
Begeisterung, die Linke auf die Brust legend und den rechten
Arm emporstreckend, erblickt das Monogramm Christi, das in
einem Lichtglanz über ihm erscheint, von einem Engel ihm gezeigt.
Im dritten Bild endlich sehen wir den Gründer der Gesellschaft,
die Konstitutionen schreibend, in der rechten Ecke des Gemäldes.
Freudig blickt er sich nach der Madonna um, die dicht hinter
ihm schwebend sich und den Bambius vorbeugt und mit dem
Finger deutend diktiert. Der Jesusknabe, der die Mutter umhalst,
eine liebliche echt kindliche Gestalt, sieht sich nach dem Heili-
gen um. I
Schon Dominici fiel die morbidezza und pastositä in der Kar-
nation auf und er sagte, man könnte eher meinen, das Bild sei
von einem Schüler der Lombarden gemalt als von einem Carra-
vaggios. Namentlich die kleinen Engel finden wegen der außer-
') Domin. 117. — ') Justi, Velasquez I. 274.
38
ordentlich duftigen, weichen Manier, in der sie wiedergegeben sind,
die Anerkennung Dominicis.
Diese Schöpfung Riberas beweist durch ihren zum Teil ja
wortwörtlichen Anklang an Tizian aufs neue, welchen Eindruck
die Venezianer auf den jungen Künstler gemacht haben.
4-
Sonst ist uns kein einziges Gemälde Riberas, das in jenen
Jahren entstanden sein könnte, bekannt, dagegen eine ganze Reihe
von Radierungen. Der Ätzkunst scheint der junge Meister in jener
Zeit, vor allem in der ersten Hälfte der zwanziger Jahre, ein weit
höheres Interesse entgegengebracht zu haben als der Malerei.
Gaiidellini berichtet, daß Ribera eine Art Zeichenbuch heraus-
gegeben habe: 22 Blatt nach Guercino. Ribera selbst habe dies
Werk sehr geschätzt und davon gesagt, daß er damit als jüngerer
Mensch in der Lombardei sein Brot verdient habe. Dies ist jedoch
kaum richtig. Vor allem hat Guercino eher von Ribera, als dieser
von Guercino gelernt. Gandellinis Äußerung scheint durch eine
Zeichenschule hervorgerufen zu sein, in der sich Stiche nach Ribera
und einem Meister der Bologneser Schule, wahrscheinlich Guer-
cino, befinden, von der noch weiter unten die Rede sein wird.
Die ersten mit Monogramm und Jahreszahl versehenen Blätter
stammen aus dem Jahr 1621 : „Der reuige Petrus" (B. 7) und
„Der hl. Hieronymus die Posaune vernehmend". (B. 5.)
„Der reuige Petrus" bez. auf dem Boden rechts unten :
l?A
!. auf späteren Drucken: !•". V. Wyn.
II. auf einer gegenseitigen Kopie: Jusepe de Riuera spanol en Napoles.
III. auf einer gegenseitigen Kopie: le spagnolel inuent napoli.
IV. gegens. Kopie ohne Signatur und Jahr.
V. ein Stich von Carupion benutzt die Figur. Hier kommen aus den Wolken rechts
oben größere Strahlen. Auf dem Felsen der Hahn. Im Hintergrund die Schlüssel-
übergabe an Petrus.
Petrus, ein bärtiger Greis, nach rechts gewandt, mit dem linken
Bein knieend, das rechte etwas gebeugt, die Hände betend ge-
39
faltet, die Augen aufwärts gerichtet. Der linke Ann ruht auf einem
Steintisch, über den auch ein Stück des Mantels gebreitet ist, der
über die linke Schulter und den Unterkörper geht : Rechts unten
auf einem Stein der Schlüssel ; felsiger Grund, links Ausblick in
eine ziemlich öde Landschaft.
Besonders tief kann man Petri Ausdruck nicht nennen. Das
himmlische Licht fällt keilförmig von rechts oben ein. Eine ein-
heitliche Lichtwirkung ist nicht erzielt; in dieser Hinsicht wirkt
die Radierung zerrissen.
Das Blatt fand ungemeinen Anklang. Unzählige Gemälde gehen
auf diesen reuigen Petrus zurück, von denen jedoch keines ein
Anrecht hat, als Original gelten zu können. Sehr kühl im Ton
und flau in der Mache ist das Bild in der k. k. Gemäldegalerie
in Wien. 503. Ein Kniestück. Der Heilige hält in den gefalteten
Händen noch ein Schnupftuch. (Kleine Kopie dieses Bildes in
den Uffizien 706 von dem jüngeren Teniers; früher befand sich das
Bild in der Galerie des Erzherzogs Leopold Wilhelm. Der junge
Teniers, der diese Galerie in einigen Gemälden verewigte, zeigt
uns das Wiener Bild auch in dem im Prado befindlichen Gemälde
(1747) links oben mit der Unterschrift „spagnolet".) Nicht übel
das Brustbild beim Principe Doria (Porto d'Anzio), ein ähnliches,
nur ganze Figur, im Hintergrund ein wundervoller Hahn, sah Justi
in den siebziger Jahren bei D. Juan de la Palma in Sevilla.
Am beliebtesten die Stellung: der Heilige stützt, zum. Himmel
blickend, das Haupt auf einen Arm, den andern legt er auf die
Brust oder hält den Schlüssel. So Valencia (Mus. 395, 561). Cadiz
(Mus. 43). Cuenca (Findelhaus). Lyon. Marseille. Palma de Mal-
lorca (D. Felipe Villalonga). München (Pinak. 1283). Wien Harrach
(347). Leipzig. In England auch eine ganze Anzahl. Früher bei
Earl Dudleyi), E. Molyneux^), Waagen erwähnt derartige Bilder
bei Sir John Nelthorpe^) und bei Lord Yai-borough*).
Es seien hier noch die übrigen Ribera zugewiesenen Petrus-
^) No. 332. der Exhib. of the Royal Accademy London. 1871. — '') No. 129. der
Exhib. of the Royal Accademy London. 1888. — ') in Scawby Lincolnshire. „of elewated
concepcion for him and of raasterly and solid painting in a warm tone" (Waagen, Galleries
and Cabinets. S. 508.) — *) Waagen, Kunstwerke 11. 202.
40
bilder erwähnt. Die ,,Verleugnung Petri" im Museum von Toledo
(aus S. Miguel stammend) ist das Werk eines spanischen Nach-
ahmers, ähnlich dem von Justi in Sevilla ervi^ähnten (siehe oben),
ebenso hat die große figurenreiche Genreszene, auch „Verleugnung
Petri" genannt, hinter dem Hochaltar der Sevillaner Kathedrale
nichts mit Ribera zu tun. Es ist ein Werk der Sevillaner Schule.
Das große Bild im Palazzo Corsini in Florenz „Petrus mit dem
Zollgroschen" ist die Arbeit eines Bolognesen, der vor allem von
Correggio viel gelernt hat (die Stellung und Untenansicht des
Johannes !).
Kehren wir aber zu den Radierungen zurück. Das Gegenstück
zum reuigen Petrus ist „Der hl. Hieronymtis, die Posaune zum
jüngsten Gericht vernehmend". Bezeichnet
IpA '621.
Der heilige Einsiedler sitzt in einer wilden Felsengegend im Be-
griff, sich eine Feder, die er in der linken Hand hält, zurechtzu-
schneiden. Da ertönt eine Posaune und im gleichen Augenblick
bricht durch die Wolke eine Fülle flutenden Lichts. Von diesem
plötzlichen Ereignis überrascht, hat sich der Heilige umgewandt
und er erblickt nun in dem Lichtstrom die Arme eines Engels,
die die Posaune halten.
Hieronymus, eine bärtige, kräftige, sehnige Greisengestalt mit
wilden weißen Locken. In den Bewegungen ist das Knochige,
Eckige trefflich zum Ausdruck gebracht : das Aufstützen des rechten
und das kühne Übergreifen des linken Arms. Die Beine bedeckt
ein großer Mantel, der sich auch noch nach rechts hin über denl
Stein ausbreitet. Auch der Mantel in seinen Falten wild und auf-
geregt. Den rechten Fuß hat der Heilige auf eine kleine Boden-
erhöhung gestellt, der linke dagegen ist mehr nach auswärts ge-
richtet, er ist der Schlußteil der Diagonale, in welcher der Körper
ins Bild eingeordnet ist.
Rechts wird der Kopf des treuen Begleiters Hieronymi, des
Löwen, sichtbar. Auf dem Steintisch die Schriftrolle, mit der
sich der Heilige beschäftigt hatte; am Boden aufgeschlagene
Bücher, Pergamente, ein Totenkopf. Diese Art der Hieronymus-
41
darstellung findet sich bei Ribera zum erstenmal. Sie geht zurück
auf den sich oft in den Schriften des Hieronymus wiederholenden
Ausruf: „Ich mag wachen oder schlafen, immer tönt in meinen
Ohren die schreckliche Stimme : Auf ihr Toten, kommt zu Ge-
richte!"^)
Dieses Blatt nun tritt uns in jeder Hinsicht vertieft aufs neue
in B. 4 entgegen (Abb. 2). Die Radierung JP^^ bezeichnet ist wohl
nicht allzuspät nach B. 5 entstanden.
I. auf den späteren Abzügen unten : F. IV. II. auf der gegen-
seitigen Kopie „Mariette ex." in einer Höhle mit einem Holzkreuz
in der erhobenen Linken. III. kleinere Kopie von C. Galle. Im
Beiwerk einige Varianten (so liegt z. B. der Löwe auf einer Er-
höhung rechts).
Das kleinliche Motiv des Federspitzens hat Ribera fallen lassen;
er zeigt uns Hieronymus mitten im Schreiben von der himmlischen
Erscheinung überrascht. Sein rechter Unterarm liegt auf dem
Schriftstück, in der Hand hält er die Feder. Ganz hervorragend
in seinem Leben beobachtet ist der linke Arm : in der Überraschung
hat ihn der Heilige ausgestreckt; die Bewegung, die ihn durch-
läuft, spürt man bis in die Fingerspitzen hinein. Das rechte Bein
steht auf einem noch höheren Stein und ist viel besser sichtbar,
das linke wird gar nicht mehr vom Mantel verdeckt, es tritt frei
heraus und erscheint auch nicht mehr so dick. Der Mantel selbst
in seinen Falten noch weit aufgewühlter als im ersten Stich.
Den Engel erblicken wir jetzt in ganzer Gestalt; mit seinen mäch-
tigen Schwingen kommt er durch die Luft gesaust; die Unter-
schenkel in kühnster Verkürzung gesehen (überhaupt nur einer
sichtbar). Darin wie in seiner ganzen Formenbildung erinnert er
stark an Correggio. Der himmlische Bote, dessen Hüften ein flat-
terndes Tuch umschlingt, stößt in eine seltsam gewundene Posaune.
Auf dem Boden liegen jetzt mehr Schriftrollen als Bücher. Auch
diese sind im Verhältnis zu B. 5 noch aufgewühlter wiederge-
geben.
') Der Hl. Hieronymus in der Sammlung von Sir Fred. Cook in Richmond ist
eine Kopie von B. 5.
42
Der Schädel ruht auf einem Steintisch, der Löwenkopf ist
jetzt hnks sichtbar.
Die Landschaft ist reicher. Aus dem Baumstumpf hnks ragt
ein Holzkruzifix hervor. Während die Führung der Landschafts-
silhouette in der ersten Fassung ganz willkürlich ist, bringt Ribera
hier zum erstenmal ein Motiv, das er später sehr oft und gern
verwertet hat. Der Hieronymuskopf sitzt unterhalb des Schnitt-
punktes der beiden Felspartien und wird dadurch außerordentlich
stark hervorgehoben. Die Silhouette, links ziemlich in der Mitte
des Blatts beginnend, sinkt bis etwas über den Kopf des Heiligen,
um dann zackig hoch hinaufzufahren. Während die erste Linie
die Bewegung des Hieronymuskörpers aufnimmt und nach oben,
ausklingen läßt, ist die andere die wirksame Gegendiagonale zur
Hauptdiagonale Hieronymus.
Auch in der technischen Behandlung zeigen sich bedeutende
Fortschritte. Die Wirkung der Parallelstriche ist hier sehr ge-
steigert; man beachte nur wie die kurzen Striche in den Fels-
partien der Hauptbewegung folgen. Die Verteilung von Licht und
Schatten ist viel feiner und sorgfältiger (die Draperie!).
Ein mächtiges Leben pulst in diesem ungebrochenen Greis
Hieronymus. Wie jene Hügelsilhouette ebenso wie ein Blitz nieder-
zufahren, einer gewaltigen Flamme gleich emporzuzüngeln scheint,
so ist auch das Widerspiel der Kräfte : der im Sturmwind auf
der Lichtwolke zu Tal brausende Engel und der hohe stämmige
Heilige, der nicht niedergebrochen wird, sondern der übergewal-
tigen Erscheinung frei ins Auge sieht.
Der Naturalismus der Zeichnung und der ganze Realismus
in der Wiedergabe der momentansten Stimmungen und Empfin-
dungen, der uns in diesen Blättern entgegentritt, hat natürlich
großes Aufsehen erregt und noch mehr Nachahmer gefunden, i)
Das Thema des durch die Posaune aufgeschreckten Hierony-
') Zu B. 5 eine ziemlich treue Kopie in der .Auffassung von A. Baldi. Land-
schaft etwas erweitert. Der Engel sichtbar, aber Trompetenform von B. 5 geblieben.
Unten Inschrift:
Quid semel interius furtim pcccasse iuvabit?
Cuncta palam facinus puniet illa dies
Joseph de Ribera pinxit .\nt. Baldi del. et scul.
Tafel III
Abb. 2 DER HL. HIERONYMUS
DIE POSAUNE DES JÜNGSTEN GERICHTS VERNEHMEND
(B.4)
Tafel IV
Abb. 3
DER HL. HIERONYMUS
DIE POSAUNE DES JÜNGSTEN GERICHTS VERNEHMEND
Neapel Museo Nazionale
43
mus hat Ribera selbst auch in der Malkunst in den zwanziger
Jahren mehrfach behandelt. Die Besprechung dieser Werke sei
hier gestattet.
Das früheste datierte Bild stammt aus dem Jahr 1626 un^d
befindet sich in der Petersburger Eremitage {333). Bez. auf dem Fel.s :
Joseph a ribera
Valentinus et
Academicus Roma . . .
Faciebat 1626.
(1,87x1,34.) In der Komposition herrscht große Verwandtschaft
mit B. 4. Der Heilige hält die Feder in der ausgestreckten Rechten
etwas flacher, mit der Linken faßt er ein Pergamen ; in dem Schreck
hat er das eine Ende der Schriftrolle fallen lassen, so daß sich
die Rolle ihrer ganzen Länge nach ausgebreitet hat. Vor allem
erscheint aber der Engel nun mehr in der Mitte oben. Vollkommen
mit diesem Petersburger Exemplar zusammen geht das — mir
nur aus einer Photographie bekannte — Bild, das sich früher im
Besitz des Herzogs von Osuna befand. Sollte dies eine alte Kopie
sein?
Der Hieronymus in der Galerie Doria in Rom (303) ist eine
Halbfigur im Gegensatz zu Petersburg, sonst aber diesem sehr nahe-
stehend.
Bezeichn. auf dem Buchrücken
Jusepe de Ribera
espanol K
1629 (h. 1,10, br. 0,90)
Der Heilige sitzt mehr frontal. Der Oberkörper ist nach rechts
in die Bilddiagonale geneigt, entblößt; den unteren Teil des Kör-
pers bedeckt eine rote Draperie, wobei oben der Saum des Hem-
des sichtbar wird. Die Draperie geht dann noch über den linken
.'Irm. Dies alles wie in Petersburg. In der Linken hält er die
Schriftrolle, die sich hier zum großen Teil auf dem Steintisch
ausgebreitet hat. Auf dem Tisch noch Buch und Schädel. Der
rechte Arm ist stark gekrümmt : der Unterarm ist in der plötzlichen
Bewegung aufgefahren, in der Hand die Feder. Am mächtigsten
wirkt aber der Kopf. Der Heilige hat den Mund aufgerissen, offen-
44
bar stößt er in der Überraschung einen lauten Schrei aus. Er bhckt
nach der Trompete, die hnks oben in ihrem unteren Teil sicht-
bar wird.
Das Petersburger wie das Doriabild sind außerordentlich sorg-
fältig durchgeführt. Hervorragend die Behandlung der runzlichen
Haut (z. B. Partie um den Nabel), genau, ohne je kleinlich zu
werden. Die Lichtführung ziemlich einfach, Gesicht und Körper
dreiviertel in vollem Licht. Das Inkarnat stark rötlich; gerötete
Augenlider; das Rot an Nasenfalte und Nase besonders auffällig.
An geistigem Ausdruck hat Hieronymus hier gegen die Radierung
nicht gewonnen.
Nichts mit Ribera zu tun hat der Hieronymus in der Tribuna
der Uffizien (1104, h. 1,25, br. 0,98). Dieses leidenschaftlose, flaue
Bild ist das Werk eines oberitalienischen Nachahmers. i) Nicht
einmal die Technik ist die Riberas.
Etwas anders steht es mit dem großen Altargemälde in der
kleinen Kapelle links in der Capeila Sixtus V. in S. Maria Maggiore
in Rom (h. 4, — , br. 2,21). Dargestellt ist der Heilige in der Wüste,
de face an einem Steintisch sitzend, den Kopf auf die Linke ge-
stützt, die Rechte im Schoß. Der Oberkörper nackt, den Unter-
körper bedeckt ein roter Mantel. Der Heilige blickt nach links
oben, wo die Trompete erscheint. Auch hier die Stellung des Ein-
siedlers diagonal ; die Silhouette des Abhangs, vor dem Hieronymus
sitzt, begleitet die Bewegung des Heiligen. Links unten der Löwe,
rechts unten Bücher und Schriftrollen.
Eisenmann machte in seinem, in der Einleitung genannten Auf-
satz die Bemerkung^) : „in Rom wird behauptet, daß das Original
weg und eine täuschende Kopie an seine Stelle gebracht sei". Das
Bild selbst beweist die Richtigkeit der Behauptung. Einmal ist
die MaJweise gar nicht die Riberas, dann aber ist bei genauerem
Zusehen auf einem der Pergamente zu lesen :
Joannes Micocca
Restauravit et pinxit
An. 1817.
') Burckhardt im Cicerone II, 2. 930. ,,Am meisten venezianisch erscheint mir die
im übrigen geringe Figur des H. Hieronymus." ') Eisenmann a. a. O.
45
eine sehr diplomatische Fassung. Gemeint war wohl : restaurando
pinxit. Statt zu „restaurieren" wurde das Bild neu gemalt und
das Original verkauft. Nicht das Gemälde, sondern der Geld-
beutel der Kirche wurde also „restauriert".
Riberas großartigstes Werk dieser Art ist aber das Bild aus
S. Trinitä delle monache, jetzt im Museo Nazionale zu Neapel (Inv.
Nr. 83979, h. 2,62, br. 1,64, Abb. 3). Das Gemälde befand sich bis
1813 in der Kirche S. Trinitä delle monache auf der Epistelseite^)
und wurde von jeher als ein Meisterwerk Riberas bewundert.-)
Am 14. Februar 1813 kam es ins Museum.-^)
Der Heihge, weißbärtig mit wildem Haar, hat Feder und Rolle
hingeworfen und ist vor der himmlischen Erscheinung aufs Knie
gesunken. Er kniet auf dem rechten Bein, das linke ist gebeugt.
Den Kopf stark in Dreiviertelansicht gedreht, blickt er, den Mund
geöffnet, mit erhobenen Armen nach rechts zum Engel hinauf.
Die Arme in den Ellbogen gebeugt. Unangenehm das Ver-
schwinden des Daumens der rechten Hand. Auch den rechten
Oberschenkel fühlt man nicht genug durch. Der Oberkörper ist
entblößt. Den Unterkörper bedeckt ein weißes Hemd und ein
roter Mantel. Der blondlockige Engel mit mächtigen Fittichen
tritt nur mit dem Oberkör[>er aus der Wolke heraus. Er stößt
in eine große halbmondförmige Posaune. Auf dem Steintisch Foliant
und Totenkopf; felsiger Abhang als Grund^ dessen Silhouette der
Hauptdiagonale der Hochkomposition folgt. Knapper Blick auf den
bewölkten Himmel. Das vollste Licht fällt auf den Kopf des
Heiligen, im großen und ganzen ist aber das Licht sehr zerrissen.
Gewandung und Modellierung mit größter Sorgfalt durchgeführt.
Das Gegenstück zu dem vom Engel aufschreckten Hieronymus
bildet der „Hieronymus in Medidation", der studierende Einsiedler.
Aber er sitzt nicht mehr in der Klause, „im Gehäuse", sondern
draußen in der Wüste im flimmernden Sonnenlicht. So erblicken
1) P. Sarnelli, Guida dei forestieri Napoli 1791. L. Galanti, Guida di Napoli
1871. *) Dominici 127 giebt eine Beschreibung; er ist von dem Bild besonders be-
geistert und nennt es ,,maravigliosamente dipinto ed ottimaraente ideato. Celano „Delle
Notizie del Belle etc. della Cittä di Napoli" 1792. VI, 12 nennt es eines der schönsten
Werke Riberas. ') Nap. Nob. VIII. S. 48.
46
wir ihn in der Radierung (B. 3) von 1624, bez. oben links Monogr.
Bartsch Register Nr. 4. Unten die — von Bartsch nicht berück-
sichtigte — Dedikation
Dedico mis obras y esta estampa al Sereiüssimo Principe Philiberlo rai senor
cn Napoles ano 1624
luscpe de Riuera Spanol.
Zwei gegenseitige Kopien ohne Namen.
Der Heilige, ein Greis mit mildem, freundlichen Ausdruck,
sitzt nach rechts gewandt auf der Erde, am Fuß einer zerfallenen
Steinmauer. Er liest eifrig in einer Schriftrolle, die er in beiden
Händen hält. Eine Art Mantel fällt von der linken Schulter herab
über seinen Schoß. Auf der untersten A'Iauerquader Bücher. Eben-
so auf einem Stein links vom Heiligen mehrere aufgeschlagene
Bücher, dahinter erscheint der Löwenkopf.
Die Radierung bildet den größten Gegensatz zu B. 4 und 5.
Nichts von Ringen, von Aufregung, von Sturm und Wolken. Es
ist ein Bild der Zufriedenheit, des Glückes, das im beschaulichen
Studieren fernab von der Welt liegt. Man könnte meinen, er
überlese gerade noch einmal seine Schrift über das Eremitenleben,
und seine Zufriedenheit scheint zu bestätigen, daß er sich in der
weiten Einöde nicht einsam fühlt, sondern wirklich im Geist das
Paradies durchwandelt :
„Super undam metuis humum exesa ieiuniis membra colli-
dere? Sed dominus tecum iacet. Squalidi capitis horret in-
culta ccesaries? sed Caput tuum Cristus est. Infinite eremi
vastitas te terret? Sed tu paradisum deambulas. Quotiescunque
illuc cogitatione conscenderis: toties in eremo non eris."*)
Ein warmer Sonnenschein überrieselt alles, und das Breitformat
des Blattes tut schließlich noch ein Übriges, um dem ganzen etwas
ungemein behagliches, ruhiges zu geben.
Und doch waltet hier ein hoher Ernst. Dies spürt man erst
so recht, wenn man verwandte Schöpfungen aus dem XVII. Jahr-
hundert zum Vergleich heranzieht. Francesco Amato (B. 5) läßt
seinen Hieronymus in der Wüste sitzen mit übereinandergeschla-
genen Beinen in die Lektüre eines Pergamens vertieft wie ein Mann.
') Hieronymus, De vita eremitica.
i
47
der bei der Pfeife seine Zeitung liest. Etwas besser Guercinos
Bild (Stiche von Pasqualin). Sehr behebt sind Putten, die dem
Heiligen Gesellschaft leisten und mit dem Löwen und dem Kardinals-
hut spielen; so P. Testa (B. 15.) und G. F. Mucci. Renis radierter
Hieronymus (B. 10) ist eine schmale, lange, süßlich-kraftlose Gestalt.
Im Zusammenhang mit Riberas Radierung seien einige hierher
gehörige Handzeichnungen erwähnt. Sicher echt die Rötelzeichnung
Uffizien 1386 h. 18,5 cm, br. 14 cm, weißes Papier. Der Heilige
liegt auf der Erde in einem Pergament lesend, das er in beiden
Händen hält. Sein linkes Bein ist etwas höher gestellt als das auf
der Erde ausgestreckte rechte ; vor ihm drei Bücher und Totenkopf.
Die Zeichnung sehr sorgfältig.
Ebenso sauber die Rötelstudie im British Museum, weißes
Papier, h. 25, br. 16,5 cm. Bez. auf dem Felsen rechts
Jusepe de
ribera fe'
1626
ebenda ein gleiches Exemplar, gegenseitig; durch Abklatschen her-
gestellt? In den Uffizien (2192 F) ein sich mit dem erstgenannten
deckendes Blatt, nur das fe' hinter ribera fehlt. (Am Ende das ur-
sprüngliche ?)
Der Einsiedler, ein alter bärtiger Kahlkopf, ist mit dem linken
Oberarm an einem niederen und mit dem rechten Unterarm an
einem höheren Stumpf gebunden. Er steht auf dem rechten Fuß,
der linke ist auf einem Felsblock aufgestüzt. Nach rechts sich
vorbeugend, blickt der Heilige auf ein Kreuz das auf dem Felsen
liegt, auf den er seine linke Hand stützt. Ein Lendentuch ist
sein einziges Kleidungsstück.
Mit etwas weniger Sicherheit möchte ich für die Echtheit der
Dresdener Skizze eintreten, bezeichnet J« Ribera. Es ist eine braun
getuschte Federzeichnung, h. 15 cm, br. 18 cm.i) Dargestellt
ist Hieronymus nach links gewandt, auf seinem Mantel unter einem
Baum sitzend bei der Lektüre. Links zu seinen Füßen der Löwe.
Die Zeichnung hat etwas für Ribera zu nervöses, ein wenig fahriges.
Sicherlich stammt sie aus seinem Kreis.
') Abgeb. in Woermanns .«Lufsatz. Zeitschrift f. bild. Kunst. I. 183.
48
Nichts mit ihm zu schaffen hat die flaue Studie in Weimar,
eine schwach getuschte Federzeichnung braun auf gelbem Papier,
h. 23,6, br. 18,4 cm: Hieronymus in der Wüste auf den Knieen
lesend.
Aus dem Jahr 1622 stammt eine ganze Reihe von radierten
Studienblättern, vor allem zwei Köpfe: „Männerkopf mit Binde im
Haar (B. 8.) bez. tp k
1622
Die späteren Abzüge zeigen außerdem unten den Vermerk
F. V. Wyn. ex.
Der Dargestellte ist eine wahre Spottgeburt aus Dreck und
Feuer. Er präsentiert sich im Profil nach rechts, damit man ja
seine große Nase und die vorspringende Unterlippe recht deutlich
hervortreten sieht. Stoppelbart auf Oberlippe und am Kinn. Kurze
Haare, zum Teil durch die Binde verdeckt. Auf beiden Seiten
des Halses Drüsen.
Den ersten Preis in der Schönheitskonkurrenz macht ihm
jedoch sein Nachbar B. 9 bedenkhch streitig bez. '|- ^ hispanus.
Es ist ganz entschieden das ekelhafteste Modell Riberas. Emp-
findet man schon bei der Betrachtung des unbarmherzig genauen
Konterfeis einen physischen Widerwillen, welch starke Nerven
mußte dann erst der Peintre-graveur gehabt haben, um den An-
blick dieses Scheusals längere Zeit aushalten zu können.
Was will eine Schindung des hl. Bartholomäus bedeuten neben
diesem Kopf (fast Profil nach rechts) voller Warzen, auf denen
Härchen sprießen, mit den beiden mächtigen, beutelgleichen Drüsen
am Hals, die gleichfalls mit Warzen geziert sind. Die Zipfelmütze
erscheint wie ein ganz organischer Auswuchs nach oben. Und zu
all dem der unheimliche, diabolische Blick! Satanas in persona.
Auf den späteren Abzügen unten F. V. W. ex. Gandellini will
12 solcher Köpfe gekannt haben. Uns genügen diese beiden.
Technisch sind die Blätter ganz ungemein fein. Es ist jedoch
keine eigentliche Radierkunst, was uns Ribera hier bietet, sondern
es ist die Übersetzung seiner Malweise in die Radierung: wie er
Tafel V
'35:-':V
Abb. 4 MUNDSTUDIEN
Abb. 5 SIMSON UND DELILA Cördoba
Tafel VI
■JJJ, >
ms ' cu V /(j rliiinpa iil 'lercmj. '" prnvirx ''Jfimerto m\ i,
hHfct{t 'iliüf reAanof,
Abb. 6 MARTER DES HL. BARTHOLOMÄUS
49
dort die Formen durch die eigenartige Führung seines feinhaarigen
Pinsels modelliert, so auch hier. Die Führung der feinen dünnen
Striche ahmt die Maltechnik so vollkommen nach, daß man fast
versucht ist, hier von einem „Radierpinsel" zu reden.
Neben diesen Köpfen sind uns aus diesem Jahr einige radierte
Detailstudien erhalten, die zeigen, wie ernst es Ribera im Gegensatz
zu den meisten seiner Zeitgenossen nüt dem genauen Studium der
Einzelform, mit der festen, sicheren Zeichnung nahm. Die Be-
schreibung der Blätter bei Bartsch ist ungenau.
B. 15. 7 Augen im Umriß und 6 in Durchführung bez. unten
Josephf Ribera espaiiol
I. das Blatt in der Mitte geteilt
a) auf der linken Hälfte bez. Joseph Ribera espanol; ganz
unten F. V. Wyn.
b) auf der rechten Hälfte bez. F. V. Wyn.
B. 16. Mund und Profilstudien. (Abb. 4.) Ein Unter-
gesicht mit einem weit aufgerissenem Mund, Warze am Kinn, in
Umriß und Durchführung. Ein kleinerer Mund, weniger weit ge-
öffnet. Links oben eine Nase im Profil, nur Zeichnung. In der
Mitte Nase von vom; ganz rechts Profil eines Mannes ohne Augen-
angabe mit Warzen auf Nase und am Kinn, nur im Umriß. Schließ-
lich noch eine Nase und ein Mund fast Profil, an der Nase eine
Warze, in Durchführung.
Bez. rechts unten Joseph Ribera espaiiol.
I. in der Mitte getrennt
a) linke Hälfte bez. weiter unten F. V. W.
b) rechte Hälfte F. V. Wyn.
B. 17. 9 Ohren. 3 in Umriß, 6 in Durchführung in ver-
schiedenen Ansichten und Verkürzungen, bez. unten rechts
ipA '622 -f^
I. in 2 Teile getrennt
a) linke Hälfte bez. Joseph Ribera espanol (gefälscht) und
F. V. Wyn.
b) rechte Hälfte außer der genannten Bezeichnung noch
unten F. V. W.
Mayer, Jusepe de Ribera (l.o Spagnoletto). a
50
Dieselbe Widmung wie der „Hieronymus in Medidation" trägt
eines der berühtntesten Werke Riberas : Die Marter des hl. Bartho-
lomäus (B. 6, bei Bartsch in der Dedikation fälschlich mi obras statt
mis obras, Abb. 6), die subtilste Radierung des peintre-graveur.
„Cette piece est la plus belle de l'oeuvre de notre artiste et les
bonnes ^preuves en sont tres rares. i)
Der graubärtige Heilige, nur mit einem Lendentuch bekleidet,
ist mit dem rechten Arm an einen Baumstumpf, mit dem linken
an einen vom Stumpf ausgehenden Ast gebunden. Das rechte
Bein ruht knieend auf einem Felsstück, das linke ist gebeugt.
Geduldig erträgt er das furchtbare Martyrium. In sicherem
Glauben schaut er zum Himmel empor, aus dem zwei Hände ihm
Krone und Palme reichen. (Auf dem Gemälde hielten nach Domi-
nici^) zwei Putten die Märtyrerkrone.) Von dieser Stelle oben
geht alles Licht aus, das vornehmlich den Heiligen überstrahlt.
Rechts steht der Henker, der, das Messer im Mund, ein Stück
Haut vom Oberarm reißt. Hinter diesem Gesellen ein Krieger in
Rüstung, den Beschauer anblickend imd der Kopf eines Alten,
der nach dem Heiligen sieht. Über diesen beiden werden Lanzen-
spitzen sichtbar: eine Andeutung der Wache, die auf dem Exe-
kutionsplatz erschienen ist. Weiter im Hintergrund eine Gruppe
von Alten und Kriegern. Links kommt der Oberkörper eines jungen
Burschen hervor: der Gehilfe des Henkers. Lachend den Be-
schauer anbückend schärft er ein Messer. Zu seinen Füßen ein
Baumstumpf und ein Kopf einer antiken Apollonstatue. Eine Zen-
tralkomposition; mehr angedeutet als ausgeführt. Ein großer Ring
von Soldaten und Zuschauern umschließt die Richtstätte, in deren
Mitte der Henker sein grausiges Werk verrichtet.
Hauptlinie die Diagonale, die durch die Stellung des Heiligen
bezeichnet wird. Ihr wirkt entgegen die große Schräge, die vom
Kopf des Kriegers rechts über den des Henkers und des Märtyrers
zu dem Jungen führt. Diese wird begleitet von der parallel laufen-
den Schrägen des großen Astes am Stamm. Das Spiel der beiden
Hauptdiagonalen wiederholt ßich in dem kleinen Stumpf mit dem
') Bartsch a. a. O. -) vergl. S. 26.
51
Zweig links. Der steilen ersten Diagonalen wirkt schließlich noch
die ebenso steile des großen Speeres in der Hand des Kriegers
rechts entgegen.
Kein Werk Riberas ist so maßlos oft kopiert und nachgeahmt
worden wie dieses.
1. Auf einer Kopie:
S. BARTHOLOMEVS
SteflFano Scolari Forma a Vene"
2. gegenseitige kleinere Kopie bez. links unten: Jusepe de
Rivera spannol en Napoles.
3. Eine freiere Kopie von 1678, getreu nur der Heilige und
der Henker. Der Märtyrer hat hier einen Nimbus. Der Junge
nicht mehr lachend und weiter im Hintergrund. Im Vordergrund
links ein Schild mit Aufschrift IHS., rechts eine Kriegergruppe.
Aus den Lüften naht ein Engel mit einem Band, worauf zu lesen ist :
S. BARTHOL: PATRON: CONVL 1678. ganz rechts oben Hand
mit Krone. Unten eine Dedikation:
Santo Bartholomeo
Pontificy ac Caesarei Convictorum Collegy Pragensis Societatis JESU
Patrono
Honoris ergo
D. D.
Per illustris, Generosus ac Eruditus D. Maximilianus
Klozek, Eqves Bohemus de Zampach, Augustissimae
Imperatricis Annae Alumnus Liber ex eodem Convictu.
Dan Carlo Kommex delin. Philipp Kilian sculp.
4. Kopie. Stich in Folio. Auf die Mittelgruppe beschränkt.
Die Hände mit Krone oben fehlen. Unten links zieht ein Henker
den Strick an, mit dem der linke Fuß des Heiligen festgebunden,
ist. Der Kopf des Märtyrers süßlich, ausdruckslos.
A paris Chez P. Landry rue St. Jaques ä St. Frangois de Sales
S. BARTHOLOMAEVS.
5. Gegenseit. nicht ganz getreue Kopie. Kniestück. Henker
mit einem Teil des Heiligentorso.
Aber auch von Malern wurde die Radierung ausgenutzt. So
Kopie des Blattes in dem Gemälde im Palazzo Rospigliosi Rom,
ebenso in Neapel bei Principe di Casapesenna. Das Gemälde Mus.
in Cadiz Nr. 42 gibt die Mittelgruppe nach der Radierung wieder.
4*
52
Auch eine braune Federzeichnung und eine sehr flotte größere
Rötelskizze (Kniestück) im Louvre gehen auf Riberas Komposition
zurück; ebenso eine weiß gehöhte Kohlezeichnung im British
Museum und ein Deckenentwurf (bologn. Schule) im Victoria and
Albert Museum London (Jonides Sammlung), eine braun getuschte
Federzeichnung.
Das wüste Opus in der Pittigalerie mit seinem Sammelsurium
von allen möglichen Riberaschen Figuren hat natürlich gar nichts
mit dem Meister zu schaffen. Vor allem der lachende Knabe aus
der Radierung entlehnt. Höchst geschmacklos wie hier der Antiken-
kopf in die Mitte gepflanzt ist und dazu noch auf der Nase liegt.
In manchen Punkten mit diesem Werk verwandt ist das Bild
bei M. Hernando in Madrid^), dem auch das Gemälde im Museum
von Grenoble Nr. 552) nahe steht. Das gemeine — sehr schlecht
erhaltene — Bild im Museum von Barcelona (h. 2, — , br. 1,50)
ist trotz der Bezeichnung Jusepe de Ribera espanol F. 1644 keine
Arbeit des Meisters; zumal keine Schöpfung aus seiner reifen Zeit!^)
Eine höchst interessante spanische Imitation ist das Gemälde
in der großen Kapelle in S. Andres zu Valencia (rechts vom Ein-
gang in die Kirche).
Nachahmungen ferner die Halbfigurenbilder im Prado 991,
Venedig Accademia 61, München Pinak. 1288, Chenmitz (früher
Dresden 690) und das Gemälde in Stockholm.
Den Abschluß von Riberas Glanzzeit als Radierer bildet der
„Silen" von 1628 (B. 13), dem jedoch das große Gemälde von
1626 im Museo Nazionale zu Neapel vorangeht.
Dieses Bild ist auf einem Zettel, den eine Schlange im Maule
hält, bezeichnet :
Josephus ä Ribera. Hispanus Valentin
et accademicus Romanus faciebat.
partenope 1626.
Ein außerordentlich feister, völlig unbekleideter bartloser Mann,
^j Abbildung in Las joyas de la Exposicion historico — Europea de Madrid 1892.
B. n. Tafel CXCI und CXCU. ^) cf. Gaz. d. B.-A. I. per. VII. 73. ») Ähnlich
diesem Gemälde und dem im Pittipalast ein Bild früher beim Grafen Jacob Derby.
Knowsley. (alt ped 6. pol. 10. lat. ped. 5. pol. 3.) Stich von H. Winstanley.
53
den man kaum Bacchus nennen darf, jedoch eigentlich auch nicht
Silen, da er keineswegs genau als solcher gekennzeichnet ist, hat
sich der Länge nach auf die Erde gelagert. Nur ein geflecktes
Tuch mildert die etwas harte Position. Dieses Tuch ist mit dem
einen Ende noch über das niedere Felsstück gebreitet, auf das
der Zechgenoß seinen linken Unterarm gelegt hat. Die Rechte
hat er erhoben; in der Hand hält er eine Muschel, in die ein
Satyr dunkelfarbenen Wein aus einem Schlauch einschenkt. Der
feiste Schletamer blickt hinauf, die Muschel soll ja bis zum Rand
gefüllt werden — gemischt wird der schwere Kyprier natürlich
nicht ! — und im Vorgefühl von solchem Glück genießt er jetzt
den für ihn höchsten Augenblick : sein Mund ist halb geöffnet, die
Zähne werden sichtbar, man glaubt sein wohlgefälliges, das Wonne-
gefühl kaum verhehlendes Schnaufen, oder vielleicht besser gesagt
Grunzen zu hören. Der Satyr ziemlich de face gesehen, rechten Fuß
hochgestellt, neigt sich stark vornüber, die Nase dicht über der
Schale; als ob er den Duft des Göttersaftes so recht ordentlich
einsaugen wollte. Seine Rechte umfaßt die Schlauchmündung, sein
linker Arm greift über den Kopf; er drückt mit der linken Hand
auf den Schlauch, dessen Inhalt eben erst angebrochen wird: Wir
stehen am Beginn des Gelages. Das sehen wir auch aus der Be-
schäftigung des Faunes rechts, der im Begriff ist, dem Zechkumpan
einen Kranz aus Weinlaub aufs dunkelhaarige Haupt zu drücken.
Wie sein Kollege Mundschenk ist er mit Eselsohren geziert, zeichnet
sich aber durch größere Widderhörner aus; er trägt ein Fellchen
auf dem Oberkörper und läßt seine Bocksfüße sehen. Die beiden
Gesellen sind mit Distelkränzen geschmückt. Einen merkwürdigen
Kontrast bildet zu dieser Gruppe der blondlockige Profilkopf eines
Jünglings, ein junger Apoll, der nach der Szene im Vordergrund
blickt. Ihm wendet sich lächelnd ein Faun zu, dessen Kopf ganz
im Dunkeln liegt.
Links sitzt ein junger Bursch mit Silensohren. Er ist mit
einem Fell bekleidet und blickt, aus vollem Halse lachend, den
Beschauer fröhlich an. Es ist der Hüter des Esels, auf dem der
feiste Zecher sich wbhl zum Gelag begeben hat. Nun ist ihm eine
weitere Aufgabe zugefallen: er sorgt für die Tafelmusik; das edle
54
Grautier, vom Hals ab links sichtbar, posaunt aus Leibeskräften
drauf los, dabei sein ganzes famoses Gebiß zeigend. Ein Konzert,
vollkommen der Gelegenheit angemessen.
Aber auch für einen würdigen Abschluß der Szene ist gesorgt :
zwei mächtige Weinkufen und ein Stück Mauer, über dem links
ein Fetzen schönsten italienischen Himmels sichtbar wird.
Selbst der Erdboden darf nicht stumm bleiben. Auch da
muß etwas kribbeln und krabbeln : eine schwerfällige Schildkröte
und ein flinkes Schlänglein, Muschel und Hirtenstab.
Ein warmes Licht strahlt hernieder; vor allem leuchtet es
über den ganzen Körper des dicken Gastes, der sich förmlich im.
Licht zu baden scheint. Auch der Junge ist ziemlich hell beleuchtet.
Über die andern aber huscht das Licht nur lustig hin.
Kein Gelage im Keller, nein draußen in Gottes freier Luft.
Das Inkarnat in diesem sehr gedunkelten Bild stark rötlich.
Erscheint die Komposition im ersten Augenblick ebenso kraus
wie die Eselsmusik, so merkt man doch bald die feine Berechnung;
ganz der Stimmung entsprechend bildet eine sanfte, schlaffe Dia-
gonale die Hauptlinie.
Ribera zeigt hier sein ganzes Können; Mensch wie Tier ist
gleich vortrefflich wiedergegeben : der Knabenkörper, das klassische
Jünglingsgesicht, die feiste, schwammige moles des Zechers, die
knochigen, sehnigen Gestalten der Faune. Auch die starken Ver-
kürzungen kommen zu ihrem Recht, vor allem im einschenkenden
Faun.
Der Hauptvorwurf, den man dem Bild machen kann, ist der
einer allzugroßen Reliefmäßigkeit. Trotz aller Verkürzungen stehen
die Figuren noch zu sehr in einer Ebene, fehlt die eigentliche Tiefe.
In jeder Hinsicht die Vollendung dieses Werkes ist die Radie-
rung von 162*8. (Abb. 7.) Hier ist die Tiefenwirkung erreicht, hier
kommt das Licht erst zur vollen Herrschaft, alles scheint geradezu
in einem Meer von Licht zu schwimmen. (B. 13.)
1. Bez. auf dem Stein rechts :
Joseph ä Ribera Hisp^- Valenti^
Setaben f. Partenope.
1628.
55
II. Auf den späteren Abzügen noch eine Dedikation:
AI Molto Mrc S' Don Gioseppe Balsame Barone di Cattafi Girato
Senato della nobile Citta di Messina Giouanni Orlandi Romano
D. D.
III. Gegens. vorzügliche Kopie, hinzugefügt ein „Romae D. D."
(Die Firma Riberas hier natürlich links.)
IV. Gegens. Kopie, unter dem Hirtenstab : alla Pace Gio Jacomo
Roßi formis Roma 1649.
V. Gegens. Kopie ohne Namen.
VI. Karrikaturhafte schwächliche Nachahmung von Franc. Burani.
(Bartsch XX, 89, i .)
Die Radierung natürlich gegenseitig zum Gemälde. Der Mund-
schenk beugt sich nicht so sehr über die Schale, er macht ein sehr
vergnügliches Gesicht. Auf der Seite des bekränzenden Fauns
die Radierung breiter als das Bild; man sieht fast die ganze Ge-
stalt dieses Fauns, vor allem auch sein Bocksschwänzchen. Hinter
ihm sitzt auf einer Art Brüstung oder hohem Felsblock ein anderer
mit dem Rücken nach uns. Er hat sich in einer Vierteldrehung
nach rechts zu dem Beschauer umgewandt und läßt, sich mit der
Rechten auf den Stein stützend in der Linken eine Flöte, sein
grinsendes Antlitz sehen; er trägt wie der kränzende Faun einen
dünnen Rebenkranz im Haar. Noch weiter im Hintergrund er-
blicken wir einen nur mit dem Oberkörper sichtbar werdenden;
schönen weinlaubbekränzten Jüngling, der in der erhobenen graziös
nach dem Gesicht zu gebogenen Hand ein Tambourin hält. Diese
Figur ist die einzige völlig im Schatten liegende Gestalt.
Der lachende Junge ist verschwunden. Dafür liegen zu Füßen
des „Silens" zwei Kinder. Das eine liegt von dem Weingenußl
überwältigt schlafend am Boden, Kopf nach vomen, fast die Sohlen,
des Dicken berührend (und beriechend 1). Das andere liegt an,
den Rücken seines Gespielen gelehnt und leert gerade sich zurück-
beugend eine Schale Weins. Wie die Alten sungen . . . Eingefügt
sind die Kinder aber auch schon aus rein tektonischen Gründen.
In ihnen klingt die Diagonale aus, die oben beim lachenden Faun
anhebt.
Der Esel streckt den Hals steiler in die Höhe, seine Bewegung
56
wird kräftig von dem Baumstumpf rechts aufgenommen und unter-
stützt. Schildkröte, Muschel und Schlange sind verschwunden, nur
der Stab und eine Syrinx liegen am Boden. Die dunkeln Schranken
des Grundes sind durchbrochen. Nicht mehr in einem Hof, son-
dern frei draußen, beim Weinberg spielt sich der Vorgang ab.
Als Hintergrundsfolie dient dazu eine große bis über den Rand
nüt Trauben gefüllte Kufe, die auf einem Gerüst aus Holz und
Stein ruht, und ein großer Felsblock. Unter der Kufe eine kleine
Bütte. Rechts aber öffnet sich der Blick auf die im Sonnenlicht
flimmernde Ferne, die von lustigem Leben erfüllt ist: eine muntere
Vogelschar schwingt sich durch die Lüfte.
Wundervoll, wie alles vom Sonnenlicht durchdrungen, ausge-
zeichnet, wie der Blick in die Tiefe geführt wird; meisterlich die
Technik, wie das fette Fleisch, das Stoffliche in den Fellen heraus-
gebracht ist; sehr fein der Unterschied in der subtilen Behandlung
der nahegelegenen, deutlich erkennbaren Dinge und der impres-
sionistischen Art, in der mit intermittierenden Linien die verschwim-
mende Ferne gezeichnet ist.
Es ist leicht erklärlich, daß Leute, die mehr an Raffaelische
Madonnen gewöhnt sind, vor allem über die Gestalt des Bacchus
oder Silens in Aufregung geraten, und daß Jacob Burckhardt ihn
gar nicht anders als „abscheulich" finden konnte. Will man aber
wirklich gerecht sein, so \vird man dieses lebensprühende, humor-
volle, mit höchstem künstlerischem Ernst und größter Sorgfalt
durchgeführte Werk nicht mit dem Wort „gemein" abtun können.
Was sollte man denn da erst zu Poussins „trunkenem Silen" im
Prado (2052) sagen? Äußerlich ist das Poussinsche Bild ziemlich
mit Riberas Schöpfung verwandt, jedoch in jedem Punkte roher.
Auch hier ein feister, nun aber wirklich widriger, dazu noch in
stärkster Verkürzung gesehener Zecher, der seine Schale einem
Faun zum Einschenken hinhält. Dieser preßt aus einer Traube
direkt den Saft in das Gefäß. Die beiden Kinder fehlen auch
nicht; das eine pickt Trauben, das andere befriedigt ein natürliches
Bedürfnis. Das Inkarnat sehr stark rötlich. Es fehlt diesem Jugend-
werk des großen Franzosen wirklich jeglicher Witz; Poussin glaubte
57
ihn durch Gemeinheit und bravourmäßige Verkürzungen ersetzen
zu können.
Was Riberas Komposition anlangt, vor allem die der Radierung,
so scheint sie mir stark von Mantegnas Stich „Bacchanal an der
Kufe" beeinflußt zu sein. Der feiste Schlemmer, der schöne Jüng-
ling, die Kufe mit Trauben gefüllt, finden sich bereits hier, ebenso
die Verwendung der beiden zechenden Putti.
Bartsch weist noch eine ganze Anzahl Blätter Ribera zu. Ab-
gesehen von dem im Kap. 3 zu erwähnenden Don Juan von 1648
(B. 14) scheint mir nur B. 10 „Der Dichter", zweifelsohne von
Riberas Hand zu stammen. Entstanden ungefähr zwischen 1624
und 1628. Das Blatt weist alle Feinheiten der Riberaschen Technik
auf. Ein lorbeergekrönter Mann in einen Mantel gehüllt steht ziem-
lich de face, mit gesenktem Haupt, das er auf seine Linke stützt.
Der linke Ellbogen ruht auf einem Felsblock.
Ein Blatt in Erinnerung an Gestalten Raffaels geschaffen.
Und doch so ganz anders. Es fehlt die letzte Klarheit des
Plastikers; wo ist der rechte Arm? wo das Standbein? dies alles
ist nicht recht durchgefühlt. Dafür aber ist das Ganze von einer
wirklich dichterischen, schwermütigen (spanischen!) Stimmung er-
füllt. Nicht ganz mit Unrecht hat man schon das Blatt „Dante"
nennen wollen.
Vielleicht ist auch B. 2, ein heiliger Sebastian, eine Schöpfung
Riberas. Es ist eine sehr leicht und geistreich behandelte Radierung.
Der Heilige, mit Lendentuch bekleidet, an einen Baumstamm
gefesselt. Kopf in Dreiviertelansicht. Blick nach links oben. Die
Linke frei mit einer Gebärde der Ergebung ausgestreckt. Kniestück.
Nicht von Ribera ist aber eines der berühmtesten Blätter:
„Satyr von Amor gezüchtigt." (B. 12.) In dem prächtigen Blatt
zeigt sich ein ganz anderer Sinn für die radierte Linie, wie er
Ribera nie eigen geworden ist. Die ganze Zeichnung ist viel zu-
sammengezogener; eine Hand wie die des Putto, die die Rute
schwingt, ist für Ribera eine Unmöglichkeit.
Das Blatt steht in seiner Art (man beachte nur noch die Haar-
behandlung) Salvator Rosa sehr nahe, der jedoch nicht der Autor
sein kann, wie schon das Monogramm zeigt.
58
Ein „R" aus dem Monogramm herauslesen zu wollen, ist
schlechterdings unmöghch. Es lautet ^J^ oder aufgelöst S. V.
(?) N. J. (oder L?).
Die „Pietä" (B. i) soll bei den Beweinungsbildern ihre Be-
sprechung finden.
Höchst zweifelhaft die in der Technik sehr derbe Radierung
„Kampf von Kentaur und Triton" (B. ii). Die beiden gehen mit
Keulen aufeinander los. Im Hintergrund links ein Triton in das
Meer hinausschwimmend mit einer Nymphe.
Hinter den Bergen rechts sieht man die untergehende Sonne,
doch ist das Beleuchtungsproblem nicht viel durchgearbeitet. i)
Zweifelhaft auch die Wappenradierung (B. 1 8, das Exemplar der
Wiener Hofbibliothek, das mir einzig bekannte). Auffallend die
Nüchternheit und Glätte der Technik; vielleicht brachte das jedoch
der Gegenstand mit sich. Aber auch die Überschneidung des
Gesichts bei dem mittleren die Krone tragenden Engel ist wenig
künstlerisch und wirkt etwas peinlich. Die beiden seitlichen Engel
oder Putten finden sich als Nr. 19 in der noch zu besprechenden
Zeichenschule wieder.
Kristeller^) hat von dem Silen ausgehend eine Analyse der
Riberaschen Radierkunst zu geben versucht. Er sagt von ihr:
„Die zeichnerisch geführte, breit angelegte Ätzlinie, die fast
nie der Nachhilfe mit Stichel oder Nadel bedarf, ist ihre Grund-
lage.
Die tiefen Schatten, die aus gekreuzten Lagen mehr oder weniger
regelmäßig und gerundeter Linien bestehen, läßt er schnell und
weich in die großen Flächen hellen Lichtes übergehen und er-
zielt dabei mit wenigen feinen Linien oder Punkten die größten
plastischen und malerischen Wirkungen. Ein paar weich ge-
geschwungene Linien auf dem beleuchteten Körper, eine Über-
schneidung der zarten Umrißlinie, ein scharf absetzender Schatten
geben unmittelbar den Charakter des Fetten, Weichen oder des
hart muskulösen Fleisches oder die Falten der Haut wieder. Die
') Das Monogramm Riberas auf dem Stich „Ruhe auf der Flucht" Carolus Sarazenus
Inuent. F. v. Wyn. exe. ist eine eigenmächtige Hinzufügung Wyngaerdes. (vergl.
Bartsch XX. 87). 2) vergl. Einleitung.
59
Umrißlinie ist mit der größten Lebendigkeit und Elastizität ge-
führt, im Licht ganz zart, oft kaum merkbar, dann vom Schatten
des dunkeln Hintergrunds verschlungen, häufig aussetzend oder
in die Form einbiegend. Die breiten Halbtöne sind durch lange,
gleichlaufende Linien gebildet."
Dem gegenüber ist jedoch das zu beachten, was bei den
Studienköpfen (B. 8 und 9) über Riberas Radiermalerei gesagt
wurde. Bemerkt sei noch, daß Ribera mit gekreuzten Linien äußerst
sparsam verfährt und den Schatten lieber durch bald enge, bald
weiter geführte Parallestriche nuanciert.
Die zeichnerische Vortrefflichkeit der Radierungen Riberas blieb
nicht unausgenutzt. Einzelne Teile wurden in einer „Zeichen-
schule" verwertet, vor allem Details aus B. 4 und 13, B. 15 — 17.
Der Titel dieser Zeichenschule lautet (S. i.).
Livre
de
Portraiture
receuilly des oeuvres de Joseph de Riuera
dit TEspagnolet
Et Grave ä l'eau forte par Louis Ferdinand
A Paris 1650 chez Nicolas Langlois Rue Sainct Jacques a la Victoire
[Neu herausgegeben wurde das Buch in Madrid 1774.]
Der Inhalt :
Bl. I. Das zitierte Titelblatt. Bl. 14. Dasselbe in Durchführung.
2. 4 Kopfmaße. Hinzugekommen noch der Fuß
3. 6 Augen. des Henkers B. 6.
4. 7 Augen. ,j Hieronymustorso B. 3.
5. 12 Mund und Nasen. Hand mit Griff der Trompete
6. B. 16. Gegendruck r. Hälfte. g ,
7. B. 16. Gegendruck 1. Hälfte. ,t j • •
' ^ Hand mit emem Blatt.
8. B. 17. I. a.
g j 1 Silensarm mit Schale. B. 13.
10. 4 Köpfe von Jünglingen und 16. Hieronymi linker Arm mit Stein
ein Greisenkopf. i° Umriß und Durchführung.
11. 8 Füße. Arm des Faun, der den Schlauch
12. 6 Hände. 3 im Umriß, 3 in preßt. Der andere Arm dieses
Durchführung. Faun. Die Kinderhand mit
13. Unterkörper des „Silen", die Schale (aus B. 13).
Beine des Hieronymus B. 4, 17. Füße des Hieronymus in Umriß
alle in Umriß. und Durchführung B. 5.
6o
Bl. 18. Der Engel mit der gewundenen Bl. 20. Bartholomäusschinder B. 6.
Posaune B. 4. 21. B. 8.
19. Ein Putto in 2 Ansichten. 22. B. 9.
II. Diese „Schule" stach G. Valk nach. Der Titel in den
ersten 5 Zeilen wie bei I. dann heißt es : G. Valk Excudit.
Hinzugefügt sind noch 2 Blätter :
23. Reuiger Petrus. Halbfigur aus B. 7. 24. Der Dichter.
III. Valk stach noch eine andere Schule nach, deren Haupt-
bestandteil aber Zeichnungen nach einem anderen Meister aus-
machen. Genannt wird dieser hier Palma giovane. Mir scheint
es scheint aber viel eher ein Bologneser Maler zu sein, und wenn man
einen Namen nermen soll: Guercino. Vielleicht bezieht sich auf
diese Folge die bereits erwähnte Äußerung Gandellinis.
Auf dem ersten Blatt Halbfigur eines Mannes in Profil, der
auf eine Tafel, die links auf einer Staffelei steht, folgenden Titel
geschrieben hat :
Tabulae
De Institutionibus praccipuis
ad
Picturam
Necessariis ac Inventae
Per
Josephum River Spaniolette
et Jacomo Palma
Gerardus Valck Excudit
op den Dam
— tot Amsterdam
Mir sind 23 Blatt dieser Schule bekannt. Für uns kommen nur
die ersten Blätter in Betracht, die vor allem aus dem Livre de
Portraiture Blatt 2, 3 und 8 bringen.
IV. Schließlich ist noch eine Zeichenschule, aus 12 Blatt be-
stehend, zu erwähnen, die gewissermaßen eine Auswahl aus dem
Livre de Portraiture mit einigen Varianten bietet.
I. Der Dichter B, lo nach links.
Auf dem Felsblock liest man
Joseph Riber
espanöl
invenit
6i
2. Augen. 7. B. 9 nach links.
3. Ohren. 8. Hände.
4. Mund, Nase, Profil. 9. Füße.
5. Köpfe von Silen B. 13; B. 8; 10. Beine des Hieronymus B. 4 und
Antikenkopf. des Silen B. 13.
6. Kopf des Hieronymus in der 11. B. 5 ™it Varianten, vor allem
Wüste B. 5, eines Greises, des fehlt die Trompete.
Schinders. 12. B. 6 Mittelteil nach links.
5-
In die Zeit des Silenbildes, oder besser gesagt wohl etwas vor-
her, fällt die Entstehung des leider verschollenen Gemäldes „Sim-
son und Delila".i) Glücklicherweise ist uns aber noch eine köst-
liche Studie zu dem Werk in einer Zeichnung des Museums von
Cordoba erhalten, die völligen Aufschluß über die Komposition des
Gemäldes gibt.
Die Handzeichnung des Meisters ist sehr sorgfältig mit Blei-
stift und Rötel ausgeführt (br. 39,7 cm, h. 28,0, Abb. 5).
Simson, ein Mann von wirklich herkulischem Körperbau, liegt
schlafend am Boden; der Köper so gedreht, daß seine Ebene
parallel der des Beschauers ist. Er ruht mit seiner linken Seite
an den linken Oberschenkel Delilas angelehnt. Delila selbst sitzt
auf drei mit Quasten verzierten Polstern. Simsons Oberarm liegt
auf dem linken Oberschenkel der Gattin, während sein Unterarm]
schlaff herabhängt. Seinen unschönen — im Gesicht etwas auf-
gedunsenen ■ — Kopf hat er auf die linke Seite geneigt, die Beine
etwas nach hinten weit ausgestreckt. Er trägt einen leichten Leder-
panzer, die die Modellierung der Brust vollkommen durchblicken
läßt.
Ganz vorzüglich ist die Gelöstheit des gewaltigen Körpers im
Schlaf ausgedrückt. Durch das halbtote Aussehen wird man an
einen Christus einer Pietä, erinnert; jedoch hat die ganze Lage
mit der seitlichen Drehung und dem aufliegenden Arm — wo-
durch sehr geschickt der Eindruck der latenten Kraft erregt und
der des völlig Leblosen vermieden wird — noch viel mehr mit
der des Silens gemein. Fast möchte man ihn als Pendant auf-
^) Zusammen mtt einem ebenfalls verschollenen Gemälde ,,Jael und Sisera" früher
im ,, Spiegelsaal" des Madrider Palastes vergl. auch Justi, Velasquez I. 274.
62
fassen. In beiden Fällen interessierte den Künstler die Wieder-
gabe eines schweren, ungefügen männlichen Körpers, namentlich
aber die Darstellung eines verschobenen, hängenden Bauches.
Diesem Problem opferte der Meister gern jede äußere Schönheit.
Über Simson beugt sich von hinten her ein in starker Ver-
kürzung gesehener Philister weit vor, der im Begriff ist, mit dem
Messer in seiner Rechten Simsons Vorderschädel glatt zu rasieren.
Dalila, das Weibchen. Eine völlig correggeske, sinnliche Ge-
stalt. Namentlich ihr Köpfchen erinnert an den großen Italiener.
Sie sitzt auf Polstern, bekleidet mit Rock und Leibchen; das dünne
Hemd läßt ihren Busen durchfühlen.
In ihrer nach unten ausgestreckten Linken hält sie einen Geld-
beutel und weist, sich etwas nach links biegend, mit einer Viertel-
drehimg nach dem Beschauer, mit der erhobenen Rechten nach
links. Ihren Kopf wendet sie nach rechts in Dreiviertelansicht zu
einem Krieger, dem sie einen Befehl zu geben scheint. Der Körper
des Weibes ist sorgfältig modelliert, eine wirklich correggeske
Sinnlichkeit ausströmend, nur der rechte Arm wirkt etwas plump.
Der bärtige Krieger, zu dem sich die Treulose wendet, kommt
von rechts herbeigeeilt, bhckt nach dem Schlafenden und ist im'
Begriff, mit der Rechten sein Schwert zu ziehen, das er in der
Linken hält. Er trägt einen Lederpanzer, der an den Schultern durch
metallene Achselstücke zusammengehalten wird ; auf dem Kopf einen
Helm mit herabgesenkten Backenklappen. Die Arme sind nackt,
nur werden oben die Enden des kurzämeligen Hemdes sichtbar.
Zu seinen Füßen eine kauernde männliche Gestalt, in der Tätig-
keit nicht recht klar; übergreifende Rechte, nach Simson den,
Kopf wendend.
Links im Hintergrund wird ein Soldat — wie der erste Krieger
gewappnet — mit dem Oberkörper sichtbar. Mit seiner über-
greifenden Rechten schiebt der Bursch einen Vorhang zurück und
hält in der Linken horizontal ausgestreckt den Degen. Der Vor-
hang gehört wohl zum Bett, das links erscheint. Rechts ragen
Speere in das Bild hinein, auf weitere Krieger schließen lassend.
63
Das Ganze wirkt recht lebendig. Die Hauptlinie wie beim:
„Silen" eine sanfte Diagonale. Das Breitformat selbstverständlich.
Jedoch finden sich hier noch mehr Ungeschicklichkeiten als bei
dem Silen von 1626. Hier wie da das in eine Ebene gedrängte.
Reliefmäßige.
Der Endpunkt der Diagonale auch hier nicht glücklich be-
zeichnet : die ganz verzettelt wirkende Figur des Kriegers im Hinter-
grund links. Übel auch, wie der scherende Philister zwischen
Delilas Arm und Simsons Kopf und Schulter eingepreßt erscheint.
Freilich muß man bedenken, daß es nur eine Zeichnung und kein
ausgeführtes Gemälde ist.
Höchst interessant der Vergleich nüt dem Rembrandtschen
Werk gleichen Inhalts aus dem Jahre der Riberaschen Silens-
radierung: 1628. (Berlin, Kaiser Friedrich Museum) Auffallend
— um mit dem Kleinen zu beginnen — die Verwandtschaft im
Motiv des beim Vorhang lauernden Soldaten. Auch hier das
Hauptlicht auf dem Antlitz Delilas. Aber welche Genialität bei
dem 22 jährigen Rembrandt! Da ist nichts von Relief mäßigem, mit
jeder Figur geht es mehr in der Tiefe. Und zu dem einq ein-«
fächere, straffere Komposition. Keine Person unentbehrlich. Alles
viel dramatischer, aufgeregter, spannender. Nicht zum geringsten
ist dies alles durch das Hochformat erreicht, durch die äußere
steile Diagonale, die als Hauptlinie vom oberen Vorhangende über
den Kulissenkrieger, .den Saum des Vorhangs, Delilas Kopf zu
ihrem Fuß sich senkt. Ein ganz ungemein berechnetes Bild, auf
dessen weitere Feinheiten hier nicht eingegangen werden kann.
Trotz alledem vidrkt Rembrandt aber hier im Grunde ebenso leer
wie Ribera; es ist halt auch beim ihm alles gestellt: ein „Lebendes
Büd".
Noch vor der Simsonzeichnung entstanden ist die kleine
feine Rötelstudie zu einem hl. Michael, ebenfalls im Museum von
Cordoba. Der Erzengel, geflügelt, in der erhobenen ausholenden
Rechten das Flammenschwert schwingend, in der Linken den Schild
tragend mit der Aufschrift QVIS VT DEVS, steht mit dem rechten
Fuß auf dem Rücken eines Verdammten. Sein linker Fuß schwebt
in der Luft. Der Himmelsbote scheint mit dem Verdammten durch
64
die Lüfte zu sausen, ihn in die Hölle hinabzupeitschen. Des Engels
Haupt ist gesenkt, beschattet von der Eisenhaube. Er trägt einen
Lederpanzer, der in Form und Behandlung ganz dem Simsons
gleicht. Unter dem Panzer flattert ein helles Untergewaud im
Wind. Der Gefallene ist eine nicht in allen Teilen gelungene
Aktstudie in stärkster Verkürzung; trefflich modelliert ist der
Rücken. Die Rechte greift nach dem Kopf, jedoch ist gerade
hier die Verkürzung mißglückt. Peinlich auch, daß das linke Bein
fast völlig verschwindet.
6.
Das derbe Trinklied, das uns aus dem „Silen" von 1626 ent-
gegentönt, ist jedoch nicht die einzige Melodie, die der Künstler
in diesem Jahre angestimmt hat. Fremd allem irdischen Genuß
und ganz in der Gottheit aufgehend, zeigte er uns bereits den Peters-
burger Hieronymus; vor allem aber von mächtigstem Pathos ge-
tragen ist seine „Magdalena in Extase" in der Academia de S.
Fernando in Madrid. (Abb. 8.)
Bez. Jusepe de Ribera
espaiiol F. 1626.
Dieses in seiner Auffassung so tiefe, alle andern Darstellungen
des Themas weit hinter sich lassende Werk ist leider nicht mehr
zum besten erhalten. Restaurationen machen sich an vielen Stellen
recht störend bemerkbar.
Wiedergegeben ist eine Verzückung der büßenden schönen
Sünderin, die der Legende zufolge sieberunal des Tags von Engeln
in die Lüfte erhoben worden sein soll.
Wir erblicken die Heilige im freien Äther auf einer Wolke, die
von Engeln getragen wird, knieend, nach rechts gewendet, mit
großen voll aufgeschlagenen Augen nach links oben blickend, die
Hände auf der Brust gekreuzt. Ihr prächtiges braunes Haar fließt
in großen Wellen über ihren Nacken herab. Störend der harte
Kontur des etwas langen Halses.
Die ganz jugendliche Heilige, eine kaum erblühte Jungfrau,
trägt ein zerrissenes, härenes Gewand, darüber einen roten Mantel,
der in den Lüften flattert.
Tafel VIII
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Braun A Clement
Abb. 8 EXTASE DER HL. MARIA MAGDALENA
Madrid Ac. de S. Fernando
65
Wundervoll die Putti, die in keiner Weise hinter denen eines
Tizian oder Rubens zurückbleiben. Vorn rechts trägt einer auf-
blickend in der erhobenen Linken die Geißel, neben ihm einer
das Salbgefäß und weiter hinten ein anderer einen Totenkopf;
wieder andere halten Magdalenas Mantel.
Tief unten erblicken wir Marseille, als Modell hat der Nea-
politaner Golf gedient. Am Himmel Wolken. Die Färbung etwas
schwer. Bei den Engeln fällt bereits das durchscheinende Rot
und die roten Konturen auf.
Justi rühmt das Bild außerordentlich. i) „Das erste Beispiel
jenes schwermütigen Frauentypus, der bei ihm viele Jahre lang
wiederkehrt, mit seinen großen dunklen träumerischen Augen und
den langen Händen rrüt den dünnen Fingern; in ruhigem Zauber
kaum von italienischen Malern dieses Jahrhunderts erreicht."
7-
Aus dem Jahre der Silensradierung stammt das tiefernste Ge-
mälde „Sebastian von den Frauen gepflegt". Nr. 331 der Peters-
burger Eremitage. (1,56x1,89, Abb. 9.), bez.
lOSEPH A' RffiERA HISP=
VALETIN. SET— BE ACC.
ROM^ PATENOPE F.
1628.
Nicht in allen Teilen tadellos erhalten. (Mantel Irenens, Lenden-
tuch rechts.) Der von den Pfeilschüssen zu Tod verwundete gold-
lockige, in den Zügen noch knabenhafte Glaubensheld liegt fast
horizontal auf dem Rücken, die Beine nach links ausgestreckt;
seine Linke hängt hoch am Baumstumpf festgebunden, die Rechte
ruht am Boden. Nur ein Lendentuch bedeckt die Blöße des Hei-
ligen. Links neigt sich Irene, eine Frau mit edlem, an griechische
Vorbilder gemahnenden Kopf, knieend über Sebastian, im Begriff
einen Pfeil aus seiner Brust zu entfernen. Ihre älthche Begleiterin,
die neben ihr steht, trägt eine Balsamflasche. Das Licht kommt
') Justi, Velasquez I, 293.
Mayer, Juscpe de Ribera (Lo Spagnoletto). r
66
von links, geht über Irenens Antlitz und fällt ziemlich voll auf den
Heiligen. Das starke Streben nach Plastik ist unverkennbar.
Das fast völlig Geruhte in dem Märtyrer erschien aber dem
Künstler doch als zu wenig heldenhaft. Für die Folge gibt er den
Oberkörper in aufrechter Haltung wieder, was das Zusammen-
brechen viel wirksamer und deutlicher macht : er ist erst im Be-
griff, seine Kraft zu verlieren. In dieser Fassung bekommt die
Gestalt mit den hochgereckten Armen etwas von einem Aufschrei.
In dieser Form wurde Riberas Sebastian sehr beliebt und vielfach
nachgeahmt. Ein Original Riberas, das uns den Heiligen mit den
beiden Frauen in der neuen Fassung zeigt, ist uns nicht mehr er-
halten.
Das Petersburger Bild (Eremitage 330. 1,18X1,06) scheint der
bläulichen Kamation im Sebastiankörper und der rötlichen Schatten-
töne wegen mehr auf Giordano hinzudeuten. (Ganz sicher von
diesem ist ja das Dresdener Bild Nr. 479.)
Aber auch das Gemälde im Valencianer Museum macht den
Eindruck einer Kopie (vor allem flüchtigere, breitere Behandlung,
andere Färbung).^)
Diese Sebastiansdarstellungen zeigen uns die andere Seite im
Gefühlsleben jener Zeit, die Neigung zum Empfindsamen. Neben
der Wiedergabe entsetzlichster Martyrien versenkte man sich gern
in Stoffe, die ein stark lyrisches MonT,ent in sich tragen, ja man
legte es sogar wie bei dem hl. Sebastian erst nachträglich hinein.
Dieses Ermatten war ein neuer Reiz. Und so genoß man neben
einem brillanten AUegro furioso auch einmal gerne ein solches
gedämpftes adagio in Moll.
Welch ein Wunder noch, daß Ribera diese Stimmung auch in
der umgebenden Natur auszudrücken versuchte, daß er seinen todes-
matten Helden in eine Nachtlandschaft setzte, am Himmel des Mon-
des magre Sichel erscheinen ließ, über die dünne Wölkchen ziehen;
Die Einzelfigur des Heiligen aus des Meisters reiferer Zeit, 1636.
') Die Haltung des Riberaschen Sebastian hat ein Nachahmer für einen Bartholomäus
benutzt: „Vorbereitung zur Bartholomäusmarter" in der Gallerie Harrach- Wien. Das aus
S und R bestehende Monogramm des Künstlers ist weder das Salv. Rosas noch das
Riberas.
(Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum 405 B. h. 2,—, br. 1,49.) Bez.
Jusepe de Ribera .... panol
F 1636.
Das Gemälde hat nicht unwesentlich gelitten. Das Lendentuch
ist fast völlig neugemalt.
Neben dem ganz gestillten Petersburger Sebastiansbild malte
Ribera im gleichen Jahre die grandiose, von gewaltigstem Pathos
erfüllte Andreasmarter (im Museum von Budapest, Abb. 10). Bez.
Josep. ä Ribera hispanus
Valentinus Setaben. Acc° Rom.
Partenope F.
1628.
Dargestellt ist der letzte Augenblick vor dem Martyrium. Der
greise Heilige, in fast verlorenem Profil, ist im Begriff auf das
Kreuz gebunden zu werden; schon ist sein rechter Arm festgemacht,
sein linker wird eben vom Henker festgeschnürt; sein linker Fuß
steht noch auf der Erde. Da hält ihm noch, zum letzten Male,
der heidnische Priester eine vergoldete Statuette des thronenden,
blitzeschleudernden Zeus entgegen und ruft : Bekenne ! Aber er
weist das zurück; die noch freie Linke in Sprechgebärde ausge-
streckt hat er den Blick hinaufgelenkt zu seinem Gott, für den
er in den Tod gehen will.
Der Heilige nur mit einem Lendentuch bekleidet, das mit
einem Strick zusammengehalten wird. Der Oberkörper weit zurück-
gelehnt.
Rechts beugt sich ein Heide neugierig vor. Links die mächtige,
vollkommen ruhige Profilfigur eines bärtigen römischen Fahnen-
trägers, der verachtungsvoll auf den Apostel niederblickt. In seiner
Rechten hält er die Purpurfahne.
Die Lanzen eines Kriegertrupps werden noch sichtbar, ein Soldat
im Hintergrund scheint einen Freund des Märtyrers zurückzuweisen,
der ganz in seinen Mantel gehüllt mit klagendem Ausdruck ge-
naht ist.
Bleibt auch der Himmel mit dunklen Wolken verschlossen, so
ist doch der Körper des Heiligen, vornehmlich sein Antlitz, von
5*
68
hellstem Licht Übergossen, während alle andern in Dunkel ge-
taucht sind, und nur hie und da ein Lichtblitz aufsprüht.
Die „Andreasmarter" im Palazzo Corsini in Florenz, 107, wohl
ein mäßiges Schulbild. Kniestück. Ein gewappneter Krieger rechts
entblößt mit der Linken die Brust des weißbärtigen Apostels, der
die Hände ergebungsvoll ausstreckt. Links ein schwarzlockiger
Jüngling, der auf den verklärt in die Ferne blickenden Heiligen ein-
spricht. Fleischtöne stark braun.
Einen sehr bedeutenden Fortschritt in der Gesinnung gegen
die Bartholomäusmarter -Radierung von 1624 bedeutet das Gemälde
im Prado (989, h. 2,31, br. 2,34) von 1630. (Abb. 11.) Bez.
Jusepe de Ribera espafiol
1630.
Das Bild hat sehr stark gelitten und ist übel restauriert.
Zwei Henker sind im Begriff, den Heiligen, der in den Hand-
gelenken an die Enden eines Holzbalkens, der durch Stricke in
Verbindung mit einem großen Holzstamra steht, zum SchindenJ
emporzuziehen, gerade wie wenn man ein Segel hißt. Wir haben
es also nicht mehr mit der Marter selbst, sondern nur mit der
weniger gräßlichen, dafür um so spannenderen Vorbereitung zur
Exekution zu tun.
Das Gesicht des Heiligen gleicht dem eines Galeerensträflings :
abgezehrt, hervorstehende Backenknochen, kurzes schwarzes Haar,
Schnurrbart, rötliche Nase. So jung wie hier erscheint der Märtyrer
sonst nirgends. Den Kopf wendet er — leicht auf seine rechte
Schulter neigend — empor, und blickt schmerzlich mit geöffnetem
Mund zum Himmel. Sein rechtes Bein ist stark gebeugt, nur noch
mit den Fußspitzen die Erde berührend, der linke Unterschenkel
wird von einem Henker gepackt. Der Heilige ist nur mit einem
dunkelgrünen Lendentuch bekleidet, das ein Strick zusammenhält.
Der Körper ist schwer : die beiden Henkersknechte ziehen mit der
größten Anstrengung. Der vordere, eine Rückenfigur, mit etwas
gebeugten Knieen. Der den beiden behilfliche Dritte, in starker
Verkürzung gesehen, sich vorbeugend nach dem Heiligen, mit ge-
Tafel X
Phot. Hanfataengl
Abb. 10 MARTER DES HL. ANDREAS Budapest
Tafel XI
Phot. AüdcrsoQ
Abb. 11 MARTER DES HL. BARTHOLOMÄUS Madrid Prado
69
geöffnetem Mund den Kopf wendend, in Rot gekleidet, ist der eigent-
liche Schinder, worauf das Messer am Gürtel hindeutet.
Nach rechts steigt das Ganze. Ein gepanzerter schwarzbärtiger
Krieger betrachtet mit offenem Mund auf den Ellbogen gestützt
die Szene, ebenso noch ein Alter und mehrere junge Leute. Ganz
rechts erblickt man, die Gruppe überragend, Stümpfe von kanne-
lierten Säulen und Lanzen.
Links, mehr im Mittel- und Hintergrund, sieht man auf niedri-
gerem Terrain — die Szene spielt sich also offenbar auf einem
Hügel vor einem im Bau befindlichen Tempel ab — eine andere
Gruppe, in der eine den Beschauer anblickende Frau, die ihr Kind
an der Brust hält, und ein bärtiger Marm, in Profil gesehen, vor
den andern auffallen. Der Himmel wolkig.
Der Wert des Bildes liegt vornehmlich in der außerordentlich
sorgsam durchdachten Komposition. Der Heilige im Treffpunkt
zweier Diagonalen; die Hauptschräge, die von den Säulen über den
Krieger herunterführt, wird begleitet von dem Rand des lichten
Wolkenstreifens, der gerade über dem Haupt des Märtyrers in die
dunkle Wolke übergeht, so daß nur der Kopf des Bartholomäus
völlig gegen das Licht gestellt ist. Die entgegengesetzte Diago-
nale im Heiligen selbst wird vom Henker links aufgenommen und
klingt in dem Seil rechts und in den Lanzen am rechten Rand
aus. Die erstgenannte Diagonale findet ihre Fortsetzung im rechten
gebeugten Fuß des Märtyrers und endet ihrerseits in der Grenzlinie
des Schattens auf dem Boden links.
An Donatello oder an den „Heliodor" wird man erinnert durch
die Verteilung der Zuschauermassen : der tiefliegenden Gruppe links
entspricht die hoch hinaufgetriebene rechts.
Der Eindruck des weiten Raumes wird dadurch verstärkt, daß
der Holzstamm wie die Stricke im Bild nur bis zu einer mäßigen
Höhe sichtbar sind. Das verfolgende Auge geht unwillkürlich noch
weiter hinauf. Ebenso tragen die Lanzen und die vielen die Luft
durchschneidenden Stricke dazu bei, die Vorstellung eines wirk-
lich luftigen, von Leben erfüllten Raumes recht eindringlich zu
machen. ;
In BerUn, Kaiser-Friedrich-Museum 416. eine alte Kopie, nach
70
dem Katalog ein Werk der zweiten Hälfte des XVII. Jahrhunderts
aus Murilloschem Kreis. Hier alles weicher, zerflossener. Das
Bild nach rechts weiter fortgeführt. Die Lanzen fehlen ganz, statt
der Säulen eine obskure Kulisse. Links schneidet das Gemälde
früher ab.
Aus derselben Zeit ungefähr stammt auch die ,, Marter des Hl.
Laurentius", wiederum keine eigentliche Marter, sondern nur die
Vorbereitung dazu. Das Originalgemälde ist wohl verschollen; denn
wenn auch das Exemplar in der Vatikanischen Pinakothek am
ehesten von allen Repliken den Anspruch erheben darf als eigen-
händiges Werk zu gelten, so ist es doch nicht über jeden Zweifel
erhaben.
Der bis auf ein Lendentuch völlig entkleidete jugendliche, bart-
lose Heilige ist nach rechts in die Knie gesunken. Die Rechte
hoch erhoben, die Linke in Redegebärde ausgestreckt blickt er
offenen Mundes mit seinen großen Augen gläubig, vertrauensvoll
zum Himmel : Sieh, dir weih' ich mich ganz 1 Am rechten Hand-
gelenk packt ihn ein Scherge, links unten kniet ein anderer, mit
entblößter Brust wie der erste, die Kleider des Märtyrers aufraffend.
Über ihm ein bärtiger Mann, der Holz herbeischleppt für das Feuer
des Rostes, mit dem sich ein anderer im Hintergrund beschäftigt.
Ganz rechts eine alte, bärtige Profilfigur neben einem Mann mit
einer Kapuze ,über dem Kopf.
Deutlich ist der edJe Jüngling von den gemeinen Henkern ge-
schieden, außerordentlich bereits die Leuchtkraft des bernstein-
farbenen Fleisches.
Das Bild der Dresdener Galerie 686 (2,06X1,54. Abb. 12) steht
beträchtlich unter dem römischen. Die Angabe des Dresdener
,yAbreg^ von 1782", das Bild sei für den Herzog von Osuna gemalt
gewesen, der es bei seinem Sturz an einen Hamburger Privatmann
verkauft habe, kann nicht ernst genommen werden.
Das Bild, nicht unerheblich restauriert, nicht so stark gedunkelt
wie das römische, zeigt ganz das schwere Kolorit der Frühbilder
Giordanos, für den ich diese Replik in Anspruch nehmen möchte.
Der Lorenzkörper ist hier bei weitem nicht so gut durchmodelliert
als in dem Vatikanischen Bild.
71
Fast ganz verdorben ist die an mehreren Stellen eingerissene
Kopie in der Kathedrale von Granada (oben am Altar Jesus Naza-
reno). Eine Kopie in der Kathedrale von Saragossa.(?) i)
9-
Im gleichen Jahr wie die Madrider Bartholomäusmarter ent-
standen ist auch der „Archimedes" im Prado. Dieses Gemälde
eröffnet für .uns den Reigen der Philosophenbilder, die Ribera
vor allem im Lauf der dreißiger Jahre gemalt hat. Der Bettel-
philosoph. Ein Typus, von Ribera geschaffen wie der auffahrende
Hieronymus, der geschundene Bartholomäus; wie diese sofort viel
bewundert und nachgeahmt. Die Philosophen des Velasquez, vor
allem seine herrlichen Spätwerke, gehen auf Schöpfungen Riberas
zurück.
Und mit den j, Philosophen" zusammen zu nennen sind die
„Apostel", die nur eine Abart der ersten Gattung sind. Alle diese
Bilder sitid aus einem Gefühl entstanden, aus der Freude am:
Robusten, Charakteristischen. Die Gemälde sind nicht als einzelne
für sich bestehende Kunstwerke gedacht, sondern stets als Zyklus,
als eine Reihe von dekorativ zu verwendenden Studien. Wie
man in alten Zeiten die Gärten mit Hermen und Büsten von Cäsaren
und Philosophen geschmückt hatte, so hing man nun in den Sälen,
den „Galerien" der Palazzi diese Philosophenbilder auf. Es sind
eine Unmasse derartiger Gemälde erhalten, sehr interessant ein
großer Saal bei Sr. Ramön-Marotö in Palma, der geradezu mit
solchen Bildern tapeziert ist.
Es ist ja klar, daß auch diese Dinge unter Riberas Hand zu
wirklichen Kunstwerken .wurden. Die besten seiner Philosophen-
bilder befinden sich im Prado, in Genua und in Wien.
Da bei diesen Studien es dem Künstler fast ausschließlich auf
den Kopf ankam, so ist alles andere nur summarisch behandelt.
Der Maler wirft dem Modell irgend ein Tuch um, häufig aus
vielen Lappen ^zusammengesetzt, stellt sich seinen Mann zurecht,
bald de face, bald etwas mehr theatralisch: Körper seitlich, Kopf
^) In der Gallerie Aguado war auch ein Exemplar, cf. Charles Gueulette: Les
peintres espagnols. Paris 1863. (Bibl. d. B. — A.) S. 99.
72
de face nach dem Beschauer, befiehlt dem Gesell' bald zu grinsen,
bald ein finsteres Gesicht zu machen, was beides gleich unheim-
lich wirkt, drückt ihm ein Buch, ein Pergament oder einen Zirkel
in die Hand und — alles ist fertig zur „Aufnahme".
Gleich das erste uns bekannte derartige Werk, der lachende
,,Archimedes" des Prado (loio, h. 1,25, br. 0,81, Abb. 14) ist ein
Meisterstück. Bez.
Jusepe de Ribera espa"°'
F. 1630.
Ein unheimlicher |Schwarzbärtiger, großohriger Kerl, breit grin-
sind, in ,der erhobenen Rechten den Zirkel, in der auf dem Tisch
ruhenden Linken ein Papier mit Zeichnungen haltend.
Die beiden andern Philosophenbilder des Prado, 1009 und loii,
gehören zeitlich 2u dem Archimedes. Alle weisen die bekannte
schwer rötliche Kamation auf. Besonders häufig ist 1009, ein
stehender zeichnender Philosoph mit entblößter Brust, kopiert wor-
den (zwei Kopien bei Sr. Marotö in Palma, eine bei Sr. Conde de
Sallent in Madrid). i)
Der Bettelphilosoph in der Galerie Corsini (Nazionale) in Rom,
dort „Bildnis ;eines alten Arbeiters" genannt, früher Strozzi, jetzt
Ribera zugewiesen, ist eine tüchtige Imitation von Giordanos Hand.
Auch die vier Philosophenbilder der Sammlung La Gaze im Louvre
(1726 — 1729) gehen auf Giordano zurück, wahrscheinlich auch der
größte Teil der Gemälde dieser Art bei Sr. Marotö in Palma, vor
allem „Sokrates, sich im Spiegel betrachtend" (in zwei Repliken
vorhanden).
Gute Schulbilder die zwei Philosophen im Kapitelsaal des Esco-
rial (bei dem einen liest man auf dem Buchrücken HISSOPO) ;
eine große Anzahl Schulbilder in England in Privatbesitz wie in
großen Galerien (Glasgow, Edinburgh). Den ,, Archimedes" in
„Alton Tower" rühmte Waagen") von kräftiger Wirkung und vieler
Bravour. Schulbild auch der „Philosoph" im Hampton Court Palace
') Bei Simonetti in Rom sah ich Frühjahr 1906 zwei echte Philosophenbilder, beide
signiert: ein ,, Geograph" und ein „Archimedes", letzterer stark gedunkelt. ') Waagen,
Kunstwerke. II. 462. 463.
73
(im Katalog von 1907 unter Nr. 478 als „a Scholar with a Map"
bezeichnet).
Nicht von Ribera der „Schmied" Dulwich Gallerie 233 (299)
früher Caravaggio, jetzt Ribera zugewiesen. Ein ausgezeichnetes
Gemälde, jedoch mit dem warmen goldgelben bis bräunlichen Fleisch-
ton und den braunroten Schatten mehr auf einen andern tüchtigen
Neapolitaner oder Sizilianer Meister des Seicento (Morrealese ?)
weisend.
Die Apostelbilder .unterscheiden sich wie gesagt so gut wie
gar nicht von diesen „Philosophen". Der „hl. Rochus" und der
„ältere Jacobus" in der Pradogalerie, beide aus dem Jahr 1631
stammend, können als Musterbeispiele dienen.
Der hl. Rochus (1000, h. 2,12, br. 1,44),
bez. rechts Jusepe de Ribera
espanol F. 1631.
ganze, lebensgroße Gestalt; schwarzbärtig, die Linke auf ein Posta-
ment legend, ,in der Rechten den Stab haltend, mit dem er das
Gewand zurückgeschoben hat, um die Pestbeule zu zeigen; be-
gleitet von einem weiß- und schwarzgefleckten Hund mit einem
Brot im Maul.^)
Die Halbfigur des hl. Rochus (ebenda looi, h. 1,26 br. 0,93)
ist stark gedunkelt. Der Kopf, ernst im Blick, ist etwas edler
als der von 1000.
Jacobus der Ältere, ein einfältiger, kläglicher Bettler. (Prado
974, h. 2,02, br. 1,46.) Bez. an der zweituntersten Treppenstufe
Jusepe de Ribera espafiol F.
1631.
Der Apostel steht am unteren Ende einer Treppe, auf deren letzte
Stufe er den rechten Fuß gestellt hat. Er blickt mit dem Pilger-
stab in der Rechten, in der herabhängenden Linken ■ — der linke
Unterarm ruht auf dem Treppenpfosten — eine Schriftrolle haltend,
nach links oben. Sein dunkles Gewand läßt rechte Schulter und
Brust frei. Er macht mit seinem hilflosen Blick und dem schlecht
') Justi, Velasquez I. 273 meint, Rochus besitze einen tückischen Ausdruck, was
ich nicht finden kann.
74
gepflegten Bart einen jämmerlichen, mitleiderweckenden Eindruck.
Die Kamation wie beim Hl. Rochus schwer rötlich.
In diesen Jahren wird wohl auch der Cyklus von Halbfiguren
entstanden sein ,Jesus als Salvator Mundi" mit den Aposteln Petrus,
Paulus, Andreas, Felix, Jacobus d. Ä., Bartholomäus, Thomas,
Matthäus, Simon, Jacobus d. J. (Prado 955 — 958, 961 — 964, 967,
968, 971, 972.) Diese Serie hing früher ebenso wie die noch weiter
unten zu erwähnenden Apostelbilder im Casino del Principe beim
Escorial. Die Gemälde sind durchschnittlich 75 cm hoch und
65 cm breit.
Die ganze Art der Auffassung, der Zusammenhang mit den
„Philosophen" wie der schwer rötliche Fleischton weisen uns auf
die ersten dreißiger Jahre als wahrscheinlichste Entstehungszeit.
Der „Erlöser" (Abb. 17) fällt durch den stark jüdischen Typus
auf; dieses jugendlich schwermütige Gesicht mit den mandelför-
migen Augen, dem Schnurrbart, schüchternen Bartansatz unter der
Unterlippe und kurzem dunklen, das Gesicht einrahmenden Bart
werden wir später bei dem ,,Franziscus auf den Dornen" in Dresden
wiederfinden.
Die Haltung sehr ruhig und feierlich; Gesicht vollkommen de
face. Die Linke auf die Weltkugel legend, segnet Christus mit
der erhobenen Rechten die Schar seiner Gläubigen, die Welt.
Er trägt einen einfachen roten Rock, über den auf der linken
Seite der dunkle Mantel geworfen ist. Die Grenze von Licht und
Schatten bei Augenbrauen und Nase ist so scharf, daß ich an-
fangs glaubte, diese Studien in die erste Zeit von Riberas Nea-
politaner Tätigkeit setzen zu müssen.
Petrus mit bauernschlauem Gesichtsausdruck; Paulus, dem
man das Zurechtgestellte besonders anmerkt, scheint geradezu uns zu
fragen: Steh ich so recht? 958, als S. Andreas und 961 als S.
Felix bezeichnet geben dasselbe Modell in gleicher Haltung waeder.
964, Ap. Thomas, das gleiche Modell wie 970, Judas Thaddäus
genannt. Die Echtheit von 970 scheint mir sehr zweifelhaft. Das
Bild hat stark gelitten; schwer im Ton, flüchtig in der Behandlung
des Mantels. 966 Schulwiederholung von 964.
Eine der gelungensten Gestalten ist der Apostel Bartholomäus
Tafel XIV
Abb. 17 CHRISTUS ALS SALVATOR MUNDI Madrid Prado
Abb. 16 CHRISTUS UND DIE SCHRIFTGELEHRTEN
Wien Hofmuseum
75
(963, Abb. 18. 19.), ganz besonders interessant als Draperiestudie.
Der Greis hat mit den edelsten Ausdruck von allen Aposteln, schon
in der Neigung des Kopfes liegt etwas mildes, gottergebenes. In der
erhobenen Rechten hält er das Messer. Der weißgraue, leicht ins
grünliche spielende Mantel ist in der Faltengebung mit seltener
Liebe durchstudiert, ohne je kleinlich zu wirken.
Von diesem Bild eine mäßige Wiederholung aus Riberas Atelier
in der Münchener Pinakothek^) (1284) mit einer Anzahl kleiner,
aber nicht unwesentlicher Varianten. Die Drapierung ist wesent-
lich einfacher. Die Partie rechts wirkt zu leer. Der Kopf länglicher,
weniger geneigt. Vor allem aber die linke, aus dem Mantel her-
vorlugende Hand übel verzeichnet, besonders der Ansatz des Zeige-
fingers.
Prado 960, S. Juan Evangelista genannt, ist die breit hingepin-
selte Studie eines Schülers, vielleicht Giordanos. Die auf dem Buch
mit auffällig großen Buchstaben hingesetzte Firma
Jusepe de Ribera F. 1637
ist gefälscht.
Conca erwähnt in seiner Descrizione odeporica I. 181 bei der
Beschieibung der Kirche der Recoletos zu Madrid einen Cyklus
von 12 Aposteln. Eine Serie in der Galerie von Parma ist Schul-
gut. (Gall. 515, br. 0,92, h. 1,05, Petr., Paul., Andr., Jac. d. Ä.,
Joh. Ev., Thomas, Jac. d. J., Phil., Barthol., Tadd., Sim., Matth. ; die
Köpfe mit Heiligenschein); eine weitere Reihe früher bei Duca
di Marianella in Neapel. 10 Apostel. Nach Justi „gute Atelier-
arbeiten. Jacobus — der als Selbstporträt des Meisters bezeichnet
wird — am besten") neben dem etwas jugendlichen Johannes".
Auf Ribera als Vorbild geht schließlich noch der — stark über-
malte — Apostelcyklus im Kapitelsaal der Valladolider Catedral
zurück.
Schulbild der schöne Kopf, Genua Pal. Durazzo. Der braun-
bärtige Apostelkopf, Museum von Montpellier 625, scheint eher der
■) Das Kniestück 282 in der Sammlung Harrach-Wien mit gefälschter Signatur ist
eine der tüchtigsten Nachahmungen. Für Ribera zu breit und zu stumpf in den Tönen.
^) Ähnlich der Jacobus in der Sakristei von S. Filippo Neri in Neapel. Gleichfalls als
Porträt bezeichnet (h. 0,75 br. 0,65).
76
Bologneser Schule anzugehören. Schulbilder die Apostel in der
Galerie Harrach-Wien (164, 167, 230, 256, 262).
Waagen erwähnt ^) bei Mr. Matthew Anderson, Jesmond Cottage
bei Newcastle, einen Apostel Simon und einen Jacob, d. J. „of
unustially grand and earnest concepcion of broad drapery con-
formable to style and masterly handling".
In der Chatsworthgalerie ein Apostel Paulus in rotem Mantel;
Kopf gesenkt, vertieft in die Lektüre der Schriftrolle, die er in
der Linken hält, die Rechte mit dem Schwert erhoben. Das Haar
rötlich.
In die Entstehungszeit des Pradocyklus fallen auch die größeren
Studien, gleichfalls im Prado : Petrus 975, Simon 978, Andreas.
Petrus (1,28X1, — , Abb. 20) grandios in der Silhouette und in
der Faltengebung, trotzdem gerade er derjenige Apostel ist, den Ri-
bera am meisten in Positur gesetzt hat : Der alte weißbärtige Fischer
ist frisch gewaschen und frisiert worden, das Haar gewellt, der
Bart geschnitten. Ein großes gelbes Laken wurde ihm als Mantel
übergeworfen, in seine Linke ein Buch, in die Rechte zwei Schlüssel
gedrückt, die er nun recht hochhält. Dabei blickt er bei seit-
licher Körperhaltung mit fast völlig nach vorn gedrehten Kopf den
Beschauer an: „Jaja, seht nur, ich bin jetzt der Petrus".
Der Apostel Simon (1.07X0,91) scheint ungefähr 1630/31 ge-
gemalt zu sein. Er zeigt in der technischen Behandlung die größte
Verwandtschaft mit dem „Archimedes" und dem noch zu er-
wähnenden „Gambazo" ; nur daß er mit am breitesten gemalt ist.
Sehr auffällig auch der dünne Nimbus, der einzige mir bei Ribera
bekannte. Die etwas summarische Angabe eines lichten Streifens
um das Haupt der Heiligen!, z. B. Petrus, Hieronymus von 1644,
kann nicht gut als Heiligenschein ausgelegt werden, da sich dieser
Streifen auch bei dem Archimedes findet. (Es ist dies aus rein
künstlerischen Absichten hervorgegangen: Der Kopf soll sich
wirkungsvoll vom Hintergrund abheben.)
Am meisten Beifall aber fand der hl. Andreas (h. 1,27,
br. I, — ), Kniefigur wie die anderen. Die Rechte auf die Brust
•) Waagen, Galleries and Cabinetts, 481.
Tafel XVI
PLot. Anderson
Abb. 20 DER HL. PETRUS Madrid Prado
legend, die Linke leicht in Redegebärde ausgestreckt, blickt
der graubärtige lockenhaarige Heilige — in ein dunkles Ge-
wand gekleidet — zum Himmel empor: Der sich hingebende
Märtyrer. Vorn jauf dem Tisch ein Fisch, im Hintergrund das
Andreaskreuz.
Eine gleich vortreffliche Originalreplik in Dresden Nr. 688.
(Abb. 22, gleiche Größe.)
Das Madrider Bild ist etwas weicher als das Dresdener ; wärmer
im Ton, aber weniger sorgfältig durchgeführt (Modellierung der
linken Hand !), Haarbehandlung einfacher. Das Dresdener Exemplar
zeigt uns besser als manches anderes Werk Riberas, wie es der
Meister verstanden hat, durch die eigenartige Führung des fein-
haarigen Pinsels allein schon vollkommen zu modellieren.
Schulwiederholung in Neapel, Sakristei von S. Filippo Neri,
bei Felipe Villalonga in Palma de Mallorca, in Narbonne, sowie bei
Konsul Weber in Hamburg.
Weit wuchtiger jedoch wirkt die Kniefigur Prado 973. (1,23
X 0,95, Abb. 21.) Der alte Graubart steht hier, den Oberkörper völlig
entblößt, vor uns. Im hnken Arm hält er das Kreuz. Er bhckt nach
links nieder zu dem Fisch, den er an einer Schnur in seiner
Rechten hält.
Eine mäßige Nachahmung eines Riberaischen Andreas, das
Brustbild in einem Bibliothekszimmer bei der Kirche S. Andres
zu Valencia.
Ein Evangelist Matthäus aus dem Jahr 1630, den Palomino
erwähnt,^) ist verschollen. Das Bild war — auf einem Zettel —
bezeichnet :
Jusepe de Ribera espanol de la Ciudad de Xativa Reyno
de Valencia Academico Romano. Ano de 1630.
Mit dem Modell des „jüngeren Jacobus" (Prado 971) sehr ver-
wandt ist der Kopf im Museum von Solothurn. Bez.
Jusepe de Ribera /"'
1634.
•) Palomino, Mus. Pict. III. 312.
78
Die Signatur ist etwas verdächtig, das Bild selbst kann sehr
wohl ein Werk Riberas sein.
Eine ganze Sammlung von Charakterköpfen bietet uns das
Halbfigurenbild „Christus und die Schriftgelehrten". Wien K. K.
Gemäldegalerie 162 (h. 1,29, br. 1,75, Abb. 16). Links die Gruppe
von vier Gelehrten, höchst eigenartig zusammengehalten durch die
Silhouette des Mantels, den der durch die Lupe blickende Ge-
lehrte über den Kopf zieht. Christus sitzt rechts in einem Sessel,
reines Profil. Leider macht der mit der erhobenen Rechten die
Alten belehrende Knabe einen etwas dummlichen Eindruck. Man
glaubt ihm nicht recht. Rechts im Hintergrund die ernsten, fast
besorgt erscheinenden Köpfe des alten Joseph (Profil) und Marias
(de face). Am wirkungsvollsten der Unterschied zwischen dem
rotbraunen Inkarnat der Gelehrten und der helleuchtenden Fleisch-
farbe des jungen Jesus.
Eine kleinere, gute Kopie in der Bridgewatergalerie (279, 47
X67 cm), die aus der Galerie Orleans stammt. Gegen Wien die
Tönung stärker rötlich, das Ganze jedoch ohne das rechte Feuer.
Wie die „Disputation" stammt auch die „Kreuztragung" der
Wiener Galerie aus der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wil-
helm. (501, h. 1,44, br. 1,98) Halbfigurenbild. Es ist jedoch
kein eigenhändiges Werk Riberas; dafür ist es in den Formen viel
zu wenig bestimmt, zu weich, zerflossen, in den Bewegungen zu
lahm (wie Christus das Kreuz trägt! vor allem der rechte Arm
ungenügend). Das Bild ist ganz offenbar eine Arbeit Giordanos,
was auch die Typen (z. B. der Soldat ganz links) und die Färbung
beweisen.
Offenkundige Frühwerke Giordanos, die Riberas Stil nach-
ahmen, sind auch die Bilder Nr. 108 und 109 des Museums von
Bordeaux : „Eine Versarmnlung antiker Gelehrten" und die „Dis-
putation des hl. Hieronymus mit den Schriftgelehrten"; beide Knie-
figurenbilder.
Von der Hand eines mäßigen Nachahmers ist die krause
„Hieronymusdisputation" Nr. 81 der Galerie der Academia di S.
Lucca in Rom.
79
lo.
Die Freude Riberas am Chakteristischen, Eigenartigen kommt
aber vielleicht am stärksten in zwei Porträts aus jenen Jahren zum
Ausdruck: Das Bildnis der bärtigen Maddalena Ventura und das des
blinden Bildhauers Gambazo.
Das Porträt der Ventura befand sich früher in S. Ildelfonso,
kam dann in die Academia de S. Fernando, aus der es eines schö-
nen Tags verschwunden war. Auf einmal tauchte es in den acht-
ziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder auf : bei der
verwitweten Herzogin von Medinaceli. Gegenwärtig befindet es
sich im Besitz des Duque de Lerma in Madrid.
Das Bild, von jeher gerühmt, wird von den Kennern kurzweg
als „La barbosa", die Bärtige, bezeichnet. ')
Eine runzliche ältere Frau mit langem schwarzen Bart. Die
harten Züge eher männlich als weiblich. An ihrer Brust hält sie
stillend ein Kind. Ihr Gatte, ein Greis, steht hinter ihr.
In der einen Ecke liest man:
Retratto de Maddalena Ventura nacida en los Abruzzes edad
de 52 anos. Tenia 37 afios quando le empiezo a crecer una barba
larga. a tenido tres hijos de su marido Felix de Amicis. Pintado
del natural para la admiracion de los vivientes por Jusepe de
Ribera 1631.
Eine weit bedeutendere Leistung aber ist das Porträt Gambazos.
Prado 1003 (h. 1,25, br. 0,98, aus dem Escorial, Abb. 23) bez. rechts
Jusepe de Ribera
F. 1632.
Der bärtige, greise Bildhauer steht de face mit fast völlig
geschlossenen Augen an einem Tisch, auf dem ein spätgriechischer
marmorner Apollokopf liegt, den er mit beiden Händen betastet. Ge-
kleidet ist er in einem einfachen schwarzen, etwas zerschlissenen
Rock; an den Ärmeln unten wie am Hals kommt das Hemd zum
Vorschein.
Ganz vorzüglich ist der Gesichtsausdruck gelungen; man spürt
die geistige Arbeit, die gesammelte, angestrengte Tätigkeit des
*) cf. Viardot; Les musees d'Espagne. Paris 1843. S. 175. Ausführlich be-
schrieben von Paul Lefort: G. d. B-A. II per. XXV (1882, I) S. 40 ff.
8o
Blinden, sich aus dem Abtasten der Formen ein leibliches Bild von
dem edlen Antikenkopf zu schaffen. Meisterlich die Modellierung
der Hände.
Nicht Ribera angehört der „Mann mit der Vase" bei Graf
Harrach in Wien, der eine ganz andere Technik zeigt,i) ebenso
der „Duns Scotus" Hampton Court 871 (779) ein sehr minder-
wertiges Werk. — Das Bildnis in der Braunschweiger Galerie 498
(h. 0,72, br. 0,60), das eine Zeitlang als Porträt Zurbarans galt, ist
wahrscheinlich ein Werk der Sevillaner Schule.
Das Bild „Simone Paganucci" genannt, Florenz, Palazzo Pitti
117, ist sehr gedunkelt und hängt so hoch, daß eine genaue Be-
urteilung unmöglich ist.
II.
Demselben Jahr wie der Gambazo gehören die Kolossalgemälde
„Prometheus" (Abb. 13) und „Ixion" im Prado (1004, 1005) an. Zu
diesen gesellten sich noch ein „Sisyphus" und ein „Tantalus" früher
in Buonretiro, jetzt verschollen.^)
Die Darstellung dieser vier großen Männer, die sich in frevel-
haftem Übermut zu den Göttern erhoben hatten und so schwer dafür
büßen mußten, war in jener Zeit anscheinend sehr beliebt. Eben-
falls im Prado befindet sich ein „Sisyphus" und ein ,, Prometheus"
von Tizian gemalt. Die beiden Gemälde hingen früher im kgl.
Schloß zusammen mit einem „Tantalus" und einem „Ixion", Kopien
nach Tizian von der Hand des Hofmalers Alonso Sanchez Coello.
Auch Giordano ist im Prado (223 — 225) mit einem „Prometheus",*)
einem „Ixion" und „Tantalus" vertreten, Gemälde, in denen er
Ribera nachahmen wollte.
Die vier Bilder Riberas sollen sich nach Sandrart*) früher in
Amsterdam im Besitz eines Herrn van Uffel befunden haben. Da
sich aber dessen schwangere Ehefrau Jacoba an einem der scheuß-
lichen Bilder versehen habe und eine Mißgeburt erfolgt sei, so
') Wohl Madrider Schule um 1660. ') Verloren auch ein „Laokoon" früher in
S. Ildelfonso, verschollen ein „Kampf des Herkules mit einem Kentaur" früher in der
Sammlung Lonis-Philippes zu Paris „ein Bild von widerwärtigem Eindruck" (Nagler, XIII
99). ^) Kopie nach einem Prometheus von Ribera oder Giordano in Cassel. *) Sandrart,
Teutsche .-Akademie 191.
8i
hätte der Gatte die Bilder schleunigst nach Italien verkauft; von
da sind sie später nach Spanien gekommen.
Diese Kolossalgemälde sind natürlich Arbeiten mehr deko-
rativer Art, ebenso wie die Philosophenbilder oder die „zwölf Taten
des Hercules", die Zurbaran um dieselbe Zeit für Buonretiro malte,
(h. 2,27, br. 3,01) „Ixion" bez. rechts.
Jusepe de Ribera
F. 1632.
Die Aktfiguren mit ihrem schwerrötlichen Kolorit sind bei
aller glänzenden Beherrschung des männlichen Körpers doch un-
erfreuliche Werke; sie machen mit den rohesten Eindruck im
ganzen Oeuvre Riberas.
Ebenfalls in diese Zeit gehört der ganzen Anlage und Färbung
wegen das kolossale Brustbild des hl. Christophorus, Prado 1002.
(h. 1,27, br. I, — ; aus der Kapelle des Pal. nuevo.)
Mit den oben genannten Bildern zusammen verkaufte Herr
van Uffel nach Sandrart auch einen „Cato vor Utica sich den Ver-
band abreißend". Das Kniestück dieses sterbenden, in Verzweiflung,
Wut und Schmerz laut aufbrüllenden Republikaners befand sich
früher in der Sammlung der Herzogin von Montpensier im Palazzo
Santelmo in Sevilla, (jetzt in Sanlucar de Barrameda?)
Auch hier alles Gewicht auf das rein Physische gelegt, der
Eindruck daher gleichfalls wenig befriedigend.
In die erste Hälfte der dreißiger Jahre wird wohl ein Gemälde
zu setzen sein, das nur in zwei Fragmenten auf uns gekommen ist :
„Der Triumph des Bacchus". Wie so manches Meisterwerk wurde
auch dieses Bild bei einem Palastbrand derartig mitgenommen,
daß man sich entschloß, das ganze Gemälde aufzugeben mit Aus-
nahme von vier Köpfen oder Brustbildern, die herausgeschnitten
und im Pal. Buonretiro in der Sammlung Carls III. aufgehängt
wurden: Der Kopf des Bachus und drei weitere Köpfe. Auf uns
sind nur zwei gekommen, die ,, Sibylle" (Abb. 24) und der „Bacchus-
priester", loii und 1012 des Prado.
Es war ein Gemälde mit lebensgroßen Figuren von leuchtendem
Kolorit. Wie das Bild im ganzen ausgesehen hat, läßt sich nicht
mehr sagen. Die Figuren heben sich von einem tiefroten Grund
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo SpagDoletto). 5
82
ab. Die „Sibylle", genannte Frau, macht den Eindruck einer
Zuschauerin.
12.
Wieder auf das religiöse Gebiet führt uns das Gemälde im
Kapitelsaal des Escorial „Jacob mit der Herde Labans". Bez.
Jusepe de Ribera espanol
F. 1634.
Man ist versucht die letzte Ziffer zuerst als 2 zu lesen, es ist
jedoch eine 4 (h. 1,75, br. 2,20).
Jacob in braunem Kittel, schwarzbärtig und dunkelhaarig, blickt
kniend, die Linke auf der Brust, die Rechte auf den Rücken
eines Lammes legend, zum Himmel empor. Die prachtvoll ge-
malte Herde läßt uns Ribera als ausgezeichneten Tiermaler schätzen.
Herrlich vor allem der Widderkopf rechts. Links eine FelskuUsse,
rechts Aussicht in eine weite Landschaft, in der man ganz entfernt
den schlafenden Jacob erblickt. Dies hat offenbar Müller (Dres-
den) übersehen, der die Szene als die „Berufung des Moses am
Berge Horeb" deuten wollte.^)
Das Bild war sehr beliebt, wie uns die Kopien bei Earl of Derby
(1857 in Manchester ausgestellt und als Original ausgegeben), in
der Dresdener Galerie 689 und bei Marqu6s de Palmer (Palma de
Mallorca) beweisen. Eher als bei diesem Werk möchte man bei
Nr. 244 der National Gallery in London an die „Berufung Mosis"
denken. Das Bild (h. 4ft. s/i in-, br. 3 f t. 6V4 in.) ist sehr schlecht
erhalten, so daß man Riberas Autorschaft mit gleich geringer
Sicherheit behaupten wie bestreiten kann. Jedenfalls ist das Ge-
mälde aus seinem Atelier hervorgegangen und die immer noch
ziemhch rötliche Camation macht es wahrscheinlich, daß es anfangs
der dreißiger Jahre entstanden ist. Für den Schäfer diente das
gleiche Modell wie für das Escorialbild. Unter einem Baum sitzend
hält er nach rechts oben blickend in der lässig gesenkten Linken
den Hirtenstab, die Rechte greift nach dem Lamm, das, auf ein
Tuch gebettet, auf seinem Schöße ruht. Links Ausblick in die
gebirgige Feme. Abendstimmung.
') cf. Bemerkung im Dresdener Galleriekatalog zu Nr. 689.
83
Der Baum schmiegt sich in der Bewegung an die des
Mannes an.
Waagen, der das Bild noch bei Lord Colbome sah, (aus dessen
Besitz das Gemälde 1854 in die Galerie kam), spendet ihm hohes
Lob^) „of unusual elevation of character, golden in colour and
masterly and marrowy in touch."
Das Jacobsmodell hat dann Ribera — ganz getreu in der
Haltung von Kopf und linker Hand — in dem „hl. Joseph mit
dem Jesusknaben" benutzt. (Prado 979, h. 1,26, br. i, — ) Kniestück.
Zu dem Heiligen, de in der Rechten den Blütenstab hält, blickt
der kleine Jesus auf, der in seinen Ärmchen ein Körbchen mit den
Marterwerkzeugen herbeiträgt.
Schulgut die Halbfigur des hl. Joseph, der das Kind auf den
Armen trägt. (Granada, Kathedrale. Gap. de la Trinidad).
Das Gesicht des blondhaarigen Jesusknaben auf dem Madrider
Bild hat etwas von innen durchleuchtetes, ebenso wie der Engel
auf dem — als Pendant gedachten? — Gemälde „Die Extase des
hl. Franziscus". (Prado 998, h. 1,28, br. 1,20 Abb. 25.) Kniestück.
Beide Bilder stehen auf der Grenze der ersten und zweiten Epoche des
Künstlers, sind also um 1635 entstanden.
Der hl. Franz fast im Profil nach rechts, schwarzbärtig, mit tief-
liegenden Augen, erstaunt zu dem goldblondgelockten Englein enl^
porblickend, das mit dem Oberkörper aus einem Wölkchen hervor-
leuchtend, in den Händen eine Phiole mit kristallklarem Wasser
hält: Das Wasser natürhch hier als Symbol der Reinheit. Eben-
so wie der Putto zeichnet sich auch das Gesicht des Heiligen durch
ein intensiv weLßlichgelb leuchtendes Kolorit aus.
Nicht vor diese Zeit, vielleicht sogar erst gegen 1640 sind die
Gemälde Prado 997, S. Maria Ägyptiaca 999, der jugendliche Jo-
hannes d. T. in der Wüste, 980 die reuige Magdalena und 977,
Apostel Bartholomäus zu setzen. Sämtlich lebensgroße Figuren
(h. 1,83, br. 1,97), eine Signatur konnte ich nicht finden.
Die vier Bilder gehörten dem Marques de los Llanos und kamen:
später in den Pal. Nuevo (Sammlung Carls III.) Sie befanden sich
da in der pieza de conversacion de la infanta.
') Waagen, .^rt treasures II 241.
6*
84
Leider haben sie durch Restauration sehr stark gehtten, was
die genaue zeitliche Festlegung natürlich noch mehr erschwert.
Es entsprechen sich je zwei Heilige : Der alte Bartholomäus und
die greise Maria Ägyptiaca; der junge Johannes und die jugend-
liche Magdalena. Die Alten in ihrer scheinbar unverwüstlichen;
physischen Konstitution, ebenso vorzüglich gekennzeichnet wie die
Jungen in ihrer zauberhaften frischen Schönheit. Alle aber sind
von tiefster Religiosität durchdrungen, die Alten leidenschaftlicher,
die Jungen inniger.
Der greise Apostel sitzt airf einem Stein am Fuß eines ge-
waltigen Baumstammes vor einem mächtigen Felsen, nur mit einem
grauen Mantel bekleidet, der Brust und Arme freiläßt. Mit der
Linken hält er das Gewand auf der Brust fest, in der erhobenen;
Rechten zeigt er uns das berühmte Marterinstrument: Das Messer.
Den Kopf de face schaut er uns mit kraftvollem Blick an. Der
rechte Fuß etwas vor, der linke etwas erhöht zurückgesetzt. Das
Ganze von ungemeiner Dringlichkeit. Ein überwältigendes Pathos,
ein faszinierender Schwung geht von diesem graubärtigen jünglings-
frischen Blutzeugen aus.
Und im Johannes (Abb. 27) eine Milde und Süßigkeit, wie sie
bei männlichen Gestalten Riberas nie wieder vorkommt. Wer ver-
zichtete da nicht bei diesem Lächeln des heiligen Knaben auf all die
lächelnden, übermäßig liebenswürdigen Heiligen der Sevillaner!
Das Bild war stets ein Entzücken der Beschauer, schon Palomino
äußert sich in diesem Sinn ,,con tal propriedad que mueva a risa
a quantos lo miran.''^)
Daß hier eine Erinnerung an oberitalienische Eindrücke, an
Lionardo vor allem, vorliegt, ist auf den ersten Blick klar. Ganz
vollendet, wahrhaft klassisch wirkend ist die Komposition, der Fluß
der Linien bei diesem dunkeläugigen Jüngling, dessen Brust völlig
frei, dessen Leib und Oberschenkel nur mit einem Fellchen — mit
einem Strick zusammengehalten und mit der Haarseite nach innen
gekehrt — bedeckt wird und über dessen rechtes Bein ein roter
*) Palomino Mus. pict. III. 311, hier jedoch als im Escorial befindlich erwähnt.
Wie eine gemeine Karikatur wirkt der schmunzelnde Johannes im Hampton Court Palace
174 (166), eine „freie" Kopie des Madrider Bildes.
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85
Mantel fällt. Wie der Sitzende mit der hocherhobenen Linken den
Kreuzstab umfaßt hältl Welch ein Fluß im rechten Arm und in
der Hand, die dem Lamm, das sich von links her naht, etwas reicht !
Der mächtige Baumstamm, vor dem Johannes sitzt, folgt der Be-
wegung des Heiligen; sehr fein, wie dieser Diagonalen eine andere
in Gestalt des kleinen Stumpfes entgegenwirkt. Eine duftige Fern-
sicht auf ein Schneegebirge vollendet den zauberhaften Eindruck,
den dieses Meisterwerk trotz aller Zerstörung noch auf den Be-
schauer macht.
Das weibliche Gegenbild zu diesem Johannes, die reuige Magda-
lena, ist in jeder Hinsicht eine Vorläuferin der hl. Agnes in
Dresden von 1641 und soll darum auch dort erst ihre eigenthche
Würdigung finden.
Die alte Büßerin tritt uns in der Maria Ägyptiaca entgegen,
dem weiblichen Hieronymus Riberas. Es liegt etwas durchaus
vergeistigtes in dem Blick der Matrone, die in ihrer Höhle auf
einem Stein sitzend die Hände betend gefaltet hat und die Augen
zum Himmel erhebt; das Haupt mit kurzem grauen Haar bedeckt;
bekleidet ist sie nur mit einem, dunklen Mantel, der Arme, rechte
Brust und die Füße freiläßt.
Ein Brustbild, in Haltung diesem Madrider sehr verwandt, im,
Museum von MontpeUier 776. (1,31x1,04). Bez.
Jusepe de Ribera espanol F. 1641.
Das Gemälde (Abb. 43) hat durch Restauration stark gelitten,
vor allem sind die Hände übel zugerichtet worden. Die Gesamtauf-
fassung ist naturalischer. Merkwürdig die wie im Fieber glänzen-
den Augen.
Ein ähnliches Bild, jedoch Schulgut im Museum von Cadiz
(Nr. 45)-
In dem mehrfach zitierten Aufsatz in der Zeitschrift für christl.
Kunst V. erwähnt Justi eine ähnliche naturalistische Maria im Be-
sitz des Duca di Miranda in Neapel. Bez.
Jusepe de Ribera espafiol
F. 1651.
In einer Notiz beschreibt sie der Gelehrte wie folgt : „Ein
gealtertes einst schönes Weib ; magerer Hals ; oberer Brustknochen
86
sichtbar; ihre großen stark hervortretenden Augen, der einzige
Rest ihrer früheren Schönheit, nach oben gerichtet. Die Haare;
nicht aufgelöst, herabgestrichen und mit einem weißen Tuch zu-
sammengebunden; kurze Stirn; ärmliche Kleider." Später zweifelte
Justi das Bild stark an „seiner Gemeinheit wegen".
Etwas nüchtern wirkt die „hl. Teresa", Halbfigur im Museum;
von Valencia; schwerlich Original. Die ziemlich porträtgetreu
wiedergegebene Heilige schreibt gerade, von der hl. Taube in-
spiriert, ihre himmlischen Eingebungen nieder. Mit erhobener Feder
blickt sie die Taube an, man merkt, sie paßt scharf auf! Diese
Art der Auffassung gemahnt mehr an einen Velasquez als an
Ribera.
B. DER FREIE MEISTER.
I.
Mit der Concepcion des Monterey-Klosters in Salamanca von
1635 (Abb. 29) hat sich endlich der Meister gefunden. Ein heller
Jubel klingt aus dem Bild, die Freude über den Sieg des Lichtes, der
Farbe. Und diese glühende, glänzende Farbengebung ist es, die
sich zuerst unserer Bewunderung aufdrängt und alles andere bei
dieser Concepcion aller Concepcionen im Anfang vollkommen in
den Hintergrund schiebt.
Ein mächtiges Rauschen geht durch das Werk, der ganze
Himmel ist in Bewegung. Nur die Jungfrau selbst ist ruhig. Wie
sie fromm die schmalfingrigen Hände über der Brust kreuzt und
ganz leise, kindhch gläubig lächelnd vertrauensvoll die großen
Augen erhebt, das alles läßt den Beschauer in die Worte aus-
brechen: Ja, dies ist die Immaculata, die reine, selige, tiefbeglückte
Himmelsbraut! Fern, ist jeder Gedanke, daß diese Jungfrau der
Erde entstamme; sie erscheint ganz mit ihrem königlichen An-
stand als eine Märchenprinzessin, oder richtiger gesagt, als die
wahre Himmelskönigin.
Zu dem Eindruck des Majestätischen trägt nicht wenig der
wie ein Segel vom Wind geblähte Mantel bei, der eine Silhouette
von seltener Größe abgibt. Ja, davon lebt eigentlich die ganze
Gestalt! Hier kommt der Barocco vollkommen zum Durchbruch:
Tafel XXI
Abb. 29 LA CONCEPCION Salamanca Agostinas recoletas
87
Man denke sich einmal den Mantel weg und man wird eine über-
mäßig lange Gestalt ä la Greco erhalten, wird bemerken, daß wie
bei Greco die unteren Extremitäten im Vergleich zum Oberkörper
zu lang sind. So aber wäre es geradezu verfehlt, die Proportionen
anders zu nehmen; der weit nach rechts ausgebauschte Mantel
stellt jede künstlerische Harmonie wieder her.
Nicht zu vergessen auch die feindurchdachte Anordnung des
Lockenhaares, das in zwei Strömen nach rechts und links her-
niederfließend, die Mantelsilhouette überaus glücklich ergänzt.
Wenn auch das eigentlich Körperhche bei Maria etwas ge-
dämpft ist, so konnte sich Ribera doch nicht dazu entschließen,
dem alten Brauch der Concepciondarstellung gemäß auf das Kör-
perliche so gut wie ganz zu verzichten; so ist es denn eine Neue-
rung des Meisters, daß er uns die Füße der Jungfrau sehen läßt,
die über der nach oben geöffneten Mondsichel schweben.
Die blondhaarige Königin ist in ein silberschimmerndes Atlas-
gewand gehüllt, darüber trägt sie einen blauen Mantel, der oben
zugeknöpft ist. Um ihr Haupt ein schmaler, in ganz feine Strahlen
auslaufender Glorienschein. Über ihr ein schwebendes Diadem:
ein Reif von zwölf goldenen Sternen.
Darüber erscheint in einer großen, goldbraun schimmernden
Engelswolke die hl. Taube und über dieser wiederum aus der
Tiefe heranbrausend in fast horizontaler Lage Gott Vater, ein
milder Greis mit leuchtenden Augen und langem weißen Bart,
hoch über sein Haupt die Rechte reckend, Maria zur Gottesmutter
und Herrscherin des Himmels weihend. Auch er in lichte Farben
gekleidet : sein Rock hellgrau, der Mantel hellrot.
Vorzüglich die Engelswolke, die sich weit, weit ins Bild hinein
mit den vielen Engelsköpfchen zu verlieren scheint : die Unend-
lichkeit des Himmels.
Und wie die obere, so auch die untere Wolke; ein großer
Ring von Engeln, über dessen Mitte Maria schwebt. Hier herrscht
nun bunteste Mannigfaltigkeit. Große und kleine Engel, beklei-
dete und nackte, anbetende in stiller Verehrung wie der vom
rechts — in blau mit rotem Mantel — , oder in Begeisterung wie
der große in dunkelgelb gekleidete, goldlockige links. Ganz in
dessen Nähe ein wunderschönes kleines Engelchen, die Hände fal-
tend und mit frommem echtem KinderbHck zur Madonna empor-
schauend; ein etwas größerer ganz im Vordergrund, gedankenlos
die Bewegung des Händefaltens nachmachend, dann wieder zwei
Putti, die sich kosend umarmen; kurz, ein unerschöpflicher Reich-
tum von Gestalten und Motiven. Dazu die Engel mit den Symbolen
der Concepcio Immaculata. Wie meisterhaft ist das dem Ganzen
eingefügt, ohne jede aufdringliche Weisheit. Wie die Kleinen,
stolz den Spiegel halten, ein größerer links den Zweig mit Rosen
und Lilien hochhebt, dies alles ist von der größten Ungezwungenheit.
Höchst interessant der Engel rechts, der mit seiner Linken
einen Rosenzweig hochhebt und dabei sich umwendend zu einem
Gespielen niederblickt : eine huldigende Erinnerimg an Corregio.
Mit feinster künstlerischer Diskretion der Tempel in den Lüften
rechts angedeutet.
Über die Erde ist ein Dämmerlicht gebreitet. Sonst ist alles
hell, leuchtend. Wie die Englein jubilieren, so jauchzt auch das
Licht, die Farbe.
In der Karnation ist der schwer röthche Ton ganz verschwun-
den. Die Engel zeigen, vor allem in den Konturen, ein helles,
durchscheinendes Rot.
Mag man Murillo immer den Maler der Concepcionen nennen,
Ribera ist der Maler der Concepcion schlechtweg. Es ist keines-
wegs übertrieben, wenn man sagt : Keine Murillosche Concepcion
reicht an diese heran, die in wahrhaft klassischer Weise das Thema
erschöpft und die gewünschte Stimmung auslöst, ohne auch nur
einen Augenblick weichhch zu werden. Auch der Engelmaler
Murillo hat keine herrlicheren Kinder auf die Leinwand gezaubert
als hier Ribera.
Bezeichnet ist das Werk, eine Stiftung des Vizekönigs Graf
von Monterey,
Jusepre de Ribera
espafiol Valenciano
F. 1635.
Die Figuren überlebensgroß. Das Bild ziert noch heute als
Mittelstück den Hochaltar der Kirche des Klosters der Agustinas
recoletas (errichtet 1598 — 1636), nach seinem Erbauer auch Mon-
tereykloster genannt.
Unbegreiflich erscheint es nach diesem Gemälde, wie man
Ribera die Concepcion im Prado (984, h. 2,20 br. 1,60) zuweisen
konnte; ein krudes Bild, das schon mit der furchtbar harten, hoch-
gezogenen Halskontur, der halb weinerlichen Miene der Madonna
und der rötlichen Färbung einen erkältenden Eindruck macht.
Dazu ist noch der untere Teil der Gewandung mit den Füßen auf
der Mondsichel wie die Arme buchstäblich von der Concepcion
in Salamanca abgeschrieben, ebenso die Anordnung des Mantels
links oben, während die grandiose Entfaltung nach rechts hier
stark eingeschränkt ist. Schließlich noch die platte Engelskulisse
rechts und links, die harten Konturen der Engelsköpfe. Kurzum,
es ist das Werk eines mittelmäßigen spanischen Ribera -Verehrers.
Wohl Kopie nach einem Riberaschen Bild, vielleicht auch eine
Nachahmung, die Concepcion in der Galerie Harrach in Wien (350),
bezeichnet
Jusepe de Ribera espafiol
1637,
für Ribera viel zu hart und flüchtig, ohne inneres Leben, auch
von Verzeichnungen nicht frei.
Im Auftrag des Grafen Monterey hat Ribera noch eine Anzahl
anderer Gemälde für die Kirche des Montereyklosters in Sala-
manca geschaffen, die alle um das Jahr 1635 entstanden sind.
(Der Graf war von 1631 — 1636 Vizekönig von Neapel.) Eine ge-
nauere Datierung ist ausgeschlossen, da diese Bilder wie keine
anderen durch übelste „Restauration" fast gänzlich ungenießbar
geworden sind. Oft kann man Riberas Hand überhaupt nur noch
ahnen. Verschwunden ist das Bildnis des Grafen Monterey und
das seiner Schwester, Dona Margarita Fonseca.
Das früheste Gemälde scheint die ^,Geburt Christi" zu sein
(linkes Querschiff), künstlerisch heute so gut wie verloren. Etwas
besser erhalten die „Madonna mit dem hl. Antonius und Augustin"
(rechtes Quexschiff). Die Madonna (mit dem Rosenkranz) selbst
ist von großer Schönheit; das Kind segnend, die Lilie dem jungen
90
Antonius reichend. Auch die Engel zeichnen sich durch hohe
Anmut aus.
Mit am spätesten von diesen Bildern^) ist wohl „Der hl. Janua-
rius" gemalt (auf der Epistelseite des Langhauses). Seine Ent-
stehung verdankt dieses Bild vielleicht dem großen Vesuvausbruch
von 1631. (Die ersten Eruptionen begannen am 16. Dezember.)
Der Vizekönig war damals überall zur Stelle, vornehmlich aber
beteiligte er sich stets bei den Bittprozessionen mit dem Blut des
hl. Januarius, wie aus Briefen des Jesuitenpaters Ascanio Capell
und von ,Giov. Batt. Manzo, marchese di Villa, hervorgeht. 2)
Der Heilige ist dargestellt, wie er auf einer Engelswolke über
Neapel zum Himmel emporschwebt.
Den Körper nach rechts gerichtet, wendet er uns sein jugend-
liches, mit der Mitra gekröntes Haupt zu, die Augen gen Himmel,
die Linke auf der Brust, die Rechte nach oben weisend. Sein
braunroter Mantel, der eine machtvolle Silhouette abgibt, ist sehr
breit behandelt. Ein Englein links trägt auf einem Buch die beiden
Fläschchen mit dem wundertätigen Blut. Oben eine Engelsgloriole,
unten der Blick auf den Neapolitaner Golf, vom Posilipp aus ge-
sehen, sehr klar wiedergegeben.
Trotz aller Restaurationen spürt man doch noch die feine Ab-
tönung der Farben durch. Ein matter Silberton liegt über dem
Ganzen.
(Der gleiche Vorwurf auch von Vacarro behandelt, Prado 515,
jedoch in der Farbe imd namentlich im Ausdruck hinter Ribera
zurückbleibend.)
Ob der „Hl. Augustin" (linkes Querschiff) ein eigenhändiges
Werk des Meisters ist, läßt sich bei dem heutigen Zustand des
Bildes nicht mehr genau feststellen. Es macht sich ein Streben
nach Monumentalität bei diesem Heiligen bemerkbar.
In diese Zeit gehört auch der hl. Augustin Prado 992 (h. 2,03,
br. 1,50). Der schwarzbärtige Heilige kniet im Gebet nach rechts
gewandt in seiner schlichten Zelle. Er trägt die schwarze Kutte
^) „Die Pietä" am Gipfel des Retablo ist bei den anderen Pietabildern dieser
Periode behandelt. -) Mitgeteilt von L. Riccio, Nuovi documenti sull' incendio Vesuviano
deir anno 1631, (Arch. Stör, per le prov. Nap. XIV. 48917.).
91
seines Ordens. Überrascht von dem himmlischen Lichtschein, der
die Zelle hell aufleuchten läßt, hat Augustin den Kopf umgedreht
und blickt empor.
Vielleicht ist dies Madrider Gemälde nur eine gute alte Schul-
wiederholung.i)
In der „Messe des hl. Gregor", die das Museum von Amiens
besitzt, hat für den hl. Gregor das gleiche Modell wie für den
AugTOstin gedient. Bezeichnet ist das Bild an der Altarstufe
Joseph de Ribera
Napoles 1634.
Gonse sagt von dem Gemälde^) : „Les tons fauves jaunes et
bruns d'une ampleur de styl et d'une verit^ de dessin d'expression
vraiment extraordinaires".
Eine andere Wunderszene in der Mönchsbehausung zeigt uns
das Bild „Das Christusknäblein erscheint dem hl. Antonius" in
der Ac. S. Fernando zu Madrid (h. 2,14, br. 1,79 Abb. 26), bez.
auf dem Tisch
Jusepe de Ribera
F. 1636»).
Zusammen mit diesem Bild sei hier die Variante von 1640
im Escorial behandelt.
Nicht den glückstrahlenden Antonius, der das rosige Kind
in seinen Armen hält, wie Murillo ihn verewigt hat, will uns der
Meister zeigen. Er gestaltet das Ganze erhabener, dramatischer.
Der himmlische Knabe hat sich nur für einen Augenblick herab-
gesenkt und ist schon wieder im Begriff, dem jungen Anbeter, der
in Verlangen und Entzücken die Arme ausgebreitet hat, wieder zu
entschweben.
Zu einer körperiichen Berührung wie bei Murillo kommt es
gar nicht. Es ist eine Vision des verzückten Heiligen.
Auf dem Escorialbild bhckt Antonius überhaupt nicht pach
dem jungen Christus, sondern nach aufwärts, er sieht nach dem,
^) In der zerstörten Kirche S. Felipe el Real in Madrid soll sich nach Jaldero ein
Augustin von Riberas Hand befunden haben. '') L. Gonse, Les musees de France, 1617,
daselbst auch Abbildung (1654 bei Gonse natürlich ein Druckfehler). ") Die letzte Zahl
nicht ganz deutlich.
92
was ihm der Bambino zeigt. Das Ganze hier nach links. Die
Diagonalbewegung in den Figuren wird glücklich unterstützt durch
die gleichfalls schräg, parallel zur Hauptbewegung verlaufende
Schattengrenze an der Wand. Das Bild ist sonst im ganzen schlich-
ter als das Madrider. Bei dem Kind erblickt man nur drei Engels-
köpfe. Antonius erscheint hier noch leidenschaftlicher. Das Christ-
kind hat sich in einem Strom von Licht herabgesenkt, das nun
mächtig durch die schlichte Zelle flutet. Die Mauer der Zelle
zeigt einen feingrauen Ton.
Das Ganze besitzt einen großzügigen, monumentalen Charakter.
Von dem Akademiebild gute Kopie in Neapel (Chiesa S. Ferdi-
nande, früher Francesco Xaverio, für die das Bild bestimmt war)^),
eine weniger gute im Prado 1013 und in der Kathedrale von Gra-
nada (Altar Jesus Nazareno).
Am stärksten kommt Riberas Streben nach Monumentalität
zum Ausdruck in den Bildern „Paulus" und „Petrus" in Vitoria und
in den alttestamentarischen Gestalten in den Zwickeln der Kirche
von S. Martino.
Petrus und Paulus, früher in der Kirche S. Domingo in Vito-
ria"), jetzt in der Disputacion provincial. Beide bezeichnet *)
Jusepe de Ribera espanol
Valenciano F. 1637.
Paulus mit prachtvollem schwarzbärtigem, schwarzgelocktem
Kopf hält in der Rechten einen mächtigen Zweihänder mit der
Spitze nach unten, in seiner herabhängenden Linken ein Buch.
Nach links gewandt hat er den Kopf nach dem Beschauer gedreht.
Beide Arme vollkommen von dem roten Mantel verdeckt. Leider
versagt hier ausnahmsweise der Formenkenner Ribera, es gelang
') Unmöglich erscheint der Entstehungszeit wegen, daß, wie Dominici 1 1 7 behauptet,
der Beichtvater Osunas, dem Ribera den Auftrag für Gesü verdankte, auch diesen Auf-
trag veranlaßt habe. -) Dort sah sie in der Capeila del Noviziato D. Antonio Conca.
Descrizione Odeporica della Spagna I. 12. '') Bermudez kennt nur die Signierung bei
Petras.
93
ihm nicht, die Arme unter dem Mantel deuthch fühlbar zu machen.
Der Mantel selbst, der auf dem Boden leicht nachschleift, ist meister-
haft drapiert.
Petrus tritt im ganzen hinter Paulus zurück, ist jedoch sorg-
fältiger modelliert. Graubärtig, nach rechts gewendet, Kopf in
Dreiviertelansicht, scharfblickende Augen. Er trägt ein blaugraues
Gewand. Seine Rechte greift in die Falten des braungelben Man-
tels, der auch hier äußerst wirkungsvoll drapiert ist, rechten Arm
und Brust ganz frei läßt. In der Rechten hält er die beiden Schlüssel.
Wie Paulus ist auch er neben einen einfachen, grauen Sockel
gestellt. In der Ferne ein Gebirge angedeutet.
Die bedeutendste Leistung Riberas auf diesem Gebiet sind
jedoch die 12 „Propheten", Moses und Elias in der Kirche von
S. Martine über Neapel. Alle früheren Apostel- und Philosophen-
bilder scheinen fast nur Vorstudien zu diesem Werk.
Die Karthäuserkirche ist von Fansanga gebaut; ein Schiff mit
je 3 Kapellen; zwischen den Arkaden eine Pilasterordnung. Die
Propheten füllen die Zwickel der Arkaden über den Kapellen-
eingängen. Der Name „Propheten" paßt eigentlich nicht recht
für die Gestalten, denn wir erblicken auch den alten Noah in
ihrer Mitte, die Arche in der Hand, die Taube mit Ölzweig zu
seinen Füßen. Wichtig ist diese Figur vor allem deswegen, weil
sich bei ihm die Signierung findet :
Jusepe de
Ribera es
pafiol F
1638.
Über die Entstehung dieser Signatur bei Dominicii) folgende
Anekdote : Der rechte Arm des Noah sei zu lang geraten — was
in der Tat richtig ist — j,ma per sostenere che il braccio stava
bene dipinse a piedi di quel Profeta la sua impresa quasi per
gloriarsi quella essere opera di sua mano".
Es sind jedoch nicht alle Propheten im Jahre 1638 entstanden,
wie die von Faraglia mitgeteilten Dokumente beweisen.^) Die Voll-
*) Dom. 125. '') Faraglia, Notizie di alcuni artisti che hanno lavorato nella chiesa
di S. Martine sopra Napoli. (Arch. stör, per le prov. Nap. XVII. S. 670). I. A primo
94
endung zog sich bis 1643 hin. Einzuschließen sind dabei die Halb-
figuren von Moses und Elias über den Nischen an der Eingangs-
wand der Kirche.
Vollkommen haltlos ist durch das Bekanntwerden der Doku-
mente die an und für sich schon unglaubliche Behauptung Raffaelq
Liberatores ^) geworden, Moses und Elias seien Arbeiten Lucca
Giordanos. Unmöglich dies schon deshalb, weil Giordano ja erst
1632 geboren ist.
Es ist selbstverständlich, daß bei den beiden Figuren in jedem
Bogen mit starken Kontrasten gearbeitet ist. Die eine ruhig: Ein
Alter, der auf ein geschlossenes Buch deutet, das er auf den Knien
hält; ein anderer, ganz in die Lektüre vertieft, liest mit dem
Finger nach, um ja kein Wort zu verlieren; ein Kahlkopf, mehr
sinnend bei dem Studium der heiligen Schriften: il Fenseroso.
Er stützt das Kinn auf seine Rechte.
Auf der anderen Seite wieder die lebhafteste, momentanste
Bewegung. Der sogenannte Amos, der eben von einem hohen
Gedanken erleuchtet sich rasch vorbeugt, um die Feder ins Tinten-
faß einzutauchen, während er in der Linken das weiße Perga-
ment zum Schreiben bereit hält. Oder der leidenschaftlich be-
wegte Haggai, der, wie von einer plötzlichen Erscheinung, einem
himmlischen Ruf getroffen sich umwendet, mit kühn übergreifender
Rechten, die nach einem Buche langt.
Alles ernste Männer, Leute aus dem Volk, keine „schönen"
Köpfe, aber durchgeistigt. Mächtige Gestalten in einfachster Klei-
di Febbraio 1638 al suddetto inconto delli profeli che sta facendo per la nostra
chiesa duc. 100. 2. II suddetto signor Ribera ha consignato li ducedi Profeti posti sopra
l'Archi delle capelle quäle se li pagano ducati 80 conforme haveva stabilito il V. P.
Pisante all'hora Priore duc. 960. Per li due Profeti Moyse et Elia posti sopra li nicchi
alli lati dcUa Porta duc. 50. l'uno per esserno mezze figure duc. 100. 3. Dal primo
de Febbraio 1638 per tutto li 3 di settembre 1643 ^^ ricevuto detto Ribera dal
P. Isidoro-d'.Mlegria all'hora Priore ducati 1365 et haveva consignato al monasterio
li 12 Profeti che stanno sopra le capelle e li due Moise et Elia etc. 4. Ha consignato
detto Ribera 12 Profeti posta sopra le Capelle della nostra Chiesa, quali si pagano con-
forme l'accordo fatto col V. P. Pisante a ragione di ducati 80 l'uno per non esserno
figure intere et alquanto piü grande dell' ordinario che Importano ducati 960. le due
mezze figure di Moise et Elia duc. 100. *) R. Liberatore: Le migliore Pitture della
Certosa di Napoli 1840. S. 20 und 25.
95
düng, die häufig die sehnigen Arme oder einen Teil des Ober-
körpers frei läßt. Die Stellung bei jedem neu, niemals ermüdet
das Auge.
Mit größter Liebe sind Hände und Füße behandelt ; namentlich
die Füße, die in jeder Ansicht wiedergegeben sind: von vom,
von hinten, von der Seite, von oben und von der Sohle gesehen;
überall gleich vollendet.
Das Kolorit sehr tief. Der Grund ganz dunkel. Die Figuren
sollen rücht übermäßig stark ins Auge fallen, nur den Platz, der
ihnen angewiesen ist, würdig ausfüllen. Dies verstanden natür-
lich die meisten Neapolitaner nicht, denen diese schlichten Leute
inmitten des blendenden Glanzes der reichen Kirche zu düster
erschienen. Daher auch das von Dominici den Gegnern Riberas,
vor allem Stanzioni in den Mund gelegte Urteil „che apparivano
piü tosto dipinti nelle grotte, che ne' luoghi sacri o nella cittä, e
che insomme erano troppo oscuri".
Das Problem der Einordnung in den Raum ist hier in ebenso
vollkommener wie vornehmer Weise gelöst. Es sind diese „Profeti"
die bedeutendsten Zwickelfüllungen des Barock. Zu welchen Aus-
artungen es gerade in dieser Gattung im Barocco gekommen ist,
weiß man ja nur zu gut. Hier aber ist alles nicht nur maßvoll;
sondern auch würdig. Die Gestalten sprengen nicht wie sonst
den Raum, sie drängen nicht nach außen, sondern sitzen hinter
den Bogen. Dort drinnen spielt sich ihr Leben ab. Und trotzdem
oder vielleicht gerade deshalb ist es dem Künstler gelungen, den
Raum, den die Gestalten ausfallen, doch größer erscheinen zu lassen.
Dieser Würdigkeit wegen spricht sich auch Burckhardt^) an-
erkennend über das Werk aus.
Schon vor Spinnazolas begeisterter Beschreibung^) hat der Abb^
de St. Non diesen Gemälden höchstes Lob gespendet, zu einer
Zeit, wo man sich blutwenig um den Spanier kümmerte^).
„Malgr^ la difficult^ extreme, qu'il y avoit de renfermer des
figures entieres dans des formes aussi resserrees et aussi ingrates,
') Cicerone. II. 3, 346. ^) Nap. Nob. XI. 162 und „L'arte ed il Seicento in Napoli"
S. ig, 20. ') Voyage pittoresque ou description des royaumes de Naples et Sicile. Paris
1781. I. 112.
96
l'artiste semble avoir sgu tirer de cette necessit^ meme et de la
contrainte oü il 6toit, une variete de caractferes et d'attitudes ab-
solument diff^rentes dans chacun de se sujets . . . L'expression
surtout et les coloris en sont admirables."
Zu diesen 12 Propheten i) gehören noch die beiden bereits
erwähnten Halbfiguren des Moses und EHas. GewaUige GestaUen
von großem Wurf, in denen ein leises Streben nach Idealisierung
durchschimmert, namentlich bei Moses. Dieser, weißbärtig, auf
die Gesetzestafeln deutend, bildet in der Ruhe und Abgeklärtheit
des Greises einen starken Gegensatz zu dem etwas finster blickenden
schwarzbärtigen Elias, dem fanatischen Gottesstreiter, dem Ver-
nichter der Baalspfaffen. Man glaubt, daß auch in seinem Inne-
ren ein ähnliches Feuer lodere wie das, welches auf seiner aus-
gestreckten Rechten brennt.
Schon Justi bemerkte, daß der Elias im Ausdruck etwas mit
dem Rochus von 1631 verwandt sei; jedoch ist die Neapolitaner
Gestalt viel monumentaler.
3-
Auf ein ganz anderes Gebiet führt uns die „Segnung Jacobs
durch den blinden Isaak" aus dem Jahre der Apostelbilder in
Vitoria. Das Gemälde befindet sich im Prado") (938, h. 1,29,
br. 2,89 Abb. 30), bez. rechts unten
Jusepe de Ribera espafiol
F. Ano 1637.
Eine alte Kopie bei Graf Czernin in Wien.
Der Künstler zeigt hier ebensosehr seine Meisterschaft der
Zeichnung, des Kolorits und der Stillebenmalerei, wie eine überaus
anziehende Erzählungskunst und feinstes psychologisches Ver-
ständnis.
Der erblindete, weißbärtige würdige Greis hat sich im Bett
aufgerichtet und streicht mit den Fingern über das Fell, das Jacobs
rechten Arm bedeckt. Ein Lächeln, unendlich rührend, entsteht
') Abbildungen in dem zitierten Werk Liberatores und bei Abbe de Saint-Non
„Recueil de griffonis" Paris. *) Aus der Sammlung Carls lll. Pal. Nuevo; cf. Conca,
Descrizione odeporica I, 137.
97
in des Patriarchen Gesicht : Die Freude des Erkennens. Ungemein
lebendig, wie die Hände des Vaters fühlen und tasten, wie die
Finger in dem weichen Fell geradezu einsinken; wie Isaak mit
der Rechten das Fell faßt und mit der Linken den Arm hinauf-
streicht, diese Wiedergabe der Bewegung ist in der Kunst nur
noch einmal erreicht : in der Anna Boleyn Holbeins, die sich wohlig
die Hände zu streichen scheint.
Der junge Jacob, im Profil, etwas schüchtern ziemlich weitab
vom Vater stehend, blickt gespannt zu diesem hin. Er wartet
augenscheinlich mit dem Nähertreten, bis er sich ganz sicher fühlen
darf. Nun, da ihn der Vater zu erkennen glaubt, wird er nicht
zögern, vor ihm niederzuknien, um den heißerwünschten Segen
auf sein Haupt kommen zu lassen. Lange dunkle Locken fließen
über seine Schultern. In seiner Linken hält er eine grüne Mütze.
Er trägt einen einfachen blauen, hellbraun gefütterten Kittel,
während der Vater mit einem dunkelgrünen, ganz kurzärmeligen
Rock bekleidet ist.
Die Mutter steht hinter ihrem Lieblingssohn und sucht ihn
zu ermutigen. Sie streicht mit der Rechten seinen Rücken, halb
vorwärtsdrängend, halb liebkosend. Auch sie ist aufs höchste ge-
spannt. Sie lauscht, was der Gatte nun sprechen wird; dabei hat
sie, um ja keinen Laut zu verlieren, den Kopf gewendet, ein höchst
natürlicher Zug, und in der Erwartung macht sie mit der Linken
— der gehobene Zeigefinger — eine Geste der Spannung und Auf-
merksamkeit, die ganz der Handbewegung des musiklauschenden
Jünglings aus Pompei, des sogen. Narciß, gleicht. Auch in der
Miene der alten Rebecka ist das Gespannte sehr deutlich zum
Ausdruck gebracht. Die Mutter erscheint als Matrone mit großen,
glänzenden, klugen Augen, feinem, recht energischen Mund. Etwas
wie Gram läßt sich aber doch aus den Zügen des welkenden Ge-
sichtes herauslesen. Sie trägt ein schlichtes schwarzes Kleid, weißen
Kragen und weiße Haube.
Links erblicken wir durch eine Tür, die ins Freie hinausführt,
den jungen Esau, der, in einen braunen Kittel gekleidet, das Wild-
bret an einem Spieß über der Schulter herbeibringt.
Das Mahl, das Jacob dem Vater bereitet hat, ist auf einem
Mayer, Jusepe de Ribera (La Spagooletto). n
Tisch rechts aufgetragen. Ein prachtvolles Stilleben: Braten mit
einer halben Zitrone, Brot und eine Flasche Chianti.
Die glühendsten Töne im Bild geben die purpurne Draperie
des Himmelbettes und die in etwas hellerem Rot funkelndey
braun gefütterte seidene Bettdecke. Sehr fein durchgeführt ist
das Helldunkel in Jacobs Gesicht.
Daß das Bild zum Hochhängen bestimmt war, ist deutlich aus
der ganzen Anlage zu erkennen, vor allem liegt der Augenpunkt
unterhalb der unteren Bildgrenze.
Das Gemälde gleichen Inhalts bei Harrach-Wien 271 ein Werk
Giordanos.
Im Besitz von Graf Brühl befand sich ein ähnliches Werk,
gleichfalls auf Riberas Namen gehend; wiederum eine Nachahmung
Giordanos (h. 2 f. 8 p., br. 3 f. 8 p., Stich Steph. Torelli Pict.
R. delin. Laur. Zucchi Sculptor R. sculp. Die Mutter hat hier die
Linke in eindringlicher Redegebärde erhoben und faßt Jacob mit
der Rechten etc.).
Es sei hier noch eines Bildes Erwähnung getan, das gleich-
falls ein alttestamentarisches Thema behandelt, jedoch keine
Schöpfung Riberas ist :
„Hagar und Ismael" im Palazzo Doria Pamphili in Rom (Privat-
zimmer) h. 3 m, br. 1,45. Dieses keineswegs wdrkungslose, sehr
breit auf ganz grobe Leinwand ziemlich dünn gemalte Bild ist
vielleicht ein Werk Pietro Novellis (gen. Morealese). Sicher eine
höchst respektable Leistung eines Schülers Carravaggios.
4.
Neben dem blinden Gambazo und dem erbhndeten Isaak malte
Ribera noch einen hochberühmten Bhnden: Homer. Das Original-
gemälde scheint verloren zu sein. Das Exemplar in Turin ist eine
— für Ribera zu breit gemalte — gute Kopie (Halbfiguren h. 1,40,
br. 1,35). Homer erscheint als der Rhapsode: Ein lorbeergekrönter,
blinder Greis, der Violine spielt. Zu seiner rechten ein Mann in
mittlerem Alter, der an einem Tisch sitzt, bereit, die Gesänge des
Dichters niederzuschreiben. Eine Variante dieses Bildes bietet uns
das Gemälde Le Valentins in Dresden (715).
Mit diesem „Homer" sind wir zu den antiken Stoffen gelangt,
die den Künstler gerade in jenen Jahren sehr stark beschäftigen.
Von den Philosophenbildern im allgemeinen war schon im
vorigen Abschnitt die Rede. Von den späteren Köpfen sei nur
der Diogenes der Dresdener Galerie hier herausgegriffen (Nr. 682,
h. 0,76, br. 0,61), bez.
Jusepe de Ribera
espafiol F. 1637,
ein höchst bezeichnendes Bild für den Lichtmaler Ribera. Das
Ganze auf einen hellen, kühlen, ziemlich grauen Ton gestimmt.
Äußerst charakteristisch, daß die brennende Laterne in der Hand
des Zynikers zu keinerlei Lichteffekten ä la Honthorst benutzt ist.
Darin ist der „Diogenes" ein Vorläufer des „Januarius" von 1646.
Leider steht in dem Dresdner Gemälde der geistige Inhalt nicht
auf der Höhe des malerischen. Auf dieses Bild geht eine verlorene
Nachahmung Giordanos zurück, von der eine Kopie in Kassel (533)
erhalten ist.
Im Besitz des Fürsten Liechtenstein- Wien gleichfalls Diogenes
aus dem Jahre 1637, bez.
Joseph a Ribera espan
F. 1637.
Über dieses Bild wie über das Exemplar in der Grosvenorgalerie^)
vermag ich kein Urteil abzugeben, da ich keines von beiden zu
Gesicht bekam.
Nicht von Ribera ist das allegorische Bild des Amsterdamer
Rijksmuseums „Die Eitelkeit", das Werk eines Nachahmers. Ein
ähnliches Gemälde soll sich im Besitz des Fürsten Liechtenstein
befinden.
Aus dem Jahre 1636 stammt der merkwürdige „Kampf zweier
weibhchen Gladiatoren", Prado 988. (h. 2,12, br. 2,35), bez.
rechts unten
Jusepe de Ribera Valenciano
F. 1636.
*) ..Streng und fleißig in einem klaren, warm gelblichen Ton durchgeführt" Waagen,
Kunstwerke II, 125.
7*
Das Thema war, wie es scheint, in jener Zeit beliebt. Der
Prado birgt in Nr. 518 ein Bild ganz gleichen Inhalts von der Hand
Andrea Vacarros.
Das Erfreulichste an dem Riberaschen Gemälde ist das leuch-
tende Kolorit.
Die unterliegende „Amazone" blutet am Hals; sie ist blond,
trägt dunklen Rock, darüber ein hellgrünes Obergewand und blauen
Mantel, der am Hals durch einen goldenen Knopf zusammengehalten
wird. Das Blau und das Hellgrün von besonderer Leuchtkraft.
Die Siegerin brünett in dunkelgrünem Gewand, orangefarbenen
Shawl und flatterndem Mantel, dessen violette Färbung in allen
Abstufungen wiedergegeben ist. Die Bänder ihrer Sandalen blau
und goldbraun.
Einen starken Kontrast zu den beiden wütenden Weibern bietet
der ganz ruhig dastehende Krieger — offenbar der Schiedsrichter.
Im Hintergrund eine Anzahl Zuschauer.
Ebenso glühend im Kolorit ist die Marsyasschindung im Museo
Nazionale zu Neapel (h. 1,80, br. 2,32) 1862 aus dem Besitz von
D. Alfonso marchese del Vasto ins Museum gekommen. i) Bez.
unten rechts auf einem Stein
Jusepe de Ribera espafiol Valenciano
F. 1637
Justi berichtet in seinem „Velasquez"-) von einem derartigen
Gemälde, das im XVII. Jahrhundert im Schlaf- und Sterbezimmer
Philipps IV. gehangen hat. Später kam es in Besitz des Infanten
D. Luis de Borbon y Salamanca und wurde 1874 in Paris auf der
Auktion Salamanca für 2000 Fr. verkauft. Der damalige Katalog
gab die Signatur als
Jusepe da (!) Ribera espagnol (!)
F. 1630
an. Auch Justi, der der Auktion beiwohnte, las 1630 und be-
schreibt das lichte Gemälde als Parallele zu der „finsteren Bartholo-
mäusmarter" von 1630.
Dieses Gemälde ist nun nichts anderes als das Bild Nr. 372
des Brüsseler Museums, das 1899 aus dem Besitz der Brüder
^) Le Gallerie Ilaliane V. 236. *) Justi, Velasquez I. 272.
Le Roy, die es auf der Auktion 1874 erworben hatten, ins Museum
gelangte. Wie die Signatur auf dem Felsblock rechts unten zeigt,
ist das Werk aber nicht 1630, sondern 1637 entstanden: Jusepe de
Ribera espafiol F. iö^J.
Es ist nicht ohne Interesse, daß sich Justi bei diesem angeblich
aus dem Jahr 1630 stammenden Gemälde an die „Klage der Venus
um Adonis" in der Corsinigalerie zu Rom erinnert fühlte. Kein!
Wunder; denn dieses Werk ist gleichfalls 1637 datiert.
Beide Gemälde sind Arbeiten Riberas. Das Brüsseler Bild
ist nicht zum besten erhalten, jetzt nicht ungeschickt restauriert,
aber zu stark gefirnißt. Vielleicht sind bei der Fertigstellung des'
Brüsseler Exemplars Gehilfenhände beteiligt gewesen. In der Dar-
stellung zeigen sich zalilreiche Varianten, im Ganzen steht das
Neapolitaner Bild höher als das Brüsseler.
Marsyas mit den Füßen nach oben an einem Baumstamm ge-
bunden, mit dem Rücken auf der Erde liegend, die Linke an einem
Pflock befestigt, schreit aus Leibeskräften mit hochrotem Gesicht, die
Stirn vor Schmerz stark gerunzelt. Über ihm steht, in den Krüeen,
etwas gebeugt, der unerbittliche Sieger, der lorbeergekrönte junge
Apoll. Ein echt griechischer Gott mit seinem edlen goldgelockten;
Kopf und dem klassischen Jünglingskörper. Er ist im Begriff,
die Haut an dem einen Bein des Marsyas herunterzureißen. In
N. blickt er, den Kopf ziemlich stark nach vom drehend zu Marsyas
nieder; in Br. ist seine Aufmerksamkeit mehr auf die augenblick-
liche Arbeit gerichtet, der Kopf im Profil, jedoch ein wenig leer
im Ausdruck. Mächtig wird die Gestalt des Gottes gehoben durch
den weit nach links (in Br. in ^die Höhe) flatternden etwas ins
violett schimmernden Purpurmantel, der nur Scham und Hüften
des Gottes, einem Lendentuch ähnlich, bedeckt. Ein blaues Bänd-
chen hält ihn in N. am Hals zusammen, in Br. ein grünes über
der Brust; in Br. flattert das Tuch viel aufgeregter im Wind als
in N. Das Neapolitaner Exemplar wirkt überhaupt ruhiger, ge-
schlossener, vor allem durch die Führung der Gesamtsilhouette
erreicht : Der Kopf des Marsyas bildet den tiefsten Punkt, die Arme
gehen in leichten Kurven in die Höhe, links schließt sich die, die
obere Partie abrundende Mantelsilhouette an. In Br. liegt der Kopf
des Opfers lange nicht so tief, die Nachbarschaft mit Apollos rechtem
Bein wirkt nicht besonders gut. Der prachtvolle, angespannte
Thorax, der in N. vorzüglich durchmodelliert ist, kommt durch die
veränderte Lage viel weniger zur Geltung. Apollos rechter Arm'
in N. viel besser bewegt, die Hand greift nicht so plump in die Haut.
An dem Baumstamm, der in N. viel schlichter wiedergegeben
ist als in Br., hängt eine Syrinx. Links am Boden in N. ein
Cellino, in Br. eine Art Viola d'amour, jedoch nur teilweise sicht-
bar. Das Brüsseler Exemplar schneidet links früher ab. In Br.
vorn am Boden eine Flöte. Rechts etwas in der Ferne sehen drei
Gefährte des Marsyas dem furchtbaren Schauspiel zu, in N. mit
mehr unmittelbarer Teilnahme als in Br., wo sie sich über das Er-
eignis unterhalten. Die Rückenfigur weniger im Geschmack Riberas
als Giordanos.
Am blauen Himmel gelbe Wölkchen. Die Gestalt des jugend-
lichen Gottes ist von so hohem Adel und so sieghafter Schönheit,
daß man darüber fast ganz das Gräßhche des Vorwurfs ver-
gißt, zumal ja sehr geschickt das Gesicht des Opfers in den
Schatten gelegt ist. Marsyas erscheint im Grund nur als Folie
für Apoll. Über die hohen malerischen Quahtäten des Werkes, „den
Silberglanz der Haut, die grünlichen Halbtöne, die goldenen Haare
zu einer Harmonie gestimmt auf dem Grund des schimmernden Pur-
purmantels" hat sich schon Justi bewundernd geäußert.
Im Zusammenhang mit diesem Bild sei die Rötelzeichnung im
Louvre erwähnt „ein Silen, an einem Baumstumpf festgebunden".
Die Figur läßt sich am ehesten als eine Studie zu einem Marsyas
deuten. Jedoch scheint mir das Blatt nicht von Riberas Hand
herzurühren; die Arme und der Kopf, vor allem der Blick nach unten
nicht schlecht, sehr öde und verlegen aber die Kontur am Rumpf
rechts; auch das Verschwinden des linken Beins erweckt Bedenken.
Von Riberas Gemälde vielleicht beeinflußt ist das Bild Giulio
Carpionis (Stich von Giac. Leonardi) und der Maler der
kleinen Tafel im Museum von Parma (406, hier Vlämische Schule
genannt). Übereinstimmend vor allem die Anordnung von Apoll
und Marsyas.
Den schärfsten Kontrast zu der Marsyasschindung bildet die
I03
„Klage der Venus um Adonis" aus demselben Jahr in der Galleria
Nazionale (früher Corsini) in Rom 248. (h. 1,79, br. 2,62)1) gez.
unten etw. links von der Mitte
Jusepe de Ribera espanol Valenciano
.F, 1637
Ein Werk ebenso hervorragend durch seine Form- und Farben-
schönheit, als durch den poetischen Hauch, der es durchweht.
Die Elegie wird dank der Valencianer Herbigkeit nicht zu einer
süßlichen Rührszene, sondern sie erhält in der Venus einen Zug
zu hohem, ergreifendem Pathos. Man vergesse nicht, daß der Stoff
der damaligen Zeit vor allem Neapel sehr nahe lag, hatte ja doch
erst vor kurzem Cavaliere Marino seinen weltberühmten farben-
reichen und leidenschaftlichen „Adone" geschrieben.
Adonis mit einem roten Mantel bekleidet, der jedoch nur
Hüften und einen Teil der Oberschenkel bedeckt, liegt entseelt
am Boden. Der Oberkörpver hat eine Biegung nach vorn gemacht,
so daß das lockige Haupt beinahe der vorderste Punkt des Bildes
ist. Durch diese Wendung erscheint der Körper wirklich wie zer-
schmettert. Am Fuß einer Eiche ist er vom Felsen niedergestürzt.
Venus kommt von links auf einer Wolke herbeigeeilt. Ihren
linken Fuß hat sie bereits ,auf die Erde gesetzt; klagend breitet
sie die Arme aus, den Körper vorbeugend nach dem Geliebten.
Sie trägt ein dunkelviolettes Untergewand, blaues, etwas ins grün-
liche schimmerndes Oberkleid, das an der Brust von einem roten
Band zusammengehalten wird, und braunen Mantel.
Das Hemd an der Brust, vor allem am rechten Oberarm sicht-
bar. Der linke Arm fast ganz von derri Mantel verdeckt. Im
blonden offenen Haar, das ein leichter brauner Schleier ziert, trägt
sie zwei rote Rosen und ein grünes Zweiglein.
Rechts beschnuppert der treue Jagdhund seinen toten Herrn.
Am Boden vom der Jagdspeer.
Die Landschaft großzügig und diskret mit dem Vorgang in
Verbindung gebracht : Berge und drei zersplitterte Eichen.
Wie beim Jacobsegen und beim Marsyas bewundem wir auch
') Nach Jaldero soll sich im Besitz von Jose Madrazo ein Bild Riberas „Diana
und Endymion" befunden haben.
I04
hier die Anschaulichkeit der Erzählung. Und dann die Würde.
Kein Schreien, aber auch kein sentimentaler Himmelblick. Es
ist das rechte Maß gehalten. Gern kehrt man stets zu diesem;
Bild zurück, denn es ist ein ganzes Gedicht.
Die Größe Riberas hat P. F. Mola gleich vernichtet, der in
seinem Gemälde „Hero und Leander" (Dresden 380) starke An-
leihen bei dem römischen Bild gemacht hat; namentlich Herd
deckt sich fast völlig mit der Venus.
5-
Die gerühmte Würde und Erhabenheit beweist aber Ribera
vielleicht in noch höherem Grade in der größten religiösen Elegie:
der „Pietä". Die ,, Klage um den Leichnam Christi" in der Capeila
del Tesoro der Kirche von S. Martino ist das erhabenste Werk aus
der Reifezeit des Künstlers. (Abb. 31.) Wie ,, Venus und Adonis"
ist auch diese Pietä 1637 gemalt. Bez.
Jusepe de Ribera espaiiol
F. 1637.
Am 3. Oktober 1637 erhielt Ribera 400 Dukaten für die Pietä
„che sta nella sacrestia".i) Erst später kam das Bild in den Tesoro.2)
Wie jener Adonis ist auch Christus ein zerschmetterter Baum.
Ergreifend zeigt uns der Maler das Gebrochene, Zerbrochene. Der
Torso seitlich gelagert, von Johannes gestützt, das Haupt müde
auf die Seite gesunken, die Gliedmaßen nach hinten gestreckt.
Eckig steht die rechte Schulter hoch, zerrissen wirkt der nach einer
Überschneidung an der rechten Hüfte wieder hervortauchende rechte
Arm mit der geknickten Hand. Schwer lastet, wie der ganze
Körper auch, der linke Unterarm auf dem weißen Bahrtuch, das
ebenso wie das weißgrünliche Lendentuch nur um ein geringes
den leuchtenden, mächtigen Körper überstrahlt.
Von höchstem Adel und wie der ganze Körper von wunder-
voller Plastik das schwarzbärtige Haupt. Christus hat die Augen
geschlossen. Man sieht, er hat ausgelitten nach schwersten Leiden.
Der Mund noch halbgeöffnet, auf der Stirne Spuren des Blutes,
das die Domenkrone verschuldet.
^) Faraglia in dem citierten Aufsatz S. 670. -) Celano VI, 25.
Abb. 30 BEWEINUNG CHRISTI Neapel S. Martino
los
Sich aus der Tiefe weit vorbeugend ist die in stärkster Ver-
kürzung gesehene hl. Magdalena im Begriff, den rechten Fuß'
des Herrn zu küssen, den sie mit ihrer Linken ein wenig gehoben
hat. Ihr herrliches goldblondes Haar fheßt über ihre Schultern und
den Rücken; ihr gelbes Gewand bedeckt ein roter etwas ins violett
schimmernder Mantel. Johannes knieend den Herrn stützend, ganz
jung, bartlos; seine langen kastanienbraunen Haare gehen bis zu
seinen Schultern. Er trägt grünen Rock und roten Mantel. Das
Gesicht hat er von Christus abgewendet; er blickt in verlorenem
Profil hinauf zu den beiden Engelein, die sich mit Dornenkrone
und Nagel weinend herabsenken.
Über Johannes vollkommen ruhig dastehend, den Hammer in
der Hand, Joseph von Arimathia, ein würdiger graubärtiger Greis
mit langem Haar; den Kopf leicht geneigt in die Ferne blickend,
gramerfüllt, in verhaltenem Schmerz.
In der Mitte aber kniet Maria in dunkelrotem Kleid, blauem
Mantel und braungrünem Kopftuch, die Mutter, mit zusammen-
gepreßten Händen, den Mund leicht geöffnet, die großen Augen
klagend zum Himmel erhebend. Doppelt erschütternd wirkt sie
in dieser stummen Trauer, mit den tränenschweren Augen, denen
doch keine Träne entrinnen will; wahrhaft königlich in ihrem
Schmerz.
iWenn nicht sie, so macht keine das Dichterwort zur Wahrheit :
Quis est homo qui non fleret
Christi matrem si videret
In tanto supplicio?
Quis non possit contristari
Piam matrem contemplari
Dolentem cum filio?
Das Bild ist stark gedunkelt, kaum ist mehr der untere Teil des
Kreuzstammes links piit der Fußstütze erkenntlich.
Wie bei Jesu Geburt der göttliche Knabe alle mit seinem
himmlischen Licht überstrahlte, so erscheint auch der tote Held
nüt dem wunderbaren Schein seines bernsteinfarbenen Körpers den
ganzen Schauplatz zu erhellen. Daß im allgemeinen hier tief-
leuchtende Farben gewählt sind, ist selbstverständlich.
io6
Eigenartig, kein einziger der Beteiligten sieht auf Christus, und
doch sind alle nur mit ihm beschäftigt. Daß der Künstler nicht nur
diese tiefe Idee aufgenommen, sondern sie auch vollkommen glaub-
haft durchgeführt hat, gereicht ihm zu hohem Lobe.
Wundervoll auch, wie es der Meister verstanden hat, das
schwere Sichniedersenken des Christuskörpers uns eindringlich zu
machen. Es ruht nämlich nur der mittlere Teil des Körpers —
Gesäß und Oberschenkel — a,uf dem Boden; Oberkörper und
Kopf sind leicht erhöht, ebenso der rechte von Magdalena erfaßte
Fuß. Durch diese Kurve im Körper kommt so der Eindruck des
langsamen Niedersenkens zustande, zumal diese Bewegung noch
durch die herabschwebenden Engelchen verstärkt wird. Das Gan^e
ein tieftrauriges Andante, dessen Thema eine absteigende Moll-
skala zu bilden scheint.
„Ogni cosa e dolore nella rappresentazione di questa sacra
e funesta tragedia''^).
Das Bild ist mit unheimlicher Virtuosität aufgebaut. Ein fast
rechtwinkliges Dreieck. Die untere Kathete Christus. Die Hypo-
thenuse vom Kopf Josephs über Maria zur Magdalena. Diese Haupt-
linie wird begleitet von der Diagonalen, in welche die Putti
hineinkomponiert sind; entgegen wirkt ihr die Diagonale, die
von dem Engel, der nach Johannes blickt, über Maria zu Jo-
hannes geht. Marias Haupt also im Schnittpunkt der beiden großen
Diagonalen; ihr ist somit an der wirksamsten Bildstelle der Haupt-
platz neben dem Sohn gesichert.
Nach Dominici^) hat das Gemälde einer Konkurrenz zwischen
Ribera und Cav. Massimo sein Dasein zu verdanken. Ribera hätte
nicht hinter Renis vielbewundertem Hirtenbild (im Chor der Kirche
von S. Martino) zurückstehen wollen und die Mönche um einen
Auftrag gebeten. Diese aber wären bereits Cav. Massimo
verpflichtet gewesen. Nun hätten beide Künstler um die Wette ge-
malt, Riberas Werk habe den Vorrang erhalten, und Riberas
Überlegenheit sei von Massimo selbst anerkannt worden.
Eine Ausnahme in dieser allgemeinen Anerkennung macht nur
') Dom. 130. ') Dom. 129. ') Cicerone II3 940 a.
I07
Burckhardt. Er sagt von dem Bild^) „in den Linien unangenehm,
was man allerdings über der Farbe und dem ergreifenden, obwohl
auf keine Weise verklärten Schmerz übersehen kann."
So mußte ja der Apologist der reinen Renaissance sprechen,
der dann natürlich Massimo Stanzionis Pietä über dem Portal von
S. Martino überschwänglich preist^); „den seelenvollsten Bildern des
Van Dyck gleich zu achten ; auch in der edlen Haltung und Verkürzung
des Leichnams alle Neapolitaner, zumal Spagnoletto übertreffend".
Dagegen muß doch Einsprache erhoben werden. Es wurde ge-
zeigt, wie die Verkürzungen und die Haltung Christi bei Ribera
ihre innerliche Berechtigung besitzen, wie alles von höchstem künst-
lerischen Geist getragen ist. Bei Stanzioni ist die Verkürzung nur
um der Verkürzung willen vorhanden. Auch edel kann man diese
Haltung nicht gut nennen, wo die Füße uns am nächsten sind,
der Leib höchst unangenehm auffällt und das Haupt ganz hinten
liegend in der starken Verkürzung uns gar nichts mehr sagen
kann. Dazu die Komposition akademisch, nach althergebrachten
Schema: Gleichschenklige Pyramide mit Maria als Spitze. Die
Komposition war Stanzioni Hauptsache, über der er den Inhalt,
den Ausdruck vernachlässigte.
Christus im.d Magdalena aus Riberas Gemälde sind von dem
Maler der „Beweinung" (Giordano?) im Oldenburger Museum für
sein Gemälde benutzt.
Die „Mater dolorosa" in der Galerie zu Kassel von 1638 steht,
was Auffassung anbelangt, etwas hinter der Maria der Pietä von
S. Martino zurück, jedoch wirkt auch sie noch höchst er-
greifend. In ein rotes Gewand, blauen Mantel und hellbraunes
Kopftuch gekleidet, blickt sie, den Kopf stark in Dreiviertelansicht,
tränenden Auges mit schmerzlich geöffnetem Mund gen Himmel,
in den zusammengepreßten Händen ein Tüchlein haltend. Ihre
Lider stark gerötet, eine Träne fließt die Wange herab. Die
Lippen fast blutleer, auf den Wangen nur ein schwaches Rot.
Die Nase, ganz gerade, wirkt fast etwas zu scharf. Schwärzliche
l) Cicerone 11. 3, 943. b.
io8
Schatten. Bezeichnet ist das Brustbild (h. 0,76, br. 0,62) :
Jusepe de Ribera espanol
F 1638.
Das Gemälde war früher in München, der einzige wirklich echte
Ribera, den der Kurfürst besaß. Aber da dieser gern einen Paulus
Potter haben woUte, tauschte er das Bild 1803 gegen den kleinen
Potter aus der Kasseler Sammlung (jetzt Pinakothek 472) umi).
Das Thema der Pietä hat der Künstler verschiedentlich be-
handelt. Nicht von Ribera ist, um es gleich vorwegzunehmen das
Gemälde im Louvre 1722 (h. 1,25, br. 1,81), eine frühe Nachahmung
Giordanos. Von einer „Komposition" kann eigentlich gar nicht
gesprochen werden. Es ist ein wüster Haufen von Menschen. Der
junge Johannes rechts wirkt ganz verzettelt. Besonders auf Giordano
weist das rotbraune Jnkarnat und der Profilkopf rechts.
Um die Mitte der dreißiger Jahre entstanden ist die Pieta im
Augustinerkloster zu Salamanca^, das Gemälde bildet die Spitze
des Hochaltars. Es hat sehr stark gelitten. Maria hält sitzend ihren
toten Sohn gegen den Schoß gelehnt. Christus in den Knieen ge-
beugt, so daß die Unterschenkel seitwärts am Boden ruhen. Die
Mutter faßt ihn in den Achselhöhlen, wodurch die ganze Leblosig-
keit und Gebrochenheit des schlaff die Arme herabhängenlassen-
den Christus äußerst stark hervortritt. Den Blick hat Maria klagend
nach oben gerichtet.
Ein ähnliches Werk erwähnt Celano*) in der Chiesa della
Solitaria zu Neapel in der ersten Kapelle zur Rechten beim Ein-
tritt „La vergine col suo morto figlio in seno."
Von der größten Bedeutung ist aber ein Beweinungsbild im
Besitz des Cav. d'Angelo in Neapel*). Bez.:
Jusepe de Ribera espafiol F. 1644.
(h. 1,80, br. 2,50). Dieses Werk hat, wie Justi einmal sehr richtig
bemerkte, für den spanischen Hof des XVIL Jahrhunderts die-
^) Einer freundl. Mitteilung Oscar Eisenmanns zufolge befand sich laut den ersten
Inventaren der Gallerie im XVIII. Jahrhundert in der Sammlung unter Nr. 707 ein „Brust-
bild eines Jünglings, der seinen Kopf auf die rechte Hand stützt, worin er eine Flöte
hält und mit der Linken, Musikalien", damals Ribera zugewiesen. Mit Jerome verschwand
das Bild aus Cassel. ^) vergl. S. 90. ') Celano V. 9. ■•) vergl. auch Les Arts. 1903.
No. 17 (Mai) S. 34.
I09
selbe Bedeutung gewonnen, wie das des Roger van der Weyden
im XV. Kopien — mit Varianten — in nicht geringer Anzahl
zeugen für die Beliebtheit des Bildes, z. B. im Prado, Escorial,
sowie das Exemplar früher bei Duca di Miranda in Neapel, i)
Das Exemplar des Cav. d'Angelo stammt aus dem Besitz des
Principe di Piedimonte, kam dann zur Marchesa Campolattaro,
von der es ein Herr Scihzzi erwarb, dessen Erbe Cav. d'Angelo ist.
Wir befinden uns in dem Grabgewölbe. Christus nach rechts
auf einem Brett ausgestreckt, sein Oberkörper wird von dem alten
Joseph von Arimathia, einem langbärtigen Greis, gestützt. Gerade
über Josephs Kopf erblickt man den Pfeiler des großen Eingangs-
bogens der Gruft, er scheint dem gebeugten Körper des Alten
einen festen Halt geben zu sollen.
Johannes im Profil nach rechts hat Christi linken Arm er-
griffen, um der klagenden Maria die Wunde in der Hand zu zeigen.
Die Mutter hat mit gefalteten Händen ergebungsvoll das Haupt
geneigt. Magdalena, in stärkster Verkürzung gesehen, zu Füßen
des Heilands mit der Rechten seine Füße ergreifend; die Linke
auf der Brust blickt sie trostlos zu Christus hin. Hinter Joseph
steht als einzige ganz ruhige Gestalt Nicodemus.
Das Ganze ist gegenüber S. Martino wohl figurenreicher, sonst
aber viel kleinlicher, freilich das große Publikum fesselnder.
Der Madrider Kopist (Prado 986, h. 2,02, br. 2,59) hat die
Feinheit der Vertikale in der Gewölbeöffnung nicht verstanden
und eine ganz vage Felsengruft hingemalt.
Die Kopie im Escorial (Sakristei) ist sehr hell im Ton. Gering
die Kopie im Museum von Cadiz Nr. 41.
Im Anschluß an diese Pietä ist das Bild in der Ac. S. Fer-
nando entstanden, bez. :
Jusepe de Ribera espafiol
Academico Romano Ft 1645
Das Gemälde macht einen zweifelhaften Eindruck (dazu kommt
') Verkauft in Rom April 1895, vergl. Nr. 404 des Auctionskatalogs „Grande CoUection
de tableaux du Prince de Fondi k Naples". Sangiorgi. Roma. Aprile 1895. (Katal.
Nr. 60. V. Jahrgang),
noch das Ft in der Signatur, das sich sonst nie in dieser P'orm
bei Ribera findet).
Christus ähnlich wie in dem vorherbesprochenen Beweinungs-
bild, Joseph faßt ihn aber nicht an der Brust, sondern an den
Armen. Er steht höher; sein rechtes Bein steht auf dem Brett auf,
das Christus als Lager dient. Sein Kopf überragt den des Toten,
nach dem Joseph bekümmert den Blick gerichtet hat. Johannes
ist im Begriff Christi Linke zu küssen, Maria weit nach links vor-
geneigt, schaut mit gerungenen Händen auf den Sohn. Zu dessen
Füßen Magdalena, die Rechte auf der Brust, schmerzlich nach
oben blickend. Sie ist von großer, aber nicht eigentlich Riberesker
Schönheit. Links Nicodemus stehend.
Im Louvre eine mittelmäßige Kopie ohne den Nicodemus.
Mit am tiefsten geht ein Gemälde, das uns leider nur noch
in einer — sehr breit gemalten — Kopie in der Academie S. Fer-
nando (602/134) erhalten ist.
Christus hier nach links ruhend, von Joseph gehalten an der
linken Seite und an der rechten Schulter. Christi Haupt ist an
Josephs Brust gesunken. Dieser blickt nach Maria, die — in der
Kopie etwas sentimental geraten — mit verschlungenen Händen
zum Himmel aufsieht. Johannes hat weinend Christi Rechte er-
griffen, um sie zu küssen. Magdalena, sonst die leidenschafthchste,
hier am ruhigsten von allen; eine herbe echt Ribereske jungfräu-
liche Gestalt.
Sie steht zu Füßen Christi, die Linke in Redegebärde vorge-
streckt. Die Augen tränenlos, und doch unendliche Wehmut in
den Zügen, bhckt sie in die unbestimmte Feme hinaus, nein, nicht
ins Unbestimmte : nicht an den einzelnen Beschauer wendet sie
sich, sie spricht zur ganzen Welt: Seht, er hat für Euch gelitten!
Es weht durch das Werk etwas vom Hauch der Pietä von S.
Martino, mit der es ja auch den Zug gemein hat, daß niemand zu
Christus blickt und doch alle sich mit ihm beschäftigen.
Schließlich sei noch die Pietä der Londoner National-Galerie
(235, 50x70 inch.) genannt.
Christus, der hier nur einen dünnen Schnurrbart trägt, liegt
nach links auf dem in den Falten sehr sorgsam durchstudierten
Bahrtuch. Der Oberkörper wird von Johannes aufrecht gehalten;
der Jünger beugt sich von rechts her über den Herrn. Zu Christi
Füßen Magdalena, in kühnster Verkürzung gesehen, die sich über
die Füße des Heilands beugt. Ihr Gesicht etwas derb. Maria in
der Mitte wendet sich klagend mit gerungenen Händen dem Sohne
zu. Ihr weiter Mantel verleiht ihr eine außerordentlich macht-
volle Silhouette. Überhaupt ist in diesem Bild das größte Gewicht
auf die Gesamtsilhouette gelegt. Von Magdalena steigt die Kurve
über Maria zu Johannes, um sich wieder bis zur Mitte der Bildhöhe
zu senken.
Waagen, der das Bild noch in Wardour Castle bei Lord Arun-
del sah, sagt von ihm^) „unusually elevated in character for him
but much injured with cleaning". Wie das andere Ribera zuge-
wiesene Werk der National Gallery hat auch dieses Bild sehr
gelitten. Es ist stark gedunkelt, die Feinheiten der Modellierung,
vor allem im Christuskörper, sind verschwunden. Rührt das Ge-
mälde wirklich von Ribera her, so ist es mit das früheste der Be-
weinungsbilder, vielleicht schon um 1630 entstanden. Wie bei
dem Petersburger Sebastian macht sich auch hier noch das starke
Streben nach Plastik bei dem tenebroso Ribera bemerkbar.
Große Verwandtschaft mit diesem Bild besitzt die Ribera zu-
gewiesene Radierung B. i. Christi Kopf ruht hier auf einem Stein.
Johannes stützt knieend Maria, auch er schaut wie die Mutter weh-
mutsvoll nach Christus. Hinter den beiden sieht man den unteren
Teil des Kreuzstamms, an dem die Fußstüze sichtbar ist, und die
an den Stamm gelehnte Leiter. Magdalena wie immer in kühnster
Verkürzung gesehen, beugt sich geradeaus über die Füße des
Herrn; den linken hat sie ergriffen, um ihn zu küssen.
In einer Kopie ergreift Magdalena den rechten Fuß.
Das Blatt ist unten links mit Monogr. B. Nr. 2. bezeichnet, i) Es
geht ganz sicher auf Ribera zurück ; schwerlich aber hat Ribera die
Radierung so ausgeführt, wie sie uns vorliegt. Kristeller dachte an
eine frühe Arbeit des Meisters; es scheint aber wenig wahrschein-
') Waagen, Galleries and Cabinetts. S. 393. ^) Früher von einigen als Guido
Reni gelesen. Auf Mattiolis Kopie liest man „Guido Reni Inv."
lieh, daß Ribera dieses radierte Blatt, das wir dann ca. 1620 an-
setzen müßten, erst 10 Jahre später in Malerei umgesetzt hat.
Für 1630 ist aber die Radierung zu derb in der technischen Be-
handlung. Es hat den Anschein, als ob eine sehr subtile Radie-
rung Riberas vorgelegen hat, die von einem Schüler aufgearbeitet
wurde. (Man sehe nur die cruden, den Himmel andeuten sollen-
den Striche, die über die feinmaserige Holzleiter geführt sind !)
Die Pietäbilder mögen uns zur Betrachtung der entsprechen-
den Szene im Himmel leiten, zu Riberas „Gnadenstuhl in den
Wolken". Prado 990 (h. 2,26, br. 1,81 Abb. 32) ohne Signatur.
Eine Originalreplik im Escorial. Sicher in der zweiten Hälfte der
dreißiger Jahre entstanden.
Gott Vater thront auf einer Engelswolke, ein Greis in voll-
kommener Ruhe: die durch nichts zu erschütternde Majestas. Die
leuchtenden Augen von gedankenvollem, sinnendem Ausdruck. Be-
kleidet ist er mit einem blauen Rock, darüber ein mächtiger pur-
purner, im Winde flatternder Mantel, der mit violetter Seide ge-
füttert ist.
Über Gott Vaters unbedecktem Haupt das Triangulum. Vor
seiner Brust schwebt die heilige Taube. Seine Hände ergreifen
ganz leicht die Dornenkrone des Sohnes.
Dieser ruht, das Haupt müde zurückgebeugt, mit geschlossenen
Augen und halboffenem Mund im Schoß des Vaters. Die Ober-
arme über dessen Oberschenkeln ausgebreitet, die Unterarme hängen
schlaff herab. Die Beine in den Knien gebeugt, so daß die Unter-
schenkel seitwärts gerichtet sind. Mit seinem Unterkörper ruht
Christus halb auf dem weißen Bahrtuch, dessen Zipfel von Engeln
gehalten werden. Dadurch, daß der Unterkörper nicht fest auf-
liegt, bekommt die ganze Gestalt etwas Schwebendes.
Die große Wolke im unteren Teil ganz düster, fast schwarz.
In der Ecke rechts unten erblickt man den blauen Himmel; oben
aber ist alles licht, ein Meer von Tausenden kleiner Engelsköpfe
— wie es aus Raffaels Sistina so bekannt ist — gegen das sich
einzig Gott Vater mit seiner erhabenen Silhouette abhebt. Dieses
Tafel XXIV
Pliot Audersoo
Abb. 32 DER GNADENSTUHL IN DEN WOLKEN Madrid Prado
"3
wogende Lichtmeer ist sein Schmuck, seine Krone, er braucht
keine Tiara.
Völhge Stille herrscht ringsum; nur der Mantel rauscht irn
Wind. Keine Leidenschaft. Alles atmet Ruhe, Milde, Frieden.
Die Ruhe des Vaters ist aber schon aus Kontrastrücksichten
gefordert : der ungebrochene, aufrecht sitzende Greis und der ge-
brochene junge Held. Auch fällt Gott Vater bei der diagonalen
Hauptrichtung der Komposition die Aufgabe zu, die ausgleichende,
feste Vertikale zu bilden.
Die Komposition ist nun das eigentlich Neue und Über-
raschende. Denn nicht Linien sind es, die die Struktur des Bildes
ausmachen, sondern Lichtstreifen, Lichtflächen. Zunächst die
Hauptdiagonale, die von Gott Vater über die Taube zu Christi
Knien führt. Diesem Lichtstreifen wirken zwei breite Lichtflächen,
im rechten Winkel zur Hauptachse, oben und unten und ein schma-
ler Streifen in der Mitte entgegen : Die Engelsglorie (durch die
schräglaufende Kontur des Mantels Gott Vaters begrenzt), das
Bahrtuch, die Arme Christi. Ein Kompositionsversuch ebenso
kühn wie gelungen. So gewinnen erst die abwechselnd hellen und
dunklen Flächen ein wahres Leben.
Daß die Zeichnung neben dem glühenden Kolorit von höchster
Vollendung, daß die Putti von größtem Liebreiz sind, sei noch
zum Schluß hinzugefügt.
Alonso Cano gefiel diese Auffassung der Trinität, vor allem
die Gott Vaters dermaßen, daß er diese Gestalt vollkommen in
sein Trinitätsbild herübernahm (Granada Kathedrale Cap. de la
Trinidad).
7-
Ein Kruzifixus aus Riberas reifer Zeit ist uns nur in dem Ge-
mälde in Vitoria erhalten. Früher in der Kirche S. Domingo,
jetzt im großen Sitzungssaal der Disputacion provincial, bez.
Jusepe de Rivera espanol
F. 1643.
Ein höchst eigenartiges Werk. Christus allein. Tiefe Nacht
ringsum. Das Haupt hat er auf die linke Seite geneigt, den Mund
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto). g
114
leicht geöffnet, die Lippen fast blutleer blickt er zum Himmel:
Warum hast du mich verlassen?!
Das rechte Bein ist über das linke gesetzt, eine eigenartige,
aber keineswegs schöne Stellung. Die Behandlung des Körpers
zeichnet sich wie die Führung der Silhouette durch Großzügig-
keit aus. Die Struktur des Körpers ist nur leise angedeutet. Chri-
stus strahlt in einem gleichmäßigen, wie ein Wunder wirkenden
Licht, die Dunkelheit ringsum erhellend. Vom Körper ist fast
jeglicher Schatten gebannt, nur am Rand die Dunkelheiten, treff-
lich zur plastischen Wirkung beitragend. Eine Anhöhe ist in der
Dunkelheit als einzige Andeutung der Landschaft zu erkennen;
sie erstreckt sich über die ganze Bildbreite, nach rechts sich lang-
sam zur Ebene senkend. Rechts am Himmel die augenscheinlich
nach der Natur beobachtete verfinsterte Sonne.
Ein Kruzifixus früher in S. Thom^ in Madrid^) ist verschwunden;
ebenso der von Palomino erwähnte^) in der Sala de profundis del
Colegio de Atocha zu Madrid.
Eine „Kreuzabnahme" befand sich in der Galerie Aguado;
jetziger Aufenthalt mir nicht bekannt. Wie der Stich von Gel6e
(„La galerie Aguado publ. ä Paris par Pavard") zeigt, war es ein
Nachtstück : Der Leib Christi allein erleuchtet die Finsternis. Drei
Männer sind im Begriff, ihn niederzulassen; die Hauptlinie pine
schlaffe Kurve.
Ein „Schmerzensmann", sehr schlecht erhalten, wahrschein-
lich aus Riberas erster Periode in der Academia S. Fernando zu
Madrid.
Von der Seite gesehen, blickt Christus leicht vorgeneigt den
Beschauer an, in rotem Mantel, der rechte Schulter und Arm
freiläßt ; in der Rechten hält er den Rohrstab, mit der Linken greift
er nach dem Mantel. Das einzige, was man noch würdigen kann,
sind die wundervoll gemalten Hände.
Schulgut ist der Schmerzensmann zwischen zwei Soldaten in
der Sakristei von S. Filippo Neri in Neapel.^
') Cean Bermudez Diccionario S. 192. -) Palomino 312. ') Ein „Christus an der
Säule" (75X5° inches) aus dem Besitz von Miss Maguire war ausgestellt London 1901
in der Exhibition of the works of spanish painters. Katalog Nr. 73 a).
"S
Die „Heilige Familie" hat Ribera in diesen Jahren ziemlich
oft gemalt. Das erste Bild, ungefähr 1636 entstanden, ist uns
leider nicht mehr im Original erhalten. Die beste Wiederholung,
die ich nicht als eigenhändige Arbeit ansehen kann, befindet sich
im Museum von Cördoba. Eine fast ebensogute bei D. Felipe
Villalonga in Palma de Mallorca und schließlich noch eine Kopie
rechts an der Eingangswand der Grenadiner Kathedrale — ein
Bild, das dort große Verehrung genießt.
Maria, eine spanische Schönheit mit goldbraunem Haar und
süßem kleinem Mund, hält auf ihrem Schoß das beim Trinken
an ihrer Brust eingeschlafene Knäblein, das sie mit ihrer Linken
umfaßt.
Ihre Rechte nimmt in äußerst graziöser Bewegung ein weißes
Tüchlein vom Sattel auf. Die Mutter ist sehr behutsam, als fürchte
sie den Knaben zu wecken.
Sie trägt ein rosa Kleid mit gelben Ärmeln und blauen Mantel.
In ihrer Haltung liegt höchste Vornehmheit. Den edlen Fluß der
Linien kann man nicht genug bewundem. Die Szene spielt im'
Freien. Maria sitzt im Schatten vor einem braunen Tuch, das als
Schutz vor den hellen und heißen Strahlen der Sonne zwischen
zwei Eichbäume gespannt ist. An einen andern belaubten Eich-
stamm lehnt sich rechts Joseph, im besten Mannesalter uns hier
entgegentretend.
Er blickt lächelnd auf Mutter und Kind, die Hände verschränkt,
mit dem linken Unterarm sich an den Stamm lehnend. Er ist
mit einem schlichten braunen Rock bekleidet.
Ganz rechts erscheint ein Eselskopf.
Aus den Lüften schwingen sich zwei Englein hernieder mit
einem Rosenzweig. Der Himmel strahlt in heiterstem Blau.
Was diese „Ruhe auf der Flucht" so unvergeßbar macht, ist
aber nicht der Adel der Formen, nicht die Vornehmheit der Auf-
fassung, nicht das blühende lichte Kolorit, sondern die zauberhafte
ii6
Stimmung. Man fühlt die Stille, den Frieden bei dieser Mittags-
rast an einem heißen Sommertag. Es ist eine wirkliche „Ruhe".i)
Neben dieser großzügigen Idylle kommt uns dann die Zimmer-
mannsfamilie von 1639 im Museum von Toledo etwas kleinbürger-
lich vor. Leider ist das Werk durch eine geradezu abscheuliche
Restauration jedem wahren künstlerischen Genuß entzogen wor-
den, furchtbar vor allem das viele Rosa und Rot in der Karnation
(das Gesicht der Madonna!). Die Signierung dürfte -in der vor-
liegenden Form schwerlich die ursprüngliche sein:
Jusepe deri bera f
a 1639
Ich kann nicht ganz meinen Verdacht unterdrücken, daß das
Toledaner Bild nur eine Kopie ist. Eine Kopie im Museum zu
Wiesbaden (früher in der Berliner Galerie 405 B Abb. 23)- D^s
Toledaner Exemplar stammt aus Ocafia.^)
Die Familie in der Werkstatt, eine „Holzhackerfamilie". Maria
nach rechts gewandt auf dem rechten Bein knieend deckt den
in ihrem Schoß ruhenden Jesusknaben auf, der für ein Schoß-
kind reichlich groß ist. Sie hält den Sohn mit der Linken um-
faßt; die Rechte faßt sehr graziös — der aufgehobene kleine
Finger! — den einen Zipfel des gelupften weißen Tuches. Maria
eine fast üppig zu nennende Erscheinung in rotem Kleid und
blauem, am Hals zusammengeschlossenem Mantel. Den Kopf leise
auf die Seite geneigt, blickt sie schwermütig, versonnen an Joseph
vorbei nach rechts oben.
Lächelnd schaut im Gegensatz zu Maria der rechts an der
Werkstattbank stehende Joseph, hier kaum als ein Vierzigjähriger
erscheinend, auf den Knaben. In der Linken hält er ein großes
Scheit Holz, in der Rechten eine Axt. Zwischen ihm und Maria
steht der kleine Johannes, neben der Gestalt des Giovannino im
Prado die entzückendste Kinderfigur Riberas. Den Kreuzstab
') Ein derartiges Descanso befand sich nach Cean Bermudez 194 in der Cappuziner-
kirche von Cordoba. Conca sah das Bild dort (Descrizione Odeporica III, 184) und be-
merkt „belissima pittura che ha restituita a vita Don Antonio Torrado " ") In der
Sammlung Soult zu Paris befand sich ein Bild mit den gleichen Personen. Eine solche
„Holzhackerfamilie" Riberas erwähnt auch Conca, Descrizione Odeporica II lio/lll im
Capitolo del Vicario des Escorial.
Tafel XXV
Photogr. Greseliechalt BerliD
Abb. 33 DIE HL. FAMILIE Wiesbaden
Tafel XXVI
Phot. Haotstaengl
Abb. 34 DIE VERLOBUNG DER HL. KATHARINA
London Earl of Northbrook
"7
haltend, mit einem Fellchen bekleidet, blickt er uns halb von der
Seite an. Links neben Maria ein Korb mit Kissen, rechts vorn ein
Mantel und eine Säge. Der Boden mit Fliesen bedeckt.
Die Komposition sehr sorgfältig. Zwei Diagonalen, in deren
tiefgelegenen Schnittpunkt das Köpfchen des Knaben gesetzt ist.
Die eine Diagonale wird bezeichnet durch die Schattengrenze an
der Wand links, die dann über Maria zum Jesusknäblein führt.
Die andere geht vom Kopf Josephs über den des Johannes gleich-
falls zu Jesus. Als Ausgleich für diese beiden starken Schrägen
dient neben der Vertikalen im Joseph die große Gerade in der
Mitte des Bildes, die vordere Ecke des dämmrigen Raumes rechts.
Marias Kopf allein hebt sich vom lichten Grund der beleuchteten
Wand ab.
Die Krone aller dieser Schöpfungen aber ist doch die „Ver-
mählung der hl. Katharina" wie man das Bild bei Earl of Northbrook
wohl nennen darf. Das beste Gemälde Riberas in England. Es
stammt aus Genua; früher war es im Besitz von Sir Thomas
Baring. Nr. 237 der Sammlung^) (79I/2X60 inch. Abb. 34) bez.
dem Stuhl
Jusepe de Ribera espanol
Accademico Ro""
F. 1643.
Rechts sitzt die Madonna, ein spanisches Mädchen von großer,
ernster Schönheit, den Beschauer anblickend. Ihr reiches schwarzes
Haar fällt über ihren Nacken herab. Sie trägt ein rotes Kleid;
ein blauer Mantel fällt über ihren Unterkörper. Das Kind, mit
hellem Seidenhaar, hält sie über ihrem Schoß auf beiden Armen
auf einem weißen Tuch. Links kniet nach rechts sich wendend
die hl. Katharina, ebenfalls eine spanische Schönheit. Sie drückt
des Kindes rechtes Händchen an ihre Lippen, das sie mit ihrer
Rechten ergriffen hat; ihre Linke ruht auf der Brust. Auch ihr
fließt das reiche Haar über den Nacken. Sie trägt ein weißes
Obergewand mit blauen Ärmeln und einen schweren, bronzegelben
Mantel. Der Christusknabe, der nach rechts sitzt, hat mit der
1) Vergl. den Catalog (S. 182).
ii8
Linken den einen Mantelzipfel Marias gefaßt und das Köpfchen
zu Katharina gewendet. Sein Blick aber schweift sinnend in die Feme.
Hinter Katharina steht die alte Anna, in der Linken ein Körb-
chen mit Pfirsichen, in der Rechten eine Rose haltend, die sie
lächelnd dem Kinde anbietet. Hinter Maria erbhcken wir in einen
Mantel gehüllt Joseph, in der Stellung des Joseph von Arimathia
in der Pietä von S. Martino, hier besonders stark an Velasquez
Menipp erinnernd: Körper von der Seite gesehen, völlig in den
Mantel eingehüllt, Kopf de face, ganz leicht nach links, den Be-
schauer anblickend; dunkelbraune Haare, schwarzer Bart. Mit der
Rechten stützt er sich auf seinen Stab.
Ganz vorn rechts ein Körbchen mit rotem und weißem Kissen.
Auch hier Fliesenboden.
Wie alle Werke dieser Epoche ist auch dieses Bild hell-
leuchtend in warmem Ton gemalt. Zart und licht vor allem Maria
und der Knabe, dessen Körper mit seinen hellrötlichen Konturen
ohne große Schattenflächen mit leichten graubraunen Linien mo-
delliert ist. Die anderen Gestalten, namentlich Anna und Joseph,
sind durch kräftige Schatten sehr plastisch herausgeholt.
Die Komposition sehr ähnlich der der „Holzhackerfamilie".
Aller Nachdruck ist auf die Begegnung der Katharina mit der Hand
des Kindes gelegt, die in dem Schnittpunkt der beiden von den
Seiten (den Köpfen Josephs und Annas) ausgehenden, sich nach
der Mitte hin senkenden Diagonalen angebracht ist.
Waagen, der für den schlichten Adel und die Tiefe der Emp-
findung dieses Werkes kein Verständnis besaß, charakterisiert das
Bild wie folgt i):
„Man glaubt hier nicht eine heilige, sondern eine ganz ge-
wöhnUche, ja ziemlich gemeine Familie zu sehen." Dann aber
sagt er: „in der fleißigen Ausführung, in Klarheit und Wärme
der Färbung der berühmten Anbetung der Hirten im Louvre ver-
gleichbar."^)
') Kunstwerke II. 249, 250. *) Eine „hl. Katharina" Riberas erwähnt Waagen (Galleries
and Cabinets S. 64) bei Lord Yarborough „Although somewall secular in general character,
yet the forms are more elevated for the master than usual for the master and the drawing
particulary refined.
119
Es dürfte nicht uninteressant sein, dem Ausspruch Waagens
die vor dem Bild in Begeisterung niedergeschriebenen Sätze Justis
gegenüberzustellen: „. . . Wie rein, wie edel ist das alles empfunden,
wie ohne alle Phrase, ohne konventionelles Pathos der Leerheit.
Es ist die im Innern verborgene Tiefe des Gefühls. Wie lautlos,
wie lange könnte das alles so verharren — ein Adagio!"
In diese Gruppe gehört auch das in jenen Jahren entstandene
Gemälde: „Der Besuch der hl. Familie beim hl. Bruno." (Palazzo
Ducale zu Neapel.) Ein in lichten Farben strahlendes, überaus
liebenswürdiges und vornehmes Bild.
An einem schönen Frühlingstag hat sich die Jungfrau mit dem
Jesusknaben aufgemacht, den frommen Asketen Bruno zu besuchen.
Joseph gibt den Führer ab. Nun sind sie angelangt ; Joseph wendet
sich wie fragend Marien zu: Sind wir hier recht?
Ergriffen kniet der alte, etwas jämmerlich aussehende Asket
vor der hohen Frau, die das Kind an der Hand führt; sie blickt
er an, die ganze Welt sonst ist für ihn versunken. Und wenn auch
Maria lücht mit großem Gepränge erschienen ist, wenn sie auch
statt hoch auf Wolken zu thronen sich zu Fuß dem Andächtigen
genaht hat, die Himmelskönigin ist doch sofort zu erkennen. Eine
Idealgestalt. Vielleicht die idealisierteste Frau, die Ribera überhaupt
geschaffen. Dominici ist nicht mit dieser Maria zufrieden; „un
naturale non troppo hello, n^ gentile" nennt er sie,^) das Strenge,
Hoheitsvolle befremdete ihn. Idealisiert auch das Kind, das der
Mutter auffallend ähnelt.
Gleichsam als unsichtbares, himmlisches Diadem wiegen sich
über Maria drei Engel in den Lüften, darüber noch eine weitere
Gruppe, in deren Mitte Gott Vater erscheint.
Über dem Heiligen steht noch ein Bischof: S. Benediktus. Da-
hinter wird ein ehrwürdiger, bärtiger Kopf sichtbar.
Alle sind ergriffen, es herrscht eine feierliche Stille.
Dominici erzählt,-) Ribera habe das Bild für die Chorwand der
Karthäuserkirche S. Martine gemalt. Es sei jedoch zu Streitig-
keiten gekommen — Dominici glaubt natürlich wegen eines zu
hohen Preises oder durch Eifersüchteleien des Meisters. Die Mönche
^) Dominici 126. ^) Dominici ebenda.
hätten schließlich an Stelle dieses Gemäldes die „Geburt Christi"
Renis dort aufgehängt. Ribera habe dann sein Bild an die Mönche
von S. Trinitä verkauft und die zwei andern Heiligen hinzugemalt.
Das Werk habe in der capellone del canto gehangen.
An dieser Stelle sei noch des kleinen auf Kupfer gemalten
Bildchens im Museo Nazionale in Neapel gedacht „Der hl. Bruno
empfängt die Ordensregeln." (Inventar Nr. 84396; h. 0,38, br. 0,27)
Jusepe de ... .
. . . bera ....
Nicht sonderlich gut erhalten. Das weiße Gewand des Heiligen,
in der unteren Partie ziemlich roh übermalt.
Der Heilige im Profil nach links knieend am Rand seiner Höhle,
wo ein Totenkopf und ein Bischofsstab sichtbar werden; die Arme
auf der Brust blickt er nach oben zu den beiden Englein, die sich
mit einem Buch, den Ordensregeln, nahen. Die Putti kommen aus
einer lichten Engelsglorie. Der vordere wendet sich zum Heiligen,
auf eine Stelle des aufgeschlagenen Buches deutend, der andere
hält es.
Das Gewand des Heiligen ist in der Faltengebung sehr sorg-
sam behandelt. Die Silhouette der Höhlenkulisse rechts macht leise
die Bewegung S. Brunos mit.
Ausblick in eine Gebirgslandschaft. Blauer Himmel mit gelben
Wolken.
Das Halbfigurenbild „Christus in Emmaus" beim Herzog von
Sutherland (Staffordhouse) scheint mit eine tüchtige Werkstattarbeit
zu sein. Für den Meister in der Auffassung nicht vornehm genug
und in der Ausführung etwas zu breit, jedoch sehr kräftig und in
den Typen ihm verwandt, i)
Den Beschluß in dieser Reihe mögen die Navidadbilder machen.
Schon 1630 hatte Ribera eine Geburt Christi gemalt. Galerie
*) „very vividly conceived, though differing both in Charakter and cxecution from
the usual manner of the master . . . ." Waagen, Art Treasurcs II. 66,67).
Weber in Hamburg. Bez. auf dem Sattel. (Die Signierung in dieser
Form wohl nicht mehr die ursprüngliche)
Josephus a Ribera yspanus Setaben
p. Roma Academie faciebat
Parteno 1630.
Das Bild ist sehr gedunkelt, restauriert und stark gefirnist, so daß
die technische Eigenart des Meisters kaum mehr erkenntlich ist.
In dem heutigen Zustand erinnert das Gemälde am meisten von
allen Werken Riberas an Honthorst. Es ist ein Nachtstück. Alles
Licht geht vom Kind aus, das Maria über der Krippe hält. Die
Mutter, ein junges blondes Mädchen in rotem Kleid und blauem, über
den Kopf gezogenem Mantel, blickt schmerzlich lächelnd auf das
Knäblein. Joseph und die Hirten schauen mit vergnügten Mienen
auf das Christkind.
Dem bereits kurz erwähnten Bild in Salamanca ähnlich ist die
Ribera zugewiesene Anbetung im Museum zu Cördoba, die jedoch
wohl nur eine Nachahmung ist.
Wichtig vor allem der Signierung wegen ist das Hirtenstück
im Kapitelsaal des Escorial 32g. Bez. auf dem Schnitt eines Baum-
stumpfes in ziemlich kleiner Schrift.
Jusepe de Ribera espaüol Valenciano
de la ciudad de Xativa academi™
Romano F. 1640
sehr verdorben, stark restauriert und schlecht beleuchtet.
Gleichfalls ein Nachtstück. Die Szene sehr figurenreich. Maria
sitzt, das Kind im Schoß haltend, den Kopf über es gebeugt. Vor
ihr die Krippe. Die Hirten mit einem jugendlichen Begleiter links,
der ein totes Lämmlein herbeiträgt. Rechts die Alte mit den Eiern
und dem Huhn, eine Lieblingsfigur der spanischen Maler.
Über ihr steht Joseph, der, auf den linken Ellbogen gestützt,
den ganzen Vorgang beobachtet. In den Lüften kleine Engel.
Auch hier wieder in der Komposition die zwei Diagonalen,
in deren Schnittpunkt das Köpfchen des Kindes gesetzt ist. (Die
eine Schräge vom Putto links über den stehenden Hirten und Maria,
die andere vom Kopf Josephs über die knieende Alte.)
Die Anbetung Nr. 441 ebenda ist noch mehr verdorben als 339.
Das Bild macht nicht den Eindruck eines Originals. Die Kompo-
sition hier auch weniger sorgfältig. Jedoch ist das Gemälde kolo-
ristisch interessant, weil eine Dämmerstimmung wiedergegeben
ist. Für Ribera auffällig ist der überaus heitere Ton der Gesell-
schaft. Die Hirten wie die Alte lachen fröhlich. Maria hier dar-
gestellt, wie sie das Kindlein (das offenbar überhaupt neu gemalt
ist) aufdeckt.
Eine Kopie, anschaulicher als das Original selbst, in Sevilla
bei Herrn Lopez Cepero.
Diesen beiden Darstellungen verwandt ein Gemälde, das nur
in zwei mäßigen Kopien auf uns gekommen ist. Es befand sich
vielleicht früher im Kloster S. Isabella zu Madrid, wo noch jetzt
(rechts vom Hochaltar) eine Kopie zu sehen ist. Die andere im:
Valencianer Museum, aus der Sammlung D. E. Pons-For^s.
Maria sitzt hier rechts, das Kind an der Brust, nach oben
blickend, wo sich aus den Lüften kleine Engel niedersenken. Rechts
von ihr Joseph, vom ein Sattel. Soweit könnte das Bild aus einem
„Descanso" Riberas entlehnt sein. Nach links folgen pun die
Hirten, der ganz links ein Mohr; femer die Alte, die knieend die
Hände gefaltet hat, aber gar nicht bei der Sache ist, sondern sich
nach uns umblickt; oder soll ihre Bewegung so zu deuten sein,
daß sie den Beschauer zur Verehrung des Kindes auffordert?
Alle diese Darstellungen überragt aber weit die Anbetung der
Hirten in der Seo von Valencia (Sakristei). Ein Halbfigurenbild. Bez.
auf einem Brett der Krippe
Jusepe de Ribera
F. 1643.
An Tiefe der Empfindung und Größe der Auffassung das mehr
virtuosenmäßig anmutende Spätbild des Louvre von 1650 gleich-
falls um ein Bedeutendes hinter sich zurücklassend.
Der Künstler hat sich hier wieder auf seine Schlichtheit be-
sonnen. Maria, das Kind, die drei Hirten, der Ochsenkopf; auf
jeden weiteren Personenapparat hat er verzichtet. Nur links in der
Ferne sieht man ganz leicht die Erscheinung an die Hirten skizziert.
Schon die Gestalt der Maria genügt, um das Bild zu einer der
bedeutendsten Leistungen des Meisters zu machen. Sie allein ist
123
gan? de face gesehen, das Kopftuch und der weite Mantel geben
ihr eine großartige Silhouette, die den Eindruck erhabenster
Ruhe hervorruft. Maria noch vollkommen Kind. Um so er-
greifender wirken die großen braunen, voll zum Himmel aufge-
schlagenen Augen : die bange Ahnung der Mater dolorosa. (Ihre
.Wimpern und Brauen im Gegensatz zu den Augen selbst schwarz.)
Mit ihrer Rechten hat sie ein Tüchlein vom Körper des Kindes
weggenommen und hält es sehr graziös mit dem einen Zipfel
zwischen Daumen und Zeigefinger, während die anderen Finger
leicht gekrümmt und gespreizt sind. Mit der Linken umfaßt sie den
Bambino. Dem Maler ist es nun vorzüglich gelungen zu zeigen, wie
Maria diese irdische Beschäftigung ganz vergessen hat und sich
vollständig ihren schwermütigen Gedanken hingibt.
Das Kindlein in der hoch mit Stroh gefüllten Krippe auf
einer weißen Windel liegend, blickt in rührender Unschuld lächelnd
gleichfalls zum Himmel. In seiner strahlenden Heiterkeit der stärkste
Kontrast zu Maria. Der Bambino natürlich der Lichtspender: er
leuchtet ganz weiß, in dem dünnen Halbschatten leicht bläulich,
die Konturen hellrot.
Rechts vorn kniet mit gefalteten Händen der älteste Hirt im
Profil, ein Greis mit struppigem Haar und Bart und abgearbeiteten
Händen; in warmem bräunlichem Ton modeliert. Weiter zurück
zwischen ihm und Maria erblickt man den Kopf des jungen Hirten.
Rechts steht, eine sehr würdige Erscheinung, der dritte Hirt, die
Rechte auf die Brust legend.
In dieser Schlichtheit ist das Werk mit seinem hellen leuchten-
den Kolorit eines der allersympathischsten des Meisters, i)
Im Zusammenhang mit den Navidadbildem steht auch die so-
genannte „Höckerfrau" mit dem Huhn in der Hand und dem Eier-
korb in Arm. (München, Alte Pinakothek 1285. h. 0,77, br. 0,63.)
Diese Halbfigur ist nichts weiter als eine Studie zu der be-
kannten Alten in den Anbetungsbildern. Nur darf sie nicht den
Anspruch erheben, für ein Originalwerk Riberas gelten zu wollen.
Allerdings ist die Studie mit feinhaarigem Pinsel nach Art Riberas
gemalt, jedoch viel roher, ohne in die Eigenart Riberas, mit der
') Eine moderne Kopie in der Colegiata von S. Felipe de Jätiba.
124
Pinselführung schon zu modelheren, eingedrungen zu sein; auch
ist alles viel breiter, flüchtiger hingesetzt. Hart, wie die Federn des
Huhns über die das Tier packende Hand gehen. Man fühlt nicht
das Flaumige der Federn, nicht das wirkliche Hineingreifen der
Hand wie beim Isaaksegen des Meisters.
Das Bild gehört der Sevillaner Schule an. (Murillo liebte
diese Figur sehr; er brachte sie nicht nur in den Navidad-
bildern (Prado 859. Berlin) an, sondern auch in der Caselverleihung
des hl. Ildelfons (Prado 869), in der alten Händlerin mit dem Gassen-
jungen (Berlin, Sammlung Carstanjen etc.).
Zum Schluß seien noch zwei Brustbilder der Madonna mit
dem Bambino erwähnt. Das eine, 1639 gemalt, befand sich früher
im Besitz des Duca di Bovino in Neapel. Justi sah es noch und
gibt folgende Beschreibung: „Ganz licht auf hellem Grund. Die
Madonna della Sedia Vorbild, jedoch hier Maria ernster, nachdenk-
licher. Der Kopf des Kindes schmiegt sich in die Bucht zwischen
Kinn und Hals; es sieht gleichfalls nach außen. Madonna hat
hellen Teint und helles Haar. Kind nicht schön, obwohl der Maler
sein Bestes geben wollte. Rechte Hand der Maria von unten ge-
krümmt ist unschön gezeichnet und verkürzt. Linke Hand in
einer Linie mit der Biegung des Handgelenks."
Das andere Bild im Louvre (Sammlung La Gaze 1724. h. i, — ,
br. 0,85), eine Madonna, die das an ihrer Brust eingeschlafene
Kind in die Krippe legen will, macht nicht den völlig überzeugen-
den Eindruck eines Originals. Das Gemälde könnte 1642 ungefähr
entstanden sein. In dem Aufschlag der großen Augen erinnert
Maria an die der Valencianer Seo. Befremdend wirkt die starke
Neigung des Kopfes auf die linke Seite.
Wie uns schon die Philosophen-, die Apostelbilder und der
Prophetenzyklus in S. Martino zeigten, hat auch die Einzelfigur
in dieser Periode bei Ribera ihre Pflege gefunden.
Vor allem genannt sei das Porträt eines Maestro al cembalo
125
im Besitz des Grafen Gregor Stroganoff in Rom. (h. 0,76, br. 0,61
Abb. 35) bezeichnet
Jusepe de Ribera
F. 1638.
Das Brustbild stammt aus dem Besitz der Gräflichen Familie
Potocki, die es wiederum mit anderen Gemälden als Geschenk
Augusts III. von Polen-Sachsen erhalten haben soll.i)
Das Gemälde war ursprünglich sicher ein Kniestück, gab viel-
leicht sogar die ganze Gestalt wieder: der linke Arm und die linke
Hand, die den großen Stab hält, sind nicht mehr sichtbar.
Den Körper etwas nach rechts gedreht, Kopf fast de face,
sieht uns der im besten Mannesalter stehende Maestro an. Er
trägt einen dunklen Vollbart, das dichte dunkle Haupthaar ist
wirr. Seine Kleidung äußerst schlicht. In der bis zur Brust er-
hobenen Rechten hält er eine Notenrolle^), seine Linke umfaßt
einen langen Stock mit eigenartigem Metallende; für einen Violin-
bogen ist er zu lang, für einen Cellobogen erst recht, ein Takt-
stock kann es nicht sein, denn dieser ist erst eine Errungenschaft
des 19. Jahrhunderts, von Karl Maria v. Weber, eingeführt ; zudem
würde er ihn, ebenso wie einen Bogen, in der rechten Hand halten.
Wenn er taktiert, so bedient er sich der Rolle in seiner Rechten.
Schade, daß wir so gar nichts wissen, wer dieser Künstler mit
den dunklen Augen, dem ernsten, leicht schwermütigen Ausdruck
ist, dessen Wesen eine natürliche Vornehmheit atmet. Ein Spanier?
Auf jeden Fall dürfen wir in ihm Riberas bestes uns erhaltenes
männliches Porträt erblicken.
In das vorangehende Jahr 1637 fällt ein Porträtwerk, über
dessen Persönlichkeiten gleichfalls leider keine letzte Klarheit
herrscht; es ist dies das vor zwei Jahren aus einer Sammlung
französischen Ursprungs ins Schweriner Museum gelangte Ge-
') Dem Grafen G. Stroganoff sei auch an dieser Stelle für seine liebenswürdigen
Mitteilungen wie für die Reproduktionserlaubnis des Gemäldes bester Dank gesagt.
') Daß sich auf der Rolle das 5, 6 und 9 zeilige Notensystem befindet, darf nicht be-
fremden. Die Einigung auf das fünfzeilige erfolgte erst Ausgangs des siebzehnten Jahr-
hunderts.
126
mälde „Ein spanischer Edelknabe mit seinem Schutzheiligen^)
(h. 1,26, br. 1,02 Abb. 36) bez.
Jusepe de Ribera
espanol ,F,
1637
Das Bild hat durch Übermalungen die sich bis auf Änderung
der Signierung (espanoletto !) erstreckten und von denen es erst
in jüngster Zeit befreit worden ist, stark gelitten; namentlich der
Knabenkopf, bei dem eine gewisse Leerheit unangenehm auffällt.
Das Gemälde war wohl ursprünglich größer.
Ein graubärtiger heiliger Bischof, dessen Haltung sich nicht
genau bestimmen läßt, blickt, seine Linke auf den Rücken des
Knaben legend, mit erhobener Rechten nach links oben, den jungen
Edelmann dem Schutz des Himmels empfehlend. Über weißem,
spitzenbesetztem Unterkleid trägt er eine weiße dunkelgelbgefütterte
Brokatkasel. Links hinter ihm ein Bischofsstab; die Statuette darin
erinnert an den Zeus der Andreasmarter. Vom Stab hängt ein
Fischnetz herab, was den Heiligen wohl als den hl. Petrus Gon-
zalez (der allerdings kein Bischof war) charakterisieren soll. Der
Edelknabe, sicher ein junger Spanier, vielleicht ein Mitglied des
Hauses der Medina de las Torres, ist als Halbfigur sichtbar; Kopf
de face, ruhig geradeausblickend hat er die — vorzüglich gemalten
— Hände auf einen mächtigen Zweihänder gelegt. Er trägt einen
hellbraunen Rock mit kirschrotleuchtenden geschlitzten Ärmeln und
einen Eisenkragen. Die Karnation ziemlich hell, bläuliche Schatten.
Die fortschreitende Verinnerlichung der Kunst des Meisters
läßt sich aber nirgends besser verfolgen, als in seinen Hieronymus-
bildem.
Zuerst sei das maßlos gedunkelte Gemälde in der Ac. S.
Fernando erwähnt, das vielleicht schon im Laufe der zwanziger
Jahre entstanden ist. Der Greis de face gesehen, eine große,
hagere Gestalt; er sitzt, hält in der Linken ein großes Perga-
') Herrn Museumsdirektor Prof. Dr. Steinmann für seine liebenswürdigen Mit-
teilungen wie die gütige Überlassung seiner Gemäldeaufnahme für die beigegebene Ab-
bildung auch an dieser Stelle herzlichsten Dank.
Tafel XXVII
Phot. StrogoDott
Abb. 35
PORTRÄT EINES MAESTRO AL CEMBALO
Graf Stroganoff
Rom
Tafel XXVIII
Abb. 36
EIN SPANISCHER EDELKNABE MIT SEINEM SCHUTZHEILIGEN
Schwerin Museum
127
ment, in der Rechten eine Feder, mit der er auf ein Blatt eine
Bemerkung schreibt. Dieser rechte Arm mit der federhaltenden
Hand ist ein Meisterstück der Modellierung.
Aus dem Jahre 1637 stammt der wenig edle Hieronymus des
Museo provincial in Murcia. Der Heilige, eine hohe kräftige Gestalt,
nackt bis auf das Lendentuch. Weiße, kurze Haare. Der Körper
in Seitenansicht; der linke Arm ausgestreckt, nach einem ge-
schlossenen Buch greifend. In der erhobenen Rechten hält er die
Feder zum Schreiben bereit. Er blickt aus dem Bild, seine Augen
jedoch sind beschattet.
Beträchtlich höher schon steht der Hieronymus bei Herrn Luis
de Navas in Madrid (h. 2,10, br. 1,50), bez.
Jusepe de Ribera
espafiol F. 1638.
Der sehnige Greis sitzt auf einem Stein an einer Berglehne;
Körper in Dreiviertelansicht, das linke Bein vor-, das rechte zurück-
gesetzt. Die Rechte auf der Brust, in der Linken ein Holzkreuz
haltend, wendet er den Blick zum Himmel: der reuige Büßer.
Bekleidet ist er mit einem roten Mantel, der jedoch den größten
Teil des Körpers freiläßt.
Links Ausblick in eine hügelige Landschaft. Vorn rechts der
Löwenkopf, am Boden rechts ein Pergament und ein Schädel.
Mehr durchgeistigt die Halbfigur in der Galerie Crespi in
Mailand (h. 1,21, br. i, — ); bez.
Jusepe de Ribera espafiol
F. 1640.
Hieronymus steht hier hinter einem Tisch, auf dem zwei Bücher
und eine Feder liegen. Von vom gesehen, richtet er die Augen
zum Himmel. Mit der linken hält er einen Schädel gegen die Brust
und faßt mit der Rechten einen Stein auf dem Tisch, um sich da-
mit zu schlagen. Bekleidet mit einem roten Mantel, der die rechte
Schulter freiläßt.i)
Eine kleine Variante das Gemälde der Galerie Corsini (Nazio-
nale) in Rom. Nr. 182, gleiche Größe, vielleicht gleichfalls Original.
•) Vergl. Venturi, La Galleria Crespi a Milano. 1900. S. 297 ff.
128
Der Blick ist hier gesenkt, auf den Schädel gerichtet, den der
Heilige in beiden Händen hält; auf dem Tisch mehr Bücher.
Echt wohl auch der Hieronymus der Brera, der vor allem
im Gewand (Hemd und Mantel) stark durch Restauration gelitten
hat. Der Heilige hier in Dreiviertelansicht nach rechts, den Schädel
betrachtend, den er in der Linken hält.
Die Halbfigur eines büßenden Hieronymus, de face, hinter
einem Tisch ruhig auf ein Holzkreuz blickend, das er in der
erhobenen Rechten hält, ist uns in einem Nachstich erhalten. Auf
dem einen auf dem Tisch liegenden Pergament liest man
Jusepe de Ribera es
pafiol F. 1642
Die Unterschrift des Stiches lautet
Gius. Magni dis. Carlo Fauci sc.
Alto Palmi 6 once 2 Largo Pal. 4 oncc 10.
Das Original ist verschollen.
Ein anderes Kniestück aus Besitz von Baron Leon de Bussi^res
war in der Exposition pour L'Alcass-Lorraine im Palais Bourbon
ausgestellt. Das Bild stammte aus der Galerie des Grafen Pour-
tales und ist von Roman Bayeu radieit worden. i) (Eine alte Kopie
in der Cap. S. Jos6 der Sevillaner Kathedrale.)
Dem Bild bei Herrn Navas verwandt Nr. 297 der Galerie
Doria Pamphili in Rom; ein Schulbild; ähnlich auch Cadiz, Mus.
prov. Nr. 44, gleichfalls Schulgut.
(Von anderen Schulbildem seien voV allem Berlin, Kaiser-Fried-
rich-Museum 403 und das Gemälde im Palazzo Durazzo in Genua
genannt.)
Am höchsten aber von den Hieronymusdarstellungen aus die-
ser Periode steht die mit großer Verve gemalte Studie im Prado
994. (Halbfigur, h. 1,09, br. 0,90 Abb. 37), bez.
Jusepe de Ribera espafiol
1644.
Der Heilige mit dem Körper in Dreiviertelansicht, Kopf im
Profil nach links, die Hände vor der Brust gekreuzt, vor einem
Tisch mit Schädel und Pergamen. Ein großer — in der Skizze
') Vergl. auch Paul Mantz, La gallcrie Pourtales. Gaz. d. Beaux-Arts 1865. S. 100.
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129
stecken gebliebener — roter Mantel um ihn drapiert, der linkel
Schulter und Brust freiläßt.
Wie veredelt, wie durchgeistigt dieses Antlitz gegenüber dem
der Radierung von 1622! Wie leicht, wie frei und kühn in der
Technik, vor allem in der Behandlung der Hände im Vergleich
zu den Bildern von 1628 und 1629. Nicht nur Plastik ist hier
erreicht, sondern man fühlt auch Luft, wirklichen Raum; wie sich
z. B. die Hände gegen Brust und Mantel abheben.
Auf fast gleicher Höhe, was den Ausdruck anlangt, die durch-
geführtere Halbfigur in Turin (h. 0,96, br. 0,74), die aus Sara-
gossa stammen soll. Der Heilige, de face, in rotem Mantel, der
rechte Schulter und Arm freiläßt, in der Linken den Schädel
haltend, mit der Rechten einen Stein gegen die Brust schlagend.
Den Mund leicht geöffnet, richtet der graubärtige Büßer seine
großen glänzenden Augen gen Himmel, das Haupt leicht auf
seine linke Seite neigend. Kopie im Escorial (Sakristei).
Der gleichfalls in der Sakristei des Escorial sich befindende,
kläglich am Boden liegende Hieronymus, der die Arme empor-
streckt, kann wohl mit seiner schmutziggrauen Färbung nicht
als Originalwerk betrachtet werden.
Eine richtige „pintura de borrones" ist die Halbfigur des
Hieronymus in Lille. (644, h. 0,78, br. 0,65.) Vielleicht in Riberas
Werkstatt entstanden. Eine plumpe Fälschung die Signatur auf
dem Schädel :
1643
Jusepp. (!) De (!) Ribera
C F-°
Gar nichts mit Ribera zu schaffen hat der gemütlich stu-
dierende, mit einem Nimbus gekrönte Heilige Nr. 56 der Galerie
Borghese in Rom. Dieser gute Alte ist eine Schöpfung eines
Caravaggioschülers .
Als das Werk eines deutschen Nachahmers ist schon seit län-
gerer Zeit Nr. 1290 der Münchener Pinakothek erkannt worden.
Den Hieronymusbildern sehr nahe verwandt sind die Gemälde,
die Paulus als den ersten Eremiten verherrlichen.
Dieser fromme Einsiedler hatte vom hl. Hieronymus eine be-
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto). n
I30
geisterte „Vita" erhalten, in der der Lieblingsheilige unseres Malers
u. a. gesagt hatte : „Vos gemma bibitis, ille naturae concavis mani-
bus satisfecit. Vos in tunicis aurum texitis, ille ne vilissimum
quidem indumentum habuit .... Paulus vilissimo pulvere cooper-
tus iacet resurrecturus in gloriam : vos operosa saxi sepulcra pre-
munt cum vestris opibus arsuros."
Vielleicht gaben diese Sätze den Anlaß zu Riberas Paulus-
darstellungen.
Das Hauptbild kommt in mehreren Repliken vor : Louvre,
Turin (326), Valencia, Prado (1012a). Sicher echt nur das Pariser
Bild, (Louvre 1723, h. 1,54, br. 0,99), das jedoch recht gelitten hat.
Bezeichnet : Jusepe de Ribera espanol ....
Vielleicht auch das recht tüchtige Turiner Exemplar eigen-
händige Arbeit (2,04x1,47); die anderen mittelmäßige Kopien.
Der Heilige sitzt am Eingang seiner Höhle auf einem Fels-
block in Dreiviertelansicht nach rechts. Aufblickend hält er in
den gefalteten Händen den Rosenkranz; seine einzige Kleidung
das Strohgeflecht, welches seine Lenden umschließt. Rechts Aus-
bück in eine hügelige Landschaft. In den Lüften der Rabe, der
dem Einsiedler die Nahrung bringt.
Entstanden wohl Anfang der dreißiger Jahre. Aus derselben
Zeit die Halbfigur im Prado 1006, ein hl. Anachoret genannt
(h. 1,18, br. 0,98, Abb. 40). Davon eine Kopie im Escorial
(Sakristei). Der Heilige im Profil, betend mit gefalteten Händen
auf ein Buch blickend, das vor ihm auf dem Steintisch liegt
(darauf auch Brot und Schädel); bekleidet nur mit einem Stroh-
geflecht um die Hüften. Was man vielleicht am meisten bewundert,
ist die prachtvoll durchmodellierte Rückenpartie; jedoch auch die
sonstige Modellierung, vor allem die des Armes ist hervorragend.
Die Hände ziemlich derb hingehauen. Das Kolorit noch schwer,
namentlich Wange, Nase und Ohr stark rotbraun, ein Versuch,
das Fleisch bei durchscheinendem Licht wiederzugeben.
Den dreißiger Jahren gehört auch der Paulus der Dresdener
Galerie an (87), (h. 2,04, br. 1,50).
Bez. links unten
Jusepe de Ribera F.
131
Das Bild hat sehr gelitten, von einer argen Übermalung ist
es vor einigen Jahren befreit worden.
Der Heilige hier knieend in ganzer Figur nach links, Rosen-
kranz in den Händen. Rechts oben erscheint der Rabe mit dem
Brot.
Eine Nachahmung die Halbfigur der Sammlung Carstanjen,
Berlin (mit plump gefälschter Signierung auf dem Buchrücken
Jusepe de Ribera F 1647).
Das Bild hat etwas weiches, süßliches, im Ausdruck Ribera
ganz fremdes. Auch in der technischen Behandlung nicht ener-
gisch genug.
Der Anachoret, Prado 1007 (h. 1,28, br. 0,93), ein sicheres
frühes Werk. Stark gedunkelt. Der bärtige Greis, von vorn ge-
sehen, heftet den Blick auf das Kreuz in seiner Rechten und er-
greift mit der Linken einen Stein, um sich zu peinigen. Das In-
karnat stark bräunlich, vor allem im Gesicht.
Mit dem Eremiten Paulus vielfach verwechselt, bald auch Pro-
cop oder Hieronymus genannt wird der hl. Onuphrius, jener fromme
Einsiedler, dessen Körper dicht behaart ist und der als einzige
Kleidung einen Gürtel von Eichenblättern trägt.
Riberas Darstellung aus dem Jahre 1637 erfreute sich großer
Beliebtheit. Das Original in der Petersburger Eremitage 334
(h. 1,04, br. 1, — , Abb. 39), bez.
Jusepe de Ribera espafiol F.
1637
eigenhändige Wiederholung vielleicht auch das Dubliner Exem-
plar (32 X 26V2 inches). Ein Halbfigurenbild. Der Heilige in Drei-
viertelansicht nach rechts blickt mit erhobenen gefalteten Händen,
die einen Rosenkrranz halten, zum Himmel. Vor ihm auf dem
Tisch Totenkopf, Zepter und Krone. i)
Das Dubliner Bild^) zeigt einige Varianten; vor allem leichte
Änderung in der Haltung der Hände; Mittelglatze; die Augen nicht
wie in Petersburg beschattet. Nach dieser Fassung Kopien in der
') „Von ungemein in das Einzelne gehender Individualisirung, doch etwas blasser.
Farbe." Waagen, Die Gemäldesammlung i. d. Eremitage zu St. Petersburg. S. 104
') Vergl. den Aufsatz L. Salazars in Nap. Nob. XIX. 153 — T56, wo auch Abbildung.
9*
132
Münchener Pinakothek (1285) und in Kopenhagen (mit ganz grob
gefälschter Signierung Jusepe de Ribera F. 1630).
Höher als das Petersburger Bild steht das Gemälde, das sich
früher bei Lord Dudley befand. Bez.
Jusepe de Ribera es
panol F. 1642
„Der Greis mehr als bloßes Modell; edel in Haltung und Blick.
Dieser ist sanft, ruhig, gesammelt, wie einer sicheren Seligkeit
entgegensehend. Haar und Bart weiß. Die Rechte auf einen Stab
gestützt, in der Linken fest erhoben ein Kreuz. Rechts Toten-
kopf und Rosenkranz." (Justi.)
Aus dem Jahre 1640 stammt das Bild des hl. Franziskus von
Paula. Früher in Pau. Bez.
Jusepe de Ri
bera espanol
1640. F
„Stirn, Augen und das halbe Gesicht von der Kapuze be-
schattet, aber in bräunlichem Helldunkel, das an ähnliche Halb-
schatten Rembrandts erinnert. Auf einem Blatt, das er in der
Hand hält, liest man ,Charitas'. Eine Kopie mit gefälschter Firma
(1645) ii^ rötlichem Ton bei D. Nuiiez." (Justi.)
Eine Variante dieses leider nicht mehr auffindbaren Bildes
in Petersburg. Erem. 336 (h. 0,72, br. 0,58). Nach rechts ge-
wandt, die Kapuze über dem Kopf wie in Pau stützt sich der
Heilige mit der Linken auf einen Stock, während er mit der Rechten
ein Buch gegen die Brust hält, auf dem man ^^g " liest. Das
Bild stammt aus der Toledaner Kathedrale und scheint eigenhän-
dige Arbeit zu sein.^)
Ein ähnliches Bild war früher im Wiener Belvedere ausgestellt
(gestochen von Preuner). Kopie in Granada, Gap. de la Trinidad
der Kathedrale.
Das Thema der Befreiung Petri ließ auch unser Maler nicht
') Möglicherweise jedoch nur gute Kopie ; Waagen glaubte nicht an die Eigenhändig-
keit. „Der bräunliche Ton ist für Ribera etwas schwer, das Gefühl der Andacht auf-
fallend milde." (Die Gemäldesammlung i. d. Erem. S. 104.) Für die Echtheit hat sich
zuletzt Bode im Petersburger Galeriewerk ausgesprochen.
Tafel XX^
Abb. 42 DER HL. FRANCISCUS AUF DEN DORNEN Dresden
133
unbehandelt. Es war ihm dabei aber nicht nur um das rein Male-
rische, den Lichtglanz in der dunklen Kerkerzelle zu tun, ihn
interessierte vielmehr in erster Linie das psychische Moment : das
Momentane des Vorgangs, das plötzliche Auffahren des Ahnungs-
losen, das Wunder. Es wurde auf dieses Werk ja schon bei der
Besprechung von Ribaltas „Extase des hl. Franz" hingewiesen.
Das Bild im Escorial (Sakristei, Abb. 41) zeigt uns den Heiligen
durch die himmhsche Erscheinung vom Schlaf aufgeschreckt. Als
Lager diente ihm der Fliesenboden, der Kopf ruhte auf hartem
Pfühl. Der Überraschte stützt sich mit der Rechten auf den Boden,
die Linke liegt auf der Erhöhung; den Kopf hat er jäh umgewendet
und lauscht nun mit leicht geöffnetem Mund den Worten de?
Engels. Dieser ist in einer Lichtwolke herangebraust; nur sein,
Oberkörper ist sichtbar, weit sind seine mächtigen Schwingen aus-
gebreitet. Seine Linke ruht auf der Wolke, mit der ausgestreckten
Rechten weist er hinaus, in die Freiheit.
Das Ganze von einer überaus packenden Anschaulichkeit.
Sehr dem Escorialbild verwandt das Gemälde Prado 987,
(h. 1,77, br. 2,32), bez. links
Jusepe de Ribera espafiol
/. 1639
Sehr stark übermalt, vor allem Petrus selbst. Dieser in blau-grünem
Rock und gelbem Mantel, der Engel in Gelb und Dunkelviolett ge-
kleidet.
Viel trockener, derber ist der gleiche Gegenstand in dem Dres-
dener Bild behandelt. 684 (h. 1,76, br. 2,26), bez. rechts unteii
Jusepe de Ribera espaiiol F. 1642.^)
Der Heilige hat hier die Rechte erhoben zum Zeichen des
Erstaunens, die Linke ruht auf der Brust (also höchst typische
Bewegungen). Die Füße hier noch in eisernen Banden, während
die Ketten von den Händen bereits abgesprungen sind. Der Engel
hier greifbarer, eine viel weniger hohe, himmlische Erscheinung;
er berührt mit der Linken leise den Greis, während er mit der.
Rechten ins Freie weist. Die Erscheinung wirkt nüchtern. Man
sieht den ganzen Körper des Engels, der mit dem Leib auf der
') Im letzten Galeriekatalog durch einen Druckfehler 1641 angegeben.
134
Wolke ruht, wie das Modell im Atelier auf einem Kissen gelegen
hat. Ganz sicher sind bei diesem Werk Gehilfenhände beteiligt.
Darauf weist auch die langweilige, leere Behandlung des Gewandes.
In der Ausführung der derben Hände wie des Gesichtes (Nasel)
zeigt sich ein Talent zweiten Ranges.
In der Galerie Borghese Rom eine mäßige Nachahmung Riberas
von der Hand P. Fr. Molas.
Ein wenig besser als mit dem Petrus steht es mit dem Pendant
in Dresden, „Dem hl. Franz auf dem Dornenlager erscheint ein
Engel". 685 (h. 1,71, br. 2,225, Abb. 42).
Auffällig der jüdische Gesichtstypus des Heiligen. Den Kopf
im Profil wendet er sich mit ausgestreckter Rechten nach dem
Engel, der ihm auf einer Wolke naht, und mit der Linken in die
Ferne zeigt. Der jugendliche Franciskus, der einen schwachen
Vollbart trägt, ist nur mit einem braunen Lendenschurz bekleidet.
Seine ganze Haltung hat etwas Gequältes, Lahmes, namentlich in
den Armen etwas Gezwungenes und Steifes. Der Engel, eine Variante
des Petrusbefreiers, etwas besser. i) Das einzige wirklich an Ribera
Gemahnende ist die Leuchtkraft des bleichen Franciskuskörpers.
Sonst aber kann man dieser beiden Werke nicht sonderlich froh
werden.
Viel früher entstanden ist die „Stigmatisierung des hl. Franz"
in der Sakristei des Escorial; ein sehr grob gemaltes Bild, das
starke Zweifel an der Eigenhändigkeit erregt. (Eine eingehende
Prüfung ließ sich leider nicht bewerkstelligen.)
Ein Meisterstück der Charakterisierungskunst ist aber die Halb-
figur des hl. Franziskus im Palazzo Pitti 73 (Abb. 44), bez.
Jusepe de Ribera
espanol 1643.
Das Jahr sagt schon genug. Der Heilige, de face gesehen,
mit dünnem schwarzem Vollbart, in seine braune Kutte gehüllt,
blickt zum Himmel empor, mit beiden Händen einen Schädel hal-
tend. Die Augen rotumrändert. Der Ausdruck ernst, schmerzlich,
wehmütig. Doch läßt dies der Meister mehr ahnen als sehen.
*) Der Engel benutzt von einem Nachahmer im „.\brahamsopfer" der Gallerie
Harrach in Wien.
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Cd.
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135
Er kommt uns nicht grob, auch nicht süßHch sentimental. Die
stille Größe ist es, die uns hier ergreift.
Gemalt mit höchster Sorgfalt, ohne ins Kleinliche zu geraten.
Angesichts dieses Werkes ist es rätselhaft, wie man den ver-
blasenen, sentimentalen Franziskuskopf im Palazzo Reale zu Genua
Ribera zuweisen konnte.
Sehr würdig der hl. Joseph mit dem Blütenstab, leider jiur
in einer Kopie erhalten (Galerie Harrach in Wien), bez.
Jusepe de Ribera es
spanoletto (!)
F. 1644.
Der dunkelbärtige, langhaarige Heilige, im besten Mannesalter
uns gegenübertretend, blickt uns, das Gesicht de face, an, während
der Körper leicht nach rechts gedreht ist. In der Linken hält er
den Blütenstab, dessen unteres Ende er auf die rechte Hand ge-
setzt hat. Gekleidet ist er in einen einfachen dunklen, oben ani
Hals ausgeschnittenen Rock, über die linke Schulter fällt ein Mantel.
Das Bild wirkt außerordentlich feierlich. i)
Das Brustbild eines greisen Joseph mit Blütenstab in der
Dubliner National - Galerie hat bereits Salazar als Werk eines
Schülers, vielleicht des Giordano, erkannt.^)
Gleichfalls aus dem Jahre 1644 stammt der „Johanneskopf
auf einer Schüssel" in der Ac. S. Fernando zu Madrid. 126/493.
Bez. rechts unten
Jusepe de Ribera espafiol
1644
Der Kopf des Täufers, schwarzhaarig und bärtig, ruht auf einer
Schüssel, die auf einem Felsentisch steht; dabei ein weißes Tuch
mit Blutflecken und das Richtschwert. Rechts, fast ganz ver-
schwindend, ein Holzkreuz. Das bleiche Antlitz von großer Leucht-
kraft, sieghaft noch im Tode Licht verbreitend.^)
') Der Kopf copiert im Museum von Marseille (früher Chäteau Borely) dort Jacobus
genannt. Falsch bezeichnet Jusepe de Ribera espanolet(l) ^) In dem bereits zitierten
Aufsatz. ') Ein ähnliches Bild soll sich im Besitz des Principe Gaetano Filangieri in
Neapel befunden haben. Etwas anders das Thema von einem Nachahmer behandelt:
„Der Scharfrichter zeigt das Haupt des Johannes." München Pinakothek 1289.
136
I II.
Alles aber, was der Künstler in jenen Jahren errungen: Licht-
malerei, monumentale Größe, verbunden mit Schlichter Innigkeit und
spanischer Herbheit, das zeigt vereint die „hl. Agnes" aus dem'
Jahr 1641 in der Dresdener Galerie. (683, h. 2,02, br. 1,52, Abb.
45, 46.) Bez.
Jusepe de Ribera espanol
F. 1641.
Nach rechts gewandt kniet die junge Heilige, die Beine im Profil,
Oberkörper jedoch nach vorn gedreht, Kopf de face, leicht auf
die rechte Seite geneigt ; sie kniet mit gefalteten Händen, die Augen
nach oben gerichtet, von ihrem langen Haare bis zu den Knieen
umflossen auf dem Fliesenboden ihrer Zelle, die ganz von goldenem
Wolkennebel erfüllt ist. Links oben der Engel, der die Heilige
mit einem weißen Tuch bekleidet; der Engel hält den oberen
Zipfel des Lakens, während der untere von der Heiligen zwischen
Brust und rechtem Arm (im Winkel von Ober- und Unterarm)
festgehalten wird.
Die richtige Deutung des Bildes, das früher als eine Maria
Egyptiaca ausgelegt wurde, ist Justi gelungen.^)
Eine feierliche Stimmung. Körperlich dadurch erreicht, daß
die Heilige in der denkbar breitesten Ansicht wiedergegeben worden
ist, ferner durch die ruhige Fläche des Lakens und die große,
geschlossene Silhouette; malerisch durch das Lichte, Strahlende
des Ganzen, psychisch durch Gebärde und Ausdruck der stillen
Anbetung und Dankbarkeit.
Wunderbar wirkt die echt spanische Vereinigung von Himm-
lischem und Irdischem. Wäre nicht der Fliesenboden, so glaubte
man in goldenen Himmelsregionen zu weilen, aus einer lichten
Wolke die Heilige hervorstrahlen zu sehen.
*") Carl Justi „Die Heiligen Magdalena und Agnes von Ribera und Giordano".
Zeitschrift für christl. Kunst V. S. 9 (auch Woermann Katalog S. 223). Acta Sanctorum
21 Januarii. Die Heilige, die die Liebe des Sohnes des römischen Präfekten verschmäht
hat, ist in ein Lupanar geschleppt worden. Da schickt ihr der Himmel einen Engel, der
sie bekleidet, und als weiteres Wunder läßt er ihre Haare lang wachsen, die sie wie ein
natürlicher Mantel umschließen. Endlich umhüllt sie ein himmlischer Lichtglanz, der
Keinen an die Jungfrau treten läßt.
Tafel XXXIII
Photogr. Gesellechaft Berlin
Abb. 45 DIE HL. AGNES Dresden
Tafel XXXIV
Pbot. Tanime
Abb. 46 DIE HL. AGNES (Detail) Dresden
137
Sehr zu der feierlichen Stimmung trägt auch die ruhige Verti-
kale in der Haltung der Heiligen bei; jedoch als Künstler des
Barocco konnte Ribera nicht auf die Diagonale verzichten. So
finden wir sie denn in dem großen Laken als die sprechendste;
Linie im Bild. Ihr wird entgegengewirkt durch die kurzen Schrägen
beim Engel (Flügel und Arm), durch den Rand des Fliesenbodens
links, durch den rechten Unterarm der Agnes.
Für den Zauber, den das reine, keusche, kindliche Köpfchen
dieser heiligen Jungfrau mit den großen dunklen Augen und dem!
kleinen, aber doch kräftigen Mündchen ausübt, lassen sich keine
Worte finden. Nur eines muß doch gesagt werden : Kein anderer
Künstler, nur ein Spanier, ein so herber, tiefernster Meister wie
Ribera konnte ein solches Werk schaffen.
Alles strahlt in dem Bild : die glänzenden Augen der Heiligen,
ihr Haar, das Goldbächen gleich niederrieselt, ihr Leib, ihre Finger,
rosig im durchscheinenden Licht. Wie Agnes, so auch der Engel.
(Vor allem auch bei ihm das helle Rot der Karnation bei durch-,
scheinendem Licht.) Das goldene Lichtmeer, das die Heilige um-
flutet, wird in ihrer unmittelbaren Nähe besonders hell, so daß
man ihr Haupt noch einmal von einer besonderen Glorie umstrahlt
zu sehen glaubt.
Das dunkle, etwas rätselhafte Loch rechts vorn ist wohl vor
allem aus künstlerisch-tektoiüschen Gründen hinzugefügt : Der
großen Helligkeit des Hauptraumes hat der Maler links oben eine;
Dunkelheit entgegengesetzt, die notwendigerweise in der Ecke rechts
unten ihre Entsprechung, ihr Gegengewicht finden muß.
Ein künstlerischer Vorläufer des Bildes ist, wie schon erwähnt,
die büßende Magdalena. Prado 980. (h. 1,81, br. 1,95, Abb. 28.)
Die Stellung fast die gleiche wie bei der Agnes, der Ausdruck
jedoch strenger, ein leiser Zug von Schwermut macht sich be-
merklich. Das Haar fließt nicht auch nach vorn über die Schulter,
sondern nur über den Nacken. Die Heilige trägt ein graues
Kleid, darüber einen rotseidenen, verschlissenen Mantel und auf der
Brust noch ein Stück Geflecht aus Esparterogras. Hals und oberer
Teil der Brust sind unbedeckt. Magdalena kniet in ihrer Höhle an
einem Felsblock, bei dem man unten Salbgefäß und Geisel erblickt.
138
Die Silhouette der Höhle wird unten durch die Schräglinie eines
mächtigen Baumstumpfs überschnitten, welcher der Bewegung der
Heiligen leise in der Linie folgt. Links Ausblick in die Ferne
auf blaue Berge.
Sicher vor dieser Magdalena noch entstanden die Halbfigur der
Büßerin. Prado 981. (h. 0,97, br. 0,66.) Eine rotlockige Jüdin mit
mandelförmigen Augen und etwas weinerlichem Ausdruck. Sie
hat ihr Haupt mit der linken Wange auf ihre über einem
Schädel verschränkten Hände gelegt. Ihr rotlockiges Haar fließt
auch mit einer Welle nach vorn über die rechte Schulter. Neben
dem Totenkopf die Geisel, weiter unten das Salbgefäß. Das Streben
nach Plastik ist unverkennbar, weshalb man das Werk wohl stark
in den Anfang der dreißiger Jahre setzen muß.
Ein Jahr nach der Dresdener Agnes entstanden ist die Magda-
lena in der Galerie Estor zu Murcia. Auch sie in jugendlicher
Schönheit glänzend „Der Kopf gemahnt an Guido".i) Sie stützt
ihr nach rechts gewandtes Haupt auf ihre Rechte, deren Zeige-
finger nach oben ausgestreckt ist. Die Linke hält einen gelben
Mantel gegen die Brust. Vor der Heiligen liegen drei Brote.^)
Die Magdalena in der Kathedrale von Granada (Altar Jesus
Nazareno) rührt nicht von Ribera her. Sie ist ganz offenbar eine
Schöpfung Alonso Canos in deutlicher Anlehnung an Ribera. Im
Ausdruck etwas sentimental, in der Ausführung ziemHch glatt,
in der Faltengebung sehr weich und breit.
Echt ist dagegen nach Mitteilung Justis die im Katalog als
Original angezweifelte S. Lucia 337 der Petersburger Eremitage.
(Halbfig. h. 0,75, br. 0,64.) Eine jugendliche volle Erscheinung
in rotem Rock und Brokatmantel; die Augen gen Himmel hält sie
die Palme und eine Silberplatte mit zwei Augen in den Händen.-^)
Nichts mit Ribera zu tun hat das Gemälde „Susanna und die
') Justi a. a. O. ") Zweifelhaft scheint mir eine Ribera zugewiesene Handzeichnung.
Uffizien 2igi. F darstellend eine büssende Magdalena, in der Wüste vor einem Kreuz
das auf einem Felstisch steht knieend, mit einem Stein sich die Brust schlagend. Die
Silhouette des Bergrückens im Hintergrund folgt leise ihrer Bewegung (h. 0,205, br. 0,135.)
Feder und Wasserfarbe, weißes Papier. Copiert von Stefano Mulinari „Spagnol. inv. et
del.") ") Waagen (Die Gemäldesammlung i. d. Eremitage S. 104) erschien das Bild
zweifelhaft: ,, abweichend im Gefühl und zu wenig bestimmt in den Formen."
139
beiden Alten" im Städelschen Institut zu Frankfurt a. Main. Ob
aber dieses rohe, in der Behandlung für Ribera viel zu flaue, schlecht
modellierte Bild Massimo Stanzioni angehört, wie Justi annimmt, ^)
möchte ich nicht so sicher behaupten. Auffallend, daß die beiden
Alten sich ganz genau in Renis Susannenbild im Palazzo Pitti
wiederfinden !
Vorzügliche Arbeiten im Stil Riberas sind die beiden großen
Gemälde der Münchener Pinakothek „Kreuzabnahme des hl.
Andreas" (1280) und „Senecas Tod" (1281): unzweifelhaft aus-
gezeichnete Imitaionen von der Hand Lucca Giordanos, was bereits
Bayersdorfer erkannt hatte.
Die Signierungen der beiden Bilder sind graphologisch wie
philologisch höchst durchsichtige Fälschungen.
Andreas: Josepe De ribera Espanol F. 1644.
Seneca: Josepe de Ribera Espaiiol F. 1645.
Im Kolorit sind die Gemälde für Ribera — namentlich für den
der vierziger Jahre! — viel zu dumpf, in der Technik zu pastos. Von
der zeichnerischen Schärfe des Meisters haben sie wenig, vor allem
das Andreasbild mit seinen etwas verschwommenen Köpfen.
In erster Linie aber ist die Auffassung viel zu niedrig. So
hätte Ribera allenfalls 1625 die Dinge angeschaut, nicht aber 1645.
Eine „Kreuzabnahme des Andreas in Riberas Manier" wird
im Inventar der Bilder des Hauses Colonna erwähnt. -)
Von dem sterbenden Seneca eine Variante aus Giordanos
späterer Zeit in der Dresdener Galerie; davon eine schlechte Kopie
im Museo Nazionale Neapel. (Magazin.) Auf das Dresdener Bild
geht das Gemälde Giordanos im Louvre (Sammlung La Gaze 1 3 1 1 )
zurück, das in einigen Punkten von Dresden abweicht. Das Thema
war damals sehr beliebt. Auch Sandrart z. B. schuf einen sterbenden
Seneca.^) Am bekanntesten ist wohl Rubens' Darstellung.
') Justi, Zeitschr. f. christl. K. V. S. 6. ") Veröffentlicht in Nap. Nob. IV. 30.
Nr. II des Inventars ,,un altro di palmi 8e 12 ... . S. Andrea quande scese della croce
alla maniera del Spagnoletto. 200 L(ire)," '') Lebenslauf und Kunstwerke Joachim von
Sandrart. Nürnberg 1675. S. 9.
I40
Die Münchener Gemälde Giordanos stammen aus derselben
Zeit wie der Dresdener Sebastian, die „Disputationen" in Bordeaux
und die beiden Braunschweiger Bilder „Kirke und König Picus" und
„Römische Gesandte beim Äsculap".
C DER REIFE STIL.
Wie in der vorangegangenen Periode steht auch in dieser
letzten eine Concepcio immaculata an der Spitze, in der uns der
Künstler seine neuen, seine höchsten Ziele offenbart. Alles Dunkle
will er bannen, Licht in Licht will er malen, Lichtes will er mit
Lichtem modellieren.
Das Kolossalgemälde, bez.
Joseph de Ribera hispanus
F. 1646.
schmückt den Hochaltar der Kirche des Klosters S. Isabella zu
Madrid.
Maria auf der nach unten sich öffnenden Mondsichel stehend
in langem, weißem Gewand und blauem, weit nach rechts flattern-
dem Mantel. Der Körper, einem Segel gleich, etwas nach rechts
gebläht, der Kopf nach links gewendet; der Blick hier nicht auf-
wärts, sondern nach links unten gerichtet. Wie in Salamanca
auch hier die Füße sichtbar. Die Arme auf der Brust gekreuzt;
die Finger lang und schmal mit gebogenen Spitzen. Marias Haupt
ist von zwölf Sternen umgeben, die aber nicht als Reif, sondern
in Kreisform wie ein perspektivisch nicht verkürzter, alter Nimbus
angeordnet sind.
Die Jungfrau schwebt in dem von gelblichem Licht durch-
strahlten Äther. Der Himmel unter ihr erscheint hellblau, weiße
Wölkchen schwimmen in ihm.
Links unten ein großer Engel in Blau gekleidet, mit gefalteten
Händen, den Kopf nach dem Beschauer wendend. Der Engel
rechts in Orange mit Lilie in der Hand, staunend zur Madonna auf-
blickend. Weiter oben ein Engel mit Spiegel, ein anderer mit
einem Rosenzweig usw. Über der Jungfrau eine dritte Sphäre,
141
eine lichte Wolke von Cherubinköpf chen ; ganz oben lösen sich
vier Engel los; von denen die beiden mittleren sich umfassen. Das
Inkarnat ganz hell, die Konturen blaß rot.
Dieses hell in hell Gemalte befriedigt au;f die Dauer jedoch
nicht ganz, man mißt ungern einen Kontrast.
Der Kopf der Madonna rührt in seiner jetzigen Gestalt nicht von
Ribera her, sondern von Claudio Coello; es heißt, Ribera habe für
der Kopf der Gottesmutter den seiner Tochter als Modell benutzt;
dies habe dann bei den Nonnen, als sie davon erfuhren, Ärgernis
erregt, und Claudio Coello sei von ihnen beauftragt worden, einen
anderen Kopf zu malen. i) Coello hat sich mit ziemlichem Geschick
der mißlichen Aufgabe entledigt. Der Kopf ist nicht schlecht,
aber etwas charakterlos.
Dieser Concepcion scheint eine andere sehr verwandt zu sein,
die gleichfalls um diese Zeit entstanden ist und sich in der Kapelle
des Palazzo Reale in Neapel befand. Das Bild ist heute verschollen.
Seite 53 des „Diario del successo nelle Revolution! popolari de
Napoli dalli 7 di luglio 1647 in avanti"-) lesen wir
„. . . . Tenendo Giuseppe Ribera famoso pittore una bellissima
figliuola, il cui ritratto il medesimo padre 1' effigiö nella Figura
della Concepcione novamente fatta nella capella del Regio
Palazzo . . ."
Celano erwähnt gleichfalls eine Concepcion in der Kapelle des
kgl. Palastes^) „La Vergine Concetta opera forse la piü bella che fosse
uscita dal penello di Gius. de Rivera: e perch^ il volto della ver-
gine era stato preso da un volto naturale d'una donna molto
bella, cagionö piü d'un in un signore che il vide."
Conca*) spricht von einer Concepcion, die er am Altar S. Elisa-
betha der Kirche der Recoletos in Madrid gesehen habe.
2.
Gleichfalls ein Lichtproblem ist der „Traum Jakobs von der
Himmelsleiter". Ein höchst schwieriges Thema für einen Maler,
das, um wirklich vollendet gelöst zu werden, ein hohes Dar-
1) Palomino 312. ") Nap. Nob. III. 65 — 67. Gius. Ceci „La Figlia dello Spag-
noletto". ^) Celano V. 108. *) Conca, Descrizione Odeporica I. 181.
142
Stellungsvermögen, plastische Anschaulichkeit und psychologische
Vertiefung erfordert. Man darf wohl sagen, daß Ribera der Auf-
gabe in jeder Hinsicht gerecht geworden ist in seinem Bilde Prado
982. (1,79, br. 2,33, Abb. 47); bez. rechts
Jusepe de ribera espanol F. 1646.
Man gab das Jahr der Entstehung des Gemäldes bisher stets
als 1626 an (so auch Justi, Woermann usw.), obwohl schon Ma-
drazo in seinem Pradokatalog ein Fragezeichen hinter die Zahl ge-
setzt hat. Der Irrtum kommt daher, daß Ribera den Anfangsstrich
bei einer vier einer zwei sehr ähnlich bildet. Die ersten beiden
Zahlen sind hier fast überhaupt nicht mehr sichtbar. Nicht recht
erklärlich sind die beiden Schnörkel hinter der Jahreszahl^ die
33 sehr ähnlich sehen.
Jakob gehört offenbar zu Riberas Lieblingsgestalten. Er malte
ihn den väterlichen Segen empfangend, dann inmitten der Herde;
nun sehen wir das verbindende Glied :
Jakob der Flüchtling. Ein Mann von etwa 25 bis 30 Jahren.
Schwarzes Haar, Schnurrbart, dünner Vollbart. Kein schöner Kopf,
aber man spürt die Energie. Schlicht gekleidet. Dunkelgrüner
Rock, am Hals tief ausgeschnitten, darunter sieht man das weiße
Hemd. Der Mantel graubraun; er bedeckt seine Füße und dient
auch gewissermaßen als Überzug für sein hartes Kopfkissen, den
Stein, auf den der Wanderer sein müdes Haupt gelegt hat.
Er schläft; den Kopf mit der linken Wange auf die Linke
gestützt, die mit dem Ellbogen auf der Erde aufsteht. Dabei hat
sich der Rockärmel etwas verschoben, ein großes Stück des Hemd-
ärmels wird sichtbar. Die Rechte ruht übergreifend auf dem Boden.
Er schläft. Doch kein leichter Schlummer hat ihn umfangen,
kein wohliges Gelöstsein der Glieder ist zu verspüren, kein frohes,
friedliches Gesicht. Sorgenvoll, ernst. Und in dieser Sorge ist
ihm der verheißungsvolle, den Lebensmut wachhaltende Traum
ein Wunsch, ein Bedürfnis.
Er träumt in tiefer Einsamkeit. Ringsum eine weite, etwas
wellige Ebene, hier und da ein Baumstumpf, ganz in der Ferne
blaue Berge.
Er träumt; aber nicht in tiefer Nacht. Das wäre doch etwas
143
für den „Tenebroso" Ribera gewesen, so ein Nachtstück mit einer
blendenden himmlischen Erscheinung! Aber nichts von alledem
ist zu sehen; wenn etwas geeignet ist, diese irrige Meinung zu
widerlegen, so unser Bild: Ein Lichtmaler ist hier am Werk.
Frisches Tageslicht sehen wir über die weite Fläche gebreitet; der
Himmel links dunkelbewölkt. Rechts aber ist er hell; er hat sich
geöffnet und läßt in breitem Strom sein Licht, einen glühenden
gelblichen Schein, herniederfluten. Und in diesem Meer erblicken
wir bei genauem Zusehen ganz feine Elfen — leicht rötlich im!
Ton — die da auf- und niedersteigen. Lichtgestalten im Licht.
Es ist als ob sich der himmlische Nebel hier und dort zu kleinen
Engeln verdichtet hätte. Luftige Gebilde sind diese Himmelsbe-
wohner, die sich nicht auf einer prosaischen, irdischen Leiter be-
wegen, sondern sich im Licht herabsenken und wieder himmel-
wärts heben.
Das ist das Werk des Malers der Bartholomäusmarter, des Ver-
herrlichers des greisen HieronymusI Musterhaft wie stets der Auf-
bau des Bildes. Ein Schlafender sollte dargestellt werden. Da-
mit war eine sanfte Diagonale als Hauptlinie gegeben. Ihr wirkt
entgegen die Diagonale des Baumstumpfes. Die Hauptbewegung
wird von dem Ast begleitet, der von dem Stamm ausgeht, mit dem
großen Zwieg. Die einzige Vertikale, der linke Unterarm Jakobs;
leise unterstützt ihn der in der Ferne rechts aufragende Stumpf.
Eine alte, kleine Kopie bei Herrn Lopez Cepero in Sevilla.
Das Bild ist von jeher als eines der besten Gemälde Riberas
berühmt und gilt vielen als sein Meisterwerk.
Passavant fühlte sich jedoch von ihm abgestoßen. „Selbst in
Spanien dürfte es Mühe kosten, eine solch gemeine Natur (wie Jakob)
unter den Männern zu finden. "i)
3-
Eine Schöpfung ganz anderer Art ist das Gemälde in der Gap.
del Tesoro des Neapolitaner Doms ,,Der hl. Januarius unversehrt aus
') Passavant, Uie christliche Kunst in Spanien S. lOi. Von dem Schläfer Jakob
sagt Stirling, Annales III, 904. ,,You pause instinctively in approaching the sleeper and
tread softly; you think you see his bosom heave and hear bis measured respiration."
144
dem Feuerofen hervorgehend". Wohl das bewegteste Werk Riberas,
doppelt packend inmitten der so vollkommen ruhigen Bilder seiner
Spätzeit. Auf Schiefer. Bez. auf einem Stein rechts unten
Joseph de Ribera hispa-
nus, F. 1646.
Die Ausschmückung der Kapelle des hl. Januarius, geweiht für
eine 1526 vom Heiligen erlangte Befreiung von der Pest, hat be-
kanntlich lange Zeit in Anspruch genommen. Zu kurz gekommene
Künstler haben über Riberas Tätigkeit dabei boshafte Anekdoten
verbreitet und vor allem gegen den Meister schwere Beschuldigungen
erhoben, die aber nur für einige untergeordnete Neapolitaner Maler
und Haudegen — in der Art Caravaggios — Geltung besitzen.
Auch hier gebührt Faraglia das Verdienst, der Wahrheit zum
Recht verholfen zu haben. i)
Dominichino, der vor allen andern an der Ausschmückung
beteiligt war, hatte bei seinem Tod ein Altargemälde noch nicht
ausgeführt: „Die Errettung des Heiligen aus dem Feuerofen".
Ribera übernahm es dann, dieses Bild zu malen.
Zur Erklärung der dargestellten Szene diene folgendes :
Der Bischof Januarius von Benavent hatte den in Pozzuoli bereits
gefangenen Sosius besucht. Das erfuhr der Statthalter Timotheus
bei einer Reise in Nola. Januarius wurde in Haft genommen und
aufgefordert, den Göttern zu opfern. Dies verweigerte der Bischof.
Da ließ ihn der Statthalter in einen drei Tage lang geheizten feurigen
Ofen bringen. Doch der Heilige ging unversehrt daraus hervor,
während die aus dem Ofen schlagenden Flammen mehrere der
Umstehenden schwer verletzten. Im Jahre 305 an einem unbekannten
Tag wurde Januarius dann eine Meile östlich von Pozzuoli, „ad
Sulphuratoriam" lautet die nähere Ortsbestimmung, enthauptet.
(Acta Sanctorum, 19. September.)
') Faraglia, Notizie di alcuni artisti che lavorarono nella chiesa di S. Martine e nel
Tesoro di S. Gennaro. Arch. stör, per le prov. Napol. X S. 449 ein Bericht über Riberas
Bild: „1647. 16 settembre. A Giuseppe Ribera ducati 1000 a compimento di ducati
1400 per r intero prezro del quadro ad olio continente il miracolo fe nella fornace il
glorioso S. Gennaro con patto che de piii che valese detto quadro lo dona al detto
glorioso Santo . ." Die in dem Aufsatz folgende Rechnung über das „Quadro del martirio
di S. Gennaro" hat mit Riberas Bild gar nichts zu tun.
145
Rechts schreitet der jugendliche heilige Bischof vorwärts, der
eben den Ofen verlassen hat, noch ringsum von Flammen umgeben.
Die Hände auf die Brust gelegt, blickt er erhobenen Hauptes dankbar
zum Himmel. Vor ihm eine wilde Flucht. Das Entsetzen über-
wiegt das Erstaunen: die Flammen drohen die Umstehenden zu er-
greifen. Soldaten und Henker in Verzweiflung; der Hauptmann
blickt voll Angst und Überraschung zugleich nach Januarius, ent-
setzt schreit er auf. Aus all den Fliehenden, die zum Teil zu Boden
gestürzt sind, ragt rühmlich der Soldat in der Nähe des Hauptmanns
hervor, der seine Genossen zum Standhalten auffordert, nicht gewillt,
den Heiligen so ohne weiteres nun davonkommen zu lassen.
Links ragen Lanzen in das Bild hinein, die auf weitere Soldaten
schließen lassen. Über dem Ganzen wölbt sich aber ein herrlicher
blauer Himmel, und in den Lüften wiegen sich Englein in freu-
digem Reigen.
Der Heilige die große Vertikale, die dem Ganzen den nötigen
Halt gibt. Sehr bezeichnend die Gesamtsilhouette der Komposition:
ein Zickzack — ein Schrei.
Die Durchführung äußerst sorgfältig. Beim Heiligen selbst
der wegrasierte Schnurrbart in der Farbangabe zu erkennen. Die
Modellierung vorzüglich, namentlich der ausgestreckte Arm des einen
Fliehenden.
Das Bild ist ganz hell in den Farben gehalten, das Feuer des
Ofens spielt malerisch keine beherrschende Rolle, es ist nur Licht
im Licht.
Dominici, der das Gemälde sehr ausführlich beschreibt, lobt
es außerordentlich „. . . . le fisonomie proprie, e gli affetti e passi-
oni deir animo spiegate a maraviglia. In fine per ultima laude di
cosi degna pittura basterä dire che non riceve pregiudizio dalle opere
excellentissime dall' egregie Domenichini che le stanno al con-
fronto".!)
Die letzte Bemerkung ist sehr richtig. Ja, man bedauert es fast,
daß Ribera der künstlerische Sieg über Domenichino hier so leicht
*) Dominici 121 — 123. Unsinn natürlich seine Behauptung, erst durch dieses Bild
sei die Aufmerksamkeit der Karthäuser von S. Martino auf Ribera gelenkt worden, die
ihm als ersten Auftrag die Malereien der Bogenzwickeln hätten zukommen lassen.
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto). jq
146
gemacht ist. Die Werke des Bolognesen in der Kapelle zählen fast
zu seinen schwächsten Leistungen, dazu sind sie stark gedunkelt und
restauriert. Dominici erscheint hier im großen und ganzen als
der Dunkelmaler!
Radiert ist Riberas Gemälde von Seb. Marcotti, Caspar de Romer
gewidmet. 13. Februar 1665. (Außerdem auch von Keyl gestochen.)
Aus dem Jahre 1647 stammt das Gemälde „Der Hohepriester
Simeon mit dem Jesuskind auf dem Arm" im Besitz des Marquis
of Bristol in Ickworth bei Bury St. Edmunds (Suffolk).^)
Bez. unten auf einem Stein:
Jusepe de Ribera espaiiol F
1647
Halbfigurenbild. (48V2X40 inch.)
Der Hohepriester, ein ehrwürdiger Greis mit grauem Vollbart,
trägt, ziemlich frontal gesehen, auf dem Haupt die goldene Mitra,
über dem dunkelgrünen Unterkleid in einen braungelben, brokat-
artigen Mantel gehüllt, nach links aufblickend das nackte Knäblein
auf einem weißen Tuch. Grauer Hintergrund. Kopf und Hände
des Priesters sind besonders sorgfältig durchgeführt. Der auf-
blickende Christusknabe dem der Valencianer Hirtenanbetung sehr
ähnlich; sehr hell, nur an den Konturen hellrot. Der Mantel pastos
behandelt.
Das Gemälde ist nicht unerheblich restauriert, namentlich die
Gewandpartien, und stark gefirnißt.
4-
Dem gleichen Jahre 1647 gehört der herrliche Andreaskopf,
Prado 959, an (h. 0,76, br. 0,63, Abb. 50); bez.:
Jusepe de Ribera
1647.
Ein Greis mit weißem Bart und weißen Locken, dunklen,
leuchtenden Augen, in einen einfachen schwarzen Rock gekleidet.
De face gesehen, hält er in der erhobenen Rechten den Fisch an
der Angelschnur.
') •■ausgestellt in den Exhib. of the Royal Academie 1875, 1S91, igoi. Die
Signatur wurde stets übersehen.
147
Gütig und mild, leise lächelnd, blickt uns der Greis an ; ein könig-
licher Fischer. Man kann es wohl verstehen, wenn Justi vor diesem
faszinierenden Alten den Namen „Masaniello" ausrief. In der Tat,
das ist ein Mann, der ein Volk führen kann, mag man ihn nun
Apostel Andreas oder Masaniello nennen. Eine bezaubernde, höchst
vornehme, fast einem jeden Südländer angeborene Liebenswürdig-
keit besitzt dieser schlichte Mann ebenso wie eine ganz natürliche
Hoheit. Daß er uns de face gegenübertritt, erhöht natürlich noch
die Würde und Feierlichkeit des Bildes. Gemalt ist es äußerst
pastos; alles groß gesehen.
5-
Und wie Ribera es hier erreicht hat, über das Modell hinaus-
zukommen, dieser Gestalt aus dem Volk ein höheres geistiges Leben
einzuflößen, so gelang ihm im folgenden Jahre sein bestes vor-
nehmes Porträt: Die Radierung B. 14, darstellend den jungen
D. Juan de Austria IL (Abb. 48.)
Der junge Prinz zu Roß; nach rechts galoppierend; in der aus-
gestreckten Rechten hält er den Kommandostab; das Gesicht in
Dreiviertelansicht; die Locken fallen dem bartlosen Jüngling bis auf
die Schultern herab. Im Hintergrund Neapel mit seinem schiffe-
reichen Port.
Das Blatt ist sorgfältig in der Durchführung, aber doch sehr
leicht behandelt. Auch in dieser Radierung verleugnet sich Riberas
künstlerischer Grundsatz, dem er in den Bildern seiner Spätzeit
folgt, nicht : Alles ganz hell wiederzugeben. So ist auch dieses
Blatt duftig, silbrig schimmernd. Roß und Reiter schwimmen im
Licht. Man ist versucht, hier von einer pointillistischen Radierung
zu sprechen, so ist alles in kleine Strichlein und Punkte aufgelöst
Bez. oben:
El 5"°° S' Don Juan de Austria
unten links
Jusepe de Riuera F.
1648.
Später in allen Teilen retuschiert. Der Kopf wurde in den
Karls II. verwandelt und oben drei Engel zugefügt, von denen zwei
über des Herrschers Haupt die Königskrone halten. Der dritte
rechts trägt das spanische Wappen. Das Koller des Herrschers
ist reicher geziert, ebenso Satteldecke, Zügel und Gurt. Statt Kom-
mandostab das Zepter. Die Schiffe nun bewimpelt. Aus 1648 ist
1 670 gemacht worden. Ferner ist hinzugefügt :
CAROLUS II DEI GRATIA HISPANIARUM E INDIARUM REX.
Gaspar de Hollander excud. Antuerpia op de meer.
Ein Nachstich nach der ersten Fassung zeigt D. Juan mit leich-
tem Schnurrbart und „Fliege". Am Himmel Wolken. Der betr.
Graveur arbeitete stark mit Kreuzlagen, sodaß alles dunkler ge-
tönt erscheint (mir nur das Exemplar des brit. Museums bekannt).
Von der Beliebtheit der Radierung zeigt auch das Gemälde im
Kgl. Schloß zu Madrid, das Riberas Blatt getreulich wiedergibt
(h. 3,08, br. 2,41, ausgestellt Madrid 1902, Exposicion Nacional de
Retratos. Nr. 586).
6.
Vielleicht die vollendetste Aktfigur Riberas ist der „Eremit
Paulus" vom Jahr 1649. (Prado 985, h. 1,43, br. 1,43, Abb. 49.)
Bez.:
Jusepe de Ribera espaiiol Valenciano
F. 1649.
Der Heilige nach rechts gewandt am Boden liegend in seiner
Höhle. Mit dem linken Unterarm sich auf einen Stein stützend,
blickt er, leicht vorgebeugt, die Hände auf der Brust in stiller an-
dächtiger Betrachtung auf den Totenkopf, der vor ihm am Boden
liegt. Um den linken Unterarm der Rosenkranz geschlungen.
Das Gesicht, durch den Eifer der Gebetsübung leicht gerötet,
ist ganz beschattet. Auf den vorderen Teil der Schädeldecke fällt
das höchste Licht.
Alles von der größten Plastik. (Wie beispielsweise die Nase
heraustritt!) Die Modellierung vollendet; die Angabe der Adern
kann vorzüglicher nicht gedacht werden. Dabei alles leicht hin-
gesetzt, fast duftig in der Technik, hell im Kolorit.
Der Heilige liegt vor einem mächtigen, ganz schräg stehenden
Baumstamm, dessen Anbringung in der Höhle sich mehr aus künst-
lerischen Gründen rechtfertigen, als aus natürlichen erklären läßt.
Tafel XXXVI
^ (RJ?
Uli S j3 JJon Imn ük ^Äusir/a,
Abb. 48 D. JUAN DE AUSTRIA II
Tafel XXXVII
Abb. 49 S. PAULUS EREMITA Madrid Prado
149
Er soll die Hauptrichtung der Komposition deutlich hervortreten
lassen, den Heiligen in seiner Bewegung begleiten. Ganz leise klingt
diese Schräge dann noch in jenem belaubten Baumstumpf in der
Ferne rechts nach. Der nach rechts ansteigenden Diagonalen, die
so kräftig betont ist, wirkt einzig jener dunkle Streifen an der
Höhlenöffnung links oben entgegen. Nur hier erscheint die Höhle
dunkel, sonst hat sie der Künstler ganz aufgehellt.
Eine alte, saubere Kopie — für ein wertvolles Original ge-
halten, 1840 gestohlen, später wieder zurückgebracht — das Bild
unten am Altar Jesus Nazareno der Grenadiner Kathedrale. Eine
weniger gute Kopie im Valencianer Museum aus der Sammlung
D. E. Pons. Fores.
7.-
Aus dem Jahr 1650 stammt ein Johannes der Täufer, London
Apsleyhouse, bez. :
Jusepe de Ribera espaiiol
F. 1650.
In der Rechten hält er einen Rohrstab ausgestreckt, vom rechten
Arm hängt ein großer roter Mantel herab. Die Linke weist auf
das Lamm. Johannes herb, ein jugendlicher Held. Verborgene
Glut. Schmaler kleiner Mund, spitzes kleines Kinn. Ein Schafpelz
schmiegt sich an den Leib. Grund der ungeheure Baum.
Neben diesem „Hirten" ist eines der bekanntesten Werke Ri-
beras entstanden: die „Anbetung der Hirten" im Louvre. (1721,
h. 2,38, br. 1,79, Abb. 52), bez. rechts auf dem Stein:
Jusepe de Ribera espaiiol
Accademico romano
F. 1650.
Das Kindlein liegt auf einem weißen Tuch in der strohgefüllten
Krippe; sein Blick wendet sich nach rechts zu den Hirten. Der
vorderste im Profil, ein kräftiger dunkelhaariger Mann mit Vollbart ;
er kniet mit dem rechten Bein auf einem Felsblock. Seine Gewan-
dung ist mit der größten Sorgfalt behandelt; über dem dunklen
Unterkleid trägt er einen ärmellosen Rock aus Schafpelz. Eine
Büchse und einen Brotbeutel hat er umhängen. Mit gefalteten
Händen blickt er in ruhiger Andacht zu dem Kind nieder.
Sein Genosse, mehr nach links etwas weiter hinten, de face,
beugt sich leicht mit auf der Brust gekreuzten Armen nach vorn,
gleichfalls zum Knaben blickend. Er trägt einen einfachen Rock
und Mantel. Er scheint einige Jahre älter zu sein als der erste Hirt.
Seine Stirne ist tiefgefurcht.
Hinter den beiden die Alte, uns anblickend. Zurückschauend
hält sie über ihren Kopf einen Korb, wohl mit Eiern gefüllt. Der
dritte Hirt, ein junger Mensch mit hellbraunen Augen, langem die
Ohren bedeckenden Haar und noch ganz flaumigem Vollbart, tritt
schüchtern von links heran, die Linke auf die Brust legend, mit
der Rechten die Mütze lüftend, das einzige Mal, daß Ribera dieses
alte bei den hl. drei Königen so oft angewandte Motiv benutzt.
Auch er schaut zu dem Kinde.
Über dem Knäblein aber sehen wir die Mutter, die ihre Hände
betend gefaltet hat und aus ihren großen ernsten dunklen Augen
einen leicht schmerzlichen Blick zum Himmel richtet. Maria ist
hier weniger groß geschaut als die herbe, ahnungsvolle noch halb
als Kind erscheinende Valencianer Madonna. Sie ist um einen ganz
geringen Grad sinnlicher, irdischer, einen hohen Zauber ausübend
mit den großen Augen, der etwas langen, geraden Nase und dem
kleinen, feingezeichneten Mund, dem schwarzen schlichten, in der
Mitte gescheitelten Haar. Ihr blauer Mantel umhüllt ihren Kopf;
er verleiht der ganzen Figur eine überaus würdige, ruhige Sil-
houette. Links ragt ein Eselskopf in das Bild hinein, zu Füßen
des Kindes liegt ein totes Lämmchen. Die Szene spielt in einer
Art Scheune, deren Dachansatz über dem jungen Hirten sicht-
bar wird.
Über die niedrige Mauerbrüstung aber sehen wir in die hüge-
lige Ferne, wo der Künstler uns die Verkündigung an die Hirten
schauen läßt : Hoch aus den Wolken kommt ein Engel herab,
der zwei Hirten die Botschaft mitteilt; es vernimmt sie auch der
dritte, der von rechts her vom Gebirge mit seiner Herde zu den
beiden andern zieht.
Die Komposition ist gut durchdacht. Die Linienführung hebt
Tafel XXXIX
Braun ti Clement
Abb. 52 DIE ANBETUNG DER HIRTEN Paris Louvre
151
Marias Kopf stark hervor. Hauptlinie die Diagonale, welche vom
Kopf des Alten zu dem Marias niederführt; ihr wirkt eine andere
entgegen, die von der Kappe des jungen Hirten über dessen
Kopf gleichfalls zur Madonna geht. Die erste Schräge wird reich
sekundiert : nach oben von der Silhouette der hügeligen Heide
und der Holzstütze des Daches; unten ist in der Lage des Kindes
auf die Diagonale Rücksicht genommen.
Die Alte hilft vortrefflich den Eindruck der Raumtiefe heben.
Durch ihren Blick zieht sie das Auge des Beschauers nach dem
Hintergrund, um es dann langsam wieder nach vorn zurückkehren
zu lassen.
Nirgends sonst hat Ribera so viel Wert auf die täuschende
Wiedergabe des Stofflichen gelegt wie hier. Der Schafpelzrock
und das Lämmchen sind zum Greifen.
Doch die Hauptsache auch in diesem Bild die Behandlung des
Lichtes. Seinem Grundsatz getreu vermied es der Künstler ein
Nachtstück zu geben. Er läßt den Vorgang sich in einer lichten
Scheune abspielen, deren Mauer nur bis zur halben Höhe des Ge-
bäudes reicht. So kommt viel Licht und Luft in den Raum. Das
Kind strahlt natürlich hellstes Licht aus, doch es ist nicht die
einzige Lichtquelle. Vor allem wird Marias Antlitz von einem über-
irdisch leuchtenden Schein erhellt. Seine ganze Freude am warmen
Licht zeigt der Maler aber doch erst in der Verkündigung an die
Hirten. Die Hüter mit ihren Herden erscheinen uns in einem flim-
mernden Glanz, von einem leichten Lichtnebel umwogt.
Das Bild hat stets größte Anerkennung gefunden. Waagen
bemerkte: „Der Meister hat sich in diesem trefflichen Bild selbst
übertroffen. Im vollsten Licht genommen, ist die selbst im Aus-
druck edlere Maria als meist, sowie das Kind von einer seltenen
Klarheit, Zartheit und Sättigung des gelblichen Tones. Die Hirten,
von gutartig -porträtmäßigem Charakter, sowie ein Zicklein und
ein Lamm sind in allen Teilen mit genreartiger Ausführlichkeit
meisterhaft gemalt, die Haltung des Ganzen endlich bewunderungs-
würdig" i).
') Kunstwerke III. S'l- Dominici erwähnt drei Hirtenanbetungen in Neapel: in
der Sacristei des Gesü, von S. Maria de' P. P. Predicatori und der Pietä de' Turchini.
IS2
8.
Ein anderes großes Werk wurde im folgenden Jahre, 1651,
nach langer Arbeit vollendet, die Apostelkommunion im Chor von
S. Martino. (4,00X4,00, Abb. 53.) Riberas Meisterwerk.
Bezeichnet auf einem Zettel links unten:
Joseph de Ribera hispanus Valentinus
Academicus Romanus F. 1651.
Es ist wohl nicht ohne Bedeutung, daß Ribera sich auf den drei
großen Spätwerken : Concepcion in Madrid, Januariuswunder imd
Apostelkommunion, nicht Jusepe de Ribera espafiol, sondern Joseph
de Ribera hispanus nennt. Man denkt unwillkürlich an den Alber-
tus Dürer alemanus.
Seit Mai 1638 arbeitete Ribera an dem Gemälde, dessen Vol-
lendung infolge der Ausführung anderer großer Aufträge und krank-
heitshalber sich bis 1651 hinzog. (Siehe Exkurs 111.)
Der Vorgang spielt sich im Freien ab, vor einer links sichtbar
werdenden Halle. (Ein großer Architekt scheint Ribera nicht ge-
wesen zu sein: die Kreuzgewölbe sind von einer sehr bedenk-
lichen Güte.) Christus teilt das Abendmahl aus. Stehend nach
links gewandt in Dreiviertelansicht, reicht er mit der Rechten einem
vor ihm knieenden Jünger, der die erhobenen Hände anbetend
gefaltet hat, die Hostie; in der Linken hält er eine kleine Platte
mit Hostien. Das Haupt Christi, von langen, dunklen Locken um-
wallt, ist von großer vornehmer Schönheit. Der Blick ganz Güte
und Milde. Gekleidet ist er in ein langes rotes Gewand und in einen
blauen Mantel.
Die Apostel sind frei über den Raum hin verteilt; Leute aus
jedem Lebensalter. Man sieht sie geschildert in allen denkbaren
Momenten der Gemütsverfassung : tief ergriffen Johannes, der rechts
hinten, den Kopf in die Rechte geschmiegt — den rechten Arm
mit dem Ellbogen auf den Tisch stützend — die Linke auf der
Brust an der weißgedeckten Tafel sitzt. Er hat bereits den Leib
des Herrn genossen.
Im Gegensatz zu ihm, dem ruhigen Jüngling, der leidenschaft-
liche Greis : Petrus, der sich in überströmendem Dankesgefühl
Christus zu Füßen geworfen hat. (In der Stellung an die Magdalena
Tafel XL
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Abb. 53 DIE COMMUNION DER APOSTEL Neapel S. Martino
153
der berühmten Pietä erinnernd; gekleidet in einen dunkelgrünen
Rock und gelben Mantel.)
Und wieder ein neuer Kontrast. Diesem sich in den Staub
werfenden Apostel entspricht auf der anderen Seite der Alte, der
kniend im Vorgefühl der Gnade zum Himmel blickend die Arme
ausbreitet.
Hinter ihm ein sinnender Mann, der die Rechte am Kinn hält,
und schließlich jener halbträumerische Jünger, der, de face gesehen,
in der Öffnung der Halle steht und uns anzublicken scheint. Aber
noch ist die Fülle der Motive nicht erschöpft : Der ehrwürdige
Greis hinter dem vor Christus knienden Bruder stehend, blickt er-
wartungsvoll zu dem Herrn. Im nächsten Augenblick wird er auf
die Knie sinken, um gleichfalls die Hostie zu empfangen. Ein an-
derer Greis neben ihm hat nachdenklich den Blick zu Boden gesenkt.
Eine der schönsten Gestalten aber ist der kniende dunkelbärtige
Mann neben Christus, der unseren Blick nach oben zu den Engeln
lenkt. Das Gedämpfte in seinen Bewegungen, das fromme Erstaunen
des Jüngers über die himmlische Erscheinung fesselt den Beschauer
nächst Christus wohl am meisten. In leiser Überraschung hat er
die Linke erhoben und schaut zu den Englein, die in langem Zug
aus den himmlischen Regionen niedergeflogen kommen, der vor-
derste anbetend, die beiden folgenden sich umschlungen haltend.
Der blaue Himmel, den ein warmer goldner Schein überzogen
hat, strahlt es über dem blau in der Ferne schimmernden Gebirge.
Der Beschauer soll vor dem Bild seine Andacht verrichten,
eine heiligste Szene enthüllt sich vor den Augen des Gläubigen:
Darauf weist der aufgezogene rote Vorhang, der oben und an der
linken Seite sichtbar wird.
Die Komposition erscheint zuerst ganz frei, die Gestalten wie
zufällig hier und dort aufgestellt. Und doch ist alles bis aufs
kleinste abgezirkelt; es ist Riberas raffinierteste Komposition, einen
anderen Ausdruck kann man dafür nicht finden.
Am leichtesten erkennbar die zentrale Anlage der größeren
rechten Hälfte mit Christus als Mittelpunkt. Hauptlinie ist natür-
lich eine Diagonale : Sie führt von Christi Haupt über den Kopf
des vor ihm Knienden zu dem zurückgesetzten Fuß dieses Apostels.
154
Mächtig wird diese Diagonale, einem musikalischen Thema gleich,
von der großen Schräglinie aufgenommen, die von den Engeln
über den Alten im Profil zu dem in Begeisterung Knienden führt.
Sie klingt nach in dem Vorhang.
Dem Herabneigen der die Hostie reichenden Hand Christi wie
überhaupt seiner ganzen sich leise vorbeugenden Bewegung ent-
spricht das Sichherabsenken der Engel. So sind die beiden Dia-
gonalen nicht willkürliche Kompositionslinien, sondern vom künst-
lerischen Standpunkt aus direkt gefordert. Die Gegendiagonale
geht vom Kopf des Sinnenden über den des Begnadeten zu dem
Petri. Will man noch weiter gehen, so darf man sagen, daß die
Hauptgruppe in einer Pyramide aufgebaut ist, deren Spitze Christus
und deren Fußpunkte der Kniende und Petrus bilden. (Eingeschaltet
der aufblickende Jünger.)
Diese Gruppe hat nur eine niedrige Mauer als Hintergrund.
Die andern werden durch die Halle mehr als Masse zusammen-
genommen.
Von dem leuchtenden Hintergrund sich abzuheben versuchen.
die Köpfe des nachdenklichen Greises, des Aufwärtsblickenden und
der des Johannes. Doch es gelingt nur Christus allein. Die ihn um-
gebende Helle wirkt wie ein großer Glorienschein.
Reiflich ist abgewogen zwischen der Zahl der Knienden und
Stehenden, zwischen Leidenschaftlichem und Gestilltem, so daß man
als Gesamteindruck den einer hohen Würde, stillen Ergriffenheit
und gefestigten Andacht erhält.
Keine Modellfiguren, wo jeder nur für sich lebt; nein, all^
tiefdurchgeistigt, alle in Beziehung gebracht zu Christus, alle durch-
drungen von der hohen Bedeutung des Augenblicks. Das schließt
sie zusammen, das läßt das Ganze wie aus einem Guß erscheinen.
Man hat das Kolorit venezianisch gefunden, vielleicht fühlte
man auch unbewußt, daß das Bild den Zauber venezianischer ganz
geruhter Heiligenszenen ausübt, ja jener uns anblickende Apostel
links wie auch der Kopf Christi scheinen fast einer „Santa Conver-
sazione" zu entstammen 1
Daß Ribera hier so licht und farbenfreudig ist, darf uns
ISS
nicht wundernehmen. Der Lichtmaler durfte mit gar keinem an-
deren Kolorit aufwarten.
Welch ein Weg von Ribaltas bedeutender Cena bis zu diesem
Werk! Die Wirkung in beiden Fällen ähnlich, die Mittel aber
ganz verschieden. Dort die geschlossene Zentralkomposition, eine
dichtgedrängte Schar in geschlossenem Raum mit einseitiger Be-
leuchtung. Hier eine kunstvoll lose Verteilung über die Fläche
draußen im Freien, wo überall frisches Tageslicht hindringt.
Dem Cicerone scheint hier Ribera „nicht auf der rechten Höhe
zu stehen". (II. 3. 942. i.) Dominici, der das Bild sehr lobt, kann
es doch dem Januarius gleichstellen. Die Farbe behagt ihm nicht.
Vielleicht ist dies aber nur Schein, er benutzt die Gelegenheit zu
einem Ausfall gegen den Künstler. „Perocche egli mutö maniera
credendo con la vaghezza del colorito far gran colpo contro gli
emoli etc." Doch meint auch er schließlich, obwohl unvollendet
sei es trotzdem sein bestes und vollkommenstes Werk.
9-
Aus dem Jahr 1651 stammen auch der hl. Hieronymus und der
hl. Sebastian im Museo Nazionale von Neapel. Beide ebenfalls
für die Karthäuser gemalt und mit 100 Dukaten bezahlt. i8o6
kamen die Bilder aus der Certosa ins Museum. i)
Sebastian (Inv. No. 83978, h. 1,21, br. 1,00, Abb. 54), bez.:
Jusepe de Ribera espanol
F idsi
bildet in gewissem Sinn das Gegenstück zu dem Paulus von 1649,
indem er nämlich der vollendetste Jünglingsakt aus Riberas Spät-
zeit ist.
Der Abend naht; von zwei Pfeilen getroffen lehnt sich der
Heilige an den schrägen Baumstamm, an den er gefesselt ist. Der
letzte Augenblick, bevor er bewußtlos zusammenbricht. Doch er
benutzt diesen letzten Moment der Klarheit noch, um Gott seine
Festigkeit im Glauben und seine Zuversicht auf ihn zu beteuern.
Den Kopf nach oben gerichtet, blickt er mit seinen großen Augen
gen Himmel, während er die Rechte ergebungsvoll leicht in Rede-
') Le Gallerie Italiane. V. 239.
156
weise ausgestreckt hat. Er scheint zu sagen: „Stets werde ich
Dein sein!" Der hnke Arm ist über seinem Haupt am Stamm be-
festigt, er hängt sozusagen im hnken Handgelenk. Die physische
Anstrengung des HeiHgen spürt man sehr gut in den geblähten
Nasenflügeln und dem leicht geöffneten Mund.
Sebastian ein kräftiger Jüngling; er trägt ein kleines Schnurr-
bärtchen, Fliege und schwachen Vollbart. Er ist bis auf das weiße
Lendentuch, das noch rechts über einen morschen Stumpf gebreitet
ist, nackt. Der Körper außerordentlich sorgsam modelliert. Bei
der Arbeit mit dem feinhaarigen Pinsel wirkt auch die genaue
Wiedergabe der Härchen in der Achselhöhle und auf der Brust
keineswegs kleinlich.
Links sieht man in die dunkele Landschaft. Das Stämmchen,
das links aufragt, wiederholt gleich einem Echo din Bewegung des
Heiligen. In die steile Hauptdiagonale ist auch der Stumpf rechts
eingestellt. Die Gegenlinien: der hoch gehobene rechte Unterarm
und der Wolkenrand. Die einzigen Horizontalen sind die beiden
Pfeile.
Die Leuchtkraft des Fleisches ist hier auf das denkbar höchste
Maß gesteigert. Bernsteinfarben, in wärmstem Goldton strahlt der
herrliche Jünglingskörper aus der Dämmerung hervor.
„Spätestes mit Liebe gemaltes Bild" nennt es Burckhardti).
Dieses Gemälde hat jenem süßlichen Werk eines Nachahmers
zum Vorbild gedient, das jetzt in der Augsburger Galerie (407)
hängt. Den Augen des Heiligen entperlen zwei große Tränen; die
Farbe des — sehr mäßig gemalten — Lendentuches bleu mourant.
Diesem ähnlich die flaue Nachahmung des Budapester Museums
6622).
Von Riberas Hand jedoch rührt das Kniestück, Prado 933,
(h. 1,27, br. 1,00, Abb. 55) her, das wie eine Vorstudie zu dem Neapo-
litaner Bild anmutet. Der Hauptunterschied zwischen den beiden
Gemälden liegt aber im Kolorit, indem nämlich das Madrider Bild
ganz licht gehalten ist.
') Cicerone II. 3. 930. g. ') Eine Sebastiansmarter Riberas befand sich noch in der
ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts bei den Nonnen des hl. Pasqual zu Madrid.
'57
Dieses wie die breite, duftige Behandlung (z. B. auch des
Laubes) weist schon allein auf Riberas letzte Lebensjahre als Ent-
stehungszeit hin.
Der Heilige steht fest auf der Erde, von einem drohenden,
Zusammenbrechen ist nichts zu merken. Er ist mehr frontal ge-
sehen als der Neapolitaner Sebastian. Seine Linke gesenkt, die
Hand selbst nicht sichtbar. Die Rechte über dem Kopf wie in,
Neapel am Baum befestigt. Der völlig bartlose Heilige hat das
Haupt erhoben und blickt — mit leicht geöffnetem Mund, die
Zähne hier nicht wie in Neapel sichtbar — zum Himmel. Etwas
Klagendes liegt in seinem Ausdruck. Ein Pfeil ist durch den rechten
Oberarm gedrungen, der nun gleichsam an den Stamm angeheftet
erscheint. Ein zweiter Pfeil traf ihn in die linke Hüfte. In dem
links sichtbar werdenden großen Stumpf stecken zwei weitere Ge-
schosse.
Ganz unten ist eine hügelige Landschaft angedeutet. Sonst
bildet ein blauer mit dünnen gelben Wölckchen überzogener Him-
mel den Hintergrund.
Der Neapolitaner Sebastian besitzt, wie schon gesagt, einen
Gefährten in dem „Hieronymus in Medidation" (Kniestück. Invent.
No. 83980, h. 1,25, br. 1,00, Abb. 38), bez.:
Jusepe de Ribera espafiol
F. 1651
Nicht ein kraftstrotzender, aufgeregter, derber Greis blickt aus
diesem Bild, nein, ein feiner, alter Gelehrter mit höchst durch-
geistigen Zügen, mit einer Künstlermähne und langem weißem
Bart schaut sinnend in die Feme. Der hohe Mann sitzt an einem
Holztisch, auf dem Bücher und ein Schädel liegen, in der Linken
ein Pergament haltend, in der Rechten die Feder. Er hat die Ar-
beit unterbrochen und denkt über etwas nach.
Bekleidet ist er nur mit einem roten Mantel, der linke Schulter
und Brust freiläßt. Der lange Bart wirft einen kräftigen Schatten auf
die Brust. Der Heilige sitzt ein wenig vorgeneigt. Seiner Bewegung
wirkt der Baumstamm entgegen, der links in das Bild hineinragt.
Das Gemälde ist schlecht erhalten, viele malerische Feinheiten
sind verloren gegangen. Jedoch besteht der Hauptwert dieses Werkes
158
ja nicht so sehr im Kolorit als in der geistigen Vertiefung dieser
Lieblingsgestalt des Künstlers.
In der Petersburger Eremitage (332) ebenfalls ein Hieronymus
aus dem Jahre 1651. Die Jahreszahl steht auf dem Deckel des
Buches, das der Heilige in der Hand hält (h. 2,00, br. 1,49).
Der Heilige, unter einem Baum auf einem Stein sitzend, liest
in einem Folianten. Bekleidet mit einem roten Mantel. Hier auch
der schlafende Löwe sichtbar. Totenkopf, Bücher. Ein Holzkreuz
ragt gegen den blauen Himmel.
Am Ende dieser langen Reihe steht der Hieronymus von 1652
im Prado; ein Abschluß, wie er glän2ender nicht gedacht werden
kann.
Prado 996 (h. 0,77, br. 0,71, Brustbild, Abb. 51), bez.:
Jusepe de
Ribera
espafiol
F. 1652.
Das Gemälde macht den Eindruck, als habe es der Meister bei
seinem Tod unvollendet auf der Staffelei zurückgelassen, so pastos,
so kühn, so frisch, so „naß" wirkt es. Keine wilde Leidenschaft
mehr, kein Aufwerfen des Kopfes, kein Recken von Armen, kein
Spreizen von Beinen — alles ganz gestillt — ganz ruhig. Nur die
Augen reden; aber welche Augen! Wie sie leuchten, wie voll und
offen, wie gläubig sie zum Himmel emporschauen! Die Model-
lierung vollendet. Man betrachte nur die rechte Hand, die den
Stein hält, oder die linke, die mit festem Griff das Holzkreuz um-
spannt.
Der letzten Zeit des Künstlers gehört endlich noch der „Klump-
fuß" im Louvre an. (Sammlung La Gaze 1725, h. 1,61, br. 0,92,
Abb. 56), bez.
Jusepe de Ribera espanol
F. 1652.
Lefort las die Zahl 1642.1) In der Tat ist man zunächst ver-
') Gaz. des Beaux-Arts 1882. 40 fr. „Ribera et son tableau du Pied-Bot au Louvre."
Raimondo Diosdado erwähnt in seinen ,Osservazioni suüa Patria dcl pitore Gius. de Ribera.'
Antologia Romana 1796 (XXII) p. 321 bei Cav. Azaro, bevollmächtigtem spanischet
Tafel XLII
Br&DD & Glement
Abb. 56 DER KLUMPFUSS Paris Louvre
159
sucht, die 5 als 4 2U lesen, jedocli ist bei näherem Zusehen die große
untere Schleife der 5 deutlich zu erkennen. Aber selbst wenn dem
nicht so wäre, weist das Bild rein künstlerisch auf Riberas reifste
Periode. Soll vielleicht der Text des Zettels, den uns der grinsende
Betteljunge zeigt, auf die damalige wirtschaftliche Verlegenheit des
Meisters hinweisen?
DA MIHI ELIMOSINAM PROPTER AMOREM DEL
Es wäre ein grimmiger Witz.
Ein lachendes Elend, wie es der Reisende im Süden täglich
dutzendmal findet. Dreiviertel nach rechts gewandt in seinem nicht
einmal übermäßig zerlumpten Rock und in der kurzen Hose —
auch den sonst hier so seltenen Luxus eines Hemdes leistet er
sich ! ^, barfüßig natürlich, blickt uns der Betteljunge, seine schad-
haften Zähne bleckend, mit vergnügtem Grinsen an. Die Krücke
hat er links geschultert, in der linken Hand hält er außerdem noch
den erwähnten Zettel. Die Rechte faßt den Mantel, den er zusammen-
gerollt um die Hüften trägt.
In der Ferne duftige Bäume und Gebirge. Der Knabe ist voll-
kommen gegen das Licht gestellt. Vollstes Plein-air. Das ist der
Abschiedsgruß des „in Marterszenen schwelgenden, finsteren"
Ribera.
Vor ihm wollen wir nicht nur „propter amorem dei" uns
verneigen, wir kommen aus eigenem Antrieb, um diesem ernsten
Künstler unsere Achtung zu beweisen, der stets ein denkender
Mensch gewesen ist, erfüllt von tiefster Religiosität gegen Gott
und die heilige Kunst.
Minister beim heiligen Stuhl ein Gemälde Riberas, das einen Bettler darstellt. In der
Rechten hält er ein Stück Papier, auf dem zu lesen ist
V. Senor mio compatisca la ve
cciaya C- le cative estrade
Jusepe de Rebera (sie!) Espa
nol Valenciano
I 640 F.
Ein Stich „Winstanley fecit 1729" gibt diesen Bettler wieder, jedoch als im Besitz von
Lord Derby befindlich (h. ped 2. pol. 6. br. ped 2. pol. I.) Der Name „Ribera" hier
richtig geschrieben.
IV. RIBERAS KUNST.
SCHULE UND EINFLUSS.
Ribera ist wohl der universalste aller spanischen Meister. Kein,
Gebiet, das er nicht gepflegt hätte. Er malte Bilder religiösen In-
halts : Szenen aus dem Alten Testament, vor allem aus der Geschichte
Jakobs, Szenen aus dem Neuen Testament, in erster Linie natürlich
aus dem Leben und Leiden Christi ; den Gemälden dieser Art folgen
die der Concepcionen, Wunderszenen, Martyrien, Apostel und Ere-
miten. Daneben behandelt er Stoffe der Antike : Marsyas und Apoll,
Venus und Adonis, Laokoon, Cato, griechische Philosophen. Er
pflegt das Porträt : Sein Selbstbildnis, das Porträt Gambazos, Mon-
tereys, D. Juans de Austria, eines Neapolitaner Musikers. Die Bettel-
jungenbilder zeigen seinen Sinn für die Genremalerei. Den Tier-
maler lassen uns Bilder wie der „Silen", „Jakob bei seiner Herde",
die Pariser ,, Hirtenanbetung" schätzen; den Stillebenmeister zeigt
uns vor allem der ,, Jakobssegen".
Reine Landschaftsbilder von Riberas Hand sind uns nicht be-
kannt. Wie er aber die Landschaft tektonisch wie inhaltlich mit
dem dargestellten Gegenstand zu verknüpfen, zu verschmelzen wußte,
können wir aus einer großen Reihe seiner Werke erkennen. An-
zufangen mit den Hieronymusradierungen ; dann die „Klage um
Adonis", „Jakobs Traum" usw.
(Darstellungen von Neapel gibt er mehrfach ; so auf der „Extase
der hl. Magdalena", dem „hl. Januarius" in Salamanca, dem „D. Juan
de Austria".)
Daß Martyrienbilder und Darstellungen des hl. Hieronymus uns
so oft bei Ribera begegnen, darf uns nicht wundernehmen. In
jener Zeit raffte sich die Kirche wieder auf und suchte die schlaff
gewordenen Gläubigen zu neuem frommem Eifer anzuspornen. Was
konnte da besser dazu beitragen, die Wankenden im Glauben zu
stützen und neue Opferfreudigkeit zu erwecken, als dieser Hinweis
auf die alten Märtyrer und Asketen, die heiligen Säulen der Kirche ?
Solches auf dem Gebiet der Malerei zu schaffen, war niemand
geeigneter als ein Spanier. Wohl hatte im Norden der genialere
i6i
Rubens die gleiche Aufgabe in die Hand genommen. Doch geht
ihm, dem heiteren Vlämen, ganz das Finstere, Fanatische ab, das
dem Valencianer angeboren erscheint, und die leidenschafthche Er-
regung findet oft nur in grandiosen Bewegungen, geschickt arangier-
ten Massen, in herkulisch gebauten Körpern ihren Ausdruck, wo
weniger psychische Kraft zum Vorschein kommt als physische, die
jedoch zum größten Teil nutzlos verpufft.
Im Anfang glaubte auch Ribera seine Heiligen durch großen
physischen Aufwand allein schon bedeutend machen zu können.
Bal-d jedoch erkannte er seinen Irrtum und suchte zu einer immer
größeren Verinnerlichung zu gelangen.
Die Vorliebe für derbe, ja oft häßliche Formen zeigt sich in der
ganzen ersten Periode des Künstlers : der sehnige, feste, abgehärtete
Greis Hieronymus oder Andreas ; der schwammige Silen, jene scheuß-
lichen Kerle mit den Warzen und Drüsen. Daneben aber von An-
fang an ein feines Verständnis für die schönen Formen eines Jüng-
lingskörpers : der Ephebe auf dem Silensbild, Sebastian, Laurentius,
Apoll. Am vollendetsten aber der Christus der Pietä von S. Martino.
Auch die Kindergestalten von den ersten Werken an den Beschauer
durch ihre Formschönheit anziehend. (Ignaziusgeschichten, Ekstase
der Magdalena, Concepcion Salamanca usw.)
Mit der Zeit kam er auch zu einer immer größeren Veredelung
der greisen Gestalt. Es mag dies zum guten Teil zusammenhängen
mit dem Fortschritt seiner Technik, die mit der steigenden Monu-
mentahtät Hand in Hand geht. Er sieht in seinen späteren Jahren
alles größer, schlichter, ohne dabei die Gründlichkeit der Model-
lierung und die Genauigkeit, die Sauberkeit der Zeichnung zu ver-
lieren, die von Anfang an allgemeine Bewunderung erregten. Der
reife Meister modelliert viel mehr mit Licht und Schatten als nur
mit dem feinhaarigen Pinsel, durch dessen Führung er höchst vir-
tuos die Formen zu bilden verstand.
Greise, Männer, Jünglinge und Knaben besitzen alle etwas Herbes
in ihren Formen. Riberas Gestalten sind die denkbar männlichsten.
Die Putten, in der Bildung von Correggio angeregt, sind wie bei Ri-
balta feste Bürschlein. Dem Sebastian fehlt jede Bologneser Weich-
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletto). U
l62
heit und Hieronymus, Petrus, Bartholomäus zeigen nicht wie die
alten Heiligen Domenichinos einen dem Verfall zuneigenden Körper.
Daß Ribera bei alledem den Zauber der Kinderwelt ebenso gut
kennt, wie der große Meister von Parma, beweist ja vor allem die
Concepcion von Salamanca.
Was vom männlichen Akt gesagt wurde, gilt auch vom weib-
lichen. Wie beim hl. Hieronymus reizte den Künstler bei der Maria
Egyptiaca die Darstellung eines alt gewordenen, aber noch nervigen,
durch Entbehrungen gestählten Körpers. Gerade bei den weib-
lichen Gestalten zeigt sich Riberas große Herbheit. Man betrachte
nur seine Magdalena, seine Agnes, seine Maria. Durch diese eigen-
artige Strenge erreichte er aber etwas, was kein anderer in gleich
überzeugender Weise auszudrücken verstand : die Wiedergabe der
keuschen Jungfrau. Nicht das Kind, wie bei Murillo, ist sein Modell,
sondern — an Praxiteles gemahnend — das heranreifende Mädchen.
Dadurch wirkt er schlagender als jeder andere. Ein weiblicher Voll-
akt fehlt im Oeuvre des Künstlers. Bereits Justi ist die Scheu der
Spanier vor der Darstellung des weiblichen Aktes aufgefallen, und
mit Recht bemerkt er, daß Velasquez der einzige unter den früheren
Spaniern ist, der sich an die Teufelin Venus gewagt hat^). Riberas
Venus ist völlig bekleidet und seine hl. Agnes hat sich in ihren Gold-
haarmantel gehüllt.
Riberas Frauen sind echte Spanierinnen mit großen dunklen
Augen, goldblondem oder tiefschwarzem reichlockigem Haar, feiner
schmaler Nase, kleinem Mund, etwas langem dünnem Hals, zarten,
fast zerbrechlichen, langen Fingern. Diese Hände! Die Behand-
lung der Hände ist ja stets bei Ribera meisterhaft. Aber hier ist
es mehr als reines Virtuosentum. Die ganze SensibUität des Barocco,
alles Vornehme, Graziöse, Elegante jener Zeit kann man aus diesen
Händen entnehmen; aus ihnen kann man sich die ganze übrige
Gestalt aufbauen, so sind sie bis in die Spitzen der Finger hinein
von dem Leben durchglüht, von der Erregung durchbebt, die die
Heilige erfüllt.
Daß bei all der Strenge eine hohe lautere Schönheit erreicht
wird, beweist mehr als ein Beispiel. Der junge Johannes (Prado),
') Justi, Velasquez II, 238.
i63
Apoll, Christus (Pietä S. Martino), Paulus (Vitoria), Andreas von 1647,
Magdalena (Prado 980), Maria (Anbetung Valencia), Agnes, Katharina
und Maria (Verlobung der hl. Katharina).
Aber ob auch seine Gestalten schön oder weniger schön er-
scheinen, niemals wirken sie leer. Sein Petrus und Hieronymus
von 1622 ist ebenso von Leidenschaft geschüttelt wie jener Andreas,
der den Zeus verschmäht, wie Bartholomäus, der den Opfertod er-
leidet. Wie wirkt der Paulus von 1637 in seiner latenten Kraft,
der Elias von S. Martino mit seinem verhaltenen Feuer. Und nicht
weniger eindringlich die späten Gestalten: in dem stillen Leuchten
der Augen seines Andreas von 1647 liegt ebenso die Siegesgewiß-
heit des Apostels wie in denen des Hieronymus von 1652 das Ver-
trauen des gläubigen Büssers auf die Gnade des Himmels. Seine
Magdalena, die sich über des Herren Füße wirft, ist nicht weniger
erschüttert als Petrus, der sich (in der Apostelcommunion) von dem
Gefühl der Gnade und des eignen Unwerts überwältigt Christus zu
Füßen gestürzt hat. Wie verschieden der Aufblick zum Himmel.
Maria in banger Ahnung, Magdalena in sichrer Hoffnung auf Ver-
gebung, Agnes in fester Zuversicht und Dank für des Himmels
Güte zugleich. Wie rührend die Freude des Erkennens bei dem
erbUndeten Isaak, wie ergreifend der trostlose Schmerz Mariens
(S. Martino); wie bescheiden und respektvoll die anbetenden Hirten,
wie jubelnd und ausgelassen die Kinderschar der Concepcion.
Hier offenbart sich etwas mehr als ein Talent. Eigenartig dazu
noch der grimme Humor; der lachende Henkergehilfe, Archimedes,
der Bettelknabe des Louvre seien als Hauptvertreter genannt. Man
denkt manchmal an Filippo Neri den Jesuitenheiligen aus Neapel
mit dem krausen Humor.
Ribera der nüchterne Realist und Poet zugleich. Nur ihm
konnte jene Mischung von Übersinnlichem und Irdischem gelingen,
nur ihm sich der spanische Wunderhimmel erschließen und daneben
das Auge für das derbe, volkstümliche offenbleiben, ihm, dem
Landsmann des Ignatius von Loyola, bei dem sich in gleicher Weise
der Hang zum Übersinnlichen mit dem sicheren Blick für das
praktische Leben wunderbar vereinigt hatte.
Vergleicht man die „idealen" Bolognesen mit dem „Natura-
i64
listen' Ribera, so ist man oft versucht, die Beiworte zu tauschen.
In der Grableg-ung Annibale Carraccis in Palermo ist keine Gestalt
ideal; Marias Schmerz wirkt als Grimasse. Mit auffälliger Liebe
das Körbchen mit Seilen im Vordergrund behandelt. Der Bethle-
hemitische Kindermord Annibales in München ist höchst roh und
wild. Wichtig war dem Künstler die Verkürzung des einen Kindes
vom am Boden. Lodovicos Carraccis Grablegung in München
weder in der Anlage noch im Ausdruck tief Die Verkürzung der
Leiche war die Hauptsache. Wie sich der Mann hinten mit der
Laterne zu schaifen macht! Um Christus kümmert sich im Grunde
niemand. In Domenichinos Hirtenstück (Dulwich) fesselt den Be-
schauer die große Gestalt des Dudelsackspielers weit mehr als aUes
andere. Dies eine ganz kleine Auslese von Beispielen.
Riberas monumentaler Stil, der in der zweiten Hälfte der
dreißiger Jahre einsetzt, zeitigte natürlich auch einen idealen Typus.
Er begegnet uns zuerst im Paulus von 1637 und tritt uns zuletzt,
diesem ganz ähnlich aber noch edler im Christus der Apostelcommu-
nion entgegen.
Daneben gehört Ribera zu den ersten Meistern der „Ausdrucks-
halbfigur". Sein büßender Hieronymus und sein ergebungsvoll
leidender Sebastian, beide frei von jeglicher Sentimentalität, ge-
hören zum allerbesten, was der Barock in dieser Gattung hervor-
gebracht hat.
Ebenso sorgfältig wie die Modellierung des menschlichen Körpers
ist auch die Behandlung des Gewandes. Gerade hier zeigt sich
der strenge Zeichner Ribera, der nichts von dem leichtsinnigen
Geschmier vieler, oder besser gesagt, der meisten Genossen wissen
will. Scharf, klar und sicher ist er in der Faltengebung, die zu-
weilen fast ans harte, brüchige streift.
Auf die fein abgewogene Komposition Riberas wurde schon
oft hingewiesen. Sie ist des Meisters größte italienische Errungen-
schaft. Der kunstvolle, rhythmisch gegliederte Bau nicht nur der
Architektur sondern auch der Gemälde verursachte den Spaniern
ähnliche Mühe wie den Deutschen. Nur Italien konnte dem Künstler
die Geheimnisse der Tektonik enthüllen, nur Italien ihm offenbaren,
worin in letzter Linie die Harmonie eines Kunstwerks bestehe. Und
I6S
Italien hat es ihn auch wirklich gelehrt. Man kann wohl ohne
Übertreibung sagen, daß Riberas Kompositionen die italienischsten
jener Zeit sind. Nicht nur daß alles sorgsam berechnet ist,
sie zeigen auch echt italienische Einfachheit und Größe. Den
Bolognesen mangelt diese Ökonomie oft in bedenklicher Weise.
Ihre Bilder sind nicht selten unheimlich vollgepfropft mit Menschen
und Tieren; man denke z. B. an Domenichinos Madonna del Rosario
(Bologna) oder an seine Sebastiansmarter (Rom S. M. d. Angeli).
Der Ausgangspunkt für ihn ist, wie für so viele andere,
Correggios Kompositonsweise (ScodeUamadonna in Parma): Die
Diagonale im Hochbild die Hauptlinie. Jedoch ist natürlich das
Hochbild nicht das ausschließliche Format. Mit feinem Gefühl
wendet der Künstler bei Scenen wie dem „Süen", dem ruhenden
Einsiedler Paulus das Breitformat an mit einer sanften Diagonalen
als Hauptachse. Die Hauptfigur holt er oft dadurch heraus, daß
er sie in den Schnittpunkt zweier Diagonalen setzt, die sich nach
der Mitte zu senken (Hieronymus Rad. v. 1622, Pietä S. Martino,
Verlobung der hl. Katharina u. s. w.) oder er setzt sie in eigen-
tümhche Beziehung zu dem sie umgebenden Licht. (Maria in der
Concepcion von 1641 allein im Lichtkreis schwebend, Christuskopf
in der Kommunion, der sich allein gegen den Himmel voll abhebt.)
In der Wahrung der Massenkontinuität, wo keine Gestalt aus
dem Ganzen herausgenommen werden kann, jede nur im Zusammen-
hang mit den anderen seine Bedeutung besitzt, zeigt sich der echte
Barockkünstler. In der Kunst macht sich da derselbe Geist be-
merkbar, der im religiösen Leben jener Zeit, vor allem in der Ge-
sellschaft Jesu herrscht: Der einzelne ist nichts, er ist nur Glied
eines Ganzen, und erst dieses Ganze besitzt Bedeutung.
Die Landschaft dient Ribera in ihren Elementen dazu, die
Hauptbewegung kräftig zu unterstützen: die Hügel- oder Höhlen-
silhouette, der Baumstumpf. Ebenso wie Dürer hat auch Ribera
den Wert der Lanzen in der Komposition erkannt und alles, was
Waldmann ^) für Dürer nachgewiesen hat, kann man auch bei
Ribera finden (Bartholomäusmarter, Radierung wie Gemälde,
Samson, Januarius u. a.).
') Waldmann, „Lanzen, Fahnen und Stangen bei Dürer." 1906.
i66
Über das kühne Wagfnis mit Licht- und Schattenflächen das
BUdgerüst aufzubauen, wurde an der betreffenden Stelle („Der
Gnadenstuhl in den Wolken") schon eingehend gehandelt.
Bei einem tenebroso war Ribera in die Lehre gegangen. Von
ihm hatte er das rötliche Kolorit. Daß er es so schwer überwand,
kam zum Teil wie bei Poussin und anderen von der noch nicht
erlangten Sicherheit, mit dem neu aufgekommenen Bolusgrund zu
arbeiten. Mit der Zeit wird Ribera immer lichter; die Schatten
hellen sich mehr und mehr auf, das durchscheinende Rot (Finger,
Engelsköpfe) bekommt eine lichtere Frische, die Körper erhalten
eine von Jahr zu Jahr wachsende Leuchtkraft: bernsteinfarben
funkeln sie dann in warmem, goldenem Licht.
Von einer Lieblingsfarbe kann man nicht gut reden. Der
Maler freute sich des tiefen klaren Blau des neapolitaner Himmels,
der goldenen Wölkchen, die Schiffchen gleich den Himmelsozean
durchqueren; sehr gerne verwendet er den Purpur: Mantel Apollos,
Gott Vaters, Bett Isaaks (Draperie und seidene Decke), Vorhang
beim Kommunionsbild.
Ribera galt zu seiner Zeit als einer der bedeutendsten Kolo-
risten, vor allem in Spanien ,Y ahora tiene el primado en pie en
la practica de los colores Jusepe de Rivera Uamado en Italia el
Espaüol eto " sagt Pacheco, der Schwiegervater des Velasquez, von ihm ^).
Riberas Entwicklung steht nicht außerhalb jeden Zusammen-
hangs, sie geht vielmehr parallel mit der eines Rembrandt, Hals,
Velasquez. Zeitlich wie innerlich.
Wie die beiden ersten Jahrzehnte des Cinquecento, so werden
die vierziger und fünfziger Jahre des Seicento zu einem Höhepunkt
der Malerei aller Zeiten, ja man kann sagen zum Gipfel der Mal-
kunst überhaupt. Es sind die Jahre der großzügigsten Malerei, des
Triumphes der malerischen Anschauungsweise. Alle die genannten
Meister erlangen im Lauf der dreißiger Jahre ihre innere Befreiung;
sie werden von da an in ihrer Malkunst nicht nur pastoser, monu-
mentaler, sondern auch in ihrer Auffassung ernster, schlichter, vor-
nehmer. Hals lärmt nicht mehr so ausgelassen, der Humor des
') Arte de la Pintura. Herausg. von Villaamil. Madrid 1866. S. 84.
16/
alternden Mannes ist nicht bloße Lustigkeit, es liegt etwas Bitteres
darin, das ihm erst die Größe gibt; aus dem lauten, gar oft posieren-
den, derben Rembrandt wird ein ruhiger, denkender Künstler, der
nichts nach Gunst und Beifall des großen Haufens fragt, sondern
still nur sich und seiner Kunst lebt. Und aus Velasquez wird in
jenen Jahren der große Menschenkenner und Beherrscher des
Tageslichts. Es gelingt ihm das Porträt aller Porträts, sein Innocenz X
von 1649, zu der Zeit wo sein Landsmann Ribera das Reiterporträt
des jungen Don Juan, den hl. Andreas von 1647 ^^"^ "^i® Apostel-
kommunion schuf. Ribera starb als erster aus der Reihe hinweg.
Ob er noch höher hätte steigen können?
2.
Ein solch ernster, in sich gekehrter Mann, ein so tief schürfen-
der, mit größter Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt arbeitender Künstler
konnte in jenem rasch und leicht schaffenden Zeitalter keine eigent-
lichen Schüler hinterlassen. Nur Nachahmer. Von ihnen allen gilt
das fa presto eines Giordano, für sie wie die ganze Neapolitaner
Kunstwelt, in der sich Ribera wie ein Mensch aus der guten alten
Renaissance ausnimmt.
Der genialste Nachahmer, Lucca Giordano, der auch auf Riberas
Namen Bilder fälschen durfte, mag als Beispiel für aU die kleinei^en
dienen. Er zeigt uns, was die damalige Welt an Ribera bewunderte,
was sie als seine schöpferische Tat ansah. Man kann es sich wohl
denken. Es ist mehr das äußerliche: Hieronymus oder Petrus, der
Greis, der noch von mächtigem Leben durchpulst ist ; der Charakter-
kopf: die „Philosophen"; die Marterbilder: der geschundene Bartho-
lomäus. Nur daß in der Nachahmung die Tiefe der Charakteristik, die
Gediegenheit der Zeichnung, die Sorgfalt der Ausführung fehlt.
Jedoch kam auch für Giordano die Stunde der Einsicht, daß
er doch mehr vermöge als berühmte Meister nachzuahmen. Er
wurde ein Eigener, der koloristisch denselben Weg ging wie Poussin,
der aus einer schwer rot-blaugrauen Färbung zu lichten Tönen ge-
langte, für den gleich Poussin und Tiepolo Blau und Gelb Lieblings-
farben wurden. Wer den reifen Giordano kennen lernen will, muß
sich an das grandiose, stark an Tiepolo gemahnende Fresco in der
i68
großen Sakristei der Toledaner Kathedrale halten: Das Wunder
des Hl. Ildelfonso. Belehrend ist auch das Berliner „ Parisurteil. "
Über den Werkstattbetrieb bei Ribera teilt uns Dominici einiges
mit. Der Vater Giordanos, Antonio, copierte die Antoniusbilder
des Meisters, die dann von diesem nochmals übergangen wurden
(„ritoccati par il maestro"). Für die Verbreitung der Halbfiguren-
bilder von Philosophen und hl. Hieronymi habe D. Gio. Dö gesorgt.
,nel maneggio del colore e nel girar dell'impasto eran tutt' uno."
Ein weiterer Gehilfe war Bartolomeo Passante »che il maestro
molto l'adoperava nelle molte richieste de sue pitture" ; vor allem
für die Gemälde, die in fremde Länder geschickt wurden. Auch
der Schlachtenmaler AnieUo Falcone wird unter Riberas Schülern
genannt.
Unrichtig wohl Dominicis Mitteilung, daß Andrea Vacarro direkt
bei Ribera gelernt habe. Der Künstler schlug mehr die Wege
Stanzionis ein; Riberas Einfluß konnte er sich natürlich nicht ent-
ziehen. (Am meisten bemerkbar in der jüngst in das Wiener
Hofmuseum gelangten , Hirtenanbetung. ") Riberas bedeutendster
Schüler war vielleicht Salvatore Rosa, der am meisten etwas von
des Meisters Kraft und Leidenschaft zeigt. Namentlich der Radierer
Rosa ist von Ribera angeregt worden.
Daß die Bolognesen nicht nur von Carravaggio, sondern auch
von Ribera beeinflußt worden sind, unterliegt keinem Zweifel. Guido
Reni ebensogut wie Domenichino. Zum erstenmal hat dies Unger*)
klar ausgesprochen. Namentlich Domenichinos Münchner Hiero-
nymus ist ohne Riberas Radierung undenkbar. Auch auf deutsche
Meister wirkte der Künstler. So schuf abgesehen von dem Autor
des Münchner Hieronymus (Pinakothek 1290) Sandrart in Riberas
Geist einen Seneca und einen Cato Uticensis.'^ Über Ribera selbst
urteilt der Maler in seiner Teutschen Accademie wie folgt:*) „wolte
sein Genio keine gefällige, angenehme, sondern lieber andere schreck-
bare crudele Historien, alte abgelebte Körper, mit zerrümpfter Haut,
bejahrte wilde angesichter, die er alle warhaft lebendig mit großen
Kräften und Wirkungen ausgebildt."
•) Kritische Forschungen S. 165. ') Sandrart, Lebenslauf und Kunstwerke. Nürn-
berg 1675. S. 10 u. II. ') Sandrart, Teutsche Accademie S. 191.
i69
Nicht viel anders urteilte übrigens Goethes Freund, der Kunst-
historiker H. Meyer über unseren Künstler. „Michel Angelo, Merigi
von Carravaggio aber und sein Schüler Joseph Ribera genannt
Spagnoletto, stellten sich dem edleren Geschmack ganz entgegen
und traten als entschiedene Naturalisten auf, das ist, sie ahmten
die Natur, mit sinnlicher Anschauung, treu nach, doch ganz ohne
Wahl der Formen noch mit bestimmter Rücksicht auf den erforder-
lichen Charakter ihrer Figniren zum beygelegten historischen Zweck.
Die Madonnen sind gewöhnliche bloße Dirnen, das Christkind ein
gemeiner Knabe, St. Joseph ein Zimmermann, der Hl. Hieronymus
ein elender, runzliger Alter u. s. w.; ja, oft laden diese Künstler
sogar den Verdacht auf sich, das fehlerhafte, das niedrige, dürftige
und gemeine absichtlich gesucht zu haben ''.^)
Weit günstiger fährt Ribera bei R. Mengs, der in einem Brief
an Ponz schreibt^ „E ammirabile il Ribera nell' imitazione del
naturale, neUa forza del chiaroscuro, nel maneggio del penello, e
nel dimostrare gli accidenti del corpo, le rughe, i peli etc. II suo
Stile e sempre forte; ma non giunse al Velasquez neU' inteUigenza
de' lumi, e deU' ombre, mancandogli la degradazione, e l'ambiente
deU' aria; benche nel colorito e di maggior forza, e brio". Ein für
jene Zeit außerordentlich feinfühliges künstlerisches Urteü.
StirUngs Ansicht^) „the jealous implacable Spaniard was indeed
cursed with the evil eye, seeing trighful visions in the midst of
sunshine and beauty" deckt sich ziemlich mit den von ihm zitierten
Worten Byrons aus dessen Don Juan.*)
, .Spagnoletto tainted
His brush with all the blood of all the sainted".
Weit einsichtsvoller hatte geraume Zeit vorher ein anderer
Engländer geurteUt, Richard Cumberland : ')
„Some of the characters of his Baptist from Magdalens and
Madonas wich I have met, are equal in grace and tendemess of
expression to the best heads of Guido and Guercino.
^) ,,Winckelmann und sein Jahrhundert" herausgeg. von Goethe 1805 in dem von
Meyer bearbeiteten ,, Entwurf zu einer Kunstgeschichte des 18. Jahrhunderts". S. 173.
^) R. Mengs. „Opere". Roma 1787. S. 308. ') Stirling, Annais 903. *) Byron, Don
Juan XllI, 71. *) R. Cumberland, .Anecdotes of eminent painters in Spain during the
sixteenth and seventeenth Centuries. London 1782. I, 205.
170
I confess my surprize was great in discovering him in a character,
wich was new and unknown to me before I went to Spain".
Viel richtiges liegt in den Worten Ungers/) daß Ribera Vor-
würfe behandele, „wo eine gesteigerte Anspannung des mensch-
lichen Organismus unter den Bedingungen des moralischen und
physischen Schmerzes noch mehr ans Licht stelle". Nicht gefiel
ihm bei dem Künstler das angeblich übermäßig starke Betonen des
Anatomischen. „Sowohl Caravaggio als auch Ribera verfallen nicht
selten aus anatomischen Zwecken in den Fehler, daß sie die Haut
zu gespannt und straff darstellen, weil sie es weniger mit dieser
als mit der darunter befindlichen zu tun haben. Bei Guido ge-
langt aber alles zu seinem natürlichen Recht."'")
Carl Justis Urteil^) mache als jüngstes in dieser Reihe den Be-
schluß: „Er der in Kenntnis und Kunst der Zeichnung kaum von
einem seiner Landsleute erreicht worden ist, ist doch am größten
in der tragischen Tiefe der Stimmung; freilich geht der leiden-
schaftliche Zug der nationalen Devotion oft bis zum Düstern und
Grausamen. Aber auch der Zauber hoher Anmut fehlt nicht, wie
eine farbenglühende Blume aus Felsgestein emporblüht. Er gab
zuerst ein Beispiel der Verbindung des Naturalismus mit dem
katholischen Geist, und darin lag eine befreiende Kraft: er hat den
Malern des XVII. Jahrhunderts den nationalen Weg zu Originalität
und Größe gezeigt.'
3-
Einen mächtigen Einfluß hat Ribera natürlich auf die spanische
Kunst ausgeübt.
Wie weit der junge Juan de Ribalta in seiner Kreuzaufrichtung
(Valencia Mus. prov.) von Ribera beeinflußt ist, läßt sich nicht mit
Sicherheit sagen. Eines aber sieht man auf den ersten Blick: dem
Bild fehlt jede Tektonik im Aufbau, die Ribera den Italienern so
vollkommen abgelauscht hatte.
Die Studienköpfe und Heiligenbilder des Esteban March gehen
auf Ribera zurück; die flüchtigsten Arbeiten Giordanos aber er-
•) Unger, Kritische Forschungen S. 169. ^) Krit. Forsch. 176. •') Baedekers
Spanien und Portugal. LXXXIII.
171
scheinen sorgfältige Gemälde neben den wüsten Pinseleien des
Valencianers.
Auf Pereda hat Riberas von der Trompete aufgeschreckter
Hieronymus großen Eindruck gemacht, wie sein Gemälde Prado 939
beweist, auf Cerezo der Crucifixus in Vitoria; man betrachte nur
seinen „Cristo de la agonia" in der sala capitular der Kathedrale
von Burgos; sein , Hieronymus" im Leipziger Museum geht in allen
Teilen auf Riberas Radierung B. 4. zurück.
Alonso Cano hat an allen Ecken und Enden Werke Riberas
für eigne Arbeiten benutzt; so den „Reuigen Petrus" von 1621 für
seinen „Johannes auf „Patmos" (Prado 667), den „Hieronymus in
der Wüste" in dem Bild gleichen Inhalts (Prado 669), die „Trinität"
für sein Gemälde in der Grenadiner Kathedrale usw.
Riberas „Descanso" hat Romero Juan de Sevilla für seine
„Ruhe auf der Flucht" (Budapest 305) verwertet.
Vor allem aber stehen die drei bekanntesten Spanier Velas-
quez, Murillo, Zurbaran unter Riberas Einfluß. Zurbaran zeigt dies
namentlich in dem (früher Velasquez zugewiesenen) Hirtenbild der
Londoner National Gallery.
Die starke Wirkung auf Murillo ersehen wir namentlich aus
den Werken der Übergangszeit zum sogenannten estilo caliente;
z. B. „Familia del Pajarito" (Prado 854) beeinflußt von Riberas
„Holzhackerfamilie", die Navidadbilder besonders, London, Wallace
CoUection 34, Prado 859, und das unlängst vom Kaiser Friedrich-
museum in Berlin erworbene Gemälde. Als Vorbild diente augen-
scheinlich Riberas „Hirtenanbetung" von 1640 im Escorial.
Den Einfluß auf Velasquez, der ja in persönliche Berührung
mit dem Meister gekommen ist, bezeugt uns auch der alte Pacheco,
des Velasquez Schwiegervater; in seiner „Arte de la Pintura" *)
spricht er vom reinen Naturstudium, wie er es selbst verfolgt, wie
es Caravaggio geübt hat, und fährt dann fort:
„Asi lo hace Jusepe de Rivera; pues sus figuras y cabezas
entre todas las grandes pinturas que tiene el duque de Alcalä,
parecen vivos, y los demas pintado aunque sea junto ä Guido Bolones;
') Arte de la Pintura S. 15, 16.
172
y mi yemo que signe este Camino, tambien se, ve la diferencia
que hace ä los demas, por tener siempre delante et natural."
So darf man denn wohl Ribera einen Mitbegründer der großen
spanischen Kunst im XVII. Jahrhundert, ja einen Künder modemer
Malerei überhaupt nennen. Sein Werk ist von demselben Geist
erfüllt wie die Schriften seines Lieblingsheiligen Hieronymus, der
in seinem Brief an Heliodor über das Eremitenleben ausgerufen hat:
»Wie lange soUen die Häuser noch ihren Schatten auf dich
werfen? Wie lange sollst du noch eingeschlossen sein in die
Kerkerluft rauchiger Städte? Glaube mir, ich genieße ein
Licht, das ich nicht zu schildern vermag. Wirf die Wucht
des Leibes von dir und fliege aus zum reinen Glanz des
Aethers!"
Exkurs I.
RIBERAS GEBURTSJAHR UND HEIMAT.
Daß Ribera in Jätiba geboren ist, kann keinem Zweifel unter-
liegen. Er selbst neimt sich auf dem Navidadbild von 1640 (Es-
corial) „espaiiol valenciano de la ciudad de Xativa", bezeichnet sich
öfters als Setabensis (Petersburger Sebastian, Silen, Andreasmarter,
Hirtenanbetung bei Weber-Hamburg), fast stets als valenciano und
hispanus oder espanol.
Femer wird im Taufregister der Parr. di S. Marco dei tessitori
IIb. V^) gleichfalls Jätiba als seine Geburtsstadt angegeben.
Adi 9 maggio 1634 Fran" Aato° And" Figlio di Gioseppe di Rivera
della Cittä di Sativa nel regno di Valentia . . . .*
Damit verlieren die Angaben Dominicis"), der Gallipoli in
Unteritalien, und Celanos*) der Lecce zum Geburtsort Riberas machen
will, jede Bedeutung.
*) L. Salazar, La patria e la familia dello Spagnoletto. Nuovi documenti. Nap.
Nob. III., 97 ff. ') Dom. III., III. ') Celano. II., 99. Während Giacinto Ginna in der
„Idea della storia dell' Italia letteraria" Napoli 1723 in cap. 32 gleich Celano und D. Pietro
Signo rellis „Vicende della letteratura delle due Sicilie" Tom. V gleich Dominici berichtet, be-
zeichnet Pompeo Sarnelli im „Guida dei Forestieri" Napoli, 1685, II. Ribera als
Spagnuolo, F. Bellori in der Vita des Carravaggio (1672) als Spagnuolo di Valenza, de
173
Wann aber Ribera geboren wurde, läßt sich nicht mit Be-
stimmtheit sagen. Diosdado hat freilich in seinen „Osservazioni
sulla patria del pittore Giuseppe de Ribera" *) ein Taufzeugnis mit-
geteilt, dem zufolge Ribera am 12. Januar 1588 geboren worden sei.
,A 12 de Giner any 1588 fon batizot Josef Benet fill de Llois
de Ribera y de Margarita Gil foren copares berthomesi crionys
notary y comare mangalida riba albero donsella filla nofre albero."
Dieses Zeugnis nützt uns jedoch gar nichts, denn es steht fest,
daß Riberas Vater mit Vornamen nicht Luis, sondern Antonio
Simone oder Simone Antonio hieß.
Hauptbeweis dafür ist eine Eintragung im Register der Parr.
di S. Marco zu Neapel Lib. IV Fol. 107.^ Wir lesen da, daß am
28. Februar 1630 als Taufpate fungfierte „Gioseppe de Rivera, Figlio
de Simone de Rivera de Valentia."
Riberas ältester Sohn heißt Antonio Simone Gioseppe, sein
zweiter Francesco Antonio Andrea.^)
Dominici und seine Nachfolger geben Antonio als Vornamen
des Vaters an.
Aber ganz abgesehen von diesem Vornamen trifft schon des-
halb das Zeugnis nicht auf unseren Ribera zu, weil dieser sich nie-
mals Joseph Benet nennt und auch nirgends von einem Giuseppe
Benito die Rede ist.
Dieser Joseph Benito mag wohl ein Verwandter Riberas ge-
wesen sein. Der Name Ribera war ja sehr verbreitet. Wir kennen
bereits jenen Kunstfreund Juan de Ribera, Erzbischof von Valencia.
Am 6. Mai 1621 vermählte sich der Admiral D. Francesco de
Ribera in Neapel.*) D. Giulio Cesare Infantino erwähnt in seinem
Buch „Lecce Sacra"*) einen Antonio Ribera, castellano di Trezzo
Piles im „Abrege de la vie des peintres" 1699 als Spanier, der Anonymus E. D. R. in
der „Nouveau voyage en Italic" 1699 als Joseph de Ribera de Valence, ebenso Sandrart,
„Teutsche Accademie" 1683, S. 181. ') Antologia Romana. XXII, 334 wieder abge-
druckt von Lefort Gaz. d. B.-A. II. per. XXV, 43 und von Alcahali Diccion. Biogr., 266.
Nach der Handschrift getreu wiedergegeben auf der Rückseite des Postamentes des Ribera-
denkmals in Jätiba. *) Salazar a. a. O. ') Am 3. Juli 1602 wurde Anna, die Tochter
des Simone Rivera und der Vittoria bricchi de Rivera getauft. Am 18. Juni 1605
heiratet Simone de Ribera Spagnolo Vittoria Azevedo spagnola. Sollte dies ebenfalls der
Vater Jusepes sein? *) Salazar a. a. O. '■) Erschienen Lecce 1633, S. 154.
174
e supremo comandante dell' esercito di Spagna nella Savoja e Pie-
monte nel 1592*; man denkt dabei unwillkürlich an Riberas Vater
zumal Dominici berichtet, Riberas Vater sei spanischer Offizier ge-
wesen^) („uffiziale in quel CasteUo* — nämlich Gallipoli; als >Ad-
judant" vom Castello Nuovo in Neapel sei er gestorben).
Immerhin dürfen wir wohl annehmen, daß Riberas Geburtsjahr
in die zweite Hälfte der achtziger Jahre des XVI. Jahrhunderts fällt.
16 16 erscheint er bereits als verheirateter Mann und fertiger Künstler.
Palomino, der zuerst von dem Riberabiographen Jätiba als
Geburtsort des Meisters angibt, nennt 1589 als Geburtsjahr.^
Daß Dominici Ribera zu einem Italiener machen will, hat ja
seinen Grund; er bekommt dadurch Gelegenheit, dem verhaßten
Maler den Vorwurf zu machen, die Bezeichnung espafiol sei — kurz
gesagt — nur ein übler Geschäftstrick gewesen. Jedoch liegt die
Begründung aber noch tiefer. Als Ribera in die Höhe kam, be-
neidete man zuerst den Forestiere, den , kleinen Spanier*, der den
Italienern so viele Aufträge wegnahm; dann aber war man in
Neapel doch stolz darauf einen so berühmten Mann zu besitzen.
Er soUte einer der ihrigen sein, eine Zierde der Neapolitaner
Malerzunft.
Mit der Angabe über Riberas Geburt hängen auch die Mit-
teilungen Dominicis über Riberas Lehrer zusammen.^ Der Vater, der
ihm eine gute Erziehung habe zuteil werden lassen, hätte ihn an-
fangs zum Kriegsdienst bestimmt, doch sei Joseph durch einen
Malersohn mit der Malkunst vertraut gemacht worden und hätte
sich so in sie versenkt, daß der Vater seinen ursprünglichen Plan
aufgegeben und den Sohn zu Carravaggio in die Lehre getan habe.
In dessen Stil hätte er einige Studienköpfe und Halbfiguren von
Greisen gemalt, die von kunstverständigen Leuten gelobt worden
wären. Nach Carravaggios Tod sei er mit seinem Bruder nach
Rom gegangen, um Raffaels Werke zu studieren. Dominici nennt
vor allem S. M. deUa Face und die gaUeria Farnesina als die Stätten,
') Dom. III, 112. '') Palomino, Museo Pictorico III, 310. Nach ihm R. Cumber-
land, Anecdotes of eminent painters in Spain during the sixteenth and seventeenth centuries.
London 1782. I, 197. Ebenso Orlandi im Abecedario Pittorico. Venezia 1753. S. 236.
") Dom. II2ff.
175
wo Ribera nach eigener Aussage viel gelernt habe. Als er dann
den Correggio loben hörte, sei er nach Parma und Modena ge-
gangen und habe dort in großer Begeisterung viel kopiert.
„Stupendo esempio dell' esattissimo sotto in giü." Seine ersten
Malereien in Neapel nach seiner Rückkehr seien ganz in diesem
Stil gehalten gewesen. Da sei der Vater gestorben, die Familie
in Not geraten, die künstlerischen Nebenbuhler dazu sehr zahlreich
gewesen: Santafede, Imparato, Carracciolo u. a. Von einem dieser
Maler habe er den Rat bekommen, zur Manier Carravaggios zurück-
zukehren, „per far colpo ed avere il suo luogo fra' valenti uomini".
Diesem Rat sei Ribera dann auch getreulich nachgekommen und
mit größtem Erfolg.
Exkurs n.
(zu S. 64.)
DIE „EXTASE DER HL. MARIA MAGDALENA" IN DER ACA-
DEMIA DE S. FERNANDO UND IHRE NACHAHMUNGEN.
Das Gemälde muß sofort einen tiefen Eindruck gemacht haben,
denn es sind mehrere höchst interessante freie Kopien nach diesem
Werk erhalten. Die beste sah ich Frühjahr 1906 bei Simonetti in
Rom^) (h. 2,50 br. 1,81 Abb. 57).
Es fällt mir außerordentlich schwer, diese hervorragende Arbeit
einem andern als Ribera selbst zuzuweisen, so genial, so durchdacht
ist sie in den Varianten, so vollkommen stimmt sie in der tech-
nischen Behandlung mit Riberas Werken überein. Und doch beweisen
einige Änderungen, wie zu zeigen ist, daß wir es mit einer Arbeit
eines Kopisten zu tun haben. Es kann dann niemand anders als
Luca Giordano sein, der hier wie kein zweites Mal in Riberas Art
aufgegangen wäre.
Die Frage nach dem Autor wird freilich noch etwas verwickelt
durch eine andere freie Kopie im Besitz von Dr. G. Martins in
Bonn, von Justi ausführlich in einem größeren Aufsatz behandelt.")
Diese Kopie ist jedoch von geringerer Güte.
') Als Murillo verkauft 1895. Auktion der Sammlung des Principe Fondi in Rom
bei Sangiorgi (im Katalog Nr. 324). ^} Zeitschrift für Christliche Kunst, V. I ff.
176
Das römische Bild nun teilt eine Anzahl Characteristica mit
dem Bonner und andere wieder mit dem Madrider Gemälde.
Wie B. so hat auch R. die große Strenge verloren. Grund in
erster Linie der weichere, etwas süße Blondkopf. Jedoch wirkt R.
lange nicht so sentimental wie B.: Durch den geradeaus nach oben
gerichteten Blick fällt das schmachtende von B. weg. Die ganze
Gestalt in R. hat eine größere Sinnlichkeit gewonnen. Das härene
Gewand fehlt in B. wie in R. Nur in einen großen Mantel ist
die Heilige gehüUt, der rechte Schulter und Arm freiläßt. Der
harte Halskontur ist verschwunden: goldblonde Locken rieseln nun
auch über die Schultern nach vom. Die Hände, überaus zart und
feingliedrig, sind betend gefaltet. Wie durchgefühlt sie sind, kann
man in dem Leben der „kleinen Finger' besonders merken.
Der Mantel ist knittriger als in M. und hat namentlich in der
rechten Hälfte große Verwandschaft mit dem fliegenden Mantel
Gottvaters in der ,Trinität" (Prado).
In erster Linie jedoch haben wir es bei dem Maler von R. mit einem
Mann zu tun, dem das Lichtproblem die Hauptsache ist. Auf
den breiten glatten Teil des Mantels fäUt hellstes Licht (auch in B).
Vor allem aber hat sich in B. und R. der Himmel geöffnet. Ein
blendendes Licht ist ausgegossen und verbreitet sich um Magdalena
wie eine Gloriole. Aus dem Lichtmeer, das seitlich von dunklen
Wolken begrenzt ist, tauchen rosige Engelsköpfchen auf; im höchsten
Licht nur schwach in ihren Formen mit roten Konturen angedeutet;
je mehr sie aus dem Lichtkreis heraustreten, desto kräftiger sind
sie modelliert.
Gegen B. sitzt in R. der Profilkopf rechts nicht mehr so
häßlich über dem Mantelzipfel Magdalenens, sondern ist näher an
seine Gefährten herangerückt. Auch sind die Wolken viel feiner
behandelt und besser abgetönt. Von schroffen Absätzen gegen
das Licht ist hier keine Spur mehr. Die Englein der unteren
Region sind viel gründlicher durchmodelliert als in M. Der
Engel in der Ecke ganz links unten, nach dem sein Gespiele
über ihm sein rechtes Armchen ausstreckt — in B. noch vor-
handen — fehlt in R. Es war eine etwas unglückliche Figur,
nur begründet als der eine Endpunkt der Hauptdiagonale, geeignet
<
-1 .5
Q t/5
177
die Illusion des sich von der Erde lösenden, hinaufschwingenden
zu verstärken. Das Weglassen ist vom ästhetischen Standpunkt aus
sehr wohl verständlich. Aber nun wird die Armbewegung des Ge-
fährten ganz unbegreiflich. Dies ist der Hauptpunkt, der den Ver-
dacht einer Kopistenarbeit aufkommen läßt.
Vorzüglich ist aber, daß der Mund dieses sich nach unten beugenden
Putto, der in M. und B. häßlich von einem Engelsflügel verdeckt
wurde, in R. nun sichtbar ist, ebenso wie ein großer Teil der Kinn-
partie. Der nach rechts folgende Engel hat das rechte Füßchen
etwas mehr gehoben. Der Engel, der in M. das Salbgefäß hält,
trägt in B. und R. den Totenkopf. Die Armchen dieses Putto in
R. besonders gut durchmodelliert. Der Engel mit der Geißel —
diese in B. und R. etwas anders behandelt als in M. — wird in
den unteren Extremitäten mehr von der Wolke umspült; auch ist
er etwas weiter hinaufgerückt, so daß seine Rechte etwas den
Mantel Magdalenens überschneidet. (In B. dieser Engel höchst
liederlich behandelt!) Der Putto darüber — in M. mit dem Toten-
kopf — hält in B. und R. das Salbgefäß. Der Putto daneben in
R. nicht mehr betend wie in M. und B., sondern sein eines Händ-
chen ruht auf der einen Wolke. Der Abstand der beiden letzt-
genannten Engel vom Mantel der Magdalena ist kleiner, da der
Mantel verbreitert worden ist. Auch bei all diesen Englein ist die
Verteilung von Licht und Schatten viel feiner nuanciert als in M.
Die Landschaft, in B. ganz verschwommen, in R. mit großer
Liebe behandelt; das Gebirg in der Form gegen M. bestimmter;
auch erstreckt sich der Küstensaum hier über die ganze Breite des
Bildes, während in M. links das offene Meer zu sehen ist. Echt
Riberesk wirkt auch der Baumstumpf mit seinen beiden Zweigen.
Das Incamatleicht rötUch, das ganze mit feinhaarigem Pinsel gemalt.
Daß R. in jeder Hinsicht die reifste Fassung ist, kann keinem
Zweifel unterhegen. Eine Mittelstellung nimmt das Bonner Bild
ein. Vielleicht sind beide Arbeiten im Atelier Riberas entstanden.
R. ist ohne B. nicht gut zu denken. Nicht ausgeschlossen ist, daß
wir in R. eine Kopie vor uns haben nach einem Original Riberas,
das dann um 1642 entstanden wäre, in der Blütezeit des Licht-
malers, des Schöpfers der Dresdener Hl. Agnes.
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo SpagDoletto). j2
178
Gegen Ribera als Autor von R. spricht, wie gesagt, abgesehen
von dem weggelassenen Engel vor allem der weichliche Kopf.
Höchst seltsam nun, daß dieser Kopf wie auch die Arme der
Heiligen in der „büßenden Magdalena" Prado 857 Abb. 58 genau
wiederkehren. Man teilte früher dieses Bild Murillo zu und setzte
das pastos, nicht mit feinhaarigem Pinsel gemalte Werk in die Über-
gangszeit zum letzten Stil, dem estilo vaporoso.')
Nun wurden Bedenken geäußert und vor allem hat Justi die
Ansicht vertreten, daß Ribera der Maler des Bildes sei; Farb-
gebung und Technik beweise das. Dies ist aber nie und nimmer
der Fall. Vor allem ist, wie gesagt, das Bild gar nicht mit dem
feinhaarigen Pinsel Riberas gemalt, man sehe nur einmal die Ge-
wandung daraufhin an. Die Malweise ist echteste Murilloart.
Ebenso auch die Farbgebung; das Gemälde ist ganz in MuriUos
Weise auf ein feines Grau und ein von Rosa bis in tiefe Tinten
gehendes Rot abgestimmt. Auch diesen Heiligenschein wird man
bei Riberaschen Werken vergeblich suchen. Jedoch auch für
Murillo einigermaßen befremdlich ist das etwas schwammige,
schwappige Fleisch der schönen Sünderin. Der Maler dieses
Magdalenenbildes ist unstreitig von dem römischen Gemälde ab-
hängig. Er ist jedoch durchweg weniger edel, in der Körperbildung,
wie im Gesichtsausdruck (der Mund!) Sollte am Ende Alonso Cano
der Autor des Madrider Gemäldes sein?
Schließlich sei noch das Bildchen Prado 2187 (h. 1.90, br. 1.20)
erwähnt, das gleichfalls eine Variante des Madrider Accademie-
bildes ist. Mit Recht wird es als „Sevillaner Schule" bezeichnet;
alles ist weicher, lieblicher, freudiger. Auch hier Wechsel von
Totenkopf und Salbgefäß, der kleine Engel links unten vor-
handen, auf Magdalenens Mantel der große Lichtstreifen; wieder
ein Beweis für die Richtigkeit der oben ausgesprochenen Vermutung,
daß eine nun verloren gegangene Originalreplik des Academie-
bildes mit einigen wesentlichen Varianten vorhanden gewesen sein
muß. Magdalena kniet hier auf einer Wolkenkugel, die aus kleinen
Engelsköpfchen gebildet wird. Große Engel tragen den Ball. Von
^) Der „Hiob" in der Gallerie zu Parma gehört wie dieses Bild in MuriUos Kreis und
hat mit Ribera nichts zu tun.
179
oben dringt ein großer Lichtstrahl herab und Scharen von Engeln
stürzen der Heiligen mit Blumen und Kränzen entgegen. Unten
dunkle Berglandschaft mit Blick aufs Meer. Rechts ein Wartturm.
Hier erst wird Justis Wort, von dem Bonner Bild mit einiger
Übertreibung gesagt, zur vollen Wahrheit „Das Bild der Extase
der Einsiedlerin hat sich in das der Verklärung gewandelt, eine
Apotheose der Magdalena."
Exkurs m.
ZUR ENTSTEHUNO DER „APOSTELCOMMUNION" IN
S. MARTINO.
In den von Faraglia mitgeteilten Documenten lesen wir folgendes:
„II quadro grande del Choro fu datto a fare a Gioseppe de Ribera
l'anno 1638, del V. P. D. Gio. Battista Pisante, Priore in quel
tempo, insieme con li quadri delli profeti posti sopre le CapeUe
della chiesa, quali haveva cominciati e ricevuto in conto in tre
partite ducati 200 — e poi la seguente videhcet. A 4 de maggio
1638 al detto Ribera in cunto ut supra et in particulare per Caparra
del quadro grande che fä per il nostro Choro duc. 100.
l'Anno 165 1 rihavutosi alquanto delle sue infermitä fe instanza
voler finire il quadro, al quäle ne anco se ci pensava ne inclinava
ma per le relazione del signor Domenico Gargiulo pittore, e Gennaro
Monte quali asserivano che erano piü di ducati 300 in mano del
detto Ribera in cunto di detto quadro, si diede orecchia ä farlo
finire piü per non perdere li detti denari, che per haver il quadro
da lui giä caduto assai dalla sua virtü e forza per le sue
lunghe infermitä, per rispetto" deUe quali lui si sforzö assai, come
soleva dire per far vedere al Mondo ch'era vivo e non morte; e
ciö faceva con gusto grande per ricuperare la sua estinta
f ama.
Ha ricevuto in cunto di detto quadro daUi 15 de febbraro
1651 per tutto li 6 de settembre seguente ducati 780 — che uniti
con H sopradetti ducati 1365 — fanno la summa de ducati 2145 et
ha consignato il quadro del quäle pretende fuor d'ogni ragione
i8o
prezzo esorbitante, ne vuol star a raggione, mentre il Monasterio
intende pagfarlo Conforme ha pagato l'altre opere sue di meglior
Conditione, e valore, e come si ha fatto pagare da estranei, che
saria Cento ducati la figura intiera e cinquanta la mezza figura
,dal che non deve uscire senza nota di biasmo, e di Tiranno con
un Monasterio dalquale ha ricevuto molte cortesie, e sempre l'ha
ritrovato pronto neue sue occurrenze, e si puö dire che l'a fatto
reviviscere con farii fare detto quadro dopo le sue infermitä ....
lo quadro grande se stima per otto figure da esperti senza
passione che sariano ducati 800 — ad ogni modo se li donano altri
ducati 100 — di piü che sono ducati 900. Ducati 2060.
Ne ha ricevuto come appare dalli conti de Procuratori 2145
ha ricevuto in piü ducati 85.'
Der ganze den Meister als Mensch und Künstler herabsetzende
Ton dieses Schreibens erklärt sich sehr einfach daraus, daß die
Mönche nicht den hohen Preis bezahlen wollten. Ribera selbst
starb über der Sache. Seine Söhne jedoch ließen nicht von den
Mönchen ab. Sie beschweren sich am 12. Dezember 1652 beim
Nuntius, weil für das große Gemälde nicht der volle Preis bezahlt
worden wäre. In der Erwiderung der Mönche, in der auch der
Profeten Moses und Elias mit 100 Ducaten Erwähnung getan wird,
heißt es, Ribera habe für das große Gemälde 985 Ducaten erhalten.
Es seien nur 8, nicht 13 vollständige Figuren. Jedoch behalten
die Erben, unter denen auch ,D. Caterina Azzolini loro madre'
genannt wird. Recht, wie aus einem Schriftstück vom 9. Juli 1655
hervorgeht. Die Cena wird mit 1 300 Ducaten angesetzt und ihnen
eine Restsumme von 210 Ducaten ausgezahlt.
Exkurs IV.
DER „ORLANDO MUERTO" IN DER LONDONER NATIONAL
OALLERY.
In der Londoner Nationalgallerie hängt unter den spanischen
Gemälden ein eigenartiges Bild, „El Orlando muerto", der tote
Roland genannt. (Nr. 741. Leinw. h. 3 ft. 5 in., br. 5 ft. 5 in.)
Ein junger Krieger in grauer Kleidung, mit Brustpanzer und
i8i
Armschienen gewappnet, liegft am Boden ganz ausgestreckt auf
seinem Rücken. Die Augen des bartlosen, rotbraungelockten
Mannes sind geschlossen, seine rechte Hand ruht auf der Brust,
seine Linke greift nach dem Degen, von dem man jedoch nur den
Korb sieht. Ist die Klinge abgebrochen oder liegt der Krieger
auf ihr? Dies ist nicht zu entscheiden. Die Gestalt ist ziemlich
stark verkürzt, Kopf und linker Arm sind uns am nächsten, der
rechte Arm wie der rechte Fuß verschwinden fast ganz. Über
den Füßen des Toten hängt an einem Ast ein Öllämpchen mit
schwälendem Docht: es ist am Erlöschen. Der Ast geht von einem
Gestrüpp auf dem Felsen rechts aus. Ganz rechts sind zwei Fels-
platten erkenntlich. Versperren sie den Eingang zu einer Höhle?
Zu Häupten des Toten ein Schädel, links im Vordergrund gleich-
falls ein Totenkopf und Knochen. Wir befinden uns scheinbar im
Gebirg auf einer Anhöhe. Schwarze Wolken jagen über den
Himmel, dessen Blau an einigen Stellen durchbricht. Gegen den
Horizont zu wird es heller: der Tag beginnt.
Das Bild, das aus der Sammlung Pourtales stammt, ist schon
mehrfach beschrieben worden. ') Zuletzt von Carl Justi in der ersten
Auflage seines Velasquez.^)
Der tote Roland. Justi fiel es auf, daß keine Wunde zu sehen
ist. Grade dieser Umstand aber beweist, daß das Bild von einem
Maler herrührt, der die spanische Fassung der Rolandsage ge-
nau kannte. Nach der spanischen Version war nämlich Roland
nur mit der Spitze einer Stecknadel an der Sohle des linken Fußes
verwundbar, weshalb ihn Bernardo del Carpio in seinen Armen
vom Boden erhob und ihn so, wie Herkules den Antäus, erwürgte.*)
Mit Recht meint Justi, daß es mit Velasquez gar nichts zu
tun hat. Wer aber ist sein Autor? Mit feinem Verständnis kommt
er auf die Neapolitaner Schule des Seicento. Jedoch welchem
Meister das Werk zuzuschreiben ist, vermag er nicht mit Bestimmt-
heit zu sagen. An Mattia Preti erinnert ihn der grünliche Ton
der Lichter im Fleisch, doch sei die Zeichnung für ihn zu straff
•) Paul Mantz, La Gallerie Pourtales. Gaz. d. Beaux-Arts 1865. Curtis, Velasquez
and Murillo Nr. 26. ') Carl Justi, „Velasquez und sein Jahrhundert". Bonn 1888. II. 85.
*) vergl. u. a. Cervantes, Don Quijote 0, I. Cap. 32.
l82
und fein; an Salvator Rosa und seinen „Hl. Wilhelm" die düstere
Idee des einsamen Ritters, doch sei das Gemälde in vieler Be-
ziehung zu gut für diesen Meister; an Ribera endlich die diagonale
Lage mit dem Haupt nach vom (Justi dachte wohl vor allem an
den „Adonis"), der alte schiefe Baum, die Landschaft, jedoch sei
die Malerei für Spagnoletto zu dünn.
Die letzte Bemerkung ist nicht ganz richtig, wohl aber ist die
Technik der Hauptpunkt und Grund, weshalb es auch mir unmög-
lich ist, das Gemälde, wie es uns jetzt vor Augen steht, für ein
völlig eigenhändiges Werk des Meisters zu halten.
Dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen der Direktion
der Nationalgallerie konnte ich das Bild aufs eingehendste unter-
suchen und fand als größte Schwierigkeit für die Autorbestimmung,
daß das Bild zwei verschiedene Techniken aufweist. Kopf, Strümpfe,
Schuhe sowie der Grund sind mit dem Riberesken, modellierend
geführten feinhaarigen Pinsel gemalt, das andere dagegen, in erster
Linie die Hände und Rüstung in ganz anderer breiterer Manier.
Daß diese zweite Hand die eines späteren Restaurators ist, scheint
mir ausgeschlossen zu sein. Der Kopf mit den wirren in größere
Partien zusammengenommenen Locken erinnert in der Wiedergabe
stark an den Apollonkopf auf dem Gambazoporträt. In der Kom-
position zeigt sich eine gewisse Verwandtschaft mit dem „Traum
Jakobs": zur schwachen Hauptdiagonale die entgegenwirkende
Schräge des Astes. Eine stärkende Vertikale mangelt fast ganz,
nur die jetzt fast unsichtbar gewordene Silhouette der Höhle oder Berg-
lehne wirkt etwas stützend. Der grünliche Lichtton im Fleisch, den Justi
für Preti in Anspruch nimmt, findet sich auch bei Riberaschen Werken :
Apoll (Apoll und Marsyas), Christus der Pietä von S. Martino z. B.
Auch mir erscheint das Gemälde als ganzes für Rosa zu gut,
doch halte ich es keineswegs für ausgeschlossen, daß er das Bild
vollendete, welches der Meister vielleicht in seinen letzten Lebens-
jahren begonnen hatte, dessen Fertigstellung jedoch die lange
Krankheit und schließhch der Tod verhinderte. Rosa war ja
Schüler des Spaniers und wie nahe er ihm anfangs gestanden hat,
zeigt vor allem seine ,Ruhe auf der Flucht" bei Earl of EUesmere
(Bridgewaterhouse).
i83
Doch mag" er oder ein anderer an der Arbeit beteiligt sein,
das Werk gfeht sicher in seiner Anlage und mit der spanischen
Fassung der Rolandsag-e auf Ribera zurück, ist vielleicht unter
seinen Augen vollendet worden, wofür namentlich die Sorgfalt der
Ausführung spricht. Ein junger Schüler kann diesen verkürzten
Körper, ein Meisterstück der Zeichenkunst, nicht auf die Leinwand
gebracht haben.
Vielleicht sah das Bild in der ersten Anlage anders aus; ich
glaube ganz rechts in der Felspartie Leitersprossen erkennen zu
können, doch ist dieser Teil zu sehr gedunkelt, als daß sich ge-
naueres feststellen üeße.
DATIERTE WERKE RIBERAS.
1621. Hieronymus (Radierung).
Reuiger Petrus (Radierung).
1622. Männerkopf mit Binde im Haar.
(Radierung).
Ohrstudien (Radierung).
1624. Bartholomäusm arter (Radie-
rung).
Hl. Hieronymus (Radierung).
1626. Silen. Neapel, Museo Nazionale.
Hieronymus. Petersburg, Eremi-
tage.
Extase der hl. Magdalena.
Madrid, Ac. S. Fernando.
Hieronymus (Zeichnung). Florenz,
Uffizien.
1628. Hl, Sebastian. Petersburg, Eremi-
tage.
Silen (Radierung).
Andreasmarter. Budapest, Na-
tionalmuseum.
Büßender Eremit. (Zeichn.) Flo-
renz, Uffizien (London, Brit. Mu-
seum).
1629. Hl. Hieronymus. Rom, Pal.
Doria.
1630. Bartholomäusmarter. Madrid,
Prado.
Archiraedes. Madrid, Prado.
Apostel Matthäus. Verschollen.
1631. Maddalena Ventura. Madrid,
Duque de Lerma.
Hl. Rochus. Madrid, Prado.
Jacobus der .ältere. Madrid,
Prado.
Philosoph. Wien, Fürst Liechten-
stein (privat).
1632. Ixion. Madrid, Prado.
Der blinde BildhauerGambazo.
Madrid, Prado.
1634. Jacob, Labans Herde hütend.
Eicorial.
Evangelist Matthäus. Solothurn.
Messe Gregors. Amiens.
1635. Concepcion. Salamanca, Agustinas
Recoletas.
HeraklitundDemokrit. Genua,
Pal. Durazzo.
1636. Hl. Sebastian. Berlin, Kaiser-
Friedrich-Museum.
.Anaxagoras. Wien, Fürst Liechten-
stein (privat).
Visiondeshl. Antonius. Madrid,
Ac. S. Fernando.
Kampf weiblicherGladiatoren.
Madrid, Prado.
1637. Isaak segnet Jacob. Madrid,
Prado.
Hl. Petrus. Vitoria, Disputacion
provincial.
Hl. Paulus. Vitoria, Disputacion
provincial.
Hl. Hieronymus. Murcia, Mus.
prov.
Hl. Onuphrius. Petersburg, Eremi-
tage.
Diogenes. Dresden.
Diogenes. Wien, Fürst Liechten-
stein (privat).
Philosoph. W'ien, Fürst Liechten-
stein (privat).
Philosoph. Wien, Fürst Liechten-
stein (privat).
Philosoph. Wien, Fürst Liechten-
stein (privat).
Venus und Adonis. Rom, Gal.
Nazionale.
Apoll und Marsyas. Neapel,
Museo Nazionale Brüssel, Mu-
seum.
Pieta. Neapel, S. Martino.
1638. Mater dolorosa. Cassel.
Hl. Hieronymus. Madrid, D.
Luis de Navas.
Ein spanischer Edelknabe mit
seinem Schutzheiligen.
Schwerin, Mus.
185
Porträt eines raaestro al Cem-
balo. Rom, Comte Gregoire
Stroganoff.
und ff. Die 12 Propheten. Neapel, S.
Martino.
Moses. Neapel, S. Martino.
Elias. Neapel, S. Martino.
1639. Zimmermannsfamilie. Toledo,
Mus.
Befreiung Petri. Madrid, Prado.
Madonna mit Kind. Früher
Neapel, Ducca di Bovino.
1640. Vision des HI. Antonius. Es-
corial.
Hirtenanbetung. Escorial.
S. Franciscus von Paula. Früher
Pau.
Hl. Hieronyraus. Mailand, Gal.
Crespi.
Bettler. Früher Nicolas de Azara.
1641. Hl. Agnes. Dresden.
Hl. Maria Eyptiaca. Montpellier.
1642. Hl. Magdalena. Murcia, Gal. Estor.
Befreiung Petri. Dresden.
Franciscus auf den Dornen.
Dresden.
Hl. Procop. Früher Lord Dudley.
1643. Verlobung der Hl. Katharina.
London, Earl of Northbrook.
Hl. Franziscus. Florenz, Pal. Pitti.
Cruzifixus. Vitoria, Disput, prov.
Hirtenanbetung. Valencia Kathe-
drale.
1644. Grablegung Christi. Neapel,
Cav. d'Angelo.
Kopf Johannes d. T. Madrid,
Acc. S. Fernando.
Hl. Hieronymus. Madrid, Prado.
St. Diego. Toledo Catedral.
1646. Januarius wunder. Neapel, Dom
Cap. del. Tesoro.
Concepcion. Madrid, Kloster S.
Isabella.
Jacobs Taum. Madrid, Prado.
1647. Hl. Andreas. Madrid, Prado.
Der Hohepriester Simeon
mit dem Jesusknäblein.
Marquis of Bristol. Ickworth bei
Bury St. Edmunds.
1648. D. Juan de Austria (Radierung).
1649. Paulus Eremit. Madrid, Prado.
1650. Hirtenanbetung. Paris, Louvre.
Johannes der Täufer. London,
Apsleyhouse.
1651. Hl. Sebastian. Neapel, Museo
Nazionale.
Hl. Hieronymus in Medidation.
Neapel, Museo Nazionale.
Hl. Hieronymus. Petersburg,
Eremitage.
Apostelcommunion (vollendet).
Neapel, S. Martino.
1652. Klumpfuß. Paris, Louvre.
Hl. Hieronymus. Madrid, Prado.
ORIGINALGEMÄLDE
JUSEPE DE RIBERAS/)
SPANIEN.
MADRID.
Museo del Prado.
955 Christus
956 Petrus
957 Paulus
958 Andreas
961 Philippus
962 Jacobus d. Ä.
963 Bartholomäus
964 Thomas (=: Judas Thaddäus?)
965 Thomas
967 Matthaus
968 Simon
97 1 Jacobus d. J.
969 Simon
972 Matthäus
973 Andreas
•974 Jacobus d. Ä.
*959 Andreas
976 Andreas
975 Petrus
978 Simon
979 Joseph mit dem Jesusknaben
981 Reuige Magdalena
♦982 Jacobsleiter
•983 Jacob von Isaak gesegnet
985 Paulus Erem.
•987 Petri Befreiung
♦988 Frauenkampf
•989 Bartholomäusmarter
990 Hl. Dreieinigkeit
992 Augustin
993 Sebastian
•994 Hieronymus von 1644
•996 Hieronymus von 1652
997 Maria Egyptiaca
977 Bartholomäus
980 Reuige Magdalena
999 Johannes der Täufer
*looo
lOOI
1002
*ioo5
1004
•1003
1006
1007
1008
1009
*ioio
lOlI
1012
Extase des Hl. Franciscus
Hl. Rochus
Hl. Rochus
Hl. Christophorus
IxioD
Prometheus
Gambazo
Hl. Eremit
Ein Anacoret
Ein Philosoph
Ein Philosoph
Archimedes
Eine Frau 1
aus dem verloren
gegangenen Ge-
Bacchuspriester I mälde „Triumph
des Bacchus".
ogegebe
') Die mit einem
, auf Leinwand.
ACADEMIA DE S. FERNANDO.
♦Extase der Hl. Magdalena.
* Vision des Hl. Antonius von Padua.
Ecce homo.
* Kopf Johannis d.T. auf einer Schüssel.
Hl. Hieronymus.
DUQUE DE LERMA.
•Porträt der Maddalena Ventura.
D. LUIS DE NAVAS.
♦Hl. Hieronymus.
KLOSTER S. ISABELLA.
♦Concepcion.
(Früher DUQUE DE OSUNA.
Hl. Hieronymus.)
ESCORIAL.
*33g Anbetung der Hirten.
♦Vision des Hl. Antonius von Padua.
♦Jacob, Labans Herde hütend.
♦Befreiung Petri.
Der Gnadenstuhl in den Wolken.
MURCIA.
Museo prov.
♦Hl. Hieronymus.
sind signiert. Alle Gemälde, soweit nichts anderes
i87
Galerie Estor.
*H1. Magdalena.
OSUNA.
Colegiata.
Kreuzigungsgruppe.
SALAMANCA.
Kirche der Agustinas Recoletas.
* Concepcion.
Maria mit Antonius u. Augustin.
Hl, Januarius.
Pietä.
Geburt Christi.
SANLUCAR.
Palast des Herzogs von Montpensier (früher
Palazzo Santelmo in Sevilla),
Cato Ulicensis.
TOLEDO,
Museo,
*H1. Familie,
Catedral.
•St. Diego.
VALENCIA.
Seo. Sacristei.
* Anbetung der Hirten.
VITORIA.
Disputacion provincial.
* Petrus,
* Paulus.
* Cruzifixus.
ITALIEN,
FLORENZ.
Pal. Pitti.
*HI. Franciscus.
GENUA.
Pal. Durazzo.
*Heraclit und Democrit.
MAILAND.
Gal. Crespi.
*H1. Hieronymus.
Brera.
Hl. Hieronymus.
NEAPEL.
Dom. Cap. del Tesoro.
*Der hl. Januarius geht unversehrt aus
dem Feuerofen hervor. (Schiefer).
Gesü.
3 Bilder aus dem Leben des Hl.
Ignatius.
S. Martino.
Kirche.
*I2 Propheten (*Noah).
Moses.
Elias.
*Communion der .'\postel.
Cap. del Tesoro.
*Pietä.
Museo Nazionale
*Silen.
* Apoll und Marsyas.
* S. Bruno empfängt die Ordensregeln,
(Kupfer).
•Hieronymus in Medidation.
•Hieronymus die Posaune ver-
nehmend.
•Hl. Sebastian.
Pal. Reale.
Vision des Hl. Bruno.
Cav. d'Angelo.
•Grablegung Christi.
Früher Ducca di Bovino.
•Maria mit Kind.
PARMA.
S. Andrea.
Hl. Martin.
ROM.
Gal. Nazioaale.
•Venus und Adonis.
Gal. Doria.
•Hl. Hieronymus.
Früher bei Sign. Simonetti.
* Geograph.
* Archimedes.
Graf Stroganoff.
* Porträt eines maestro al cembalo.
TURIN.
* Hl. Hieronymus.
i88
DEUTSCHLAND.
BERUN.
Kaiser-Friedrich-Museum.
* Hl. Sebastian.
CASSEL.
•Mater dolorosa.
DRESDEN.
'Diogenes.
•Paulus Eremit.
•Befreiung Petri.
•Franciscus auf den Dornen.
•Hl. Agnes.
Hl. Andreas.
HAMBURG.
Sammlung Weber.
•Anbetung der Hirten.
SCHWERIN.
• Ein spaniseher Edelknabe mit seinem
Schutzheiligen.
RUSSLAND.
PETERSBURG.
Eremitage.
•334. Hl. Onuphrius.
•331. Hl. Sebastian.
•333. Hl. Hieronymus.
332. Hl. Hieronymus.
FRANKREICH.
AMIENS.
•Die Messe des hl. Gregor.
MONTPELLIER.
•Maria E^yptiaca.
PARIS.
Louvre.
•Paulus Eremit.
•Anbetung der Hirten.
•Klumpfuß.
Baron Leon de Bus:
•Hl. Hieronymus.
Früher in PAU.
•Hl. Franciscus von Paula.
ÖSTERREICH.
WIEN.
K. K. Gemäldegalerie.
Christus und die Schriftgelehrten.
Fürst Liechtenstein').
* Anaxagoras.
• Archimedes.
•Diogenes.
•Philosoph.
* Philosoph.
•Philosoph.
UNGARN.
BUDAPEST.
•Marter des hl. .\ndreas.
BELGIEN.
BRÜSSEL.
• Marsyasschindung.
SCHWEIZ.
SOLOTHURN.
•Evang. Matthäus.
ENGLAND.
Marquis of Bristol.
Ickworth bei Bury St. Edmunds.
•Der Hohepriester Simeon mit dem
Jesusknäblein.
Earl of Northbrook, London.
•Verlobung der hl. Katharina.
Duke of Wellington, Apsleyhouse.
•Johannes d. T.
Früher Lord Dudley.
•Hl. Procop.
j) Diese Gemälde befind
Prüfung war mir nicht möglich. Mit diesen
Zeit", die gleichfalls Ribera zugewiesen war.
Fürsten verteilt sein.
ch seit geraumer Zeit nicht mehr in der Galeric. Eine Nach-
diesen Gemälden entfernt wurden noch eine ,, Allegorie auf die
Die Gemälde sollen jeut auf verschiedene Schlosser des
VERSCHOLLEN.
Kapuzinerkloster.
Ruhe auf der Flucht.
MADRID.
Nonnen des hl. Pascual.
Concepcion.
Taufe Christi.
Sebasti ansmarter.
Hl. Eremit.
S. Thomas.
Cruzifixus.
Academia de S. Fernando.
Hirtenanbetung.
ndelfonso.
Laokoon.
Buonretiro.
Sisyphus.
Tantalus.
Nicolas de Azarra.
* Bettler.
SALAMANCA.
Kirche der Agustinas.
Porträt des Grafen Monterey und
das seiner Schwester Donna
Marg. Fonseca.
PARIS.
1875 in Paris versteigert:
Paulus Eremit.
(Albarran).
Concepcion.
(Angebl. aus Montereykloster a. d.
Bes. des Marques de Salamanca).
Sammlung Louis-Philippe.
Kampf des Herkules mit dem Ken-
taur.
PAU.
Franz von Paula.
Porträt eines span. Vicekönigs.
NEAPEL»).
Cap. del Pal. Reale.
Concepcion.
Madonna mit Kind, früher bei Ducca di
Bovino.
ROM.
Hl. Hieronymus aus S. Maria Maggiore.
Gal. Borghese.
St. Stanislaus Kostka mit dem Jesus-
knaben auf dem Arm.*)
Hieronymus früher bei Duque de Osuna.
Paulus. Onuphrius, früher bei Lord
Dudley.
i) A. Nap. Nob. VU. 73.
Sammlung des priDcipe di Scilla
Due quadrt original! di Giuseppe
Register vom 7. Februar 1853:
ivera, detto lo Spagnoletto, uno rapprefentaute
d'Assissi con la comice u
la coraice nera a tre ordini
Nap. Nob. VII. 95.
Vicente della Quad;
tre ordini
di palmi
di Capodi
l'altro di S. Ma
S. Fr
Egii
e 3-
nel
28. Mezza Figu:
29. Mezza Figu;
Sammlung des
des Vaters Tod . . . . :
B. Von den im
nicht mehr auffindbar:
Johaou, d. Täufers. —
Philosoph. — Frai
la Repubblica franc
799:
la Vecchia, che pesa I'oro, dcllo Spagnoletto.
1 Vecchio dello stcsso Nap. Nob. VU, 183.
MaruUi Neapel 1825: Duca Don Sebastiane erhielt bei der Teilung nach
filosofi del Ribera duc. 120.
Katalog verzeichneten Neapolitaner Gemälden waren ferner
: Princ. di Fondi Franz v. Assisi; Ma.iouna Hbfg. — Princ, Gaet. Filangieri Kopf
— Princ. di Castelcicala Hieronymus Hbfg. — Com. Carafa di Noia Apostel.
Siciliani Anachoret Hbfg. — Onorato de'Medici Apostel Hbfg.
Anfangs der i
Jahre des vorigen Jahrhunderts verkauft. Ci
n. 3, 951 h.
ZWEIFELHAFT.
SPANIEN.
MADRID.
Ac. S. Fern.
Grablegung bez. 1645.
Prado.
970. Judas Thaddäus.
ESCORIAL.
Onuphrius.
Franciscus.
Hieronymus.
441. Anbetung der Hirten.
PALMA DE MALLORCA.
Marques de Vivot Conde de Perelada.
Versuchung deshl. Antoniusbez. 1642.
VALENCIA.
Mus. Prov.
S. Teresa.
271. Studienkopf.
ITALIEN.
NEAPEL.
Ducca di Miranda.
Magdalena.
Principessa dei Fondi.
Christus unter den Schriftgelehrten.
ROM.
Vatican. Pinakothek.
Lorenzmarter.
TURIN.
Homer.
i) Nicht nachprüfcD konnte ich von eng
Alton Tower.
Christus.
Selbstporträt.
Burleighhouse.
Ruhe auf der Flucht.
Wrotham Park Lord Enfield.
Ungläub. Thomas.
Miss Maguirc.
Christus an d. Säule.
Chatsworth.
Paulus,
a) Waagen erwähnt S. 434 seines Buche
der Herren J. N. von Tchelistcheff von Riber:
stücke. Sehr energisch aufgefaßt und ebenso m
FLORENZ.
Pitti.
Porträt des Simone Paganucci.
FRANKREICH..
GRENOBLE.
Bartholoraäusmartcr.
NANCY.
Taufe Christi.
PARIS.
Louvre.
Maria mit Kind.
ROUEN.
Der barmherzige Samariter.
ENGLAND (und Irland).
DUBLIN.
Onuphrius.
LONDON').
Nat. Gallerie.
Pietä.
Die Berufung Mosis. (f)
RUSSLAND.
PETERSBURG«).
Eremitage.
336. Der hl. Francesco de Paula.
337. Hl. Lucia.
ischen Bildern:
Grosvenorgallerie.
Diogenes.
Dr. E. Pick
Italienerin.
Lord Yarborough.
Petrus. (Waagen Kw. II. aoa).
Earl Spencer.
Carl Borromäus im Gebet.
(Manchester Exhib. of Art Treasurei
1857. No. 369).
Mr. Anderson, Newcastle. Jesmond Cottage
Simeon und Jacobus d. J.
über die Petersburger Gemäldesammlungen im Besit:
! Hand „Archimed und ein alter Philosoph. Gegen
isterlich als fleißig durchgeführt."
KOPIEN.
SPANIEN.
CADIZ Mus.
Beweinung.
CORDOBA Mus.
Ruhe auf der Flucht.
GRANADA.
Catedral Altar Jesus Nazareno.
Vision des hl. Antonius von Padua.
Paulus Erem. in der Höhle.
Lorenzmarter.
Ruhe auf der Flucht.
MADRID.
Prado.
g66. Ap. Thomas.
986. Beweinung.
Onuphrius.
S. Isabella.
Hirtenanbetung.
Kgl. Palast.
D. Juan de Austria II.
Conde de SallenL
Philosoph.
ESCORIAL.
Beweinung.
Hieronymus.
PALMA DE MALLORCA.
D. Felipe Villalonga.
Andreas.
Ruhe auf der Flucht.
Marques de Palmer.
Jacob mit Labans Heerde.
D. Ramön Marotö.
Philosoph.
PUERTO S. MARIA.
„Holzhackerfamilie".
SEVILLA.
D. Lopez Cepero.
Jacobs Traum.
Hirtenanbetung.
VALENCIA.
Mus.
Sebastian.
Onuphrius.
Reuiger Petrus.
Paulus Erem.
Hirtenanbetung.
VALLADOLID.
Mus.
Reuiger Petrus.
Catbedr.
Apostelcyclus.
ITALIEN.
FLORENZ.
Uffizien.
Selbstporträt.
NEAPEL.
Principe di Casapesenna.
Bartholomäusmarter.
S. Filippo Neri.
Hl. Andreas.
S. Francesco Xaverio.
Vision des Hl. Antonius von Padua.
Früher Ducca di Bovine.
Franziscus von Paula.
ROM.
S. M. Maggiore.
Hl. Hieronymus.
Pal. Rospigliosi.
Bartholomäusmarter.
TURIN.
Paulus Eremit.
DEUTSCHLAND.
BERLIN.
K. Friedrichmuseum.
Bartholomäusmarter.
DRESDEN.
Lorenzmarter.
Jacob mit Labans Heerde.
192
HAMBURG.
Galerie Weber.
Hl. Andreas.
MÜNCHEN.
Alte Pinakothek.
Hl. Bartholomäus.
WIESBADEN.
„Holzhackerfamilie".
ÖSTERREICH.
WIEN.
Graf Czernin.
Isaaksegen.
Graf Harrach.
Hl. Joseph.
UNGARN.
BUDAPEST.
Hl. Sebastian.
FRANKREICH.
DIJON.
Barlholomäusmarter.
Hieronymus.
MARSEILLE.
Hl. Joseph.
NARBONNE.
Hl. Andreas.
PARIS. Louvre.
1722. Grablegung.
DÄNEMARK.
KOPENHAGEN.
Hl. Onuphrius.
SCHWEDEN.
STOCKHOLM.
Bartholomäusmarter.
ENGLAND.
LONDON.
Bridgewater Galerie.
Christus und die Schriftgelehrten.
Earl of Derby.
Jacob mit Labans Heerde.
HAMPTON COURT.
Bartholomäusmarter.
SCHULBILDER, NACHAHMUNGEN.
SPANIEN.
BARCELONA,
Mus.
Bartholomäusmarter.
CADIZ.
Mus.
Hicronymus.
Maria Egyptiaca.
Reuiger Petrus.
Bartliolomäusmarter.
CUENCA.
Findelhaus.
Reuiger Petrus.
GRANADA.
Catedral.
Joseph mit Jesusknäblein.
Hl. Franz. von Paula.
Magdalena (AI. Cano).
MADRID.
Prado.
960. Johannes Evang.
984. Concepcio Immaculata.
991. Bartholoraäusmarter.
M. Hernando.
Bartholomäusraarter.
Conde de Sallent.
Apostel.
ESCORIAL.
441. Hirtenanbetung.
Onuphrius.
Philosoph.
OSUNA.
Colegiata.
Hieronymus.
Sebastian.
Petrus.
Bartholomäusmarler.
PALMA DE MALLORCA.
Marques de la Cenia.
2 Philosophen.
2 Apostel.
D. Felipe Villalonga.
Reuig. Petrus.
Mayer, Jusepe de Ribera (Lo Spagnoletlo).
D. Ramön Marotu.
13 Philosophen.
TOLEDO.
Mus.
Reuiger Petrus.
VALENCIA.
S. .■andres.
Hl. Andreas.
Bartholomäusmarter.
ENGLAND (Irland).
DUBLIN.
HI. Joseph.
EDINBURGH.
Philosoph.
Sir John Nelthorpe Scawby Lincolnslüre.
Reuiger Petrus.
E. Molyneux
Petrus.
Früher Lord Dudley.
Petrus.
John Grant of Kilgraston.
Petrus.
LONDON.
National Gallerie.
„Orlando raucrto".
Alton Tower.
Archimedes.
Hampton Court.
Der jugcndl. Johannes d.T. i.d. Wüste.
Philosoph.
Cobhamhall Lord Darnley.
Heraklit.
Demokrit.
Früher Mr. Nesbit.
Demokrit.
Herzog v. Sutherland (Stafford Ilouse).
Heraklit.
Christus in Emmaus.
RICHMOND.
Sir Fred. Cook. Bart. (Daugthyhouse).
Hieronymus, die Posaune vernehmend.
Hl. Petrus.
Ein Apostel.
13
194
FR.\NKREICH.
AVIGNON.
Petrus auf den Welleu.
BORDEAUX.
Philosophenversammlung.
Hieronymusdisputacion.
CHERBOURG.
Reuiger Petrus.
LILLE.
Hicronymus.
LYON.
Reuiger Petrus.
MONTPELLIER.
Apostelkopf.
PARIS.
Louvrc.
4 Philosophen.
Beweinung.
DEUTSCHLAND.
AUGSBURG.
Hl. Sebastian.
Frauenporträt.
BERLIN.
K. Friedrichmuseum.
Hieronymus.
Sammlung Carstanjen.
Paulus Erem.
Frau Direktor Kocherthaler.
Apostelkopf.
Prof. Ludwig Knaus.
Der barmherzige Samariter.
BONN.
Dr. Martins.
Extase der hl. Magdalena.
CHEMNITZ.
Bartholomäusmarter.
CÖLN.
Sebastian.
DRESDEN.
Mus.
691. Männliches Porträt.
Kunstakademie.
Schüler und Lehrer.
FULDA.
A. Gies.
Apostel.
LEIPZIG.
Reuiger Petrus.
MÜNCHEN.
Kreuzabnahme des Andreas.
Tod Senecas.
Hieronymus.
Onuphrius.
,, Höckerfrau".
Mönch.
.■\rchimedes.
Reuiger Petrus.
Bartholomäusmarter.
Henker mit Kopf, Joh. d. Tauf.
OLDENBURG.
Grablegung.
STUTTGART.
Hieronymus.
ITALIEN.
FLORENZ.
Uffizien.
Hieronymus.
Pal. Pitli.
Bartholomäusmarter.
Pal. Corsini.
Andreasmarter.
Zwei Gelehrte am Studiertisch.
NEAPEL.
Ducca di Marianella.
10 Apostel.
Früher Ducca di Bovine.
Franziscus.
S. Filippo Neri.
Jacobus.
Ecce Homo.
Museum.
Studienkopf.
P,\RMA.
12 .Apostel.
PORTO D'ANZIO.
Princ. Borghese (Villa Doria).
Reuiger Petrus.
195
ROM.
Gal. Nazionale.
Philosoph.
Gal. Doria Pamphili.
297. Hieronymus.
Principe Doria.
Hagar und Ismael.
Sign. Simonetti.
Extase der hl. Magdalena.
Accad. S. Lucca.
Hieronymusdisputacion.
VENEDIG.
Academia.
Bartholomäusmarter.
ÖSTERREICH.
WIEN.
K. K. Museum.
Kreuztragung.
Philosoph.
Archimedes.
Reuiger Petrus.
Fürst Liechtenstein.
Kreuzigung Petri.
Hieronymus.
Graf Czernin.
Philosoph.
Graf Harrach.
Hieronymus.
Bartholomäus.
Apostelkopf.
Concepcion.
Bartholomäusmarter.
UNGARN.
BUDAPEST.
Philosoph.
HOLLAND.
AMSTERDAM.
Die Eitelkeit.
SCHWEDEN.
STOCKHOLM.
Paulus Eremit.
RUSSLAND.
PETERSBURG.
Eremitage.
338 Philosoph.
330 Sebastian.
HANDZEICHNUNGEN.
CORDOBA.
Simson und Delila. Rötel.
Der Erzengel Michael einen Ver-
dammten in die Hölle jagend. Rötel.
FLORENZ.
Uffizien.
Hieronymus (1386) Rötel.
'Büßender Heiliger (Hieronymus?
2192^). Rötel.
BüJäendc Magdalena. Rötel.
LONDON.
Brit. Mus.
'Büßender Heiliger. Rötel.
[cf. Uffizien 2192^].
Christ Church. Collect. Guise.')
.\lte Frau. Rötel.
ZWEIFELHt^FT.
DRESDEN.
Hieronymus. Fed. und Röt.
PARIS LOUVRE.
Studie zu einem Marsyas? Rötel.
Alle andern Ribera zugewiesenen Zeichnungen in Florenz, Frankfurt, Leipzig, London,
Mailand, München, Neapel, Paris, Wien — in der überwiegenden Mehrzahl Feder-
zeichnungen — gehören nicht dem Meister an.
Nachtrag.
Zu S. 49 aus B. 17 zwei Ohren kopiert. Unterschrift Gioseppe de riuera spanuolo
fece a bolino.
B. 15 — 17 sind für das B. XVI. p. 288. 2) erwähnte Blatt der 1636 in Venedig
erschienenen Zeichenschule des Palma giovane benutzt.
■) Diese sehr breit behandelte Studie, wohl a'
der Abbildung im IV. Bd. von Sidney Colvins „Sele
bekannt, bez. rechts oben Joseph ä Ribera hisp.
der späteren Zeit des Meisters, ist mir nur aus
ed Drawings from old masters". Oxford 1905
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN IN LEIPZIG
KUNSTGESCHICHTLICHE MONOGRAPHIEN
BAND I.
A. HAUPT, PETER FLETTNER, DER ERSTE MEISTER DES
OTTO-HEINRICHSBAUS ZU tIEIDELBERG.
Mit Unterstützung des Großherzoglich Badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus
und des Unterrichts herausgegeben. Mit 15 Tafeln und 33 Illustrationen im Text. Kart.
Leipzig 1904. Preis 8 Mark.
Die neue Studie des Verfassers, der sich schon seit längerer Zeit mit den Bauwerken
Heidelbergs und ihrer Geschichte beschäftigt und bereits vor einigen Jahren mit einem
der wichtigsten Werke über den Otto-Heinrichsbau hervortrat, hat die Aufgabe, die Mög-
lichkeit der Beteiligung Flettners am ersten Entwürfe der Fassade dieses vielumstrittenen
herrlichen Denkmals deutscher Profanarchitektur nachzuweisen. Das aktuelle Werk ver-
dankt seine Entstehung dem warmen Interesse S. K. H. des Großherzogs von Baden und
gewinnt hauptsächlich an Bedeutung durch seine zwingende Beweisführung in Gestalt einer
Kette von Vergleichen nachgewiesenermaßen Flettnerscher Originalarbciten an Baudenk-
mälern verschiedener Länder mit der Ornamentik und dem skulpturcllen Schmucke des
Heidelberger Schlosses. Das Buch ist ein weiterer schätzenswerter Beitrag zur Lichtung
des bisher undurchdringlichen Dunkels, das über der Geschichte der künstlerischen Ent-
stehung des Otto-Heinrichsbaus lagerte und wird als solcher von Kunsthistorikern und
Architekten, Architektursaramlungen und Bibliotheken, technischen Hochschulen und Kunst-
akademien und nicht zuletzt auch von einem kunstliebenden Publikum lebhaft begrüßt werden.
BAND U.
R. BURCKHARDT, CMA DA CONEGLIANO.
Ein venezianischer Maler des Übergangs vom Quattrocento zum Cinquecento. Ein
Beitrag zur Geschichte Venedigs. Mit 31 Abbildungen in Autotypie. Eleg. kart. Preis 12 Mk.
Wer Venedigs Kunst liebt, wen der Übergang von der herb archaischen Kunst zur
hoch klassischen fesselt, der findet in diesem dem schlichten Maler Cima da Concgliano
gewidmeten Versuch reiche Anregung und edlen Genuß, denn auch dieser bis jetzt noch
wenig bekannte Künstler hat viel zum Werden der großen Kunst beigetragen.
Die Bedeutung des Künstlers konnte erst gewürdigt werden, nachdem alle wich-
tigen Bilder persönlich studiert waren, nachdem versucht worden war, durch archivarische
Forschungen und Stilkritik sie chronologisch einzureihen.
Es ist ein ganz neues Bild des venezianischen Malers, dieser liebenswürdigen heiteren
Künstlernatur, entstanden, das dem Forscher und dem Kunstfreunde dadurch, daß dem
Buche von allen wichtigen Bildern des Künstlers gute Abbildungen beigegeben sind, be-
sonders willkommen sein wird.
Im Stil ist erstrebt, einfach und schlicht, aber wahr und warm das wiederzugeben
was dem Verfasser bei seinen Studien über Cima zum Erlebnis geworden; dieses immer
Höherstreben eines großen Künstlers in einer wunderbar fruchtbaren Zeit.
BAND m.
ERNST HEIDRICH, GESCHICHTE DES DÜRERSCHEN
MARIENBILDES.
Gr.-8., XIV, und 209 Seiten mit 26 Abbildgn. in Autotypie. Eleg. kart. Preis 1 1 Mk.
Das Buch gibt zunächst einen wertvollen Beitrag zur genaueren Kenntnis der Kunst
Albrecht Dürers, indem es die eine inhaltlich und formal bestimmte Linie des Dürcrschen
Schaffens im Zusammenhange ihrer Entwicklung verfolgt: eine Geschichte des Dürcrschen
Marienbildes nicht im Sinne einer bloßen Aufreihung der einzelnen Mariendarstellungen,
sondern im Sinne einer in sich geschlossenen und mit der Gesamtentwicklung Dürers
zusammenhängenden notwendigen Folge. An zweiter Stelle erscheint das Buch als ein Aus-
schnitt aus einer Geschichte der religiösen Themata in der deutschen Kunst der Refor-
mationszeit. Die Abbildungen geben 25 der schönsten und für die Entwicklung wich-
tigsten Zeichnungen und außerdem die Reproduktion eines bisher nicht beachteten
Gemäldes, das als treue Kopie eines verlorenen Dürcrschen Sippenbildes von 1508 bis 1509
erwiesen wird.
Fortsetsmig siehe nächste Seite.
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN IN LEIPZIG
ERNST STEINMANN, DAS GEHEIMNIS DER MEDICIGRABER
mCHEL ANGELOS.
Groß-Oktav, 128 Seiten mit 33 in Doppeltonfarbe gedruckten Abbildungen im Text
und 15 Tafeln, davon 10 in Duplex-Autotypie. In eleg. Leinwandband. Preis 12 Mark.
Die Medici-Denkraäler von San Lorenzo boten von jeher Anlaß zu besonderen
Betrachtungen. Sie schienen von allen Rätseln in der Kunst Buonarrotis das unbegreif-
lichste zu sein. Die endgültige Lösung des Problems darf daher das allgemeinste
Interesse beanspruchen. Die Erfahrungen einer etwa zehnjährigen Tätigkeit und Beschäf-
tigung mit Michelangelo legte der als Herausgeber des Sixtina-Werkes bekannte Verfasser
in dem Buche in einer Form nieder, die als Verbindung höchster dichterischer Kunst mit
vollkommenstem Wissen alles dessen, was alte und neue Forschung über den Künstler
ergeben hat, bezeichnet werden kann.
Auf die ."Kusstattung des Bandes, der auch in den Abbildungen mancherlei Un-
ediertes und außerdem einige neue Beiträge zum Problem der Flußgötter Michelangelos
bringt, wurde die größte Sorgfalt verwendet.
BAND V.
IL\NS BORGER, GRABDENKMÄLER IM MAINGEBIET vom
Anfang des XIV. Jahrhunderts bis zum Eintritt der Renaissance.
Groß-Oktav, 78 Seiten mit 33 .'Abbildungen auf 28 Tafeln. Im elegantem Lein-
wandband. Preis 12 Maik.
Eine der wichtigsten Aufgaben der mittelalterlichen Kunst stellte das Grabdenkmal.
Die Forschung hat dieses Spezialgebiet bisher verhältnismäßig wenig gepflegt, und doch
sollte man, ganz abgesehen von den hohen künstlerischen Leistungen dieser Grabplaslik,
sich längst allgemeiner auf ihre grundlegende Bedeutung für die Datierung anderer Skulp-
turen besonnen haben. Das vorliegende Werk behandelt ein besonders bemerkenswertes
Gebiet, das Maintal mit den Domen zu Bamberg, Würzburg und Mainz und ihren großen
Reihen von bischöflichen Grabdenkmälern. Auch die Hauptorte des Mainlaufes sind in
die Untersuchung mit hineingezogen.
Die besten und interessantesten Grabdenkmäler des Maintales sind in der Publika-
tion auf 28 Tafeln vorzüglich wiedergegeben.
BAND VI.
ANDREAS AUBERT, DIE MALERISCHE DEKORATION DER
SAN FRANCESCO KIRCHE IN ASSISI. EIN BEITRAG
ZUR LÖSUNG DER CBLABUE-FRAGE.
Groß-Oktav, 149 Seiten mit 80 Abbildungen in Lichtdruck auf 69 Tafeln; da-
von eine farbig. In elegantem Leinwandband. Preis 36 Mark.
CIM.AEUE gilt heute für eine gewisse Richtung der modernen Kunstkritik, die
immer mehr Anhänger findet, als ein Name ohne kunsthistorische Bedeutung. Hand in Hand
mit dieser Unterschätzung des Meisters geht eine Vernachlässigung seiner von der Zeit schon
stark mitgenommenen Werke, die langsam dem Verfall entgegengehen. Die Reste jener
vorgiottesken Kunstepoche zeigen auch in ihrem traurig verwüsteten Zustande eine monu-
mentale Größe und dekorative Werte, die sich mit Giottos Kunst wohl messen können,
ja die Voraussetzung Giottos bilden. Von einer tiefen Bewunderung für die Kunst Cima-
bues getrieben, hielt es der Verfasser an der Zeit, nach jahrelangen ernsten Studien, das
Cimabue-Problem von neuem aufzunehmen und dem Meister den ihm gebührenden Platz
als Grundstein der italienischen Malerei zurückzugeben.
Der Wert der Publikation wird dadurch ganz besonders erhöht, daß darin auf nicht
weniger als 69 Lichldrucktafeln, wovon I farbig, ein überaus reiches, bis jetzt meist un-
publiziertes Bildermaterial aus der Zeit Cimabues und Giottos der Forschung zugänglich
gemacht wird.
Prospekte stehen Interessenten siir Verfügung.
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN IN LEIPZIG
HERMANN VOSS, DER URSPRUNG DES DONAUSTILES.
EIN STÜCK ENTWICKLUNGSGESCHICHTE DEUTSCHER
MALEREI
Groß-Oktav, 223 Seiten Text mit 30 Abbildungen auf 14 Tafeln und im Text.
In elegantem Leinwandband. Preis 18 Mark.
Wie der Untertitel verrät, ist es die Absicht des Verfassers, einen Beitrag ent-
wickelungsgeschichtlicher Art zur deutschen Malerei zu liefern. Gegenstand war ihm dabei
die Kunstübung der oberdeutschen, besonders der bayerischen Lande seit etwa 1450;
Zweck der .\rbeit ist, zu zeigen, wie aus einheimischen und fremden Vorbedingungen
zusammen die Kunst des ,, Donaustiles'*, also Altdorfers und seines Kreises in weiterem
Sinne, sich entfaltet hat. Von besonderem Interesse war die höchst eigenartige und über-
raschend bedeutende Persönlichkeit des Wolf Huber von Passau, dessen malerische Tätig-
keit im ersten Teil der .\rbeit erstmals zusammengestellt und gewürdigt wird. Während
dann der zweite Teil den Kern der Untersuchung aufnimmt, wird im dritten der Aufbau
der Elemente versucht, die den künstlerischen und geistigen Charakter des Donaustiles im
Ganzen bedingen. Neben den so angedeuteten Hauptlinien des Buches findet sich eine
größere Zahl von Nebenlinien eingezeichnet, die zur Erhellung einzelner kritischer Fragen
bestimmt sind, zwei von ihnen bilden kleine Abhandlungen für sich und sind als Exkurse
ans Ende gestellt.
BAND VIII.
OTTO HOERTH, DAS ABENDMAHL DES LEONARDO DA
VINCI. Em BEITRAG ZUR FRAGE SEINER KÜNSTLE-
RISCHEN REKONSTRUKTION.
Groß-Oktav, 250 Seiten Text mit 25 Abbildungen in Lichtdruck auf 23 Tafeln.
In elegantem Leinwandband. Preis 20 Mark.
In dem Abendmahl des Leonardo da Vinci verkörpert sich schlechtweg unsere
Vorstellung von dem letzten Passahmahl Christi. Zu dieser Bedeutung des Werkes aber
steht in innerem Widerspruch der ruinöse Zustand des Originals in S. Maria delle Grazie
sowie auch der Umstand, daß mittelmäßigen Nachbildungen bisher die Vermittlerrolle
überlassen bleiben mußte. Da das Original aus Pietätsgründen nur konserviert, niemals
restauriert oder gar ergänzt werden darf, so läßt sich jener Widerspruch nur durch Er-
stellung einer den ursprünglichen Zustand des Originals wiedergebenden Kopie beheben,
die jedoch eine vollständige und genaue Kenntnis der Komposition voraussetzt. Die
Hauptaufgabe, die die vorliegende Publikation sich stellte, war demgemäß, das Werk
Leonardos zu erkennen. Die Untersuchungen des zweiten und dritten und eines Teils
des vierten Kapitels sind diesem Zweck gewidmet: dann erst konnte das zur Schaffung
einer Musterkopie brauchbare Material, soweit es der heutigen Forschung zugänglich ist,
nachgewiesen werden.
BAND IX.
JOHANNES SIEVERS, PIETER AERTSEN. EIN BEITRAG
ZUR GESCHICHTE DER NIEDERLÄNDISCHEN KUNST
IM XVI. JAHRHUNDERT.
Groß-Oktav, ca. 176 Seiten Text mit 35 .Abbildungen in Lichtdruck auf 34 Tafeln.
In elegantem Leinwandband. Preis noch unbestimmt.
BA^^D X.
AUGUST L. MAYER, JUSEPE DE RIBERA (LO SPAGNOLETTO).
Groß-Oktav, ca. 192 Seiten Text mit 59 Abbildungen in Lichtdruck auf 43 Tafeln.
In elegantem Leinwandband. Preis noch unbestimmt.
Prospekte stehen Interessenten sur Verfügung.
VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN IN LEIPZIG
Erstes Beiheft der Kunstgeschichtlichen Monographien:
KUNSTWISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE AUGUST
SCHMARSOW GEWIDMET ZUM FÜNFZIGSTEN
SEMESTER SEINER AKADEMISCHEN LEHRTÄTIGKEIT
von H. Weizsäcker, M. Semrau, A. Warburg, R. Kautzsch,
O. Wulff, P. Schubring, J. von Schmidt, K. Simon, G. Graf
Vitzthum, W. Niemeyer, W. Finder.
Groß-Quart, 178 Seiten Text, 12 Tafeln, davon 9 in Lichtdruck, und 43 Abbil-
dungen im Text. Preis 32 Mark.
Inhalt:
OSKAR WULFF-Berlin , Die umgekehrte Perspektive und die Niedersicht. Eine Raum-
anschauungsform der altbyzantinischen Kunst und ihre Fortbildung in der Renaissance.
(i — 40) Mit 16 Abbildungen.
WILHELM NIEMEYER-Düsseldorf, Das Triforium. (41—60) Mit 2 Buchdrucktafcin.
GEORG GRAF VITZTHUM-Leipzig, Eine Miniaturhandschrift aus Weigelschem Besitz.
(61 — 72) Mit 2 Abbildungen und t Lichtdrucktafel.
RUDOLF KAUTZSCH-Darmstadt, Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Malerei in
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. (73 — 94) Mit 4 Textabbildungen und
1 Lichtdrucktafel.
MAX SEMRAU-Breslau, Donatello und der sogenannte Forzori-Altar. (95 — 102) Mit
2 Textabbildungen.
PAUL SCHUBRING-Berlin, Matteo de Pasti. (103—114) Mit 7 Textabbildungen und
I Lichtdrucktafel.
JAMES VON SCHMIDT-St. Petersburg, Pasquale da Caravaggio. (115— 128) Mit 4 Text-
abbildungen und l Lichtdrucktafel.
ABY WARBURG-Hamburg, Francesco Sassetis letztwillige Verfügung. (129—152) Mit
6 Textabbildungen, 2 Lichtdruck- und I Autotypietafel.
HEINRICH WEIZS.^CKER-Sluttgart, Der sogenannte Jabachsche Altar und die Dichtung
des Buches Hiob. Ein Beitrag zur Geschichte von Albrecht Dürers Kunst. (153 — 162)
Mit I Lichtdrucktafel.
KARL SIMON-Posen, Zwei Vischersche Grabplatten in der Provinz Posen. (162—169)
Mit I Lichtdrucktafel.
WILHELM PINDER- Würzburg, Ein Gruppcnbildnis Friedrich Tischbeins in Leipzig.
(170 — 178) Mit I Lichtdrucktafel.
August Schmarsow, Professor der Kunstgeschichte an der Universität Leipzig und
Direktor des kunsthistorischen Instituts, kann auf mehr als 50 Semester hingebender Lehr-
tätigkeit an deutschen Hochschulen zurückblicken. Aus diesem Anlaß hat sich aus der
Gesamtheit seiner Schüler ein engerer Kreis vereinigt, um ihm in dankbarer Verehrung
die in diesem Bande gesammelten Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit zu widmen. Bei
dem Ansehen, das Professor Schmarsow in der kunstwissenschaftlichen Welt genießt, dürfte
diese Festschrift allseitiger Beachtung sicher sein. Sie bietet in kunstgeschichtlicher An-
ordnung eine Reihe wichtiger Beiträge, die sich über das Gesamtgebiet der neueren Kunst-
entwickelung verteilen. Die Mannigfaltigkeit und Bedeutsamkeit der behandelten Themata
stellt zugleich der anregenden Kraft des Lehrers ein lebendiges Zeugnis aus.
Prospekte stehen Interessenten sur Verfügung.
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University of British Columbia Library
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